»Ich schwöre Treue …«: Der politische Eid in Deutschland zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik [1 ed.] 9783666311215, 9783525311219


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»Ich schwöre Treue …«: Der politische Eid in Deutschland zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik [1 ed.]
 9783666311215, 9783525311219

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Vanessa Conze

»Ich schwöre Treue …« Der politische Eid in Deutschland zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Gunilla Budde, Dieter Gosewinkel, Christina Morina, Paul Nolte, Alexander Nützenadel, Hans-Peter Ullmann

Frühere Herausgeber Helmut Berding, Hans-Ulrich Wehler (1972–2011) und Jürgen Kocka (1972–2013)

Band 237

Vanessa Conze

»Ich schwöre Treue …« Der politische Eid in Deutschland zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Rund eintausend Helfer und Helferinnen des DRK während ihrer Vereidigung, 7.4.1940. © ullstein bild – Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0130 ISBN 978-3-666-31121-5

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Zeitalter des Übergangs: Der Eid vor 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. »Ich schwöre untertänig Treue und Gehorsam«. Der Eid im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1 Der Beamteneid und die Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Politische Loyalität: Der Eid als Mittel zur Disziplinierung der Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Jenseits des Positivismus: »Treue« als Kern des Eides . . . . . . . . 2.4 Wider den Zeitgeist: Kritik am Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Von »eidbrüchigen Juden« und »meineidigen Sozialisten«: Abgrenzung durch den Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Vom »Judeneid« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Wenn »Treue und Glauben nicht mehr Boden finden«: Der Vorwurf sozialdemokratischer »Meineidigkeit« . . . . 2.6 Einen Eid der Treue schwören? Die Sozialdemokratie zwischen Verratsvorwurf und Pragmatismus . . . . . . . . . . . .

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3. »Treue der Reichsverfassung«. Der Eid in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1 »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«: Der neue Eid . . . . . 3.2 Widerstand gegen den Verfassungseid . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Der Verfassungseid vor Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 An Rhein und Ruhr: Der Eid als Druckmittel im deutschfranzösischen Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Der Eid des Reichspräsidenten als symbolischer Akt der Republik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Der Eid Friedrich Eberts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Der Eid Paul von Hindenburgs . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Beschworene Verfassungstreue? Ein staatsrechtlicher Ansatz . . .

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4. »Treue bis in den Tod«: Der Eid im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Der Eid auf den »Führer«: Neuvereidigungen 1933/1934 . . . . . 4.1.1 Die Abschaffung des Verfassungseides . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Der Eid auf den »Führer« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Legitimation: Treuepflicht im Nationalsozialismus . . . . . . 4.3 Nationalsozialistische Inszenierungen des Schwurs . . . . . . . . 4.3.1 Massenvereidigungen an »Führers« Geburtstag . . . . . . . 4.3.2 Die durchvereidigte »Volksgemeinschaft« . . . . . . . . . . 4.4 Widerstand? Eidesverweigerungen und ihre Ahndung . . . . . . 4.4.1 Die Eidesverweigerung des Kurt von Fritz . . . . . . . . . . 4.4.2 Karl Barth, die evangelische Kirche und der Eid . . . . . . . 4.5 Widerstand! Der 20. Juli 1944 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Zwischen Renaissance und Vergessen: Der Eid in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.1 Zurück zum Eid: Neuregelungen in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Der Eid als Instrument des Verfassungsschutzes? . . . . . . . . . 5.3 Der Eid als Element der »Vergangenheitspolitik« . . . . . . . . . . 5.3.1 Das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . 5.3.2 Im Schatten des 20. Juli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die Debatte um den Fahneneid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Atempause: Der Eid Mitte der fünfziger Jahre . . . . . . . . . . . . 5.6 Gewissensfreiheit! Der Eid in der veränderten politischen Kultur der sechziger und siebziger Jahre . . . . . . . . 5.6.1 »Daumenschraube« Eid? Gesellschaftliche Debatten . . . . 5.6.2 Der wissenschaftliche Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Erneut vor Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit: Der »Extremistenbeschluss« und der Eid . . . . . . . . . . . . . .

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Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 6

Vorwort An dieser Stelle gilt es, vielen zu danken, auf deren Rat, Hilfe und Unterstützung ich in den letzten Jahren zurückgreifen konnte. Anselm Doering-Manteuffel hat die allerersten Überlegungen zum Thema in Tübingen begleitet. Dirk van Laak hat mir in Gießen eine neue akademische Heimat sowie wissenschaftlichen Rat geboten. Die Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde vom Historischen Institut in Gießen, aber auch Marburger Freunde und Freundinnen, haben mit Diskussionen und Lektüren den Fortgang der Arbeit begleitet. Bereichernd waren die Möglichkeiten, das Projekt »auswärts« vorstellen zu dürfen, etwa bei Michael Stolleis und Paul Nolte. Die Gutachter in meinem Habilitationsverfahren, neben Dirk van Laak auch Siegfried Weichlein und Friedrich Lenger, haben mir nochmals wichtige Anregungen gegeben. Ebenfalls beigetragen zum Abschluss dieser Arbeit hat meine langjährige Wissenschaftliche Hilfskraft Daniel Schuster. Stellvertretend für alle Archive und Bibliotheken möchte ich mich bei den Mitarbeitern des Bundesarchivs für ihre Unterstützung bedanken. Und schließlich gilt es, den Herausgebern der »Kritischen Studien« für ihre Hinweise und Ratschläge zu danken, sowie Daniel Sander vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die Betreuung der Publikation. Die DFG schließlich hat dieses Projekt durch die Finanzierung einer eigenen Stelle erst ermöglicht. Der politische Eid zeigt sich in dieser Studie als ein Element von erstaunlicher »longue durée«. Dies kann man auch von meiner persönlichen Beziehung zu diesem Forschungsgegenstand sagen. Der Eid hat mich und damit auch meine Familie viele Jahre begleitet. Drei Kinder sind in seinem Schatten größer geworden und haben auf ihre Weise zum Gelingen beigetragen. Widmen aber möchte ich dieses Buch meinem Mann. Wenn jemand niemals daran gezweifelt hat, dass ich diese Arbeit abschließen würde, dann er. Mit seiner – meist – unerschütterlichen Ruhe und seinem Optimismus hat er im Kinderchaos und Welpenwahn, zwischen Marburg, Cambridge und Toronto den Überblick behalten, mich unterstützt und auf dem Weg gehalten, der nun mit diesem Buch seinen Abschluss gefunden hat. Dafür danke ich ihm von Herzen. Marburg im Januar 2020

Vanessa Conze

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Einleitung Wer in der Bundesrepublik Deutschland Beamter oder Richter werden möchte, muss schwören. Der Diensteid, geleistet bei der Verbeamtung, ist zwar nicht konstitutiv für die Anstellung. Wer den Eid jedoch verweigert, wird wegen einer Dienstpflichtverletzung unmittelbar wieder aus dem Amt entlassen. Damit gehört der Eid zum Alltag und zur Realität des deutschen Beamtentums. Ähn­ liches gilt für die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit der Bundeswehr. Mit dem Eid leisten die Schwörenden ein Versprechen vor Gott oder dem eigenen Gewissen, sich politisch zuverlässig und verfassungstreu zu verhalten. Es geht also um eine rituelle Form der Disziplinierung: Der Staat als oberster Dienstherr versucht mittels des Eides, seine »Staatsdiener« zusätzlich und über disziplinarrechtliche Normen hinaus zu binden durch einen im persönlichen Gewissen verankerten Schwur. Diese »nebenrechtliche« Bindungsform scheint erstaunlich aus der Zeit gefallen. Tatsächlich handelt es sich beim Eid um ein Ritual mit jahrhundertealter Tradition, möglicherweise sogar um eines der ältesten Rituale im politischen Raum überhaupt. Grundsätzlich lassen sich verschiedene Eidesformen unterscheiden: einerseits der assertorische Eid, also jener Eid vor Gericht, mit dem ein Zeuge beschwört, die Wahrheit zu sagen;1 andererseits der promissorische Eid, und um einen solchen handelt es sich beim Diensteid, der ein Versprechen hinsichtlich eines spezifischen Verhaltens in der Zukunft ist. Man bezeichnet ihn auch als politischen Eid, aufgrund seiner engen Beziehung zum Staat und den mit ihm verbundenen politischen Absichten.2 Dieser Eid ist es, der im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht. Der politische Eid wurzelt in der griechisch-römischen Antike und ent­ wickelte sich in Mitteleuropa, angereichert durch germanische Traditionen, im Mittelalter zu einem herrschaftsstiftenden und herrschaftsstabilisierenden Ritual. Im europäischen Frühmittelalter formte er sich in spezifisch christ­ licher Konnotation im Lehensrecht aus. Verallgemeinert formuliert, schwor ein Untergebener seinem Herrn Treue. Er artikulierte seine Bereitschaft, für diese Treue mit seiner ganzen Person, seiner Ehre und sogar mit seinem Leben einzustehen; im Gegenzug erhielt er dafür materielle Gegenleistungen (wie Lehen) und militärischen Schutz. Es handelte sich beim Eid der Vormoderne stets um einen wechselseitig geschlossenen Bund: Eidnehmer und Eidgeber versprachen einander Treue und sie versprachen diese Treue vor Gott. Gott als »Dritter im Bunde« war das entscheidende Element, und die mit dem Religiösen verbundene 1 Vgl. zum assertorischen Eid: Vormbaum, Eid, Meineid und Falschaussage; Börsch; Teutsch. 2 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 13.

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Angst vor Verdammnis der eigenen Seele sicherte den Schwur. Dieser Eingriff in das religiöse Gewissen des Einzelnen garantierte eine weitgehende soziale Disziplinierung.3 Mit seiner Bindungskraft schuf der vormoderne Eid über Jahrhunderte politische Stabilitäten, er definierte soziopolitische Gruppen, schuf Hierarchien und sicherte Herrschaft. Paolo Prodi bezeichnet den Eid daher zu Recht als das »Sakrament der Herrschaft« im Okzident schlechthin. Ein solcher politischer Vertrag, wie der Eid es war, musste seit Beginn der Moderne unter Druck geraten. Zwar war das Ritual auch in den Jahrhunderten zuvor nicht unverändert geblieben, doch stellten Säkularisierungs- und Individualisierungstendenzen, die Veränderung politischer Herrschaft und eine neue Form der politischen Öffentlichkeit den Eid seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Frage. Und doch schwören Beamte und Berufssoldaten in Deutschland noch heute. Fragestellung und Untersuchungsgegenstand Wie kann es sein, dass ein vormodernes Ritual, das der Herrschaftssicherung und Gruppenbildung seit dem Mittelalter diente, die politischen, kulturellen und religiösen Verwerfungen zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und der Gegenwart überstehen konnte? Die zunehmende Erosion religiöser Bindungskräfte hätte eigentlich die Bedeutung des genuin religiös verankerten Eides schmälern müssen; die zunehmende Normierung und Verrechtlichung von politischer Herrschaft hätte den vormodernen Schwur obsolet machen müssen. Und doch überdauerte das Ritual, ja, es wurde sogar von wachsender Bedeutung in den politischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Frage, wie und warum dies geschah, steht im Zentrum der vorliegenden Studie. Ganz offensichtlich unterlag der Eid im 19. und 20. Jahrhundert erheblichen Veränderungen gegenüber der Vormoderne, die die Anpassung des Rituals an die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Moderne und Hochmoderne ermöglichten. Die Forschung hat dies bisher jedoch nicht analytisch in den Blick genommen. Stattdessen begegnet in der Literatur das Interpretationsmuster vom »Niedergang« des Eides in der Moderne. Bei Giorgio Agamben oder Paolo Prodi etwa findet sich sogar ein gewisses Bedauern darüber, dass die heutigen Generationen in einem »Zeitalter der Eidesfinsternis«4 lebten und die ersten seien, »die ihr Kollektivleben ohne den Eid als das feierliche und totale, im Heiligen verankerte, zu einem politischen Körper gehörige Band leben«.5 Im Folgenden soll diese normative Haltung, die im Topos vom »Niedergang« und vom »Zeitalter der Eidesfinsternis« mitschwingt  – so, als ginge der Moderne ­etwas verloren durch die strukturelle Veränderung des Eides –, aufgegeben wer3 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft. S. 19. 4 Agamben, S. 89. Zum Niedergangs-Paradigma vgl. etwa. Friesenhahn, Der politische Eid, S. 5; Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, S. 499; Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 399. 5 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 11.

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den. An ihre Stelle tritt eine Analyse, die sowohl den Wandlungsprozess, den der Eid durchlief, als auch die fortdauernde Wirkung beziehungsweise Wirkungsabsicht des Rituals ernst nimmt. Es soll daher im Folgenden weniger darum gehen, was ein Eid ist, als darum, was er in der Wahrnehmung unterschiedlicher Akteure im 19. und 20. Jahrhundert sein und bewirken sollte, aber auch welche Intention mit ihm verbunden war. Denn mit dem politischen Eid verbanden sich immer Absichten. Staaten und Regierungen ließen Eide schwören, um damit ein politisches Ziel zu erreichen. Es ging um die Sicherung von Herrschaft, um ihre Anerkennung nach Systemwechseln, um ihre Stabilisierung im Alltag des Regierungs- und Verwaltungshandelns. Der Eid sollte die Verpflichtung zur Treue gegenüber einem politischen System im Gewissen des Einzelnen verankern und damit auf eine ganz spezifische Weise jenseits einer normativ-rechtlichen Ebene zur Stabilisierung von Herrschaft beitragen. Die politische und rechtliche Ordnung des jeweiligen Systems, so hofften Träger staatlicher Gewalt und Regierungen, würde durch den Eid »zusätzlich auf der religiösen, moralischen, sittlichen Ebene abgesichert«.6 Indem der Eid »die Grenzen zwischen den Normen des Rechts und den Normen der Moral, Sitte oder Religion« überbrücke, glaubte man, »die Geltung des rechtlichen Sollens […] auf eine apriorische praerechtliche Ordnung« zurückzuführen. Ob nun Gott oder das Gewissen durch den Eid »zum Maßstab für individuelles Handeln« erhoben werde, in jedem Fall werde »direkt oder indirekt neben oder über dem positiven Recht eine zusätzliche legitime Autorität anerkannt. […] Die Treue zum Staat und die Beachtung der Gesetze soll […] einem höheren Sein […] oder einem Über-Ich versprochen werden.«7 Die Mobilisierung dieses »Über-Ichs« ist es, die sich Regierungen wohl bis heute vom Eid erhoffen und durch die sie sich der politischen Loyalität und »Treue« ihrer Beamten und Soldaten zu versichern versuchen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt der Kampf um die Vereidigung der Beamtenschaft und des Heeres auf die Verfassung, nicht mehr auf den Herrscher, als »Symbol der Auseinandersetzung zwischen liberalen und restaurativen Kräften«.8 Die Eidespraxis im Kaiserreich knüpfte demgegenüber eher an ältere Formen an, gegen die sich die liberale Bewegung vehement gewandt hatte: Ähnlich wie im Gottesgnadentum wurde der Staatsdiener an das Staatsoberhaupt persönlich gebunden – die Verfassung trat demgegenüber im Kaiserreich zurück und war lediglich »zu beobachten«. Damit schuf der Beamten- und Fahneneid zwischen 1871 und 1918, so Hans Hattenhauer bezogen auf Preußen, eine »mystische Bindung an das Königshaus«.9 Diese Praxis stand in deutlichem Gegensatz zu jener, die sich mit der Weimarer Republik entwickeln sollte: Hier wurden nun alle Beamten und Soldaten auf die Verfassung, und zwar nur auf 6 7 8 9

Widder, S. 704. Dort auch das folgende Zitat. Ebd., S. 705 f. Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 48. Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 262.

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sie, vereidigt. Hinzu kam, dass die Weimarer Reichsverfassung erstmals garantierte, dass auch ein ohne religiöse Formel gesprochener Eid rechtswirksam sei. Der Eid erhielt durch diesen doppelten Bruch einen völlig veränderten Charakter. Dies wiederum führte zu heftigen Diskussionen und Reaktionen bis hin zu Eidesverweigerungen unter Beamten, obwohl sie von ihrem alten Treueid an den jeweiligen Fürsten entbunden waren. Der Nationalsozialismus schließlich nahm die Vereidigung auf die Verfassung zurück und setzte wieder einen personalen Eid an ihre Stelle, der absolute »Treue und Gehorsam« gegenüber dem »Führer« verlangte. Das nationalsozialistische Regime erkannte klar, dass eine persönliche Eidesleistung den Zugriff auf das Individuum erleichterte. Entsprechend wurden im Nationalsozialismus in beinahe allen Bereichen des öffentlichen Lebens Eide geschworen. Die enge Begrenzung des politischen Eides auf Diensteide entfiel und der Eid verlor durch diese Ausweitung seinen bis zu diesem Zeitpunkt für Beamtentum, Richter und Militär exklusiven Charakter. Das Individuum hatte keine Rückzugsmöglichkeit mehr, die Gewissensbindung an Hitler durchzog die gesamte Gesellschaft und wurde ein konstitutives Element der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft«. Die Bundesrepublik wiederum hielt, trotz heftiger Debatten um die Bedeutung des Eides im Nationalsozialismus, am Eid fest, wobei Beamte an das Grundgesetz und die jeweiligen Landesverfassungen gebunden wurden. So wandelte sich mit jedem politisch-konstitutionellen Systemwechsel im 19. und 20. Jahrhundert der Gegenstand der beschworenen Treue: Sie wurde geschworen dem Kaiser beziehungsweise den jeweiligen Landesherrn, der Weimarer Reichsverfassung, dem deutschen Volk, dem »Führer« Adolf Hitler. In der Eidesformel der Bundesrepublik fehlt, zumindest für die Beamten, der Begriff »Treue«, das Grundgesetz zu wahren aber gilt es auch hier. Jedes politische System im Deutschland der vergangenen zweihundert Jahre, so unterschiedlich es in Struktur und Herrschaftssystem auch sein mochte, ging davon aus, die Ableistung eines Eides würde die Einbindung des Schwörenden in ein bestimmtes (politisches) System unterstützen und helfen, politische »Treue« und Loyalität zu generieren beziehungsweise zu sichern.10 Neuvereidigungen im Falle von Systemwechseln waren selbstverständlich: Wer neue Macht setzen wollte, musste alte Macht brechen, die Bindung an alte Eide wurde gelöst, neue Eide wurden geschworen. So erlebte Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert eine regelrechte »Eidesinflation«.11 Die vielen politischen Umbrüche innerhalb dieses Zeitraums mit seinen vielfachen System- und Herrschaftswechseln führten zu immer neuen, anderen Vereidigungen, die dazu dienten, »das Neue seinerseits symbolisch-rituell« durchzusetzen, zu verankern und auf Dauer zu stellen.12 Daher muss eine Untersuchung des politischen Eides im 19. und 10 Widder, S. 702. 11 Friesenhahn, Zur Problematik des politischen Eides, S. 21. Diese zahlreichen Neuvereidigungen verstärkten übrigens die Kritik am Eid. Vgl. etwa Gessler, S. 434 (zitiert nach: Lange, Der Fahneneid, S. 9, FN 2). 12 Stollberg-Rilinger, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, S. 21.

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20. Jahrhundert den Blick gerade auf diese Umbruchphasen lenken, in denen alte Eide ihre Gültigkeit verloren und neue entwickelt wurden, um alte Macht zu brechen und neue zu setzen. Diesen Vereidigungen nachzugehen, die mit ihnen verbunden Absichten zu analysieren, führt zu Erkenntnissen im Hinblick auf die Reichweite und die Akzeptanz staatlicher Herrschaft und die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft beziehungsweise Bürger, die weit über das erwähnte Niedergangsparadigma der Forschung hinausgehen. Durch seine Funktion, der Stiftung politischer Loyalität und der Sicherung von Herrschaft, geraten in der Analyse des Eides Machtbeziehungen in den Blick. Insofern stehen im Folgenden zum Ersten staatliche Lenkungsansprüche im Hinblick auf politische Loyalitäten im Mittelpunkt, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt erlebten, strukturell jedoch bereits deutlich älter waren. Zum Zweiten aber muss es auch um Individualisierungsprozesse gehen. Gerade in demokratisch fundierten Gesellschaften stellte sich die Frage des Verhältnisses zwischen dem Individuum und seinem Anspruch auf Gewissensfreiheit und dem Anspruch des Staates auf politische Loyalität ganz anders als in autoritär verfassten Gesellschaften. Zum Dritten nahmen Verrechtlichungsprozesse, die staatsbürgerliche Rechte und Pflichten zunehmend normativ definierten, Einfluss auf die Geschichte des politischen Eides, lagen doch seine Wirkungsweisen gerade außerhalb oder zumindest am Rande des juristischen Normensystems. Er richtete sich auf das (religiöse) Gewissen, Moralvorstellungen und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Hier wird deutlich, dass in einer Geschichte des politischen Eides ganz unterschiedliche Analysedimensionen wie Politikgeschichte, Verfassungsgeschichte und Kulturgeschichte ineinander greifen und der Eid gewissermaßen als Scharnier dienen kann, um beispielsweise zwischen Fragen des Rechts und der Moral, zwischen Politik und Religion eine analytische Verbindung herzustellen.13 Der Eid dient als »ein Fokus, in dem sich die sozialen, staatstheoretischen, verfassungsrechtlichen und politischen Vorstellungen« einer Zeit bündeln lassen.14 In dieser Verknüpfung liegt ein Erkenntniswert der vorliegenden Studie im Kontext einer kulturhistorisch erweiterten Politikgeschichte. Es gibt in der Tat nur wenige Untersuchungsgegenstände, die eine solche Verknüpfung in dieser Weise ermöglichen – und das auch noch über einen Zeitraum, der im vorliegenden Fall mehr als einhundert Jahre umfasst, den man aber auch gewinnbringend ins frühe 19. Jahrhundert hinein verlängern könnte. Das Rechtsinstitut des Eides als Motiv einer historischen »longue durée« zu untersuchen, zeigt, welchen Wandlungen politische Loyalitätskonzepte zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts unterworfen waren:15 von einem ursprünglich auf Vertragsbasis beruhenden gegenseitigen Versprechen entwickelte sich der Eid zunehmend zu einem 13 Weichlein, Religion und politischer Eid, S. 412. 14 Bock, S. 217. 15 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 23.

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staatlichen Instrument zur Lenkung von Loyalitäten. Diese staatlichen Versuche von Loyalitätslenkung blieben indes nicht immer unwidersprochen und immer wieder kam es zu Konflikten über diesen Anspruch des Staates auf beschworene Loyalität. Damit entspann sich um den Eid ein ideen-, geistes- und wissenschaftsgeschichtlicher Diskurs, den es im Rahmen dieser Studie zu analysieren gilt. Insbesondere die Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaften nahmen im Rahmen dieses Diskurses eine zentrale Stelle ein: In der Diskussion um den Eid, die gerade von den Vertretern dieses Fach geführt wurde, spiegelt sich ein sich veränderndes Staatsverständnis ebenso wie ein sich ändernder Blick auf den Staatsbürger, seine Rechte und Pflichten.16 Doch über diese diskursgeschichtliche Ebene hinaus erweist sich der Eid als ein Element der gelebten Kulturgeschichte der Politik: Eide wurden in ritueller Handlung geleistet, Vereidigungen inszeniert, Eide verweigert – und in dieser »Eidespraxis« spiegelte sich der politische Herrschaftsanspruch eines Staates ebenso wie das Verhältnis dieses Staates gegenüber seinen Untertanen und später Staatsbürgern. Denn beim Eid handelt es sich um eine symbolische Praxis, »die Sinndeutungen sowohl vorgibt als auch kommunikativ verhandelt«.17 Im Ritual des Eides, seiner Inszenierung, vermittelt sich immer eine politische Botschaft.18 Die Tatsache, dass mit dem Schwur politische Gegebenheiten und Machtbeziehungen anerkannt und öffentlich gemacht werden, trägt zur Stabilisierung von Herrschaft und damit zur »Konstruktion des politischen Raums« bei.19 Daher ist der Eid letztlich ein Zeichensystem das »via Kommunikation politische Wirklichkeiten konstruiert«.20 Die vorliegende Studie verschränkt beide Ebenen  – die diskursgeschicht­ liche und die praxeologische – miteinander, um auf diese Weise das analytische Potential des Eides nutzen zu können.21 Es geht deshalb nicht allein darum, den Diskurs um den Eid nachzuvollziehen, sondern (mittels eines konkreten Untersuchungsgegenstands) auch die »Eidespraxis« zu berücksichtigen. Gerade in diesem umfassenden Zugriff erweist sich der Eid als ein idealer Untersuchungsgegenstand, wenn es Aufgabe einer Kulturgeschichte der Politik sein soll, »den 16 Die Arbeit setzt sich daher immer wieder auch mit juristischen Fragestellungen auseinander, zieht Disziplinarverfahren wegen Eidesverweigerung und juristische Literatur zu Eid und Treuepflicht heran. Gleichwohl geschieht dies zu keinem Zeitpunkt mit dem Anspruch, den juristischen Problemen gerecht zu werden. Der Zugang ist ein historischer und die juristischen Quellen werden historisch interpretiert. 17 In Bezug auf Huldigungen in der Vormoderne: Frevert, Neue Politikgeschichte, S. 163. Dort auch das folgende Zitat. Vgl. auch: Andres; Mergel, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik. 18 Andres, S. 27. Vgl. auch: Stollberg-Rilinger, Rituale. 19 Andres, S. 28. 20 Frevert, Neue Politikgeschichte, S. 162. 21 Zur Kombination von Methoden der Diskursanalyse und praxeologischen Ansätzen vgl.: Schulze Wessel, S. 22. Zur Nutzung praxeologischer Ansätze in der Geschichtswissenschaft: Elias.

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Bestand ebenso wie den Wandel von Herrschaftsstrukturen, Normen, Regelsystemen« zu untersuchen und »auf das Niveau des individuellen sinnhaften Handelns und der konkreten Kommunikationsakte hinunter zu verfolgen«.22 Um die skizzierten Fragestellungen zu untersuchen, bedarf es indes einer spezifischen Gruppe, die über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg einen Eid leistete, um deren politische Treue in Form der Eidesleistung gerungen wurde, deren Mitglieder sich den Ansprüchen, die mit dem Eid verbunden sind, öffnen oder verweigern konnten. Im Folgenden soll daher die Geschichte des politischen Eides in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert an der Gruppe der Reichs- und Bundesbeamten untersucht werden. Dies geschieht einerseits durchaus auch aus arbeitspragmatischen Gründen, um eine überschaubare und eingrenzbare Untersuchungsgruppe zu haben. Andererseits aber soll hier gerade die Frage nach ziviler Herrschaft, nach dem Verhältnis zwischen Staat, Gesellschaft und Staatsbürger gestellt werden, und dazu eignet sich der Beamteneid viel eher als etwa der Fahneneid. Denn im Gegensatz zu dem von der Forschung bereits untersuchten Fahneneid der Soldaten kommt der Beamteneid ohne die ganz eigene Militärkultur und das spezifisch militärische Gehorsamsverständnis aus.23 Die Reichs- und Bundesbeamten als Untersuchungsgruppe in den Mittelpunkt der Untersuchung zu stellen, ermöglicht es, über die politischen Verwerfungen hinweg an einer Kontrollgruppe Anspruch und Realität des politischen Eides als Mittel zur Stiftung von ziviler Herrschaft nachzuvollziehen. Die in der staatlichen Verwaltung eingesetzten Beamten fungierten als zentrales Glied im Aufbau der Staatsgewalt. Auf ihre Loyalität war (und ist) ein Staat angewiesen. Gerade neue Staatsgebilde versuchten nach politischen Umbrüchen, sich dieser zentralen Gruppe zu bedienen, um das Funktionieren staatlicher Herrschaft im Übergang zu garantieren.24 Hier setzt die Untersuchung an: Sie zielt in der Analyse des Dienst- und / oder Treueides auf ein zentrales Moment der Bindung im Herrschaftsgefüge, mittels dessen Beamte auf »den Staat« eingeschworen wurden. Gleichzeitig sei jedoch betont, dass die Konzentration auf das Reichs- und Bundesbeamtentum keine ausschließliche und eingrenzende ist. Immer wieder werden im Verlauf der Untersuchung auch Aspekte aus anderen Kontexten wie etwa der Landesebene herangezogen werden, wenn sie zum Verständnis des Eides zu einem bestimmten Zeitpunkt beitragen. Auch die verwaltungsrechtliche Binnengliederung des Beamtentums in höhere, mittlere und niedere Beamte spielt in dieser Arbeit nur partiell eine Rolle. Zwar sind es oft eher die höheren Beamten, die aufgrund spezifischer Prägungen, eines spezifischen Standesbewusstseins oder aufgrund einer politischen Orientierung in den Auseinandersetzungen um den Eid hörbarer sind, doch schließt dies die niedrigeren

22 Stollberg-Rilinger, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, S. 19. 23 Lange, Der Fahneneid, vor allem S. 341–395. 24 Vgl. allgemein: Grotkopp.

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Besoldungsgruppen von der Untersuchung nicht aus. Das Reichs- und Bundesbeamtentum dient in einer bewusst offenen Definition dieser Arbeit gewissermaßen als Anker, um anhand eines Fixpunktes die nähere und weitere Umgebung zu erkunden, ohne sich dabei von allzu engen verwaltungshistorischen Vorgaben einengen zu lassen. Des Weiteren muss neben den engeren beamtenrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Vereidigung und der »Treuepflicht«, ihrer Umsetzung und Durchführung immer auch die öffentliche Diskussion über den Eid in die Analyse einfließen. Diese war wiederum nicht auf den Beamteneid beschränkt. Auch aus den Debatten und Auseinandersetzungen über den assertorischen Eid lassen sich punktuell Erkenntnisse über den Eid und das Schwören gewinnen. Gleiches gilt für den Fahneneid, der immer wieder in die Untersuchung einfließt, da sich seine Entwicklung trotz aller Unterschiede oft nicht völlig vom zivilen Eid trennen lässt. Neue Eidesformeln für Beamte und Soldaten wurden in der Regel in ähnlichen Kontexten und mit ähnlichen Intentionen entwickelt und Neuvereidigungen fanden oft mehr oder weniger zeitgleich statt. Schließlich ist der Fahneneid auch deshalb von Bedeutung für die vorliegende Studie, weil innerhalb des Untersuchungszeitraums wichtige öffentliche Debatten um Vereidigungen von Soldaten geführt wurden, die wiederum Rückwirkungen auf das Verständnis und die Ausgestaltung von Zivileiden hatten. Gewissermaßen in konzentrischen Kreisen wird sich die Analyse daher jeweils vom Beamteneid im Speziellen zum Eidesverständnis des jeweiligen politischen Systems und der jeweiligen Gesellschaft im Allgemeinen bewegen. Selbstverständlich standen Staaten, gewissermaßen als ultima ratio, immer auch ökonomisch-rechtlich verankerte Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung, um loyales Verhalten von Staatsdienern zu garantieren oder präziser: um tatsächlich oder vermeintlich illoyales Verhalten zu sanktionieren. Neben disziplinarrechtlichen Vorschriften trugen auch die materiellen Aspekte des Beamtenverhältnisses mit dem Alimentationsprinzip einer Lebenszeitstellung und einer gesicherten Altersversorgung sowie die sozialen Privilegien der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung zu jedem Zeitpunkt zu einer Disziplinierung des Staatsdieners in erheblichem Umfang bei. Es war also nie der Eid allein, der zu »treuem« Verhalten zwang. Vielmehr blieb die konkrete Rechtswirkung eines Eidbruchs historisch eigentlich immer ohne straf- oder disziplinarrech­tliche Folgen;25 bestraft wurde im Zweifelsfall disziplinarrechtlich das spezifische Vergehen, nicht aber der Eidbruch als solcher. Es ging also beim Eid weniger um die Androhung konkreter Rechtsfolgen. Stattdessen zielte die Vereidigung auf etwas grundsätzlich anderes: Es ging um den »metaphysischen« Zugriff des Staates auf das Gewissen seines Bürgers respektive Beamten. Dass dieser Anspruch, das Gewissen des Individuums zu binden, weit über die Androhung konkreter Disziplinarmaßnahmen hinaus wirksam war, zeigt eben wiederum die breite ge25 Vgl. Bock, S. 212–214; Friesenhahn, Der politische Eid, S. 91–97.

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sellschaftliche Reaktion auf und die Widerstände gegen die Eidespraxis, die sich oft an spezifischen Einzelfällen von Eidesverweigerung entzündeten und geradezu als Beleg für die Bedeutsamkeit dieser Form des staatlichen Herrschaftsanspruches gelten können. Gleichzeitig diente der Eid der Normdurchsetzung und Disziplinierung durch Gruppenbildung. Durch seinen exklusiven Charakter band er die Vereidigten – in diesem Fall die Beamten – an die Regeln der vereidigten Gruppe und garantierte auf diesem Wege zusätzlich ein normgerechtes Verhalten. Diese Gruppenbildung wurde freilich auch bereits im Vorfeld der Eidesleistung betrieben, nicht zuletzt durch Bestimmungen, wer überhaupt Beamter werden und damit vereidigt werden konnte. In diesem Sinne hatte die Regulierung der Eidespraxis auch eine ausgrenzende Wirkung, die in die Analyse mit einzubeziehen ist. Denn der Eid war während des gesamten Untersuchungszeitraums eng verknüpft mit dem Selbstverständnis von Beamten; seine Untersuchung ermöglicht es etwa auch, die bisher vorwiegend aus rechtsgeschichtlicher Perspektive beantwortete Frage nach der »Treuepflicht«, der Beamte unterworfen waren und sind, mit weiterreichenden Fragen nach der Einbindung von Beamten in Gesellschaften mit ihren prägenden Normen und Ordnungsvorstellungen zu verbinden. In dieser Perspektive leistet die Studie auch einen innovativen Beitrag zu einer »Ideengeschichte der Verwaltung«.26 Die gruppenstiftende, aber potentiell auch ausgrenzende Funktion des Eides gilt indes auch über den engeren Fokus der Beamtenschaft hinaus, etwa wenn der Vorwurf der »Meineidigkeit« genutzt wurde, um politische Gegner, wie Sozialdemokraten, zu diskreditieren oder gesellschaftliche Gruppen, wie zum Beispiel die jüdische Bevölkerung durch den »Judeneid«, zu diskriminieren. Gerade der symbolischen Praxis des Zeremoniells kam entscheidende Bedeutung in diesen gruppenbildenden Prozessen zu. Denn der Akt der Eidesleistung sollte »in die tieferen Schichten der Persönlichkeit eindringen […], um im Unbewussten und Unterbewusstsein  […] die neu eingegangene Mitgliedschaftsbeziehung emotional zu verankern.«27 Der Inszenierung von Vereidigungen wird daher im Folgenden, abhängig von der Quellenlage, immer wieder Aufmerksamkeit zu widmen sein. Denn die Bedeutung dieser Inszenierung variierte über den Untersuchungszeitraum hinweg erheblich (und mit ihr auch die Überlieferungslage). Teils wurde der Eid vom einzelnen Beamten vor einem Vorgesetzten im »stillen Kämmerlein« geschworen, teils wurden möglichst große Gruppen von Beamten in feierlichen Veranstaltungen in Pflicht und Treue genommen. Gerade wenn nach Systemwechseln die gesamte Beamtenschaft neuvereidigt wurde, legte man viel Wert auf ein entsprechendes Zeremoniell. Der Nationalsozialismus nutzte die Inszenierung von Massenvereidigungen gezielt

26 Vgl. zum relativ neuen Forschungsfeld einer »Ideengeschichte der Verwaltung«: Hegewisch, S. 7. 27 Widder, S. 711.

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als propagandistische Maßnahme. Offensichtlich ist, dass man sich nicht nur im Dritten Reich von Massenvereidigungen eine möglichst große Wirkung auf den einzelnen Schwörenden versprach. Wie die Wirkung des Eides beim Einzelnen indes aussah, darüber sind Aussagen nur in Ausnahmefällen möglich.28 Die Entscheidung des Eidgebers, sich durch den geleisteten Schwur tatsächlich innerlich gebunden zu fühlen und sein zukünftiges Verhalten daran auszurichten, ist immer eine individuell mora­ lische.29 Beeinflusst aber wird diese individuelle Entscheidung durch die Gültigkeit gesellschaftlicher Normen (wie etwa der Bedeutung von »Treue« und »Ehre« im öffentlichen Raum) – ja, diese gesellschaftliche Normanerkennung kann sogar die Einzelentscheidung ersetzen.30 Fügt sich der Eidgeber indes nicht den im Eid zugrunde gelegten Ansprüchen, so kommt es zum Konflikt, der sich meist in Eidesverweigerungen ausdrückt. Solche Konflikte, das ist bereits angeklungen, hat es über den Untersuchungszeitraum hinweg aus unterschiedlichen Motiven immer wieder gegeben. Ihre Analyse dient dem Ziel, individuelle Reaktionen und Wahrnehmungen angesichts staatlicher Forderungen auf Gewissensbindung aufzuzeigen. Zusätzlich zeigen sich in diesen Eideskonflikten und den gesellschaftlichen Debatten darüber Verschiebungen im gesellschaftlichen Normengebäude gegenüber ebendiesen staatlichen Herrschaftsansprüchen.31 Staatliche Eidespraxis und gesellschaftliche Reaktion griffen ineinander und in diesen Debatten spiegelt sich die Auseinandersetzung über das grundsätzliche Verhältnis von Gesellschaft und Staat, die Legitimation staatlicher Herrschaft sowie die Beziehung von Individuum und Staat und die Beziehung zwischen Religion und Politik im säkularen Staat. Analytisch wird die Geschichte des politischen Eides im 19. und 20. Jahrhundert geprägt durch das Spannungsverhältnis zwischen einem traditionell als religiös verstandenen Ritual und der Einführung einer nicht-religiösen Eidesformel durch die Weimarer Republik. War der Eid im Kaiserreich noch ausschließlich religiös formuliert gewesen und hatte keine Alternative für Atheisten geboten, so änderte sich dies nach 1918. Zwar hatte es bereits seit 1876 im Reichstag Anträge auf Einführung einer religionslosen Eidesformel gegeben,32 doch erst mit der Republik kam die Abschaffung des religiösen Zwangseides. Der mit der Frage nach der religiösen Bindung des Eides verbundene Grundkonflikt indes blieb bestehen und prägte den gesamten Untersuchungszeitraum: Über die Definition dessen, was ein Eid war, war mit Einführung der religionslosen Eidesformel keine Einigkeit mehr zu erzielen. War er ein untrennbar mit dem christ28 Siehe ähnlich auch: Heimann-Trosien, S. 610. 29 Dies im Gegensatz zur Vormoderne, in der die Bindungskraft des Eides durch einen »magischen Ritus« gewährleistet schien. Vgl. Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid, S. 121. 30 Ebd., S. 122. 31 Widder, S. 707. 32 Vgl. mit Beispielen: Weichlein, »Ich versichere bei Strafe des Zuchthauses«..

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lichen Glauben verbundenes Ritual, das ohne die Anrufung Gottes sinnlos blieb? War vielleicht sogar bereits das Schwören selbst ein performativer religiöser Akt, sprich, war schon durch die Worte »ich schwöre« eine religiöse Handlung vollzogen – nämlich das Entstehen einer neuen »triangulären Beziehung« zwischen dem Eidnehmer, dem Eidgeber und Gott?33 War eine alte »Magie« im Eid am Werk, die den Eidnehmer im religiösen Gewissen band, ohne dass er darauf Einfluss hatte? Oder waren die Zeiten dieser überkommenen Vorstellungen, die teils in archaischen Weltbildern wurzelten,34 vorbei? Musste es nicht vielmehr darum gehen, einen »bürgerlichen« Eid zu etablieren, der dem modernen Staat angemessen war, weil er jedem Staatsbürger die Wahl zwischen religiöser und nicht-religiöser Form ließ? Vielleicht sollte der Eid auch abgeschafft werden zugunsten eines einfachen Versprechens, dem jeder nach seiner Vorstellung einen religiösen Hintergrund geben konnte? Mit diesen Fragen verband sich jene nach Bedeutung und Definition der Gewissensfreiheit. Solange diese weitestgehend unter Glaubensfreiheit subsumiert wurde, reichte es, wenn der Staat eine nicht-religiöse Eidesformel als Alternative anbot. Aber hatte  – und hat  – der moderne Staat überhaupt das Recht, auf das Gewissen seiner Staatsbürger zuzugreifen? Das Spannungsverhältnis zwischen staatsbürgerlichen Pflichten und individuellen Grundrechten, mit dem sich jede Staatsform der Moderne auseinanderzusetzen hat, wird im Eid manifest; je nach Systemcharakter wurde diese Frage im Untersuchungszeitraum vollkommen unterschiedlich beantwortet. Die eng mit diesen Fragen verbundene kulturelle Vorstellung des Gewissens, ob religiös geprägt oder nicht, spielte für die Geschichte des Eides eine entscheidende Rolle, eine Vorstellung, die über den Untersuchungszeitraum hinweg erheblich variierte.35 Das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Grundrechten und staatsbürgerlichen Pflichten war eng verknüpft mit dem Anspruch des Staates auf politische Treue. Der Begriff der »Treue« spielt in Bezug auf den Eid eine herausragende Rolle: So gut wie jede Eidesformel lautete »Ich schwöre Treue…«. Über den Begriff der »Treue« transportierte der Eid Wert- und Ordnungsvorstellungen, die eng mit der jeweiligen Gesellschaft verknüpft waren. Denn gerade die Tatsache, dass »Treue« ein »unbestimmter Rechtsbegriff« war,36 machte ihre Interpretation offen für ideologische Inanspruchnahmen. Bereits im 19. Jahrhundert entwickelte sich die »Treue« zu einem zentralen Diskursmotiv, verklärt als deutsche Charaktereigenschaft. Sie war eng verknüpft mit anderen, ähnlich gelagerten Motiven, allen voran der »Ehre«, die ebenfalls eine zentrale Rolle bei

33 Zu »Eid und Performanz«, als der Fähigkeit des Eides allein durch den Sprechakt eine neue Beziehung zu schaffen: Weichlein, Religion und politischer Eid, S. 412. 34 Agamben, S. 12. 35 Allg. zum »Gewissen«: Mönter; Bordat; Schaede. Siehe auch: Luhmann, Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. 36 Hermann, S. 156.

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der Analyse des Eides einnimmt. Denn wer treu handelte, handelte ehrenhaft – wer die Treue brach, verlor die Ehre.37 Auf diese Weise wurde die Treue zu einem »Motiv der Fügsamkeit«.38 Bezogen auf den Beamten äußerte sich dies in der Vorstellung einer personalen Beziehung zum Eidnehmer, der freiwilligen Unterordnung und des Einsatzes mit der gesamten Persönlichkeit. All dies wurde im Eid öffentlich gemacht. Die Treue-Fixierung der Deutschen gipfelte in den Treue-Vorstellungen des Nationalsozialismus, die mit ihrem Absolutheitsanspruch im Eid das entscheidende Ritual der Vergemeinschaftung sahen. Die Bundesrepublik entschied sich angesichts der problematischen Vergangenheit des Begriffs auf die »Treue« in der Eidesformel zumindest für die Beamten vollständig zu verzichten. Mit der Ausgestaltung der im Eid beschworenen Treue verknüpften sich grundsätzliche staatstheoretische Fragen, die eng verbunden waren mit gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen. Hier öffnete sich ein Spannungsfeld zwischen einem personalen Treueverständnis, das den Eid ausschließlich als einer Person geleistet begriff, und einem institutionellen Treueverständnis, grob gefasst in der Dichotomie von »Treueid« und »Verfassungseid«. Die beiden Prinzipien rangen historisch miteinander und in den jeweiligen Eidesformeln spiegelt sich dieser verfassungstheoretische Kampf. Auch in diesem Zusammenhang ist der Übergang zur Weimarer Republik der Moment, an dem eine Jahrhunderte alte Tradition abbrach: Der Eid der Weimarer Republik verzichtete auf jede personale Bindung im Eid und ersetzte diese durch die Formulierung »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«. Die Konflikte, die sich daraus ergaben, prägten den Eid für die kommenden Jahrzehnte.39 Während es der Republik nicht gelang, ein institutionelles Treueverständnis zu implementieren, schlug das Pendel mit dem zum personalen Eid zurückgeführten »Führereid« des Nationalsozialismus und seinem absoluten Bindungsanspruch in die entgegengesetzte Richtung aus. Die Bundesrepublik hatte mit diesem doppelten Erbe zu kämpfen. Auf den Eid zu verzichten, kam für die Zeitgenossen jedoch selbst nach den Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Eid nicht in Frage. Die Hoffnung, mittels des Eides in Umbruchsituationen Herrschaft zu stiften und sie im Alltag zu sichern, hatte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verloren. Die vorliegende Untersuchung will sich den hier aufgefächerten Fragen und Problemlagen mit einem doppelten Zugriff widmen: Erstens stehen staatliche personen- und gruppenbezogene Loyalitätsansprüche sowie die Bindung von Individuen an den Staat am Beispiel des Beamteneides in Deutschland im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Dazu gilt es, staatliche Versuche zu analysieren, Beamte durch Vereidigung an das jeweilige Herrschaftssystem zu binden. Zweitens soll die individuelle, gesellschaftliche und öffentliche Reaktion auf diese staatlichen Machtansprüche thematisiert werden, die Frage 37 Zur »Ehre«: Speitkamp; Dinges; Ludwig, Ehre und Pflichterfüllung. 38 Buschmann, »Treue« als Forschungskonzept, S. 26. 39 Vgl. für die Weimarer Republik: Conze, Treue schwören.

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also, wie der staatliche Zugriff auf das Gewissen des Individuums – in Form der Vereidigung – in historischer Perspektive diskutiert, kritisiert und beurteilt wurde. So werden sich Fragen nach Versuchen und Instrumentarien staatlicher Herrschaftsbegründung und -sicherung sowie die Frage nach der Stellung des Individuums innerhalb sich verändernder Strukturen und Formen politischer Herrschaft beantworten lassen. Dies ermöglicht es, die gesellschaftliche Verankerung von Herrschaft in sich wandelnden soziopolitischen und soziokulturellen Kontexten zu analysieren. Der Eid dient somit als historische Sonde, um im Zuge einer diachronen Untersuchung das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft auszuloten und den Wandel des Staatsverständnisses in seinem Verhältnis zum Individuum über die Zeitläufte hinweg nachzuverfolgen. Literatur und Quellen Bis heute fehlt eine Studie, die sich dem politischen Eid im 19. und 20. Jahrhundert unter den beschriebenen Voraussetzungen nähert. Gleichwohl kann die vorliegende Arbeit auf eine breite Literaturgrundlage zurückgreifen. Denn eben weil der Eid sich als Knotenpunkt zwischen Politik und Religion, Recht und Moral darstellt, findet sich auch in unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten Literatur zu diesem Thema. Im Gegensatz zur Moderne ist die Geschichte des politischen Eides für die Antike, das Mittelalter und die Frühe Neuzeit gut untersucht, beispielhaft in den wegweisenden Arbeiten Paolo Prodis und André Holensteins.40 Aus historischer Sicht hat vor allem Siegfried Weichlein in den letzten Jahren jedoch immer wieder darauf verwiesen, dass auch und gerade die Geschichte des Eides in der Moderne weiterführende Erkenntnisse zur Geschichte von Herrschaft und zum Zusammenhang zwischen Politik und Religion liefern kann.41 Von grundsätzlicher Bedeutung für die vorliegende Arbeit sind Beiträge, die sich in den vergangenen Jahren mit der semantischen Konstruktion von »Treue« und politischer Loyalität beschäftigt haben, etwa die Arbeiten Nikolaus Buschmanns.42 Der Schwerpunkt dieser Arbeiten, etwa auch zu »Ehre« und »Vertrauen« liegt allerdings meist im 19. und frühen 20. Jahrhundert.43 Die Beiträge zu einer »Moralgeschichte« des Nationalsozialismus führen ebenfalls

40 Holenstein, Die Huldigung der Untertanen; ders., Rituale der Vergewisserung; ders., Der Eid als geschworene Bindung; Prodi, Der Eid in der europäischen Verfassungsgeschichte; ders., Sakrament der Herrschaft. Vgl. auch: Friedrich, Fatale Sprachen. 41 Weichlein, Religion und politischer Eid; ders., »Ich versichere bei Strafe des Zuchthauses«; ders., Der Verfassungseid und die Verfassung der Eide. Bezogen auf die Bundesrepublik um die Jahrtausendwende: Müller, Eid und Ehre. 42 Buschmann, Treue; ders., Zwischen Leidenschaft und Disziplinierung; ders., Treue und Verrat; ders., Die Unterwerfung des Gewissens; siehe auch: Siegel. 43 Zur Ehre neben den bereits genannten: Aschmann, Preußens Ruhm und Deutschlands Ehre; dies., Ehre. Zu »Vertrauen«: Frevert, Vertrauen. Zur »Gefühlsgeschichte« einführend: Schnell, Haben Gefühle eine Geschichte?.

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nur in Ansätzen über das Ende des Zweiten Weltkriegs hinaus.44 Als theoretisch weiterführend erwiesen sich auch Arbeiten zur politischen Repräsentation insbesondere in Demokratien im Allgemeinen,45 zur Frage der demokratischen »Feierkultur« der Weimarer Republik im Besonderen46 sowie zur Inszenierung propagandistischer Großveranstaltungen im Festkalender des Nationalsozialismus.47 Darüber hinaus liegen Einzeluntersuchungen vor, die verschiedene Problemstellungen hinsichtlich des Eides oder einzelne Zeitabschnitte in den Blick nehmen.48 Zentral für die vorliegende Arbeit sind Studien zur Geschichte des Beamtentums im Allgemeinen49 oder auch zum Selbstverständnis von Beamten.50 Den Wandel von Eidesformeln und der betreffenden Gesetzestexte im Untersuchungszeitraum nachzuvollziehen, ermöglichen Standardwerke zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte.51 Speziell zum Beamteneid liegt bisher nur die Arbeit von Gerhard Saam vor, eine juristische Dissertation, die jedoch die historische Perspektive nur unzureichend berücksichtigt.52 Gleiches gilt für jene Arbeiten, die sich der Treuepflicht von Beamten im Staatsdienst zuwenden; diese sind jedoch häufig im Nachgang der Auseinandersetzung um den »Radikalenerlass« in der Bundesrepublik erschienen und teilweise bereits dem Quellenkorpus zuzurechnen.53 Neuerdings ist der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik stärker in den Blick geraten.54 Hinzu kommen Arbeiten und Einzeluntersuchungen, die sich dem Eid unter rechtsoziologischen oder rechtsvergleichenden Prämissen nähern, dabei jedoch historische Fragestellungen und Entwicklungen

44 Gross, Geschichte und Ethik; ders., Anständig geblieben; Bialas, Ideologie und Moral im Nationalsozialismus; ders., Moralische Ordnungen im Nationalsozialismus; Konitzer, »Arbeit«, »Volk«, »Gemeinschaft«; ders., Moralisierung des Rechts; ders., Moralität des Bösen. 45 Vgl. u. a. den Sammelband: Lehnert, Demokratiekultur in Europa, darin vor allem Vorländer, Können Demokratien eine vernünftige Repräsentationskultur ausbilden?. 46 Achilles; Buchner; Dreier, Die deutsche Revolution 1918/19 als Festtag der Nation?; Rossol, Repräsentationskultur und Verfassungsfeiern der Weimarer Republik; dies., Performing the Nation. 47 In Auswahl: Behrenbeck; Schmeer; Vondung. 48 Zum Eid im Konstitutionalismus: Bock; Polley. Diachron am regionalgeschichtlichen Beispiel Münster: Mecking, Demokratie – Diktatur – Demokratie. 49 Vgl. in Auswahl: Caplan, Government without administration; dies., The civil servant in the Third Reich; Fenske, Bürokratie in Deutschland; Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums; Henning; Mommsen, Beamtenpolitik im Dritten Reich; Morsey, Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck; Mühl-Benninghaus; Ruck; Wunder. 50 Vor allem: Fattmann; Fisch; Ormond; Süle. 51 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte; Jeserich. 52 Saam. 53 In Auswahl: Brandt, Die politische Treuepflicht; Damkowski, Verfassungstreue, Staatstreue, Regierungstreue; Grotkopp; Krause; Rejewski; Rung; Schmahl; Schrader, Verfassungstreue; Zwirner. 54 Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland; Llanque.

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kaum berücksichtigen.55 Ebenso haben sich die Theologen des Eides angenommen, oft mit einem Schwerpunkt auf der »Eideskrise« der Bekennenden Kirche im Dritten Reich.56 Schließlich liegen eine Reihe von Spezialstudien vor, die sich zwar nicht auf den Beamteneid, jedoch auf andere historische Eide, wie etwa auf den »Judeneid«57 oder den Fahneneid58 konzentrieren. Für die erste Hälfte des 19. Jahrhundert ist – trotz aller biographischen Fragwürdigkeit des Autors – die Studie Reinhard Höhns zur Vereidung des Militärs auf die Verfassung hilfreich.59 Ein Klassiker zur Geschichte des politischen Eides ist bisher nicht erwähnt: Die Arbeit Ernst Friesenhahns über den politischen Eid, die bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erschien und die von der Forschung bis heute zitiert wird, wenn es um den Eid geht.60 Tatsächlich ist diese Untersuchung im Hinblick auf Kategorisierungen und Systematisierungen von Eiden auch heute noch von zentraler Bedeutung. Dennoch ist ihre Zeitgebundenheit unübersehbar, etwa wenn Friesenhahn, ein Schüler Carl Schmitts, mit Schmitts »Freund-Feind-Theorie« argumentiert. So ist Friesenhahns Studie hier vor allem als Quelle zu begreifen und wird entsprechend als Teil des historischen Eidesdiskurses betrachtet und historisiert. Gleiches gilt für jene Studien, die sich dem mit dem Eid eng verknüpften Problem der Gewissensfreiheit widmen. Der größte Teil dieser Arbeiten stammt aus den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als in der Bundesrepublik eine lebhafte Auseinandersetzung über die moralische Dimension einer

55 Glässing; Klüver; Lex; Wetzel. 56 Gerlach-Praetorius; Glenthøj. Ansonsten als Überblick mit weiteren Literaturangaben: Artikel »Eid«, in: Theologische Realenzyklopädie. 57 Vormbaum, Der Judeneid im 19. Jahrhundert. 58 Lange. Weitere Arbeiten zum Fahneneid müssen aufgrund ihres Erscheinungsdatums im Kontext der Analyse als Quellen verstanden werden: Auer, Eid und feierliches Gelöbnis; Auer, Der Soldat zwischen Eid und Gewissen; Berg, Eid und feierliches Gelöbnis; ders., Soldateneid und Gelöbnis; Bethke; Cuntz; Dade; Nagel; Schieder; Stelzenberger; Vollmacht des Gewissens. 59 Höhn, Verfassungskampf und Heereseid. Der Staats- und Verwaltungsrechtler Reinhard Höhn, geb. 29.7.1904, gest. 14.5.2000, war in den zwanziger Jahren als enger Mitarbeiter von Arthur Mahraun im Jungdeutschen Orden tätig. 1933 trat er sowohl in die NSDAP als auch in die SS ein. In den Jahren des Dritten Reiches war er einer der wichtigsten Juristen des Regimes sowie einer der radikalsten theoretischen Köpfe der SS. Nach Kriegsende tauchte er unter. 1956 gründete er schließlich die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg, von wo aus er das Harzburger Modell entwickelte, das die Unternehmensführung in der Bundesrepublik lange Zeit prägte. Zu Höhns Arbeit am »Verfassungskampf«: Grothe, Zwischen Geschichte und Recht, S. 249–251. Siehe auch: Müller, Reinhard Höhn; Wildt, Der Fall Reinhard Höhn. 60 Friesenhahn, Der politische Eid. Vgl. auch die späteren Aufsätze: ders., Über den Eid der Beamten; ders., Diskussionsbeitrag auf der Staatsrechtslehrertagung 1954; ders., Zur Pro­ blematik des politischen Eides.

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staatlichen Vereidigung geführt wurde.61 Eine ebenso beeindruckende Häufung an publizierten Texten findet sich im 19. Jahrhundert, als die Zahl der Studien zum (meist assertorischen) Eid kaum zu überblicken war.62 Auch die Frühphase der Weimarer Republik sah, im Umfeld der Auseinandersetzungen um den Verfassungseid, eine breite Publikationstätigkeit zum Eid,63 ebenso der Nationalsozialismus64 und die fünfziger Jahre der Bundesrepublik.65 Darüber hinaus wurde für die vorliegende Analyse nicht zuletzt rechtswissenschaftliche Literatur als Quellenmaterial genutzt. Publizierte Quellen wurden ergänzt durch staat­ liches Archivgut (hauptsächlich aus dem Bundesarchiv an seinen verschiedenen Standorten) zur Entwicklung neuer Eidesformeln nach politischen Umbrüchen, zur Durchführung der Vereidigung von Beamten, zu einzelnen Konflikten um Eides­verweigerungen, im Falle des Nationalsozialismus auch zur Inszenierung von Massenvereidigungen, teilweise zum Fahneneid. Hinzu kam der Nachlass Kurt von Fritz’, dessen Eidesverweigerung im Dritten Reich beispielhaft herangezogen wurde. Gliederung Mit der Entscheidung für die Reichs- und Bundesbeamten und ihren Eid als Untersuchungsgegenstand fiel eine Reihe von Vorentscheidungen hinsichtlich der Gliederung, die vor allem in zwei Punkten entscheidend waren: Dadurch, dass erst mit der Reichsgründung 1871 eine Reichsverwaltung entstand, setzt diese Studie in ausführlicher Analyse erst 1871 ein. Frühere Entwicklungen, insbesondere im 19. Jahrhundert, behandelt sie daher nur kursorisch. Dabei stellt eine Untersuchung des politischen Eides im frühen 19. Jahrhundert ein wichtiges Forschungsdesiderat dar.66 In den heftigen Auseinandersetzungen des Konstitutionalismus und der liberalen Bewegung mit den Kräften der Restauration und des monarchischen Staates nahm der Eid einen prominenten Platz ein, über den wir jedoch noch zu wenig wissen. Zum zweiten fällt auch die Geschichte des politischen Eides in der DDR aus dieser Untersuchung weitgehend heraus, da das SED-Regime im Osten Deutschlands das traditionelle Berufsbeamten61 Bauernfeind, Eid und Friede; Bahlmann, Ist der Eid noch zeitgemäß?; ders., Der Eideszwang als verfassungsrechtliches Problem; Birkenmaier; Böttcher; Engelmann; Heimann-Trosien; Stolleis, Eideszwang und Glaubensfreiheit; Thesen zur Eidesfrage. 62 Vgl. in Auswahl: Arnold; Bauer, Der Eid; Bauer, Über den Eid; Habbe; Honigmann; Leue; Nicolassen; Recht, Staat und Eid in den Strömungen unserer Tage; Schrader, Der politische Eid. 63 Die Berichterstattung über den Eid in der Weimarer Republik war stark durch die Tagespresse dominiert. Vgl. darüber hinaus i. A.: Hünefeld; Keuthen; Lotz, Die Beamten und ihre Vereidigung auf die Reichsverfassung; Reichmann; Siegfried; Strötzel; Thiele; Wetzke. 64 Siehe u. a.: Böhm, Der Eid des Soldaten; Dibelius; Hirsch, Evangelisch-lutherische Lehre vom Treueid; Höhn, Der politische Eid; Höhndorf; Weber. 65 In Auswahl: Andersch; Aretin; Auer, Eid und feierliches Gelöbnis; Bauernfeind, Eid und Frieden; Bussche, Eid und Schuld; ders., Zum völkischen Eidesverständnis; Dirks; Elert; Redel­ berger; Schöllgen; Schütte. 66 Bisher: Bock.

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tum abschaffte. Gleichwohl spielte die Schwurverpflichtung auch hier – wie in allen diktatorischen Systemen – eine große Rolle, die der monografischen Aufarbeitung harrt.67 Die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts mit ihren häufigen Systemwechseln zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass ein politisches System auch und gerade in Abgrenzung von seinem »Vorgänger« seine Identität definierte. Dies gilt auch für den Eid: Nicht nur änderten sich mit den politischen Verwerfungen auch die Eidesformeln, sie taten dies in aller Regel in Abgrenzung von demjenigen Eid, dessen Bindung man zu lösen trachtete. Die Weimarer Republik setzte sich ebenso dezidiert vom Eid des Kaiserreichs ab wie die Nationalsozialisten mit aller Macht gegen den Verfassungseid von Weimar angingen. Die Bundesrepublik schließlich suchte ihren eigenen Weg in Abgrenzung von all diesen Eiden. Daher ist die Gliederung dieser Geschichte des politischen Eides chronologisch angelegt. Am Beginn der Untersuchung steht ein knappes erstes Kapitel, das sich zusammenfassend der spannungsvollen Geschichte des politischen Eides im Zeitalter des Konstitutionalismus widmet (1815–1871). Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs und dem Entstehen einer Reichsverwaltung setzt die Analyse im zweiten Hauptkapitel ein. Die rechtlichen Eidesregelungen und ihre Interpretation durch die Rechtswissenschaft der Zeit werden hier ebenso in den Blick geraten wie die Disziplinierungsabsichten von Regierungsseite. Diese wurzelten in dem Versuch, die politische Treuepflicht gerade über den Verweis auf den Eid zum Teil möglichst weit auszudehnen. Darüber hinaus gilt es zu zeigen, in welchem Maße der Eid Bestandteil des wilhelminischen Beamtenethos war und wie bereitwillig man sich von Seiten der Beamten auf die mit dem Eid verbundenen Disziplinierungsabsichten einließ. Die gruppenstiftende Funktion des Eides, die am Beamteneid des Kaiserreichs besonders deutlich gemacht werden kann, konnte jedoch auch in ihr Gegenteil verkehrt werden. In diesen Fällen wurde der Eid genutzt, politische Gegner wie Sozialdemokraten oder »Juden« aufgrund des Vorwurfs der »Meineidigkeit« aus der imaginierten Gemeinschaft auszuschließen. Hier beginnt sich der enge Blick auf das Beamtentums zu öffnen und das gesellschaftliche Verständnis des Schwurs im Kaiserreich insgesamt tritt stärker in den Mittelpunkt. Der Umgang der Sozialdemokraten mit dem staatlichen Eidesanspruch wird schließlich im letzten Teilkapitel zu analysieren sein: Wenn der Staat etwa mit dem Abgeordneteneid ein Bekenntnis zur Staatsund Gesellschaftsordnung des Kaiserreichs verlangte, konnte dann eine Gruppierung wie die Sozialdemokraten, die das System ablehnte, diesen Eid guten Gewissens leisten? Die Weimarer Republik und ihr Verfassungseid, dem sich das dritte Haupt­ kapitel widmet, war nicht zuletzt von dem Problem geprägt, dass eben jene, die im Kaiserreich den Eid noch als nutzlos bewertet hatten, nun die Regierung 67 Die Literatur konzentriert sich bisher weitgehend auf den Fahneneid der NVA. Vgl. mit weiteren Literaturangaben: Lange, Der Fahneneid.

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bildeten und sich alsbald entschlossen, den Eid entgegen früherer Ankündigungen nicht abzuschaffen. Den Weg hin zur neuen Eidesformel der Republik und die Einführung der nicht-religiösen Eidesformel gilt es darzustellen. Schon bald kam es zu heftigen Konflikten um den neuen Verfassungseid, geprägt von Eidesverweigerungen, Disziplinarverfahren und öffentlichen Debatten über die Interpretation dessen, was in der Republik mit »Treue« gemeint sein könnte. Die Frage, inwieweit es der Republik gelang, den Verfassungseid positiv für ein republikanisches Selbstverständnis zu nutzen, wird, in diesem Fall wieder beim Blick über den Beamteneid hinaus, an der Frage des Verfassungseides an Rhein und Ruhr (unter Besatzungsbedingungen) sowie den Vereidigungen der beiden Reichs­präsidenten Ebert und Hindenburg zu zeigen sein. Abschließend gilt es dann jene Ansätze zu betrachten, die aus staatsrechtswissenschaftlicher und juristischer Perspektive versuchten, den Eid mit der Formulierung »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung« als Element einer »Verfassungstreue« zu beschreiben. Dass es trotz dieser Bemühungen nicht gelang, über den Verfassungseid die Republik zu stärken, wurde jedoch im Umfeld der nationalsozialistischen »Machtübernahme« deutlich. Der Nationalsozialismus, dem sich das vierte ­Kapitel zuwendet, setzte die verhasste Formulierung von der »Treue der Reichsverfassung« außer Kraft und ersetzte sie bis 1934 durch einen Eid auf den »Führer« des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler. Der Eid stellte im nationalsozialistischen Recht ein ideologisches Kernelement dar, das es ebenso zu analysieren gilt wie das nationalsozialistische Treueverständnis. Dieses theoretisch-ideologische Eidesverständnis spiegelte sich schließlich in einer »durchvereidigten Volksgemein­schaft«. Beinahe alle gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der nationalsozialistischen Gesellschaft leisteten einen Eid, oft in sorgfältig inszenierten Veranstaltungen, die das Herrschaftsverständnis des Nationalsozialismus abbildeten. Die totale Inpflichtnahme, die sich im »Führereid« ausdrückte, band also mehr oder weniger eine ganze Gesellschaft und trug damit zur Konstruktion der »Volksgemeinschaft« bei. Eidesverweigerungen waren selten, dennoch kamen sie vor. Im Zuge der Neuvereidigungen nach der »Machtübernahme« in den Jahren 1933/34 sollen exemplarisch zwei Fälle aus dem Hochschulkontext untersucht werden: der Rostocker Altphilologe Kurt von Fritz und der Bonner Theologe Karl Barth verweigerten, jeweils mit unterschiedlichen Motiven, den Eid auf Hitler. Diese Motive ebenso wie die Reaktion des Regimes zu schildern, wird es ermöglichen, einerseits den individuellen Spielraum gegenüber der nationalsozialistischen Treueforderung gerade in der Frühphase des Dritten Reichs auszuloten. Andererseits gerät mit dem Fall Karl Barth über das individuelle Beispiel hinaus das schwierige Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland zum »Führereid« in den Blick. Erst im Zweiten Weltkrieg opponierte im nationalkonservativen Widerstand eine Gruppe von Beamten und Wehrmachtsführern, die alle einen Eid auf Hitler geleistet hatten und nicht zuletzt aufgrund ihrer biographischen Prägungen diesen Eid wohl auch ernst genommen haben. Der Zusammenhang zwischen dem »20. Juli 1944« und dem 26

»Eidbruch«, den das Regime nach dem Scheitern des Staatsstreichs propagandistisch betonte, sollte indes vor allem nach 1945 Bedeutung gewinnen. Die verantwortlichen Politiker entschieden sich zwar kurz nach der Gründung der Bundesrepublik, die im vierten Hauptkapitel im Zentrum steht, auch den Beamteneid wiedereinzuführen. Doch nur wenige Jahre nach dieser Wiedereinführung entwickelte sich der Eid zu einem der Kernpunkte der vergangenheitspolitischen Debatte, in der es um das Verhältnis von »Eidwahrern« und »Eidbrechern« in der Zeit des Nationalsozialismus ging. Nicht zuletzt anhand zweier Gerichtsverfahren, dem Remer-Prozess 1952 und dem sogenannten Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1953, wird dies zu zeigen sein. Im Kontext dieser Debatten begann sich das Verhältnis der Westdeutschen zum Eid zu wandeln, was sich nicht zuletzt in den Auseinandersetzungen über die Vereidigung der Soldaten bei Gründung der Bundeswehr zeigte. Die grundsätzliche Wertschätzung des Eides als einem (beamtenrechtlichen) traditionsreichen Ritual blieb darüber hinaus weitgehend erhalten. Erst in den sechziger und siebziger Jahren entwickelte sich eine grundsätzliche Kritik. Die Idee des Gewissens und die Bedeutung der individuellen Grundrechte nahm immer mehr Raum in der öffentlichen Debatte, den Kirchen und der Wissenschaft ein, so dass der Anspruch des Staates, von seinen Staatsbürgern einen Eid zu verlangen, nicht mehr selbstverständlich hingenommen wurde. Dies zeigte nicht zuletzt das Eides-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1972. Dass sich die Zeiten seit Mitte siebziger Jahre grundsätzlich geändert hatten und mit ihnen auch der Blick auf den Eid, wird an der Auseinandersetzung um den sogenannten »Radikalenerlass« offensichtlich. Hier wurde die Frage nach der Treuepflicht wieder zu einem zentralen Element der Innenpolitik. Jedoch wurde diese Frage nach der Treuepflicht nun – im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten – nicht mehr durch den Rückgriff auf den Eid als Mittel der Gewissensbindung beantwortet. Mit dem »Extremisten«-Beschluss war ein Wendepunkt in der Geschichte des politischen Eides erreicht. Er steht daher am Ende der Untersuchung. Jedes der skizzierten Großkapitel folgt dabei einem ähnlichen Aufbau. Am Beginn steht der Blick auf die jeweils gültige(n) Eidesformel(n) sowie die rechtlichen Regelungen der Vereidigung von Beamten. Analysiert wird dabei, wie und warum sich die verschiedenen politischen Systeme für eine bestimmte Eidesformel entschieden, die sich in der Regel jeweils deutlich vom Eid des politischen Vorgängersystems unterschied (mit Ausnahme des Kaiserreichs, das sich als nationalstaatliche Neugründung weniger deutlich von einem Vorgänger absetzen musste, sondern vielmehr an preußische Traditionen anschloss). Aus der Ablehnung der Eidespraxis des abgelösten politischen Systems ergab sich einerseits die Formulierung eines neuen Eides, andererseits die Neuvereidigung aller Staatsdiener als macht- und herrschaftsstabilisierendes, wenn nicht sogar herrschaftsbegründendes Ritual. Ebenfalls in allen Kapiteln gilt es dann, sich die spezifischen Treuevorstellungen zu vergegenwärtigen, die sich im jeweiligen Eid einer Epoche spiegelten. Gerade angesichts der politischen Extreme und Systemgegensätze, die den Untersuchungszeitraum prägten, bietet die Analyse 27

der im Eid beschworenen »Treue« weitreichendes Erklärungspotential für die Entwicklung und die Veränderung des Verständnisses von Herrschaft einerseits, der Beziehung zwischen Staat und Staatsbürger andererseits. Dies wiederum führt zu der Frage nach Widerständen gegen die staatlicherseits verlangte Treuebekundung, einer Frage, die ebenfalls in allen Hauptkapiteln gestellt wird. Jenseits dieser Schematik differenzieren sich in den jeweiligen Kapiteln die Teilfragestellungen und Untersuchungshorizonte in Anpassung an spezifische Problemkonstellationen der Zeit. Dies wiederum entspricht dem oben beschriebenen System »konzentrischer Kreise«, die sich vom jeweils am Anfang des Kapitels stehenden spezifischen Beamteneid wegbewegen zu allgemeineren und über spezifisch beamtenrechtliche Zusammenhänge hinausgehenden Themen zum allgemeinen Verständnis des politischen Eides in der jeweiligen Gesellschaft.

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1. Zeitalter des Übergangs: Der Eid vor 1871 Das »Sakrament der Herrschaft«, so hat Paolo Prodi den politischen Eid genannt. Über Jahrhunderte hinweg, bis an die Grenze zur Moderne, war der Schwur das wichtigste Ritual zur Anerkennung und Sicherung von Herrschaft sowie zur Stabilisierung politischer Gemeinschaften.1 Dabei blieb der Eid zwischen Antike und Frühmoderne zwar nicht unverändert.2 Gleichwohl war er von erstaunlicher kulturhistorischer Kontinuität geprägt. Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung und dem Übergang zur Moderne um 1800 begannen sich Inhalt und Funktion des Rituals grundlegend zu wandeln. Eine fundamentale »Metamorphose des Eides« setzte ein, die sich in einem wiederum zwei Jahrhunderte umspannenden Prozess vom 18. bis ins 20. Jahrhunderte ziehen sollte.3 Dieser Wandlungsprozess betraf den assertorischen wie den promissorischen Eid, und zwar nicht nur im Hinblick auf theologische und rechtliche Begründungen, sondern auch im Hinblick auf die »Eidespraxis«. Untersucht ist dieser Prozess bisher jedoch allenfalls in Ansätzen. Auch die vorliegende Studie wird aufgrund ihres spezifischen Zuschnitts einer Untersuchung des politischen Eides am Gegenstand des Reichsbeamtentums diesen Mangel für das späte 18. Jahrhundert und die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts nicht ausgleichen können. Hier kann es allenfalls darum gehen, in groben Linien die Bedeutung des Eides im Laufe des 19. Jahrhunderts zu skizzieren, um damit für seine Analyse seit Gründung des Kaiserreichs den Boden zu bereiten. Dabei werden zwei Entwicklungslinien im Zentrum stehen, die beide jeweils auf ihre Art die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten. Zum Ersten soll es angesichts der durch die Aufklärung angestoßenen kultur- und religionshistorischen Wandlungsprozesse, die den bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich religiös definierten Eid unter Druck setzten, um die Frage einer möglichen Säkularisierung des Eides gehen. Die Antworten, die darauf im Verlauf des 19. Jahrhunderts gegeben wurden, changierten zwischen der kompletten Abschaffung des religiösen Eides, seiner Entkonfessionalisierung und der Entwicklung eines »bürgerlichen« Eides für den modernen Staat. Zum Zweiten soll jener Entwicklungsstrang beleuchtet werden, in dem sich der Eid im 19. Jahrhundert stärker als zuvor zu einem politischen Instrument entwickelte und damit Teil der politischen Ausein­ andersetzung in den Konflikten des Konstitutionalismus wurde. Der Kampf um den Verfassungseid, der sowohl von liberal-fortschrittlichen wie auch konservativ-restaurativen Kräften mit aller Macht geführt wurde, steht hier im Zentrum. 1 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft. 2 Ebd., S. 13. 3 Ebd., S. 375.

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Bezogen auf die erste dieser beiden Entwicklungslinien, die religiöse Verankerung, geriet der Eid durch Aufklärung und Säkularisierung wenig überraschend in die Kritik. Das bis zu diesem Zeitpunkt unhinterfragt religiöse Fundament des Schwurs wurde erstmals säkular in Zweifel gezogen; zudem entwickelte sich die Vorstellung, den Zwang, einen Eid zu leisten, als einen Eingriff in das religiöse und moralische Gewissen des Einzelnen zu betrachten. Wenn auch diese Position noch lange in der Minderheit bleiben sollte, so entwickelten sich doch hier erste Forderungen nach Abschaffung des »Eideszwangs« im Interesse von Religions- und Gewissensfreiheit. Die aufklärerische Kritik am Schwur ist im deutschsprachigen Raum bis heute verbunden mit dem Namen Immanuel Kants.4 Dessen Auslassungen zum Eid, obwohl wenig systematisch und über verschiedene Schriften verstreut, wurden breit rezipiert und die von ihm entwickelten Argumente in den folgenden Jahrzehnten immer wieder vorgebracht.5 Vor allem gilt dies für seine Bezeichnung des Eides als »tortura spiritualis«.6 Kant richtete verschiedene Kritikpunkte an den Eid: Der Eid sei kaum zu unterscheiden von »heidnischen Praktiken« und »Aberglauben«.7 Die Vorstellung, »durch die Verrichtung vorgeschriebener ›Förmlichkeiten‹ sich Gott wohlgefällig machen und damit sein Heil selbst bewirken zu können«, grenze an Blasphemie.8 Hinzu kam, dass Kant dem Eid keine Wirkung zusprach, war er doch überzeugt, dass ein unmoralischer Mensch sich auch durch einen Eid nicht gebunden fühlen und ein moralischer auch ohne einen Eid rechtschaffen handeln würde. Dennoch plädierte Kant nicht für die Abschaffung des Eides. Er sah ihn – trotz aller Kritik, die er äußerte  – als für den Staat und das Rechtsleben »unentbehrlich«, weil ohne ihn weder die Wahrheitsermittlung im Rechtssystem noch Stabilität von Herrschaft und Verwaltung garantiert wären.9 Der Eid war nach Kant ein »auf bloßem Aberglauben gegründetes Zwangsmittel, das der Staat aus politischen und rechtlichen Gesichtspunkten schlechterdings nicht entbehren zu können glaubt«, gewissermaßen als notwendiges Übel, um Recht, Macht und Ordnung aufrecht zu erhalten.10 Dies entsprach der Position, die in den kommenden Jahrzehnten – bis hinein in die Bundesrepublik – von verantwortlichen Politikern eingenommen wurde und nach Systemwechseln zur Beibehaltung des Eides im Rechts- und Verwaltungssystem führte: »Die Heiligkeit des Eides« sollte in den Dienst des Staates gestellt werden.11 4 Zu Kants »Eideslehre«: Hüning; Twellmann, Volksaufklärung im Recht?; ders., »Über die Eide«. 5 Bereits vor Kant hatten sich andere Autoren kritisch mit dem Eid auseinandergesetzt. Vgl. mit Beispielen: Teutsch, S. 36. 6 Kant, S. 124. 7 Twellmann, Über die Eide, S. 5. Zum »Aberglauben« vgl. auch: Teutsch, S. 53. 8 Twellmann, Über die Eide, S. 6. 9 Kant, S. 110. 10 Zitiert nach Teutsch, S. 55. 11 Kuttner, S. 40 (zitiert nach Twellmann, Über die Eide, S. 133).

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Die theoretische Infragestellung, zum Teil sogar die Ersetzung des Gottes­ bezuges im Schwur bei gleichzeitiger Betonung der individuellen Gewissensfreiheit seit Beginn der Aufklärung stellte einen fundamentalen Bruch in der jahrhundertelangen Geschichte des Eides dar. Der bis zu diesem Zeitpunkt unhinterfragt mit dem Eid verbundene Anspruch auf Wahrheit und »Treue«, auf Loyalität und Herrschaftssicherung, trat zunehmend in Konkurrenz zu Individualrechten und Privatsphäre, zu Religions- und Gewissensfreiheit. An die Stelle von christlich verankerten, gesellschaftlich normierten Verhaltensweisen, durch die die Entscheidung über die Bindungswirkung des Schwurs »dem Einzelnen durch die in der Gesellschaft geltenden Normen abgenommen« wurde,12 konnte – nicht musste – die Möglichkeit treten, das eigene Verhalten stärker als zuvor der individuellen Position des Eidgebers zu überantworten. Der Eidgeber, der Schwörende, gewann die Möglichkeit individueller Entscheidung über die Bindungswirkung des geleisteten Schwurs und damit so etwas wie »Macht« innerhalb der früheren Dreiecksbeziehung des Eides (zwischen Eidnehmer, Eidgeber und Gott): Macht über sein eigenes Gewissen. Diese durch die Aufklärung angeschobene Entwicklung fand ihren Niederschlag in einer Flut von Publikationen zum Eid.13 In Konsequenz der aufklärerischen Kritik ging es dabei einigen Autoren um die Abschaffung des Eides. Doch auch die Gegenbewegung zur aufklärerischen Eideskritik wuchs: Autoren, die den Eid in seiner »Heiligkeit« wiederherstellen und bewahren wollten. Hier war die Überzeugung weit verbreitet, dass ein Eid immer, egal wie die Eidesformel lautete, bereits im Vorgang des Schwurs performativ eine religiöse Handlung bedeute.14 Die Mehrheit dieser Autoren forderte eine Einschränkung der staatlichen Eidespraxis: Die Zahl der geleisteten Eide sollte verringert werden, um keine Gewöhnung eintreten zu lassen.15 Auffällig ist dabei die Konzentration dieser Autoren auf den assertorischen Eid. Ihre Kritik war festgemacht an einer »Eidespraxis« vor Gericht, die nach Meinung der Zeitgenossen zu oft und unnötigerweise vereidigte und damit nicht nur das Gewissen der Schwörenden unnötig belastete, sondern auch die »Heiligkeit« des Eides missachtete. Demgegenüber blieb die Kritik am promissorischen Eid, also am Treueid der Beamten und Soldaten, erheblich verhaltener. Die Kritik am assertorischen Eid und der »Eidespraxis« vor Gericht hingegen sollte sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein erhalten und erheblich früher als beim promissorischen Eid zu rechtlichen Neuregelungen führen. Einen ersten politischen und gesetzgeberischen Niederschlag fand die seit dem 18. Jahrhundert formulierte religiös fundierte Kritik am Eid in Deutsch12 Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid, S. 122. 13 Teutsch, S. 59/60. 14 Weichlein, »Ich versichere bei Strafe des Zuchthauses«, S. 1. 15 Für das 19. Jahrhundert vor Gründung des Kaiserreichs vgl. zusätzlich zu den in der Ein­ leitung genannten Titeln: Der Eid; Göschel; Görtz; Meister; Marx; Riegler; Strippelmann; Wolf.

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land in den Beratungen des Frankfurter Paulskirchenparlamentes.16 Die Debatten bildeten einen »Knotenpunkt« der Auseinandersetzung über die Bedeutung und die Rolle des religiösen Eides in einer säkularisierten Gesellschaft und ihrer politischen Konsequenzen.17 Die Paulskirchenverfassung, die die eindeutige Trennung von Staat und Kirche festschrieb, musste notwendigerweise auch den religiösen Eid neu fassen. Die bisherige Praxis einer mehr oder weniger alternativlosen religiösen Vereidigung etwa vor Gericht, aber auch bei Diensteiden (es gab Ausnahmen für Mitglieder religiöser Gemeinschaften, denen das Schwören verboten war), war nicht undiskutiert weiterzuführen. Doch während für die Eheschließung ein staatliches Ritual geschaffen wurde, blieben die Entscheidungen der Paulskirche zum Eid weniger mutig. Der Vorschlag, die religiöse Eidesformel bei staatlichen Vereidigungen durch einen »bürgerlichen« Eid zu ersetzen, konnte sich in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Stattdessen fand man einen Kompromiss in Form einer erneuerten nicht-konfessionellen, dennoch aber allgemein-religiös gebundenen Eidesformel. Nachdem im Verfassungsentwurf die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Tatsache, dass niemand »zu einer religiösen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden« könne, formuliert worden war, legte man eine einheitliche, konfessionsfreie Eidesformel für alle Staatsbürger des Deutschen Reichs fest. Zukünftig sollte – statt konfessionell-gebundener Sonderformeln  – jeder Eid mit den Worten »[…]. so wahr mir Gott helfe« enden.18 Diese Entwicklung bedeutete einen großen Schritt in Richtung Rechtsgleichheit der Staatsbürger: Zwar blieb die Position der Atheisten, die gezwungen waren, einen Eid mit religiöser Formel zu sprechen, auch in der Paulskirchenverfassung nicht berücksichtigt, doch sollten diskriminierende »Sondereide« etwa für Juden fortan wegfallen. Mit der Entwicklung der konfessionslosen Eidesformel hatten die Abgeordneten der Paulskirche den religiösen Eid nicht in Frage gestellt, doch hatte man erstmals einen Eid formuliert, der konfessionelle Besonderheiten außer Acht ließ und stattdessen Angehörige verschiedener – allerdings monotheistischer – Religionen einen identischen Schwur ableisten ließ. Und auch wenn es der assertorische Eid gewesen war, von dem die Überlegungen des Verfassungsausschusses ausgegangen waren, so sollte die konfessionslose Eidesformel doch fortan für alle staatlichen Eide genutzt werden, für assertorische wie promissorische Eide. In verschiedenen Staaten des Deutschen Bundes wurde die konfessionsfreie Eidesformel in der Folgezeit zu Regel, so auch für die Beamten in Preußen, die seit 1867 einen Treueid mit folgender Formulierung schworen: »Ich schwöre 16 Ausführlich geschildert bei: Hubrich, S. 57–64. Zu Hubrich vgl.: Gellinek. 17 Weichlein, Religion und Politik, S. 405. 18 Zitiert nach: Hubrich, S. 58/59. Zur Frankfurter Paulskirchenverfassung und vor allem ihrem Grundrechteteil vgl.: Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche; Scholler, Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, v. a. S. 21–26 sowie S. 142–176. Bis zur Einführung einer konfessionslosen Eidesformel fügten Protestanten der Eidesformel »so wahr mir Gott helfe« den Satz »durch Jesum Christum zur Seligkeit« hinzu, Katholiken die Worte »und sein heiliges Evangelium«. Vgl.: Weichlein, »Ich schwöre bei Strafe des Zuchthauses«, S. 3.

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zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden […] so wahr mir Gott helfe.« Diese Formulierung fand dann nach 1871 auch für das Reichsbeamtentum Verwendung. Ebenso wurde der assertorische Eid nach der Reichsgründung mit einer identischen Formulierung dieser Entwicklung angepasst.19 Im Verfassungsausschuss der Paulskirche waren die unterschiedlichen Positionen zur konfessionellen Eidesfrage aufeinandergeprallt. Die Abgeordneten rangen in verschiedenen Beratungen um einen erneuerten Eid, einen Eid, der den Ideen von Aufklärung und Liberalismus gerecht werden konnte, der der »Moderne« angepasst war, oder aber sie beharrten gerade auf der traditionellen Überzeugung eines religiös verankerten Schwurs. Dabei gab es nur einen gemeinsamen Nenner: Bis auf wenige Abgeordneten stellte niemand den Eid grundsätzlich in Frage, keiner wollte tatsächlich auf den Eid als Mittel zur Wahrheitsfindung verzichten. Nach Auffassung der Mehrheit der Parlamentarier handelte es sich beim Eid um ein Ritual, das für die staatliche Machtentfaltung und -sicherung sowie das staatliche Rechtssystem unverzichtbar war. Die Religionsund Gewissensfreiheit erschien zwar als zentraler Punkt der neuformulierten Grundrechte, der Herrschaftsanspruch des Staates jedoch stand über diesen Freiheitsrechten. Im Zweifelsfall hatte das Individuum vor dem Recht des Staates auf Wahrheitsfindung und seinen Anspruch auf die Treue seiner Staatsbürger zurückzutreten, darin war sich die Mehrheit der Abgeordneten in der Paulskirche einig. Diese Auffassung sollte für den Eid und damit für das Verhältnis zwischen Staatsbürger und Staat noch lange bestimmend bleiben. Demgegenüber konnte sich das Argument der Gewissensfreiheit in der Debatte um den Eid im 19. Jahrhundert noch nicht entscheidend durchsetzen. Es ging, wie Siegfried Weichlein gezeigt hat, in Deutschland stärker darum, der Religionsfreiheit zum Durchbruch zu verhelfen als der Gewissensfreiheit, ja Gewissensfreiheit wurde in aller Regel unter Religionsfreiheit subsumiert: Wenn der Religionsfreiheit Genüge getan war, dann herrsche auch Gewissensfreiheit, so die Überzeugung. Daher waren die Reformbemühungen im Hinblick auf den Eid auch stärker als etwa in Frankreich auf eine »Entkonfessionalisierung und Vereinheitlichung« der Eidesformel gerichtet.20 Die Position von Atheisten blieben in all diesen Überlegungen nicht berücksichtigt und der religiöse Eid blieb im gesamten 19. Jahrhundert verpflichtend. Neben diese durch die aufklärerische Kritik ausgelöste Entwicklung rund um die religiöse Verankerung des Eides, trat im 19. Jahrhundert eine weitere Konfliktlinie rund um den Schwur. Diese war stärker als die religiöse Debatte, die vorwiegend auf den assertorischen Eid ausgerichtet war, am promissorischen Eid, also dem Versprechenseid der Beamten und Soldaten, orientiert. Im Kern dieser Auseinandersetzung stand die Verwendung dieses Eides als Mittel zur Sicherung politischer Herrschaft. Der Eid der Vormoderne war eine Art »Dreiecksbeziehung« gewesen. Beide eidleistenden Parteien banden sich vor Gott und 19 Zur Diskussion über die Eidesformel vgl. Hahn. 20 Weichlein, »Ich schwöre bei Strafe des Zuchthauses«, S. 2.

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versprachen einander Schutz und Hilfe in Form einer gegenseitigen Verpflichtung. Diese Dreiecksbeziehung löste sich seit der Frühen Neuzeit und spätestens mit Beginn der Aufklärung aus verschiedenen Gründen, die Paolo Prodi nachgezeichnet hat, auf.21 Dabei spielten einerseits die langsam einsetzenden Säkularisierungsprozesse eine Rolle, andererseits aber auch die Entstehung der modernen Nationalstaaten mit ihrem spezifischen Machtanspruch. Der Eid bezog sich immer stärker nicht auf eine »persönliche Bindung nach lehnsrechtlichem Typus«, sondern »auf das fiktive Verhältnis des Menschen zu einem imaginären ›anderen ich‹«.22 Dieses »andere ich«, zu dem sich der Eidnehmer durch den Eid in Beziehung stellte, war nun nicht mehr ein einzelnes Individuum, sondern der moderne Nationalstaat als »politische Person«. Personifiziert war er (auch im Eid) durch den Monarchen. Im Laufe dieses Prozesses verschob sich auch der Inhalt des mit dem Eid Versprochenen: Während der Eid zuvor eine »Verpflichtung [bedeutete], die sich in jedem Fall auf konkrete und überprüfbare Handlungen bezog (Hilfe, Rat, Geheimhaltung), die in rechtlichen Termini verifizierbar waren«, bestand spätestens mit der Französischen Revolution »die Tendenz, innere Haltungen, mentale Konzeptionen, Doktrinen miteinzubeziehen.«23 Es ging nicht mehr darum, Hilfe in einem konkreten Konflikt zu versprechen, sondern es ging darum, ein ganzes politisches System, sein ideologisches Fundament und seine Normen im Eid anzuerkennen. Dies gilt in zunehmendem Maße für das 19. und 20. Jahrhundert, als der »Kampf der Ideologien« auf der einen, die zunehmenden politischen Partizipationsrechte auf der anderen Seite das Bedürfnis nach der Stiftung politischer Loyalitäten erhöhten. In diesem Zusammenhang entwickelte sich der Eid immer stärker zu einer »politischen Verpflichtung«, einem »Akt der kollektiven Identifikation« mit einer vorgegebenen Gruppe. Damit wurde der Eid der Moderne zu einem Instrument des Staates und Paolo Prodi hat ihn prägnant als »politisches Gelübde« bezeichnet.24 Diese Bedeutungsverschiebung des Eides lässt sich auch für die »Staatsdiener« nachvollziehen. Mit der Entwicklung des modernen Beamtentums wurde der Dienstvertrag nicht mehr über den Eid gestiftet. Stattdessen wandelte sich der Eid zu einem Ritual, in dem die Herrschaft des Dienstherrn anerkannt und die Dienstpflichten bekräftigt wurden. Mit der Einführung der »Treue- und Gehorsamspflicht« in das Beamtenrecht, erstmals formuliert im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794), übernahm der Eid die Aufgabe, dieses Treue- und Gehorsamsversprechen einerseits im individuellen Gewissen zu verankern und andererseits öffentlich zu machen. Somit drückte sich im Eid die Anerkennung eines vertikalen Beziehungsgefüges aus. Der Eid wurde zunehmend zu einem

21 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, v. a. S. 375–440. 22 Ders., Der Eid in der europäischen Verfassungsgeschichte, S. XX. 23 Ebd. 24 Ebd., S. XXV.

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(freiwilligen) Ritual der Unterordnung des Beamten unter den Machtanspruch des Staates, die Akzeptanz des »besonderen Gewaltverhältnisses«. Angesichts der sich seit dem späten 18. Jahrhundert pluralisierenden politisch-ideologischen Landschaft wurde die im Eid beschworene »Treuepflicht« zu einem zentralen Element der politischen Auseinandersetzung und der Konflikt um den promissorischen Eid zu einem Leitmotiv im »Zeitalter der Ideologien«.25 Vor dem Zeitalter des Konstitutionalismus hatte die Frage nach der außerdienstlichen politischen Einstellung von Staatsdienern keine Rolle gespielt; erst mit den durch die Verfassungen garantierten politischen Rechten wie Meinungs-, Presseund Vereinsfreiheit geriet die politische »Treue« der Beamten in den Blick der Regierungen. Nun war die politische Loyalität der Staatsdiener gerade angesichts von revolutionären Potentialen für Regierungen von zentraler Bedeutung. Reformerische und revolutionäre Kräfte hingegen mussten darauf abzielen, diese politische Loyalität der Staatsdiener gegenüber den monarchisch-restaurativen Kräften durch den Schwur auf die Verfassungen ins Wanken zu bringen. Dies setzte einen wichtigen Wandlungsprozess in Gang: Neben den seit Jahrhunderten überlieferten Treueid trat nun mit aller Macht der Verfassungseid als Konfliktpunkt in der Auseinandersetzung zwischen monarchischem System und Konstitutionalismus. Diese Entwicklung setzte mit der Französischen Revolution ein. Die französische Verfassung von 1791, die den französischen König durch einen Eid zur Wahrung der Verfassung und jeden erwachsenen männlichen Bürger durch einen Eid zur Treue gegenüber der Nation, dem Gesetz und König sowie zur Wahrung der Verfassung verpflichtete, nahm hierbei Vorbildcharakter ein.26 Alle Verfassungen, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in den deutschen Bundesstaaten entstanden, enthielten Verfassungseide für den Monarchen, Beamte oder Staatsbürger.27 Vor allem Liberale sahen im Verfassungseid das ideale Mittel, um die Verfassungstreue möglichst vieler gesellschaftlicher Gruppen zu stärken und damit die Verfassung zu sichern. Man hoffte, über den Zugriff auf das Gewissen eine Schranke gegen einen Missbrauch der Verfassung errichten zu können. Durch den Verfassungseid gerade der Fürsten und Monarchen sollte neo-absolutistischen Tendenzen und einem möglichen Verfassungsbruch entgegengewirkt werden. Über die moralisch-religiöse Bindung durch den Schwur vor Gott erhofften sich liberale Vertreter der Vertragslehre, den Monarchen religiös und emotional an das Verfassungswerk zu binden; hinzu kam die psychologische Wirkung der Eidesleistung auf das Gewissen des Schwörenden sowie die Angst vor öffentlicher »Schande im Falle des Eidbruchs«.28 Diese beabsichtigte Bin25 Allg.: Beyme. 26 Vgl.: http://www.verfassungen.eu/f/fverf91-i.htm (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 27 Die Huldigungseide der Vormoderne entwickelten sich mancherorts zu Bürgereiden, vgl. Polley. Zur Huldigung vgl.: Holenstein, Die Huldigung der Untertanen. 28 Weichlein, Der Verfassungseid und die Verfassung der Eide, S. 375.

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dung des Staatsoberhauptes durch den Eid stellte allerdings staatstheoretisch die »Unverletzlichkeit der Fürsten nach monarchischem Prinzip« in Frage, so dass »im Verfassungseid des Staatsoberhauptes […] die staatstheoretische Kontroverse um das Wesen des konstitutionell monarchischen Staates« kulminierte.29 Der Eid des Staatsoberhauptes wurde daher zum Symbol der Auseinandersetzung über die Frage nach der Staatsform zwischen Liberalen und Konservativen. Solche Auseinandersetzungen wurden in ähnlicher Weise auch über die Frage nach der Vereidigung der Soldaten auf die Verfassung geführt. War das eigentliche liberale Ziel, die Abschaffung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch eine bürgerliche Landwehr, mit den regierenden Kräften nicht zu verwirklichen, so versuchte man mittels des Verfassungseides für die Soldaten, die erhoffte »Verbürgerlichung« voranzutreiben.30 Vor allem aber sollte mittels der Verfassungsbindung der Soldaten ein möglicher Machtmissbrauch des Militärs durch den Monarchen verhindert werden. Eine weitere Absicht war es, die Bindung des einzelnen Soldaten an den Monarchen durch den Verfassungseid zu entpersonalisieren: Neben den Eid auf die Person des Staatsoberhauptes sollte der unpersönliche Eid auf die Verfassung treten und damit der Soldat aus seiner individuellen Bindung an die Person des Herrschers gelöst werden. Dies galt in gleicher Weise für die Beamten. Bereits im Verlauf des 18. Jahrhunderts war es seit Beginn der Entwicklung einer modernen Verwaltung zu einer langsamen begrifflichen und inhaltlichen Trennung zwischen dem »Fürstendiener« und dem »Staatsdiener« gekommen.31 Diese Entwicklung arbeitete den Bemühungen des Konstitutionalismus vor, der nun in die »zweidimensionale Dogmatik« von Staatsdiener und Staat die »dritte Dimension – das Volk und seine Verfassung« – einführte.32 Die konstitutionalistische Staatslehre sah es als entscheidend an, den Beamten aus der persönlichen Bindung an den Landesherrn zu lösen und ihn stattdessen zusätzlich an den Verfassungsstaat zu binden.33 Der Verfassungseid sollte diese Bindung durch eine Verankerung des Versprechens, die Verfassung zu schützen, im Gewissen des Eidgebers bewirken und damit formal-juristische Verfassungsschutzelemente ergänzen. An die Stelle der Monarchentreue, oder diese zumindest eingrenzend, sollte auf diese Weise die Verfassungstreue treten und die »vormals persönlich an den Landesherrn gebundenen zivilen und militärischen Staatsdiener […] dem Monarchen als Mittel eigennütziger Politik entzogen werden.« Dem Beamteneid kam damit eine »flankierende« Funktion im Kampf des Liberalismus gegen den Absolutismus zu.34 29 Bock, S. 178. 30 Die einzige monografische Schilderung des Konfliktes um den Verfassungseid des Heeres stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Feder des SS-Juristen Reinhard Höhn und ist dementsprechend kritisch zu beurteilen (vgl. Einleitung): Höhn, Verfassungskampf und Heereseid. Siehe zum Verfassungseid des Heeres auch: Lange. 31 Saam, S. 99–101. 32 Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 223. 33 Bock, S. 185. 34 Ebd., S. 216.

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Ihren Höhe- und Endpunkt erlebten die konstitutionellen Bemühungen um den politischen Verfassungseid, ganz ähnlich wie jene um die religiöse Verankerung des Eides, in der Reichsverfassung der Paulskirche. Dabei erreichte die Paulskirchenverfassung eine »verfassungsverbürgte Intensität, die später nicht mehr erreicht werden sollte«.35 Die »Verfassungsväter« hatten versucht, die Verfassung für alle Teilbereiche des Staatslebens zur zentralen Norm zu erheben und daher die Vereidigung aller politischen Gruppen vorgesehen: Reichsoberhaupt, Abgeordnete, Beamte und Soldaten, sie alle sollten einen Verfassungseid leisten. Dabei war im Falle des Monarchen sogar eine rechtsbegründende Funktion des Eides vorgesehen: Vor Leistung des Eides sollte er nicht berechtigt sein, Regierungshandlungen vorzunehmen (Art. 190 Abs. 3).36 Die Verfassung der Paulskirche war geprägt durch ein starkes »herrschaftsbegründendes Selbstverständnis«, weil es im Gegensatz zum monarchischen Prinzip nun allein die Verfassung war, in der die »Kompetenzen und Machtbefugnisse des Monarchen« festgelegt waren.37 Ohne Eid keine Macht: Erst durch die öffentliche Anerkennung der Verfassung im Eid wurde dem Herrscher das Recht zugesprochen zu regieren – soweit sollte keine deutsche Verfassung, die der Paulskirchenverfassung folgte, in Bezug auf die Verfassungsbindung ihrer Staatsoberhäupter mehr gehen. Die Paulskirchenverfassung scheiterte und damit auch ihr weitgesteckter Rahmen bezüglich des Verfassungseides. Dies galt jedoch nicht für die liberalen Absichten hinsichtlich der Vereidigung der Beamten. Hierzu trug auch die bereits angesprochene Tatsache bei, dass die Entwicklung des Beamtentums hin zum »Staatsdienst« und die Loslösung des Beamten von der Person des Monarchen bereits vor 1815 eingesetzt hatten. Daher war der Beamteneid bereits weitgehend konstitutionell in den Landesverfassungen verankert.38 Die Vereidigung der Beamten auf die Verfassung galt dementsprechend nicht als allein »liberales Konzept« der Revolutionszeit und war eher konsensfähig. Doch über diesen Erfolg im Hinblick auf den Verfassungseid der Beamten hinaus zeigte sich im Kampf um den Verfassungseid auch die Grenze des Machbaren für die liberale Bewegung: Es gelang gegenüber den konservativen Kräften eben »nur«, die zivilen Beamten durch einen Verfassungseid zu binden, für andere Gruppen war der Verfassungseid nicht dauerhaft durchsetzbar. Angesichts einer Vereidigung der zivilen Verwaltung wehrten sich die konservativen Kräfte (mit Ausnahme

35 Schmidt, Vorrang der Verfassung, S. 150. 36 Zum Vorbild der belgischen Verfassung von 1831, die ebenfalls eine rechtsbegründende Form des Eides für das Staatsoberhaupt kannte, vgl. ebd., S. 151. 37 Ebd. Siehe allgemein: Bouveret. 38 Einen Eid der Beamten auf die Verfassung enthielten die bayerische Verfassung von 1818 (Titel X § 3), die württembergische Verfassung von 1819 (§ 45), die kurhessische Verfassung von 1831 (§ 60), die hannoversche Verfassung von 1833 (§ 161) und die preußische Verfassung von 1850 (§ 161). Die Reichsverfassung von 1849 sah in § 191 einen Verfassungseid der Beamten vor. In Baden regelte ein Gesetz 1848 den Diensteid.

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von Kurhessen) umso heftiger gegen eine Vereidigung des Militärs.39 Und auch hinsichtlich der Vereidigung der Monarchen auf die Verfassung lassen sich die Grenzen des liberalen Anspruchs an den Eid aufzeigen. Ein tatsächlicher Verfassungsschutz durch den Eid blieb abhängig vom Wohlwollen der Monarchen. Verweigerte sich ein Monarch dem Verfassungseid, so scheiterte – bei aller möglichen Diskreditierung des Herrschers durch einen »Wortbruch«40 – das liberale Konzept des Verfassungsschutzes durch den Eid, da es keine Möglichkeit gab, eine Bindung an den Eid zu erzwingen. Letztlich saßen die monarchischen Kräfte am längeren Hebel und konnten die konstitutionellen Absichten, die sich mit dem Eid verbanden, ausbremsen. Eines der bis heute prominentesten Beispiele für die Rolle der Monarchen in der Auseinandersetzung um den Verfassungseid liegt zeitlich im Vorfeld der Revolution von 1848/49: der hannoversche Verfassungskonflikt 1837. Als König Ernst August 1837 inthronisiert war, setzte er die Verfassung aus dem Jahr 1833 außer Kraft und führte die altständische Verfassung von 1819 wieder ein.41 Gleichzeitig entband er alle Beamten, die den in der Verfassung von 1833 vorgeschriebenen Verfassungseid geleistet hatten, von ihrem Eid. Einige Professoren der Universität Göttingen, bekannt geworden als die »Göttinger Sieben«, wandten sich in öffentlichem Protest gegen die Aufhebung der Verfassung.42 Was folgte, war die Entlassung aller sieben, teilweise verbunden mit einer Landesverweisung. Dabei sahen sich die Sieben selbst in keiner Weise als Liberale und verwehrten sich auch deutlich gegen die bald einsetzende Inanspruchnahme ihrer Protestation für liberale Ziele.43 Auch wenn der ehemals heldenhafte Status der »Göttinger Sieben« schon seit geraumer Zeit ebenso auf den Prüfstand geraten wie die Rolle Ernst August als »Missetäter« relativiert ist,44 so steht der Hannoversche Verfassungskonflikt doch beispielhaft für die »verfassungsrechtlich-praktische Relevanz des Verfassungseides« und seine Funktion im Rahmen des Verfassungsschutzes im Konstitutionalismus.45 Argumentativ im Zentrum der »Protestation« der Göttinger Sieben stand die fortdauernde Bindung an den geleisteten Eid auf die Verfassung von 1833.46 Auffällig ist hier die »Doppelfunktion« des Eides zwischen Recht 39 So etwa im geheimen Wiener Schlussprotokoll vom 12.6.1834, wo es hieß: »Die Regierungen werden einer Beeidigung des Militärs auf die Verfassung nirgends und zu keiner Zeit Statt geben.«, zitiert nach: Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 114. 40 Schmidt, Vorrang der Verfassung, S. 71. 41 Zu den dynastisch motivierten Gründen Ernst Augusts für die Aufhebung der Verfassung vgl.: Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 115. 42 Vgl. aus umfangreicher Literatur in Auswahl: Blanke, Die Göttinger Sieben; Dilcher; Link; See; Thadden. 43 See, S. 11. 44 Dazu grundlegend ebd. 45 Bock, S. 198. 46 Selten bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass eigentlich nur einer der Sieben diesen Eid auf die Verfassung von 1833 auch tatsächlich geleistet hatte: Georg Gottfried Gervinus, der erst 1835 nach Göttingen berufen worden war, hatte den Eid auf die seit zwei Jahren in

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und Moral, die auch in späteren Auseinandersetzungen um den Eid immer wieder eine Rolle spielen sollte. Einerseits bezogen sich die Protestanten auf die verfassungsrechtlich verankerte und im Eid beschworene Aufgabe der »getreuliche[n] Beobachtung des Staats-Grundgesetzes«, an die sie sich gesetzlich gebunden fühlten.47 Andererseits ging es um die moralisch-erzieherische (und damit die neben-rechtliche Bedeutung) des Eides.48 Die Ehre der betroffenen Professoren und ihre öffentliche Position als Universitätslehrer gegenüber ihren Studenten spielten eine mindestens ebenso wichtige Rolle in der Auseinandersetzung wie die verfassungsrechtliche Ebene. Einen geleisteten Eid zu brechen, führte zu Ehrverlust – diese Korrelation sollte noch weit bis in das 20. Jahrhundert hinein bedeutsam sein. Und auch im öffentlichen Diskurs der 1830er Jahre war es gerade diese Bedeutung des Eides als Gradmesser der »Ehrenhaftigkeit«, die große Aufmerksamkeit erregte. Dazu trug bei, dass nicht zuletzt die Beteiligten selbst die Protestation nicht als politisch instrumentalisierbar betrachten wollten, sondern vor allem als »reine Überzeugungstreue« im Angesicht des vor Gott geleisteten Eides.49 Auch wenn die Lehre aus dem Konflikt letztlich war, »dass der verfassungskonforme Beamteneid als Garantie der Verfassung nur von begrenztem Wert war«,50 so trug doch die öffentliche Empörung über den Vorfall dazu bei, die »Problematik des Verfassungsschutzes vor allem gegen den Monarchen« einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu bringen: »Die Berufung auf den Verfassungseid war unmittelbar fruchtlos, veränderte aber die politische Landschaft Deutschlands« im Vorfeld der 1848er Revolution.51 Und schließlich verweisen die »Göttinger Sieben« auf die Rolle, die Beamte allgemein in den Auseinandersetzungen um den Verfassungseid spielten. Als Vertreter eines erstarkenden Bürgertums, das um politische Beteiligung stritt, waren es häufig Beamte, die sich in den entstehenden Parlamenten für den Verfassungseid einsetzten.52 Angesichts der von konservativer Seite behaupteten unbedingten Treuepflicht der Beamten gegenüber ihrem Landesherrn hofften restaurative Kreise, ein politisches Engagement der Beamten von der ZustimKraft stehende Verfassung geleistet. Alle anderen hatten eigentlich einen Eid auf die Verfassung von 1819 geleistet; dieser Eid war 1833 »formlos […] auf die neue Verfassung ausgedehnt« worden. Vgl. See, S. 21. 47 Nach § 161 der Hannoverschen Verfassung hatten die Civil-Beamten »die getreuliche Beobachtung des Staats-Grundgesetzes« zu beschwören und »bei allen von ihnen ausgehenden Verfügungen dahin zu sehen, daß sie keine Verletzung der Verfassung enthalten«. Vgl. https://www.verfassungen.de/nds/hannover/verf33-i.htm (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 48 Die Sieben verwiesen in ihrer Protestation auch auf die Tatsache ihrer eigenen Vorbildfunktion als Hochschullehrer: »Sobald sie [die Göttinger Sieben] vor der studirenden [sic!] Jugend als Männer erscheinen, die mit ihren Eiden ein leichtfertiges Spiel treiben, eben sobald ist der Segen ihrer Wirksamkeit dahin.« Vgl. See, S. 21/22. 49 Ebd., S. 11. 50 Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 116. 51 Bock, S. 199. 52 Vgl. etwa: Ruppert.

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mung der Landesherren abhängig machen zu können.53 Damit versuchte man angesichts des großen Beamtenanteils in den entstehenden Parlamenten, eine Kontrolle über die konstitutionellen Gremien zu erhalten. Die seither immer wieder aufflammende Diskussion um die politische Treuepflicht der Beamten erlebte hier einen ersten Höhepunkt, und es gelang den restaurativen Kreisen zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum, das politische Engagement der Beamten wirkungsvoll einzugrenzen.54 Der Anteil der Beamten in den Länderparlamenten war durchweg hoch, in Hannover waren zum Beispiel im Jahr 1833 von den 84 Mitgliedern der zweiten Kammer 52 Beamte, davon 34 Staatsbeamte und 18 städtische Beamte.55 Auch im Parlament der Paulskirche waren die Beamten in der Mehrzahl, so dass sich der Begriff des »Beamtenparlamentes« in der Literatur findet.56 Insgesamt kann man davon ausgehen, dass »die Beamtenschaft damals eines der Hauptreservoires für die liberalen Kandidaten« war.57 Ähnliches galt auch für den Verfassungsausschuss der Paulskirche.58 Der Beamteneid spielte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: einerseits wie bereits beschrieben als Objekt der politischen Auseinandersetzungen im Konstitutionalismus, in denen es von liberaler Seite darum ging, durch den Verfassungseid zum Schutz der Verfassungen beizutragen. Andererseits waren gerade jene Liberale, die sich für diesen Verfassungsschutz einsetzten, als Beamte selbst durch den Treueid an ihren jeweiligen Landesherrn gebunden. Die Konflikte, die sich hieraus in Bezug auf die Treuepflicht der Beamten ergaben, waren heftig und sollten auch in der Folgezeit immer wieder aufbrechen. So bündelten sich in der Debatte über den Verfassungseid »die sozialen, staatstheoretischen, verfassungsrechtlichen und politischen Vorstellungen der Zeit des deutschen Konstitutionalismus«.59 Dies galt indes vor allem für die Jahre bis 1848/1850. Danach zeigte sich, dass die liberalen Hoffnungen, die sich mit dem Eid verbunden hatten, zumindest partiell enttäuscht wurden. Zwar war der Beamteneid in nunmehr allen Verfassungen verankert, nicht zuletzt auch in der oktroyierten Verfassung Preußens von 1848/1850, jedoch immer als Kombination aus Treueid auf den Monarchen und Verfassungseid. Dabei fand sich der Verfassungseid an zweiter Stelle der Eidesformel und war in aller Regel sprachlich deutlich schwächer formuliert als 53 So etwa in den Bestimmungen der Wiener Ministerkonferenz im Juni 1834. Vgl.: Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 113. 54 Zur politischen Treuepflicht von Beamten vgl.: Zwirner; Rejewski. 55 Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 114. 56 Hans Ulrich Wehler gibt einen Prozentsatz von 56 Prozent Beamten in der Paulskirche an: Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 739/40. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche. S. 55/56, geht von einem Beamtenanteil von 37 Prozent aus. 57 Molt, S. 139. 58 Vgl. die biografischen Skizzen der Mitglieder des Verfassungsausschusses, in: Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 544–568. 59 Bock, S. 217.

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der Treueid gegenüber dem Landesherrn. Die Tatsache, dass die Auseinandersetzungen um die Ausformulierung der Verfassungen abgeschlossen war und man nun mit der Verfassungsrealität lebte, führte auch zu einem Rückgang der Auseinandersetzung um den in den Verfassungen festgelegten Verfassungseid.60 An die Stelle des Verfassungskampfes trat zunehmend die nationale Frage, und auch dies trug dazu bei, dass die Bedeutung des politischen Eides nach 1848/50 im Vergleich zur ersten Jahrhunderthälfte zurückging. An der Schwelle zum Kaiserreich sehen wir daher eine Situation, in der der promissorische Eid deutlich weniger umkämpft war als in der ersten Jahrhunderthälfte. Während die Kritik am assertorischen Eid kaum verstummte und auch nach 1871 eine Vielzahl von Publikationen erschien, die sich dem Kampf gegen den »Meineid«, die »Eidesflut« und die »Eidesnoth« widmeten,61 wurde es um den politischen Eid stiller. Man hatte sich mit der nun gefundenen Regelung – der Aufnahme des Verfassungseides in den Diensteid der Beamten, jedoch deutlich zurückgenommen gegenüber dem Treueid – arrangiert. Damit verlor der Eid seine Rolle als liberales Kampfobjekt. Stattdessen übernahm er nach 1871 zunehmend eine neue Funktion. Indem jeder Beamte den verfassungsgemäß vorgeschriebenen Eid leistete, eingebettet in die spezifische politische Kultur des Kaiserreichs und das Selbstverständnis eines spezifisch-staatsnahen Berufsstandes, entwickelte sich das Ritual zu einem Herrschaftsmittel, das die politischen Machtverhältnisse zu stabilisieren half. Kritik daran sollte es in den Jahren des Kaiserreichs kaum noch geben. Der Eid wurde zu einem Ritual der (freiwilligen) Unterordnung des Eidgebers unter den Machtanspruch des Eidnehmers. Die Entwicklung des Eides führte vom »Vertragscharakter« hin zu einer stärker einseitigen Herrschaftsbeziehung – eine Entwicklung, die in den Jahren der politischen Auseinandersetzung um den Eid seit der Französischen Revolution eingesetzt hatte und sich im Kaiserreich erstmals voll entfaltete. Der strukturelle Wandel, dem der Eid seit Aufklärung und Beginn des Zeitalters der Revolutionen unterlegen war, sollte sich fortsetzen.

60 Vgl. zur preußischen Verfassung: Kotulla; Herpede. 61 Vgl. die Literaturangaben in Kap. 2.4.

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2. »Ich schwöre untertänig Treue und Gehorsam«. Der Eid im Kaiserreich

In den politischen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als um die politische Gestalt Deutschlands gerungen wurde, nahmen Fragen der politischen Treue – symbolisiert im Konflikt zwischen Verfassungseid und Monarchentreue – eine zentrale Rolle ein. Mit der »Staatswerdung« des Deutschen Reichs 1871 und dem Anteil der liberalen Kräfte daran schienen diese Konflikte beendet und der politische Eid verlor seine Position als Symbol in der Auseinandersetzung des Liberalismus um politische Beteiligung. Nachdem die Einführungen von Verfassungen in den Bundesstaaten, nicht zuletzt in Preußen, der Debatte um Verfassung und Verfassungseid bereits die Spitze genommen hatten, führte die Reichsgründung zum endgültigen Abflauen des liberalen Kampfes um den Verfassungseid als einem Element des Verfassungsschutzes und einem Machtmittel gegenüber monarchischer Gewalt. Der »Kampf des Jahrhunderts um den Verfassungseid«1 schien mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 beigelegt. Stattdessen wandelte sich seine Funktion. Zunehmend wurde er nun zu einem staatlichen Herrschaftsinstrument. Waren es im liberalen Verfassungskampf noch vielfach Beamte gewesen, die an der Spitze der Forderung nach Eingrenzung monarchischer Machtbefugnisse durch einen Verfassungseid gestanden hatten, so kam es nach der Jahrhundertmitte zu einer Rückbesinnung auf die »Staatstreue« der Staatsdiener. Dies wandelte auch die Funktion des Beamteneides. Er stellte nach 1871 und gerade im Vergleich zum Vormärz ein Ritual der politischen Stabilisierung dar, ein Ritual der Aufnahme in den Staatsdienst und damit der Akzeptanz der Realität politischer Herrschaft im Kaiserreich. Es scheint, als habe sich mit dem Ende der Auseinandersetzungen um die Forderungen der liberalen Bewegung durch die Reichsgründung auch die Debatte um den Kern der im Eid beschworenen Treue erledigt. Gerade dies sagt indes viel über die Gesellschaft und die politische Kultur des Kaiserreichs aus. Das kaum hinterfragte Ritual des Schwörens von Treue spiegelt die politische Stabilität und Homogenität der Verwaltung, aber auch der bürgerlich-adeligen Mehrheits­ gesellschaft des Kaiserreichs.

1 Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 262.

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2.1 Der Beamteneid und die Treuepflicht Die Reichsverfassung vom April 1871 schrieb in Artikel 18 eine Vereidigung der Reichsbeamten vor. Allerdings war nur die Pflicht zur Vereidigung, nicht indes die Eidesformel an dieser Stelle aufgeführt.2 Diese wurde mittels einer Verordnung vom 29. Juni 1871 in enger sprachlicher Anlehnung an den preußischen Beamteneid vom 6. Mai 1867 festgeschrieben: »Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass, nachdem ich zum Beamten des Deutschen Reiches bestellt worden bin, ich in dieser meiner Eigenschaft Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser treu und gehorsam sein, die Reichsverfassung und die Gesetze des Reiches beobachten und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen will, so wahr mir Gott helfe.«3 Dieser Eid galt bis zu dem Zeitpunkt, an dem Kaiser Wilhelm II. 1918 seine Beamten im Zuge seiner Abdankung von ihrem Eid entband. Jeder Beamte, der im Verlauf der knapp 48 Jahre, die das Kaiserreich existierte, seinen Dienst antrat, leistete ihn. Ein erneuter Eid wurde nach dem Tod des Monarchen auf seinen Nachfolger geleistet. Ein Nachweis der Vereidigung wurde der Personalakte beigefügt.4 Somit lagen die rechtlichen Regelungen der Vereidigung der Staatsdiener bereits vor, bevor überhaupt eine Reichsverwaltung existierte, die diesen Namen verdiente. Zum Zeitpunkt der Reichsgründung gab es, hervorgegangen aus Verwaltungsstrukturen des Norddeutschen Bundes, mit dem Reichskanzleramt und dem Auswärtigen Amt nur zwei Reichsbehörden.5 Nur langsam entwickelten sich durch »Zerlegung«6 des (1879 in »Reichsamt des Innern« umbenannten) Reichskanzleramtes weitere Reichsbehörden, so dass die Reichsverwaltung bei Kriegsende 1918 aus zwölf Reichsämter bestand. Der eigenständige Personalstamm des Reichs war in der Anfangszeit ausgesprochen überschaubar, erst in den Folgejahren sollte es zu einem »überproportionalen Wachstum« der Beamtenschaft sowohl im Reich wie auch den Ländern kommen.7 Zentrale Aufgaben 2 Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches (16.4.1871), Art. 18: »Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, lässt dieselben für das Reich vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.« 3 Zitiert nach: Saam, S. 132. 4 Ausgenommen von der Pflicht zur Eidesleistung waren nur Angehörige religiöser Gemeinschaften, denen das Schwören aus religiöser Überzeugung verboten war, wie Mennoniten und Quäker. Vgl. zur politischen Implikation dieses Schwurverbotes: Strahm, u. a. S. 98–108. 5 Siehe zu dieser Entwicklung und den folgenden Hinweisen: Morsey, Die Aufgaben des Norddeutschen Bundes und des Reiches, S. 147–150. 6 Ebd., S. 148. 7 Wunder, S. 72, führt für 1875 für das gesamte Deutsche Reich 524.000 staatliche Zivilbedienstete auf, davon ca. 41 Prozent in der Verwaltung (knapp 220.000). Bis 1907 erhöhte sich diese Zahl auf 1.475.312 (gut 415.000 in der Verwaltung). Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass das Wachstum in der Verwaltung im Vergleich zum Bildungswesen, Post und Bahn deutlich geringer ausfiel. Vgl. auch: Wehler, Kaiserreich, S. 74.

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wurden in aller Regel dauerhaft auch bei Reichszuständigkeit von Länderbehör­ den, vor allem den preußischen, übernommen. Insbesondere die Innenverwaltung blieb weitgehend Ländersache.8 Aufgrund seiner Dominanz im Reich war die Rolle Preußens personell, strukturell und organisatorisch von zentraler Bedeutung für die Verwaltungsgeschichte des Reichs.9 Den ersten Personalpool der neuen Reichsbeamtenschaft bildete 1871 die Verwaltung des Norddeutschen Bundes,10 die in das Reich überführt wurde. Darüber hinaus gab es keinen eigenständigen Ausbildungsweg hin zur Reichsverwaltung. So war die einzige Möglichkeit, Personal für das Reich zu gewinnen, Landesbeamte zum Übertritt in die Reichsverwaltung zu bewegen.11 Entsprechend der preußischen Hegemonialstellung im Reich handelte es sich bei diesen Personen überwiegend um Beamte aus Preußen.12 Für die innere Struktur der neuen Reichsbeamtenschaft war diese preußische Prägung entscheidend. Jene Beamten, die in den Reichsdienst wechselten, hatten bereits bei der Einstellung in den preußischen Staatsdienst spezifische, auch politische Auswahlprozesse durchlaufen, wodurch sich eine klare politisch-soziale Homogenität der Reichsbeamtenschaft entwickelte. Dies wiederum war von entscheidender Bedeutung für die »politische Integration des Reichs«.13 Der Eid, den jeder Beamte beim Übertritt in den Reichsdienst zu leisten hatte, war also in aller Regel nicht der erste Eid, den die Beamten leisteten, wurden sie doch meist aus Landesdiensten übernommen. Die Neuvereidigung nach Übertritt in den Reichsdienst diente vor allem einer Neustiftung: sie zielten auf die Entwicklung einer emotionalen Verbundenheit mit dem jungen Nationalstaat und seinem Kaiser. Gleichzeitig ging es bei diesem Eid auch darum, die ent­ stehende Reichsbeamtenschaft als distinkte Gruppe mit einem eigenen Selbstbewusstsein zu definieren. Disziplinarrechtlich hingegen hatte der Eid kaum eine Funktion. Er war im Kaiserreich nicht mehr, so wie dies teilweise noch im früheren 19. Jahrhundert 8 Wunder, S. 70. 9 Die Literaturlage zur Geschichte der Reichsverwaltung ist insgesamt als überschaubar zu bezeichnen. Vgl. vor allem: Morsey, Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck; Röhl; Zum Verhältnis Reich / Preußen: Rosenau; Hauser. 10 Die Bundesbeamten des Norddeutschen Bundes wurden in Anlehnung an den preußischen Beamteneid mit folgender Eidesformel vereidigt: »Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass, nachdem ich zum Beamten des Norddeutschen Bundes bestellt worden, ich in dieser meiner Eigenschaft Seiner Königlichen Majestät von Preußen treu und gehorsam sein, die Bundesverfassung und die Gesetze des Bundes beobachten und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen will, so wahr mir Gott helfe.«, in: Verordnung, betreffend den Diensteid der unmittelbaren Bundesbeamten (3.12.1867). 11 Hierzu und zum folgenden: Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 967. 12 So kamen etwa unter den Vortragenden Räten der Reichsämter bis 1890 ca. 80 Prozent aus dem preußischen Staatsdienst. Siehe Morsey, Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck, S. 252. Zur landsmannschaftlichen Herkunft vgl. ebd., S. 251–255. 13 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 966.

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der Fall gewesen war, konstitutiv für das Anstellungsverhältnis. Zwar hatte die Vereidigung vor dem Dienstantritt zu erfolgen, war also »Voraussetzung für die Übertragung des Amtes«.14 Die Leistung des Eides war damit als Dienstpflicht festgelegt und eine Verweigerung des Eides galt als Dienstpflichtverletzung, welche die unmittelbare Entlassung nach sich zog.15 Es gab jedoch in der disziplinarrechtlichen Gesetzgebung des Kaiserreichs keinen dem Strafgesetzbuch entsprechenden Tatbestand des »Meineides«. Ein Beamter, der im Dienst gegen Amtspflichten verstieß, deren gewissenhafte Verrichtung er beschworen hatte, oder der die beschworene »Treue« etwa durch politischen Einsatz für systemkritische Parteien verletzte, wurde nicht aufgrund des »gebrochenen« Eides disziplinarrechtlich verfolgt, sondern aufgrund von Dienstpflichtverletzungen. Diese Dienstpflichten waren mit und ohne Ableistung des Eides gültig.16 Der Eid zielte daher auf eine spezifische, nicht primär rechtliche Wirkung. Es ging darum, den »hoheitlichen Akt der Bestallung mit einem sittlichen Inhalt« zu füllen.17 Die Zeitgenossen sahen im Eid einerseits »ein innerliches, das Gewissen des Schwörenden bindendes Verstärkungsmittel schon bestehender Verpflichtungen.«18 Andererseits sollte die Tatsache, dass der Beamte den Schwur öffentlich und laut sprach, so etwas wie eine öffentliche Verpflichtung darstellen. Damit nahm das Ritual selbst eine entscheidende Funktion ein: Der öffentliche Schwur, geleistet nicht nur vor Gott, sondern auch vor dem Dienstvorgesetzten, sollte in allgemeiner Form das individuelle Gewissen binden. Was jedoch beschwor der Beamte mit seinem Eid? Inhaltlich lassen sich im Schwur unterschiedliche Elemente ausmachen: Als erster und wichtigster Punkt versprach der Beamte »treu und gehorsam« zu sein. Er versprach zweitens, die Gesetze und die Verfassung zu »beobachten«, und schließlich drittens, seine »Pflichten genau zu erfüllen«. Keiner dieser drei Punkte erklärte sich von selbst. Weder wurde in der Eidesformel erklärt, wie die beschworenen Pflichten aus­ sahen, noch, was genau der Kern des Eides bedeuten sollte, nämlich das Versprechen, »treu« zu sein. Auch das 1873 in Kraft tretende Reichsbeamtengesetz normierte den Inhalt der »Treue« und der beschworenen Pflichten nicht. Hier hieß es nur, dass jeder Reichsbeamte »auf die Erfüllung aller Obliegenheit des ihm übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten« sei (§ 3), sowie weiter (§ 10): »Jeder Reichsbeamte hat die Verpflichtung, das ihm übertragene Amt der Verfassung und den Gesetzen entsprechend gewissenhaft wahrzunehmen und durch sein Verhalten in und außer dem Amte der Achtung, die sein Beruf erfordert, sich würdig zu zeigen.«19

14 Saam, S. 132/133. 15 Ebd., S. 135. Siehe auch Keuthen, S. 29–30. 16 Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Beamten (31.3.1873). 17 Henning, S. 26. 18 Schulze, Das preußische Staatsrecht, S. 323. 19 Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten (31.3.1873).

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So blieben, abgesehen von diesen allgemeinen Vorgaben, keine konkreten rechtlichen Normierungen bezüglich des Inhalts des Eides.20 Teilweise ist dieses Fehlen einer inhaltlichen Ausgestaltung des Begriffs der »Treue« mit der Entstehungsgeschichte der Reichsbeamtengesetzgebung zu erklären, als es darum ging, das Reichsbeamtenrecht mit dem Landesbeamtenrecht zu harmonisieren. Größere beamten- und dienstrechtliche Neuerungen wurden, mit Ausnahme einer Aufnahme der Hinterbliebenenvorsorge in das Reichsbeamtengesetz und die Beamtengesetze der Länder im Kaiserreich nicht eingeführt.21 Grundsätzliche Fragen fanden bei der Verabschiedung des Reichsbeamtengesetzes keine Berücksichtigung, es fand keine »explizite inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Wesen des Berufsbeamtentums statt«,22 was auch die hergebrachten Rechte und Pflichten – und damit die Treuepflicht – eingeschlossen hätte. Auch eine dogmatische Begründung der Treuepflicht, etwa durch die Disziplinargerichte, »die über allgemeine Hinweise auf die Treubindung des Beamten an den Monarchen hinausgingen, gab die Rechtsprechung nicht«.23 Vor allem aber erklärt sich das Fehlen einer gesetzlich normierten Treuepflicht mit der Verankerung der Treuepflicht im »besonderen Gewaltverhältnis«, in dem sich die Beamten befanden und dessen Teil die sogenannten »hergebrachten Pflichten« waren.24 Das »besondere Gewaltverhältnis« zeichnete sich gerade dadurch aus, dass es dem Gesetzesvorbehalt entzogen war. Hier hatte die Krone »gewissermaßen zentrale Bereiche und Kompetenzen aus dem Absolutismus herübergerettet«.25 Innerhalb dieses »besonderen Gewaltverhältnisses« stellte der Eid die zentrale Form der Verpflichtung der Exekutive auf den Fürsten dar; damit war die Verwaltung an den Herrscher gebunden und bildete, trotz aller Gesetzes- und Verfassungsbindung, gerade keine »gesetzes- oder volksabhängige« Gewalt, sondern blieb aus »monarchischem Recht« legitimiert.26 Versteht man mit Horst Dreier das Verhältnis zwischen Gesetz (als parlamentarischer Herrschaft) und Verordnung (als obrigkeitsstaatlicher Herrschaft) als entscheidend für die »Vergesellschaftung« des Staates, so blieb die Treuepflicht Teil des »monarchisch-anstaltlichen Obrigkeitsstaates«.27 Diese Tatsache sollte die Geschichte des Eides bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägen. Dabei gilt es natürlich zu beachten, dass der Eid nicht das einzige disziplinierende Element war. Neben die »negative« Disziplinierung durch disziplinarrechtliche Strafen traten, gewissermaßen »positiv-disziplinierend«, vor allem jene Privilegien, mit denen die Beamten an den Dienstherrn gebunden wurden. 20 Schmahl, S. 21. 21 Wunder, S. 71/27; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 91. 22 Krause, S. 23. 23 Böttcher, S. 24. 24 Schmahl, S. 20. Zum besonderen Gewaltverhältnis vgl.: Wenniger; Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger. 25 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 84. 26 Ebd., S. 84/85. 27 Ebd., S. 87.

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Im Austausch für das geleistete Treueversprechen konnten sie auf lebenslange Fürsorge und Schutz durch den Dienstherrn vertrauen, auf Versorgung der Angehörigen nach dem eigenen Ableben. Ergänzt wurde die Fürsorgepflicht durch die anderen »hergebrachten Grundsätze« des Berufsbeamtentums, wie das Lebenszeit- und das Laufbahnprinzip. Bei aller Bindungswirkung, die der Eid als Ritual entfaltete, spielte diese Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn eine erhebliche disziplinierende Rolle für die Beamten – und zwar zu jedem Zeitpunkt dieser Untersuchung. Betrachtet man diese Fürsorgepflicht als Gegenstück zur Treuepflicht, als jene Pflicht, durch die der Dienstherr im Beamtenverhältnis gebunden war, so fällt auf, dass die Fürsorgepflicht im Gegenzug zur Treuepflicht der Beamten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert immer stärker rechtlich normiert wurde. Eine Vielzahl von »besoldungs-, versorgungs-, unfallfürsorge- oder beihilferechtlichen Ansprüchen« wurden aus der allgemeinen Fürsorgepflicht im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelt und klar festgeschrieben.28 Auch die Beamtengesetzgebung des Kaiserreichs führte dies weiter, etwa durch die bereits erwähnte Versorgung auch der Angehörigen im Falle des Todes eines Beamten. Demgegenüber wurde die Treuepflicht nicht klar rechtlich normiert, sondern blieb als Teil des »besonderen Gewaltverhältnisses« stärker auf dem Verordnungs- und eben nicht dem Gesetzesweg geregelt. Diese normative Unklarheit ist für die Geschichte des politischen Eides von zentraler Bedeutung. Denn sie öffnete den Eid und die in ihm beschworene »Treue« gegenüber nicht-rechtlichen Interpretationen. Moralische, religiöse, politische und ideologische Ansprüche an das Verhalten des Beamten konnten über den Begriff der »Treue« in den Eid hineingetragen werden. Diese Ansprüche hatten allenfalls noch am Rande mit dem Disziplinarrecht zu tun und zielten gleichwohl durch den Zugriff auf das Gewissen klar auf eine politische Disziplinierung der Beamten. Im Eid ging es nicht um das Disziplinarrecht. Es ging um Ethos, Ehre und Moral und Glauben. Die fehlende gesetzliche Normierung einerseits und die Ausrichtung des ­Eides auf neben-rechtliche Fragen musste Rückwirkungen haben auf das zeit­ genössische Verständnis der für das Beamtentum zentralen »Treuepflicht«. Denn die herrschende Rechtsauffassung des Kaiserreichs, der Positivismus, zeichnete sich ja gerade durch die Bedeutung der gesetzten Norm für das Rechts- und Staatsverständnis aus. Dies führte dazu, dass die Vertreter des Positivismus im Kaiserreich einen ganz spezifischen Blick auf den Eid und die in ihm beschworene »Treuepflicht« entwickelten. Hatte das Staatsrecht zuvor wie selbstverständlich philosophische, politische und historische Traditionen integriert und daher die Treuepflicht als weit über den rein rechtlichen Rahmen hinausgreifend interpretiert, so war im Positivismus für einen so breiten Ansatz kein Raum mehr. Der Ausschluss »außerrechtlicher« Elemente führte zu einem Staatsbild als »Willensverband« zwischen »Herrschern« und »Beherrschten«, in das die 28 Werres, S. 32

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Staatsrechtswissenschaft auch das Beamtenverhältnis einordnete. Die Verwaltung stand in diesem Verständnis als ausführende Institution des »Herrschaftswillens« klar auf Seiten des Staates. Der einzelne Beamte indes fügte sich in das Herrschaftsverhältnis als »Beherrschter« ein. Dies wiederum führte zu einer eindeutigen Betonung der Gehorsamspflicht des Beamten durch den Positivismus. Viele Juristen, darunter prägende Staatsrechtler wie Paul Laband, neigten dazu, die im Eid beschworene »Treuepflicht« auf den reinen Gehorsam zu reduzieren. Die Gehorsamspflicht war die zentrale Pflicht und »treues« Verhalten der Beamten wurde aus dieser Gehorsamspflicht abgeleitet. So formulierte es beispielsweise Georg Jellinek: »Die Anhänger der Lehre einer besonderen Treueverpflichtung vermögen keine einzige juristische Konsequenz derselben anzuführen, die nicht aus der Gehorsamspflicht folgen würde.«29 Die Treuepflicht blieb nach dieser Interpretation eine Rechtspflicht der Beamten, ihr Inhalt aber wurde reduziert und auf gesetzlich normierte Beamtenpflichten (wie die Pflicht zur gewissenhaften Erfüllung der Amtspflichten und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit) eingegrenzt.30 Von der ehemals idealistisch ausgeformten politischen Treuepflicht blieb in positivistischem Verständnis nichts übrig als die reine Gehorsamspflicht.31 Noch über eine solche positivistische Reduktion der Treue auf den Gehorsam hinaus gingen jene Interpretationen, die die im Eid beschworene Treuepflicht grundsätzlich nicht mehr als Rechtspflicht, sondern allein als »Gewissenspflicht« begriffen.32 In diesem Verständnis wurde die Treuepflicht aus dem normativen Gebäude des Beamtenrechts hinausdefiniert. Sie wurde zu einer »moralischen Pflicht«. Diese moralische Pflicht, darin unterschied sich dieser Ansatz von dem Gehorsamsansatz, war nach Vorstellung ihrer Vertreter gerade nicht über die gesetzlich normierte Gehorsamspflicht zu greifen. In dieser Interpretation wurde die Treuepflicht als etwas angesehen, das im Gegensatz zu allen übrigen Dienstpflichten erst durch den Eid begründet würde: Alle im Eid beschworenen Pflichten seien »bereits gesetzlich zu Rechtspflichten erhoben […]; nur eine Pflicht, eben die der Treue, wird erst in der Eidesformel eingeführt, sie allein ist nur eine Gewissenspflicht.«33 So vertraten nicht wenige Juristen im Kaiserreich die Überzeugung, dass die Treue keine spezifische Beamtenpflicht sei, sondern allein eine sittliche Verpflichtung darstelle.34 Das Beamtenverhältnis entwickelte sich mit dieser Verschiebung im Hinblick auf die Treuepflicht von einem »emphatischen Wertverhältnis«, das es in den Zeiten vor dem Positivismus noch gewesen war, zu einem »funktionalen Willensverhältnis«35 Dies wiederum entsprach den grundlegenden Entwick29 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 198. 30 Vgl. etwa: Laband, S. 438–439; Zorn, S. 236–237. 31 Wiese, S. 69. 32 Z.B: Seydel, S. 221. Vgl. auch: Schmahl, S. 21, FN 5. 33 Rehm, S. 86 (Hervorhebungen im Original). 34 Etwa: Meyer, S. 591. Vgl. auch Schmahl, S. 21. 35 Schlink, S. 337.

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lungen in der Staatslehre, hin zu einem Positivismus, der keinen Raum hatte für das »moralische Element« des Dienstverhältnisses:36 »Jedenfalls hat ganz bei Seite zu bleiben das moralische Element, welches mit dem Dienstverhältnis sich verbindet. Das Sittliche, Sittlich-rechtliche usw., […] ist für die juristische Gestaltung der Sache überhaupt nicht zu verwerten.«37 So wurde die Treuepflicht des Staatsdieners in juristischer Perspektive zu einem »Nebenpunkt«: »Er [der Beamte] schuldet in erster Linie nicht Treue, sondern Dienste bestimmter Art und für diese wird er bezahlt, nicht für seine Gesinnung.«38 Das auffällig fehlende Interesse an der rechtlichen Ausgestaltung der »Treue« erklärt sich nicht zuletzt mit dem Kernverständnis des Positivismus. »Zur Treue konnte der Beamte nicht mehr umfassend – in seiner geistigen und sittlichen Existenz  – verpflichtet werden, weil die Grundlage dieser Pflicht […] im Verständnis vom Staat als sittlicher Organismus gelegen hatte.«39 Das sich wandelnde Staatsverständnis führte dazu, dass die Treue als »moralische« Formel ohne Gesetzescharakter wahrgenommen wurde und aus dem juristischen Verständnis der Beamtenpflicht hinausdividiert werden konnte. Ein älterer, »ethisch motivierter Treuebegriff [wurde dadurch] ausgehöhlt und durch eine einseitige Betonung der Gehorsamspflicht des Beamten ersetzt.«40 Natürlich war auch diese Interpretation der Treuepflicht nicht festgefügt, je nach Position des Autors konnten hier durchaus unterschiedliche Positionen – etwa im Hinblick auf das Verhältnis von Treue und Gehorsamspflicht – vertreten werden. Hinzu kam ein diachrones Element, eine Entwicklung, die nicht nur gradlinig verlief:41 Die »Objektivierung« des Dienstverhältnisses setzte sich im Verlauf des Kaiserreichs fort und erreichte im Ersten Weltkrieg so etwas wie einen »Höhepunkt«, als schließlich, vor allem im unteren und mittleren Dienst, Sozialdemokraten als Beamten geduldet waren. Unter dem Rubrum des »Gehorsams« war dies möglich, unter dem Rubrum einer weitergehend verstandenen, die ganze Person umfassende innerliche »Treue« wäre dies nicht möglich gewesen. Bei aller Kritik der Juristen an der »Treuepflicht« könnte man vermuten, dass die im Eid beschworene »Treue« und damit auch der Eid selbst im Positivismus ohne Bedeutung gewesen wäre. Dies war jedoch mitnichten der Fall. Vielmehr standen der Eid und die »Treue« im Zentrum des Beamtenethos. Die Juristen des Kaiserreichs begriffen diese »Treue« nur eben nicht als juristische Kategorie. Sie stellte vielmehr ein Element dar, das außerhalb des eigenen, des juristischen Verständnisses vom Staat lag. Viele Juristen verwiesen auf die Bedeutung des Eides als »sittliche« oder »moralische« Pflicht, sie betonten die besondere Bindung und die Treue des Beamten gegenüber dem Monarchen. Viele überhöhten diese Treue sogar mit einem historisierenden Verständnis – nur als juristisches 36 Rudolf, S. 213. 37 Mayer, S. 54. 38 Ebd., S. 55. 39 Rudolf, S. 213. 40 Mommsen, Beamtentum und demokratischer Verfassungsstaat, S. 22. 41 Rudolf, S. 212.

