Humanistennamen: Entstehung, Struktur und Verbreitung latinisierter und gräzisierter Familiennamen 9783110744378, 9783110744347

Large numbers of humanist names – Latinized or Grecized surnames – have been preserved in various linguistic areas. This

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German Pages 304 [306] Year 2021

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Humanistennamen: Entstehung, Struktur und Verbreitung latinisierter und gräzisierter Familiennamen
 9783110744378, 9783110744347

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Daniel Kroiß Humanistennamen

Lingua Academica Beiträge zur Erforschung historischer Gelehrtenund Wissenschaftssprachen

Herausgegeben von Wolf Peter Klein, Michael Prinz und Jürgen Schiewe Wissenschaftlicher Beirat †Ulrich Ammon (Duisburg-Essen), Marian Füssel (Göttingen), Daniel Fulda (Halle), Michael D. Gordin (Princeton), Mechthild Habermann (Erlangen), Marion Gindhart (Mainz), Thomas Gloning (Gießen), Angelika Linke (Zürich/ Linköping), Leo Kretzenbacher (Melbourne), Uwe Pörksen (Freiburg), Ulrich Johannes Schneider (Leipzig), Matthias Schulz (Würzburg), Dirk Werle (Heidelberg)

Band 6

Daniel Kroiß

Humanistennamen

Entstehung, Struktur und Verbreitung latinisierter und gräzisierter Familiennamen

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 05 – Philosophie und Philologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2021 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.

ISBN 978-3-11-074434-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-074437-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-074441-5 ISSN 2569-9903 Library of Congress Control Number: 2021944252 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Danksagung Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um eine leicht überarbeitete Fassung meiner 2021 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereichten Dissertation. Angeregt wurde sie durch meine Erstbetreuerin Damaris Nübling, die während meiner Mitarbeit am Projekt Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD) meine Begeisterung für die Besonderheiten der Namengebung im Humanismus und deren Spuren in den heutigen Familiennamen weckte. Für ihre Betreuung, kritischen Kommentare und unzähligen hilfreichen Hinweise gilt ihr mein besonderer Dank. Ebenso danke ich meiner Zweitbetreuerin Jessica Nowak, die insbesondere das griechische Element der Humanistennamen ein ums andere Mal ins richtige Licht rückte. In den vergangenen Jahren wurden meine Überlegungen und deren Umsetzung von zahlreichen weiteren Menschen begleitet. Vieles in dieser Arbeit sähe sonst anders aus oder würde ganz fehlen. Ein besonderer Dank gilt hierfür meinen langjährigen Kolleginnen und Kollegen beim DFD: Rita Heuser, Mirjam Schmuck, Christiane Schiller, Andrea Scheller, Kathrin Dräger, Mehmet Aydin und Julia Griebel. Für zahlreiche Diskussionen, Hinweise, das Bereitstellen von Literatur und das Korrekturlesen von Teilen der Arbeit danke ich Lotte Kosthorst, Andreas Klein, Lena Späth und Andreas Vogel, für entscheidende Impulse in der Anfangsphase Michael Matheus, für eine Verfeinerung mehrerer Übersetzungen Daniel Groß. Eine visuelle Bereicherung dieses Buches sind die im Rahmen des DFD entwickelten historischen Karten. Für deren Bereitstellung und Anpassung an meine Wünsche danke ich Beate Thull. Mit Verbreitungskarten des niederländischen Sprachraums versorgte mich Ann Marynissen. Weitere technische Unterstützung erhielt ich von Jörg Hambuch und Amaru Flores Flores. Den Herausgebern Michael Prinz, Wolf Peter Klein und Jürgen Schiewe danke ich für die Aufnahme in diese Reihe, Carolin Eckardt, Albina Töws und Gabriele Rus vom Verlag für die gute Zusammenarbeit. Nicht zuletzt gilt mein Dank meiner Familie, besonders meinen Eltern sowie Anna-Lisa und Mathis. Ohne ihren Rückhalt über Jahre und die eine oder andere willkommene Ablenkung wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Mainz, im Juli 2021 Daniel Kroiß

https://doi.org/10.1515/9783110744378-201

Inhalt 1  1.1  1.2  1.3  1.4 

Einleitung|1  Zielsetzung und Untersuchungsgegenstand|1  Terminologie|3  Forschungsstand|7  Datenbanken und Kartierungsprogramme|11 

2  2.1  2.2 

Personennamen in Antike und Mittelalter|14  Personennamen in der römischen Antike|14  Beinamen in mittelalterlichen Urkunden|17 

3  Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen|26  3.1  Humanismus und Humanisten|26  3.2  Entstehung und Etablierung von Humanistennamen|29  3.2.1  Die Entstehung von Humanistennamen|29  3.2.2  Das Dreinamensystem der Humanisten|40  3.2.3  Humanistennamen als Teil der Identität|44  3.2.4  Das Ende der Neubildung von Humanistennamen|51  3.3  Humanistennamen an Universitäten|54  3.3.1  Humanisten und Universitäten|54  3.3.2  Matrikelbücher als Quelle für die Onomastik|56  3.3.3  Zusammenstellung des Matrikelkorpus|58  3.3.4  Substitutionen im Matrikelkorpus|63  3.3.4.1  Latinisierung Faber|64  3.3.4.2  Latinisierungen Pistor, Praetor, Sartor, Sutor und Textor|68  3.3.4.3  Latinisierungen Molitor und Piscator|72  3.3.4.4  Gräzisierungen mit -ander (Komander, Neander, Xylander)|75  3.3.5  Suffigierungen im Matrikelkorpus|81  3.3.5.1  Latinisierungen auf -mannus und -manni|81  3.3.5.2  Suffigierungen nativer FamN mit -ius|83  3.3.5.3  Patronymische Genitive auf -i|89  3.3.6  Zusammenfassung|92  3.4  Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken|95  4  Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen|105  4.1  Suffixe|107  4.1.1  Flexionssuffixe|109  4.1.1.1  -us|110 