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Faktum sollte sie nicht mehr verstanden werden. Die Treue spiele eine besondere Rolle gerade deshalb, »weil sie […] über den Rechtskreis des Dienstverhältnisses […] völlig hinausgreift: Der Dienst ist des Staates, die Treue aber gebührt dem König ganz persönlich. Die große Wichtigkeit dieser Treupflicht gegen des Königs Person ist einmal wirklich etwas, was wir als nationale, als echt germanische Idee in Anspruch nehmen. […] Aber nicht Alles, was wichtig ist, ist ein juristisch wesentlicher Bestandteil unserer Rechtsinstitute. […]«42 Die Herausnahme der Treuepflicht aus dem juristischen Kontext hatte erhebliche Konsequenzen. Denn der Eid selbst war immerhin in der Verfassung vorgeschrieben, die Ausdeutung dessen, was im Eid beschworen wurde, blieb jedoch unklar. Indem die Legislative diese Ausdeutung nicht leistete, traten anderen Akteure an ihre Stelle. Die Interpretation dessen, was als »treues« Verhalten der Beamten verstanden wurde, wurde dem Dienstherrn überlassen – und damit den jeweiligen Regierungen. Die Definition von »Treue« bestimmte damit die Exekutive, nicht die Legislative.43 Dies wiederum öffnete der politischen Einflussnahme auf die Beamten Tür und Tor. Wie der Begriff der »Treue«, den jeder Beamte im Eid beschwor, verstanden und ausgelegt wurde, hing von gesellschaftlichen und politischen, nicht von gesetzlichen Vorgaben ab. Damit aber verlassen wir den engeren Bereich des gesetzgeberischen Handelns: »Treue« kann in diesem Verständnis nicht als ein rein juristisch-normativ definierter Topos verstanden werden. Sie war ein politischer Begriff, eine gesellschaftliche Ordnungsvorstellung und ein Deutungsmodell. Sowohl die mit dem Eid beschworene Treue als auch das Ritual des Eides sprachen damit im Kern ganz andere Ebenen an, als der Positivismus aus theoretischen Gründen bereit war, in den Blick zu nehmen.

2.2 Politische Loyalität: Der Eid als Mittel zur Disziplinierung der Beamten Die fehlende juristische Definition der »Treue« ermöglichte es, die Grenzen der im Eid beschworenen Treuepflicht der Beamten von politischer Perspektive her zu bestimmen und damit auch politisch nutzbar zu machen. Der Eid stellte in diesem Zusammenhang so etwas wie das rhetorische Kerninstrument der politischen Disziplinierung der Beamten dar. Vor allem, aber nicht nur in der Frühphase des Kaiserreichs versuchte die Reichsleitung durch ständige Bezugnahme auf den Schwur und die versprochene Treue die politische Loyalität der Beamten wenn nicht zu erzwingen, so doch zu fördern. Damit wurde der Eid zu einem politischen Instrument, dessen Interpretation den Schwankungen der Tagespolitik ausgesetzt war. 42 Mayer, S. 54/55. 43 Wunder, S. 90.

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Zwar veränderte sich die Nutzung dieses Disziplinierungsinstrumentes über die Jahrzehnte des Kaiserreichs hinweg. Nicht zuletzt aufgrund hartnäckiger Kritik der politischen Opposition und zunehmend auch der Öffentlichkeit, flachte der Anspruch an das politische Verhalten der Beamten im Verlauf des Kaiserreichs deutlich ab. Während in den siebziger und auch noch den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts konservative Regierungen auf Reichs- und auch Länderebene (allem voran in Preußen) versuchten, die Treue nachgerade als regierungstreues Verhalten auszulegen, wuchs die Toleranz im Laufe der folgenden Jahrzehnte und diese Forderungen beschränkten sich zunehmend auf die politischen Beamten. Die Forschung hat diese Entwicklung insbesondere für Preußen herausgearbeitet.44 Im Folgenden soll es daher nicht darum gehen, noch einmal die Stationen dieses Konflikts um die politische Meinungsfreiheit der Beamten nachzuvollziehen. Vielmehr ist zu zeigen, welche Rolle der Eid in diesem System staatlicher Loyalitätsansprüche und Disziplinierungsversuche einnahm, wie der Appell an den Eid gezielt genutzt wurde, um die oben beschriebene Lücke im juristischen Verständnis der Treuepflicht zu füllen. In den ersten Jahren nach der Reichsgründung stand die Beamtenpolitik auf Reichsebene in der Tradition der preußischen Politik vor der Reichsgründung. Die (bezogen auf die Administration) strukturelle und politische Teilidentität zwischen Preußen und dem Reich führte zu einer starken Überschneidung der Beamtenpolitik auf beiden Ebenen. Die im Vergleich zu einigen, vor allem süddeutschen Ländern strengeren Auffassungen bezüglich der politischen Treuepflicht wurden in vielen Fällen von Preußen auf das Reich übertragen. Preußische Zirkularerlasse ergingen nicht selten auch an die Reichsbeamten. Als eines der bekanntesten Beispiele eines restriktiven preußischen TreueVerständnisses kann der immer wieder zitierte, noch aus der Zeit vor der Reichsgründung stammende Zirkularerlass anlässlich der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus 1863 aus der Feder des preußischen Innenministers Friedrich zu Eulenburg gelten: »Wer als Beamter geschworen hat ›dem Könige, seinem Allergnädigsten Herrn, untertänig, treu und gehorsam zu sein‹, ist dieses ­Eides weder als Wähler noch als Gewählter entbunden […].«45 Hier wurden der Eid und politische Loyalitätsansprüche in einer Weise miteinander verknüpft, die für die gesamte Dauer des Kaiserreichs konstitutiv bleiben sollte. Unabhängig davon, wie die politischen Loyalitätsansprüche konkret aussahen, die mal mehr, mal weniger liberal ausgeformt waren und den Beamten mal mehr, mal weniger politische Freiheiten zugestanden, sie wurden während des gesamten Kaiserreichs rhetorisch, aber auch inhaltlich mit dem Eid verknüpft. Als Beispiel dafür sei die auf Otto von Bismarck zurückgehende Verordnung genannt, 44 Vor allem: Rejewski. 45 Zirkularerlass an sämtliche Königliche Regierungspräsidenten, das Verhalten der Beam­ten bei den Wahlen zum Abgeordneten-Haus betreffend, 24.9.1863, in: Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten 1863, zitiert nach: Brandt, Die politische Treuepflicht, S. 70–72, hier S. 70.

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die Wilhelm I. in seiner Eigenschaft als preußischer König am 4. Januar 1882 an das preußische Staatsministerium erließ und die im Kontext der seit 1878/79 vollzogenen innenpolitischen konservativen Wende stand.46 In seinem Wirkungskreis ging der Erlass jedoch weit über Preußen selbst hinaus, indem er auch den Beamten der unmittelbaren Reichsverwaltung zur Kenntnisnahme weitergeleitet wurde.47 Der »Allerhöchste Erlaß« war motiviert durch das deutliche Ansteigen der Abgeordnetenzahlen oppositioneller Parteien in den Jahren zuvor sowie die immer lauter werdenden Forderungen aus Oppositionskreisen nach einer Parlamentarisierung des Regierungssystems.48 In einem ersten Teil des Erlasses stellte sich Wilhelm I. gegen diese Parlamentarisierungsforderungen.49 Der zweite Teil des Erlasses wandte sich an die Minister und Beamten. Konkret hieß es im Hinblick auf die politischen Beamten: »Für diejenigen Beamten, welche mit der Ausführung meiner Regierungsakte betraut sind […], erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf die Vertretung der Politik meiner Regierung auf die Wahlen.«50 Über die politischen Beamten hinaus betonte der Erlass bezogen auf die gesamte Beamtenschaft, dass sie sich »im Hinblick auf ihren Eid der Treue von jeder Agitation gegen meine Regierung auch bei den Wahlen« fernzuhalten hätten. Damit legte der Erlass eine Einschränkung der politischen Rechte aller Beamten und nachgerade die Verpflichtung zur konservativen Stimmabgabe bei den anstehenden Wahlen nahe. Der Eid spielte dabei eine zentrale argumentative Rolle: Die Formulierung »im Hinblick auf ihren Eid der Treue« wurde beispielhaft genutzt, um den Beamten ein politisch korrektes Verhalten als Teil ihrer Dienstpflicht zu suggerieren, obwohl eine solche Einschränkung der politischen (Grund)Rechte disziplinarrechtlich nicht gedeckt war. Dass eine solche Einschränkung der staatsbürgerlichen Rechte der Beamten im Kaiserreich allerdings nicht mehrheitsfähig war, zeigte sich im Reichstag, wo es am 24. Januar 1882 zu einer Aussprache kam. Die Kritik vor allem liberaler, aber auch konservativer Abgeordneter war deutlich. Der schleswig-holsteinische Liberale Albert Hänel (Deutsche Fortschrittspartei) fasste das Verständnis des Erlasses durch seine Partei zusammen:51 »Dieser Erlass, […] wird überall aufgefasst […] als eine Aufforderung an alle strebsamen Beamten, alle ihre Kraft 46 Zu dem Erlass vgl. Rejewski, S. 88–90; Ormond, S. 234 f. 47 So Albert Hänel (DFP) in der 33. Sitzung des Reichstags, 24.1.1882, S. 889, http://www.reichs​ tagsprotokolle.de/Blatt3_k5_bsb00018436_00939.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 48 Rejewski, S. 88. 49 Ormond, S. 234. Der Erlass abgedruckt bei: Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, S. 306 f. 50 Brandt, Die politische Treuepflicht, S. 82. 51 Der Jurist Albert Hänel (1933–1918) war seit 1871 als Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei Abgeordneter des Reichstags, seit 1874 als dessen Vizepräsident. Seit 1884 war er Mitglied der linksliberalen Deutschen Freisinnigen Partei, stand in Gegensatz zu Parteiführer Eugen Richter und bemühte sich um eine Annäherung an die Nationalliberale Partei. Vgl.: Stolleis, Hänel, S. 273.

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einzusetzen, um den künftigen Wahlen einen regierungsfreundlichen Charakter, wie man sagt, aufzudrücken.«52 Die Rede Hänels endete mit einem Appell an die Regierung: »Sie haben sich bei Ihrer Verantwortlichkeit überall zu erinnern, dass die Liebe, die Treue, die Anhänglichkeit an das deutsche Kaiserthum und an das preußische Königthum in Deutschland und in diesen neuen Provinzen Preußens identisch ist mit der Liebe, der Anhänglichkeit und mit der Treue an die konstitutionelle Verfassung dieser Länder.« Der Liberale erinnerte hier an den Dualismus von Treue gegenüber dem Monarchen einerseits und Treue gegenüber der Verfassung und dem Staat andererseits. Dieser Dualismus von personaler und institutioneller Treue, der in den Verfassungskämpfen des frühen 19. Jahrhunderts noch eine entscheidende Rolle gespielt hatte, war im Kaiserreich zurückgetreten zugunsten einer klaren Dominanz des persönlichen Treueprinzips gegenüber dem Monarchen. Sichtbar war dies nicht zuletzt an der Eidesformel, die vorgab, »Treue« und »Gehorsam« gegenüber dem Monarchen zu schwören, die Verfassung aber nur zur »beobachten«.53 Der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck sah sich angesichts dieser Kritik veranlasst, Stellung zu dem Erlass zu beziehen. Dabei zog er sich auf das Argument zurück, dass es in dem Erlass im Kern um Politische Beamte ginge: über sie »spricht seine Majestät die Meinung aus, dass ihr Eid der Treue sie verpflichtet«,54 die Politik der Regierung zu vertreten. Wichtig im hier zu betrachtenden Zusammenhang ist jedoch weniger diese von Bismarck vorgenommene Einschränkung auf die politischen Beamten.55 Zentral sind vielmehr die Ausführungen Bismarcks zum letzten Satz des Erlasses, der an alle Beamten, also über die Gruppe der Politischen Beamten hinaus, die Erwartung formulierte, dass sie sich auch bei Wahlen »jeder Agitation« gegen die Regierung enthalten sollten. Die Erklärung, die Bismarck im Hinblick auf diesen Satz abgab, veranschaulicht die Funktion des Eides als Mittel zur politischen Disziplinierung der Beamten. Sie verweist auf das Geflecht von disziplinarrechtlichen Vorgaben und »moralischen« Bindungen, das die Beamten einhüllte. Bismarck beschrieb die Forderung, die Beamten hätten sich der »Agitation gegen die Regierung des Königs auch bei den Wahlen« zu enthalten, als eine »Forderung, ich möchte sagen des Anstandes.« Hier öffnete sich eine Ebene, die eine völlig andere Dimension in die Debatte über die Treuepflicht der Beamten brachte. Auf den ersten Blick erscheint dieses Vorgehen Bismarcks als defensiv, als ob er die Ansprüche der 52 Albert Hänel in der 33. Sitzung des Reichstags, 24.1.1882, S. 892, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt3_k5_bsb00018436_00942.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 53 Rottmann, S. 100/110, betont, dass die Betonung der personalen Treuepflicht vor allem in Hinblick auf »kurzfristige regierungspolitische Ziele« genutzt wurde und man »immer dann auf traditionelle Element der politischen Treuepflicht zurückgriff, wenn sich eine besonders starke Opposition gegen die Regierungspolitik regte.« 54 Otto von Bismarck im Reichstag, 33. Sitzung am 24.1.1882, S. 889, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt3_k5_bsb00018436_00939.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 55 Brandt, Die politische Treuepflicht, S. 82.

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Regierung an die Beamten zurücknähme: »Der Erlaß schreibt ja nichts vor, er befiehlt nicht, er droht nicht, er stellt keine Nachtheile in Aussicht […].« Es handele sich bei dem Erlass eben nicht um ein disziplinarrechtliches Instrument, so schien Bismarck die aufgebrachten Gemüter beruhigen zu wollen. Vielmehr sei der Erlass ja »nur« eine Art Erinnerung, eine Erinnerung an den geleisteten Eid: »Er [der Erlass, d. Vf.] sagt bloß, welche Tragweite der König, dem sie geschworen haben, dem Eide beilegt, er bringt diesen Eid in Erinnerung und überläßt es nun dem Takte und Gewissen des betheiligten Beamten, seinen Weg danach zu finden. […] Sie [die Beamten] haben keine Weisung bekommen, irgend etwas zu thun; ich habe es bloß für zweckmäßig gehalten, daß sie wissen, wie ihr Kaiser, dem sie ihrerseits Treue und Gehorsam geschworen haben, als König von Preußen über die Tragweite eines solchen Eides denkt. […] Das Nachdenken darüber hat Se. Majestät anregen wollen; kein Befehl, keine Drohung ist da.«56 Genau diese Sätze aber, die auf den ersten Blick wie eine Zurücknahme der Ansprüche an die erwartete politische Loyalität der Beamten wirken, bedeuteten bei genauerer Betrachtung keinesfalls eine Relativierung. Im Gegenteil: Sie formulierten ganz deutlich, dass der Erlass eigentlich auf einer ganz anderen Ebene wirksam sein sollte. Denn es ging eben nicht um disziplinarrechtliche Forderungen an die Beamten. Vielmehr nutzte die Reichsleitung das diffuse Element des Schwurs, um das, was die gesetzlichen Vorgaben nicht hergaben – eine Deckungsgleichheit von »Treue« mit »Regierungstreue« – nun über den Bezug auf den geleisteten Eid doch noch von den Beamten zu verlangen. Es ging dabei eben nicht um Rechtsnormen, sondern allein das »Nachdenken« sollte angeregt werden. Indem Bismarck den Beamten nahelegte, »wie ihr Kaiser, dem sie ihrerseits Treue und Gehorsam geschworen haben, als König von Preußen über die Tragweite eines solchen Eides denkt«, gab er eine außerrechtlich Interpretationsebene vor, die vom Disziplinarrecht nicht vorgegeben war. Indem er suggerierte, dass die im Eid beschworene Treue sich bis zum Verhalten bei Wahlen erstreckte, sollte das gewünschte Verhalten bei den Beamten eben auch ohne rechtlich eindeutige Vorgaben erreicht werden. An dieser Stelle ist die oben beschriebene Tatsache, dass der Begriff der »Treue« juristisch im Kaiserreich nicht näher definiert war, von zentraler Bedeutung. Denn nur und geradeweil der Begriff juristisch unklar blieb, bot sich die Möglichkeit, ihm ein politisch gewolltes Verständnis zuzuordnen. Die Regierung versuchte, über den juristisch nicht näher definierten Begriff der »Treue« einerseits und den Appell an das ebenfalls nicht im engeren Sinne juristische Ritual des Eides dem Beamtenrecht eine Dimension zu geben, die das Disziplinarrecht nicht nur erweiterte. Vielmehr handelte es sich um eine vollkommen neben dem Recht gelagerte politische Disziplinierungsform. Im Regierungshandeln 1882 zeigte sich die herrschaftsstabilisierende Intention, die dem Eid zugrunde lag, in paradigmatischer Weise.

56 Otto von Bismarck in der 33. Sitzung des Reichstags, 24.1.1882, S. 900, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt3_k5_bsb00018436_00950.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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Der Bezug auf den Eid als Mittel zur politischen Disziplinierung über das Beamtenrecht hinaus war während des gesamten Kaiserreichs ein gängiges Instrument der Beamtenpolitik und zwar unabhängig davon, wie weit diese politische Loyalität und Disziplinierung gehen sollte und auf was sie sich bezog. Egal zu welchem Zeitpunkt, egal zu welchem Thema: Der Eid war das bevorzugte Mittel, um Beamte an ihre Treuepflicht zu erinnern, und zwar auf einer anderen Ebene als der disziplinarrechtlichen. Indem man sich nicht auf disziplinarrechtliche Pflichten bezog, sondern auf die diffuse Bedeutung des Eides verwies, hoffte die Regierung, mittels eines Appells an das Gewissen der Beamten eine Selbstdisziplinierung zu erreichen, die ganz andere Antriebe hatte als eine rein juristische Vorschrift. Natürlich gab es hinsichtlich der Wirkung dieses Appells weitaus weniger Sicherheit als innerhalb eines disziplinarrechtlich festgeschriebenen Rahmens. Schließlich bewegte man sich beim Bezug auf den Eid auf einer moralisch-normativen Ebene, deren Kontrolle kaum möglich war. Gleichwohl war die Hoffnung nicht unberechtigt, dass der Eid und der Appell an ihn Wirkung zeigten. Denn die politische und soziale Homogenität der Beamtenschaft im Kaiserreich fundierte zumindest eine Bereitschaft, sich auf die politische Inanspruchnahme durch den Eid einzulassen. Der Eid war im Kaiserreich somit – vielleicht mehr als in den Jahrzehnten zuvor und sicher mehr als in den Jahrzehnten danach  – Mittel, auf die individuellen Gewissen der Beamten zuzugreifen. Auch wenn die oppositionellen Parteien das Vorgehen der Regierungen des Kaiserreichs zur politischen Disziplinierung ihrer Beamten, die Einschränkung der politischen Grundrechte der Beamten, häufig genug vehement kritisierten – die Beamtenschaft selbst war in weiten Teilen durchaus bereit, sich auf die konservative Interpretation der beschworenen Treue einzulassen. Dies lag natürlich auch begründet in einer überwiegend konservativen politischen Orientierung der höheren und mittleren Beamten, die wiederum zu einem überwiegend konservativen Wahlverhalten führte, wobei sich die höheren Beamten noch deutlicher im rechten Spektrum des konservativen Lagers politisch beheimatet fühlten. Die »Beamtenschaft orientierte sich an den politischen Erwartungen ihres Dienstherrn«.57 Auch die aktive politische Betätigung der Beamten ging im Kaiserreich deutlich zurück, der Anteil etwa der Reichstagsabgeordneten sank zwischen 1871 bis 1912 von 27 Prozent auf 11,6 Prozent.58 Von der ehemals so mächtigen Position der Beamten in den Auseinandersetzungen um den Verfassungseid in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war im Kaiserreich nur wenig übrig. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein solcher Appell an den geleisteten Eid bei den Beamten tatsächlich wirksam sein konnte. Sie ist, wie alle 57 Hettling, Politische Bürgerlichkeit, S. 62. Fenske, Bürokratie in Deutschland, S. 15, betont, dass die Reichsbeamtenschaft politisch, auch aufgrund landsmannschaftlicher Heterogenität, nicht derart einheitlich konservativ formiert war wie die preußische Verwaltung. Das Gewicht Preußens im Reich indes kompensierte diese begrenzte Heterogenität weitgehend. 58 Wunder, S. 91.

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Fragen, die sich mit individueller Rezeption beschäftigen, schwierig zu beantworten. Dennoch soll im Folgenden gezeigt werden, dass ein Großteil der – vor allem preußisch geprägten – Beamten auf Reichsebene durchaus empfänglich für den Bezug auf den Eid war. Denn es wurde mit jeder Erinnerung an den Eid und die beschworene Treue ein ganzes Wertesystem angesprochen. Dieses Wertesystem ging weit über das positivistische Treueverständnis hinaus, es formte das Selbstverständnis einer Beamtenschaft, die als Zeitgenossen auch Teil ihrer eigenen gesellschaftlichen und politischen Ordnung waren.

2.3 Jenseits des Positivismus: »Treue« als Kern des Eides Die Tatsache, dass der Treue und dem Eid im Recht und Rechtsdenken des Kaiserreichs nur eine untergeordnete formale Bedeutung zukam, lässt sich zwar mit dem Positivismus erklären. Doch steht dieser Bedeutungsmangel in auffälligem Gegensatz zu einem gesamtgesellschaftlichen Befund, nach dem die »Treue« zu den zentralen ordnungspolitischen Topoi der Zeitgenossen im Kaiserreich gehörte. Der Eid, in dem sich diese Treue (zumindest für den politischen Bereich) manifestierte und öffentlich gemacht wurde, gehörte dementsprechend zu den zentralen Ritualen der öffentlichen politischen Kultur. Dies galt für den Fahneneid, den die Soldaten leisteten, ebenso wie für den Eid der Beamten. Die Ableistung des Eides war von großer individueller und kollektiver Bedeutung – unabhängig davon, welche Bedeutung dem Eid formal-juristisch zukam. Denn »Treue« war mehr als eine juristische Kategorie und das Schwören war mehr als ein zu vernachlässigendes Ritual. Beide prägten das Selbstverständnis der Beamten im Kaiserreich im Speziellen, aber auch die Gesellschaft des Kaiserreichs im Allgemeinen; beide, die »Treue« und das Schwören, waren eng verknüpft mit individuellen und kollektiven Ehrvorstellungen. Nicht zufällig widmeten sich die Soziologen des Kaiserreichs der »Treue« als einer der zentralen Kategorie, allen voran Georg Simmel.59 Er erklärte die Treue zu einem zentralen Merkmal menschlichen Miteinanders: »Ohne die Erscheinung, die wir Treue nennen, würde die Gesellschaft überhaupt nicht in der tatsächlich gegebenen Weise irgendeine Zeit hindurch existieren können.«60 Simmel sah in der Treue ein Bindeglied zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen »innen« und »außen«,61 sie vermittelte Stabilität in allen Arten menschlicher Beziehungen, seien sie emotionaler oder politisch-gesellschaftlicher Art. Vor allem war sie nach Simmel auf Dauer angelegt: einmal »gestiftet« und im Bewusstsein des Individuums verankert, trug sie zur Stabilisierung und Dauerhaftigkeit einer Beziehung bei. Simmel bezeichnete die Treue daher 59 Zur Georg Simmel vgl. i. A.: Härpfer; Tyrell. 60 Simmel, S. 581–598, S. 581. 61 Ebd., 589.

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als »das Beharrungsvermögen der Seele […], welches sie in einer einmal eingeschlagenen Bahn festhält, nachdem der Anstoß, der sie überhaupt in diese Bahn geführt, vorbeigegangen ist.«62 Diese Zitate stehen nicht nur für einen Ansatz einer Soziologie der Vergesellschaftung, sondern sie sind auch Zeichen ihrer Zeit; sie sprechen von der Bedeutung, die der Treue als positiv besetzter Ordnungskategorie im Kaiserreich zugemessen wurde. Dies galt für alle Formen des gesellschaftlichen Miteinanders, für die Ehe, Freundschaften, Familie, den Beruf und gegenüber dem Staat. Im Gegensatz zu einem »eher diffusen[n] und für die Akteure selten rekonstruierbare[n] […] Prozess« der Vertrauensbildung im »Alltagshandeln«, zeichnete sich die Treue für die Soziologie des Kaiserreichs durch eine Bindung an einen formalen Akt aus.63 Treue erschien wie ein Vertrag, der zwischen zwei Personen geschlossen wurde. Im Privaten formalisierte sich dies als Verlöbnis oder Eheversprechen, im öffentlichen Raum durch den Eid. In diesem Verständnis der Treue spiegelte sich – fern der staatsrechtlichen Ebene – auf diese Weise doch noch etwas von dem alten Vertragscharakter des Eides: Der Treunehmer, der Monarch sollte sich, wenn schon nicht staatsrechtlich, so doch zumindest durch das von ihm entgegengenommene Versprechen moralisch gebunden fühlen. Durch den Eid wurde »Treue« konstituiert, so dass der »Treueid« von zentraler Bedeutung für die politische Ordnung der Gesellschaft war. Er machte die individuelle Treue einerseits öffentlich sichtbar, er »implementierte« sie andererseits im Bewusstsein des Schwörenden. Verbunden war damit immer eine zukunftsweisende Dimension, die die Treue weit über den Moment der Eidesleistung hinaus für die Zukunft sichern sollte. Dies galt auch und gerade für den Beamteneid. An seinem Beispiel lässt sich die soziologische Bedeutung der »Treue« im Kaiserreich auffächern, eine Bedeutung, die neben die oben beschriebene juristische Definition der »Treue« trat und damit das gesellschaftliche Verständnis des Eides ergänzte und in eine völlig andere Richtung lenkte. Die Eidesformel der Beamten folgte in ihrem Aufbau dem klassischen Muster einer Dreiteilung in den 1. Treu- und Gehorsamseid gegenüber dem Dienst­ herrn, sprich: der Person des Monarchen, 2. den Verfassungseid, der die Beobachtung der Verfassung forderte und 3. den Amtseid, mit dem die Erfüllung der Dienstpflichten beschworen wurde.64 Die Forschung hat betont, dass die Treue gegenüber dem Monarchen innerhalb dieser Eidesformel deutlich stärker zu gewichten sei als die Wahrung der Verfassung.65 Der Eid habe vor allem dazu gedient, die »mentale Bindung an die Krone« stärken.66 Zwar galt die Treuepflicht 62 Ebd., 582. 63 Buschmann, Die Erfindung der Deutschen Treue, S. 75. Siehe auch ders., Zwischen Leidenschaft und Disziplinierung; ders., Treue und Verrat; ders., Die Unterwerfung des Gewissens; Siegel. 64 Zu dieser klassischen Dreiteilung des Eides siehe: Friesenhahn, Der politische Eid, S. 83/84. 65 Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 262; Saam, S. 139–141; Schmahl, S. 20. 66 Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 88.

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der Beamten in der konstitutionellen Monarchie rein staatstheoretisch gesehen dem Monarchen als Institution des Staates in gleicher Weise wie der Verfassung.67 In der Praxis jedoch sah dies anders aus. Die allermeisten Juristen interpretierten die verschiedenen Teile der Eidesformel als unterschiedlich wertig: das Treueversprechen gegenüber dem Monarchen galt als der eigentliche, der zentrale Teil des Eides, hinter dem das Beachten und Wahren der Verfassung sprachlich und inhaltlich zurücktrat. Ähnlich verstanden auch die Beamten selbst den Eid: Das zeitgenössische Verständnis des Begriffs »Treue« als personale Bindung und die historische Bedeutung persönlicher Treuebindungen gaben in der Lebenswirklichkeit der Beamten dem Eid vor allem einen Sinn: eine persönliche, »treue« Bindung des Beamten an »seinen« Herrscher zu schaffen, im Gedächtnis des Beamten zu verankern und diese Bindung öffentlich zu beschwören. Als Beispiel für ein solches Eidesverständnis kann hier die Dissertation Friedrich Everlings über den Preußischen Beamteneid aus dem Jahre 1914 dienen.68 Sie spiegelte die Grundhaltung eines jungen, dezidiert konservativen juristischen Referendars am Beginn der Karriereleiter.69 Er war damit noch nicht offiziell Teil jenes »Bundes« der Beamten, in den aufgenommen zu werden er jedoch anstrebte. Angesichts der Tatsache, dass gerade die Referendare in ihrer dienstlichen und privaten Lebensführung streng überwacht wurden und nur Bewerber, deren Personalakten ohne jeden Zweifel die »rechte« Gesinnung widerspiegelten, zur Verbeamtung vorgesehen wurden, war eine Promotion zum Beamteneid nicht nur ein akademisches Thema. Wer sich so zentral im Hinblick auf Beamtenfragen positionierte und gleichzeitig die Verbeamtung anstrebte, trat im wilhelminischen Deutschland sicherlich nicht mit revolutionären Thesen hervor. So soll die Promotion Everlings an dieser Stelle ausführlicher analysiert werden, weil in ihr ein preußisch-deutsch-konservatives Verständnis des ­Eides zutage tritt, das innerhalb der höheren Beamtenschaft des Kaiserreichs weit verbreitet war, aber eben aufgrund seiner Selbstverständlichkeit selten weiter thematisiert wurde.70 Zwar stellte eine solche konservative Position im Gesamtspektrum der Reichsbeamtenschaft nur einen Ausschnitt dar, doch wird man wohl davon ausgehen können, dass dieser Ausschnitt einen Anspruch auf die Meinungsführerschaft erhob. Wir wissen, dass vor allem die höhere Reichs­ 67 Vgl. allg. Bouveret; Henning. 68 Everling, Der preußische Beamteneid. 69 Nachweis über die Vereidigung Friedrich Everlings vom 3.9.1913, BArch  R 3002/PA 211, Bd. 4. Friedrich Everling, geb. 5.9.1891, gest. 17.4.1958, studierte Jura und Nationalökonomie. 1913 wurde er Referendar am Amtsgericht in Fürstenberg, 1914 reichte er seine Dissertation zum »Preußischen Beamteneid« ein. Kurz nach Kriegsbeginn, am 8.8.1914, wurde er promoviert. Vgl. den Lebenslauf Everlings (ohne Datum, aber nach 1933 verfasst), BArch R 1501/206127. 70 Henning, S. 27: »Es bleibt festzuhalten, dass die erdrückende Mehrheit der Beamtenmemoiren des 19. Jahrhunderts Eid und Gehorsam nie problematisiert haben, die Beachtung dieser freiwillig eingegangenen Bindung war offenbar eine Selbstverständlichkeit.«

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beamtenschaft in der Frühphase des Kaiserreichs, aber letztlich doch bis zum Ende der Monarchie, in weiten Teilen durch preußische Beamte geprägt war.71 Daher war es auch kein Zufall, dass sich die konservativ-national geprägte politische Orientierung der höheren Beamtenschaft in Preußen in Teilen auf die Reichsbeamtenschaft übertrug. Gerade diese Gruppe war es, die sich durch die rhetorischen Appelle der Regierung an Treue und Eid besonders angesprochen fühlte. Als sich nach 1870 ein strukturell homogenes höheres Beamtentum im Reich entwickelte, wurden dabei verschiedene Elemente des preußischen Verwaltungsdienstes auf die Reichsebene übertragen: Eine Personalpolitik, die bereits bei der Auswahl der Referendare und bei der späteren Anstellung strenge Auswahl­ kriterien an die soziale Herkunft und die politische Gesinnung der zukünftigen Beamten anlegte, garantierte eine, wenn auch nicht ausschließlich konservative, so zumindest aber nicht offen oppositionelle Grundtendenz der zukünftigen höheren Beamten.72 Angesichts eines klaren Überangebotes an Jura-Studenten war es für die Verantwortlichen mehr als einfach, sich jene Studenten für die Übernahme ins Referendariat herauszusuchen, die den erforderlichen Kriterien im Hinblick auf Herkunft und Gesinnung entsprachen. Die sich anschließende Länge und die hohen Kosten der Beamtenausbildung mit ihren jahrelangen unbezahlten Referendarszeiten führten dazu, dass die Laufbahn nur Söhnen aus dem vermögenden Bürgertum und dem Adel zugänglich war.73 Die jahrelange Abhängigkeit im Vorbereitungsdienst ließ der schließlichen Verbeamtung einen immensen nicht nur materiellen Wert im Sinne einer lebenslangen Absicherung zukommen. Soziologisch gehörte man – nach langen Jahren des Wartens – nun endlich »dazu«. So kam es bereits im Laufe der Ausbildung zu einer Internalisierung der geforderten politischen Grundwerte.74 War der Beamte dann endlich Teil der Beamten-Gemeinschaft, so war er umso bereiter, ein spezifisches Ethos als sein individuelles Selbstverständnis zu akzeptieren und zu leben. Wer einmal den Eid als »verpflichtendes Initiationsritual«75 geleistet hatte, der war als Teil des »Bundes« der Beamten – denn als einen solchen für die Jahrhundertwende typischen Männerbund kann man vor allem das höhere Beamtentum interpretieren – eingebunden in seine sichtbaren und unsichtbaren Regeln.76 Diese soziale Selektion des Beamtentums hatte im übrigen (neben der geschilderten Verankerung der Treuepflicht im »besonderen Gewaltverhältnis«) ihren Anteil daran, dass das Reichsbeamtengesetz des Kaiserreichs auf eine genauere Nor71 Morsey, Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck, 252. Zur preußischen Beamtenpolitik: Fenske, Preußische Beamtenpolitik vor 1918. 72 Wunder, S. 94/95. 73 Nipperdey, S. 131. Zur Entwicklung der Beamtenausbildung im 19. Jahrhundert allg.: Bleek. Bezogen auf Preußen vor 1806: Sieg. 74 Ebd., S. 133. 75 Frevert, Treue, S. 245. 76 Vgl. zum langwierigen Prozess der Verbeamtung von Frauen etwa seit den 1890er Jahren: Gerhard, Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 602–611.

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mierung der Treuepflichten verzichtete: Angesichts der staatstreuen Orientierung der Beamtenschaft in politischer, sozialer wie mentaler Hinsicht bestand »kein dringendes, tatsächliches Bedürfnis nach rechtlicher Absicherung der Staatstreue der Beamten«.77 Die politische Disziplinierung der Beamten im Kaiserreich erfolgte daher auch »von innen heraus«, aus einer Beamtenschaft, die sich mit einer bestimmten Berufsehre ausgestattet sah, welche ihr Handeln innerhalb und außerhalb des Dienstes prägte. Dass dieses Handeln im Kern »staatsloyal, national, königs- und kaisertreu«78 war, garantierten der Ausbildungsweg und die Personalpolitik, trotz aller regionalen und individuellen Unterschiede und vor allem bezogen auf die höhere Beamtenschaft – im Gegensatz zu der sich zahlenmäßig massiv vergrößernden Gruppe der Subalternbeamte.79 Der – und sei er noch so kleine – »Anteil [der Beamten] an der staatlichen Macht« führte zu einer fundamentalen Identifikation mit dem politischen System.80 Symbolisiert wurde diese Identifikation in der Eidesleistung. Der Eid »formierte« die Beamtenschaft und stellte nach Hattenhauer eine die »Monarchie und […] den Staat tragende Liturgie« dar.81 Begreift man die Dissertation Friedrich Everlings nun als ein Beispiel für die Position konservativ-nationaler, regierungsnaher höherer Beamter, so finden sich in ihr alle Kernelemente eines kulturell dominanten Eidesverständnisses im Kaiserreich. In weiten Teilen der politischen Klasse, der politischen Öffentlichkeit und auch der Bevölkerung fand ein solches Verständnis von Treue und Schwur Rückhalt. Entscheidend war für Everling, aber auch im Verständnis vieler seiner Zeitgenossen, die Freiwilligkeit, mit der der Eidgeber den Schwur der Treue leistete.82 Denn: »Zum Kriegsdienst, zum Staatsdienst kann jeder Untertan gezwungen werden. Nicht aber zur Treue. Folgeweise auch nicht zu dem Eid, der die Treue verspricht.«83 Damit übernahm der Eid eine ergänzende Funktion zur Anstellung, die von der Staatrechtswissenschaft des Kaiserreichs als einseitiger Hoheitsakt begriffen wurde.84 Der Eid trat als aktives Element von Seiten des Beamten hinzu, der sich freiwillig in die Herrschaftsbeziehung fügte. Im Eid verschmolzen folglich »extern formulierte Erwartungen und Pflichten« mit einer freien, innengeleiteten »Haltung«, die sich nicht erzwingen ließ.85 77 Rudolf, S. 213. 78 Nipperdey, S. 131/133. 79 Süle, S. 196. 80 Sühl, S. 28. 81 Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 262. 82 Diese Freiwilligkeit war indes letztlich nur eine vermeintliche, wenn man in Rechnung stellt, dass dem angehenden Beamten nach der langen Ausbildung jegliche alternative berufliche Perspektive fehlte und so durchaus ein innerer Zwang zum Eid herrschte. Vgl. zur beruflichen Alternativlosigkeit: Süle, S. 170. 83 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 23. 84 Saam, S. 122. 85 Frevert, Treue, S. 222.

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Damit ergänzte die im Eid beschworene Treue beamten- und disziplinarrechtlich normierte Pflichten. Erst aus dieser spezifischen Gemengelage entstand das typische Beamtenethos des Kaiserreichs, das die Person des Beamten als Ganze ergriff und »ihn auch in der privaten Sphäre in wesentlichen Belangen und für immer band.«86 Everling nannte diesen Vorgang »Selbsteinsetzung« der Person des Beamten. Mit seiner ganzen Persönlichkeit, innerhalb des Dienstes und im Privatleben, lebte der Beamte »mit persönlicher Hingabe« die Treuebeziehung.87 Dies zeigt eindrücklich, dass das Verständnis der im Eid beschworenen Treue eben nicht allein mit disziplinar- und staatsrechtlicher Interpretation zu verstehen ist. Treue war für die Beamten des Kaiserreichs viel mehr als der Positivismus in dem Begriff sehen wollte: Treue war – um es mit Friedrich Everling zu formulieren – »lebendige Hingabe«88, sie hatte – um es mit Ute Frevert zu formulieren – einen »emotionalen Überschuss«,89 der weit über disziplinarrecht­ liche Vorgaben hinausging. Sie diente als »Kompass«, als Leitstern des Handelns. Damit stellte Everling die Treue in direktem Gegensatz zum »Gehorsam«, den er als »negativ« und »blind« empfand. Die Treue sei »immer etwas Positives, der Gehorsam etwas Negatives. Denn er ist nichts weiter als das äußerliche (formale) Sich Unterordnen […]«90 Hier wird der Unterschied in der Haltung des Konservativen Everling gegenüber einer positivistischen Staatsrechtswissenschaft deutlich, die die Treuepflicht beinahe vollständig zugunsten der Gehorsamspflicht aufgegeben hatte. Zu der Freiwilligkeit des Eides kam ein weiteres zentrales Element im konservativen Verständnis Everlings hinzu: Die im Eid beschworene Treue war immer »persönlich«.91 Treue gilt bis heute als »relationaler Begriff«,92 sie bezieht sich immer auf etwas oder jemanden, dem die Treue gilt.93 Im Kaiserreich, das hat die Bürgertumsforschung herausgearbeitet, war diese Relation in aller Regel eine personale Beziehung: Treue galt zwischen zwei Individuen, im Privaten wie im öffentlichen Raum. Damit bezogen Konservative wie Everling die im politischen Eid beschworene Treue vor allem auf die Person des Monarchen. Mit dem Eid des Beamten entstand eine persönliche Bindung an seinen Monarchen: »Wenn aber der Beamte seinem König Treue gelobt, so bedeutet das die persönliche Hingabe, das Versprechen, sich für den König selbst einzusetzen.«94 Obwohl rein staatsrechtlich im Kaiserreich die Person des Monarchen als Repräsentant der Staatsidee verstanden wurde, stand Everling mit dieser personalen Treueauffassung nicht allein. Selbst Staatsrechtler interpretierten den 86 Süle, S. 72. Vgl. auch: Fisch; Morstein Marx; Vogelsang. 87 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 22. 88 Everling, Vom Fahneneid, S. 34. 89 Frevert, Treue, S. 245. Siehe auch: Wiedenmann, S. 40. 90 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 23. Siehe auch ders., Vom Fahneneid, S. 34/35. 91 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 22. 92 Buschmann, Die Erfindung der Treue, S. 76. 93 Siegel, S. 10. Siehe auch: Frevert, Treue, S. 220. 94 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 22.

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Treueeid personal, ganz entsprechend der oben geschilderten Grundposition, die den Eid aus dem engeren juristischen Normensystem herausnahm, ihm jedoch eine hohe sittliche Bedeutung zusprach. So hieß es etwa bei Otto Mayer: »Der Dienst ist des Staates, die Treue aber gebührt dem König ganz persönlich.«95 Auch Everling sah den König und Kaiser als »Eidnutzer, und zwar als Person, nicht als Institution, d. h. jeweiliger Träger der Krone, nicht als Verkörperer des Staates.«96 Dass im Falle von Thronwechseln der Eid dem neuen Monarchen erneut zu leisten war, verstärkte dieses Verständnis.97 Demgegenüber trat die in der Eidesformel geforderte »Wahrung« der Verfassung zurück, auch wenn der Text der Verordnung zur Eidesleistung diese Interpretation eigentlich gar nicht vorgab. Doch die gesellschaftliche Gewichtung von Treue als personaler Beziehung führte zu eben diesem Verständnis des Eides als Festigung des Bandes zwischen dem Monarchen und seinem Beamten. Everling selbst jedenfalls sah dies ganz klar so und kritisierte die Verfassungsklausel, die »den Stempel ihrer Entstehung an sich, und den Keim zu Gewissenskonflikten in sich« trüge.98 Dieses Argument Everlings – dass nämlich der Eidgeber durch den Schwur auf Monarch und Verfassung in einen Gewissenskonflikt geraten könne – stellte das klassische Argument all jener dar, die sich bereits im frühen 19. Jahrhundert gegen eine Vereidigung des Heeres auf die Verfassung ausgesprochen hatten.99 Damit ist die Frage aufgeworfen, inwieweit das zeitgenössische Verständnis des Treueschwurs Beamten das Recht auf Ungehorsam und Infragestellung von Dienstbefehlen zugestand. Erneut betonte Everling in diesem Zusammenhang die Abgrenzung der »Treue« vom »blinden Gehorsam«: »Die Treue setzt nicht an Stelle des eigenen Willens einen fremden, sondern sie stellt alle Fähigkeiten des Körpers und des Geistes in den Dienst eines Anderen. Die Treue ist eine denkende Tugend, [… die] fordert, daß sie tut, was ihr richtig scheint, aber nicht für sich, sondern für einen Anderen.«100 Auf dieser Grundlage sollte es Beamten und Soldaten nach Everlings Vorstellung möglich sein, dienstliche und militärische Befehle zu missachten. Entscheidend dabei war das Motiv, aufgrund dessen diese Pflichtverletzung stattfand: »Wer alles tut, was er kann und dennoch den gegebenen Befehl nicht auszuführen vermag, mag wohl ungehorsam erscheinen, aber niemals ungetreu.« Darauf kam es an: Die geschworene Treue durfte niemals verletzt werden; wenn je Befehl und Gehorsam verweigert wurden, dann im reinsten Interesse des Eidnehmers, der (aus welchen Gründen auch immer) das eigene Interesse nicht selbst vertreten konnte. Daher war er gerade auf die Treue seines Beamten oder Soldaten angewiesen, der sie wiederum dadurch 95 Mayer, S. 3. 96 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 16. 97 Schmahl, S. 20. 98 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 26. 99 Bock. 100 Everling, Vom Fahneneid, S. 34/35.

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bewies, dass er Befehl und Gehorsam verweigerte. Jedoch war für den Konservativen diese Option von Befehlsverweigerung und dienstlichem Ungehorsam eine absolute Ausnahme.101 Everling bezog die Frage nach dem Widerstandsrecht nicht nur auf den Beamteneid, sondern ebenso auch auf den Fahneneid der Soldaten. Dies war kein Zufall, denn im allgemeinen Diskurs über den Eid wurde immer auch der Fahneneid mitgedacht. Dies galt auch für Everling, der im Ersten Weltkrieg im Anschluss an seine Doktorarbeit eine Untersuchung zum Fahneneid verfasste.102 Dass Everling selbst gerne Offizier geworden wäre, passt in sein Weltbild, scheiterte jedoch an seiner fragilen Gesundheit, die eine Militärkarriere unmöglich machte und ihn auch in der Beamtenlaufbahn immer wieder behinderte.103 Was für ihn galt, galt indes auch für alle anderen Beamten im Kaiserreich: die allermeisten waren durch den Militärdienst und durch die enorme Bedeutung, die dem Militär in der öffentlichen Kultur des Kaiserreichs zukam, mit militärischen Idealen ausgestattet. Während die höheren Beamten größtenteils als »Einjährig-Freiwillige« aktiv gewesen waren, wurde unterhalb des höheren Beamtentums etwa die Hälfte der Beamten durch Militäranwärter gestellt, die zwölf Jahre Militärdienst hinter sich hatten. Egal, welche Form des Militärdienstes hinter den zukünftigen Beamten lag, als Soldaten hatten sie alle den Fahneneid geleistet. Dabei waren sie nicht zuletzt durch die Ansprachen katholischer und evangelischer Militärgeistlicher bei den Vereidigungen der Rekruten ideologisch auf die Bedeutung des Schwurs eingestimmt worden.104 Die konservative Grundauffassung von der Bedeutung des Eides als dem Band zwischen Soldaten und Monarchen, das das religiöse Gewissen des Eidgebers binde und damit sein politisches und gesellschaftliches Verhalten weit über den Militärdienst hinaus normiere, wurde den Rekruten in gewichtigen Worten nahegebracht. Sven Lange etwa zitiert den katholischen Divisionspfarrer a. D. Kliche: »Durch Deinen Eid hast Du Dich vor Gott, dem Kaiser, Deinen Vorgesetzten an Deine Pflicht bis in den Tod gebunden. Ein unsichtbarer Zeuge hat Deinen Schwur gehört, der lebendige Gott. Es ist etwas Gewaltiges, in solcher Stunde vor den heiligen Gott zu treten, zu ihm die Schwurhand zu erheben, in der aufgehobenen Hand, in dem Schwur der Lippen seine Seele und seine Seligkeit zu tragen.«105 Jeder der 101 Die Vorstellung, dass der Eidnehmer seine Treuepflicht verletzten könnte und damit auch der Eidgeber von seiner Treue entbunden sei, die in der Diskussion um den »Eidbruch« des 20. Juli 1944 eine zentrale Rolle spielen sollte, findet sich bei Everling nicht. Vgl. Kap. 4.5. 102 Everling, Vom Fahneneid. Vgl. auch: Ders., Der Fahneneid in Preußen. 103 Everling war bei Kriegsbeginn als Fahnenjunker eingezogen worden, »aber wegen erblichen Asthmas nach mehreren Monaten und in der Folge trotz mehrfacher Meldung etwa acht Mal entlassen« worden. Vgl. Lebenslauf Everlings (ohne Datum, aber nach 1933 verfasst), BArch R 1501/206127. Vgl. auch: Schreiben des Präsidenten des Königlichen Landgerichts Fürstenberg an den Kammergerichtspräsidenten von Berlin, 10.6.1914, BArch R 3002/PA 211, Bd. 4. 104 Siehe auch die Beispiele bei Höhn, Sozialismus und Heer, Bd. 3, S. 232–238. 105 Kliche, Dein Fahneneid!, S. 5. Zitiert nach Lange, Der Fahneneid, S. 81. Vgl. auch: Gill­hausen.

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Beamten, die später im Verwaltungsdienst einen Eid leisteten, war also bereits seit seiner Dienstzeit als Soldat in die ordnungspolitische Welt des Schwörens von Treue eingebunden. Bei nicht wenigen, vor allem eben jenen Beamten mit eher konservativerer Einstellung, weckte der Beamteneid fraglos Reminiszenzen an den Fahneneid. Damit transformierte sich die im Fahneneid beschworene Treue oftmals bruchlos in die Treue, die die Beamten ihrem Monarchen schworen. Gleichzeitig übertrugen sich die militärischen Ideale von Befehl und Gehorsam in die Verwaltung.106 Beides war staatlicherseits so gewollt. Wie aber bewirkte der Eid nun die imaginierte innere Bindung? Für Everling, und auch damit bewegte er sich im konservativen Vorstellungshorizont seiner Zeitgenossen, war der Eid eine religiöse Handlung. Die »Allwissenheit [mache] Gott zum Zeugen des Geschworenen, die Allmacht zum Rächer des gebrochenen Eides.«107 Damit kam der Eid im Verständnis Everlings einer »Selbstverfluchung« gleich.108 Der Eid band das Gewissen des Schwörenden, er verankerte die Pflicht zur Treue als quasi-religiöses Moment im Selbstverständnis des Einzelnen. Der Eid stand somit an der Schnittstelle zwischen religiösem Gewissen, Moral und Politik, er war, ganz im Sinne Simmels, so etwas wie die Vermittlungsstelle zwischen Innen und Außen. Er verknüpfte – zumindest für jene, die sich mit dem geschilderten Weltbild identifizierten – eine politische Botschaft, ein gewünschtes Verhalten mit dem individuellen Schicksal des Einzelnen vor Gott. Indem mittels des Eides politisch-gesellschaftliche Normen und Anforderungen auf die individuelle Ebene transformiert wurden, verknüpften sie sich mit dem Selbstverständnis des Schwörenden. Offensichtlich wird durch die enge, oft kaum aufhebbare Verknüpfung zwischen Berufs- und Privatleben auch, wie eng sich die beschworene »Treue« mit der individuellen »Ehre« des einzelnen Beamten verknüpfte.109 Jede Verletzung der beschworenen Treuepflicht und damit der geltenden Gruppennormen stellte die Gruppenehre in Frage und musste zu einem Ehrverlust des Individuums führen. Gleichzeitig zeigt sich hier auch die entlastende Funktion, die der Eid übernahm: Indem er den Einzelnen in eine Gruppe einband, wurde auch das individuelle Gewissen in die Gruppe eingebunden und auf diese Weise entlastetet. Das Individuum sah sich von der Notwendigkeit entbunden, sich ständig mit dem eigenen Gewissen zu konfrontieren, sondern fand sich eingebettet in die prägenden Normen einer Gruppe, in der alle im selben Ritual verbunden waren.110 Gerade die Tatsache, dass der Beamte mit dem Eid nicht nur ein dienstliches Treueverhältnis, sondern darüber hinaus ein privates – und damit seine ganze berufliche wie private Persönlichkeit umfassendes – Treueverhältnis einging, 106 Fenske, Bürokratie in Deutschland, S. 18. 107 Everling, Der Preußische Beamteneid, S. 19. 108 Ebd. In dieser »Selbstverfluchung« spiegeln sich Überreste des vormodernen Charakters des Eides. 109 Zur Ehre: Speitkamp; Dinges. 110 Ähnlich: Widder, S. 703.

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führte Konservative wie Everling dazu, das Beamtentum des Kaiserreichs in die jahrhundertealte Tradition des Lehnswesens zu stellen. Er ging sogar soweit, den Beamten aufgrund des persönlichen Treueversprechens als »Vasall« zu bezeichnen.111 Nicht jeder staatsrechtliche Text ging in der Parallelsetzung des Beamteneides mit dem Lehnseid so weit wie Everling. Jedoch finden wir in jenen Texten, die von einem gegenüber dem Lehnsrechtlichen abgeschwächten Treueverständnis ausgehen, nicht selten ein Bedauern darüber, dass der Beamteneid nur noch ein »blasses Abbild des alten Treueides« sei.112 Diese historisierende Sicht auf das dienstrechtliche Verhältnis bettet den Eid ein in die breitere Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts mit ihrer Faszination für die »Germanen«.113 Die historisierenden Bezüge, die Everling an das Verständnis von Eid und Treue anlegte, waren geradezu typisch für die TreueSemantik des Kaiserreichs.114 In Erziehung, Wissenschaft und Öffentlichkeit nahm die Rede von der »deutschen Treue« enormen Raum ein. So hat die Staatsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts  – wie Nikolaus Buschmann gezeigt hat – den Treuediskurs »rückwirkend germanisiert und so ins Geschichtsbild der deutschen Nation eingefügt«.115 Hier wurde die Treue zu einem »rechts­ geschichtlichen Alleinstellungsmerkmal, das die Germanen prinzipiell von anderen, insbesondere den romanischen Völkern« unterschied.116 Die »deutsche Treue« entsprach damit vermeintlich einer nationalen Charaktereigenschaft, gar einem »internationale[n] Alleinstellungsmerkmal des deutschen Nationalcharakters«.117 Diese Überzeugung, »deutsch« sein heiße »treu« sein, spiegelt sich auch in Everlings Schriften zum Eid. Er schreibt, im Eid werde eine »Treue gefordert, die dem Deutschen eingeboren ist, und sein Volk zum vornehmsten aller Völker macht, die von den Fremden viel missbraucht und viel bewundert, unser sprichwörtliches Beiwort wurde […], und die vor allem dem deutschen Soldaten und dem deutschen Beamten heilige Überlieferung ist.«118 Diese Weltsicht war »tief in den Geschichtsbildern des 19. Jahrhunderts verankert und nistete sich im Kaiserreich als ein kaum mehr hinterfragtes Bildungsgut in das Allgemeinwissen ein«.119 Die Tatsache, dass die Beamten des Kaiserreichs Träger dieser »deutschen Treue« waren, dass sie diese Treue beschworen, bestimmte ihr eigenes Weltbild, aber auch ihr gesellschaftliches Ansehen.120

111 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 23. 112 Ehrenberg, S. 50. 113 Siehe u. a.: Titzmann. 114 Frevert, Treue, S. 246. 115 Buschmann, Die Erfindung der Treue, S. 81. 116 Ebd., S. 89. 117 Weise, S. 346. 118 Everling, Der preußische Beamteneid, S. 21. 119 Buschmann, Die Erfindung der Treue, S. 89. 120 Otto Hintze spricht von »schlichter Treue« als zentraler Tugend des Beamtentums, Krüger, Otto Hintze, S. 27. Vgl. zu Hintze: Oestreich.

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Everlings Abhandlung über den Eid schildert die Selbstbindung der Beamten durch ein spezifisches Ethos, das an den geleisteten Eid geknüpft war. Der Eid bot die Fiktion, dass diese Bindung durch eine innengeleitete »treue« Haltung selbstbestimmt sei. Dabei war die inhaltliche Ausgestaltung dieser Treue aufs engste mit den strukturellen Rahmenbedingungen der Beamtenschaft verbunden. Die konservative, adelig-bürgerliche Dominanz innerhalb der Beamtenschaft führte auch zu einer hohen Akzeptanz der skizzierten Leitwerte in der Beamtenschaft: Wer politisch konservativ eingestellt und im adelig-bürgerlichen Kontext sozialisiert war, für den war »Treue« als eine zentrale Ordnungsvorstellung im Kaiserreich auch eine erstrebenswerte Charaktereigenschaft. So konnte die Treue im Kaiserreich zu einem zentralen Merkmal des Beamtentums werden. Opponierendes, »untreues« Verhalten, Eidbruch, Konflikte um den Schwur, all dies findet sich so gut wie nicht in der Geschichte des Beamtentums im Kaiserreich. Nimmt man die disziplinarrechtlichen Vorschriften hinzu, haben wir es beim Eid im Kaiserreich also mit einer höchst effizienten Bindungsform zu tun. Der Eid bildete ein »komplexes Zusammenspiel aus äußerer Disziplinierung und innerer Bereitschaft. Diese sind so aufeinander bezogen, dass sie im Selbstbild der Akteure als Ausdruck des eigenen Wollens gedeutet werden.«121

2.4 Wider den Zeitgeist: Kritik am Eid Friedrich Everlings Thesen zum Eid – so zugespitzt und dezidiert konservativ sie auch waren – lassen sich in weiten Teilen verallgemeinern für die Mehrheit der (höheren) Beamten. Doch soll im Folgenden zumindest eine Gegenstimme zitiert werden, die eine konträre Position zum Eid darstellte, auch wenn sie in der Minderheit war. Diese kritische Stimme war dabei weniger geprägt von dem oben beschriebenen inner-beamtentypischen Diskurs um »Ehre und Treue«, sondern fügte sich in einen breiteren Kritikstrom am Eid ein, der sich aus ganz anderen Quellen speiste. Denn der Eid selbst war im Kaiserreich keineswegs unumstritten – allerdings nicht der promissorische, sondern der assertorische Eid. Damit setzte sich ein Diskussionsstrang fort, der bereits im frühen 19. Jahrhundert wurzelte: Die Überzeugung, dass die »Heiligkeit« des Eides zutiefst bedroht sei angesichts einer »Eidesflut«, die vor allem vor Gericht vermeintlich gedankenlos geschworen würde.122 Denn die Klage über eine allgemein »schwer drückende Eidesnoth«,123 über immer stärker ansteigende Zahlen der Falscheide vor Gericht und den »Niedergang« des Zeugeneides prägte das Kaiserreich. An der Debatte nahmen Vertreter ganz unterschiedlicher weltanschaulicher Prägung teil und 121 Buschmann, Die Erfindung der Treue, S. 75. 122 Siehe, auch mit weiteren Literaturangaben: Weichlein, Religion und politischer Eid. 123 Leitsätze der Eisenacher Kirchenkonferenz, 21. Juni 1892, zitiert nach: Kulemann, S. 7.

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ebenso breit gefächert waren die Vorschläge zur Behebung eines Problems, das eigentlich gar keines war. Denn die Empirie verwies eher auf rückläufige Zahlen in Bezug auf den Meineid vor Gericht, doch wurden diese Zahlen von den Kritikern mit Verweis auf eine vermeintlich kaum konkretisierbare »Dunkelziffer« verworfen.124 So wandten sich vor allem Konservative gegen die Vereidigungspraxis vor den Gerichten des Deutschen Reichs. Die Vielzahl der geschworenen Eide ließ nicht nur nach Meinung von Vertretern verschiedener Kirchen-, Glaubensund Konfessionsrichtungen den Respekt vor dem Eid als einem in diesem Verständnis immer als religiöse Handlung zu verstehendem Ritual zurückgehen. Daher waren sich alle Teilnehmer in der Debatte darüber einig, dass die Zahl der geschworenen Eide unbedingt zu verringern sei, zum Teil wurde auch die Abschaffung des Eides generell gefordert, um Meineid und Gotteslästerung zu verhindern. Mitglieder freikirchlicher Richtungen wiederum, denen der Schwur aus religiösen Gründen nicht erlaubt war, wollten aus diesem Grunde auf eine Veränderung der Eidespraxis hinwirken. Dabei ging es ebenfalls nicht selten darum, den Eid komplett abzuschaffen. Darin traf man sich mit Sozialdemokraten und Liberalen, die einerseits im Eid eine Verletzung der Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen sahen, andererseits den als religiöses Ritual begriffenen Eid als dem modernen Staat angesichts einer Trennung von Staat und Kirche nicht angemessen betrachteten und nicht selten anstelle des religiösen Eides einen »bürgerlichen« Eid forderten. Auch wenn bei dieser Debatte, ausgehend von der Vereidigungspraxis vor Gericht, der assertorische Zeugeneid und prozessrechtliche Regelungen im Zentrum standen, blieb sie nicht ohne Auswirkung auf den promissorischen Eid. Als Beispiel soll dafür im Folgenden eine Schrift mit dem Titel »Die Abschaffung des Eideszwangs« aus dem Jahr 1911 dienen. Ihr Autor, Max Fischer, war einerseits ein typischer Vertreter jener Autoren, die der Eidespraxis des Kaiserreichs aus religiöser Überzeugung kritisch entgegentraten, motiviert durch die Absicht, die »Heiligkeit« des Schwurs zu retten. Andererseits aber war Fischer auch ein besonderer Vertreter dieser Eideskritik: er war nämlich einer der wenigen Beamten, die nicht nur den assertorischen Eid kritisierten, sondern ihre Kritik auch auf den promissorischen Beamteneid ausdehnten. Max Fischer war in seinem Berufsleben Eisenbahn-Baubeamter in Württemberg gewesen und hatte in dieser Zeit viermal einen Eid leisten müssen: »als geprüfter Feldmesser, als Soldat, als angehender Beamter im württembergischen Staatsdienst, als Bahnpolizeibeamter auf nicht-württembergischen Gebiet«.125 Hinzu kam ein Eid als Sachverständiger in einem Zivilprozess. Und schließlich hatte Fischer als Vorgesetzter die ihm »unterstellten Beamten und Unterbeamten 124 Vgl. Ortmann, S. 202. 125 Fischer, Die Abschaffung des Eideszwangs, S. 3. Weitere biografische Angaben zu Fischer, die über die in seiner Schrift aufgeführten Informationen hinausgehen, ließen sich nicht ausfindig machen.

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in großer Zahl« vereidigt.126 Die Erfahrungen, die er im Laufe seines Berufs­ lebens mit dem Eid gemacht hatte, beschäftigten ihn so sehr, dass er im Ruhestand 1911 eine Schrift zum »Eideszwang« verfasste. Fischers Argumentation war aufs engste verknüpft mit der öffentlichen Eidesdebatte in der Spätphase des Kaiserreichs, deren Argumente – in Bezug auf den assertorischen Eid – er weitgehend aufnahm und auch auf den promissorischen Eid übertrug. Insofern war Fischer einerseits Kind seiner Zeit, andererseits stand er am Rande seiner Profession. Verstärkt wurde diese »Randposition« noch dadurch, dass Max Fischer kein höherer Beamter gewesen war. Daher war er viel weniger dem geschlossenen Ethos der höheren Beamtenschaft verbunden, die Friedrich Everling geprägt hatte, und sein Blick auf den promissorischen Eid war weniger stark durch standes- und gruppenspezifische Elemente geprägt. Fischer beunruhigte an der zeitgenössischen Vereidigungspraxis vor allem, wie »mechanisch dergleichen amtlich vorgeschriebene Verhandlungen erledigt werden, welche fast gleichgültige Rolle dabei der […] von dem Schwörenden angerufene Name Gottes spielt, wie gar nicht danach gefragt wird, ob der Beeidigende und ob vor allem der Schwörende an Gott glaubt […]«127 Die fehlende Belehrung über Sinn und Zweck des Eides, vor allem in religiöser Hinsicht, führe dazu, dass das Verständnis von der Tiefe der Bindung dem Schwörenden nicht klar sei.128 Erfahrungsgemäß leistete nach Fischer die Mehrzahl der Beamten ihren Eid ohne weiteres Nachdenken. »Wollte man etwa durch Umfrage ermitteln, was z. B. die von mir Beeidigten oder was andere Beamte bei der Beeidigung gedacht, wie sie die Formel verstanden haben, so würde man äußerst selten Auskunft bekommen. Sie haben sich nichts darunter gedacht.«129 Mit diesen Sätzen reihte er sich ein in eine im Kaiserreich weitverbreitete Kritik an der äußeren Form der Vereidigungen, die bereits im frühen 19. Jahrhundert aufgekommen war. So forderte im Juni 1892 die Deutsche evangelische Kirchenkonferenz in Eisenach explizit, auf eine »bisher vielfach vermisste entsprechende […] Feierlichkeit bei Abnahme der Eide« zu achten.130 Dazu gehörte unter anderem der Vorschlag, alle zur Diensteinweisung gehörenden Einzelheiten aus der Vereidigung etwa von Beamten herauszulassen und sich auf die rituelle Form zu konzentrieren.131 In aller Regel beschränkte sich diese rituelle Form seit Beginn des Kaiserreichs auf das Erheben der rechten Hand beim Schwur.132 Diese einfache Geste hatte nach Einführung der überkonfessionellen Eidesformel durch die Paulskirche die zahlreichen konfessionellen und regionalen Sonderformen des Schwurs weitgehend abgelöst. Zwar forderten gelegentlich Autoren, für Frauen statt des Erhebens der rechten Hand – als »für 126 Ebd., S. 3. 127 Ebd., S. 4. 128 Ebd., S. 4, S. 17, S. 18 129 Ebd., S. 18. 130 Graf, Sp. 1179–1180. 131 Kulemann, S. 8. 132 Vgl. etwa: Brandt, Der Eid in den Reichsprozessordnungen, S. 15.

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das ästhetische Empfinden widerwärtig«133 – das Auflegen der rechten Hand auf die linke Brust einzuführen. Denn die erhobene rechte Hand wurde letztlich als Symbol männlicher Kampfkraft gedeutet: »Bedeutungsvoll, als Zeichen, daß es der dreieinige Gott und seine Vollkommenheit ist, denen der Christ dienen will, ist das hinzutretende weitere Symbol der aufgerichteten drei Schwurfinger […]. In der Gesamterscheinung des mit erhobener Rechter schwörenden Mannes tritt Jedem, der Zeichen lesen kann, als das Ganze beherrschend das Bild des kampfbereiten Mannes in die Augen.« Die Frau jedoch stehe für »Dulden«, für das »standhafte […] Ertragen des ihr Beschiedenen mit der oft wunderbaren Kraft ihres Herzens. Mit ihrem Herzen dient die Frau, nicht mit der Kraft ihres Armes. Darum ist das Auflegen der Hand aufs Herz das allein richtige Zeichen ihres Dienstes.«134 Eine solche geschlechterspezifische Differenzierung konnte sich indes nicht durchsetzen. Spätestens im Kaiserreich wurde die erhobene Rechte, ohne weitere symbolische Elemente und für jeden Schwörenden, zum Sinnbild des Schwurs. Andere symbolische Handlungen  – wie das Niederknien, das Hutauf- oder -absetzen, die regional oder konfessionell verankert waren – waren als Sonderregelungen nur in partikularen Fällen erlaubt.135 Die Tendenz führte eher in Richtung Abschaffung anderer Gesten, so wie auch die Sondergesten im sog. »Judeneid« durch die Einführung einer überkonfessionellen Eidesformel weggefallen waren. Für Max Fischer waren die Konsequenzen einer mangelnden formalen Ausgestaltung der Vereidigung klar: Sie trage zu »mechanischem« Nachreden ohne Verständnis bei und schade damit vor allem der »Heiligkeit« des Eides.136 So ging es Fischer vor allem darum, den Eid als religiöses Ritual zu schützen. Für ihn war ein Eid immer eine »religiöse Formel«, geschworen beim »persönlichen Gott«,137 eine Haltung, die ihn mit einem Großteil der Beamten im Kaiserreich verband. Fischer war jedoch im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen und Mitbürger der Überzeugung, dass »der Eideszwang oder mit anderen Worten der Gebrauch des Eides für staatliche (und bürgerliche) Zwecke in der heutigen Zeit notwendig zum Mißbrauch des Namen Gottes führt […].«138 Dieser Missbrauch ergab sich für Fischer in doppelter Hinsicht: Erstens aus der »massenhaften«, nebensächlichen Anrufung Gottes im Eid, eine Kritik, die bereits seit der Aufklärung weit verbreitet war. Sie war in gewisser Weise die abgemilderte Version der Überzeugung, dass jede Anrufung Gottes im Eid letztlich eine Anmaßung sei, da man sich Gott nicht gefügsam machen könne. Weit über den Missbrauch des Namen Gottes hinaus jedoch ging für Fischer der von Atheisten geleistete Eid. Wer im 133 Ebd., S. 14. 134 Ebd. 135 Hubrich, S. 140. 136 Fischer, Die Abschaffung des Eideszwangs, S. 20. 137 Ebd., S. 5. 138 Ebd., S. 4/5.

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Namen Gottes schwor, ohne an ihn zu glauben, beging »Gotteslästerung«; auch dies eine Haltung, die bereits im frühen 19. Jahrhundert geäußert wurde. Diese Gotteslästerung machte Fischer jedoch nicht seinen atheistischen Zeitgenossen zum Vorwurf: Das Problem war für ihn eine Eidesgesetzgebung, durch die jemand, »der erklärt, nicht an Gott zu glauben, nach dem Gesetz doch gezwungen wird, unter Anrufung Gottes eine Aussage zu machen«.139 Dieses staatliche Vorgehen empfand Fischer als »Gewissensbedrückung, weil ein Mensch, der nicht an Gott glaubt und trotzdem ein gewissenhafter Staatsbürger ist, es als schweres Unrecht empfindet, wenn ihm eine öffentliche Lüge zugemutet wird, wie sie darin liegt, daß er Gott anruft, ohne an sein Dasein zu glauben«.140 In dieser Logik bedeutete der Eid für Fischer »geistigen Terrorismus« und »geistige Folter«141 und das Festhalten am Eid sei eine »schreckliche Verantwortung«, die sich »kaum bloß als Fahrlässigkeit« bezeichnen lasse.142 Diese Verantwortung trug in Fischers Augen vor allem der Staat. Dieser verletzte mit einer gesetzlichen Eidespflicht die Gewissensfreiheit seiner Staatsbürger. Selbst gegenüber der christlichen Mehrheit mache sich der Staat schuldig, indem er zu einem religiösen Ritual zwinge.143 Dieser Anspruch könne jedoch nicht un­ widersprochen hingenommen werden. Der Christ müsse »dem Staat das Recht zu einem solchen Eingriff in die religiöse Sphäre, in das Verhältnis des Menschen zu Gott bestreiten und verweigern.«144 Daher äußerte Fischer Verständnis für alle, die aus »religiösen Bedenken« den Eid verweigerten.«145 Konsequenz aus all diesen Überlegungen war für Fischer die Forderung nach einer Abschaffung des Eides. An Stelle des Eides sollte eine nicht-religiöse Versicherung treten, bei der der Staat seine Staatsbürger »bei dem zu fassen suchte, was in seine Sphäre fällt: bei der Ehrenhaftigkeit, Wahrhaftigkeit und Treue seiner Bürger, die nicht bloß religiöse, sondern auch bürgerliche Pflichten sind.«146 All die genannten Argumente gegen den Eid galten für Fischer insbesondere im Hinblick auf den promissorischen Eid. Hinzu trat für Fischer noch die Tat­ sache, dass ein Versprechen auf ein Verhalten in der Zukunft, wie es der Staat von seinem Beamten fordere, letztlich unmöglich sei. »Wir dürfen uns nicht für die Zukunft binden, denn sie ist Gottes.«147 Des Weiteren zog Fischer auch die praktische Nützlichkeit des Beamteneides in Zweifel. Dazu trage die disziplinarrechtliche Tatsache bei, dass ein Dienstvergehen nicht stärker bestraft werde, wenn die Pflicht vorher beschworen worden sei und ein »Eidbruch« generell 139 Ebd., S. 26. 140 Ebd. 141 Ebd., S. 14 und S. 49 142 Ebd., S. 19. 143 Ebd., S. 20. 144 Ebd., S. 20/21. 145 Ebd., S. 10. 146 Ebd., S. 48/49. 147 Ebd., S. 34.

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keinen disziplinarrechtlicher Tatbestand darstellte.148 Schließlich sprachen für Fischer auch politische Gründe gegen den Eid: Denn letztlich habe noch kein Treueid »Revolution« oder »Staatsstreich« verhindert.149 Der vom Staat mit dem Eid verfolgte Zweck der Loyalitätsstiftung und Treuebindung sei in letzter Konsequenz wirkungslos. »Nicht die eidliche Form der Verpflichtung, sondern die – auch ohne den Eid bestehende – Pflicht fällt hier in die Waagschale.«150 Max Fischer kritisierte den promissorischen Eid in seiner kleinen Schrift auf allen Ebenen. Mit seiner Haltung zum Eid stand Fischer innerhalb der Beamtenschaft jedoch weitgehend allein. Hier überwog, auch im mittleren Beamtentum, eine im bürgerlichen Milieu verhältnismäßig geschlossene Weltanschauung, in der Ordnungsvorstellungen von »Treue« und »Ehre« ihr Symbol im Eid fanden. Der Eid wurde in aller Regel freiwillig als systemstabilisierender Referenzpunkt der gesellschaftlichen und politischen Ordnung akzeptiert und konnte daher als Ritual der Gruppenbildung und -abgrenzung dienen. Doch auch über die Beamtenschaft hinaus vertrat Fischer in seiner Position eher eine Mindermeinung. Die Überzeugung, dass der Eid ein christliches Ritual sei, teilte er zwar mit der großen Mehrheit jener, die sich zum Eid äußerten. Daraus jedoch zu folgern, den Eid abzuschaffen, da er sich mit einem modernen Staat nicht vereinbaren ließe, die Gewissensfreiheit der Staatsbürger missachte, die Religion schwäche und ein staatliches Zwangsmittel darstelle, dass letztlich nicht einmal großen Nutzen habe – zu diesem Schluss kam Fischer als einer der wenigen. Seine Schrift zeigt dennoch, dass sich bereits im Kaiserreich eine kritische Position gegenüber dem promissorischen Eid ausbilden konnte, die nicht primär politisch motiviert war. Fischer blieb mit dieser Position eine Einzelstimme, die erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wieder aufgriffen wurde und dann eine stärkere Resonanz erfuhr. In Fischers eigener Gegenwart verhallte seine Kritik am politischen Eid ungehört und blieb ohne Konsequenz.

2.5 Von »eidbrüchigen Juden« und »meineidigen Sozialisten«: Abgrenzung durch den Eid Die vorangehenden Kapitel haben gezeigt, wie sehr der Eid als Argument und Mittel einer politischen (Selbst-)Disziplinierung der Beamten des Kaiserreichs diente und Teil des gruppenspezifischen Selbstverständnisses der Beamtenschaft war. Kehrt man, und das soll im folgenden Teilkapitel geschehen, diesen Blick um, so lässt sich die gruppendefinierende Funktion, die dem Eid zukam, auch in der »Gegenrichtung« ausmachen, und zwar nicht nur bezogen auf den Beamteneid und die Beamtenschaft. Denn der bisher am Beispiel der Beamten 148 Ebd., S. 36. 149 Thudichum, S. 35. 150 Fischer, S. 35.

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geschilderte Normenkosmos von »Treue« und »Ehre«, der sich im Eid manifestierte, hatte über diese spezifische Gruppe hinaus auch für die Mehrheitsgesellschaft des Kaiserreichs identitätsstiftende Funktion. Diese identitätsstiftende Funktion wirkte gruppenbildend; im Umkehrschluss bedeutete der Ausschluss vom Eid, der diskursive Vorwurf fehlender »Eideswürdigkeit« oder aber der »Meineidigkeit« auch den Ausschluss aus der Gruppe. Auf diese Weise wurden bestimmte Teilgruppen der Gesellschaft des Kaiserreichs gezielt außerhalb der Mehrheitsgesellschaft gestellt. Politisch betrachtet standen hierbei an erster Stelle die Sozialdemokraten, denen gegenüber der Vorwurf der »Meineidigkeit« ein zentrales Diskurselement des politischen Establishments war. Es stellte gewissermaßen das Spiegelbild jener Versuche dar, Beamte durch den Verweis auf den geleisteten Eid gegenüber sozialdemokratischen »Umtrieben« zu immunisieren und dadurch zu disziplinieren. Doch auch gegenüber anderen Minderheiten wurde der Eid als Ausgrenzungsmotiv genutzt, nicht zuletzt gegenüber Juden. Gerade in Bezug auf den »Judeneid« wird neben dem promissorischen Treueid auch der assertorische Eid miteinzubeziehen sein. Denn bei der Frage, ob eine gesellschaftliche Gruppe »eideswürdig« oder »meineidig« sei, verschwamm die diskursive Grenze zwischen den verschiedenen Eidesformen. Seine Erklärung findet dies in der Tatsache, dass für das zentrale Argument der Gruppenbildung durch den Eid und seine ideologische Nutzung zur politischen Disziplinierung die Unterscheidung zwischen »Versprechens-« und »Wahrheitseid« zweitrangig sein konnte. Ein geleisteter Schwur zeichnete nach Vorstellung der Zeitgenossen den Eidgeber auf unterschiedlichen Ebenen als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft des Kaiserreichs aus; der Bruch dieses »Treueides« (in Bezug auf den promissorischen Eid) oder der »Meineid« (in Bezug auf den assertorischen Eid) waren daher strukturell von ähnlicher Konsequenz: sie bedeuteten den Ehrverlust. Denn im Zentrum stand die Vertrauenswürdigkeit – oder eben die »Ehre« –, die die Gesellschaft des Kaiserreichs mit der Eideswürdigkeit verband. Zweifel zu streuen an der Eidestreue, in welcher Form auch immer, war daher ein ideales argumentatives Muster zur Ausgrenzung und Diffamierung. 2.5.1 Vom »Judeneid« Die christliche Skepsis gegenüber einem von Juden geschworenen Eid reichte freilich Jahrhunderte zurück.151 Bereits seit dem 1. Jahrhundert nach Christus mussten Juden zur Wahrheitsfindung vor Gericht einen speziellen »Judeneid« leisten. Im Mittelalter war die Formel dieses »Judeneides« dreigeteilt und bestand aus einer Unschuldsbeteuerung, der Anrufung Gottes und als drittem Teil einer »Selbstverfluchung bei Meineid«.152 Gerade diese Selbstverfluchungen wa151 Vgl. die Literatur zum Judeneid in der Moderne in Auswahl: Vormbaum, Der Judeneid; Cordes. 152 Siehe, auch zum folgenden: Cordes, S. 13.

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ren lang, ausführlich und herabwürdigend. Hinzu kamen erniedrigende Praktiken, wie etwa das Beispiel des Sachsenspiegels aus dem 13. Jahrhundert zeigt, nach dem der eidleistende Jude auf einer Sauhaut oder einem Schaffell stehen musste. Die Geschichte dieses Rechtsmittels reicht bis weit in die Moderne hinein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Judeneid in den meisten deutschen Ländern abgeschafft. In Preußen fand der Judeneid erst mit dem Gesetz vom 15. März 1869 sein Ende.153 Die Abschaffung dieses diskriminierenden Rituals führte allerdings nicht dazu, dass die Frage der Vertrauenswürdigkeit jüdischer Eide nicht mehr im Raume gestanden hätte. Der sich seit den 1880er Jahren im Kaiserreich organisatorisch formierende, sich politisch radikalisierende und zunehmend rassisch konnotierte Antisemitismus erhob gegenüber den jüdischen Bevölkerungsteilen immer wieder den Vorwurf fehlender Eidestreue.154 Impliziert wurde damit die Behauptung, mit der fehlenden Eidestreue ginge auch die Treuelosigkeit gegenüber der nationalen – christlichen – Gesellschaft einher. Unter dem Topos vom »Judeneid« wurden diese Stereotype in der antisemitischen Literatur des Kaiserreichs ausführlich diskutiert. Im Folgenden werden Beispiele für eine solche Argumentationsstrategie, die die gemeinschaftsstiftende Funktion des Eides im Umkehrschluss als Ausgrenzungsmerkmal nutzte, angeführt. Das erste, eine Publikation aus der Feder Hermann Ahlwardts, erschien 1890 unter dem Titel »Der Eid eines Juden«.155 Geboren 1846, spielte Ahlwardt eine zentrale Rolle in der Frühphase der Formierung des politischen Antisemitismus im Kaiserreich.156 Ahlwardt gehörte in die Fraktion der »Radauantisemiten« und versuchte, durch hemmungslose Demagogie, haltlose Anklagen und Skandal-Prozesse mit unhaltbaren Vorwürfen politische Wirkung zu erzeugen. Ursprünglich Lehrer, aber wegen Unterschlagung aus dem Dienst entlassen, konzentrierte sich Ahlwardt auf die Publikation antisemitischer Texte. Vor allem im Osten des Reichs war er damit auch in weiteren Bevölkerungskreisen erfolgreich und im Herbst 1892 errang er ein Reichstagsmandat des Wahlkreises Brandenburg für die Antisemiten. Der »Eid eines Juden« bildete in gewisser Weise den Auftakt von Ahlwardts politischer Karriere, da die Schrift ihm, noch vor seiner Wahl in den Reichstag Aufmerksamkeit auch außerhalb des radikalen Antisemitismus verschaffte.157 In der Schrift ging es um den Bankier Gerson Bleichröder, dem Ahlwardt Ehebruch, Bestechung, und, vor allem in unserem Zusammenhang von Interesse, Meineid vorwarf. Die Affäre, die Ahlwardt aufgriff, schwelte schon seit Jahrzehnten und Bleichröder hatte darin nicht immer eine gute Figur abgegeben. In Ahlwardts Schrift jedoch »wurden Mutmaßungen und Geschichten vom Hören153 Art. More Judaico. 154 Zum Forschungsstand der Geschichte des Antisemitismus vgl.: Gräfe; Pulzer. 155 Ahlwardt, Der Eid eines Juden. 156 Zu Ahlwardt: Mai; Gondermann. 157 Zumbini, S. 304.

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sagen zu harten Tatsachen; das Ergebnis war eine scheinbar authentische Story von Unzucht, Eidbrüchigkeit und Korruption, was zusammen einen perfekten antisemitischen Bestseller ergab.«158 Ahlwardt beschuldigte Bleichröder, im Verfahren um vermeintlich versprochene Versorgungszahlungen an eine Geliebte wissentlich einen falschen Eid geschworen zu haben, und stellte vor allem eine rhetorische Frage ins Zentrum seines Textes: »Ist das Halten eines gegebenen Versprechens für einen Juden keine Verpflichtung?«159 Das Pamphlet hatte eine enorme öffentliche Wirkung. Ahlwardt wurde wegen Verleumdung zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten verurteilt.160 Natürlich gab es auch kritische Stimmen und vor allem jüdische Publizisten und Autoren reagierten auf die Vorwürfe, indem sie versuchten, die impliziten Vorwürfe an »das« Judentum als Propaganda zu entlarven. So veröffentlichte der im »Verein zur Abwehr des Antisemitismus« tätige Schriftsteller Ludwig Jacobowski, entschiedener Vertreter der Assimilations-These, einen »Offenen Brief eines Juden auf Herrn Ahlwardts ›Der Eid eines Juden‹«.161 Dass Ahlwardt den Vorwurf der Meineidigkeit implizit auf das Judentum als solches bezog, empörte Jacobowski: »Was würden Sie dazu sagen, der Sie den Meineid irgendeines Juden mit Recht verdammen […], was würden Sie dazu sagen, wenn ich daraufhin erklärte, alle Christen seien des Meineids verdächtig?«162 Doch solche Einwände blieben weitgehend erfolglos. Fritz Stern ist darin zuzustimmen, dass die Affäre um Gerson Bleichröder den Antisemiten der Zeit die Möglichkeit zu einem Rundumschlag bot, gegen den kaum anzukommen war. Die Person Bleichröders passte »zu allen Klischeevorstellungen der Antisemiten vom Juden«.163 Der Vorwurf der leichtfertigen Meineidigkeit aus rassischer »Minderwertigkeit« war ein stereotypes Argument im antisemitischen Fundus. Im Norm- und Moralverständnis weiter gesellschaftlicher Schichten des Kaiserreichs, weit über die begrenzte Gruppe der fanatischen Antisemiten hinaus, traf der Vorwurf, eidbrüchig zu sein, mehr als nur einen strafrechtlichen Zusammenhang. Er ermöglichte es, dem Zerrbild »des« Juden die Charaktereigenschaft der Untreue als rassisch vorgegeben zuzufügen.164 Ahlwardt reagierte auf Jacobowskis offenen Brief mit einer direkten Antwort, die von weiteren, sogar noch deutlicheren schamlosen antisemitischen Ausfällen nur so strotzte. Im Zentrum stand die Behauptung, dass »Untreue, Verrat, Betrug, Meineid« als »die unerhörtesten Verbrechen«, die »Mitglieder Ihres Stammes […] Nichtjuden gegenüber« begehen, nur die »heiligsten Gebote 158 Vgl. die ausführliche Schilderung bei Stern, Gold und Eisen, S. 645–656, hier S. 651. 159 Ahlwardt, Der Eid eines Juden, S. 15. Vgl. einen ähnlich gelagerten Fall: N. N., Der gerichtlich festgestellte Meineid eines jüdischen Millionärs. 160 Jahr, S. 161–186. Hartston. 161 Jacobowski. Zu Jacobowskis Engagement im »Verein zur Abwehr des Antisemitismus« vgl.: Zeiß-Horbach, v. a. S. 223–225. 162 Jacobowski, S. 18. 163 Stern, Gold und Eisen, S. 644. 164 Ahlwardt, Jüdische Taktik, S. 10.

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Ihrer Religion« erfüllten.165 Dieses Argumentationsmuster, nach dem der Eidbruch im jüdischen Glauben theologisch begründet, ja nachgerade gefordert sei, wurde in der Folgezeit pseudo-»wissenschaftlich« fundiert. Ähnlich wie der Antisemitismus als Ganzes verwissenschaftlichte sich auch der Vorwurf des eidbrüchigen Juden um 1900 zunehmend. Neben die Rede vom »Juden«, der durch seine »Rassezugehörigkeit« und seine daraus folgende vermeintliche charakterliche »Deformation« keinen Respekt vor der Heiligkeit des Eides habe, trat nun der Versuch, den Vorwürfen auch durch theologische Argumente an Gewicht zu verleihen: Im Zentrum stand hierbei das sogenannte Kol-Nidre-Gebet, das am Vorabend des Versöhnungsfestes gesprochen wird und das Gläubigen die Möglichkeit bietet, persönliche Verpflichtungen gegenüber Gott, die unüberlegt oder unrealistisch eingegangen wurden, aufzulösen.166 Eide oder Versprechen, die einem Dritten geleistet wurden, können durch das Gebet nicht aufgehoben werden. Genau dies aber behauptete die antisemitische Propaganda, für die das Kol-Nidre-Gebet ein beliebter Angriffspunkt war. Immer wieder betonten jüdische Autoren, dass das Kol-Nidre-Gebet sich keinesfalls auf allgemeine Schwüre und Versprechen gegenüber Dritten beziehe, sondern allein auf Gelübde gegenüber Gott.167 Doch war mit solchen Einwänden, die auf subtilere Argumente als die antisemitischen Rundumschlagskeulen setzten, gegen das schlagkräftige Argument der erlaubten Meineidigkeit im Judentum nur schwer anzukommen. Das jahrhundertealte Vorurteil hielt sich auch im Kaiserreich hartnäckig und man muss wohl davon ausgehen, dass selbst in Kreisen, die dem Radauantisemitismus kritisch gegenüberstanden, Skepsis gegenüber der Vertrauenswürdigkeit von Juden bestand, die den Boden bereitete, auf dem das Vorurteil des »jüdischen Meineids« gedeihen konnte.168 In dieser Diskussion weitet sich das oben beschriebene Beispiel des Falles Bleichröder ins Grundsätzliche aus. Nun stand nicht mehr nur der Meineid vor Gericht im Mittelpunkt der antisemitischen Anklagen, sondern auch jeder andere Eid, auch der Treueid, den jüdische Beamten und Soldaten zu leisten hatten. Das Argument des nicht vertrauenswürdigen, meineidigen Juden hatte Konsequenzen auch für die rechtliche Stellung der Juden innerhalb der deutschen Gesellschaft. Obwohl Juden seit 1869 in Preußen und danach im Reich die vollen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte besaßen und damit zumindest von Seiten der Legislative auch in beruflicher Hinsicht Gleichberechtigung herrschte, ließ die Verwaltungspraxis im Reich und in vielen Ländern genug Spielraum, um die Diskriminierung fortzusetzen.169 Nach dem Ende der liberalen Ära und mit der konservativen Wende 1878/79 nahm eine »antisemi165 Ebd. 166 Vgl. Eintrag Kolnidre. 167 Z. B.: N. N., Der Werth des jüdischen Eides. 168 Vgl. etwa: Hellwig, A., Jüdischer Meineidsaberglaube; Hellwig, J., Jüdischer Meineidsaberglaube; Schütze; N. N., Jüdische Eide. 169 Vgl. hierzu: Hamburger, S. 32–40, hier S. 32.

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tische Verwaltungspraxis« Gestalt an, die verhinderte, dass Juden in höherer Zahl etwa in der Reichsverwaltung, dem Auswärtigen Amt oder der preußischen Staatsverwaltung Zugang fanden. Unter Wilhelm II. verstärkte sich diese Tendenz.170 So blieben Juden von der allgemeinen Staatsverwaltung im Kaiserreich weitestgehend ausgeschlossen. Die 1,93 Prozent höherer jüdischer Beamte, die sich 1907 in den amtlichen Statistiken finden, waren vor allem im technischen Dienst, wie Bau- und Eisenbahn-, Forst- oder Medizinalverwaltungen sowie bei der Reichspost tätig, also weniger in Bereichen der staatlichen Hoheitsverwaltung.171 Auch unter den mittleren und unteren Beamten finden sich 1907 unter 167.000 Reichsbeamten nur 589 Juden.172 Das spezifische Beispiel jüdischer Beamter im Justizdienst zeigt, wie die antisemitischen Argumente aller staatsbürgerlichen Gleichberechtigung zum Trotz als Hemmschwelle dienten. Im Durchschnitt waren etwa in Preußen zwischen 1871 und 1918 zwischen 3 Prozent und 4 Prozent der Richter Juden, wenn auch nicht in höheren Positionen und an höheren Gerichten.173 Dieser relativ »hohe« Prozentsatz erklärt sich nicht zuletzt mit der Tatsache, dass in der »Hierarchie« der Wertigkeit des Beamtenstatus der Justizdienst und das Richteramt nicht nur in der Bezahlung hinter den Verwaltungsbeamten rangierten.174 In Folge kam es immer wieder zu Vorwürfen, die Justiz werde mit Juden »überschwemmt«.175 Die Agitation gegen die »Verjudung des deutschen Rechtslebens« argumentierte, es sei »vom nationalen Standpunkt aus bedenklich, wenn ein Jude im Namen des Königs Recht sprechen« dürfe.176 Auch die Vorstellung, dass ein Jude einem Christen einen Eid abnehmen könne, erfüllte Antisemiten  – aber auch viele Konservative – mit Schrecken. Hier zeigt sich, dass die von der Paulskirche vorgenommene monotheistische Vereinheitlichung der Eidesformel in der Realität doch eine christliche Formel blieb. »So wahr mir Gott helfe« blieb bezogen auf den christlichen Gott, der jüdische Gott fand darin keinen Platz: »Wem immer an der Heiligkeit des Eides etwas gelegen ist, der wird über diesen Gedanken nicht gleichgültig hinweggehen können. Es ist sicherlich etwas Ungehöriges, […] Beleidigendes, wenn ein Jude, der den Gekreuzigten für ganz etwas anderes hält, als den Erlöser der Menschheit, vor dem Crucifixe einem Christen den Eid abnimmt.«177 Neben den Vorwurf, dass Juden es aufgrund ihrer charakterlichen, »rassischen« und religiösen Prägung mit dem Eid der Treue als Beamte nicht ernst meinen könnten, traten hier religiös motivierte Vorurteile hinsichtlich des Schutzes des »heiligen Sakramentes« des Eides vor »jüdischer Beschmutzung«. 170 Ebd., S. 38 f. 171 Ebd., S. 63. 172 Ebd., S. 64. 173 Ebd., S. 44. 174 Ebd., S. 4. 175 Strenge, S. 234. 176 Ebd., S. 233. 177 Decker, S. 3. Vgl. auch die Flugblätter, die 1878 durch Antisemiten in Schlesien verteilt wurden: Blaschke, S. 171.

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Beide Argumentationsstränge wurden untergründig genutzt, um die Aufnahme von Juden in den Beamtenstand, wenn möglich, zu unterbinden. Die Tatsache, dass die Anzahl jüdischer Beamter (vor allem im höheren Dienst) und jüdischer Offiziere im Kaiserreich extrem gering war, erklärt sich natürlich nicht nur durch den Vorwurf des eidbrüchigen Juden. Doch unterfütterte ein solcher Vorwurf die strukturellen Ungerechtigkeiten argumentativ und bestärkte das Misstrauen. Der »Judeneid« stellte aus Sicht der Antisemiten ein hervorragendes Beispiel dar, um ältere religiöse antisemitische Argumente zu verknüpfen mit »moderneren« rassischen Konzepten. Vor der rechtlichen Gleichstellung der Juden hatte die spezifische diskriminierende Form des »Judeneides« die Skepsis der christlichen Gesellschaft gegenüber der Teilnahme von Mitgliedern anderer Religionen am – im eigenen Verständnis – christlichen Ritual des Eides ausgedrückt: Wer nicht Mitglied der christlichen Gemeinde war, der hatte auch keinen Zugang zur »Heiligkeit« eines Eides, geschworen vor Gott. Mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden und der Abschaffung einer spezifisch jüdischen Eidesformel, sowie der Schaffung überkonfessioneller Vereidigungsformeln mit dem schlichten Zusatz »so wahr mir Gott helfe«, fiel diese Distinktion fort. Vor allem aber in christlich geprägten, eher konservativ orientierten Bevölkerungsschichten blieb die Skepsis gegenüber Juden, die einen – im eigenen Verständnis – christlichen Eid leisteten, hoch. Hier konnte antisemitische Propaganda mehr oder weniger latente religiöse Vorbehalte aktivieren. Die Verknüpfung dieser Vorbehalte mit dem rassischen Argument der »charakterlichen Deformation« der Juden, die Untreue und Meineidigkeit in ihrem »Wesen« vereinten, verstärkte diesen religiösen Antisemitismus. Der »gewissenlose« Jude, der jedes Versprechen leisten konnte, ohne sich innerlich daran gebunden fühlen zu müssen, bildete so das komplette Gegenteil dessen, was sich christlich geprägte, weitgehend konservative Gesellschaftsschichten des Kaiserreichs unter dem »treuen Deutschen« vorstellten, der mit dem Eid der Treue und der Wahrheit sein Gewissen und seine gesamte Person vor Gott band. Dennoch muss man abschließend betonen, dass die Forderung, »die Juden« aufgrund ihrer vermeintlichen »Treulosigkeit« vollständig aus der Gemeinschaft der Deutschen auszuschließen, doch Argument einer Minderheit blieb. Untergründig verstärkte es zwar die strukturellen Ungerechtigkeiten, die jüdischen Deutschen den Weg in zahlreiche Berufszweige – unter anderem das Beamtentum – erschwerten, doch offen geäußert war es nicht mehrheitsfähig. So bekam etwa der oben erwähnte Friedrich Everling Probleme mit seiner juristischen Fakultät, als er in seiner Dissertation sinngemäß schrieb, »daß ein Jude zum Beamteneid nicht zugelassen werden dürfe, weil er ihn doch nicht halten würde.« Offenbar hat die Fakultät die Arbeit mehrfach zurückgewiesen, »damit er jene Ansicht fallen lasse und seine Arbeit ändere«.178 178 Präsident des königlichen Landgerichts an den Herrn  Kammergerichtspräsidenten in Berlin, betr. den Referendar Everling, 10.6.1914, in: BArch R 3002/PA 211, Bd. 4.

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2.5.2 Wenn »Treue und Glauben nicht mehr Boden finden«:179 Der Vorwurf sozialdemokratischer »Meineidigkeit« Die Disziplinierungsrhetorik, mit der durch den Verweis auf den geleisteten Diensteid »sozialdemokratischen Tendenzen« in der Beamtenschaft vorgebaut werden sollte, fand ihr Spiegelbild im Motiv der »meineidigen« Sozialdemokratie. Sozialdemokraten wurde die vermeintliche »Unwürdigkeit« oder »Unfähig­keit« zum Schwur und zur Treue und die gewissenlose Inkaufnahme des »Meineides« im Interesse der Partei unterstellt. Auf diese Weise entstand ein »umfassendes« Charakterbild »des« Sozialdemokraten, das mit Hilfe des »Meineid«Vorwurfs gezeichnet wurde und das klar politisch motiviert war. Damit diente der Eid ganz ähnlich wie im Falle des »Judeneides« als ausgrenzendes Merkmal gegenüber einer (in diesem Fall: politischen) Minderheit. Der Vorwurf des »Meineides« diente der Diskriminierung des politischen Gegners, und zwar weit über die Geltung der Sozialistengesetze hinaus. Konsequenterweise hatten Sozialdemokraten im Kaiserreich keine Möglichkeit, in den Staatsdienst einzutreten, auch nach Aufhebung der Sozialistengesetze nicht.180 Erst im Verlauf des Ersten Weltkriegs sollte dieser Vorwurf im Zeichen des »Burgfriedens« abklingen, parallel zu der langsam wachsenden Bereitschaft, Sozialdemokraten im unteren und mittleren Beamtentum zu dulden.181 Im höheren Dienst blieben Sozialdemokraten hingegen auch weiterhin und bis zur Revolution von 1918 ausgeschlossen. Ausgelöst oder zumindest verstärkt wurde dieser Diskurs über den sozial­ demokratischen »Meineid« in aller Regel durch Prozesse, in denen Sozialdemokraten wegen Meineids verurteilt wurden, meist als »Nebeneffekt« des eigentlichen Verfahrens.182 Hier wurden Aussagen von Zeugen aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Sozialdemokratie verworfen und die sozialdemokratischen Zeugen aufgrund einer Verletzung der »Meineidsparagrafen« 153 und 161 des Reichsstrafgesetzbuches zu zum Teil langen Haftstrafen (bis zu zehn Jahren) verurteilt. Außerdem war der »Meineid« eine der wenigen Straftaten, die im Kaiserreich noch mit sogenannten »entehrenden« Strafen, also dem Verlust bürgerlicher Ehrenrechte wie etwa dem Wahlrecht, belegt wurde.183 1892 erschien eine Publikation unter dem Titel »Meineid und Sozialdemokratie«, welche die Diskussion zusammenfasste, dabei klar motiviert von dem Bemühen, die vermeintliche »Meineidigkeit« der Sozialdemokratie nachzuweisen. Diese Schrift – nur eine unter vielen, die sich des »sozialdemokratischen Meineids« annahmen – 179 Anonym, Meineid und Sozialdemokratie, S. 19. 180 Wunder, S. 92. 181 Fenske, Die Verwaltung im Ersten Weltkrieg, S. 897. 182 So hatten etwa der »Essener Meineidsprozess« von 1895 oder ein Meineidsprozess in Hamburg 1892 katalysatorische Funktion für die Debatte. Vgl. zum Essener Meineidsprozess: Der Essener Meineidsprozess; Mehring, Der Essener Meineidsprozess; Lütgenau. Vgl. auch: Wilhelm, Das Deutsche Kaiserreich und seine Justiz, S. 372; Fricke. 183 Ortmann, S. 202.

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steht exemplarisch für jenen Diskurs, der den Eid zum Anlass nahm, um daran dem politischen und weltanschaulichen Gegner weitergehende Charaktermerkmale wie politische Unzuverlässigkeit und generelle Verdorbenheit zuzuschreiben. Der anonyme Autor beschrieb in aller Ausführlichkeit die vor allem in den 1880 und 1890er Jahren an Fahrt gewinnende Diskussion.184 Der Autor verzichtete darauf, den Atheismus im sozialistischen Weltbild ins Zentrum seiner Argumentation zu stellen, obwohl es seiner Meinung nach ein leichtes wäre, die »Mißachtung des Eides« als notwendige Konsequenz der »Gottfeindlichkeit und Religionslosigkeit der Sozialdemokratie« zu erklären.185 Doch betonte er ausdrücklich, dass er sich auf dieses Argument nicht stützen wolle, vor allem, um sozialdemokratischen Gegenargumenten vorzugreifen und »den Herren keinen Anlass zu geben, […] sich hinter abgenutzten Einwänden zu verkriechen«. Dies bezog sich auf die Aussage des badischen Landtagsabgeordneten (und späteren Reichstagsabgeordneten) August Dreesbach, der im »Hamburger Echo« im Juli 1892 erklärt hatte: »Wenn auch die religiöse Form des Eides für uns nicht für bindend erachtet werden kann, so ist doch der Eid seinem Wesen und seinen Folgen nach für die Sozialdemokratie gleichbedeutend wie für jeden anderen Staatsbürger und fühlen wir uns durch unser abgegebenes Manneswort, wenn uns auch die aufgezwungene Form widerstrebt, selbstverständlich gebunden.«186 Der anonyme Autor war demgegenüber überzeugt, dass es sich bei jedem von Sozialdemokraten abgegebenen »Manneswort« um nichts »als eine hohle Phrase, eine Unwahrheit« handele.187 Dies nachzuweisen, machte er sich zur Aufgabe, und zwar nicht, wie der Autor ausdrücklich betont, um Sozialdemokraten von der Schandhaftigkeit ihres Tuns zu überzeugen; diese würden ohnehin nur »abstreiten, leugnen«. Sie setzten auf »das kurze Gedächtnis der meisten Zeitungsleser«. Vielmehr richtete sich die Schrift an jene Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft, die die Sozialdemokraten von jeher als politischen und weltanschaulichen Gegner begriffen. Mittels Aneinanderreihung von Zitaten aus unterschiedlichen sozialdemokratischen Organen, vor allem dem »Sozialdemokraten«, sollte an den Quellen des »Gegners« unwiderlegbar bewiesen werden, dass es Sozialdemokraten erlaubt sei, im Interesse der Partei einen wissentlichen Meineid zu leisten. Dies bezog sich auf Situationen vor Gericht, in denen Sozialdemokraten unter Eid die Unwahrheit sagten, um einen angeklagten Parteifreund mit einer Aussage zu entlasten. »Die Lüge ist […] ihr [der Sozialdemokraten, d. Vf.] erlaubtes Kampfmittel, der Meineid eine gebräuchliche Waffe.«188 Es trieb den Autor die Sorge um die Grundfesten der deutschen Gesellschaft: »[…] Wohin 184 Der Autor gab an, immer direkt aus sozialdemokratischen Zeitungen zu zitieren, um »den Herren Genossen den Einwand der ungenauen Wiedergabe der Quellen abzuschneiden«, ein in der Publizistik des Kaiserreiches durchaus verbreitetes Vorgehen. 185 Anonym, Meineid und Sozialdemokratie, S. 29. 186 Ebd., S. 29. 187 Ebd., S. 30. 188 Ebd., S. 93.

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soll es führen, wenn eine wüste Agitation im Stande ist, jedes sittliche Gefühl soweit herabzudrücken, daß der Eid, diese Grundbasis der Aufrechterhaltung der menschlichen Ordnung nichts mehr gilt! Schlimmer als der Mord, der sich immer nur gegen eine einzelne Person richtet, ist es der Meineid, der jedes für das Zusammenleben einer menschlichen Gesellschaft gebotene Fundament untergräbt. Der politisch Meineidige steht unseres Erachtens nicht eine Stufe höher als der politische Mörder.«189 Der Angriff auf die Sozialdemokratie mittels des Argumentes der Meineidigkeit bezog sich damit auf die Grundfesten der politischen und gesellschaftlichen Ordnung. Denn wer Wahrheit und Treue nicht achte, der untergrabe »die Grundsätze jeder Moral und sittlichen Weltordnung«.190 Zentrales Motiv in diesem Weltbild, dies ist bereits angeklungen, war die »Ehre«. So sprach auch der Autor von »Meineid und Sozialdemokratie« Sozialdemokraten aufgrund ihre »Neigung« zum Meineid die Ehre ab. Wer den Eid brach, verlor die Ehre, dieses Denken entsprach dem bürgerlichen »Wertehimmel«: Wie für die Beamtenschaft sowohl individuelle Ehre als auch Berufsehre über den Eid vermittelt, sichtbar gemacht und individuell bestärkt wurden und jener daher integrierend wirkte, so wurde die fehlende Ehre »der anderen« hier zu einem Ausgrenzungsmerkmal. Dies galt selbstredend nicht nur strafrechtlich mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sondern bedeutete gesellschaftlich den Verlust beziehungsweise die Nichterreichbarkeit der bürgerlichen Ehre schlechthin. Der Autor konzentrierte sich dabei weniger auf die Ausbreitung der eigenen mit dem Eid verbundenen Ehrvorstellungen – diese standen jedem seiner Leser vor Augen –, sondern er kontrastierte diese »Mehrheitsehre« mit einem vermeintlichen Ehrkonzept der Sozialisten. So zitiert er den »Sozialdemokraten« vom 23. November 1889, wo es hieß, dass jemand, der im Interesse der Partei wissentlich einen Meineid leiste, zwar strafbar handele, jedoch gerade seine Ehre bewahre.191 Die Kluft zwischen der in bürgerlichen Schichten mit dem Eid verknüpften Ehrvorstellung und jenen Sätzen könnte kaum größer sein. Entsprechend ließ der Autor von »Meineid und Sozialdemokratie« sich oft genug auch gar nicht auf eine weitere inhaltliche Argumentation ein, sondern beschränkte sich auf Sätze wie: »Schamlos, kann man nur sagen!«192 Ohne Zweifel wurde der Eid in dieser Diskussion genutzt, um ein politisches Argument – die Ausgrenzung der Sozialdemokraten aus der Mehrheitsgesellschaft – zu stärken.193 Die Absicht, die damit verbunden war, war eine ähnliche wie im Falle des »Judeneides«: Es ging darum, einer bestimmten Gruppe, in diesem Fall der Arbeiterbewegung, die »Treue« und die damit die Ehrhaftigkeit 189 Ebd., S. 9 (hier zitiert der Autor die Berliner Staatsbürger-Zeitung Nr. 122 vom 28.5.1887). 190 Ebd., S. 16. 191 Ebd., S. 39. 192 Ebd., S. 59. 193 Hier gliedert sich die Diskussion um den Eid ein in die Herrschaftstechnik der unter anderem von Hans Ulrich Wehler skizzierten »negativen Integration« und der Diskreditierung von Minderheiten als »Reichsfeinde«. Vgl.: Wehler, Kaiserreich, S. 96 f.

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abzusprechen. Der Verweis auf den Eid diente, die Gruppe politisch und öffentlich zu marginalisieren und zu bekämpfen. Das war angesichts der zunehmenden Stärke der Arbeiterbewegung und der SPD kein Randthema. Gerade im Deutschen Reichstag finden sich die geschilderten Argumentationsmuster zum sozialdemokratischen »Meineid« daher häufig.194 Beispielhaft seien hier die Redebeiträge des nationalliberalen Abgeordneten Wilhelm Kulemann genannt. Er machte es sich gleich in mehreren Reichstagssitzungen zur Aufgabe, »nachzuweisen«, dass es mit der »Achtung vor dem Eide« in der Sozialdemokratie »doch recht schlecht bestellt sein müsse«.195 Auch er zitierte ausführlich aus sozialdemokratischen Medien; dabei setzte er sich mit dem sozialdemokratischen Argument auseinander, ein Meineid sei berechtigt, wenn er geleistet würde, »um einen Parteigenossen zu schützen«. Kulemann warf den Sozialdemokraten daraufhin vor, aus »schnöder Furcht vor dem Gefängnis« lieber einen Meineid zu leisten als die Aussage vor Gericht zu verweigern, und damit »die Grundsätze jeder Moral und sittlichen Weltordnung [zu] untergraben.«196 Ganz klar argumentiert Kulemann hier mit den bürgerlichen Wertvorstellungen der »Ehre«: Wer nicht für moralische Prinzipien eintrete und dafür persönliche Nachteile in Kauf nahm, dem fehlte es nach Kulemanns Auffassung an Ehre. Einen Meineid zu leisten, um nicht ins Gefängnis gehen zu müssen, sei »feige« und unehrenhaft. Doch nicht nur die »Ehre« sprachen bürgerliche Redner den Sozialdemokraten mithilfe des Argumentes vom »Meineid« ab. Auch ihre »Treue« wurde über den »Meineid« in Frage gestellt. Eine Reichstagsdebatte im Jahre 1909, bei der es um die Haltung der Sozialdemokratie zum Militär ging, veranschaulicht die Mechanismen der Verunglimpfung von Sozialdemokraten durch vorwiegend konservative Politiker. Karl von Einem, preußischer Kriegsminister und Bevollmächtigter des Bundesrates, sagte im Reichstag: »Meine Herren, eine Betätigung zu Gunsten der Sozialdemokratie durch einen Offizier […] kann und darf nicht stattfinden. Ich will Ihnen auch den Grund sagen, warum sie nicht stattfinden 194 Vgl. in Auswahl folgende Sitzungen, in denen der Vorwurf des sozialdemokratischen Meineids erhoben wurde beziehungsweise sozialdemokratische Abgeordnete auf den Vorwurf reagierten: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 75 (1884), 30.4.1884; Bd. 82 (1884/85), 8.5.1885; Bd. 86 (1885/86), 26.11.1885; Bd. 87 (18885/85), 18.2.1886; Bd. 96 (1887), 10.6.1887; Bd. 105 (1888/89), 10.1.1889; Bd. 106 (1888/89), 23.3.1889; Bd. 111 (1889/90), 4.11.1889 und 6.11.1889; Bd. 112 (1889/90), 22.1.1890, alle http://www.reichstagsprotokolle.de (zuletzt abgerufen am 20.2.2020). 195 Wilhelm Kulemann (NLP), Reichsgerichtsrat in Braunschweig und zwischen 1887 und 1890 Mitglied des Reichstags, äußerte sich in folgenden Sitzungen des Reichstags zur Eides­f rage: 10. Sitzung, 7.11.1889; 49. Sitzung, 22.1.1890; 52. Sitzung, 25.1.1890. In Reaktion darauf: Paul Singer, 49. Sitzung, 22.1.1890, alle http://www.reichstagsprotokolle.de (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). Kulemann setzte sich auch publizistisch mit dem Eid auseinander. Vgl.: Kulemann. 196 Kulemann in der 52. Sitzung des Reichstags, 25.1.1890, S. 1249, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt3_k7_bsb00018662_00625.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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darf: das ist, dass die Sozialdemokratie die Bedeutung des Eides leugnet.«197 Der Vorwurf an die »vaterlandslosen Gesellen«, dass sie aufgrund ihrer politischen Überzeugungen nicht willig seien, der Monarchie des Kaiserreichs die Treue zu halten – Treue in dem ganzen weiten Verständnis der Zeitgenossen – wurde ergänzt durch den Vorwurf, das Ritual des Schwurs nicht ernst zu nehmen. Hier zeigt sich, wie leicht die Debatte über den sozialdemokratischen »Meineid«, die eigentlich vom assertorischen Zeugeneid ausging, auf den promissorischen »Treueid« übertragen werden konnte. Ebenso deutlich wird, dass sich mit der »Meineidigkeit« und der mangelnden »Eidestreue« ein ganzes Bündel an implizierten Vorwürfen verband, die sich den Zeitgenossen sofort und ohne weiteres Nachdenken erschlossen: Erstens seien Sozialdemokraten nicht bereit, dem Eid Bedeutung beizumessen, da sie die christliche Komponente des Rituals nicht ernst nähmen. Zweitens verschlössen sie sich der persönlichen Bindung, die durch den Schwur zwischen Untergebenem und dem Monarchen hergestellt wurde; sie waren eben nicht bereit, sich mit der ganzen Persönlichkeit in den Schwur einzubringen und »treu« bis in den Tod zu sein. Für die Sozialdemokraten sei das Halten eines Schwurs drittens nicht mit der persönlichen Ehre verknüpft, folglich sei auch der Eidbruch leichten Gewissens möglich. Ja, man nahm in konservativen Kreisen sogar an, der Eidbruch durch den sozialdemokratischen Soldaten (oder Beamten) sei bereits in dem Moment der Eidesleistung beschlossene Sache. »Ehre« und »Treue«, beide zentrale Wertvorstellungen des Kaiserreichs, wurden mit dem Vorwurf des »Meineides« in Frage gestellt. Implizit schwang damit auch der Vorwurf des Verrats mit.198 So konnte der Vorwurf des »Meineides« der bürgerlichen Mehrheit diskursiv dazu dienen, Verrat am Vaterland, am Monarchen, an Volk und Nation zu suggerieren. Zwar waren all diese Vorwürfe gegenüber der Sozialdemokratie im Kaiserreich nicht neu und sie gründeten auch nicht nur auf dem Vorwurf der »Meineidigkeit«, doch zeigt sich der Eid hier als ein ideales diskursives Konzept zur Ein- und Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen – in diesem Falle der Sozialdemokratie – in politischer Absicht.

2.6 Einen Eid der Treue schwören? Die Sozialdemokratie zwischen Verratsvorwurf und Pragmatismus Wie aber standen Sozialisten zu einem Ritual, welches als Loyalitätsbekundung gegenüber einem System diente, das man aus sozialistischer Sicht grundsätzlich in Frage stellte und das durch den geschworenen Eid zumindest theoretisch stabilisiert wurde? Wie reagierte man auf Seiten der Sozialdemokratie auf die ge197 Karl von Einem in der 227. Sitzung des Reichstags, 18.3.1909, S. 7575, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt_k12_bsb00002845_00613.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 198 Buschmann, Treue und Verrat.

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schilderten Vorwürfe der »Meineidigkeit«, die die eigene Ehre in Frage stellten? Tatsächlich bezweifelten die Sozialisten die Sinnhaftigkeit sowohl des promissorischen als auch des assertorischen Eides. Neben einer religionskritischen Komponente, die den Eid in einer säkularen Gesellschaft als überkommenes Ritual ansah, entwickelte der Sozialismus auch politische Argumente vor allem gegen den promissorischen Eid, die sich an der Geschlossenheit des weltanschaulichen Systems rund um den Eid vor allem in konservativen Schichten des Kaiserreichs und an seiner herrschafts- und gesellschaftsstabilisierenden Funktion festmachten. Wenn man, wie die Sozialisten, den Eid aus ideologischen Gründen ablehnte, was tat man dann aber, wenn man doch aufgefordert war, ihn zu leisten? Die Frage des Eides erlangte für die Sozialdemokratie zentrale Bedeutung im Prozess der Selbstdefinition und dem Spagat zwischen Abgrenzung und Teilhabe an den prägenden Ordnungsvorstellungen im Kaiserreich. Die Reaktion der sozialdemokratischen Teilöffentlichkeit auf den Vorwurf der »Meineidigkeit« näher zu betrachten, zeigt, in welchem Maße der Vorwurf der Ehrlosigkeit auch jene traf, die explizit nicht zur »Mehrheitskultur« des Kaiserreichs gehören wollten, und wie wenig dieser Vorwurf unerwidert bleiben konnte. Denn die Vorstellung von der Ehre als kulturellem und sozialem Kapital beschränkte sich nicht allein auf die bürgerlichen Schichten des Kaiserreichs. Natürlich war sie im Kern Element der bürgerlichen Werteordnung, doch waren auch Angehörige und Repräsentanten der Arbeiterbewegung nicht frei von einer Annäherung an diese Leitkultur.199 Dies gilt insbesondere bezogen auf den Begriff der »Ehre«, der auch in der Arbeiterbewegung einen hohen Stellenwert hatte. Der Vorwurf der Ehrlosigkeit war daher gegenüber Sozialisten und Sozialdemokraten in gleicher Weise beleidigend wie gegenüber ihren bürgerlichen politischen Gegnern. Tatsächlich zog der »hochgradig emotionalisierbare«200 Vorwurf des Verrats und der Ehrlosigkeit gerade im Reichstag die sofortige Reaktion von Seiten der sozialdemokratischen Abgeordneten, teilweise auch der sozialdemokratischen Presse nach sich. Paul Singer etwa betonte wiederholt im Reichstag, der Vorwurf der »Meineidigkeit« sei nichts als eine »verleumderische Lüge«. »An keiner Stelle und zu keiner Zeit« sei der Meineid etwa im »Sozialdemokraten« »als etwas nicht Ehrenrühriges anerkannt worden«.201 So bat Singer »auf das allerdringlichste darum, nun mit solchem Unfug endlich einmal aufzuhören«.202 Auch den Vorwurf fehlender »Treue« in Bezug auf den promissorischen Eid wiesen 199 Hettling, Bürgerliche Kultur. 200 Buschmann, Treue und Verrat, S. 134. Insgesamt ist das Wortfeld des »Verrats« durch die Geschichtswissenschaft nicht umfassend ausgeleuchtet. Vgl. Boveri. 201 Paul Singer (SPD), seit 1887 im Parteivorstand, in der 17. Sitzung des Reichstags, 10.1.1889, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_k7_bsb00018653_000393.html (zuletzt abgerufen am 20.12.2019). Vgl. auch: Paul Singer in den Sitzungen vom 4.11.1889 und vom 22.1.1890; Wilhelm Hasenclever in der Sitzung vom 10.6.1887, alle http://www.reichstags​ protokolle.de. Zuletzt abgerufen am 20.12.2017. 202 Paul Singer in der 49. Sitzung des Reichstags, 22.1.1890, S. 1165, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt3_k7_bsb00018662_00541.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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die Sozialdemokraten im Reichstag weit von sich. Als Karl von Einem – wie oben beschrieben – die Eidestreue sozialdemokratischer Soldaten in Zweifel gezogen hatte, antwortete Gustav Noske dem Kriegsminister: »Ich frage: Wo nimmt der Herr Kriegsminister den Mut her, Millionen von Sozialdemokraten in solcher Weise zu beleidigen? Ich betone noch einmal: in Bezug auf die Ehrenhaftigkeit der Gesinnung steht ein Sozialdemokrat auch nicht um Haaresbreite hinter dem Herrn Kriegsminister zurück.«203 Einerseits war diese rhetorische Empörung zu begreifen als ein Zeichen einer kulturellen (Teil-)Assimilation der Sozialdemokraten, die sich – aller politischen und sozialen Kritik zum Trotz – eben doch im ordnungspolitischen Horizont ihrer Zeitgenossen bewegten. Denn: »Auch wer den Ehrenkult im Kaiserreich ablehnte, stellte Ehre als Lebensprinzip nicht in Frage.«204 Andererseits war sie natürlich Teil des politischen Spektakels. Gegenüber einer Öffentlichkeit, die geprägt war von »Ehre« und »Treue« als den Fundamentalwerten der bürgerlichen Gesellschaft, fügten sich die Abgeordneten rhetorisch in diese Logik ein. Ganz anders hingegen konnten die Reaktionen auf die bürgerlichen »Meineids«-Vorwürfe aussehen, wenn man sich an die Anhänger der eigenen Partei, die eigene Klientel richtete. Nicht wenige Artikel in sozialdemokratischen Presse­organen versuchten, sich von dem im Eid gebündelten bürgerlichen Ehrkonzept zu distanzieren. Man bemühte sich, so etwas wie eine eigene sozial­ demokratische »Ehre« zu entwickeln. Diese unterschied sich von der bürger­ lichen Konzeption gerade in ihrer Position zum Zeugeneid. Der Meineid wurde hier als in keiner Weise ehrenrührig beschrieben. Vielmehr leitete sich aus dem Eidbruch selbst eine neue Form der Ehre ab: »Wenn jemand um einen Freund, den eine ehrenhafte Handlung auf die Anklagebank gebracht hat, vor langer Gefängnisstrafe und einem Justizmord zu bewahren, ein Zeugnis ablegt, durch welches er sich selbst der Gefahr des Zuchthauses aussetzt [durch einen Meineid, d. Vf.], derselbe wohl eine strafbare, aber keine ehrlose Handlung begeht. Ehrlos kann das nur sein in den Augen eines Menschen, der keinen Sinn für Ehre hat.«205 Auf die Motive des Meineides komme es an: »Waren diese uneigennützige und edle«, so könne der Meineid nicht als entehrend betrachtet werden.206 Und auch der Zusammenhang zwischen Eid und »Treue« wurde innerhalb der sozialistischen Publizistik in einen neuen Fokus gerückt: Nicht der Eidbruch erschien in diesem Kontext als »ehrloser Verrat«, sondern einen Genossen im Stich zu lassen.207 »Wer einen Meineid leistet, um den Genossen vor Strafe zu schützen, bewährt die dem Freund gelobte Treue […]!«208 Selbst jene, die dem bürgerlichen Verständnis vom Zusammenhang zwischen Eid, Ehre und Treue wider203 Gustav Noske (SPD) in der 228. Sitzung des Reichstags, 19.3.1909, S. 7605, http://www.reichs​ tagsprotokolle.de/Blatt_k12_bsb00002845_00643.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 204 Speitkamp, S. 166. 205 Sozialdemokrat, 23.11.1889. 206 Sozialdemokrat, 25.11.1886. 207 Sozialdemokrat, 15.4.1887. 208 Sozialdemokrat, 17.8.1882.

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sprachen, taten dies also in dem Versuch, die eigene Ehre und Treue zu retten beziehungsweise diese in eigenen Ehr- und Treuevorstellungen zu begründen. Natürlich wurde die Auseinandersetzung über den »Meineid« in sozialdemokratischer Perspektive auch politisch interpretiert. Man verstand den Eid hier in aufklärerischer Tradition als geistiges Zwangsmittel, das staatlicherseits gezielt genützt würde, um letztlich politisch motivierte Interessen durchzusetzen: »Der Zeugeneid wird uns gegenüber […] als das infamste Erpressungsmittel benützt. Gleichwie ein Straßenräuber dem Wanderer die Pistole auf die Brust setzt, […] so schwingt jetzt die reactionäre Staatsgewalt über zahlreichen Sozialdemokraten die moralische Keule des Eides, um sie zu zwingen, gegen ihre eigenen Freunde und Genossen auszusagen […]. Darum wird auch jeder vernünftige Arbeiter und Sozialdemokrat den ›Verbrecher‹ [i. e. den Meineidigen, d. Vf.] nach dem verbüßten Zuchthaus in seine Arme schließen, für uns ist der Mann ein Märtyrer, kein Verbrecher!«209 Wir finden also im Umgang mit und in den Reaktionen auf den Vorwurf der »Meineidigkeit« innerhalb der Sozialdemokratie durchaus unterschiedlich Positionen, abhängig davon, ob man sich gegenüber einer breiten Öffentlichkeit oder aber vor den eigenen Parteigenossen äußerte. Einerseits fand sich eine in atheistischer Grundüberzeugung wurzelnde Ablehnung des Eides als einem Ritual der bürgerlichen Welt; anderseits waren die Sozialdemokraten selbst soweit Teil dieser Welt, dass sie ihren Ordnungsvorstellungen von Ehre und Treue zumindest nicht emotionslos gegenüberstanden. Was aber geschah, wenn Sozialdemokraten zur Leistung eines promissorischen Eides, etwa eines Abgeordneteneides, aufgefordert waren, der eben auch ein Treueid gegenüber dem Monarchen und damit eine Anerkennung des politischen Systems darstellte? Die in diesem Zusammenhang auch innerhalb der Sozialdemokratie aufbrechenden Spannungen zeigen die Bedeutung, die diesen Fragen nach politischer Teilhabe und Ausgrenzung zukam: 1879, gerade ein Jahr nach Inkrafttreten des Sozialistengesetzes, als auch innerhalb der Sozialdemokratie noch unklar war, mit welcher Strategie am besten auf die Situation zu reagieren sei, wurde im für die sozialistischen Parteien traditionell stimmstarken Sachsen210 Wilhelm Liebknecht zusammen mit Ludwig Emil Puttrich (und Emil Otto Freytag, der bereits seit 1877 ein Mandat inne hatte) in die zweite Kammer des sächsischen Landtags gewählt.211 Diese Wahl entwickelte Sprengstoff insofern, als dass die Gewählten, um ihr Mandat antreten zu können, einen Eid leisten mussten – im Gegensatz etwa zu den Reichstagsabgeordneten, für die die Reichsverfassung keine Eidesleistung vorsah.212 Die Eidesformel lautete: »Ich schwöre zu Gott, die Staatsverfassung treu zu bewahren und in der Ständeverfassung das unzertrennbare Wohl des Königs und des Vaterlandes nach mei209 Sozialdemokrat, 25.1.1890. 210 Zu den sozialdemokratischen Wahlergebnissen in Sachsen: Retallack, S. 135–152. 211 Zur Vorgeschichte der Wahl vgl. Schröder, Wilhelm Liebknecht, S. 206–222. 212 Steffani, S. 180.

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nem besten Wissen und Gewissen bei meinen Anträgen und Abstimmungen zu beobachten. So wahr mir Gott helfe.«213 Der Eid mag sprachlich weniger stark formuliert gewesen sein als andere Treueide, doch änderte dies nichts an der Tatsache, dass hier führende Sozialdemokraten schwören sollten, das monarchische System Sachsens und seine Verfassung sowie das Wohl des Königs zu bewahren und damit öffentlich ein Bekenntnis zum politischen System abzulegen.214 Die Alternative wäre gewesen, den Eid nicht zu leisten und damit vermutlich komplett auf das Mandat zu verzichten, oder zumindest auf das Anwesenheitsund Teilnahmerecht bei den Sitzungen. In einem anderen Fall wiederholte sich bereits seit 1868 das Wechselspiel von Wahl, Eidesverweigerung, Mandats­ niederlegung und Neuwahl: Im preußischen Abgeordnetenhaus verweigerten zwei nordschleswigsche Abgeordnete, Nicolay Ahlmann und Hans Andersen Krüger, hartnäckig den Eid auf den preußischen König und die preußische Verfassung. Die beiden beriefen sich darauf, dass Nordschleswig nach Paragraf 5 des Prager Friedensvertrags von 1866 das Anrecht auf eine Abstimmung über die Staatszugehörigkeit innerhalb einer Frist von sechs Jahren hatte. Dieses Referendum wurde von der Regierung Bismarck erst über die Sechsjahres-Frist hinausgezögert und die Vertragsklausel schließlich 1878 in einem Abkommen mit Österreich aufgehoben. Mit ihrer Eidesverweigerung hatten die Abgeordneten erreichen wollen, die Frage des Referendums im Preußischen Abgeordnetenhaus auf der Tagesordnung zu halten. Die beiden Abgeordneten sahen sich selbst nicht als Preußen; sie weigerten sich, an der Arbeit des Parlaments in Bezug auf preußische Gesetzgebung und andere Fragen teilzunehmen, wollten aber dennoch, »soweit es unsere Kräfte gestatten, den Rechten Nordschleswigs im Preußischen Abgeordnetenhause eine Vertretung« schaffen. Daher beantragten die beiden Abgeordneten, ihnen »unter Suspendierung des Eides den Sitz im Hause der Abgeordneten bewahren zu lassen.«215 Durch die hartnäckige Weigerung der beiden Abgeordneten, den Eid zu leisten, musste geklärt werden, was die Verweigerung des Abgeordneteneides für den betreffenden Abgeordneten bedeutete. Anfangs war man der Überzeugung, dass die Verweigerung des Eides zum Verlust des Mandates führe. Dies wiederum führte zu Neuwahlen, mit dem Ergebnis, dass die beiden eidverweigernden Abgeordneten erneut ein Mandat erlangten. Nachdem sich dieses Spiel mehrfach wiederholte  – zuletzt 1873  – und sich Krüger und Ahlmann nach ihrer Wiederwahl jeweils erneut weigerten, den Eid zu leisten, entwickelte sich im Preußischen Abgeordnetenhaus die Auffassung, dass das Mandat bei Eidesverweigerung nur ruhe. Mittels Änderung der Geschäftsordnung wurde es den Abgeordneten 1876 nicht mehr gestattet, Anträge zu stellen, zu reden oder an Abstimmungen teilzunehmen.216 Bei Ausschluss von allen Aktivitäten des Ab213 Schmidt, Verfassungskultur und Verfassungssoziologie, S. 160 / FN 151. 214 Vgl. allg.: Domann. 215 Erklärung der Abgeordneten Krüger und Ahlmann vom 19.11.1868, S. 50 und S. 54/55. 216 Achterberg, S. 264.

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geordnetenhauses nützte den nordschleswigschen Abgeordneten ihr Druckmittel der Eidesverweigerung politisch nichts mehr, so dass die beiden ihr Mandat niederlegten.217 Wilhelm Liebknecht und die beiden anderen sozialdemokratischen Abgeordneten, die in die sächsische zweite Kammer gewählt worden waren, standen nun 1879 vor der Frage, ob sie den für Sachsen geforderten Eid zu leisten bereit waren. Alle drei entschieden sich, den Eid zu leisten.218 Die Tatsache, in die zweite sächsische Kammer gewählt worden zu sein, die Möglichkeit, hier ein politisches Podium geboten zu bekommen, schätzten alle drei als höheres Gut ein als die ideologische Standhaftigkeit gegenüber dem eigentlich kritisch gesehenen Ritual des politischen Eides. Die Frage, ob Sozialdemokraten als Abgeordnete einen Eid auf das System des Kaiserreichs leisten sollten, führte ins Zentrum der Frage nach dem Verhalten angesichts des »Sozialistengesetzes«. Wie konnten und sollten die Sozialdemokratie und ihre politischen Führer auf die Herausforderungen durch die Gesetzgebung reagieren? Gerade die im Deutschen Reich verbliebenen Politiker mussten hier eine Antwort finden, die einerseits den ideologischen Grundlagen der jungen Partei entsprach, andererseits aber auch ein politisches Wirken unter dem »Sozialistengesetz« weiterhin möglich machte. Das »Schlupfloch«, das das Gesetz bot, indem es Einzelpersonen die Wahl in Parlamente ermöglichte, erschien hier zumindest als eine Möglichkeit, die konkrete politische Arbeit fortzusetzen. Der Eid wirkte an dieser Stelle als Kristallisationspunkt, als ein Ritual, das öffentliche Stellungnahme erforderte. Daher bedeutete er aber nicht nur ein Signal nach außen – an den politischen Gegner – sondern ebenso nach innen. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen um politisch und ideologisch angemessenes Verhalten angesichts der Herausforderung durch das Sozialistengesetz spiegeln sich in der Frage nach der Leistung des Abgeordneteneides. Die Tatsache, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten öffentlich einen Eid geschworen hatten, das Wohl des sächsischen Königs zu schützen und die Verfassung »treu zu bewahren«, wurde von der bürgerlichen Presse in der üb­ lichen rhetorischen Schärfe kommentiert. An dieser Stelle relevanter ist jedoch die Frage, wie die sozialdemokratischen Genossen selbst auf diesen Eid reagierten. Ausgangspunkt der parteiinternen Diskussion war die Bekanntmachung der Eidesleistung im »Sozialdemokraten«, dem damals erst wenige Wochen alten Parteiorgan.219 Damit erfuhren weite Parteikreise von der Vereidigung. Die Kritik am Vorgehen Wilhelm Liebknechts formierte sich rasch und beschrieb die Eidesleistung – mal mehr und mal weniger heftig – als ideologischen 217 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 98. 218 Liebknecht wurde in der zweiten Präliminarsitzung der Zweiten Kammer am 4.11.1879 im sächsischen Landtag vereidigt. Vgl.: Mittheilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtages im Königreich Sachsen 1880, S. 9. 219 N. N., Zur Eröffnung des sächsischen Landtages. Vgl. zur Geschichte des Sozialdemokraten: Bartel.

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Verrat an der Sache der Sozialdemokratie.220 Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung, die sich hauptsächlich in Form von »offenen Briefen« in den verschiedenen Organen der Sozialdemokraten abspielte, entwickelten sich grob drei Positionen: Eine radikale Form der Ablehnung des Eides, eine gemäßigtere und schließlich die Verteidigung der Eidesleistung. Nicht zufällig setzte sich die Gruppe der Verteidiger der Eidesleistung aus Parteiführern zusammen, die im Deutschen Reich verblieben waren und dort angesichts des Sozialistengesetzes eine neue Strategie zu entwickeln hatten, während die Kritiker der Vereidigung ausnahmslos Exilanten waren, die durch die Verfolgungen im Deutschen Reich vertrieben worden waren. Die radikalste Ablehnung des Eides erfolgte durch jene Emigranten, die sich in London um Johann Most und seine »Freiheit« scharten und den Eid als »eine Beschmutzung der Sozialdemokratie« bezeichneten. »Ein solcher Eid darf nicht von Socialdemokraten geschworen werden; denn er sieht einer Abschwörung der Socialdemokratie verdammt ähnlich.«221 Das Verhältnis zwischen Liebknecht und Most war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung um den Verfassungseid bereits gespannt: der Versuch Liebknechts und Bebels, mit dem »Sozial­ demokraten« ein offizielles Parteiorgan zu schaffen, das aus der Schweiz heraus Wirkung ins Deutsche Reich entfalten sollte, stand in direkter Konkurrenz zur in London von Johann Most herausgegebenen »Freiheit«. Most, der als Reichstagsabgeordneter seit 1874 parlamentarische Erfahrung hatte sammeln können, war einer der führenden Köpfe der Sozialdemokratie gewesen. Nach mehreren Gefängnisstrafen war er Ende 1878 ins Exil nach London gegangen. Dort gab er fortan die »Freiheit« heraus, die sich zu einem oppositionellen Blatt innerhalb der Sozialdemokratie entwickelte. Most radikalisierte sich zunehmend und stand vor allem der parlamentarischen Arbeit skeptisch gegenüber.222 Für ihn stand die ideologische Position, die sich mit der Ablehnung des Eides verband, höher als das Gut, dass mit Ableistung des Eides zu erlangen war: Most sah keinen Vorteil darin, das Abgeordnetenmandat zu übernehmen.223 Most bezeichnete die Eidesleistung als Verrat. Damit verstand er den Eid als das, das er für einen Großteil seiner Zeitgenossen war: als ein öffentliches Ritual, mit dem Loyalitäten begründet und Herrschaft gestiftet wurde. Für die deutsche Öffentlichkeit hatte Liebknecht der sächsischen Verfassung und dem sächsischen König Treue geschworen. Und für die Zeitgenossen bedeutete ein solcher Schwur die öffentliche Anerkennung von Herrschaft. Der Vorwurf des 220 Die gesamte Diskussion um den Verfassungseid ist, unter Abdruck der Originalquellen, aufgeführt bei: Langkau, S. 823–838. 221 Vgl.: Freiheit, 22.11.1879. 222 Seine anarchistischen Tendenzen brachten Johann Most, geb. 5.2.1846, gest. 17.3.1906, auch in England ins Gefängnis; Ende 1882 wanderte er in die USA aus. Er arbeitete weiterhin publizistisch und agitatorisch, geriet aber auch hier aufgrund seiner anarchistischen Positionen in Konflikt mit den Behörden. 223 Zur Position Mosts vgl. Schröder, Wilhelm Liebknecht, S. 339/340. Zu Most siehe u. a. auch: Kühn, Johann Most; Becker, Johann Most.

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Verrats stand also von beiden Seiten im Raum: von der bürgerlichen Presse, für die Liebknecht einen Eid geschworen hatte in der Absicht, ihn zu brechen; und von der innerparteilichen Opposition, die ihm vorwarf, mit dem Eid die Sozialdemokratie verraten zu haben. Gegenüber der strikten Position von Johann Moss war die Kritik des ebenfalls im Exil lebenden Carl Hirsch an der Eidesleistung weit weniger heftig und weniger grundsätzlich. Auch Carl Hirsch stand, ähnlich wie Most, in einer tendenziell konflikthaften Konkurrenzsituation zu Liebknecht. Als Herausgeber der »Laterne«, die bis zum Juni 1879 erschienen war, hatte auch er Anspruch auf die Position eines mehr oder weniger offiziellen Parteiorgans erhoben, ebenso wie er von Seiten der Exil-Sozialdemokraten als Redakteur des »Sozialdemokraten« im Gespräch war, was wiederum Liebknecht und Bebel im Deutschen Reich ablehnten. Hirschs Kritik zielte auf mehrere Ebenen ab. Zum ersten glaubte er, die Ableistung des Eides unterstützte eben gerade radikale Richtungen wie die »Freiheit«. Er prophezeite eine »Flut von Protesten«. Zum anderen aber glaubte Hirsch, dass das Sozialistengesetz die Grundkonstellation allen politischen Agierens fundamental verändert habe: »Früher nahmen wir zum Ausgangspunkt und zur Grundlage unserer Propaganda die formelle staatsbürgerliche Rechtsgleichheit […]. Diese, wenn auch rein äußerliche Rechtsgleichheit, war die Voraussetzung und Bedingung, unter welcher wir die bestehenden Gesetze und Institutionen anerkannten, und jede derartige Anerkennung, auch wo sie in irgendeiner Eidesformel ausgesprochen wurde, trug jene Fundamentalbedingung ausdrücklich oder stillschweigend in sich. Das Oktobergesetz hat nun jene Bindung der formellen Rechtsgleichheit zerrissen und bildet deshalb einen prinzipiellen, irreparablen Bruch mit der Vergangenheit.«224 War es vor Erlass des Sozialistengesetzes demnach möglich, einen politischen Eid wie den Abgeordneteneid zu leisten, aufgrund der Tatsache, dass sich alle Parteien – Regierung und Opposition – letztlich im selben Rechtsrahmen bewegten, der oppositionelles Verhalten und damit auch die Möglichkeit zur legalen Veränderung der Verhältnisse ermöglichte, so war diese Grundgegebenheit nach Hirsch mit dem Sozialistengesetz hinfällig. Diese veränderte Grundkonstellation zu benennen und danach zu handeln – »aussprechen, wie es ist« –, das forderte Hirsch von Liebknecht. Hirsch’ Meinung nach entsprach die Ableistung eines politischen Eides dieser Haltung eben gerade nicht. Es ging bei der sozialistischen Kritik um die Eidesleistung nicht um die Frage, dass hier ein »heiliges« Ritual missbraucht wurde, so wie Konservative es sahen. Vielmehr ging es um die Öffentlichkeit des Rituals, um den Eindruck, den ein sozialistischer Parteiführer machte, wenn er dem König und der Verfassung Treue schwor. Dieser Eindruck war es, der für Hirsch und auch Moss angesichts des Sozialistengesetzes nicht tolerierbar war. Wilhelm Liebknecht musste auf die massive Kritik an seiner Eidesleistung aus dem Ausland wohl oder übel reagieren, überließ dies aber Wilhelm Hasenclever 224 Carl Hirsch an Wilhelm Hasenclever, 6.1.1880, in: New Yorker Zeitung, 27.1.1880, abgedruckt in: Langkau, Bd. II, S. 828–834.

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als dem zweiten Chefredakteur des »Sozialdemokraten«.225 Hasenclevers Replik machte deutlich, dass es sich bei der innerparteilichen Kritik an der Eidesleistung nur um eine Mindermeinung handeln könne und bemühte sich, die »offiziöse« Haltung der Partei, beziehungsweise der im Reich verbliebenen Parteiführer, zu verdeutlichen. Hasenclever beschreibt, dass die Eidesleistung nötig gewesen sei, um das Mandat zu übernehmen. Und was bedeute ein solcher Eid schon, wenn er zum »Wohle der Partei« geleistet würde?226 Was das »Wohl der Partei« in diesem Zusammenhang bedeutete, sollte sich für die politische und organisatorische Entwicklung der Sozialdemokratie als zentral erweisen. Abgeordnetenmandate stellten die einzig legale Form der politischen Agitation unter den Auspizien des Sozialistengesetzes dar. Insofern maßen die im Deutschen Reich verbliebenen verantwortlichen Sozialdemokraten der Übernahme solcher Mandate absolute Priorität bei. Die Entwicklung der Doppelstrategie einer »Verschränkung parlamentarischen und außerparlamentarischen Vorgehens«227, wie sie im Verlauf der Auseinandersetzung um das Sozialistengesetz zur offiziellen Strategie der Sozialdemokratie werden sollte, zeichnete sich in der Beurteilung des sächsischen Abgeordneteneides 1879 bereits ab. Die Priorität, die der Mandatsübernahme zugesprochen wurde, stellte alles andere in den Schatten, auch alle Vorbehalte gegenüber der Pflicht, einen politischen Eid zu schwören, der Treue dem monarchischen System und seiner Verfassung verlangte. Hasenclever versuchte gleichzeitig die Forderung zu entkräften, dass Liebknecht »den Eid unter Protest« hätte leisten, ihn also mit einem Zusatz hätte versehen sollen. Diese Position hatte offenbar August Bebel eingenommen, jedenfalls schrieb dieser in einem Brief an Friedrich Engels: »Speziell in der Eidesfrage stehe ich auf einem anderen Standpunkt. Dass der Eid geleistet wurde, war auch meine Ansicht, denn wollte man ihn nicht leisten, so braucht man überhaupt nicht zu wählen, aber ich wollte, daß vor der Eidesleistung erklärt würde, daß man den Eid nur als eine Formalie ansehe, die man erfüllen müsse, weil ohne sie kein Eintritt in die Kammer und keine Ausübung des Mandats möglich sei. Der Eid könne uns in unseren sozialistischen und republikanischen Ansichten nicht irritieren.«228 Eine solche Eidesleistung unter Protest sei laut Hasenclever keine Option gewesen, da sie im Landtag sicherlich nicht akzeptiert worden wäre.229 Hasenclevers Argumente zur Verteidigung der Eidesleistung wirken im Rückblick etwas bemüht, ganz so, als traue man der eigenen Geringschätzung des Eides nicht ganz. Gerade die Tatsache, dass er glaubte, wenn Liebknecht einen 225 Wilhelm Hasenclever, Offener Brief an Carl Hirsch, in: Sozialdemokrat, 21.12.1879, in: ebd., S. 825–828. 226 Wilhelm Hasenclever, Offener Brief an Carl Hirsch, in: Sozialdemokrat, 21.12.1879, abgedruckt in: ebd., S. 825–828, S. 826. Vgl. die Anmerkungen Liebknechts zum Brief Carl Hirsch vom 21.11.1879, in: ebd., S. 214. 227 Klönne, S. 65. 228 August Bebel an Friedrich Engels, Leipzig, 11.12.1879, in: Bebel, S. 676–677. 229 Wilhelm Hasenclever, Offener Brief an Carl Hirsch, in: Sozialdemokrat, 21.12.1879, abgedruckt in: Langkau, S. 825–828, S. 826.

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Eid unter Protest geleistet hätte und dann auf Nachfrage doch zu dem Eid hätte stehen müssen, hätte es sich um eine »Verschärfung und besondere Bekräftigung des Eidschwures« gehandelt, zeigt, dass auch die Sozialdemokraten, trotz ihrer inhaltlichen Kritik am Eid, sich noch nicht vom Bann des Schwurs befreit hatten. Als Zeitgenossen waren auch sie geprägt von einem Weltbild, in dem das Schwören von Treue eine bedeutungsschwere Handlung war, deren Wirkung man sich nicht komplett entziehen konnte. Die Diskussion um den Abgeordneteneid stellt im Rückblick den Kristallisationspunkt dar, »an dem die Auseinandersetzung um Strategie und Taktik unter dem Sozialistengesetz« entbrannte.230 Im parteiinternen Gedächtnis nahm die Vereidigung Liebknechts einen zentralen Platz ein. Immer wieder kamen Genossen darauf zu sprechen. Und auch die Gegner der Sozialisten ließen die Angelegenheit nicht auf sich beruhen.231 Die Auseinandersetzung um den Abgeordneteneid hatte den Sozialdemokraten nicht nur geholfen, eine Taktik im Umgang mit dem Sozialistengesetz zu entwickeln. Vielmehr hatte sich in dieser Debatte auch ihr Verhältnis zum Eid geklärt. Die 1879 noch spürbare Skepsis gegenüber der Frage, ob man einen politischen Eid einfach so für wertlos erklären konnte, wandelte sich im Nachgang dieser Affäre spürbar. Immer mehr schwanden in der Folgezeit die Reste traditioneller Verbundenheit mit dem überkommenen Ritual. Immer deutlicher konnte sich eine kritische Position gegenüber dem Eid in den Reihen der Sozialisten durchsetzen, nachdem deutlich ausgesprochen war, dass der politische Treueid ein lächerliches Ritual sei, dem man keine Bedeutung mehr beimesse. In einer Geschichte der Sozialdemokratie von 1909 etwa hieß es: »Der Treueid, den Liebknecht und Puttrich bei ihrem Eintritt in den sächsischen Landtag leisten mussten, wirbelte einigen Staub in der Partei auf, obgleich er nichts als eine leere Formalität war. […] Doch schlief der Streit sehr schnell ein. Machten die besitzenden Klassen die Erfüllung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten von dem Hersagen einiger schwermütiger Sätze abhängig, so durften sich die arbeitenden Klassen dadurch nicht einen Augenblick beirren lassen […].«232 Die Position der Sozialdemokratie schien klar: Das Schwören eines Eides konnte niemand davon abhalten, ein Mandat zu übernehmen; der Eid war das Symbol eines verhassten Systems, dem man keinerlei Bedeutung und Bindungskraft zusprach. August Bebel etwa formulierte es auf dem Parteitag der Sozialdemokraten 1901 so: »Wir haben im sächsischen Landtag erklärt: Wir leisten den Eid, wir betrachten ihn als leere Form, wir sind Republikaner und werden uns in unserer Abstimmung nicht dadurch gebunden halten. […] Der Verfassungseid ist ein altes Inventarstück aus den dreißiger und vierziger Jahren, den 230 Schröder, Wilhelm Liebknecht, S. 338. 231 So etwa Cathrein, S. 212–213. Auch im sächsischen Landtag kam der Eid immer wieder zur Sprache, vgl. Mittheilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtags im Königreich Sachsen 1892, S. 154. 232 Mehring, Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, S. 170.

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die Regierungen nach der Revolution eingeführt haben, weil sie glaubten, sie sicherten damit in höherem Maße ihre Existenz. […] Wenn heute in einem Staate eine neue Verfassung beschlossen würde, würde niemand mehr einen solchen Eid fordern, weil man weiß, daß er zwecklos und nutzlos ist.«233 Diese Sätze jedoch sollten 18 Jahre später mit einer Wirklichkeit konfrontiert werden, in der es die Sozialdemokraten waren, die eine »Regierung nach der Revolution« stellten. Sie waren es, die »eine neue Verfassung beschlossen«. Trotz der zuvor so eindeutig verkündeten Position, dass der Eid »zwecklos und nutzlos« sei, verzichteten die Sozialdemokraten nach dem Zusammenbruch des monarchischen Systems in Deutschland keineswegs auf den politischen Eid. Nicht anders als zuvor die Regierung des Kaiserreichs glaubten 1919 offenbar auch die Sozialdemokraten, »sie sicherten damit in höherem Maße [die] Existenz« der jungen Republik und vielleicht auch der neu errungenen eigenen Machtposition.

233 August Bebel in der Budgetbewilligungsdebatte am fünften Verhandlungstag des Parteitages der SPD 1901 in Lübeck, in: Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, S. 271.

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3. »Treue der Reichsverfassung«. Der Eid in der Weimarer Republik

3.1 »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«: Der neue Eid Am 28. November 1918 entband Wilhelm II. seine Beamten formal von dem ihm geleisteten Eid und forderte sie auf, den »Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland« zur Seite zu stehen, um Chaos und Revolution im Deutschen Reich zu vermeiden.1 Bereits zwei Wochen zuvor hatte sich Friedrich Ebert mit der gleichlautenden Aufforderung an die Beamten gewandt.2 Tatsächlich stellte sich die alte Beamtenschaft aus Pflichtgefühl – und wohl auch aus materiellen Gründen – zu weiten Teilen in den Dienst der neuen Regierung.3 Der Glaube an einen über der Staatsform stehenden Staat und die Verpflichtung gegenüber diesem Staat wogen schwer. Dabei spielte auch der alte Diensteid eine Rolle. Denn in dem Moment, in dem die persönliche Treuebindung zum Monarchen gekappt war, orientierten sich zahlreiche Beamte an der ja ebenfalls mit dem Eid beschworenen »institutionellen« Treue gegenüber »dem Staat«. Den Staat mithilfe der eigenen Fachkompetenz durch die Erschütterungen der Revolution zu bringen und »Schlimmeres« zu verhindern, war den allermeisten Beamten in den turbulenten Wochen nach dem 9. November 1918 selbstverständlich, trotz aller innerlichen Ressentiments gegenüber der entstehenden Republik.4 Trotz ihres Verbleibs im Staatsdienst war der Bruch für den allergrößten Teil der (höheren) Reichsbeamten fundamental, vor allem in ideologischer Hinsicht. Abgesehen von politischen Zweifeln, die viele Beamte den neuen Regierungsvertretern gegenüber hegten, war den Reichsbeamten mit der Abdankung des Kaisers und der Entlassung aus dem Eid eine Grundlage ihres Dienstverständnisses abhandengekommen. Dass darüber hinaus viele politisch konservativ orientierte Reichsbeamte auch in ihrem Selbstverständnis als Beamte, die dem 1 Reichsanzeiger Nr. 283, 30.11.1918, zitiert nach Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 301. Vgl. auch: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 5, S. 706. Teile einer früheren Fassung dieses Kapitels sind bereits als Aufsatz veröffentlicht worden: Conze, Treue schwören. 2 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 690. 3 Zur Geschichte des Beamtentums in der Weimarer Republik, insbesondere zur Personalkontinuität, vgl. i.A.: Püttner, hier v. a. S. 525–530. Siehe auch: Caplan, Gouvernment without Administration. Zur Personalkontinuität der politischen Beamten in Preußen vgl.: Runge, S. 16–20, S. 222–237. 4 Vgl. die bei Runge, S. 100–109, zusammengetragenen Äußerungen politischer Beamter zu dieser Staatstreue. Vgl. auch: Schenk.

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Monarchen persönlich die Treue geschworen hatten, erschüttert wurden, kam hinzu. Manch ein konservativer Beamter weigerte sich anfangs sogar, die Entbindung vom Eid durch Wilhelm II. zu akzeptieren und fühlte sich weiterhin an diesen Eid gebunden. Dies hätte in letzter Konsequenz den Rückzug aus dem Beamtenverhältnis, zumindest aber aus dem aktiven Beamtendienst, zur Folge haben müssen – wenn es nicht die finanzielle Seite gegeben hätte, auf die auch die »Neue Preußische Zeitung« aufmerksam machte: »Es hat nicht jeder preußische Beamte die Möglichkeit, […] auf den Weiterbezug seiner Gebührnisse keinen Wert zu legen: die meisten haben für eine Familie zu sorgen […].«5 Die Mehrzahl der Beamten im Reich und den Ländern musste angesichts einer unsicheren Zukunftsperspektive im Dienst verbleiben, unabhängig von Gewissensnöten. Dies führte zu einer hohen personellen Kontinuität zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik. Es ist bekannt, dass die Auswechselung einiger Politischer Beamter 1919/1920 am Gesamtbild nichts änderte: Die Beamtenschaft des Kaiserreichs war anfangs die Beamtenschaft der Republik,6 ein Zustand, der aus unterschiedlichen Gründen auch noch für einige Jahre nach 1919 anhalten sollte, zumindest im Bereich der höheren Beamten. Erst nach dem KappPutsch und der Ermordung Rathenaus setzte eine gesteuerte Personalpolitik ein, die eine Demokratisierung der Verwaltung anstrebte. Diese konnte jedoch nur dort und auch nur in Ansätzen erfolgreich sein, wo die Weimarer Koalition regierte.7 Zwar weitete sich auf Dauer die soziale Rekrutierung auch der höheren Beamtenschaft in Richtung untere Mittelschicht aus und verbreiterte daher die Sozialstruktur auch der höheren Beamtenschaft, doch blieb die Selbstrekrutierung der Beamten auch in der Weimarer Republik hoch.8 Hinzu kam, dass sich die Zahl der Beamten gerade im höheren Dienst zwischen 1914 und 1923 kaum erhöhte, was bedeutete, dass der Personalstamm in weiten Teilen erhalten blieb, beziehungsweise bedingt durch die Brüningschen Sparmaßnahmen Anfang der dreißiger Jahre sogar abgebaut wurde.9 All dies verweist darauf, dass in weiten Teilen gerade jene höheren Beamten im Amt blieben, die durch das Standesbewusstsein der Beamten des Kaiserreichs geprägt waren. Damit blieb auch der Anspruch der höheren Beamten erhalten, sowohl »eine gemäß ihres Anspruchs und ihres Amtes gesellschaftlich herausgehobene Statusgruppe zu sein«, als auch an einem überkommenen Beamtenethos festzuhalten, zu dem die beschworene Treue selbstverständlich gehörte. Die sich in der Folgezeit entwickelnden Konflikte um den Verfassungseid sollten in dieser Konstellation ihren Ausgangspunkt finden und zu einem Großteil aus den Reihen der höheren Beamten hervorgehen.

5 Ebd. 6 Vgl. hierzu: Grotkopp. 7 Fenske, Bürokratie in Deutschland, S. 32–35. 8 Wunder, S. 135. 9 Fattmann, S. 33/34; Mommsen, Die Stellung der Beamtenschaft.

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Ende 1918, Anfang 1919 befanden sich die Beamten nach der Entbindung vom Eid durch Wilhelm II. in einem »eidlosen« Zustand, den nicht wenige von ihnen auch als »rechtlosen Zustand« interpretierten, den es möglichst schnell zu beenden galt.10 So wandten sich verschiedene Gruppen und Einzelpersonen an die zuständigen Ministerien, in der Hoffnung, hier nähere Angaben zu einem zukünftigen Treuegelöbnis zu bekommen, mit der Forderung nach einem neuen Eid, oder auch mit Vorschlägen zu »Übergangseiden«.11 Auch aus den Ministerien selbst kamen solche Anregungen, denn hier drängten – abgesehen von den »alten« Beamten – die ersten Neueinstellungen von Beamten.12 Allmählich nahm sich auch die Politik der Forderung aus Beamtenkreisen nach einer Regelung der ungeklärten Eidesfrage an. So schlug etwa der preußische Justizminister Kurt Rosenfeld (SPD) der preußischen Regierung vor, eine vorübergehende Verpflichtung mit folgendem Wortlaut einzuführen: »Ich verpflichte mich, dem Volksstaate Preußens unter Wahrung meiner Überzeugung und Gesinnung freiwillig und aufrichtig im Interesse der Gesamtheit meine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.«13 Hugo Preuß (DDP) griff die Idee auf.14 Auch er sah eine allgemeine Regelung als geboten an, bat jedoch darum, die Arbeit der Verfassunggebenden Nationalversammlung abzuwarten. Als Übergangslösung bot er für die neu einzustellenden Beamten in Preußen und im Reich an: »Bis dahin wird es genügen, wenn die neu angestellten Beamten durch Handschlag an Eidesstatt auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Dienst­ obliegenheiten verpflichtet werden.«15 Damit jedoch war das eigentliche Pro­ blem nicht behoben. Denn obwohl natürlich auch die Frage, wie und in welcher Form die neu einzustellenden Beamten zu vereidigen waren, gelöst werden musste, so waren es doch gerade die alten kaiserlichen Beamten, die bereits »Treue« geschworen hatten, die angesichts des als »rechtlos« erachteten Zustands Abhilfe verlangten. Am 31. Juli 1919 beriet schließlich die Nationalversammlung über die Vereidigung von Beamten und Soldaten. Auf Antrag von Abgeordneten der SPD 10 Obmann des Beamtenausschusses des Reichsamts für Landesaufnahme an das Reichs­ ministerium des Innern, 11.12.1918, BArch R 1501/102354. 11 Siehe etwa: Vertreter aus dem Formularlager des Zentralverbandes der Gemeindebeam­ ten Preußens in Eberswalde an das Reichsministerium des Innern, 29.4.1919, in: BArch R 1501/102354. 12 Z. B. Innenministerium an den Rat der Volksbeauftragten zu Hd. des Herrn Volksbeauf­ tragten Haase, 17.12.1918, in: BArch R 3001/259. 13 Siehe Abschrift des Anschreibens Kurt Rosenfeld an die Preußische Regierung, 28.11.1918, in: BArch R 3001/259. 14 Hugo Preuß, geb. 28.10.1860, gest. 9.10.1925, studierte Rechtswissenschaften und war seit 1906 Professor an der Handelshochschule Berlin. 1918 war er Mitbegründer der DDP, von 1919 bis 1925 Mitglied der Preußischen Landesversammlung und des Preußischen Landtags. Als Staatssekretär im Reichsamt des Innern wurde er 1918 mit dem Entwurf einer Reichsverfassung beauftragt. Zu Hugo Preuß vgl. Lehnert, Genealogie eines modernen Preußen. 15 Hugo Preuß an die Reichsregierung, 9.1.1919, in: BArch R 3001/259.

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und des Zentrums wurde die Vereidigung der Beamten und Soldaten auf die neue Reichsverfassung als Artikel 172a (später Artikel 176 der Weimarer Reichsverfassung) beschlossen, ohne allerdings eine spezifische Eidesformel auszuformulieren. Hugo Preuß, der den Antrag als Vertreter des Reichministeriums des Inneren befürwortete, schilderte im Verlauf der Diskussion, es sei »ihm von verschiedenen Seiten die Frage zu Ohren gekommen«, ob eine Kollision einer verpflichtenden Vereidigung auf die Reichsverfassung mit der verfassungsgemäß zugesicherten Gewissensfreiheit der Beamten zu befürchten sei. Er wies dies jedoch zurück und erklärte: »Diese Vereidigung verpflichtet den Beamten auf die Bestimmungen der Reichsverfassung in Wahrnehmung seines Amts, in seiner amtlichen Tätigkeit; die Bestimmungen über seine staatsbürgerliche Freiheit […] werden davon in keiner Weise eingeschränkt oder berührt.«16 Was in den folgenden Jahren immer wieder diskutiert wurde, war eigentlich schon zu diesem Zeitpunkt geklärt: Die Reichsregierung verband mit dem Eid den Anspruch auf ein »treues« Verhalten im Amt, im Gegensatz zu früher jedoch nicht die »Selbsteinsetzung« der ganzen Person auch im Privaten. Das wirkliche Konfliktpotential der Eidesfrage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, da der Wortlaut der Eidesformel noch nicht veröffentlicht war. Hinter den Kulissen hatte die Reichsregierung bereits im Juni 1919, also vor der eben zitierten Debatte in der Nationalversammlung, die neue Eidesformel diskutiert und dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert eine Formulierung vorgeschlagen.17 Ebert übernahm den Vorschlag ohne Abänderung. Er erließ am 14. August 1919, gleichzeitig mit der neuen Verfassung, die Verordnung über die Vereidigung der öffentlichen Beamten und Soldaten. Ab sofort waren alle Beamten des Reichs nach folgendem Wortlaut zu vereidigen: »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten.«18 Auch für die Landesbeamten sollte der Zusatz »Treue der Reichsverfassung« in die jeweiligen Diensteide aufgenommen werden. Die Verpflichtung zur Eidesleistung galt für alle: die bereits im Dienst stehenden Beamten, die den »alten« Eid des Kaiserreichs geleistet hatten, und die neu einzustellenden Beamten. Konsequenz war, dass alle Beamten des Reichs und der Länder 1919 neu vereidigt werden mussten. Offenbar kam ein Verzicht auf das Mittel der Vereidigung für die Reichsregierung grundsätzlich nicht in Frage. War im Kaiserreich gerade von der Linken immer wieder eine Abschaffung des Eides gefordert worden, so war davon keine Rede mehr. In auffälliger Verkehrung der Verhältnisse war es nun die 16 Protokoll der 71. Sitzung der Verfassunggebenden Nationalversammlung, 31.7.1919, S. 2192, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_wv_bsb00000013_00067.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 17 Protokoll der Reichsregierung, Weimar 23.6.1919, BArch 1501/102354. Leider handelt es sich bei diesem Protokoll nur um ein Ergebnisprotokoll. 18 Verordnung über die Vereidigung der öffentlichen Beamten vom 14.8.1919, Rgbl. 1419, Art. 1, zitiert nach: Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4, Nr. 165.

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neue Regierung, die dem Eid einen so wichtigen Platz im Gefüge der Herrschaft zusprach, dass er als unersetzlich für die Stabilisierung der politischen Verhältnisse, zur Legitimation der eigenen Macht sowie zur politischen Disziplinierung betrachtet wurde. Nun formulierte man für die Reichsbeamten einen Eid, der in seiner sprachlichen Wucht weit über alle anderen Eide hinausging, die die Weimarer Nationalversammlung für andere Treu- und Diensteide fand. Anders als die Beamten musste beispielsweise der Reichspräsident nicht »Treue der Verfassung« schwören: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reiches wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.«19 Die Formulierung »Treue der Reichsverfassung« weckte durch die Aufnahme des Wortes »Treue« Asso­ ziationen zum Treue-Verständnis des Kaiserreichs, für das Treue immer eine Beziehung zwischen Personen bedeutete. Diese Treue nun rein sprachlich an eine umstrittene Verfassung zu knüpfen, bot absehbar Konfliktstoff. Bei keiner anderen Eidesformel in der Weimarer Republik wiederholte sich diese Formulierung. Eine zentrale Rolle bei der Entscheidung zur Wiedereinführung des Eides und zur Neuvereidigung aller Beamten spielte sicherlich die Relevanz des Eides im Kaiserreich innerhalb des Beamtentums und des Militärs, aber auch in der Öffentlichkeit. Gerade diese machte einen Verzicht auf eine Neuvereidigung nach dem Umbruch unmöglich. Wenn die Reichsregierung sich der Loyalität auch der »alten« kaiserlichen Beamten und Soldaten versichern wollte, musste die Macht des alten Eides durch eine neue Bindung des Gewissens überlagert werden. Hätte die neue Regierung diesen Anspruch nicht erhoben, so hätte sie in den Augen der allermeisten Beamten und weiten Teilen der Öffentlichkeit auf das entscheidende Ritual der Selbstbindung der Beamten verzichtet. Und nicht zuletzt herrschte auch ein gewisses Misstrauen in den Teilen der »Weimarer Koalition« gegenüber der alten Beamtenschaft; dem wurde das Vertrauen auf die Bindungskraft des neuen Verfassungseides entgegengesetzt. Das Beharren auf dem Eid stand in einer Spannung zu der Tatsache, dass gerade die Sozialdemokraten in den Jahren und Jahrzehnten vor dem Ende des Ersten Weltkriegs den Eid als »Vergewaltigung« des Gewissens gebrandmarkt hatten. Angesichts der Tatsache, dass man sich 1918/19 für den promissorischen Eid als Mittel der Herrschaftssicherung entschieden hatte, versuchte die SPD zumindest in einem anderen Bereich ihre früheren Positionen in eine Änderung der Eidespraxis umzusetzen: Durch die Abschaffung des religiösen Pflicht-Eides 19 Vgl. die Diskussion um die Ausgestaltung der Eidesformel für den Reichspräsidenten in: Protokoll der 47. Sitzung der Verfassunggebenden Nationalversammlung, 5.7.1919, http:// www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_wv_bsb00000011_00588.html und der 63. Sitzung, 22.7.1919, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_wv_bsb00000012_00347.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). Vgl. auch: Kurtze, S. 69–82, S. 87–93, S. 102–106. Hierzu auch: Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S.130–141.

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sollte der alten Kritik an dem religiösen »Zwangsmittel« entsprochen werden.20 Im Gegensatz zum Kaiserreich, als die SPD mit dieser Kritik politisch weitgehend alleine gestanden hatte, geschahen diese Neuregelungen nach 1918 in Übereinstimmung mit den unterschiedlichen politischen Lagern. Dies lässt sich nicht zuletzt mit der lebhaften Diskussion über die religiöse Eidesformel im Kaiserreich erklären, die weit über die Politik hinaus gereicht hatte. Vor diesem Hintergrund lief die Abschaffung der religiösen Eidesformel in der Weimarer Republik mehr oder weniger »geräuschlos« ab.21 Diese Abschaffung geschah in drei Abstufungen. Dabei bezog sich die schwächste Variante ausgerechnet auf den assertorischen Eid, welcher der Wahrheitsfindung vor Gericht diente – auf jenen Eid also, an dem sich die Kritik an der religiösen Eidesformel seit Jahrzehnten primär festgemacht hatte. Denn in Gerichtsverfahren blieb weiterhin der religiöse Eid vorgeschrieben, vor allem, weil die bestehende Prozessordnung diese Eidesformel regelte und diese 1919 nicht in aller Eile zu ändern war. Hier schuf Artikel 169a der Weimarer Reichsverfassung eine Übergangslösung, die die Verwendung einer nicht-religiösen Eidesformel gestattete. Den Mittelweg im Hinblick auf die Abschaffung der religiösen Eidesformel gingen die Vertreter der Verfassunggebenden Nationalversammlung beim Eid des Reichspräsidenten. Dessen Formel wurde auf die schlichte Form »Ich schwöre« festgelegt. Allerdings sah die Verfassung ausdrücklich die Möglichkeit zur Beifügung einer religiösen Beteuerungsformel vor. Die ausgeprägteste Form des säkularen Eides schließlich stellte die Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. August 1919 über die Vereidigung der Beamten und Soldaten dar. Hier wurde der Text der Eidesformel ausschließlich mit einer nicht-religiösen Formel festgelegt. Auf eine Möglichkeit, einen religiösen Zusatz beizufügen, verwies die Verordnung nicht. Zwar mag eine solche religiöse Beteuerung in der Praxis von Beamten gesprochen worden sein, vom Gesetzgeber vorgesehen war sie jedoch nicht. Indem die Weimarer Republik die religiöse Eidesformel abschaffte, kappte sie eine jahrhundertealte Bindung des Eides an die Religion, die Verbindung des Schwurs mit dem Glauben. Das »Sakrament der Herrschaft«22 wurde entsakralisiert. Der Verzicht auf die religiöse Eidesformel stellte daher einen radikalen Bruch dar. Erstmals in der Geschichte des Eides seit seiner christlichen Prägung im frühen Mittelalter war es nun möglich, einen Eid ohne religiöse Versicherung 20 Ihren Bezugspunkt hatte die Abschaffung der religiösen Eidesformel in der Weimarer Reichsverfassung Art. 136, Abs. 4, wo es hieß: »Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.« Vgl.: Weimarer Reichsverfassung, zitiert nach: http:// www.documentarchiv.de/wr/wrv.html#DRITTER_ABSCHNITT02 (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 21 Weichlein, Religion und politischer Eid, S. 410. 22 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft.

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zu schwören. Hatte sich im Kaiserreich eine überkonfessionelle Eides­formel durchgesetzt, so trug man nun der Säkularisierung und Individualisierung Rechnung. Damit hatte sich der Eid formal endgültig von den vormodernen Wurzeln abgekoppelt. Indem gleichzeitig die religiöse Eidesformel als Option erhalten blieb, standen nun zwei Eidesformen gleichberechtigt nebeneinander, die zuvor als nicht vereinbar gegolten hätten: Der »klassische« Eid in religiöser Bindung und so etwas wie ein »bürgerlicher« Eid. Auch wenn mit der Einführung der nicht-religiösen Eidesformel ein Schritt gemacht war, der die Entwicklungen der vorangegangenen Jahrzehnte spätestens seit der Paulskirche an einen Endpunkt führte, so war aus »eidestheoretischer« Sicht die Entscheidung für das Nebeneinander von religiöser und nicht-religiöser Eidesformel doch problematisch. Sie trug jedenfalls nicht zu Klarheit bei. Zum vollständigen Verzicht auf den Eid zugunsten einer rein bürgerlichen Versprechensform – der ja in der Umbruchsituation der Jahre 1918/1919 durchaus eine Option gewesen wäre – war man nicht bereit. Daher ging es einerseits darum, durch die »Verweltlichung des Eides« jenen entgegenzukommen, die die religiöse Bindung des Eides ablehnten. Andererseits aber wollte man auf die »Beibehaltung und Verstärkung des Eides als Ausdruck einer staatsbürgerlichen Religion«, die primär der Systemstabilisierung und Herrschaftssicherung dienen sollte, nicht verzichten.23 Auch wenn 1919 unter den politischen Parteien über diese Säkularisierung der Eidesformel weitgehend Einigkeit herrschte, bedeutete die Neuformulierung des Eides ohne religiösen Zusatz doch vor allem für die »alten« Beamten des Kaiserreichs einen gravierenden Einschnitt. Der Eid war im Kaiserreich nicht nur mit religiöser Formel geleistet, sondern im Verständnis der weltanschaulich konservativ und königstreu orientierten Beamten auch religiös verstanden worden. Die gefühlte Verankerung des Eides im Religiösen war für diese Beamten auch nach dem Systemwechsel entsprechend hoch anzusetzen. Daher war die Zustimmung zum religionslosen Eid in den Reihen dieser höheren Beamten nicht sehr hoch, wie das Beispiel einer Besprechung im Reichsjustizministerium im Juni 1919 deutlich macht. Das Ministerium hatte Vertreter unterschiedlicher Ministerien eingeladen, um den Vorschlag des – zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgetretenen – Justizministers Otto Landsberg (SPD) zu diskutieren, »dass grundsätzlich der bürgerliche Eid einzuführen und nur der freiwillige Zusatz einer religiösen Eidesformel zuzulassen sei.«24 Bei den geladenen Vertretern handelte es sich jeweils um höhere Beamte des Reichsarbeitsministeriums, des Preußischen Justizministeriums, des Preußischen Kriegsministeriums, des Preußischen Ministeriums für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung und des Preußischen Ministeriums des Inneren. Es war kein Minister anwesend, also sprachen hier nicht politische Vertreter, sondern ausschließlich Angehörige der Verwaltung. Aus ihren Reaktionen auf den

23 Ebd., S. 416. 24 Aufzeichnung der Besprechung vom 24.6.1919, BArch R 3901/20509.

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Vorschlag des Reichsjustizministers sprechen die Vorbehalte der traditionellen Beamtenschaft gegenüber einer säkularen Entwicklung. Als die Vertreter des Preußischen Justizministeriums sich dafür aussprachen, »den religiösen Eid grundsätzlich beizubehalten«, erhielten sie dafür die Zustimmung aller Vertreter der übrigen Ministerien. »Denjenigen, die einen religiösen Eid mit ihrer Überzeugung nicht vereinigen könnten«, solle »die Möglichkeit des Gebrauchens der bürgerlichen Eidesformel« gestattet werden. Selbst die Vertreter des Reichsjustizministeriums, deren Minister sich den Verzicht auf die religiöse Eidesformel auf die Fahnen geschrieben hatte, äußerten Bedenken, »dass es schwer sein werde, eine bürgerliche Formel zu finden, in der die kirchenfremde Bevölkerung einen genügenden Antrieb […] erblicken werde.« Allgemeiner Tenor der Besprechung war die Überzeugung, dass »jeder Versuch, die religiöse Eidesformel grundsätzlich zu beseitigen, in den kirchlich gesinnten Kreisen eine äußerst miss­liche und politisch bedenkliche Haltung äußern werde.« Eine Entscheidung über den bürgerlichen Eid wurde bei dieser Besprechung nicht getroffen, vielmehr mussten die Vertreter der Ministerien die Stellungnahmen ihrer Minister einholen – und der politische Wille in dieser Angelegenheit lief den Positionen der Beamten entgegen. Ausgerechnet der Beamteneid erhielt also die am stärksten säkularisierte Formulierung. Nimmt man die Auslegungsprobleme, die sich mit der Eidesformel (»Treue der Reichsverfassung«) ergaben, hinzu, so war gerade für jene Gruppe, die relativ homogen konservativen Wertemustern verhaftet war und die in weiten Teilen mit dem Systemwechsel haderte, der zu leistende Eid radikal verändert. Auf die »Heiligkeit des Eides« zu verzichten, dem Eid seine religiöse Bindung zu nehmen, war für viele Beamte mit ihrem konservativen Werte­horizont undenkbar. Dies trug zu einer grundsätzlichen Entwertung des Eides der Republik bei. Konservativ-monarchisch gesinnte Beamte konnten einer bürgerlichen Eidesformel daher auch nur in ironischer Art und Weise etwas Positives abgewinnen: Dann nämlich, so schrieb der Oberpräsident der preußischen Provinz Sachsen, Rudolf von Schulenburg, wenn man gezwungen wäre, einen Eid auf die Weimarer Reichsverfassung zu leisten, dem man innerlich mit Vorbehalt begegne. Einen solchen Eid ohne religiöse Formel zu leisten, könne dann vielleicht helfen, das »Gewissen […] zu beschwichtigen«.25

3.2 Widerstand gegen den Verfassungseid Bereits wenige Tage nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. August 1919 zeigte sich, dass die Formulierung des Verfassungseides zu Konflikten führen würde. Theodor Lewald, Unterstaatssekretär im Reichsministerium des 25 Schulenburg, Kann von einem preußischen Staatsbeamten die Ableistung des Eides gefordert werden.

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Innern und DVP-Mitglied,26 wandte sich an Reichsinnenminister Eduard David (SPD), nachdem eine Reihe höherer Beamter erklärt hatte, Bedenken gegenüber der Formulierung »Treue der Verfassung« zu haben. »Treue sei nach ihrer Auffassung eine höchst persönliche Beziehung zwischen zwei Personen.«27 Diese Beamten würden es ablehnen, den Eid zu leisten, wenn »mit dem Ausdruck ›Treue der Reichsverfassung‹ ein eidliches Bekenntnis zur republikanischen Staatsform verlangt werde«.28 Lewald, der seit 1891 als Beamter im Innenministerium tätig war (und damit einer der dienstältesten Beamten im Reich), fügte hinzu, dass es sich um »den Eid sehr ernst auffassende […] Männer« handele. Er fragte, ob nicht eine Änderung der Formulierung in Betracht gezogen werden könne. Etwas indigniert schloss er seinen Brief mit dem Hinweis: »Ich weiß nicht, wo die Verordnung ausgearbeitet ist, würde es aber für richtig gehalten haben, wenn hierüber mit einer Reihe älterer und erfahrener Beamter zuvor Rücksprache genommen wäre.«29 Das Kabinett lehnte jedoch jegliche Änderungen an der Eidesformel und auch Ausführungsbestimmungen ab.30 Ob man die Brisanz des Lewaldschen Einwandes nicht erkannte, oder ob man aus inhaltlichen Gründen nicht auf die Einwände der älteren Beamten eingehen wollte, muss offenbleiben. Vielleicht hofften die verantwortlichen Politiker im Kabinett auch, es hier mit singulärem Protest zu tun zu haben. Dass dies jedoch nicht der Fall war, wird deutlich an den zahlreichen Nachfragen mit der Bitte um Ausführungsbestimmungen zum Verfassungseid, die sich aus den Ländern an das Reichsinnenministerium richteten. So fragte etwa das Ministerium des Innern aus Oldenburg in Berlin nach, »welche Auffassung im Reichsministerium des Innern über den Inhalt und Umfang der durch die Beamten zu übernehmenden Verpflichtung vertreten wird. Wird durch den Eid von den Beamten nur die Verpflichtung übernommen, bei Ausübung der Dienste die Reichsverfassung genau zu beobachten oder schließt der Eid die Verpflichtung in sich, dass die Beamten außerhalb des Dienstes 1. für die Reichsverfassung einzutreten und 2. Bestrebungen auf Änderung der Reichsverfassung entgegenzuwirken und 3. sich selbst Äußerungen und der Teilnahme an Bestrebungen, die auf Änderung der Reichsverfassung abzielen,

26 Theodor Lewald, geb. 18.8.1860, gest. 15.4.1947, war im »Dritten Reich« als Sportfunktionär tätig und organisierte die Olympischen Spiele 1936 mit. Vgl. Krüger, Theodor Lewald, hier vor allem S. 21–28. 27 Unterstaatssekretär Lewald an Reichsinnenminister David, 19.8.1919, BArch R 1501/102354, Bl. 68–70. 28 Unterstaatssekretär Lewald an Reichsinnenminister David, 20.8.1919, BArch R 1501/102354, Bl. 72–73. 29 Ebd. Vgl. auch: Unterstaatssekretär Lewald an Reichsinnenminister David, 21.8.1919, BArch R 1501/102354. 30 Vgl. Reichsinnenminister David an Unterstaatssekretär Lewald, 20.8.1919, BArch R 1501/​ 102354., Bl. 71–72 und Reichsinnenminister David an Unterstaatssekretär Lewald, 22.8.1919, BA R 1501/102354., Bl. 27.

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zu enthalten haben?«31 Der Beamtenausschuss des Reichsfinanzministeriums beschloss für die Vereidigung in seinem Ministerium, dass all diejenigen »Beamten, die […] Gewissensbedenken hegen«, vor der Leistung des Eides eine Erklärung abgeben sollten, dass sie sich nur im Sinne einer Beobachtung der Verfassung im Amt an den Eid gebunden fühlten.32 Die Reichsregierung versuchte durch Einzelmaßnahmen auf die Kritik zu reagieren. So antwortete man nach Oldenburg: »Der Eid […] lässt die Freiheit der politischen Gesinnung unberührt, damit [ist] Bewegungsfreiheit in parteipolitischen Angelegenheiten gesichert.«33 Die Erlassung von Ausführungs­ bestimmungen zum Verfassungseid lehnte das Kabinett jedoch weiterhin ab.34 Gleichzeitig versuchte man nachzuvollziehen, ob in den Ländern die Neu­ vereidigungen bereits stattgefunden hatten.35 Anfangs betrachtete man die auf­tretenden Probleme offenbar als rein verwaltungstechnische Angelegenheit. Die Frage, wie man angesichts der veränderten Herrschaftsverhältnisse, angesichts des Systemwechsel nun politische Loyalität definierte, wie »alte« Loyalitäten aufbrechen und sich neue bilden konnten, entwickelte indes politische Sprengkraft. Im Konflikt um den Eid, der nun »nur« noch einem »Stück Papier« und nicht mehr einer Person gelten sollte, spiegelten sich diese Fragen exemplarisch – eine Tatsache, die die Reichsregierung im Sommer 1919 offenbar unterschätzte. Denn der politische Widerstand gegen den Verfassungseid formierte sich zügig. Allen voran schritt die DNVP, die immerhin auch den größten Teil der höheren Beamtenschaft politisch vertrat.36 Für ihre Mitglieder und Wähler, die sich in der Regel einem konservativen Wertekanon verbunden sahen, war einerseits die Frage nach der »Treue« ideologisch tatsächlich von großer Bedeutung. Andererseits hatte die Parteispitze offenbar ein Gespür für ein Thema, mit dem man die Regierung nun, kurz nach der Verkündung der Weimarer Reichsverfas-

31 Vgl. Ministerium des Innern, Oldenburg, an das Reichsministerium des Innern, 22.8.1919, BArch  R 1501/102354. In der Folgezeit folgten ähnlich Anfragen bzgl. Ausführungsbestimmungen, z. B.: Telegramm des Badischen Staatsministeriums an das Reichsministerium des Innern, 6.9.1919, BArch R 1501/102354; Die Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten (Bremen), an den Reichsminister des Inneren, 6.10.1919; Der Präsident des Staatsministeriums an den Reichsminister des Inneren, 5.10.1919; Der Landesdirektor (Arolson) an das Reichsministerium des Inneren, 19.9.1919, alle: BArch R 1501/ 102354. 32 Sitzung des Beamtenausschusses des Finanzministeriums, 15./16.9.1919, HStAM, Bestand 150, Nr. 1578. 33 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Reichsinnenministeriums vom 8.9.1919, BArch R 1501/102354. 34 Vgl.: Der Reichsminister des Inneren an das Badische Ministerium des Auswärtigen, 25.9.1919, BArch R 1501/102354. 35 Der Reichsminister des Inneren an die Regierungen der deutschen Länder, 11.9.1919, BArch R 1501/102354. 36 Luttenberger, S. 140

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sung, in Bedrängnis bringen konnte. Bereits Anfang September veröffentlichte der Beamtenausschuss der DNVP ein Kommuniqué mit der Kernaussage: »Diese Eidesformel ist widersinnig.«37 Der Text beschrieb es als Unmöglichkeit, »einer Urkunde ›Treue‹ zu schwören«. Man vermutete daher, der Eid solle dazu dienen, die Beamten zu einem Bekenntnis zur »gegenwärtige[n] durch die Verfassung festgesetzte[n] Staatsform zu zwingen«, was die verfassungsgemäß garantierte Gewissensfreiheit verletze. Die deutschnationalen Beamten erklärten sich nur zur Eidesleistung bereit, wenn die Reichsregierung klarstelle, dass nur die »gewissenhafte Beobachtung« der Verfassung verlangt werde; gleichzeitig behielt man sich das Recht vor, »im Rahmen der durch die Verfassung gegebenen Möglichkeiten« auf eine Veränderung der Staatsform hinzuarbeiten. Die Reichsregierung versuchte dem Vorgehen der DNVP durch Nichtbeachtung die Bedeutung zu nehmen. Man reagierte nur mit einer knappen, inoffiziellen Presse-Meldung:38 Der Beamtenausschuss der DNVP erwarte »wohl selbst nicht, dass sich die Regierung auf eine philologische Diskussion über die Bedeutung des Wortes ›Treue‹ mit ihm einlassen werde. Der Sinn der Eidesformel ist klar für jeden, der sie verstehen will und ihr nicht innerlich widerstrebt.«39 Eines jedoch machte man hier klar: »Beamte, die sich weigern sollten, den Eid in der vorgeschriebenen Form zu leisten, würden dadurch selbstverständlich ihr Verbleiben im Dienste der deutschen Republik unmöglich machen.« Dass es Beamte gab, die sich weigerten den Eid zu leisten, zeigte sich bald. Von großer öffentlicher Relevanz war dabei der Fall Friedrich Everlings, jenes Juristen, der sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg in seiner Doktorarbeit mit dem politischen Eid beschäftigt hatte. Im April 1919 war er in den Vorbereitungsdienst für den Höheren Dienst des Auswärtigen Amts eingetreten und hatte den Eid auf die Reichsverfassung zu leisten. Am 22. September 1919 weigerte er sich, dies zu tun, und begründete diese Verweigerung in einer schriftlichen Eingabe.40 Darin erklärte er, dass er zur Ableistung der »gegenwärtigen missdeutbaren Eides­formel« nur bereit sei, wenn ihm »vorbehaltlich der Freiheit meiner Überzeugung und gesetzmäßigen politischen Betätigung« ein Zusatz zum Eid gestattet werde. Wegen dieser Weigerung wurde Everling am 30. September 1919 aus dem Vorbereitungsdienst entlassen. Auch wenn Everling nicht verbeamtet war, und somit gegen ihn kein Disziplinarverfahren angestrebt werden musste, um die Dienstentlassung zu errei-

37 Kommuniqué des Beamtenausschusses der DNVP im Reich und in Preußen, 4.9.1919, BArch R 1501/102354, Bl. 24/25. Hier auch die folgenden Zitate. 38 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Reichsinnenministeriums vom 8.9.1919, in: BArch 1501/102354, Bl. 34. Innenminister Eduard David (SPD) bezeichnete das Kommuniqué des Beamtenausschusses der DNVP als »inhaltlich ungehörig«. 39 N. N., Der Treu-Eid der Beamten; ähnlich auch: N. N., Reich und Bundesstaaten. 40 Auswärtiges Amt an den Reichsminister des Innern, 18.12.1919, BArch 1501/102354, Bl. 129. Siehe auch: Friedrich Everling an den Reichsminister des Äußeren Müller, in: PAAA Ib 003488 / Everling.

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chen, war der Fall doch beispielhaft, was Argumentation und Selbstverständnis eines Eidesverweigerers in der frühen Weimarer Republik betrifft. Vor dem Hintergrund von Everlings intensiver Auseinandersetzung mit dem Eid in der konstitutionellen Monarchie, die ihn als überzeugten Verfechter des personalen Eides und der lebenslangen »Treue« des Beamten gegenüber »seinem« Monarchen gezeigt hatte, stand die neue Eidesformel konträr zu seinen Überzeugungen. Von einem Forschungsthema hatte sich der Eid für Everling plötzlich zu einem persönlichen Konfliktfeld gewandelt, in dem seine Position festgesteckt war: »Treue der Reichsverfassung« war für ihn schlechterdings undenkbar und er war bereit, für seine Überzeugung die Konsequenzen, also das Ende seiner Laufbahn als Beamter, zu tragen. Diese Haltung passt zu dem in den Quellen gezeichneten Charakterbild Everlings als einem von Prinzipien wie »Ehre« und »Treue« Getriebenen.41 Der Vorfall um den verweigerten Verfassungseid mit der Konsequenz des Berufsverlustes politisierte Everling zutiefst.42 Während er sich beruflich nun für die Anwaltstätigkeit entschied, beschritt er gleichzeitig den Weg hin zu einer politischen Karriere. Er wurde Mitglied der DNVP, für die er vom Mai 1924 bis 1933 im Reichstag saß; gleichzeitig fungierte er als Vorsitzender des monarchistischen »Bundes der Aufrechten«43 und als Herausgeber der »Konservativen Monatsschrift«. Er publizierte – zum Teil unter seinem Pseudonym Schlehdorn – während der Weimarer Jahre viel, in aller Regel mit monarchistisch, alt-konservativem Grundtenor.44 Gleichzeitig hielt er, auch über Geburtstagsglückwünsche hinaus, persönlichen Kontakt zu dem Monarchen, dem er einst die Treue geschworen hatte: So war Everling offenbar über Jahre hinweg als Rechtsvertreter des abgedankten Wilhelm II. tätig.45 Ihren Ausgang hatte die politische Biografie Everlings im Konflikt um den Eid genommen. Natürlich sind die Konsequenzen, die Everling aus dem Konflikt zog, in ihrer Radikalität nicht typisch. Nicht alle Beamte entschlossen sich aufgrund ihrer Überzeugung, einen anderen Beruf zu ergreifen oder leiteten daraus eine politische Karriere ab. Doch gerade diese Radikalität machte den »Fall Everling« zum idealen Aufhänger für die politische Auseinandersetzung. Nicht zuletzt die DNVP bezog sich in einer Anfrage im Reichstag auf ihn, in der man 41 Dass er auch unter Einsatz seines Lebens für diese Prinzipien einstand, bewies Everling, als er 1914 seine »Ehre« gefährdet sah und nicht zögerte, sie durch eine Duellforderung zu wahren. Vgl.: Der Präsident des Königlichen Landgerichts an den Herrn Kammergerichtspräsidenten Berlin, 10.6.1914, in: BArch R 3002/PA 211, Bd. 4. 42 Vgl. die Zeitungsartikel: Everling, »Treue der Reichsverfassung«; ders., Rückzug der Regierung in der Eidesfrage. 43 Zum »Bund der Aufrechten« vgl. Hoffmann, »Wir sind das alte Deutschland«. 44 In Auswahl: Everling, Stahlhelm und organischer Staat; ders., Die Stände im künftigen Staat; ders., Organischer Aufbau des Dritten Reiches; ders., Wiederentdeckte Monarchie; ders., Der Kaiser wie er war – wie er ist. 45 Der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Lammers, 7.9.1939, BArch R 1501/206127.

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die Reichsregierung aufforderte, die umstrittene Formulierung »Treue der Verfassung« zu spezifizieren.46 Die öffentliche Debatte um den Eid sowie die Anfrage der DNVP im Reichstag zwangen die Reichsregierung zu reagieren. Erstmals seit Beginn des Konfliktes um den neuen Beamteneid, nahm man im Dezember 1919 dezidiert defensiv Stellung: Durch die Fassung des Eides sei nichts anderes verlangt, »als dass der Beamte in seiner Tätigkeit als Beamter die Bestimmungen der Verfassung getreulich zu beachten habe.« Es werde »keine innere Übereinstimmung mit der jetzigen republikanischen Staatsform verlangt«; gleichzeitig aber sei der Staat berechtigt, insbesondere von den politischen Beamten eine gewisse »Zurückhaltung bei den ihnen in der Verfassung gewährleisteten politischen Rechte« [i. e. der Meinungsfreiheit, d. Vf.] zu fordern. Vor allem sei eine Änderung der Verfassung nur auf »gesetzlichem, niemals auf gewaltsamem Wege« anzustreben.47 Im Falle Everling jedoch war die Position der Reichsregierung klar: Die Leistung eines Eides unter Vorbehalt müsse »der Verweigerung des Eides gleichgeachtet werden.« Damit sei seine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst rechtens. Was sich bereits im Sommer angedeutet hatte, wurde hier klar formuliert: Die Reichsregierung beharrte zwar auf der durch die Verordnung des Reichspräsidenten geregelten Formulierung »Treue der Verfassung«. Inhaltlich jedoch forderte man von den Beamten allein die Beobachtung der Verfassung innerhalb des Dienstes. Damit versuchte die Reichsregierung, dem Begriff der »Treue« seine umfassende Bedeutung zu nehmen, die er im öffentlichen Verständnis traditionell hatte. Gerade die alten, eher konservativen Beamten konnte die Erklärung der Reichsregierung jedoch nicht zufrieden stellen: Für sie war Treue eben mehr als nur ein »Beobachten«. Mochte man aus konservativer Perspektive das inhaltliche Zurückschrecken der Reichsregierung vor dem Verlangen einer inneren Verbundenheit mit der Verfassung auch gutheißen, so konnte doch die Verwendung des Begriffs »Treue« mit einer inhaltlich reduzierten Aussage in der konservativ ausgerichteten Beamtenschaft kaum Aussicht auf Akzeptanz haben. Letztlich führte die Kombination aus Formulierung und Inhalt zu einer Reduzierung der Bedeutung des Eides: Gerade die konservativen Beamten fühlten sich entweder nicht der Lage, den Eid zu leisten; wurde er jedoch – wie in den meisten Fällen unter wirtschaftlichem Druck geschehen – geleistet, so war die innere Bindung an diesen Eid von vornherein geschwächt. »Treue« im Sinne von 46 Anfrage Nr. 564 der Abgeordneten v. Graefe, Schiele, Philipp vom 9.12.1919, Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung Drucksache Nr. 1717, zitiert nach BArch  R 3901/20509, Bl. 98. 47 Unterstaatssekretär Lewald (Reichsministerium des Innern) in der 130. Sitzung der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, 16.12.1919, zitiert nach BArch  R R3001/259. Die Antwort wurde ausgearbeitet beim Referat I A 15752, BArch 1501/102354, Bl. 128. Ausgerechnet Theodor Lewald, der dem Eid – wie oben beschrieben – selbst mit großer Skepsis entgegengetreten war, musste den Verfassungseid nun vor dem Reichstag rechtfertigen.

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»Beobachten« war einfach nicht so viel wert wie »Treue« im Sinne »innerer Hingabe«. Was die Reichsregierung eigentlich mit dem Eid hatte erreichen wollen, war durch eine ungeschickte oder unbedachte Kombination aus Formulierung und Interpretation in Frage gestellt. Dies war öffentlich bereits im Herbst 1919 vermerkt worden: »Der Regierung muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass sie selber den Beamteneid entwertet, wenn sie ihm eine widerspruchsvolle Fassung gibt.«48 Das Vorgehen der DNVP und der Fall Everling wurden publizistisch breit kommentiert, nicht zuletzt von Juristen.49 Die Mehrzahl der Autoren stand dem Verfassungseid dabei skeptisch gegenüber. Teilweise fand sich die Auffassung, die Beamten seien weiterhin an ihren im Kaiserreich geleisteten Eid gebunden. Der abgedankte Monarch habe zwar »für seine Person auf die unverbrüchliche Treue der Beamten« verzichtet, habe aber nicht die Treue der Beamten gegenüber der Monarchie als Verfassungsprinzip lösen können.50 Im Kern differenzierten die Vertreter dieser Position zwischen dem persönlichen Treueid und dem Diensteid. Von ersterem hätten die früheren Monarchen ihre Beamten entbunden. Vom zweiten zu entbinden hingegen, hätte ihnen gar nicht zugestanden. Insofern seien die Beamten – neue Verpflichtung hin oder her – nach wie vor an den alten Diensteid gebunden: »Wenn eine verheiratete Person eine zweite Ehe eingeht, so wird dadurch die alte Ehe nicht gelöst.« Sich nun dem neuen Regime zur Verfügung zu stellen, »vergewaltige« das Gewissen dieser Beamten als »Dank für ihre Selbstüberwindung in diesen Monaten«. Einen Eid zu brechen, gezieme sich für deutsche Beamten nicht, denn: »Wenn etwas Ewigkeit hat nach deutscher Auffassung, so ist es das geschworene Wort.«51 Mit diesen Positionen verband sich zum Teil der Aufruf zur Eidesverweigerung, in der Hoffnung, eine massenhafte Verweigerung und damit Dienstentlassung könne sich die Republik nicht leisten.52 Einer der Autoren, die diese Auffassung vertrat, war Rudolf von der Schulenburg. Zwischen 1914 und 1917 Oberpräsident der preußischen Provinz Brandenburg, von 1917 bis 1919 der Provinz Sachsen, und als solcher auch Mitglied des Preußischen Herrenhauses, sah er angesichts von Revolution und Umsturz die preußische Verfassung unverändert in Kraft und daher den alten Eid auch noch als bindend an. Zweck der Vereidigung auf die Weimarer Reichsverfassung war seiner Meinung nach nur ein einziger: Der den neuen Machthabern »verhasste altpreußische Beamtengeist soll geknebelt und mit gebrochener Ehre in den Dienst der neuen Herren gezwungen werden, um dort Frondienste zu leisten […].« Von der Schulenburg war ein deut48 N. N., Der Beamteneid: Widersinnig und verfassungswidrig!, in: Deutsche Tageszeitung. 49 Vgl. hierzu: Schmahl, S. 43–50. 50 Siegfried, S. 66/67, hier S. 67 [ebenfalls abgedruckt in: Der Aufrechte Nr. 20]. Dort auch die folgenden Zitate. 51 N. N., Der Beamteneid und der »Boden der Tatsachen«. 52 Schulenburg, Kann von einem preußischen Staatsbeamten die Ableistung des Eides gefordert werden. Vgl. Schmahl, S. 44, FN 7. Als Reaktion auf Schulenburgs Artikel siehe: N. N., Päpstlicher als der Papst; daraufhin Schulenburg, Offiziöse Irreführung.

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liches Beispiel jener alten (in diesem Fall altpreußisch geprägten) Beamten des Kaiserreichs, die mit dem Eid ihre persönliche Ehre verknüpften. Konsequenterweise sah er sich nicht in der Lage, den Verfassungseid auf die Republik zu leisten: Er legte sein Amt als Oberpräsident der Provinz Sachsen nieder. Ebenso konsequenterweise jedoch weigerte er sich auch, diesen Abschied formal zu erklären: Die »fehlende Legalität der neuen Gewalten« mache ein formales Abschiedsgesuch unmöglich, da »nur die Krone über seine Dienstentlassung entscheiden könne«.53 Die Mehrzahl der konservativen Autoren, die dem Eid kritisch gegenüberstanden, ging jedoch nicht so weit, den alten Eid als weiterhin für gültig zu erachten. Sie akzeptierten die durch die Revolution neue gesetzte Ordnung.54 Aufgrund der Entbindung der Beamten von ihrem Treueid durch Wilhelm II. sei niemand gehindert, nun den Verfassungseid auf die Weimarer Republik zu leisten.55 Die Kritik richtete sich dagegen auf die Ausformulierung des Verfassungseides. Im Kern ging es damit um die Interpretation des Begriffs der »Treue« in normativer Hinsicht: War der neue Eid im Sinne des alten Treueides der Monarchie zu interpretieren, welcher ein persönliches Band zwischen Beamten und Monarchen geknüpft hatte? Oder war der neue Eid vielmehr ähnlich wie der Verfassungseid der Monarchie zu bewerten, so dass die Beamten die neue Verfassung im Dienst gewissenhaft beobachten sollten? Alle Gegner des Verfassungseides interpretierten die Formel »Treue der Reichsverfassung« im althergebrachten Sinne des »Treue«-Verständnisses. »Treue« einem »Stück Papier« zu schwören, erschien diesen Autoren als unvereinbar mit dem Selbstverständnis der deutschen Beamten und der deutschen Kultur.56 Dem »Wesen« von Treue entspreche es eben, dass sie »ihren Gegenstand nicht wie ein Kleidungsstück wechseln kann«.57 Zahlreiche Autoren waren überzeugt, dass die Regierung ganz offenbar »einen moralischen Druck ausüben [wolle], dass kein Beamter sich in antirepublikanischem Sinne betätigen dürfe«.58 Dies jedoch, darin waren sich die Kritiker einig, bedeute »für alle monarchisch gesinnten Beamten ganz sicher Gewissenszwang«59 und sei damit verfassungswidrig. Gehörte die Forderung nach Einschränkung der politischen Grundrechte von Beamten im Kaiserreich auf Seiten Konservativer zu den zentralen Elementen politischer

53 Schmahl, S. 44, FN 7. Runge, S. 102, schildert einen weiteren Fall: Der Landrat von Hameln weigerte sich ebenfalls ein förmliches Abschiedsgesuch einzureichen. Siehe hierzu auch: Neue Preußische Zeitung 1.2.1919. 54 Zur unter Juristen herrschenden Meinung, dass die neue Verfassung Gültigkeit besitze, vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S 91–95. 55 Schmahl, S. 45. 56 Wallis; N. N., Der Verfassungseid der Beamten; N. N., Der Beamteneid: Widersinnig und verfassungswidrig, in: Neue Preußische Zeitung; N. N., Nochmals der Beamteneid; Bang. 57 Wallis. 58 N. N., Der Verfassungseid der Beamten. 59 N. N., Der Beamteneid: Widersinnig und verfassungswidrig, in: Deutsche Tageszeitung.

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Disziplinierung, so nutzte man die weitreichenden Regelungen der Weimarer Verfassung nun im Umkehrschluss im Kampf gegen das neue System aus.60 Gerne wurde die Debatte um den Verfassungseid auch genutzt, um der Regierung polemisch Unkenntnis der alten Beamten-Traditionen vorzuwerfen, wie dies Friedrich Everling tat: »Entweder dem Gesetzgeber, der Treue zur Revolutionsverfassung verlangte, war der Begriff der Treue nicht vertraut – er sagte ›Treue‹ und meinte Beobachtung. Oder es sollte diese Verpflichtung gegebenenfalls zu einem Bekenntnis zur republikanischen Staatsform umgedeutet werden – man sagte ›Reichsverfassung‹ und meinte republikanische Staatsform.«61 Wie stark die Debatte auch von gekränktem Stolz einer in ihren Einflüssen beschnittenen Beamtenschaft bestimmt war, zeigt der Vorwurf des Dilettantismus, der sich mit der Kritik am Verfassungseid verband: »Die Minister und andere führende Beamte, die bisher regelmäßig aus dem höheren Beamtentum hervorgingen, sind Parlamentarier geworden, die nicht die Erziehung des alten Beamtentums genossen haben und nicht seine Fachkenntnisse besitzen.«62 In Anknüpfung an die Debatten um den sozialdemokratischen »Meineid« im Kaiserreich thematisierten konservative Autoren gerne den vermeintlichen Widerspruch in der sozialdemokratischen Haltung zum Eid vor und nach der Revolution von 1918. Immer wieder finden sich Verweise auf die vermeintliche »Weite des Gewissens«, welche die SPD »jederzeit gegenüber dem [alten] Staatsdienereid gezeigt« habe.63 Hier schlagen die alten Debatten und Vorurteile, die das Kaiserreich geprägt hatten, mit unverminderter Kraft durch auf die neuen Verhältnisse. Die Tatsache, dass nun ausgerechnet die Sozialdemokraten, denen man so lange Eides-Untreue vorgeworfen hatte, von den Beamten einen Eid auf die Verfassung verlangten, erzürnte viele Konservative. Die ideologischen Fronten waren unvermindert verhärtet – nur mit verschobenem Frontverlauf. Denn wer von wem »Treue« verlangte, hatte sich umgekehrt. Über die reine Polemik hinaus waren viele Autoren jedoch auch bemüht, sich ernsthaft mit der Interpretation des Verfassungseides auseinanderzusetzen und Lösungsvorschläge für die Problematik zu entwickeln. Grundvoraussetzung, darin war man sich einig, dafür war, dass die Regierung klar Stellung beziehen müsse, ob mit »Treue der Reichsverfassung« nur »Beobachtung der Verfassung« im Dienst gemeint war. Immer wieder wurde eine Erklärung über den Bindungsgrad des Schwurs im Vorfeld der Vereidigung angeregt,64 damit »ungezählte 60 Dass es nicht unüblich war, die Grundrechte gegen das parlamentarische System in Stellung zu bringen, beschreibt auch Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 109–114. 61 Everling, »Treue der Reichsverfassung«. 62 Kühne, Die Beamten und die neue Regierung. 63 Schulenburg, Kann von einem preußischen Staatsbeamten die Ableistung des Eides gefordert werden. Vgl. auch: N. N., Der Beamteneid: Widersinnig und verfassungswidrig, in: Deutsche Tageszeitung; N. N., Der Verfassungseid der Beamten, wo es um die Tatsache geht, dass sich »so mancher bei der Novemberrevolution […] skrupellos« über den Eid hinweggesetzt habe. 64 So empfahl etwa der Bund höherer Verwaltungsbeamter seinen Mitgliedern, dem Protokoll der Vereidigung »eine protokollarische Erklärung ungefähr folgenden Wortlauts beizufü-

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gerade der ›Treuesten‹, auf deren selbstlose Mitarbeit die Reichsregierung angewiesen ist, den Wortlaut der vorgeschriebenen Formel mit ihrem Gewissen in Einklang« bringen könnten.65 In diesem Zusammenhang spielte die Frage der Pensionsansprüche im Falle des Ausscheidens aus dem Dienst eine große Rolle. Viele Autoren bezogen sich auf die preußische Verordnung vom 26. Februar 1919, nach der Beamte, die sich aus Gewissensgründen nicht in der Lage sahen, im Dienste eines demokra­ tisierten Preußens zu verbleiben, die Möglichkeit hatten, sich unter Beibehaltung ihrer Pensionsansprüche in den Ruhestand versetzen zu lassen. Immer wieder findet sich die Forderung, eine solche Regelung auch auf Reichsebene zu schaffen. So forderte etwa der Bund höherer Verwaltungsbeamter, »dass ein derartiger Anspruch nicht nur bestimmten politischen Beamten, sondern allen unmittelbaren wie mittelbaren Beamten im Reich und in den Ländern durch Reichsgesetz sicherzustellen ist, soweit sie eine Vereidigung auf die neue Reichsverfassung ablehnen.«66 Das schließlich verabschiedete Gesetz über die Pensionierung von Reichsbeamten infolge der Umgestaltung des Staatswesens vom 12. September 1919 sah eine solche Regelung jedoch nur für die politischen Beamten vor. So blieb für die nicht-politischen Beamten auf Reichsebene kein Ausweg, sich im Falle einer Eidesverweigerung aus Gewissensgründen unter Erhalt des Pensionsanspruches aus dem Dienst zurückzuziehen. Besonders hart traf es jene Beamten, die vor Ablauf einer zehnjährigen Dienstfrist aus dem Amt schieden: Sie hatten überhaupt keinen Anspruch auf Pensionszahlungen.67 Diese schwierige wirtschaftliche Situation ist ein Grund dafür, warum schließlich doch so viele Beamte den Eid leisteten, die eigentlich Gewissenszweifel plagten. Eine sich bereits seit der Jahrhundertwende zunehmend schlechter entwickelnde Wirtschaftslage der Beamten steigerte sich nach dem Ende des Kriegs so weit, dass die Kaufkraft eines Beamtenhaushaltes auf ein Drittel des Vorkriegswertes zurückging.68 Selbst wer nicht den Eid verweigerte, tat sich wirtschaftlich also schwer in der frühen Weimarer Republik. Angesichts dieser Entwicklungen für den Eid in den Ruin zu gehen, war für wenige eine Option. Magnus Freiherr gen: ›Ich fasse das von mir verlangte Gelöbnis Treue der Reichsverfassung als die feierliche Erklärung meines Willens auf, bei meiner Amtsführung die Reichsverfassung und die auf Grund derselben sich ergebenden Anordnungen gewissenhaft zu beobachten und mich von Bestrebungen zu ihrem gewaltsamen Umsturz fern zu halten.‹« Vgl.: Bund höherer Beamten und Verfassungseid, in: Nachrichten des Bundes der höheren Verwaltungsbeamten 1 (1919), S. 14, BArch R 8081/15. Siehe ähnlich: Wallis. Zu den Beamtenverbänden in der Weimarer Republik: Fattmann, v. a. S. 189–195. 65 Wallis. 66 Bund höherer Verwaltungsbeamter und Verfassungseid, in: Nachrichten des Bundes der höheren Verwaltungsbeamten 1 (1919), S. 14, BArch R 8081/15. 67 Diese Härte gegenüber den Eidesverweigerern erschien zum Teil selbst der sozialdemokratischen Presse nicht gerechtfertigt. Vgl. das Schreiben des Schriftleiters der »Volksstimme«, Tageszeitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, aus Gotha an den Reichspostminister, 29.9.1919, BArch R 1501/102354. 68 Armanski, S. 94. Vgl. auch: Kunz.

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von Braun, Personalreferent im preußischen Innenministerium, riet jedenfalls allen Beamten, die ihn 1919 um Rat fragten, ob sie aus dem Amt scheiden und damit die Republik zu Fall bringen sollten, davon ab: »Die große Mehrzahl der Familien hätte materiell vor dem Nichts gestanden […].«69 Die Befürworter des Verfassungseides hatten gegenüber dieser breiten Kritik keinen einfachen Stand. Einig waren sie sich darin, dass die Republik einen Anspruch auf die Vereidigung ihrer Beamten habe. »Es ist selbstverständlich, dass der Staat diese Forderung an seine Beamten stellen muss. Es geht nicht an, dass die Beamtenschaft […] den Staat in der bestehenden Form als nicht rechtsgültig oder auch nur als nichtberechtigt anerkennen wollte.«70 Der Eid und die Eidespraxis des Kaiserreichs wurden in diesem Zusammenhang nun beinahe zum Vorbild: »Hier müssen wir mit derselben Energie, mit der die alte Regierung vorging, sagen: Entweder sich beugen und im Amt bleiben, oder aber den Mut haben, der Gesinnung treu zu bleiben und den Platz zu räumen.«71 Im Kaiserreich habe der einfache Satz gegolten: »›Wer nicht schwört, kann nicht Beamter sein.‹ Man sollte meinen, das, was die Eidesformel verlangt: Treue gegenüber der Reichsverfassung, ist das Mindeste, was ein Staat von seinen Beamten beanspruchen kann, wenn er sich selbst nicht aufgeben will.«72 Nur ganz selten waren Stimmen zu vernehmen, die grundsätzlich den Sinn der Neuvereidigung in Zweifel stellten, etwa mit der Argumentation, dass die Beamten in der Weimarer Republik, verstanden als Rechtsnachfolgerin des Kaiserreichs, blieben, was sie auch vor der Revolution gewesen waren: »Diener des Staates in öffentlich-rechtlichem Gewaltverhältnis«. Wenn das Beamtenverhältnis jedoch »unverändert« fortbestünde, »hätte das Reich von der Eidesleistung ohne Nachteil für Staat und Verfassung absehen können«.73 Eine solch positivistische Position blieb jedoch in der Minderheit angesichts der zeitgenössischen ideologischen Bedeutung des Schwurs als Ritual zur Stiftung politischer Loyalität, zumal es ja selbst im Kaiserreich im Falle des Todes eines Monarchen Neuvereidigungen auf seinen Nachfolger gegeben hatte. Einig waren sich die Verteidiger des Verfassungseides über folgendes: Wenn der Eid unerlässlich für die Republik war, dann waren Eidesverweigerungen nicht zu tolerieren. Wer den Verfassungseid nicht mit seinem Gewissen ver­ einbaren konnte, der hatte aus dem Beamtenstand auszuscheiden.74 Überhaupt sei die Kritik am Eid ungerechtfertigt und rein politisch motiviert, da Hugo Preuß ja bereits im Juli 1919 klargestellt hatte, wie die Vereidigung zu verstehen 69 Braun, S. 174, zitiert nach Runge, S. 103. 70 N. N., Beamteneid auf Widerruf. 71 N. N., Beamte und Verfassungseid. Siehe auch: N. N., Beamteneid auf Widerruf; N. N., Die falsch ausgelegte Reichsverfassung. 72 Vgl.: N. N., Der Eid auf die Verfassung. Eine Disziplinarhof-Entscheidung. Vgl. auch: N. N., Der Eid auf die Republik. 73 Keuthen, S. 37/38. 74 N. N., Ist ein Eid ein Eid?

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sei.75 Damit sei »der Rechtsstand […] unzweifelhaft folgender: In seiner amtlichen Tätigkeit ist der Beamte verpflichtet, die Verfassung, ebenso wie alle Gesetze, gewissenhaft zu beobachten, wenngleich er seiner Gesinnung nach ein Gegner der grundlegenden Bestimmungen sei. Außerhalb des Amts kann er wie jeder andere Staatsbürger dieser Gesinnung im Rahmen der allgemeinen Gesetze (Artikel 118) Ausdruck geben. […] Daher können auch Beamte mit monarchischer Gesinnung den von ihnen geforderten Verfassungseid leisten.«76 In aller Regel unterstrichen also auch die Befürworter des Verfassungseides die Auffassung, dass es sich bei dem Verfassungseid um ein Äquivalent des alten Diensteides handelte. Die aus ihm entstehende Dienstpflicht könne »durch eine politische Gesinnung nicht verletzt werden. […] Ein Zwang auf die politische Gesinnung des Beamten wird also in keiner Weise ausgeübt.«77 Damit schlossen diese Stimmen an die Positionen der Staatsrechtslehre des Kaiserreichs an, die der Treue und dem Eid bereits nur noch eine geringe normative Bedeutung für die Bindung von Beamten zugesprochen hatte.78 Auch die Verteidiger der Eidesformel machten also kaum Anstalten, die Formulierung »Treue der Reichsverfassung« über das reine Beobachten hinaus positiv zu interpretieren oder aber aus dem neuen Treueid »ein neues demokratische Beamtenethos [zu] entwickeln« und damit den »der Verfassung geschworene[n] Treueid […zur] Grundlage der Psychologie des Beamtentums« zu machen.79 Zwar sah mancher Autor das Problem, »dass für den monarchisch gesinnten Beamten in der Republik eine Fülle von inneren Konflikten entsteht, die sich durch äußere Zwangsmittel nicht aus der Welt schaffen lassen. Man wird deshalb nach einem Mittel suchen müssen, um den Beamten, ohne ihn in Gewissenswidersprüche zu bringen, doch fest an die Republik zu binden.«80 Wie jedoch diese Bindung an die Republik zu erreichen sein könnte, wie »Treue« mit einem positiven Inhalt als »Verfassungstreue« definiert werden könnte, dazu finden wir in der Auseinandersetzung um den Verfassungseid allenfalls Ansätze. Eine Ausnahme bildete in dieser frühen Phase der Auseinandersetzung um den Verfassungseid der zu diesem Zeitpunkt bereits emeritierte Staatsrechtler Otto Mayer, der Doyen des Verwaltungsrechts vor 1918. Er schloss sich der Meinung an, dass die Verordnung des Reichspräsidenten hinsichtlich der Vereidigung im Sinne des gewissenhaften Beobachtens der Verfassung zu verstehen sei. Er lehnte – nicht zuletzt mit Verweis auf die Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft des Kaiserreichs – »lehnsrechtliche Hintergedanken«, die die »Treue« zu einer rein personalen Größe gemacht hätten, ab. Bereits im Kaiserreich habe 75 Protokoll der 71. Sitzung der Verfassunggebenden Nationalversammlung, 31.7.1919, S. 2192, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_wv_bsb00000013_00012.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 76 Heinze. 77 N. N., Beamteneid auf Widerruf. 78 Lotz, Die Beamten und ihre Vereidigung auf die Reichsverfassung, hier S. 1006. 79 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 91. 80 N. N., Beamte und Verfassungseid.

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dieser lehnsrechtliche Bezug vorwiegend »dekorative Bedeutung« gehabt, um dem zivilrechtlich gedachten Charakter des Staatsdienerverhältnisses »doch irgendwie eine öffentlich-rechtliche Farbe zu geben. Dazu diente die Anknüpfung an die alte commendatio und ihr romantisches Treueverhältnis«. Doch sei dieser Bezug letztlich nicht mehr nötig: »Sobald man das ganze Staatsdienerverhältnis auf öffentlich-rechtlichen Boden stellt, […] braucht man diese alten Dinge nicht mehr.« Dies bedeutete für Mayer jedoch nicht, dass ein solches öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis nicht auch »eine besondere Zutat sittlicher Natur« voraussetze, und zwar in Gestalt »der besonderen Treue und Hingabe, mit welcher der Pflichtige für den anderen tätig sein soll«. Damit war für Mayer »ein Mehr über das ›gewissenhaft beobachten‹ hinaus« im Beamtenverhältnis vorausgesetzt. Die »Treue« bezöge sich zwar nicht mehr auf die personale Beziehung zwischen Monarch und Beamten; jedoch hatte die »Treue« nach Mayer auch in der Republik ihren »menschlichen Bezugspunkt« nicht verloren. Dies sei nur in der Verfassung und in der Eidesformel nicht klar ausgedrückt: »Wenn das Reich jetzt der deutsche Staat ist, so wäre die von einem Beamten zu leistende Treue zu richten auf die menschliche Trägerschaft seiner Souveränität, das deutsche Volk«. Die Verfassung definierte er als die »lebendige Wirkungsmacht«, in der sich das Volk spiegele. Somit war für Mayer der »tragende sittliche Gedanke« für die Republik in Anschluss an Schillers Wilhelm Tell der Satz: »Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern. In dem Eid auf die republikanische Verfassung bekennt sich der Beamte als ein Glied dieser brüderlichen Verbundenheit […]. Ohne eine solche Treuegesinnung ist die ganze Republik nicht viel wert.«81 Aus diesem Versuch, die »Treue« von ihrer personalen auf eine »überindividuelle personale Orientierung«, also vom Monarchen auf das Volk zu lenken, sprach in gewisser Weise der Zeitgeist. Der Bezug auf das Volk, die Volksgemeinschaft, die Einheit, stellte in der politischen Rhetorik der Weimarer Republik einen Fixstern dar, und zwar weit über das antidemokratische Lager hinaus. Vielmehr war der Begriff der »Volksgemeinschaft« bis etwa 1930 noch nicht ethnisch oder rassisch konnotiert, sondern fand in allen politischen Lagern Verwendung. Doch Mayers Verknüpfung zwischen dem Eid und dem Volk war in der Weimarer Republik nicht mehrheitsfähig. Der Versuch, die Verfassung als Ausdruck des Willens des deutschen Volkes zu verstehen und damit den Beamten einen positiven Bezugspunkt der im Verfassungseid geschworenen »Treue« zu bieten, blieb ohne Resonanz. »Treue der Verfassung« neu zu normieren und eine wertgebundene transpersonale Konzeption zu entwickeln, gelang um das Jahr 1920 herum nicht, es wurde nicht einmal ernsthaft versucht. Auffällig ist, dass selbst in den Beiträgen, die den Verfassungseid verteidigten, die Eidesformel »Treue der Reichs­ verfassung« als problematisch thematisiert wurde. So bezweifelte Rudolf Heinze, DVP-Abgeordneter und späterer Justizminister, »ob der Ausdruck ›Treue‹ ganz 81 Mayer, Kommentar zum Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes.

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das richtige trifft«.82 Das Verständnis des Begriffs »Treue« als einer althergebrachten personalen Kategorie war den Zeitgenossen jedweder politischer Ausrichtung im Kern so vertraut, dass die Formulierung »Treue der Reichsverfassung« ein bestimmtes Verständnis assoziierte. Diese Dominanz der kulturellen Definition von »Treue« erklärt auch, warum es eben nicht zu einer Neudefinition von »Treue« kam und kaum Versuche unternommen wurden, »Verfassungstreue« als transpersonale Konzeption von Treue zu entwickeln. Denn selbst den Demokraten, Republikanern und Befürwortern des Verfassungseides erschien »Treue gegenüber den gedruckten Artikeln« als »etwas Verschrobenes«.83 »Treue der Verfassung« anders zu denken, war den Zeitgenossen offenbar nicht möglich. Es half nur das Ersetzen des normativ eindeutig personalen Treuebegriffs durch das offenere »Beobachten«. Ein Blick auf die Verwendung des Begriffs »Treue« über die engere Eidesdiskussion hinaus unterstreicht diesen Befund. »Treue« blieb auch in den zwanziger Jahren von personalem Verständnis geprägt. Dies galt für weite Gesellschaftskreise, wobei alt- wie neukonservative Positionen den Diskurs der »Treue« dominierten. Versuche, eine »deutsche Ethik« am Beispiel einer »deutschen Treue« zu entwickeln, können hier als Beispiel ebenso genannt werden wie Beschreibungen der »treuen« verlorenen Gebiete im Osten oder eine fiktionale »Treue«-Literatur.84 Demgegenüber gelang es nicht, den Begriff der »Treue« umzudeuten und ein positives Treueverständnis für die Republik aufzubauen. So blieb der Eid in einem althergebrachten Sinne ein Referenzpunkt antidemokratischer und antirepublikanischer Diskurse, nicht nur für Monarchisten.

3.3 Der Verfassungseid vor Gericht Im Verlauf der Jahre 1920 und 1921 kam eine ganze Reihe von Eidesverweigerungen vor Disziplinargerichten zur Verhandlung. Damit war die nächste Stufe der Auseinandersetzung um die Treueverpflichtung in der frühen Weimarer Republik erreicht. Beispielhaft soll hier ein Disziplinarverfahren behandelt werden, dass im Juni 1920 in Hamburg gegen fünf Beamte wegen Verweigerung des Verfassungseides eröffnet wurde. Die eidverweigernden Beamten  – drei Lehrer,85 ein Baurat und ein Justizobersekretär  – führten an, dass der 82 Heinze. 83 Friesenhahn, Der Politische Eid, S. 120. 84 Vgl. aus der kaum zu überschauenden zeitgenössischen Literatur zum Themenkomplex der »Treue« in Auswahl: Blümcke; N. N., Deutsche Frauen – Deutsche Treue!; Deutsche Treue; Höffner; Jansen; Kliche, Deutsche Treue; Mielert; Roethe; Weitzel; Winterfeld-Platen; Wundt. 85 Zwei der Lehrer stammt aus dem reformpädagogischen Umfeld des »Wendekreises«. Sie waren weniger politisch als allgemein weltanschaulich motiviert und verweigerten dem Staat den Zugriff auf das eigene Gewissen. Zur ausführlichen Schilderung der Beweggründe vor allem des eidverweigernden Pädagogen Max Tepp vgl.: Dudek, S. 131–151. Die dritte Leh-

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»von ihnen verlangte Treueid auf die Verfassung unzulässig [sei], da er sie in Gewissenskonflikte bringe.«86 Im September 1920 entschied das Gericht, dass die Eidesverweigerung nicht als Disziplinarvergehen einzustufen sei. Gegen dieses Urteil legte die Stadt Hamburg als Dienstherr Widerspruch ein und es kam zu einer Revisionsverhandlung. In dem im Januar 1921 gefällten Urteil betonte der Disziplinarhof, dass die Leistung des Diensteides grundsätzlich als Dienstpflicht anzusehen sei. Im Hinblick auf die konkrete Auseinandersetzung um den Verfassungseid jedoch hielt das Gericht fest: »Man mag den Begriff der Treue nach seinem Wortsinn und Rechtssinn auslegen wie man will, unter dem Beamtentreueide wird der unbefangene Beurteiler sich zunächst schwer etwas anderes vorstellen können, als man bislang unter diesem Begriffe zu verstehen pflegte. […] Der Treueid verlangte ein innerliches Gebundensein des Beamten […]. Derartige Begriffe prägen sich nicht ohne weiteres um, und dies hätte von der jetzigen Regierung berücksichtigt werden müssen. Wenn sie daher wirklich mit ihrem Treueide auf die Verfassung kein persönliches Einsetzen für das Wohl des jetzigen Staates, kein Treueverhältnis in dem alten Sinne fordern wollte, so hätte sie eine andere Eidesformel wählen müssen, die dies klar erkennen lässt.« Der Staat sei zwar auf loyales Verhalten seiner Beamten angewiesen und könne eine Beamtenschaft, die »sich in der Mehrzahl politisch in der Opposition befände«, nicht tolerieren, ohne »dem baldigen Untergang geweiht« zu sein. Dieser Anspruch auf Treue, und damit auch auf die Ableistung des Eides, beziehe sich jedoch nur auf all jene, die neu in den Dienst des Staates einträten: »Wer sich durch diesen Treueid nicht zur Regierung bekennen will, soll eben kein Beamter werden.« Für die aus dem alten System übernommenen Beamten, die den Eid auf das alte System geleistet hätten, könne jedoch kein neuer Eid verlangt werden, ohne Gewissenszwang auszulösen. Die mit dem neuen Eid verbundene »Aufgabe seiner politischen Gesinnung« könne einem »monarchisch gesinnten Beamten« nach Artikel 130 Absatz 2 der Reichsverfassung nicht zugemutet werden.87 Das Gericht verwies zwar darauf, dass der Hamburger Senat im November 1919 bekannt gegeben habe, der Eid verlange von den Beamten keine innerliche Bindung, doch werde der Eid in der Praxis »ohne jeden Zusatz und ohne jede Beschränkung« oder Erläuterung von den Beamten verlangt. Dies jedoch sei nicht zulässig; die Beamten hätten ein Anrecht auf eine klare, verständliche Formulierung. »Ein Eid bindet immer das Gewissen und daher muss verlangt werden, dass er eindeutig und in jedem Worte so klar ist, dass der Eidespflichtige nicht in Gewissensnöte kommt. Diese Forderung erfüllt […] der Eid ›Ich schwöre Treue der Reichsverfassung‹ nicht. Daher muss der Zwang zur Leistung rerin, Alma d’Aigles, die nicht dem Wendekreis zuzuordnen ist, distanzierte sich von den reformpädagogischen Begründungen der Eidverweigerung. Vgl.: De l’Aigles, Der Eid der Beamten auf die Verfassung, v. a. S. 92. Siehe auch: Dies., Beamte und Verfassungseid. 86 Urteil des Disziplinarhofes Hamburg vom 10.1.1921, BArch 1501/102354, Bl. 214–225. Dort auch die folgenden Zitate aus der Urteilsbegründung. 87 Ebd.

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dieses Eides einem unzulässigen Gewissenszwang gleichgeachtet werden: eine dienstliche Anordnung, diesen Eid zu leisten, konnte aus Rechtsgründen den Angeklagten nicht erteilt werden.« Damit war die Eidesverweigerung auch in der zweiten Distanz kein Dienstvergehen und die Beamten konnten im Dienst der Stadt Hamburg verbleiben. Dem Hamburger Urteil folgte bald ein zweites, als im Mai 1921 die mehrfache Eidesverweigerung eines Postbetriebsassistent von der Reichsdisziplinarkammer in Arnsberg nicht als Disziplinarvergehen beurteilt wurde.88 Die Argumentation des Gerichts war ganz ähnlich wie in Hamburg, auch hier bezog man sich auf die Gewissensfreiheit, die einen Eideszwang nicht zulasse. Die Arnsberger Richter gingen jedoch noch einen Schritt weiter, indem sie die Eidesverweigerung »lediglich als Geltendmachung [des] in Artikel 118 der Reichsverfassung gewährleisteten Rechts der freien Meinungsäußerung« bezeichneten, »dessen Ausübung [dem Angeklagten] nicht zum Vorwurf eines Dienstvergehens gemacht werden kann«. Die Urteilsbegründungen der genannten Disziplinarverfahren machen die Problematik des Treueides in der jungen Weimarer Republik deutlich. Ganz klar wird hier, dass es sich bei »Treue« eben nicht um eine klar definierte juristische Norm handelte, sondern um eine kulturgeschichtliche Kategorie. Ein solches kulturelles Deutungsmuster blieb über den politischen Systemwechsel im Bewusstsein der Zeitgenossen in seiner »alten« Interpretation erhalten. Indem die neue Regierung nach dem Systemwechsel gerade jenen im Kaiserreich so wichtigen Topos der »Treue« zentral in die Formulierung des Beamteneides stellte, waren Konflikte vorprogrammiert. Gleichwohl blieben die beiden zitierten Gerichtsurteile Einzelfälle.89 Spätere disziplinarrechtliche Verfahren sahen es als Pflicht der Beamten an, den Eid in der vorgeschriebenen Form zu leisten. Zwar betonten auch diese Urteile häufig, dass der Eid in seiner Formulierung missverständlich sei.90 Doch verwiesen die Gerichte nach den ersten beiden Urteilen auf die Position der Reichsregierung und definierten »Treue« im eingeschränkten Sinne des »Beobachtens« der Verfassung und des Unterlassens verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Amt:91 88 Urteil der Reichsdisziplinarkammer in Arnsberg vom 24.5.1921, BArch 1501/102354, Bl. 237–239. 89 In einem weiteren Verfahren wurde die Dienstentlassung eines Angeklagten aufgrund seiner Eidesverweigerung als unrechtmäßig zurückgenommen und die Dienststelle zur nachträglichen Zahlung seines Einkommens verurteilt. Zwar war die Argumentation in diesem Fall eher formal, doch wurde die Eidesverweigerung letztlich auch hier toleriert. Vgl.: Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14.6.1921, BArch R 1501/102354, Bl. 253–258. Siehe auch das Urteil des Disziplinar-Senates eines Kammergerichts [Ort nicht feststellbar] gegen den Notar Gerhard Dütschke vom 7.2.1922, BArch R 1501/102354, Bl. 344–352. 90 Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts gegen den Gutsvorsteher Rittergutsbesit­ zer Gerhard von Maltzahn zu Wodarg vom 30.3.1922, BArch R 1501/102354. 91 Urteil des Reichsdisziplinarhofes Leipzig gegen den Postbetriebsassistenten Friedrich Kuhn vom 5.12.1921, BArch R 1501/102354, Bl. 290–294.

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Treue sei als eine »Bindung mehr äußerlicher Art« zu verstehen, die »die innere Gesinnung des Verpflichteten unberührt lässt.«92 Der Verfassungseid wurde damit gleichgesetzt mit dem sekundären Verfassungseid der konstitutionellen Monarchie, also jenem Teil des Diensteides vor 1918, in dem der Beamte versprochen hatte, die Verfassung zu beobachten. Die Weimarer Reichsverfassung, der im Verfassungseid der Weimarer Republik Treue geschworen wurde, trat in dieser Interpretation gerade nicht an die Stelle des Monarchen, obwohl diesem im Kaiserreich die Formulierung »ich schwöre Treue…« gegolten hatte.93 In diesem Zusammenhang kam es auch zu Versuchen, den Begriff der »Treue« neu zu definieren: So hieß es etwa in der Urteilsbegründung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts im Verfahren gegen einen Gutsvorsteher vom 10. November 1921, der wegen Eidesverweigerung zur Dienstentlassung verurteilt wurde: »Der Ausdruck ›Treue geloben‹ wird aber im deutschen Sprachgebrauch auch noch in einem anderen Sinne angewendet [als im personalen Treueverständnis der Monarchie, d. Vf.]. Man kann z. B. Treue geloben und halten einer Idee, dem gegebenen Wort, einem Vertrage usw. Hier bleibt der lehnsrechtliche Gedanke der Bindung von Person zu Person völlig ausgeschaltet.«94 Dies entsprach dem Versuch, der »Treue« einen neuen Inhalt zu geben.95 Dieser Treuebegriff jedoch war ein halbherziger, der es weder in rechtlicher noch in emotionaler Hinsicht mit dem überlieferten personalen Treuebegriff aufnehmen konnte. Zu fremd war den Zeitgenossen die Vorstellung, einer Verfassung »treu« zu sein, die gemäß ihres Artikels 76 jederzeit auf legalem Wege abzuändern war.96 Die zögerliche Neudefinition von »Treue« entwickelte sich weiter, als die Disziplinargerichte angesichts der Bedrohungen durch linken und rechten Terror in den ersten Nachkriegsjahren daran gingen, die Treuepflicht der Beamten zu konkretisieren. Bei den in diesem Zusammenhang gefällten Urteilen ging es inhaltlich nicht mehr um den Verfassungseid, vielmehr standen hier Beleidigungen führender Politiker durch Beamte im Zentrum.97 Dennoch waren die Urteile auch für das Verständnis des Verfassungseides relevant. Die Gerichte kamen nämlich zunehmend zu dem Schluss, dass Beamte nicht nur innerhalb ihres Dienstes, sondern auch außerhalb der Dienstzeit zusätzlich zu den geltenden Gesetzen auch disziplinarrechtlichen Bestimmungen unterworfen seien.98 Daraus wurde die Notwendigkeit einer gewissen Zurückhaltung in der politi-

92 Die Rechtsprechung des Reichsdisziplinarhofs, S. 200 f. sowie Schulze, Die Rechtsprechung des Reichsdisziplinarhofs, S. 105/115, zitiert nach Schrader, Verfassungstreue, S. 194, FN 35. 93 Schrader, Verfassungstreue, S. 195. 94 Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts gegen den Gutsvorsteher Rittergutsbesit­ zer von Bonin vom 10.11.1921, BArch R 1501/102354, Bl. 332–336. 95 So auch Schmahl, S. 54. 96 Schrader, Verfassungstreue, S. 195. 97 Vgl. die verschiedenen Urteile des Reichsdisziplinarhofs und des Preußischen Oberverwaltungsgerichts von Ende 1921, aufgeführt bei: ebd., S. 56. 98 Ebd., S. 57.

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schen Betätigung, eine Enthaltung von Beleidigungen und Gewalt gegenüber den Inhabern öffentlicher Ämter abgeleitet und die verfassungsgemäß garantierten politischen Freiheiten der Beamten damit erstmals eingeschränkt. Diese Entwicklung entsprach in Ansätzen auch der Entwicklung im Staatsrecht, das sich ebenfalls intensiv mit der Frage nach der politischen Meinungsfreiheit von Beamten auseinandersetzte. Gerade demokratische Staatsrechtslehrer konnten sich nur langsam durchringen, die Grundrechte (wie Meinungs- oder Gewissensfreiheit) unter den »Vorbehalt der staatlichen Daseinsnotwendigkeit« zu stellen.99 Der Konflikt um die Grenzen der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit spiegelt sich in der Problematik des Verfassungseides beispielhaft. Die Antworten, die darauf von Politik, Recht und Wissenschaft gefunden wurden, können in der Rückschau wohl nur als »uneinheitlich und nicht gefestigt« beurteilt werden.100 Die Disziplinarurteile von Hamburg und Arnsberg, in denen die Verwei­ gerung des Verfassungseides nicht als Disziplinarvergehen beurteilt wurde, blieben zwar in der Minderheit gegenüber späteren Entscheidungen, die die Dienstentlassung eidverweigernder Beamte für rechtens erklärten, doch hatten sie 1920/21 spürbare Konsequenzen. Vor allem führten sie der Reichsregierung die Brisanz des Konflikts um den Eid vor Augen.101 Wenn es Beamten möglich war, den Treueid auf die Verfassung zu verweigern, und dennoch im Amt zu verbleiben, so war dies nicht nur ein Verstoß gegen althergebrachte Beamtentreupflichten. Es ging vielmehr grundsätzlich um die Frage, ob die Republik in der Lage war, autoritativ an die Stelle der Monarchie zu treten. Dass dies nicht nur von gesetzlichen Regelungen abhing, zeigen die beiden Urteile. Es ging bei der Frage um die Vereidigung der Beamten im Kern um Vorstellungen davon, was Herrschaft ausmachte und wie sich politische Loyalität bildete. Die Reichsregierung beschloss, gegen die beiden Urteile vorzugehen. Man bat die Hamburgische Regierung, die betroffenen Beamten erneut aufzufordern, den Eid zu leisten, diesmal mit klarem Verweis darauf, dass der Eid sich nur auf das Verhalten im Amt und das Beobachten der Verfassung beziehe,102 und gegebenenfalls ein neues Disziplinarverfahren anzustreben. Die Auseinandersetzung zog sich über Jahre hin, bis schließlich alle Beamten, bis auf den Reformpädagogen Max Tepp, den Eid leisteten. Tepp wurde aus dem Staatsdienst

99 Vgl. Groh, S. 450. 100 Hermann, S. 162. 101 Vgl. die kleine Anfrage im Reichstag durch Otto Wels und Hermann Müller (beide SPD), in der nach Reaktionen der Reichsregierung auf Eidesverweigerungen gefragt wurde. Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung Drucksache Nr. 2659 vom 10.9.1921, BArch R 3901/20509. Siehe auch: N. N., Die Verweigerung des Treueides. 102 Schreiben des Reichsinnenministers an den Staatssekretär in der Reichskanzlei, 23.9.1921, BArch R 43 I/1864, Bl. 257. Siehe auch: Beantwortung der Anfrage N. 1022 der Abgeordneten Wels und Müller durch Reichsinnenminister Gradnauer, Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung Drucksache Nr. 2698, BArch R 3901/205090, Bl. 100.

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entlassen.103 Gleichzeitig begann man Statistiken der erfolgten Vereidigungen anzulegen. Jedes Ministerium wurde aufgefordert, den aktuellen Stand der Vereidigungen beziehungsweise Verweigerungen nachzuweisen. Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Eidesverweigerer kontinuierlich sank. Über kurz oder lange erklärten sich die allermeisten Eidesverweigerer unter dem Druck wirtschaftlicher Erwägungen bereit, den Eid doch noch zu schwören.104 Schließlich trieben die beiden Urteile auch eine disziplinarrechtliche Neuregelung voran. Nach den Erfahrungen mit der abwartenden Haltung der Beamtenschaft im Kapp-Lüttwitz-Putsch, bei der die »Treue« der Beamten sich auf »das Minimum dessen, was man von Beamten überhaupt verlangen konnte, nämlich den bloßen Gehorsam gegenüber den legalen Gewalten«, beschränkt hatte,105 wuchs in der Reichsregierung das Bewusstsein, dass der Konflikt um den Eid gelöst werden musste und die Bindung der Beamten an die Republik neu zu definieren war.106 Im Januar 1922 betonte der SPD-Politiker und Reichsministerpräsident von 1919 Philipp Scheidemann dies auch im Reichstag: »Dass Beamte, die sich weigern, den Eid auf die Republik zu leisten, […] nicht sollten entlassen werden können, zwingt uns die Frage auf, ob nicht schnellstens das Beamtenrecht gründlich revidiert werden müsste.«107 Die verschiedenen Vorentwürfe zum Gesetz zum Schutz der Republik enthielten Verweise auf das Problem der Eidesverweigerung.108 Im Januar 1922 103 Vgl. Senatskommission für Reichs- und auswärtige Angelegenheiten der Hansestadt Hamburg an das Reichsinnenministerium, 10.3.1922 sowie 30.6.1922 BArch R 1501/102354 und die Verhandlungen gegen den letzten eidverweigernden Beamten: Urteil der Disziplinarkammer Hamburg in der Disziplinarsache gegen den Volksschullehrer Max Ernst Paul Tepp vom 16.12.1922, vgl. BArch R 1591/102354, Bl. 424–428. Vgl.: Dudek, S. 195–269. 104 Die Reichsregierung fragte den Vereidigungsstand seit Ende 1919 jährlich bei den einzelnen Ministerien nach. Vgl. Reichspostminister an den Reichsinnenminister, 25.3.1920, BArch R 1501/102354, Bl. 159; Reichsarbeitsminister an den Reichsinnenminister, 28.3.1921, BArch R 43 I/1864, Bl. 257; Reichsfinanzminister an den Reichsinnenminister, 16.12.1921, BArch R 1501/102354, Bl. 275; Hauptversorgungsamt Stettin an Reichsinnenministerium, 30.12.1922, BArch R 3901/20509, Bl. 163. 105 Schmahl, S. 51. 106 So heißt es etwa in einem Telegramm des Reichsinnenministers an die Reichsministerien: »Für die Bearbeitung des Gesetzes zum Schutze der Republik […] bitte ich ergebenst um tunlichst umgehende Mitteilung, ob im dortigen Ressort noch Beamte vorhanden sind, die den Verfassungseid verweigert haben.« Brieftelegramm Reichsinnenminister, 1.12.1921, BArch R 43 I/1864, Bl. 301. 107 Scheidemann im Reichstag, Protokoll der 163. Sitzung der Verfassunggebenden Nationalversammlung, 30. Januar 1922, S. 5654, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w1_ bsb00000036_00385.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 108 Ein Antrag der USPD vom 27. September 1921 formulierte explizit, dass einer Eidesverweigerung die unmittelbare Dienstentlassung, und zwar ohne Disziplinarverfahren, und der Verlust aller Ruhegehaltsansprüche folgen sollte. Vgl. Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung Drucksache Antrag Nr. 2701: Gesetz zum Schutze der Republik, Reichstag I. Wahlperiode 1920/21, BArch R 43 I/1864. Der Antrag wurde an den Rechtsausschuss überwiesen, dort aber nicht behandelt. Vgl. Jasper, S. 48 f. Vgl. auch: Gusy.

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legte das Reichsinnenministerium einen Vorentwurf vor, der den Eid ins Zentrum stellte. Man sah darin vor, den Verfassungseid künftig »vor Dienstantritt« schwören zu lassen.109 Auf diese Weise hoffte man, Komplikationen, wie sie aus den Eidesverweigerungen der Vergangenheit entstanden waren, verhindern zu können, indem im Falle der Eidesverweigerung die Anstellung unmittelbar für nichtig erklärt würde. Außerdem definierte der Gesetzentwurf als Teil der beschworenen Treue der Beamten, »dass der Beamte sich außerhalb seiner Amtstätigkeit um die Achtung vor der Verfassung« zu kümmern habe.110 Eine Besprechung im Reichsinnenministerium am 17. Januar 1922 zeigte die Skepsis der Ländervertreter gegenüber einem solchen Gesetz, insbesondere gegenüber dem Versuch, ein positives Engagement für die Verfassung zu erwirken.111 Aufgegriffen wurde in der Besprechung allerdings der Vorschlag, »die Aushändigung der Anstellungsurkunde als formalem Akt mit der Eidesleistung« zu verbinden. »Auf diese Weise könne der Fall der Eidesverweigerung durch Beamte nicht mehr eintreten.«112 Nach heftigen Debatten im Reichstag wurde das Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik am 22. Juli 1922 verabschiedet. Das Reichs­ beamtengesetz wurde dahingehend geändert, dass es in Paragraf 3 nun hieß: »Jeder Reichsbeamte ist auf die Reichsverfassung […] eidlich zu verpflichten. Die Eidesleistung soll bei der Aushändigung der Bestallung oder dem Dienstantritt stattfinden, spätestens in unmittelbarem Anschluss an den Dienstantritt. Wird sie verweigert, so ist die Ernennung des Beamten in seinem Rechtsverhältnis zum Reich nichtig.«113 Mit dieser Regelung sollte Eidesverweigerungen in Zukunft so weit als möglich vorgebeugt werden, da man eben schon zum Zeitpunkt des Diensteintrittes feststellen konnte, ob der Anwärter bereit war, den Eid zu leisten. In normativer Hinsicht, bezogen auf die inhaltliche Definition der »Treue« zur Reichsverfassung, entwickelte das Gesetz ein Konzept, das weiter ging als es das Treueverständnis der Republik bisher getan hatte. Im Dienst hatten Beamte nun die Pflicht, »für die verfassungsmäßige republikanische Staatsgewalt einzutreten«. Darüber hinaus hatten sie sich außerhalb des Dienstes monarchistischer Bestrebungen sowie aller Aktivitäten, Beschimpfungen, Beleidigungen usw. gegen die Republik oder ihre Vertreter zu enthalten.114 Die verfassungsgemäß garantierten Freiheiten der Beamten (Artikel 130, Absatz 2 der

109 Siehe hierzu auch: Keuthen, S. 24–26. 110 Vorentwurf eines Gesetzes über die Verpflichtung der Beamten zum Schutz der Verfassung, Referat A 11480, BArch R 43 I/1864, Bl. 323. 111 Jasper, S. 54. 112 Niederschrift der Beratung über den Vorentwurf eines Gesetzes über die Verpflichtung der Beamten zum Schutze der Verfassung im Reichsministerium des Innern, 17.1.1922, BArch R 43 I/1864, Bl. 343. 113 Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik (21.7.1922). 114 Vgl. zum Gesetz zum Schutz der Republik: Jasper, S. 56–92; zu den beamtenrechtlichen Regelungen: Schmahl, S. 63–70; Schrader, Verfassungstreue, S. 202–210.

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Weimarer Reichsverfassung), die ihnen Gesinnungs- und Vereinigungsfreiheit gewährt hatten und damit erheblich weiter gegangen waren als die konstitutionelle Monarchie, waren mit dem Gesetz zum Schutz der Republik in gewisser Weise wieder beschnitten worden und die Grenzen, die diesen Freiheiten durch die normativ festgelegten Beamtenpflichten gezogen wurden, stärker bestimmt. Damit hatte auch der Eid letztlich eine neue Interpretation erfahren: Nun ging es, nach all den Beteuerungen der Vergangenheit, eben doch darum, Beamte in positivem Sinne auf die Republik zu verpflichten.115 Mit dem Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik hatte der Konflikt um die Eidesverweigerung seinen Abschluss gefunden. In der Folgezeit kam es nicht mehr zu politisch motivierten Verweigerungen, was allerdings auch daran lag, dass nunmehr keine »Altfälle« mehr vorlagen. Sämtliche Beamten aus dem Kaiserreich hatten den Eid mittlerweile geleistet oder waren aus dem Dienst ausgeschieden. Die neu einzustellenden Beamten wurden entsprechend der Rechtslage unmittelbar vereidigt – oder eben unmittelbar entlassen. Gleichzeitig war das Verständnis von »Treue« formal-rechtlich geregelt und es gab eine disziplinarrechtliche Handhabe gegen republikfeindliche Beamte. Damit war das primäre Ziel der Reichsregierung erfüllt: Die Beamten leisteten den geforderten Verfassungseid. Nur war dem Zweck, den die Reichsregierung mit dem Eid wohl hatte erfüllt sehen wollen, damit kaum gedient. »Treu«, im alten Verständnis, waren dieser Reichsverfassung tatsächlich längst nicht alle Beamten, die den Eid geschworen hatten. Wenn sie fortan nicht nur im Amt, sondern auch außerhalb der Dienstzeit jede Agitation gegen Verfassung und Reichsregierung zu unterlassen hatten, so bedeutete dies doch keine innere Verbundenheit. Eine staatstragende Gruppe, die eine solche innere »Treue« gegenüber dem Dienstherrn als Teil ihres historischen Selbstverständnisses geradezu von sich aus verlangte, in diesem emotionalen Bedürfnis nicht zu unterstützen, musste die Beziehung zwischen den Beamten und der jungen Republik zusätzlich belasten. Wenn auch eine Lösung für das Problem der Treue im Widerstreit zwischen personalem Treueverständnis der Monarchie und einem »modernen« Verständnis nicht einfach zu entwickeln war, so war der Umgang der Reichsregierung mit dem Konflikt, in den sie sich selbst durch die sprachliche Formulierung des Eides gebracht hatte, dennoch problematisch. Die Hinwendung zu einem umfassenderen Verständnis von »Treue« im Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutz der Republik kam zu spät – und war zuvor zu lange von einer Haltung konterkariert worden, die gebetsmühlenartig wiederholte, dass es sich bei der beschworenen Treue nur um ein »Beobachten« der Verfassung handele. Man suchte das, was man bislang über den Eid selbst zu erreichen versucht hatte, nämlich die innere Bindung an den Staat zu stärken, nun über eine gesetzliche Regelung zu erzwingen. Hier zeichnete sich ein »Gesetzlichkeits-Modell« ab, das politische Loyalität anders definierte als das überkom115 In diesem Sinne auch: Saam, S. 160 f.

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mene »Treuepflicht«-Modell.116 Rein normativ bedeutete dies eine Objektivierung, die bemüht war, die emotionale Aufladung des Themas einzuschränken. Über die rein juristische Lösung hinaus war die Frage nach der Treue von Beamten damit jedoch nicht beantwortet. Die Problematik des Verfassungs­ eides in der Weimarer Republik war letztlich Teil des – wie Kurt Sontheimer es genannt hat – »Führerproblems in der Weimarer Republik«.117 Wie in einem Brennspiegel zeigt sich am Problem des Eides, dass die Weimarer Demokraten dem Problem der »Führerlosigkeit« auf Seiten der Antidemokraten eine zu geringe Bedeutung eingeräumt haben. Den personalen Eid durch eine normativ-rechtliche Regelung zu ersetzen, unterschätzte die Emotionalität, die sich im Treueid als dem Symbol der persönlichen Herrschaft manifestierte. Die Tatsache, dass die Beamtenschaft in weiten Teilen auch nach der Revolution konservativ geprägt blieb, ließ diese Sehnsucht nach personaler Bindung, die die Weimarer Rechte insgesamt prägte, in der Verwaltung lebendig bleiben. Dabei beschränkte sich diese Sehnsucht nicht allein auf die ältere Generation von Beamten, jene vor 1890 Geborenen, die noch vom Wertekanon und den Gesellschaftsvorstellungen des Kaiserreichs geprägt worden war. Die später Geborenen, bis hin zur »Generation der Sachlichkeit« der nach 1910 Geborenen,118 die erst in der Spätphase der Weimarer Republik ins Berufsleben eintraten, standen zwar der Emotionalität der Älteren skeptisch gegenüber; bei einer häufig konservativen Grundhaltung jedoch definierten auch sie »Treue« als persönliche Bindung an einen »Führer«.119 Man mag es als Fehler bezeichnen, dass die Weimarer Demokraten jenes Ritual, das für die Antidemokraten als Sinnbild persönlicher Treue stand – den Eid – für die Festigung der republikanischen Ordnung nutzen wollten. Doch ließ ihnen gerade die Bedeutung, die der Eid in der Gesellschaft des Kaiserreichs und im Selbstverständnis der Beamten gehabt hatte, keine andere Wahl, als an ihm als Mittel der Herrschaftssicherung festzuhalten. Ein Verzicht auf den Eid wäre dem Verzicht auf die mit ihm verbundene politische Loyalität gleichgekommen. Doch führten die Demokraten gleichzeitig den Kampf um den Eid nur halbherzig, selbst verfangen in alten Konzepten und ohne die Kraft für eigene, demokratische Deutungen. Dies ließ den Versuch der Einführung eines Verfassungseides weitgehend scheitern – auch wenn der Eid formal bis 1933 fortexistierte. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie eine Alternative im Umgang mit dem Verfassungseid hätte aussehen können: Gab es Konzepte oder Ansätze, die aus dem ungeliebten Verfassungseid doch noch so etwas wie einen Orientierungspunkt für staatsbürgerliche »Treue« hätten werden lassen können? Und 116 Zur Unterscheidung zwischen den beiden Modellen vgl.: Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung als Problem, S. 9. 117 Sontheimer, S. 221 f. Siehe auch: Schreiner. 118 »Generation der Sachlichkeit« nach Herbert, Best, S. 42–45. 119 Zur Generationenproblematik in der Weimarer Republik vgl. immer noch Peukert, S. ­25–31, sowie u. a.: Götz von Olenhusen; Mommsen, Generationskonflikt und Jugend­ revolte; ders., Generationskonflikt und politische Entwicklung; Stambolis.

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gab es im weiteren Verlauf der Geschichte der Weimarer Republik vielleicht doch Momente, in denen eine alternative Bedeutung des Eides auf die Republik aufschien, möglicherweise auch nicht mehr im engeren Kontext des Beamteneides?

3.4 An Rhein und Ruhr: Der Eid als Druckmittel im deutsch-französischen Konflikt Die verantwortliche Politik der Weimarer Jahre betrachtete den Verfassungseid nicht anders als dies in den Jahren des Kaiserreichs der Fall gewesen war: Er erschien letztlich als ein Mittel, politische Herrschaft zu sichern und das politische System zu stabilisieren. Es gehörte zum souveränen Anspruch des Staates, einen Treueid zu verlangen, und Aufgabe des Eides war es nicht zuletzt, die staatliche Souveränität zu festigen. Diese Grundhaltung wurde 1923, also etwa zu dem Zeitpunkt, als sich die innenpolitische Auseinandersetzung um den Verfassungseid beruhigt hatte, aber auch klar geworden war, dass die Bedeutung eines solchen Eides weder verwaltungsintern noch in der Öffentlichkeit unterschätzt werden konnte, noch einmal auf die Probe gestellt. Es ging dabei jedoch nicht um das Verhältnis zwischen Herrschaft und Verwaltung im nationalen Raum, sondern um die Verfügungsgewalt über die Verwaltung im besetzten Gebiet an Rhein und Ruhr. Im Kontext des Ruhrkampfes wurde die deutsche Regierung in Berlin konfrontiert mit den Ansprüchen der Franzosen, Beamten im besetzten Gebiet einen eigenen Treueid abzuverlangen. Hier zeigt sich, dass der Eid, dessen Ableistung letztlich Herrschaft anerkannte und Loyalität generieren sollte, auch im übernationalen Kontext Bedeutung entwickeln konnte. Die Möglichkeit, die Verwaltung eines besetzten Gebietes zu kontrollieren, bedeutet im Herrschaftsgefüge einer Besatzung einen entscheidenden Vorteil. Insofern erwies sich gerade das Verhältnis zwischen französischen Besatzungsinstitutionen und deutscher Verwaltung als konfliktträchtig. Grundsätzlich sahen die Regelungen des Versailler Vertrages die fortbestehende Ober­hoheit des Deutschen Reichs über die Zivilverwaltungen der besetzten Gebiete vor.120 Als Vermittlungsinstitution zwischen Besatzungsbehörden und den deutschen Verwaltungsstellen trat der »Interalliierte Hohe Ausschuss für die Rheinlande« / »Haute Commission interalliée des territoires rhénans« (HCITR), kurz Interalliierte Rheinlandkommission (IRKO) mit Sitz in Koblenz auf.121 Diese reine Mittlerfunktion wurde jedoch in »Ausnahmesituationen« (deren Kriterien nicht weiter festgesetzt waren) außer Kraft gesetzt, in denen die IRKO den Ausnahmezustand ausrufen und Regierungsfunktionen übernehmen konnte.122 120 Siehe hierzu und zum folgenden: Romeyk, S. 91. 121 Vgl. Reimer, Rheinlandfrage und Rheinlandbewegung, S. 187. 122 Ebd., S. 188.

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Die IRKO war klar von französischen Interessen dominiert.123 Die Franzosen stellten grundsätzlich den Präsidenten der Kommission (in Person des Hochkommissars Paul Tirard), dem wiederum im Falle der Stimmengleichheit bei Abstimmungen eine zusätzliche Stimme zukam. Über den Erlass von eigenen Rechtsverordnungen (Ordonnanzen) verfügte die IRKO gewissermaßen über Gesetzgebungsfunktionen, und auch im Bereich der Verwaltung kamen der Kommission entscheidende Rechte zu. So nahm sich die IRKO mit der Ordonnanz Nr. 29 vom 13. Juli 1920 das Recht, gegen »Veränderungen in der Beamtenschaft des Besatzungsgebietes« (Ernennungen, Versetzungen, Beurlaubungen, Pensionierungen) Einspruch zu erheben und gleichzeitig Absetzungen von Beamten vornehmen zu können. Aus dieser Konstellation ergaben sich erhebliche Probleme und Konflikte, die sich im Kern um die politische Loyalität der Beamten in den besetzten Gebieten drehten. Dass diese Loyalität nicht nur, aber auch mit dem Verfassungseid der Beamten verbunden war, war offensichtlich auch den Franzosen klar. Im August 1919, als der Verfassungseid durch die Verordnung des Reichspräsidenten erlassen worden war, versuchten die Franzosen, den Beamten in den besetzten Gebieten die Ableistung des Eides zu verbieten. So ließ die französische Militärverwaltung des Niederlahnkreises am 29. August 1919 per Bekanntmachung mitteilen, »dass den deutschen Beamten die Ablegung des neuen Eides unter Androhung schwerer Strafen verboten ist.«124 Auch wenn diese Anordnung vermutlich eher ein regionaler Einzelfall war und sich in dieser Konsequenz nicht durchhalten ließ, scheint bereits hier die Bedeutung des Eides im Konflikt zwischen Frankreich, Deutschland und der Verwaltung der besetzten Gebiete auf. Ihren Höhepunkt fand dieser Kampf um die Loyalität der Beamten in der Besetzung des Ruhrgebietes 1923.125 Im Kern des Konfliktes standen die Eisenbahner des Ruhrgebietes, da ihre Mithilfe unabdingbar war, um die »Pfand«-Kohle aus dem Ruhrgebiet abzutransportieren. Der von der deutschen Regierung ausgerufene passive Widerstand richtete sich anfangs vor allem an die Eisenbahner.126 Die französische Militärverwaltung reagierte auf die Arbeitsverweigerung mit massiven Strafandrohungen,127 führte schließlich im März 1923 eine Eisenbahnverwaltung unter eigener »Regie« ein und versuchte die deutschen Eisenbahner mit allen 123 Bariéty, S. 12. 124 Rheinische Zeitung, 30.8.1919. Das Verbot, den Verfassungseid abzuleisten, galt im Übrigen auch im oberschlesischen Abstimmungsgebiet. Auch hier hatte die interalliierte Kommission es den Beamten untersagt, den Eid zu leisten. Vgl. Schreiben des Reichsministers des Inneren an die obersten Reichsbehörden, 19.9.1922, BArch R 41/509. 125 Zur Ruhrkrise vgl. für einen ersten Überblick: Fischer; Krumeich. 126 Zum passiven Widerstand umfassend: Müller, Passiver Widerstand. 127 Ordonnanz Nr. 147 vom 26.2.1923, zitiert nach: Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik: Das Kabinett Cuno, Ministerbesprechung vom 2.3.1923, http://www.bundesarchiv. de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/cun/cun1p/kap1_2/kap2_89/para3_3.html (zuletzt abgerufen am 20.01.2020).

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Mitteln von Gewalt bis Propaganda zum Arbeiten zu bringen.128 Die deutsche Regierung reagierte auf diese Maßnahmen nicht nur mit der Aufrechterhaltung des passiven Widerstands, sondern man bemühte sich auch rhetorisch, die Eisenbahner an ihren Eid und ihre beschworene Treue zu erinnern. Reichspräsident Ebert sprach den Eisenbahnern etwa im April 1923 seine Solidarität aus: »Durch harte Bedrückung, brutale Verfolgung und arglistige Verlockung suchen sie [die Franzosen, d.Vf.] […] mit aller Macht deutsche Eisenbahnbeamte und -arbeiter auf ihre Seite zu ziehen, Eid und Pflicht, Recht und Gesetz, Völkerrecht und Vertrag mit Füßen zu treten. All dem haben die deutschen Eisenbahner ihr stummes, unbezwingliches ›Nein‹ entgegengestellt. Trotz aller Drohungen, trotzend den sich von Woche zu Woche steigernden Quälereien und unangefochten von verführerischen Versprechungen, bleiben sie standhaft, bleiben sie treu ihrer beschworenen Pflicht, ihrem Vaterland und ihrem Volke.«129 Der Eid diente hier als rhetorisches Mittel, die Reihen der Eisenbahner angesichts des französischen Drucks geschlossen zu halten. Dass der Eid in diesem deutsch-französischen Konflikt tatsächlich bindende Kräfte entwickeln konnte, zeigt etwa die Haltung der deutschen Beamten gegenüber den separatistischen Bewegungen in den besetzten Gebieten. In Wiesbaden verweigerten die höheren und mittleren Beamten die Zusammenarbeit mit den Separatisten. Martin Schlemmer hat darauf hingewiesen, dass der geleistete Eid dabei eine entscheidende Rolle gespielt zu haben scheint.130 Er zitiert den stellvertretenden Regierungspräsidenten von Wiesbaden, Oberregierungsrat Gustav Springorum, der in einem Schreiben an den Oberbefehlshaber der X. französischen Armee in Mainz klarstellte: »Die Bevölkerung will […] die Treue zum deutschen Vaterland bewahren, zu dem sie im Glück wie im Unglück hält. Uns Beamte verpflichtet hierzu neben unserem deutschen Heimatgefühl ganz besonders unser Diensteid.«131 Auch die mittleren Beamten verkündeten bei einem Treffen mit dem französischen Oberdelegierten, dass sie die »Rheinische Republik« nicht anerkennen und keinesfalls mit den Separatisten zusammenarbeiten könnten, »da sie als preußische Beamte den Eid auf die Reichs- und Preußische Verfassung geleistet hätten und dass sie diesem Eid treu blieben«.132 Das Beispiel Wiesbaden lässt sich offenbar auch auf die anderen besetzten Gebiete verallgemeinern, in denen es höchstens und auch das eher selten, subalterne

128 Vgl. etwa die propagandistische »Gegenschrift« aus deutscher Perspektive: Das französische Eisenbahnregime im Ruhrgebiet. 129 Offener Brief des Reichspräsidenten an die deutschen Eisenbahner im besetzten und im Einbruchsgebiet, 8.4.1923, zitiert nach: Das französische Eisenbahnregime im Ruhrgebiet, S. 20. 130 Schlemmer, S. 379–383. 131 Müller, Preußischer Adler und Hessischer Löwe, Nr. 140, S. 211. Zitiert nach: Schlemmer, S. 379–383. Zur Besetzung Wiesbadens siehe auch: Munz. 132 Bericht über eine Besprechung mit dem franz. Oberdelegierten Marquis de Lilliers am 1.11.1923, zitiert nach: Schlemmer, S. 380, FN 1718.

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Beamte waren, die sich den Separatisten anschlossen.133 Natürlich kann man auch in diesem Fall die tatsächliche Bindungskraft des Eides beim einzelnen Beamten kaum messen. Die Gründe, warum der Einzelne sich gegen eine Zusammenarbeit mit den Separatisten entschied, waren vielschichtiger, als es ein Bezug auf den Eid allein nahelegt. Dienstanordnungen von Seiten des preußischen Innenministers kamen hinzu,134 allgemeine Beharrungskräfte, politische Überzeugungen. Doch egal, welche Bedeutung der Einzelne dem Eid zumaß: in der Gesamtheit, in der öffentlichen und politischen Meinung wurde der Eid als Argument herangezogen und genutzt, um die politische Loyalität in Zeiten politischen Aufruhrs zu stärken – in Abgrenzung vom politischen Gegner, aber auch von der französischen Siegermacht des Ersten Weltkriegs. Als am 26. September 1923 das Ende des passiven Widerstandes kam, schien damit auch die Auseinandersetzung um die Loyalität der deutschen Beamten, vor allem der Eisenbahnbeamten beendet. Am 13. Oktober 1923 ordnete der Reichsverkehrsminister Rudolf Oeser (DDP) an, dass die Eisenbahner im besetzten Gebiet den Dienst unter der französischen Eisenbahnregie aufzunehmen hätten. Obwohl weiterhin im Dienst des Deutschen Reichs stehend, sollten sie nun für die französische Eisenbahnverwaltung tätig sein. Diese Niederlage, nur ein Teil des Scheiterns des passiven Widerstandes, war für die Reichsregierung an sich schon politischer Verlust genug. Doch nun, als man glaubte, den eigentlichen Konflikt mit einer Niederlage beendet zu haben, kam es zu einer neuen Auseinandersetzung. Denn die Franzosen planten, die deutschen Eisenbahnbeamten einen Eid leisten zu lassen.135 Am 29. September hatte der Reichsverkehrsminister den Reichspräsidenten über die französische Absicht informiert, die Eisenbahner anlässlich ihrer Wiederaufnahme der Arbeit einen Eid ablegen zu lassen. In diesem sollten sie schwören, »den alliierten Zivil- und Militärbehörden, insbesondere der Regie [gemeint ist die »régie des chemins de fer des régions occupées«, die französische Eisenbahnführung in den besetzen Gebieten, d. Vf.], in jeder Weise mit Eifer und Ergebenheit zu dienen«.136 Das Reichskabinett reagierte auf diese Forderungen mit großer Empörung. Ganz deutlich wurde, dass sich die deutsche Regierung in ihrer innen- und außenpolitischen Souveränität bedroht sah für den Fall, dass die französische Militärverwaltung deutschen – auf die Reichsverfassung vereidigten – Beamten

133 Ebd., S. 381. 134 Ebd. 135 Vgl. zum folgenden auch: Müller, Passiver Widerstand, S. 433–444. Im Saarland kam es zu ähnlichen Auseinandersetzungen. Hier hatten die Beamten nach dem Beamtenstatut vom 29. Juli 1920 »der Regierungskommission als Vertreterin des Völkerbundes Treue schwören« müssen. Vgl. Friesenhahn, Der politische Eid, S. 89, FN 25. 136 Ministerrat vom 1.12.1923, Anmerkung 7, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann II / II, Bd. 1, Dokument Nr. 97, Ministerratssitzung vom 1.10.1923, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/ kap1_2/kap2_97/index.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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einen promissorischen Eid abnehmen würde.137 Reichskanzler Gustav Stresemann (DVP) betonte, die Beamten seien »Träger der Souveränitätsrechte«, die sich das Deutsche Reich »ausdrücklich vorbehalten hätte […]«; daher könne eine »Aufgabe dieser ausdrücklich vorbehaltenen Souveränitätsrechte nicht zugestanden werden«. Eine »Ablehnung des Treueides« stehe außer Frage. Diese Position wurde über die Parteigrenzen hinweg geteilt: Auch wenn »schwerwiegende Maßnahmen Frankreichs« zu befürchten seien, könne man in der Eidesfrage, die »die Souveränität des Reichs« berühre, nicht nachgeben.138 Notfalls müsse man bereit sein, »die äußersten Konsequenzen zu ziehen«.139 Wie diese »äußersten Konsequenzen« jedoch aussehen könnten, blieb unklar. Dies lag nicht zuletzt an der außenpolitischen Hilflosigkeit der Reichsregierung. Nach dem Scheitern des passiven Widerstands blieben, auch angesichts der finanziell desaströsen Lage, kaum Handlungsoptionen. Presseveröffentlichungen trugen das Thema in die Öffentlichkeit. Daraufhin verweigerten etwa die Postbeamten des besetzten Gebietes die Wiederaufnahme der Arbeit nach dem Ende des passiven Widerstands, »solange der in den Zeitungen berichtete Treueid von den Eisenbahnern verlangt würde«.140 Unter den Eisenbahnern brach ein »Sturm der Empörung« los, der möglicherweise auch auf die Franzosen selbst Eindruck gemacht hat.141 Jedenfalls erschien rasch eine Pressemeldung, in der es hieß, »dass von den Eisenbahnern nicht ein Eid, sondern eine Dienstverpflichtung verlangt werde«. Der französische Botschafter Pierre de Margerie betonte im Gespräch mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Adolf von Maltzan, dass die französischen Behörden den Begriff »Eid« lediglich benutzt hätten, »um ihn den Deutschen, die an den Begriff Eid gewöhnt seien, verständlich zu machen. Es käme lediglich die Erklärung einer Dienstbereitschaft, wie sie in Frankreich von den ›Feldhütern‹ verlangt würde, in Frage; ein körperlicher Eid durch Anrufen Gottes, durch Benutzung der Bibel

137 Ebd. 138 Besprechung mit Parteiführern am 2.10.1923, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann II / II, Bd. 1, Dokument Nr. 99, http://www.bundesarchiv. de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_99/para3_1.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 139 So Stresemann bei einer Kabinettssitzung vom 30.9.1923, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann II / II, Bd. 1, Dokument Nr. 94, http://www. bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_94/para3_1. html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020) 140 Reichspostminister Anton Höfle (Zentrum) bei einer Kabinettssitzung vom 30.9.1923, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann II / II, Bd. 1, Dokument Nr. 94, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/ kap1_2/kap2_94/para3_1.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 141 Siehe Artikel in der Zeit, Nr. 231 vom 6.10.1923, zitiert nach: Kabinettssitzung vom 6.10.1923, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I / II, Bd. 2, Dokument Nr. 115, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/ str2p/kap1_1/kap2_1/para3_1.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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oder irgendeine andere feierliche Form käme bestimmt nicht in Frage.«142 Diese Erklärung rettete die Reichsregierung. Denn auch gegen einen Treueid hätte man kaum Handhabe gehabt, so aber konnte man wenigstens den Deckmantel der Souveränität aufrechterhalten. Am 8. Oktober 1923 erging daher die Anweisung an die Beamten im besetzten Gebiet, die Arbeit für die alliierten Behörden aufzunehmen: »Die Übernahme einer Dienstverpflichtung gegenüber den Dienststellen der Besatzungsmächte wird zugelassen, soweit es sich dabei nicht um einen einer fremden Macht zu leistenden politischen Treueid handelt.«143 Nachdem sich die Gemüter langsam beruhigt hatten, war es der Reichsregierung entsprechend »außerordentlich unangenehm«, dass der DNVP-Abgeordnete Reinhold Wulle im Februar 1924 eine Anfrage im Reichstag nutzte, um das Thema der eidlichen Verpflichtung der deutschen Beamten durch die alliierten Behörden wieder auf die Tagesordnung zu holen. Er verlas eine Verpflichtungserklärung, die »den aus dem besetzten Gebiet ausgewiesenen Zollbeamten bei ihrer Rückkehr zur Unterschrift vorgelegt würde: ›Er [der Beamte] verpflichtet sich förmlich und unter Eidesleistung, aufrichtig und mit Eifer und Ergebenheit den alliierten Behörden […] zu dienen […].« Wiederum musste man von Seiten der Regierung zugeben, dass »die Formulierung, dass der Beamte sich zu Treue und Ergebenheit gegenüber den Besatzungsmächten eidlich verpflichte, außerordentlich bedenklich [sei]. Man habe jedoch seinerzeit schon darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um einen den Besatzungsmächten zu leistenden Treueeid handle, und die Besatzungsmächte hätten ausdrücklich erklärt, dass dieser Eid eine unpolitische Verpflichtung sei.«144 Deutschnationale und Deutschvölkische sahen dies anders und legten, wo sie nur konnten, den Finger in die Wunde. Gerade wenn Stresemann immer wieder die deutsche Souveränität – und die Souveränität der deutschen Beamten – in den besetzten Gebieten als unabdingbare Voraussetzung jeder Verhandlungen über die Reparationen zugrunde legte, konterkarierten Abgeordnete wie Reinhold Wulle die »merkwürdige Vorstellung vom Grad dieser Souveränität, den Herrn Stresemann augenblicklich für das deutsche Volk in Anspruch nimmt«.145 142 Vgl. Kabinettssitzung vom 6.10.1923, in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I / II, Bd. 2, Dokument Nr. 115, FN 3, http://www.bundesarchiv. de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str2p/kap1_1/kap2_1/para3_1.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 143 Kabinettssitzung vom 10.10.1923 mit Verweis auf die Beamtenausweisung im besetzten Gebiet (FN 49), in: Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I/ II, Bd. 2, Dokument 125, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/ str/str2p/kap1_1/kap2_11/para3_7.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 144 Sitzung des Rhein-Ruhr-Ausschusses. Zusammenstellung der in der nächsten Zeit zu erörternden Punkte, Akten der Reichskanzlei, Weimarer Republik. Die Kabinette Marx II, Bd. 1, Dokument Nr. 128, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/ ma1/ma11p/kap1_2/kap2_128/para3_7.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 145 Reichstagsprotokolle, 1. Wahlperiode, 404. Sitzung, 29.2.1924, S. 12561, http://www.reichs​ tags​protokolle.de/Blatt2_w1_bsb00000045_00826.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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Hier zeigt sich ein zwiespältiges Antlitz des Eides. Angesichts einer außenpolitischen Bedrohung konnte der Eid höchste Bindekraft für die Beamten entwickeln. Gerade die Auseinandersetzungen um die Vereidigungen im besetzten Rheinland können als ein typisches Beispiel für die identitätsstiftende Wirkung des Schwurs dienen, der eine Gruppe gegenüber einer anderen definierte. Interessanterweise trat in diesem Kontext die Formulierung des Beamteneides von der »Treue der Reichsverfassung« völlig in den Hintergrund. Der Eid erschien nun als staatliches Machtmittel im außenpolitischen Konflikt mit den Franzosen; seine konkrete Formulierung, über die innenpolitisch keine Einig­keit hatte erzielt werden können, spielte dabei keine Rolle. Der Verfassungseid entfaltete hier starke Bindungskraft, jedoch weniger als Verfassungseid, sondern eher als nationales Bekenntnis zum Staat in seiner territorialen Integrität. Es gelang den Reichsregierungen jedoch nicht, diese Bindungskraft innenpolitisch nutzbar zu machen.146 National integrierend wirken konnte der Verfassungseid nach innen nicht, da hier wiederum über die konkrete Formulierung kein Konsens erzielt werden konnte. Dazu waren die politischen Lager in der Weimarer Republik zu heterogen und zu zerstritten. Sich gemeinsam unter dem »Dach« der Verfassung zu finden, war angesichts dieser Situation nicht möglich.

3.5 Der Eid des Reichspräsidenten als symbolischer Akt der Republik? Die Einführung des Verfassungseides hatte ursprünglich zum Ziel, die politische Loyalität der Beamten und Soldaten zur Republik zu stärken. Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass diese Absicht durch den massiven Widerstand der politischen Gegner gegen den Verfassungseid, aber auch durch den Umgang der verantwortlichen Politiker mit dem Konflikt konterkariert wurde. Und auch formal unterließ es die Republik, den Verfassungseid für sich zu nutzen. Denn es hätte durchaus die Möglichkeit gegeben, die Zeremonie der Eidesleistung durch eine feierliche Veranstaltung in ihrem Symbolcharakter zu betonen und den Eindruck bei den schwörenden Beamten zu verstärken. Natürlich eignete sich der Beamteneid im engeren Sinne auch zu anderen Zeiten weniger als etwa der Fahneneid, um mit einem Zeremoniell das Ritual öffentlichkeitswirksam oder in einer Massenveranstaltung zu inszenieren. In aller Regel fanden die Vereidigungen von Beamten in den Ministerien oder Verwaltungsräumlichkeiten statt, meist im Zuge der individuellen Anstellung. Doch im Sonderfall der Einführung des Verfassungseides, als alle Beamten neuvereidigt werden mussten, nutzte die Weimarer Republik diese massenhafte Neuvereidigung nicht, um dem Verfassungseid durch ein besonderes Zeremoniell 146 Siehe hierzu: Megerle.

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gesteigerte Bedeutung beizumessen. Den symbolischen Akt der Vereidigung durch gezielte Inszenierungen zu nutzen, um auf diese Weise eine emotionale Bindung zu erreichen, darauf verzichtete die Republik  – ganz im Gegensatz zum Nationalsozialismus, der eben diese emotionale Seite der Vereidigung geschickt propagandistisch einsetzte.147 Zwar ist die These von der »Symbolarmut« und dem »Repräsentationsdefizit« der Weimarer Republik mittlerweile auf den Prüfstand der historischen Forschung geraten,148 doch zumindest für den Verfassungseid lässt sich feststellen, dass die Republik – obwohl man Wert auf die »Durchvereidigung« der Beamtenschaft legte – die formale Ausgestaltung des Rituals unbeachtet ließ.149 Diese »Schlichtheit und Nüchternheit des neuen Zeremoniells« in Weimar, die sich auch bei der ja traditionell viel stärker zur öffentlichen Inszenierung geeigneten Vereidigung der Soldaten findet, ist in der Forschung als gewollt bezeichnet worden.150 Innerhalb der Reichswehr stieß diese Zurückhaltung immer wieder auf Kritik, so dass die äußere Form der Vereidigungen 1927 neu geregelt und in diesem Zuge auch etwas »ausgebaut« wurde.151 Immerhin jedoch gab es für die Soldaten überhaupt Ausführungsbestimmungen zum formalen Ablauf der Vereidigungen. Dies war für die Beamten nicht der Fall. Nähere Ausführungsbestimmungen für die Vereidigungszeremonien wurden nicht erlassen, abgesehen von der Bedeutung, die man in den Ministerien der tatsächlichen mündlichen Vereidigung zusprach, dass also jeder Beamte die Worte »ich schwöre Treue der Reichsverfassung« persönlich aussprach. Eine nur durch einen vorgesetzten Beamten »vorgesprochene« Eidesformel erschien dem Reichsinnenministerium als nicht zulässig – auch wenn sich Behörden an das Ministerium gewandt hatten mit der Befürchtung, dass »bei einem großen Beamtenkörper […] die Gefahr [bestehe], dass die Feierlichkeit der Handlung unter der gleichmäßigen Wiederholung derselben Worte leiden würde«.152 Jedenfalls spiegelt sich die Tatsache, dass die Vereidigung der Beamten der Weimarer Republik vom Reichsinnen­ ministerium penibel dokumentiert und damit ganz offensichtlich für bedeutsam gehalten wurde, in keiner Weise im Ritual selbst. Es gab nur einen politischen Eid in der Weimarer Republik, der zumindest in Ansätzen stärker im Sinne einer positiven Selbstdarstellung der Republik genutzt wurde. Der Eid des Reichspräsidenten war im Gegensatz zum Beamten- oder Fahneneid ein Eid, der bewusst in der Öffentlichkeit geleistet und dafür inszeniert wurde. Beide Male wurde er in der öffentlichen Wahrnehmung inhaltlich mit der Republik verknüpft. Im Eid des Reichspräsidenten fehlte die 147 Vgl. Kap. 4. 148 Rossol, Repräsentationskultur und Verfassungsfeiern, hier S. 263 / FN11. 149 Lange, Der Fahneneid, S. 263. 150 Ebd., S. 282. 151 Ebd., S. 283. 152 Vgl.: Schwarzburg-Sonderhäusisches Ministerium an den Reichsminister des Innern, 4.10.1919 in: BArch R 1501/102354.

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Formulierung »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«. Stattdessen schwor der Reichspräsident nach Artikel 42 Weimarer Reichsverfassung, »seine Kraft dem Wohl des deutschen Volks zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden, die Reichsverfassung und die Reichsgesetze zu wahren, seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben«.153 3.5.1 Der Eid Friedrich Eberts Am 21. August 1919 wurde Reichspräsident Ebert in einem feierlichen Festakt vereidigt.154 Dies war die erste Möglichkeit für die neuen Verantwortlichen, die junge Republik und ihre wenige Tage zuvor verabschiedete Verfassung vor den Augen der Öffentlichkeit zu feiern, und eine eigene, neue Tradition des öffentlichen Zeremoniells zu begründen. Die Vereidigung Eberts und das Inkrafttreten der Verfassung wurden als Anlass genutzt, um auf die geleistete Arbeit zurückzublicken, aber darüber hinaus auch, um die Verbundenheit mit der Republik in symbolischen Worten und Taten auszudrücken. Im Rückblick mag es erstaunen, dass sich unter allen möglichen Feiertagen, die für den Verfassungstag der Republik ins Auge gefasst wurden, nicht der 21. August befand. Während der 11. August, der Tag der Verfassungsunterzeichnung, und der 9. November, als Tag der Revolution, beide politisch umstritten waren, hätte der 21. August vielleicht leichter einen »Gründungstag« der Republik darstellen können, auf den sich zumindest eine Mehrheit der demokratischen Parteien hätte verständigen können. Zwar war schon am Tag der Abstimmung über die Verfassung am 31. Juli 1919 klar, dass diese eben nur ein Kompromiss war, auf den sich nicht einmal alle Mitglieder der Regierungsfraktionen einigen konnten. Das Ziel, diese Verfassung auf legalem Wege zu ändern, war vielleicht der größte politische Konsens, den es in der Weimarer Republik zwischen den verschiedenen Parteien gab. So war auch und gerade in den Reihen der Sozialdemokratie die Unzufriedenheit groß.155 Dennoch war der 21. August 1919 der Tag, an dem sich die junge Republik erstmals in einem »würdigen Akt« der Öffentlichkeit präsentierten konnte. Man verzichtete jedoch auf einen pompösen Staatsakt und die Feierlichkeiten waren insgesamt schlicht gehalten.156 Friedrich Ebert erschien, begleitet von einer Ehrenkompagnie Landjäger in Paradeuniformen, am Nachmittag vor dem Nationaltheater in Weimar. Eine Militärkapelle spielte auf dem Platz, als Ebert das Theater betrat, setzte im Inneren Orgelklang ein. Der Sitzungssaal war mit »einfachem, aber würdevollem Blumenschmuck« verziert.157 Es kam offenbar 153 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 316. 154 Vgl. Mühlhausen, Verpasste Chancen und verhinderte Katastrophen. 155 Dreier, Die deutsche Revolution 1918/19 als Festtag der Nation?, S. 161. 156 N. N., Die Vereidigung des Reichspräsidenten. 157 N. N., Eberts Eidesleistung.

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noch zu einer protokollarischen Panne, als die notwendigen Unterlagen fehlten und eine peinliche Pause entstand.158 Schließlich begrüßte der Präsident der Nationalversammlung, der Zentrumspolitiker Constantin Fehrenbach, Ebert zu der »ernstfeierlichen Handlung« und bat die Anwesenden, sich von ihren Plätzen zu erheben. Ebert leistete den Eid, ohne eine religiöse Formel beizufügen.159 Es erklang wieder die Orgel und Fehrenbach hielt noch eine Rede, die vor allem den Mitgliedern der Nationalversammlung für ihre geleistete Arbeit dankte. Der zeitgenössische Beobachter Harry Graf Kessler beurteilte die Veranstaltung als »anständig, schwunglos, wie bei einer Konfirmation in einem gutbürgerlichen Hause. […] Es ist, wie wenn eine Gouvernante Ballett tanzt.«160 Ebert hielt am Tag seiner Vereidigung zwei Reden, und diese Reden zeigen, dass er den Eid des Reichspräsidenten auf die Verfassung argumentativ nutzen wollte, um die Bindung der deutschen Bevölkerung an die neue Verfassung zu stärken. In der ersten Rede, die sich an die Mitglieder der Nationalversammlung richtete, bezog sich Ebert vor allem auf die neue Verfassung und die garantierten Freiheitsrechte. Diese stünden im Kern des »Wesens unserer Verfassung«. Er selbst versprach den Mitgliedern der Nationalversammlung, »in deren Hand ich das Gelöbnis gelegt [habe], die von Ihnen für das deutsche Volk geschaffene Verfassung zu wahren. Ihr Vertrauen wird mir Kraft geben, immer der Erste zu sein, wenn es gilt Bekenntnis und Zeugnis abzulegen für den neuen Lebensgrundsatz des deutschen Volkes: ›Freiheit und Recht‹!«161 Stärker noch als bei dieser Ansprache an die Nationalversammlung betonte Ebert in seiner Rede vom Balkon des Nationaltheaters aus an die auf dem Theaterplatz versammelten Weimarer Bürger die Bedeutung des Eides, den er auf die Verfassung geleistet hatte. Und zwar nicht er persönlich als Staatsoberhaut; vielmehr stehe diese Eidesleistung nur exemplarisch für die Vereidigung des gesamten Volkes auf die Verfassung. »Zum ersten Male hat heute das deutsche Volk sich selbst in Pflicht und Eid genommen. Kein Auftrag von unverantwortlicher Stelle, keine Berufung von oben her ist durch meinen Schwur auf die Verfassung bekräftigt worden, sondern in die Hand des ersten Mannes der Volksvertretung habe ich Treue gelobt in dem Amt, das mir die Volksvertretung anvertraut hat.« Ebert griff hier offenbar bewusst den Begriff der »Treue« auf, der in seiner Eidesformel an sich gar nicht vorkam. Unter Bezugnahme auf die liberale Tradition der Paulskirche und Ludwig Uhland – und damit in typisch republikanischem Bezug auf 1848162 – sprach Ebert vom »guten, alten Recht, für dessen Wiederherstellung er [Uhland, d. Vf.] gegen Willkür und Rechtsbruch kämpfte.« Die Weimarer Reichsverfassung habe dieses »gute, alte Recht […] geschaffen«, nun 158 Merseburger, S. 285, unter Bezug auf Harry Graf Kessler. 159 Ebert, katholisch getauft, war aus der Kirche ausgetreten, vgl. Mühlhausen, Friedrich Ebert, S. 204. 160 Kessler, Tagebücher, Eintrag vom 21.8.1919, S. 200. 161 N. N., Die Vereidigung des Reichspräsidenten. 162 Zum Bezug der Weimarer Republik auf 1848, vor allem festgemacht an den Flaggenfarben Schwarz-Rot-Gold siehe: Rossol, Fahne, Adler, Hymne, vor allem S. 137–140.

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sei es »Allgemeingut und Erbe des Deutschen und soll es bleiben für immer! In diesem Sinne und Glauben erneuere ich vor Euch den Schwur der Treue zum Volksrecht! Ihr alle habt Anspruch auf diesen Treueid, Bürger, Bürgerinnen und Soldaten, die ihr alle Mitinhaber und Mitverteidiger dieses Rechtes seid […]«.163 Mit diesen Worten machte Ebert die Zuhörer – als Stellvertreter für das deutsche Volk schlechthin – einerseits zu Eidgebern, die vertreten durch ihn, der Verfassung die Treue schworen. Anderseits wies er ihnen aber auch die Rolle der Eidnehmer zu, denen er die Treue schwor. Man kann die Rede Eberts als Ansatzpunkt einer Interpretation des Verfassungseides verstehen, die sich bemühte, sowohl das Subjekt wie das Objekt von Treue neu zu definieren und das deutsche Volk in den Kern der Treueforderungen zu stellen: Das Volk als »Souverän«, dem der Reichspräsident die Treue gelobt, das Volk, das sich selbst in »Eid und Pflicht« nimmt, um eine Verfassung zu wahren, die aus seiner Mitte entstanden ist. Diese Rede Eberts kennzeichnet die Rolle, die die Weimarer Verfassung für die Demokraten als »zentraler Anknüpfungspunkt republikanischer Identitätskonstrukte« spielte.164 Sie hätte zur Selbstdarstellung der Republik beitragen, zur Schaffung eines gewissen »Verfassungspatriotismus« (im umgangssprachlichen Sinne) führen können – jedoch hatte dieser Interpretationsvorschlag keine Aussicht auf Akzeptanz. Dies wiederum erklärt sich mit der Rezeption der Vereidigungsfeierlichkeiten in der Öffentlichkeit. Naturgemäß war der Eid des neuen Präsidenten umstritten, abhängig von den politischen Standpunkten der Beteiligten.165 Das begann schon in der Presseberichterstattung über die Vereidigungsfeierlichkeiten: »Zu der Vereidigung des Reichspräsidenten nimmt nur ein Teil der Berliner Presse in eigenen Artikeln Stellung.«166 Ignorieren lautete vielfach die Devise, vor allem bei den Zeitungen aus dem nationalkonservativen Lager. Ähnlich wie die Abgeordneten der DNVP die Abstimmung über die Weimarer Reichsverfassung in der Nationalversammlung verweigert hatten, verzichteten auch viele (rechts-)konservative Blätter auf eine Berichterstattung.167 Wenn jedoch ein Kommentar erfolgte, dann war dieser, wie kaum anders vorstellbar, beißend. Das Beispiel des konservativen Journalisten Adolf Stein veranschaulicht dies.168 Stein, auch als »Wortführer der rechten Presse« bezeichnet, schrieb und arbeitete seit 1920 für den Hugenberg-Konzern und war federführend in die späteren Verleumdungskampagnen gegen Friedrich Ebert eingebunden. Dies deutet sich in seinen Kommentaren zu Eberts Vereidigung schon 1919 an. Die ausführliche Beschreibung nimmt ihren Ausgang in der in konservativen Kreisen üblichen Kritik am Niedergang des Eides angesichts sozialdemokratischer 163 N. N., Die Vereidigung des Reichspräsidenten. 164 Siehe insgesamt folgenden Literaturbericht: Rossol, Chancen der Weimarer Republik. 165 Siehe hierzu auch die Schilderung bei: Mühlhausen, Friedrich Ebert, S. 204. 166 N. N., Die Presse zur Eidesleistung. 167 Vgl. insgesamt: ebd. 168 Albrecht. Siehe auch: Stein, Adolf Stein alias Rumpelstilzchen.

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Politiker. »Einst ging uns das Wort durch Mark und Bein. Ich habe vor langen Jahren, Aug’ in Aug’ mit dem König den Treueid geschworen, und dieser Eid steht noch wie ein Speerschaft da und ist nicht gesplittert. Heute aber gilt die Mark nur noch 19 Pfennige und ein Eid keinen Sechser. […] Aus den Splittern von hunderttausend gebrochenen Eiden wurde Eberts Thron gezimmert. Der neue Reichspräsident kann also unbesorgt schwören, denn der Eid ist längst von seinen eigenen Leuten entwertet.«169 Stein nutzte jede Möglichkeit, Ebert lächerlich zu machen und dem Vorgang der Vereidigung die Würde abzusprechen – immer unter dem Vorwand »objektiver« Berichterstattung: »Es gibt […] ein paar peinliche Augenblicke im Zeremoniell, denn man hat die Eidesformel für Ebert nicht gleich zur Hand, und Seine Exzellenz tritt eine ganze Weile verlegen von einem Fuß auf den anderen, denn auswendig kann er die paar Sätze nicht sagen […]. Also Ebert beschwört die Verfassung. Man fragt sich im Stillen, was länger halten wird, der Schwur oder die Verfassung.«170 Der Rede Eberts vom Balkon an die Bürger Weimars versuchte Stein jegliche Bedeutung zu nehmen, in dem er einerseits inhaltlich gar nicht darauf einging, andererseits aber die Reaktionen der Zuhörer, die die Rede nur als »eine störende Unterbrechung der Musik« empfunden hätten, als »gleichgültig und ohne jede Kundgebung« schilderte.171 Die Präsidentschaft Eberts erschien hier nur als sozialdemokratisches Ränkespiel: »Im Art. 41 der von ihm beschworenen Verfassung heißt es: ›Der Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volke gewählt.‹ Ebert ist aber nur von seinen Getreuen in der Nationalversammlung gekürt, der Sozialdemokratie, der Demokratie, dem Zentrum; seine erste Tat müßte also, wenn er den Verfassungseid halten will, darin bestehen, daß er abdankt und die endgültige Präsidentenwahl durch Volksabstimmung anberaumt.«172 Doch nicht nur die Konservativen, auch die Kommunisten hielten sich mit ihrer Kritik nicht zurück: »Das Proletariat in seiner gewaltigen Mehrheit hat nur Verachtung für diesen Vorgang [der Vereidigung]; denn diese Verfassung bedeutet die auf dem Papier erneut festgelegte Herrschaft des Kapitals. Ein ›Arbeiter‹, der diese Verfassung beschwört, übt Verrat an seiner Klasse, denn er gibt den Kampf für die Verwirklichung des Sozialismus auf.«173 Ebenso wie die Rechte den Eid auf die Verfassung als Verrat diffamierte, nutzten auch die Kommunisten den Vorwurf des Verrats.174

169 Stein, Der Eid, S. 316. 170 Ebd., S. 317. 171 Ebd., S. 318. 172 Ebd. 173 Artikel in der »Freiheit«, ausschnittweise zitiert in: N. N., Die Presse zur Eidesleistung. Diese ablehnende Haltung gegenüber dem Eid zeigte sich im Frühjahr 1924, als zahlreiche Kommunisten in den Stadtverordnetenversammlungen die Vereidigung durch das Schwenken roter Fähnchen oder sofortigem Händewaschen nach der Eidesleistung ins Lächerliche zogen. Vgl. Friesenhahn, Der politische Eid, S. 28. 174 Buschmann, Treue und Verrat.

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Regierungsfreundlichere Blätter standen der Vereidigung Eberts positiver gegenüber. Verschiedene Argumente durchziehen die Berichterstattung. Zentral ist in diesen Texten häufig der Versuch, das Verfassungswerk als Werk des ganzen Volkes, über Klassen- und Altersgrenzen hinweg, zu beschreiben. Die bei der Zeremonie anwesenden Schaulustigen dienten in den Kommentaren dabei als Stellvertreter von Klassen und Gruppen innerhalb der deutschen Gesellschaft: Aus Anlass der Vereidigung des ersten Reichspräsidenten einigte sich »Arbeiterschaft […] mit dem Bürgertum, Beamte [standen] neben dem Weimarer Rentner: Ganz Weimar war zusammengeströmt, eine große Menschenmasse, die das Schauspiel genießen wollten.«175 Naturgemäß maßen vor allem die sozialdemokratischen Blätter – bei aller Kritik am Verfassungswerk – der Vereidigung Eberts eine zentrale Bedeutung zu. Der Tag, an dem ein Sozialdemokrat als deutsches Staatsoberhaupt vereidigt wurde, war ja tatsächlich auch ein historisches Novum: »Die Geschichte der Revolution kennt viele Eide auf die Verfassung, aber keinen, der sich mit diesem vergleichen ließe. Der ihn leistet, ist einer aus unseren Reihen, aus der Arbeiterschaft, der Sozialdemokratie. So ist die Zeremonie des 21. August zugleich auch ein Sinnbild des zum Sieg vordrängenden proletarischen Klassenkampfes. Nur ein gänzlich Verblendeter kann die Bedeutung dieses Vorgangs verkennen.«176 Die »gänzlich Verblendeten« waren diejenigen, die eben keinerlei Begeisterung bei der Idee empfanden, einen Sozialdemokraten im höchsten Staatsamt zu sehen. Dies galt nicht nur für die offensichtlichen politischen Gegner. Auch die USPD geriet in diesem Zusammenhang in die Kritik. Die Zeremonie als solche empfand etwa der »Vorwärts« als »einfach, aber feierlich«.177 Die Schwierigkeiten, die die Weimarer Republik hatte, eine äußere Form für die offizielle »Selbstdarstellung« zu finden, spiegeln sich jedoch auch in diesem Artikel.178 Das Schwanken zwischen dem Anlehnen an alte Formen und einer bewussten Nüchternheit machte offenbar selbst auf Befürworter der Zeremonie einen unausgewogenen Eindruck: »Die Republik sucht noch tastend nach ihren äußeren Formen, die keinen Pomp und Prunk vertragen. Sie appelliert nicht an die Sinne und den Instinkt, sondern an den Verstand und die tieferen sittlichen Kräfte, kann aber eine stärkere Heraushebung und Unterstreichung der wichtigeren Augenblicke ihres jungen Daseins nicht entbehren. Wer mit dem Herzen an den großen Spielen hängt, die das Kaiserreich dem schaulustigen Volk zu geben liebte, wird die Feier von Weimar arm finden. Wer jeder überkommenen Form abhold ist, wird meinen, die Anleihe aus den Mitteln des alten Systems sei immer noch zu groß gewesen. Gleichwohl war es richtig, etwas Klang und Farbe in diesen Tag zu bringen, um zu zeigen, dass er kein Alltag war.«179 175 N. N., Die Vereidigung des Reichspräsidenten. 176 N. N., Der Eid auf die Verfassung, in: Münchener Post. 177 N. N., Der Eid auf die Verfassung, in: Vorwärts. 178 Siehe zum Beispiel der Verfassungsfeierlichkeiten: Achilles. 179 N. N., Der Eid auf die Verfassung.

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Tatsächlich traf dies genau den Zwiespalt der Kommentare zu den Vereidigungsfeierlichkeiten. Kommunisten, die die Verfassung als Rückgriff auf das Alte ablehnten, sahen auch in den Vereidigungsfeierlichkeiten nur den Spiegel des untergangenen Kaiserreichs: Eine gewisse Feierlichkeit sei schon angebracht, »aber wenn sie [die Regierung, d. Vf.] nichts weiter zu tun hat als den abgelegten Mummenschanz des verflossenen wilhelminischen Systems, nichts als den militärischen Paradepomp und die ebenfalls dem Exkaiser abge[schaute] Balkonrede ›An mein Volk‹, so offenbart das neue Regiment wieder einmal, dass es selbst im Zeremoniell sich nicht von der Nabelschnur des alten kaiserlichen Deutschland zu lösen vermag.«180 Während die Kommunisten also in der deutlich reduzierten äußeren Form der Vereidigungszeremonie nur ein Festhalten an alten formalen Traditionen sahen, war es bei der nationalen Rechten umgekehrt. Hier wurde die feierliche Zeremonie von Weimar nur als jämmerlich beurteilt. Die Vereidigungsfeierlichkeit von 1919 stand damit in genau jenem Zwiespalt, der auch die Bemühungen der Weimarer Republik um einen Verfassungstag kennzeichnete. Der Versuch, es allen »recht« zu machen, rechts- und linksstehende Gegner mit ins Boot zu holen, scheiterte. Eberts Angebot eines Verfassungspatriotismus, historisch wurzelnd in der Revolution von 1848, war schlicht nicht konsensfähig. Hinzu kam die zögerliche, zurückhaltende Inszenierung der Vereidigungsfeierlichkeiten. Walter Mühlhausen bezeichnet es als »Versäumnis«, die Vereidigung des neuen Staatsoberhauptes als »Verwaltungsakt« zu begehen und auf eine die Öffentlichkeit einbeziehende Zeremonie zu verzichten.181 Harry Graf Kessler notierte jedenfalls: »Die Republik sollte Zeremonien aus dem Weg gehen; diese Staatsform eignet sich nicht dazu.«182 3.5.2 Der Eid Paul von Hindenburgs Als im Mai 1925, nach dem Tod Friedrich Eberts, Paul von Hindenburg als neuer Reichspräsident vereidigt wurde, kam es erneut zu einer republikanischen Vereidigungszeremonie. Diesmal jedoch sah das Gesamtbild anders aus als 1919. Die Vereidigung fand im Reichstag in Berlin statt, was ihr bereits eine höhere Aufmerksamkeit der Presse zusicherte als es im August 1919 der Fall gewesen war. Der entscheidende Grund für die breite Berichterstattung aber lag in der Person Hindenburgs. Der »Held von Tannenberg« erfreute sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung und über die Bedeutung der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten, bei der weniger der Mann als der Mythos gewählt wurde, ist

180 N. N., Der Schwur auf das ›alte, gute Recht‹. 181 Mühlhausen, Friedrich Ebert, S. 204. 182 Kessler, Tagebücher, S. 196, auch zitiert bei Mühlhausen, Friedrich Ebert, S. 204.

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viel geschrieben worden.183 Im Tag der Vereidigung spiegelte sich dies besonders. Schaulustige säumten die Straßen Berlins.184 In einer Mischung aus Parade und »jubelumbrauste[m] Triumphzug durch die Huldigungsspaliere des Volkes«185 durchquerte der zukünftige Reichspräsident im offenen Wagen die Straßen Berlins auf dem Weg zum Reichstag und später zum Präsidentenpalais. Der Saalschmuck im Reichstag war – ähnlich wie 1919 – betont schlicht gehalten.186 Ebenso wie bereits 1919 konnte diese Schlichtheit kaum die Herzen der Kritiker gewinnen. Der uns bereits bekannte ehemalige Staatssekretär Theodor Lewald, der sich gegenüber der Eidesformel »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung« für die Beamten so kritisch gezeigt hatte, formulierte: »Ein Saalschmuck wie bei der Einführung eines neuen Bürgermeisters in Kyritz an der Knatter!«187 Harry Graf Kessler, der schon die Vereidigung Eberts mit dem »Ballett einer Gouvernante« verglichen hatte, schilderte die Zeremonie kritisch. Gleichwohl beschrieb er den »über Erwarten starken Nachdruck, den die Erklärung [Hindenburgs, d. Vf.] auf den republikanischen und demokratischen Charakter der Verfassung und insbesondere auf die Volkssouveränität legte.«188 Die Vereidigungszeremonie selbst hatte in diesem Zusammenhang eine entscheidende Wirkung. Offensichtlich erweckte das Auftreten Hindenburgs, die Ernsthaftigkeit, mit der er die Eidesformel sprach, in Kombination mit der Rede, die er im Anschluss hielt, bei vielen Anwesenden den Eindruck eines zum Teil unerwarteten Neubeginns. Hindenburg sprach von der Bedeutung der Verfassung, auf »die ich mich soeben durch Manneswort verpflichtet habe«, im Hinblick auf die Volkssouveränität und über die Aufgabe des Reichspräsidenten in Bezug auf die innere Einheit des Deutschen Volkes.189 Damit war der Tenor der Interpretation durch die Zeitungen am kommenden Tag vorgegeben: Beinahe jedes Blatt betonte die einheitsstiftende Funktion der Wahl Hindenburgs. Hindenburgs Eid auf die Verfassung kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Öffentlichkeit nahm diesen Eid ganz anders wahr, als es bei Ebert 1919 der Fall gewesen war. Natürlich hatten im Vorfeld der Vereidigung die republikfreundlichen Kräfte die Wahl Hindenburgs ebenso als Bedrohung für die Republik empfunden wie die konservativen Kräfte in ihr eine beginnende Rückkehr zur Monarchie erblicken wollten.190 Doch die Tatsache, dass Hindenburg einen 183 Siehe zur Biografie und Rolle Hindenburgs in der Weimarer Republik in Auswahl: Goltz, v. a. S. 84–103; Falter; Hoegen, Der Held von Tannenberg, v. a. S. 216–356; Pyta, Hindenburg, v. a. S. 441–478. 184 Pyta, Hindenburg, S. 484–485. 185 N. N., Hindenburg spricht in seinem Palais. 186 Zur Zeremonie, begeistert beschrieben aus dem engsten Umfeld Hindenburgs: Schultze-​ Pfaelzer, v. a. S. 59–67. 187 Reinthal, Eintrag 12.5.1925, S. 685. 188 Ebd. 189 N. N., Hindenburgs Schwur auf die Republik. 190 Siehe insgesamt zur konservativen Reaktion auf die Wahl Hindenburgs: Hoegen, Der Held von Tannenberg, S. 324–331.

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Eid auf die demokratische Verfassung leistete, erfuhr in der Öffentlichkeit große Resonanz, und zwar von unterschiedlichen politischen Seiten. Allgemein beherrschend war ein Tenor, der die historische Bedeutung dieses Eides hervorhob: »Knappe acht Minuten und der feierliche Vorgang, bei dem der zweite Präsident des Deutschen Reiches, der erste, der von der Volksgesamtheit gewählt worden ist, vereidigt wurde, ist vorüber. Und dennoch! Diese acht Minuten umschließen Augenblicke nicht nur von geschichtlicher, sondern von weltgeschichtlicher Bedeutung, denn in diesen knappen acht Minuten hat sich der Beginn des Zusammenschlusses unseres Volkes zu einer Einheit vollzogen, haben sich das alte und das neue Deutschland die Hand gereicht […].«191 Dass der prominente Protagonist des alten Systems einen Schwur auf die neue Ordnung ablegte, war allen Beobachtern ein erstaunlicher Vorgang. Zwar differierte die Interpretation dieses Eides je nach politischem Standpunkt deutlich, doch definierten ihn sich ganz unterschiedliche Gruppen in das eigene Weltbild hinein; deutlich mehr in jedem Fall als beim Eid Eberts 1919, der eben nur auf Seiten der Regierungskoalition – und auch dort nicht überall – ideologische Bindungskraft an die Republik hatte entwickeln können. Im Falle Hindenburgs waren es vor allem republikanische Stimmen, die den Eid des Feldmarschalls als eine Art zweiten »Gründungsakt« der Republik verstanden, als Möglichkeit, endlich das alte mit dem neuen System zu versöhnen; die Worte Hindenburgs selbst, der seine Präsidentschaft unter das Rubrum der Versöhnung gestellt hatte, spiegelten sich hier. Die Stellungnahme des DDP-Politikers und Publizisten Georg Bernhard ist durchaus typisch für diese Rezeption, wenn er schreibt, dass der Eid Hindenburgs ein »Sieg des republikanischen Gedankens« gewesen sei.192 Die Forschung hat seit langem gezeigt, dass die Wahl Hindenburgs zumindest in den zwanziger Jahren zur Stabilisierung der Republik beitrug. Der symbolische Kern dieser Stabilisierung lag in Hindenburgs Eid. Nach den Auseinandersetzungen um den Verfassungseid der Beamten, bei denen sich Konservative noch vehement geweigert hatten, der Republik einen Eid der Treue zu leisten, schien nun der Bann gebrochen. Der prominenteste Vertreter des alten Regimes sah sich zwar nicht gezwungen, die kompromittierenden Worte »Treue der Reichsverfassung« zu sprechen, die im Falle der Beamten den Ausschlag zum Widerstand gegeben hatten. Die »schwache Form der eidlichen Bindung an die bestehende Konstitution«, die Hindenburg leisten musste, war die Voraussetzung dafür, dass er sich überhaupt in der Lage sah, den Eid zu leisten.193 Dennoch spielten diese Überlegungen in der Beurteilung des Eides durch die Zeitgenossen kaum eine Rolle, insbesondere nicht in der demokratischen Presse. Für sie zählte die Tatsache, dass Hindenburg geschworen hatte, die Verfassung der Republik zu schützen. Und dass Hindenburg diesen Eid ernst nehmen würde, darin waren sich die Beobachter sicher. Seine soziale und gesellschaftliche Prä191 N. N., Hindenburgs Amtseinführung. 192 Bernhard, zitiert nach: Hoegen, Der Held von Tannenberg, S. 335. 193 Pyta, Hindenburg, S. 485.

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gung ließ vermuten, dass er einen solchen Eid nicht geleistet hätte, wenn er sich nicht innerlich hätte binden wollen: »Er hat geschworen! Niemand kennt besser als er die bindende, die heiligende Kraft des Schwurs.«194 Und gerade die religiöse Formel, die Hindenburg dem Eid zufügte, schien den Zeitgenossen dies zu bekräftigen. »Ein Mann von der innerlich tiefen religiösen Überzeugung des neuen Reichspräsidenten, der ausdrücklich am Schlusse seines Eides Gott zum Zeugen für den Schwur anruft, bricht keine beschworenen Eide.«195 Diese Interpretation der inneren Bindung Hindenburgs an den geleisteten Eid, aus dem die republikanischen Beobachter eine Stärkung der Weimarer Republik ableiteten, hat auch die historische Forschung in den letzten Jahren immer wieder gestützt: Offenbar hat sich Hindenburg tatsächlich an seinen Eid gebunden gefühlt.196 Bereits seine Entscheidung, diesen Eid in einer doppeltreligiösen Form zu leisten, zeigt die bewusste Entscheidung des gläubigen Christen, sich in eine innerliche Gebundenheit gegenüber dem geleisteten Schwur zu begeben. Er schwor »bei Gott« und fügte am Ende noch »so wahr mir Gott helfe« hinzu.197 Diese Selbstbindung vor Gott, die Hindenburg mit dem doppelten religiösen Bezug noch deutlicher machte, spricht dafür, dass Hindenburg die Formulierung im Eid, seine Kraft »dem Wohl des deutschen Volks zu widmen« und die »Reichsverfassung und die Reichsgesetze zu wahren«, ernst nahm. Dafür spricht neben der Tatsache, dass Hindenburg gläubig war und den Eid deshalb als im Angesicht Gottes geleistet begriff, auch die biografische und soziale Prägung des neuen Reichspräsidenten. Als Symbolfigur des untergegangenen Kaiserreichs, als oberster Protagonist des alten Heeres, war der Eid für Hindenburg keine inhaltsarme Geste, sondern ein – entsprechend dem Verständnis seiner Gesellschaftsschicht – ideologisch hoch aufgeladenes Symbol mit historischer Tiefendimension. Auch wenn dieser Eid nun ein gänzlich anderer war, als der Fahneneid, den Hindenburg 1866 zu Beginn seiner Militärlaufbahn geschworen hatte,198 so zeigte sich dieser doch für die grundsätzliche Bedeutung der Zeremonie und das Ritual der Vereidigung offen. Der Stimmungsumschwung nach der Vereidigung gerade in republikanischen Kreisen stand in auffälligem Kontrast zur Position vor der Wahl Hindenburgs. Auch dies unterstrich die Bedeutung der Symbolik, die die Eidesleistung in sich trug. Der in der deutschen Gesellschaft, zwar sicher nicht bei jedem Einzelnen, doch in der politischen Öffentlichkeit weit verbreitete Glaube an die Bedeutung des Eides, an die Bedeutung von »Treue« und »Schwur« ließ auch die demokratischen und republikanischen Stimmen die Wahl Hindenburgs völlig neu interpretieren. Ausgerechnet der »Vorwärts« brachte diesen Sinneswandel 194 N. N., Hindenburg spricht in seinem Palais. 195 Ebd. 196 Siehe z. B. die Verweise bei: Pyta, Die Präsidialgewalt. Zu Hindenburgs Eidesverständnis insgesamt: ders., Hindenburg, S. 485–487. 197 Ders., Hindenburg, S. 487. 198 Ebd., S. 485.

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auf den Punkt: »Die Wahl Hindenburgs ist eine Niederlage der Republik; der Amtsantritt Hindenburgs ein Sieg der Republik.«199 Konservative und Monarchisten konnten die positive Interpretation des Verfassungseides durch sozialdemokratische und liberale Stimmen nicht unwidersprochen lassen. So versuchten konservative Blätter, den Eid Hindenburgs eher als ein Symbol »gegen eine auf revolutionärem oder putschistischem Wege vorgenommene Umwälzung der politischen Ordnung« denn als Bindung an die republikanische Staatsform zu begreifen.200 Dabei interpretierte etwa Cuno von Westarp (DNVP) im Reichstag den Eid Hindenburgs – mit den üblichen Verweisen auf die Sozialdemokraten, die noch vor wenigen Jahren »Verfassungseide als Kindertrödel und bedeutungslose Formalitäten« angesehen hätten – als einen wahrhaftigen Eid: »Ein Mann wie Hindenburg hält seinen Eid. Für ihn gilt: ein Mann, ein Wort!« In keinem Fall bedeute der Eid Hindenburgs laut Westarp, »dass die republikanische Idee im deutschen Volke endgültig über die monarchistische Idee gesiegt habe. […] Die 14,6 Millionen, die am 26. April unserer Parole gefolgt sind, haben damit ein Bekenntnis abgelegt, ein Bekenntnis zu dem Gedanken der Führerpersönlichkeit, ein Bekenntnis zur Ehrfurcht vor der ruhmvollen und großen Vergangenheit Deutschlands, ein Bekenntnis zu jener Vergangenheit, die vor 1918 lag, ein Bekenntnis zu Zucht und Ordnung und zu altpreußischer Pflichterfüllung, ein Bekenntnis auch zu demjenigen, was der Reichspräsident als seine Überzeugung ausgesprochen hat, ein Bekenntnis zu dem Vertrauen auf den Beistand des ewigen Gottes und zu dem Vertrauen auf die Kräfte einer stolzen und ruhmreichen Vergangenheit. Das sind freilich Töne, die Ihrem Ohre fremd sind und in Ihrer Republik nicht viel Platz haben. […] Dies […] bedeutet keine Zustimmung zu dem deutschen Wesen fremden, uns durch unsere ausländischen Feinde aufgedrungenen republikanisch-demokratischen parlamentarischen System.«201 Auch Friedrich Everling mischte sich in die Debatte über Hindenburgs Eid ein, nicht ohne nochmal an den eigenen Kampf gegen den Verfassungseid zu erinnern. »Wir, die wir den Kampf um die Auslegung des bewusst irreführend formulierten Beamteneides durchgekämpft haben, wir haben von allen obersten Instanzen bestätigt erhalten, dass selbst das Gelöbnis ›Treue der Reichsverfassung‹ nichts anderes als die Beobachtung der Verfassung verspricht. Also ein verfassungsmäßiges Verhalten, nicht aber einen Gesinnungswechsel, der aus dem monarchisch gesinnten Mann etwa zwangsweise einen Republikaner machte! Auch die ›Wahrung der Verfassung‹, die der Reichspräsident verspricht […], betrifft nicht die politische Gesinnung, sondern das amtliche Verhalten.«202 199 Zitiert durch Cuno von Westarp im Reichstag, 63. Sitzung, 19.5.1925, S. 1902, http:// www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w3_bsb00000069_00797.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 200 Pyta, Hindenburg, S. 485 mit Verweis auf: Das Ringen um Staat. 201 Cuno von Westarp im Reichstag, 63. Sitzung, 19.5.1925, S. 1902, http://www.reichstags​ protokolle.de/Blatt2_w3_bsb00000069_00797.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 202 Zitiert nach: Everling, Hindenburgs Eid. Dort auch die folgenden Zitate.

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Everling interpretierte den Eid Hindenburgs als »Opfer«: Hindenburg habe »das Opfer gebracht, das schwerste unter allen: in der Republik Reichspräsident zu sein und die Weimarer Verfassung zu wahren.« Für Everling bestand kein Zweifel, dass Hindenburg »den Eid mit Treue halten« werde. Als monarchischer Mann habe er geschworen, die republikanische Verfassung zu wahren. Dies sei für monarchische Kreise indes nicht unbedingt eine gute Nachricht: »Leichter ist unsere Aufgabe seit dem 12. Mai nicht geworden. Denn schon sucht die Demokratie Hindenburgs Eid zu einem Gesinnungswechsel umzudeuten […]«. So war es an dieser Stelle ausgerechnet Friedrich Everling, der den Eid Hindenburgs realistisch einschätzte. Denn der »Pyrrhussieg«, den die Wahl Hindenburgs zum Reichskanzler für die Konservativen und Monarchisten bedeutete, wurzelte schon im Eid Hindenburgs auf die Republik. »Der Hindenburg-Mythos absorbierte das Bedürfnis nach der aus der Kaiserzeit gewohnten Repräsentation durch das Staatsoberhaupt und Identifikation mit diesem, machte die neue Staatsform ›hoffähig‹.«203 In gewisser Weise leistete der Eid auf die Verfassung der Weimarer Republik in der Mitte der zwanziger Jahre also doch noch einen Beitrag zur Stabilisierung der Republik. Nach den Konflikten um den Beamteneid, bei dem sich die Fronten zwischen Republikanern auf der einen und Konservativen und Monarchisten auf der anderen Seite noch unversöhnlich gegenüberstanden und bei dem letztlich keine Lösung des Konflikts – abgesehen von disziplinarrechtlicher Normierung – gefunden wurde, war es der Eid des Reichspräsidenten, der eine verfassungsschützende Funktion ausübte. 1929, anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum der Weimarer Reichsverfassung, sollte sich dies symbolhaft zeigen in den zu diesem Anlass geprägten Gedenkmünzen im Wert von drei und fünf Reichsmark. Diese zeigten auf der einen Seite das Porträt Paul von Hindenburgs und auf der Rückseite eine erhobene Schwurhand, umrandet von den Worten »Treu der Verfassung«. Die offiziellen Verfassungsfeiern, die zwischen 1921 und 1932 abgehalten wurden, litten anfangs darunter, dass der 11. August nicht zu einem offiziellen, reichsweiten Feiertag erklärt wurde und daher wenig populär war. Die anfangs betont nüchtern gehaltenen Feierlichkeiten, ähnlich wie bei der Vereidigungszeremonie Friedrich Eberts, trugen dazu bei. Erst in der zweiten Hälfte der 203 Hoegen, Der Hindenburg-Mythos, S. 121. Dass die Monarchisten den von Hindenburg auf die Republik geleisteten Eid im Kern nicht gutheißen konnten, macht das folgende Beispiel deutlich. Als 1932 von Seiten der DNVP erwogen wurde, den Sohn Wilhelms II. und ehemaligen Thronfolger, Wilhelm, als Kandidaten der Nationalisten bei der Reichspräsidentenwahl aufzustellen, bezog der Vater mit klaren Worten Stellung: »Wenn Du diesen Posten übernimmst, so musst Du den Eid auf die Republik schwören. Tust Du das und hältst ihn, so bist Du für mich erledigt. Ich enterbe Dich und schließe Dich aus meinem Hause aus. Schwörst Du nur, um den Eid bei Gelegenheit zu brechen, so wirst Du meineidig, bist kein Gentleman mehr und für mich auch erledigt. Hohenzollern brechen ihren Eid nicht. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass die Hohenzollern über den republikanischen, roten Ebertschen Präsidentenstuhl wieder zur Macht gelangen.« Vgl.: Grützner, S. 46.

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zwanziger Jahre bemühten sich offizielle Stellen, aber auch das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die Feiern aufwändiger zu gestalten. Die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum der Weimarer Reichsverfassung 1929, die die »Abkehr von der rein amtlichen Gedenkfeier« darstellten,204 waren ein Beispiel für die Versuche, die emotionale Verbundenheit mit der Republik durch Feiern symbolhaft zu stärken.205 Dabei spielte auch das Motiv des Schwurs eine wichtige Rolle. Einerseits finden sich beispielsweise gerade in Publikationen des Reichsbanners immer wieder die Gedichtzeilen Karl Brögers aus dem Jahr 1920:206 »Deutsche Republik, wir schwören: letzter Tropfen Blut soll Dir gehören!« Aber auch inszenatorisch griff man nun auf den Eid zurück. Das Reichsbanner SchwarzRot-Gold etwa organisierte anlässlich der Verfassungsfeierlichkeiten 1929 im Deutschen Stadion in Berlin »ein Festspiel, chorisch aufgebaut auf großen, wirkungsvollen Gesten«, bei dem »symbolisch junge Leute in die Mitte der Arena« zusammenkamen, um dort eine schwarz-rot-goldene Fahne zu symbolisieren. Die Vossische Zeitung schrieb dazu: »Sport, Spiel und Tanz wird Übergang zum Schwur und zum Bekenntnis. Im schweren eindrucksvollen Fall der Worte schwingt das Gelöbnis aus: Vaterland, Dir geweiht: Glaube der Herzen: Dir geweiht, Reinheit der Träume: Dir geweiht, Wille zum Sieg!«207 Die Verwendung des Schwurs als Treuemotiv zeigt, dass das Ritual in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre nicht mehr nur für die konservativ-nationalen Schichten im überkommenen personalen Verständnis anschlussfähig war, sondern auch als Mittel der Gewissensbindung gegenüber der Republik in Anspruch genommen wurde. Dass dies möglich wurde, dazu hatte die Vereidigung Paul von Hindenburgs als Reichspräsident beigetragen. Doch war diese Entwicklung nur von kurzer Dauer: Die nur wenige Monate nach den Verfassungsfeierlichkeiten einsetzende Weltwirtschaftskrise veränderte die politische Landschaft grundlegend, und in diesem Zusammenhang wird schnell klar, dass der Eid des Reichspräsidenten nicht nur verfassungsstabilisierend wirken, sondern auch den gegenteiligen Effekt haben konnte. Denn bei den Bemühungen um die Entmachtung des Reichstags und damit um die Aushebelung des parlamentarischen Systems, sollte der Eid Hindenburgs wieder eine Rolle spielen. Als nach den Reichstagswahlen Ende Juli 1932 Nationalsozialisten und Kommunisten zusammen die absolute Mehrheit im Reichstag stellten, stand das parlamentarische System der Weimarer Republik vor dem Zusammenbruch. Es konnte nun nur noch um die »Verhinderung einer nationalsozialistischen Parteidiktatur bei Inkaufnahme der Schwächung der parlamentarischen Elemente des Verfassungsstaates« gehen.208 An dieser Stelle soll 204 Dreier, Die deutsche Revolution 1918/19 als Festtag der Nation?, S. 177. 205 Ausführliche Schilderungen bei: Rossol, Performing the Nation, S. 58–79. 206 Illustrierte Reichbanner Zeitung, 22. November 1924. Für den Hinweis danke ich Nadine Rossol. 207 Das Fest der Millionen. 208 Pyta, Verfassungsumbau, Staatsnotstand und Querfront, S. 174.

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es jedoch weniger um die politischen Handlungsspielräume in der Schlussphase der Republik gehen, als vielmehr um die Frage, welche Rolle Hindenburgs Eid argumentativ in diesem Zusammenhang spielte. Eine mögliche Auflösung des Reichstags und eine Verschiebung der sich anschließenden Neuwahlen über die verfassungsmäßige Frist von 60 Tagen hinaus waren schlicht verfassungswidrig, angesichts eines Staatsnotstands jedoch durch die Befugnisse des Reichspräsidenten als letzter Ausweg denkbar. Es war Franz von Papen, der vor Hindenburg in einer Unterredung am 29. August 1932 dieses Vorgehen rechtfertigte: »Der Herr Reichspräsident habe in seinem Eid auch die Pflicht übernommen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden; eine Neuwahl in dieser politisch erregten Zeit mit all den Terrorakten und Mordtaten wäre aber ein großer Schaden an dem deutschen Volke.«209 Dieser Verweis zeigt, dass die offene Formulierung des Eides des Reichspräsidenten, der eben nicht »Treue der Reichsverfassung« beinhaltete, sondern nur den Hinweis, die Verfassung zu wahren, den Eid offen machte für verfassungsunterwandernde Interpretationen. Ein Mann wie Hindenburg, der den Eid als gewissensbindendes Ritual zwar ernst nahm und den konkret geleisteten Eid auch im Laufe seiner Präsidentschaft im Auge behalten hatte, gleichwohl aber kein Republikaner war, war für solche Argumentationen offen. Und so erwiderte Hindenburg, »dass er, um Nachteil vom deutschen Volke abzuwenden, es vor seinem Gewissen verantworten könne«, einer Verschiebung der Neuwahlen nach Auflösung des Reichstags zuzustimmen.210 Papen hatte das Argument, der Reichspräsident würde das deutsche Volk durch den Staatsnotstand schützen und damit seinen Eid wahren, nicht selbst entwickelt. Vor allem der generelle Einfluss Carl Schmitts ist bekannt.211 Im Kontext der Diskussion um die Auflösung des Reichstags waren aber auch eine Reihe von Schriften zweier Schüler Carl Schmitts erschienen, die konkret den Eid ins Zentrum stellten.212 Horst Michael und Karl Lohmann beschrieben mit Carl Schmitt den Reichspräsidenten als »Hüter der Verfassung«.213 Im Prozess der verfassungspolitischen Entmachtung des Reichstags und der Machtakkumulation beim Reichspräsidenten kam nach Überzeugung Lohmanns dem Eid des Reichspräsidenten eine entscheidende Rolle zu. Der Reichspräsident könne »diesem Eide nur dadurch gerecht werden, dass er als einzige Stelle, der heute noch echte Autorität eignet, im Sinne der geschichtlichen Verpflichtung des deutschen Volkes von seiner obrigkeitlichen Gewalt Gebrauch macht.« Der Eid gebiete also geradezu die weitere Entmachtung des Reichstags als legitime (im Gegensatz zu: 209 Zitiert nach Winkler, S. 520. 210 Vgl. Niederschrift des Staatssekretärs Meissner über eine Besprechung beim Reichspräsi­ denten, 30.8.1932, in: Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Papen, 1.6.1932 bis 3.12.1932, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/vpa/vpa1p/ kap1​_ 2/para2_121.html (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 211 Vgl. u. a.: Berthold; Mehring, Carl Schmitt, v. a. S. 281–303; Blasius, v. a. S. 15–70. 212 Michael, »Legal« und »legitim«, Siehe auch: Michael, Der Reichspräsident ist Obrigkeit. 213 Lohmann, S. 75. Vgl. auch Schmitt, Der Hüter der Verfassung, in: AöR; ders., Der Hüter der Verfassung; ders., Legalität und Legitimität.

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legale) politische Vorgehensweise im Angesicht einer politischen Situation, die das Wohl des deutschen Volkes bedrohe. Nur ein solches Handeln Hindenburgs bedeute »echte Treue und Loyalität gegenüber einer Verfassung«.214 Auch Horst Michael sah es als entscheidend für die Rolle des Reichspräsidenten an, dass Hindenburg »Exekutive und Legislative« in seiner Person vereint habe, um den Staat gegen »jeden Einspruch partikularer, pluralistischer Interessen, auch gegen die Selbstherrlichkeit des Parlamentes unbedingt und immer wieder« zu verteidigen.215 Die »politische Unabhängigkeit« Hindenburgs lag für Michael gerade im Eid des Reichspräsidenten begründet. Er sei »der erste deutsche Reichspräsident, der seine politische Unabhängigkeit in den Worten ausdrückt, er sei ›nur Gott, dem Vaterlande und seinem Gewissen‹ verpflichtet; der erste Reichspräsident, der seinen Eid mit den Worten ›So wahr mir Gott helfe‹ bekräftigt hat. Das ist ein fundamentales Ereignis unserer Geschichte.«216 So legitimiere gerade die Vereidigung auf die Verfassung seine zentrale Stellung im Staatsgefüge. Er stehe mit seinem Eid persönlich für das Wohl des deutschen Volkes ein, er hafte »persönlich für Reich und Volk, für die Ordnung des Staates«.217 Hier klingt so etwas wie ein charismatisches Element in der Diskussion um den Eid an. Wenn die Forschung die Herrschaft Eberts als »Prototyp bürokratisch-legaler Herrschaft« und jene Hindenburgs als zusätzlich mit »charismatischen Ressourcen« ausgestattet beschreibt,218 so spiegelt sich diese Unterscheidung auch im Umgang mit dem Eid, den die beiden Reichspräsidenten zu leisten hatten. Das mythische Element des Eides, das an eine irrationale Ebene jenseits von Norm und Gesetz appelliert, ließ sich mit einer ausschließlich »legalen« Herrschaft nur schwer vereinbaren: ernsthafte Versuche, eine Verfassungstreue durch den Eid zu unterfüttern, blieben in der Weimarer Republik zaghaft und zögerlich. Die Verfassungsfeierlichkeiten von 1929 lassen zwar aufscheinen, dass es auf Dauer vielleicht einen Weg gegeben hätte, den Eid symbolisch und inszenatorisch zur Stabilisierung der Republik zu nutzen, wenn nicht die Weltwirtschaftskrise eingesetzt hätte. Darüber hinaus konzentrierten sich die wenigen historischen Situationen, in denen der Eid tatsächlich eine positive Bindungskraft entwickeln konnte, weitgehend auf übernationale Zusammenhänge. Hier ging es weniger um die Frage des Eides auf die Verfassung der Weimarer Republik, sondern um Fragen der Souveränität des Deutschen Reichs. Die argumentative Bindungskraft des Eides für politische Loyalitäten erwies sich in diesem Fall als hoch: Gerade das Zeremonielle im Schwur, der die Offenlegung und Begründung politischer Loyalität erforderte, ließ die innenpolitisch zersplitterten Fronten sich schließen im Angesichts der französischen Besatzung. Nach innen 214 Lohmann, S. 76. 215 Michael, »Reichspräsident und Reichswehr«, S. 16. 216 Michael, Kennt die Evangelische Kirche die Obrigkeit des Deutschen Reiches, S. 19. 217 Michael, Denkschrift, S. 31. 218 Pyta, Hindenburg, S. 481.

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jedoch konnte diese einheitsstiftende Funktion des Eides in der Weimarer Republik nicht mehr wirken. Zur Legitimierung einer eher »charismatisch« angelegten Herrschaft, wie vor allem Konservative sie der Präsidentschaft Hindenburgs zusprechen wollten, eignete sich der Eid jedoch hervorragend. In Kombination mit einer mentalen und sozialen Prägung, die gerade Konservative die Bedeutung des Eides wertschätzen ließ und gleichzeitig die Sehnsucht nach einem patriarchalen »Führer« lebendig hielt, spielte der Eid eine zentrale Rolle bei der immer stärker werdenden Diskussion um die vermeintlich notwendige »Führerpersönlichkeit«.219 Somit war die Instrumentalisierung des Eides durch Staatsrechtslehrer wie Carl Schmitt und seine Schüler ein adäquates Mittel, um die Verfassungsordnung der Weimarer Republik zu unterhöhlen. Die immanente Chance, mit dem Eid des Reichspräsidenten das im republikanischen Eid »fehlende« personale Element zu betonen und die Legitimität der Weimarer Verfassung auf diese Weise zu stärken, wurde von Verteidigern der Weimarer Reichsverfassung hingegen kaum genutzt. Vielmehr bereitete der Bezug auf den Schwur des Einzelnen, des »Führers«, der auch angesichts eigener Opfer seine beschworene Treue hält, den Boden für den »Führereid« des Nationalsozialismus – auch wenn dieses »Führerbild« ein ganz anderes sein sollte, als die patriarchale »Führer«-Figur Hindenburgs, die Thomas Mergel als »Auslaufmodell« bezeichnet hat.220

3.6 Beschworene Verfassungstreue? Ein staatsrechtlicher Ansatz Die Versuche, den Eid des Reichspräsidenten für die Entmachtung des Reichstags zu nutzen, wurzelten in Carl Schmitts Verfassungslehre. Der Staatsrechtler, an dessen Werk und Wirken sich die Forschung seit Jahrzehnten abgearbeitet hat, bezog in dieser Verfassungslehre Stellung zum politischen Eid. Auch Schmitt war der Überzeugung, dass »das Besondere und Spezifische des Eides darin [liege], daß der Schwörende sich mit seiner Person existentiell bindet.« Daher sah Schmitt im Verfassungseid der Weimarer Republik »eine […] Bindung an die politische Existenzform. Dieser Eid bedeutet also einen Eid auf die Verfassung im eigentlichen und positiven Sinn, d. h. eine eidlich bekräftigte Anerkennung der grundlegenden politischen Entscheidungen, die in der Weimarer Verfassung enthalten sind und aus ihr überhaupt erst eine Verfassung im substantiellen Sinne machen.«221 Nach Schmitt ging die im Eid der Weimarer Republik beschworene »Treue der Reichsverfassung« damit weit über das reine »Beobachten« der Verfassung hinaus. Gleichzeitig jedoch kam nach Schmitt einem 219 Zum Unterschied zwischen einem traditionellen »Führer«-Bild und seiner modernen Variante vgl. Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine. 220 Ebd., S. 120. 221 Schmitt, Verfassungslehre, S. 27–28.

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in dieser Form verstandenen Eid in einem modernen, durch Vertragsgedanken legitimierten politischen System kein Raum mehr zu: Der Eid »muß deshalb aus einer auf freiem Vertrag beruhenden Gesellschaftsordnung verschwinden.«222 Bei anderer Gelegenheit soll Schmitt jedoch geäußert haben: »Auch wenn der Eid heute im öffentlichen Leben ganz zu verschwinden scheint, wird es immer wieder notwendig werden, irgendwelche förmlichen Versicherungen einer loyalen Gesinnung zu fordern, damit die freiheitlichen Einrichtungen des modernen Staates nicht dazu missbraucht werden, um seine Grundlagen zu erschüttern.«223 Diese zwiespältige Haltung, die zwischen dem Glauben an die Wirkmächtigkeit des Rituals, dem Misstrauen gegenüber einer vormodernen Tradition und dem Bedürfnis nach Loyalitätsstiftung changierte, war in gewisser Weise typisch für die Weimarer Republik. Der eigentümliche Charakter des Eides zwischen Selbstbindung und Loyalitätsstiftung, zwischen innen und außen, zwischen Moral und Macht sprach seit Mitte der zwanziger Jahre Juristen jenseits der positivistischen Schule wieder stärker an. Im Umfeld Carl Schmitts beschäftigte sich daher seit Mitte der zwanziger Jahre ein Dissertationsprojekt mit dem promissorischen Eid. Der 1901 in Oberhausen geborene Ernst Friesenhahn wurde 1927 mit einer Studie zum politischen Eid promoviert.224 Friesenhahn hatte Rechtswissenschaft in Bonn bei Schmitt studiert, fand zu dessen Schülerkreis und beschrieb sich selbst später als in dieser Zeit »jung-konservativ«.225 Stärker noch geprägt als durch das jung-konservative Denken war er jedoch durch seinen fest verwurzelten Katholizismus. Auch stand er der Weimarer Republik positiver gegenüber als andere Jung-Konservative. Im Vorwort seiner Studie zum politischen Eid beschrieb Friesenhahn, dass die Auseinandersetzungen um den Eid auf die Weimarer Reichsverfassung (die 1924, als Friesenhahn mit seiner Arbeit begonnen hatte, noch relativ aktuell waren) den Anstoß für die Themenwahl gegeben hatten. Gerade die emotionale Debatte lege eine »wissenschaftliche Behandlung seiner Probleme nahe«.226 Und so kreiste Friesenhahns Arbeit, trotz aller grundsätzlichen Überlegungen zur Natur des Eides, letztlich um den Verfassungseid der Weimarer Republik. Zwar hält Stefan Stolte die Dissertation Friesenhahns für »gänzlich unpolitisch« und »betont wertneutral«,227 doch kann man aus der Arbeit durchaus politische Positionen herauslesen. Sie war einerseits stark geprägt von der Schmittschen Verfassungslehre und übte heftige Kritik am Verfassungseid der Weimarer Republik, lotete aber andererseits klar die Möglichkeiten zur Stärkung einer verfassungsgemäßen Ordnung durch den politischen Eid aus. 222 Ebd., S. 67–68. 223 Friesenhahn, Der politische Eid, XI. Friesenhahn zitiert hier, was Schmitt bei Friesenhahns Promotionsverhandlung gesagt haben soll. 224 Friesenhahn, Der politische Eid. 225 Stolte, S. 189. 226 Friesenhahn, Der politische Eid, Vorwort. 227 Stolte, S. 194.

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Am Anfang der Untersuchung standen Überlegungen zu Geschichte, Struktur und Inhalt des politischen Eides. Klar sah Friesenhahn den Eid dabei in religiösen Bezügen: Für den gläubigen Katholiken war ein Eid immer christlich-religiös gebunden. Daraus ergab sich für ihn in letzter Konsequenz, dass der moderne, weltanschaulich neutrale Staat auf den Eid verzichten müsse: »Wenn der Staat den Eid in seine Rechtsordnung einbezieht, so greift er damit in eine andere Sphäre über, im Eide wird die menschliche Ordnung in eine göttliche zurückgeführt. Nur der Staat kann also von seinen Untertanen die Eidesleistung verlangen, der auf religiösem Grund aufbaut.«228 Daher hätte die »Abschaffung des Eides« und die Einführung einer »feierlichen Versicherung« an Eides statt im Jahre 1919 die Konsequenz sein müssen. Da dies nicht erfolgt war und stattdessen die nicht-religiöse Eidesformel neben den klassisch-religiösen Eid getreten sei, existierten nach Friesenhahn in Deutschland fortan zwei Eidesformen: Der »Eidesbegriff der gläubigen Christen, […] für die ›Eid‹ nur die feierliche Beteuerung der Wahrheit bei Gott ist«, zum anderen der »Eidesbegriff der Reichsverfassung, der alles Religiöse ausschaltet.«229 Diese Aufspaltung des Eides in eine religiöse und eine weltliche Variante sah Friesenhahn kritisch. »Die Verfassung [hätte] besser daran getan, begriffliche und terminologische Klarheit zu wahren und die weltliche Beteuerungsformel ohne Vermengung mit dem religiösen Eide zu schaffen. Wenn trotzdem am ›Eide‹ festgehalten wird, so offenbart sich darin das Bemühen, die bei vielen Staatsangehörigen vorhandenen religiösen Vorstellungen, die mit dem Eide verbunden sind, für die Zwecke des Staates dienstbar zu machen.«230 Friesenhahn sprach dem Eid politische Wirkungskraft zu und sah seine Bedeutung nicht zuletzt darin, »Freund und Feind zu erkennen« – eine klare Verankerung im theoretischen Gefüge Carl Schmitts.231 Damit deutet sich bereits an, dass Friesenhahn den promissorischen Eid nicht nach rein positivistischen Vorgaben betrachtete. »Die innere Bindung interessiert den Juristen nicht, da sie sich einer äußeren Feststellung und Beurteilung entzieht. Die Frage der inneren Bindung erregt dagegen politisches Interesse, da sie die kritische Würdigung des Eides als politisches Sicherungsmittel in erheblichem Maße beeinflussen muss.«232 Dass Friesenhahn für diese politische Dimension des Eides keineswegs blind war, zeigen seine Ausführungen. Er machte klar, dass die Struktur und Ausdeutung der Eidesformel immer abhängig sei von den »jeweils herrschenden Anschauungen der Zeit«.233 In einem modernen Staat sei es selbstverständlich, dass der religiöse Eid an Bedeutung verlieren müsse. An seine Stelle trete der »bürgerliche Eid«. Friesenhahn führte 228 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 5. 229 Ebd., S. 9. 230 Ebd., S. 10. 231 Ebd., S. 16. Zu Carl Schmitts Freund-Feind-Denken: Voigt, Freund-Feind-Denken. 232 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 105. 233 Ebd., S. 11.

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aus, wie sich der Eid bei Wegfall Gottes als dem »Dritten im Bunde« verändere: An seine Stelle trete der Staat, der nun Gottes Position als »unsichtbarer Dritter« und als »letzte metaphysische Instanz« einnehme.234 Hier zeigt sich eine deutliche Staatszentrierung Friesenhahns. Damit stand er in einer historischen Tradition, die sich nicht zuletzt auf Hegels Idee des Staates als einer sittlichen Idee bezog. So schreibt Friesenhahn, dass der Staat ebenso wie Gott ein überexistentielles »Sein« (oder einen säkularen Gott) darstelle und nur bei einem solchen Sein ein Schwur überhaupt möglich sei.235 Ebenso wie der religiöse Eid bei Gott geschworen würde und damit eine existentielle Bindung bewirke, könne auch der bürgerliche Eid »beim Staat« eine solche existentielle Bindung hervorrufen.236 Friesenhahn differenzierte im Hinblick auf mögliche Eidesformeln zwei Kategorien: jene erste sprachliche Großgruppe, der es um ein »beobachten, halten, befolgen, erfüllen, vollziehen« ging, und jene, bei der ein »aufrecht erhalten, wahren, verteidigen, schützen, Treue« im Mittelpunkt stünden. »Wenn auch vielfach bei der Feststellung der Eidesnormen nicht gerade das Bewußtsein scharfer juristischer Pflichtenpräzision geherrscht hat und die Eidesnormen mehr oder weniger wahllos aus Freude an stark und voll klingenden Ausdrücken gewählt wurden, so zeigt sich doch […] in der Art, wie die Eidesnormen verteilt werden, das Bestreben, in der Eidesnorm die Stellung des Schwörenden zur Verfassung anklingen zu lassen.«237 Und in dieser Hinsicht bezeichnete Friesenhahn die Formulierung des Eides auf die Reichsverfassung als eindeutig: Die Eidesformel gehörte mit dem in ihr verwendeten Begriff der »Treue« eindeutig in die zweite, stärker bindende Kategorie. Das Verfahren der Reichsregierung, die Bindungswirkung der Eidesformel auf ein reines »Beobachten« im Amt zu reduzieren, sah Friesenhahn daher als »unzulässig: nicht, was man damals beabsichtigte, kann für die Auslegung entscheidend sein, sondern Ausgangspunkt muß bleiben, was tatsächlich verordnet ist: die Treue. […] Man wird […] sagen müssen, daß ›Treue der Verfassung‹ etwas anderes bedeuten muss, als ›die Verfassung gewissenhaft beob­achten‹.«238 »Treue« erfordere letztlich ein komplettes Sich-Einsetzen: »Der Schwur der Treue auf die Reichsverfassung hat also den Sinn, daß der Schwörende sich für die Grundlagen der Verfassung einsetzen soll. Wer der Weimarer Verfassung Treue schwört, der beschwört damit die Republik und hat die Pflicht, sich für diese Verfassung und die darin niedergelegte republikanische Staatsform ›einzusetzen‹.«239 Dies wiederum verstoße gegen die in Artikel 130 Absatz 2 Weimarer Reichsverfassung verfassungsrechtlich garantierte Freiheit 234 Ebd. 235 Vgl.: Siep. 236 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 12. 237 Ebd., S. 115/116. 238 Ebd., S. 117/118. 239 Ebd., S. 122/123.

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der politischen Gesinnung  – und daher betrachtete Friesenhahn die Verordnung vom 14. August 1919, die den Verfassungseid anordnete und formulierte, als verfassungswidrig.240 Doch blieb Friesenhahn bei dieser ablehnenden Haltung zum Verfassungseid nicht stehen und an dieser Stelle beginnt sich sein Zugriff von der konservativen Mehrheitsmeinung zu distanzieren. Denn bei seinen Überlegungen zur Verfassungswidrigkeit der Verordnung des Reichspräsidenten setzte sich Friesenhahn intensiv mit »Gegenstand und Umfang der Verpflichtung« im Verfassungseid auseinander – also der Frage, ob sich der Schwur »Treue der Reichsverfassung« inhaltlich vom Treueschwur gegenüber der Person des Monar­chen unterschied. Dabei ging er auf die immer wieder von konservativer Seite geäußerte Kritik ein, »Treue« einer Verfassung, als einer »Paragraphensammlung«, die beliebig durch wechselnde Mehrheiten veränderbar sei, sei »widersinnig« oder »verschroben«. Unter Bezug auf Carl Schmitts Verfassungsverständnis waren für Ernst Friesen­hahn mit der Formel »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung« nicht einzelne Artikel des Verfassungswerks gemeint: »Kein Mensch wird auf den Gedanken verfallen, einer Ausführungsverordnung Treue zu schwören, den freien Vertrag eines kaufm. [sic!] Angestellten durch einen Treueid bekräftigen zu lassen. Wo immer bisher der Treueschwur vorkam, bezog er sich auf eine Person oder auf Gegenstände von einer gewissen Erhabenheit und Dauer, wie Vaterland, Staat und Volk.«241 War aber nun auch eine Verfassung ein solcher Gegenstand von »gewisser Erhabenheit«? Friesenhahn bejahte dies entschieden: Eine Verfassung wolle »›prinzipiell als die Grundlage des Staates gelten‹ […], und als solche ›grundsätzlich etwas Dauerndes‹ sein. Dieser grundsätzliche, auf Dauer berechnete Charakter kommt nicht jeder beliebigen verfassungsrechtlichen Bestimmung zu, wohl aber den Fundamentalsätzen, den Sätzen, in denen die dem ganzen Verfassungswerk zu Grunde liegenden Ideen zum Durchbruch kommen. […]. ›Treue der Verfassung‹ […] ist ein mögliches Objekt eines Treueides, da insofern eine völlige innere Hingabe und ein persönliches, aus innerster Überzeugung erfolgendes Sich-Einsetzen möglich ist.«242 In dieser positiven inneren Bindung, die durch den Schwur auf die Reichsverfassung beim Beamten entstehen sollte, beschrieb Friesenhahn so etwas wie das Idealbild eines republikanischen Beamten. »Wie ehedem das Beamtenethos auf der Treue zum Monarchen, so soll es heute auf der Treue zur Verfassung aufbauen.« Ein solcher »bürgerlicher Eid« bedeutete für Friesenhahn »einen Appell an die letzten Pflichten des Bürgers im Staate […]«.243 Friesenhahn skizzierte damit die Entwicklung eines demokratischen Beamtenethos, einer inneren Bindung an die Grundwerte der Verfassung. Seine 240 Ebd., S. 125. 241 Ebd., S. 120. 242 Ebd., S. 121. 243 Ebd., S. 11/12.

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Überlegungen hinsichtlich einer mittels eines Verfassungseides positiv und aus eigenem Willen an die Grundwerte der Demokratie gebundenen Beamtenschaft bedeuteten eine Perspektive, mit der Friesenhahn in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre weitgehend allein dastand und die weit über die Diskussionen der Weimarer Republik hinausging. Er selbst betonte auch in der Bundesrepublik noch die Nützlichkeit des Eides »für die Bewußtseinsbildung und Stärkung des Konsenses«.244 In der Realität der zwanziger Jahre hatte dies angesichts der noch immer stark konservativ geprägten Ausrichtung gerade der höheren Beamtenschaft einerseits sowie einer zögerlichen Reichsregierung andererseits kaum Aussicht auf Verwirklichung. Und doch stellt Friesenhahns Konzept das einzig durchdachte Modell eines Verfassungseides der Weimarer Jahre dar: Es bot Perspektiven für die Umwandlung eines alten Rituals angesichts der Gegebenheiten des modernen Staates, für die Neudefinition einer überkommenen Treue-Vorstellung angesichts der komplett veränderten politischen Realitäten der Weimarer Republik. Die Möglichkeit, den Verfassungseid als zentrales Element eines Beamtenethos und darüber hinaus als Symbol einer Verfassungstreue in Republik und Demokratie zu begreifen, war hier aufgefächert. Bis einer in dieser Form demokratisch legitimierten Verfassungstreue wieder ein eigenständiger, theoretisch fundierter Wert zukam, sollten Jahrzehnte vergehen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings, in den siebziger Jahren, sollte dann der Eid bei der Erzeugung dieser Verfassungstreue aus unterschiedlichen Gründen kaum eine Rolle mehr spielen. Bei aller Nähe zu Carl Schmitt und bei aller Prägung der Friesenhahn’schen Dissertation durch den Doktorvater zeigten sich bei näherem Hinsehen bereits 1928 erste Risse im Verhältnis der beiden. Auch die Studie zum »politischen Eid« offenbarte, bei aller Orientierung an Schmitts Verfassungslehre und seinem Freund-Feind-Denken, mehr Bekenntnis zur demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungswirklichkeit der Weimarer Republik, als es beim Lehrer zu finden war. Dies zeigt sich auch in der positiven Beurteilung des Staatsrechtlers Rudolf Smends und seiner Integrationslehre durch Friesenhahn. Denn er sah eine explizite Nähe zwischen Smends »Verfassung und Verfassungsrecht« und seinen eigenen Überlegungen zum Eid. Zwar erwähne Smend den Eid nicht, doch stellte dieser nach Friesenhahns Überzeugung »ein Mittel der Inte­ gration [dar], dessen Sinn und Aufgabe darin besteht, zur politischen Einheit zu inte­grieren.«245 Tatsächlich war es Smends Anliegen gewesen, »die Verfassung zu einem Sinnprinzip für die Integration der das Verfassungsleben tragenden Kräfte zu erheben«,246 und in diesem Kontext hätte der Eid gewinnbringend analysiert werden können. Daher plante Friesenhahn, den politischen Eid als 244 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 420. Vgl. Friesenhahn Beitrag zum Eid aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg: Friesenhahn, Zur Problematik des politischen Eides. Zu Friesenhahns Rolle in der Debatte über den Eid in der Bundesrepublik vgl.: Kap. 5.3. 245 Friesenhahn, Der politische Eid, S. 2. 246 Matz-Lücke, S. 43.

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Mittel der Integration im Smendschen Sinne in einer späteren Arbeit genauer zu behandeln. Im Vorwort seiner Dissertation verwies Friesenhahn auf zentrale inhaltliche Punkte, an denen seine Konzepte jene Smends tangierten, gerade wenn es um die »verschiedene Funktion des politischen Eides unter den verschiedenen Staatsformen« ging: »Der rein persönlichen Integration der absoluten Monarchie entspricht die dem Monarchen geleistete Huldigung«, etwas, das bei Smend die »Einordnung in die bestehende Hierarchie des Staates« symbolisiere. Der Verfassungseid diene hingegen »der Herstellung der sachlichen Wertgemeinschaft«, die Smend als die »Voraussetzung der funktionellen Integration« begreife. »Aus diesen Zusammenhängen erkennt man, warum um den Eid auf die Reichs­ verfassung der Kampf entbrennen musste: Die Verfassung enthält den neuen Bestand staatlicher Gemeinschaftszwecke, und im Eid auf die Verfassung wird ihr sachlicher Gehalt bejaht und muß zur Richtschnur der eigenen Tätigkeit werden.«247 Zu der geplanten Ausarbeitung einer Weiterentwicklung der Smendschen Integrationslehre im Hinblick auf den politischen Eid durch Friesenhahn ist es vor 1933 jedoch nicht mehr gekommen. Nicht zuletzt diese Öffnung für die Semdsche Integrationslehre zeigt aber, dass Ernst Friesenhahn sich im sog. »Methoden- und Richtungsstreit« der Weimarer Republik nicht ausschließlich auf der Seite Carl Schmitts positionierte.248 Seine inhaltlichen Positionen zum Eid changierten zwischen »antipositivistischen« und klassisch-positivistischen Konzepten, so dass auch hier bereits Distanz zum Lehrer Carl Schmitt zu spüren war. Diese Distanzierung vom Betreuer der Dissertation sollte sich seit Anfang der dreißiger Jahre fortsetzen. Seine Habilitation zu »Grundfragen der Staatsgerichtsbarkeit« verfasste Friesenhahn nicht mehr bei Schmitt. Stattdessen wechselte er zu dem ebenfalls in Bonn lehrenden Staatsrechtler Richard Thoma.249 1932 habilitierte sich Friesenhahn, ohne dass Carl Schmitt am Verfahren noch beteiligt gewesen wäre.250 Damit wechselte Friesenhahn zurück in die Schule eines eher traditionellen Positivisten und entfernte sich von Schmitt. Aber auch die Tatsache, dass es sich bei Thoma um einen »überzeugte[n] parlamentarische[n] Demokraten liberaler Gesinnung« und DDP-Mitglied der ersten Stunde handelte, unterschied den neuen Habilitationsbetreuer vom alten Doktorvater.251 Die im »politischen Eid« anklingende Nähe zum demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsstaat schien sich in einer politischen Grundhaltung niederzuschlagen, die die Nähe zu einem akademischen Lehrer ermöglichte, der der Weimarer Republik deutlich positiver gegenüber stand als Carl Schmitt. 247 Friesenhahn, Der politische Eid, 2. 248 Zum »Methodenstreit« vgl. in Auswahl: Gangl; Geis; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, v. a. S. 158–186. 249 Zu Richard Thoma vgl.: Rath. 250 Die Arbeit wurde nur ausschnittweise publiziert: Friesenhahn, Grundfragen der Staatsgerichtsbarkeit. 251 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 334.

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Schmitts politische und persönliche Entwicklung sah Friesenhahn seit Anfang der dreißiger Jahre zunehmend kritisch. Er selbst durchlief einen intellektuellen Wandlungsprozess, der letztlich auch sein Verhältnis zum Nationalsozialismus mitbestimmen sollte. Ende April 1933 stellte Friesenhahn noch einen (erfolglosen) Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, außerdem wurde er Mitglied der SA.252 Doch die Begeisterung des Jahres 1933 hielt nicht lange an. Nach dem »Röhm-Putsch« distanzierte sich der »März-Gefallene« klar von den neuen Machthabern. Im September 1934 bat Friesenhahn bei der NSDAP schriftlich darum, sein Aufnahmegesuch zurückzustellen. Bei der SA beantragte er, aufgrund beruflicher Pflichten vom Dienst freigestellt zu werden; sollte diese Freistellung nicht möglich sein, teilt er mit, aus der SA austreten zu wollen.253 Gleichzeitig vollzog er den offenen Bruch mit Carl Schmitt nach dessen Rechtfertigung des »Röhm-Putsches«.254 Beruflich half ihm dieses oppositionelle Bekenntnis natürlich nicht: Friesenhahn, der in Partei-Kreisen den Ruf eines Zentrums-Mannes innehatte  – obwohl er nie Mitglied gewesen war  –, wurde in den Jahren des Nationalsozialismus nicht auf eine Professur berufen. Er musste sich mit Lehraufträgen und Vertretungen über Wasser halten und schließlich in eine Anwaltstätigkeit ausweichen. Seine eigentliche Karriere, sowohl an der Hochschule als auch später am Bundesverfassungsgericht, sollte erst nach 1945 einsetzen. Eine große Karriere stand auch seinem Buch über den politischen Eid bevor: Bis heute wird es in jeder Studie, die sich auch nur ansatzweise mit dem Thema beschäftigt, zitiert. Auffällig ist dabei, dass die wenigsten Autoren Friesenhahns Text in seinem zeitgenössischen Kontext der zwanziger Jahre begreifen, sondern stattdessen seine Aussagen und Thesen zum Wesen des Eides relativ unhinterfragt übernehmen. Die Historisierung der Friesenhahn’schen Arbeit sollte noch Jahrzehnte auf sich warten lassen und ist zum Teil bis heute noch nicht in allen Texten zum Thema selbstverständlich. Dass Ansätze zur Entwicklung einer durch den Eid gestärkten Verfassungstreue, wie sie sich in der Arbeit Friesenhahns finden, in der Weimarer Republik kaum Gehör fanden, trug auf seine Weise zum Niedergang der Demokratie bei. Letztlich blieb die deutsche Gesellschaft von einem personalen Treueverständnis geprägt. Daher begriffen nicht wenige Deutsche das personale Treueverständnis, das der Nationalsozialismus nach der »Machtergreifung« etablierte sollte, als eine Rückkehr zur Normalität.

252 Aussage im Entnazifizierungsverfahren sowie gegenüber seinen Schülern 1982, zitiert nach Stolte, S. 198. 253 Ebd., S. 209/210. 254 Schmitt, Der Führer schützt das Recht.

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4. »Treue bis in den Tod«: Der Eid im Nationalsozialismus

4.1 Der Eid auf den »Führer«: Neuvereidigungen 1933/1934 Anders als in den Revolutionswirren des Jahres 1918, als die Beamten des Deutschen Reichs von ihrem Eid auf Kaiser Wilhelm II. entbunden wurden, änderte sich im Übergang zwischen der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus im Hinblick auf den Eid erst einmal gar nichts. In den anderthalb Jahren nach der sogenannten »Machtergreifung« führte eine scheinbar legale verfassungsrechtliche Entwicklung zur Sicherung der nationalsozialistischen Herrschaft und der Aushebelung der Weimarer Reichsverfassung.1 Im Verlauf dieses Prozesses wurde das Beamtenverhältnis mit seinen Treueverpflichtungen und damit einhergehend die von den Beamten geschworene Eidesformel radikal verändert. Die Umwandlung des Eides weg vom Verfassungseid hin zu einem Treueid, der (wieder) eine persönliche Bindung in den Mittelpunkt stellte, fügte sich somit ein in die stufenweise Konsolidierung der nationalsozialistischen Herrschaft. Insofern war es kein Zufall, dass der Abschluss der Verfassungsumbildung – sinnbildlich in der Proklamation Hitlers gespiegelt, mit der er das »Ende des Kampfes um die Staatsgewalt« verkündete – und das Inkrafttreten des neuen Gesetzes über die Vereidigung der Beamten und Soldaten der Wehrmacht auf denselben Tag, den 20. August 1934, fielen.2 4.1.1 Die Abschaffung des Verfassungseides Doch dies war im Januar 1933 noch nicht abzusehen. Denn die Weimarer Reichsverfassung wurde, um der »Machtergreifung« den Anstrich der Legalität zu geben, nicht offiziell außer Kraft gesetzt. Die beinahe unmittelbar einsetzende Aushöhlung der Verfassung, die teilweise Außerkraftsetzung bei Weitergeltung einiger Einzelvorschriften ging schrittweise voran. Dabei standen die Regelungen bezüglich der Vereidigungen der Staatsdiener nicht an erster Stelle. Daher wurden neueinzustellende Beamten weiterhin solange mit dem Wortlaut des 1919 geschaffenen Eides vereidigt, bis im Dezember 1933 eine Umformulierung des Eides erfolgte. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, doch lässt sich die 1 Stellvertretend: Bracher; Broszat. 2 Schrader, Verfassungstreue, S. 267. Vgl. zum Prozess der »Machtergreifung« auch: Wirsching; Kißener.

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Beibehaltung des Verfassungseides erklären mit der Prozesshaftigkeit des Umsturzes: vor allem war in der ersten Zeit nach der »Machtergreifung« unklar, wie eine neue, alternative Eidesformel hätte aussehen sollen. Sobald sich das System indes stabilisierte, wurde der Eid ideologisch wie praktisch zu einem der zen­ tralen Rituale des Dritten Reichs. Trotz seiner vorübergehenden Weitergeltung wurde die Abschaffung des Verfassungseides dennoch schon früh vorbereitet: Bereits im Frühjahr 1933 mit dem Ermächtigungsgesetz, das die Grundlage für eine Umgestaltung des Beamtenrechtes bildete, und dem darauf folgenden Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (vom 7. April 1933) waren entscheidende Weichen auf dem Weg zur Abschaffung der alten Eidesformel gestellt. Die sich im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums andeutende »Gewährbietungsformel«  – der Beamte musste die Gewähr bieten, sich »jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einzusetzen«, von der Verfassung war keine Rede mehr3 – wurde nur wenig später durch eine Änderung des Reichsbeamtengesetzes normiert.4 Hier deutete sich eine Verschiebung der Treuepflicht an, weg von der defensiven Interpretation der Weimarer Republik, hin zu einer umfassenden Treuepflicht, mit Begriffen wie »rückhaltlos« und »jederzeit«. Die konkrete Entwicklung hin zur Abschaffung des alten Verfassungseides begann im Spätsommer 1933 und ging eigentlich von einem Nebenschauplatz aus. Am 15. September 1933 sollten in Berlin anlässlich der Eröffnung des neuen Preußischen Staatsrates auch die neu ernannten preußischen Staatsräte durch Hitler vereidigt werden,5 und zwar nach folgender Eidesformel, die bereits aus der Weimarer Republik stammte: »Ich schwöre: Ich werde meine Kraft für das Wohl des deutschen Volkes einsetzen, die Verfassung und die Gesetze des Reichs und Preußens wahren, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteiisch und gerecht gegen jedermann führen.«6 Wenige Tage vor der geplanten Vereidigung wandte sich der Staatssekretär in der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, an den Staatssekretär des Preußischen Staatsministeriums, Paul Körner. Offenbar hatte die Eidesformel Hitlers Missfallen erregt, wenn auch vordergründig nur wegen einer Kleinigkeit. »Nach Auffassung des Herrn Reichskanzlers ist folgende Eidesformel im Hinblick auf die gesamte politische Entwicklung in Deutschland erwünscht: Ich schwöre, ich werde meine Kraft für das Wohl des deutschen Volkes einsetzen, Verfassung und Gesetze

3 Vgl. das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. 4 Am 30.6.1933 erfolgte eine Änderung des Beamtenrechts durch Einführung eines § 1a in das Reichsbeamtengesetz: als Reichsbeamter durfte künftig nur berufen werden, wer die »Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintritt«. Vgl.: Gesetz zur Änderung der Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts (30.3.1933). 5 Etwa 70 Staatsräte wurden neu ernannt, darunter auch Carl Schmitt. Vgl. Jasch, S. 55. 6 Vermerk der Reichskanzlei, betrifft: Vereidigung der preußischen Staatsminister, 11.9.1933, BArch R 43 II/499.

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wahren…«7 Es sollte also nicht mehr geschworen werden, die Verfassung und die Gesetze zur wahren, sondern durch Weglassung der Artikel nur noch unkonkret Verfassung und Gesetze. Der explizite Verweis auf die (formal ja noch gültige)  Weimarer Reichsverfassung sollte dadurch sprachlich eingeschränkt und verallgemeinert werden. Das Preußische Staatsministerium reagierte unmittelbar, und die Eides­formel wurde in der von Hitler gewünschten Form geändert.8 Angestoßen durch diese Kritik Hitlers am Eid der preußischen Staatsräte, geriet auch der Eid der Beamten in den Blick der Reichskanzlei.9 In der Folgezeit jedoch ging die Debatte um die Neuformulierung des Beamteneides weit über die ursprünglich vorgeschlagene minimale Korrektur durch Weglassung von Artikeln hinaus. Die Formulierung »Ich schwöre Treue der Verfassung« bedurfte nach Ansicht der nationalsozialistischen Staatsführung, aber auch der Verwaltung dringend einer kompletten Neuformulierung. Bereits in den Vorüberlegungen zu einer solchen Neugestaltung der Eides­ formel tauchte die Formulierung auf, die schließlich auch im Gesetz Ver­ wendung fand. Im ersten Entwurf hieß es, die Reichsbeamten sollten schwören, »Volk und Vaterland die Treue zu halten«.10 Hinzu trat der Halbsatz, »Verfassung und Gesetze zu beobachten und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen«. Bei einer ersten Besprechung über die Änderung der Eidesformel Anfang Oktober 1933 im Innenministerium wurde durchaus kontrovers diskutiert, ob sich im Eid immer noch ein Bezug auf die Weimarer Reichsverfassung finden sollte. Vor allem der zweite Teil der Weimarer Verfassung – also der Grundrechte-Teil – habe »keine Geltung mehr«, so formulierte es der Referent des Justizministerium Ministerialrat, Friedrich Wilhelm Kritzinger.11 Auch die eidliche Verpflichtung, ›die Gesetze zu beachten‹, könne leicht als leere Formel angesehen werden, »da den Beamten und Richtern von hervorragender nationalsozialistischer Seite […] immer wieder gesagt werde, daß man die Gesetze nicht anwenden dürfe, soweit sie mit der jetzigen Staatsauffassung nicht vereinbar wären.«12 Diese Kritik an der Aufnahme der Verfassung in die Eidesformel setzte sich jedoch in der Diskussion nicht durch. »Trotzdem glaubte die Mehrheit der Beteiligten 7 Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an den Staatssekretär im Preußischen Staatsministerium Körner, 19.9.1933, BArch R 43 II/499. 8 Der Staatssekretär des Preußischen Staatsministerium Körner an den Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers, 22.9.1933, BArch R 43 II/499. Vgl. auch: Preußische Gesetzessammlung, Berlin 29.9.1933, BArch R 43 II/499. 9 Der Staatssekretär in der Reichskanzlei Lammers an Ministerialdirektor Gottheiner, Reichministerium des Innern, 4.10.1933, BArch R 43 II/499. 10 Kommissarische Besprechung am 12.10.1933 Vgl. die Einladung vom 7.10.1933 mit zwei Referentenentwürfen, BArch R 43 II/499. 11 Vermerk, betrifft: Änderung der Eidesformel für Minister, Beamte und Soldaten, 13.10.1933, BArch R 43 II/499. 12 Vermerk über die Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 3001/270.

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nicht darauf verzichten zu können, daß in dem Beamteneid die Beachtung der Verfassung und Gesetze zum Ausdruck gebracht wurde.«13 Hier schlug eine Tradition durch, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichte, als die Forderungen der liberalen Bewegung nach einem Verfassungseid in die Schaffung einer dreiteiligen Eidesformel mündeten, in der der Treueid gegenüber dem Monarchen mit einem sekundären Verfassungseid und einem Diensteid kombiniert wurde. Wenn nun die Abschaffung der republikanischen Eidesformel im Raum stand, so orientierten sich die federführenden Beamten wie selbstverständlich an der überlieferten, »klassischen« Eidesformel, bestehend aus einem Treu-, einem Verfassungs- und einem Diensteid. Die Neustrukturierung des Staats- und Verfassungsgefüges war nach neun Monaten nationalsozialistischer Herrschaft in ihrer Tragweite nur in Ansätzen erkennbar. Auf den Verfassungszusatz in der Eidesformel zu verzichten, erschien den Verantwortlichen angesichts dieses fließenden Prozesses der Verfassungsumbildung nicht als Option. Über diesen Bezug auf die Verfassung hinaus richtete sich das Hauptaugenmerk bei der Neugestaltung der Eidesformel im Spätherbst 1933 auf die grundsätzliche Frage, wem die beschworene Treue zukünftig zu gelten habe, wenn die Verfassung diese Position verliere. Ein tatsächlich personalisierter Eid war (noch) nicht denkbar, weder auf Hitler, noch auf z. B. Hindenburg. Die Einfügung von »Volk und Vaterland« in die Eidesformel erschien hier im Hinblick auf die Umwandlung der Treue-Beziehung nur konsequent. Der Begriff nahm die jahrelangen Einheitssehnsüchte, die sich bereits in der Weimarer Republik in der massenhaften und überparteilichen Verwendung von Gemeinschaftsbegriffen wie »Volk«, »Volksgemeinschaft«, »Führertum« usw. geäußert hatten, auf.14 Die Verwendung der Begriffe »Volk und Vaterland« in einer Eidesformel war symbolisch für die Zeitgenossen fraglos höher einzuschätzen als etwa ein Bezug auf die »Nation«. Hier deutet sich die Wirkungsmacht politischer Semantiken an, die auch die »Sprache des Rechts und der Gesetzgebung« in einen Bezug zur »Volksgemeinschaft [setzte], die einerseits die Individualität des Rechts zwar nicht aufhob, wohl aber verminderte, und die andererseits den Staat als juristische Persönlichkeit zu liquidieren trachtete.«15 Die »Nation« als »liberalistischer« Rechtsbegriff sollte ebenso überwunden werden wie das konstitutionelle Staatsdenken: Die »Volksgemeinschaft« als zentraler Bezugspunkt des Rechts spiegelt sich also bereits in der neuen Eidesformel aus der zweiten Jahreshälfte 1933. Dies diente gleichzeitig auch der »Implementation ethischer Argumente« in die Sprache des Rechts16 und erhöhte damit die moralischen Ansprüche an den Eidgeber. Dieser schwor eben nun nicht mehr dem Normensystem »Verfassung« Treue, sondern dem schwammigen, ideologisch definierten »Volk«. 13 Ebd. 14 Wildt, Volksgemeinschaft und Führererwartung; Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine. 15 Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine, S. 125. 16 Ebd.

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Somit nahm die neue Eidesformel die ausgrenzenden Elemente des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums auf, indem sie das völkischrassistisch definierte Volk ins Zentrum der neuen Eidesformel stellte. Der Beamte wurde an die rassistisch definierte »Volksgemeinschaft« gebunden, der er »jederzeit« und »rückhaltlos« (wie es im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums hieß) »treu« zu sein habe. Die auf den ersten Blick (vor allem im Vergleich mit dem späteren personalisierten Eid auf Hitler) harmlos erscheinende Eidesformel aus dem Herbst 1933, in der der Schwur auf die Verfassung durch die Bindung an »Volk und Vaterland« ersetzt wurde, nahm also bereits die Elemente des auf rassistischen Grundlagen fußenden Unrechtsstaates auf. Angesichts dieser Bedeutung tritt die Tatsache, dass der Verfassungseid in der Eidesformel zumindest sekundär noch aufgenommen war, deutlich in den Hintergrund. Um nun, wie es bei der Ressortbesprechung im Reichsinnenministerium am 12. Oktober 1933 hieß, den immer noch gültigen Artikel 176 der Weimarer Reichsverfassung, der die Vereidigung der Beamten und Soldaten auf die Verfassung vorschrieb, wenn auch nicht »formell«, so zumindest »praktisch« aufzuheben,17 entwickelte das Reichsinnenministerium einen Gesetzentwurf, der mittels der im Ermächtigungsgesetz vorgesehenen Regierungsgesetzgebung eine Neuformulierung des Eides ermöglichte.18 Das »Gesetz, betreffend den Treueid der öffentlichen Beamten und Soldaten der Wehrmacht« trat am 1. Dezember 1933 in Kraft und legte in Paragraf 1 fest: »Alle öffentlichen Beamten und die Soldaten der Wehrmacht haben einen Treueid zu leisten. Das Nähere wird durch Verordnung des Reichspräsidenten bestimmt.«19 Die zeitgleich mit auf den Weg gebrachte Verordnung bestimmte dann den bereits diskutierten Eid, den nur die neu einzustellenden Beamten zu leisten hatten – es wurde also zu diesem Zeitpunkt nicht die gesamte Beamtenschaft neu vereidigt: »Ich schwöre bei Gott, Volk und Vaterland Treue zu halten, Verfassung und Gesetze zu beobachten und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.«20 Indem gleichzeitig die Verordnung des Reichspräsidenten vom 14. August 1919 außer Kraft gesetzt wurde, war der Weimarer Verfassungseid Geschichte. Geschichte war mit diesem neuen Eid auch die in der Weimarer Republik durchgesetzte Abschaffung der religiösen Eidesformel. Angeregt wurde diese Diskussion über die säkulare Eidesform durch einen Ministerialbeamten aus 17 »praktisch«: Niederschrift für die kommissarische Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 55/33; »formell«: Vermerk über die Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 3001/270. 18 Der Reichsminister des Innern an den Herrn Staatssekretär in der Reichskanzlei, 21.11.1933, BArch R 43 II/499. 19 Gesetz, betreffend den Treueid der öffentlichen Beamten und Soldaten der Wehrmacht. 20 Auch der Eid für die (neu zu rekrutierenden) Soldaten wurde neu festgelegt: »Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich meinem Volk und Vaterland allzeit treu und redlich dienen und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.« Vgl.: Der Reichsminister des Innern an die Herren Reichsminister, 2.11.1933, BArch R 43II/499. Siehe auch: Heinemann, Unternehmen »Walküre«, S. 58.

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dem Reichsarbeitsministeriums, Ministerialrat Georg Hartrodt.21 Er plädierte in der Vorbereitung der oben erwähnten Ressortbesprechung im Oktober 1933 dafür, »für die grundsätzliche Wiedereinführung des religiösen Eides entsprechend der christlichen Grundlagen von Reich und Staat einzutreten«.22 Die Vertreter der verschiedenen Ministerien waren sich dann ohne weitere Diskussion einig darüber, dass dem neuen Eid eine religiöse Beteuerung beigefügt werden sollte.23 Hier zeigt sich, dass die Vorbehalte gerade der höheren Beamten gegenüber der Abschaffung der religiösen Bindung des Eides durch die Weimarer Republik nicht geringer geworden waren. Sie versuchten, den sich durch die neuen Machtverhältnisse bietenden Spielraum zu nutzen, um nicht nur den ungeliebten Verfassungseid, sondern auch dessen säkulare Fassung abzulösen. Zukünftig sollte der Eid nach Vorstellung der an der Besprechung Beteiligten immer in der religiösen Form geschworen werden: »Eine Wahl für den Beamten, die religiöse Formel auszulassen, darf es nicht mehr geben.«24 Aus der Begründung für diese rigide Haltung spricht weniger eine neue nationalsozialistische Position, sondern eher eine traditionell-christlich, konservativ geprägte Grundhaltung von Beamten, die auf die politische, soziale und weltanschauliche Homogenität der eigenen Berufsgruppe bedacht war: »Wer Beamter werden will, muss sich darüber klar sein, dass innere Hemmungen gegen die religiöse Form des Eides ihn zum Dienst in dem auf christlicher Grundlage beruhenden Staat und Reich untauglich machen.«25 Auch wenn innerhalb der beteiligten Ressorts Übereinstimmung hinsichtlich der Wiedereinführung der religiösen Eidesformel für die Beamten und Soldaten bestand, so waren sich die anwesenden Beamten doch keineswegs sicher, ob ihre Position auch in der Reichskanzlei auf Zustimmung stoßen würde. Daher wurde beschlossen, erst einmal Reichsinnenminister Wilhelm Frick »mit der Reichskanzlei Fühlung aufnehmen zu lassen, um die Auffassung des Führers zur Frage der religiösen Beteuerungsformel […] festzustellen.«26 Wenige Tage später war klar, dass die Wiedereinführung der religiösen Eidesformel die Zustimmung Hitlers gefunden hatte.27 Entsprechend konnte die religiöse Formel in die am 21 Georg Hartrodt war bereits während der Weimarer Jahre als Referent im Reichsarbeitsministerium tätig. Vgl.: Schulz, S. 47/50. Vgl. auch: Hartrodt. 22 Ministerialrat Dr. Hartrodt (Hauptabteilung I) an die Herren der Hauptabteilungen II, III, IV des Reichsarbeitsministeriums, 7.10.1933, BArch R 41/509. 23 Vermerk über die Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 3001/270. 24 Niederschrift über die kommissarische Besprechung im Reichsministerium des Innern, 12.10.1933, BArch R 55/33. 25 Ministerialrat Dr. Hartrodt (Hauptabteilung I) an die Herren der Hauptabteilungen II, III, IV des Reichsarbeitsministeriums, 7.10.1933, BArch R 41/509. 26 Niederschrift für die kommissarische Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 55/33. 27 Handschriftlicher Vermerk: »Der Herr Reichskanzler ist mit der religiösen Formel einverstanden.«, 16.10.1933, in: Niederschrift für die kommissarische Besprechung im Reichsministerium des Innern am 12.10.1933, BArch R 55/33.

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1. Dezember 1933 in Kraft tretende Verordnung des Reichspräsidenten aufgenommen werden.28 Die Initiative zur Wiedereinführung der religiösen Eidesformel kam also aus den Reihen der traditionsverhafteten Beamten, die die Einführung des säkularen Eides in der Weimarer Republik skeptisch gesehen hatten. Dies änderte jedoch wenig daran, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung der Nationalsozialismus war, der dem Eid seine »Heiligkeit« wiedergab. Dies verweist auf das Überdauern traditioneller Motive, die in der Zeit des säkularen Staates der Weimarer Republik wenig Widerhall gefunden hatten. Nun hofften gerade christlich-konservative Gruppierungen nicht nur in der Verwaltung, dass das neue Regime dem Eid seine religiöse Bindung wiedergeben könne. Die Illusionen, denen sich viele Christen im Hinblick auf den Nationalsozialismus hingaben, werden hier nicht zum ersten Mal beschrieben. Die 1934 noch kompromisslose Einführung der religiösen Eidesformel, die keine nicht-religiöse Formel zuließ, wurde indes im Deutschen Beamtengesetz 1937 gelockert. Hier hieß es in Paragraf 4, Absatz 3: »Erklärt der Beamte, dass er Bedenken habe, den Eid in religiöser Form zu leisten, so kann er ihn ohne die Schlussworte leisten.«29 Letztlich entsprach diese Öffnung des Eides für die nicht-religiöse Formel dem nationalsozialistischen Weltbild in seiner zwiespältigen Haltung gegenüber dem Christentum. Die Abschaffung des Verfassungseides im Dezember 1933 erscheint im Rückblick wie ein Verwaltungsvorgang, der noch nicht eindeutig von nationalsozialistischen Interessen geprägt war. Noch waren die »alten« Eliten in den zentralen Positionen und sie sahen sich in den Monaten nach der sogenannten »Machtergreifung« sogar in einer relativ starken Position: angesichts einer in verwaltungstechnischen Fragen sowohl inhaltlich unerfahrenen wie auch personell schlecht ausgestatteten NSDAP waren die neuen Machthaber nicht nur auf die Zusammenarbeit mit der alten Bürokratie angewiesen; vielmehr konnten die alten Verwaltungseliten gerade in diesen ersten Monaten nach dem Januar 1933 noch in relativ großem Umfang Einfluss nehmen.30 Die Neugestaltung der Eidesformel in diesen Monaten ist ein Beispiel für diese Situation, die sich in der Schaffung »dualer Verwaltungsstrukturen« zu einem »konstitutiven Strukturkonflikt dieses Herrschaftssystems« auswachsen sollte.31 Gleichzeitig zeigt sich an der Entwicklung der neuen Eidesformel jedoch auch das Miteinander alter und neuer Strukturen, das geprägt war durch einen »gleichsam gewohnten Eifer«, den die alten Verwaltungsstäbe an den Tag legten, »um die vor­gegebenen Pflichten zu erfüllen«.32 So ist die Eidesformel vom Dezember 1933 ein Konsens zwischen Alt und Neu, zwischen Tradition und Ansätzen neuer Ideologie. Einer28 Verordnung über die Vereidigung der Beamten und Soldaten der Wehrmacht. 29 Deutsches Beamtengesetz in der Fassung vom 26.1.1937, http://www.verfassungen.de/de3345/beamte37.htm (zuletzt abgerufen am 24.1.2020). 30 Bach, S. 59. 31 Ebd. 32 Mecking, Stadtverwaltung als Systemstabilisierung?, S. 6/11.

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seits wurden mit der Beibehaltung der dreiteiligen Eidesform und der Wiedereinführung der christlichen Formel traditionelle Elemente des Eides erhalten und wiedereingeführt, andererseits öffnete der Bezug auf das »Volk« als Bezugspunkt der Treue die im Eid beschworene Treuebeziehung für ideologische und rassistische Elemente. Dieser Mischform jedoch war keine Dauer beschieden. Denn auch wenn der Eid, wie etwa in Kommentaren zum Beamtenrecht festgestellt wurde, »schon stark den Einfluß der nationalsozialistischen Weltanschauung aufwies, fehlte noch das persönliche Band«, er blieb ein »abstraktes Gelöbnis«.33 Damit war er noch nicht zu einem Sinnbild einer persönlichen Treuebeziehung geworden, so wie es sich sowohl die alten Eliten in Sehnsucht nach der untergegangenen Monarchie als auch die neuen Eliten im Hinblick auf ein persönliches »Führer-Gefolgschafts«-Verhältnis idealisierten.34 4.1.2 Der Eid auf den »Führer« Während also die Änderung der Eidesformel im Dezember 1933 durch einen längeren Diskussionsprozess vorbereitet wurde, in dem noch stark eine Beamtenschaft mit ihren traditionellen Werten und weltanschaulichen Verankerungen Einfluss nahm, sah die Situation ein gutes halbes Jahr später ganz anders aus. Der Tod Hindenburgs am 2. August 1934 führte innerhalb von zwei Wochen zur kompletten Neugestaltung der Eidesformel. In der gleichen Kabinettssitzung, in der am Tag vor Hindenburgs Tod auch der Gesetzentwurf »über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches« vorgelegt worden war, der die Vereinigung der Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler vorsah, kündigte Reichswehrminister Werner von Blomberg an, die Soldaten unmittelbar nach dem absehbaren Tod Hindenburgs »auf den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zu vereidigen«.35 Bereits einen Tag, nachdem Hindenburg verstorben war, wurden die Neuvereidigungen durchgeführt und die Soldaten und Offiziere schworen folgenden Eid: »Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.«36 Dieser 33 Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, S. 185. 34 Vgl. zum Begriff der »Gefolgschaft« in einem ersten Überblick: Art. »Gefolgschaft«, in: Schmitz-​Berning, S. 252–254. 35 Herbst, Hitlers Charisma, S. 277/278. Entwickelt hatte die Eidesformel Walter von Reiche­ nau, als Chef des Wehrmachtamtes und enger Berater Blombergs. 36 Vgl. die Eidesformeln im Gesetz über die Vereidigung der Beamten und Soldaten der Wehrmacht vom 20.8.1934, verändert durch das Gesetz vom 20.7.1935, als der »Oberbefehlshaber« durch »Oberster Befehlshaber« ersetzt wurde. Bereits in der ersten Version vom August 1934 scheint die Bezeichnung »Wehrmacht« verwendet worden zu sein, obwohl die Reichswehr erst am 16.3.1935 in Wehrmacht umbenannt wurde. Vgl.: Gesetz über die Vereidigung der Beamten und Soldaten der Wehrmacht.

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Eid, der auffälligerweise ohne den Begriff der »Treue« auskam und stattdessen allein den »Gehorsam« betonte, war ganz auf die Person Hitlers ausgerichtet. Ebenso wie der Eid aus dem Dezember 1933 formulierte diese Eidesformel ausdrücklich die Bereitschaft, »für diesen Eid« den Tod in Kauf zu nehmen. Damit gingen die Fahneneide des Nationalsozialismus weit über den Fahneneid in der Weimarer Republik hinaus. Das Erschrecken, das mancher Soldat angesichts dieser auf Hitler ausgerichteten Eidesformel empfand, die den Eidleistenden vor den Vereidigungszeremonien nicht bekannt gewesen war, ist gut dokumentiert.37 Die Neuvereidigung der Soldaten geschah ohne gesetzliche Grund­ lage,38 aber sie schuf Fakten. Gerade vor dem Hintergrund der konkurrierenden Ansprüche insbesondere der SA, aber auch der SS, spricht aus ihr auch der Versuch, durch die öffentlich demonstrierte Treuebekundung gegenüber dem »Führer« eine Bestandsgarantie für die Reichswehr beziehungsweise Wehrmacht zu erwirken. Obwohl es in den Reichsministerien der zivilen Verwaltung niemanden gab, der ähnlich vorpreschte wie Blomberg für die Reichswehr, so war doch klar, dass auch die Veränderung der Eidesformel der Beamten nur noch eine Frage der Zeit war. Gestaltungsspielraum oder Diskussionsbedarf gab es zu diesem Zeitpunkt und angesichts der Formulierung des Fahneneides nicht mehr. Stattdessen legte das Reichsinnenministerium einen nicht mit den anderen Ministerien diskutierten Gesetzentwurf mit einer auf Hitler ausgerichteten Eidesformel vor.39 Nur zwei Tage später hatte das Kabinett dem Gesetzentwurf, den Hitler bereits gebilligt hatte, im Umlaufverfahren zugestimmt und am gleichen Tag trat das Gesetz in Kraft.40 Von diesem Moment an hatten alle Beamten im Deutschen Reich folgenden Eid zu schwören: »Ich schwöre, ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.«41 Die neue Eidesformel blieb bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft bestehen. Im Deutschen Beamtengesetz von 1937 wurde sie nochmals gesetzlich fixiert. Die Sinnhaftigkeit dieses Eides lag laut Beamtengesetz darin, 37 Vgl. die Schilderungen bei Lange, Der Fahneneid, S. 124–127. Ganz so neu wie in der Literatur häufig geschildert, war diese Eidesformel indes nicht, lehnte er sich doch an die im Dezember 1933 neu gefundene Formel an. 38 Vgl. die Argumentation Lange, Der Fahneneid, S. 117. 39 Vermerk, dem Herrn Minister vorzulegen, 18.8.1934, BArch R 1501/5438. Wer die Eides­ formel entwickelte und warum sie diese Formulierung bekam, lässt sich nicht rekonstru­ ieren. 40 Der Reichsminister des Innern an den Herrn Staatssekretär in der Reichskanzlei, 19.8.1934, BArch R 55/33. 41 Anfangs galten die überkommenen Ausnahmebestimmungen für Religionsgemeinschaften, denen das Schwören verboten war. Dies war auch noch im Reichsbeamtengesetz der Fassung vom 26.1.1937, § 4 Abs. 2, aufgenommen. Mit Verordnung Martin Bormanns vom 15.12.1938 wurde diese Ausnahmeregelung aufgehoben. Vgl. Garbe, S. 167.

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dass er »die besondere Verbundenheit [des Beamten] mit Führer und Reich« bekräftige.42 Der durch das Innenministerium entwickelte Eid unterschied sich deutlich von der Eidesformel, die für die Soldaten erlassen worden war. Zum einen enthielt er – im Gegensatz zum Fahneneid, in dem dem »Führer« nicht »Treue«, sondern »unbedingter Gehorsam« geschworen wurde  – eine Treueverpflichtung gegenüber der Person Adolf Hitlers. Zum anderen fehlte dieser Eidesformel die starke religiöse Formulierung vom »heiligen Eid«, der »bei Gott« geschworen wurde. Vielmehr griff man auf die traditionellere Formel des »so wahr mir Gott helfe« zurück. Auch die Dreiteilung der Eidesformel blieb erhalten, wobei der Verfassungseid entfallen war und durch eine schlichte Beachtung der Gesetze ersetzt wurde. Im Gegensatz zu der Eidesänderung im Dezember 1933, bei der nur die neu in den Dienst eintretenden Beamten den neuen Eid zu leisten hatten, waren nunmehr alle im Dienst befindlichen Beamten neu zu vereidigen. Diese Vereidigungen hatten innerhalb einer Woche zu erfolgen.43 So erfolgten die Neuvereidigungen der Beamten in den Reichsministerien zwar weniger überfallartig als bei den Soldaten, jedoch mit umso mehr Gründlichkeit. Penibel geführte Namenslisten über erfolgte Vereidigungen, Beamte, die aufgrund von Urlaub oder Krankheit noch nicht vereidigt waren, finden sich in den Akten der Reichsministerien.44 Die Beamten wurden kurzfristig zusammengerufen, um den Eid in Großgruppen zu leisten. Es gab klare Bekleidungsvorschriften (in dunklem Anzug oder Braunhemd mit Armbinde) und Ablaufvorschriften. In der Regel leistete erst der Vorstand der Behörde selbst »vor den versammelten Beamten den Eid und bewirkt sodann die Vereidigung der seiner unmittelbaren Dienstaufsicht unterstellten Beamten. Diese hat in der Weise zu erfolgen, daß der Leiter der Behörde den Eid vorspricht und die Beamten in ihrer Gesamtheit den Eid nachsprechen.«45 Die Vereidigung erkrankter Beamter war unmittelbar nachzuholen. Jüdische Beamte waren durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zu diesem Zeitpunkt bereits zu großen Teilen aus Beamtenpositionen verdrängt. Eine Reihe von noch im Amt Verbliebenen leistete den Eid. Dies schützte sie indes nicht vor Verfolgung und spätestens Ende 1935 verloren auch sie ihre Posten durch die Verordnung zum Reichsbürgergesetz, welche die

42 Die Paragraphen zum Treueid finden sich in Abschnitt II: Pflichten des Beamten. Vgl.: Brand, Das deutsche Beamtengesetz, S. 135. 43 Der Reichsminister des Innern an die Obersten Reichsbehörden, die Reichsstatthalter und sämtliche Länderministerien, 21.8.1934, BArch R 43II/499. 44 Vgl. etwa die Listen im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Ordner: Dienstrecht allgemein, u. a. Vereidigung und Verpflichtung der Beamten 1933–1938, BArch R 55/33. 45 Vgl. etwa die Anweisungen: Der preußische Justizminister, betr.: Vereidigung der Justizbeamten, 24.8.1934; Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, 22.8.1934, beide: BArch R 3001/21518.

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Versetzung aller jüdischer Beamter in den Ruhestand anordnete.46 Nach dem Einmarsch in Österreich 1938 waren die Regelungen klarer: Hier wurde Juden die Ableistung des Eides gesetzlich verboten.47 Abgesehen von dieser Ausgrenzung jüdischer Beamter ist bis zu dieser Stelle eigentlich eher die strukturelle Ähnlichkeit mit den Vereidigungen in der Weimarer Republik auffällig, als man nach dem Kapp-Putsch begonnen hatte, den Stand der Vereidigungen abzufragen. Die Vereidigungen im Sommer 1934 selbst wurden dann jedoch zu einer Demonstration nationalsozialistischer Macht. In den Zeremonien nutzte das Regime die Möglichkeit, die Verschmelzung und Symbiose der traditionellen Verwaltung mit dem neuen Regime zu demons­ trieren und die Beamten auf ihre Treuebindung zu Hitler einzuschwören. Schon rein äußerlich waren die Zeremonien weitaus feierlicher gestaltet, als dies im nüchternen Klima der Republik der Fall gewesen war. Der Eid auf den »Führer« sollte den Beamten in Erinnerung bleiben. Teilweise erfolgte das Absingen der ersten Strophe des Deutschlandliedes und / oder des Horst-WesselLiedes im Anschluss an die Vereidigung.48 Ganz selbstverständlich dazu gehörte in jedem Fall ein dreifaches »Sieg-Heil«.49 Schließlich wurden die Beamten durch eine Rede ihres Behördenvorgesetzten auf die Bedeutung des Schwurs hingewiesen. Die Rede, die Staatssekretär Hans Heinrich Lammers in der Reichskanzlei vor den zu vereidigenden Beamten hielt, ist hierfür symptomatisch. Er betonte die historische Bedeutung des »unlöslichen Treue- und Gehorsamsverhältnisses«, das die Beamten bis »zum Novemberverbrechen von 1918« an die Monarchen gebunden habe, und wetterte noch einmal gegen den Verfassungseid von Weimar, einen Schwur auf ein »Schema von Paragraphen, über dessen Auslegung wilder Streit geherrscht und über dessen Beachtung sich die jeweiligen Machthaber beliebig und reichlich hinweggesetzt hätten, ein Werk, das […] durch sogenannte verfassungsdurchbrechende Gesetze über 150mal geändert wurde […].« In Gleichsetzung von Regierung und Staat behauptete Lammers, der »Weimarer Parteienstaat« sei zu einem »richtige[n] Treue- und Gehorsamsverhältnis mit den Beamten überhaupt« nicht in der Lage gewesen angesichts einer »ewig wechselnden Mehrheit«. Nun aber – nach der »Reinigung« des Beamtentums von politisch und rassisch »unzuverlässigen« Beamten – strebe der Nationalsozialismus eine »Stärkung« des Berufsbeamtentums an: »Der seelenlose Eid der Weimarer Reichsverfassung mußte in dem autoritären Führerstaat, unserer heutigen Staatsform, verschwinden und ersetzt werden durch einen Eid, in dem die 46 Die Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz. Es finden sich Beispiele für jüdische Beamte, die den Führereid geleistet haben, vgl. zum Beispiel Ernst Gerhard Leseberg, in: Morisse, S. 143; Möllenhoff, S. 230, schildert die Vereidigung von fünf jüdischen Professoren auf Adolf Hitler. 47 Fritz, S. 26–28. 48 N. N., Vorbild durch selbstlose Führung. 49 N. N., Selbstloser Dienst an der Nation.

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persönliche Treue- und Gehorsamspflicht zum Führer des Deutschen Reiches und Volkes, zu unserem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Ausdruck kommt. In seiner Person sei die nationale Idee wieder verkörpert und im Dienste für die nationale Idee liege allein die Existenzberechtigung des deutschen Berufsbeamtentum, liege auch seine historische Tradition.«50 Die Bemühungen, den neuen Eid in eine vermeintlich historische Tradition zu stellen, sind in vielen Kommentaren und Ansprachen zu den Vereidigungen unübersehbar. So hieß es etwa in Arthur Brands Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz noch 1942: »Der Beamte leistet jetzt wieder – wie vor 1919 dem Kaiser oder dem Landesherrn  – so jetzt dem Führer persönlich den Treueid. Damit wird anders als nach der Weimarer Verfassung, wo einer Urkunde […] der Eid geleistet wurde, ein festes persönliches Band der Treue zwischen dem Führer und dem Beamten geknüpft. Nur durch dieses persönliche Verhältnis des Beamten zum Führer sind die guten alten Traditionen des Beamtentums, wie sie sich in Preußen zur Zeit Friedrich Wilhelm des Ersten und Friedrich des Großen herausgebildet hatten, auch im neuen Staat für alle Zukunft gewährleistet.«51 Die (vermeintliche)  Rückkehr zu den »guten alten Traditionen des Beamtentums« war gerade für das traditionsbehaftete Beamtentum bedeutsam, ebenso wie auch für die Soldaten solche Traditionen beschworen wurden. Damit wurde die verfassungsrechtlich problematische Lage hinsichtlich der Weimarer Reichsverfassung von einer anderen Legitimationslinie überlagert. In dieser stellte der neue Eid »keinen Bruch mit dem historisch überkommenen, sondern eine Fortsetzung der nur durch die Weimarer Republik unterbrochenen Anschauungen dar«.52 Mit der bewussten Berufung auf diese Tradition sollte die Zustimmung der Beamtenschaft zum Nationalsozialismus gestärkt und die Bereitschaft, den neuen Eid zu leisten, unterstützt werden. Auch wenn diese Bezugnahme auf historische Kontinuitäten bei den verschiedenen Kommentatoren unterschiedlich ausfiel und gerade nationalsozialistische Staatsrechtler die Diskrepanz des Führereides zum Eid auf den Monarchen im Konstitutionalismus betonten,53 so war doch allen gemeinsam die Betonung der Überwindung des »unpersön­ lichen« Eides der Weimarer Republik. Dies war gewissermaßen der gemeinsame Nenner, auf den sich Konservative und Nationalsozialisten einigen konnten. Das Aufzeigen vermeintlicher historischer Kontinuitäten, sei es nun in Bezug auf den Monarchen-Eid des Kaiserreichs, seien es weiter zurückliegende, gar germanische Legitimationskonstruktionen,54 diente jedenfalls dem Zweck, die 50 Vereidigung der Beamten der Reichskanzlei auf den Führer und Reichskanzler, BArch R 43 II/499. 51 Brand, Das deutsche Beamtengesetz, S. 135. 52 Saam, S. 165. 53 Vgl. hierzu Kap. 4.2. 54 Vgl. etwa: Höhndorf, S. 432: »Es ist ein Kennzeichen jeder deutschrechtlichen Volks- und Staatsordnung, daß sie auf personenrechtlichen Bindungen aufgebaut ist. Was über die Bedeutung des Königs- und Untertaneneides für die germanischen Stammreiche gesagt wurde,

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Zustimmung zum neuen Eid zu erhöhen und das Radikale der neuen Bindung zu überdecken. Denn bei aller vermeintlichen historischen Legitimität war der Eid auf Hitler Teil des nationalsozialistischen Weltbildes und die hier aufscheinende Treue-Beziehung eine völlig andere als die im Eid auf den Monarchen im Kaiserreich artikulierte: Er band jeden einzelnen Beamten an die Person Hitlers, machte ihn zu einem »Gefolgsmann« des »Führers«. Die Verwaltung als ein Pfeiler staatlicher Macht war durch die Gesetzgebung seit dem Januar 1933 in das nationalsozialistische Machtgefüge eingebaut worden. Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes über die Vereidigung der Beamten und Soldaten am 20. August 1934, der Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches und der Proklamation Hitlers, die das »Ende des Kampfes um die Staatsgewalt« verkündete, war das Ende der nationalsozialistischen Verfassungsentwicklung in der Phase nach der »Machtübernahme« erreicht.55 Der Eid bildete in diesem Kontext ein entscheidendes Element im Machtgefüge, ein Mittel, das das Gewissen des einzelnen »Gefolgsmannes« (und der Gefolgsfrauen) an den »Führer« binden sollte. Der Eid wurde zum Stein im Mauerwerk der charismatischen Herrschaft. Die Neuvereidigungen der Beamten auf die Person Adolf Hitlers verliefen ohne Schwierigkeiten. Begründungen für diese willige Bereitschaft, den neuen Eid zu leisten, gibt es mehrere: Die erste liegt in den Umständen eines Lebens in einer Diktatur, in dem nach der »Reinigung« der Beamtenschaft durch das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« der Kreis der politisch kritischen Stimmen im Beamtentum radikal reduziert worden war (vor dem Hintergrund einer traditionell ohnehin schon eher homogenen konservativnatio­nalen Ausrichtung zumindest des höheren Beamtentums, die auch in der Weimarer Republik nur ansatzweise aufgebrochen worden war). Wer nun noch Zweifel am neuen System hegte, überlegte es sich zweimal, ob er diese Zweifel öffentlich machte. Jene Beamte, die weder begeisterte Anhänger des Regimes noch entschiedene Gegner waren, aber vielleicht ein gewisses Unbehagen angesichts der Entwicklungen verspürten, haben vermutlich die in der Weimarer Republik weit verbreitete Überzeugung, dem Staat unabhängig von der Regierungsform zu dienen, internalisiert. Die vielzitierte Aussage des Staatssekretärs Bernhard von Bülow aus dem Auswärtigen Amt, dass man »sein Land nicht im Stich [lasse], weil es eine schlechte Regierung« habe, steht paradigmatisch für diese Haltung.56 Sie legitimierte den Beamten die loyale und pflichtbewusste Arbeit für die neuen Machthaber. Zum Teil verbanden sich mit dem Nationalsozialismus in der An-

trifft in gleicher Weise für die Gegenwart zu. Auch heute bergen die eidlich übernommenen Verpflichtungen von Führer und Gefolgschaft eine Fülle von Rechtsverpflichtungen in sich, die aus dem Wesen der Gerechtigkeit, der Treue und des Gehorsams fließen.« 55 Schrader, Verfassungstreue, S. 257. 56 Zitiert nach: Conze, Das Amt und die Vergangenheit, S. 38.

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fangszeit aber eben auch große Hoffnungen: auf eine Stärkung im Angesicht einer »Krise des Berufsbeamtentums«, die die Nationalsozialisten ebenso wie die (National)Konservativen in der Weimarer Republik ausgemacht hatten.57 Die Verbitterung der Beamten in der Spätphase der Weimarer Republik über Besoldungskürzungen hatte zu einer starken Politisierung des Beamtentums geführt und bereits vor dem 30. Januar 1933 waren Beamte als soziale Gruppierung in der NSDAP überrepräsentiert gewesen. Nach der »Machtergreifung« schnellten die Beitrittszahlen in die Höhe.58 Demgegenüber standen aber auch massive Zweifel in der Beamtenschaft, weniger politischer als fachlicher Art: Zweifel am »Dilettantismus« der »nationalsozialistischen Quereinsteiger« in der Verwaltung und an der Konkurrenz der entstehenden dualen Verwaltungsstrukturen.59 Die Angst vor einer zunehmenden Entmachtung der Bürokratie kam hinzu und wurde nicht selten durch besonders »treues« Verhalten und vorauseilenden Gehorsam auf Seiten der Beamten wettgemacht. Dem stand eine »ausgeprägte bürokratiefeindliche Einstellung« in der NSDAP gegenüber. Dieses »Spannungsverhältnis zwischen Staatsverwaltung und nationalsozialistischer Führung« war zwar in der Tat ein »konstitutiver Strukturkonflikt« des Nationalsozialismus,60 erhöhte jedoch auch die »Konsensbereitschaft« von Seiten einer sich bedroht sehenden Staatsverwaltung.61 Während die Forschung lange die Polykratie des Regimes betont hat, treten mittlerweile auch diese konsensualen Elemente in den Blick. Sicherlich wurde »die politische und moralische Substanz des überkommenen Berufsbeamtentums [durch den nationalsozialistischen Herrschaftsstil, d. Vf.] fortschreitend […] ausgehöhlt«62, doch hat dieses Verständnis einer durch den Nationalsozialismus gewissermaßen unterwanderten und durch Konkurrenz zerfressenen Verwaltung letztlich zur »Legende« vom »moralisch integer gebliebenen Berufsbeamten« geführt.63 Wichtig ist es, wie Sabine Mecking und Andreas Wirsching betont haben, den »nationalsozialistischen Habitus, geformt durch Weltanschauung und Handlungsmaxime, der die weitgehend übernommene Verwaltung durchdrang«, zu betrachten.64 Teil dieses Habitus war die Verbindung traditioneller Merkmale und Begriffe des Berufsbeamtentums wie »Treue«, »Hierarchie« und »Gehorsam« mit nationalsozialistischen Interpretationen. Zentral in diesem Zusammenhang war die Umwandlung des »herkömmlichen Verhältnisses zwischen Dienstvorgesetztem und Belegschaft« durch das Verhältnis zwischen »Führer« und »Gefolgsmann«. Und in diesem Kontext spielte der 57 Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 22. 58 Ebd., S. 29. 59 Ebd., S. 23. 60 Bach, S. 59. 61 Mecking, Stadtverwaltung als Systemstabilisierung?, S. 6. 62 Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 121. 63 Mecking, Stadtverwaltung als Systemstabilisierung?, S. 2. 64 Ebd., S. 12.

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Eid eine entscheidende Rolle. Anderthalb Jahre nach der »Machtübernahme«, mit dem Zwischenschritt der Treuebeziehung zu »Volk« und »Vaterland«, kurz nach den Ereignissen um Hindenburgs Tod, angesichts eines Volksentscheids mit 85 Prozent Zustimmung zur Vereinigung der Positionen von Reichskanzler und Reichspräsidenten in der Person Adolf Hitlers und angesichts einer in der Öffentlichkeit breit rezipierten Vereidigung der Soldaten auf Hitler – wer wollte da unter den Beamten den Eid auf Hitler verweigern? Musste den Zeitgenossen nicht gerade dieser Eid als eine konsequente Entwicklung erscheinen? Und auch wenn man das nicht so sah: Was waren die Alternativen? So haben die Beamten den Eid geleistet, und uns sind nur wenige Ausnahmen bekannt. Friedrich Everling jedenfalls, der den Eid auf die Weimarer Reichsverfassung verweigert hatte, leistete nun ohne Zögern den neuen Eid auf Hitler. Damit konnte der wegen Eidesverweigerung 1919 aus dem öffentlichen Dienst entlassene Jurist doch noch als Beamter Karriere machen – und das, obwohl er im Herzen immer ein Monarchist blieb.65

4.2 Die Legitimation: Treuepflicht im Nationalsozialismus Mit der Neuformulierung der Eidesformel und ihrer Bedeutung für die persönliche Treuebeziehung zwischen dem einzelnen Beamten und dem »Führer«, rückte der Eid ins Zentrum der politischen und staatsrechtlichen Theorie des Nationalsozialismus. In ihm manifestierte sich das Ideal der Treue, die zu jenen moralischen Kategorien gehörte, über die der Nationalsozialismus sich selbst definierte und den »Volksgenossen« positive Leitwerte an die Hand zu geben

65 Everling war als Oberverwaltungsgerichtsrat in Berlin, später als Kriegsverwaltungsrat, ab 1941 als Reichsgerichtsrat beim Reichsgericht in Leipzig tätig. Trotz aller Bemühungen gelang es ihm 1937 nicht, Senatspräsident des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu werden. Vgl. die Korrespondenz in BArch R 1501/206127. 1939 geriet Everling in Konflikt mit dem System. Am 14.1.1939 wurde bei einer Devisenkontrolle in einem Zug von Köln nach Amsterdam bei einem niederländischen Ingenieur ein Brief Everlings an »seine Majestät, den Kaiser und König« gefunden. Es handelte sich um Geburtstagsglückwünsche an den früheren Wilhelm II., die endeten mit den Worten: »In tiefer Ehrfurcht verharre ich als Eurer Majestät alleruntertänigster und treu-gehorsamster Friedrich Everling«. Es wurde im Folgenden diskutiert, gegen Everling ein Verfahren nach § 71 DBG (zwangsweise Zurruhesetzung aus politischen Gründen) einzuleiten. Auf oberster Ebene  – zwischen Frick und Göring – wurde jedoch entschieden, auf die Einleitung des Verfahrens zu verzichten, obwohl die Glückwünsche an den exilierten Monarchen mit dem »dem Führer geschworenen Diensteid nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen« waren. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass Everling »jahrelang Rechtsvertreter des ehemaligen Kaisers war«. Vgl.: Der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Lammers, 7.9.1939, BArch R 1501/206127 (hier auch eine Kopie des Glückwunschschreibens).

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versuchte.66 Treue gehörte zu den definierenden Elementen im sozialen Machtgefüge des Dritten Reichs. Dem politischen Eid als Ritual, mit dem diese Treue öffentlich bekundet und damit die Treuebeziehung gewissermaßen begründet wurde, kam nun eine enorme Bedeutung sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in der öffentlichen Wahrnehmung zu. So verwundert es nicht, dass die Neufassung der Eidesformel aus dem Sommer 1934 beinahe unmittelbar ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Staats-, Staatsrechts- und Verwaltungswissenschaft rückte und auch bis zum Ende der dreißiger Jahre, bis nach der Neufassung des Deutschen Beamtenrechts 1937, immer wieder thematisiert und interpretiert wurde. Anders als in der pluralen Gesellschaft der Weimarer Republik kam es in der Diktatur nicht zu offenen Konflikten über die Auslegung dieses Eides. Doch lassen sich bei genauerem Hinsehen deutliche Unterschiede ausmachen zwischen Staatsrechtlern, die überzeugte Nationalsozialisten waren und etwa der SS nahestanden, und eher konservativ geprägten Staatsrechtlern (die sich zum Teil selbst eher als Verwaltungsrechtler sahen), die von »überkommenen« Traditionen geprägt waren, deshalb jedoch dem Nationalsozialismus keineswegs ablehnend gegenüber standen.67 Diese wissenschaftlichen Kontroversen spiegeln die Konflikte in einem System, das geprägt war von Rivalitäten und Annäherungen zwischen einer konservativen, auf lange Traditionen zurückblickende und auf ihren Status bedachte Verwaltung einerseits und einer neuen Machtelite andererseits, die jener »Bürokratie« mit vielen Vorurteilen gegenüberstand, auf sie aber auch angewiesen war.68 Der Eid wurde auch und gerade von nationalsozialistischen Juristen ins Zentrum der nationalsozialistischen Weltanschauung gestellt. Dies geschah in dem Maße, in dem auch das Recht selbst nach der »Machtergreifung« grundsätzlich von völkischen und rassistischen Theorien durchdrungen und zum »Weltanschauungsrecht« wurde. Dieser Prozess wurde im Hinblick auf den Eid erleichtert durch die Tatsache, dass dieser bereits vor 1933 von einer »Doppeldeutigkeit« als rechtlichem Institut einerseits und als eng mit der Weltanschauung, moralischen Verortungen und religiösen Bindungen verwobenem Ritual geprägt gewesen war. Der Eid war schon immer mehr als ein Rechtsinstitut gewesen. Er stand immer an der Schnittstelle zwischen Recht, Moral und Religion. Für die schwörenden Beamten, deren Gewissen mit dem Schwur gebunden werden sollte, war der 66 Zur Moral des Nationalsozialismus vgl.: Gross, Geschichte und Ethik; ders., Anständig geblieben; Bialas, Ideologie und Moral im Nationalsozialismus; ders., Moralische Ordnungen im Nationalsozialismus; Konitzer, »Arbeit«, »Volk«, »Gemeinschaft«; ders., Moralisierung des Rechts; ders., Moralität des Bösen. 67 Zur Geschichte der Staatsrechtswissenschaft im Nationalsozialismus vgl. neben Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3: Dreier, Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus; Becker, »Schritte auf einer abschüssigen Bahn«; Böckenförde, Staatsrecht und Staatsrechtslehre im Dritten Reich. 68 Gelegentlich mit deutlichen Sympathien für eine vermeintlich in ihrem Bestand gefährdete und unter Druck stehende Verwaltung: Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich. Caplan, Government without administration; dies., The civil servant in the Third Reich.

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Eid immer mehr gewesen als eine rein normativ definierbare Dienstpflicht – auch wenn sich eine positivistisch orientierte Rechtswissenschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts bemüht hatte, die Trennung zwischen »Recht« und »Moral« auch für den Eid zu vollziehen und alle nicht disziplinarrechtlich zu greifenden Aspekte des Schwurs aus dem Rechtssystem zu verbannen. Diese positivistische Grundhaltung war mit der »Machtergreifung« grundsätzlich aufgehoben und gewissermaßen ins Gegenteil gekehrt. Nun entwickelte sich eine Verknüpfung zwischen Recht und nationalsozialistischem Weltbild, wie sie enger nicht hätte sein können. Der politische Eid als Bindeglied zwischen Recht und Moral stieg dementsprechend zu einem der zentralen Elemente innerhalb des nationalsozialistischen Rechtsdenkens auf. Zwar änderte sich rein formal in beamtenrechtlicher Hinsicht relativ wenig, denn der Eid war auch weiterhin nicht konstitutiv für das Anstellungsverhältnis.69 Dies war jedoch nicht mehr alleinentscheidend in Anbetracht des im Nationalsozialismus entstehenden »Nebenrechts«, das als sogenannte »Rechtmäßigkeit« neben die bis dahin (nicht nur im Beamtenrecht) vorherrschende »Gesetzmäßigkeit« trat. Wenn in zahlreichen Kommentaren zum Beamtenrecht klargestellt wurde, dass »Verwaltungsbehörden […] auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage tätig werden [könnten], wenn nämlich das im Volke lebendige ungeschriebene Recht diese Tätigkeit verlang[e]«,70 dann stellte dies nicht nur die Grundlagen des »Beamtentums als Rechtsinstitut« in Frage.71 Gleichzeitig wuchs auch der Wert eines Rituals, das zwar »gesetzmäßig« keine konstitutive Rolle spielte, »rechtmäßig« jedoch zum Kern der »völkischen Rechtsauffassung« gehörte.72 Ausgehend von dieser Grundüberzeugung stellten nationalsozialistische Staatsrechtler, unter ihnen vor allem Reinhard Höhn,73 den politischen Eid in das Zentrum eines im Sinne der »Bewegung« erneuerten Beamtenrechts. Dies geschah natürlich in scharfer Abgrenzung zur »Systemzeit«: »Eine Verfassung, die in sich das Prinzip trägt, jederzeit sich selbst aufzugeben, wenn sich nur eine Mehrheit dafür findet, kann natürlich keinen wirklichen Treueid verlangen.«74 Daher habe auch Hitler selbst seinen Eid auf die Verfassung ohne jeden Vorbehalt leisten können, »da die maßgeblichen Vertreter dieser Verfassung selbst geäußert hatten, es stünde nichts im Wege, auf legalem Wege trotz des Eides die Verfassung zu beseitigen.«

69 Vgl. etwa: Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, S. 184. 70 Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 274/275. Die galt vor allem für Verwaltungsrecht, das aus der Zeit vor der »Machtergreifung stammte. Das nach 1933 neugesetzte Recht hingegen war mit »Hilfe strikter Gesetzesbindung« anzuwenden. Siehe: Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, S. 363. 71 Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 122. 72 Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, S. 362/363. 73 Zu Reinhard Höhn vgl. Einleitung, sowie: Wildt, Der Fall Reinhard Höhn. 74 Höhn, Der politische Eid, S. 360. Dort auch das folgende Zitat.

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Doch auch vom Staatsrecht des Positivismus distanzierte sich Höhn. Im Kaiserreich sei die »Zersetzung des Eides« offensichtlich geworden, da er grundsätzlich nicht in das Rechtssystem des 19. Jahrhunderts passe:75 »Eine Rechtsordnung, die Normensystem ist, ergreift den Menschen nur in einem Teil seines Wesens, im Willen […]. Der Eid dagegen umfaßt seinem Wesen nach den ganzen Menschen und schafft für ihn eine Treuebeziehung. Im individualistischen Rechtssystem und seiner Rechtsordnung gibt es aber dem Sinne dieses Rechtssystems entsprechend nur einzelne Rechte und Pflichten, die sich aus einem Rechtsverhältnis für den einzelnen ergeben. Nicht aber gibt es eine Treuebindung, die den Menschen als Ganzes ergreift. So kommt es notwendig dahin, daß man dem Eid eine eigentlich juristische Bedeutung absprechen muß. […] Die Treue […] liegt außerhalb jeder juristischen Möglichkeit.«76 Das Treueverständnis und die Bedeutung, die dem Eid im Positivismus zugesprochen wurde, beschrieb Höhn damit zutreffend. Wenn andere, eher konservative Staatsrechtler betonten, dass dem Eid nun, mit der Neuformulierung als Treueid auf die Person Hitlers, endlich wieder seine überkommene Form zurückgegeben sei, so sprachen sie viel eher als Zeitgenossen, die das gesamt­ gesellschaftliche Verständnis von Treue als moralischer Kategorie einer persönlichen Bindung zwischen zwei Individuen in die staatsrechtliche Diskussion hineintrugen. Die bereits in der Zeit des Kaiserreichs selbst anzutreffende »Janus­gesichtigkeit« des Eides und der Treue zwischen schwacher rechtlicher Norm und starker gesamtgesellschaftlicher Ordnungs- und Moralvorstellung spiegelt sich noch gut dreißig Jahre später in den Beurteilungen der neuen Eidesformel durch Staatsrechtler nach 1933. So konnte Reinhard Höhn im neuen Eid keine Kontinuität zum Kaiserreich entdecken. Für ihn stellte der Eid auf den »Führer« ein völlig neues Rechtsinstitut dar, das gründete in der »völlig veränderte[n] Staats- und Rechtsauffassung« des Nationalsozialismus. Die Abwendung vom Individualismus und seinem durch ihn geprägten Rechtssystem stand dabei nach Höhn im Zentrum. »Will man der staatsrechtlichen Bedeutung des Eides gerecht werden, so muß man von dem neuen nationalsozialistischen Rechtsprinzip, der Volksgemeinschaft, ausgehen. Erst dann ist es möglich, den Eid, dessen unmittelbare Bedeutung nur von der Gemeinschaft aus zu verstehen ist, auch rechtlich zu erfassen.«77 Die »Volksgemeinschaft«, die im Zentrum dieses neuen Rechtsverständnisses stand, wurde nach nationalsozialistischem Verständnis sowohl begründet wie auch zusammengehalten durch »Treue« und »Gehorsam« gegenüber dem »Führer«.78 So war das »Führer / Gefolgschafts«-Verhältnis konstitutiv für die »Volksgemeinschaft« – und geschaffen wurde dieses Verhältnis durch den Eid. 75 Ebd., S. 356. Vgl. ähnlich: Höhndorf. 76 Höhn, Der politische Eid, S. 356. 77 Ebd., S. 362. 78 Vgl. als erster Überblick: Bajohr; Reeken; Schmiechen-Ackermann, Der Ort der »Volks­ gemeinschaft« in der deutschen Gesellschaftsgeschichte; ders., »Volksgemeinschaft«.

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Ein jeder Volksgenosse stand in einem Gefolgschaftsverhältnis zum »Führer« – was nicht zuletzt die Tatsache erklärt, dass die gesamte nationalsozialistische Gesellschaft von einem System der Vereidigungen durchzogen war, das den Einzelnen an den unterschiedlichsten Stellen seines privaten wie beruflichen Lebens zum Eid auf den »Führer« verpflichtete.79 In dieses Gefolgschaftssystem war auch das Beamtentum einbezogen, zumal es traditionell durch eine Treuebeziehung gegenüber Staat und / oder Monarch gekennzeichnet war. Das Beamtenverhältnis wurde damit umdefiniert zu einem Treueverhältnis zwischen »Führer und Gefolgschaft«. Das Rechtsinstitut, zu dem sich das Beamtentum im Laufe von Jahrhunderten entwickelt hatte, trat zurück hinter ein rechtlich nicht eindeutig normiertes Treueverhältnis, eine, wie es der CarlSchmitt-Schüler Ernst Rudolf Huber als einer der führenden Staatsrechtler des Nationalsozialismus genannt hat, »Dienstgefolgschaft«,80 aus der sich alle weiteren Dienstpflichten ergaben.81 Damit war das Beamtentum in ein Gehorsamsverhältnis gestellt, das weit über das im Dienstrecht der Weimarer Republik oder der konstitutionellen Monarchie verankerte hinausging. Was zählte, waren nun der Führerwille und die unbedingte »Treue« gegenüber dem »Führer«. Indem die Treue »jede beliebige Leistung als Pflicht« erscheinen ließ,82 lief das Beamtenverhältnis nun im Kern auf einen bedingungslosen Gehorsam hinaus. Nationalsozialistische Staatsrechtler betonten diesen Aspekt des Gehorsams stärker als eher konservative Autoren, abhängig von der Frage, welche Rolle ein »erneuertes« Beamtentum innerhalb des nationalsozialistischen Staates spielen sollte. Autoren, die – wie etwa Ernst Rudolf Huber oder Arnold Köttgen – eine weiterhin starke, eigenständige Position des Beamtentums vertraten, betonten, dass sich die staatliche Verwaltung zwar nach dem Prinzip von »Befehl und Gehorsam« organisiere; dies seien jedoch nur die »äußeren Mittel«, die jede »politische Führungsordnung« bedürfe. »Ihrem Wesen nach aber sind Verwaltung und Wehrmacht ebenso wenig wie die Bewegung äußere Zwangsordnungen, sondern sie sind Führungsordnungen, die auf freiwilliger Hingabe, Verantwortung und Treue beruhen.«83 Während aus der »Bewegung« stammende Juristen wie etwa Reinhard Höhn, aber auch Theodor Maunz, den absoluten »Herrschaftsanspruch der Partei« gegenüber der Verwaltung betonten,84 ging es den eher traditionellen Staatsrechtlern darum, die eigenständige Stellung der Verwaltung zu erhalten und ihr eine tragende Rolle im Nationalsozialismus zuzusprechen, die nicht allein darin bestehen könne, der Partei und Führung »gehorsam« zuzuarbeiten. Vielmehr sei es Aufgabe des Beamten, »aus dem inneren 79 Siehe zu dieser »durchvereidigten« Gesellschaft Kap. 4.3. 80 Zitat nach Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 123. Zu Huber vgl.: Grothe, Ernst Rudolf Huber; Jürgens; Norpoth. 81 Saam, S. 166. 82 Buchheim, S. 60. 83 Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 199. 84 Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 362. Zu Theodor Maunz vgl. ders., Theodor Maunz. Vgl. auch Laux.

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Bekenntnis zur nationalsozialistischen Idee und aus der vorbehaltlosen Treue zum Führer an der Entfaltung und dem Schutz der Volksgemeinschaft […] mitzuwirken.«85 Damit erschien die Verwaltung als ein eigenständiger Pfeiler des nationalsozialistischen Staatsaufbaus, gleichberechtigt und mit eigener Legitimität ausgestattet gegenüber der Partei.86 Die Stilisierung der Beamtenschaft zu einer »Mannschaft« oder gar einem »Orden« sollte einem rein »bürokratischen« Bild der Verwaltung entgegenarbeiten und ihm das Konzept eines von Gemeinschaftsdenken durchzogenen Männerbundes entgegenstellen. Dies sicherte der Beamtenschaft einerseits Legitimität und Bedeutung im Machtkampf mit Parteistellen, andererseits wurden hier überkommene Vorstellungen von der Beamtenschaft als »Stand« mit eigenem Ethos und eigener Weltanschauung weitergetragen. Gerade bei diesen Vorstellungen spielte der Eid weiterhin eine zentrale Rolle zusätzlich zu seiner neuen Funktion als Ritual der Aufnahme in die »Volksgemeinschaft«. Er diente auch – wie etwa im Kaiserreich – als Initiationsritual in einen besonderen »Bund«. Durch ihn entstand eine »beinahe ordensmäßige Bindung«87 an »Führer« und Reich, die die Beamten – wie Hans Gerber es formulierte – zu »Priestern des Staates und seiner Weltanschauung machen sollte«.88 Eine solche Stilisierung des Beamtentums zu einem »Orden« wiesen gerade jene Juristen zurück, die dem selbsternannten Orden der SS angehörten. Reinhard Höhn zum Beispiel machte in verschiedenen Schriften deutlich, dass »der Staatsapparat als solcher keine Gemeinschaft« sei.89 Eingesetzt sei der Staats­ apparat allein, um der Bewegung und dem »Führer« zu dienen. Daraus ergebe sich nicht zuletzt die Unterordnung der Verwaltung gegenüber der Partei. »Das Prinzip, nach dem die Verwaltung ausgerichtet wird, ist nicht auf Führung und Gefolgschaft eingestellt, sondern auf Befehlen, Gehorchen, Kompetenz­ abgrenzung und die Notwendigkeit präzisen Funktionierens eines Apparates.«90 Eigenständige »Führung« sahen diese Autoren in der Verwaltung nicht, allenfalls gehorsame Unterordnung.91 Und im Zweifelsfall sei die Bewegung legitimiert, »darüber zu wachen, inwieweit der Staatsapparat bestimmte Lösungen staatlich lösen kann, andernfalls aber [habe sie] die Ermächtigung […], selbst die Lösung dieser Aufgaben zu übernehmen.«92 In diesen unterschiedlichen Positionen gegenüber der Rolle der Verwaltung wurden einerseits nationalsozialistische Vorurteile gegenüber der »Bürokratie«

85 Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 199. 86 Vgl. Bachnick, S. 26/27. Zum Gesamtzusammenhang vgl.: Rebentisch. 87 Fischbach, Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz, S. 21. 88 Gerber, zitiert nach: Schrader, Verfassungstreue, S. 266. 89 Höhn, Der politische Eid, S. 363. 90 Höhn, Führung und Verwaltung, S. 73. 91 Vgl. insgesamt zum »Führerprinzip« in der Verwaltung: Hirsch; Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems; Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. 92 Höhn, Führung und Verwaltung, S. 75.

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weitergetragen, die bereits aus den zwanziger Jahren stammten.93 Andererseits spiegelte sich in ihnen das Bemühen traditioneller Kreise um einen Bedeutungserhalt der Beamtenschaft, die dem massiven Anpassungsdruck des Regimes und der NSDAP ausgesetzt war. Wenn die Grenzen von Rechten und Pflichten des Beamten nicht mehr normativ geregelt waren und »rechtmäßiges« Handeln »gesetzmäßiges« ersetzen konnte, dann war der Beamte der nationalsozialistischen Interpretation totaler Herrschaft unterworfen und zu totalem Gehorsam verpflichtet.94 Insofern diente der Eid im Nationalsozialismus nicht mehr dazu, den einzelnen an seine Pflichten zu erinnern und damit eine Verstärkung dienstrechtlicher Pflichten zu bewirken, zu denen eben auch die Treue und der Gehorsam gegenüber dem Dienstherren gehörte. Vielmehr wurde der Eid zu einem »Akt des Gemeinschaftslebens« stilisiert. Nach Höhn dient der Eid dazu, »den ganzen Menschen in die jeweilige Gemeinschaft endgültig und vollständig einzugliedern. Sein wichtigster Inhalt ist die Treue. Der den Eid Leistende tritt als Gefolgsmann des Führers mit der Eidesleistung in die Gemeinschaft ein und bezeugt mit seinem Schwur, daß er als Glied dieser Gemeinschaft dem Führer die Treue halten wird. Erst wenn er diesen Schwur geleistet hat, gilt er als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft.«95 Somit sah Höhn »mit dem Eidesakt […] die neue Stellung des Menschen begründet«. Diese Aufnahme in die neue Gemeinschaft, die im Eid beschworene Treue galt lebenslang, bis in den Tod. Es gab keine Unterscheidung mehr zwischen »dienstlichem« und »außerdienstlichem« Verhalten, der Beamte hatte jederzeit und immer »treu« zum »Führer« und der Bewegung zu stehen. An die Stelle des Individuums in seiner durch das Beamtenrecht abgesicherten Stellung gegenüber dem Staat trat, entsprechend der nationalsozialistischen Rechtsauffassung, nun der (beamtete) Volksgenosse, der durch den Schwur in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Diese Neuinterpretation fügte sich ein in die generelle Umformung des Rechtsverständnisses nach 1933, bei der die »Volksgemeinschaft« die Rolle des Staates, verstanden als »Gesamtheit der Staatsbürger«, übernahm.96 Das Individuum trat gegenüber der Gemeinschaft zurück. Beamtenrechtlich drückte sich dieser allgemeine Prozess im Kampf nationalsozialistischer Staatsrechtler gegen die sogenannten »subjektiven öffentlichen Rechte« aus, die die Ansprüche der Beamten gegenüber dem Staat legitimiert und begründet hatten.97 »Das subjektive öffentliche Recht ist die rechtliche Form der Entgegensetzung von Individuum und Gemeinschaft. […] 93 Zum von Beginn an »zwiespältigen« Verhältnis zwischen Nationalsozialismus und Beamtentum vgl. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 23. 94 Dies bezieht sich auf die nationalsozialistische Interpretation der Gehorsamspflicht und soll nicht apologetische Argumente der Nachkriegszeit stützen. 95 Höhn, Der politische Eid, S. 362. 96 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 360. 97 Ebd., S. 363, hier auch mit zahlreichen Literaturangaben. Vgl. beispielhaft die Position überzeugter Nationalsozialisten: Maunz, Das Endes des subjektiven öffentlichen Rechts; Höhn, Das subjektive öffentliche Recht.

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Es bedarf keiner grundsätzlichen Erörterung, daß mit dem Zusammenbruch der Weltanschauung, die die Basis für das subjektive öffentliche Recht bildete, auch dieses selbst unmöglich geworden ist.«98 Die Antithese »Staatsinteressen – Einzelinteressen«, die notwendigerweise im Verwaltungsrecht zum »Staat-Untertanenverhältnis« geführt hätte, sei unauflösbar verknüpft mit dem liberalen Denken.99 An ihre Stelle müsse nun ein Gemeinschaftsdenken treten, das für »wohlerworbene« Rechte, im Sinne von einklagbaren Ansprüchen von Seiten der Beamten, keinen Raum mehr ließ. Im Rahmen eines solchen Gemeinschafts­ denkens wurde die Position des einzelnen Beamten grundsätzlich neu definiert. Ein Beamter galt nun, in der Perspektive der nationalsozialistischen Staatsrechtslehrer, nicht mehr als Repräsentant eines Staates gegenüber der Gesellschaft, vielmehr war er Teil der Gemeinschaft: »Seine Rechtsstellung beruht nicht mehr auf einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat, sondern auf seiner Stellung als Volksgenosse in der Volksgemeinschaft, für die er an seinem Platz besondere Aufgaben übernimmt und durchführt.«100 »Der beamtete Volksgenosse«101 war Teil der »Volksgemeinschaft« und hatte sich vor allem durch den Dienst an dieser Gemeinschaft zu definieren. Dieser Dienst war vor allem durch Pflichten gekennzeichnet, die nun an die Stelle der »wohlerworbenen Rechte« traten. Und damit kommt wieder der Eid ins Spiel, denn er stellte die wichtigste Pflicht, jene, auf der nach nationalsozialistischer Weltanschauung alles beruhte, in den Mittelpunkt: die Treue. Die Treue bildete den Kern des nationalsozialistischen Herrschaftsbegriffs der »Führerordnung«. Diese »lebt von der Treue«, der wechselseitigen Treue von Gefolgsmann und »Führer«. Doch der Eid band den Beamten eben nicht nur gegenüber dem »Führer«. Er band ihn auch in eine Treuebeziehung zur »Volksgemeinschaft«. Damit war der Beamte im Dritten Reich in eine sowohl »sozial horizontale« Treue­beziehung gegenüber der »Volksgemeinschaft« als auch »sozial vertikal« gegenüber dem »Führer« eingebunden.102 Durch die Schaffung der horizontalen Treuebeziehung im Eid erhielt dieser eine Dimension, die über das Eidesverständnis früherer Jahre hinausging. War es im Eid in aller Regel um die Anerkennung des besonderen Dienst- und Treue­ verhältnisses des Beamten zum Staat und seinem Monarchen gegangen, das ihn in eine hinausgehobene Stellung gegenüber der Gesellschaft brachte und ihn selbst zum Repräsentanten des »Staates« machte, ließ das Eidesverständnis im Nationalsozialismus für diese »liberalistische« Sicht keinen Raum mehr. Die normierte Beziehung zwischen Staat und Beamten wurde durch eine völlig anders definierte Beziehung zwischen Beamtem, »Führer« und Volk ersetzt. Hier ging es gerade darum, dass der Eid den Beamten in die »Volksgemeinschaft« hinein98 Maunz, Das Verwaltungsrecht des nationalsozialistischen Staates, S. 35. 99 Ebd., S. 46. 100 Höhn, Führung und Verwaltung, S. 81. 101 Köttgen, Die Stellung des Beamtentums im völkischen Führerstaat, S. 24. 102 Hermann, S. 163.

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stellte. Das »besondere Gewaltverhältnis«, das die Geschichte des Beamtentums geprägt hatte, wurde damit in Frage gestellt, was sich ja in der Leugnung der »subjektiven öffentlichen Rechte« der Beamten bereits angedeutet hatte. Fortan war der Beamte wie alle Volksgenossen der »Volksgemeinschaft« und dem »Führer« Treue schuldig.103 »Die Treue ist nicht eine charakteristische oder vorbehaltene Pflicht des öffentlichen Dienstes. Sie ist vielmehr im Wesen des Gefolgschaftsverhältnisses überhaupt, nicht nur des öffentlichen Dienstes begründet.«104 Gegenüber der Gemeinschaft und dem Führer »Treue« zu wahren, wurde zu einer Kernaufgabe der Beamten, zur »Primäre im Pflichtenkreis des deutschen Beamten«, aus der sich »zwangsläufig die übrigen Pflichten« ergäben.105 Diese »ausdrückliche, unablässige und primäre Rückbindung [des Treuepostulats, d. Vf.] an den Gemeinschaftsgedanken vor allem in Form der ›Volksgemeinschaft‹« führte zu einer »signifikanten ideologischen Auffüllung« des Treue­ begriffs.106 Was dem Eid potentiell immer schon innegewohnt hatte, die Offenheit für ideologische Inanspruchnahme über den Begriff der »Treue«, entfaltete sich jetzt radikal. In nationalsozialistischer Lesart öffnete der Begriff der »Treue« einer völkisch-rassistischen Interpretation der Dienstpflichten Tür und Tor. Das rückhaltlose Eintreten für die nationalsozialistische Weltanschauung und den nationalsozialistischen Staat galten als Grundlage jedes Beamten-Daseins. Doch weit über diese Basis hinaus wurde die »Treue« zu einem verhaltensbestimmenden Element. Aus ihr ergaben sich die Pflicht zum »deutschen Gruß«, zu Mitgliedschaften in Parteigliederungen, zur Teilnahme an öffentlichen Kundgebungen und Veranstaltungen der NSDAP, zum Lesen der NS-Presse, der Teilnahme an Schulungen, Flaggenhissungen und zur Opferbereitschaft etwa im Hinblick auf Eintopfspenden und das Winterhilfswerk. Hinzu kam die Pflicht, »durch eine kinderreiche Ehe für die Erhaltung der deutschen Rasse Sorge zu tragen« und sich von »Ehebruch« und »Trinksucht« fernzuhalten.107 Jeder Deutsche, jeder Beamte schuldete der »Volksgemeinschaft« und dem »Führer« »aktive Treue«.108 Im Gegenzug gewann der Treuegedanke auf diese Weise auch eine strafrechtliche Bedeutung: Wer die Treue verletzte, Treuebruch beging, verriet die »Volksgemeinschaft«. Aus Sicht der nationalsozialistischen Staatsrechtler entwickelte sich damit der Eidbruch zu einem zentralen Phänomen des neuen Rechtssystems. Auch hier in strenger Abgrenzung gegenüber dem Rechtssystem »der liberalen Zeit«, begriffen Staatsrechtler wie Reinhard Höhn Eidbruch nun nicht allein als eine Dienstpflichtverletzung: »Bei einer Pflichtverletzung steht man immer noch in der Gemeinschaft, die Gemeinschaft ahndet 103 Vgl. auch: Bialas, Moralische Ordnungen des Nationalsozialismus, hier v. a.: Das Ethos des Dienstes an der Gemeinschaft, S. 54–62. 104 Maunz, Verwaltung, S. 270. 105 Schneider, Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz, S. 199. 106 Hermann, S. 167. 107 Vgl. beispielhaft die aufgelisteten Pflichten eines Beamten in: Schneider, Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz, S. 198–234. 108 Hermann, S. 177.

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die Pflichtverletzung, erkennt den Verletzenden aber noch als zu ihr gehörig an. Beim Eidbruch hat das aufgehört. Wenn das Recht nicht mehr eine von der Gemeinschaft gelöste Normenordnung […] ist, sondern in der Gemeinschaft selbst lebt, so ist der Eidbruch der höchste Rechtsbruch, den es für eine Gemeinschaft überhaupt gibt. Er zieht die Ächtung der Gemeinschaft nach sich. […] Dem Eidbrüchigen sind alle Türen verschlossen.«109 Die enge Verknüpfung des Eides mit der zweiten zentralen Moralkategorie des Nationalsozialismus, der Ehre, deutet sich hier an.110 Auch hier ältere konservative Traditionen aufnehmend, in denen Treue und Ehre im Eid schon immer verbunden gewesen waren, waren nun jedoch die Konsequenzen des Treuebruchs ungleich härtere. In welcher Straftat der Treuebruch bestand, war dabei fast gleichgültig. Ob »Hochverrat am Reich oder Eierdiebstahl«, das war letztlich »kein prinzipieller, sondern ausschließlich ein gradueller Unterschied«, denn es ging im Kern um das »verletzte identische Rechtsgut, nämlich den Treueanspruch der Volks­ gemeinschaft«.111 Hier entstand eine strafrechtliche »Treuebruchkonzeption«, die »zumindest zeitweise zur maßgeblichen Straftheorie bzw. Hintergrundfolie aller spezielleren Straftheorien avancierte.«112 Der disziplinarische Rahmen, in dem sich der Beamte bewegte, war für den einzelnen kaum abzuschätzen; prinzipiell jedes abweichende Verhalten – und mochte es noch so lapidar sein – konnte mit dem größeren Vorwurf des Treuebruchs belegt werden, was ganz andere Ahndungsmöglichkeiten bot: »Jede Verletzung der Dienstpflicht ist eine Verletzung der politischen Treuepflicht gegenüber dem Führer.«113 Der Eid war aber auch das Ritual, das den zentralen Punkt in der nationalsozialistischen Führerordnung öffentlich machte: die Anerkennung der charismatischen Herrschaft Adolf Hitlers. Die charismatische »Führer-Gefolgschaftsbeziehung« ersetzte im Dritten Reich zunehmend »rationale bürokratische Strukturen«.114 Jeder einzelne Beamte bestätigte durch seinen Eid, den er leistete, die freiwillige Einordnung in dieses Gefolgschaftsverhältnis. Es ging – zumindest der Theorie nach – nicht allein um Gehorsam, sondern der Beamte begab sich in freier Selbstbestimmung in die Treue-Beziehung zum »Führer«. Diese »freiwillige Hingabe«115 war ein zentraler Baustein der charismatischen Herrschaft.116 Denn es war schließlich gerade der »Volkswille«, also der »Glaube der Beherrschten« an die singuläre Rolle des »Führers«, die dessen Charisma Legi-

109 Höhn, Der politische Eid, S. 365. Vgl. auch: Weber, Der politische Eid, S. 285. 110 Brezina; Art. »Ehre«, in: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 163–164. 111 Hermann, S. 169. 112 Vgl. Gross, »Treue« im Nationalsozialismus, S. 265. Siehe auch: Hermann, S. 167. 113 Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 405. 114 Herbst, Der Fall Hitler, S. 171. 115 Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 199. 116 Zur charismatischen Herrschaft: Weber, Wirtschaft und Gesellschaft; siehe zu Max W ­ eber: Breuer; Wang; Zu Hitlers »Charisma«: Herbst, Hitlers Charisma; ders., Der Fall Hitler; Bach, Pyta, Charisma und Geniezuschreibung.

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timität verlieh.117 Die freiwillige Einfügung in das Herrschaftssystem, die freiwillige Unterwerfung unter Hitlers Herrschaft führte mit jeder, meist öffentlich in »mythisch-weihevollen Inszenierungen«, durchgeführten Vereidigung zur Stärkung des charismatischen Herrschaftssystems.118 Natürlich war das nationalsozialistische Regime keine charismatische Herr­ schaft in Reinform, gerade im Hinblick auf die Verwaltung lässt sich die Weiterexistenz bürokratisch-legaler Herrschaftsformen aufzeigen sowie die Vermischung der verschiedenen Herrschaftsformen. Am Eid jedoch wird der »revolutionäre Einbruch des Charismas in die legale bürokratische Herrschaft«119 besonders deutlich. Denn obwohl – oder vielleicht gerade weil – der Eid ein traditionelles beamtenrechtliches Element darstellte, wurde er im Nationalsozialismus so durch ein neues Herrschaftsverständnis geprägt, dass er voll in dessen Dienst gestellt werden konnte. Die in den Jahrzehnten zuvor spürbare »Fremdheit« des Eides, der bereits im Rechtssystem des Konstitutionalismus und erst recht in der parlamentarischen Demokratie seltsam fehl am Platze wirkte, wurde nun im Nationalsozialismus gezielt aufgehoben. Im Dienst des »Führer-Gefolgschafts-Denkens« wurde dem Eid ein Sinn zugewiesen, den er in den Jahrzehnten zuvor verloren zu haben schien. Die theoretische Bedeutung des nationalsozialistischen Eides lag in seinem Verständnis als einem den Menschen in seiner ganzen Person erfassendem Ritual, das Recht setzte und Gemeinschaft schuf, das das Charisma Hitlers anerkannte und kreierte sowie die Volksgemeinschaft schuf. Auch wenn es hier vor allem um die Bedeutung des Eides für die Beamten ging, so dürfte deutlich geworden sein, dass sich diese zentrale Funktion im Nationalsozialismus nicht allein auf die Beamtenschaft beschränkte. In der gesamten nationalsozialistischen Gesellschaft spielte der Eid die skizzierte entscheidende Rolle. Und er spielte diese Rolle nicht nur theoretisch. Die nationalsozialistischen Machthaber legten größten Wert darauf, die zentrale Position des Eides auch in der Praxis deutlich zu machen. Die innere Bedeutung, die dem Eid zukam, sollte sich immer auch in der äußeren Form spiegeln.

4.3 Nationalsozialistische Inszenierungen des Schwurs Aus der theoretischen Bedeutung des Eides innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie erklärt sich der Wert, den die nationalsozialistischen Machthaber auf die öffentliche Gestaltung des Vereidigungsrituals legten. Denn die im Eid gestiftete Treuebeziehung war eben keine private Beziehung zwischen Eidgeber und Eidnehmer. Es handelte sich vielmehr um eine immer vor dem Hinter117 Herbst, Hitlers Charisma, S. 19. 118 Ders., Der Fall Hitler, S. 182/185. 119 Ders., Hitlers Charisma, S. 25. Siehe auch: Bach, S. 61.

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grund der gesamten »Volksgemeinschaft« stehende Machtbeziehung, die daher stets eine öffentliche Beziehung war. Hinzu trat bei öffentlichen Vereidigungen die Ebene der Propaganda, in der Rituale einerseits und Massenveranstaltungen andererseits zu den Kernelementen der nationalsozialistischen »Verführungstaktik« gehörten, unterfüttert von Elementen der »Politischen Religion«.120 4.3.1 Massenvereidigungen an »Führers« Geburtstag Vereidigungen gehörten ideologisch wie formell ins Zentrum der nationalsozialistischen Festkultur und sie werden nicht umsonst in der Literatur immer wieder als Kernritual der charismatischen Herrschaftsinszenierung genannt, ohne jedoch bisher näher untersucht worden zu sein.121 Beispielhaft sollen im Folgenden die Vereidigungen der Politischen Leiter der NSDAP analysiert werden. Diese waren ebenso wie Beamte und Soldaten (und viele andere gesellschaftliche Gruppen innerhalb der nationalsozialistischen Gesellschaft) zur Leistung eines Eides gegenüber dem »Führer« verpflichtet. Und gerade ihre Vereidigungen wurden vom Regime in höchstem Maße propagandistisch genutzt und inszeniert. Waren schon die Vereidigungen der Beamten und Soldaten im Dritten Reich stärker als zuvor und vor allem stärker als in der Weimarer Republik in Szene gesetzt, um die Bedeutung des Rituals den Schwörenden zu vergegenwärtigen und den Schwur im Gewissen zu verankern, so galt dies in exponentieller Form für zu vereidigenden Parteiführer. Sie, die im Verständnis der Zeitgenossen das eigentliche Fundament der »Bewegung« bildeten, deren Treue zum »Führer der Partei« unverbrüchlich sein sollte, sollten diesen Schwur in aller Öffentlichkeit und unter größtmöglicher Emotionalisierung leisten. Ähnlich wie bei allen anderen Festen im Verlauf des nationalsozialistischen Feierkalenders brauchte das Regime in den Anfangsjahren etwas Zeit, um eine endgültige Form für die Vereidigungsfeierlichkeiten zu finden.122 Seit 1936 etablierte sich die Tradition, die Politischen Leiter der NSDAP an »Führers Geburtstag« am 20. April zu vereidigen, vor allem, um »die Verpflichtung auf die Person, nicht das Amt Hitlers […] symbolisch zu unterstreichen«.123 Dies akzentuierte die freiwillige Anerkennung der charismatischen Herrschaft, dem »Führer« an seinem Geburtstag als Geschenk dargebracht. Gleichzeitig bedeutete die frei­w illige Anerkennung der absoluten Herrschaft, das Beschwören der Treue gegenüber dem »Führer« in einer öffentlich inszenierten Veranstaltung 120 Zum Begriff der »politischen Säkularreligion« vgl. Hockerts. Als erste Annäherung an die umfangreiche Literatur zur »politischen Religion« vgl. den Literaturbericht: Kießling. 121 Vgl. z. B.: Herbst, Der Fall Hitler, S. 182/185. Zur Festkultur im Nationalsozialismus vgl. in Auswahl: Behrenbeck; Schmeer; Vondung. 122 Vgl. die von Behrenbeck, v. a. S. 161–167, aufgeführten Entwicklungsphasen der nationalsozialistischen Feierkultur. Siehe auch: Schmeer, S. 97/98. 123 Schmeer, S. 98.

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ein Stück aktiver Teilhabe am »nationalsozialistischen Erlebnisangebot«.124 Indem man die Teilnahme an den »ekstatischen Rauscherfahrungen während der Masseninszenierungen«, zu denen auch die Vereidigungen gehörten, als freiwillig und selbstbestimmt begriff, fühlte sich der Einzelne als »aktiv Gestaltender«, als »Handelnder«. Daher hat Sabine Behrenbeck die Vereidigungen als »akklamatorische[n] Ersatz für die abgeschaffte Demokratie« und deren staatsbürgerlicher Teilnahme bezeichnet.125 Der einzelne Schwörende erlebte im Eid einen »Verbindungspunkt zwischen dem individuellen Gewissen und dem System der Macht«.126 Doch fanden die Vereidigungen der politischen Leiter nicht nur am symbolisch hochaufgeladenen Termin von Hitlers Geburtstag allgemein statt, sie wurden auch reichsweit zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt; die zentrale Veranstaltung fand dabei in München statt. Dieser Ort war keinesfalls zufällig bestimmt, wie Christoph Kühberger generell für nationale Feste und Feierlichkeiten im Nationalsozialismus gezeigt hat.127 Während Berlin dafür stand, »die nationalsozialistischen Erfolge im Jetzt [zu] verherrlichen«, betonten Feierlichkeiten wie der Reichsparteitag in Nürnberg oder die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg die historischen beziehungsweise pseudo-historischen Traditionen, die Verknüpfung des Dritten Reichs mit der germanischen Vorgeschichte.128 München wiederum als »Hauptstadt der Bewegung« nahm in diesem Kontext eine Mittelposition ein: einerseits stand München für die Stärke und Macht des Nationalsozialismus.129 Andererseits jedoch betonte jede Veranstaltung in München auch immer einen historischen Bezug. Dabei ging es jedoch nicht um eine ferne Vergangenheit, die das deutsche Volk des 20. Jahrhunderts mit seinen germanischen oder mittelalterlichen Urahnen verband, sondern in München stand die Frühgeschichte der nationalsozialistischen Bewegung selbst im Mittelpunkt. Mit dem Gedenken an die »Märtyrer« des Novemberputsches von 1923 war München immer ein Zentrum des politischen Totenkultes im Nationalsozialismus. So nahm das Gedenken an die Toten der »Bewegung« auch einen großen Raum innerhalb der Vereidigungszeremonien der Politischen Leiter ein.130 Die zu Vereidigenden wurden in die Tradition der im Kampf für die »Bewegung« Gefallenen gestellt und ihr Treueschwur damit mit dem höchstmöglichen Opfer, dem Tod für den »Führer« und die »Partei«, gedanklich verknüpft. Die im Eid des

124 Brockhaus, S. 175. 125 Behrenbeck, S. 167. 126 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 420. 127 Zur Bedeutung der Ortswahl für nationalsozialistische Feste vgl.: Kühberger, Emotionaler Rausch, v. a. S. 179–184; ders., Metaphern der Macht. 128 Ders., Emotionaler Rausch, S. 180. Zum Reichserntedankfest vgl. u. a.: Gelderblom; Wittkowsky; Kühberger, Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg. 129 So Kühberger, Emotionaler Rausch, S. 180. Zur Geschichte Münchens als »Hauptstadt der Bewegung« vgl.: Bauer, München – Hauptstadt der Bewegung. 130 Vgl. die Rede Rudolf Heß am 20.4.1939 im Berliner Sportpalast, BArch NS 22/199.

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Nationalsozialismus immer angelegte absolute Unbedingtheit der Treue bis in den Tod war auf diese Weise inszenatorisch höchst wirksam öffentlich gemacht. Bei der Zentralveranstaltung anlässlich der jährlichen Vereidigung der politischen Leiter in München wurde eine ausgewählte Gruppe von politischen Leitern der NSDAP durch den Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, vereidigt. Diese Veranstaltung wurde »live« im Rundfunk übertragen und reichsweit sprachen alle übrigen zu vereidigenden politischen Leiter auf lokalen Vereidigungsveranstaltungen die Eidesformel mit der Radioübertragung zur gleichen Zeit mit. So sollen der Vereidigungszeremonie vom 25. Februar 1934 auf dem Königsplatz in München 795.000 Parteiamtswalter, 130.447 HJ-Führer, 43.063 BdM-Führerinnen, 1.900 Führer des NS-Studentenbundes und 85.000 Führer des Reichsarbeitsbundes über das Radio gefolgt sein.131 Die Koordination einer solchen Vereidigungszeremonie bedeutete enormen logistischen und organisatorischen Aufwand, gleichzeitig jedoch entwickelte sich hier ein Veranstaltungstypus von ebenso enormer inszenatorischer Kraft. Mit der Organisation dieser Großveranstaltung waren unterschiedliche Stellen beschäftigt. Für die zentrale Veranstaltung war dies vor allem der Reichsorganisationsleiter (Hauptorganisationsamt); für die jeweiligen lokalen Veranstaltungen auf Kreisebene waren die Verantwortlichkeiten (Kreispropagandaleiter, Kreisausbildungsleiter, Kreispersonalamtsleiter usw.) und die jeweiligen Zuständigkeiten klar festgelegt.132 Bis auf die Minute wurde der Ablauf sowohl der Reichsveranstaltung wie auch der lokalen Vereidigungen festgelegt. Schon Wochen vor der Vereidigung hatten alle Gaue beim Hauptorganisationsamt die genaue Anzahl der zu vereidigenden Parteigenossen mitzuteilen, und zwar aufgelistet nach Gliederungen und Verbänden.133 Durch diese zentrale Erfassung wurde klar, wie viele Menschen in jedem Jahr gleichzeitig auf Hitler vereidigt wurden: Bei den Vereidigungen 1937 traten 734.531 Menschen reichsweit zum gemeinsamen Eid an.134 1939 berichtete der Völkische Beobachter von

131 Bruppacher, S. 390. 132 Traditionsgau München-Oberbayern der NSDAP München, Abt. Propaganda, an die Kreisleiter des Traditionsgaues München-Oberbayern, 17.4.1937, BArch NS 22/191. Generell vgl. Vondung, S. 48–69. 133 Vgl. die Vereidigungslisten für das Jahr 1937, in: BArch  NS 22/191. In der Anordnung des Reichsorganisationsleiters, Hauptorganisationsamt NSDAP, Anordnung Nr. 0.9./37, 26.1.1937, BArch NS 22/191, wird die Vielzahl der zu vereidigenden Gruppen innerhalb der NSDAP deutlich: »Politische Leiter der NSDAP, Führer der HJ., Führer des Jungvolks in der HJ., Führerinnen des BDM. in der HJ., Leiterinnen der NS.-Frauenschaft, Walter und Warte der DAF. bzw. KDF., Werkscharführer der DAF., Walter und Warte des NDS-Ärztebundes, des NSD.-Rechtswahrerbundes, des NS.-Lehrerbundes, der NS.-Kriegsopferversorgung, der NS.-Volkswohlfahrt, des NS.-Bundes Deutscher Technik, des Reichsbundes der Deutschen Beamten, des NS.-Dozentenbundes, Festangestellte Schriftleiter der parteiamtlichen Zeitungen, soweit sie als Politische Leiter tätig sind.« 134 Hauptorganisationsamt: Vereidigung 1937, ohne HJ, JV und BDM, 19.4.1937, BArch NS 22/191.

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995.318 Vereidigten,135 und eine Notiz des Organisationshauptamtes sprach von 3,5 Millionen Vereidigten zwischen 1934 und 1938.136 Diese Zahlen – auch wenn möglicherweise ein »propagandistischer Aufschlag« eingerechnet werden muss – verdeutlichen, welche Bedeutung die Vereidigung innerhalb der deutschen Gesellschaft zukam, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei den hier Vereidigten nur um Parteimitglieder in Führungspositionen handelte. Rechnet man jene hinzu, die als »einfache« Parteimitglieder, in anderen Berufsgruppen und Organisationen einen Eid leisteten, so kann man davon ausgehen, dass die deutsche Gesellschaft zwischen 1933 und 1945 weitgehend auf Hitler »durchvereidigt« war. Auch beim Ablauf der Vereidigungsfeierlichkeiten selbst blieb nichts dem Zufall überlassen. Bestimmte organisatorische und inszenatorische Elemente fanden sich dabei auf allen Ebenen wieder. Gegliedert war der Abend in drei Teile: »Der örtlichen Feier mit dem Kreisleiter als Redner, der Reportage des Rundfunks und der Übertragung der eigentlichen Vereidigung […].«137 Am Anfang stand ein feierlicher Einzug der zu Vereidigenden in möglichst einheitlicher Uniformierung (oder, falls keine Uniform vorhanden, im dunklen Anzug). Bei der zentralen Veranstaltung in München wurden auf dem Königsplatz nur Uniformierte vereidigt, alle anderen versammelten sich abseits, um dort die Übertragung der Zeremonie im Rundfunk zu hören und den Eid zu leisten.138 Hier zeigt sich die militärische Aufladung der Vereidigungszeremonie, die durch Uniformierung einen Bezug zu Militärparaden herstellen wollte. Ebenso wichtig war das einheitliche Erscheinungsbild, zumindest bei jener Veranstaltung, die reichsweit auch durch Bildmaterial in Zeitungsberichterstattung und Wochenschauberichten Verbreitung finden würde. In dieses Bild passt die Tatsache, dass zwar auch Frauen zu diesem Anlass vereidigt wurden, dass sie jedoch nicht an der feierlichen Inszenierung teilnehmen durften. Ihnen waren Sitzplätze an den Seiten vorbehalten und auch hatten sie sich »in zwangloser Weise« – also gerade nicht mit militärischem Impetus – zu ihren Plätzen zu begeben.139 Die Vereidigung war also nicht Männern vorbehalten, jedoch war die Inszenierung allein Männern vorbehalten, um auf diese Weise nationalsozialistische Werte vom Soldatentum und männerbündischer Kameradschaft, die assoziativ mit der beschworenen Treue verknüpft waren, zu vermitteln.

135 N. N., Der Treueschwur der 995318. 136 Organisationshauptamt: Notiz für das NSK. Vereidigung der Führerschaft der Partei am 20.4.1939, dem Geburtstag des Führers, BArch NS 22/199. 137 Der Gauleiter der NSDAP Baden an den Stellvertreter des Führers, 28.4.1938, BArch NS 22/199. 138 Brief an den Stellvertreter des Führers (ohne Absender): Programm der Vereidigung, 17.4.1937, BArch NS 22/191. 139 Vgl. Der Reichsorganisationsleiter, Rundschreiben Nr. 0.16/37, 12.4.1938, BArch NS 22/191. Siehe auch: Der Organisationsleiter des Gaues München-Oberbayern an die Gauamts- und Kreisleiter des Gaues München Oberbayern, betr.: Vereidigung, 15.4.1937, BArch NS 22/191.

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Dem musikalisch untermalten Einmarsch der Formationen folgte in aller Regel der feierliche Einzug der Fahnen. Danach marschierten die Würden­träger ein, je nach Ebene die lokalen NSDAP-Größen oder auf Reichsebene neben dem Reichsorganisationsleiter Robert Ley und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels vor allem der Stellvertreter des Führers.140 Hitler selbst war bei den Vereidigungen grundsätzlich nicht anwesend. So verwies die Inszenierung vor allem auf die charismatische Singularität des »Führers«. Dieser nahm die Treuebekundung als Gabe entgegen, als Geschenk, das er nicht persönlich annahm, sondern stattdessen aus der Ferne über seine Volksgenossen »wachte«. Die Bedeutung der Vereidigung den zu Vereidigenden zu verdeutlichen, war Aufgabe der Mittlerfunktion von Rudolf Heß. Er hielt in jedem Jahr eine Rede, die ebenfalls reichsweit übertragen wurde und damit allen Eidleistenden dieses Tages als »Ermahnung« diente.141 Als Beispiel einer solchen Rede kann die im Jahr 1939 gehaltene Ansprache dienen.142 In diesem Jahr feierten die Deutschen Hitlers 50. Geburtstag und aus diesem Anlass fand die Zentralveranstaltung der Vereidigungen ausnahmsweise in Berlin, im Sportpalast, statt. Der Inszenierungsaufwand war noch größer als in den vorherigen Jahren: Im Vorfeld hatte eine Truppenparade stattgefunden und die abendliche Vereidigung stellte gewissermaßen den Höhe- und Schlusspunkt des reichsweiten Feiertages dar, an dem in diesem Jahr auch die »heimgekehrten« Gaue des Sudetenlandes mitvereidigt wurden. Zwei Themen standen in Heß’ Rede im Zentrum: zum ersten die Beschwörung der charismatischen Führerschaft Adolf Hitlers.143 Gegenüber diesem Führer gelte es, durch den Eid Treue zu bekunden: »Unerschütterliche Treue wird von Euch gefordert, Treue, die kein Wenn und Aber, keinen Widerruf kennt«. Und es war auch klar, dass es nicht allein um eine »Treue in der Tat« gehen konnte, sondern dass der nationalsozialistische Treuebegriff weit darüber hinausging und »Treue in der Gesinnung« voraussetzte. So wie es beim Beamten keinen Rückzugsraum des Gewissens mehr geben konnte, so waren erst recht die Parteimitglieder und Politischen Leiter bis in die innerste Überzeugung hinein zu »Treue« verpflichtet. Eng verbunden mit der »Treue« war der ebenfalls explizit geforderte und in der Eidesformel auch beschworene »unbedingte […] Gehorsam […], der nicht fragt nach dem Nutzen des Befehls, der nicht fragt nach den Gründen des Befehls, sondern der gehorcht um des Gehorchens Willen.« Mit der Einbindung in das hierarchische Herrschaftssystem erfolgte durch die Vereidigung ein Prozess der Herrschaftssicherung. Ziel war es, den Eidnehmer in ein System des bedingungslosen Gehorsams einzubinden. 140 Zur Bedeutung des »feierlichen, rituellen Schreitens«, auch des Fahneneinmarsches im Nationalsozialismus vgl.: Vondung, S. 155–158. 141 Minutenprotokoll in: Brief an den Stellvertreter des Führers (ohne Absender), 17.4.1937, BArch NS 22/191. Hier auch der Begriff der »Ermahnung«. 142 Rede Heß bei den Vereidigungsfeierlichkeiten am 20.4.1939, BArch NS 22/199. 143 Vgl. den Text der Rede von Rudolf Heß in: Der Gau-Organisationsleiter von Berlin an den Reichsorganisationsleiter, 24.4.1939, BArch NS 22/199. Hier auch die folgenden Zitate.

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Es ging bei der Vereidigung aber nicht nur um die Anerkennung der Führungsposition Hitlers selbst, es ging auch um die Eingliederung in die nationalsozialistische »Bewegung« – wie ja auch im staatsrechtlichen Verständnis der Eid nicht allein dem »Führer« geleistet wurde, sondern immer auch der »Bewegung«. »Fast eine Million deutscher Männer und Frauen […], die heute die Hand zum Schwur heben«, reihten sich nun, nach Heß, »in die große braune Armee« ein, die den »stolze[n] Bau der NSDAP« erhalte. Wenn die neuen Politischen Führer in diese »verschworene Kampfgemeinschaft der politischen Führerschaft des deutschen Volkes« aufgenommen werden sollten, dann sollte der Eid dem Einzelnen das Gefühl vermitteln, ein Baustein des großen Ganzen zu sein, nicht nur Befehlsempfänger in einer Machtbeziehung. Schließlich griff Heß in seiner Rede die Tatsache auf, dass die zu Vereidigenden sich mit ihrem Schwur nicht nur in einen Zustand der »absoluten Treue« gegenüber dem »Führer« und der »Partei« begaben und damit die absolute Macht beider bedingungslos anerkannten, sondern dass den Politischen Leitern durch den Eid auch selbst Macht zuwuchs, die sie selbst zu »Führern« werden ließ. Diese neue Machtposition dürfe nicht – wie es offenbar häufiger vorkam – ausgenutzt werden: »Seid verantwortliche Führer. Jeder von Euch soll Vorbild sein, wie einst Adolf Hitler Vorbild war und heute Vorbild ist. Fühlt Euch nicht als Vorgesetzte, fühlt Euch als Vertrauensleute des Volkes«. Der Eid wirkte also in dreifacher Hinsicht, weit über eine einfache »Unterordnung« hinaus: als Anerkennung der Herrschaft Hitlers, als Eingliederung in die »Gemeinschaft« des Nationalsozialismus und als Einbindung in die Machthierarchien des Systems mit ihrem Gehorsam nach oben und Machtbefugnissen nach unten. Der Rede schloss sich eine »Bedenkzeit« an, in der das Deutschlandlied gespielt wurde.144 Diese »Bedenkzeit« sollte erneut die Freiwilligkeit des Eides verdeutlichen. So formulierte Heß: »Kein Nachteil erwächst dem, der nicht mitschwört und dann offen und ehrlich sein Amt niederlegt, weil er sich nicht stark genug fühlt, es zu tragen. Wehe aber dem, der mitschwört und seinen Schwur nicht hält!« Dass die Möglichkeit, im Moment der inszenatorisch durchgeplanten Vereidigung vor den Augen des Stellvertreters des Führers und vor den Ohren des ganzen Volkes vom Schwur zurückzutreten, nur eine rhetorische war, braucht kaum näher betont zu werden. Die dieser rhetorischen Möglichkeit angeschlossene Drohung jedoch war sicherlich mehr als realistisch. »Eidbruch« als »Ehrverlust«, dies wurde nicht nur in der staatsrechtlichen Literatur beschrieben, sondern auch im nationalsozialistischen Alltag brutale Realität – am augenfälligsten im Umgang mit den Attentätern des 20. Juli 1944.145 Dass nationalsozialistische Feiern immer eine religiös-liturgische Komponente hatten, spiegelt sich auch in der Rede Heß’: »Adolf Hitler! Wir Nationalsozialisten erneuern unser Versprechen: Wir stehen in Deinem Geiste zu unserem 144 Vgl. das Minutenprotokoll in: Brief an den Stellvertreter des Führers (ohne Absender), 17.4.1937, BArch NS 22/191. 145 Vgl. hierzu Teilkapitel IV.5.

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Volk immerdar. So wie Du zu Deinem Volk stehst immerdar.« In der sakralen Rhetorik hatte diese Formel Anklänge an das christliche Glaubensbekenntnis. Diese Sakralsprache entspricht der typischen nationalsozialistischen Rhetorik, deren Ziel eine »Konsekrierung«, also die liturgische Weihe eines Gegenstandes oder einer Person war.146 Trotz dieser Sakralsprache fehlte jedoch ein klarer christlicher Bezug in der Rede. Die »Bewegung« ruhte nicht auf den Fundamenten der christlichen Tradi­ tionen, sie bezog ihre Legitimation nicht aus dem Christentum und band sich auch nicht an christliche Glaubensmuster. Vielmehr bezog sich die Partei auf sich selbst und ihre eigenen Traditionen, die an Stelle des christlichen Gottes traten. Denn als »Dritten im Bunde« von Eidgeber (dem »Gefolgsmann«) und Eidnehmer (dem »Führer«) – also anstelle Gottes im christlichen Eid – beschwor Heß die historischen Traditionen der »Bewegung«. Diese »kultische Vergegenwärtigung der eigenen Geschichte« findet sich auch in anderen nationalsozialistischen Feier- und Festelementen.147 In der Vereidigungszeremonie jedoch nahm diese Vergegenwärtigung nachgerade göttliche Züge an. Denn die Märtyrer der »Bewegung« traten nun rhetorisch an die Stelle Gottes, wenn Heß formulierte: »Ihr leistet ihn [den Eid] bei den Wächtern unserer Idee, bei den ersten Toten des Nationalsozialismus […].« Dieses »bei« war einerseits räumlich zu verstehen als Reminiszenz an den Ort am Königsplatz in München, wo die Gefallenen aus der Frühphase der NSDAP »in ihren ehernen Sarkophagen der Ehrentempel ruhen«. Andererseits entspricht dieser Bezug einem Aspekt der Religionsstiftung durch Bezugnahme auf eigene Traditionen und einen »gottähnlichen« Führerglauben, wie er für den Nationalsozialismus kennzeichnend war: Gerade jener Teil des deutschen Volkes, der als Politische Leiter der NSDAP am Auf- und Ausbau der »Bewegung« beteiligt war, fand die Rechtfertigung und Absicherung der beschworenen Treuebeziehung ausschließlich in sich selbst, in der »Bewegung« und ihrer historischen Tradition. Und dass dieser im Schwur bezeugte »Glaube« nicht auf »abstraktem Wissen, sondern auf stark gefühlsbetonten Erlebnissen basieren« sollte, hat die Forschung zur »Politischen Religion« gezeigt.148 Insofern ist die Eidesleistung in der Tat als »gottesdienstähnliches« Ritual, als »säkularisierte Liturgie« zu begreifen, die den Glauben an den Nationalsozialismus schuf, bezeugte und bestärkte. Und insofern ist der Eid beides: Element eines »genuin religiösen Kultes«, der »eine eigene Symbolordnung mit dem Verweis auf letzte Werte und Letztbegründungen innerhalb einer säkularisierten Gesellschaft« erschuf;149 gleichzeitig aber eben auch Propagandamittel, das sich gezielt christliche Symbole und Rituale zunutze machte, um Machtbeziehungen innerhalb des Herrschaftssystems zu stärken. 146 Vgl. zur Sakralsprache des Nationalsozialismus und der »Konsekrierung«: Vondung, S. 140–144. 147 Kießling, S. 536. 148 Griech-Polelle, S. 205. 149 Behrenbeck, S. 150.

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Erst nachdem der Eid geleistet war, erlaubte sich Heß einen kleinen christlichen Bezug: »Wir wenden unsere Gedanken in feierlicher Gemeinschaft zum Allmächtigen, der uns den Befreier aus tiefster Not und den Erlöser aus tiefster Schmach gegeben hat.« Auch hier jedoch fallen eher die religiösen Konnotationen in Bezug auf Hitler auf, die den Vergleich mit Jesus nahelegten, als dass es sich tatsächlich um einen Schwur »im Angesicht Gottes« gehandelt hätte. Hitler als der »Messias« des deutschen Volkes, diese Idee sprach aus Heß’ Worten. Nicht zuletzt Hansjakob Becker hat zu zeigen versucht, dass der Nationalsozialismus sich die christliche Liturgie anverwandelte. Und auch wenn das Konzept der »Politischen Religion« viel Kritik erfahren hat, so ist doch im Hinblick auf die Vereidigungen im Dritten Reich die Frage nach der spezifischen Liturgie analytisch weiterführend. Eine gezielt ausgearbeitete »Liturgie« prägte die nationalsozialistische Festkultur auf jeder Ebene. Jede Veranstaltung, egal ob kleinformatige »Morgenfeier« oder Reichsparteitag, war durch einen streng vorgeschriebenen Ablauf geprägt, ein Ablauf, der jedoch nicht nur ein allgemeines Programm vorgab, sondern der die Veranstaltung mit »weihevollen« Elementen durchzog und ihr einen gottesdienstähnlichen Charakter gab.150 Dabei griff man gezielt auf die christliche Gottesdienststruktur zurück und machte sie für die nationalsozialistische Ideologie nutzbar.151 Wenn im christlichen Gottesdienst mit der Eucharistie das Sakrament der Erlösung gefeiert wird, das die Einheit zwischen Gott, Christus und der Kirche besiegelt, so kam diese Funktion im Nationalsozialismus der Verpflichtung zu. Das »Sakrament der Verpflichtung« schuf »die Einheit zwischen Führer und Volk«.152 Daher nahmen »Bekenntnis« und »Verpflichtung« in allen Feiern und Festen des Dritten Reichs – weit über die eigentlichen Vereidigungsveranstaltungen hinaus – einen, wenn nicht den zentralen Platz ein. Dabei ging es jedoch gerade nicht nur um den »Vollzug unbedingter Gefolgschaft« durch ein inszeniertes Ritual,153 sondern um die Schaffung der »Volksgemeinschaft«. Das Individuum stellte sich aus freien Stücken in eine Gemeinschaft, die durch Führung und Gehorsam definiert war. Der Eid wurde im Nationalsozialismus wieder zum »Sakrament der Herrschaft«, allerdings zu einem »säkularisierten Gelübde«.154 Das Ende der Rede von Rudolf Heß leitete unmittelbar über zur eigentlichen Vereidigungszeremonie. Heß sprach die Eidesformel vor, die die zukünftigen Politischen Leiter mit erhobener rechter Hand zu wiederholen hatten: »Ich 150 Vgl. die nach wie vor umfassende Darstellung: Vondung, Kap. V: Liturgische Form, S. ­113–158. 151 Siehe die Auflistung ebd., S. 117/118. 152 Becker, Liturgie im Dienst der Macht, Tafel II, S. 47. Der Begriff des Sakramentes für den Schwur wurde auch in den extra zum Anlass geschriebenen Bekenntnisliedern verwandt: »Zum Schwur, mit dem Ihr Euch bekennt, für Kinder und für Kindeskind, solange man Euch Deutsche nennt, zu diesem neuen Sakrament. Seid Ihr bereit? Alle: Wir sind.« Möller, Die Verpflichtung, S. 14, zitiert nach: Vondung, S. 194. 153 Behrenbeck, S. 164/167. 154 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 375.

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schwöre Adolf Hitler unerschütterliche Treue. Ich schwöre ihm und den Führern, die er mir bestimmt, unbedingten Gehorsam.«155 In dieser Eidesformel waren die verschiedenen Elemente der Rede noch einmal auf den Punkt gebracht: die enge Verknüpfung von Treue und Gehorsam, der Verweis auf die Machthierarchien der NSDAP. Auf diese Weise schuf der Eid Sozialbeziehungen auf unterschiedlichen Ebenen, die nicht zuletzt durch die Androhung von Strafe (»Wehe dem…«) gefestigt wurden. Doch war es nicht die Strafe allein, die den Eid festigte. Im geschilderten Fall war es vor allem die Inszenierung, die den Schwur so nachhaltig im Gedächtnis des Einzelnen – und des Kollektivs – verankerte. Eine bis ins letzte durchstrukturierte Organisation, gespickt mit beeindruckenden Bildern, Worten und emotionalen »Gänsehautmomenten«, trug dazu bei, diesen Moment als »selektive Erinnerung« bei jedem Einzelnen fest zu verankern.156 Eine solche Zeremonie, egal, ob man sich am Ort des Geschehens selbst befand, oder hunderte von Kilometern entfernt nur der Rundfunkübertragung lauschte und den Eid einer nur durch Lautsprecher zu vernehmenden Stimme nachsprach, prägte sich ein. Und das Wissen darum, dass man seinen Eid zusammen mit rund einer Million anderer Parteimitglieder leistete, verstärkte diese Wirkung sicher. Hinzu kamen die unbeteiligten Zuhörer. Durch die jährliche Wiederholung der Feierlichkeiten wurde eine Tradition gestiftet, die dem Ritual selbst noch größere Bedeutung gab und die so auch jeden Zuhörer Anteil an den Feierlichkeiten selbst nehmen ließ. Es kam zu einer »rituellen Reaktualisierung« der Verpflichtung.157 Durch die Verknüpfung mit Hitlers Geburtstag, an dem die Häuser beflaggt und am Abend feierlich beleuchtet wurden, Fackelmärsche stattfanden und die Schule ausfiel,158 war der Tag der Massenvereidigungen auch für die »unbeteiligten« Deutschen ein besonderer Tag, an dem entweder die abendliche Übertragung der Vereidigung in vielen Haushalten zum »Programm« gehörte oder aber der Gang, um an den Vereidigungen als Zuschauer teilzunehmen. 4.3.2 Die durchvereidigte »Volksgemeinschaft« Ob dies, wie häufig in der Literatur geschehen, als Veralltäglichung der charismatischen Herrschaft zu interpretieren ist, muss angesichts dieser rituell-traditionellen Inszenierung der Vereidigungen wohl eher bezweifelt werden.159 Vielmehr hoben diese besonderen Feierlichkeiten doch wohl eher das Beson155 Vgl.: Rede Rudolf Heß’ bei den Vereidigungsfeierlichkeiten am 20. April 1939 im Sportpalast Berlin, BArch NS 22/199. 156 Zum Begriff der »selektiven Erinnerung«: Herbst, Charisma, S. 53. 157 Vondung, S. 168. 158 N. N., 7000 Politische Leiter vereidigt. 159 Herbst, S. 27.

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dere des Schwurs hervor. Auf diese Weise gelang es dem Nationalsozialismus, die Vereidigungen zum festen Bestandteil der Fest- und Feierkultur des Nationalsozialismus zu machen. Nicht umsonst wurden Vereidigungen oder vereidigungsähnliche Zeremonien an beinahe allen »großen« Festtagen des Regimes vorgenommen. So wurden an Hitlers Geburtstag nicht nur die Parteiführer vereidigt, sondern an dessen Vorabend die Aufnahme der Zehnjährigen in das Deutsche Jungvolk gefeiert, ein Anlass, zu dem die Kinder bereits eine erste Verpflichtungsformel sprechen mussten. Während die Übernahme vom Jungvolk in die Hitler-Jugend in eher »privatem« Rahmen am letzten Märzsonntag gefeiert wurde, war die Aufnahme der 18-Jährigen in die Partei ein weiteres zentrales Vereidigungszeremoniell. Dieses wurde in den ersten Jahren der national­ sozialistischen Herrschaft symbolträchtig am 9. November durchgeführt in einer Zeremonie, die den »Tod« und das »Leben«, Vergangenheit und Zukunft verbinden sollte. »Durch dieses Zusammenlegen fundamentaler Entwicklungsmomente der nationalsozialistischen Bewegung (Vergangenheit  – Zukunft) wurde der ›Platz des Todes‹ zugleich ›Schwurstätte des Lebens‹«, wie Hitler es in seiner Rede zum 9. November 1934 formulierte.160 Zwischen 1937 und Kriegsbeginn fanden die Vereidigungen der Hitler-Jugend auf den Reichsparteitagen statt.161 Der 9. November blieb jedoch auch danach nicht »vereidigungsfrei«. Um Mitternacht wurden vor den beiden »Ehrentempeln« am königlichen Platz in München, in denen die Leichname der »Märtyrer« der Bewegung »ewige Wache« hielten, die Rekruten der SS vereidigt.162 So waren die größten und wichtigsten Tage im Festkalender des Nationalsozialismus, der 9. November, der die Tradition der »Bewegung« verherrlichte, die Reichsparteitage, die die Macht des Regimes inszenierten, und der Geburtstag Hitlers als dem charismatischen Führer, durch Vereidigungen geprägt. In anderer Weise jedoch trug der Eid sehr wohl zur Veralltäglichung der charismatischen Herrschaft bei. Denn durch die Wiederholung von Vereidigungen bei unterschiedlichen Anlässen, in unterschiedlichen Ämtern, im Beruf und in der Freizeit, als Schwörender und als Zuschauer trat vermutlich tatsächlich so etwas wie eine Veralltäglichung des Treueschwurs ein. Dies bedeutete jedoch keine Minderung oder Abschwächung der »Heiligkeit« des Eides, auch wenn dies gelegentlich befürchtet wurde.163 Vielmehr wurde ein Großteil der deutschen Gesellschaft bei sich immer wiederholenden Gelegenheiten an ihren Schwur gegenüber dem Führer erinnert: an ihr Versprechen der unbedingten Treue und des unbedingten Gehorsams. Der Eid im Nationalsozialismus war so etwas wie die Kombination von »Zucker­brot« und »Peitsche«: Er schuf ein positives Zusammengehörigkeits160 Domarus, S. 458. 161 Zu den verschiedenen Verpflichtungsstufen vgl.: Schmeer, S. 79–83. 162 Ebd., S. 103. 163 Gauorganisationsamt Stettin an den Reichsorganisationsleiter / Hauptorganisationsamt, 29.10.1940, BArch NS 22/199.

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gefühl, das durch Masseninszenierungen propagandistisch geschickt verstärkt wurde. Die möglichst weite Teile der Gesellschaft umfassenden Eidesleistungen erinnerten jeden einzelnen Volksgenossen – ob als Teilnehmer einer Vereidigung oder als Zuschauer – an seine Rolle innerhalb der »Volksgemeinschaft«, deren Mitglied man durch den Eid wurde. Die religionsähnlichen Gefühle, die sich mit dieser Eidesleistung verbanden, führten zu einer freiwilligen Selbstbindung, die Opferbereitschaft und bedingungslosen Gehorsam erzeugte.164 Die Angst vor repressiven Maßnahmen im Falle des Eidbruchs führte andererseits zu einer Sozialdisziplinierung, die nur im Sinne des Regimes sein konnte. Die Janusgesichtigkeit des nationalsozialistischen Systems von Begeisterung und Repression spiegelt sich im Eid, der zwischen repressiver Gewissensbindung des Individuums und freiwilliger Anerkennung der charismatischen Herrschaft changierte. Und ohne, dass mit diesem Ansatz der gesamte Nationalsozialismus zu erklären wäre, so lässt sich damit doch die in Teilen langanhaltende »Treue« der Bevölkerung zu Hitler miterklären. Angesichts des geschilderten theoretischen und praktischen Verständnisses des Eides als dem zentralen Ritual der Herrschaftsstiftung im Nationalsozialismus erklärt sich, dass das Regime eine möglichst weitreichende »Durchvereidigung« der deutschen Gesellschaft anstrebte. So hatte jedes Parteimitglied der NSDAP zumindest der Theorie nach bei Aushändigung der Mitgliedskarte ein eidähnliches Gelöbnis zu leisten.165 Hinzu kamen die bereits beschriebenen parteiinternen Eide, die in den verschiedenen Unter- und Teilorganisationen der NSDAP geschworen werden mussten. Schließlich führte der Nationalsozialismus eine ganze Reihe von Eiden ein, die außerhalb der Partei geleistet wurden. Über die massenhafte Vereidigung von Kindern und Jugendlichen hinaus wurde ein Großteil männlichen Bevölkerung mittels des Fahneneides der Wehrmacht oder des Eides des Volkssturms vereidigt. Krankenschwestern oder Mitarbeiter im Strafvollzug hatten einen Eid auf Hitler zu leisten.166 Notare und Rechtsanwälte leisteten ebenso einen Eid wie die Beamten. Betrachtet man die Masse all dieser Eide, so kann man davon ausgehen, dass es im Dritten Reich gar nicht so leicht war, einer Vereidigung an irgendeiner Stelle des Berufs- oder Privatlebens zu entgehen. So hat ein Großteil der deutschen Bevölkerung zwischen 1933 und 1945 einen Eid auf Hitler geschworen. Dabei spielte unter anderem die Verpflichtung der Kinder und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Insgesamt dreimal wurden junge Menschen zwischen zehn und achtzehn Jahren verpflichtet, wenn sie Mitglied der nationalsozialistischen Jugendorganisation, der Hitler-Jugend beziehungsweise des Bund Deutscher 164 Maier, Politische Religionen, S. 19. 165 Kammer, S. 1136 166 Die Eidesformel der Krankenschwestern lautete: »Ich schwöre meinem Führer Adolf Hitler unverbrüchliche Treue und Gehorsam. Ich verpflichte mich, an jedem Platz, an den ich gestellt werde, meine Aufgaben als nationalsozialistische Schwester treu und gewissenhaft im Sinne der Volksgemeinschaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« Zitiert nach Seidler, S. 252. Für die Mitarbeiter im Strafvollzug vgl.: Götte, S. 168, FN 133.

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Mädel waren: erstmalig mit 10 Jahren anlässlich der Aufnahme in das Deutsche Jungvolk / Deutsche Jungmädel, zum zweiten Mal mit der sogenannten Verpflichtungsfeier, mit der der Übertritt der 14-Jährigen in die Hitler-Jugend / Bund Deutscher Mädel gefeiert wurde; und zum dritten zum Zeitpunkt des Übertritts in die NSDAP im Alter von 18 Jahren.167 Zu jedem Anlass mussten die Kinder und Jugendlichen eine spezielle Verpflichtungsformel sprechen. Diese verstärkte sich graduell. Die Zehnjährigen hatten folgendes Versprechen zu leisten: »Ich verspreche, in der Hitler-Jugend allzeit meine Pflicht zu tun in Liebe und Treue zum Führer und unserer Fahne, so wahr mir Gott helfe.«168 Bei dieser Formulierung handelte es sich noch nicht um einen Eid oder ein Gelöbnis. Dennoch bedeutete dieses Versprechen – meist im Rahmen einer Großveranstaltung im Chor gesprochenen – eine Hinführung auf die späteren Verpflichtungsformeln. Bereits in dieser ersten Formel finden sich die persönliche Bindung an Hitler, der Topos der »Treue« und der »Pflicht«. Verbunden damit war spätestens seit 1936 der Anspruch, möglichst geschlossene Jahrgänge zu erfassen.169 Die Aufnahme ins Jungvolk fand nun erstmals, zusätzlich zu den lokalen Veranstaltungen, auch auf einer sorgfältig inszenierten Großveranstaltung auf der westpreußischen Marienburg statt, die im Rundfunk übertragen wurde.170 Das Regime vereinnahmte mit diesem ersten Initiationsritual die Jüngsten ideologisch. In kindgerechter Sprache wurden einerseits die gewünschten Inhalte vermittelt. Zudem wirkte das Ritual der Aufnahmezeremonie gruppenbildend. Das Bedürfnis von Kindern, ernst genommen zu werden, wurde aufgegriffen: Die erste eigene Uniform, aber auch eine würdevolle Aufnahmezeremonie sowie die »Pimpfenprobe« trugen dazu bei, diesen Tag für die Kinder aus dem Alltag herauszuheben. Die Verbindung der Vereidigung mit Hitlers Geburtstag war dabei auch für die Kinder verständlich: Wer wollte an seinem Geburtstag nicht gefeiert werden? »Führers« Geburtstag und sein Leben wurde damit mit dem Leben der Kinder und ihrem Treueversprechen gegenüber Adolf Hitler verknüpft. Man kann davon ausgehen, dass die im Chor gesprochenen Worte auf die beteiligten Kinder einen ebenso großen Eindruck machten wie die gesamte Zeremonie, zu der auch eine einprägsame Rede gehörte.171 An die erste Selbstverpflichtung schloss sich der zweite Schritt im Alter von vierzehn Jahren an, wenn die Pimpfe und Jungmädel in die Hitler-Jugend und den BDM übernommen wurden. Anders als die Veranstaltung der Zehnjährigen und auch anders als jene zur Aufnahme in die NSDAP mit achtzehn Jahren inszenierte das Regime die Aufnahmefeierlichkeiten der Vierzehnjährigen nicht 167 Buddrus, Totale Erziehung, S. 292–296. 168 Ebd., S. 294, FN 192. Die Literaturlage zu den unterschiedlichen Eiden und Verpflichtungen der Kinder und Jugendlichen im Nationalsozialismus ist wenig eindeutig; es finden sich unterschiedliche Verpflichtungsformeln für die jeweiligen Altersstufen. 169 Zum »Jahr des Jungvolkes«: Brandenburg, S. 178–181. 170 Vgl.: Die Hitler-Jugend im Kriege, Bericht Juni 1941, S. 294, FN 193. 171 Vgl. die Erinnerungen: Müller, Es war Krieg und alle gingen sie hin, S. 385.

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als Großveranstaltungen.172 Vielmehr versuchte man, die Veranstaltungen als »Verpflichtungsfeiern« zu dem zentralen Initiations- und Übergangsritual der Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsenen- und Berufsleben zu etablieren und ihnen gezielt einen privateren Charakter zu geben. Diese als »Lebenswende des jungen Menschen« charakterisierten Feierlichkeiten173 erhielten ab 1940 eine durch Reichspropagandaleitung und Reichsjugendführung festgelegte einheitliche Gestaltung unter dem Begriff »Verpflichtung der Hitler-Jugend.« 1942, mit Einführung der Jugenddienstpflicht, firmierten sie unter der allgemeineren Bezeichnung »Verpflichtung der Jugend«. Gezielt sollten die Eltern, Verwandten und die Schule beziehungsweise im Falle einer bereits erfolgten Schulentlassung die Arbeitgeber eingebunden werden, so dass es sich um einen Festtag handelte, der eine »einheitliche Willensrichtung aller Erziehungsträger im nationalsozialistischen Staat« zum Ausdruck bringen sollte.174 Ganz offensichtlich traten die Verpflichtungsfeiern hier in ein Konkurrenz­ verhältnis zur Konfirmation, an die sie formal und intentional angelehnt waren.175 Von Parteiseite wurde dies indes bestritten. Martin Bormann etwa ermahnte in einem vertraulichen Rundschreiben, dass die Verpflichtungsfeierlichkeiten auf keinen Fall als Ersatz für kirchliche Veranstaltungen dienen sollten. Sinn einer solchen Verpflichtungsfeier solle nicht »religiöse Einkehr und Erbauung« sein, sondern »politische Willensbildung«. Es ginge darum, den Jugendlichen »die nationalsozialistische Weltanschauung« nahezubringen und, zum Zeitpunkt der Schulentlassung, »sie zu höchster Kraft und Leistung für die Volksgemeinschaft« anzuspornen.176 In Abkehr von anderen nationalsozialistischen Massenveranstaltungen sollten die Verpflichtungsfeierlichkeiten der 14-Jährigen die »Bedeutung des Einzelnen« betonen,177 der zum »Teilhaber«, zum aktiv Mithandelnden gemacht werden sollte.178 Dementsprechend und angesichts des kleineren, intimeren Charakters der Veranstaltung, leisteten die Jugendlichen ihre Verpflichtung (oft, aber nicht immer) einzeln, indem sie vortraten und die Verpflichtungs­formel nachsprachen. Diese war gegenüber der Formulierung anlässlich der Aufnahme ins Jungvolk mit einem höheren Verpflichtungsgrad ausgestattet: »Ich gelobe, dem Führer Adolf Hitler treu und selbstlos in der Hitlerjugend zu dienen. Ich gelobe, mich allezeit einzusetzen für die Einigkeit und Kameradschaft der deutschen Jugend. Ich gelobe Gehorsam dem Reichsjugendführer und allen Führern der HJ. 172 Zu den »Verpflichtungsfeiern« vgl.: Schmeer, S. 79–83; Buddrus, Totale Erziehung, S. 292–296. 173 Kaufmann, S. 68, zitiert nach: Buddrus, Totale Erziehung, S. 292. 174 Ebd. 175 Schmeer, S. 64; Vondung, S. 77. 176 Vertrauliches Rundschreiben des Leiters der Partei-Kanzlei über die Gestaltung nationalsozialistischer Feiern, 4.7.1941, zitiert nach, Buddrus, Totale Erziehung, S. 149. 177 Anordnung des Leiters der Partei-Kanzlei mit den Richtlinien für die Vorbereitung und Durchführung der Verpflichtung der Jugend 1942, zitiert nach: Buddrus, Totale Erziehung, S. 294, FN 194. 178 Schmeer, S. 64.

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Ich gelobe bei unserer heiligen Fahne, dass ich immer versuchen will, ihrer würdig zu sein, so wahr mir Gott helfe.«179 An die Stelle des »ich verspreche« trat ein mehrfach wiederholtes »ich gelobe«. Adolf Hitler wurde nun namentlich genannt und der Gehorsam nahm einen deutlich höheren Stellenwert ein. Mit »Treue« und »Kameradschaft« wurden zentrale Topoi des nationalsozialistischen Weltbildes und Erziehungsmodells angesprochen. Der Bezug auf die Fahne war hier explizit und sprach damit eine der zentralen »Reliquien« der Bewegung an: die Fahne als das Symbol der Bindung an Hitler und die Bewegung, an die versprochene Treue bis in den Tod, an die Märtyrer der Bewegung.180 Mit achtzehn Jahren und dem Übertritt von der Hitler-Jugend in die NSDAP schloss sich der letzte »jugendliche Eid« des Dritten Reichs an. Seit 1937 fanden die zentralen Feierlichkeiten dieser Aufnahmezeremonie »als Mittelpunkt der HJ-Kundgebung auf dem Reichsparteitag« statt, allerdings nur bis Kriegsbeginn.181 Vor Ort wurden sie als lokale Feierlichkeiten abgehalten, später verknüpft mit den Parteigründungsfeierlichkeiten am 24. Februar. Die Verpflichtung formulierte nun eindeutig: »Ich gelobe, meinem Führer Adolf Hitler Treue. Ich verspreche ihm und den Führern, die er mir bestimmt, jederzeit Achtung und Gehorsam entgegenzubringen.«182 Damit war der Anspruch auf Treue und Gehorsam unmissverständlich formuliert und die stufenweise Einbindung der Jugendlichen in das Treue-Geflecht des Nationalsozialismus abgeschlossen. Ganze Jahrgänge von Kindern waren, beginnend mit dem Geburtsjahrgang 1926, in ihrer Kindheit mehrfach und in verschiedenen Intensitätsstufen auf die Person Hitlers verpflichtet worden. Seinen Höhepunkt fand der nationalsozialistische Kult um den Eid in der SS. Die Schutzstaffel-Angehörigen leisteten seit dem August 1934 einen Eid,183 der sich formal als Mischform zwischen zivilen Eiden und dem Fahneneid der Wehrmacht darstellte und damit den Topos vom »Politischen Soldaten« spiegelte.184 Er markierte die Aufnahme in den »Schwarzen Orden«, einen elitär gedachten Männerbund.185 Neben die beschworene »Treue« trat explizit die »Tapferkeit« sowie der »Gehorsam«, den man mit dem Einsatz des eigenen Lebens garantierte: »Ich schwöre Dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches, Treue und Tapferkeit. Ich gelobe Dir und den von Dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr mir Gott helfe.« Auf die besondere Beziehung der SS zur »Treue«, die gewissermaßen im Zentrum ihres ideologischen Universums stand, ist wiederholt hingewiesen wor179 Buddrus, Totale Erziehung, S. 295. Zur Bedeutung der Fahne vgl.: Gamm, S. 43–56. 180 Vgl. etwa die Schilderungen in: Der Parteitag der Ehre. 181 Schmeer, S. 82. 182 Ebd. 183 Vgl. die Dienstanweisung anlässlich der Vereidigung der SS auf den Führer vom 2.8.1934, BArch NS 31/378. Gleiches galt für die Allgemeine SS, die denselben Eid schwor. Vgl. Hein, S. 126. 184 Vgl. Wegner. 185 Greve. Vgl. auch: Blazek; Bruns; Reulecke, »Ich möchte einer werden so wie die«.

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den.186 In der Ausbildung, in den Reden Himmlers, in der weltanschaulichen Schulungsliteratur – der Begriff der »Treue« war im SS-Universum allgegenwärtig, eng verknüpft mit der persönlichen »Ehre«. Das Motto der SS »Meine Ehre heißt Treue« bildete den Kern dieser Ideologie.187 Der Versuch, einen »Ehrenkodex« zu kreieren, der die spezifischen Tugenden eines SS-Mannes verankerte, war eng an die im Eid beschworenen Pflichten geknüpft. Die Forschung hat sich in den letzten Jahren verstärkt der spezifischen »Moralität« des Nationalsozialismus und insbesondere auch der SS zugewandt.188 Die Intention der SS-Führung lag darin, durch Implementierung spezifischer SS-Tugenden den moralischen Kompass der SS-Männer zu verschieben und damit Gewalt zu legitimieren. Der Eid legte hierzu gewissermaßen den Grundstein, indem er eben jene zentralen Tugenden wie »Treue«, »Gehorsam« und »Tapferkeit« in einer emotional aufgeladenen Zeremonie an den Anfang des Lebens als SS-Mann stellte. Wenn dann in der Folgezeit in Reden und Schriften immer wieder Bezug auf die beschworenen Werte genommen wurde,189 bewegte sich der einzelne SS-Mann in einem weltanschaulich geschlossenen System. Eng gekoppelt mit der persönlichen Ehre, war das System der »Treue« nicht allein durch Indoktrination, sondern über den Zugriff auf das individuelle Gewissen auch emotional und (quasi-)religiös verankert. Dass der geschworene Eid einen religiösen Zusatz hatte, stärkte die Verknüpfung mit dem Gewissen zusätzlich, und zwar unabhängig vom Glaubensstatus des Schwörenden. Heinrich Himmler bezog sich in seiner Schrift »Die SS als antibolschewistische Kampforganisation« explizit auf diesen religiösen Zusatz: »Seien Sie überzeugt, wir wären nicht fähig, dieses zusammengeschworene Korps zu sein, wenn wir nicht die Überzeugung und den Glauben an einen Herrgott hätten, der über uns steht, der uns und unser Vaterland, unser Volk und diese Erde geschaffen hat und uns unseren Führer geschickt hat.«190 Dass diese religiöse Bindung indes allein dienen sollte, dem »weltanschaulichen, politischen Soldatentum« eine ethische Grundlage zu verleihen und mit »kirchlicher, konfessioneller Betätigung« nicht zu tun hatte, machte Himmler ebenso deutlich.191 Es ging im SS-Eid um die Schaffung einer moralisch-religiös fundierten Bindung im Gewissen jedes einzelnen SS-Mannes, einer Bindung, die durch die immer wiederholte Beschwörung der beschworenen Tugenden regelmäßig erneuert werden sollte. Der Bruch des Eides, der Treuebruch, konnte daher – entsprechend der oben beschriebenen Rechtslehre der SS-Juristen wie 186 Vgl. etwa: Weise, S. 344–358; Gross, Anständig geblieben, v. a. Kap. 4: »Meine Ehre heißt Treue«, S. 69–92; Birn. 187 Zur Entstehung des »Mottos« vgl.: Mües-Baron. Insgesamt: Kohlstruck. 188 Gross, Geschichte und Ethik; ders., Anständig geblieben; Bialas, Ideologie und Moral im Nationalsozialismus; ders., Moralische Ordnungen im Nationalsozialismus; Konitzer, »Arbeit«, »Volk«, »Gemeinschaft«; ders., Moralisierungen des Rechts; ders., Moralität des Bösen. 189 Vgl. etwa: Smith. 190 Himmler. 191 Ebd.

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Reinhard Höhn – niemals »verziehen« werden: »Wer die Treue verletzt, schließt sich aus aus unserer Gesellschaft.«192 Der absolute Charakter der beschworenen Treue – Himmler formulierte es so: »Die Treue kennt nur eine Totalität« – machte die Definition dessen, was »treulos« war, entsprechend beliebig. Jedes noch so nichtige Verhalten konnte potentiell »treulos« sein. Bernd Wegner hat dies als »Objektivierung der Treue« bezeichnet und ihre »Herauslösung aus dem Bereich individueller Gewissensentscheidung« als Merkmal der Binnenethik der SS benannt.193 Jeder, der einmal den Eid der Treue geleistet hatte, war ohne Spielraum, was die Absolutheit dieser Treuebeziehung betraf. Der Gedanke der eidlichen Bindung, die nicht nur eine ganze Gesellschaft, sondern eben besonders die selbsternannte Elite dieser Gesellschaft prägte, reichte über die Grenzen des Deutschen Reichs hinaus. Die SS vereidigte ihre Freiwilligen in den eroberten Ländern mit der Eidesformel der Reichs-SS, allerdings unter Fortfall der Worte »und Kanzler des Deutschen Reiches«.194 Die Auseinandersetzungen, die im Vorfeld der Vereidigung von 760 niederländischen SS-Freiwilligen am 17. Mai 1942 in Den Haag stattfanden, machen deutlich, dass die Frage der Vereidigung von allen Seiten als ein Machtinstrument betrachtet wurde:195 Der »Leider« der »Nationaal-Socialistischen Beweging« (NSB) Anton Mussert strebte eigentlich eine Vereidigung der Freiwilligen auf ihn selbst als den Führer der niederländischen Nationalsozialisten an. Dies hätte die niederländischen SS-Freiwilligen, die formal der »Nationaal-Socialistischen Beweging« angegliedert waren, seiner Verfügungsgewalt unterstellt. Dies jedoch war mit den Vorstellungen Himmlers nicht vereinbar, der die Freiwilligen-Verbände in den direkten Einfluss der Reichs-SS bringen wollte. Dazu war eine Vereidigung auf Hitler unverzichtbar. Als nach einer längeren Auseinandersetzung, die bereits im Jahr 1941 eingesetzt hatte, schließlich die Vereidigung auf die Person des »Führers« im Mai 1942 stattgefunden hatte, nutzte Himmler diese Tatsache unmittelbar aus. Am 27. Juni erließ er per Dekret: »Durch die Vereidigung der Niederländischen SS auf den Führer ist die Niederländische SS in die Gesamtgermanische SS aufgenommen worden.«196 Die Vereidigung wurde damit zum Legitimationsgrund einer Eingliederung der Freiwilligenverbände in die Struktur der Allgemeinen SS. Gleichzeitig wird am Beispiel der Vereidigung der niederländischen SS-Freiwilligen, aber auch anderer Freiwilligenverbände, deutlich, dass die gemein192 Ebd. 193 Wegner, S. 43. 194 Vgl. Anweisung des Reichsführers SS, 25.1.1941, BArch  NS 19/2855. Es findet sich in BArch NS 19/2855 auch die Formulierung eines Eides für die SS-Division »Wiking«, in der es heißt: »Wir schwören Dir, Adolf Hitler, dem Wahrer nordischen Blutes, als Führer aller Germanen, Treue.« 195 Zur Geschichte der niederländischen SS-Freiwilligen und der »Nationaal-Socialistischen Beweging« (NSB) und den Auseinandersetzungen um die Vereidigung der niederländischen SS-Freiwilligen vgl.: Grunert, S. 87–160, Koll, v. a. S. 306–308; Kwiet. 196 Zitiert nach: Koll, S. 309.

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schaftsstiftende Wirkung des Eides sich je nach Bindungszusammenhang beliebig ausdehnen ließ. An die Stelle der deutschen Volksgemeinschaft traten hier die »Germanen«. Himmler erklärte in seiner Rede anlässlich der Vereidigung die im Eid beschworenen Tugenden zu »Bekenntnisse[n] unserer germanischen Ordnung der SS.«197 Der Eid wurde hier Teil des »Großgermanischen Reichs«, der »Neuen Ordnung«: Die Bindungswirkung, die er erzielte, indem er »Treue« und »Gehorsam« sicherte, sollte helfen, die europäischen Ziele des Nationalsozialismus zu verwirklichen. Dass diese Verwirklichung einer »neuen Ordnung« mit grenzenloser Grausamkeit nicht zuletzt gerade von Seiten der SS verbunden war, fügte sich widerspruchslos in die nationalsozialistische »Moral« ein. Die freiwillige Einbindung in den nationalsozialistischen Herrschaftsverband durch den Eid bedeutete auch die öffentliche Anerkennung der damit verbundenen Weltanschauung. Diese Anerkennung wiederum band die Schwörenden ein in die Vorstellung eines moralisch »guten« und »richtigen« Handelns im Sinne einer Ideologie, deren »Führer« man »Treue« geschworen hatte. Damit war kein Befehl mehr unmoralisch, keine Handlung mehr verbrecherisch, wie Himmler betonte: »Ihr habt freiwillig den Eid geleistet; nie werden wir von Euch etwas verlangen im Namen des Führers, was nicht dem Eid, was nicht der Weltanschauung des Nationalsozialismus, was nicht dem Gesetz unseres gemeinsamen Blutes entsprechen würde, niemals.«198 Hier zeigt sich die Bedeutung, die der Eid in Weltanschauung und Herrschaftspraxis des Nationalsozialismus einnahm, in zugespitzter Weise. Der Eid schuf ein Element der persönlichen Bindung, welche das einzelne Individuum »total« in Anspruch nahm und aus der es kein Entkommen gab. Indem der Einzelne direkt und unmittelbar an den »Führer« gebunden war, jede seiner Handlungen vor dem Hintergrund der beschworenen Treue stattzufinden hatte und schon das »Verlassen dieser Grundstellung […] eine Pflichtverletzung [bedeutete]«199, war er nicht nur zu »bedingungslosem Gehorsam« verpflichtet. Nein, es galt auch, dem »Führer entgegenzuarbeiten« (Ian Kershaw) und damit »seinen Teil zur Umsetzung« der neuen »Volksgemeinschaft« zu leisten.200 Der Eid bedeutete damit so etwas wie eine »Personalisierung der politischen Beteiligung«.201 Die in der Forschung immer wieder thematisierte Radikalisierung der Vernichtungspolitik findet damit nicht zuletzt im Eid eine Erklärung: nicht weil sich der einzelne Beamte, Soldat oder SS-Mann – wie in der Nachkriegszeit gerne argumentativ geschehen – auf die Gehorsamspflicht und mangelnden Handlungsspielraum zurückziehen konnte, sondern weil sich der Einzelne mit seinem Schwur zu aktiver persönlicher Treue verpflichtet hatte. So konnte die 197 Abschrift: Die Rede des Reichsführers-SS im Haag anlässlich der Vereidigung der niederländischen SS auf den Führer am 17.5.1942, in: BArch NS19/4009. 198 Ebd. 199 Schneider, Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz, S. 199. 200 Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine, S. 125. 201 Ebd.

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durch den Eid begründete »charismatische Sozialbeziehung« zum »Motor der Radikalisierung« werden.202 Die ideologische Legitimation des Holocaust lief zumindest partiell auch über den Eid und die ordnungspolitische Welt, die sich in ihm entfaltete.203 Diese umfasste allerdings nicht nur eine positive Treuebindung mit all ihren Implikationen, sondern eben auch die klare Androhung höchster Strafen bei einem (letztlich nicht definierten) »Treuebruch«.204 Es ging, wie Himmler es formulierte, um ein »Leben, das einem Schwur und einer Sache verbunden ist.«205 Blickt man auch über den Rahmen der SS hinaus auf die »durchvereidigte Gesellschaft«, so ist es angesichts der Vereidigungspraxis und der damit verknüpften ideologischen Infiltration großer Teile der Bevölkerung des Deutschen Reichs durchaus verständlich, dass sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so viele Zeitgenossen immer wieder auf den Eid bezogen haben, wenn es um die Erklärung ihres Verhaltens im Dritten Reich ging. Die Frage der individuellen Bindungskraft dieses Eides bleibt jedoch nicht zu beantworten. Vorbehalte gegenüber der ideologischen Vereinnahmung blieben vorwiegend auf das individuelle Gewissen beschränkt. Angesichts des Drucks einer Diktatur ist – zumindest bei den nicht parteiinternen Eiden – auch nicht davon auszugehen, dass jeder geschworene Eid der Interpretation und Intention des Eidgebers entsprach. Der Schritt jedoch, den Eid bei möglichen Vorbehalten gegenüber dem Regime nicht zu leisten, war ein großer.

4.4 Widerstand? Eidesverweigerungen und ihre Ahndung Die Kombination aus Begeisterung für den charismatischen »Führer« und abschreckender Wirkung der Diktatur führten dazu, dass sich insgesamt in den Jahren des Dritten Reichs verhältnismäßig wenig dokumentierte Fälle von Eidesverweigerungen finden. Dies gilt auch und gerade für Beamte – bei denen das in allen politischen Systemen gültige pekuniäre Element der Versorgungssicherheit hinzukam –, als alle Beamten und Soldaten nach dem Tod Hindenburgs im Som-

202 Herbst, Hitlers Charisma, S. 33. 203 Vgl. allg.: Bialas, Moralische Ordnungen, S. 80–88. 204 Auf die SS bezogen bedeutete dies mit den Worten Himmlers in seiner Posener Rede im Oktober 1943: »Sollte im Rahmen Ihres Gesichtskreises jemals einer dem Führer oder dem Reich untreu sein, und sei es auch nur in Gedanken, so haben Sie dafür zu sorgen, dass dieser Mann aus dem Orden kommt, und wir werden dafür sorgen, daß er aus dem Leben kommt. Denn alles […] kann verziehen werden auf dieser Welt, aber eines kann unter Germanen nicht verziehen werden: das ist die Untreue.« Rede des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, vor den Gruppenführern der SS. 205 Abschrift: Die Rede des Reichsführers-SS im Haag anlässlich der Vereidigung der niederländischen SS auf den Führer am 17.5.1942, in: BArch NS19/4009.

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mer 1934 neu auf den »Führer« vereidigt wurden. Kaum einer widersetzte sich dieser Forderung, vielmehr schienen die deutschen Beamten in diesen neuen Eid hineingewachsen zu sein nach dem Zwischenschritt der Vereidigung auf »Volk und Vaterland«. Dass die alte Eidesformel mit dem Schwur »Treue der Reichsverfassung« im gefestigten »Führerstaat« keine Verwendung mehr finden konnte, war allen offensichtlich. Die neue Formulierung (im Falle der Reichsbeamten) »Ich schwöre, ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe«, hat sicherlich bei vielen zwiespältige Gefühle geweckt. Diese jedoch in Widerstand gegen die Neuvereidigungen umzusetzen, diesen Schritt haben die Allermeisten gescheut. Dennoch hat es solche Eidesverweigerungen gegeben und im Folgenden sollen zwei solcher Eidesverweigerer näher in den Blick genommen und nach den Gründen für ihren Widerstand gegen die Eidesformel gefragt werden. Die Tatsache, dass beide Fälle bereits bekannt sind, zeigt nur, dass die Zahl der Verweigerer insgesamt nicht hoch war. In den staatlichen Akten spiegelt sich eine weitergehende Problematik von Eidverweigerungen nicht; es bleibt der Verweis auf einige wenige Einzelbeispiele.206 Zu ihnen gehören die Professoren Kurt von Fritz (Altphilologe) und Karl Barth (Theologie), die beide aus prinzipiellen Erwägungen den Eid in seiner Ausrichtung auf Hitler grundsätzlich in Frage stellten und dafür auch die eigene Karriere und wirtschaftliche Sicherheit aufs Spiel setzten. 4.4.1 Die Eidesverweigerung des Kurt von Fritz Der Rostocker Altphilologe Kurt von Fritz, geboren am 25. August 1900 in Metz, studierte nach dem Ersten Weltkrieg Klassische Philologie, Mathematik und Arabisch.207 1923 wurde er in Freiburg promoviert, 1927 habilitierte er sich 206 Zu nennen wären hier u. a. der Jurist Martin Gauger, der nach der Eidesverweigerung als Assessor bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal 1934 aus dem Dienst entlassen und 1940 in der Euthanasie-Anstalt Pirna-Sonnenstein ermordet wurde. Vgl.: Schmid, Martin Gauger. Josef Mayr-Nussr verweigerte 1944 den Eid der Waffen-SS, vgl.: Iblacker. Eine ganze Reihe von Eidesverweigerungen entstammten kirchlichen Bezügen, so etwa: Heinz Welke verweigerte 1935 als Theologiestudent den Eid, den Studierende ablegen mussten, vgl. Bonavita; Winfried Feldmann verweigerte als Hilfsprediger der hannoverschen Landeskirche 1938 den Eid, vgl. Ludwig, Für die Wahrheit des Evangeliums streiten. Pater Franz Rheinisch verweigerte 1942 den Fahneneid und wurde im April 1942 hingerichtet, vgl. mit weiteren Literaturangaben: Feldmann. Der Pfarrer Georg Fritze verweigerte den Treueid auf Hitler ebenfalls und begründete dies in einem Schreiben an das evg. Konsistorium der Rheinprovinzen, vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?​ type=dokument&id=112 (zuletzt abgerufen am 20.01.2020). Zeugen Jehovas verweigerten in großer Zahl den Eid, vgl.: Garbe, S. 354. 207 Zu Kurt von Fritz vgl.: Bernard; Buddrus, Die Professoren der Universität Rostock; Hose, Müller, Der nicht geleistete Eid.

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in München und ging 1931 als Privatdozent und Assistent nach Hamburg. 1933 wurde er nach Rostock berufen.208 Fritz reflektierte bereits zu diesem Zeitpunkt, dass er aus politischen Gründen erst nach einigen Verhandlungen berufen werden konnte. Zwar sei er »politisch nie öffentlich hervorgetreten« und gehöre auch keiner Partei an, »im privaten allerdings [habe er] aus [s]einer Abneigung gegen die Nationalsozialisten nie einen Hehl gemacht und ein paar Mal auch an Versammlungen für die Freiheit der Wissenschaft gegen politische Unterdrückung teilgenommen«.209 Das Thema der Wissenschaftsfreiheit deutet sich hier bereits als Konfliktpunkt an, kombiniert mit einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber den Nationalsozialisten im Allgemeinen und Hitler im Besonderen. Nachdem Kurt von Fritz schließlich berufen war, leistete er im Mai 1933 bei seiner Einstellung ohne zu zögern mit dem damals geforderten Eid »Treue der Reichsverfassung«.210 Zu Problemen kam es gut ein Jahr später, als nach dem Tod Hindenburgs im Sommer 1934 der Eid zu dem persönlichen Eid auf Hitler umgewandelt worden war. Jeder Beamte im Deutschen Reich musste nun neuvereidigt werden und auch Kurt von Fritz erhielt Anfang Oktober 1934 die Aufforderung zur Eidesleistung. Kurt von Fritz jedoch sah in dem geforderten Eid sowohl eine Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit wie auch seiner persönlichen Gewissensfreiheit. Dabei spielten offenbar konkrete Konflikte an der Rostocker Universität eine Rolle, zumindest berichtet er in späteren Lebensläufen immer wieder von Vorfällen, die zeigen, dass der Druck auf die Hochschullehrer auch in Rostock stieg, ihre Lehre systemkonform zu gestalten.211 Diesem Druck versuchte sich Fritz zu widersetzen. Da er im Eid – nicht zu Unrecht – ein probates Mittel sah, die ideologische Gleichschaltung der Hochschulen voranzutreiben, war die Weigerung, den Eid in der vorgeschriebenen Weise und unkommentiert zu leisten, von grundsätzlicher Überzeugung getragen. Fritz wurde, nach einer Besprechung, vom Regierungsbevollmächtigten der Universität Rostock aufgefordert, die Gründe seiner Eidesverweigerung schriftlich darzulegen.212 In den Kern seiner Stellungnahme stellte er den Kampf 208 Der umfangreiche Nachlass Kurt von Fritz, Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Abgabe des Bundesarchivs), spiegelt das Leben eines deutschen Geisteswissenschaftlers in den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts. Die (beinahe) wöchentlichen Briefe an seine Schwester umspannen mehrere Jahrzehnte und reflektieren auch das Leben in der Emigration in England und den USA. Leider ist der Nachlass ungeordnet, daher gilt mein Dank Frau Dr. Genoveva Rauch, die mir die Benutzung des Nachlasses ermöglichte. 209 Kurt von Fritz an »Liebe Mädi« [seine Schwester], 3.2.1933, in: ABAdW, NL Kurt von Fritz. 210 Müller, Der nicht geleistete Eid, S. 68/69. 211 Kurt von Fritz: Hauptdaten über meine Entlassung, ABAdW NL Kurt von Fritz; Müller, Der nicht geleistete Eid, 70. Konkret ging es um Angriffe auf zwei Rostocker Professoren, den Romanisten Fritz Schalk und den Althistoriker Ernst Hohl, die wegen vermeintlichem fehlenden nationalsozialistischen Engagements heftiger Kritik ausgesetzt waren. Vgl. Buddrus, Die Professoren der Universität Rostock, S. 195–196; ders., Art.: Schalk, Fritz, in: ebd., S. 343–344. 212 Vgl. der Regierungsbevollmächtigten der Universität Rostock an Kurt von Fritz, 5.11.1934, ABAdW NL Kurt von Fritz.

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gegen die »Instrumentalisierung der Wissenschaft für die Nazi-Ideologie«.213 Die »bedingungslose Vertretung bestimmter formulierter Lehren« entspreche einer »falschen Auffassung von der Treuepflicht des Hochschullehrers«.214 Den Eid verstand Fritz so, »daß der darin beschworene Gehorsam nicht verpflichten könne, etwas zu lehren, was der eigenen Überzeugung und damit der Pflicht des Hochschullehrers, nach bestem Wissen und Gewissen nichts als die Wahrheit zu lehren, widerspräche.«215 Fritz nahm hier einen Gewissensvorbehalt für sich in Anspruch und verweigerte sich der totalen Gehorsamsforderung des nationalsozialistischen Treue-Systems. Seine Kritik an der Rolle der Wissenschaft im totalitären Staat beinhaltete damit auch eine grundsätzliche Kritik am Nationalsozialismus. Offenbar hatte Fritz gehofft, dass sich andere Professoren der Rostocker Universität anschließen würden. Fritz beschrieb in der Nachkriegszeit wiederholte Male – etwa gegenüber dem Institut für Zeitgeschichte –, dass man sowohl innerhalb der Professorenschaft wie auch in Offizierskreisen der Rostocker Garnison über den Eid diskutiert habe: »Die vorwiegende Meinung unter den höheren Offizieren war, dass es ein großer Vorteil sei, dass der Eid auf den ›Führer‹ persönlich, nicht auf den NS abgelegt worden sei. Denn, so wurde gesagt: Wir brauchen Hitler jetzt, um aufrüsten zu können. Er ist ein solcher Narr, daß er sicher eines Tages umgebracht werden wird.‹ Mir schien dies eine höchst gefährliche Kalkulation, sofern die Herren das Umbringen nicht selbst auf sich nehmen wollten. […] Unter den Kollegen an der Rostocker Universität einigte man sich darauf, dass man den Gehorsamseid ohne Gewissensbedenken ablegen könne, da der Eid ›bei Gott‹ geleistet werde und daher zu nichts verpflichten könne, was den Geboten Gottes widerspreche. Ich bestritt die Richtigkeit dieser Auslegung nicht, war jedoch der Meinung, daß man ihr laut und öffentlich Ausdruck geben müßte, sonst würde doch jeder glauben, daß der Eid von allen, die im Staat Ansehen und Einfluß haben, ohne Einschränkungen geleistet worden sei, und das wiederum werde den Nationalsozialisten einen Machtzuwachs bringen, gegen den man nicht mehr werde aufkommen können.«216 Fritz war zu diesem Zeitpunkt und auch später in der Nachkriegszeit fest überzeugt, dass eine massenhafte Eidesverweigerung von Seiten der Professoren den Nationalsozialismus vor ernsthafte Herausforderungen gestellt hätte.217 Dazu kam es jedoch auch Rostock nicht. Alle anderen Professoren der Universität leisteten den Eid ohne ersichtliches Zögern.218

213 Müller, Der nicht geleistete Eid, S. 71. 214 Stellungnahme Kurt von Fritz, zitiert nach: ebd., S. 70. 215 Kurt von Fritz, Hauptdaten über meine Entlassung, ABAdW NL Kurt von Fritz. 216 Kurt von Fritz: Die Gründe, die zu meiner Emigration im Jahr 1936 geführt haben, ­A BAdW NL Kurt von Fritz. 217 Kurt von Fritz an das Institut für Zeitgeschichte, 22.11.1975, ABAdW NL Kurt von Fritz. 218 Kurt von Fritz an seine Schwester, 15.2.1935, ABAdW NL Kurt von Fritz.

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Kurt von Fritz war sich darüber im Klaren, dass er als »Einzeltäter« mit einer solchen Kritik und der Weigerung, den Eid in der vorgeschriebenen Form zu leisten, seine Karriere aufs Spiel setzte. Wohl auch daher versuchte er von Anfang an vorsichtig und überlegt zu argumentieren. So bezog er sich in seinem Vorwurf, die Wissenschaftsfreiheit sei durch die Nationalsozialisten in Frage gestellt, bewusst nur auf lokale Vorfälle und nahm von dem Vorwurf der Eingrenzung der Wissenschaftsfreiheit die führende Politikerebene des Nationalsozialismus aus. Ja, er versuchte sogar, seine Haltung als jene des »Führers« zu beschreiben.219 An anderer Stelle bezog er sich in seiner Rechtfertigung auf eine Rede Alfred Rosenbergs, der ebenfalls das Problem der Wissenschaftsfreiheit thematisiert hatte.220 Mit dem Versuch der »Solidarisierung« mit dem »Führer« und anderen Größen des Regimes war Fritz bemüht, seiner Position die Schärfe zunehmen. Gleichzeitig spekulierte Fritz wohl darauf, dass gerade in der Frühphase der nationalsozialistischen Herrschaft tatsächlich kaum öffentlich das Ende der Freiheit der Wissenschaft verkündet werden könnte.221 Die Universitätsverwaltung Rostock wandte sich angesichts der Weigerung, den Eid zu leisten, Ende November an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Bildung in Berlin, in der Absicht, Fritz aufgrund von Paragraf 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zu entlassen.222 Das Ministerium jedoch reagierte auf diesen Vorschlag wenig erfreut. Zwar teile man die Ansicht, »daß die Haltung des Prof. von Fritz in der Eidesfrage zu den stärksten Zweifeln an seiner Brauchbarkeit für das von ihm bekleidete Staatsamt Anlaß gebe«.223 Jedoch fürchtete man bei einer Entlassung aufgrund von Paragraf 6 den Eindruck zu erwecken, »als sei durch die unbedingte Treuepflicht gegenüber dem Führer und Reichskanzler ernstlich die Wahrhaftigkeit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre gefährdet.« Stattdessen solle noch einmal das Gespräch mit Fritz gesucht werden.224 Sollte er den Eid auch weiterhin verweigern, so sei ihm nahezulegen, er solle um »Entbindung von den amtlichen Pflichten« nachsuchen.225 Man versuchte also, weiteres Aufsehen zu vermeiden – ein deutlicher Hinweis darauf, dass man in Berlin dem Fall immerhin so viel Brisanz zumaß, dass man eine größere Empörung für möglich hielt.

219 Kurt von Fritz, Entwurf zum 12.10.1934, ABAdW NL Kurt von Fritz. 220 Kurt von Fritz an seine Schwester, 31.1.1935, ABAdW NL Kurt von Fritz. Von Fritz bezog sich auf folgende Rede: Freiheit der Wissenschaft. Rede Alfred Rosenbergs am 7.11.1934 zur Eröffnung des Wintersemesters an der Universität München, in: Rosenberg, S. 197–218. 221 Müller, Der nicht geleistete Eid, S. 71. 222 Zitiert nach: Buddrus, Die Professoren der Universität Rostock, S. 139. In § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums hieß es: »Zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte in den Ruhestand versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind.« Vgl.: Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. 223 Buddrus, Die Professoren der Universität Rostock, S. 140. 224 Ebd. 225 Ebd.

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Das Mecklenburgische Ministerium für Unterricht, das Fritz entlassen sehen wollte, wandte sich daraufhin an den mecklenburgischen Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt. Dieser wiederum teilte dem Ministerium in Berlin mit, das vorgeschlagene Vorgehen sei indiskutabel, da es »Prestige und Autorität der nationalsozialistischen Regierung« an der Universität Rostock »vollständig untergraben« würde. Kurt von Fritz sei »sofort seiner Stellung zu entheben und zu beurlauben«, was auch Mitte Januar geschah.226 Gleichzeitig wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet. In dessen Rahmen vermerkte der spätere Leiter des »Judenreferates« im Auswärtigen Amt, Franz Rademacher, der die Anhörung als Gerichtsassessor leitete, dass Fritz »in seinen Anschauungen derart weit vom Boden der staatstragenden nationalsozialistischen Weltanschauung entfernt [sei], daß er […] ungeeignet ist, weiterhin als Hochschullehrer die Ausbildung der heranwachsenden akademischen Jugend zu leiten.«227 Auch wenn es nicht mehr zu einer öffentlichen Verhandlung im Rahmen des Disziplinarverfahrens kam, möglicherweise weil, wie Kurt von Fritz später vermutete, der Reichsstatthalter doch Sorge vor einer zu großen Öffentlichkeit des Verfahrens bekommen hatte, so wurde Fritz am 16. April 1935 ohne eine Angabe von Gründen in den dauernden Ruhestand versetzt (unter Bezugnahme auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums). Damit war Kurt von Fritz, ebenso wie etwa die Eidesverweigerer in der Weimarer Republik, letztlich mit seiner Eidesverweigerung gescheitert. Es gelang ihm nicht, eine andere Stelle zu finden, schließlich wurde ihm auch der Zugang zur Universitätsbibliothek in München verweigert, wo er bis dahin seine wissenschaftlichen Arbeiten fortgesetzt hatte.228 Damit blieb ihm nur die Emigration: Glücklicherweise hatte er Kontakte nach England, wo er von Anfang 1936 an in Oxford als Dozent am Corpus Christi College lehrte, ab 1938 war er als Professor an der Columbia University in New York tätig. 1954 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er einem Ruf an die FU Berlin folgte, 1958 wechselte er an die Universität München, wo er bis zu seiner Emeritierung verblieb. Am 16. Juli 1985 ist Kurt von Fritz gestorben. Das Beispiel seiner Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Treueeid ist bemerkenswert. Seine Kollegen in Rostock, die sich ihre Eidesleistung argumentativ selbst legitimierten, können wohl als repräsentativ für die deutsche Professorenschaft stehen. Sie beugten sich, wenn sie nicht sowieso überzeugt von der nationalsozialistischen Sache waren, unter dem ideologischen und finanziellen Druck; sie beruhigten ihr Gewissen mit Argumenten, die auch 226 Ebd., S. 141. 227 Zitiert nach ebd. Hier auch der Verweis auf Rademacher. Vgl. zu Rademacher auch: Conze, Das Amt und die Vergangenheit. 228 Von Fritz war denunziert worden, »mit einem jüdischen Kollegen (es war der Historiker Siegmund Hellmann, der 1942 im KZ Theresienstadt ermordet wurde) in eine französische Zeitung gesehen und gelacht zu haben.« Vgl. den Lebenslauf Kurt von Fritz, ABAdW NL Kurt von Fritz.

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Fritz zur Kenntnis nahm. Er schrieb später: »Aber fast alle haben den Eid ohne Widerstand geleistet mit der Begründung, daß jeder Eid ein Eid bei Gott sei und deshalb niemals einen Gehorsam begründen könne, der verpflichte, Dinge zu tun, die mit den göttlichen Geboten im Widerspruch stehen. Theologisch und philosophisch ist diese Auslegung anzuerkennen. Aber politisch war diese Entscheidung, wie die Folge zeigte, völlig falsch.«229 4.4.2 Karl Barth, die evangelische Kirche und der Eid Kurt von Fritz war sich durchaus bewusst, dass er Ende 1934 nicht der einzige Hochschullehrer war, der sich mit den staatlichen Behörden über die Pflicht, den Treueid auf Hitler zu leisten, auseinandersetzte. Wiederholt bezog er sich in seinen Briefen auf den Fall Karl Barth, der etwa zur gleichen Zeit eine erheblich größere Öffentlichkeit erfuhr. In mehrfacher Hinsicht unterschied sich die persönliche Ausgangslage der beiden Männer. Karl Barth war zum Zeitpunkt seiner Eidesverweigerung bereits ein bekannter und renommierter Theologe.230 Er konnte fest davon ausgehen, einen Ruf ins Ausland zu erhalten, falls er seine Professur in Bonn würde aufgeben müssen. Und auch in Anbetracht der Tatsache, dass Barth Schweizer war (er hatte die deutsche Staatsbürgerschaft im Rahmen seiner Hochschultätigkeit im Deutschen Reich zusätzlich angenommen), konnte er sich auf die Konflikte wohl leichter einlassen als von Fritz, der weitgehend allein stand. Im Umkehrschluss war der »Fall Barth« jedoch auch weit mehr als ein individuelles Schicksal: Er steht vielmehr symptomatisch für die Auseinandersetzung der evangelischen Kirche mit dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus.231 Barth nutzte die Auseinandersetzungen um seine Person, um die verantwortlichen evangelischen Würdenträger zu einer Stellungnahme zum Eid zu bewegen: Die Frage, ob und inwieweit Christen den Anspruch der Nationalsozialisten auf bedingungslose Treue akzeptieren sollten oder inwieweit die Bindung an Hitler im Eid durch die Gesetze und den »Willen« Gottes beschränkt waren, musste mit der Neuformulierung des Eides nach dem Tod Hindenburgs überzeugte Christen im ganzen Deutschen Reich beschäftigen. Karl Barth, geboren am 10. Mai 1886 in Basel, gilt bis heute als einer der wichtigsten protestantischen Theologen des 20. Jahrhunderts, der ein reformiertes 229 Kurt von Fritz: Die Gründe, die zu meiner Emigration im Jahr 1936 geführt haben, ­A BAdW NL Kurt von Fritz. 230 Prolingheuer beschreibt stark quellengesättigt die Ereignisse um Karl Barths Eidesverweigerung. Das folgende Teilkapitel orientiert sich an der dort aufgeführten Chronologie; die im Anhang abgedruckten Quellen bilden die Quellengrundlage dieses Teilkapitels. Vgl. auch: Kupisch. 231 Allg. vgl. in Auswahl: Besier, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 3: Spaltungen und Abwehrkämpfe; Meier; Scholder.

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evangelisches Christentum prägte und in die Moderne führte. 1930 erhielt er einen Ruf an die Universität Bonn. Die nationale und internationale Reputation Barths garantierte, dass er nach der »Machtergreifung« erst einmal ohne Probleme weiterhin lehren und forschen konnte. Die neuen Machthaber standen Barths kirchenpolitischem Engagement indes offen kritisch gegenüber, nicht zuletzt aufgrund seiner prominenten Rolle in der Bekennenden Kirche. Die am 31. Mai 1934 verabschiedete theologische Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen, in der sich die verschiedenen evangelischen Bekenntniskirchen gegenüber den Deutschen Christen positionierten und deutliche Kritik an deren Nähe zum Nationalsozialismus übten, war in weiten Teilen von Karl Barth mitentwor­ fen worden. Hinzu kam, dass Barth als SPD-Mitglied aus seiner kritischen Einstellung zum Nationalsozialismus und seinen politischen Überzeugungen nie einen Hehl gemacht hatte. Auf Dauer also war ein offener Konflikt zwischen Barth und dem Regime nicht zu vermeiden. Die Aufforderung der Bonner Universitätsleitung an Barth im Oktober 1934, den neuen Eid zu leisten, war dann der Kristallisationspunkt der Auseinandersetzung. Barth hatte bereits im Vorfeld des Vereidigungstermins schriftlich mitgeteilt, dass er sich nicht in der Lage sehe, den Eid in der vorgeschriebenen Form zu leisten, sondern auf Ergänzung beharren müsse: Er könne nur schwören, Hitler »treu und gehorsam zu sein, soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann«. Daraufhin verfügte das Reichsministerium für Wissenschaft die »Amtssuspension« und die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens. Karl Barth beharrte in der Anhörung darauf, dass er sich nicht geweigert habe den Eid zu leisten  – wie es etwa der Völkische Beobachter gemeldet hatte.232 Stattdessen begründete er den von ihm vorgeschlagenen Zusatz: Grundsätzlich sei eine Eidesleistung nur möglich, wo der Eidgeber den Inhalt des gegebenen Versprechens überblicken könne, wo er rechtlich begrenzt wäre, so wie dies bei früheren eidlichen Verpflichtungen der Fall gewesen wäre.233 Im National­ sozialismus jedoch führe der »Führerwille« als Maßstab des Handelns zu einer normativen Entgrenzung und Entrechtlichung. Entsprechend erschien Barth auch der Eid grenzenlos: »Die Verpflichtung auf den Führer Adolf Hitler ist nach der für die Interpretation maßgebenden nationalsozialistischen Auffassung eine Verpflichtung von unendlichem, also unübersichtlichem Inhalt.« Demgegenüber bedeute der von ihm vorgeschlagene Zusatz eine »Berufung auf meine Eigenschaft als evangelischer Christ [und] den Hinweis auf diejenige Instanz, durch die auch die Treue und der Gehorsam dem Führer Adolf Hitler gegenüber notwendig begrenzt werden.«234 Durch den Zusatz also würde der unbegrenzte Eid wieder in eine traditionelle Form zurückgeholt.

232 Prolingheuer, S. 49. 233 Protokoll der Zeugenvernehmung, 1.12.1934, zitiert nach: ebd., S. 257. 234 Vgl. die von Barth vorgelegte Erklärung: ebd., S. 53–54.

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In einem Brief an den Theologen Hans von Soden,235 der ihn wegen des Eideskonfliktes kritisiert hatte, erläuterte Bart Anfang Dezember 1934 ausführlich seine Beweggründe. Er machte dabei vor allem seine Ausgangsposition klar: Es müsse darum gehen, die nationalsozialistische Intention hinter dem Eid zu verstehen, ihn »im Sinne eines hundertprozentigen Nationalsozialismus« zu interpretieren.236 Damit verwehrte er sich gegen die – etwa im Falle Kurt von Fritz – bereits angeklungene Idee, man könne den nationalsozialistischen Treueid mit einem stillen Vorbehalt, etwa einem religiös fundierten, leisten, die Grenzen der Treue also stillschweigend bei den christlichen Geboten ziehen. Ein Eid aber würde immer »im Sinne dessen, dem der Eid geschworen wird«, geleistet und insofern gelte es auch, den »Führereid« als einen strikt nationalsozialistischen zu begreifen. Mit dieser Auffassung lag Barth ganz auf der Linie der protestantischen Theologie, nach der die Auslegung eines Eides vom Verständnis des Eidnehmers her zu interpretieren war.237 Nach einer solchen Interpretation im Sinne des Eidnehmers könne der Eid im Nationalsozialismus, und damit lag Barth richtig, allein dazu dienen, den »Führerstaat« zu bejahen und sich Adolf Hitler »mit Haut und Haar, mit Leib und Seele« zu verpflichten, »diesem Manne, über dem es keine Verfassung, kein Recht und Gesetz gibt […]. Ein Vorbehalt bei diesem Eid ist […] unmöglich.« Barth hoffte, den nationalsozialistischen Staat durch seine Eidesverweigerung zu einem Bekenntnis hinsichtlich der mit dem Eid verbundenen Absichten zwingen zu können. Denn da die neue Eidesformel erst seit wenigen Wochen gültig und der Prozess der Neuvereidigungen noch nicht abgeschlossen war, lag eine »offizielle« Interpretation des Regimes zu dem neuen Eid höchstens in Ansätzen vor. Klarheit in die Dimension der geforderten Treue zu bringen, war für Barth ein Hauptanliegen: »Setzt er mich wegen dieser Klausel nicht ab, dann dokumentiert er, daß das mit dem totalen Staat so schlimm nicht gemeint ist. Er würde sich dann selbst auf den Status einer ›Obrigkeit‹ im Sinn von Röm. 13 zurückversetzen. Setzt er mich ab, dann dokumentiert er – auch diese Klarstellung könnte ja dankenswert sein – daß er eben doch antichristlich verstanden werden will, […] darin, daß er […] mir gegenüber seinen Absolutheitsanspruch, d. h. die religiöse Bedeutung des Namens Hitler behaupten würde.« Mit der Bezugnahme auf Römer 13 hatte Barth angesprochen, dass mit dem Eid die grundsätzliche Frage des Verhältnisses von Christen gegenüber dem totalitären Staat mit seinem umfassenden und grenzenlosen Gehorsamsanspruch angesprochen war. Das Regime hat dies wohl verstanden, im Gegensatz übrigens zur Bekennenden Kirche, die sich weitaus schwerer tat, sich die Fragen, die Barth aufgeworfen hatte, zu eigen zu machen. Die Deutschen Christen lehnten 235 Hans von Soden, geb. 4.11.1881, gest. 2.10.1945, war seit 1924 Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament in Marburg. Im Nationalsozialismus war er führendes Mitglied der Bekennenden Kirche. Vgl. Dinkler. 236 Karl Barth an Hans von Soden, 5.12.1934, abgedruckt bei: Prolingheuer, S.271–274, S. 271. 237 Gerlach-Praetorius, S. 69. Siehe auch: Dibelius.

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das Verhalten Barths wenig überraschend ab. In ihren Reihen vertrat man eine grundsätzlich andere Eideslehre, hier exemplarisch verdeutlicht an den Schriften Emanuel Hirschs.238 Hirsch, NSDAP- und (förderndes) SS-Mitglied, fügte seine theologischen Überzeugungen zum Eid nahtlos in das nationalsozialistische Eidesverständnis ein. Die Tatsache, dass ein Eid vor Gott als dem »alles durchschauenden Zeugen« geleistet würde, garantiere »die letzte rückhaltlose Ehrlichkeit und damit Unwiderruflichkeit des Treueversprechens«. Daraus wiederum folgerte Hirsch, dass »der Sinn des Eides gerade die Ausschließung der reservatio mentalis in jeder Form« bedeute.239 Entsprechend binde der Eid den Schwörenden in seiner ganzen Person, auflösbar nur durch Tod oder Entbindung durch den Eidnehmer. Der Theologe formulierte den totalen Gehorsams- und Treueanspruch des nationalsozialistischen Eides klar: »Sein Treueverhältnis greift also über den Gehorsam Röm. 13 hinaus.« Wer nicht bereit sei, diese Treue zu schwören, der müsse auf den Eid verzichten. Schwöre er dennoch mit einem stillen Vorbehalt, so benutze er »den Namen Gottes, dessen Anrufung dem Eide die Rückhaltlosigkeit geben soll, zur Verdunkelung dessen, was man meint und denkt.« Doch diese gotteslästerliche Handlung war nach Auffassung Hirschs nicht einmal das schlimmste. Schlimmer noch erschien ihm der Zweifel am Eidnehmer, der in einem solchen Vorbehalt zu Ausdruck käme, sprich: der Zweifel am »Führer«. »Überdies heißt es gegen die den Eid empfangende Person die Verdächtigung aussprechen, es sei bei ihr damit zu rechnen, daß sie Christen einen Eid abnehme, um sie dann zu zwingen, dem Evangelium untreu zu werden. Das auch nur indirekte Aussprechen einer solchen Verdächtigung macht den Menschen unwürdig, den Treueid zu leisten.« Diese Eidesinterpretation von Seiten eines deutsch-christlichen Theologen macht deutlich, wie weit man sich dem Eidesverständnis des Nationalsozialismus anzunähern bereit war in dem Wunsch, sich in das Regime einzuordnen. Die Diskrepanz zwischen der Position Barths und jener der Deutschen Christen konnte kaum größer sein. Dass Zweifel an diesem totalen Staat nicht hinzunehmen, ja sogar ideologisch nicht möglich waren, macht das Urteil der ersten Disziplinarverhandlung gegen Barth am 20.12.1934 in Köln deutlich.240 Ein Handeln wider Gottes Gebot sei im »Führerstaat« schlechterdings nicht möglich. Denn gerade weil »im nationalsozialistischen Deutschen Reich […] bei seiner bejahenden Einstellung zur Religion und Gott und der Wiedereinführung des religiösen Eideszu­satzes […]« Hitlers Herrschaft von Gott gegeben sei, bestehe »nicht einmal die Möglichkeit zu einer Anordnung des Führers und Reichskanzlers gegen Gottes Gebot«. Die Vorbehalte Barths wurden damit als »inhaltsleer und daher unwesentlich 238 Emanuel Hirsch, geb. 14.6.1888, gest. 17.7.1972, war seit 1921 Theologieprofessor in Göttingen. Zur Biografie des NSDAP- und (förderndem) SS-Mitgliedes Hirsch vgl.: Reimer, Emanuel Hirsch und Paul Tillich; Erickson, S. 167–268. 239 Vgl.: Hirsch, Evangelisch-lutherische Lehre vom Treueid. Zur Mentalreservation: Holzhauer, S. 74–93. 240 Urteil der Kölner Dienststrafkammer gegen Karl Barth, 20.12.1934, abgedruckt in: Prolingheuer, S. 286–296, S. 291.

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ab­getan«.241 Die Vorstellung, dass Hitler den Deutschen von Gott gesandt sei, dass sein Handeln grundsätzlich immer im Sinne Gottes und seiner Gebote sein müsse, war Spiegelbild der Anerkennung der charismatischen Herrschaft Hitlers. Das Gericht machte unmissverständlich klar, dass ein Einspruch gegen die totalitäre Herrschaft und ein wie auch immer gearteter Vorbehalt einem Beamten im neuen Staat nicht zustünde: »Diesem Staat gegenüber, der von seinen Dienern den Einsatz des ganzen Menschen mit allen Kräften des Herzens und der Seele verlangt, ist keine laue Loyalität denkbar, mit der es sich der Beamte des früheren Parteienstaates genügen lassen konnte.« Gleichzeitig verwies das Urteil darauf, dass man die Einwände Barths gegen den Eid (und die anderen Anklagepunkt) als nicht im Kern religiös, sondern als politisch motiviert begriff. Barths Mitgliedschaft in der SPD spielte in dieser Beurteilung eine wichtige Rolle. Angesichts der vom Gericht festgestellten »verneinenden Einstellung des Angeschuldigten zum heutigen Staat« und seinem »Totalitätsanspruch« entschied die Disziplinarkammer auf Dienstentlassung unter Bewilligung der Hälfte des »erdienten Ruhegehaltes auf ein Jahr«. Der Eid selbst spielte in der Verhandlung eine eher untergeordnete Rolle, was nicht zuletzt daran lag, dass Barth mittlerweile erklärt hatte, den Eid in der vorgeschriebenen Form leisten zu wollen. Dieser Sinneswandel bedeutete kein Zurückstecken des Theologen, sondern begründete sich in der Tatsache, dass mittlerweile von der Bekennenden Kirche eine Positionsnahme zur Eidesfrage vorlag. Darin hieß es: »Der unter Anrufung Gottes dem Führer Adolf Hitler geleistete Eid […] schließt durch seine Berufung auf Gott ein Tun aus, das wider das in der Heiligen Schrift bezeugte Gebot Gottes ist […]«.242 Diese Positionsnahme war anfangs als nicht öffentliche der Vorläufigen Kirchenleitung gedacht gewesen; sie war in einem Brief an einen Göttinger Studenten formuliert. Die Unterstützer Barths, die die Kirchenleitung dringend zu einem öffentlichen Bekenntnis in der Eidesfrage bewegen wollten, damit jedoch erfolglos blieben, griffen zu dem etwas unlauteren Mittel, diesen Privatbrief den »Basler Nachrichten« zuzuspielen, die am 17. Dezember 1934 Auszüge davon veröffentlichten.243 Aus Regierungskreisen in Berlin kam kein unmittelbarer offizieller Widerspruch gegenüber dem in dem Brief verbreiteten Eidesverständnis, von dem sich Barth im Hinblick auf eine Begrenzung der Treuepflicht durch die Gebote der »Heiligen Schrift« gestärkt fühlte. Daraufhin hatte sich Karl Barth am 18. Dezember gegenüber der Universitätsleitung Bonn und dem Reichserziehungsministerium bereit erklärt, den Eid in der vorgeschriebenen Form zu leisten. Mit der Erklärung der Kirchenleitung, von der Barth offenbar gar nicht wusste, dass 241 Ebd., S. 295. 242 Die Vorläufige Kirchenleitung der Bekennenden Kirche an Heinrich Harms, 6.12.1934, abgedruckt in: ebd., S. 275. 243 Demgegenüber vertritt Gerlach-Praetorius die Position, dass die »Verlautbarung der Bekenntnisgemeinschaft der DEK« am 12.12.1934 an das Reichserziehungsministerium und die Presse übergeben worden sei, vgl.: Gerlach-Praetorius, S. 72.

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sie keine offizielle war, sei für ihn eine »neue Situation eingetreten«: Nun stünde fest, dass seine Auffassung, der Eid auf Hitler müsse durch das Gebot Gottes begrenzt sein, »die amtlich und öffentlich anerkannte und vorgetragene Lehre der Evangelischen Kirche« sei.244 Barths Bereitschaft, den Eid zu leisten, änderte jedoch nichts an der Dienstentlassung (ohne den Eid geleistet zu haben), woraufhin er Berufung gegen das Urteil einlegte. In der Berufungsverhandlung beharrte der Staatsanwalt darauf, »daß das Verhalten des Angeschuldigten in der Eidesfrage die schwerste Verletzung seiner durch sein Amt begründeten Verpflichtungen bedeute« und vom nationalsozialistischen Staat keinesfalls hingenommen werden könne.245 Das Berliner Oberverwaltungsgericht folgte diesen Ausführungen des Staatsanwaltes jedoch nicht. Stattdessen nahm es im Urteil vom 14. Juni 1935 das Urteil der ersten Instanz und die darin verfügte Dienstentlassung zurück und bestrafte Barth allein mit einer Gehaltskürzung. Zwar betonte auch dieses Urteil, dass der Staat Anspruch auf eine Eidesleistung ohne Zusätze durch seine Beamten habe, jedoch interpretierte es den von Barth geforderten Zusatz zum Eid nur als einen Verstoß gegen die Gehorsamspflicht eines Beamten – und damit im traditionell beamtenrechtlichen Sinne. Gleichzeitig stellte das Gericht nun die Gewissensentscheidung Barths stärker in den Mittelpunkt und verkündete gar, dass der von Barth gewünschte Zusatz zum Eid für einen evangelischen Christen »eine Selbstverständlichkeit darstellte, die den Inhalt des Eides weder änderte noch minderte. Und zwar insofern nicht, als […] von keinem Beamten eine Handlung gegen göttliches Gebot und gegen sein Gewissen verlangt werden kann.«246 Zwar lasse Barth es an »Loyalität« fehlen, jedoch sei das »Verhalten eines Beamten, nicht seine Einstellung an sich«, Gegenstand eines Disziplinarverfahrens, daher erschien dem Gericht eine Dienstentlassung nicht angemessen.247 Das Urteil zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt die Bandbreite der innerhalb der nationalsozialistischen Gesellschaft geäußerten Überzeugungen im Hinblick auf die Reichweite des »Führerstaates« und die Grenzen der Treue- und Gehor244 Karl Barth an den Rektor der Universität Bonn, 18.12.1934, abgedruckt bei: Prolingheuer, S. 91. 245 Berufungserwiderung des Staatsanwaltes Kasper vom 11.3.1935 an das Berliner Oberverwaltungsgericht, abgedruckt bei: ebd., S. 304–306, S. 305. 246 Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts, 14.6.1935, abgedruckt bei: ebd., S. 362–368, S. 365. 247 Interessierter Beobachter des Verfahrens war übrigens Ernst Friesenhahn, der in Bonn Karl Barths Kollege war und sich am 2.10.1935 brieflich an den Bonner Juristen Otto Bleibtreu wandte. Er erkundigte sich, ob die Urteile gegen Barth schriftlich vorlägen und ob Barth selbst etwas veröffentlicht habe. Er begründete dies mit der Tatsache, »daß ich mich sehr für die Fragen des politischen Eides speziell interessiere. Da ich nun beabsichtige, über die neuere Entwicklung des Beamteneides einmal einen kleinen Aufsatz zu schreiben (natürlich mit der nötigen Vorsicht!)«, würde er gerne auf den Fall Bezug nehmen. Vgl.: Ernst Friesenhahn an Otto Bleibtreu, 2.10.1935, zitiert nach: ebd., S. 225/226. Friesenhahn erhielt von Bleibtreu Unterlagen, die er jedoch nicht für seinen Aufsatz verwandte, sicherlich, weil der Bezug auf Barth politisch schwierig war. Vgl.: Friesenhahn, Über den Eid der Beamten.

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samspflicht durchaus noch variieren konnten. Die Tatsache, dass das Gericht nur das »Verhalten des Beamten«, nicht jedoch seine »Einstellung an sich« als entscheidend ansah, entsprach gerade nicht der nationalsozialistischen Auffassung des »treuen« Beamten. Die unmittelbare Reaktion der Regierung auf das Urteil zeigt daher auch, dass solche Spielräume nicht mehr toleriert wurden. Am 21. Juni 1935 versetzte das Reichserziehungsministerium Karl Barth in den Ruhestand.248 Ähnlich wie im Falle Kurt von Fritz griff das Regime auf Paragraph 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zurück, um Barth auf »legalem« Wege aus dem Amt zu bringen. Karl Barth hatte mit seinem Vorbehalt die Grundpfeiler des »Führerstaates« in Frage gestellt, hatte die Frage nach der Gewissensfreiheit der Deutschen in der »Volksgemeinschaft« gestellt. Der nationalsozialistische Staat, für den die absolute Treuebindung im Zentrum der vertikalen wie horizontalen Gemeinschaftsstiftung stand, konnte eine solche Infragestellung nicht tolerieren. Die Zurruhesetzung (nachdem die Entlassung gescheitert war) war eine notwendige Folge. Die offiziöse Presse bestätigte dies: »Wer einen Eid nur unter inneren Vorbehalten schwören will, wird niemals von sich sagen könne, daß er jederzeit und unter allen Umständen rückhaltlos für Führer und Staat einzutreten in der Lage ist. Dies aber ist die erste an einen Beamten des nationalsozialistischen Staates gerichtete Forderung […].«249 Barth formulierte in der Auseinandersetzung über den Eid grundsätzliche Bedenken, die weit über seinen eigenen Fall hinausreichten und die deutsche Öffentlichkeit als ganze, in jedem Fall aber in ihrem protestantischen Teil betrafen. Die Tatsache, dass es gegen den neuen Eid nicht »Proteste in allen Farben des Regenbogens« gehagelt hatte, und das »im Lande der Dichter und Denker«, irritierte Barth zutiefst.250 Vor allem in Bezug auf die evangelische Kirche fand Barth es im Herbst und Winter 1934 nachgerade »abnormal«, dass man »es bis jetzt […] unterlassen hat, eine öffentliche Erklärung des Inhalts abzugeben, daß wie kein Eid so auch nicht der des Dritten Reiches den Menschen zu einem Gegensatz zu Gottes Gebot verpflichten könne.«251 Diese Kritik Barth trifft ins Zentrum jeder Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Eid: Warum nahmen die Deutschen im Allgemeinen und die Bekennende Kirche im Besonderen den neuen, personalen Eid des Regimes so ohne Kritik und ohne Widerspruch hin? Zunächst einmal gilt es zu konstatieren, dass nicht wenige innerhalb der Bekennenden Kirche das Vorgehen Karl Barths in der Eidesfrage missbilligten, 248 Reichserziehungsministerium an Karl Barth, 21.6.1935, abgedruckt bei: Prolingheuer, S. 198. 249 Deutsches Nachrichten-Büro, 22.6.1935, zitiert nach: ebd., S. 199. In der Frankfurter Zeitung vom 1.8.1935 ließ das Reichserziehungsministerium folgende Passage veröffentlichen: »Einer Eidesverweigerung kommt es gleich, wenn ein Beamter seinen Eid nur mit Vorbehalten leistet; der Schwur der Treue verträgt seiner Natur nach keine Einschränkungen.« Zitiert nach: ebd., S. 213. Vgl.: Nagel. 250 Karl Barth an Hans von Soden, 5.12.1934, abgedruckt bei: Prolingheuer, S. 271–274, S. 272. 251 Ebd., S. 273.

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und zwar aus unterschiedlichen Gründen.252 Aus vielen Zuschriften und Diskussionsbeiträgen spricht eine grundsätzliche Überzeugung, dass der Staat das Recht habe, auf einem Eid ohne Vorbehalt zu bestehen. So betonte etwa der Theologe Hans von Soden, der dem Nationalsozialismus selbst kritisch gegenüberstand: »Somit muß man den Eid leisten oder ablehnen, wie er vorgelegt wird; man muß, wenn man ihn leistet, aber zu gegebener Zeit im Sinne des Schwurfordernden nicht halten kann, die Folgerung ziehen oder an sich ziehen lassen, also in unserem Falle auf das Staatsamt verzichten. Man kann aber dem Eid nicht eine Formulierung geben, die den Sinn des Schwörenden maßgeblich macht und diesem die Auslegung ständig vorbehält. Damit wird der Eid für den Staat, der ihn fordert, wertlos.«253 Dass das nationalsozialistische Regime absolute Treue und Gehorsam verlangte, schien den wenigsten Mitgliedern der Bekennenden Kirche  – zumindest formulierten es die wenigsten  – als Problem. Damit ist die Tatsache angesprochen, dass die evangelische Kirche in weiten Teilen und vor allem in der Frühphase des Regimes den Nationalsozialismus als rechtmäßige Herrschaft akzeptierte und bereit war, die Auslegung des Schwurs grundsätzlich dem Eidnehmer zuzuerkennen und somit den Eid im Sinne des Nationalsozialismus zu schwören. Die Staatstreue deutscher Protestanten, die sich aus dem immer wieder zitierten Römer 13: »Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet«254 ableitete, findet hier ihren Niederschlag. Dies bedeutete nicht, dass man dem Eidgeber nicht einen Gewissensvorbehalt zugestehen wollte, doch sollte dieser Vorbehalt nur in einer spezifischen Situation – also angesichts eines bestimmten Befehls, den der Beamte nicht mit seinem Gewissen zu vereinbaren können glaubte  – greifen. Dann müsse der Beamte die Konsequenz ziehen und aus dem Amt scheiden. Der status confessionis (das »Zum-Glauben-Stehen«) wurde also dem Schwörenden durchaus zuerkannt, jedoch nicht grundsätzlich, sondern immer abhängig von der einzelnen Situation, dem einzelnen Befehl. Wer sich im Zweifelsfall gegen einen Befehl stellt und damit dem Eid nicht treu war, aber hatte die Konsequenz seines Handelns zu tragen und im Zweifelsfall aus dem Amt zu scheiden. Dieser »leidende Gehorsam«, zu dem ein Christ verpflichtet sei, stellt nicht die Rechte des Individuums ins Zentrum, sondern die Rechte des Staates als der von Gott gegebenen Obrigkeit. Der Anspruch des Staates auf den Gewissenszugriff, auch der totalitäre Anspruch des Nationalsozialismus, erschien auch den Theologen der Bekennenden Kirche in weiten Teilen gerechtfertigt und daher die Kritik, die Barth am Eid übte, ungerechtfertigt. Barth habe den »status confessionis in einer abstrakten Formalität« vorweggenommen, »der doch nur in einem konkreten, aktuellen Konflikt 252 Vgl. etwa: Greifswalder Theologen an Präses Koch, 26.7.1935, abgedruckt bei: ebd., S. ­361–362. 253 Hans von Soden an Karl Barth, 2.12.1934, abgedruckt bei: ebd., S. 265–267, S. 265. 254 Der Brief des Paulus an die Römer (Römer 13, 1).

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gegeben sein kann«.255 Die Verbindlichkeit des Eides von vorneherein in Frage zu stellen, bedeutete diesem Verständnis nach nichts anderes, als die Souveränität des Staats in Frage zu stellen.256 Die Bereitschaft, dem Nationalsozialismus bereitwillig den Anspruch auf »unbedingten Gehorsam« zuzubilligen, war möglicherweise auch in einer Unterschätzung gegründet. Mehrfach ist in den Briefen von Sodens an Barth zu lesen, der »Führereid« verlange ja eigentlich gar nichts anderes als »was nicht bisher von Ihnen gefordert worden und die Voraussetzung Ihres Beamtenverhältnisses gewesen ist«.257 Auch die Vermutung von Sodens, der Führereid sei den Deutschen aufgrund ihrer monarchischen Tradition näher als dem Schweizer Barth, spricht für diese Unterschätzung der Intention hinter dem nationalsozialistischen Eid. Dass selbst Menschen, die dem Nationalsozialismus gegenüber eher kritisch eingestellt waren, die Dimension des kompletten Zugriffs, den das Regime über den Eid zu erreichen suchte, kleinzureden versuchten, ist vermutlich dieser Gemengelage unterschiedlicher Argumente und Perzeptionen geschuldet. Zum einen bezogen sich eben tatsächlich viele Deutsche, ganz ähnlich wie die Kollegen von Kurt von Fritz und die Theologen der Bekennenden Kirche, auf die Vorstellung, ein bei Gott geschworener Eid müsse in den Geboten Gottes seine natürliche Grenze finden. Man leistete also den Eid mit einem stillschweigenden Vorbehalt in der Hoffnung, nicht in eine Situation zu geraten, in der der »leidende Gehorsam« würde greifen müssen. Hier zeigt sich die Perfidie, die damit einherging, dass der Nationalsozialismus die religiöse Eidesformel wiedereingeführt hatte: Durch ihre Verwendung schien sie nicht wenigen Christen zu versichern, dass dem Eid eine natürliche Grenze eingegeben sei, eine Tatsache, die die Machthaber jedoch grundsätzlich anders sahen. Sicherlich fand sich auch bei einigen die Illusion, bei dem neu eingeführten »Führereid« handele es sich »nur« um die Wiedereinführung des personalen Eides. Hinzu kam die tiefverankerte Staatsorientierung der Deutschen, insbesondere der konservativ-protestantischen Eliten. Ein weiterer, eher persönlicher Grund für die Kritik, mit der viele Vertreter der Bekennenden Kirche auf Barths Eideskonflikt reagierten, war schließlich, dass man sich durch Barth persönlich angegriffen fühlte angesichts der Tatsache, dass man selbst ohne zu zögern geschworen hatte.258 Angesichts all dieser Vorbehalte erklärt es sich, warum die Vorläufige Kirchenleitung der Bekennenden Kirche in der Eidesfrage so beharrlich schwieg und sich weigerte, offiziell Stellung für Barth zu beziehen. Der inoffizielle Brief vom Dezember 1934 bedeutete die klarste Äußerung der Kirchenleitung. Mit der Zurruhesetzung Barths jedoch konnte dem aufmerksamen Beobachter die Interpretation des nationalsozialistischen Eides durch das Regime eigentlich 255 Hans von Soden an Karl Barth, 2.12.1934, abgedruckt bei: Prolingheuer, S. 265–267, S. 265. 256 Ebd. 257 Ebd., S. 266. 258 Ebd.

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nicht mehr verborgen bleiben. Der Rückzug auf unausgesprochene Vorbehalte bei der Eidesleistung war damit nicht mehr möglich. Zu einer klaren Stellungnahme von Seiten der Bekennenden Kirche jedoch führte diese Einsicht nicht, trotz der eindeutigen Forderungen mancher.259 Zu groß blieben die Unterschiede in der Beurteilung des »Führereides«, zu groß auch die Angst, die Bekennende Kirche zu weit in die Opposition zu treiben. So blieb die Eidesfrage im Jahre 1935 ungeklärt. Im Sommer des Jahres 1938 jedoch brach die Treueidproblematik erneut mit aller Macht über die protestantischen Kirchen in Deutschland herein, als es um die Frage ging, ob die evangelischen Pfarrer einen Treueid auf Hitler zu leisten hatten. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung vertieften sich die Gräben zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche, aber auch innerhalb der Bekennenden Kirche selbst und sie führte die Theologen auf die bereits 1934 von Barth aufgeworfenen Probleme zurück. Zwischen 1815 und 1918 hatten die preußischen Geistlichen im Rahmen des Summepiskopats einen Treueid gegenüber den preußischen Königen zu leisten,260 mit dem sie schworen, »treu und gehorsam« zu sein.261 Der Staat forderte diesen Eid von den Geistlichen als Staats­dienern: es handelte sich also nicht um einen kirchlichen, sondern um einen staatlichen Eid. Die Aufhebung des landesherrlichen Kirchenregiments nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete auch das Ende des Eides der Geistlichen. Mit der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten standen die Kirchen in Deutschland vor der Herausforderung, ihre Position innerhalb des neuen Machtgefüges und gegenüber den neuen Machthabern zu justieren. Die regimenahen Kreise um die Deutschen Christen, angeführt von Reichsbischof Ludwig Müller, setzten sich an die Spitze einer Bewegung, die Kirche enger an den Nationalsozialismus zu binden. In diesen Kontext gehört auch der Versuch der Nationalsynode der Deutschen Evangelischen Kirche im Sommer 1934, nach dem Tod Hindenburgs einen Treueid für die protestantischen Geistlichen zu erlassen. Mit diesem sollten sie schwören, »dem Führer des deutschen Volkes und Staates Adolf Hitler treu und gehorsam« zu sein und sich »für das deutsche Volk mit jedem Opfer und jedem Dienst, der einem deutschen evangelischen Manne gebührt,« einzusetzen.262 Dies führte zu heftigen Protesten, nicht nur, aber auch von Seiten der Bekennenden Kirche.263 Der Aufschrei in den verschiedenen Kirchenteilen war so laut, dass der Gesetzesentwurf mit dem Treueid vorläufig fallen gelassen wurde. 259 Vgl. etwa: Bekenntnissynode der DEK, 44. Brief zur Lage vom 14.7.1935, abgedruckt bei: ebd., S. 358–360, S. 360; Memorandum der Bruderschaft Rheinischer Hilfsprediger und Vikare an Präses Humburg, 24.6.1935, abgedruckt bei: ebd., S. 335–338, S. 336/337. 260 Zum Treueid der Bischöfe: Dahl-Keller. 261 Vgl. den gesamten Wortlaut des Eides: Gerlach-Praetorius, S. 58. 262 Vgl. den Gesetzentwurf vom 9. August 1934, ebd., S. 60–61. 263 Zum Teil bezogen sich die Proteste auf formale Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zusammensetzung der Synode. Vgl. ebd., S. 61–67.

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1938, als der Nationalsozialismus nach dem Einmarsch in Österreich auf dem Höhepunkt seiner Macht in den Vorkriegsjahren war, wurde die Idee eines Treueides wieder lanciert. Der erneute Versuch, alle evangelischen Geistlichen durch einen Treueid zu binden, ging nicht vom Regime aus, sondern war – wie 1934  – eine Initiative der Deutschen Christen. Verschiedene Landeskirchen schrieben nun eine Vereidigung der Geistlichen und Kirchenbeamten vor.264 Die Eidesformel entsprach jener der Beamten, ebenso die Formulierung, dass, wer sich weigere, den Eid zu leisten, entlassen würde. Diese Orientierung am Beamteneid war kein Zufall. Denn die Forderung eines Eides der evangelischen Geistlichen ordnete sich kirchenpolitisch in die Absicht ein, ein erneuertes Staatskirchentum, geprägt durch das Führerprinzip, zu schaffen. Die Pfarrer den Beamten gleichzustellen, bedeutete, die Sonderstellung der Kirche aufzuheben und die Geistlichen ähnlich den Beamten zu »Dienern« der »Volksgemeinschaft« zu machen. Der Eid dokumentierte in diesem Zusammenhang »die freiwillige Einordnung der Kirche in die totale staatliche Gesetzgebung«265 und die »innerste Verbundenheit mit dem Dritten Reich, der neuen Gemeinschaft des Deutschen Volkes, in der die Evangelische Kirche leben will und mit dem Manne, der diese Gemeinschaft geschaffen hat und verkörpert.«266 Dass es den Deutschen Christen »durch möglichst rasche und volltönende Eidesleistungen« auch möglich sein würde, sich »in ihrer Loyalität von den bekenntniskirchlichen Brüdern zu distanzieren«,267 spielte zusätzlich eine innerkirchlich nicht zu unterschätzende Rolle. Schließlich ging es auch darum, die »Schmach« zu überwinden, dass, wie es der Leiter der Kirchenkanzlei und Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, Friedrich Werner, ausdrückte, die Pfarrer als einzige »Träger eines öffentlichen Amtes […] noch nicht auf den Führer vereidigt und daher nicht als vollwertige Glieder der Volks­ gemeinschaft geachtet seien«.268 Diese Grundhaltung zeigt, welche Wirkung die massenhaften Vereidigungen des Nationalsozialismus entfalteten. Nachdem beinahe jede Bevölkerungs- und Berufsgruppe den »Führereid« geleistet hatte, war es ein Stigma politischer Unzuverlässigkeit, nicht geschworen zu haben. Eine Kirche, die sich selbst als Staatskirche verstanden wissen wollte, musste diesen Mangel beheben. Neben allen kircheninternen Gründen für die Eidesforderung, neben Machtstreben und Zentralisierungsabsichten, darf diese Sehnsucht, sich in die »Volksgemeinschaft« durch den Schwur der Treue einzugliedern, in dem Konflikt um den Eid der Geistlichen nicht unterschätzt werden. Und so haben

264 Thüringer Kirchenblatt und Kirchlicher Anzeiger 5 (1938), zitiert nach: ebd., S. 93. 265 Ebd., S. 93. 266 Anordnung zur Ableistung des Treueides, in: Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Nr. 12 vom 12.5.1938, zitiert nach: ebd., S. 99/100. 267 Ebd., S. 94. 268 Friedrich Werner am 20.4.1938, zitiert nach: ebd., S. 101.

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auch viele Protestanten den Eid verstanden: »Welche Freude, daß wir diesen Führer haben! Welche Freude, ihm Treue schwören zu können!«269 Diese Zustimmung wurde jedoch von ebensolcher Ablehnung begleitet, vor allem von Seiten der Bekennenden Kirche, aber durchaus auch von einigen Geistlichen der Deutschen Christen.270 Im ganzen Reich verweigerten zahlreiche Pfarrer den geforderten Eid. In der Altpreußischen Union beispielsweise lag die Verweigerungsquote zum ersten angesetzten Vereidigungstermin bei 39,3 Prozent der Geistlichen.271 Jene, die sich weigerten den Eid leisten, taten dies nicht, weil sie grundsätzlich die Forderung eines Treueschwurs gegenüber dem »Führer« ablehnten. Jedoch war es nach evangelischer Überzeugung nur der welt­ lichen Obrigkeit erlaubt, einen Eid zu fordern. Innerhalb der Kirche war kein Eid erlaubt, sondern nur der unmittelbare Gehorsam gegenüber Gott.272 Insofern war auch keine Kirchenregierung berechtigt, einen Gehorsamseid zu verlangen. Für die Zeitgenossen stellte sich daher die Frage, ob die Kirchenleitung des Jahres 1938 berechtigt war, einen solchen Eid zu fordern. Zwar war diese Kirchenleitung eindeutig vom Staat eingesetzt worden, doch ob dies bedeutete, dass man die Eidesforderung als staatliche Forderung begreifen konnte, daran hatten viele Geistliche vor allem der Bekennenden Kirche grundsätzliche Zweifel.273 Das Regime selbst schwieg zu der Frage, ob es einen Treueid von den Pfarrern verlange, obwohl die Vertreter der Bekennenden Kirche in eindeutigen Worten um Klärung baten.274 Damit überließ es die Kirche geschickt ihren internen Auseinandersetzungen. Das Ergebnis war eine wochenlange Diskussion, an der sich vor allem die Bekennende Kirche aufrieb, zumal es für sie eben nicht nur um eine kircheninterne Auseinandersetzung ging. Angesichts ihrer prekären Stellung war der Wunsch, dem Regime Entgegenkommen und politische Treue zu signalisieren, sich nicht durch Eidesverweigerungen endgültig politisch auszugrenzen, groß. Gerade dazu eignete sich der Eid hervorragend: ihn zu einer Abstimmung über die Zustimmung zur charismatischen Herrschaft Hitlers zu stilisieren und jede Weigerung, den Eid zu leisten, als Kritik an Hitler selbst. So findet sich aus den Reihen der Bekennenden Kirche immer wieder die Aussage, man wäre nur zu gerne bereit, einen Eid auf Hitler zu leisten, wenn er eindeutig vom Staat gefordert sei. Selbst die Geistlichen der Bekennenden Kirche waren von der Sehnsucht, als eine der letzten Berufsgruppen einen Treueid auf Hitler leisten zu können, nicht frei. Mitte August hatten schließlich 90 Prozent der Geistlichen den Treueid geleistet. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Rundschreiben Martin Bormanns als Stabsleiter bei Rudolf Heß an alle Gauleiter veröffentlicht. In diesem hieß es: 269 Beckmann, F., Gedanken zu Weltlage, in: Ev. Gemeinde heute, Nr. 20 vom 15.5.1938, S. 286, zitiert nach: ebd., S. 114. 270 Ebd., S. 113. 271 Ebd., S. 125. 272 Ebd., S. 41. 273 Ebd., S. 119. 274 Telegramm des Bruderrates an Reichminister Kerrl, 28.6.1938, zitiert nach: ebd., S. 130.

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»Die Kirchen haben diese Anordnung [auf Ableistung eines Treueides, d. Vf.] von sich aus erlassen, ohne vorher die Entscheidung des Führers herbeizuführen. Dem Eid auf den Führer kommt deshalb lediglich eine innerkirchliche Bedeutung zu. […] Für die Partei spielt der Unterschied zwischen Geistlichen, die den Eid auf den Führer nach 5 Jahren nationalsozialistischer Erhebung geleistet haben und solchen Pfarrern, die ihn nicht leisten, keine Rolle. Ein Eid auf den Führer hat vielmehr für die Partei und den Staat nur dann Bedeutung, wenn er auf Anordnung des Führers von der Partei oder von dem Staat dem einzelnen abgenommen wird.«275 Damit ließ das Regime die Kirche in ihren Bemühen um politische Loyalität für alle offensichtlich scheitern. Die Bekennende Kirche verpasste in der Auseinandersetzung um den Eid die grundsätzliche Möglichkeit, sich mit der Forderung des totalen Gehorsams und der allumfassenden Treue auseinanderzusetzen – und dies, obwohl man spätestens nach den Auseinandersetzungen im »Fall Barth« das nationalsozialistische Eidesverständnis zur Kenntnis genommen hatte.276 Letztlich verharrten auch die Vertreter der Bekennenden Kirche in der Auseinandersetzung um den Eid in einem traditionellen Staatsverständnis. Die Vorstellung, man müsse als Christ getreu Römer 13 der Obrigkeit untertan sein, wurde auf den Nationalsozialismus übertragen, obwohl auch den Zeitgenossen klar sein musste, dass das totalitäre System des Dritten Reichs mit dem Staat, den Luther in seinen Bekenntnisschriften als »Obrigkeit« bezeichnete, nichts mehr gemein hatte. Trotz des eindeutig erklärten nationalsozialistischen Eidesverständnisses und trotz der Realität des Nationalsozialismus nahm man die verschiedenen Krisen um den Eid »bewußt nicht zum Anlaß, das politische Handeln dieses Staates zu analysieren und zu kritisieren.«277 Auch wenn sich diese Haltung teilweise mit den Bedingungen der Diktatur erklären lässt, der Angst vor materieller Not und Verfolgung, so entsprach sie doch auch tiefverwurzelten Überzeugungen und der Prägung protestantischer Geistlicher, vor allem älterer Jahrgänge: Einer tief verwurzelten Staatstreue, die sich gründete auf die lutherischen Vorstellungen von den »zwei Reichen«, dessen »linkem« – weltlichem – Reich die Christen unter Bezug auf Römer 13 unabhängig vom politischen Zustand und Handeln der »Obrigkeit Gehorsam schuldeten.278 Selbst wenn man also in den Kreisen der Bekennenden Kirche das Problem des totalitären Staates und seines bedingungslosen Zugriffs auf das Individuum sah, so entsprach Widerstand gegen eine solche, vermeintlich von Gott gegebene Obrigkeit für die meisten Theologen nicht dem göttlichen Willen. Hans von Soden, der sich bereits im Eideskonflikt um Karl Barth kritisch gegenüber der Position Barths geäußert hatte, erklärte: »Die Gehorsamspflicht gegenüber der Obrigkeit ist in ihrer Verbindlichkeit ganz un275 Rundschreiben 87/38, Führerblätter der Gauleitung Sachsen der NSDAP, Folge 8 vom 8.8.1938, zitiert nach: ebd., S. 141/142. 276 Karl Barth formulierte dieses Versagen klar. Vgl. Barth, »So wahr mir Gott helfe!«. 277 Gerlach-Praetorius, S. 218. 278 Pöhlmann, S. 114.

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abhängig davon, ob diese liberal oder total regiert. Die Obrigkeit kann alles tun, wozu sie Macht hat, und sie muß tun, was sie für den Staat als notwendig erachtet.«279 Nur wenigen Theologen blieb es vorbehalten, die Eidesforderung tatsächlich auf ihren Inhalt hin zu befragen und nicht bei einer generellen Gehorsamspflicht einerseits und kircheninternen Machtfragen andererseits stehenzubleiben.280 Wichtigster Kritiker blieb indes Karl Barth, der, nunmehr aus der Schweiz, entsprechend seiner eigenen Erfahrungen mit dem Eid auf den »Führer« die Vereidigung der Geistlichen im Sommer 1938 ablehnte. Er forderte das »runde, klare Nein, das darin besteht, dass dieser Eid nicht geleistet wird«.281 Die Bereitschaft der Bekennenden Kirche, den Eid doch zu leisten, bezeichnete er als »schwärzesten Tag in der Geschichte der Bekennenden Kirche«.282 Offenbar war es leichter, die Dimensionen eines Treueids auf den »Führer« zu beurteilen, wenn man keine Sozialisation im Deutschen Reich und keine Prägung durch die Staatsnähe der protestantischen Kirchen erfahren hatte. Den deutschen Theologen fiel dieser Schritt schwer. Dabei hätte die Antwort auf die Frage, wo die Grenzen des Eides lagen, wo er seine Gültigkeit verlor, auf dem Weg in den Widerstand weit über die Grenzen der Bekennenden Kirche hinaus den vielen Millionen evangelischen Christen, von denen wohl beinahe jeder – gezwungen oder begeistert – den Treueid auf den »Führer« leistete, ohne jede Frage geholfen. Vor allem aber jene Männer und Frauen des Widerstands, die sich mit der Frage auseinandersetzten, ob letztlich nur der Tod Hitlers den »Bann« des Eides aufheben könnte, ob also für einen erfolgreichen Staatsstreich der Tyrannenmord notwendig war und welche Rolle der eigene geleistete Eid auf den »Führer« in diesem Kontext spielte, hätten diese Hilfe benötigt.

4.5 Widerstand! Der 20. Juli 1944 Bis heute bleibt die öffentliche Wahrnehmung des 20. Juli 1944 mit der Frage nach dem »Eidbruch« verbunden.283 Sie ist eng verknüpft mit einer Debatte über »Eidbrecher« und »Eidhalter«, die sich seit den fünfziger Jahren entfaltete und 279 Soden, S. 265 f. 280 Zu nennen wäre hier etwa der hessische Pfarrer Rudolf Schlunk, der 1941 schrieb: Die Pfarrer könnten sich gegen ihre Amtspflichten, gegen Röm. 13 und gegen das 1. und 3. Gebot nicht schwerer versündigen, »als so, daß sie ihr Amt auf dem Wege der Eidesleistung […] zu Werkzeugen von Kräften machen lassen, die im Scheine der Christlichkeit die […] Kirche des Antichristen aufrichten.« Zitiert nach Gerlach-Praetorius, S.  221 / F N 16. 281 Barth, Consilium zur Frage des Treueides. 282 Barth, »So wahr mir Gott helfe!«. 283 Die Literaturlage zum »20. Juli« ist kaum zu überschauen. In den vergangenen Jahren geriet verstärkt die vergangenheitspolitische Dimension des Widerstands für die Geschichte der

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ein zentrales Element der bundesrepublikanischen »Vergangenheitspolitik« war. Doch hat auch der Nationalsozialismus, der nach dem 20. Juli 1944 Attentäter und Mitwisser gnadenlos verfolgte, selbst zur Entstehung dieser Diskussion über den angeblichen Verrat durch Eidbruch beigetragen.284 Denn in der öffentlichen Berichterstattung über das Attentat, aber auch in den Prozessen gegen die Verschwörer, waren der Eid und die »gebrochene Treue« ein immer wiederkehrendes Motiv. Dies lässt sich mit der ideologischen Bedeutung von Eid und Treue im nationalsozialistischen Weltbild und der geschilderten nationalsozialistischen Überzeugung von der Unverzeihlichkeit von »Untreue« und »Eidbruch« erklären. Gerade der Vorsitzende des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, bezog sich gegenüber den Angeklagten auf den Eid und sah das eigentliche Verbrechen im »Verrat« gegenüber dem »Führer«.285 Oftmals »ließ der Urteilsspruch nicht erkennen, worin die Tat des jeweiligen Angeklagten bestand«,286 – im Zentrum stand der Treuebruch. Im nationalsozialistischen Rechtsdenken nahm der Verrat eine entscheidende Position ein. Inhaltlich ebenso unbegrenzt und absolut wie die Treue, konnte – das ist bereits angeklungen – potentiell jedes Verhalten als »Verrat« definiert werden. »Die Begriffe ›Verrat‹ und ›Treue‹ korrelierten unmittelbar miteinander, so daß zumindest in jedem Verrat zugleich ein Treuebruch enthalten war, also die Aufgabe der Treue durch einen Verrat.«287 Und ebenso korrelierten »Treue« und »Ehre«. Hier wandte sich eine Maxime wie das SS-Motto »Meine Ehre heißt Treue« ins Gegenteil: wer die Treue verletzte, verlor seine Ehre. Roland Freisler wurde nicht müde, dies zu betonen, und in aller Regel endeten die Verfahren gegen die Angeklagten des 20. Juli 1944 nicht nur mit Todesurteilen, sondern auch mit der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Die Vokabel »ehrlos« durchzog Freislers Tiraden wie ein roter Faden. »Ehrlosigkeit« und »Untreue« manifestierten sich für Freisler im »Eidbruch«. In zahlreichen Verfahren fragte Freisler die Angeklagten, ob sie einen Eid auf den »Führer« geleistet hätten.288 Im Verfahren etwa gegen Hermann Kaiser wird dies deutlich – Kaiser hatte als Studienrat einen Beamteneid geleistet, einen weiteren Eid als Parteimitglied der NSDAP und schließlich den Fahneneid der Wehrmacht.289 Dieser dreifach geleistete Eid forderte Freisler heraus und die ersten Worte des Urteils gegen Kaiser lauteten: »Eidbrüchig ehrlos verrieten  – statt Bundesrepublik in den Blick. Vgl. i.A.: Becker, Der militärische Widerstand gegen Hitler; Frei, Vergangenheitspolitik; Rüthers; Schröder, Der 20. Juli 1944; Steinbach; Ueberschär. 284 So auch Heinemann, Unternehmen »Walküre«, S. 175. 285 Vgl. z. B.: Ramm, Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, S. 170–174. Zu Freisler: Ortner. 286 Ramm, Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, S. 277. 287 Ebd., S. 299. Zu Freislers Treue-Vorstellungen siehe auch: Breuning, S. 36–51. 288 Vgl. u. a. Zur Mühlen, S. 134–391. 289 Hermann Kaiser, geb. 31.5.1885, gest. 23.1.1945, hatte sich, nach anfänglicher Begeisterung für den Nationalsozialismus, schon bald gegen das Regime gewandt. Eingeweiht in die Operation »Walküre« sollte er nach dem Staatsstreich als Verbindungsoffizier in Wiesbaden zwischen militärischen und zivilen Kräften agieren. Am Tag nach dem Attentat wurde er

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mannhaft wie das ganze deutsche Volk, dem Führer folgend, den Sieg zu erkämpfen – Hermann Kaiser und Busso Thoma Volk, Führer und Vaterland. […] Wenn es unter den Verrätern des 20. Juli überhaupt eine Steigerung an Gemeinheit geben kann, so ist einer gemeinsten Hermann Kaiser. Dreimal hat er unserem Führer den Eid geleistet: als Beamter, als Parteigenossen und als Offizier. Diesen Eid hat er schmählich gebrochen! […] Er hat sich selbst für immer ehrlos gemacht.«290 Die Propaganda des Regimes nutzte die ideologisch aufgeladenen Begriffe von »Treue« und »Verrat« in allen Kontexten der Berichterstattung über das Attentat.291 All diese Topoi: Verrat, Eidbruch, Ehrlosigkeit sollten dann auch in die Beurteilung des 20. Juli 1944 in der Nachkriegszeit einfließen. So waren diese Auseinandersetzungen über Eidbruch und Eidestreue vorgefärbt durch die nationalsozialistische Propaganda; hier zeigt sich ein wichtiges Element der Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus über 1945 hinaus. Betrachtet man nun aber jene Quellen, die uns tatsächlich aus erster Hand über das Verhältnis der Attentäter zum individuellen und allgemeinen Eid Auskunft geben, so gibt es davon gar nicht so viele, die tatsächlich im Vorfeld des Attentats Eidesskrupel offen thematisieren. Dies hat natürlich auch mit der Notwendigkeit der Geheimhaltung zu tun und betrifft die Quellenlage zum Widerstand insgesamt.292 So stammt, abgesehen von Tagebüchern, der Großteil jener Quellen, die vom »Ringen« mit dem Eid berichten, aus der Zeit nach dem Atten­ tat, aus Verhörprotokollen, Erinnerungen usw.. Diese Quellen, immer wieder zitiert, berichten von Diskussionen, die hinsichtlich der Geltung des geleisteten Eides in den Verschwörerkreisen geführt wurden. Dabei ist im Folgenden zu differenzieren zwischen zwei Ebenen, einer persönlichen und einer staatsrechtlichen. Bei der ersten geht es um die Frage nach der Rolle des Eides für den einzelnen Widerständigen, nach der eigenen Gebundenheit durch einen geleisteten Eid auf dem Weg in den Widerstand und bei der Entscheidung für ein Attentat. Bei der anderen steht die staatsrechtliche Frage nach der Bindungskraft des »Führereides« bezogen auf die gesamte deutsche Gesellschaft, insbesondere die Wehrmacht, im Mittelpunkt und damit verbunden jene nach den Erfolgsaussichten eines Umsturzversuchs, solange der Eidnehmer lebte. Daran schloss sich das Problem an, ob und inwieweit nach einem erfolgreichen Umsturz Neuvereidigungen vorzunehmen sein würden. Letztlich griffen beide Ebenen ineinander. Jene Argumente, die die Widerständigen fanden, um ihre individuellen Skrupel angesichts eines geleisteten Führereides zu überwinden, wurden argumentativ auch in Stellung gebracht für eine Situation nach dem Umsturz, in der es galt, die Deutschen aus ihrer Bindung an den »Führer« zu lösen. verhaftet und am 23.1.1945 in Plötzensee hingerichtet. Vgl.: Kroener; Knigge-Tesche. Zwei Tagebuchbände Kaisers wurden nach dem Krieg publiziert: Kaiser. 290 Urteil des Volksgerichtshofs 1 L 454/44/OH7/44gRS, in: Marxen, S. 352–356. 291 Beispielhaft am »Völkischen Beobachter« vgl. Lauf, S. 184–195. 292 Hoffmann, Staufenberg und der 20. Juli, S. 100.

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Es gilt dabei zu bedenken, dass beinahe unser gesamtes Wissen über mögliche Eidesskrupel der Widerständigen aus der Zeit nach dem Attentat stammt. Dies gilt zum Beispiel für die Schilderung Ludwig von Leonrods über Claus Graf Stauffenbergs Stellung zum Eid, die den Kaltenbrunner-Berichten entstammt, also jenen Verhörprotokollen, die die Gestapo nach dem 20. Juli 1944 anfertigte.293 In den Verhören gab Leonrod zu Protokoll, sein Freund Stauffenberg habe ihn im Herbst 1943 grob in die Planungen eingeweiht, den »Führer« mittels eines Attentats zu töten. Leonrod schilderte, er habe Stauffenberg entgegengehalten, »daß ich immerhin als Offizier durch meinen Eid gebunden sei. Stauffenberg versuchte mich davon zu überzeugen, daß in einem derartigen Falle und in einer derartigen Notlage auch ein an und für sich als heilig anzusehender Eid nicht mehr gültig sei.«294 Stauffenberg, der ebenso wie Leonrod katholisch war, versuchte Leonrod klarzumachen, dass dieser »als gläubiger Katholik […] aufgrund der Ausführungen über die militärische und politische Lage schon gewissensmäßig verpflichtet [sei], entgegen diesem Eid zu handeln.«295 Hier scheint ein moraltheologisches Argument durch, der Bezug auf die Widerstandslehre in der katholischen Kirche. Im Gegensatz zur starken Bindung der protestantischen Kirchen an Römer 13, war das Widerstandsrecht in der katholischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert eigentlich stärker ausformuliert gewesen. Wurzelnd in der Enzyklika »Venerabiles Fratres« Papst Leos XIII. von 1881, wurde Widerstand gegen eine Staatsgewalt, die »mit den Rechten Gottes in offenem Widerspruch« steht, noch im 19. Jahrhundert als »Pflicht« und »Gehorsam [als] Frevel« bezeichnet.296 Doch geriet auch in der katholischen Kirche dieses Widerstandsrecht in Vergessenheit, und Vertreter der katholischen Kirche im Nationalsozialismus waren kaum mehr in der Lage, Zweifelnden eine Richtschnur des Handelns an die Hand zu geben. Zwar finden sich Aussagen wie folgende im Diözesanblatt Rottenburg des Jahres 1934: »Ihr habt gehört und gelesen: Man könne einen Eid auf vorbehaltlose Gefolgschaft leisten. Wir, Eure Bischöfe, sagen Euch: Der Eid ist eine feierliche Anrufung Gottes, kann also niemals zu einer Leistung verpflichten, die einem Gebot Gottes widersprechen würde. Man kann durch den Eid, etwa durch den Beamten- oder Soldateneid, sich zu treuer Berufsarbeit, zum Gehorsam gegen die rechtmäßige Obrigkeit verpflichten. Wenn aber ein Befehl etwas fordern sollte, was dem Befehl Gottes und des Gewissens widerspricht, […] so werden Katholiken durch ihn [den Eid, d. Vf.] selbstverständlich zu nichts verpflichtet, was einem göttlichen oder kirchlichen Gesetz und damit ihrem Ge293 Ramm, Kaltenbrunner-Berichte, S. 79. Siehe die Kaltenbrunner-Berichte: Jacobsen. 294 Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD an den Reichsleiter Parteikanzlei Bormann: Übersicht über die konfessionelle Bindung und kirchlichen Beziehungen der Verschwörerclique vom 20. Juli, 4.10.1944, in: Jacobsen, Bd. 1, S. 434–439, S. 435. 295 Ramm, Kaltenbrunner Berichte, S. 262. Zur Bedeutung des Katholizismus für Stauffenberg vgl.: Kaffanke, Das Christliche bei Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg. 296 Fleiner, S. 353.

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wissen widerstreitet.‹«297 Doch diese allgemeine Position bezog sich eher darauf, sich mittels einer reservatio mentalis innerlich vom Eid loszusprechen: diese Haltung bedeutete gewissermaßen eine entgegengesetzte Position zu jener der evangelischen Kirchen, bei denen die reservatio mentalis nur in einem konkreten Gewissenskonflikt anwendbar sein sollte. Die katholische Position rechtfertigte den grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber dem Eid und die Lossagung vom Schwur vor dem eigenen Gewissen. Die Legitimation konkreten Widerstandshandelns, bis hin zum Tyrannenmord, ließ sich daraus freilich nicht einfach ableiten. In dieser Frage blieb die Haltung katholischer Geistlicher zum Eid unentschieden.298 Kaplan Hermann Wehrle, bei dem Leonrod nach seiner Unterhaltung mit Stauffenberg Rat suchte, war sich seiner Sache jedenfalls nicht sicher und musste erst einmal im »Lexikon für Theologie und Kirche« nachschlagen.299 Die Aussagen darüber, was Wehrle Leonrod antwortete, gehen auseinander, klar ist nur, dass Wehrle Leonrod nicht in die Beichte nahm. Es finden sich Autoren, die schreiben, »dieser gab ihm die Antwort, dass sie [die katholische Kirche, d. Vf.] unter Umständen Absolution [hinsichtlich des Tyrannenmordes, d. Vf.] erteile«.300 An anderer Stelle heißt es, Wehrle habe geantwortet, »daß nach katholischer Moralauffassung der Tyrannenmord ›nicht erlaubt‹ sei.301 Die Unklarheit über das, was der Kaplan Leonrod mitteilte, spiegelt einerseits die schwierige und uneindeutige Quellenlage, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Kaltenbrunner-Berichten. Andererseits aber hallt hier auch die unklare Position, die Vertreter auch der Katholischen Kirche gegenüber dem Widerstandsrecht einnahmen, wider. Wehrle selbst bezahlte für seinen Rat, den er unglücklicherweise nicht unter dem Beichtgeheimnis subsumierte, mit dem Leben, nachdem er als Zeuge im Prozess gegen Leonrod geladen war, noch im Gerichtssaal verhaftet und ebenso wie Leonrod hingerichtet wurde. Die Verschwörer bezogen sich in ihren Überlegungen zur Bindungswirkung des »Führereides« immer wieder auf religiös-theologische Zusammenhänge. Angesichts der sozialen Prägung der Angehörigen des konservativ-nationalen Widerstands ist die darin aufscheinende Überzeugung, ein Eid sei eine religiös gebundene Handlung und ein Schwur erfolge vor Gott, verständlich. Insofern mag die Überzeugung, dass Gottes Gebote höher stünden als die national­ sozialistischen, die Entscheidung über den Eid bei den Widerständigen mitbeeinflusst haben. Die Berichte beispielsweise Axel von dem Bussches über die unvorstellbaren Verbrechen und Morde, deren Zeuge er war, und die nach eige297 Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Rottenburg, Bd. 14 (1934), 286, zitiert nach: Bauernfeind, Eid und Frieden, S. 78, FN 58. 298 Zum Verhältnis zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus vgl. in Auswahl: Gotto; Hürten; Spicer; Steinhoff. 299 Zum Folgenden: Ramm, Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, S. 319–332. 300 Bentzien, S. 379. 301 Zipfel, S. 243.

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ner Aussage seine innere Bindung zum »Führereid« gelöst hatten, stellen diesen Zusammenhang zwischen Gottes Geboten und der Nichtgültigkeit des »Führer­ eides« her.302 In einer politischen und moralischen Notlage wie dem Kriegsalltag des Dritten Reichs könne auch ein geschworener Eid keine Gültigkeit mehr besitzen, diese Position durchzieht auch andere Aussagen zur Eidesproblematik im Wider­stand, häufig bezogen auf die Person Claus Schenk von Stauffenbergs, der als Attentäter sowohl vor wie auch nach 1945 besondere Aufmerksamkeit auf sich zog. Allerdings stammen all diese Aussagen bereits aus der Nachkriegszeit und sind damit wiederum Teil der oben angedeuteten vergangenheitspolitischen Debatte und nur noch bedingt aussagekräftig für die Positionen der Widerständigen selbst.303 Zu der Aussage Leonrods kommt die Erinnerung von dem Bussches, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von einem Gespräch mit Stauffenberg berichtete, in dem Stauffenberg unter Bezug auf Luther auf die protestantische Widerstandsethik eingegangen sei: Zwar hätten es die Katholiken leichter, was die Legitimierung des Tyrannenmordes anginge, doch auch den Protestanten sei der Eidbruch und der Tyrannenmord erlaubt. Beide, Bussche und Stauffenberg, waren sich offenbar darin einig, dass ein promissorischer Eid immer auf Gegenseitigkeit beruhe. Hitler habe seinen Eid gegenüber dem deutschen Volk, den er als Reichskanzler geschworen hatte, gebrochen: durch Verbrechen und Grausamkeit, aber auch durch eine als dilettantisch wahrgenommene Kriegsführung. Angesichts eines solchen Eidbruchs des Eidnehmers seien auch

302 Am 5. Oktober 1942 hatte Axel von dem Bussche in der Ukraine einer Massenexekution von rund 3000 Zivilisten in Dubno beigewohnt. Zur »Glorifizierung« von dem Bussches in der Nachkriegszeit vgl. etwa den Artikel Marion Gräfin Dönhoffs in: Medem, S. 31–36. 303 Als Beispiel, wie die »Eides«-Bedenken der Widerständigen sich als Mythos in der Sekundärliteratur verselbstständigten, vgl. Fest, Staatsstreich, S. 243/244. Hier heißt es im Kapitel »Vorabend«: »Die Mitverschworenen dagegen kamen allenfalls noch einmal auf ihre gedankenschweren Bekümmernisse zurück. Wohl hatte Stauffenberg […] in langwierigen Gesprächen […] endlich Zweifel an dem theologisch-philosophischen Attentatsverbot wecken können, zumal seit ihm ein Befehl Kaltenbrunner zugänglich geworden war, der für ›40…. oder 42.000 ungarische Juden Sonderbehandlung in Auschwitz‹ anordnete und den er von da an den ›abwägenden Akademikern des Fahneneides‹ entgegenhielt. […] Wer den Überlegungen der oft tiefreligiösen und nicht zuletzt durch ihren Glauben zum Widerstand gelangten Männern wie Beck und Steltzer und Yorck nachgeht, gewinnt den Eindruck, daß es ihnen zwar jederzeit um die Rettung des Landes und der Menschen und um ein Ende des unsäglichen Massenmordes ging; aber auch und womöglich mehr noch um das eigene Seelenheil. Im Unterschied dazu betrachtete Stauffenberg den Eid längst als tausendfach gebrochen, und aus den ethisch-religiösen Überlegungen leitete er geradezu die Pflicht ab, Hitler und sein menschenverachtendes Regime mit allen Mitteln zu beseitigen.« In dem ganzen Zitat findet sich eine einzige Fußnote, die wiederum auf eine Arbeit Ernst Zellers zum 20. Juli von 1963 verweist und in der – bezogen auf 1963! – die Rede von den »abwägenden Akademikern des Fahneneides« ist. All das Verweisen auf die Bedeutung oder Nicht-Bedeutung des Eides für die Männer des 20. Juli ist jedenfalls nicht durch Quellen belegt.

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die Eidgeber nicht mehr an ihren Eid gebunden.304 Ähnlich äußerte sich Stauffenberg offenbar auch gegenüber Peter Sauerbruch.305 Die Position, dass Hitler als Eidnehmer seinen Eid zuerst »tausendfach« gebrochen und der Eid daher keine Gültigkeit mehr habe, der Eidnehmer also nicht mehr an den »Führereid« gebunden gewesen sei, scheint das wichtigste Argument gewesen zu sein, mit dem sich die Attentäter selbst aus dem geschworenen Eid entließen. Insgesamt ist es jedoch kaum mehr möglich zu beurteilen, welchen Wert welcher »Verschwörer« seinem eigenen Eid beigemessen hat. Wir wissen einfach nicht, inwieweit die Bindungskraft des »Führereides« die Attentäter des 20. Juli tatsächlich noch beschäftigte oder ob die immer wieder in der Literatur der Bundesrepublik anzutreffende Betonung solcher »Eidesskrupel« nicht aus einer Diskussion in der Nachkriegszeit erwachsen ist.306 Einen Hinweis allerdings liefert die im Falle einer ganzen Reihe von national-konservativen Widerständigen anzutreffende adelig-bürgerliche Sozialisation. Stellt man diese in Rechnung, so kann man wohl davon ausgehen, dass der Eid als Ritual grundsätzlich im Weltbild des konservativ-militärischen Wider­ stands einen Ort und eine Bedeutung hatte. Der »Schwur«, den Claus Graf Stauffenberg zusammen mit seinem Bruder Berthold und Rudolf Fahrner im Juli 1944, kurz vor dem Attentat, verfasste, bildet hierfür ein Beispiel und spiegelt die Bedeutung eines gewissensbindenden Rituals im Weltbild der Verschwörer.307 Natürlich ist bei diesem spezifischen Beispiel der spezielle Kontext des Kreises von George-Adepten, zu denen die Stauffenberg-Brüder gehörten – jener »Jünger ohne Meister« – in Rechnung zu stellen.308 Der »Schwur«  – Eberhard Zeller bezeichnete ihn als »Eid«  – war zwar im engeren Sinne kein Schwur, sondern eher ein Gelöbnis (das Wort »schwören« kommt im Text nicht vor, auch war der Text ohne religiöse Bindung formuliert). Dennoch diente er der Selbstverpflichtung, wenn es hieß: »Wir geloben, 304 Vitzthum. 305 Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, S. 351, S. 353, S 394. Auch Major Hans-Jürgen Graf von Blumenthal, Rittmeister d.R. Friedrich Scholz-­Babisch, Hauptmann d.R. Dietrich Freiherr Truchsess von Wetzhausen, Oberst Eberhard Finck, Oberstleutnant Hans Erdmann und Major Roland von Hösslin berichteten nach dem Krieg, von Stauffenberg angesprochen worden zu sein. Vgl. Hoffmann, Stauffenbergs Freund, S. 20. 306 Winfried Heinemann geht davon aus, dass »der Eid kein zentrales Element« in den Überlegungen derjenigen war, die den Staatsstreich planten. Heinemann, Unternehmen Walküre, S. 176. 307 Hoffmann, Stauffenberg und seine Brüder, S. 61–78 u. S. 396/397. In Auszügen, jedoch ohne weitere Quellenangabe erstmals abgedruckt bei: Zeller, S. 295. Zur Rolle Zellners bei der Prägung des Nachkriegsurteils über den 20. Juli 1944 im Geiste des »Meisters« Stefan George: Raulff, S. 417–420. 308 Raulff. Neben Berthold Stauffenberg und Rudolf Fahrner wussten wohl nur Fritz-Dietlof von Schulenburg und Axel von dem Bussche, vielleicht auch Peter Graf Yorck von Wartenburg von dem »Schwur«. Vgl. auch: Hoffmann, Stauffenberg und seine Brüder, S. 61–78 und Dowe, S. 72–75.

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untadelig zu leben, in Gehorsam zu dienen, unverbrüchlich zu schweigen und fürein­ander einzustehen.«309 Durch Stiftung einer »verschworenen« Gemeinschaft und der Abgrenzung nach außen, in diesem Fall auch gegenüber den Verschwörern des Kreisauer Kreises und den anderen, nicht zum engeren Kreis gehörenden Eingeweihten, ging es Stauffenberg darum, mit dem Schwur »das eigene Vermächtnis zu wahren«.310 Gerade für den von den Attentätern erwarteten Fall, dass sie selbst nicht überleben würde, sollte eine Art Manifest erhalten bleiben, dass auch jene binden sollte, die in ihrem Sinne weiterkämpfen würden für die »Zukunft der Deutschen«.311 Claus Stauffenbergs Biograf Peter Hoffmann erklärt diesen Schwur relativ knapp mit »Stauffenbergs Sinn für das Feierliche«.312 Hinzu kommt jedoch wohl auch eine generelle Prägung sowohl durch das Soldatische und die damit verbundene Tradition des Fahneneides, als auch durch eine soziale und kulturelle Prägung im christlich-konservativen Milieu des deutschen Adels.313 Die Idee eines Schwurs passt in diese Vorstellung einer selbstgewählten Bindung.314 All dies stärkt das Argument, dass ein einmal geschworener Eid, und daher auch der dem »Führer« geleistete Eid, innere Bindungskraft entwickelte, einfach, weil es zum Weltbild des militärisch-konservativen Widerstands gehörte, einem Eid Bedeutung beizumessen. Die ideell stark aufgeladene militärische Tradition des Fahneneides verstärkte diese Bedeutung zusätzlich. Wenn die Verschwörer den eigenen Eidbruch in Kauf nahmen und als notwendig akzeptiert hatten, so gingen sie gleichzeitig von einer nach wie vor hohen Wirkungsmacht des »Führereides« auf die restliche Bevölkerung, Soldaten und Beamten aus  – der Eid blieb ein »psychologisches Hindernis nach außen«.315 Damit ist die staatsrechtliche Ebene der Bedeutung des »Führereides« angesprochen. Diese manifestierte sich auf mehreren Ebenen. Zum einen ging es den Verschwörern darum, das deutsche Volk aus seiner Bindung durch den »Führereid« zu lösen. Diese Eidesentbindung erfolgte nicht zuletzt durch das oben bereits angeführte Argument, dass Hitler selbst den Eid gebrochen habe und daher auch die Eidgeber nicht mehr an den »Führereid« gebunden wären. So hieß es etwa in dem von Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler im Frühsommer 1944 formulierten »Aufruf an das deutsche Volk«: »Hitler hat seinen vor zehn Jahren dem Volk geleisteten Eid durch Verletzung göttlichen und menschlichen Rechts

309 Hoffmann, Stauffenberg und seiner Brüder, S. 397. 310 Ebd., S. 472. 311 So die erste Zeile des Schwurs, vgl. ebd., S. 396. 312 Ebd., S. 464. 313 Zur Rolle des Adels und zur Konstruktion der Rolle des Adels im Widerstand vgl.: Conze, Aufstand des preußischen Adels; ders., Adel und Adeligkeit im Widerstand des 20. Juli 1944; Raab. 314 Auch Thomas Karlauf hat jüngst auf die Bedeutung des Eides für Stauffenberg aufgrund seiner Sozialisation verwiesen. Vgl. Karlauf, S. 32/33. 315 Ehlers, Technik und Moral einer Verschwörung, S. 60.

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unzählige Male gebrochen. Daher ist kein Soldat, kein Beamter, überhaupt kein Bürger ihm mehr durch Eid verpflichtet.«316 Eine solche Eidesentbindung hätte nicht notwendigerweise den Tod Hitlers voraus­gesetzt. Im Falle eines erfolgreichen Staatsstreichs hätte sie jedoch voraus­ gesetzt, dass sich die vielen Deutschen, die einen Eid auf Hitler geleistet hatten, der Argumentation vom Eidbruch des »Führers« angeschlossen hätten. Vermutlich sahen die Verschwörer, dass eine solche Hoffnung vergebens war. So scheiterten auch alle Überlegungen in der Frühphase des Regimes, Hitler etwa durch einen Kollektivschritt der oberen Wehrmachtführer zum Rücktritt zu zwingen.317 Die Vorstellung, dass Hitler freiwillig seine Generäle von ihrem Fahneneid entbinden würde, war unrealistisch. Der Entschluss zum Tyrannenmord war angesichts der Realitäten im nationalsozialistischen Herrschaftssystem der einzig gangbare Weg, einen »eidfreien« Zustand zu schaffen.318 Dass man es von Seiten der Verschwörer aber für die Zukunft nicht bei einem solchen »eidfreien« Zustand belassen wollte, deuten Planungen an, die Beamten und Soldaten nach einem erfolgreichen Staatsstreich möglicherweise wieder zu vereidigen. So hieß es etwa in Bezug auf die Soldaten in einem vorbereiteten Aufruf Ludwig Becks und Erwin von Witzlebens: »Eine solche Führung, ob wahnwitzig oder voll verantwortlich, hat den Anspruch auf Gehorsam vor Gott und den Menschen verwirkt, denn sie hat den Eid gebrochen, den sie selbst einst dem Vaterlande geschworen hat, dem sie wie jeder Bürger unterworfen ist, und damit die Treue, die sie dem Eidleistenden schuldig ist, mit Füßen getreten. Sie könnte Volk und Vaterland nur noch einer schimpflichen furchtbaren Katastrophe entgegenführen. Dies zu verhindern sind wir fest entschlossen. Hierfür stehen wir vor Gott ein. Hierfür nehmen wir Euch in Eid und Pflicht.«319 Hier zeigt sich, welche Bedeutung dem Eid als herrschaftsstiftendem und -sicherndem Ritual auch in den Augen der Verschwörer immer noch zukam. Es war nicht der Eid an sich, den man in Zweifel zog. Es war »nur« der »Führereid« in seiner spezifischen nationalsozialistischen Ausprägung vor dem Hintergrund der Diktatur und entsetzlicher Verbrechen. Zu Sicherung der eigenen Herrschaft nach einem erfolgreichen Staatsstreich planten auch die Verschwörer auf den Eid zurückzugreifen. Die Gewissensbedenken, die sie selbst in Bezug auf den geleisteten Eid gehabt haben mögen, spielten bei dieser Entscheidung offenbar keine Rolle. Zwar hatten die Widerständigen angesichts des gescheiterten Attentats keine Möglichkeit, einen solchen neuen Eid schwören zu lassen, doch sollten später auch in der Bundesrepublik Beamte und Soldaten wieder vereidigt werden – während die DDR das Berufsbeamtentum zwar abschaffte, den 316 Jacobsen, S. 140 f. 317 Zum »Kollektivschritt« vgl. u. a.: Müller, Das Heer und Hitler, v. a. S. 322. 318 Ehlers, Technik und Moral einer Verschwörung, S. 60. 319 Vorbereiteter Aufruf an die Wehrmacht von Ludwig Beck und Erwin von Witzleben an die Wehrmacht, 2. Anlage zum Kaltenbrunner-Bericht vom 11.8.1944, in: Jacobsen, S. 199–203, S. 201. Heinemann, Unternehmen »Walküre«, S. 177, bestreitet, dass diese allgemeine Formulierung als geplante Vereidigung zu verstehen sei, kann dies jedoch nicht weiter belegen.

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Eid aber dennoch zur Systemstabilisierung und Herrschaftssicherung nutzte. Trotz der ideologischen Überformung des Eides im Nationalsozialismus wurde das Ritual selbst auch in der Phase der Neuordnung der Verwaltung nach 1945 kaum in Frage gestellt. Der Eid entwickelte eine erstaunliche Lebenskraft angesichts seiner vielleicht größten Krise. Auch nach dem ideologischen Absolutheitsanspruch, den der Nationalsozialismus mit dem Eid verknüpft hatte, konnten die Zeitgenossen sich nicht vorstellen, auf das gewissensbindende Ritual zu verzichten. Diese Persistenz macht die Entscheidung gegen den Eid, die sich im Attentat des 20. Juli 1944, aber auch in den öffentlichen Eidesverweigerungen des Jahres 1934, für die hier beispielhaft Kurt von Fritz und Karl Barth standen, umso bemerkenswerter.

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5. Zwischen Renaissance und Vergessen: Der Eid in der Bundesrepublik

5.1 Zurück zum Eid: Neuregelungen in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik Mit dem Tod Adolf Hitlers und dem Kriegsende endete nicht nur für die Beamten die durch den Eid geschaffene persönliche Treueverpflichtung gegenüber dem »Führer«. Nach der bedingungslosen Kapitulation übernahmen stattdessen die Alliierten die vollständige Kontrolle über sämtliche Bereiche des öffentlichen Dienstes.1 Der Entlassung aller Staatsdiener am 8. Mai 1945 folgte die Wiedereröffnung von Verwaltungs-, Justiz- und Bildungsinstanzen auf lokaler Ebene.2 Dabei wurden erste »Säuberungen« von allzu offensichtlich belasteten Beamten vorgenommen. Jene, die weiterhin als Beamte tätig sein konnten, waren durch die Proklamation Nr. 1 der alliierten Militärregierung und ihren lokalen Vertretern zu absolutem Gehorsam verpflichtet.3 Über diese allgemeine Gehorsamsverpflichtung hinaus war nur in einem Bereich von den Alliierten ein Eid als zusätzliche Bindungsform vorgesehen, nämlich für Richter, Staatsanwälte und Beamte des Justizwesens des gesamten Besatzungsgebietes. Im Gesetz Nr. 2 der Militärverwaltung hieß es in Artikel V, Absatz 8: »Niemand darf seine Befugnisse als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt ausüben, bevor er den folgenden Eid geleistet hat: ›Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, daß ich die Gesetze jederzeit zu niemandes Vorteil und zu niemandes Nachteil, mit Gerechtigkeit und Billigkeit gegenüber jedermann, ohne Rücksicht auf Religion, Rasse, Abstammung oder politische Überzeugung anwenden und handhaben werde: dass ich die deutschen Gesetze und alle Rechtssätze der Militärregierung sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinne nach beachten werde und daß ich stets mein Bestes tun werde, um die Gleichheit aller vor dem Gesetz zu wahren. So wahr mir Gott helfe!‹ Wer diesen Eid leistet, ist nicht mehr an Verpflichtungen früher von ihm geleisteter Amts- oder Treueide gebunden.«4 1 Zum öffentlichen Dienst in der Besatzungszeit siehe in Auswahl: Benz, Versuche zur Reform des öffentlichen Dienstes; Grotkopp, v. a. S. 167–242; Morsey, Personal- und Beamtenpolitik; ders., Herausforderungen im Rückblick; Schwegmann; Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition. 2 Vgl. zur »Stunde Null« in Verwaltung, Justiz und Bildungssektor: Gerhardt, S. 105. 3 Proklamation Nr.1 des Obersten Befehlshabers der alliierten Streitkräfte (»An das deutsche Volk«), in: http://deposit.d-nb.de/online/vdr/rechtsq.htm. (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 4 Militärregierung Deutschland, Kontrollgebiet des obersten Befehlshabers: Gesetz Nr. 2, Art. V, in: Brandl, S. 86–95, S. 91.

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Gerade die Justiz wurde von alliierter Seite als zentral angesehen für eine erfolgreiche Entnazifizierung. Der Eid sollte dazu beitragen, die deutschen Justizbeamten auf den Aufbau einer Justiz zu verpflichten, die von rassischen, religiösen oder politischen Motiven unabhängig Recht sprechen und die Gleichheit aller vor dem Gesetz schützen sollte.5 Er enthielt, neben einer Betonung der Gehorsamspflicht, auffallend konkrete Verhaltensvorgaben. Die Eidesformel formulierte klare Normen und unterschied sich damit von älteren deutschen Diensteiden. Die Treueformel, bis dahin Kernpunkt jeden deutschen Beamteneides, fehlte vollkommen. Schließlich entband die Ableistung des neuen Eides von allen vorigen Treueiden. Offensichtlich wollten die Alliierten trotz Hitlers Tod jede aus früheren Eiden resultierende Bindung an den Nationalsozialismus explizit und gesetzlich formuliert beenden. Zumindest für das Justizsystem wollten sich die Alliierten offenbar nicht allein auf die Kraft des Faktischen verlassen. Denn historisch war es in den meisten Fällen angesichts von Systemwechseln so gewesen, dass neue Machthaber neue Eide verlangten und der alte Eid als stillschweigend aufgehoben galt. Insofern stellte die Entbindung vom Eid durch den alten Eidnehmer – Wilhelm II. – am Ende des Ersten Weltkriegs durchaus eine Ausnahme dar. Nun jedoch sollte jeglicher Restverbundenheit, die sich auf formale Argumente hätte stützen können, durch die Eidesentbindung die Logik genommen werden. Über diese im Militärgesetz Nr. 2 festgelegte Regelung für das Justizwesen erließen die Besatzer in der unmittelbaren Nachkriegszeit keine weiteren verbindlichen Regelungen bezüglich zukünftiger Vereidigungen der deutschen Beamten. Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen kannte keine der Siegermächte ein dem deutschen System vergleichbares öffentlich-rechtliches Treueverhältnis ihrer Staatsbediensteten oder ein dem deutschen ähnliches Berufsbeamtentum.6 Zum anderem standen die Alliierten dem deutschen Berufsbeamtentum mit großer Skepsis gegenüber. Und auch, wenn die Vorstellungen der vier Alliierten im Detail schon bald auseinandergehen sollten, so waren sich die Siegermächte doch grundsätzlich einig in der Vorstellung einer entnazifizierten Verwaltung, die mit (realen oder vermeintlichen) antidemokratischen, elitären Bürokratietraditionen brechen sollte. Daher geriet das Berufsbeamtentum in seiner überkommenen Form in die Kritik und der Eid als ein Symbol dieses Berufsbeamtentums ebenfalls. Daher sah man von alliierter Seite auch keinen Anlass, weiterhin auf den Eid zurückzugreifen. Dennoch wurden bereits in den ersten Monaten der Besatzungszeit bestimmte Weichen gestellt, die letztlich dazu beitrugen, den Eid später in der Beamtengesetzgebung der Bundesrepublik (wieder) zu verankern. Vor allem die Entscheidung der (westlichen) Alliierten, das Beamtengesetz von 1937 in einer – wie die 5 Vgl. zum Neuaufbau des deutschen Rechtssystems i.A.: Löhnig; Raim; Wrobel. 6 Die amerikanischen Alliierten hatten Erfahrungen mit Vereidigungen in einem Teilbereich des öffentlichen Diensts, den sog. »sworn officers«, die mit sicherheitsrelevanten Aufgaben (»law enforcement«) betreut sind, Verhaftungen durchführen können und Waffen tragen.

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Zeitgenossen es nannten – von nationalsozialistischen Elementen »gereinigten« Form beizubehalten, öffnete eine erste Tür für das Anknüpfen an die Normen, Werte und Formen des überkommenden deutschen Berufsbeamtentums. Das Militärgesetz Nr. 1, das spezifische nationalsozialistische Gesetze auf­ geführt hatte, die mit sofortiger Wirkung ihre Geltung verloren, hatte das Deutsche Beamtengesetz von 1937 nicht berücksichtigt. Nur in der sowjetischen Besatzungszone hob man das Gesetz durch den Befehl der Sowjetischen Militäradministration Nr. 66 vom 17. September 1945 auf.7 Die westlichen Besatzungsmächte erließen stattdessen Zusatzgesetze, die spezifisch nationalsozialistische Absätze und Regelungen des Beamtengesetzes aufhoben.8 Darüber hinaus jedoch blieb das Deutsche Beamtengesetz von 1937 in einer entnazifizierten Fassung aus dem November 1945, die ein deutscher Ausschuss unter Federführung Walter Jellineks erstellte hatte, in Kraft.9 Der Paragraf 4 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937, dessen erster Absatz den Treueid betraf, wurde durch den Ausschuss überarbeitet und »auf seine technischen Bestandteile« beschränkt, sprich alle nationalsozialistischen Elemente entfernt. Die Eidesformel wurde gestrichen.10 Die nationalsozialistischen Vorschriften zur Treuepflicht entfielen, ebenso »rasserechtliche Regelungen«.11 Der Beamte sollte nun statt Volk und Führer »seinem Dienstherrn treu und gehorsam« sein und »echte Vaterlandsliebe« garantieren. Eine »Gewährbiete­ klausel«, also die Vorschrift, dass ein Beamter die Gewähr bieten musste, die Staatsordnung zu schützen, wie sie im nationalsozialistischen Beamtenrecht formuliert war, wurde in die »gereinigte« Fassung des Beamtengesetzes nicht aufgenommen. Es fehlte daher eine Festlegung der Beamten auf den Schutz einer  – zu diesem Zeitpunkt ja auch noch völlig unklaren  – demokra­tischen Staatsform. Übrig blieb damit eine gesetzlich festgelegte Pflicht zur Vereidigung, insofern verband sich mit der überarbeiteten Fassung des Beamtengesetzes bereits eine erste Vorentscheidung über den Eid. Allerdings wurde in den Vorschlägen des Ausschusses keine Eidesformel formuliert. Diese Konstellation bedeutete, dass die bisher im Reichsbeamtengesetz festgeschriebene Eidesformel keine Gültigkeit mehr besaß, eine neue Eidesformel nicht vorlag, die Pflicht zur Vereidigung

7 Benz, Versuche zur Reform des öffentlichen Dienstes, S. 220. 8 Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 450. 9 Jellinek, Das deutsche Beamtengesetz vom 26. Januar 1937. Vgl. Schrader, Verfassungstreue, S. 295. Walter Jellinek, geb. 12.7.1895, gest. 9.6.1955, hatte seit 1929 in Heidelberg eine Professur für Staatsrecht inne. 1935 wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Amt vertrieben. Nach 1945 übernahm er seinen Lehrstuhl in Heidelberg wieder und wirkte als Mitglied des vorbereitenden Verfassungsausschusses in Hessen am Entwurf der hessischen Verfassung mit. Vgl. auch: Hattenhauer, Besatzungsmächte und Beamtentum, S. 113–136. 10 Schrader, Verfassungstreue, S. 295. 11 Ebd.

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der Beamten jedoch weiterhin gesetzlich vorgegeben war.12 Somit entstand eine Leerstelle, um deren Füllung sich die deutschen Verantwortlichen vor allem auf lokaler Ebene bald Gedanken zu machen begannen. Dies führte kurz nach Kriegsende zu einer Vielzahl an kaum zu überblickenden, teils auch nicht zu rekonstruierenden Regelungen hinsichtlich von Vereidigungen, und dies nicht nur in den verschiedenen Besatzungszonen, sondern auch innerhalb der einzelnen Zonen.13 Neben diese regionalen Regelungen von Beamtenvereidigungen traten in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre zunehmend über­regionale Überlegungen deutscher Politiker auf Landes-, Bizonen- und seit 1949 auch auf Bundesebene. Geprägt waren all diese Überlegungen gerade in den Kreisen älterer und langgedienter Beamter von einem gewissen »Stolz« auf die Traditionen des überkom­ menen Berufsbeamtentums.14 Das Beamtengesetz war im Nationalsozialismus in entscheidenden Punkten verändert worden, die das deutsche Beamtentum in den »Führerstaat« einbanden mithilfe eines Eides, in dem die Beamten dem »Führer« Treue und absoluten Gehorsam schworen.15 In der unmittelbaren Nachkriegszeit überwog jedoch die Überzeugung, dieser »Führereid« sei etwas Übergestülptes gewesen, das man nun einfach aus dem Gesetz hinausstreichen und damit zu den ursprünglichen und »guten« Wurzeln des Beamtentums zurückkehren könne. Man hatte in Form des Reichsbeamtengesetzes einen Normenkodex vor sich, der den Eid als verpflichtend für die Beamten vorgab, und von diesem Kodex ausgehend war es den Betroffenen in der frühen Nachkriegszeit trotz aller Erfahrung mit dem Eid im Nationalsozialismus nicht denkbar, die Notwendigkeit einer Eidesleistung in Frage zu stellen. Daher schuf die Weitergeltung des Reichsbeamtengesetzes in seiner überarbeiteten Form eine Grundbedingung, die den Anschluss an die Tradition des deutschen Berufs­ beamtentums möglich machen sollte, auch, aber nicht nur, in Bezug auf die Vereidigung der Beamten. Hinzu kam, dass die Weitergeltung des Reichsbeamtengesetzes bald so etwas wurde wie der Haltepunkt, an dem man sich gegenüber den Reformforderungen der Alliierten orientieren konnte. Zwar hatten die westlichen Alliierten die Weitergeltung des Beamtengesetzes in seiner »gereinigten« Form ursprünglich angeregt. Ab 1947 jedoch erkannten die Amerikaner und Briten immer deut-

12 Vgl. etwa den Entwurf Ernst Wicherts zu einem »gereinigten« Beamtengesetz in einem Gutachten für den Zonenbeirat: Das Beamtengesetz in seiner gegenwärtigen Gestalt. Anlage 1 zu Punkt 2 der Neuenkirchener Besprechung vom 26./27.2.1948, BArch K Z5/151. Zu Wichert vgl.: Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition, S. 90–93, S. 110. 13 Vgl. zum Beispiel für die britische Zone die im Bestand BArch Z 21/270 überlieferten unterschiedlichen Vereidigungsregelungen für die unteren und mittleren Beamten des Justiz­ wesens. 14 Vgl.: Wichert, Ernst, Das Beamtengesetz in seiner gegenwärtigen Gestalt. Anlage 1 zu Punkt 2 der Neuenkirchener Besprechung vom 26./27.2.1948, BArch K Z5/151. 15 Reusch, S. 72.

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licher, dass dies mitverantwortlich war für das absehbare Scheitern der eigenen Reformbemühungen in Bezug auf das deutsche Berufsbeamtentum. Die Amerikaner verbanden von den westlichen Alliierten den höchsten Umgestaltungsanspruch mit dem Neuaufbau des öffentlichen Dienstes, ausgehend von der Überzeugung, dass die spezifische Struktur des deutschen Berufsbeamtentums für den Aufstieg und den Erfolg des Nationalsozialismus mitverantwortlich gewesen sei. Es ging ihnen um die vollständige Entpolitisierung des Beamtentums – dies bedeutete parteipolitische Neutralität, vor allem aber Aberkennung des passiven Wahlrechts. Die Einführung von Personalämtern sollte den Zugang zum Beamtentum entpolitisieren, egalisieren und das Juristenmonopol aufheben.16 Schließlich setzten die Amerikaner alles daran, die dienstrechtlichen Schranken zwischen Beamten und Angestellten aufzuheben und stattdessen von »Bediensteten« zu sprechen, deren Anstellung allein über den Dienstvertrag erfolgte.17 Dies hätte auch das Ende des Eides als einem beamtenrechtlichen Kernelement bedeutet: in allen Planungen der amerikanischen Besetzungsmacht trat an die Stelle des Eides ein Gelöbnis, auch hier in dem Bemühen, die klassische Bindung der Staatsdiener an den Staat zu lösen und auf dienstrechtliche Regelungen zurückzuführen, um dem spezifisch deutschen Berufsbeamtentum mit seinen historischen Traditionen, seinem Selbstverständnis und seiner politischen Ausrichtung in Deutschland die Zukunft zu nehmen. Die Deutschen hingegen standen diesen Bemühungen in weiten Teilen skeptisch gegenüber. In diesem Kontext bemühten sich die Amerikaner ab 1947 nach Kräften, auf eine Neugestaltung des deutschen Beamtenrechts einzuwirken und insbesondere die Wiedereinführung des Berufsbeamtentums zu verhindern. Sie versuchten in der Folgezeit vor allem über ein Personalgesetz für die Bizone ihre Vorstellungen einer erneuerten Verwaltung gesetzlich zu verankern. Von deutscher Seite aus wiederum versuchte man angesichts der seit September 1948 laufenden Beratungen des Parlamentarischen Rates die Entscheidung über ein endgültiges Personalgesetz für die Bizone »auszusitzen«. Dies geschah in der Überzeugung, dass eine bundesrechtliche Regelung der Beamtengesetzgebung, auf die die Alliierten weniger Einfluss haben würden, zum Greifen nah war.18 Angesichts dieser Verzögerungstaktik der verantwortlichen Politiker der Bizone reagierten die beiden Besatzungsmächte am 15. Februar 1949: Mit dem Militärgesetz Nr. 15 oktroyierten sie ein eigenes Personalgesetz, das auch für die zukünftigen Bundesbeamten gültig sein sollte – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die kurz vor der Gründung stehende Bundesrepublik ein neues Beamtengesetz erlassen würde.19 Entsprechend der Absichten vor allem der Amerikaner, war in diesem Personalgesetz die Unterscheidung zwischen Beamten und Angestellten aufge-

16 Wunder, S. 154. 17 Schrader, Verfassungstreue, S. 184/185. 18 Zum Parlamentarischen Rat vgl. mit weiteren Literaturangaben: Feldkamp. 19 Wunder, S. 158; Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition, S. 108.

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hoben und die Staatsbediensteten hatten bei Dienstantritt »unter Versicherung durch Handschlag« eine Versicherung abzugeben.20 Auch wenn das Militärgesetz Nr. 15 als »Epilog« der Umgestaltungsbemühungen der Amerikaner und Briten bezeichnet worden ist, so hatte es doch zumindest eine Wirkung:21 Es spornte die westdeutsche Politik an, ihre eigenen Vorstellungen eines öffentlichen Dienstes zu konkretisieren, und alles daran zu setzen, die legislative Kontrolle über den öffentlichen Dienst schnellstmöglich zurückzugewinnen. Dass dies die Wiedereinführung des Berufsbeamtentums miteinschließen sollte, wurde bald deutlich. Der Parlamentarische Rat machte den Anfang. Hatte der Konvent von Herrenchiemsee noch darauf verzichtet, eine Bestandsgarantie für das Berufsbeamtentum abzugeben, so einigte sich der Parlamentarische Rat für das Grundgesetz auf eine Kompromissformel (in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz). Hier hieß es: »Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.«22 Außerdem wurde entschieden, dass »die staatlichen und gemeindlichen Daueraufgaben« von Angehörigen des öffentlichen Dienstes auszuüben [seien], »die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu ihrem Dienstherren stehen.« Damit war nicht nur das Berufsbeamtentum in das Grundgesetz aufgenommen, sondern auch das öffentlich-rechtliche Dienstund Treueverhältnis. Auch wenn die Mitglieder des Parlamentarischen Rates betonten, dass der Aufnahme des »Treueverhältnisses« keine »rückwärtsgerichtete Bedeutung« zukomme, war damit doch »das Tor aufgestoßen für eine an traditionellen Leitbildern orientierte Ausgestaltung des Berufsbeamtentums«.23 Ende vierziger Jahre waren also bereits eine ganze Reihe von Vorentscheidungen hinsichtlich des Eides gefallen. Insbesondere der Konflikt zwischen Alliierten und Deutschen um eine Reform des Berufsbeamtentums hatte die Beharrungskräfte auf deutscher Seite gestärkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass alte Traditionen wieder aufgenommen werden würden, war im Verlauf dieses Konfliktes gewachsen, gerade um sich der alliierten Reformansprüche zu erwehren, aber zunehmend auch als Abgrenzung gegenüber »dem Osten«, wo in der Sowje­tischen Besatzungszone die Beamtenverhältnisse aufgehoben und in Angestelltenverhältnisse überführt worden waren. Das Beamtentum in der SBZ 20 Die Verpflichtungsformel lautete: »›Ich gelobe: Ich werde meine Dienstpflichten gewissenhaft erfüllen, die Gesetze halten und innerhalb und außerhalb des Dienstes für die demokratische Ordnung wirken.‹« Gesetz Nr. 15 der Militärregierung Deutschland: Verwaltungsangehörige der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 15.6.1949. Zu den Durchführungsbestimmungen vgl. Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes: Entwurf einer Durchführungsbestimmung Nr. 1 zu dem Gesetz Nr. 15 der Militärregierungen, BArch  Z 13/1167. Sämtliche Verwaltungsangehörige waren nach diesem Entwurf neu zu verpflichten, sowohl bereits im Dienst befindliche Beamte wie auch Angestellte. Voran ging dem Gelöbnis eine Belehrung. 21 Mayer, Der öffentliche Dienst nach 1945, S. 178. 22 Hattenhauer, Besatzungsmächte und Beamtentum, S. 130. 23 Ebd., S. 180.

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geriet unmittelbar nach Kriegsende in den doppelten Zugriff zwischen Anpassung an das sowjetische gesellschaftspolitische Vorbild und einer rigiden Ent­ nazifizierung. In diesem Kontext wurde sowohl strukturell wie personell massiv in die traditionellen Verwaltungsstrukturen eingegriffen.24 Die grundsätzliche Skepsis sowohl der sowjetischen Militäradministration (SMAD) als auch der im April 1946 durch Zusammenschluss von SPD und KPD entstandenen SED gegenüber dem hergebrachten Berufsbeamtentum, das als obrigkeitsstaatliches Relikt, Stütze des preußisch-deutschen Nationalismus und mitverantwortlich für den Nationalsozialismus angesehen wurde, führte dazu, dass die im Kontext der Entnazifizierung durchgeführten Entlassungsmaßnahmen deutlich weiter gingen als in den westlichen Besatzungszonen. Da außerdem das Beamten­gesetz von 1937 – im Gegensatz zu den westlichen Besatzungszonen – aufgehoben worden war, bestand für die an Stelle der entnazifizierten Beamten neueingestellten Kräfte keine Notwendigkeit einer Vereidigung mehr. Zwar verlief diese Entwicklung nicht in allen Ländern einheitlich, in Thüringen etwa wurde vorübergehend das Landesbeamtengesetz von 1923 wieder in Kraft gesetzt. Auf Dauer jedoch führte kein Weg daran vorbei, dass die neue Verwaltung der DDR keine Beamten mehr kannte. Eine klar gesteuerte Personalpolitik führte dazu, dass nur ideologisch zuverlässige Personen in verantwortliche Positionen kamen. Die überkommenen Vorrechte und Privilegien der Staatsdiener, vor allem die lebenslange materielle Absicherung, wurde abgeschafft.25 Staatsbedienstete waren nun Werktätige wie Angestellte und Arbeiter, die arbeitsrechtlich dem Arbeitsgesetzbuch unterlagen. Ein spezifisches Rechtssystem für den öffent­lichen Dienst, das an Stelle des Reichsbeamtengesetzes getreten wäre, fehlte. Allerdings entwickelte sich seit Mitte der fünfziger Jahre für die Staatsangestellten, die sich zum Staat in einem »besonderen Arbeitsverhältnis« befanden,26 so etwas wie ein »abgestuftes Sonderrecht« und Disziplinarrecht.27 Hier fanden sich auch Vorschriften zu einer spezifischen »Treuepflicht«, die über jene hinaus ging, der alle Staatsbürger verfassungsrechtlich unterworfen waren.28 Diese spezifische Treuepflicht bestand 1955 darin, sich »innerhalb und außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit aktiv für die Verwirklichung der Ziele der Deutschen Demokratischen Republik einzusetzen, am gesellschaftlichen Leben vorbildlich zu beteiligen, die demokratische Gesetzlichkeit zu wahren, das Volkseigentum zu schützen, Wachsamkeit zu üben und feindliche Auffassungen und Handlungen jederzeit zu bekämp24 Vgl. zum Folgenden: Fenske, Bürokratie in Deutschland, S. 55–57. 25 Benda, S. 1572. 26 Unverhau, S. 36. 27 Benda, S. 1572. Die erste Verordnung über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungsorgane stammte vom März 1955, vgl. mit genauer Auflistung dieser Pflichten: Mampel, S. 170/171. Im Februar 1969 wurde die Disziplinarordnung mit der Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen (MVO) überarbeitet. Vgl. Schneider, Rechtsgedanken und Rechtstechni­ ken, S. 227. 28 Luchterhandt, S. 110–123.

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fen«.29 Ein Eid war mit dieser Disziplinarordnung nicht verbunden, auch in der deutlich längeren Ausführung des Jahres 1969 nicht. Dies ist auch verständlich, wenn man sich die Intention des neuen Arbeitsrechts in der DDR, eben die »Zerschlagung« des Berufsbeamtentums, vor Augen hält. Ein traditionelles Element wie der Eid hatte hier keinen Platz. Gleichwohl machte man später Ausnahmen von dieser Grundhaltung. Diese galten für Staatsbedienstete, die im weiteren Sinne sicherheitsrelevant für den Schutz des Systems zuständig waren. Dazu gehörten Mitarbeiter des Ministeriums des Innern, Polizei, Feuerwehr und Strafvollzug.30 Diese Mitarbeiter mussten schwören, »meinem sozialistischen Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik und ihrer Regierung allzeit treu ergeben zu sein« und »daß ich, ohne meine Kräfte zu schonen, auch unter Einsatz meines Lebens, die sozialistische Gesellschafts-, Staats- und Rechtsordnung […] vor verbrecherischen Anschlägen schützen werde«.31 Dieser Eid reiht sich eher ein in jene Eide, die in der DDR mit großer inszenatorischer Kraft von den waffentragenden Einheiten geleistet wurden, allen voran die NVA in ihrer militärischen Tradition. So leistete z. B. die Grenz­polizei ab 1958 einen Eid, die NVA ab April 1956, die »Bausoldaten« ab 1964. Hinzu kamen die Verpflichtungsformeln der Jugend, nicht zuletzt im Kontext der Jugendweihe. Diese Eide und Verpflichtungsformen sollten in ganz ähnlicher Weise wie im Nationalsozialismus eine gesamtgesellschaftliche Bindungskraft entwickeln. Dabei legte die DDR-Führung größten Wert darauf, sich rhetorisch von den Eiden in der Bundesrepublik abzugrenzen. Umgekehrt war diese Vereidigungen in der DDR bei den Diskussionen um die Wiedereinführung des Beamteneides in der Bundesrepublik noch kein Referenzpunkt. Sie alle wurden erst eingeführt, nachdem der Beamteneid in der Bundesrepublik revitalisiert worden war. Die in der DDR vollzogene Abkehr vom Berufsbeamtentum aber war natürlich eine Entwicklung, die man in der Bundesrepublik sehr wohl als Motivation begriff, die traditionellen Strukturen zu stärken.32 Nimmt man die Abwehr der Reformansprüche der westlichen Alliierten hinzu, so wurde die Entscheidung für den Eid Anfang der fünfziger Jahre gewissermaßen in doppelter Abgrenzung getroffen, von den Entwicklungen in der DDR und den alliierten Reformforderungen. Angesichts der temporären Weitergeltung des Personalgesetzes der Alliierten (Militärgesetz Nr. 15) musste die junge Bundesrepublik Anfang der fünfziger Jahre höchstes Interesse an der Verabschiedung eines Bundesbeamtengesetzes haben. Hinzu kam der Handlungsdruck durch die entstehende Bundesverwal­ 29 Verordnung über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungsorgane. 30 Festgelegt waren die Pflichten dieser Mitarbeiter in der Dienstlaufbahnordnung (DLO) § 5, Abs.1: »Pflichten und Rechte der Angehörigen des Ministeriums des Innern«. Vgl. Schneider, Rechtsgedanken und Rechtstechniken, S. 127. 31 Schneider, Rechtsgedanken und Rechtstechniken, S. 143. 32 Vgl.: Mayer, Der öffentliche Dienst nach 1945, S. 179.

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tung, für deren Personal Rechtssicherheit geschaffen werden musste. Dies führte dazu, dass von Seiten der Bundesregierung mit aller Macht auf ein eigenes, vorläufiges Personalgesetz hingearbeitet wurde, das zumindest für eine Übergangszeit die rechtliche Leerstelle füllen sollte, die durch das Fehlen eines Bundesbeamtengesetzes entstand, und zugleich den ungeliebten alliierten Reformvorstellungen ein Ende bereiten sollte.33 Dieses vorläufige Personalgesetz wurde in großer Eile entworfen, in den Ausschüssen diskutiert und in den Bundestag eingebracht. Bereits der erste Entwurf des vorläufigen Personalgesetzes aus dem Finanzministerium sah im Oktober 1949 in Paragraf 5 eine Vereidigung der Beamten mit folgender Formel vor: »Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu halten und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.«34 In den folgenden Beratungen über diesen Gesetzentwurf in Kabinett, Bundesrat und Bundestag kam es erstmals nach Kriegsende zu grundsätzlichen Debatten über Sinn und Zweck der Vereidigung. Der Bundesrat empfahl in seiner Sitzung am 3. November 1949, die im Gesetzentwurf enthaltene Eidesformel grundsätzlich zu überarbeiten und an den Verfassungseid der Weimarer Republik anzuknüpfen durch folgende Formel: »Ich schwöre, dem Grundgesetz die Treue zu wahren und in Gehorsam gegen Gesetze und Recht mein Amt gewissenhaft auszuführen, so wahr mir Gott helfe.«35 In der Formulierung, dem »Grundgesetz die Treue zu wahren« spiegelt sich der Versuch, die Bindung an das Grundgesetz gegenüber dem reinen Gehorsam gegenüber den Gesetzen zu betonen. Sie stand für den Versuch, eine »unbelastete« Formulierung zu finden, die dennoch die »Treue« wiederaufnahm und damit einen »alten«, an Traditionen anknüpfenden Klang aufwies. Gleichzeitig versuchte der Bundesrat die Verfassung sprachlich nicht so eindeutig zum Subjekt der Treue zu machen, wie die Weimarer Republik (»Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«). Im Bundestag fand diese vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung des Eides indes keine Mehrheit. Stattdessen setzte sich im Januar 1950 der Rechtsausschuss für Beamtenrecht des Bundestages in zwei Sitzungen mit dem Gesetzentwurf auseinander. Dabei zeigt sich, dass vor allem die SPD-Abgeordneten der Wiedereinführung des 33 Wunder, S. 162. 34 Der Bundesminister des Innern an den Bundesminister der Finanzen: Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen, 10.10.1949, BArch B136/489. 35 Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages, 10.11.1949, in: BArch  B136/489. Hier bezog man sich außerdem auf einen Gesetzentwurf zur Vereidigung aller Richter und Beamter aus dem September 1949. Der Entwurf wurde jedoch angesichts der Beratungen zum Personalgesetz von der Bundesregierung zurückgezogen. Vgl.: Der Leiter des Rechtsamtes der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes: Entwurf eines Gesetzes über die Vereidigung der Richter und Beamten, 13.9.1949, BArch B136/879, sowie: Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an das Büro des Bundesrates, 20.10.1949, BArch B136/879.

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klassischen Eides kritisch gegenüberstanden. So stellte Walter Menzel zu Beginn der Sitzung für die SPD-Fraktion den Antrag, statt einer Vereidigung ein Gelöbnis mit der Formel einzuführen »Ich gelobe: Ich werde meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, die Gesetze wahren und innerhalb und außerhalb des Dienstes für die demokratische Ordnung eintreten.«36 Kombiniert mit der Einführung eines Gelöbnisses schlug die SPD eine Formel vor, die auf die traditionelle Treue­bindung und die im Gesetzentwurf explizit aufgeführte Bindung an das Grundgesetz verzichtete. Ungewöhnlich ist auch der Vorzug des Dienstversprechens an den Beginn der Eidesformel. Im Gegensatz zur im Gesetzentwurf festgelegten Eidesformel jedoch versuchte der Gelöbnisvorschlag der SPD, die Beamten explizit an die demokratische Ordnung zu binden, und zwar »innerhalb und außerhalb« des Dienstes. Hier stoßen wir auf die Nachwehen der Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik, wo ja gerade die Frage, wo und wann der Beamte sich gegenüber der Verfassung in einer Treuebeziehung sehen sollte, zu Konflikten führte. Der Antrag der Sozialdemokraten wurde jedoch mit 7 zu 12 Stimmen abgelehnt: Die konservativen Abgeordneten wollten an der »Verpflichtung durch einen Diensteid fest[halten], weil sie in dem Eid einen Beitrag zur Kräftigung der staatlichen Ordnung und zur Festigung der engen staatssittlichen Bindung der Beamten und Richter« erblickten.37 Ebenso entschied sich der Rechtsausschuss, die religiöse Form als »Normalform« des Eides festzulegen, jedoch folgenden Absatz hinzuzufügen: »Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.«38 Damit behielt man in Bezug auf die religiöse Ausformung des Eides die nationalsozialistische Variante bei, die ja ab 1937 ebenfalls den religiösen Schwur vorgegeben, den Verzicht auf die religiöse Formel jedoch ermöglicht hatte – und setzte sich ab von der Weimarer Variante, die die nicht-religiöse Form als Standard festgelegt hatte. Schließlich überarbeitete der Rechtsausschuss auch die Eidesformel selbst noch einmal, so dass es nun hieß: »ich schwöre, das Grundgesetz […] zu wahren« statt »zu halten«, eine Änderung, die dem Bundestag gegenüber zu Recht mit »stilis­ tischer« Verbesserung begründet wurde.39 »Wahren« klang nicht nur für »traditionsgewohnte« Ohren vertrauter als »halten«, es war auch einfach grammatikalisch korrekt. Der Entwurf des vorläufigen Personalgesetzes mit den Änderungsvorschlägen des Rechtsausschusses wurde im Februar 1950 im Bundestag abschließend beraten. Die Meinungen über den Gesetzentwurf und die Frage der Vereidigung 36 Kurzprotokoll der 7. Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht, 12.1.1950, BArch B136/489. In der 6. Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht am 3.12.1950 war der Eid ebenfalls thematisiert worden. 37 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, S. 1268, http://dipbt.bundes​ tag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 38 Ebd. Vgl. die Ausführungsbestimmungen: Verordnung zur Durchführung des Deutschen Beamtengesetzes, BArch B136/491. 39 Abg. Kleinschmidt: Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, S. 1268, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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gingen auch hier weit auseinander. Die SPD brachte – wie im Rechtsausschuss – einen Änderungsantrag ein, der die Einführung eines Gelöbnisses forderte und begründete dies erneut durch Walter Menzel wie folgt: »Der Beamte hat vor 1918 und nach 1918, vor 1933 und nach 1933 jedesmal einen Treueid geleistet. […] Nur ein einziges Mal wurden sie von ihrem Eid entbunden, das war 1918, und gerade in diesem besonderen Falle haben manche von ihnen den Eid trotzdem gehalten, weil sie gute Monarchisten blieben und damit zugleich Feinde der Weimarer Republik wurden, obwohl sie auch dieser Republik den Eid geleistet hatten. Und ich frage Sie […]: wo blieb die Heiligkeit des Eides nach 1933, als man den Weimarer Staat verriet? […] Einer der ersten Leitsätze des […] Beamtengesetzes von 1937 fordert, daß dem Führer die Treue zu halten sei bis in den Tod. Was ist denn daraus geworden? (Abg. Dr. Wuermeling (CDU): Ist überholt!) […] Wenn man sich das vergegenwärtigt, daß eine bis zum Tode geschworene Treue so schlecht gehalten wurde, dann sollte man einer solchen Einrichtung gegenüber doch außerordentlich skeptisch sein. […] Wir sind der Auffassung, daß ein einfaches Gelöbnis der Treue gegenüber diesem Staat, verbunden mit dem guten deutschen Handschlag, den Eid ersetzen sollte.«40 Hier scheinen Auseinandersetzungen um die vergangenheitspolitische Bedeutung des Eides auf, die sich in den folgenden Jahren deutlich verstärken sollten. Die Position der SPD konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Das vorläufige Personalgesetz wurde am 2. März 1950 im Bundestag verabschiedet, allerdings mit einer Befristung bis zum 31. Dezember 1950.41 Die Eidesformel, die die Beamten fortan zu schwören hatten, lautete dementsprechend: »Ich schwöre, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« Unmittelbar danach begannen die Arbeiten an einem Bundesbeamten­gesetz. Die Bundesregierung übernahm in ihrem Entwurf für ein solches Bundes­ beamtengesetz die Eidesformel des vorläufigen Personalgesetzes. Es kam jedoch trotzdem noch einmal zu Debatten über den Eid. Im April 1952 hatte der Allgemeine Beamtenschutzbund einen Entwurf eines Bundesbeamtengesetzes an das Bundeskanzleramt gesandt. Hierhin fand sich eine Eidesformel, die auf traditionelle Begriffe zurückgriff, jedoch weder das Grundgesetz noch die demokratische Grundordnung erwähnte: »Ich schwöre, daß ich dem Volke die Treue halten werden, daß ich das Verfassungsrecht und die Gesetze zur Grundlage meines Handelns nehmen und unparteiisch durchführen werde, und daß ich die durch mein Amt auferlegten Pflichten nach bestem Gewissen erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe!«42 Der Entwurf fand im Oktober 1952 seinen Weg in die Beratungen des Ausschusses für Beamtenrecht über den Entwurf eines Bundesbeamtengesetzes. Die FDP griff den Vorschlag auf und beantragte, die Beamten 40 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, S. 1275/76, http://dipbt.bundes​ tag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 41 Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition, S. 128. 42 Allgemeiner Beamtenschutzbund an das Bundeskanzleramt, 24.4.1952, BArch B136/494.

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zukünftig schwören zu lassen, dem »Volk die Treue [zu] halten«.43 Durchsetzen konnte sich diese Auffassung nicht, zuallererst mit dem formalen Verweis auf die bestehende Eidesformel des vorläufigen Personalgesetzes.44 Es gab jedoch auch inhaltlich Kritik, vor allem am Verzicht auf die Bindung an das Grundgesetz und an der Verwendung des Begriffes »Volk«.45 Dass der Vorschlag, das »Volk« zum Objekt der »Treue« zu machen, nur noch in Kreisen der national orientierten FDP der frühen fünfziger Jahre auf Zustimmung stieß, ist ein Zeichen dafür, wie sehr der ehemals so prägende, durch den Nationalsozialismus diskreditierte Begriff der »Treue«, vor allem aber der des »Volkes«, an Bindungskraft verloren hatte. Bei allem Festhalten an beamtenrechtlichen Traditionen, die zu einer Wiedereinführung der Eidestradition in das Beamtenrecht der Bundesrepublik geführt hatten, waren bestimmte Worthülsen durch den nationalsozialistischen Treueid eben doch dauerhaft »unbrauchbar« geworden. Dazu gehörte die Verwendung des Begriffes »Volk« – die Nähe zum Nationalsozialismus und zur nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« war zu groß. Im Januar 1953 beschäftigte sich der Beamtenrechtsausschuss erneut mit dem Eid im Kontext des Beamtengesetzes. Zu Gast war der Präsident des Deutschen Bundestages Hermann Ehlers (CDU). Ehlers hatte unmittelbar nach Kriegsende, als Oberkirchenrat der EKD, einen Aufsatz zum Eid geschrieben, der sich kritisch mit dem »Führereid« als einem Herrschaftsmittel eines »dämonisierten und aus allen seinen überkommenen Grenzen gebrochenen Staates« ausein­ andersetzte.46 Ehlers berichtete dem Rechtsausschuss von einem Angestellten der Verwaltung des Bundestages, der zum Beamten ernannt werden sollte, »aus triftigen religiösen Gewissensgründen« die Vereidigung aber verweigerte.47 Der Angestellte sei bereit, alle »mit dem Eid verbundenen sachlichen Verpflichtungen uneingeschränkt eingehen zu wollen, und zwar in Form einer schriftlichen Erklärung.« Ehlers plädierte dafür, im Bundesbeamtengesetz eine Lösung für jene zu finden, die sich grundsätzlich nicht in der Lage sahen zu schwören. Ein Gelöbnis und eine schriftliche Erklärung sollten für diese Fälle an Eides statt treten können. Ehlers fügte seine persönliche Einschätzung hinzu, nach welcher »der Eid […] in seiner bisherigen Form bereits erheblich an Gewicht verloren [habe]« und er »persönlich bereit sei […], auf den Eid völlig zu verzichten«. Eine so dezidierte Kritik von Seiten eines Unionsmitglieds findet sich Anfang der fünfziger Jahre noch selten. Dementsprechend unterstützten vor allem 43 Kurzprotokoll des Ausschusses für Beamtenrecht, 2.10.1952, BArch B141/1478. 44 Nachtrag zum Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Entwurf eines Bundesbeamtengesetzes (Nr. 2846, 4246 der Drucksachen), Bericht des Abg. Dr. Kleindienst vom 6.5.1953, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/042/0104246zu.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 45 Kurzprotokoll des Ausschusses für Beamtenrecht, 2.10.1952, BArch B141/1478. 46 Ehlers, Das Gebot der Wahrhaftigkeit in der Eidespraxis, S. 23. 47 Kurzprotokoll der 207. Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht, 9.1.1953, BArch Koblenz B 136/495. Hier auch die folgenden Zitate.

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SPD-Mitglieder Ehlers in seiner Einschätzung. Die Unionsmitglieder, aber auch die FDP-Vertreter im Beamtenrechtsausschuss, wiesen die Kritik Ehlers am Eid zurück. Zum einen »mindere die Abgabe einer schriftlichen Erklärung die Bedeutung des Eides«. Das Hauptargument indes war, »daß bei einem Abrücken von der zwingenden Natur des Diensteides an der Wesensgrundlage des Beamtentums gerüttelt und dieses durch das öffentliche Angestelltentum ersetzt würde.« Hier finden wir formuliert, was bisher in der Diskussion um die Wiedereinführung des Eides kaum ausgesprochen worden war, jedoch immer als Argument mitschwang: Wer das Berufsbeamtentum in seiner überkommenen Form »retten« wollte – und das wollte ein Großteil der Regierungsparteien und der Beamtenlobby – der musste auch auf dem Eid als traditionell dem Beamtentum vorbehaltenen Initiationsritual beharren. Damit sind die Bemühungen der Beamten selbst um eine Revitalisierung des eigenen »Standes« angesprochen, bei denen die Lobbyverbände eine zentrale Rolle spielten, vor allem der Deutsche Beamtenbund und der Allgemeine Beamtenschutzbund. Der Deutsche Beamtenbund hatte bereits mit mehr als hundert »Eingaben, Vorschlägen und Rücksprachen« massiv auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates Einfluss genommen, um eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums zu erreichen – wo er angesichts eines »Anteils von 61 % Berufsbeamten, Richtern und Professoren« auf offene Ohren stieß und einen Großteil seiner Forderungen erfüllt sah.48 Bei der Ausgestaltung des Vorläufigen Personalgesetzes, das auch die Wiedereinführung des Beamteneides regelte, wurden die Beamtenverbände indes nicht konsultiert.49 Gerade der Deutsche Beamtenbund sah aber auch keinen Grund zum Protest, entsprach doch der Gesetzentwurf ganz den Vorstellungen der traditionellen Beamtenlobby. Während man in anderen Bereichen, wie der Frage der Wiederverwendung belasteter Beamter und der Auseinandersetzung um Art. 131 GG oder auch spezifischen Fragen wie dem Beförderungsschnitt und der Zehnjahresklausel weniger erfolgreich die eigenen Positionen in die Politik hineintragen konnte, war das vorläufige Personalgesetz und damit auch die Wiedereinführung des Eides zumindest in traditionellen Kreisen der deutschen Beamtenschaft und ihrer Interessenvertretung unumstritten. Gerade die Traditionalisten vor allem in der höheren Beamtenschaft, immer noch geprägt von einer »konservativ-traditionalistischen geistigen Haltung«,50 setzten alles daran, das Beamtentum, das im Nationalsozialismus unter massivem Anpassungsdruck gestanden und dessen Sonderrolle ideologisch in Frage gestellt worden war, nun wieder in ebendiese frühere Sonderrolle zurückzuführen. Die »Solidargemeinschaft« der Beamten, die bereitwillig auch nationalsozialistisch »Verführte« wieder zu integrieren bereit war,51 rückte angesichts der Herausfor48 Benz, Versuche zur Reform des Öffentliche Dienstes, S. 235. 49 Wengst, Standesinteressen und beamtenrechtliche Kontinuität, S. 86. 50 Diestelkamp, S. 27 51 Beispielhaft: Ruck, S. 234–241.

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derungen zusammen, um zurück zu überkommenen Strukturen und Privilegien zu finden. Der Eid galt als symbolischer Teil dieser hergebrachten Strukturen und seine Wiedereinführung als Baustein in der Wiedererrichtung der früheren Standesprivilegien. Sozialgeschichtlich unterstützt wurde dieser Prozess durch die in den letzten Jahren nicht zuletzt durch die Aufarbeitung der Geschichte verschiedener Bundesministerien und Bundesbehörden erneut betonte hohe personelle Kontinuität der Beamten zwischen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit.52 So wurde der Eid aus unterschiedlichen Gründen  – in Abwehr alliierter Reformforderungen, in Abgrenzung zur Entwicklung in der DDR und als Referenzpunkt lobbybezogener Standesinteressen  – zu einem Symbol der hergebrachten Strukturen des überkommenen Berufsbeamtentums. Ihn als ein solches Element zu stärken, überwog alle in den Diskussionen im Deutschen Bundestag und seinen Gremien vorgetragenen Bedenken. Daher wurde die im vorläufigen Personalgesetz Anfang 1950 festgelegte Eidesformel unverändert in das Bundesbeamtengesetz, verabschiedet am 14. Juli 1953, übernommen.53 Damit war bereits mit Verabschiedung des vorläufigen Personalgesetzes im März 1950 eine Eidesformel für die Beamten des Bundes festgelegt, die bis heute in Kraft ist. Beamten der Bundesrepublik Deutschland schwören seither: »Ich schwöre, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« Wie die Beamten selbst auf die wieder anstehende Vereidigung reagierten, lässt sich kaum beurteilen. Überlieferte Konflikte finden sich praktisch nicht. Die meisten der Beamten werden, nach den schwierigen Jahren seit Kriegsende, froh gewesen sein über die materielle Absicherung der Verbeamtung, gewiss auch über die Tatsache, dass sie den Systemwechsel als Beamte überstanden hatten. Dass es indes auch Gewissenskonflikte gegeben hat, zeigt der Brief eines Beamten, der nach Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen neu vereidigt werden sollte, an das Regierungspräsidium in Detmold. Nach der Erfahrung im Nationalsozialismus, wo er selbst den »Führereid« 1934 geleistet hatte, schrecke er vor einem neuen Eid zurück: »Wer einmal in dieser Qual gesteckt und mit schlechtem Gewissen geschworen hat, […] der darf, selbst wenn er sich nach dem Wandel der Verhältnisse in ganz anderer Weise an den Staat gebunden weiß, diese für das subjektive Bewusstsein befleckte Formel nicht wieder gebrauchen, wie andererseits der Staat den Eid nicht fordern darf, wenn er Notstände des Gewissens respektieren und seine Grenzen nicht überschreiten will.«54 Dies ist eines der wenigen Beispiele für konkret geäußerte Bedenken der Beamten, die sich wenige Jahre nach dem »Führereid« zu einem neuen Eid verpflichtet

52 Allg.: Mentel; Bösch; Conze, Das Amt und die Vergangenheit; Görtemaker; Löffler. 53 Bundesbeamtengesetz vom 14.7.1953. 54 Zitiert nach: Bethke, S. 288.

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sahen.55 Die Regierung Nordrhein-Westfalens ließ diese Bedenken indes nicht gelten, sondern forderte durch den Innenminister unter Androhung der Dienstentlassung die Leistung des Eides.56

5.2 Der Eid als Instrument des Verfassungsschutzes? Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den ersten Landesverfassungen das Bestreben deutlich, dem entstehenden demokratischen System ein ähnliches »Schicksal« wie das der Weimarer Republik zu ersparen, indem umfangreiche Verfassungsschutzbestimmungen ihren Weg in die Landesverfassungen fanden. »Die Bindung des öffentlichen Dienstes an die demokratische Ordnung [wurde] in den ersten Verfassungen übereinstimmend vorausgesetzt oder ausdrücklich festgelegt.«57 Im Gegensatz zur Weimarer Republik, als der Verfassungseid aufgrund der spezifischen politischen Konstellation, aber auch aufgrund seiner spezifischen Form, kaum als Element des Verfassungsschutzes hatte wirksam werden können, und zum Nationalsozialismus, als der Eid gleichsam umgekehrt zur Sicherung des totalitären Systems genutzt worden war, sollte der Eid nach Vorstellung der verantwortlichen Politiker zum Element des Verfassungsschutzes werden. So wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Frage nach der Verfassungs­ treue der Beamten nicht selten mit ihrer Vereidigung verknüpft. Ein prominentes Beispiel dafür ist die hessische Verfassung. Hier endete der Verfassungsentwurf Walter Jellineks aus dem April 1946 mit einem eigenen Abschnitt über den Schutz der Verfassung, in dessen fünf Artikeln »alle denkbaren Vorkehrungen getroffen [wurden], um die demokratische Staatsform zu erhalten«.58 So wurden alle Staatsbürger verpflichtet, die Verfassung nicht nur passiv zu wahren, sondern aktiv Widerstand zu leisten gegen jeglichen Versuch, gegen die demokratische Grundordnung und ihre Verfassungsprinzipien vorzugehen: »Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte öffentliche Gewalt ist nicht nur jedermanns Recht, sondern auch Pflicht. Dahinter steht das Bild einer wehrhaften Demokratie, in der nicht nur die Staatsorgane, sondern jeder einzelne Bürger einem Abgleiten des Verfassungsstaates in einen Unrechtsstaat entgegentreten muss.«59 Dies galt natürlich ebenso für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, unter ihnen auch die Beamten. 55 Vgl. auch die ebenfalls in Nordrhein-Westfalen verorteten Auseinandersetzungen über die Verfassungsbestimmungen zur konfessionellen Schule, bei der zahlreiche Lehrer den Eid verweigerten. Vgl. zu dieser Auseinandersetzung: Redelberger, S. 400/401. Vgl. ebd. auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15.1.1951, S. 413. 56 Bethke, S. 289. 57 Schrader, Verfassungstreue, S. 302. 58 Ebd. 59 Will, S. 524. Vgl. auch: Berding.

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Bei den Beratungen zu diesem Verfassungsentwurf legte die SPD durch Justiz­ minister Georg August Zinn der verfassunggebenden Landesversammlung im August 1946 einen alternativen Formulierungsvorschlag für die Artikel 126 bis 129 vor. Die Bestimmungen zum Verfassungsschutz wurden darin ergänzt durch detaillierte Strafbestimmungen, die für den Fall des Verfassungsbruchs vorgesehen waren. Dies erklärte sich nicht zuletzt mit der Tatsache, dass die entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 aufgehoben worden war, es also 1946 an strafrechtlichen Bestimmungen im Umgang mit verfassungsfeindlichen Aktivitäten fehlte.60 Der in die Landesversammlung eingebrachte Gesetzentwurf der SPD sah vor, diese strafrechtlichen Bestimmungen zum Umgang mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen in der Verfassung des Landes Hessen zu verankern. Teil dieser geplanten Regelungen war auch ein Abschnitt, der vorsah, Beamte, die ihrer verfassungsgemäßen Pflicht zur Anzeige verfassungsfeindlicher Aktivitäten oder zum Widerstand gegen ebensolche nicht nachkamen, strafrechtlich zu belangen. Interessant ist dabei, dass vorgesehen war, einen Beamten wegen Eidbruchs zu bestrafen, wenn er »durch sein pflichtwidriges Tun und Lassen die von ihm beschworene Verfassungstreuepflicht vorsätzlich verletzte; ebenso sollte bestraft werden, wer einer Dienstpflicht zuwider vorsätzlich gegen diese Verfassungsbestimmungen verstieß«.61 Hätte der Gesetzentwurf eine Mehrheit gefunden, so wäre das Prinzip des »Eidbruchs« in einer Verfassung verankert worden – was einem strafrechtlichen Novum gleichgekommen wäre. Den »Bruch« eines promissorischen Eides strafrechtlich zu verfolgen, das hatte es bis dahin nicht gegeben. Allein die nationalsozialistischen Juristen hatten den Eidbruch als strafrechtlich relevantes Delikt angesehen, ohne dass sich dies jedoch im Strafgesetzbuch niedergeschlagen hätte. Soweit kam es indes auch 1946 in Hessen nicht. Die verfassunggebende Landesversammlung konnte keine Einigkeit darüber erzielen, ob strafrechtliche Elemente überhaupt in die Verfassung aufzunehmen waren und letztlich wurde der Entwurf nicht umgesetzt, vor allem, weil eine bundesrechtliche Regelung des Strafrechts zu erwarten war.62 Kritik hatte sich indes nicht geregt an Zinns Vorschlag, den promissorischen Eidbruch zu einem strafrechtlichen Tatbestand weiterzuentwickeln. Dies zeigt, dass auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit viele Zeitgenossen dem Eid noch Bindungskraft zumaßen; selbst ein Sozialdemokrat wie Zinn, konservativen Überzeugungen eher fern, glaubte, den Eid hier dem Verfassungsschutz zunutze machen zu können. Im Gegensatz zur Jahrhunderte alten Tradition, den Zugriff auf das religiöse Gewissen über den Eid zur Sicherung politischer Loyalitäten zu nutzen, hätte die Regelung Zinns allerdings eine Verrechtlichung des promissorischen Eides bedeutet. Denn wenn der Eidbruch strafrechtlich relevant geworden wäre, hätte kein Weg darum herumgeführt, seinen Inhalt und damit den Inhalt der »Treuepflicht« klar zu regeln und 60 Zinn, Vorbemerkung Art. 146. 61 Schrader, Verfassungstreue, S. 302. 62 Zinn, Vorbemerkung Art. 148/149.

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wegzukommen von der über die disziplinarrechtlich festgelegten Amtspflichten hinausgehenden, potentiell »uferlosen« Interpretation der »Treue«. Der Vorstoß der hessischen SPD war im Rahmen der frühen Versuche, das Beamtentum an die freiheitlich demokratische Grundordnung zu binden und dabei auf den Eid als zentrales Mittel der Verfassungsbindung zurückzugreifen, in den späten vierziger Jahren sicherlich der weitreichendste. Doch auch darüber hinaus war es in den ersten Jahren des politischen und rechtlichen Wieder­ aufbaus üblich, den Eid dezidiert als Element des Verfassungsschutzes zu ver­ stehen. Zwar hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes darauf verzichtet, die Vereidigung der Beamten im Grundgesetz zu verankern – anders als dies noch in Weimarer Reichsverfassung der Falle gewesen war. Hingegen hatte man sich ausführlich mit der Vereidigung des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und der Bundesminister beschäftigt, was sich erklärt durch die Bedeutung, die dem Reichspräsidenten und seinem Eid in der Weimarer Republik zu gekommen war.63 Während der Entwurf von Herrenchiemsee zwar eine Vereidigung auf das Grundgesetz vorgesehen, auf eine Ausformulierung der Eidesformel jedoch verzichtet hatte, diskutierte der Parlamentarische Rat die Frage der Eidesformel vor allem des Bundespräsidenten ausgiebig und leidenschaftlich.64 Im Organisationsausschuss wurden dann Forderungen laut, die Eidesformel selbst ins Grundgesetz aufzunehmen und in ihrer Formulierung eindeutig zum Ausdruck kommen zu lassen, »daß der Bundespräsident zum aktiven Schutz der Verfassung verpflichtet sei, nicht lediglich zur passiven Teilnahme am Verfassungsleben.«65 Dabei griff man hinsichtlich der Formulierung des Eides anfangs auf den Eid des Reichspräsidenten der Weimarer Republik zurück, der gelautet hatte: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reiches wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werden.« Im Verlauf der Verhandlungen stellte der SPD-Abgeordnete Walter Menzel den Antrag, die Formulierung des Eides neu zu fassen. Er schlug die Formulierung, »das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen« vor, denn  – so sagte er  – »ich möchte, daß in der Eidesformel zum Ausdruck kommt, daß auch der Bundespräsident verpflichtet ist, aktiv tätig zu werden und den Staat im Rahmen seiner Kompetenz zu verteidigen.«66 Der Antrag wurde ohne weitere Diskussion und einstimmig angenommen und damit die aktive Verteidigung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung dem Staatsoberhaupt zur Pflicht gemacht. Der Bundespräsident leistet daher folgenden Eid: »Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von 63 Siehe Kap. 3.5. 64 Umbach, S. 340. 65 Ebd. 66 Hauptausschuss Parlamentarischer Rat, 8. Sitzung des Hauptausschusses, 24.11.1948, in: Feldkamp, S. 268.

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ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.«67 Umstrittener war die Frage, ob die religiöse Eidesleistung des Bundespräsi­ denten zur Regel gemacht werden sollte, verbunden mit einem Nachsatz, der die Ableistung des Eides auch ohne religiöse Beteuerung gestattete, wie dies Hans-Christoph Seebohm (DP) vorschlug. Sein Antrag wurde mit nur 10 zu 8 Stimmen vom Organisationsausschuss angenommen,68 was die nach wie vor umstrittene religiöse Verankerung des Eides aufzeigte. Die spätestens seit der Weimarer Republik mit aller Macht aufeinander prallenden »zwei Eides­begriffe«, der christliche und der »moderne«, finden sich auch hier wieder. Die konservative Lesart des Eides setzte sich durch. Damit war eine Entwicklung angestoßen, die auch für die Ausformulierung des Beamteneides von Bedeutung sein sollte. Die einmal vorgegebene religiöse Ausformulierung des Eides des Bundespräsidenten war hinsichtlich des Diensteides in der Beamtengesetzgebung der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre kaum mehr abzuändern. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat, welche über die Beamtengesetzgebung zu entscheiden hatten, und einer konservativen Bundes­ regierung, war die Beibehaltung der religiösen Eidesformel als dem »Normalzustand« naheliegend.69 Bezogen auf das Beamtentum hatten sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates mit einer zu genauen Vorwegnahme der zukünftigen Ausgestaltung zurückgehalten: Zwar wurde das Beamtentum, als ein Teil des öffentlichen Dienstes, im Grundgesetz vorgegeben und dieses Beamtentum in ein »öffentliches Dienst- und Treueverhältnis« gestellt. Doch darüber hinaus finden sich im Grundgesetz kaum klare Festlegungen hinsichtlich der Pflichten und Rechte der Beamten und auch keine Garantie politischer Freiheiten der Beamten, wie sie die Weimarer Reichsverfassung noch gekannt hatte. Es fehlt im Grundgesetz auch die Pflicht zur Vereidigung.70 Und obwohl es eine Reihe von Versuchen gegeben hatte, »eine Verfassungstreuepflicht des öffentlichen Dienstes zum Schutz der Grundordnung verfassungsrechtlich ausdrücklich festzulegen«, wurden diese nicht verwirklicht.71 So war 67 Vgl. Grundgesetz Art. 56, www.documentarchiv.de/brd/1949/grundgesetz.html. 68 Hauptausschuss Parlamentarischer Rat, 8. Sitzung des Hauptausschusses, 24.11.1948, in: Feldkamp, S. 268. 69 Konrad Adenauer z. B. hatte 1947 bei den Beratungen über die Verfassung Nordrhein-Westfalens auf den Verfassungsentwurf Walter Menzels, der eine Eidesleistung der Regierungsmitglieder in nicht-religiöser Form vorsah, »heftig reagiert« und sich als Verfechter einer religiösen Bindung des Eides gezeigt. Vgl.: Stenogr. Bericht der 20. Sitzung des Landtages von Nordrhein-Westfalen, 27.11.1947, zitiert nach: Pfetsch, S. 323. 70 Der Grundgesetzentwurf von Herrenchiemsee hatte die Vereidigung in Art. 147 noch aufgeführt, vgl. Schrader, Verfassungstreue, S. 310. 71 Ebd., S. 316. Eine Ausnahme bildet Art. 5 Abs. 3 GG – Freiheit der Lehre entbindet nicht von Treue gegenüber Verfassung.

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die Treuepflicht der Beamten zwar grundgesetzlich festgelegt, welche konkreten Rechte und Pflichten jedoch damit verbunden wurden, blieb ähnlich unklar, wie dies in früheren Systemen, beginnend bereits im Kaiserreich, der Fall gewesen war. Diese Aufgabe einer Definition der zukünftigen Treuepflicht der Beamten und der Interpretation der Bindungskraft des Eides fiel der Beamtengesetz­ gebung und damit dem Dienstrecht zu.72 In den Länderverfassungen und Beamtengesetzen der Länder dagegen war eine Pflicht zur »Verteidigung« oder »Bewahrung« der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für die Beamten in aller Regel aufgeführt.73 Die geschilderte Entwicklung der Eidesformel des Bundesbeamtentums mit der Verpflichtung, »das Grundgesetz und die Gesetze zu wahren«, bedeutete auf den ersten Blick eine sprachlich reduziertere Formel als jene »Treue der Reichsverfassung« in Weimar. Der Fortfall des Wortes »Treue« wurde durch die Verantwortlichen stillschweigend und übereinstimmend vorgenommen. An diesem Punkt wirkte die Erfahrung des Dritten Reichs unmittelbar: Während das Institut des Eides selbst, so sehr es auch vom nationalsozialistischen Regime in Anspruch genommen worden war, in »gesäuberter« Form weiterverwendbar schien, gehörte der Begriff der »Treue« zu jenen politischen Begriffen, die nach dem Dritten Reich – zumindest in den ersten Jahren – kontaminiert und damit tabuisiert erschienen. So versuchte die neue Eidesformel eine schwierige Gratwanderung zwischen dem Anspruch, den Eid beibehalten zu wollen und dem Bedürfnis, auf das nationalsozialistisch belastete Wort »Treue« zu verzichten. Dies bedeutete, bei allem Festhalten an beamtenrechtlichen Traditionen einen Bruch: Das Wort »Treue« oder »treu« – für die ideelle und ideologische Auslegung des Schwurs entscheidend  – war bis zu diesem Zeitpunkt ein zentrales Element des politischen Eides. Und zusätzlich zum Begriff der »Treue«, die der neuen Eidesformel im Vergleich zu »traditionellen« Eiden aus guten Gründen fehlte, enthielt sie mit dem Begriff »wahren« auch ein verhältnismäßig schwaches Verb im Vergleich etwa zu »verteidigen«.74 Grundgesetz und Gesetze waren in der Eidesformel auf eine inhaltliche Ebene gehoben, die es gleichermaßen nur zu »wahren« galt. Versuche, dem Grundgesetz einen herausgehobenen Charakter zuzuweisen, hatten sich nicht durchsetzen könnten. Die Verfassungsschutzfunktion des Eides war damit in dieser Formel sprachlich kaum festgelegt – was die Weimarer Republik sprachlich zu viel in die Treueformel gelegt hatte, war nun möglicherweise zu wenig. In jedem Fall trug eine solche Eidesformel nicht zur Stärkung einer institutionellen Verfassungstreue bei und stärkte auch den Eid als Ritual selbst nicht.

72 Ebd., S. 315. 73 Vgl. die Auflistung: Redelberger, S. 399/400. 74 Zu stärkeren (z. B. aufrecht erhalten, wahren, verteidigen, schützen) und schwächeren (z. B. beobachten, befolgen, erfüllen) Formulierungen in Eidesformeln vgl. Friesenhahn, Der politische Eid, S. 115.

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Damit folgte die Bundesregierung den frühen Bemühungen vor allem aus der Besatzungszeit um eine offensive »Nutzung« des Eides für den Verfassungsschutz nicht. Vielmehr hatte sich Anfang der fünfziger Jahre, gerade in den Unionsparteien, die Überzeugung durchgesetzt, die Ansprüche an die Treuepflicht der Beamten eher zurückhaltend zu formulieren. Dies bedeutete nicht, dass man nicht Verfassungstreue von den Beamten erwartete, doch tendierten die Bundesregierung und auch die Mehrheit die Abgeordneten dazu, die politischen Rechte der Beamten nicht allzu deutlich einzuschränken. Zwar gab es etwa im Beamtenrechtsausschuss Debatten über die Eidesformel und damit einhergehend auch über die Frage, welche Ansprüche an die Treuepflicht der Beamten zu stellen sein sollten. Insgesamt jedoch, und vor allem auf Seiten der Parteien des bürgerlichen Lagers, überwogen die Zweifel gegenüber einer umfassenden, expliziten Verpflichtung – ein direktes Nachwirken der Erfahrungen mit der »totalen« Treuepflicht des Nationalsozialismus. Die Erfahrungen der Weimarer Republik hatten gezeigt, dass auch die stark formulierte Eidesformel (»Ich schwöre Treue der Reichsverfassung«) durch Gesetzgeber, Disziplinargerichte und Wissenschaft eine schwache Auslegung als reines »Beobachten« der Verfassungsbestimmungen innerhalb des Dienstes erfuhr, auch wenn der Begriff der »Treue« traditionell eigentlich weitaus mehr als das nahelegte. Nun galt es in der jungen Bundesrepublik, die Beamten mit einer sprachlich schwächer formulierten Eidesformel letztlich stärker zu binden. Dabei sahen sich die verantwortlichen Politiker in einem Dilemma. Einerseits galt es, dem Eid nicht mehr jene potentiell unbegrenzte Bedeutung des Nationalsozialismus zuzusprechen und die Rechte des Individuums zu stärken. Auch wenn in den ersten Nachkriegsjahren kaum jemals thematisiert, so stand dieser Anspruch doch hinter allen Überlegungen zum Eid in der demokratischen Ordnung. Dem gegenüber galt es jedoch, die demokratische Ordnung so weit wie möglich zu schützen. Das Zurückdrängen der im Nationalsozialismus uferlos ausgeweiteten Treuepflicht bei gleichzeitiger Sicherung der freiheitlich-demo­ kratischen Grundordnung bestimmte die Frühphase der Bundesrepublik. Dieses Dilemma führt geradewegs hinein in die Auseinandersetzung um die Frage nach der Auslegung der »besonderen Treuepflicht«, die – wie schon in der Weimarer Republik – aufs engste verknüpft war mit der Frage nach den Grundrechten, die den Beamten als Staatsbürgern zukamen, beziehungsweise nach ihrer möglichen oder notwendigen Einschränkung durch die Verpflichtung zu »besonderer Treue«. Man verzichtete 1950 darauf, die im nationalsozialistischen Recht festgeschriebene Verpflichtung, der Beamte habe »jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einzutreten« in eine ähnliche Formulierung hinsichtlich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung umzuwandeln.75 Stattdessen verlangte man von den Beamten ein »Bekenntnis« zu dieser Grundordnung, aber eben auch nicht mehr. Insofern passt die zurück75 Schrader, Verfassungstreue, S. 327. Die »Gewährbieteklausel« findet sich in der Fassung von 1937 in Paragraf 26, Absatz 1.

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haltende Formulierung der Eidesformel, welche vorsah, das »Grundgesetz und die Gesetze zu wahren«, genau in diesen Zusammenhang. Was man 1950 darunter verstand, veranschaulichten die Diskussionen über das vorläufige Personalgesetz im Beamtenrechtsausschuss. In ihnen zeigten sich die unterschiedlichen Auffassungen im Hinblick auf die Ausgestaltung der Treuepflicht, die sich grob in den unterschiedlichen Schlagworten des »Eintretens« und des »Bekennens« klassifizieren lassen und als »abgestufte Verhaltensweisen von geringerer und stärkerer Intensität angesehen« wurden.76 Die Oppositionsparteien, vor allem die SPD, setzten sich für eine stärkere Verpflichtung der Beamten ein und forderten, dass der Beamte »innerhalb und außerhalb des Dienstes für die demokratische Ordnung zu wirken« habe. Durchsetzen konnte sich diese Position nicht: Die Mehrheit der Regierungskoalition stand einer stärkeren Verpflichtung der Beamten zu diesem Zeitpunkt skeptisch gegenüber und so kann man für das vorläufige Personalgesetz, und damit formal auch für das Beamtengesetz von 1953, das die Eidesformel des vorläufigen Personalgesetzes übernahm, feststellen: »Entscheidend für die Verfassungstreue war jedenfalls das äußere Verhalten, durch das das Bekenntnis zur Demokratie zum Ausdruck kam, während die innere Haltung oder Gesinnung nicht rechtserheblich war.«77 Die politischen Grundrechte der Beamten sollten auf diese Weise weitgehend gesichert bleiben. Zu diesem Zeitpunkt überwog das Bedürfnis, sich von der ausufernden Treuepflicht des Nationalsozialismus zu distanzieren und die Rechte des Individuums zu stärken. Nur wenige Monate später jedoch hatte sich die weltpolitische Situation grundsätzlich verändert, was innerhalb kürzester Zeit auch zu einem gewandelten Blick auf die Treuepflicht der Beamten führte. Mit Ausbruch des Koreakriegs78 begann die Bundesregierung zunehmend eine »Unterwanderung« des öffentlichen Dienstes durch kommunistische Kräfte zu befürchten. Das vorläufige Personalgesetz war zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedet und so bemühte sich das Kabinett, die politische Betätigung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gesondert zu reglementieren.79 Im September 1950 erließ die Bundesregierung den Beschluss zur »Politischen Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung«, den sogenannten »Adenauer-Erlass«.80 Der Beschluss stand für den Versuch, die im vorläufigen Personalgesetz unspezifisch festgehaltene Treuepflicht zu konkretisieren und in Verhaltensregeln umzusetzen. Entscheidend dabei war weniger der inhaltliche Bezug auf die Pflicht der Beamten, sich »durch ihr gesamtes Ver76 Ebd., S. 326. 77 Ebd., S. 325. 78 Zur Rolle des Koreakriegs bei der »Staatswerdung« der Bundesrepublik: Loth. 79 Schrader, Verfassungstreue, S. 234. Zum Umfeld und den Folgen des Erlasses der Bundes­ regierung: Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland, v. a. S. 75–94. Siehe auch: Foschepoth, Verfassungswidrig!. 80 Beschluss der Bundesregierung vom 19.9.1950: Politische Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung, BArch B 136/5109.

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halten zur demokratischen Staatsordnung zu bekennen«, als vielmehr die dem Beschluss beigefügte Liste an Parteien und Organisationen, deren Unterstützung als »schwere Pflichtverletzung« definiert wurde.81 Die Sorge vor »Unterwanderung« durch kommunistische Kräfte war dabei erheblich größer als jene vor den »alten« Nationalsozialisten, die allen Entnazifizierungsbestrebungen zum Trotz nun wieder in großer Menge im öffentlichen Dienst tätig waren.82 Die politischen und öffentlichen Reaktionen waren durchaus gemischt. Vor allem die Tatsache, dass mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Reichspartei (SRP) zwei Parteien auf der Liste standen, die nicht verboten waren, führte zu heftigen Diskussionen und Zweifeln an der Rechtsgültigkeit des Beschlusses. Angesichts dieser Kritik an dem Beschluss bemühte sich die Bundesregierung 1951, ihren Standpunkt mit einem »Gesetz über die politische Treuepflicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes« zu untermauern und zu legalisieren.83 Hier wurde ein Weg beschritten, der hin zu einer dienstrechtlichen Normierung der Treuepflicht hätte führen können, in ähnlicher Weise wie dies in der Weimarer Republik versucht worden war.84 Inhaltlich verwies auch dieser Gesetzentwurf auf die Verpflichtung der Beamten, sich »durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsordnung zu bekennen«, definierte aber außerdem klare Grenzen einer politischen Betätigung für die Beamten im Hinblick auf die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen. Das Gesetz wurde jedoch in der laufenden Legislaturperiode nicht verabschiedet und in der folgenden nach Erlass des Bundesbeamtengesetzes auch nicht mehr vorgelegt.85 Daher erfolgte in der jungen Bundesrepublik keine weitergehende rechtliche Ausdifferenzierung der Treuepflicht beziehungsweise des Beschlusses der Bundesregierung, der damit ohne gesetzlichen Rahmen blieb. Die Rückkehr zum traditionellen Treuepflicht-Modell verband sich mit einer Weigerung, die Treuepflicht gesetzlich stärker auszuformulieren, »um nicht zu einer Aufzählung von

81 In der dem Beschluss beigefügten Liste waren folgende Organisationen genannt: Die kommunistische Partei Deutschlands mit allen ihren Unterorganisationen, die sozialdemokratische Aktion, die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Vereinigung der Sowjetfreunde, die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjet-Union, der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, der gesamtdeutsche Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft, das Komitee der Kämpfer für den Frieden, das Komitee der Jungen Friedenskämpfer, die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, die Sozialistische Reichspartei, die sogenannte »Schwarze Front« (Otto-Strasser-Bewegung), die »Nationale Front« (Dachorganisation). Vgl. ebd. 82 Vgl. Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland, S. 75–94. 83 Bereits im Dezember 1950 lag ein erster Entwurf vor. Vgl. Gesetz zur Bekämpfung der Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung. Anhang zum Schnellbrief des Bundesministers des Innern an den Herrn Staatssekretär des Innern, 29.12.1950, BArch 136/5109. 84 Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung, S. 19. 85 Vgl. Schrader, Verfassungstreue, S. 354.

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Pflichten zu kommen und die allgemeine Beamtenpflicht, die aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis hervorgeht […] zu entwerten.«86 Man entschied sich also Anfang der fünfziger Jahre hinsichtlich der Treuepflicht den Weg zurück einzuschlagen: Die Entwicklung ging nicht in Richtung eines gesetzlich normierten »Dienst- und Gesetzlichkeitsmodells«, bei dem die Treuepflicht gewissermaßen »verrechtlicht« worden wäre. Stattdessen bewegte man sich mit aller Macht zurück ins traditionelle Treuepflicht-Modell, bei dem die Treuepflicht der Beamten in überkommener Weise unspezifisch festgelegt und in der Auslegung von der politisch-juristischen Interpretation abhängig war.87 Die Gewähr für die Erfüllung dieses nun revitalisierten Treuepflichtmodells sollte ebenfalls traditionell der »Inhalt des Diensteides« sein.88 Es gelang nicht, den ideologischen Überbau einer undefinierten und im über- und nebenrechtlichen »Eid« verankerten Treuepflicht durch gesetzliche Regelung abzubauen. Die zunehmende Sorge vor kommunistischer »Unterwanderung«, die sich bereits im Erlass der Bundesregierung von 1950 gezeigt hatte, führte zu einer Verschärfung des Anspruchs an die Treuepflicht der Beamten. Dies begann mit der Wiedereinführung einer Gewährbieteklausel. Denn nun griff die Bundesregierung in ihrem Entwurf zum Bundesbeamtengesetz auf die Gewährbiete­ klausel des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 zurück (Paragraf 26, Abs. 1 Nr. 3 DBG von 1937) und formulierte als Voraussetzungen einer Berufung in das Beamtenverhältnis, ein Bewerber müsse die Gewähr dafür (bieten), »daß er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintritt«.89 Damit schloss die Bundesrepublik in beamtenrechtlicher Hinsicht an die Gewährbieteklausel des Dritten Reichs an, welche erstmalig im Deutschen Beamtengesetz von 1937 festgelegt gewesen war. Vor 1937 war eine solche beamtenrechtliche Gewährbieteklausel gesetzlich hingegen nicht formuliert gewesen (wenn auch vielleicht vor 1918 immanent).90 Die Bundesregierung versuchte im Bundesbeamtengesetz auch, die politische Aktivität der Beamten stärker einzuschränken als zuvor: Mit der Bestimmung, dass ein Beamter »in der Öffentlichkeit nicht als aktiver Anhänger einer politischen Partei hervortreten« dürfe, versuchte man ein Verbot einer parlamentari­ 86 Nachtrag zum Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Entwurf eines Bundesbeamtengesetzes (Nr. 2846, 4246 der Drucksachen), Bericht des Abg. Dr. Kleindienst vom 6.5.1953, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/042/0104246zu.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 87 Zur Unterscheidung vgl. u. a. Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung. Vgl. auch: Scherb, S. 76–81. 88 Nachtrag zum Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Entwurf eines Bundesbeamtengesetzes (Nr. 2846, 4246 der Drucksachen), Bericht des Abg. Dr. Kleindienst vom 6.5.1953, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/042/0104246zu.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 89 Siehe auch: Schrader, Verfassungstreue, S. 341/342. 90 Ebd., S. 342. Siehe auch: Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung, S. 22.

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schen Tätigkeit von Beamten zu implementieren.91 Durchsetzen konnte sich diese Idee, gegen die man sich in den späten vierziger Jahren angesichts der alliierten Forderungen eines Mandatsverbots für Beamte noch heftig gewehrt hatte, nicht. Das Plenum des Bundestages strich den Absatz ersatzlos, da er gegen grundgesetzlich garantierte Rechte verstieß. Dies ändert jedoch nichts daran, dass in der Folgezeit auch in der wissenschaftlichen Kommentierung der Beamtengesetzgebung die Einschränkung der politischen Grundrechte der Beamten als selbstverständliches Mittel des Verfassungsschutzes beziehungsweise strengere »Treuepflicht«-Vorgaben für die Beamten als selbstverständlich angesehen wurden.92 Begründet wurde diese Position mit dem »zentrale[n] Erklärungsmuster für den Untergang der ersten deutschen Demokratie«, der Überzeugung, dass es gerade der »Relativismus« gewesen sei, der den Demokratiefeinden in Weimar weitgehende Freiheit in ihrem Kampf gegen die Republik gelassen hätte.93 Juristisch zu rechtfertigen waren Grundrechtsbeschränkungen durch die Formel des »besonderen Gewaltverhältnisses«, das nun wieder eine zunehmende Bedeutung erlangte.94 Sie erlaubte die Betonung einer höheren Treuepflicht von Beamten im Vergleich zum »normalen« Staatsbürger. Auch die Ausweitung der Treuepflicht auf Tätigkeiten sowohl innerhalb wie auch außerhalb des Dienstes (»jederzeit«) wurde nun wieder stärker betont als Ende der vierziger Jahre. Die Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stand in den frühen fünfziger Jahren über dem individuellen Freiheitsrecht der Beamten. »Bonn ist nicht Weimar« galt auch im Hinblick auf das Beamtenrecht und die Beamtenschaft wurde – nach anfänglichem Zögern – gezielt eingebunden in den Schutz der Verfassung.95 Neben den Grundrechtseinschränkungen im Interesse des Verfassungsschutzes, legitimiert durch das »besondere Gewaltverhältnis«, schien es jedoch nötig, die Verfassungstreue der Beamten auf anderem Wege zu stärken. Dazu gehörte auch, »das Berufsethos des Berufsbeamtentums neu zu beleben, zu leben und zu gestalten.«96 In dem Versuch, auf ein Beamtenethos zurückzugreifen, das sich in nostalgischer Form auf ein verklärtes Beamten91 Schrader, Verfassungstreue, S. 344. 92 Vgl. bspw.: Mangoldt, S. 133ff; Ule. Vgl. auch zusammenfassend: Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 4, S. 309–317. 93 Ullrich, S. 348. 94 Zum besonderen Gewaltverhältnis vgl. zeitgenössisch: Köhl; Krüger, Das besondere Gewaltverhältnis; Leisner; Münch; Thieme; Wilhelm, Die Beschränkbarkeit der Grundrechte. Jüngere Literatur u. a.: Evers; Luthe; Marten. 95 Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung, S. 22. In der Debatte um das vorläufige Personalgesetz, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020.) etwa betonte beinahe jeder Redner dieses »Lernen« aus der Rolle, die das Beamtentums vermeintlich beim Untergang der Weimarer Republik gespielt hatte. 96 Franz-Josef Wuermeling (CDU), Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, 1290, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). Vgl. auch: Fisch.

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tum des Kaiserreichs bezog, spiegelt sich die Rückwärtsorientierung des Beamtenrechts der frühen fünfziger Jahre. Noch 1960 erschien ein leicht melancholischer Artikel des Erlanger Kirchenrechtlers und Rechtshistorikers Hans Liermann zum Beamtenethos.97 Es ging darin nicht zuletzt um den Eid und die Treuepflicht, und Liermann schilderte die Wirkung der Aufhebung des »Bandes persönlicher Treue« 1918, die in ihren »Auswirkungen nicht unterschätzt werden« dürfe. »An die Stelle der natürlichen, für jedermann vorstellbaren, im Bilde in jeder Amtsstube zu findenden Person des Monarchen ist die juristische Person, der abstrakte Staat getreten. Es läßt sich nicht bestreiten, daß rein gefühlsmäßig einem derart unsichtbaren Wesen gegenüber die ethische Bindung in Treue nicht ganz einfach ist.«98 Hier zeigt sich, wie lange die Konzepte der personalen Bindung im Eid nachwirkten und wie schwierig der Transformationsprozess hin zu einem »Eid der Demokratie« war, der in der Weimarer Republik nicht gelungen war. Dies lag indes auch an Entwicklungen, die außerhalb des Rechtsraums lagen. Denn just zu dem Zeitpunkt, als die beamtenrechtliche Treuepflicht wieder in alter Weise gesetzlich normiert und der Eid als ihr Symbol wiedereingeführt war, flammte eine Diskussion auf, die sich an der Rolle des »Führereides« im Widerstand gegen den Nationalsozialismus entzündete.

5.3 Der Eid als Element der »Vergangenheitspolitik« Wurzelnd in den beschriebenen Konflikten um eine grundsätzliche Neuordnung des öffentlichen Dienstes in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Alliierten und Westdeutschen, in Abgrenzung zu den Entwicklungen in der DDR und aufgrund einer gezielten Interessenpolitik der Beamten war es Anfang der fünfziger Jahre zu einer schnellen Wiedereinführung des Eides im Beamtenrecht gekommen. Von der Öffentlichkeit war dies mehr oder weniger unbemerkt geblieben, gerade weil die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung den Eid primär und ausschließlich als beamtenrechtliches Element verstanden. Ganz bewusst spielte daher die weitergehende Rolle des Eides – im National­ sozialismus im Speziellen, aber auch in der Beziehung zwischen Staat und Individuum im Allgemeinen  – in der Diskussion um seine Wiedereinführung kaum eine Rolle. Die weit über das rein normative Verständnis hinausgehende Rolle des Eides zwischen Selbstbindung und Herrschaftssicherung, die systemfestigende Funktion, die der Eid im Herrschaftsgefüge nicht nur des National­ 97 Hans Liermann, geb. 23.4.1893, gest. 22.2.1976, übernahm 1929 den Lehrstuhl für Kirchenrecht und Rechtsgeschichte an der Universität Erlangen. Nach 1933 trat er der SS als förderndes Mitglied und weiteren nationalsozialistischen Organisationen bei, außerdem war er Mitglied des Landessynodalausschusses. 1961 wurde er emeritiert. 98 Liermann, S. 241/242.

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sozialismus eingenommen hatte, konnte und durfte in dieser Situation der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre keine Rolle spielen, wenn es allein darum gehen sollte, das traditionelle Berufsbeamtentum in seiner Struktur zu sichern. Doch kaum waren die beamtenrechtlichen Strukturen mit der Wiedereinführung des Eides etabliert, änderte sich die Situation. An verschiedenen Stellen brach die Diskussion um den Eid in den frühen fünfziger Jahren auf, vor allem im Kontext von Gerichtsentscheidungen: So stand im sogenannten Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1953 der Eid im Mittelpunkt der Argumentation. Die breite Rezeption des Urteils brachte die Frage nach der Rolle des Beamteneides im Nationalsozialismus in den Fokus von Öffentlichkeit und Wissenschaft. Dabei fügte sich diese Diskussion über die Rolle der Beamten ein in einen breiteren Kontext. Denn die junge Bundesrepublik setzte sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit dem Vorjahr mit dem »Führereid« auseinander, seit sich im Prozess gegen den Nationalsozialisten Otto Ernst ­Remer im März 1952 die Beurteilung der Verschwörung vom 20. Juli 1944 nicht zuletzt an der Frage des »Eidbruchs« festgemacht hatte. Diese beiden Gerichtsverfahren begannen die Sicht auf den politischen Eid nachhaltig zu verändern. 5.3.1 Das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts Obwohl der Remer-Prozess dem Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts zeitlich vorgelagert gewesen war, soll im Folgenden zuerst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fokus stehen, weil es sich stärker als die Argumentation im Remer-Prozess gezielt und unmittelbar auf den Beamteneid bezog. Erst im nächsten Schritt wird dann der Blick auf den Remer-Prozess und damit auf die Debatte über den »Führereid« und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus ausgeweitet. Unmittelbar nach der Verabschiedung des Bundesbeamtengesetzes fällte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das die Debatte über den Eid innerhalb des Rechtssystems deutlich anheizte, gerade nachdem Eid und Treuepflicht im Beamtentum in überkommener Weise »wiederhergestellt« waren. Das »Beamtenurteil« des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1953 beschäftigte sich mit den Ansprüchen jener Beamter,99 die 1945 in Folge von Kriegsende und Niederlage, Flucht und Vertreibung sowie Entnazifizierungsmaßnahmen aus dem Amt geschieden waren und nun gegenüber der Bundesrepublik einen

99 Insgesamt 34 ehemalige Beamte und Versorgungsempfänger hatten gegen das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 GG fallenden Personen vom 11.5.1951 vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.1953 zum Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen. Aus historischer Perspektive: Frei, Vergangenheitspolitik, S. 69–99.

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Anspruch auf Weiterbeschäftigung erhoben.100 Die Regelung des Problems der »verdrängten« Beamten hatte das Grundgesetz in Artikel 131 dem Gesetzgeber überantwortet. Die Bundesregierung hatte im Mai 1951 versucht, die sich daraus ergebenden Probleme im »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen« zu lösen.101 Es konzentrierte sich darauf, praktische und finanzielle Regelungen für die betroffenen Beamten zu finden, etwa durch eine Pflicht zur Wiedereinstellung für den öffentlichen Dienstherrn und Zahlung eines Übergangsgehaltes bis zur Wiederverwendung.102 Ausgenommen von diesen Ansprüchen waren indes jene Beamten, die aufgrund nicht-beamtenrechtlicher, sprich politischer Gründe (z. B. rechtskräftiger Spruchkammerbescheide)  entlassen worden waren. Diese Entscheidung führte zu einer Reihe von Klagen gegen das Gesetz. Die Gegner des Gesetzes argumentierten mit der sogenannten »Suspensionstheorie« – der Theorie also, dass die 1945 aus dem Dienst geschiedenen Beamten nicht entlassen, sondern von den Alliierten nur vorübergehend »suspensiert« worden seien. Diese seit den späten vierziger Jahren in die Diskussion gebrachte behauptete beamtenrechtliche Kontinuität zwischen Nationalsozialismus und Bundesrepublik schien die Ansprüche der ehemaligen Beamten auf Wiederverwendung und Entschädigung zu stützen. Ähnlich wie auch beim Eid war das Kernstück der 131er-Argumentation, das Problem der ehemaligen Beamten als rein rechtliches zu beschreiben und dabei anzunehmen, man könne das Beamtenrecht betrachten, ohne die politischen Verwerfungen durch Kapitulation und Kriegsende miteinzubeziehen. Dies »entsprach dem [juristischen] Kontinuitätsdenken der Nachkriegszeit, das, je weiter sich die Verhältnisse konsolidierten, um so mehr auf dem Standpunkt stand, daß im Grunde stets (auch nach 1933 und 1945) alles beim Alten geblieben sei und daß man durch Umstürze im Verfassungsleben keinen Anlass habe, den Rechtsbegriff und die juristische Methode stärker auf die politisch-geschichtliche Wirklichkeit zu beziehen.«103 Auch der Bundesgerichtshof hatte sich mehrfach mit den 131ern und ihren Forderungen auseinandergesetzt und dabei die These der Kontinuität des Beamtenrechts zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik vertreten. Hauptargument vor allem des Großen Senats war gewesen, dass auch im Nationalsozialismus der Rechtsstaat und die Grundrechte »aufgrund ihres naturrechtlichen Charakters« weitergegolten hätten und damit auch über das Jahr 1945 hinweg

100 Vgl. zusammenfassend zu den »131ern«: Frei, Vergangenheitspolitik, Kap: Versorgung und Rehabilitierung der 131er, S. 69–99; Kirn, hier S. 115. Siehe auch: Rigoll, Das Gründungspersonal der Bonner Bundesbehörden. 101 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. 102 Kirn, S. 124. 103 Ebd., S. 120.

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weiterbestünden.104 Damit postulierte der BGH eine nicht nur auf das Beamtenrecht bezogene rechtsstaatliche Kontinuität zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik, was als die »juristische Variante der allgemeinen Verleugnungshaltung der Nachkriegszeit gegenüber dem Dritten Reich« bezeichnet worden ist.105 Das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts ist als Reaktion auf diese Kontinuitätsthese in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzusehen, als alternative Antwort auf die Frage, ob sich die Ansprüche der 131er aus dem Fortbestehen ihres Beamtenverhältnisses über den Zusammenbruch des natio­ nalsozialistischen Deutschland hinaus begründen ließen. Das Gericht fand hier – entgegen der herrschenden Meinung – eine klare Position und deutliche Worte: »Alle Beamtenverhältnisse sind am 8. Mai 1945 erloschen.«106 Das Urteil begründete diese Auffassung auf mehreren Ebenen. Es bezog klar Stellung gegen die oben geschilderte »rein rechtliche« Argumentationsweise. Eine Antwort auf die Frage, ob die Auffassung der betroffenen Beamten »vom Weiterbestehen ihrer Rechte richtig« sei, ließ sich nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts »nur gewinnen, wenn man die Ereignisse vom Mai 1945 in ihrer politisch-historischen und in ihrer staatsrechtlichen Bedeutung erkennt  […]«.107 Damit war ein entscheidender Schritt getan: Angesichts einer weitgehenden Verdrängung historisch-politischer Sachverhalte in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft der frühen fünfziger Jahre bezog der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine »politische Gegenposition« und betonte den historischen Einschnitt der bedingungslosen Kapitulation des Mai 1945, der weit über die Verfassung hinaus eben auch in Bereiche des öffentlichen Rechts und des Beamtenrechts ausstrahlte. Der Wechsel der Staatsform ließ nach dieser Überzeugung das zum Staat bestehende Beamtenverhältnis nicht unberührt und daher konnte man nach Auffassung des Gerichts in der Gegenwart der fünfziger Jahre nicht mehr von einer »ungebrochen fortbestehenden« Beamtenrechtsordnung ausgehen.108 Das Bundesverfassungsgericht bezog hier eine für die Gegenwart der frühen fünfziger Jahre selten klare Position im Kontext der westdeutschen Vergangenheitspolitik und machte klar, dass eine »Enthistorisierung« der deutschen Vergangenheit – für die die zur Verhandlung stehenden beamten­rechtlichen Fragen ja nur ein Beispiel waren – den Problemlagen nicht angemessen war. Die Feststellung, dass die Beamtenverhältnisse im Mai 1945 erloschen waren und von einer rein beamtenrechtlichen Kontinuität über 1945 hinaus nicht die Rede sein konnte, begründete das Bundesverfassungsgericht mit der Natur des 104 Ebd., S. 128/129, bezogen auf das Urteil vom 10./11.6.1952. Der Beamtenrechtssenat (dritter Zivilsenat) des BGH versuchte in drei Urteilen vom 15.3.1951, 10.5.1951 und vom 5.7.1954 eher, eine Kompromisslösung anzubieten. Vgl. ebd., S. 131–144. 105 Ebd., S. 151/165. 106 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.1953 zum Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen, S. 58. 107 Ebd., S. 85. 108 Ebd., S. 116/119.

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Beamtenverhältnisses im Nationalsozialismus. Dieses sei durch die nationalsozialistischen Veränderungen im Beamtenrecht in »seiner rechtlichen Natur entscheidend umgestaltet« und an das Regime gekoppelt worden, so dass notwendigerweise mit dem Untergang des Nationalsozialismus auch das nationalsozialistische Beamtentum erloschen sein musste.109 Bei der Schaffung dieses nationalsozialistischen Beamtentums kam dem Eid, den die Beamten Hitler geleistet hatten, in der Argumentation des Gerichts eine zentrale Bedeutung zu. Denn gerade durch den Eid sei das Beamtentum in ein »besonderes persön­liches Treueverhältnis zu Hitler und in ein Abhängigkeitsverhältnis zur NSDAP« überführt worden.110 Mittels ausführlicher Zitierung staatsrechtlicher Literatur der nationalsozia­ listischen Zeit bemühte sich das Bundesverfassungsgericht, seine Argumen­ tation zu untermauern. Der Eid habe »›ein besonderes persönliches Band‹ zwischen jedem Beamten und Hitler geschaffen […]. Diese persönliche Bindung gab dem Beamtenverhältnis rechtlich eine neue, den bisherigen Inhalt umstürzende Grundlage.« Der neue Eid »verpflichtete […] jeden Beamten, ›die Treue dem Führer bis zum Tode zu halten‹, so dass es sich ›bei dem durch das Beamten­ verhältnis begründeten Pflichtverhältnis […] um eine beinahe ordensmäßige Bindung an Führer und Reich handelte‹.«111 Gleichzeitig habe der Eid »›auch ein Treueverhältnis zur nationalsozialistischen Bewegung begründet‹«,112 eine Auffassung, die das Bundesverfassungsgericht mit einem ausführlichen Zitat Ernst Rudolf Hubers belegte: »›Nicht die Bindung an eine abstrakte Rechtsnorm oder an eine formale Institution, sondern die unmittelbare existentielle Verpflichtung des Gefolgsmannes auf die Person des Führers wird in diesen Eiden bekräftigt. […] Die durch diesen politischen Eid angelobte politische Treue gegenüber dem Führer des Volkes und Reiches ist die gestaltende und wesensbestimmende Kraft des öffentlichen Dienstes‹.«113 Für das Bundesverfassungsgericht ergab sich aus dem »Führereid«, dass das Beamtentum im Nationalsozialismus »vom Bestehen der in Hitler verkörperten nationalsozialistischen Herrschaftsform schlechthin abhängig war«. Der Eid habe »das Treueverhältnis zum Reich nur über Hitler und die Abhängigkeit vom Willen der NSDAP« begründet und den Beamten verpflichtet, »daß er jederzeit für den von der NSDAP getragenen nationalsozialistischen Staat eintreten« musste. Dies habe dem Beamtenverhältnis im nationalsozialistischen Staat ein besonderes rechtliches Gepräge« gegeben.114 109 Ebd., S. 98. 110 Ebd., S. 95. 111 Hier zitierte das Bundesverfassungsgericht im Binnenzitat Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, S. 21 f. 112 Binnenzitat aus: Brand, Das deutsche Beamtengesetz, S. 136. 113 Binnenzitat aus: Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 406/407. 114 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.1953 zum Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen, S. 99–102.

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Was das Bundesverfassungsgericht mit dieser Argumentationskette tat, war, das nationalsozialistische Verständnis des Beamtenverhältnisses ernst zu nehmen. Das spezifisch nationalsozialistische Treue-Verständnis wurde in der Urteilsschrift nicht als ideologischer Überhang des Regimes, sondern als zentra­ les Element innerhalb eines Verfassungssystems verstanden, das nicht nur – aber eben auch – das Beamtenverhältnis im Dritten Reich prägte. Für dieses Treueverhältnis stand aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts der Eid sowohl als Symbol als auch als Initiationsritual. Die enge persönliche Bindung an Hitler, aber auch an die NSDAP, erschien dem Gericht als Kernelement des Beamtentums im Dritten Reich. Damit nahm man einen dezidiert historisch argumentierenden Standpunkt ein. Mit dem Bezug auf den Eid als Kernpunkt seiner Argumentation hatte das Bundesverfassungsgericht eine zweischneidige Waffe gezogen. Einerseits hatte sich der Eid schon immer nur schwer in ein »rein rechtliches« Denken einfügen lassen. Daher passte der Bezug auf den Eid hervorragend zu einer nicht rein rechtlichen, sondern auch soziologisch-politisch-historischen Argumentationslinie. Der Eid stand dem Bundesverfassungsgericht als Beispiel für ein Herrschafts- und Verwaltungsverständnis des Nationalsozialismus, das über ein verwaltungs- und beamtenrechtliches Denken hinausging. Die Inanspruchnahme der »ganzen Person« des Beamten, die sich im Eid auf den »Führer« spiegelte, die absolute »Treue«, die im Eid geschworen wurde, waren Kernelemente des nationalsozialistischen Beamtenverhältnisses. Indem das Bundesverfassungsgericht gerade diese Kernelemente herausgriff, weigerte es sich, sich auf die rein rechtliche Argumentationsweise der herrschenden Meinung einzulassen und zwang seine Kritiker mit dem Bezug auf den Eid, die rein rechtliche Argumentationslinie zumindest ansatzweise zu verlassen. Andererseits eröffnete die starke Bedeutung, die das Gericht dem Eid zumaß, auch Angriffsflächen. Denn wer sich grundsätzlich der historischen Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts verweigerte, konnte den Bezug auf den Eid relativ leicht bei Seite schieben: die fehlende normative Bedeutung des Eides im Beamtenrecht öffnete hier argumentativ viele Möglichkeiten. Die Kritik an dem Urteil setzte unmittelbar nach der Urteilsverkündung ein, sowohl innerhalb der rechtswissenschaftlichen Community als auch in einer breiteren Öffentlichkeit. Das Urteil stieß auf den »geschlossenen und erbitterten Widerstand der deutschen Staatsrechtslehre«.115 Beinahe sämtliche Vertreter des Fachs widersprachen dem Urteil, die juristischen Zeitschriften des Jahrgangs 1954 quollen geradezu über vor Artikeln zum Thema.116 Prominentester Wider­sacher des Bundesverfassungsgerichts war indes der Bundesgerichtshof. Kein halbes Jahr nach dem Beamtenurteil kam es am 20. Mai 1954 zu einem 115 Dreier, Verfassungsstaatliche Vergangenheitsbewältigung, S. 168/169. 116 Michael Kirn spricht von 40 Aufsätzen zum Beamtenurteil. Vgl. Kirn, S. 205, FN 2. Vgl.: Die Wissenschaft zum Spruch von Karlsruhe; Der deutsche Staat im Jahre 1945 und seither.

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Beschluss des Bundesgerichtshofs, der »frontal und nicht ohne aggressive Emotion […] den unzweifelhaften Höhepunkt der Kritik am Beamtenurteil« darstellte.117 Mit aller Macht widersetzte sich der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung der These von der Weitergeltung des Beamtenverhältnisses über das Jahr 1945 hinaus. Außerdem widersprach das Urteil in traditionell staatszentrierter Perspektive der These des Bundesverfassungsgerichts, dass das Beamtenverhältnis nach 1933 eine nationalsozialistische Umformung erfahren habe.118 Vielmehr habe »das Beamtentum verwaltende und rechtsprechende, nicht aber im eigentlichen Sinne politische Funktionen […], also Funktionen, die der Staat als solcher immer übt und die weitgehend unabhängig sind von seiner wechselnden Erscheinungsform und den in diesem Wechsel sich ausdrückenden politischen Kräften. Deswegen ist der Beamte an den Staat als solchen, nicht den Staat in irgendeiner bestimmten organisatorischen Verfassung, gebunden. Das ist der rechtliche Kern des Beamtenverhältnisses.«119 Die Bedeutung des Verfassungszustandes für das Wesen des Beamtentums wurde hier mehr oder weniger komplett zurückgenommen; dem gegenübergestellt »der unpolitische Dienst am unpolitischen Staat als solchem«.120 Dieser Dienst bildete die eigentliche Kontinuitätslinie in den Augen der Richter des Bundesgerichtshofs, in der sich »der Staat, dessen legitime Aufgaben fortbestanden und der in diesem wahren, inneren Kern von dem nationalsozialistischen Terror nicht berührt wurde, und das Beamtentum, soweit es sich innerlich und in Erfüllung dieser legitimen Staatsaufgaben dem Terror nicht beugte, weiterhin gegenseitig verpflichtet« blieben.121 Von einem Erlöschen der Beamtenverhältnisse im Mai 1945 könne daher keine Rede sein. Im Kontext dieser Grundthese versuchte der Bundesgerichtshof nun die vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfene Frage nach der Bedeutung des »Führereides« zu beantworten. Die Beamten hätten den Eid auf den »Führer« nicht als Bindung an die Person Adolf Hitlers verstanden, sondern als Bindung an das Staatsoberhaupt, die Bindung an die NSDAP als »Respektierung einer politischen Mehrheitsentscheidung der Nation«, die indes als »aufgezwungene Bindung […] nur unwillig, unter scharfer innerer Ablehnung und unter schärfstem Terror ertragen« worden sei.122 Daher sah der Bundesgerichtshof  – ganz im Duktus vergangener Zeiten – »eine wesensmäßige Entartung« des Beamtentums im Nationalsozialismus als nicht gegeben. 117 Kirn, S. 206. Vgl. auch: Kutscher, S. 212–221. 118 Zur Staatszentrierung der bundesdeutschen Staatsrechtslehre: Günther. 119 Das Urteil erging anlässlich einer Klage auf Ruhestandsbezüge durch einen bereits 1938 in den Ruhestand getretenen ehemaligen Beamten. Vgl.: Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen zum Umfang der Bindung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 20.5.1954, S. 296. 120 Kirn, S. 216. 121 Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen zum Umfang der Bindung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 20.5.1954, S. 301. 122 Ebd., S. 299.

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Eine derartige Maßregelung des Bundesverfassungsgerichts durch ein anderes Gericht ist bis heute einzigartig. Das Bundesverfassungsgericht wiederum nutzte die nächste sich bietende Gelegenheit, das sogenannte »Gestapo-Urteil« vom 19. Februar 1957, um auf die verschiedenen Kritiken zu reagieren und auf seinen Thesen zu bestehen.123 Dass sich die beiden obersten Gerichte so diametral in ihren Einschätzungen gegenüberstanden, hatte wohl auch mit den unterschiedlichen Lebenswegen der verhandelnden Richter (und einer Richterin am Bundesverfassungsgericht) zu tun. Ihre unterschiedliche Bewertung der beamtenrechtlichen Fragen wurzelte nicht zuletzt in ihren unterschiedli­ chen biografischen Erfahrungen. Von den elf Richtern und der einen Richterin des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, die das Beamtenurteil fällten, waren vier 1933 aufgrund des Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufs­beamtentums entlassen worden. Weitere vier hatten sich freiwillig aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst zurückgezogen oder waren aus politischen Gründen entlassen worden. Nur einer von ihnen hatte im Dritten Reich tatsächlich als Beamter gearbeitet.124 Demgegenüber sah das Profil des Bundesgerichtshofs ganz anders aus. Durchschnittlich 80 Prozent der Richter am Bundesgerichtshof waren auch zwischen 1933 und 1945, meist bereits als Richter, im Staatsdienst gewesen. Demgegenüber waren nur etwa fünf Prozent der Richter nach 1933 entlassen worden oder freiwillig ins Exil gegangen. Über dreißig der späteren Richter am Bundesgerichtshof erfreuten sich zwischen 1933 und 1945 Beförderungen.125 So ging es beim Beamtenurteil und der sich anschließenden Diskussion letztlich auch um die Beurteilung des eigenen Verhaltens in den Jahren des Nationalsozialismus: Wer den Eid auf den »Führer« selbst nicht geleistet hatte – so wie die Mehrheit der Bundesverfassungsrichter –, der beurteilte ihn Anfang der fünfziger Jahre möglicherweise harscher als derjenige, der den Eid geleistet hatte. Und dies in aller Regel nicht, weil man dem Eid 1934 keine Bedeutung zugesprochen hätte oder weil man tatsächlich dem oben genannten Argument des reinen »Staatsdienstes« angehangen hätte. Es mag diese Positionen individuell durchaus gegeben haben. Doch hat die Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts erhellend gezeigt, dass eine Mehrzahl der Juristen dem Eid im Dritten Reich durchaus eine zentrale Rolle zugesprochen hatte. Die ideologische Überhöhung der »Treue«, die inszenatorische Ausgestaltung der Vereidigung, all dies wird seinen Teil dazu beigetragen haben. So war das Beamtentum – trotz aller von der Forschung auch aufgezeigten Rivalitäten und Konflikte zwischen traditioneller Verwaltung und Partei – im Nationalsozialismus eben tatsächlich ein zentraler Baustein im Herrschaftsgefüge des Regimes. Dies so deutlich auszusprechen, wie es das Bundesverfassungsgericht tat, war aber Anfang der fünfziger Jahre noch nicht mehrheitsfähig.

123 Siehe hierzu: Kirn, S. 259–276. 124 Vgl. die tabellarischen Angaben in: Ley. 125 Fest, Die Bundesrichter, S. 104. Vgl. auch: Ohe; Godau Schüttke

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Auch abgesehen von der Intervention des Bundesgerichtshofs schlug den The­ sen des Bundesverfassungsgerichts Kritik entgegen, die sich in zwei Lager einteilen lässt. Die erste – weitaus größere – Gruppe von Autoren kritisierten das Beamtenurteil »auf der Basis verfassungsabsoluter Konzeptionen von Recht und Staat«.126 Dies führte zu einem Kontinuitätsdenken, das die verfassungsrechtliche Realität des Nationalsozialismus ausblendete und daher das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ablehnte. Eine zweite Gruppe argumentierte »verfassungsrechtlich und relativ wirklichkeitsnäher als die reinen Rechtstheoretiker«: Hier wurde der Nationalsozialismus als Auseinandersetzung zwischen einem öffentlichen nationalsozialistisch geprägten Verfassungsgefüge und seinem »inoffiziellen« Konterpart, dem klassisch rechtsstaatlichen Modell gesehen.127 Einig waren sich dabei fast alle Kritiker, dass die vom Gericht angewandte Methode einer Einbeziehung der historisch-sozialen Realität als »unjuristisch« zu beurteilen sei.128 Vielmehr stelle der Beschluss ein historisches Werturteil dar. Die Kritiker verwehrten sich der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts einerseits mit dem Hinweis, dieses habe das nationalsozialistische Wunschbild vom Beamtentum als Realität angesehen. Es habe nur die »Schaufenster«-Seite der Ideologie zur Kenntnis genommen und mit ihr die Struktur des Berufsbeamtentums im Nationalsozialismus zu erklären versucht. Mit dieser Argumentationslinie  – »die Wortfassade nicht als Wirklichkeit hinzu­ nehmen«129 – versuchte man, den vom Gericht zusammengetragenen Belegen aus der rechtswissenschaftlichen Literatur der Jahre vor 1945 die Schlagkraft zu nehmen.130 Dass man dabei forderte, die historische Realität des Dritten Reichs miteinzubeziehen – dass Ideologie nicht gleich Realität gewesen sei – und damit eben das tat, was man dem Bundesverfassungsgericht als »unjuristische« Methode vorgeworfen hatte, thematisierte keiner der Beteiligten. Ein weiteres, immer wiederkehrendes Argument schloss sich einer »rein juristisch« argumentierenden, letztlich positivistisch orientierten Position an, die bereits in den Debatten um Eid und Treuepflicht seit dem Kaiserreich auftauchte: Die Vorstellung, dass der Eid – aufgrund seiner unklaren juristischen Funktion, seiner fehlenden normativen Fixierung, letztlich ja ohne Bedeutung sei.131 Neben das Argument des »belanglosen« Eides trat dasjenige des »erzwungenen und mit entsprechender Mentalreservation« geleisteten Eides:132 »Da die Verweigerung der Eidesleistung zwangsläufig die Dienstentlassung zur Folge gehabt hätte, konnte er innere Bindung nicht bewirken und wurde daher auch 126 Kirn, S. 207. Zu dieser Autorengruppe gehörte neben dem BGH u. a.: Emge; Forsthoff; ­Jerusalem; Kern. Zu Forsthoff vgl. Meinel. 127 Zu dieser Gruppe gehörten etwa: Krüger, Das Bundesverfassungsgericht und der moderne Staat; Köttgen, Das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts. 128 Kirn, S. 206. 129 Ebd., S. 276. 130 Vgl. etwa: Krüger, Das Bundesverfassungsgericht und der moderne Staat, S. 35. 131 Kern, Probleme der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 275. 132 Bachof, S. 9.

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nur als unverbindliche Formalität aufgefaßt.«133 Dieses Argument hätte allerdings in allen politischen und verfassungsrechtlichen Systemen gelten müssen, auch in der Gegenwart der Bundesrepublik, die ja gerade den Eid in seiner traditionellen Form wiedereingeführt hatte. Schließlich versuchten zahlreiche Autoren, der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts eine eigene juristische Argumentationslinie entgegenzusetzen, indem man auf eine vermeintliche Kontinuität beamten- und staatsrechtlicher Normen über das Jahr 1933 hinweg verwies. Damit meinte man beweisen zu können, dass das Beamtenverhältnis im Dritten Reich eben keinen fundamentalen Wandel durchgemacht habe. So sei durch den Eid auf Adolf Hitler gerade kein persönliches Treueband zum »Führer« entstanden. Vielmehr habe der Beamteneid im Nationalsozialismus ebenso wie in den vorangehenden politischen Systemen einzig und allein dem Staatsoberhaupt und damit dem Staat selbst gegolten und nicht der Person: »Dass der Beamte – auch bei auf die Person lautendem Treueid! – nicht der Person des (sei es monarchischen, sei es diktatorischen) Staatsoberhauptes, sondern der überdauernden Substanz des Staates verpflichtet war und ist, und dass diese Verpflichtung selbst in persönlichen Herrschaftssystemen den Tod des Staatsoberhauptes überdauerte, gehört zu den ältesten Überzeugungen und Fundamentalsätzen preußisch-deutscher Staats- und Beamtentradition.«134 Hier wurde der »Führereid« gleichgestellt mit den Eiden, die die Beamten vor allem in der konstitutionellen Monarchie zu leisten gehabt hatten. »Der persönliche Treueid, dem das Bundesverfassungsgericht eine so große Bedeutung beimißt, ist von den deutschen Beamten nicht anders aufgefaßt worden, als der  – damals ja nur vergleichsweise kurz zurück­liegende – persönliche Treueid auf das monarchische Staatsoberhaupt. Die These, die demgegenüber das BVerfG verficht, der Beamte sei ein willenloses Werkzeug des Diktators gewesen, mag den persönlichen Intentionen Adolf Hitlers entsprochen haben; dem deutschen Beamtenrecht war eine solche Wertung fremd.«135 Mit der Vorstellung eines gewissermaßen »überzeitlichen«, vom Wechsel der Staatsformen unabhängigen Beamtenrechts wurde hier die verfassungsrechtliche Wirklichkeit des Nationalsozialismus geleugnet.136 Die Eidesformel, die 1934 eingeführt wurde, war in diesem Denken völlig belanglos – und dies wurde, hier durch Oskar Georg Fischbach, auch mit biografischen Erfahrungen untermauert: »Noch viele werden es sein, die wie ich drei Beamteneide (und noch dazu einen besonders verklausulierten Soldateneid) geleistet haben, ohne dass dadurch die Pflichten ihres Beamten- oder Soldateneides sich ge­ ändert hätten. Dem Volk, dem Staat werden diese Pflichten geschuldet.«137 133 Tietz, S. 1272. 134 Kühn, Der Beamte als Staatsdiener, S. 154. 135 Ebd. 136 Vgl. etwa: Giese, Von Rechts wegen?, S. 63/64. 137 Fischbach, Kritische Betrachtungen zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, S. 46. Oskar Georg Fischbach, geb. 14.12.1880, gest. 1967, war als Jurist in der Staatsverwaltung mit an der Ausarbeitung des nationalsozialistischen Dienstrechts beteiligt.

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Aus dieser Konstruktion eines überzeitlichen, von verfassungspolitischen Entwicklungen unberührten Beamtenverhältnisses ergab sich ein spezifisches Beamtenbild. Denn wer nicht auf den Machthaber, sondern allein auf den Staat bezogen seinen Dienst tat, der tat diesen Dienst natürlich unpolitisch  – und nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht angenommen als Teil der national­ sozialistischen Herrschaftsordnung: »Nichts schlägt der Wirklichkeit so ins Gesicht wie diese Annahme. Der deutsche Beamte […] hat zu allen Zeiten unter den verschiedenen Verfassungsformen durchaus unpolitisch und streng sachlich für Volk und Staat treu gearbeitet.«138 Auf diese Weise konnten die Staatsrechtler ihre Zunft wie das Beamtentum als Ganzes in Schutz vor den »Unterstellungen« des Bundesverfassungsgerichts nehmen und das Bild eines nicht vom System korrumpierten, unpolitischen Beamten zeichnen. Ja, mehr noch, gerade im Beamtentum sei dem Nationalsozialismus eine »natürlich Widerstandskraft« entgegengetreten,139 die alle Versuche, das Beamtentum ideologisch auf das Regime auszurichten, habe scheitern lassen.140 Und eigentlich sei das Beamtentum ein Opfer des Regimes geworden, ein Opfer, das nun in Person der 131er Anspruch auf Wiedergutmachung habe. »Was der Nationalsozialismus am Berufsbeamtentum gesündigt hat, kann nur eine gründliche Wiedergutmachung wieder ausgleichen. Anstatt die ›Mörder des Berufsbeamtentums‹ anzuprangern, hat man die Berufsbeamten selbst getroffen und einer der wertvollsten Verfassungseinrichtungen einen schweren Schlag versetzt. Soll wirklich hier der unselige Satz wahr sein: Das Opfer des Mörders trägt die Schuld?«141 Die verbitterte Vorstellung, dass das Bundesverfassungsgericht die ehemaligen Beamten, ja sogar ihre Witwen und Kinder als Stellvertreter für die »eigentlich« Bösen bestrafte, durchzog viele Texte.142 So skizzierten die Gegner des Beamtenurteils das Bild eines Beamtentums, das stets nur unpolitisch am Wohl des Staates, im Widerstand gegen ein verbrecherisches System in den Jahren zwischen 1933 und 1945 allein die rechtsstaatlichen Traditionen in Deutschland gewahrt hatte. Schon im Dritten Reich dafür zum Opfer gemacht, sollte dieses heroische Beamtentum nun durch das oberste Gericht der Bundesrepublik »bestraft« werden. Verteidiger fand das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts kaum. Nur einige wenige Vertreter des Fachs schätzten es positiv ein.143 Einer von ihnen war Ernst Friesenhahn, jener Carl-Schmitt-Schüler, der sich seit dem Ende der zwanziger Jahre immer wieder mit dem Eid auseinandergesetzt hatte und dies auch in der Bundesrepublik weiterhin tat. Ernst Friesenhahn war nach dem 138 Giese, Widersprüche bei den Karlsruher Urteilen, S. 75. 139 Reinhardt, S. 165. 140 Jerusalem, S. 983. 141 Giese, Widersprüche bei den Karlsruher Urteilen, S. 75. 142 Dies gilt etwa für die »Neue Deutsche Beamtenzeitung«, »deren ganzer Jahrgang 1954 in Inhalt und Sprache« von einem »ungeschminkt polemische[n] Ausdruck von Ressentiments« und von »Hetze« bestimmt war. Vgl. Kirn, S. 207. 143 Peters, Der Streit um die 131er-Entscheidungen; Heegner; Friesenhahn, Diskussionsbeitrag. Siehe auch: Kreile.

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Ende des Zweiten Weltkriegs relativ schnell auf einen Lehrstuhl berufen worden, nachdem er im Dritten Reich keine Chance auf eine Berufung gehabt hatte. Allerdings war er 1938 in Bonn, seiner Heimatuniversität, zum außerplanmäßigen Professor berufen worden. Seine erste planmäßige Professur für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht übernahm er zum 1. April 1946 ebenfalls in Bonn, wo er bis zu seiner Emeritierung 1970, zeitweilig auch als Rektor, tätig war. Zwischen 1951 und 1963 war Friesenhahn außerdem Mitglied des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, von 1962 bis 1967 Präsident des deutschen Juristentages. Daher fühlte er sich, wie er bei der Tagung der Vereinigung der Staatsrechts­ lehrer 1954 formulierte, in der Diskussion um das Beamtenurteil berufen, Stellung zu beziehen und das Bundesverfassungsgericht in Schutz zu nehmen. Für Friesenhahn war die formalistisch-normative Betrachtungsweise seiner Kollegen unerträglich. »Die Entgegensetzung von historisch-politischer Methode und staatsrechtlicher Betrachtungsweise kann ich nicht mitmachen. Ich kann mich nur wundern, wieso auf einmal in unseren Kreisen so ›normativ‹ gedacht wird […]. Ich verstehe nicht ganz, warum ein Regime, das ganz bewusst nicht normativ sein wollte, nun plötzlich rückwirkend normativ gemessen werden soll, und warum dieses Regime plötzlich so angesehen wird, als ob es ein Rechtsstaat mit gesicherten Rechtsstellungen gewesen sei. […]«144 Diese Kritik wiederum verband sich nicht nur bei Friesenhahn, sondern auch bei anderen Autoren, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verteidigten, mehr oder weniger ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Tätigkeit all jener Kollegen, die »damals an der Fundierung und Verbreitung jener Meinungen maßgeblich mitgearbeitet haben« und nun »ihre eigenen Ansichten bagatellisieren oder als nicht ernst gemeint hinstellen«.145 Ernst Friesenhahn betonte, dass er sich »schämen würde, dieser Vereinigung [der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, d. Vf.] anzugehören, wenn wir in unseren Reihen Professoren hätten, die uns sagen können, was wir zwischen 1933 und 1945 geschrieben haben, waren Märchen.«146 Friesenhahn selbst hatte sich 1935, nachdem die Neuvereidigungen auf Adolf Hitler vorgenommen worden waren, zum »Führereid« geäußert.147 Dabei über144 Friesenhahn, Diskussionsbeitrag, S. 168. Vgl. ähnlich: Peters, Der Streit um die 131er Entscheidungen, S. 589, FN 1. 145 Peters, Der Streit um die 131er Entscheidungen, S. 593. Peters verzichtete »aus allgemeinmenschlichen Gründen [darauf], mit der Gegenüberstellung einstiger und heutiger Darstellung der gleichen Rechtslage seitens derselben Autoren den Nachweis zu führen, daß diese selbst damals Material gerade für dieselbe Grundthese des BVerfG geliefert haben, die sie heute mit gegenteiligen Argumenten bekämpfen«. Friesenhahn, Diskussionsbeitrag, S. 169, nennt mit Otto Bachof und Kurt von Laun zwei Autoren, die in den fünfziger Jahren gerade jene Positionen bekämpften, die sie im Dritten Reich vertreten hatten. Vgl. auch: Krüger, Führer und Führung, sowie ders., Das Bundesverfassungsgericht und der moderne Staat. 146 Friesenhahn, Diskussionsbeitrag, S. 168. 147 Ders., Über den Eid der Beamten.

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nahm er zentrale Argumentationsmuster seiner Dissertation von 1927; in manchem passte er sie nun jedoch sprachlich und inhaltlich der nationalsozialistischen Ideologie an. Hatte Friesenhahn in der Weimarer Republik noch die konsequente »Verbürgerlichung« des Eides im säkularisierten Staat gefordert, so adaptierte er seine Vorstellungen nun an die veränderten Umstände im Dritten Reich. Nun beschrieb er die »Volksgemeinschaft« als den »Höchstwert« des neuen Systems, für die der einzelne Volksgenosse mit seiner Ehre einzustehen habe. Für den Eid bedeutete dies für Friesenhahn: »An Stelle Gottes hätte also heute das Volk Eideshort zu werden, und das Pfand, das der Eidesleistende einzusetzen hätte, wäre seine Ehre als deutscher Volksgenosse. Das Versprechen z. B. ›wie es einem deutschen Manne geziemt‹ würde wohl die stärkste Bindung begründen, die nach der religiösen Bindung überhaupt hervorgerufen werden kann.« In den Mittelpunkt rückte 1935 für Friesenhahn die »Treue«, die sich im »persönlichen Gefolgschaftsverhältnis zum Führer« äußere, eine Treue, die innerhalb und außerhalb des Dienstes den Beamten mit seiner gesamten Persönlichkeit umfasse.148 Die »Untreue« spielte im Gegenzug eine große Rolle sowie die Möglichkeit, bei Verletzung der Treuepflicht, »den, der seine Ehre als deutscher Mann zum Pfand eingesetzt und […] verspielt hat, aus[zustoßen].«149 Dies sollte Friesenhahns einzige Äußerung zum Eid im Dritten Reich bleiben. Er ließ sich in dem Aufsatz weit auf die nationalsozialistische Sprache ein und übernahm zentrale Elemente der nationalsozialistischen Treue-Ideologie, auch wenn man ein gewisses Unbehagen spürt.150 Friesenhahn verwies zum Beispiel in erstaunlicher Deutlichkeit auf die Endlichkeit des »Führereides«: »Das be­deutet, daß der Eid bindet, solange Adolf Hitler der Führer des Deutschen Reiches und Volkes ist.«151 Insgesamt verweist auch Friesenhahns sonstiges Verhalten im Nationalsozialismus darauf, dass er vor allem aus religiösen Gründen einen gewissen Abstand vom Regime hielt. So ist der Text – und gerade die Vorsicht mit der Friesenhahn sich äußerte – wohl auch auf berufliche Umstände zurückzuführen, in deren Kontext sich Friesenhahn um eine Sicherung seiner wissenschaftlichen Existenz bemühte.152 In jedem Fall aber stellte sich Friesenhahn nach 1945 dem, was er vor 1945 geschrieben hatte. Er bezog in der Auseinandersetzung um den nationalsozialistischen Beamteneid in der Bundesrepublik dezidiert Stellung und machte in seinem Redebeitrag auf der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer keinen 148 Ebd., S. 69. 149 Ebd., S. 66. 150 Stolte, S. 213, interpretiert den Aufsatz als beinahe widerständig, was doch als allzu positive Lesart erscheint. 151 Friesenhahn, Über den Eid der Beamten, S. 72. 152 Vgl. den bereits erwähnten Brief, den Friesenhahn 1935 im Kontext der Eidesverweigerung Karl Barths an den Bonner Juristen Otto Bleibtreu schrieb, in dem er von seiner Absicht berichtete, »mit der nötigen Vorsicht« einen kleineren Aufsatz »über die neuere Entwicklung des Beamteneides« zu schreiben. Vgl. Ernst Friesenhahn an Otto Bleibtreu, 2.10.1935, zitiert nach: Prolingheuer, S. 225/226. Vgl. Kap. 4.4.2.

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Hehl daraus, dass man den »Führereid« im Nationalsozialismus gerade nicht als »nur« dem Staatsoberhaupt geschworen verstehen und ihn daher auch nicht mit dem Eid der Monarchie gleichsetzen könne. Alle jene Autoren, die eine solche Interpretation des nationalsozialistischen Eides verträten, versuchten letztlich nur, den »grundlegenden Wandel«, den das Berufsbeamtentum im Nationalsozialismus durchgemacht habe, zu negieren und damit die materielle Stellung der Beamten zu retten. Doch für Friesenhahn war es gerade nicht zentrales Kennzeichen des Berufsbeamten, »daß er alle Staatskrisen in seiner persönlichen Rechtsstellung völlig unangetastet überdauert. […] Es [ist] eben das Schicksal des Berufsbeamten, daß eine Staatskrise seine Rechtsstellung tangieren muss.«153 Auch die anderen Autoren, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich verteidigten, waren der Überzeugung, dass man »um eine ›historisch-soziologische Betrachtung‹ nicht herum« komme.154 Diesen Autoren war vollkommen klar, dass weder das Beamtenverhältnis des Dritten Reichs noch die daraus in der Gegenwart resultierenden Probleme ohne eine Analyse der Verfassungswirklichkeit der Diktatur zu begreifen und zu lösen sein würden. Daher sahen sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Recht viel mehr als einen reinen Beitrag zu einem beamtenrechtlichen Problem: »Das Bundesverfassungsgericht […] hat den erfolgreichen Versuch einer rechtlichen Würdigung der Tatsache unternommen, daß die modernen totalitären Staaten wie die des Nationalsozialismus oder des Bolschewismus […] einen von der überkommenen Staatsauffassung so stark abweichenden Staatstyp darstellen, daß die mit den alten Staatstypen wesensmäßig verknüpften Rechtsinstitutionen nicht im Wege einer formalistischen Kontinuität in die andersgeartete politische Umwelt konstant und rechtlich transportiert werden können.«155 So beurteilten die wenigen Verteidiger das Beamtenurteil als »in metho­ dologischer Hinsicht wohl eine der großartigsten Leistungen der deutschen Judikatur seit dem Jahre 1945. Sie ist ausgezeichnet durch ihre geistige Redlichkeit, durch die Sauberkeit der angewandten Methode, durch ihre unerschrockene Betrachtung einer schlimmen Wirklichkeit, durch ihre Wahrheitsliebe und Objek­tivität, durch den Verzicht auf die Verschleierung einer unliebsamen Vergangenheit, durch ihre Klarheit und innere Konsequenz, vielleicht auch durch ihren Verzicht auf Popularität.«156 Damit jedoch standen diese Autoren allein. Der Rest der Zunft stand dem Urteil nicht nur inhaltlich ablehnend, sondern zum Teil mit heftigen Emotionen – bis hin zu persönlichen Angriffen und Hasstiraden – gegenüber. Das Urteil hatte ganz offenbar etwas angesprochen, für das es nur acht Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs noch zu früh war – zumindest schien dies im ersten Moment so. Denn auf längere Sicht wurde durch das Urteil etwas angestoßen. Dazu trug bei, dass die Debatten um die Rolle des 153 Friesenhahn, Diskussionsbeitrag, S. 166/167. 154 So z. B.: Peters, Der Streit um die 131er Entscheidungen, S. 593. 155 Ebd., S. 596. 156 Heegner, S. 903.

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»Führereides« nicht auf die Fachwissenschaft und die juristische Community beschränkt blieben. Denn die öffentliche Rezeption des Urteils als der »Fehde in Karlsruhe«157 fügte sich ein in eine breitere Debatte um »Treue« und Widerstand im Nationalsozialismus, in der ebenfalls der Eid eine zentrale Rolle spielte und die angestoßen worden war durch den Prozess gegen Otto Ernst Remer. 5.3.2 Im Schatten des 20. Juli Der vergangenheitspolitische Kontext, in dem sich die Debatte über das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts bewegte, war geprägt von der Diskussion über »Eidbrecher« und »Eidhalter«.158 Die Auseinandersetzung um die Rolle des Eides im Widerstand gegen den Nationalsozialismus nimmt eine zentrale Funktion ein nicht nur in vergangenheitspolitischer Hinsicht, sondern auch hinsichtlich der Haltung der Westdeutschen gegenüber dem jahrhundertealten, bis dato kaum hinterfragten Ritual des Eides als Mittel der Gewissensbindung. In der Auseinandersetzung mit dem konkreten Beispiel des 20. Juli 1944 wurde nicht nur die Vergangenheit diskutiert, sondern auch die Zukunft – die enge Verknüpfung der Debatte mit der Frage nach einer zukünftigen Vereidigung der gerade im Aufbau begriffenen Bundeswehr sorgte für ihren politischen Sprengstoff.159 Bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs positionierten sich sowohl die Verteidiger der »Eidbrecher« als auch jene der »Eidhalter«. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und den Nachfolgeprozessen trat die Argumentationslinie des »Gehorsams« und der »Eidestreue« als Rechtfertigungsstrategie für all jene, die ihrem Eid bis zum Ende des Dritten Reichs treu geblieben waren, erstmals auf.160 Darüber hinaus kam die Debatte über den Widerstand langsam in Gang, beginnend mit einer Reihe von Publikationen aus dem Ausland, bereits Anfang der fünfziger Jahre jedoch waren zahlreiche Bücher und Texte erschienen.161 Anfangs überwog die quellenkritisch durchaus problematische und einseitige Erinnerungsliteratur, geschrieben von jenen, »die dazugehört hatten und anderen, die schon immer gegen das NS-Regime gewesen sein wollten.«162 In diesen ersten Werken von 1946 und 1947 wurde das Ringen um den »Führereid« durch den Widerstand bereits thematisiert. Kennzeichnend für diese frühe Literatur, das hat die Forschung herausgearbeitet, war der Versuch, den Wider157 N. N., Fehde in Karlsruhe. Vgl.: Leitartikel FAZ, 3.3.1954; Süddeutsche Zeitung, 6./7.2.1954. 158 Vgl. i. A.: Frei, Erinnerungskampf; Holler; Reichel; Steinbach; Verräter? Vorbilder? Verbrecher?; Voss. 159 Lange, Der Fahneneid, v. a. S. 184–190. 160 Siehe z. B. hinsichtlich dieser Rechtsfertigungsstrategie von »Eid« und »Gehorsam«: ­Gellately. 161 Siehe als zeitgenössischen Überblick: Budde. 162 Holler, S. 72. Siehe auch i.A.: Ueberschär.

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stand zu »moralisieren«.163 Gerade für diese Absicht stellte der gebrochene Eid ein immer wiederkehrendes Motiv dar: Weil der Bruch eines geschworenen ­Eides eigentlich als moralisch verwerflich galt und – je nach persönlicher Überzeugung – Ehrverlust oder ewige Verdammnis nach sich zog, musste der Eidbruch des 20. Juli 1944 gesondert gerechtfertigt werden. Dies geschah, indem von Anfang an der Eidbruch nicht verneint, sondern vielmehr die »Gewissensnot« explizit thematisiert wurde. So hieß es etwa bei Rudolf Pechel: »Wir wissen um die Gewissensnot der Männer des 20. Juli, die sich von den von Gott gesetzten Schranken des Fünften Gebots, von der Pflicht des Eides, der Vaterlandsliebe, […] frei machen mussten, um bewusst die Verantwortung auf sich zu nehmen, gegen die allgemeingültigen Gesetze zu handeln, im Dienste eines höheren Rechts in der Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit […].«164 Der beschworene Gehorsam gegenüber dem Eidnehmer musste in dieser Argumentation zurücktreten gegenüber einem anderen Gehorsam, dem »Gehorsam gegen die Gebote des Gewissens«.165 Eine solche Argumentation mit der »Gewissensnot« war nötig, um das Verhalten der Widerständigen unmittelbar nach Kriegsende ins moralisch rechte Licht zu rücken und ihren Eidbruch gewissermaßen als die größere moralische Tat zu kennzeichnen. Die Ehrenhaftigkeit des widerständigen Verhaltens wurde der vermeintlichen »Ehrlosigkeit« gegenübergestellt, die im Nationalsozialismus propagandistisch mit dem Eidbruch verbunden wurde.166 So entwickelte sich diese Argumentationslinie auch als (verspätete) Reaktion auf die Propaganda der Nationalsozialisten unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat. Dem auf den ja gerade erst zwei bis drei Jahre zurückliegenden Staatsstreichversuch bezogenen Vorwurf des »Verrats«, der bis zum Untergang des Dritten Reichs den Tenor des Regimes in Bezug auf den gescheiterten Umsturzversuch bestimmt hatte, sollte aus der Perspektive der ehemaligen Widerständigen und ihrer Unterstützer möglichst effektiv eine andere Sichtweise entgegengestellt werden. Dabei ging es weniger um sachliche Argumente, als darum, dem unspezifischen und hochemotionalen Vorwurf des »Verrats« eine ebenso unspezifische und hochemotionale »Gewissensnot« gegenüberzustellen. So bestätigt die Debatte über den Eid, die im Grunde unmittelbar nach Kriegsende einsetzte, auch noch einmal die Bedeutung des Eides auch für den Widerstand. Axel von dem Bussche bietet dafür das beste Beispiel. Seine Berichterstattung und Kommentierung nach dem Krieg spiegelt das Bemühen, sich gegenüber dem Vorwurf des Eidbruchs zu rechtfertigen. Dabei fügte er der Moralposition noch eine zweite Argumentationslinie hinzu, die ebenfalls weite Verbreitung erfahren sollte. Dazu gehörte vor allem das Wiederaufgreifen des Argumentes, dass Hitlers Eidbruch die Verschwörer vom Eid gelöst hätte. 163 Holler, S. 29. Raulff, S. 424, spricht von »konsequenter Moralisierung«. 164 Pechel, S. 39/40. 165 Schneider, Gedenkwort zum 20. Juli, S. 13–15. Vgl. hierzu: Stadie. 166 Vgl. Kap. 4.5.

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So versuchte von dem Bussche, unterlegt mit der Erinnerung an seine eigenen Erfahrungen, in einem Vortrag vor Studierenden der Universität Göttingen im Jahre 1946 darzulegen, dass die Attentäter des 20. Juli 1944 nicht nur moralisch höherwertig gehandelt, sondern dass sie im engeren Sinne gar keinen Eidbruch begangen hätten. Er beschrieb den Eid als eine »aus dem Germanischen ins Christliche« übernommene »Bindung zwischen Führendem und Gefolgsmann« und berief sich auf »alte Auslegungen«, »nach denen der Gefolgsmann die Pflicht hat, sich aufzulehnen, wenn der Führer den Eid gebrochen hat. Ich bin der Meinung, dass der Eid in der Tat nicht nur einmal, sondern tausendmal vom Führer des Dritten Reiches gebrochen worden ist. Er ist also entstellt und in seinem innersten Wesen verkannt, wenn er […] als Gängelband betrachtet wird, das den Vereidigten auf Gedeih und Verderb an die möglicherweise verbre­ cherischen Machenschaften seines Herrn bindet.«167 Unverändert stand der Eid für Axel von dem Bussche in »germanischer Tradition«, auch das ein Hinweis auf die Wirkungsmacht des Treuekonzepts des Nationalsozialismus, das tiefe, auch über 1945 hinausgehende Spuren hinterlassen hatte, selbst bei überzeugten Kritikern. Und doch unternahm Bussche den Versuch, gerade dieses germanische Treuekonzept umzudeuten und nicht nur das Widerstandsrecht darin zu betonen, sondern die Widerstandspflicht. Auch dies kann als typisches Argument der frühen Verteidiger des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gelten. Immer wieder findet sich in diesem Zusammenhang übrigens ausgerechnet der Verweis auf Hitlers »Mein Kampf«. Verschiedene Verteidiger des »Eidbruchs« zitieren nach 1945, wie ihnen bereits im Dritten Reich die Lektüre des Buchs auf dem Weg in den Widerstand geholfen hätte und immer wieder werden dabei folgende Sätze aus »Mein Kampf« zitiert:168 »Staatsautorität als Selbstzweck kann es nicht geben, da in diesem Falle jede Tyrannei auf dieser Welt unangreifbar und geheiligt wäre. Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungs­gewalt ein Volk dem Untergang entgegengeführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht.«169 Die Überzeugung, dass die Verschwörer des 20. Juli im engeren Sinne gar nicht eidbrüchig geworden seien, da Hitler selbst den Eid zuerst gebrochen habe und seine Eidgeber daher nicht mehr an den geleisteten Eid gebunden gewesen seien, gehört zu den Kernargumenten der Rechtfertigung des Widerstands­ handelns. Das Argument verschiebt die Verantwortung für den »Eidbruch« weg von den Widerständigen hin zu Hitler selbst. Es ergänzte damit die mora167 Bussche, Eid und Schuld. Wiederabgedruckt in: Medem, S. 133–142. Siehe auch: Bussche, Zum völkischen Eidesverständnis. 168 So habe sich zum Beispiel Carl-Friedrich Goerdeler auf diese Passage berufen, vgl. Wojak, S. 274. Rupert Angermair und Generalleutnant a. D. Friebe zitierten in ihren Gutachten zum Remer-Prozess diese Passage aus »Mein Kampf«. Vgl. Angermair, S. 31; Friebe, S. 97. Selbst Fritz Bauer verwies in seinem Plädoyer im Remer-Prozeß auf »Mein Kampf«, vgl.: Bauer, Eine Grenze hat Tyrannenmacht. S. 178/79. 169 Müller, Gegen eine neue Dolchstoßlüge, S. 21. Vgl. auch Hartmann, S. 303.

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lische Sichtweise von der »Gewissensnot«. Das Bedürfnis, das eigene Verhalten zu rechtfertigen, zeigt, wie stark der Vorwurf des »Verrats«, den die nationalsozialistische Propaganda in die Köpfe der Deutschen gehämmert hatte, noch immer nachhallte. Und im Zentrum dieses Vorwurfs stand die Erinnerung an die Tatsache, dass die Attentäter dem »Führer« einen »heiligen Eid« geschworen hatten, mit dem sie im Falle der Soldaten »unbedingten Gehorsam« und im Falle der Beamten »treu und gehorsam« zu sein versprochen hatten. Die Tatsache, dass die Eidesfrage nach 1945 so umfassend diskutiert wurde, erklärt sich nicht nur damit, dass sich gerade im Eid die Frage nach dem individuellen Verhalten gegenüber dem nationalsozialistischen Regime wie in einem Brennglas bündelte. Sie zeigt auch, dass das Ritual des Eides selbst, des Schwurs der Treue, auch nach 1945 noch von hoher kollektiver Bedeutung und Wirkungsmacht war. Es gab für die Zeitgenossen kein Ignorieren der Frage, wie weit die Bindungskraft eines Treueides ging. Sie musste diskutiert werden, nicht nur, um die Vergangenheit zu ordnen, sondern auch um das Zusammenleben von »Eidbrechern« und »Eidhaltern«, von Widerständigen und Anhängern des Nationalsozialismus in der jungen Bundesrepublik zu ermöglichen. Akzeptieren konnte den »Eidbruch« letztlich nur, wer grundsätzlich bereit war, den Charakter des Dritten Reichs als Unrechtsstaat und Diktatur anzuerkennen. Wer diese Position jedoch nicht einnahm, für den war und blieb das Verhalten der Attentäter eben doch nur: Verrat. So bedeutet die Debatte um den »Führereid« nach 1945 letztlich einen Kampf um »Moral« und »Ehre« der Beteiligten, und es verwundert nicht, dass sich die Positionen unversöhnlich gegenüberstanden. Ihren Höhepunkt fand die Auseinandersetzung um die Rolle des Eides im Widerstand schließlich 1952 im Prozess gegen Otto Ernst Remer.170 Auf die vergangenheitspolitische Bedeutung des Remer-Prozesses ist in den vergangenen Jahren immer wieder hingewiesen worden. Nicht zuletzt durch den Remer-Prozess und seine breite Rezeption wurde der 20. Juli 1944 einerseits zur einem »positiven Kristallisationspunkt für die nach geschichtlicher Legitimation suchende Bundesrepublik« und andererseits, unter Ausgrenzung anderer Widerstandsgruppen, für lange Zeit zu dem bundesrepublikanischen Synonym für »Widerstand« schlechthin.171 Zum ersten Mal nach Kriegsende wurde hier die Frage nach der Legitimität des Widerstands und darüber hinaus nach dem Charakter des Dritten Reichs 170 Otto Ernst Remer, geb. 18.8.1912, gest. 14.10.1997, war 1944 als Major beim Wachregiment »Großdeutschland« in Berlin eingesetzt, das in den Staatsstreichplänen des 20. Juli 1944 dazu vorgesehen war, das Regierungsviertel abzuriegeln und Joseph Goebbels zu verhaften. Remer erfuhr telefonisch von Hitler, dass das Attentat gescheitert war und verhaftete daraufhin seinen Vorgesetzten Paul von Haase. Dies trug zum Scheitern der Operation »Walküre« bei. Vgl.: Jesse. Siehe auch: Remer. 171 Kleine. Zur Gleichsetzung von Widerstand und 20. Juli 1944: Frei, Vergangenheitspolitik, S. 350.

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vor einem deutschen Gericht verhandelt.172 Für die Frage der Vereidigung spielte der Prozess eine ähnlich entscheidende Rolle wie das »Beamtenurteil« des Bundesverfassungsgerichts. Bis zum Prozessbeginn lagen alle Argumente für und wider den Eidbruch auf dem Tisch, standen sich jedoch unversöhnlich gegenüber. In dem Bemühen Fritz Bauers, zu diesem Zeitpunkt Generalstaatsanwalt in Braunschweig, die Attentäter des 20. Juli 1944 zu rehabilitieren und dafür die Bühne des Prozesses gegen Remer zu nutzen,173 kam dem Eid eine entscheidende Funktion zu. Der Prozess mit seinen zahlreichen Gutachten und die umfangreiche Berichterstattung darüber waren es, die den Westdeutschen die ganze Problematik der Vereidigung nun konzentriert vor Augen führte.174 Otto Ernst Remer hatte als zweiter Vorsitzender der Sozialistischen Reichspartei im niedersächsischen Wahlkampf die Widerstandskämpfer als »Landesverräter« bezeichnet.175 Bundesinnenminister Robert Lehr, der selbst im Wider­ stand aktiv gewesen war, stellte Strafanzeige wegen Beleidigung, unterstützt durch Angehörige von hingerichteten Widerstandskämpfern. Nachdem der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Erich Günther Topf die Eröffnung des Strafverfahrens wegen fehlender Aussicht auf »sicheren Erfolg« abgelehnt hatte,176 übernahm Generalstaatsanwalt Fritz Bauer die Anklage gegen Remer. Bauer hatte bereits vor Prozessbeginn geäußert, dass er »die Rechtmäßigkeit des Eides der Wehrmacht auf Adolf Hitler in den Mittelpunkt« der Argumentation der Anklage rücken wolle.177 Bauers Ziel war es, nicht den Eidbruch der Oppositionellen in irgendeiner Form zu verteidigen, sondern vielmehr den »Führereid« selbst als »unsittlich« und »somit nichtig« zu entlarven und ihn damit zu delegitimieren.178 Dies bedeutete in der Diskussion um den Eid einen neuen Ansatz. Bauer versuchte in seinem Plädoyer darzulegen, dass das Dritte Reich nicht nur ein Unrechtsstaat gewesen sei, sondern staatsrechtlich vom Moment der »Machtübernahme« an eigentlich nicht legitimiert gewesen sei: »Der Hochverrat setzt weiter eine legale Verfassung voraus. Ich behaupte, daß das ›Dritte Reich‹ seiner Form nach usurpierte, nie legalisierte Macht war; dem Inhalt nach war es das Reich der Bestie […], ein Unrechtsstaat und deswegen sittenwidrig und nichtig.« Den Eid, den Beamte und Soldaten auf Hitler geleistet hatten, erklärte Bauer damit für ungültig. Während 1919 eine Entbindung vom Eid durch Kaiser und Monarchen erfolgt sei, habe es »eine solche Entbindung 172 So z. B.: Buschke, S. 194. 173 Fröhlich, S. 37. Zu Fritz Bauer auch: Steinke; Renz. 174 Insgesamt wurden zum Remer-Prozess zwischen Prozess-Auftakt und Urteilsverkündung 34 Artikel publiziert. Vgl. Buschke, S. 195. Siehe u. a.: Proske. Im weiteren Umfeld entstanden auch Arbeiten wie Boveri, v. a. S. 91–101. 175 Remer greift Widerstandskämpfer an, in: FAZ, 5.5.1951, zitiert nach: Fröhlich, S. 32. Zum Remer-Prozess siehe neben Kleine: Burghardt. Zur Berichterstattung über die Sozialistische Reichspartei und den Remer-Prozess vgl. u. a.: Buschke. 176 Zitiert nach: Fröhlich, S. 19, mit weiteren Informationen zu Ernst Günther Topf. 177 Ebd., S. 78. Zur Stellung des Eides in Fritz Bauers Widerstandskonzeption: Ebd., S. 68–100. 178 Kleine, S. 44.

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von dem Eid auf die Weimarer Verfassung« nie gegeben. »Wir haben also den Tatbestand, daß Beamte Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften zwei Eide geleistet haben, die miteinander völlig unvereinbar waren. Man kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen.«179 Hier konstruierte Bauer, ganz anders als es die Richter im »Beamtenurteil« des Bundesverfassungsgerichts taten, eine staatsrechtliche Kontinuität über den Umbruch der Jahre 1933/1934 hinweg, mit dem Ziel, den »Führereid« als illegitim oder gar illegal zu kennzeichnen. Wer noch durch den Eid auf die Weimarer Verfassung gebunden war, wer der Weimarer Reichsverfassung Treue geschworen hatte, der konnte keinen Eid auf Adolf ­Hitler leisten. Und wenn er ihn gezwungenermaßen leistete, so war der zweite Eid ungültig, so versuchte Bauer zu suggerieren. Die Überlegungen Bauers zur Weitergeltung des Weimarer Verfassungseides sollten die Attentäter vom Vorwurf des Eidbruchs befreien. Wenn der Eid auf Hitler von vornherein nicht gültig gewesen war, dann hätten sich die Verschwörer auch in keinem moralischen Dilemma befunden. Überzeugen kann diese Position letztlich nicht. Sie wirkt angesichts der Realität des Dritten Reichs stark juristisch konstruiert und ähnelt – wenn auch mit völlig anderer Intention – den Bemühungen der Gegner des Beamtenurteils eine Weitergeltung der Weimarer Reichsverfassung über 1933 hinweg zu behaupten, mit dem Ziel, die nationalsozialistische Umgestaltung des Beamtenverhältnisses zu leugnen. Außerdem überging Bauer stillschweigend die historische Realität, dass (mit der Ausnahme im Jahr 1918) Systemwechsel nicht mit einer offiziellen Entbindung von alten Eiden einhergingen, sondern in aller Regel einfach durch einen neuen Eid neue Herrschaft gestiftet wurde und der alte Eid damit hinfällig war. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts sollten im Beamtenurteil im Jahr nach dem Remer-Prozess die Realität des Dritten Reichs anerkennen und urteilen, dass es nicht anginge, diese Jahre im Nachhinein als bedeutungslos aus der Geschichte des deutschen Verwaltungsrechts und Staatsrechts zu streichen. Diese Absicht wird auch Fritz Bauer gehabt haben. Doch es lag ihm alles daran, das Dritte Reich im Nachhinein zu delegitimieren und damit seinen Bann zu brechen. Dazu schien es ihm notwendig, den im »Führereid« gelobten absoluten Gehorsam zu relativieren und ihm damit den Makel des »Treuebruchs« und »Verrats« zu nehmen. Stattdessen wollte Bauer auf eine verloren gegangene Tradition des Widerstandsrechtes zu verweisen.180 Dabei bezog sich Bauer, auch er in erstaunlicher Parallele zu nationalsozialistischen Geschichtsbildern, auf eine germanische Tradition der Treue: »Der Untertaneneid im deutschen Staatsrecht ging auf Treue, aber Gehorsam oder gar unbedingter Gehorsam war den Deutschen ein fremder Begriff. Gehorsam, so sagten die Germanen, gilt für Sklaven, der Freie ist nur zur Treue verpflichtet, und Treue setzt Gegenseitigkeit

179 Bauer, Eine Grenze hat Tyrannenmacht, S. 176. 180 Auf dieses Widerstandsrecht hatte Bauer schon im Vorfeld des Remer-Prozesses verwiesen. Vgl. Meusch, S. 70.

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voraus.«181 Und nicht nur in die Tradition eines vermeintlich älteren deutschen Widerstandsrechts setzte Bauer die Attentäter, er suchte auch Hilfe beim »guten« Deutschland. Fritz Bauer stellte ein ausführliches Zitat aus Schillers »Wilhelm Tell« – »eine Grenze hat Tyrannenmacht…« – an den Schluss seines Plädoyers, verbunden mit der persönlichen Erinnerung an seinen ehemaligen Mitschüler Claus Schenk von Stauffenberg: »Wir haben in unserem Gymnasium den Wilhelm Tell und die Rütli-Szene aufgeführt. Was dort Stauffacher sagte, tat später Stauffenberg, er und seine Kameraden des 20. Juli, eingedenk dessen, was unsere Dichter und Denker gelehrt haben, eingedenk unseres guten alten deutschen Rechts.«182 Den Attentäter in eine historische Linie zu stellen, ihn auf der Seite des »guten Deutschlands« zu platzieren und ihm gleichzeitig als Klassenkame­ rad ein persönliches Gesicht zu geben, um ihm auf diese Weise  – stellvertretend für alle am Widerstand Beteiligten  – die »Ehre« wiederzugeben, die der Volksgerichtshof versucht hatte, ihnen zu nehmen, das war Bauers erklärte Absicht. Dieser nicht zuletzt persönliche Ansatz des Generalstaatsanwalts wurde im Remer-Prozess ergänzt durch die Gutachten, erstellt von drei Theologen, einem katholischen und zwei evangelischen, von zwei Historikern und einem pensionierten General. Bauer verfolgte damit das Ziel, mit Argumenten aus ganz unterschiedlichen Richtungen klarzumachen, dass die Attentäter am 20. Juli 1944 »weder juristisch noch moralisch verwerflich« gehandelt hätten.183 Im Hinblick auf den Eid ging es Bauer vor allem darum, zwei Themenkomplexe abzudecken, die seine eigene Argumentation ergänzen sollten. Zum einen die Frage nach der theologischen Rechtfertigung des »Eidbruchs«, eine Frage, die in der christlichen Grundorientierung der fünfziger Jahre von zentraler Bedeutung war. Wenn es gelang, die Eidbrecher in christlicher Perspektive vom »Verrat« freizusprechen, wäre dies von enormer Bedeutung für das Bild des Widerstands. Zum anderen, und auch dies war in der frühen Nachkriegszeit ein entscheidender Punkt in der Auseinandersetzung mit dem 20. Juli 1944, ging es um die Frage des militärischen Gehorsams und der Bindungskraft des »Fahneneides«. Dem ersten Komplex wandte sich vor allem Rupert Angermair zu, der sich in seinem Gutachten mit der Frage des theologischen Widerstandsrechts ins­ besondere im Katholizismus auseinandersetzte.184 Er verwies auf die historische Skepsis der christlichen Moraltheologie gegenüber dem Widerstandsrecht und dem Tyrannenmord.185 Stärker als Hans-Joachim Iwand und Ernst Wolf, die das protestantische Gutachten verfasst hatten, hob Angermair dabei auf die Tatsache ab, dass das Problem des »Tyrannenmordes« objektiv nicht lösbar, sondern 181 Bauer, Eine Grenze hat Tyrannenmacht, S. 178. 182 Ebd., S. 179. 183 Kleine, S. 49. 184 Rupert Angermair, geb. 28.1.1899, gest. 6.5.1966, war während des Dritten Reiches beim Deutschen Caritasverband als Referent tätig und ab 1948 Professor für katholische Moraltheologie an der PTH Freising. 185 Angermair, S. 30.

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immer von der konkreten Situation abhängig sei: »Wer nach einer vernünftigerweise überhaupt möglichen und persönlich ehrlichen inneren Überzeugung handelt, begeht nach der christlichen Moraltheologie niemals Sünde.«186 Er bezog damit die Position, nach der im Katholizismus jeder, der vor dem eigenen Gewissen bestimmte Handlungen und Befehle nicht mit der göttlichen Lehre vereinbaren konnte, das Recht zum Widerstand habe. Er war nicht an einen geleisteten Eid gebunden, sondern konnte den Eid von vornherein unter einen Gewissensvorbehalt stellen – eine Position, die sich deutlich unterschied von der evangelischen Auffassung, nach der ein Eid immer im Verständnis des Eidnehmers zu schwören war. Daher könne es für Katholiken auch keinen Eid geben, der zum bedingungslosen Gehorsam verpflichte, und auch die Attentäter seien an Hitler nie in »absolutem« Gehorsam gebunden gewesen.187 Vielmehr habe sie der Eid auf das »Gemeinwohl des deutschen Volkes« verpflichtet, und in dem Moment, als den Beteiligten endgültig klar war, dass das Gemeinwohl durch Hitler bedroht war, sei der Entschluss zum Attentat nicht Verrat gewesen, sondern »Verantwortung für die schwere Entscheidung«.188 Die nationalsozialistische Interpretation des Eides verwarf Angermair mit dem Hinweis auf naturgesetzliche Zusammenhänge: »Wenn Hitler naturgesetzlich absolut feststehende Begriffe wie den des Eides oder den des Verhältnisses von Staat und Staatsautorität beliebig zu ändern vermeinte, so blieb das für das christliche Gewissen […] völlig wirkungslos.«189 Ähnlich wie die Gegner des Beamtenurteils des Bundesverfassungsgerichts versuchte Angermair, die rechtliche Realität des Dritten Reichs aus der Rückschau für ungültig zu erklären – mit dem Ziel, den Eid als eine »für die Moral […] heiligste und verpflichtendste Sache« zu schützen. »Seine Verletzung ist unter allen Umständen, religiös gesprochen, eine der allerschwersten Sünden. […] An dieser Auffassung zu rütteln, ginge an das Fundament menschlicher Treuebindung und entzöge jedem Staat die letzte zusammenhaltende sittliche Kraft. Es wäre katastrophal, wenn die Verteidigung der Männer des 20. Juli mit einem Angriff auf die Heiligkeit des Fahneneides bezahlt werden müsste.«190 Hier wird eine Position betont, die die Auseinandersetzung mit dem Eidbruch des 20. Juli in der unmittelbaren Nachkriegszeit kennzeichnete, und zwar nicht nur auf theologischer Seite: Die Überzeugung, dass es sich bei der Tat um eine Ausnahmesituation handele, die aber die grundsätzliche »Heiligkeit« des Eides und den Anspruch des Staates auf die Einhaltung der beschworenen Treue nicht in Frage stellen dürfe. Das Fortwirken überlieferter Herrschafts- und Gefolgschaftskonzepte in der jungen Bundesrepublik wurde selten so deutlich wie in der Auseinandersetzung mit dem Eid. Gleichzeitig stand Angermairs Gutachten im Remer-Prozess für die Legi­ 186 Ebd. 187 Ebd., S. 35. 188 Ebd., S. 36/37. 189 Ebd., S. 35. 190 Ebd., S. 32/33.

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timation des Widerstands und des Eidbruchs aus theologischer Perspektive. Auffällig ist dabei, dass Angermair explizit von »christlicher«, und nicht von »katholischer« Moraltheologie spricht, so als ob er versuchen wollte, das Entlastungsargument des Gewissensvorbehaltes überkonfessionell anzubieten. Neben diese theologische Rechtfertigung des Eidbruchs trat mit dem Gutachten des Generalleutnants a. D. Hellmuth Friebe die Auseinandersetzung mit dem militärischen Gehorsam, dem »Fahneneid« und dem 20. Juli 1944. Mit Friebe übernahm dies ein Vertreter der Wehrmacht, dessen Wort in der Nachkriegszeit gerade in den Kreisen der ehemaligen Soldaten wohl großes Gewicht hatte.191 Angesichts von Debatten unter früheren Soldaten, in Soldatenverbänden und in der Öffentlichkeit über die Frage des »Eidbruchs«, stellte Friebe den Eid in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Sein Gutachten machte es sich dezidiert zur Aufgabe, auch die gegenwärtige Situation mit in den Blick zu nehmen. Friebe zeichnete das zeittypische Bild einer »sauberen« Wehrmacht, die fern der Heimat an der Front von nichts gewusst und nur in Pflichterfüllung gehandelt habe. Gehorsam und Eidestreue waren für ihn zentrale Momente einer jahrhundertealten militärischen Tradition, die auch im Nationalsozialismus selbstverständlich weitergewirkt hätten.192 Im Dritten Reich habe der Mehrheit des Offizierskorps, von den »einfachen« Soldaten ganz abgesehen, der notwendige »Einblick und Weitblick« für das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen gefehlt und daraus sei ihnen kein Vorwurf zu machen. Allein die »höchsten Führer« hätten eine solche »metaphysische Zivilcourage« überhaupt aufbringen können. Wer sich zum Widerstand entschlossen habe, tat dies nach Friebe aus »tiefem Verantwortungsgefühl und wahrer Vaterlandsliebe«.193 Seine Ausführungen zum Attentat und zum Widerstand blieben auffallend zurückhaltend, eigentlich beschränkte sich die Rechtfertigung der Widerständigen auf wenige Sätze, gegenüber vielen Sätzen, die den »einfachen« Soldaten an der Front galten. Damit hatte Friebe Millionen von Soldaten von jeder Verantwortung freigesprochen und ihr Verharren im Eid als einzig mögliche Option bezeichnet. Eigentlich jedoch interessierte sich Friebe nicht für die Vergangenheit. In aller Ausführlichkeit nahm er Bezug auf die Auseinandersetzungen über den 20. Juli 1944 in den Reihen der Soldatenverbände. Mit seinem Gutachten war der Remer-Prozess in der Gegenwart der frühen fünfziger Jahre angekommen. Angesichts der sich abzeichnenden Wiederbewaffnung erschien es Friebe als größte Notwendigkeit, die verhärteten Fronten zwischen »Eidbrechern« und »Eidhaltern« aufzubrechen und einen Weg der Versöhnung zu eröffnen.194 Damit ist ein enorm wichtiger Diskussionsstrang hinsichtlich des Eides in der 191 Helmut Friebe, geb. 4.11.1894, gest. 14.1.1970, hatte bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Nach dem Krieg wurde er vom Reichsheer übernommen. Im Zweiten Weltkrieg war er als General Kommandeur verschiedener Einheiten und hochdekoriert. Bei Kriegsende geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1947 zurückkehrte. 192 Friebe, S. 94. 193 Ebd., S. 83–103. 194 Zur Beurteilung des 20. Juli in der Bundeswehr vgl.: Buck; Wiggershaus.

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frühen Nachkriegszeit angesprochen: der Versuch, dem Eid ein einigendes und versöhnliches Moment zuzusprechen. So hielt Friebe einerseits ein flammendes Plädoyer für die Gewissensnöte der am Widerstand Beteiligten: »Der Eid ist mehr als eine Formsache. Er wurde vor Gott geschworen. Hier lag der Gewissenskonflikt! Jeder mußte ihn in der eigenen Brust ausfechten. Es gab keine grundsätzliche Entscheidung für alle, nur tragische, unlösbare Widersprüche der Pflichten. Sollte die eine erfüllt, mußte die andere verletzt werden.«195 Anderseits betonte Friebe: »Wer eine solche Tat nicht verantworten will und nicht verantworten kann, für den bleibt unverrückbar bestehen, einen geschworenen Eid zu halten. Bedingungslos!«196 Und so kam Friebe zu dem Urteil: »›Nur-Soldaten‹ lehnten das Attentat aus Gründen des soldatischen Gehorsams und der soldatischen Eidestreue […] ab, weil für sie Eid=Eid ist, und zwar bedingungslos ist! Die ›denkenden Soldaten‹ kamen […] zu der Auffassung, dass ein Eid unter besonderen, ganz außergewöhnlichen Gegebenheiten seine Begrenzung finden darf. Beide Standpunkte haben ihre volle Berechtigung. Keinem darf aus seiner Auffassung ein Vorwurf gemacht werden.«197 Friebe vertrat hier mit aller Kraft eine vermittelnde Position, die er in dieser Form nicht selbst entwickelt hatte: Vielmehr ging sie zurück auf die sogenannte »Hansen-Formel«. Der Vorsitzende des »Bundes versorgungsberechtigter Soldaten« und spätere Vorsitzende des »Verbandes Deutscher Soldaten«, Admiral a. D. Gottfried Hansen hatte im März 1951 erstmals die dann durch Friebe im Remer-Prozess aufgegriffene Kompromissformel geäußert: »Der Riss, der durch den 20. Juli in unsere Reihen gebracht ist, muss überbrückt werden. Der eine von uns ist seinem Eid treu geblieben, der andere hat in weitergehender Kenntnis aller Vorgänge die Treue zu seinem Volk über seine Eidespflicht gestellt. Keinem ist aus seiner Einstellung ein Vorwurf zu machen, wenn nicht Eigennutz, sondern edles Motiv sein Handeln bestimmt hat. Aus dieser Anerkennung des Motivs folgt, dass man Verständnis für die Handlungsweise des anderen aufbringen muss.«198 Diese vermittelnde Position erhielt durch den Remer-Prozess entschiedenen Auftrieb und vor allem eine große Öffentlichkeit. Angesichts einer möglichen Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik, der Frage ihrer bündnispolitischen Bindung und der zunehmenden Stabilisierung der Verhältnisse schien es unabdingbar, ein Miteinander von Opfern, Tätern und Mitläufern zu ermöglichen. Und ebenso, wie der Eid zum Symbolbild für Widerstand und Mitlaufen geworden war, so konnte er auch dienen, die beiden Positionen zu versöhnen. Auch hier spielte die »Moral« die entscheidende Rolle: Von entscheidender Bedeutung sei die Motivation des Eidgebers für das Wahren oder den Bruch des Eides. Solange er nur aus moralischen Gründen gehandelt habe – 195 Friebe, S.101, unter Bezug auf Heusinger. 196 Friebe, S. 97. 197 Ebd., S. 101/102. 198 Heinemann, Unternehmen »Walküre«, S. 309; Lange, Der Fahneneid, S. 187.

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im Sinne des Vaterlandes, im Sinne der »Treue« –, könne ihm aus seiner Haltung kein Vorwurf gemacht werden. Wer den Eid im Interesse des Deutschen Volkes gebrochen habe, habe ebenso moralisch gehandelt wie der, der »treu« zum Wohle des Deutschen Volkes zum Eid gestanden habe. Indem sowohl der »Eidbruch« wie auch das »Eidwahren« als moralisch hochwertige Haltung bezeichnet wurden, war es möglich, die so weit entfernten Positionen zu versöhnen. In einer solchen Perspektive war niemand mehr Täter oder Verräter, alle waren vor ihrem Gewissen und damit auch vor der deutschen Öffentlichkeit »reinen Herzens«. Beinahe völlig verschwunden war angesichts einer solchen Bedeutungsaufladung des Eides jene Position, die noch in Kaiserreich und Weimarer Republik das Zeitalter des Eides als abgelaufen betrachtet hatte. Die Überzeugung, dass der promissorische Eid eigentlich überflüssig und Überbleibsel einer vergangenen Zeit sei, fand sich in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre praktisch nicht mehr. Das Eidkonzept hatte wieder eindeutig zurück zu einem ethischen Treuekonzept gefunden, was sich ja in der Rückkehr des Beamtenrechts zu einem traditionellen Treueverhältnis bereits angedeutet hatte. Der Eid wurde ideologisch aufgeladen und als moralischer Prüfstein verstanden. Die im Positivismus des Kaiserreichs und dann in der Weimarer Republik zu spürende Tendenz, die Bedeutung des Eides zurückzunehmen und politische Loyalität normativ zu regeln, war in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik, bedingt durch die Entwicklungen zwischen 1933 und 1945, vollkommen zurückgedrängt worden, ebenso wie die Vorstellung eines »bürgerlichen«, nicht-religiösen Eides. Angesichts einer generell durch eine christliche Grundorientierung – oder zumindest eine christliche Rhetorik – geprägten öffentlichen Kultur verband sich der Eid argumentativ wieder klar und eindeutig mit dem Christentum. Den Eid als »heilig«, als Schwur allein vor Gott, zu definieren, bedeutete eben auch die Möglichkeit, als eigentlichen Treunehmer Gott anzunehmen und damit die Treuebindung an Hitler im Nachhinein zu lockern. Der Eid war wieder zum Sinnbild von Moral und Ehre geworden. Auch die »Treue« blieb – trotz ihrer Pervertierung im Nationalsozialismus – noch diskursiv mit dem Komplex der politischen Loyalität verbunden, trotz etwa der Entscheidung, den Beamteneid ohne den Begriff der »Treue« zu formulieren. Insbesondere die Überwindung des »absoluten Gehorsam«, mit dem die Treue durch den Nationalsozialismus verknüpft worden war, erwies sich für die zukünftige Bundeswehr als zentrale Aufgabe. Demgegenüber hatten die Verantwortlichen für die Eidesleistung der Beamten ja vor allem einen Ausweg aus dem Dilemma der »Treue« gefunden: indem sie auf den Begriff grundsätzlich verzichtet hatten. Doch über diesen Verzicht hinaus ist es in dem beschriebenen politischen und kulturellen Kontext – in Verbindung mit den Auseinandersetzungen im Zuge der Wiedereinführung des Berufsbeamtentums  – kein Wunder, dass der Eid auch für die Beamten in traditioneller Art und Weise wiederhergestellt wurde. Die Diskussion um den Remer-Prozess und die dort vorgelegten Gutachten stützten letztlich alle ein Bild des Eides, das auf traditionelle Vorstellungen von Ehre und Treue zurückgriff. Egal, wie man die Tat des 20. Juli bewertete, ob als 275

»Einzelfall« und »Ausnahme«, ob man annahm, der »Führereid« sei von Anfang an »unsittlich« gewesen oder aber durch Hitlers Eidbruch aufgehoben – all diese Interpretationen stellten nicht den Eid als solchen in Frage. Vielmehr versuchten sie, die »Heiligkeit« der Institution zu retten und dem Schwur möglichst viel seiner alten Wertschätzung zurückzugeben. Dies unterstützte die zeitgleich ablaufende Diskussion um den Beamteneid im Hintergrund und beeinflusste die dort ablaufenden gesetzgeberischen Prozesse sicherlich. Obwohl nach den Erfahrungen mit dem Eid im Nationalsozialismus eigentlich Anlass bestanden hätte, den Eid einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen, unterblieb eine solche Entwicklung weitgehend. Viel zu sehr waren alle damit beschäftigt, den Eidgebern des Dritten Reichs Moral und Ehre zuzusprechen. Daher erfüllte der Eid beziehungsweise die Debatte über den Eid im Nationalsozialismus in der jungen Bundesrepublik eine eminent wichtige vergangenheitspolitische Funktion. Indem es gelang, »Eidbrecher« und »Eidwahrer« gleichermaßen als ehrenhaft darzustellen, solange sie nur ihrem »Gewissen« gehorcht hätten, kam der Argumentation die notwendige harmonisierende und ausgleichende Funktion zu, die die junge Bundesrepublik zur Integration von Tätern, Mitläufern und Widerständigen benötigte. Möglich war dies aufgrund der traditionell unkonkreten, rechtlich wenig eindeutigen Spezifik des Eides. Die Vielzahl der genannten Argumente gegen den »Führereid« und für eine Rechtfertigung des »Eidbruchs« einerseits und die Argumente der »Eidwahrer« andererseits ermöglichten die Aufladung mit allen möglichen Werten. So blieb der Eid vor allem Metapher und ideologisches Argument. Daher konnten sowohl Verteidiger des Widerstands wie Gegner den Eid problemlos für die eigenen Ziele und Argumentationen nutzen, und gleichzeitig konnte es auch gerade über den Eid gelingen, die ehemaligen Gegner unter dem Dach der »Ehrenhaftigkeit« zusammenzuführen. Die Frage nach dem Eid ermöglichte eine »Achtung vor dem politischen Gegner«.199 Auf diese Weise wurde der Eid in der jungen Bundesrepublik zu »Integrationsmoment, Legitimationschance und Basis zum Konsens verschiedener Gruppen«.200 Kennzeichnend bei all diesen Debatten ist indes die Tatsache, dass es eindeutig und unmissverständlich ausschließlich um den »Führereid« des Dritten Reichs in seiner spezifischen historischen Situation ging. Nicht die Frage, ob und inwieweit der Anspruch des Staates auf »Treue« und »Gehorsam« gerechtfertigt war, stand hier zur Debatte. Der staatliche Zugriff auf das Gewissen als solcher erschien den Zeitgenossen der frühen fünfziger Jahre als selbstverständlich. Der »Eidbruch« des 20. Juli hingegen erschien als Ausnahmesituation, die sich nicht wiederholen dürfe.201 So erging es dem »Führereid« letztlich in der jungen Bundesrepublik nicht anders als dem Nationalsozialismus insgesamt –

199 Hier zitiert Friebe Otto Anz, Notweg 1951, Friebe, S. 91. 200 Holler, S. 18. 201 So etwa: Friebe, S. 95.

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er wurde in gewisser Weise aus der deutschen Geschichte ausgeklammert, als »Ausnahme« und Sondersituation charakterisiert, der mit der »Normalität« des deutschen Staatsrechts nichts zu tun hatte. Eine strukturelle Debatte über den Eid als politischem Herrschaftsmittel war angesichts einer solchen Mehrheitsmeinung nicht zu erwarten. Am Ende des Remer-Prozesses selbst stand die Verurteilung des Angeklagten, dessen Person im Prozessverlauf immer mehr in den Hintergrund getreten war, »wegen übler Nachrede in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener« zu drei Monaten Haft.202 Viel wichtiger als dieses individuelle Strafmaß war jedoch die Tatsache, dass das Gericht das Dritte Reich eindeutig als »Unrechtsstaats« kennzeichnete, den Krieg im Juli 1944 als verloren bezeichnete und die Ehrenhaftigkeit der Widerstandskämpfer betonte. Fritz Bauer hatte erreicht, was er wollte – die eindeutige Rehabilitierung der Widerstandskämpfer. Die Diskreditierung des »Führereides« einerseits sowie die Legitimierung des »Eidbruchs« andererseits waren durch die Gutachten und die Diskussionen im Prozessverlauf breit in der Öffentlichkeit rezipiert worden. Zwar änderten sich das Bild des Widerstands und seine Beurteilung in der deutschen Öffentlichkeit noch nicht grundlegend, auch in den fünfziger Jahren überwog die Skepsis gegenüber den Attentätern.203 Doch war zumindest im Hinblick auf den Eid eine neue Argumentationslinie in die Welt getragen, die den noch immer von der nationalsozialistischen Ideologie von Treue und Verrat geprägten Blick auf den Schwur zumindest aufweichten. Dabei erfolgte aber eben eine Anknüpfung an ältere Traditionsbestände des Eides und weniger eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem staatlichen Anspruch, das Gewissen seiner Staatsbürger über einen Schwur zu binden und sich auf diese Weise ihrer politischen Loyalität zu versichern.

5.4 Die Debatte um den Fahneneid Die Auseinandersetzung mit dem »Führereid« war angesichts der Debatte um einen möglichen westdeutschen Verteidigungsbeitrag von zentraler Bedeutung für die Bundesrepublik,204 denn die Frage, wie die zukünftigen Soldaten zu verpflichten sein würden, betraf den Kern des Selbstverständnisses der jungen Demokratie. Das komplexe Gefüge aus jahrhundertealten militär-kulturellen Traditionen, Erfahrungen mit dem »Führereid« im Nationalsozialismus und dem politischen Bedürfnis nach Neudefinition des Soldatenbildes bündelte sich

202 Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15.3.1952 in der Strafsache gegen Generalmajor a. D. Remer, S. 105. 203 Meusch, S. 80–82. 204 Vgl.: Buck.

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in der Frage der Vereidigung und der Beurteilung des 20. Juli 1944.205 Da für die neuen Streitkräfte jedoch »beides zusammen, Eidbruch und Eidestreue, unmöglich gleichzeitig vorbildlich und traditionsbegründend sein konnten, geriet die Kontroverse zum gesellschaftlichen Dilemma.«206 Die Forschung hat die Entwicklung hin zu und die Debatte rund um den erneuerten Fahneneid in der Bundesrepublik breit aufgearbeitet.207 An dieser Stelle gilt es vor allem zu zeigen, dass die Diskussion, die mit der Wiedereinführung des Beamteneides und den geschilderten Gerichtsprozessen seit Ende der vierziger Jahre eingesetzt hatte, nun Mitte der fünfziger Jahre Wirkung zeigte: Die Position gegenüber dem Eid begann sich zu verschieben und die Debatten um die Wiedereinführung des Fahneneides verliefen vor einem völlig anderen Hintergrund als jene um die Wiedereinführung des Beamteneides nur wenige Jahre zuvor. Nach Gründung von Bundesrepublik und DDR und mit dem Ausbruch des Koreakriegs gewann die Frage eines bundesdeutschen Verteidigungsbeitrags innerhalb der westlichen Front des Kalten Kriegs an Bedeutung. Das Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) wurde im Mai 1952 in Vertragsform unterzeichnet. Damit schien entschieden, dass die Bundesrepublik Soldaten im Rahmen einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft stellen würde; nicht entschieden war jedoch die Frage nach der Verpflichtungsform der zukünftigen westdeutschen Soldaten. Nur zwei Monate nach dem Remer-​ Prozess war der Eid von einem vergangenheitspolitischen Diskussionsgegenstand mit einem Schlag zu einer politischen, wenn auch noch nicht Realität, so doch Möglichkeit geworden. Bei den internen Planungen innerhalb der Ministerien und Gremien zeigte sich von Anfang an die Bedeutung, die einer Verpflichtung zugesprochen wurde. Die Himmeroder Denkschrift aus dem Oktober 1950 ließ noch offen, ob zukünftig eine feierliche Verpflichtung oder ein traditioneller Eid die deutschen Soldaten im Gewissen binden sollte. Als Eidnehmer schlug die an der Denkschrift beteiligte Expertengruppe Bundespräsident und Verfassung vor, aber auch ein »Bekenntnis zu Europa und dem demokratischen deutschen Staat«.208 Damit steht diese Eidesformel beispielhaft für alle Überlegungen zu einem erneuerten Fahneneid in den folgenden Jahren, die sämtlich daran litten, »zu viel« zu wollen und alles in den Eid zu pressen, was eine Wiederholung der Erfahrung mit dem politischen Eid in den vergangenen Jahrzehnten vermeiden helfen würde.209 Die unmittelbar nach der Himmeroder Tagung neu entstandene Dienststelle Blank nahm sich der Frage nach dem Eid gezielt an und versuchte sich über zahlreiche Gutachten und Vorträge gerade von Kirchenvertretern ein Bild der 205 Zum zeitgenössischen Rückblick auf den Fahneneid im Nationalsozialismus: Aretin. 206 Lange, Der Fahneneid, S. 186. 207 Vgl. ebd., S. 184–223. 208 Zitiert nach: Ebd., S. 193. Zur »Himmeroder Denkschrift« vgl: Rautenberg, Die »Himmeroder Denkschrift«. 209 Vgl. Rautenberg, Standortbestimmung, S. 2

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gesellschaftlichen Positionen zum Eid zu verschaffen.210 Als Ergebnis dieser Überlegungen stellte das Amt Blank jede weitere Planung für zukünftige Vereidigungen der Soldaten der Bundesrepublik ein. An Stelle des Eides sollte in entschiedener Abkehr von überkommenen Traditionen nun eine »einfache« Verpflichtung treten.211 Nach Vorstellung der Dienststelle Blank sollte die zukünftige Verpflichtungsformel allein mit einer Unterschrift garantiert sein, unter Verzicht auf jedes weiter Zeremoniell. Damit sollte nicht nur der Eid, sondern auch das Ritual abgeschafft werden. Inhaltlich bedingt war diese Neuorientierung durch eine tiefgreifende Skepsis gegenüber dem Instrumentarium des Fahneneides, durch die historische Erfahrung einerseits, aber auch die noch ungeklärte Position der Bundesrepublik im deutsch-deutschen Kontext und vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs andererseits. In einem Gutachten hieß es: »Während sich der Treueschwur bisher immer auf Gegenstände von einer gewissen Erhabenheit und vertrauenswürdigen Dauer wie Vaterland, Heimat, Staat und Volk bezog, werden diese beiden notgedrungenen Gebilde [Bundesrepublik und Europa, d. Vf.] den Einzelnen kaum zu einer existentiellen Tatüberzeugung hinreißen, die man freiwillig mit einem Eide bekräftigt.«212 Zwar schloss keiner der in der Dienstelle Blank an den Überlegungen Beteiligten den Fahneneid grundsätzlich aus;213 die Mehrheit der Mitarbeiter war jedoch der Überzeugung, dass zum »gegenwärtigen Zeitpunkt« eine solche Vereidigung unangemessen, weil unklar und zu belastet, erschien. Diese Position übernahm auch die Bundesregierung. So wurde in den Vorarbeiten zu einer gesetzlichen Regelung im Rahmen der EVG auf einen Eid verzichtet und stattdessen eine »feierliche Verpflichtung« geplant.214 All diesen Überlegungen wurde durch das Scheitern der EVG im August 1954 der Boden entzogen. An Stelle der europäischen Lösung trat nun der schnelle NATO-Beitritt der Bundesrepublik, der bereits im Mai 1955 erfolgte, ohne dass es im bundesdeutschen Recht zu diesem Zeitpunkt eine Wehrverfassung oder ein Soldatengesetz gegeben hätte. Unter großem Zeitdruck begann daher die Arbeit an einem Wehrgesetz. Auf Grundlage der Planungen für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft legte das Amt Blank innerhalb kürzester Zeit 210 Vgl. z. B. folgende Gutachten: Stelzenberger; Edo Osterloh, Der Fahneneid, BArch  BW 9/1968; Anonym, Der Eid des Soldaten, BArch BW 9/1968; sowie die Tagung »Verantwortung – Eid – Gehorsam« im Dezember 1952, durchgeführt mit dem Institut für Europäische Politik und Wirtschaft. Zum Am Blank: Krüger, Das Amt Blank. 211 Lange, Der Fahneneid, S. 199. 212 Gutachten Fest, Über den Eid des Soldaten und seine Anwendbarkeit in der gegenwärtigen europäischen Situation, BArch BW 9/1968. 213 Vgl. zur Position Wolf Graf von Baudissins Schubert, S. 305. 214 Die Rechtsabteilung des Amtes Blank schlug folgende Formel vor: »Ich gelobe, als Soldat der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft treu und tapfer zu dienen, gehorsam zu sein, Menschenwürde, Recht und Freiheit zu wahren und Heimat und Vaterland und die Länder der Gemeinschaft unter Einsatz meines Lebens zu verteidigen.« Zitiert nach: Lange, Der Fahneneid, S. 202.

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einen ersten Entwurf für ein Freiwilligengesetz vor. Auch in diesem Gesetzentwurf war unverändert geplant, die Soldaten »lediglich durch Handschlag« und mit dem Versprechen, »treu zu dienen und Vaterland und Freiheit unter Einsatz ihrer Person tapfer zu verteidigen«, zu verpflichten (und nicht zu vereidigen). Überraschenderweise schaltete sich an dieser Stelle Bundeskanzler Konrad Adenauer ein, der Blank persönlich aufforderte, die vorgesehene Verpflichtung durch einen traditionellen Fahneneid zu ersetzen. Dementsprechend war im überarbeiteten Gesetzentwurf des Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften ein Fahneneid vorgesehen. Dieser orientierte sich in der Formulierung einerseits am Beamteneid: »Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren, treu zu dienen und Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.«.215 Auffällig an der für das Freiwilligengesetz vorgeschlagenen Eidesformel ist andererseits, dass hier – im Gegensatz zum Beamteneid – das Wort »treu« wieder aufgenommen wurde. Ganz sicher ist dies mit militärischen Traditionen zu begründen, in denen die Formulierung des »Treue schwören« zutiefst ver­ankert war. So enthielten auch eine Reihe der im Umfeld der EVG-Debatten entwickelten Versprechensformeln das Wort »treu«, meist im Kontext mit »dienen« oder mit »Pflichten erfüllen«. Gerade im militärischen Kontext war offenbar die Scheu, die Anfang der fünfziger Jahre bei der Entwicklung der Eidesformel für die Beamten vor dem Wort in seiner nationalsozialistischen Überformung noch geherrscht hatte, weniger ausgeprägt. Offen diskutiert wurde die Verwendung oder Nicht-Verwendung des Begriffs jedoch nicht, weder im Kontext mit dem Beamteneid noch im Hinblick auf den Fahneneid. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung den Fahneneid vor allem wollte, um eine Gleichstellung der Soldaten mit den Beamten zu erreichen. Hier deutete sich eine normative Kraft des Faktischen an, die angesichts der gesetzlichen Regelungen zum Beamteneid die Richtung für die zukünftigen Soldaten aus staatsrechtlicher Perspektive klar vorgab. Trotz aller ethischen Bedenken, die in der Folgezeit geäußert werden sollten, blieb diese staatsrechtliche Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung immer handlungsleitend. Die Frage, welche Bedeutung der Beamteneid bei der Wiedereinführung des Fahneneides spielte, wurde sowohl von Fahneneidgegnern wie -befürwortern immer wieder gestellt. Dabei wurde einerseits auf die Tatsache verwiesen, dass Beamte und Soldaten als »Staatsdiener« eine gleichartige Verpflichtung leisten müssten. Andererseits kam auch die Verschiedenartigkeit von Beamten- und Fahneneid zur Sprache. Ein Beamteneid war und ist, bei aller ähnlichen Intention des Eidnehmers im Hinblick auf die Stiftung politischer Loyalitäten, eben doch kein Eid, der den Einsatz des eigenen Lebens in die Waagschale wirft. Wolf Graf von Baudissin, der die Wiedereinführung des Fahneneides mit aller Kraft zu verhindern suchte, hatte im Mai 1955 gerade auf diesen Unterschied 215 Lange, Der Fahneneid, S. 204. Vgl. auch: Erster Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz).

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hingewiesen. Man könne nicht einfach aufgrund rein formaler Kriterien – nur weil der Beamteneid existiere – die Gleichheit der Strukturen für die Soldaten verlangen.216 Die Wiedereinführung des Fahneneides, des Versprechens auf unbedingten Gehorsam bis in den Tod, könne angesichts der Erfahrungen im Dritten Reich nicht aufgrund formalrechtlicher Argumente durchgeführt werden. »Ausschlaggebend für alle Erwägungen muß der innere aktuelle Eidwille sein, nicht die Wirkung des Eides für den Rechtsbereich.«217 Für die Befürworter einer Wiedereinführung des Fahneneides war es indes nicht vorstellbar, dass jeder Beamte bis hinein in die unteren Dienstränge einen Eid leiste, die Soldaten der Bundesrepublik indes »nur« ein Versprechen abgeben und keinen Eid leisten sollten – nachher entstehe die Situation, »daß der Hausmeister als Beamter des einfachen Dienstes den Treueid leisten muß, während die gesamte Generalität unvereidigt bleibt.«218 Angesichts der Gemengelage, die sich mit der Wiedereinführung des Fahneneides verknüpfte: Sicherung der bestehenden Grundordnung, Auseinandersetzung mit vergangenheitspolitischen Fragen, staatsrechtliche Probleme und natürlich außen- und sicherheitspolitische Belange im Kalten Krieg, erschien es in dieser Perspektive als fahrlässig, auf das Mittel der Gewissensbindung durch den Eid zu verzichten. Im Freiwilligengesetz, das im Juli 1955 verkündet und bis Ende März 1956 in Kraft blieb, konnte sich die Bundesregierung mit ihrer Forderung eines erneuerten Fahneneides allerdings noch nicht durchsetzen. Sowohl der Bundestag wie auch der Verteidigungsausschuss lehnten den vorgesehenen Eid einmütig ab.219 Nicht zuletzt aus der Befürchtung heraus, mit einer Entscheidung für den Eid im ja nur übergangsweise gültigen Freiwilligengesetz auch eine Entscheidung über die Vereidigung im zeitgleich diskutierten eigentlichen Soldatengesetz zu präjudizieren, bestand der Verteidigungsausschuss auf einer schriftlichen Verpflichtung und verzichtete auf einen Eid. Diese Entscheidung trug auch die CDU / CSU-Fraktion im Bundestag mit. Es zeichnete sich angesichts der Debatten um das Freiwilligengesetz ab, wie schwer es werden würde, über die Frage der Vereidigung im Soldatengesetz einen politischen Konsens zu finden. Die politische wie die öffentliche Debatte hatte sich seit Anfang der fünfziger Jahre, als die Entscheidung für die Wiedereinführung des Beamteneides getroffen worden war, stark verschoben, und die Diskussionen um das auf das Freiwilligengesetz folgende Soldatengesetz zeigten dies deutlich. Der Wunsch der Bundesregierung, den Fahneneid wieder einzuführen, entsprach keinesfalls der Mehrheitsmeinung in den Ministerien. Noch 216 Baudissin, Stellungnahme zur Einführung des religiösen Zwangseides für künftige Soldaten, 27.5.1955, BArch BW 9/1968. 217 Ebd. 218 Georg Kießling (CDU), in der 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz), 123. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages, 6.3.1956, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/02/02132.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 219 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für europäische Sicherheit über den Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften.

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im internen Entwurf der Gesetzesvorlage für das Soldatengesetz war von einer Verpflichtung statt einem Eid die Rede. Wiederum scheint es das Bundeskanzleramt gewesen zu sein, das auf einer Änderung des Vorschlages beharrte und dabei auf eine ausführliche Diskussion der Eidfrage mit allen beteiligten Ämtern und Stellen verzichtete.220 Nicht einmal das Referat »Inneres Gefüge« wurde in die Diskussion miteinbezogen. Wolf Graf Baudissin, für den der Verzicht auf den Fahneneid »zum Symbol für Andersartigkeit der neuen Streitkräfte, für ihren demokratischen Charakter und für den Bruch mit der fragwürdigen Tradition deutscher Militärgeschichte geworden« war, legte deutlichen Protest ein.221 Dennoch übernahm man für den Gesetzentwurf des Soldatengesetzes die Formulierung aus dem Gesetzentwurf des Freiwilligengesetzes (»Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren, treu zu dienen und Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.«). In der Begründung des Gesetzentwurfes wurde klar formuliert, dass die Bundesregierung die Frage der Vereidigung durch die Regelung zum Beamteneid als vorentschieden begriff. Entscheidend war nach Meinung der Bundesregierung die Frage der Pflichten von Soldaten: diese seien in ihrer hoheitlichen Form gleichzusetzen mit den Beamten, daher sei eine gleiche Verpflichtung beider Gruppen unerlässlich.222 In der sich anschließenden parlamentarischen Diskussion über das Soldatengesetz zeigte sich indes, dass viele Mitglieder des Bundestages und auch des Bundesrates diese staatsrechtliche Sicht der Dinge nicht zu teilen bereit waren. Vielmehr vermischten sich hier die politisch-psychologischen Aspekte einer Vereidigung mit rechtlichen Argumenten und selbst innerhalb der Regierungsfraktion ließ sich keine Einigkeit erzielen. Am Ende der ersten Lesung am 12. Oktober 1955 wurde der Gesetzentwurf an den Verteidigungs-, den Rechtsausschuss sowie den Ausschuss für Beamtenrecht zur Beratung überwiesen. Vor allem der Verteidigungsausschuss diskutierte die Frage der zukünftigen Ausgestaltung der Verpflichtung der Soldaten umfassend und ließ sich zusätzlich von Kirchenvertretern beraten.223 Zwar waren die Abstimmungsergebnisse am Ende relativ knapp, jedoch konnte sich die Wiedereinführung des Fahneneides in den Ausschüssen nicht durchsetzen, und zwar in keiner möglichen Form: weder eine Vereidigung aller Soldaten, noch nur eine solche der Berufssoldaten oder auch nur der Offiziere fand eine Mehrheit.224 So empfahl der Verteidigungsausschuss am Ende seiner Beratungen weiterhin statt einer Vereidigung eine »feierliche Verpflichtung« für alle zukünftigen Soldaten. 220 Lange, Der Fahneneid, S. 207. 221 Vgl. den Text der Stellungnahme ebd., ebenso das Zitat. 222 Dade, S. 72. 223 Zur Rolle der Kirchen in diesem Prozess ausführlich und mit zahlreichen Literaturhinweisen: Lange, Der Fahneneid, S. 323–330. 224 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung über den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten.

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Am 6. März 1956 beriet der Bundestag abschließend über das Soldatengesetz und auch hier wurde die Debatte, angeregt durch zahlreiche Änderungsanträge, lang und heftig geführt.225 Auffällig ist, dass Zustimmung und Ablehnung zum Fahneneid quer durch die Fraktionsgrenzen verliefen, beziehungsweise man muss wohl eher sagen, auffällig ist, dass innerhalb des konservativen Blocks Zustimmung und Ablehnung quer durch die Fraktionen verliefen. Die SPD lehnte eine Wiedereinführung des Fahneneides ähnlich wie Anfang der fünfziger Jahre beim Beamteneid grundsätzlich ab. Stärker als alle anderen Fraktionen äußerte sie dabei grundsätzliche Bedenken gegenüber dem Eid. Dabei bezog sich der Abgeordnete Hans Merten in seinem Redebeitrag vor allem auf die normativgesetzliche Ebene: »Die Pflichten des Soldaten gegenüber dem Staate sind durch das Grundgesetz und durch zahlreiche Spezialgesetze geregelt. Was soll da nun noch ein Eid? Soll der Soldat bekräftigen, daß er sich dem Gesetz unterwirft? Unser staatsrechtliches Denken hat seine Wurzeln in der Aufklärung. […] Deswegen müssen wir uns dagegen wehren, daß der Staat […] sich anmaßt, mit Hilfe des Eides über das Gewissen der Menschen zu verfügen […].«226 Im Gegensatz zur SPD, die in ihrer Ablehnung des Eides konsequent blieb, hatte sich die DP, die in der ersten Lesung des Gesetzentwurfes den Fahneneid ebenfalls noch abgelehnt hatte, nun zu einer klaren Befürworterin des Eides gewandelt. Dabei berief man sich auf das konservative Argument der Tradition des Eides, die weit über die Geschichte des Dritten Reichs hinausreiche. Vielmehr verstand man den Eid als etwas überzeitliches, ähnlich wie auch schon in der Beurteilung des Beamteneides Ende der vierziger Jahre. Der DP-Abgeord­ nete Herbert Schneider formulierte in der Begründung des durch die DP eingebrachten Änderungsantrags dies in einem erinnerungswürdigen Reim: »Regierungen kommen und gehen, aber die Heiligkeit des Eides bleibt bestehen.«227 Diese Position, den Eid als etwas »überzeitliches« zu betrachten, geriet jedoch, das zeigt die Bundestagsdebatte im März 1956, deutlich in die Minderheit. Auch jene, die auf einer Wiedereinführung des Eides bestanden, taten dies selten mit dem schlichten Argument: Es war halt immer so, also lasst es uns weiter so machen. Die vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre hatten den Eid aus diesem Stadium der Unschuld herausgeholt. Nun kam es vor allem auf die Position der CDU / CSU-Fraktion an. Doch hatten bereits die Debatten im Verteidigungsausschuss gezeigt, dass sich auch in den Reihen der Fraktion klare Gegner eines Fahneneides fanden. Vor allem Vizeadmiral a. D. Hellmuth Heye, von 1961 bis 1964 Wehrbeauftragter des Bun225 Vgl. die ausführliche Schilderung des Diskussionsverlaufs bei Lange, Der Fahneneid, S. 215–219. 226 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz), 132. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages, 6.3.1956, S. 6832–6833, http:// dipbt.bundestag.de/doc/btp/02/02132.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 227 Ebd., S. 6833.

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destags, der sich bereits im Verteidigungsausschuss klar gegen die Wiedereinführung des Eides ausgesprochen hatte, wiederholte seine ablehnende Position. Dabei gründete sich seine Ablehnung auf durchaus konservative Anschauungen, nämlich die tradierte Vorstellung des Eides als einem personalen Treueverhältnis: »Aus dieser Betrachtungsweise ergibt sich, daß der Eid nach meiner Auffassung seinen Sinn verliert, wenn er nicht irgendwie in einer eidfordernden Person personifiziert wird. Wie will man sonst das wechselseitige Treueverhältnis zu Wirkung bringen? Wenn der Eid also nicht irgendeiner Person geleistet wird, […] so verliert er […] einen wesentlichen Teil seiner bindenden Kraft.« Dies erinnert an die Argumentation der Konservativen in der Weimarer Republik, mit denen sie den Verfassungseid abgelehnt hatten. Doch darüber hinaus sah auch Heye die Tatsache, dass das Gemeinwesen der Gegenwart den Eid eigentlich nicht mehr benötige: »Ich bin der Überzeugung, daß für uns Gesetze maßgebend sind, nach unserer Verfassung, nach unserer Tradition und unserer gegenwärtigen Lage. Wer nicht von sich aus bereit ist, die Gesetze zu erfüllen, der wird sie bestimmt nicht deswegen erfüllen, weil er einen Eid leistet! Der Eid macht aus dem Feigling keinen Helden! Der Eid macht aus dem Menschen, der den Staat ablehnt, keinen treuen Staatsdiener.« Auch die Gleichstellung zwischen Beamten und Soldaten lehnte Heye mit Verweis auf die völlig unterschiedlichen Aufgaben ab.228 Zwei Kompromissvorschläge versuchten die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des Fahneneides zu durchbrechen. Sowohl von der FDP als auch aus den Reihen der Unionsfraktion kam der Vorschlag, zwischen Berufs- und Zeitsoldaten auf der einen und Wehrpflichtigen auf der anderen Seite zu differenzieren. Um die rechtliche Gleichheit mit den Beamten zu sichern, sah der Änderungsantrag der CDU / CSU-Abgeordneten einen Fahneneid für die freiwilligen Soldaten vor; die Wehrpflichtigen hingegen sollten mittels eines Ge­ löbnisses verpflichtet werden, das sich im Text vom Eid nicht unterschied – bis auf die Tatsache eben, dass die Wehrpflichtigen nicht schwören, sondern geloben sollten. Der CDU-Abgeordnete Georg Kliesing erläuterte den Antrag mit der »Sorge um die Gewissensnot« der Wehrpflichtigen: »Menschen aber durch einen erzwungenen Eid in Gewissensnot zu bringen, steht unseres Erachtens dem Gesetzgeber im demokratischen Staat nicht an. Insbesondere auch nach den noch nachwirkenden Erfahrungen unserer jüngsten Geschichte sollte der Staat jeden Gewissenszwang vermeiden.« Bei den freiwilligen Soldaten könne »von einer Gewissensnot oder einem Gewissenszwang […] nicht die Rede sein; denn wer den Soldatenberuf erwählt, tut das freiwillig ebenso wie der Beamte, der ja nach dem Willen des Gesetzgebers in unserem Staate auch vereidigt wird. […]«229

228 Ebd., S. 6837/6838. 229 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz), 132. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages, 6.3.1956, http://dipbt.bundestag. de/doc/btp/02/02132.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020).

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Auf diesen Kompromiss konnten sich offenbar zahlreiche Abgeordnete einlassen: Der Antrag fand im »Hammelsprung« die Mehrheit der Stimmen im Bundestag.230 Damit waren zwei Verpflichtungsformen im Soldatengesetz festgelegt. In deutlichem Unterschied zu den Beamten, die schworen, das Grundgesetz zu wahren, sprachen die Berufs- und Zeitsoldaten folgende Eidesformel, in der die Bundesrepublik an die Stelle des Eidnehmers trat, das Grundgesetz hingegen unerwähnt blieb: »Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.« Gestattet war die Ableistung auch ohne religiöse Formel. Die Wehrpflichtigen hingegen mussten folgende Formel sprechen: »Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.«231 Die religiöse Formel war im Gelöbnistext weggelassen, nicht zuletzt um den Verpflichtungscharakter gegenüber der Eidesformel formal abzusenken. Dies war wohl auch nötig, da die inhaltliche und rechtliche Trennung zwischen »Eid mit religiöser Formel«, »Eid ohne religiöse Formel« und »Gelöbnis« mehr als unklar blieb.232 In der Folgezeit sollte sich zeigen, dass die Öffentlichkeit aufgrund der unklaren Unterscheidung zwischen Eid und Gelöbnis beiden Verpflichtungsformeln eine unterschiedliche Wertigkeit zusprach: Das Gelöbnis erschien vielen Soldaten und Wehrpflichtigen als weniger »wert« als der Eid – eine Interpretation, die vom Gesetzgeber so nicht intendiert war.233 Das Gelöbnis sollte nicht weniger wichtig sein, es sollte nur nicht als gewissensbindendes Ritual betrachtet werden, sondern eher als öffentliches Versprechen.234 Der Eid galt den Abgeordneten als religiöses Ritual, das durch eben diese religiöse Bindung die stärkste Gewissensbindung erzeugte. Das Gelöbnis als nicht vor Gott geleistete reine »Erinnerung« erschien daher auch als nicht auf das Gewissen zugreifende Formel. Unklar blieb bei einem solchen Verständnis indes der Eid mit religionsloser Formel. In jedem Fall führte das undefinierte Verhältnis der verschiedenen Verpflichtungsformeln in der Folgezeit zu sprachlicher und inhaltlicher Unklarheit. Die Anträge, die die Aufspaltung in Eid und Gelöbnis vorschlugen und damit einen Kompromiss suchten zwischen den weit auseinanderliegenden Positionen der Bundesregierung – die den Fahneneid aus staatsrechtlichen Überlegungen heraus wollte – und den Gremien des Bundestages – die der Wiedereinführung des Eides kritisch gegenüberstanden –, wurden erst spät in die festgefahrene Debatte eingebracht. Nicht wenige Abgeordnete werden froh gewesen sein, einem solchen Kompromiss zustimmen zu können und damit eine Lösung für ein 230 Ebd. 231 Lange, Der Fahneneid, S. 219. 232 Vgl. zur Problematik der Unterscheidung zwischen Eid und Gelöbnis: Dade, S. 81–84. 233 Betr.: Eid und Feierliches Gelöbnis, 20.3.1959, BArch 1/65607. Hier berichtet Dekan Konrad Weymann, dass die Mehrheit der Soldaten das Gelöbnis als zweitrangig gegenüber dem Eid betrachteten. 234 Soldatengesetz sowie Reservistinnen- und Reservistengesetz, S. 274.

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grundsätzliches Problem gefunden zu haben. Dass dabei, trotz aller Tiefe der Diskussion im Vorfeld der Entscheidung, schließlich doch inhaltliche Unklarheiten bestehen blieben, war in dieser Situation möglicherweise zweitrangig.

5.5 Atempause: Der Eid Mitte der fünfziger Jahre Betrachtet man die Diskussionen um den Soldateneid, fällt vor allem die grundsätzliche Verschiedenheit im Vergleich zu der Situation Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre auf, als die Frage nach der Wiedereinführung des Beamteneides entschieden wurde. Die Überlegungen hinsichtlich der Wiedereinführung des Fahneneides, die intern bereits seit Beginn der fünfziger Jahre geführt wurde, wurden erst 1955 öffentlich. Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl das Urteil im Remer-Prozess als auch das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts gefällt und die kontroverse Auseinandersetzung um die Rolle des 20. Juli 1944 zwar nicht abgeschlossen, jedoch zumindest in erste vergangenheitspolitische Bahnen gelenkt. Der emotionale Unterton der Debatte über »Eidbrecher« und der »Eidwahrer« hatte sich 1955 deutlich beruhigt – wenn auch die Wiederbewaffnungsdebatte ebenfalls Emotionen schürte. Es setzte Mitte der fünfziger Jahre eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Fragen von »Treue« und Loyalität, Gewissen und staatlichem Recht auf dessen Bindung ein. Diese Debatte fand zu jedem Zeitpunkt vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus statt, sie wurde rückgespiegelt auf die Erfahrungen mit dem »Führereid«. Auffällig ist auch, dass sich in dieser Debatte die klaren Parteigrenzen aufzulösen begannen. Fanden sich die Eidgegner vormals doch in aller Regel im Lager der nicht-konservativen Parteien, so verliefen in der Debatte um den »Fahneneid« Mitte der fünfziger Jahre die Fronten erheblich undeutlicher und individueller. Auch waren die Überzeugungen weniger schwarz-weiß konturiert, nicht selten hielten sich Ablehnung und Zustimmung zum Eid aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus bei einem und demselben Politiker die Waage. In einigen Punkten herrschte in der kontroversen und individuellen Diskussion, die über den Fahneneid hinausging, jedoch Konsens, und aus diesem Konsens lässt sich ein Bild von Eid und Schwur Mitte der fünfziger Jahre zeichnen. Vor allem zeichnet alles Nachdenken über den Eid zu diesem Zeitpunkt die klare und eindeutige Rückkehr zum religiös fundierten Eid aus. Alle Teilnehmer an der Debatte begriffen den Eid eindeutig als ein religiöses Ritual. Ähnlich stark wie zuvor innerhalb dieses Untersuchungszeitraumes nur im Kaiserreich wurde der Eid nun klar und mehr oder weniger ausschließlich definiert als religiöser Ritus. Der Topos von der »Heiligkeit des Eides«, von der »ehrfürchtigen Einrichtung« erfuhr nun (wieder) volle Entfaltung. Stellvertretend für die kaum überschaubaren ähnlichen Äußerungen kann hier ein Zitat aus einem Gutachten des katholischen Moraltheologen Johannes Stelzenberger für das Amt Blank stehen, das 1953 veröffentlicht wurde: »Die Bedeutung und Heilig286

keit des Fahnen­eides gründet sich auf der religiösen Bedeutung. Ohne Gottesglauben und Gottverbundenheit wäre der Eid leer und inhaltlos.«235 Aussagen wie diese waren nicht nur Theologen vorbehalten, sondern zogen sich durch die Verlautbarungen von Politikern aller Couleur. Selbst die SPD-Abgeordneten, die ehemals eine eher kritische Haltung gegenüber der religiösen Komponente des Schwurs vertreten hatten, sprachen von der »Heiligkeit« des Eides.236 Damit entwickelte sich die Diskussion über den Eid Mitte der fünfziger Jahre weit über das eigentliche Thema der Frage nach der zukünftigen Verpflichtung der Soldaten hinaus. Vielmehr geriet der Eid zu einem Element im allgegenwärtigen Kampf um die »Rechristiani­sierung« des »Abendlandes«. Hermann Kunst, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung, formulierte dies so: Nach seiner Einschätzung sei eine »christliche Durchdringung des Abendlandes« noch möglich und hierfür solle »der Eid als Brückenpfeiler bewahrt werden«.237 Und auch in den Gesprächen der »Europäischen Publikation«, jener Arbeitsgemeinschaft aus »Offizieren, Theologen, Historikern und Juristen«, die sich seit Anfang der fünfziger Jahre mit dem militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus auseinandersetzte, spielte diese Überzeugung eine wichtige Rolle. Der evangelische Theologe Walter Künneth beispielsweise bezeichnete den Eid als »ein geradezu klassisches Zeichen dafür […], daß eine Staatsordnung eben nicht autonom in sich ruht und aus sich verstanden werden darf, sondern daß eine Staatsordnung […] immer nur theologisch in Gott begründet wird.«238 Nicht selten verknüpften sich mit dem Eid wie hier naturrechtliche Vorstellungen. Es ging  – in diesem Fall vorwiegend Konservativen  – darum, die letzte Bastion der Religion im Staat zu schützen. Ein Verzicht auf den Eid schien eine Aufgabe dieses letzten Vorpostens der Kirche im Staat zu bedeuten, ein (hier in durchaus rückwärtsgewandter Sprache) »Zugeständnis an eine säkularistische Entartung«.239 Die vor allem in konservativ-katholischen Kreisen verbreite Rede von der Rechristianisierung, die allein nach den Wirren des Kriegs und den Verfehlungen des Nationalsozialismus einen Weg in die Zukunft bieten sollte, war ein zutiefst konservatives Deutungsmuster, das jedoch in der jungen Bundesrepublik überraschend weite Verbreitung fand.240 Ein Geschichtsbild, das in Reformation und Aufklärung den »Sündenfall« der europäischen Gesellschaften erblickte und damit die historische Entwicklung bis in den Nationalsozialismus hinein 235 Stelzenberger. 236 So Walter Menzel (SPD) Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 38. Sitzung, 15.2.1950, S. 1268, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01038.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 237 Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Sitzung, 8.9.1951, zitiert nach: Voigt, Ökumene in Deutschland, S. 188. 238 Walter Künneth in der Diskussion über die »Grenzen des Eides« in: Die Vollmacht des Gewissens, S. 130. 239 Ebd., S. 129. 240 Siehe u. a.: Conze, Das Europa der Deutschen, v. a. S. 111–207.

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erklärte, musste auch den Eid auf eine Weise interpretieren, welche eher in die Vormoderne zurückführte. So ergab sich die These vom »Niedergang« des Eides als einem Ergebnis von Säkularisierung und Liberalisierung. Den »Massen« der Moderne fehlte es nach dieser Überzeugung am klaren Verständnis des Eides und an der notwendigen Religiosität, um dem Ritual gerecht zu werden. Dies wiederum führe zu einer »belanglosen« und »geschäftsmäßigen« Abfertigung des Schwurs und damit zur Entwertung und zur »Krise des Eides«. Diese These vom »Niedergang« des Eides entsprach exakt jener These vom allgemeinen politischen und kulturellen Niedergang der europäischen Gesellschaften durch Abwendung von einer romantisch verklärten Welt des Mittelalters. »Die Entwicklung des Eides […] insbesondere seit der Mitte des 19. Jahrhunderts« erschien in dieser Perspektive »als eine Geschichte seiner begrifflichen Auflösung, seiner moralischen Abwertung und seines Bedeutungsabbaus.«241 In dieser Geschichte des Niedergangs musste notwendigerweise die Weimarer Republik zentrale Verantwortung übernehmen: Die Einführung einer nicht-religiösen Eides­formel erschien in dieser Interpretation als entscheidender Schritt auf dem Weg in die Katastrophe. Und nicht nur das wurde der Weimarer Republik zur Last gelegt. Auch die Einführung eines Verfassungseides für die Soldaten bedeutete in diesem Verständnis nur ein Aufweichen der soldatischen Gehorsamspflicht. Im Rahmen eines solchen Geschichtsverständnisses lag die Verantwortung für den beklagten »Niedergang« des Eides gerade nicht allein beim Nationalsozialismus. »Der Eid als politische Garantie des öffentlichen Rechts befindet sich in Deutschland seit dem Ausgange des 19. Jahrhunderts in einer Krise, die nach 1918 in zunehmenden Maße sichtbar wurde, um schließlich mit den zum 20. Juli 1944 führenden Ereignissen ihren vorläufigen Höhepunkt zu erreichen. Diese Krise führt einerseits zur begrifflichen Auflösung des Eides selbst, seiner moralischen Abwertung und seinem Bedeutungsabbau, andererseits – gefördert durch die wachsende Unsicherheit des modernen Staates und die zunehmende Verbindungseinbuße des Menschen zu Gott – ermöglichte sie seine Verfälschung zu einem metaphysischen Absolutum, einer Art Gottersatz.«242 Damit weitete sich der Blick auf den Eid. Hatte bis Mitte der fünfziger Jahre noch überwiegend der »Führereid« und der 20. Juli 1944 im Mittelpunkt der Diskussion gestanden, so distanzierte sich das Nachdenken über den Eid im Umfeld der Debatte über die Wiedereinführung des Fahneneides allmählich von diesen Fixpunkten. Dies bedeutet nicht, dass der 20. Juli nicht auch weiterhin eine zentrale Rolle gespielt hätte, doch fügte sich das Nachdenken über den Eid nun in einen breiteren gesellschaftspolitischen und historischen Kontext ein. Diese Interpretation von der »Krise« des Eides im 19. und 20. Jahrhundert hat sich bis in die Gegenwart hinein erhalten und bestimmt bis heute das Bild, das sich die Forschung vom Eid macht. Von Paolo Prodi bis hin zu Giorgio Agamben:

241 Gutachten: Der Eid des Soldaten, BArch BW 9/1968. 242 Gutachten Fest, Über den Eid des Soldaten, BArch BW 9/1968.

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sie alle sehen in den Entwicklungen des Eides im 19. und 20. Jahrhundert nichts anderes als eine Niedergangsgeschichte. Ebenso wenig wie die Zeitgenossen der fünfziger Jahre sieht die Forschung bis heute die Versuche etwa der Weimarer Republik, mit dem traditionsbehafteten Element des Eides neue Wege zu gehen. Die Entwicklung eines modernen Eidesverständnisses, das sich nach 1918/19 nicht durchsetzen konnte und im Nationalsozialismus in sein Gegenteil verkehrt wurde, erfuhr auch in den fünfziger Jahren keine Neubelebung. Im Gegenteil: Vielmehr fand man im Hinblick auf Treuekonzepte zurück zu traditionellen Modellen, und ebenso galt dies für die Frage, vor wem der Eid geschworen wurde und wem er gelten sollte. Die ausschließliche Rückorientierung auf den christlichen Gehalt des Eides schnitt all jene Überlegungen aus der Zwischenkriegszeit ab, die versucht hatten, diese Eindeutigkeit aufzulösen. Die Versuche, »modernere« Loyalitätskonzepte mit dem Schwur zu verbinden und etwa der Gewissensfreiheit und der Verfassungstreue eine tragende Bedeutung in einem Verpflichtungsritual zuzusprechen, werden bis heute kaum historisch rezipiert. Die Zeitgenossen der fünfziger Jahre nahmen die Ansätze einer Neuausrichtung des Eides in der Weimarer Republik zwar durchaus wahr: »Der fortschreitend schwindende Gottesglaube zog selbstverständlich den Fall des religiösen Eides als Versicherungsformel nach sich. An die Stelle Gottes trat der Staat als letzte metaphysische Instanz. Damit wurde der neue bürgerliche Eid zum Appell an die letzten Pflichten des Bürgers im Staate. Stellte sich der Schwörende im religiösen Eid die Verantwortung seiner Seele vor Gott vor, so im bürgerlichen Eide seine Verantwortung als Staatsbürger für das Wohl des Ganzen.«243 Doch positiv beurteilt wurden diese Ansätze nicht. Stattdessen verstand man sie als »Vergötzung« des Staates, die durch den Wegfall Gottes aus dem Eid erfolgte.244 Diese, nach dem Verständnis der fünfziger Jahre in der Weimarer Republik angestoßene Entwicklung fand ihren Höhepunkt im Nationalsozialismus – wobei nur selten thematisiert wurde, dass der religiöse Eid im Dritten Reich wiedereingeführt worden war. Der Umkehrschluss aus dieser Perspektive war klar: Eine religiöse Bindung des Eides erschien als Möglichkeit, einen Missbrauch des­ selben – wie man ihn im Nationalsozialismus ausmachte – zu verhindern. »Der Eid wirkt der Versklavung von Menschen an Menschen entgegen. […] Gerade die Anrufung Gottes […] macht deutlich, dass hier der Schwörende in Wirklichkeit sich nicht auf Gedeih und Verderb einer greifbaren Instanz ausliefert, sondern im Gegenteil den Schutz und die Autorität einer stärkeren, weiterreichenden Macht anruft.«245 Ebenso wie der Nationalsozialismus den Eid für sich genutzt hatte, erschien der Eid nun als Möglichkeit, vor Diktatur und Machtmissbrauch zu schützen. Voraussetzung war allerdings die Bildung und Aufklärung des Eidleistenden 243 Gutachten Fest, Über den Eid des Soldaten, BArch BW 9/1968. 244 So etwa: Baudissin, Stellungnahme zur Einführung des religiösen Zwangseides für künftige Soldaten, 27.5.1955, BArch BW 9/1968. 245 Der Fahneneid aus theologischer Sicht.

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über die Grenzen des Eides. Über diese wurde viel diskutiert. Dabei diente die religiöse Bindung des Eides, auf die man sich Mitte der fünfziger Jahre relativ problemlos einigte, letztlich auch, diese Grenzen und daraus folgend ein Widerstandsrecht zu definieren. Die ursprünglich katholische Position, dass gegenüber göttlichem Gebot kein Eid Bindungskraft habe, der gegen sittliche Grundsätze verstoße, wurde nun verallgemeinert: »Gottes richterliche Entscheidung steht über dem Eid. Für den Christen sind darum die Grenzen des Eides eigentlich ohne jede Diskussion gegeben, ob er ihn mit oder ohne religiöse Formel leistet.«246 Damit sollte die Verpflichtung zu »unbegrenzten Gehorsam« verhindert werden können und gleichzeitig das Widerstandsrecht begründet sein. Die Begrenzung der Treuepflicht durch normative Regeln spielte demgegenüber eine deutlich untergeordnete Rolle in der Diskussion: Das Grundgesetz als Bindungsform und Identifikationspunkt politischer Loyalität im Eid tauchte so gut wie nicht auf.247 Die Tatsache, dass sich notwendigerweise zwischen modernem Staat und einem als religiös fundiert verstandenem Eid ein Konflikt auftun musste, beschäftigte allenfalls jene, die dem Eid kritisch gegenüberstanden – wie etwa den oben zitierten SPD-Abgeordneten Hans Merten. Die Frage, ob ein zumindest teil-säkularer Staat wie die Bundesrepublik möglicherweise nicht befugt sein könne, von seinen »Staatsdienern« ein als religiös verstandenes Ritual zu verlangen, wurde kaum thematisiert.248 Während man dem Nationalsozialismus Staatsvergottung vorwarf, nahm man die eigene Staatsorientierung kaum wahr. Die systemstabilisierende Funktion, die dem Eid in den fünfziger Jahren zugesprochen wurde, blieb letztlich dieselbe wie in früheren Jahrzehnten. Der Staat sollte sich den Eid und den Zugriff auf das Gewissen zunutze mache. Damit war der Eid weiterhin in der klassischen deutschen Staatsorientierung verankert: gedacht wurde weniger vom Individuum und seinem Anspruch auf Gewissensfreiheit her als vielmehr vom Staat und seinem Anspruch auf politische Loyalität und Gehorsam. Nach wie vor sprach man dem Eid eine zentrale Sicherungsfunktion zu: »In einer […] Bindung entscheidender staatsbürgerlicher Pflichten an die sittliche Ordnung würde […] ein positiver Wert für die Entfaltung eines sittlichen, staatsbürgerlichen Pflichtbewusstseins liegen. Die Menschen würden dann eben auch ganz klar sehen, daß sie dem Staat nicht letztlich aus Angst, sondern aus tieferen Gründen gehorchen.«249 Doch trotz dieser grundsätzlichen Zustimmung zum Eid und gerade angesichts allen Glaubens an seine Wirkungsmacht, herrschte eine tiefe Skepsis gegenüber der Wiedereinführung des Fahneneides in der konkreten Situation 246 Walter Künneth in der Diskussion über die »Grenzen des Eides« in: Vollmacht des Gewissens, S. 28. 247 Ausnahme: Prof. Dr. Kinder in der Diskussion über die »Grenzen des Eides«, in: ebd., S. 131. 248 So z. B.: Gutachten Fest, Der Eid des Soldaten, BArch BW 9/1968. 249 Pater D. Hirschmann S. J., in: Stenographisches Protokoll der 65. Sitzung des Ausschusses für Verteidigung, 13.1.1956, BArch BW 1/402295.

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der fünfziger Jahre. Die überwiegende Mehrheit aller, die sich an der Debatte beteiligten, sprach sich dafür aus, den Eid zumindest für eine Übergangszeit auszusetzen. Als Gründe dafür wurden einerseits die knappe zeitliche Distanz zum Nationalsozialismus und den Erfahrungen mit dem »Führereid« angeführt. Hinzu kam andererseits die unklare politische Situation des »Provisoriums« Bundesrepublik. Viele sahen es angesichts der deutschen Teilung als unmöglich an, einen klaren Eidnehmer zu benennen: Volk, Vaterland, Heimat, all diese Begriffe seien hochproblematisch, das Grundgesetz hingegen nur eine Übergangslösung. So formulierte es im Bundestag Erwin Feller (Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen): »Die Spaltung Deutschlands lastet auf uns allen schwer genug. Versuchen wir erst einmal, sie zu überwinden, wenn wir wieder ein gesamtdeutsches Vaterland haben, dann werden wir auch über den Eid darauf sprechen können. Heute ist die Zeit dafür nicht reif.«250 Schließlich bemängelte auch so mancher Redner die politische Bildung vor allem junger Menschen, denen das Grundgesetz nicht vertraut sei und denen daher ein Schwur auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht zuzumuten sei. Ob die Vorstellung, der Eid müsse nur vorübergehend »aufgehoben« werden, um dann später, gewissermaßen wenn der politische und religiöse »Reife­grad« der Eidleistenden gegeben sei, wiedereingeführt zu werden, nicht bei manchen Teilnehmern an der Debatte nur eine Scheinforderung war, lässt sich nicht feststellen. Jedenfalls sprachen sich die wenigsten offen für einen dauerhaf­ten Verzicht auf den Eid aus. So äußerte etwa der CDU / CSU-Abgeordnete Hellmuth Heye im Verteidigungsausschuss als einer der wenigen grundsätzliche Zweifel daran, ob der Eid überhaupt noch eine Funktion und Wirksamkeit habe: »Ich glaube nach wie vor, daß der Eid bestimmt nicht das geeignete Mittel ist, die Leute an den Staat zu binden, wenn diese nicht bereits die Verpflichtung zu einer Gemeinschaft oder zum Staat in sich tragen. […] Ich glaube, daß die meisten Menschen aus sich heraus ihre Pflicht erfüllen, ob mit oder ohne Eid.«251 Die Mehrheit der Abgeordneten hielt indes an dem überkommenen Bild des »heiligen Eides«, den es für die Zukunft zu wahren galt, zumindest rhetorisch fest. Angesichts des staatsrechtlichen Arguments der Bundesregierung für die Wiedereinführung des Soldateneides aufgrund des bestehenden Beamteneides bedauerte indes so mancher Gegner des Fahneneides nun die Entscheidung für den Beamteneid, so etwa der Fritz Erler (SPD): »Wenn ich es noch einmal mit dem Beamteneid zu tun hätte, würde ich ihn nicht wieder einführen. Wie haben uns damals wahrscheinlich die Tragweite der Analogie zur bewaffneten Macht nicht richtig überlegt, als wir den Beamteneid einfach gewissermaßen als alther250 Erwin Feller (GB / BHE), 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtstellung der Soldaten (Soldatengesetz), 132. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages, 6.3.1956, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/02/02132.pdf (zuletzt abgerufen am 20.1.2020). 251 Hellmuth Heye, CDU / CSU, in: Stenographisches Protokoll der 65. Sitzung des Ausschusses für Verteidigung, 13.1.1956, BArch BW 1/402295.

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kommend übernommen haben. […] Wir wären um viele Probleme herum, wenn wir den Eid bei den Beamten nicht wieder eingeführt hätten.«252 Tatsächlich war die Wiedereinführung des Beamteneides geschehen, ohne weiter über die Konsequenzen nachzudenken – weder im Hinblick auf den Soldateneid noch im Hinblick auf die Erfahrungen mit dem Eid des Dritten Reichs. Man hatte sich allein auf beamtenrechtliche Zusammenhänge gestützt und den Eid, nicht zuletzt im Interesse einer einflussreichen Beamtenlobby, zu einem Mittel im Kampf gegen die alliierten Reformforderungen und der Abgrenzung gegen die DDR gemacht. Vermutlich war es Ende der vierziger Jahre auch noch zu früh gewesen für die weitergehende Auseinandersetzung mit dem Eid in seiner gesamten Tragweite und natürlich erregte der Soldateneid auch stärker die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, wogegen die Wiedereinführung des Beamteneides öffentlich kaum diskutiert worden war; doch nun konnte diese Entscheidung in der Auseinandersetzung um den Fahneneid instrumentalisiert werden. Die Diskussion über die Wiedereinführung des Fahneneides bedeutet einen Einschnitt in der Geschichte des politischen Eides. Erstmals haben sich ein Parlament und seine Ausschüsse so intensiv mit der Frage nach Berechtigung, Sinn und Zweck der Vereidigung auseinandergesetzt. Vor dem Hintergrund einer vergangenheitspolitischen Problemlage und gefangen im eigenen Zeitgeist entfaltete sich hier erstmals ein kollektives Nachdenken über ein Ritual, das bis zu diesem Zeitpunkt unhinterfragt von der Politik zum eigenen Nutzen eingesetzt wurde. Den von vielen gewünschten Effekt hatte diese Debatte nicht, der Fahneneid wurde wiedereingeführt. Zwar fand man die abgeschwächte Variante des Gelöbnisses, letztlich jedoch wog das staatsrechtliche Argument der Gleichstellung von Beamten und Soldaten zu schwer. Die Debatte um den Fahneneid, ergänzt durch die verschiedenen Prozesse in der Frühphase der Bundesrepublik, in denen der »Führereid« und der 20. Juli 1944 im Mittelpunkt standen, bedeutete dennoch einen Wendepunkt. Zwar stellte man Mitte der fünfziger Jahre noch nicht das Recht des Staates in Frage, von seinen Staatsbürgern einen gewissensbindenden Eid zu leisten, noch wog das Gut der individuellen Gewissensfreiheit nicht schwer genug. Die Diskussion blieb außerdem noch stark der spezifischen Situation um den Widerstand des 20. Juli verhaftet. Und doch war mit der Diskussion die Tür ein Stück aufgestoßen hin zu einer grundsätzlichen Infragestellung des Eides in den sechziger und siebziger Jahren.

252 Fritz Erler (SPD) in: Stenographisches Protokoll der 65. Sitzung des Ausschusses für Verteidigung, 13.1.1956, BArch BW 1/402295.

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5.6 Gewissensfreiheit! Der Eid in der veränderten politischen Kultur der sechziger und siebziger Jahre 5.6.1 »Daumenschraube« Eid? Gesellschaftliche Debatten Die fundamentalen Wandlungsprozesse, die seit den späten fünfziger Jahren die politische Kultur der Bundesrepublik veränderten, konnten an einem so traditionsbeladenen Ritual wie dem Eid nicht spurlos vorübergehen. Auf verschiedenen Ebenen, in der öffentlichen Debatte, in der Wissenschaft, aber auch im Beamtenrecht führten jeweils spezifische, und dennoch miteinander verflochtene Entwicklungen zu einem veränderten Blick auf den Eid. Aber auch massive Veränderungen im Beamtentum selbst, die sich in sozialer und damit einhergehend auch mentaler Form niederschlugen, trugen zu diesem veränderten Blick auf den Eid bei. Zum einen fand im Beamtentum der sechziger Jahren ein Generationswechsel statt: die um 1900 geborenen Beamten, vielleicht die letzten, die noch vom klassischen Beamtenethos mit seinen Treuevorstellungen geprägt gewesen waren, aber auch die letzten, die im 20. Jahrhundert durch die Vielzahl geschworener Eide geprägt worden waren, gingen im Verlauf der sechziger Jahre in den Ruhestand. Ersetzt wurden sie, nicht zuletzt bedingt durch den »Ausfall der Kriegsgeneration«,253 nicht selten durch Beamte, die erst Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre mit ihrem Studium begonnen hatten und daher vollkommen anders sozialisiert waren.254 Die Sozialstruktur, die die Beamtenschaft vom Kaiserreich an geprägt hatte – die hohe Selbstrekrutierung und Verankerung im Mittelstand –, war bis in die fünfziger Jahre hinein mehr oder weniger unverändert geblieben, ja die Selbstrekrutierung hatte in den fünfziger Jahren wieder den Stand des späten Kaiserreichs erreicht. Während sich der mittlere Dienst seit der Weimarer Zeit langsam auch für die Unterschicht öffnete, war der höhere Dienst nach wie vor ausschließlich von Vertretern der Mittelschicht rekrutiert. Trotz allen quantitativen Wachstums hatte sich die Sozialstruktur des öffentlichen Dienstes zwischen dem späten Kaiserreich und den fünfziger Jahren damit kaum verändert.255 Dies deckt sich mit einer Konstanz der Wertehaltungen gerade der höheren Beamtenschaft in diesem Zeitraum. Der Eid als zentrales Symbol dieses Selbstbewusstseins hatte in den fünfziger Jahren, als es in den Auseinandersetzungen um die Wiedereinführung des Berufsbeamtentums ging, noch einmal einen Bedeutungsschub erhalten. Seit den sechziger Jahren begann sich auch die Sozialstruktur des Beamtentums, die bis zu diesem Zeitpunkt in weiten Teilen noch jener vom Beginn des Jahrhunderts ähnelte, zu wandeln. Damit geriet das Selbstverständnis des Beamtentums als sozialer Gruppe mit spezifischen Wertvorstellungen auf den Prüf253 Wunder, S. 186. 254 Ruck, S. 242. 255 Wunder, S. 135–137.

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stand. Dies wurde nicht zuletzt durch die massive Ausweitung des Staatsdienstes mitbefördert.256 Die rein zahlenmäßige Vergrößerung der Beamtenschaft ließ ein gemeinsames »Gruppenbewusstsein«, wie es bis in die fünfziger Jahre hinein gerade unter den höheren Beamten noch bestanden hatte, verschwimmen. Traditionelle Werte, zu denen auch die Bedeutung des Eides als einem überkommenen Ritual der Treuestiftung gehörte, verloren in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Die Debatten um eine Dienstrechtsreform, in der es vor allem darum ging, die »Verwaltungsorganisation und Verwaltungstradition an die Erfordernisse dieser modernen Welt« anzupassen und bei der traditionelle Werte plötzlich kaum eine Rolle mehr spielten,257 trugen zu diesem Prozess vermutlich eher unbewusst bei. Diese Bemühungen um eine Reform des Berufsbeamtentums wurden in der für das Jahrzehnt üblichen Reformeuphorie auch in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Dies führte zu einer deutlichen Skepsis gegenüber den »überkommenen« Traditionen eines Beamtentums, die zunehmend als ge­sellschaftsfern und staatszentriert betrachtet wurden. Die ehemals als Tugend begriffene »Treue« erschien manchem nun als Ausdruck einer Obrigkeitsstaatlichkeit, als rückwärtsgewandt und nicht mehr zeitgemäß. Der Eid als Ritual musste in diesen »Modernisierungsprozessen« – ganz unabhängig von Veränderungen im Dienst- oder Disziplinarrecht – an Bedeutung verlieren, gerade weil er in langer Tradition auf »gestrige« Werte zu zielen schien. Doch auch über das Beamtentum hinaus und bezogen auf gesamtgesellschaft­ liche Veränderungen mussten die sich verstärkt manifestierenden Pluralisierungsund Individualisierungsprozesse ein Ritual wie den Eid, das auf das (nicht nur: religiöse) Gewissen des Einzelnen zugriff, in Frage stellen. Die sich Bahn brechende Skepsis gegenüber einem überkommenen Staats- und Politikverständnis musste das Recht des Staates bezweifeln, zur politischen Herrschaftssicherung auf den Eid und damit auf das Gewissen des Staatsbürgers zurückzugreifen. Und die sich verstärkt fortsetzende Veränderung religiöser Bindungen und religiöser Deutungsmuster, die sich auch in Säkularisierung, vor allem aber einem veränderten Kirchen- und Glaubensverständnis und einer Aufsplitterung des religiösen Mehrheitsdenkens niederschlugen, nahmen dem Eid sein zumindest in den fünfziger Jahren selbstverständlich christliches Fundament. Selbst innerhalb der Kirchen begann sich der Blick auf den Eid zu wandeln. Insbesondere gilt dies für die Evangelische Kirche. Hier entwickelte sich offene Kritik am Eid, die immer stärker auch in die Öffentlichkeit hineinwirkte und das überkommene Bild des Rituals zu verändern und in Frage zu stellen begann. Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945, nach Krieg und Zerstörung, angesichts verheerender Verbrechen hatten die beiden großen christlichen Kirchen eine Führungsrolle bei der Suche nach moralischen Orientierungspunkten und

256 Ebd., S. 168–173. 257 Bundeskanzler Kiesinger im Monatsblatt 10/1967, zitiert nach: Metzler, S. 336, dort auch zu den Modernisierungsprozessen in der Verwaltung der sechziger und siebziger Jahre.

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beim geistigen »Wiederaufbau« übernommen.258 Dies galt auch und gerade für die Frage, wie mit der Vergangenheit des »Führereides« umzugehen war und wie eine zukünftige Verpflichtung von Beamten und Soldaten aussehen konnte. Alle Gerichtsverfahren und politischen Auseinandersetzungen sowie die publizistische Berichterstattung darüber kamen nicht aus ohne Gutachter und Kommentatoren aus den Reihen der katholischen und der evangelischen Kirche. Dies erklärt einerseits, warum der Eid in der Nachkriegszeit so eindeutig christlich definiert wurde – die Kirchen gaben diesen Grundtenor vor und die Zeitgenossen folgten weitgehend. Andererseits kam den Kirchen gerade des­wegen eine führende Deutungsposition im Hinblick auf den Eid zu, weil das allgemeine Bedürfnis bestand, das Ritual des Schwurs wieder mit einem tieferen Sinn zu füllen. Die durch die Forschung immer wieder betonte Re-Orientierung der unmittelbaren Nachkriegszeit an Wertmustern und Ordnungsvorstellungen der Zeit vor 1918 zeigte sich auch beim Eid.259 Zurück in die Zeit der Jahrhundertwende, als der Eid noch klar und eindeutig ein christliches Ritual gewesen war, so schien das Motto in den fünfziger Jahren zu lauten, und daran hatten die Kirchen deutlichen Anteil. Die Haltung protestantischer Kreise zum Eid war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach wie vor geprägt von der traditionellen Ausrichtung auf den Staat und die Idee vom »Gehorsam gegenüber der Obrigkeit«.260 1954 schrieb der evangelische Theologe Walter Künneth noch, dass der Staat »als die von Gott gestiftete Ordnungsmacht« ein Recht darauf, ja sogar die Pflicht dazu habe, den Eid auch nach den Erfahrungen mit dem »Führereid« weiterhin zu fordern: »Der ›rechte‹ Staat, der sich als wahre Ordnung zur Erhaltung begreift, kann und darf daher auf das Recht des Eides nicht verzichten, sondern ist um seiner gottgewollten Aufgabe willen verpflichtet, die Erkenntnis der für seine Existenz unerläßlichen Wahrheit und die Begründung seiner Sicherheit durch die Eidesforderung zu erzwingen.«261 Doch nicht nur zur Erhaltung der Staatsordnung gestand Künneth dem Staat das Recht auf den Eid zu, er sah im Eid gerade die Grundlage staatlicher Autorität: »Die Autorität und Souveränität der Obrigkeit prägen sich gerade in dem Recht, den Eid zu fordern, wesensmäßig aus, da eben die Obrigkeit sich für die Aufrechterhaltung der Staatsordnung durch Recht und Gewalt verantwortlich weiß.«262 Natürlich stand man auch in den Reihen der EKD dem Eid in der konkreten Situation der späten vierziger und der fünfziger Jahre, etwa in der Auseinandersetzung um die Wiedereinführung des Fahneneides kritisch gegenüber, gerade aufgrund der spezifischen Erfahrungen der »Bekennenden Kirche« im Natio258 Vgl. i. A.: Greschat, Die evangelische Christenheit, S. v. a. 189–310; Sauer; Springhart. 259 Vgl. Gallus; Schildt, Modernisierung im Wiederaufbau; ders., Zwischen Abendland und Amerika. 260 Vgl. als Beispiel für dieses traditionelle Eidesverständnis: Künneth, Kap. Eid, S, 365–377. Zu Walter Künneth siehe: Kummer, Maaser. 261 Künneth, S. 369. 262 Ebd.

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nalsozialismus. Doch bei aller Betonung notwendiger »Grenzen des Eides« gab es eine strukturelle Kontinuität, die die evangelische Position gegenüber dem promissorischen Eid auch nach 1945 bestimmte. Seit Beginn der sechziger Jahre allerdings regte sich in der EKD Unbehagen gegenüber diesen traditionellen Positionen, ein Unbehagen, dass vermutlich schon zuvor latent vorhanden gewesen war, nun aber, auch angesichts verstärkter gesellschaftlicher Zweifel am Eid, auf die Tagesordnung trat. Angeregt von den Militärpfarrern,263 die sich mit zunehmenden Zweifeln von Wehrdienstleistenden am Eid und am Gelöbnis konfrontiert sahen, setzte sich die EKD seit Beginn der sechziger Jahre verstärkt mit dem Eid und vor allem mit der eigenen Vergangenheit im Dritten Reich, dem Fall Barth und dem »Pfarrereid« auseinander. 1965 reagierte die Synode der EKD mit der Einrichtung eines Ausschusses zur Erörterung der Eidesfrage, angesichts der Tatsache, dass »die abendländische Eidestradition […] in unserer umwälzenden Zeit zutiefst fragwürdig geworden« sei. Die Einsetzung des Ausschusses, der »den neutestamentlich-exegetischen Befund durchleuchtet[e], kritisch die Aussagen der Reformatoren und der reformatorischen Bekenntnisschriften« untersuchte und »den Eid bzw. Gelöbnisgebrauch im staatlichen Ämterrecht und im Beamten- und Disziplinarrecht der Kirche« darstellte,264 markierte den Beginn einer ernsthaften theologischen, aber auch historischen Auseinandersetzung mit der Eidestradition innerhalb der evangelischen Kirche. Flankiert wurde diese Entwicklung durch eine Strömung innerhalb der evangelischen Theologie, die zwar nicht zur Mehrheitsmeinung wurde, jedoch in den sechziger Jahren publizistisch breiten Raum einnahm. Angeführt von einer Frankfurter Studienrätin im Hochschuldienst an der Hochschule für Erziehung in Frankfurt, Hildburg Bethke, erschienen seit Mitte der sechziger Jahre eine ganze Reihe von Aufsätzen und Büchern, in denen es vor allem um eines ging:265 das Schwurverbot Jesu beim Wort zu nehmen und es als Schwurverbot auch in der diesseitigen Welt zu begreifen.266 Diese Position bezog sich auf Überlegun263 Zur Geschichte der Militärseelsorge der Bundeswehr vgl.: Greschat, Protestantismus im Kalten Krieg, S. 256–268; Steuber. 264 Publiziert wurden die Ergebnisse des Ausschusses in: Ich schwöre, hier Bd. 1, S. 7. 265 Biografische Informationen über Hildburg Bethke sind spärlich und vage, sie beruhen auf Angaben ihrer früheren Schule: geb. 28.7.1931, gest. 02.02.2006, studierte sie Biologie, Philosophie und Pädagogik. In den fünfziger Jahren war sie als Studienrätin in Darmstadt tätig. Schon früh engagierte sie sich in der evangelischen Studentengemeinde. Vgl.: Lepp, S. 260. Seit 1972 war sie als Professorin in Frankfurt tätig, vgl.: Nachrichtenblatt für Schüler, Eltern und Ehemalige, hg. vom Francisceum Zerbst / A nhalt, November 2008, www. foerderverein-francisceum.de/n_blatt_12_08.pdf (zuletzt abgerufen am 22.1.2020). 266 In Matthäus 5 heißt es: »33 Ihr habt weiter gehört, dass den Alten gesagt ist: ›Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn Deine Eide halten.‹ 34 Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. 36 Auch sollst Du nicht bei deinem Haupte schwören, denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. 37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.«, in: Lutherbibel 2017. Vgl.

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gen zur Entmythologisierung der Bibel in der Nachfolge Rudolf Bultmanns.267 Die Überzeugung, dass die Sprach- und Bilderwelt der Bibel einem vorwissenschaftlichen und mythologischen Zeitalter entstamme und in der modernen und hochmodernen Welt neu und unabhängig verstanden werden müsste, inspirierte auch die Kritiker des Eides.268 Die Idee eines mythischen Rituals, als das der Eid interpretiert wurde, erschien in dieser Perspektive als zunehmend unbrauchbar für die eigene Gegenwart. Auch die bereits zuvor von Kritikern immer wieder beanstandete »Verfügung« über Gott, die dem Eid innewohnte, die Idee also, dass der Mensch es sich herausnehmen dürfe, Gott zum Zeugen zu zwingen, erschien diesen Theologen als nicht mehr tragbar. In einen ähnlichen Zusammenhang gehörten auch die Bemühungen, die Heilige Schrift in historisch-kritischer Exegese in ihrem Wortlaut wieder ernst zu nehmen.269 Die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen »Pfarrereid« und dem Fall Karl Barth diente beinahe allen gegenüber dem Eid kritischen Theologen der sechziger Jahre als das Fallbeispiel gegen den Eid schlechthin. 1967 erschien eine erste Monografie, die sich dem Eideskonflikt zwischen protestantischer Kirche und Nationalsozialismus widmete.270 Hier wurde die Kritik am Verhalten der Kirche während des Dritten Reichs deutlich formuliert. Und obwohl die Arbeit von Angelika Gerlach-Praetorius im Kern historisch angelegt ist, bewegte sich die Autorin doch ganz klar im zeitgenössischen Kontext der sechziger Jahre. Als Zentrum der nach ihrem Verständnis bisher ungelösten Problematik um den Eid für die protestantische Kirche machte Gerlach-Praeto­rius das Verhältnis zwischen Kirche, Staat und Obrigkeit aus, das sich in der Demokratie grundsätzlich anders gestalten müsse als im »Obrigkeitsstaat«.271 Sie folgerte aus der Auseinandersetzung mit dem Eid im Nationalsozialismus, dass es sich beim Eid um eines »der brennendsten Probleme der evangelischen Ethik« auch in der Gegenwart handele, und forderte eine Neupositionierung der EKD im Hinblick auf ihren Umgang mit dem Eid.272 Diese gesammelte Kritik, die dem Eid aus Teilen der protestantischen Theologie in den sechziger Jahren entgegenschlug, führte zu einem langsamen Umdenken der EKD. Gegen die unhinterfragte Unterstützung des staatlichen Loya­ litätsanspruches durch die evangelische Kirche regte sich nun Protest, der sich nicht zuletzt darin äußerte, dass von Teilen der EKD die Pflicht zur Eidesleistung in Frage gestellt wurde. Die theologischen Zeitgenossen der sechziger Jahre auch: Kreusch; Bethke. Darüber hinaus zur theologischen Diskussion um den Eid siehe: Bauernfeind, Was sagt das Neue Testament zum Eid?; ders., Eid und Frieden; Honecker, Der Eid in der säkularisierten Gesellschaft; Schmid, Der Eid – eine fragwürdige Tradition. 267 Zurückgehend auf Bultmann. 268 Vgl. Nüssel. Zur Biografie Bultmann: Hammann. 269 Vgl.: Wilkens, S. 94–102. 270 Gerlach-Praetorius. Siehe ansonsten: Kupisch; Fausel. 1977 erschien dann die umfassende Arbeit Prolingheuer. 271 Gerlach-Praetorius, S. 225–227. 272 Ebd., S. 15.

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standen dem Staat weniger nahe, als das in früheren Generationen der Fall gewesen war. Die Staatsskepsis, die sich in Teilen der westdeutschen Gesellschaft entwickelte,273 erfasste auch Bereiche der Theologie. Das Diktum vom Gehorsam gegenüber der Obrigkeit konnte hier nicht mehr die Wirkung entfalten, die zuvor zu einer bereitwilligen Einordnung deutscher Protestanten unter den Staatswillen geführt hatte.274 Insofern war auch die staatliche Eidesforderung in diesem theologischen Verständnis keine selbstverständliche Pflicht des Christenmenschen der Gegenwart. Die Auseinandersetzungen innerhalb der EKD, in Kombination mit einer sich zunehmend verstärkenden öffentlichen Debatte über Sinn und Zweck des Schwörens seit Ende der sechziger Jahre, führten dazu, dass auch die katho­ lische Kirche sich der Eidesfrage öffnete. Beide Kirchen sahen sich nun stärker in der Verantwortung, das staatliche Eidesverständnis und den Umgang mit dem »Eides­zwang« zu thematisieren. Anfang der siebziger Jahre bildete sich ein überkonfessioneller Ausschuss aus evangelischen und katholischen Geistlichen, der sieben Thesen zur Eidesfrage veröffentlichte. Die Thesen zeigten eine deutliche Distanzierung vom früherem Eidesverständnis. So verzichteten sie auf eine theologische Diskussion und konzentrierten sich stattdessen auf klare Empfehlungen an den Staat. Nach wie vor sprachen die Kirchenvertreter dem Staat zwar ein grundsätzliches Recht auf Vereidigung seiner Bürger zu.275 Dabei müsse er jedoch »der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt des Staatsvolkes Rechnung tragen«.276 Daher forderten die Theologen die Schaffung einer nicht-religiösen Verpflichtungsformel als Alternative zum Eid.277 Sie schlugen als Formel folgenden Wortlaut vor: »Ich verspreche im Bewußtsein der hiermit verbunden besonderen Verantwortung, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen.«278 Sinn dieser Verpflichtungsformel sollte sein, »daß sie niemanden in Gewissensbedenken bringt und auch der Christ sie verwenden kann, wenn ihm die religiöse Formel untragbar erscheint«.279 Damit hatte sich die Mindermeinung in den Kirchen durchgesetzt, die dafür warb, auch jenen Christen eine Alternative zum Schwur zu bieten, die den religiösen Eid ablehnten, aber auch im nicht-religiösen Eid eine religiöse Handlung sahen und diesen daher ebenfalls ablehnten. Diese Diskussion um den Eid in den beiden großen Kirchen war – bei aller Verankerung der Debatte in spezifisch protestantischen Problemlagen  – Teil einer breiteren Entwicklung, die Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft seit 273 Am Beispiel der Skepsis gegenüber der Polizei als »Staatsgewalt« vgl.: Weinhauer; 274 Zur innertheologischen Diskussion über die »Obrigkeit« vgl. i. A.: Honecker, Evangelische Theologie vor dem Staatsproblem. 275 Thesen zur Eidesfrage, S. 106. 276 Ebd., S. 107. 277 Ebd., S. 108. 278 Ebd. 279 Ebd.

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etwa Mitte der sechziger Jahre erfasste. Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten, in denen der Eid zwar immer wieder in der Kritik stand, diese sich jedoch auf vorwiegend intellektuelle oder theologische Außenseitermeinungen beschränkte oder aber sich an konkreten Vereidigungskonflikten etwa im Falle von Systemwechseln festmachte, begann nun eine Entwicklung, die den Eid »von der Basis« her in Frage stellte. Diese kritische Tendenz gegenüber dem Eid äußerte sich nicht zuletzt darin, dass die Selbstverständlichkeit verloren ging, mit der in früheren Zeiten der Eid von Beamten und Soldaten, aber auch der assertorische Eid von Zeugen vor Gericht, geleistet worden war. Waren Eidesverweigerungen vor den sechziger Jahren grundsätzlich selten und eher auf politische Umbruchsituationen, wie etwa die Frühphase der Weimarer Republik, oder individuelle religiöse Konflikte beschränkt, so änderte sich das nun. In dem politisch relativ stabilen, wirtschaftlich florierenden System der Bundesrepublik kam es zu Eidesverweigerungen – weil insbesondere jüngere Menschen nicht mehr bereit waren, dem Staat den Zugriff auf das eigene Gewissen zuzusprechen. So sah sich zum Beispiel die Bundeswehr in den sechziger Jahren vermehrt mit Wehrpflichtigen konfrontiert, die sich weigerten, das – in diesem Fall – Gelöbnis zu leisten. Auch wenn es sich bei dem Gelöbnis nach Intention des Gesetzgebers eben nicht um einen Eid handeln sollte, so rächte sich nun die unklare Abgrenzung zwischen beiden Versprechensformen. Das Gelöbnis wurde offenbar von vielen Rekruten in den sechziger Jahren als »eidähnlich« verstanden und entsprechend schlug auch diesem Ritual die Skepsis der jungen Menschen entgegen.280 So kam es zum Beispiel 1967 im Panzerbataillon 63 zu Konflikten um das Gelöbnis.281 Der Kommandeur berichtete von »unsachlichen, teils bösartigen und undisziplinierten Äußerungen« im vorbereitenden Unterricht.282 Von den insgesamt 153 Rekruten, »davon 86 Abiturienten!« – setzte »die Mehrheit […] dem Feierlichen Gelöbnis einen erheblichen Widerstand entgegen«. Nach Belehrung und Diskussion verweigerten 15 Rekruten das Gelöbnis, die Gründe wurden penibel aufgelistet und reichten von pazifistischen Argumenten bis hin zu der Überzeugung, dass man kein Versprechen auf ein veränderliches politisches System oder angesichts der Teilung auf das »deutsche Volk« ablegen könne. Was uns hier eher anekdotisch begegnet, deckt sich mit der generellen Entwicklung: Im Jahr 1968 verdoppelte sich die Zahl der Wehrdienstverweigerer gegenüber dem Vorjahr, und die Frage des Wehrdienstes entwickelte sich zunehmend 280 So verwies der Wehrbericht 1967 bereits darauf, »daß die Zahl der Wehrpflichtigen, die das Gelöbnis verweigern, zunimmt.« Vgl. Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Auch von wissenschaftlicher Seite schlug Eid und Gelöbnis bei der Bundeswehr Kritik entgegen. Vgl.: Berg, Soldateneid und Gelöbnis, S. 79–81, der feststellte, »Soldateneid und Gelöbnis« hätten weder eine integrative noch eine Sicherungsfunktion und sollten »möglichst bald abgeschafft« werden. Siehe auch: Schieder. Vgl. auch Lange, Der Fahneneid, v. a. S. 219–229, S. 323–337. 281 Siehe zu diesem umfangreich dokumentierten Vorfall: BArch, BL 1/13523. 282 Kommandeur des Panzerbataillon 63 an Kommandeur der Panzerbrigade 6, Stadtallendorf, 4.12.1967, in: BArch BL 1/13523.

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zu einem Agitationsfeld der außerparlamentarischen Opposition.283 Die Frage des Gelöbnisses stellte in diesem Gesamtzusammenhang einen Teilausschnitt dar, in dem – wie so oft im Falle des Eides – das Ritual als Kristallisationspunkt weitergehender Problematiken diente. Auch in anderen Bereichen wurde die rituelle Verpflichtung nun in Frage gestellt. Referendare, die vor der Verbeamtung standen, oder wissenschaftlicher Nachwuchs an den Hochschulen verweigerten dem Staat das Recht auf den Eid. Der Eid wurde hier partiell Teil der Protestkultur der »1968er« Jahre. Hier sei das Beispiel eines Lehramtsreferendars, Sigwart Handwerk, angeführt, der sich 1968 weigerte, bei seinem Eintritt in den Schuldienst den verpflichtenden Eid zu leisten.284 Seine Motivation war weniger christlich – also kein religiöser Vorbehalt gegenüber dem Schwur – sondern eminent politisch. Handwerk verweigerte dem Staat den, wie er es nannte, »Blankoscheck«, den der Eid seiner Ansicht nach darstellte. Er war der Überzeugung, dass die mit dem Eid angestrebte »Gewissensbindung an alle künftigen Gesetze, egal welchen Inhalts, […] so unnötig sei wie etwas«.285 Denn »die Treue zum Arbeitgeber« liege »ja ohnehin einem jedem Arbeitsverhältnis zugrunde […] und an die Gesetze ist ja sowieso jeder Staatsbürger gebunden.« Doch statt sich an dieser normativen Grundlage zu orientieren, »pflanz[t] und festigt man eine Einschüchterung und politische Bevormundung der Lehrer- wie der gesamten Beamtenschaft«. Damit vertrat Handwerk die Grundüberzeugung, dass angesichts der Bindung an das Grundgesetz und an die Beamtengesetze der rechtliche Rahmen für eine politische Loyalität der Beamten abgesteckt und das Ritual des Eides überflüssig sei. Handwerk versuchte, seine Ablehnung des Eides als politisches Thema in die politisierte Stimmung an den Hochschulen des Jahres 1968 einzubringen. An seiner PH Reutlingen warb er erfolgreich gegen den Eid und es gelang ihm offenbar auch, organisierte Studentenverbände an den Pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs in der Sache hinter sich zu sammeln.286 Doch ernsthaften Erfolg hatte er damit nach eigener Aussage nicht: Der Eid sei »zu groß« gewesen, ein Ankommen dagegen nicht denkbar. Handwerk selbst zog die Konsequenz, indem er auf den staatlichen Schuldienst und damit die Verbeamtung verzichtete. Er wurde Lehrer an einer Waldorfschule und umging damit den Eid. Die Beispiele zeigen, dass der Eid in den sechziger Jahren nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit hingenommen wurde wie in früheren Jahrzehnten. Auch in Politik und Öffentlichkeit griff man das Thema auf. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre erschienen immer wieder Berichte und Artikel, die die »Daumenschraube« Eid kritisch kommentierten.287 Auch die Tatsache, dass gar nicht 283 Vgl. hierzu: Bernhard, Zivildienst zwischen Reform und Revolte, hier vor allem S. 114–218. 284 Ein besonderer Dank gilt Sigwart Handwerk, wohnhaft in Reutlingen, für das am 24.11.2016 telefonisch geführte Gespräch. 285 Vgl. den Artikel: N. N., Beamte / Diensteid: Dutzend voll. 286 Ebd. 287 Kuehnheim.

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so wenige ältere Beamte der Bundesrepublik in ihrem Berufsleben bis zu einem Dutzend Eide geschworen hatten, wurde nun thematisiert.288 Angesichts von Gelöbnisverweigerungen fand die Frage, ob das Ritual nicht möglicherweise abgeschafft werden sollte, in der Tages- und Wochenpresse reichen Widerhall.289 Und auch das Fernsehen nahm sich des Eides an: Das ZDF sendete am 23. Februar 1971 einen Beitrag mit dem Titel »Warum schwören wir noch?«, in den Dritten Programmen lief die Sendung »Erpreßt mit Gottes Hilfe« am 11. März 1971.290 Die Tatsache, dass der Eid in der öffentlichen Diskussion angekommen war, lässt sich am besten daran ablesen, dass das Institut für Demoskopie Allensbach ihn thematisierte. Im Januar 1971 befragten die Meinungsforscher eine repräsentative Gruppe der westdeutschen Bevölkerung nach ihrer Position zum Eid. Zum einen wurde nach der Bedeutung der religiösen Eidesformel für die Bevölkerung gefragt: »Die Eidesformel heißt ja, wie Sie sicher wissen: ›Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe‹. Man kann aber auch nur sagen: ›Ich schwöre es!‹ Einmal angenommen, Sie müßten einen Eid leisten – wie würden Sie schwören?« In den Antworten zeigte sich, dass die Befürworter einer religiösen Verankerung in der Mehrheit waren, jedoch »nur« in einem Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel: 63 Prozent der Befragten gaben an, einen Eid in religiöser Form leisten zu wollen, 35 Prozent zogen die nicht-religiöse Form vor. Mehr Männer als Frauen hätten die nicht-religiöse Form gewählt (68 Prozent der Männer zu 57 Prozent Frauen) und die Zustimmung zur religiösen Formel stieg signifikant mit dem Alter an. Unter den über 60-Jährigen wählten 80 Prozent der Befragten die religiöse Form. Nur bei den 16- bis 29-Jährigen überstieg die Zahl derer, die einen nicht-religiösen Eid vorzogen, die Zahl derer, die religiös gebunden schwören wollten (53 Prozent zu 44 Prozent). Diese Zahlen sind nicht nur ein Indikator für die sinkende Bedeutung der Religion bei jüngeren Generationen, sondern vor allem für die Tatsache, dass das traditionsbeladene Ritual des ­Eides bei älteren Menschen noch eine stärkere Verwurzelung im Glauben aufwies. Schließlich spiegelt sich in den Zahlen des Allensbach-Instituts auch das zunehmend schwierige Verhältnis des Protestantismus zum Eid: jedenfalls waren nur 60 Prozent der Protestanten – und damit weniger als von den Gesamtbefragten – bereit, den Eid religiös zu schwören, wohingegen 70 Prozent der Katholiken sich für die religiöse Formel entschieden.291 So sprach sich insgesamt rund ein Drittel der Bevölkerung gegen den religiösen Eid aus. Dies zeigt, dass der »bürgerliche« Eid – trotz aller Renaissance der christlichen Interpretation in den fünfziger Jahren – doch im öffentlichen Bewusstsein seinen Platz gefunden hatte.292 288 Vgl.: N. N., Beamte / Diensteid: Dutzend voll; N. N., Ja, ja; nein, nein; Baumann; Buchstaller; Henrici; Klepsch; Mielke. 289 Vgl. in Auswahl: Drühe; Gollwitzer; Hannover; Nellessen; N. N., Inpflichtnahme soll Gelöbnis ersetzen. 290 Aufgelistet bei: Klüver, S. 1, FN 1. 291 Noelle, S. 234. Vgl. auch: Die Welt, 5.4.1971. 292 Leider fehlen vergleichbare Zahlen für vorangegangene Jahrzehnte.

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So etwas wie ihren Höhepunkt fand die öffentliche Aufmerksamkeit für den Eid im Jahre 1970, als der gerade neu ins Amt gekommene Bundespräsident Gustav Heinemann die Abschaffung des Eides forderte. Heinemann, der die »Eideskrise« der Bekennenden Kirche im Dritten Reich aus der Nähe mitverfolgt und sich als Jurist bereits damals zum Problem des Eides geäußert hatte,293 nahm sich nun des Eides an. In seinem ersten Interview als Bundespräsident mit der »Zeit« umschrieb die Redaktion seine Antwort auf die Frage, ob er »auch eine so traditionsbeladene Einrichtung wie die Eidesleistung für revidierbar« halte, folgendermaßen: »Eid und Eideszwang gehörten zu den Bereichen, in denen vieles an tradierten, obrigkeitsstaatlichen Strukturen auf- oder auszuräumen sei. In einer säkularisierten Gesellschaft könne der Staat nicht nach Belieben den Eid in seiner Bindung an Gott für sich in Anspruch nehmen, wenn auch die Berufung auf Gott freigestellt sei. Das Grundgesetz habe nicht eine vorgegebene Obrigkeit, sondern die Würde des Menschen als obersten Wert aufgerufen. Der Staat müsse diesen Wert respektieren, wenn von dem Bürger als Zeugen ein besonderes Bekenntnis zur Wahrhaftigkeit oder als Beamten ein verpflichtendes Gelöbnis gegenüber Verfassung und Recht verlangt würden.«294 Wie wichtig das Thema dem Bundespräsidenten war, zeigte sich auch in einer Festschrift zum 65. Geburtstag des SPD-Politikers Adolf Arndt. Heinemann hatte für diesen Band einen Beitrag zugesagt, der sich mit dem Eid auseinandersetzen sollte. Der Bundespräsident beauftragte einen Ministerialdirigenten im Bundesministerium für Justiz, Kai Bahlmann, mit der Ausarbeitung einer »vorbereitenden Skizze«.295 Da diese Skizze jedoch einen so »umfänglichen und gehaltvollen« Charakter hatte, verzichtete Heinemann auf einen eigenen Text und machte sich die »von Herrn Bahlmann geforderten Änderungen unseres bisherigen Eidesrechtes vollauf zu eigen.«296 Daher spiegelte der Beitrag Bahlmanns die Auffassung des Staatsoberhauptes. Bahlmanns Text dokumentiert eine veränderte Sicht auf den Eid, die den Konstellationen der sechziger Jahre geschuldet war. Der Text zeichnet sich durch eine historisch-kritische Distanz zu seinem Gegenstand aus; er nahm den Eid nicht mehr als selbstverständlich, sondern trat einen analytischen Schritt zurück. Bahlmann begriff den Eid als ein Mittel obrigkeitsstaatlicher Herrschaft, das vor allem ein »vom Staat aus gesehen – administratives Mittel [darstellte], das den Bürger in ein auf Gottesfurcht beruhendes, magisches Untertanenver293 Vgl.: Koch, Heinemann im Dritten Reich, S. 151. Zu Heinemann allg.: Flemming; Treffke. Zu Heinemann im Nationalsozialismus neben dem oben genannten: Ettermeyer. 294 N. N., Der Eid und andere Probleme. Siehe auch: N. N., Heinemann für Abschaffung des Eides. 295 Kai Bahlmann, geb. 29.1.1927, gest. 28.5.2009, studierte Jura und war zwischen 1958 und 1960 am Bundesverfassungsgericht als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. 1961 wechselte er in die Abteilung Öffentliches Recht des Bundesministeriums für Justiz, deren Leitungsposition er 1969 übernahm. Zwischen 1982 und 1988 war er als Richter am Europäischen Gerichtshof tätig. 296 Heinemann, in: Bahlmann, Der Eideszwang als verfassungsrechtliches Problem, S. 37.

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hältnis einband«.297 Auch er ging damit von einem religiösen Kern des Rituals aus, sah jedoch in der Neuzeit die Tendenz, dass »der Staat sich der metaphysischen Grundlage für seine eigenen weltlichen Zwecke« bediene,298 nicht zuletzt, weil die beiden christlichen Kirchen dem Staat so bereitwillig das Recht auf den Eid zusprachen. Bahlmann sah die Verantwortung für das Eidesverständnis seiner Gegenwart wurzelnd im »Obrigkeitsstaat […], dessen geistiges Klima sich in Deutschland als sehr beständig erwiesen hat und ein von der Würde des Einzelmenschen ausgehendes Verständnis auch heute zu beschweren scheint«.299 Im demokratischen Rechtsstaat jedoch könne es nach Bahlmann nicht angehen, dass der Staat »beliebig Gott oder metaphysische Bindungen des Einzelnen in seinen Dienst« stelle.300 Vielmehr müssten die individuellen Grundrechte, und gerade die Glaubens- und Gewissensfreiheit, viel stärker in den Mittelpunkt des Eidesverständnisses gerückt werden. Zwar anerkannte auch Bahlmann die »Sicherung der Treue des Beamtentums gegenüber der Verfassung und dem Recht [als] eine wesentliche Voraussetzung für das Wohl der rechtsstaatlichen Demokratie«.301 Doch müsse diese Sicherung nicht notwendigerweise über den Eid erfolgen, da immer auch alternative Versprechens- und Gelöbnisformeln denkbar wären. Der Unterschied dieser Verpflichtungsformeln zum Eid sei nicht so groß, »daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen übergangen werden dürfe«.302 Die Bundesrepublik dürfe daher nicht auf dem juristischen Stand der Weimarer Republik stehen bleiben. Die nicht-religiöse Eidesformel als Alternative zum religiösen Eid reichte für Bahlmann nicht aus, um der verfassungsrechtlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit zu entsprechen. Es »muß deshalb heute davon ausgegangen werden, daß nach Artikel 4, Absatz 1 des Grundgesetzes auch niemand entgegen seinem Glauben oder Gewissen zur […] Eidesleistung gezwungen werden kann.« 5.6.2 Der wissenschaftliche Blick Dass der Bundespräsident sich diese Position zu eigen machte, die den Eid als »obrigkeitsstaatliches« Ritual in Frage stellte, der Demokratie andere oder zumindest zusätzliche Verpflichtungsformeln nahelegte und die Gewissensfreiheit des Einzelnen höher wertete als den Anspruch des Staates auf das Ritual der »Treue«, hat in der westdeutschen Gesellschaft viel Aufmerksamkeit erregt.303 Denn das Gewissen entwickelte sich zu so etwas wie einem wissenschaftlichen »Modethema« der späten sechziger und siebziger Jahre. Dabei waren es nicht 297 Bahlmann, Der Eideszwang als verfassungsrechtliches Problem, S. 41. 298 Ebd., S. 39. 299 Ebd., S. 42. 300 Ebd., S. 39. 301 Ebd., S. 51. 302 Ebd. 303 Vgl. etwa: Hirsch, Zur juristischen Dimension des Gewissens, S. 160; Jünemann, S. 725.

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nur die Juristen, die sich dem Themenkomplex zuwandten, sondern auch die Gesellschafts- und Kulturwissenschaften.304 Vor allem die Soziologie, die den Anspruch erhob, die »Leitwissenschaft« der Zeit zu sein, wandte sich Fragen der Gewissensfreiheit und der politischen Treuepflicht zu. Einer der einflussreichsten Texte in diesem Zusammenhang war Niklas Luhmanns Aufsatz »Die Gewissensfreiheit und das Gewissen«,305 der bereits 1965 erschien und damit am Anfang der Auseinandersetzung mit der Gewissensfreiheit und dem Eid stand. Luhmann selbst befand sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Aufsatzes an einem biografischen Wendepunkt:306 der Abkehr von seinem Selbstverständnis als Juristen und Verwaltungsfachmann hin zur Soziologie, in der er 1966 promoviert wurde und sich wenige Monate später habilitierte. Veröffentlicht im »Archiv des Öffentlichen Rechts« war der Aufsatz ein vehementes Plädoyer für die Öffnung der Rechtswissenschaft zu den Nachbarwissenschaften, insbesondere zur Soziologie.307 Luhmann war der Überzeugung, dass Konzepte wie das Gewissen und damit auch die Gewissensfreiheit mit dem traditionellen Zugang des Rechts zu diesen Themenkomplexen analytisch nicht in den Griff zu bekommen seien. Luhmann beklagte, dass die Juristen sich der Gewissensfreiheit bis dato inhaltlich verweigert hätten, er spricht vom »Versagen der juristischen Interpretation vor dem Tatbestand des Gewissens«.308 Im Zentrum stand für Luhmann eine inhaltliche Neuausrichtung im Umgang mit Gewissen und Gewissensfreiheit. Statt das Gewissen als einen »Gegenstand achtungsvoller Verehrung« zu begreifen, es normativ als Element der »Wahrheit« zu überfrachten oder es als »oberste Rechtsnorm« zu begreifen,309 ging es Luhmann darum, das Gewissen nicht als »Stimme« des Inneren, sondern als »Funktion« zu begreifen. Es diente nach Luhmanns Auffassung ausschließlich dazu, dem Individuum angesichts einer Vielzahl von Handlungsalternativen seine Persönlichkeitsstruktur zu sichern: »Die Gewissensfreiheit hat nur den Sinn, die Einzelperson und ihre vielfältigen Rollenbeziehungen gegen Gewissens­k risen zu schützen. […] Es ist nicht Sinn des Gewissens und der Gewissensfreiheit, dem Einzelnen zu ermöglichen, sich von den Konsequenzen seines Handelns zu distanzieren […]; vielmehr hat das Gewissen gerade die Aufgabe, Vergangenes und Zukünftiges zu koordinieren und ein Selbstverständnis zu finden, das vielfältiges, ja widersprüchliches Handeln zu identifizieren mag.«310 Nur auf diese Weise könne es dem Individuum möglich sein, durch »Reduktion der unzäh­ligen Potentialitäten des Ich zu einer kohärenten, individuellen Selbstdarstellung« zu gelangen.311 Der Mensch brauche »Kontrollinstanzen, die darüber 304 Vgl. in Auswahl: Blühdorn; Widder; Hirsch, Über die Gesellschaftsbezogenheit des Eides. 305 Luhmann, Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. 306 Blanke, Niklas Luhmann. 307 Vgl. auch: Luhmann, Rechtssoziologie. 308 Luhmann, Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, S. 258/260. 309 Ebd., S. 281. 310 Ebd., S. 281. 311 Ebd., S. 265.

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wachen, daß das Ich die Grenzen der Persönlichkeit nicht sprengt – und eine solche Kontrollinstanz, die höchste in der Struktur der Selbsterhaltung, ist das Gewissen.«312 Damit definierte Luhmann das Gewissen als etwas zutiefst Individuelles, das zwar immer auch im Austausch mit sozial normierten Rollenbildern und individuellen Rollenverflechtungen stehe, jedoch nicht durch einen Außenstehenden zu beurteilen sei. Die alte Überzeugung »einer Wahrheitsbindung oder mindestens einer ›moralischen‹ Bindung des Gewissens« sei nicht mehr zu halten.313 Die Gewissensfreiheit müsse aus ihrer bis dato kaum hinterfragten religiösen Definition herausgenommen und damit auch die enge, oft beinahe als deckungsgleich betrachtete Nähe zur Glaubensfreiheit aufgehoben werden. Damit betonte Luhmann die Abwendung vom Gewissensbegriff der Aufklärung. »Da der eine, Recht und Gewissen übergreifende Wahrheitskosmos gesprengt« sei, könne es nicht mehr darum gehen, zu überprüfen, »ob Gewissenssprüche wahr sind«.314 Kein Jurist könne sich daher noch anmaßen, anhand einer allgemein-akzeptierten »Wahrheit« Gewissensentscheidungen zu prüfen. Recht und Gewissen seien »auseinandergetreten […] im Sinne einer wesentlichen und notwendigen Differenzierung«: »Man kann den Gewissensinhalt […] nicht mehr auf überpositives Recht beziehen und daran binden.«315 Diese Distanzierung von einem überkommenen Gewissensbegriff bedeutete für die Wissenschaft einen entscheidenden Anstoß in der Auseinandersetzung mit dem Problem der Gewissensfreiheit  – und in Folge auch in der Ausein­ andersetzung mit dem Eid als gewissensbindendem Ritual. Luhmann selbst kam in dem Artikel zur Gewissensfreiheit nicht auf den Eid zu sprechen, doch zogen jene – vorwiegend jüngeren – Juristen, die seine Konzepte aufgriffen, ihre Lehren aus dem Luhmann’schen Gewissensbegriff gerade auch für den staatlichen Umgang mit dem Eid und der Gewissensfreiheit. Dies gilt insbesondere für die von Luhmann vorgeschlagene Lösung für das Problem. Denn Luhmann sah es als dringlichste Aufgabe des Staates an, dem Staatsbürger Alternativen zur Verfügung zu stellen, um Gewissensprobleme, wenn möglich, zu vermeiden. Denn Gewissensprobleme boten nach Luhmann immer auch die Gefahr, soziale Beziehungen und damit die Gesellschaft als ganze in Unruhe zu bringen. »Demnach müsste eine differenzierte Sozialordnung stärkste Vorbehalte gegen eine Orientierung am eigenen Gewissen haben, und das hätte sie wohl auch, wenn sie nicht zugleich die Anlässe zur Gewissensorientierung abgebaut hätte. Sie entlastet von Gewissensproblemen vornehmlich auf drei Weisen: durch Bereitstellung einer Vielzahl von Alternativen, durch Institutionalisierung ›unpersönlicher‹ Handlungsweisen und nicht zuletzt durch Vermeidung von Zwangssituationen

312 Ebd., S. 264. 313 Ebd., S. 279. 314 Ebd., S. 259. 315 Ebd., S.261.

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mit Hilfe des Grundrechts der Gewissensfreiheit.«316 Gerade diese Aussage sollte im Hinblick auf den Eid in der Folgezeit Bedeutung entwickeln: Nun wurde – unter Bezug auf Luhmann – argumentiert, der Staat müsse Gewissenskonflikte bezüglich der Eidesleistung durch Bereitstellung von Alternativen, sprich anderen Verpflichtungsformeln, vermeiden. Neben der Soziologie begannen sich in den sechziger Jahren auch andere Fächer wie die Philosophie, die Politikwissenschaft, die Theologie und die Geschichtswissenschaft mit dem Thema Gewissen und Gewissensfreiheit aus­ einanderzusetzen.317 Hinzu kam – ebenfalls deutlich verstärkt gegenüber den fünfziger Jahren – eine Historisierung des Eides nicht nur in der Rechtswissenschaft. Hier zeigte sich, ähnlich wie bereits ein Jahrzehnt zuvor, eine enge Verknüpfung mit den vergangenheitspolitischen Zyklen. Mit einer zunehmenden Historisierung des Nationalsozialismus gerieten neue Themen und Kontexte in den Blick, die bis zu diesem Zeitpunkt verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit erhalten hatten. So setzten sich Rechtshistoriker und Historiker seit den sechziger Jahren verstärkt mit der historischen »Treuepflicht« des Beamtentums, seiner Staatsnähe und nicht zuletzt seiner Rolle beim »Untergang« der Weimarer Republik auseinander.318 Notwendigerweise kam in diesem Zusammenhang auch der Eid als Ritual der politischen Bindung in den Blick. Nimmt man beispielsweise die Untersuchung des Juristen Walter Wiese zum Staatsdienst in der Bundesrepublik Deutschland, so findet sich hier exemplarisch dieses historisierende Verständnis des Eides.319 Wiese differenzierte das Treueverständnis des Beamtentums in ein »personales« und ein »institutionelles« und sah, wenig überraschend, den Eid der Weimarer Republik als den entscheidenden Wendepunkt an, an dem das personale Treueverständnis seinen Bezugsrahmen verlor. Wiese erörterte die Frage, ob in der freiheitlich-pluralistischen Demokratie überhaupt noch von einer »besonderen Treuepflicht« gesprochen werden könne. Angesichts eines als überwunden verstandenen Dualismus von Staat und Gesellschaft sei die traditionelle Rolle des Beamten als einem verlängerten Arm des Staates ins Wanken geraten. »Es liefe daher auf eine Verkennung der Stellung und Pflichten des Bürgers im Staat und des Wesens der ihm aufgegebenen Integration hinaus, wenn neben den Bürgern die Existenz einer Gruppe für erforderlich gehalten würde, die dem Staat eine besondere Treue schuldete, die über das Maß der bei jedem Staatsbürger vorausgesetzten Treue noch hinausginge. […] Eine Sonderstellung der Staatsdiener, wie sie im 19. Jahrhundert durch den Dualismus von Staat und Gesellschaft bedingt war, […] ist mit der heutigen Staatsauffassung nicht mehr vereinbar.«320 316 Luhmann, Gewissensfreiheit, S. 273. 317 Vgl. in Auswahl: Blühdorn (mit einer Sammlung von überwiegend philosophischen Texten zum Gewissen, die zum Teil den sechziger Jahren entstammten); für die Politikwissenschaft: Widder; Hirsch. 318 Vgl. u. a.: Brandt, Die politische Treuepflicht; Rejewski. 319 Wiese. 320 Ebd., S. 75.

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In dieser Perspektive galt der Eid Walter Wiese als anachronistisches Element, als obrigkeitsstaatliches Ritual. Der Übergang zu einer institutionellen Treue­ formel im Eid nach 1919 habe darauf kaum einen Einfluss gehabt, da diese institutionelle Treueformel weder von den Beamten noch vom Staat ernsthaft vertreten worden sei. Denn gerade diese institutionelle Treue war nach Wieses Ansicht durch den Positivismus in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entscheidend geschwächt worden. Die Konzentration auf den »Gehorsam« als zentralem Element ließ »für eine neben der Gehorsamspflicht besondere institutionelle Treupflicht im Beamtenverhältnis […] keinen Raum mehr«. Wiese beklagte dies als einen »Verlust des Wissens um einen der Fundamentalwerte des Beamtentums – der Staatsdienst nicht auf Gehorsam, sondern auf einer sittlichen (Staats)Idee verpflichteter Treue«.321 Er erklärt mit diesem »Auseinanderklaffen von Treue und Gehorsam« nicht zuletzt die fehlende Unterstützung der Weimarer Republik durch das Beamtentum. Für die Bundesrepublik könne nur noch eine institutionelle Treue der Beamten festgestellt werden; der Eid selbst jedoch war nach Wiese »fast jeder Bedeutung für das Beamtentum entkleidet«. Und obwohl die Vereidigung noch immer Teil des Beamtenrechts war, sah Wiese die »wachsende Indifferenz« gegenüber dem religiösen Kern des Rituals letztlich als Grund für ein immer stärkeres »­Dilemma«, welches letztlich zur Bedeutungslosigkeit des Eides führen würde.322 Angesichts dieser Entwicklung und der Tatsache, dass sich Beamte und Angestellte materiell und im Aufgabenbereich zunehmend annäherten – und daher Beamteneid und Angestelltengelöbnis inhaltlich übereinstimmten – war nach Wiese auf eine gemeinsame Verpflichtungsformel für Beamten und Angestellte hinzuarbeiten.323 Das Beispiel Walter Wieses zeigt, wie sich auch innerhalb der Rechtswissenschaft der Umgang mit dem Eid, aber auch mit dem Problem der Gewissensfreiheit zu wandeln begann.324 Natürlich übernahmen dabei nicht alle Autoren den Luhmann’schen Ansatz. Dennoch gingen diese Texte vielfach hinaus über die Arbeiten der fünfziger Jahre, die das Gewissen überwiegend in der von Luhmann kritisierten Art der »achtungsvollen Verehrung« und oft unter Konzentra­ tion auf den nationalkonservativen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschrieben hatten.325 Die Distanzierung von diesem überkommenen Gewissensbegriff war entscheidend auch für eine Distanzierung vom Eid als »heiligem« Ritual. In diesem Zusammenhang begann man auch unter Juristen darüber nachzudenken, was ein Eid überhaupt war. Die Frage, ob ein nicht-religiöser 321 Ebd., S. 69. 322 Ebd., S.  65 / F N 16. 323 Ebd., S. 310. 324 Vgl. in Auswahl: Herzog; Scholler, Gewissen, Gesetz und Rechtsstaat; Geiger; Paul; Faber; Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit; Stein, Ekkehart, Gewissensfreiheit in der Demokratie; auch die Staatsrechtslehrer-Tagung befasste sich 1969 mit der Gewissensfreiheit, vgl.: Das Grundrecht der Gewissensfreiheit. 325 Luhmann, Gewissensfreiheit, S. 258.

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Eid als Eid bezeichnet werden könne, rückte dabei ins Zentrum. Zwar spielte diese Problematik seit der Weimarer Republik latent eine Rolle, doch erst jetzt wurde tatsächlich differenziert zwischen einem Eid als religiösem Ritual und dem staatlicherseits vorgesehenen nicht-religiösen Eid, der dazu dienen sollte, die Gewissensfreiheit der Schwörenden zu schützen. Jene, die den Eid performativ als ein religiöses Ritual verstanden, sahen in der Entwicklung hin zum »bürgerlichen« Eid vor allem ein Anzeichen für den Niedergang des Eides: »Ist aber erst einmal ins allgemeine Bewusstsein gedrungen, daß ein nicht-religiös geformter Eid in Wahrheit gar kein Eid, daß das Schwören nichts anderes als eine bloße Wahrheitsversicherung ist, dann wird der Eid nicht mehr der traditionell-empfindungsmäßige wertbetonte, sondern einfach eine Form der Beteuerung der Wahrheit sein, die durch andere Beteuerungsformeln ersetzt werden kann, und die Schwurworte werden auch beim religiösen Eid nicht mehr die Bedeutung haben, die sie jetzt haben.«326 Wichtigstes Beispiel für die zunehmend kritische Auseinandersetzung auch der Rechtswissenschaft mit dem Eid war eine Studie, die bereits Mitte der sechziger Jahre erschien, die herrschende Meinung zum Eid kritisch diskutierte und einer Entwicklung vorarbeite, die sich Anfang der siebziger Jahre voll entfalten sollte. Ihr Autor, Adalbert Podlech, war Jurist und Philosoph, was (ähnlich wie im Falle Luhmanns) unterstreicht, dass kritische Stimmen zum Eid durch Personen in die juristische Diskussion geholt wurden, die selbst im Grenzgebiet des Rechts hin zu den Nachbarwissenschaften standen. Podlech, Jahrgang 1929, wurde 1956 in Philosophie mit einer Arbeit über Jean-Paul Sartre promoviert. 1968 folgte eine Promotion im Recht. Im Zentrum dieser Arbeit stand die Gewissensfreiheit. Mit stark sozialwissenschaftlichem Impetus setzte sich Podlech unter anderem mit der Frage nach dem Beamteneid auseinander.327 Als einer der ersten Juristen überhaupt distanzierte sich Podlech von der unhinterfragten Akzeptanz des Eides. Er war auch der erste, der die Arbeit Ernst Friesenhahns zum politischen Eid, die bis zu diesem Zeitpunkt von allen Auto­ ren, die sich mit dem Eid auseinandersetzten als zentrales Referenzwerk galt, kritisch betrachtete.328 Podlech versuchte, das Schwören theoretisch zu hinterfragen und nutzte dazu Sorels Mythos-Begriff.329 Damit setzte eine Dekonstruktion des Eides ein, die vorher zumindest in der juristischen Diskussion beinahe vollkommen gefehlt hatte. Podlech verstand mit Sorel unter Mythos eine »institutgewordene Form verbalen Handelns in verfaßten Gruppen zur Stabilisierung politischer (sozialer) Verhaltensdispositionen« und sah darin eine kennzeichnende Beschreibung des Eides. Damit war ein erster Schritt getan, den Eid nicht mehr als überkommene und nicht zu hinterfragende Tradition zu betrachten, 326 Stein, Eideszwang und Glaubensfreiheit, S. 159. 327 Ein Jahr zuvor hatte Podlech bereits einen Aufsatz veröffentlicht, vgl.: Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid; ders., Das Grundrecht der Gewissensfreiheit. 328 Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid, S. 121 / F N 11. 329 Sorel.

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sondern auf Distanz zu dem Ritual zu gehen und nach seiner Vereinbarkeit mit anderen Verfassungsregeln zu fragen. Für Podlech sagte die Leistung des Eides nichts über die Wirkung auf das Gewissen des Eidleistenden aus, vielmehr fälle der Eidleistende selbst eine »moralische Entscheidung, […] ob die durch den Eid geleistete bekräftigte Verpflichtung im Gewissen bindet oder nicht«.330 Jedoch sah er die Möglichkeit, dass »diese Entscheidung dem Einzelnen durch die in der Gesellschaft geltenden Normen abgenommen« werden könne – ein Argument, das in der Diskussion bis zu diesem Zeitpunkt kaum eine Rolle gespielt hatte. In dieser Perspektive trat an Stelle der »magischen« Bindung durch den Schwur gewissermaßen die »gesellschaftlich vermittelte Automatik der Gewissensbindung«.331 »Ist eine Gruppe nicht mehr von magischen oder sakramentalen Vorstellungen geprägt […], bedarf es der Geltung bestimmter sozialer Normen in dieser Gruppe, um Mythen wirksam werden zu lassen.«332 Angesichts der Regimewechsel des 20. Jahrhunderts und der immer wiederholten Eidesleistungen der Beamten bezeichnete Podlech diese gesellschaftlich formierte Automatik der Gewissensbindung als beinahe »unmoralisch«. Im Umkehrschluss nahm das Grundrecht der Gewissensfreiheit für ihn eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung des gesetzlichen Zwangs zur Eidesleistung ein: »Wenn unsere staatlich organisierte Gesellschaft auf die Verwendung von Mythen nicht verzichten will, darf sie dann rechtlich eine Form verlangen, deren Erfüllung nach gesellschaftlichen Normen eine Gewissenspflicht begründet, ohne die rechtliche Verpflichtung unter den Gewissensvorbehalt zu stellen?« Damit war die entscheidende Frage der sechziger und siebziger Jahre formuliert. Das Verhältnis zwischen staatlichem Anspruch und individueller Gewissensfreiheit musste neu justiert werden. In der Antwort auf die Frage, wie der Konflikt, der sich aus dem Anspruch des Staates auf die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten und dem Anspruch des Individuums auf Unversehrtheit seines Gewissens ergab, zu lösen war, ging Podlech über die traditionelle Sicht der Dinge hinaus, nach der Gewissensfreiheit mit der Glaubensfreiheit als deckungsgleich übereinandergelegt und die vom Gesetzgeber garantierte nicht-religiöse Eidesformel als Mittel, allen Glaubenszweifeln zu entsprechen, definiert wurde. Auch Podlech sprach dem Staat nicht das Recht auf Einforderung staatsbürgerlicher Pflichten in Form der Eidesleistung ab. »Dass die staatlich verfaßte Gesellschaft nicht darauf verzichten kann, von Beamten das beschworene Verhalten zu verlangen, ist selbstverständlich.«333 Wer jedoch, aus welchen Gründen auch immer, meinte, den Schwur nicht leisten zu können, dem müsse unter Beachtung des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf Gewissensfreiheit das Recht eingeräumt werden, auf den Eid zu verzichten – und zwar ohne, dass er 330 Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid, S. 122. 331 Ebd. 332 Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 120. 333 Ebd., S. 121.

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einer spezifischen Religionsgemeinschaft wie etwa den Mennoniten angehörte, die den Eid ablehnten und vom Gesetzgeber seit geraumer Zeit von der Eidesleistung befreit waren. Allein dies bedeutete für Podlech bereits einen »Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, nur Gewissenspositionen von Mitgliedern von Religionsgemeinschaften zu berücksichtigen, und einen Verstoß gegen die Gewissensfreiheit, die Gewissenposition erst zu berücksichtigen, wenn sie durch Rechtsvorschrift als berücksichtigungswürdig anerkannt ist.«334 Zur Lösung dieses Konfliktes zog Podlech wiederum nicht-juristische Argumente heran, insbesondere bezog er sich auf Niklas Luhmann. Nach Luhmann ging es vor allem darum, die Gewissensfreiheit zu schützen, in dem »die Anlässe für rechtlich vermittelte Gewissenskonflikte eingeschränkt« würden.335 »Die Gewährleistung der Gewissensfreiheit reduziert sozusagen die innere Reibung der Gesellschaft […].«336 Daraus abgeleitet sah Podlech die Bereitstellung recht­ licher Alternativlösungen als Pflicht des Gesetzgebers an, »wenn die generelle Regelung Einzelne zu gewissenwidrigem Verhalten verpflichtet und Alternativlösungen für die staatlich verfaßte Gesellschaft tragbar sind.«337 Diese allgemei­ nen Überlegungen auf den Eid anzuwenden, erschien Podlech nicht schwer: »Wird das Erfordernis des Beamteneids unter den Gewissensvorbehalt gestellt und der Eid im Einzelfall durch ein funktional äquivalentes Mittel ersetzt, so hat der öffentlich-rechtliche Dienstherr einige gewissenhafte Beamte oder Angestellte mehr, ohne daß sich im Verhältnis der übrigen Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst zu ihrem Dienstherrn etwas ändern dürfte. Es spricht also nichts gegen den Gewissensvorbehalt.«338 Einen konkreten Vorschlag machte Podlech dann gleich auch noch. Wer den Eid verweigere, dem könne folgende Formel als Alternative angeboten werden: »Ich bejahe die (anerkenne die, bin treu der) freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates, werde die Gesetze befolgen und verspreche gewissenhafte (loyale) Erfüllung meiner Amtspflichten.«339 Eine solche Erklärung, die im Zweifelsfall an Stelle des Eides treten solle, sah Podlech als Lösung möglicher Gewissenskonflikte um den promissorischen Eid an. »Für die staatlich organisierte Gesellschaft ist es immer tragbar, Eidesverweigerer aus Gewissensgründen als Beamte zu haben. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung in der vorgeschlagenen Form ist daher zugleich die Maximalverpflichtung, die jeder erfüllen muß, der Beamter werden will.«340 Mit diesem Vorschlag hatte Podlech zwar keinen neuen Lösungsvorschlag für die Eidproblematik vorgelegt, denn immer wieder war in der Vergangenheit die Forderung nach einer »feierlichen Verpflichtungsformel« anstelle des Eides erhoben worden. Dennoch unterschied sich die Arbeit Podlechs vor allem 334 Ebd., S. 121/122. 335 Podlech, Gewissensfreiheit und Beamteneid, S. 123. 336 Ebd. 337 Ebd. 338 Ebd., S. 123/124. 339 Ebd., S. 124. Siehe auch: Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 122. 340 Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 122.

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aufgrund ihrer theoretischen und systematischen Argumentation von früheren Ansätzen. Basierend auf Luhmann, für den in seinem Aufsatz zur Gewissensfreiheit die Bereitstellung von Alternativen durch den Staat im Zentrum stand, wurde hier eine kritische Distanz zum Eid entwickelt, die es ermöglichte, die ideologischen Klammern, die den Eid immer begleitet hatten, abzulegen. Stattdessen versuchte Podlech, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem staatlichen Anspruch auf die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten und der Gewissensfreiheit des Einzelnen. Dieser Vorschlag hätte die Ablegung eines Treueversprechens für jeden möglich gemacht. Eidgeber, die bereit waren, den Eid mit religiöser Formel zu schwören; jene, die den religiösen Eid ablehnten und stattdessen eine nicht-religiöse Formel vorzogen; und schließlich jene kleine Gruppe, die den Eid grundsätzlich als religiöses Ritual ablehnten und nicht bereit waren zu schwören.

5.7 Erneut vor Gericht Adalbert Podlech bezog sich in seiner Arbeit zum Eid unter anderem auf ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem November 1964. Dieses stand im Kontext einer ganzen Reihe von Klagen und Prozessen aufgrund von Eidesverweigerungen, die die Gerichte der Bundesrepublik seit Mitte der sechziger Jahre beschäftigten, bedingt durch das sich verändernde politische Klima. Unter ihnen waren nicht nur Verfahren, die sich auf den promissorischen Eid bezogen, sondern auch solche, in denen es um den assertorischen Eid ging; jedoch spielten auch in diesen Verfahren grundsätzliche Überlegungen zum Eid und zum Eideszwang durch den Staat eine Rolle. Im Folgenden sollen zwei Verfahren näher in den Blick genommen werden, die gewissermaßen zwei Pole des Umgangs mit dem Eid in den sechziger und siebziger Jahren darstellten. Den Auftakt machte der von Podlech thematisierte Prozess vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom November 1964,341 in dessen Urteil noch einmal  – gewissermaßen abschließend  – das traditionelle Eidesund Staatsverständnis formuliert wurde. Die Beziehung zwischen Staatsbürger und Staat wurde hier vor allem als vertikale Beziehung beschrieben, in der das Recht des Staates auf Loyalität über jener des Staatsbürgers auf Gewissensfreiheit stand. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Eid vom April 1972 zeigte, wie sehr sich knapp zehn Jahre später die Bewertungsmaßstäbe verschieben sollten. 341 Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 26.11.1964. Ein ähnliches Urteil fällt auch das Bundesverwaltungsgericht am 20.10.1965. Vgl. Bundesverwaltungsgericht: Entlassung wegen Verweigerung der Eidesleistung. In diesem Verfahren hatte ein Beamter, der in Niedersachsen wiedereingestellt werden sollte, die erneute Vereidigung verweigert. Ähnlich wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof sah auch das Bundesverwaltungsgericht keinen Gewissenszwang bei der Eidespflicht vorliegen.

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Das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom November 1964 stand noch am Anfang jener oben beschriebenen Wandlungsperiode, die den Eid im Laufe der sechziger Jahre erfasste. Ein Zählermechanikermeister hatte beantragt, Artikel 187 der Bayerischen Verfassung für verfassungswidrig erklären zu lassen, da die Pflicht der Beamten zur Eidesleistung nicht mit der sowohl durch die Bayerische Landesverfassung wie auch das Grundgesetz garantierten Gewissensfreiheit zu vereinbaren sei. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass wer »den Eid aus Gewissensgründen ablehne, […] seine Treue zur Verfassung in anderer Weise versprechen können« müsse. Sowohl das biblische Schwurverbot wie auch das verfassungsgemäß garantiere »uneingeschränkte Recht auf Gewissens­ freiheit« [Art. 107 Abs. 1 BV, Art. 1 und 4 Abs. 1 GG] trügen »naturrechtlichen Charakter und brächen daher den Art. 187 BV«.342 Hier zeigt sich, wie sich die Individualisierungsprozesse der sechziger Jahre auf das Staatsverständnis auswirkten. Zwar in diesem Fall immer noch verankert in religiösen Bezügen, so trat doch die Bedeutung des Gewissens gegenüber dem staatlichen Anspruch auf politische Loyalität und ihrer öffentlichen Anerkennung im Eid im Vergleich zu früheren Jahrzehnten deutlich in den Vordergrund. Das Gericht konnte der Argumentation des Klägers indes nicht folgen. Es verneinte jeden Gewissenszwang im Eid und bewegte sich weitgehend in den klassischen Bahnen früherer Interpretationen, indem es den Eid einerseits als Garant der staatlichen Ordnung, andererseits als stärkste Bindungsform des menschlichen Zusammenlebens verstand. Gedacht wurde das Urteil klar vom Anspruch des Staates her, sich der Verfassungstreue der öffentlichen Bediensteten als einem »besonders bedeutsamen Garanten der demokratisch-konstitutionellen Staatsordnung« zu versichern: Mit dem Eid gäben die Beamten »das unverbrüchliche, sie in ihrem Gewissen bindende Versprechen, für die Erhaltung der verfassungsmäßigen staatsrechtlichen Ordnung einzutreten«. Eine »schlichte Versicherung« an Eides statt könnte eine solche »besondere Bindung oder Schärfung des Gewissens« nicht erreichen.343 Die Möglichkeit, einen nicht-religiösen Eid zu leisten, schloss laut Urteilsbegründung von vorneherein jeden Verstoß gegen das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit aus. Damit setzte das Gericht, wie bis dahin grundsätzlich innerhalb von Rechtsprechung und Wissenschaft üblich, Gewissensfreiheit mit Glaubensfreiheit gleich.344 Bereits die Weimarer Reichsverfassung, und ihr darin folgend auch das Grundgesetz, hatten festgelegt, dass niemand zu einer religiösen Handlung gezwungen werden durfte. Die 1919 eingeführte nichtreli­giöse Eidesformel sollte dieser Norm Rechnung tragen. Die Frage, ob nicht jegliches Schwören  – das immerhin das Gewissen des Eidleistenden binden sollte – eine potentielle Einschränkung der Gewissensfreiheit bedeuten konnte,

342 Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 26.11.1964, S. 95. 343 Ebd., S. 97. 344 Ebd., S. 99.

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verneinte das Gericht hingegen. Wenn der Kläger in dem Verfahren von »einem schrankenlosen (überverfassungsmäßigen) Recht auf Gewissensfreiheit« ausging, so sah sich das Gericht genötigt, diese Auffassung strikt abzulehnen: Das Vorhandensein einer nicht-religiösen Eidesformel verbürge »die individuelle Bekenntnisfreiheit«.345 Ein schrankenloses Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit hingegen könne es nicht geben, das sei »nahezu allgemein bekannt«.346 Vielmehr stünde dem Staat das Recht zu, »die Regelung der ihm zustehenden Lebensgebiete zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben« derart zu regeln, dass sich möglicherweise im Interesse eines »anderen vordringlicheren Zweck[es] […] Auswirkungen auf jenes Recht« der Glaubens- und Gewissensfreiheit ergäben. Das Gericht stellte hier die staatliche Ordnungsfunktion und den staatlichen Anspruch auf politische Treue über das Grundrecht des Einzelnen. Dass der Staat »sich der Verfassungstreue der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes durch einen – sie in ihrem Gewissen bindenden Eid – versichert, ist […] durch triftige Gründe gerechtfertigt.«347 Im Übrigen, und damit führte das Gericht ein bekanntes Argument an, müsse man sich ja nicht in den Staatsdienst begeben, wenn man diese »im öffentlichen Interesse erforderliche Verpflichtung« nicht auf sich nehmen wolle.348 Das Urteil entsprach in allen Argumentationspunkten der klassischen Interpretation des Eides und auch der herrschenden Meinung. Weder wurde der religiöse Kern des Eides angezweifelt, noch seine Bindung im Gewissen hinterfragt, noch seine Nützlichkeit für die politische Ordnung bezweifelt. Das Recht des Staates, die politische Loyalität seiner Staatsdiener nicht allein durch normative Kontrolle in der Beamtengesetzgebung zu garantieren, sondern explizit auf ein Ritual zurückzugreifen, das das Gewissen des Einzelnen binden sollte, wurde hier als legitim und sinnvoll erachtet. Dass es einen Konflikt mit dem Recht auf Gewissensfreiheit geben könnte und die politische Loyalität im Rahmen des Grundgesetzes und der bestehenden Gesetze möglicherweise ausreichend garantiert war, diese Perspektive eröffnete das Urteil nicht. Die staatsbürger­ lichen Pflichten standen eindeutig über der Gewissensfreiheit des Einzelnen, wobei Gewissensfreiheit unter Glaubensfreiheit subsumiert war, der mittels einer nicht-religiösen Eidesformel Genüge getan sei. Acht Jahre nach dem Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs fiel 1972 ein weiteres Urteil zur Eidespflicht, diesmal durch das Bundesverfassungsgericht. Nun zeigte sich, wie weit sich die Diskussionsgrenzen über den Eid verschoben hatten.349 Vorher waren zwar bereits andere Verfassungsklagen gegen 345 Ebd., S. 100. 346 Ebd., S. 101. 347 Ebd., S. 102. 348 Ebd., S. 102/104. 349 Beschluss des Zweiten Senats vom 11.4.1972 in dem Verfahren über die Verfassungs­ beschwerde des Pfarrers Werner S. gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 28.10.1965.

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den Eid erhoben, jedoch aus formalen Gründen abgewiesen worden.350 Nun kam ein Fall zur Verhandlung, bei dem es zwar nicht um den promissorischen, sondern um den assertorischen Eid ging, dennoch lassen sich aus der Urteilsbegründung auch Schlüsse auf den Umgang mit dem Versprechenseid ableiten. Dies tat vor allem auch die kommentierende Literatur, die zu Recht in dem Urteil ein Zeichen für das sich verändernde Verhältnis zwischen staatlichem Loyalitäts- und Wahrheitsanspruch gegenüber dem Individualrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit sah. Ein evangelischer Pfarrer hatte sich als Zeuge vor Gericht geweigert, einen Zeugeneid zu leisten, da »ihm nach den Worten Christi in der Bergpredigt […] jedes Schwören untersagt sei«. Der Kläger wurde vom Landgericht Düsseldorf wegen Eidesverweigerung zu einer Ordnungsstrafe von 20 DM verurteilt, eine Entscheidung, die durch die Revision bestätigt wurde: »Die Eidesleistung durch Zeugen als eine allen Staatsbürgern auferlegte Pflicht sei Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung« und sie sei daher für jedermann verpflichtend, bei Bedenken im Zweifelsfall ohne religiöse Beteuerung.351 Die Tatsache, dass der Eid zur Wahrheitsfindung unerlässlich sei, führe dazu, dass »die Zulässigkeit seiner Erzwingung […] deshalb nicht von einer Gewissensentscheidung jedes Einzelnen abhängig sei«.352 Gegen dieses Revisionsurteil legte der Pfarrer Verfassungsbeschwerde aufgrund Verletzung seines Grundrechts der Glaubensund Gewissensfreiheit nach Artikel 4, Absatz 1 des Grundgesetzes beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Bundesjustizministerium,353 dessen Stellungnahme vom Gericht einge­ holt wurde, schätzte die Verfassungsbeschwerde als begründet ein. Zwar betonte das Ministerium, dass der Gesetzgeber den religionslosen Eid eindeutig als weltliche Versicherungsformel und nicht als religiöse Handlung verstehe. Die Verweigerung des Eides beruhe jedoch auf einer »ernst zu nehmenden Glaubensentscheidung des Beschwerdeführers«354 und diese Glaubens- und Gewissensgründe habe der Staat zu respektieren. Dieser Einschätzung schloss sich das Gericht an. Der Zweite Senat interpretierte den nicht-religiösen Eid mit dem Gesetzgeber als rein weltliche Formel, die »nicht mehr in Ansehung der Verantwortung des Schwörenden vor Gott, sondern allein im Hinblick auf die Verantwortung vor der im Staat vereinigten Volksgesamtheit und die ihr gegenüber bestehenden

350 Beschluss des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14.3.1972 in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. Carl S. gegen die Ablehnung seiner Einstellung als Oberingenieur an der Technischen Hochschule Aachen, S. 19. 351 Ebd., S. 24. 352 Ebd., S. 25. 353 Leiter der Abteilung Öffentliches Recht im Bundesjustizministerium war seit 1969 Kai Bahlmann, der sich im Auftrag des Bundespräsidenten kritisch mit dem Eid auseinandergesetzt hatte. 354 Ebd.

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Pflichten« binde.355 Jedoch garantierte das Grundgesetz mit der Glaubensfreiheit nach Vorstellung des Gerichts nicht nur, den Inhalt des eigenen Glaubens oder Nicht-Glaubens zu bestimmen, sondern im Zweifelsfall auch das eigene Leben nach diesen Glaubensvorstellungen auszurichten. Dem Staat sei es daher nicht gestattet, »den Glauben oder Unglauben seiner Bürger zu bewerten […] oder gar als ›richtig‹ oder ›falsch‹ zu bezeichnen«.356 Wenn der Kläger für sich in Anspruch nahm, dass Schwören durch die Bibel grundsätzlich verboten sei, so schätzte das Bundesverfassungsgericht dies als legitime Glaubensüberzeugung ein, zumal sie »auch von einer Richtung der neueren Theologie« – gemeint war der Kreis um Hildburg Bethke – vertreten werde.357 Wenn nun diese Glaubensüberzeugung in Konflikt gerate mit einer »Pflicht, welche die staatliche Gemeinschaft grundsätzlich allen Bürgern im Interesse einer wirksamen Rechtspflege auferlegt hat«, so hätte diese Pflicht gegenüber der Glaubens- und Gewissensfreiheit als »an der Spitze der Verfassung stehenden« Grundrechten ohne jeden Gesetzesvorbehalt zurückzutreten.358 Daher sah das Gericht »die [dem Verständnis des Gesetzgebers vom nicht-religiösen Eid] entgegengesetzte Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers […] durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützt. Der Beschwerdeführer war deshalb berechtigt, die Leistung des Eides zu verweigern.«359 Diese Auffassung sollte nicht die Eidespflicht als solche in Frage stellen, jedoch individuell eine Möglichkeit bieten, »um einen unausweichlichen Konflikt zwischen staatlichem Gebot und Glaubensgebot zu lösen. Damit wird der […] Wertentscheidung der Verfassung für Toleranz als einem tragenden Prinzip der freiheitlichen Demokratie entsprochen«.360 Daher müssten »alle Bürger, die sich aus einer individuell getroffenen Glaubensentscheidung zur Leistung des Eides außerstande sehen, von der Eidespflicht freigestellt werden.« Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, den Zeugeneid neu und entsprechend Artikel 4, Absatz 1 des Grundgesetzes zu regeln und stellte den Eid dabei grundsätzlich zu Disposition:361 »Die vom Gesetzgeber als Mittel der Wahrheitsfindung für unentbehrlich angesehene Bekräftigung der Wahrheit einer Zeugenaussage muß nicht notwendig gerade in Form des Eides, unter Verwendung des Wortes ›schwören‹ erfolgen.« Stattdessen schlug man vor, »eine andere gleichwertige Beteuerung an seine Stelle treten zu lassen, bei der die im Irdischen und Weltlichen verbleibende Tragweite einer ernsten Inpflichtnahme nicht durch den Gebrauch geschichtlich belasteter Worte in Frage gestellt wird«.362 355 Ebd., S. 27 (unter Berufung auf Ernst Friesenhahn). 356 Ebd., S. 29/30. 357 Ebd., S. 30. 358 Ebd., S. 31/32. 359 Ebd., S. 26. 360 Ebd., S. 32. 361 Ebd., S. 34. 362 Ebd., S. 33.

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In diesem Urteil wurde die Glaubens- und Gewissensfreiheit über den Eideszwang und den staatlichen Anspruch auf Wahrheitsfindung gestellt. Nachdem die Diskussion über die Eidesreform im Strafrecht bereits seit Jahrzehnten hinund hergewogt war,363 traf nun das höchste Gericht der Bundesrepublik eine Entscheidung, die das bis dato unhinterfragte staatliche Eidesrecht gegenüber dem Individuum zumindest einschränkte. Es ging darum, jenen Staatsbürgern, die sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sahen, einen Eid zu leisten, eine Alternative zu bieten, ganz im Sinne der oben zitierten Arbeit Adalbert Podlechs. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war Teil einer ausgeprägten öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte über den Eid. Diese Diskussion zeigt, wie weit die Auffassungen über den Eid mittlerweile auseinandergingen. Anfang der siebziger Jahre war kaum noch Einigkeit über Sinn und Zweck des Schwurs zu erzielen. Dies begann bereits innerhalb des Zweiten Senats. Dieser hatte kein einstimmiges Urteil erzielen können, stattdessen war das Urteil mit fünf zu zwei Stimmen gefällt worden. Einer der beiden Richter, die das Urteil ablehnten, veröffentlichte in einem Sondervotum seine abweichende Meinung. Fabian von Schlabrendorff, Mitglied des national-konservativen Widerstands gegen den Nationalsozialismus und Autor einer der ersten Studien über den 20. Juli 1944,364 war von 1967 bis 1975 Richter am Bundesverfassungsgericht. Schlabrendorff versuchte, dem Beschwerdeführer und auch dem Senat nachzuweisen, dass die Ablehnung des Schwurs aus theologischen Gründen eine »arge Mißdeutung der Bergpredigt« sei.365 Es ginge hier um die »Frage der richtigen oder falschen Interpretation« der Bibel und Schlabrendorff sah die Auffassung des Beschwerdeführers als eine falsche. »Es liegt die Vermutung nahe, daß die Haltung des Beschwerdeführers keinen Glaubensakt, sondern eine Fehlinterpretation beinhaltet. Eine offensichtliche Fehlinterpretation, die durch einen Staatsbürger vorgenommen wird, der sich nach seinem eigenen Vortrag zum christlichen Glauben bekennt, hat keinen Anspruch auf den Schutz 363 Als Beispiel für den Kampf für eine Eidesreform im Strafrecht seit der Weimarer Republik vgl. die Bemühungen des Erlanger Theologen Hermann Strathmann. Geb. 30.8.1882, gest. 19.11.1966, setzte sich Strathmann 1927 als DNVP-Abgeordneter in der Strafrechtskommission des Reichstags mit aller Kraft für die Abschaffung des Zeugeneides ein. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg kämpfte er für die Abschaffung des Eides. Vgl. Strathmann, Ist der gesetzliche Eid noch haltbar; ders., Der Verfall des Eides – die metaphysische Eselsbrücke der Juristen. 364 Schlabrendorff. Von Schlabrendorff, geb. 1.7.1907, gest. 3.9.1980, war als Leutnant der Reserve Adjutant von Henning von Tresckow. Er war in die Widerstandspläne eingeweiht und fungierte als Mittelsmann zwischen Tresckow, der an der Ostfront stationiert war, und den Berliner Verschwörern. Im März 1943 brachte Schlabrendorff eine Bombe in das Flugzeug Hitlers, die jedoch während des Fluges nicht explodierte. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er verhaftet, entging nach dem Tod Freislers jedoch einer Todesstrafe. Nach dem Krieg gehörte er in den Beraterstab des amerikanischen Geheimdienstes OSS, später war er als Rechtsanwalt und dann als Richter beim Bundesverfassungsgericht tätig. 365 Abweichende Meinung des Richters v. Schlabrendorff, S. 37.

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des Art. 4 GG.«366 Dass von Schlabrendorff versuchte, dem Antragsteller aufgrund »falscher« Überzeugungen den Gewissenskonflikt abzusprechen, zog in den Kommentaren zum Urteil viel Kritik auf sich.367 Insgesamt sprach aus Schlabrendorffs abweichender Meinung ein traditionelles Staats- und Eidesverständnis. »Will der Staat seiner Erhaltungsaufgabe gerecht werden, so muß er einen Damm gegen die Flut der Zerfallserscheinungen errichten« – und als dieser Damm diente nach Schlabrendorff der Eid »als stärkste Ausprägung einer Wechselbeziehung zwischen Einzelbürger und Gemeinschaft«. Daher ging es nach Schlabrendorffs Auffassung nicht darum, ob der Eid »noch ein geeignetes oder ungeeignetes Mittel« sei. »Wichtig und entscheidend ist folgende Erkenntnis: Weder ein Mensch, noch ein Volk, noch ein Staat können ohne Gott leben. Die geschichtliche jahrhundertelange Tradition unseres deutschen Volkes fordert deshalb von uns die Beibehaltung der religiösen Grundlagen und damit auch die Beibehaltung des Eides […]. […] Die Schutzwürdigkeit des Gemeinwesens steht höher als die geringfügige Beeinträchtigung der durch den Beschwerdeführer vertretenen Überzeugung.«368 Das hier zum Ausdruck kommende konservativ-traditionelle Eidesverständnis von Schlabrendorffs auf der einen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf der anderen Seite zeigen die große Heterogenität innerhalb der Rechtswis­ senschaft in den sechziger und frühen siebziger Jahren. Michael Stolleis machte in seinem Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsurteil deutlich, wie sehr das Urteil der bis dahin herrschenden Meinung widersprach und wie kontrovers die Reaktionen der Literatur waren.369 Tatsächlich stand eine ganze Reihe von Kommentatoren dem Urteil kritisch gegenüber.370 Nicht wenige sahen das Urteil als zu weitgehend an und mahnten, es wäre nötig gewesen, »die staatsbürgerlichen Pflichten als Schranke der Glaubensfreiheit zu betrachten«.371 Der Vorwurf, dass das Urteil »das Recht vor dem Einzelgewissen zurücktreten« lasse, wodurch die Rechtsordnung geschwächt würde, fand sich immer wieder.372 Insgesamt jedoch waren die Kommentare zum Urteil von einer großen argumentativen Breite gekennzeichnet. Sie reichten von dem traditionellen Verständnis des Eides als dem zentralen Element der Gemeinschaftsbildung über die staatsorientierte Grundhaltung, die den Eideszwang als Mittel der Treueverpflichtung voraussetzte, bis hin zur überzeugten Ablehnung des Eides als einem der Gewis-

366 Ebd., S. 37. 367 Vgl. etwa: Starck, der dem Richter »ein gutes Stück Orthodoxie« vorwarf. 368 Abweichende Meinung des Richters v. Schlabrendorff, S. 41/42. 369 Stolleis, Eideszwang und Glaubensfreiheit. 370 Vgl. z. B.: Hirsch, Über die Gesellschaftsbezogenheit des Eides; Nagel, Glaubensfreiheit und prozessuale Eidespflicht; Peters, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 11.4.1972; Heimann-Trosien. 371 Stolleis, Eideszwang und Glaubensfreiheit, S. 772. 372 So etwa: Peters, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 11.4.1972, S. 521; Stolleis, Eideszwang und Glaubensfreiheit, S. 774.

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sensfreiheit entgegenstehendem Ritual.373 Unabhängig vom Urteil erschienen im Verlauf der späten sechziger und frühen siebziger Jahre außerdem verschiedene Studien (darunter vor allem juristische Dissertationen) zum Eid und zum Eideszwang, die aber als ähnlich uneinheitlich zu beschreiben sind wie die Kommentierung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.374 Und nicht zufällig erlebte Ende der siebziger Jahre auch der Klassiker der Eidesliteratur, die Arbeit Ernst Friesenhahns aus dem Jahr 1928, einen unveränderten Neudruck.375 Doch eigentlich ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der abweichenden Meinung Schlabrendorffs die Situation Anfang der siebziger Jahre bereits umfassend beschrieben: Es war kein Konsens über Sinn und Wirkung des Eides mehr zu erzielen. Die Meinungen hatten sich in einer solchen Weise pluralisiert, dass keine Einigkeit darüber mehr zu erreichen war, ob und inwieweit der Anspruch des Staates auf Zugriff auf das Gewissen gegenüber der verfassungsrechtlich festgelegten Gewissensfreiheit Bestand haben sollte. Und auch der Glaube an den Eid als gewissensbindendem höchsten Gut, als »heiligem« Sakrament, dessen Wirkung sich der Einzelne nicht entziehen könne, war in Frage gestellt. Nun überwogen jene Stimmen, die das Gewissen als persönlichsten Bereich des Individuums betrachteten. Damit aber geriet zunehmend auch die Legitimation des Eides in die Kritik: Wozu brauchte der Staat überhaupt einen Eid, wenn über die Wirkung dieses Eides auf den Einzelnen keine Aussage zu treffen war? Waren staatsbürgerliche Pflichten wie etwa die Treuepflicht im demokratischen Rechtsstaat überhaupt noch auf den Gewissenszugriff zu gründen? All diese Fragen machten sich beileibe nicht nur an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fest, vielmehr prägten sie den wissenschaftlichen Diskurs seit Mitte der sechziger Jahre. Die Politik reagierte auf das Urteil, durch das sie aufgefordert worden war, eine verfassungskonforme Alternative zum Zeugeneid zur Sicherung der Ge­ wissensfreiheit zu entwickeln. Am 7. Januar 1975 trat die veränderte Fassung der Strafprozessordnung in Kraft: Paragraf 66 (jetzt § 65) der Strafprozessordnung zur Eidespflicht wurde dahingehend abgeändert, dass nunmehr ein Zeuge, der »aus Glaubens- oder Gewissensgründen« angibt, keinen Eid leisten zu können, »die Wahrheit der Aussage« auch bekräftigen kann, statt einen Eid zu leisten.376 Damit waren die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Zumindest für den assertorischen Eid gab es nun eine Alternative zum Schwur für all jene, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen meinten, überhaupt nicht schwören zu können.

373 Vgl. in Auswahl: Ebert; N. N., Eidesverweigerung aus Glaubensgründen; Engelmann; Hall; Jünemann; Knoche; Lange, Zur Problematik der Eidesverweigerung; Schlotheim; Woesner. 374 Glässing; Jaeckel; Klüver; Lex; Saam. 375 Friesenhahn, Der politische Eid. 376 Vgl. Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts. Vgl. auch: N. N., Eidesverweigerung. Insgesamt: Böttger.

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Der promissorische Eid blieb von einer solchen rechtlichen Neuregelung vorerst ausgenommen. Dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dennoch auch Einfluss auf den Beamteneid hatte, zeigte sich im August 1974. Das Verwaltungsgericht Freiburg erließ zu diesem Zeitpunkt eine einstweilige Anordnung, nach der eine Lehramtsbewerberin in das Referendariat aufzunehmen war, obwohl sie sich aus Glaubens- und Gewissensgründen weigerte, den Beamteneid zu leisten; sie gehörte keiner der gesetzlich vom Eid ausgenommenen Religionsgemeinschaften an.377 Die Antragstellerin hatte im Frühjahr 1974 das Erste Staatsexamen abgelegt, das Oberschulamt Freiburg verweigerte ihr jedoch die Zulassung zum Vorbereitungsdienst aufgrund ihrer Eidesverweigerung. Daraufhin beantragte die Klägerin eine einstweilige Anordnung auf Zulassung zum Referendariat als Beamtin auf Widerruf mit der Maßgabe, »beim Diensteid statt der Worte ›ich schwöre‹ die Worte ›ich versichere‹ gebrauchen zu dürfen«.378 Das Gericht gab dem Antrag – unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Eideszwang – statt und verpflichtete das Oberschulamt und damit die baden-württembergische Landesregierung als Dienstherrn die angehende Lehrerin in das Referendariat aufzunehmen.379 Das Gericht sah es als verfassungswidrig an, dass nur Mitgliedern spezifischer Religionsgemeinschaften vom Gesetzgeber das Recht auf Ersetzung der Eidesformel zugestanden würde, während Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften den Eid auch »gegen ihren Glauben und ihr Gewissen« leisten müssten.380 Das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit wurde im Urteil als von »existentieller Bedeutung« für den Einzelnen und das Gemeinwesen bezeichnet, daher sei »das Maß der bestehenden Glaubens- und Gewissensfreiheit ein unmittelbarer Maßstab für die Menschlichkeit eines Gemeinwesens«. Das Grundrecht sei »extensiv« auszulegen und in keiner Weise durch einfaches Recht zu beschränken, mit Ausnahme von »mit Verfassungsrang ausgestattete[n] Gemeinschaftsinteressen oder Grundrechte[n] Dritter.«381 Dies wiederum sah das Gericht im Beamteneid nicht gegeben: »Es ist […] kein sachliches, vorrangiges Interesse der staatlichen Gemeinschaft daran erkennbar, bei solchen Beamten auf den förmlichen Eid zu bestehen, die ihren Glauben so ernst nehmen, daß sie sich dazu nicht bereitfinden können, aber […] im Übrigen bereit sind, die Erfüllung der beamtenrechtlichen Pflichten in anderer Form zu unterzeichnen.«382 Damit wandte sich das Verwaltungsgericht Freiburg gegen das immer wieder – etwa auch im Sondervotum Schlabrendorffs – vorgebrachte Argument, dass diejenigen, die den Eid nicht leisten wollten, eben nicht Beamte werden sollten. Das Urteil bezeichnete die Tatsache, dass ganze Berufszweige, in denen 377 Vgl.: Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluß vom 21.8.1974. 378 Ebd., S. 360. 379 Ebd. 380 Ebd. 381 Ebd. 382 Ebd.

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das Beamtentum gewissermaßen eine Monopolstellung hatte, »für solche Bürger ausgeschlossen« sein sollten, die bereit sind, »alle Verpflichtungen des Amtes loyal zu erfüllen und nur den Eid aus Gewissensgründen ablehnen«,383 als nicht vereinbar mit Artikel 33, Absatz 3 des Grundgesetzes, welches die Zulassung zu öffentlichen Ämtern als unabhängig vom religiösen Bekenntnis regelt. Daher sah das VG Freiburg es unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als notwendig an, »alle Bürger, die sich aus einer individuell getroffenen Glaubensentscheidung zur Leistung des Eides außerstande sähen, von der Eidesleistung« freizustellen. Und im Ergebnis war damit klar: »Die Glaubensund Gewissensfreiheit der Antragstellerin hat daher Vorrang vor einer beamtenrechtlichen Eidespflicht.«384 Das Urteil zeigt, in welchem Maße sich die Auffassung vom Eid, aber auch das Verhältnis zwischen Staat und Staatsbürger gewandelt hatte. Auch wenn kein Konsens darüber bestand, so mehrten sich Stimmen, die den bedingungslosen Eideszwang als Mittel der Stiftung politischer Loyalitäten in Frage stellten.385 Die zunehmende Bedeutung des Grundrechts der Glaubens- und Gewissensfreiheit stand dem staatlichen Anspruch eines Zugriffs auf eben dieses Gewissen im Ritual des Eides diametral entgegen. So verfestigte sich die Auffassung, dass im Zweifelsfall das Pendel für die Glaubens- und Gewissensfreiheit ausschlagen müsse: Wer den Eid nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, sollte nach Auffassung des Gerichts – und nicht weniger Juristen – auch nicht mehr schwören müssen, gleichwohl aber Beamter werden können. Zwar sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis diese Position auch in Recht gegossen war: Erst die Reform des Bundesbeamtengesetzes von 2009 fügte den Bestimmungen über die Dienstpflichten in Bezug auf den Eid einen Absatz hinzu, der es jenen ermöglichte, den Eid durch eine Versicherung zu ersetzen, die aus Glaubens- und Gewissensgründen nicht bereit waren, einen Eid zu leisten.386 In Paragraf 64, Absatz 3 des Bundesbeamtengesetzes (ähnlich auch in den verschiedenen Landesbeamtengesetzen) wurde eingefügt: »Lehnt eine Beamtin oder ein Beamter aus Glaubens- oder Gewissensgründen die Ablegung des vorgeschriebenen Eides ab, können an Stelle der Worte ›ich schwöre‹ die Worte ›ich gelobe‹ oder eine an383 Ebd. 384 Ebd., S. 362. 385 Zeitgleich mit dem Urteil über den Eid fällte das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Urteil, das auch Rückwirkungen auf das Beamtentum hatte: In der sogenannten »Straf­ gefangenenentscheidung« vom 14.3.1972 widmete sich das oberste Gericht den »besonderen Gewaltverhältnissen« und entschied, dass Grundrechte in diesen Gewaltverhältnissen nur gesetzlich einschränkbar seien. Dies wiedersprach der überkommenen Tradition, nach der im »besonderen Gewaltverhältnis« Grundrechte ohne gesetzliche Grundlage einschränkbar waren, etwa durch Verwaltungsvorschriften oder Verordnungen. Vgl. Beschluss des Zweiten Senats vom 14.3.1972 über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Gerhard P. gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8.3.1968. Zur zeitgenössischen Diskussion über das »besondere Gewaltverhältnis« vgl.: Evers. 386 Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts.

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dere Beteuerungsformel gesprochen werden.«387 Diese rechtliche Akzeptanz des Vorrangs der Glaubens- und Gewissensfreiheit vor dem Anspruch des Staates auf die Versicherung politischer Loyalität im Eid beendete erst in jüngster Zeit eine Debatte, die durch den kulturellen und politischen Wandel der sechziger und siebziger Jahre manifest geworden war. Angesichts einer sich verändernden politischen Kultur und gesellschaftlichem Wandel, welcher die überkommene »Obrigkeitsstaatlichkeit« in Frage stellte, verlor der Eid seine unangefochtene Position als Zwangsmittel des Staates. So geriet das Ritual, das so viele Jahrhunderte Bestand hatte und selbst die großen Verwerfungen und politischen Systemwechsel des 20. Jahrhunderts überstanden hatte, von verschiedensten Seiten unter Beschuss. Andererseits hatte er nach wie vor als beamtenrechtliche Norm Bestand. Als Lackmustest, ob angesichts dieser Veränderungen der Eid noch im hergebrachten Sinne als Ritual zur Sicherung politischer Loyalität und »Treue« taugte, sollte sich daher die große beamtenpolitische Debatte der siebziger Jahre erweisen: die Auseinandersetzung um die »Radikalen« im Öffentlichen Dienst.

5.8 Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit: Der »Extremistenbeschluss« und der Eid Die Debatten um den Eid seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zeigten konkrete Wirkung, als seit Anfang der siebziger Jahre mit großer öffentlicher Anteilnahme die Frage nach der Zugänglichkeit des öffentlichen Dienstes für sogenannte »Radikale« diskutiert wurde. Der Eintritt der »rebellischen« Studentengeneration in das Berufsleben, für die Öffentlichkeit verknüpft mit dem angekündigten »Marsch durch die Institutionen«, ließ Politik und Gesellschaft (und vor allem die unionsregierten Länder) befürchten, eine ganze Generation von Kommunisten plane, die westdeutsche Verwaltung, Justiz, Schulen und Universitäten zu »unterwandern«. Die SPD-geführte Bundesregierung hingegen sah sich genötigt, die Verständigungspolitik in Richtung Osten innenpolitisch durch eine Politik der »harten Hand« gegenüber – meist als links verstandenen – »Radikalen« abzufedern und jede Zusammenarbeit mit Kommunisten zu verhindern, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Bundesrepublik innen- und außenpolitisch »dem Osten« zu öffnen. Angesichts dieser komplexen Gemengelage trat die Frage nach der »Treuepflicht« der Beamten mit aller Macht wieder in die öffentliche Diskussion, knapp zwanzig Jahre, nachdem mit dem Adenauer-Erlass versucht worden war, die politische Betätigung von Beamten zu regeln. War in den Jahren nach diesem ersten Erlass die Frage der »Treue« bundesdeutscher Beamter eher in den Hintergrund getreten – obwohl der Erlass weiterhin galt, Bewerbern allerdings nur der allgemeinere Teil weiterhin vorgelegt wurde (die Aufzählung möglicher Organisationen, die der erste Erlass als verfassungsfeind387 Ebd., § 64: Eidespflicht, Eidesformel.

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lich definiert hatte, erschien in den sechziger Jahren als nicht mehr aktuell), so änderte sich dies um 1970. Ausgehend von Hamburg, begannen die Bundesländer, Verordnungen zur Verhinderung der Aufnahme sogenannter »Radikaler« in den Öffentlichen Dienst zu erlassen oder zu planen. Um eine beamtenrechtliche Zersplitterung zu vermeiden, strebten die Länder daraufhin eine gemeinsame Regelung an. Diese Bemühungen waren geprägt von einer »offensiven Lesart des Verfassungsschutzes«388 und mündeten im Februar 1972 in den sogenannten »Extremistenbeschluss« der Bundesländer. Inhaltlich brachte der Beschluss kaum Neues. Er legte fest, dass in das Beamtenverhältnis nur berufen werden durfte, »wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt«. Außerdem waren Beamte verpflichtet, »sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzu­ setzen«.389 Dies entsprach weitgehend den Formulierungen des Adenauer-Erlasses sowie den beamtenrechtlichen Regelungen. Neu hingegen war die ausdrückliche Formulierung: »Jeder Einzelfall muss für sich geprüft und entschieden werden.«390 Über die Umsetzung dieser Formulierung kam es in den folgenden Jahren zu zahlreichen Konflikten. Der gemeinsame Runderlass der Ministerpräsidenten und der Landesminister hatte keine Durchführungsverordnung beinhaltet, und so führten die Bundesländer eigenständige Richtlinien ein, die sich zum Teil deutlich voneinander unterschieden. Künftig sollten alle Bewerber für den öffentlichen Dienst im Bund und den Ländern per Regelanfrage beim Verfassungsschutz auf mögliche verfassungsfeindliche Aktivitäten innerhalb der letzten fünf Jahre überprüft werden. Nach dieser Überprüfung sollte potentiellen Bewerbern vor der Einstellung in den öffentlichen Dienst eine schriftliche »Belehrung« ausgehändigt werden, in der auf die Treuepflichten für Mitglieder des öffentlichen Dienstes verwiesen und die Aktivität für verfassungsfeindliche Organisationen als verfassungsfeindlich und nicht vereinbar mit den Pflichten eines Beamten beschrieben wurde. Diese »Belehrung« hatte der Bewerber vor der Einstellung zu unterzeichnen. Jegliche Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers, die sich etwa durch die Regelanfrage ergaben, aber etwa auch durch die Weigerung, die Erklärung zu unterzeichnen, führte zur Nicht-Einstellung des Bewerbers. Im Folgenden soll es weniger um die Praxis des Radikalenerlasses gehen, so aussagekräftig sie auch für die Geschichte der »Treuepflicht« im öffentlichen Dienst ist.391 Hier soll vielmehr die Frage gestellt werden, welche Rolle das traditionelle Element der Treueverpflichtung im Beamtentum  – der Eid  – in 388 Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland, S. 335. Zur Geschichte des »Extremistenbeschlusses« vgl. auch: Rosen. 389 Gemeinsamer Runderlass der Ministerpräsidenten und aller Landesminister: Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst. 390 Ebd. 391 Vgl. die Fallstudie: Jaeger.

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dieser aufgeheizten und für die Geschichte des öffentlichen Dienstes sicherlich entscheidenden Phase spielte. Die Antwort ist relativ einfach und ziemlich kurz: keine. In den Akten zum »Radikalenerlass« spielt der Eid schlicht und einfach kaum noch eine Rolle. Die Sicherungsmechanismen, die die Bundes- und die Länderregierungen hinsichtlich der Garantie von Verfassungstreue durch die Beamten einführten, griffen nicht mehr auf den Eid als Sicherungsmittel der politischen Loyalität zurück. Auch dies ist indes ein Befund, und er zeigt, dass sich die jahrhundertealte Geschichte des promissorischen Eides in den siebziger Jahren ihrem Ende näherte. Der einzige Punkt, an dem der Eid im Zusammenhang mit dem Extremistenbeschluss thematisiert wurde, war die Auseinandersetzung um die Treueerklärung, die von den Bewerbern verlangt werden sollte. Diese stand neben der Frage, inwieweit Mitglieder einiger nicht-verbotener Parteien (insbesondere der DKP) durch ihre Mitgliedschaft als Verfassungsfeinde einzustufen waren, im Mittelpunkt der Debatte über den Erlass. In der Frage der Treueerklärung taten sich bereits im April 1972 die ersten Konflikte zwischen Unions- und SPDregierten Ländern auf. Und auch innerhalb der Ministerien war die Frage dieser Treueerklärung durchaus umstritten. In diesem Zusammenhang hieß es immer wieder, dass eine solche Treueerklärung nicht notwendig sei, da sie letztlich beitrüge zur »Entwertung des Diensteides der Beamten und des Richtereides«, der »bereits eine Verpflichtung auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand« habe.392 Gelegentlich hieß es, eine solche Erklärung enthielte »gegenüber dem folgenden – qualitativ höher einzuschätzenden – Diensteid der Beamten und Gelöbnis der Angestellten und Arbeiter nicht Neues.«393 Tatsächlich entsprach die geplante Treuerklärung in weiten Teilen inhaltlich dem Eid: Es ging darum, öffentlich die Treue zur Verfassung zu bekunden. Dominik Rigoll formuliert dies so: »Nachdem zwei Jahre zuvor noch ernsthaft darüber diskutiert worden war, ob der Beamteneid nicht antiquiert sei […], gab es den Eid plötzlich in zweifacher Ausführung […].«394 Doch so war es eigentlich nicht. Denn die geplante Erklärung war eben kein Eid. Vielmehr war es, als hätten die Verantwortlichen vergessen, dass die Beamten mit dem Eid eigentlich bereits inhaltlich das leisteten, was die Erklärung garantieren sollte. Oder aber, und das scheint wahrscheinlicher  – man sprach dem Eid schlicht nicht mehr die Wirkungskraft früherer Zeiten zu. Es erschien rechtlich verlässlicher, den Bewerber eine schriftliche Verpflichtung unterschreiben zu lassen; dass er dann zusätzlich auch noch einen Eid leistete, konnte offenbar nicht schaden. Auch wenn sich die Treueerklärung nicht in allen Bundesländern durchsetzen konnte – nur Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hielten an ihr fest – so 392 So beispielhaft: Bundesminister der Justiz an den Bundesminister des Innern, 14.5.1973, in: BArch B 106/95941. 393 Bundesminister für Verkehr an den Bundesminister des Innern, 7.5.1973, in: BArch  B 106/95941. 394 Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland, S. 365.

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zeugt der Vorschlag einer solchen Erklärung doch von der zurückgehenden Bedeutung des Eides. Dieser Befund wird gestützt durch die Tatsache, dass auch in der kaum überschaubaren Literatur zum »Radikalenerlass« der Eid keine Rolle spielt.395 Dies gilt auch für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 1975 zum Extremistenbeschluss. Zwar wurde hier klar eine institutionelle Treue von den Bewerbern für den öffentlichen Dienst gefordert. Sie mussten die Bereitschaft bieten, »sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren«.396 Das Urteil verwies auch kurz auf die »beschworene Treue«, doch wirkte dies nur noch wie ein Nachhall früherer Zeiten. Ernsthaft eine Rolle spielte der Eid bei der Garantie der Verfassungstreue argumentativ für das Gericht nicht mehr. Beim Nachdenken darüber, wie und in welchen Grenzen der Staat von seinen Beamten Verfassungstreue voraussetzen konnte, wie Verfassungstreue einerseits, Verfassungsfeindschaft andererseits zu definieren waren, bei der Frage, wie diese »Treue« zu implementieren und zu garantieren war, thematisierte Mitte der siebziger Jahre niemand mehr ernsthaft den Eid. Der Kern des beamtenrechtlichen Treueverständnisses, in dem zuvor der Eid gestanden hatte, wurde nun anders definiert. Die Frage, wie und in welcher Weise dieses Treueverständnis, das mehr oder weniger ohne den Eid auskam, ausgestaltet war, kann nicht mehr Teil dieser Studie sein.397 Festzuhalten ist, dass wir es mit rechtlichen Normierungs­ prozessen zu tun haben. Das, was den Eid immer ausgezeichnet hatte und ihn auch anfällig gemacht hatte für Ideologisierungen aller Art, für die Indienstnahme durch politische Systeme unterschiedlichster Couleur, war, dass der Eid weit über rein rechtliche Normen hinaus ging. In ihm wurde versucht zuzugreifen auf andere Ebenen der menschlichen Existenz, auf religiöse Bindungen, individuelle Glaubenssätze und Gewissenselemente, gleichzeitig aber auch auf überindividuelle Ehrvorstellungen, die das Individuum innerlich binden und sein Verhalten steuerbar machen sollten. Der Eid lebte von der Tatsache, dass all diese Elemente des hergebrachten Berufsbeamtentums nicht in Gesetzestexten zu normieren waren. In den siebziger Jahren aber war offenbar die Zeit vorbei, in der man glaubte, diese über- und nebenrechtlichen Konzepte erhalten zu können. Zwar hatte es auch zuvor klar definierte beamtenrechtliche Strukturen gegeben, die die »Treuepflicht« des Beamten geregelt hatten. Doch hatte die weit darüber hinaus reichende Dimension des Eides immer, oder zumindest sehr 395 Vgl. in Auswahl: Arndt; Bulla; Damkowski, Radikale im öffentlichen Dienst; Denninger; Dicke; Dreier, Verfassung und Ideologie; Goerlich; Klein; Küchenhoff; Lecheler; Stern, Die Verfassungstreue von Beamten. 396 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.5.1975 zum Extremistenbeschluß. 397 Zu identitären Deutungsmustern in der Bundesrepublik der siebziger und achtziger Jahre: Stachura; Westle.

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lange, gleichberechtigt neben dem Beamtenrecht gestanden und das »besondere Treueverhältnis« auf andere Art und Weise definiert und gestärkt. Für diese Ebene war in den siebziger Jahren kaum noch Raum.398 Dies hatte seinen Grund in den politisch-kulturellen Wandlungsprozessen seit den späten fünfziger Jahren, vor allem in Individualisierungs- und Säkularisierungsprozessen. Das bezog sich zum einen auf jene Prozesse, die seit Beginn der Moderne zu einer Säkularisierung des Rechtssystems beitrugen und ein religiös gebundenes Ritual wie den Eid in Frage stellten. Zum anderen aber handelte es sich bei der Ablösung des Eides aus seiner zentralen Funktion der Herrschaftssicherung und Loyalitätsstiftung gewissermaßen um die Ergebnisse eines Verrechtlichungsprozesses, die bereits weitaus älteren Ursprungs sind.399 Im Laufe dieses Prozesses, der im Kern mit der zunehmenden Normierung des Beamtenrechts seit dem 18. Jahrhundert seinen Anfang nahm, wurden vor- und nebenrechtliche Elemente, zunehmend abgelöst. Bezogen auf den Eid war die Weimarer Republik hier entscheidende Schritte gegangen. Dieser Verrechtlichungsprozess, unterbrochen durch den Nationalsozialismus, nahm nach dem Zweiten Weltkrieg seit den sechziger Jahren wieder Fahrt auf und erreichte in den späten siebziger Jahren so etwas wie einen »Höhepunkt«. Immer wieder hatte es bezogen auf das Beamtenrecht Ansätze gegeben, das vorrechtliche und politisch-ideologisch instrumentalisierbare Ritual des Eides durch normative Regelungen zu »entmachten«. Gelungen war dies angesichts eines tief verwurzelten Glaubens an die Bedeutung des Eides für die Herrschaftssicherung und Loyalitätsstiftung lange nicht. Dies änderte sich erst in den kulturellen und politischen Wandlungsprozes­ sen der sechziger Jahre. Angesichts einer sich zunehmend pluralisierenden öffentlichen Meinung erodierte der eidesbezogene Konsens. Nun übernahmen normative Regelungen die Aufgaben, die zuvor dem Eid zugekommen war, und der Eid spielte in der Wahrnehmung keine Rolle mehr bei seiner früheren »Kernkompetenz«: ein »treues« Verhalten der Beamten zu garantieren. Die zuvor breit geteilte Überzeugung, dass der Eid der Herrschaftssicherung diene und dass daher der Staat ein gewissermaßen »natürliches« Anrecht auf Eidesleistung habe, verlor an Bedeutung. Stattdessen traten in viel stärkerem Maße als zuvor Argumente in den Vordergrund, die die Bedeutung der Gewissensfreiheit der Staatsbürger gegenüber dem staatlichen Anspruch auf politischen »Treue« betonten. Einigkeit ließ sich kaum noch erzielen, und der Eid erschien zunehmend als antiquiertes Relikt einer vergangenen Zeit. Gleichzeitig ging die (beamten-) rechtliche Bedeutung des Eides für die Garantie politischer Loyalität stark zurück. Damit verlor der Eid gewissermaßen seine »Kernfunktion« im Bereich der Herrschaftsstiftung und -sicherung. 398 Vgl. beispielhaft die Überlegungen zur Neuausrichtung der »besonderen Treuepflicht«: Lecheler. 399 Zur Verwendung des Begriffs der Verrechtlichung durch den »Links-Schmittianer« Otto Kirchheimer vgl. u. a.: Teubner, »Man schritt auf allen Gebieten zur Verrechtlichung«. Zu Prozessen der Verrechtlichung i.A.: Teubner, Verrechtlichung; Voigt, Verrechtlichung.

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Schluss »Der politische Eid ist notwendig für den Staat, um ihn vor fortwährenden Revolten und Unruhen zu schützen. […] Eine tausendjährige Erfahrung hat gelehrt, daß der Eid nötig ist […]. Die treue und gewissenhafte Wahrung des Eides, seine Heilighaltung ist stets ein untrügliches Zeichen von dem hohen sittlichen Wert eines Volkes.«1 Was Heinrich von Treitschke am Ende des 19. Jahrhunderts formulierte, verweist auf den festen Glauben seiner Generation an die herrschaftssichernde und systemstabilisierende Funktion des Eides. Doch schon wenige Jahre später sollte sich zeigen, dass der Staat durch den politischen Eid nicht vor »fortwährenden Revolten und Unruhen« zu schützen war. Weder das Ende der Monarchie noch das Scheitern der Weimarer Republik oder der Untergang des Dritten Reichs 1945 ließen sich aufhalten, obwohl Staatsdiener geschworen hatten, das jeweilige System zu »wahren«, zu »verteidigen« und dem jeweiligen Staatsoberhaupt »treu« zu sein. Stattdessen wurden neue Eide geschworen. So kam es, dass in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als sich die Bundesrepublik zur Wiedereinführung des Beamteneides entschloss, eine Generation von Beamten in Amt und Würden war, die – je nach Geburtsjahrgang und Diensteintritt – in ihrem Berufsleben bereits einem Kaiser, einer Verfassung, einem Volk und einem »Führer« die Treue geschworen hatten, nur um nun erneut durch einen Eid auf das »Wahren« des Grundgesetzes und der Gesetze verpflichtet zu werden. Angesichts dieser Tatsache muss erstaunen, wie lange sich die Überzeugung Treitschkes halten konnte; wie lange Politiker aller Lager, aber auch Wissenschaftler und weite Teile der Öffentlichkeit überzeugt waren, dass der Eid ein effektives Mittel der Herrschaftsstiftung und -sicherung sei. In seiner Tradition als einem der ältesten politischen Rituale Europas, wurzelnd in Antike und Mittelalter, entwickelte der Eid eine erhebliche Persistenz. Zwar geriet er mit der Aufklärung und den Anfängen der Moderne stärker als zuvor in die politische Auseinandersetzung. Doch dies musste seine Bedeutung nicht schwächen, wie etwa der Blick auf den »Eideskampf« im Konstitutionalismus zeigt. Wenn sowohl liberale Kräfte den promissorischen Eid als Mittel des Verfassungsschutzes als auch konservative Kräfte ihn als Mittel der Restauration nutzen wollten, dann erklärt das, warum aus politischer Perspektive niemand bereit war, auf das Ritual zu verzichten. Und das, obwohl sein Gegenstück, der assertorische Eid, sehr wohl breiter Kritik ausgesetzt war. Doch wurde die politische Bedeutung des promissorischen Eides gedanklich von den, je nach Position der Kritiker, eher aufklärerischen oder theologischen Zweifeln am assertorischen 1 Treitschke, S. 199.

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Eid getrennt. Das Interesse des Staates an politischer »Treue« stand über diesen Zweifeln. Mit dem Ende des Verfassungskampfes und der Hinwendung der bürger­ lichen Schichten zum Nationsbildungsprozess verschob sich die Rolle des Eides. Von einem Element im Kampf um politische Beteiligung und die Stärkung institutioneller Verfassungsherrschaft gegenüber den absoluten Rechten der Herrschenden, wurde er zu einem ein Ritual der Anerkennung und Stabilisierung bestehender Macht. Im 1871 entstandenen Deutschen Kaiserreich wurde der Eid zum Sinnbild der Akzeptanz des neuen Systems durch das nationalliberale Bürgertum und den Adel. Das persönliche Element des Schwurs bestimmte dabei die Wahrnehmung: Der Eid wurde zum Symbol der öffentlich gemachten »Treue«, einer personal verstandenen Bindung des »Staatsdieners« an »seinen« Monarchen. In den Jahrzehnten des Kaiserreichs waren die Erwartungshaltungen von Regierung und Staatsdienern erstaunlich deckungsgleich. Natürlich gab es politische Auseinandersetzung um die Reichweite der beschworenen Treuepflicht. Grundsätzlich jedoch trafen sich Regierung und Beamte als Teil einer nationalen und konservativ orientierten, vor allem aber sich als christlich gebunden verstehenden Mehrheitsgesellschaft in der Wertschätzung des Eides. »Treue« zu schwören, war für die Beamten ebenso Teil ihres beruflichen wie privaten Selbstverständnisses wie »Treue« zu halten. Der vor Gott geleistete Eid war zentrales Ritual des Herrschaftssystems im Kaiserreich und in dieser Zentralität lag eine Selbstverständlichkeit, die dazu führte, dass der Eid als Mittel zur politischen Disziplinierung unbestritten war, ja die Beamten diese Disziplinierung durch den Eid sogar als Teil der eigenen Ehre begriffen. Dies stand im Gegensatz zu einer Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft, die im Kaiserreich in positivistischer Grundhaltung den Eid eigentlich als rechtlich unbedeutend begriff und den institutionellen Aspekt der im Eid be­schworenen Treue betonte. Hier traten ganz offensichtlich rechtliche Normen und gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen auseinander. Doch war es gerade der Eid, der hier als Bindeglied funktionierte, als »Mittler« zwischen Recht und Moral. Seine neben- und überrechtliche Funktion war selten so unangefochten wie im Beamteneid des Kaiserreichs. Während der Eid in der politischen Öffentlichkeit des Kaiserreichs ein entscheidender argumentativer Faktor in den gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozessen gegenüber etwa politischen Gegnern wie der Sozialdemokratie war, fehlten Konflikte um den Eid innerhalb des Dienstverhältnisses, also Eidesverweigerungen von Beamten, mehr oder weniger völlig. Mit dem Ende der Monarchie und der Gründung der Weimarer Republik sollte sich dies schlagartig ändern. Nun stießen Beamte, die auf der alten Interpretation und Tradition des Eides beharrten, auf (vorwiegend) sozialdemokra­ tische Politiker (und zunehmend auch auf sozialdemokratische Beamte), die den Eid zuvor als Relikt überkommener Zeiten abgelehnt hatten. Die Tatsache, dass man sich auch in der Nationalversammlung von Weimar dennoch entschied, 328

den Beamteneid verfassungsrechtlich festzuschreiben, zeugt von der tiefen Verankerung des Rituals im politischen Denken aller Deutschen. Gleichzeitig setzte die neue Regierung jedoch alles daran, mit der alten Eides­ tradition zu brechen und den Eid der Republik grundsätzlich anders zu gestalten. In der Neuformulierung »Ich schwöre Treue der Reichsverfassung« wurden sowohl die personale Bindung als auch der Gottesbezug aus dem Eid gestrichen. Dies bedeutete einen doppelten Bruch, der die daraus unmittelbar entstehenden heftigen Konflikte verständlich macht. Der Vorstellung vom Eid als einer persönlichen Bindung des Eidgebers an den Eidnehmer vor Gott wurde ein radikal anderer Eid entgegengesetzt. Allerdings war den verantwortlichen Politikern in der frühen Weimarer Republik, so erscheint es im Rückblick, nicht klar, welche Ansprüche mit diesem radikal anderen Eid verbunden sein sollten. Es gelang nicht, ein Eidesverständnis zu formulieren, dass die institutionelle Treue gleichwertig an die Stelle der früheren personalen Treue gesetzt hätte. Angesichts einer personell mehr oder weniger unveränderten Zusammensetzung der Beamtenschaft, die sich innerlich in der Regel noch dem monarchischen System verbunden fühlte, konnte sich die Auseinandersetzung darüber, was es bedeuten könnte, der Reichsverfassung Treue zu schwören, zu einem symbolischen Kampf um den Herrschaftsanspruch in Zeiten des Systemwechsels entwickeln. Dabei ging die Weimarer Republik manchen Kritikern im Hinblick auf die religionslose Eidesformel eigentlich nicht weit genug  – dass am Begriff des »Schwurs« als einem mehrheitlich religiös verstandenen Ritual festgehalten wurde, hat Ernst Friesenhahn als verpasste Chance bezeichnet. Seiner Vorstellung nach hätte die Weimarer Republik (und später auch die Bundesrepublik) überall dort, »wo Verfassungen und Gesetze einen assertorischen oder promissorischen Eid vorschreiben, an dessen Stelle die feierliche Bekräftigung oder Angelobung« einführen sollen, die jeder nach eigenem Gewissen mit einer religiösen Formel hätte ergänzen können.2 Auf diese Weise wäre der Eid als eine rein religiöse Handlung definiert gewesen, der moderne Staat indes hätte durch Verzicht auf einen solchen Eid dem Vorwurf, das Gewissen seiner Staatsbürger unrechtmäßig zu missbrauchen, entgehen können. Tatsächlich wäre der Verzicht auf den Eid in der Umbruchsituation des Jahres 1919 eine Möglichkeit gewesen, den Diskussionen und Konflikten der kommenden Jahrzehnte aus dem Weg zu gehen. Doch diese Möglichkeit wählte die Weimarer Republik nicht. Und sie wählte auch nicht den anderen möglichen Weg, den Verfassungseid tatsächlich so zu stärken, dass er als Element eines positiven Verfassungsschutzes hätte wirksam werden können. Das Konzept einer institutionellen »Treue« zu entwickeln und durchzusetzen, war in der innenpolitischen und gesellschaftlichen Konstellation der Weimarer Jahre nicht möglich. Umso entschiedener ging dann der Nationalsozialismus daran, seine Vorstellungen von Eid und »Treue« in jeder Hinsicht zu verankern. Nicht nur die Eides2 Friesenhahn, Der politische Eid, S. IX.

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formel wurde schrittweise zu einem »Führereid« umgestaltet, auch der Anspruch an die Treue der Beamten und »Volksgenossen« wurde absolut ausdefiniert. Hier entfaltete sich, nicht zuletzt unterstützt durch eine religiöse Aufladung der Eidesformel, ein Treuekonzept rechtlich und gesellschaftlich, das weit über die personale »Treue«-Bindung des Kaiserreichs hinausging. Der Eid symbolisierte das nationalsozialistische »Führer-Gefolgschafts«-Verhältnis und wurde Teil einer nationalsozialistischen »Moral«, die über die »Treue« sogar die Ausführung von Verbrechen legitimierte. Die sorgfältig geplanten und durch­geführten Inszenierungen der Vereidigungen des Nationalsozialismus waren zentraler Bestandteil der Verankerung dieses Treuekonzeptes, der sich kaum jemand entziehen konnte. Beinahe jeder Deutsche leistete in irgendeiner Position einen Eid auf den »Führer«. Damit verlor der Beamteneid seine einst ausgrenzende und gruppenstiftende Funktion. Er ging stattdessen auf in einem Meer von Eiden, ebenso wie die Sonderstellung der Beamten von nationalsozialistischen Juristen in Frage gestellt wurde. Gerade deshalb setzte sich später die Bundesrepublik so vehement für den Beamteneid als Signum des überkommenen und restabilisierten Berufsbeamtentums ein. Sich dem absoluten Treueanspruch des Nationalsozialismus zu entziehen, war schwierig. Dies in einem öffentlichen Akt zu tun, der die Verweigerung des Eides bedeutete, war nochmals schwieriger. Die Entscheidung, den Eid unter einem stillschweigenden Vorbehalt zu leisten, war demgegenüber einfacher. Umso größer muss aus der Rückschau der Respekt für jene sein, die öffentlich die Leistung eines Eides auf den »Führer« verweigerten. Vieles spricht dafür, dass die Mitwisser der Umsturzpläne des 20. Juli 1944 mit der Frage nach der Bindungskraft des »Führereides«, den sie als Beamte oder Soldaten geleistet hatten, rangen. Auch wenn die Quellenlage hierüber nur wenig eindeutige Aussagen zulässt, so lassen doch private und berufliche Sozialisation, gesellschaftliche Stellung und eine christlich-religiöse Bindung bei vielen darauf schließen. Hilfe hatten jene, die um den Eid rangen, kaum. Vor allem die beiden großen Kirchen versäumten es, zum Eid und zu den Grenzen des Gehorsams öffentlich Stellung zu beziehen. Der Tod Hitlers und das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft bedeuteten zwar das Ende des »Führereides«, doch die Karriere des politischen Eides war 1945 nicht beendet. Es gelang den Verfechtern des überkommenen Berufsbeamtentums, den Eid in der Auseinandersetzung mit den Alliierten um eine Neugestaltung des öffentlichen Dienstes einerseits, in Abgrenzung gegen die Entwicklungen in der SBZ und der DDR andererseits als ein Element der guten, alten Tradition des deutschen Beamtentums in die Waagschale zu werfen. In diesen Auseinandersetzungen, in denen es auch um die Interessen eines Beamtentums ging, das versuchte, seine im Nationalsozialismus unter Druck geratene Position wiederherzustellen, wurde der Eid instrumentalisiert. Und auch an das traditionelle »Treuepflichtmodell« knüpfte man an, so dass die »Treue« zwar aus der Eidesformel der Bundesrepublik verschwand, doch der historisch unkonkrete Begriff der »Treue« im Beamtenrecht erhalten blieb. 330

Die Formulierung, die man indes für den Beamteneid in der Bundesrepublik fand, war defensiv. Im Versuch, durch den Verzicht auf den Begriff der »Treue« historischen Ballast abzuwerfen, blieb eine Eidesformel zurück, die mit dem relativ schwachen Verb des »wahrens« Grundgesetz und Gesetze auf eine Stufe stellte. Hier scheint bereits eine Schwächung des Eides als Instrument des Verfassungsschutzes auf. Auch die zweite deutsche Demokratie tat sich – aus anderen Gründen als die Weimarer Republik – schwer, über den Eid die institutionelle Treue der Beamten zu stärken. Dies ergab sich aus dem historischen Kontext Anfang der fünfziger Jahre, in dem ein gewisses Unbehagen gegenüber dem Ritual und seiner Vergangenheit herrschte, auch wenn dies zu diesem Zeitpunkt noch eher selten formuliert wurde. Durch die neue, etwas halbherzige Formel wurden jedenfalls weder das Ritual noch seine intendierte Schutzfunktion gegenüber der Demokratie gestärkt. Zwischen »Restauration und Neubeginn« bewegte sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Eides um das Jahr 1950, wagte jedoch weder das eine noch das andere. Die Skepsis gegenüber dem Eid verstärkte sich bereits wenige Jahre nach der Wiedereinführung des Beamteneides in den vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen der fünfziger Jahre, in denen der Eid eine zentrale Rolle spielte. Der »Führereid« wurde nun, nicht zuletzt vor Gericht, in seinen Konsequenzen für das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus einerseits, aber auch in seiner Funktion für das Berufsbeamtentum im Dritten Reich andererseits diskutiert. Hier setzte eine Entwicklung ein, die den Eid kritisch in Frage stellte, was sich bald darauf in den Debatten um die Vereidigung der Soldaten zeigte. Die hier gefundene Kompromisslösung machte die Definition dessen, was ein Eid sein sollte, indes noch komplizierter. Der Unterschied zwischen religiösem Eid, »bürgerlichem« Eid und Gelöbnis war kaum noch zu vermitteln, selbst die beteiligten Politiker hatten ihre Schwierigkeiten. Sicherlich spiegelte sich in der Entscheidung für das Gelöbnis der wehrpflichtigen Soldaten eine steigende Skepsis gegenüber dem Eid. Diese Skepsis war jedoch zu diesem Zeitpunkt Mitte der fünfziger Jahre eindeutig an die Erfahrung mit dem nationalsozialistischen Eid gebunden. Noch war man nicht den Schritt zurückgetreten, dessen es bedurfte, um das Ritual als solches auf den Prüfstand zu stellen. Dies geschah erst durch die mannigfaltigen und vielschichtigen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse, die im Verlauf der sechziger und siebziger Jahre einsetzten. Ein zunehmendes Bewusstsein für Individualisierung ließ das Grundrecht der Gewissensfreiheit stärker als zuvor in den Vordergrund treten; eine gleichzeitige tiefe Skepsis gegenüber »obrigkeitsstaatlichen« Tendenzen führte gerade in der jüngeren Generation zur Infragestellung des staatlichen Rechts auf den »Eideszwang«. Diese Debatte, die wissenschaftlich und öffentlich in der Presse, nicht zuletzt befeuert durch Bundespräsident Gustav Heinemann, geführt wurde, spiegelte sich auch in Gerichtsverfahren, in denen über diesen »Eideszwang« entschieden wurde. Auch wenn weder die Debatte noch die Verfahren letztlich Klarheit brachten, so hatte sich das Bild des politischen Eides mit Beginn der siebziger Jahre grundlegend gewandelt. Die bis dahin kontinuierlich 331

vertretene Überzeugung vom Sinn und Nutzen des Eides für den Staat und von der Verpflichtung des Staatsbürgers, sich dem Eideszwang unterzuordnen und damit seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen – nicht zuletzt gefasst im Bibelzitat »der Obrigkeit Untertan« zu sein –, geriet ins Wanken. Es ließ sich keine Einigkeit mehr herstellen über den Eid, die Auffassungen hatten sich kaum mehr überschaubar pluralisiert und rangierten von traditioneller Zustimmung bis hin zu der Forderung nach totaler Abschaffung. Zwar hatte es diese unterschiedlichen Meinungen auch schon zu früheren Zeiten gegeben, doch war nun die bis dahin unangefochtene Mehrheitsmeinung von der Bedeutung des Eides für die Sicherung staatlicher Herrschaft verloren gegangen. Bestes Beispiel für diese Entwicklung war die Debatte um den sogenannten »Radikalen«-Erlass seit 1972. Der Eid spielte hier praktisch keine Rolle mehr, und das, obwohl das Kernthema der politischen »Treuepflicht«, für das der Eid immer das Symbol schlechthin gewesen war, im Mittelpunkt der Debatte stand. Offensichtlich erschien der Eid nicht mehr als wirksames Mittel der politischen Disziplinierung und des Staats- und Verfassungsschutzes. Er wurde zwar nicht abgeschafft, doch man bezog sich nicht mehr auf ihn. An seine Stelle trat verstärkt die normative Bestimmung beamtenrechtlicher Pflichten – eine Stärkung des »Gesetzlichkeits«-Modells.3 Dass sich mit einem solchen »Gesetzlichkeit«-Modell wiederum andere Probleme im Hinblick auf die Verfassungstreue von Beamten entwickelten, indem es nämlich – ähnlich wie in der Weimarer Republik – auf eine rein äußerliche Haltung abzielte, wurde in der Folge diskutiert und führte zur Entwicklung des sogenannten »Identifikationsmodells«, in dem der Eid jedoch keine Rolle mehr spielte.4 Zum anderen entwickelte sich mit dem Konzept der »Verfassungstreue« und des »Verfassungspatriotismus« nun eine Form der institutionellen Treue, für deren Schaffung und Befestigung der Eid jedoch ebenfalls bedeutungslos blieb.5 Auch wenn bis heute geschworen wird: In den siebziger Jahren ging eine Epoche zu Ende. Jahrhundertelang waren die Menschen überzeugt von der Wirkungsmacht des Eides. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass auch der Übergang zur Moderne, der in der Literatur als Schlusspunkt der Geschichte des Eides gesehen wird, den Eid nicht in Frage stellte. Natürlich hatte sich der Eid der Moderne gegenüber dem vormodernen Eid verändert. Es handelte sich nicht mehr um ein klar religiös konnotiertes Sakrament und auch der Vertragscharakter der Eidesbeziehung trat zurück. Stattdessen entwickelte sich der Eid verstärkt zu einem Herrschaftsinstrument einseitiger Natur. Es ging seither vor allem um den Anspruch des Staates auf Treue und Loyalität, die er von den zu Staatsbürgern gewordenen Untertanen über einen Eingriff in das Gewissen fordern durfte. Paolo Prodi hat den Eid daher als zentrales Element einer »politischen Religion« bezeichnet: »Die Ersetzung der Gottheit durch den Staat als 3 Böckenförde, Rechtsstaatliche politische Selbstverteidigung als Problem, S. 22. 4 Z. B.: Denninger; Schlink. 5 Zum Verfassungspatriotismus vgl. Sternberger; Müller, Verfassungspatriotismus.

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oberste metaphysische Instanz« machte den Eid zu einem »Verbindungspunkt zwischen individuellem Gewissen und dem System der Macht«.6 Dabei, das ist deutlich geworden, war es – neben dem Ritual selbst – gerade der Begriff der »Treue«, der den Bezugspunkt zwischen »innen« und »außen« schaffte. Über ihn wurden politische Bindungsabsichten und gesellschaftliche Loyalitätsvorstellungen in den Eid hinein- und damit an das Individuum herangetragen. Dies eröffnete die Möglichkeit, den Eid an unterschiedlichste Kontexte und ideologische Zusammenhänge zu adaptieren. Trotz seiner Verortung im Beamtenrecht war es also weniger das Recht, das den Inhalt eines Eides definierte. Gerade die Tatsache, dass der Eid an der Schnittstelle zwischen Recht und Moral, Religion und »Zeitgeist« liegt, erklärt, warum der Eid jeweils so gebunden war an zeittypische Wert- und Ordnungsvorstellungen. Und es erklärt, warum der Eid so leicht zu einem Instrument im Interesse einer spezifischen Ideologie werden konnte, warum er an politische Systeme ganz unterschiedlicher Natur anzupassen war. Deshalb ist der Eid analytisch auch so etwas wie eine Sonde, mit der das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft auszuloten ist, ja, mit seiner Hilfe lassen sich Staatlichkeit, Vorstellungen von und die Veränderung von Staatlichkeit an sich untersuchen. Der Wandel des historischen Staatsverständnissen spiegelt sich im Wandel des Eides und des Umgangs mit ihm. Gerade Systembrüche, in denen der Eid eine zentrale Funktion übernahm, verwiesen diesen Wandel im Staatsverständnis. Es ist auffällig, wie sehr ein jedes Regime darauf bedacht war, den Eid des »Vorgängers« zu lösen und durch einen neuen Eid zu überlagern. In jedem Prozess der Herrschaftsübertragung erhoffte man sich bis ins 20. Jahrhundert hinein einen entscheidenden Beitrag vom Eid beziehungsweise der Eidesleistung. Fragt man also nach der Wirkung des Eides im 19. und 20. Jahrhundert, dann geht es nicht darum, ob sich der Einzelne durch seinen Schwur gebunden fühlte. Wichtig ist vielmehr die Wirkung, die dem Eid von der Gruppe beziehungsweise der Gesellschaft zugeschrieben wurde. Solange die Mehrheitsgesellschaft – und das war bis weit in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein der Fall gewesen – den Eid funktional auf die Sicherung von Herrschaft bezog, konnte der Eid auch Wirksamkeit entfalten. Dann nämlich wirkten die Mechanismen sozialer und politischer Disziplinierung aufgrund gesellschaftlich gültiger Normen, die auch beim Einzelnen einen Anpassungsdruck erzeugten, der vielfach an die Stelle der individuellen Gewissensentscheidung trat. Das Kaiserreich mit seinen Leitvorstellungen von Ehre und Treue, die der Eid repräsentierte, ist hierfür das beste Beispiel. Dass ein solcher Mechanismus noch stärker greift, wenn das politische System etwa in Form einer Diktatur dem Individuum keine freiheitlichen Rechte zuspricht, ist offensichtlich. Die Bedeutung des Eides im Nationalsozialismus, aber auch in der DDR, speiste sich nicht zuletzt aus dem ideologisch fundierten Gruppendruck, sich den im Eid transportierten Vorstellungen von »Treue« zu beugen, ganz unabhängig von der individuellen Position. Die Disziplinierungs6 Prodi, Das Sakrament der Herrschaft, S. 421.

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wirkung des Eides war daher gerade im Nationalsozialismus hoch. Es konnte allerdings auch passieren, dass ein gesellschaftliches Treue-Verständnis einerseits und politische Treue-Forderungen andererseits auseinanderklafften. Die Entwicklungen in der Weimarer Republik haben gezeigt, wie stark die Vorbehalte gegen einen Eid sein konnten, dessen Treueforderungen gesellschaftlich – oder innerhalb der Beamtenschaft – nicht mehrheitsfähig waren. Aber auch andere Dynamiken wirkten auf den Eid und die ihm zugesprochene Wirkung ein. Je stärker sich eine Gesellschaft pluralisiert, desto weniger ausgeprägt ist ein sozial und politisch »formierender« Wertekanon. Die Entscheidung darüber, ob und wieviel Wirkung dem Eid zukommt, geht in solchen Prozessen von der Gruppe auf das Individuum über. Mit dem Verlust der »Mehrheitsmeinung« über Bedeutung und Aufgabe des Eides verlor sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die mit dem Eid verbundenen Disziplinierungs­ absichten tatsächlich greifen. In dem Maße jedoch, in dem sich die Wahrscheinlichkeit verringerte, dass der Eid disziplinierend wirken würde, ging auch seine »Nützlichkeit« für Staaten und Regierungen verloren. Diesen Prozess kann man in den siebziger Jahren beobachten. Mit einer stärkeren Pluralisierung und Individualisierung der Gesellschaft, die sich seit den sechziger Jahren Bahn brach, geriet das lange so festgefügte Bild des Eides ins Wanken. Je stärker sich die Diskussion um den Eid pluralisierte und damit gleichzeitig auch ein »Gesamtbild« verwischte, desto weniger wurde er als Mittel zur Stiftung politischer Loyalität noch als hilfreich eingeschätzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mehrheitsmeinungen sich in dieser Weise pluralisieren und die Wirkung des Eides einschränken, ist in freiheitlich-demokratischen Systemen deutlich größer als in diktatorisch-totalitären. Damit ist ein grundsätzliches Problem angesprochen: Die Anpassung des Eides an demokratische Systeme erwies sich schwieriger als an Systeme mit einer wie auch immer ausgeformten personalen Führungsstruktur. Auch dies erklärt sich mit dem Begriff der »Treue«, die im Untersuchungszeitraum primär personal verstanden wurde. Treue einer Person zu schwören, schien logisch und naheliegend. An demokratisch-pluralistische Ordnungen sind »Treue« beziehungsweise Vorstellungen von »Treue« hingegen schwerer zu adaptieren als an andere Systeme. Autoritäre Herrschaft, insbesondere charismatisch verstärkt, war und ist geradezu prädestiniert, den Eid als Ritual zu nutzen. Und zwar nicht nur aufgrund der personalen Herrschaftsstruktur. Hinzu kommt, dass das dem Eid inhärente irrationale Element mit demokratischen Systemen und ihren wechselnden Regierungen, die auf nüchternen Verfassungs- und Gesetzesgrundlagen fußen, schwerer zu vereinbaren war. Dennoch wollte man in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik nicht auf die Verwendung des Eides zur Stabilisierung des politischen Systems und zur Herrschaftssicherung verzichten. Es gelang jedoch nicht, den Eid so umzuformen, dass er allein zur Stärkung einer institutionellen Treue hätte wirksam gemacht werden können. Den Eid als Ritual des Verfassungsschutzes zu etablieren, scheiterte sowohl in der Weimarer Republik als auch in der Bundesrepublik, 334

wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während die Weimarer Republik den Begriff der »Treue« erst in »Verfassungstreue« umwandelte und dann vor diesem großen Schritt zurückschreckte und bei einer unausgewogenen Interpretation ihres eigenen Verfassungseides verharrte, suchte die Bundesrepublik nicht zuletzt aufgrund vergangenheitspolitischer Argumente zumindest für die Beamten ihr Heil im gänzlichen Verzicht auf den Begriff der »Treue«. Da jedoch begrifflich und inhaltlich nichts diesen Verzicht auffing, bedeutete er eine Schwächung des Eides. Als nach dem Ende des Untersuchungszeitraums das Konzept der »Verfassungstreue« entwickelt wurde, spielte der Eid dabei bereits keine Rolle mehr. Demgegenüber gelang es der Weimarer Republik besser, die ehemals unangefochten religiöse Bindung des Eides aufzubrechen und der religiösen Formel eine »bürgerliche« Variante zur Seite zu stellen. Bei allen Problemen, die sich in Bezug auf Definitionen auch daraus ergaben, wurde der Eid in diesem Punkt an die Moderne angepasst und die Glaubensfreiheit auch für Atheisten im Eid verankert. Die Schwierigkeiten liberal-demokratischer Systeme, die individuelle Grundund Freiheitsrechte garantieren, mit dem Eid hängen auch zusammen mit dem Problem der Gewissensfreiheit. Dennoch dauerte es bis in die sechziger Jahre, bis das Recht des Staates, von seinen Bürgern einen Eid zu verlangen, der diesen im Gewissen binden sollte, ernsthaft in Frage gestellt wurde. Dies erklärt sich nicht zuletzt mit der lange Zeit üblichen Gleichsetzung von Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Vorstellung, der Gewissensfreiheit sei Genüge getan durch die Möglichkeit, eine nicht-religiöse Eidesformel zu schwören, dominierte bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Bereitschaft, das Recht des Staates auf Eidesleistung als selbstverständlich hinzunehmen, hat mit einer Staatsorientierung zu tun, die in Deutschland lange Zeit das Individuum gegenüber dem Staat als »sittlicher Person« im Sinne Hegels zurücktreten ließ und die gesellschaftliche und politische Ordnung vom Staat her dachte. Der Eid ist ein Sinnbild dieses staatszentrierten Denkens. Es ist daher kein Zufall, dass der Eid gerade in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in eine fundamentale Krise geriet und letztlich seine Bedeutung verlor. In jener Zeit fand auch das »Denken vom Staat her« sein Ende und politische und soziale Ordnungsvorstellungen pluralisierten und individualisierten sich. Der Eid als das beispielhafte Ritual für die Vorstellung, der Staat habe ein Recht auf den Gewissenszugriff bei seinen Bürgern, musste mit dem Wandel dieses Denkens in die Kritik geraten. Warum aber schwören Beamte dann heute immer noch? Diese Frage zu beantworten, führt aus der historischen Analyse hinaus, belegt aber zugleich die gegenwärtige Bedeutung des Themas. Ist der Eid gesellschaftlich und politisch so unwichtig geworden, dass der Gesetzgeber keinen Anlass sieht, ihn über die beschriebenen beamtenrechtlichen Reformen hinaus zu ändern? Handelt es sich vielleicht auch schlicht um das Beharrungsvermögen einer überkommenen Institution, noch immer Distinktionsmerkmal des Berufsbeamtentums und seiner Lobby? Nutzt der moderne, säkulare Staat still und heimlich überkommene, 335

tiefverwurzelte religiöse Traditionsbestände im eigenen Interesse? Oder ist es vielleicht so etwas wie eine »Loyalitätsreserve« der liberal-demokratischen Ordnung: die Hoffnung, mit dem Appell an individuelle Triebkräfte könne der Eid das Gewissen des Einzelnen doch so binden, dass der Staat durch eine Vereidigung ein »Mehr« an politischer Loyalität erreiche? Wenn dem so wäre, dann ragten mit dem Ritual der Vereidigung noch immer überkommene Vorstellungen politischer »Treue« in unsere Gegenwart hinein.

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Abkürzungen ABAdW Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ADAV Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein AöR Archiv des öffentlichen Rechts BArch Bundesarchiv BayVbl Bayerische Verwaltungsblätter BDM Bund Deutscher Mädel BGH Bundesgerichtshof BVerfG Bundesverfassungsgericht CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands DFP Deutsche Fortschrittspartei DKP Deutsche Kommunistische Partei DNVP Deutschnationale Volkspartei DP Deutsche Partei DVP Deutsche Volkspartei EKD Evangelische Kirche in Deutschland EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft FDJ Freie Deutsche Jugend GB / BHE Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen GG Grundgesetz HCITR Haute Comission International des Territoires Rhenans HJ Hitler-Jugend IRKO Interalliierte Rheinlandkommission KPD Kommunistische Partei Deutschlands NLP Nationalliberale Partei NSB Nationaal-Socialistischen Beweging NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei OSS Office of Strategic Services PTH Pädagogisch-technische Hochschule SBZ Sowjetische Besatzungszone SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SMAD Sowjetische Militäradministration SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SRP Sozialistische Reichspartei HStAM Staatsarchiv Marburg USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Unveröffentlichte Quellen Bundesarchiv (BArch) R 43 I / Reichskanzlei/577, 1863, 579, 2552 R 43 II / Reichskanzlei/155a, 163, 163a, 299, 419, 420a, 433, 500a, 1037 R 55 / Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda/33 R 72 / Stahlhelm / Bund der Frontsoldaten: Eidesformel Beamte / Wehrmacht/1481 R 901 / Auswärtiges Amt/55276 R 1001 / Reichskolonialamt/4996–4999, 5544, 5488, 5499 R 1401 / Reichskanzleramt/74, 75, 76 R 1501 / Reichsministerium des Innern/5438, 102165, 102338, 206127 R 3001 / Reichsjustizministerium/20251, 21067, 21073, 21518, 55418 R 3002 / Reichsgericht / PA 211, Bd. 1, 2, 4 R 3016 / Volksgerichtshof/33 R 3901 / Reichsarbeitsministerium/20509 R 4201 / Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen/114 R 5101 / Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten/22327 R 8081 / Reichsverband der höheren Verwaltungsbeamten des Reichs und der Länder/​ 15, 17 NS 6 / Parteikanzlei der NSAP/10, 98, 216, 820, NS 8 / Kanzlei Rosenberg/179 NS 19 / Persönlicher Stab Reichsführer SS/1460, 1543, 2855, 4008, 4009 NS 22 / Reichsorganisationsleiter der NSDAP/191, 192, 199 NS 31 / SS – Hauptamt/378 Z 4 / Länderrat des vereinigten Wirtschaftsgebietes/480, 504 Z 10 / Z entralhaushaltsamt für die britische Zone/57 Z 12 / Büro d. Ministerpräsidenten d. amerikanischen, britischen, franz. Besatzungsgebiets/001170 Z 21 / Z entraljustizamt für die britische Zone/270, 302 Z 31 / Leitstelle der Finanzverwaltung/218, 219 B 106 / Bundesministerium des Inneren/95934–95943 B 122 / Bundespräsidialamt/10150, 16441, 16442, B 136 / Bundeskanzleramt/492–496, 879, 5109, 15722 B 141 / Bundesministerium der Justiz/1, 2, 1487, B 144 / Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundes und der Länder/2007, 2014, BW 9 / Dienststellen zur Vorbereitung des westdeutschen Verteidigungsbeitrags/766, 1819, 1968 BW 1 / Bundesministerium der Verteidigung/13523, 66493, 65607, 8200, 313266, 402295, 65808, 49787, 66464

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RW 1 / Reichskriegsministerium/41 N 24 / Nachlass Hoßbach/120 BW 2 / Führungsstab der Bundeswehr/1147 BH 11 – II/146 / BH 11 – II/141 / BH 11 – II/141 Teil 2 / BH 7–2/916

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) PAAA Ib 003488 / Everling

Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (AbAdW) Nachlass Kurt von Fritz Kleinere Erwerbungen Bundesarchiv, Nr. 829 (abg. an Bayerische Akademie der Wissenschaften)

Staatsarchiv Marburg (HStAM) Bestand 150 / A kten des Oberpräsidiums Hessen – Nassau/1578.

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Register

Personenregister Adenauer, Konrad ​244 (FN 69), 280 Ahlmann, Nicolay ​87 Angermair, Rubert ​267 (FN 168), 271–273 Bahlmann, Kai ​302 f., 314 (FN 314) Barth, Karl ​26, 198–216 Baudissin, Wolf Graf von ​279–282, 289 (FN 244) Bauer, Fritz ​267 (FN 168), 269–271, 277 Bebel, August ​89–93 (FN 233) Beck, Ludwig ​221 (FN 303), 223 f. Bethke, Hildburg ​296, 315 Bismarck, Otto von ​52, 54 f., 87 Blomberg, Werner von ​162 f. Bülow, Bernhard von ​167 Bussche, Axel von dem ​220–222 (FN 308), 266 f. David, Eduard ​103, 105 (FN 38) Dreesbach, August ​80 Ebert, Friedrich ​26, 95, 98, 126, 132–136, 138 f., 142, 145 Ehlers, Hermann ​238  f. Einem, Karl von ​82 f., 85 Erler, Fritz ​291  f. Ernst August I. von Hannover ​38 Eulenburg, Friedrich zu ​52 Everling, Friedrich ​59, 61–67, 69, 78, ­105–108, 110, 141 f., 169 Fahrner, Rudolf ​222 Fehrenbach, Constantin ​133 Feldmann, Winfried ​198 (FN 206) Feller, Erwin ​291 Freytag, Emil Otto ​86 Friebe, Hellmuth ​267 (FN 168), 273 f., 276 (FN 199/201) Friesenhahn, Ernst ​23, 147–153, 208, ­261–264, 308, 318, 329

Fritz, Kurt von ​24, 26, 198–203, 205, 209, 211, 225 Fritze, Georg ​198 (FN 206) Gauger, Martin ​198 (FN 206) Goerdeler, Carl Friedrich ​223, 267 (FN 168) Handwerk, Siegfried ​300 Hänel, Albert von ​53 f. Hansen, Gottfried ​274 Harms, Heinrich ​207 (FN 207) Hartrodt, Georg ​160 Hasenclever, Wilhelm ​90  f. Heinemann, Gustav ​302 f., 331 Heß, Rudolf ​181 (FN 130), 182, 184–188, 214 Heye, Hellmuth ​283 f., 291 Hildebrandt, Friedrich ​202 Himmler, Heinrich ​194–197 Hindenburg, Paul von ​26, 137–146, 158, 162, 169, 197, 199, 203, 212 Hirsch, Carl ​90  f. Hirsch, Emanuel ​206 Hirschmann, Pater D. ​290 (FN 249) Hitler, Adolf ​12, 26, 155–225, 227 f., ­255–257, 260, 262 f., 266–277, 316 (FN 364), 330 Höfle, Anton ​128 (FN 140) Höhn, Reinhard ​23, 36 (FN 30) 171–178, 195 Huber, Ernst Rudolf ​173, 255 Iwand, Hans-Joachim ​271 Jellinek, Georg ​49 Jellinek, Walter ​229, 241 Kessler, Harry Graf ​133, 137 f. Kießling, Georg ​281 (FN 218) Kliesing, Georg ​284 Körner, Paul ​156  f. Kritzinger, Friedrich Wilhelm ​157

383

Krüger, Hans Andersen ​87 Künneth, Walter ​287, 290 (FN 246), 295 Kulemann, Wilhelm ​82 Laband, Paul ​49 Lammers, Hans Heinrich ​156 f., 165 Leonrod, Ludwig von ​219–221 Leseberg, Ernst Gerhard ​165 (FN 46) Lewald, Theodor ​102 f., 107 (FN 107), 138 Liebknecht, Wilhelm ​86, 88–92 Lohmann, Karl ​144 Luhmann, Niklas ​304–308, 310 f. Maltzan, Adolf von ​128 Margerie, Pierre de ​128 Mayer, Otto ​63, 113 f. Mayr-Nussr, Josef ​198 (FN 206) Menzel, Walter ​236 f., 243, 244 (FN 69), 287 (FN 236) Merten, Hans ​283, 290 Michael, Horst ​144  f. Most, Johann ​89  f. Mussert, Anton ​195 Noske, Gustav ​85 Oeser, Rudolf ​127 Papen, Franz von ​144 Podlech, Adalbert ​308–311, 316 Preuß, Hugo ​97 f., 112 Puttrich, Ludwig Emil ​86, 92 Rademacher, Franz ​202 Reichenau, Walter Graf von ​162 (FN 35) Remer, Otto Ernst ​252, 265, 268 f. Rheinisch, Franz ​198 (FN 206)

Rosenberg, Alfred ​201 Sartre, Jean-Paul ​308 Schlabrendorff, Fabian von ​316–319 Schmitt, Carl ​23, 144, 146–148, 150–153, 156 (FN 6), 173, 261 Schneider, Herbert ​283 Schulenburg, Fritz-Dietlof von der ​222 Schulenburg, Rudolf von der ​102, 108 f. Seebohm, Hans-Christoph ​244 Smend, Rudolf ​151  f. Soden, Hans von ​205, 210 f., 215 Springorum, Gustav ​126 Stauffenberg, Berthold Graf von ​222 Stauffenberg, Claus Graf von ​219–223, 271 Stein, Adolf ​134  f. Strathmann, Hermann ​316 (FN 363) Stresemann, Gustav ​128  f. Tepp, Max Ernst Paul ​115 (FN 85), 119 f. Tirard, Paul ​125 Treitschke, Heinrich von ​327 Welke, Heinz ​198 (FN 198) Wiese, Walter ​306  f. Wilhelm I., deutscher Kaiser ​53 Wilhelm II., deutscher Kaiser ​44, 77, 95–97, 106, 109, 142 (FN 203), 155, 169 (FN 65), 228 Wilhelm, Kronprinz ​142 (FN 203) Witzleben, Erwin von ​224 Wolf, Ernst ​271 Wuermeling, Franz-Josef ​237 Wulle, Reinhold ​129 Yorck von Wartenburg, Peter Graf ​221 (FN 303), 222 (FN 308)

Sachregister »131er« (Beamte) ​252–254, 261 20. Juli 1944  26, 64 (FN 101), 185, 216–225, 252, 265–278, 286, 288, 292, 316, 330 Abgeordneteneid ​25, 86–88, 90–92 Abschaffung des Eides ​30 f., 68, 71, 98, 148, 302, 316 (FN 363), 332 Adel ​43, 60, 67, 222 f., 328

384

Adenauer-Erlass ​247, 321  f. Allgemeiner Beamtenschutzbund ​237, 239 Alliierte Militärregierung ​227, 232 Angestellte ​150, 213, 231–233, 238 f., 307, 310, 313, 323 Anstellung ​9, 46, 60 f., 121, 130, 171, 231 Antisemitismus ​74–78 Arbeiterbewegung ​81  f., 84

Assertorischer Eid ​9, 16, 24, 29, 31–33, 41, 67–69, 73, 83 f., 100, 299, 311, 314–318, 327, 329 Atheisten ​18, 32 f., 70, 335 Aufklärung ​29–31, 33 f., 41, 70, 283, 287, 289, 305, 327 Ausführungsbestimmungen (Vereidigung) ​ 103 f., 131, 232 (FN 20), 236 (FN 38) Außerparlamentarische Opposition (APO) ​ 300 Auswärtiges Amt ​44, 77, 105, 128, 167, 202 Baden-Württemberg ​300, 319, 323 Bausoldaten (DDR) ​234 Bayerischer Verfassungsgerichtshof ​311–313 Beamtengesetzgebung / -recht ​16, 34 f., ­46–49, 55 f., 60, 120–122, 155–164, 170 f., 175, 208, 228- 265, 275, 282, 292 f., 300, 307, 313, 319–325, 330, 332 f., 335 Beamtenurteil (Bundesverfassungsgericht) ​ 252–265 Beamtenverhältnis ​48 f., 96, 112, 114, 155, 173, 249, 254–257, 260, 264, 307, 322 Bekennende Kirche ​204–216, 296 Besatzung ​26, 124 f., 129, 145, 227–233, 246 Besonderes Gewaltverhältnis ​47, 60, 121, 177, 250, 230 (FN 385), Bizone ​230  f. Bürgerlicher Eid ​19, 29, 32, 68, 101 f., ­148–150, 263, 275, 289, 301, 308, 331, 335 Bürgertum / Bürgerlichkeit ​36, 39, 43, 60, 62, 67, 71 f., 76, 80–86, 136, 222, 246, 263, 328 Bund höherer Verwaltungsbeamter ​100 (FN 64), 111 Bundesbeamtengesetz, ​234 f., 237 f., 240, 248 f., 252, 320 Bundesfinanzministerium ​325 Bundesgerichtshof ​253 f., 256–259, 261 Bundesjustizministerium ​314 Bundeskanzler / Bundeskanzleramt ​237, 243, 280, 282, 294 (FN 257) Bundespräsident ​243 f., 278, 302 f., 314 (FN 353), 331 Bundesrat ​82, 235, 244, 282 Bundesregierung ​235, 237, 244, 246–249, 253, 279–282, 285, 287, 291, 321 Bundestag ​235–238, 240, 244, 250, 281–285, 291 Bundesverfassungsgericht ​27, 153, ­252–265, 269 f., 272, 286, 302 (FN 295), 311, ­313–320, 324

Bundeswehr ​9, 27, 265, 273 (FN 194), 275, 296 (FN 263), 299 Charismatische Herrschaft ​145 f., 167, ­178–180, 184, 188–190, 197, 207, 214, 334 DDR ​24, 224, 233 f., 278, 292, 330, 333, Deutsche Christen ​204–206, 212–214 Deutscher Beamtenbund ​239 Deutsche Demokratische Partei (DDP) ​97, 127, 139, 152 Deutsche Fortschrittspartei (DFP) ​53 Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ​248 Deutsche Treue ​19, 115 Deutsche Volkspartei (DVP) ​103, 114, 128 Deutschnationale Volkspartei (DNVP) ​ 104–108, 129, 134, 141, 142 (FN 203), 316 (FN 363) Diensteid ​9, 12, 32, 41, 45 (FN 10), 53, 58, 79, 95, 98 f., 108, 113, 116, 118, 126, 158, 169 (FN 65), 228, 236, 239, 244, 249, 319, 323 Dienststelle Blank ​278–280, 286 Disziplinarhof Hamburg ​115–117 Disziplinarrecht / Disziplinarverfahren ​9, 16, 45–48, 53–56, 62, 67, 71 f., 115–123, 142, 171, 233, 243, 294 Disziplinierung ​9 f., 16 f., 25, 47 f., 51–57, 61, 67, 72 f., 79, 99, 110, 190, 328, 332–334 Ehre ​9, 18–21, 39, 48, 61, 65, 67, 71–73, 79–86, 106, 108 f., 178, 194, 217, 263, 266, 268, 271, 275–277, 328, 333 Ehrenrechte ​79, 81, 217 Ehrlosigkeit ​84 f., 217 f., 266 Eidbruch ​16, 27, 35, 64 (FN 101), 67, 71, 75–78, 83, 85 f., 177 f., 185, 190, 216–225, 242, 252, 265–278 Eidesentbindung ​96 f., 108 f., 206, 223 f., 227, 270 Eid / Eidesformel – Bundesbeamte ​227–241 – Bundespräsident ​243  f. – Politische Leiter NSDAP ​179–188 – Reichsbeamte Kaiserreich ​43–51 – Reichsbeamte Nationalsozialismus ​ 155–169 – Reichsbeamte Weimarer Republik ​95–102 – Reichspräsident ​99 f., 130–146, 243 – Soldaten s. Fahneneid – SS ​193–197 Eidesnot ​41, 67

385

Eidespraxis ​11, 14, 17 f., 27, 29, 31, 68, 99, 112 Eideszwang / Zwangseid ​18, 30, 67–72, 86, 100, 113, 117, 298, 302, 311, 314–321, 331 f. Eidfreier Zustand ​224 Entnazifizierung ​228, 233, 248, 252 Erster Weltkrieg ​50, 64, 79, 99, 105, 127, 198, 212, 228, 273 (FN 191), 307 Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) ​278–280 Evangelische Kirche / Protestantismus / ​ Evang.Theologie ​26, 32 (FN 18), 64, 69, 203–216, 219–221, 238, 271 f., 287, ­294–298, 301, 314 Extremistenbeschluss / Radikalenerlass ​22, 27, 321–325, 332 Fahneneid ​11, 15 f., 23 f., 57, 64 f., 130 f., 140, 162–164, 190, 193, 198 (FN 206), 216–225, 271–275, 277–286, 288, 290–292, 295 Freie Demokratische Partei (FDP) ​237–239, 284 Freiheitlich-demokratische Grundordnung ​ 237, 241, 243–250, 291, 310, 322 Freiwilligengesetz ​280  f. Freiwilligkeit des Eides ​20, 35, 41, 59 (FN 70), 61 f., 72, 173, 178–181, 185, 190, 196, 279 Führereid ​20, 26, 146, 162–179, 205, ­211–213, 218, 220–225, 230, 238, 240, 251–277, 286, 288, 291 f., 295, 330 f. Führer-Gefolgschafts-Verhältnis ​162, ­172–174, 177–179, 263, 330 Fürstendiener ​36 Fürsorgepflicht / A limentation ​16, 48 Gehorsam ​12, 15, 34, 46, 49 f., 52, 54 f., 59 (FN 70), 62–65, 163–169, 172–175, 178, 184–198, 200, 203–206, 208, 210–216, 219, 223 f., 227–230, 235, 265–277, 281, 288, 290, 295, 298, 307, 330 Gelöbnis ​190 f., 222, 231 f., 236–238, 284 f., 292, 296, 299–301, 303, 307, 323, 331 Generation ​123, 293, 298, 301, 327, 331 Gewährbietungsformel ​156, 229, 246, 249, 322 Gewissen ​9 f., 13, 27, 30, 48 f., 56, 102, 181, 194 f., 197, 272 f., 275 f., 286, 299, ­303–320, 332 f. Gewissensbindung ​9–12, 16, 18 f., 27, 34–36, 46, 64 f., 78, 99, 143 f., 167, 170, 180 f., 184, 190, 194, 210, 222, 225, 242,

386

265 f., ­276–278, 281, 283, 285, 294, 299 f., ­308–311, 329, 336 Gewissensfreiheit ​13, 19, 23, 30–33, 68, 71 f., 98, 105, 115–119, 199 f., 209, 289–292, 303–320, 325, 331, 335 Gewissenskonflikt ​63, 104, 108–113, 115–119, 208–210, 219 f., 224, 238, 240 f., 266–268, 274, 284, 298 Glaubensfreiheit ​19, 305, 309, 312 f., 315, 317, 335 Göttinger Sieben ​38  f. Gotteslästerung ​68, 71, 206 Grenzpolizei (DDR) ​234 Grundgesetz ​12, 232, 235–238, 243–247, 253, 283, 285, 290 f., 300, 302, 312, 315, 323, 331 Grundrechte ​19, 27, 32 (FN 18), 33, 56, 109 f., 119, 157, 246 f., 250, 253, 303, 306, 309, 313–315, 319 f., 331 Hamburg ​322, 79 (FN 182), 115–117 Hannoversche Verfassung (1833) ​37 (FN 38), 38 f. Hannoverscher Verfassungskonflikt (1837) ​ 38 Hansen-Formel ​274 Hauptorganisationsamt NSDAP ​182 Heiligkeit des Eides ​10, 30 f., 67–70, 76–78, 90, 102, 161, 164, 189, 219, 237, 268, 272, 275 f., 283, 286 f., 307, 318 Herrenchiemsee (Verfassungskonvent ​1948) 232, 243 f. Hessische Verfassung (1946) ​22 (FN 9), 241 f. Himmeroder Denkschrift ​278 Hitler-Jugend (HJ) ​188–193 Höheres Beamtentum ​15, 56, 59–61, 64, 67, 69, 78 f., 95 f., 101–104, 110 f., 126, 151, 160, 167, 239, 293 f. Identität / Identitätsstiftung ​25, 73, 130, 134 Individualisierung ​10, 13, 101, 294, 312, 325, 331, 334 f. Initiationsritual ​60, 174, 191 f., 239, 256 Institut für Demoskopie Allensbach ​301 Interalliierte Rheinlandkommission ​124  f. Integrationslehre ​151  f. Inszenierung ​14, 17, 22, 24, 26, 130–138, 143, 145, 179–197, 234, 258, 330 Judeneid ​17, 23, 70, 73–78, 81 Jüdische Beamte ​76–78, 164 f.

Jugendweihe (DDR) ​234 Justizdienst ​77, 227 f., 230 (FN 13), 321

Moraltheologie ​219 f., 271–273, 286 Mythos ​137, 142, 308 f.

Kameradschaft ​183, 192  f. Kapp-Lüttwitz-Putsch ​96, 120, 165 Katholische Kirche / Katholizismus / Kath. Theologie ​32 (FN 18), 64, 147 f., 219–221, 271–273, 286 f., 287, 290, 295, 298, 301 Kol-Nidre-Gebet ​76 Kommunismus / Kommunisten ​135, 137, 143, 247–249, 321 Konfirmation ​192 Konservatismus ​26, 29, 36 f., 39, 52 f., 56, 59–68, 76–78, 82 f., 90, 95 f., 101 f., 104, 106–110, 115, 123, 134 f., 138–147, 150 f., 160 f., 166–168, 170, 172 f., 178, 211, ­220–225, 236, 239, 244, 283 f., 287, 316 f., 327 f. Konstitutionalismus ​22 (FN 48), 24 f., 29, 35–40, 158, 166, 179, 327 Konstitutionelle Monarchie ​59, 106, 118, 122, 173, 260 Kontinuitätsthese ​253 f., 257, 259 f., 264, 270 Koreakrieg ​247, 278

Naturrecht ​253, 287, 312 Neuvereidigung ​12, 16 f., 26 f., 45, 99, 104, 112, 130, 162–164, 167, 198 f., 205, 218, 262 Nordrhein-Westfalen ​240 f., 244 (FN 69) NSDAP ​23 (FN 59), 153, 161, 168, 175, 177, 180–193, 206, 255–257 Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess ​ 265 Nationale Volksarmee (NVA) ​25 (FN 67), 234

Lebenszeitprinzip ​16, 48 Lehnswesen ​9, 34, 66 Liberalismus ​11, 24, 29 f., 33, 35–38, 40 f., 43, 52–54, 68, 76, 133 f., 141, 152, 158, 176, 327 f., 335 f. Liturgie ​61, 186  f. Loyalität ​11–16, 20 f., 31, 34 f., 51–56, 61, 72, 89, 99, 104, 112, 119, 122–127, 145, 147, 130, 207 f., 215, 242, 275, 277, 280, 286, 289 f., 297, 300, 311–314, 320 f., 323, 325, 332–336 Machtergreifung ​153, 155 f., 161, 161, 171 Männerbund ​60, 174, 183, 193 Meineid ​17, 25, 41, 46, 67 f., 72–86, 110, 142 (FN 203) Mentalreservation / Reservatio mentalis ​206, 220, 259 Meinungsfreiheit ​35, 52, 107, 117, 119 Mennoniten ​44 (FN 4), 310 Militärgeistliche / Militärpfarrer ​64, 296 Militärkultur ​64 f., 15, 223, 273, 280 Moral ​11, 13, 18, 21, 23, 30, 39, 48–50, 54, 56, 65, 75, 81 f., 86, 109, 147, 158, 168–172, 178, 194–197, 266–276, 288, 294, 305, 309, 328, 330, 333

Obrigkeit / Obrigkeitsstaat ​47, 144, 205, 210, 214–16, 219, 233, 294–298, 302 f., 307, 321, 331 f. Öffentlicher Dienst ​169, 177, 277, 231–233, 241, 244, 247 f., 255, 293, 310, 313, 321– 324, 330 Parlamentarischer Rat ​231 f., 239, 244 Passiver Widerstand ​125–128 Paulskirche / Frankfurter Nationalversammlung (1848) ​32 f., 37, 40, 69, 77, 101 Pensionsansprüche ​111 Personalämter ​231  f. Personaler Eid ​11 f., 20, 34, 36, 59, 66, 95 f., 103, 106, 108 f., 123, 150, 155, 162–179, 196, 199, 200, 209, 211, 251, 255 f., 260, 284, 328–330 Personalpolitik ​45, 60 f., 95 f., 240, 244 Pluralisierung ​35, 294, 318, 325, 332, 334 f. Politische Beamte ​53 f., 95 (FN 3), 107, 111 Politische Betätigung von Beamten ​39 f., 43, 56, 62, 168, 231, 247, 321, 328 Politische Leiter NSDAP ​180–188 Politische Religion ​180, 185–187 Polykratie ​168 Positivismus ​48–51, 57, 62, 259, 112, 147 f., 152, 171 f., 259, 275, 307, 328 Preußen – Abgeordnetenhaus ​52, 87 – Herrenhaus ​108 – Justizministerium ​101  f. – Kriegsministerium ​101 – Ministerium des Innern ​101 – Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung ​101 – Oberverwaltungsgericht ​117 (FN  90), 118, 169 (FN 65) – Staatsministerium ​53, 156  f.

387

– Staatsrat ​156  f. – Verfassung ​1848/50 40 Promissorischer Eid ​9, 29, 31–35, 41, 67–73, 83 f., 86, 99, 128, 147 f., 221, 242, 275, 296, 310 f., 314, 319 f., 323, 327, 329 Propaganda ​18, 22, 27, 75 f., 78, 90, 126, 131, 180, 182–184, 186, 190, 192, 218, 266, 268 Rechtsausschuss für Beamtenrecht (Bundestag) ​235–239, 246 f., 282 Rechtswissenschaft ​24–26, 97 (FN 14), 147, 171, 254, 256, 259, 304, 306–308, 317 Rechristianisierung ​287 Referendare / Referendariat ​59 f., 300, 319 Reichsamt des Innern ​44 Reichsarbeitsministerium ​101, 160 Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ​143 Reichsdisziplinarkammer ​117, 119 Reichskanzlei ​156  f., 160 Reichskanzleramt ​44 Reichsfinanzministerium ​104 Reichsinnenministerium ​101–103, 121, 131, 159, 163 Reichsjustizministerium ​101  f. Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Unterricht ​201 Reichsparteitage (NSDAP) ​181, 187, 189, 193 Reichspräsident ​26, 98–100, 126 f., 130–146, 162, 169, 243 Reichsregierung ​98 f., 104 f., 107 f., 111, 117, 119 f., 122, 127–130, 149, 151 Reichstag ​18, 53, 56, 74, 82, 84–86, 89, 106 f., 119 (FN 101), 120 f., 129, 137 f., 141, 143 f., 146, 316 (FN 363) Reichswehr ​131, 162  f. Religionsfreiheit ​32  f., 68 Religiöse Eidesformel ​32, 70, 99–102, 148, 159–161, 211, 244, 301, 303 Remer-Prozess ​27, 252, 265–278, 286 Revolution – 1848 ​38–41, 133, 137 – 1918/19 ​79, 93, 108–110, 112, 123, 132, 155 Rheinland-Besetzung ​124–130 Rheinland-Pfalz ​323 Ritual ​9–11, 14, 18–20, 27, 29, 32–35, 41, 43, 46, 51, 55, 57, 60, 65, 68, 70–74, 78, 83 f., 86, 88–92, 99, 112, 123, 130–132, 143f, 320 f., 156, 170 f., 174, 178–192, 22–225, 239, 256, 279, 285 f., 288–295, 297, ­299–303, 305–311, 325–336 Ruhrstreik / Ruhrkampf ​26, 124–127

388

Saarland ​124, 127 (FN 135) SA (Sturmabteilung) ​153, 163 Sachsenspiegel ​74 Sakralsprache ​186 Sakrament ​10, 29, 77, 100, 187, 309, 318, 332 Sächsischer Landtag ​86, 88 f., 91 f. Säkulare Eidesformel ​18 f., 26, 99–102, 148, 159–161, 236, 244 (FN 69), 275, 288, 298, 301, 303, 307–315, 335 Säkularer Staat ​18 f., 68, 72, 84, 148, 161, 290, 335 Säkularisierung ​10, 29 f., 34, 101, 288, 294, 325 Schwurgesten ​69  f. Schwurverbot ​32, 44 (FN 4), 163, (FN 41), 296, 312, 315 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ​24, 233 Selbstverständnis Beamtentum ​17, 22, 35, 41, 50, 57, 60, 67, 72, 95, 106, 109, 122 f., 231, 293, 328 Separatismus (Rheinland) ​126  f. Soldatentum ​183, 194 Soldatengesetz ​279–285, 291 Soldatenverbände ​274 Souveränität ​114, 124, 127–129, 138, 145, 211, 29, Sowjetische Besatzungszone (SBZ) ​229, 232, 330 Sowjetische Militäradministration (SMAD) ​ 229, 233 Sozialdemokratie / SPD ​79–93, 97, 99–101, 103, 110, 119 (FN 101), 120, 135, 204, 207, 233, 235–237, 239, 242 f., 247, 283, 287, 290–292, 302, 321, 323 Sozialistengesetz ​79, 86–93 Sozialisation ​216, 222 f., 330 Sozialistische Reichspartei (SRP) ​248, 269 Sozialstruktur des Beamtentums ​43, 45, 56, 60 f., 96, 160, 293, Soziologie ​58, 160, 304–306 SS (Schutzstaffel) ​23 (FN 59), 163, 170, 174, 189, 193–197, 251 (FN 97) Staatsbürgerliche Pflichten ​13, 19, 92, 290, 309, 311, 313, 317 f., 332, Staatsdiener ​9, 11, 16, 27, 34–36, 43 f., 50, 114, 155, 212, 227, 231, 233, 280, 284, 290, 306, 313, 327 f. Staatskirchentum ​213 Staatsstreich ​27, 72, 216 f., 222 (FN 306), 224, 266, 268 (FN 170)

Staatstreue ​43, 61, 95 f., 167, 210, 215, 260, 335 Staats- und Verwaltungsrecht ​46–48, 58, 62, 119, 169–179, 218, 223, 254–265, 269 f., 277, 280–286, 291 f., 311–316 Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft ​ 14, 26, 48–51, 61 f., 66, 113, 119, 146–153, 166, 169–179, 250, 254–265, 277, 306–311, 316–318, 328 Staatsverständnis ​14, 21, 48, 50, 215, 311 f., 333 Status confessionis ​210 Strafgesetzbuch / Strafrecht ​46, 75, 79, 81, 177 f., 242, 316, 320 (FN 385) Summepiskopat ​212 Suspensionstheorie ​253 Tortura spiritualis ​30 Treue – institutionelle ​20, 54, 95, 245, 306 f., 324, 328 f., 331 f., 334 – personale ​20, 51, 54, 59, 62 f., 106, 114 f., 118, 122 f., 143, 146, 150, 153, 162–179, 184, 251, 255 f., 260, 263, 284, 306, 328–330 Treulosigkeit / Untreue ​67, 75, 78, 110, 194 f., 197 (FN 204), 217, 263 Treuepflicht ​16 f., 22, 25, 27, 35, 39 f., 46–58, 60–62, 65, 113, 118, 123, 156, 178, 200 f., 207, 229, 233, 242, 244–252, 259, 263, 290, 304, 306 f., 318, 321–325, 328, 330, 332 Treuepflicht-Modell / Gesetzlichkeits-Modell ​ 122 f., 249, 289, 330, 332 Tyrannenmord ​216, 220 f., 224, 271 Überkonfessionelle Eidesformel ​69  f., 78, 101 Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ​120 (FN 108), 136 Unrechtsstaat ​159, 241, 268 f., 277 USA ​228 (FN 6), 230–232 Vereidigungszeremonien ​130–136, 179–197 Vereinigung der Deutschen Staatsrechts­ lehrer ​262 f., 307 (FN 324) Verfassung des Deutschen Reiches ​1871 11, 44, 51, 86 Verfassungsbeobachtung ​11, 39, 44, 46, 54, 58, 87, 103–115, 117–119, 122, 141, 146, 149, 157, 159, 245 (FN 74), 246

Verfassungsbeschwerde ​312–314, 320 (FN 385) Verfassungseid ​20, 24, 25 f., 29, 35–41, 43, 51, 58, 89, 92, 96–125, 130 f., 134, 139, 141, 146, 151 f., 155–159, 161, 164 f., 235, 284, 329, 335 Verfassungseid der Soldaten ​11, 23, 36, 98, 288 Verfassungsfeiern / Verfassungstag ​132, 137, 142 f., 145 Verfassungsfeindlichkeit ​117, 242, 248, 321–324 Verfassungspatriotismus ​134, 137, 332 Verfassungstreue ​26, 36, 113–115, 118, 145, 151, 153, 244–247, 250, 289, 312 f., ­322–324, 332, 335 Verfassungsschutz ​22, 36–40, 43, 142, ­241–252, 322–324, 327, 329, 306, 331 f., 334 Verfassungswidrigkeit ​109, 144, 150, 241, 312, 319 Vergangenheitspolitik ​27, 217, 221, 237, ­251–278, 281, 283, 286, 292, 331, 335 Verrat ​75, 83–85, 89 f., 135, 178, 217 f., 266, 268–272, 275, 277 Verrechtlichung ​10, 13, 242, 249, 324 f. Versicherung / Verpflichtung an Eidesstatt ​ 71, 97, 128 f., 189, 191–193, 232, 234, ­278–282, 285, 298, 303, 306 f., 310, 323 Versorgungssicherheit ​197 Verteidigungsausschuss des Bundestags ​ 281–284, 291 Vertrauen ​21, 58, 73 f., 76, 99 Volksgerichtshof ​217  f., 271 »Volksgemeinschaft« ​12, 26, 114, 158 f., ­172–180, 187, 190, 192, 196, 209, 213, 238, 263 Volkssturm ​190 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags ​283, 299 (FN 280) Wehrhafte Demokratie ​241 Wehrmacht ​26, 155, 159, 162 f., 173, 190, 193, 217 f., 224, 269, 273 Wehrpflich t / Wehrpflichtige ​65, 284 f., 299, 331 Weimarer Nationalversammlung ​97–100, 107, 119, 133–135, 328 Weimarer Reichsverfassung ​11 f., 97 (FN 14), 98, 100, 103, 105, 108, 114, ­116–118, 121 f., 132–134, 136, 138 f., 143 f., 146, 148–152, 155–159, 165 f., 244, 270, 312

389

Weltanschauungsrecht ​157, 169–179 Weltwirtschaftskrise ​143, 145 Widerstand ​26, 197–225, 241 f., 251 f., ­265–277, 287, 292, 307, 316 Widerstandsrecht ​64, 219 f., 267, 270 f., 290 Wiederbewaffnung ​273  f., 286 Wissenschaftsfreiheit ​199, 201

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Zentrum (Partei) ​98, 128 (FN 140), 133, 135, 153 Zeugeneid s. assertorischer Eid Zeugen Jehovas ​198 (FN 206) Zweiter Weltkrieg ​20, 22, 26, 197, 221, 241, 262, 265, 273 (FN 191), 295, 316 (FN 363), 326