VIII | Inhalt 4.1.1.2  4.1.1.3  4.1.1.4  4.1.2  4.1.2.1  4.1.2.2  4.1.2.3  4.1.3  4.2  4.2.1  4.2.2  4.2.3  4.2.4  4.2.5  4.2.6  4.2.7  4.2.8  4.2.9  4.3  4.4  4.4.1  4.4.2  4.5  5  5.1  5.1.1  5.1.2  5.1.3  5.1.4  5.1.5  5.1.6  5.1.7  5.2  5.2.1  5.2.2  5.2.3  5.2.4 

-i|117  -is|123  -ae|125  Derivationssuffixe|127  -ius|127  -aeus, -äus, -eus|136  -ides|141  Suffixe an gräzisierten und hebraisierten Familiennamen|145  Substitution|148  Berufsnamen auf -tor|151  Berufsnamen auf -arius|153  Berufsnamen und Übernamen auf -a|155  Wohnstätten- und Herkunftsnamen auf -anus|156  Diminutive|158  Hyperlatinisierungen|159  Gräzisierungen mit -ander|163  Neologismen|168  Homonymien|171  Adaption und metaphorischer Gebrauch antiker Personennamen|172  Graphematik|176  Anpassung an die lateinische Orthographie|177  Transliteration aus dem Griechischen|181  Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen|182  Verbreitung von Humanistennamen|190  Verbreitungskarten|192  Suffigierungen auf -ius|192  Lateinische Genitive auf -i|200  Patronyme auf -ides|203  Substituierte Berufsnamen|208  Wohnstättennamen auf -anus|214  Hyperlatinisierungen|217  Gräzisierungen auf -ander|220  Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete|225  „Nordwesteuropa“|225  Das Rhein-Maas-Gebiet|228  Der ostmitteldeutsche Raum|230  Oberschlesien|231 

Inhalt | IX



Fazit|233 

Quellen- und Literaturverzeichnis|239  Verzeichnis der Matrikeleditionen|253  Anhang 1: Namenbuch|257  Abkürzungen|258  Symbole|259  1. Substitutionen|259  1.1. Latinisierungen|259  1.2. Gräzisierungen|275  1.3. Hebraisierungen|279  2. Pseudo-Substitutionen|280  3. Wortverzeichnis|281  3.1. Latein|281  3.2. Griechisch|283  3.3. Hebräisch|284  Anhang 2: Übersicht zu den Matrikelbüchern|285  Familiennamen- und Personenregister|287 

1 Einleitung 1.1 Zielsetzung und Untersuchungsgegenstand Mit dem Aufleben humanistischer Bildungsideale und deren Ausrichtung an der römischen und griechischen Antike entstand im 15. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen auch das Bestreben, den eigenen Namen den klassischen Sprachen anzupassen, Rufnamen (RufN) und Familiennamen (FamN) also zu latinisieren bzw. zu gräzisieren. Diese ursprünglich von den Akademien in Italien ausgehende Praxis der Namenveränderung erfreute sich bald großer Beliebtheit unter den Vertretern des Humanismus nördlich der Alpen und breitete sich weiter aus. Insbesondere an den Universitäten im Heiligen Römischen Reich und in den angrenzenden Gebieten wurden Personennamen (PersN) latinisiert und gräzisiert. FamN konnten schließlich in dieser Form fixiert und vererbt werden. So sind z. B. Faber (zu lat. faber ‘Schmied’ für FamN wie Schmidt) oder Petri (lateinischer Genitiv zu Petrus für FamN wie Peters) heute u. a. in Deutschland frequente FamN. Diese im Humanismus und in dessen bildungsgeschichtlicher Tradition entstandenen sogenannten Humanistennamen (HumanistenN) stellen in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall innerhalb des FamN-Inventars dar: Zum einen verwendeten die Namenschöpfer und -träger1 bewusst fremdsprachige Lexik und Morphologie. Zum anderen entstanden HumanistenN in vielen Regionen erst, als erbliche FamN bereits weit verbreitet waren. Es handelt sich hier also um Transformationen dieser etablierten FamN, womit HumanistenN eine jüngere Namenschicht darstellen. Sie entstanden nicht mit dem Ziel der eindeutigen Referenz auf eine Person, wie dies bei den aus Beinamen (BeiN) entstandenen FamN der Fall ist, denn durch die Kombination aus RufN und FamN war diese Referenz bereits weitgehend gewährleistet. Vielmehr entstanden sie in einem gezielten – selbst- oder fremdgesteuerten – Umbenennungsprozess: Sie wurden gebildet, um einer Person, die bereits einen Namen hatte, einen der Bildungswelt als angemessener empfundenen neuen Namen zu verleihen. HumanistenN

|| 1 Bei den ersten Namenträgern, die HumanistenN bildeten und verwendeten, handelt es sich zunächst ausschließlich um Männer, weshalb im Folgenden bei historischen Betrachtungen die maskuline Form verwendet wird. https://doi.org/10.1515/9783110744378-001

2 | Einleitung

dienten auf diese Weise einer gelehrten Identitätsbildung und waren damit Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsgruppe.2 Dem Thema HumanistenN widmen sich fast alle größeren FamN-Bücher (z. B. Kohlheim & Kohlheim 22005: 17f; Gottschald 62006: 61–63) sowie auch das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands3 und der Deutsche Familiennamenatlas (Bochenek 2012: 732–7854). Intensiver beschäftigen sich damit insbesondere Bergerhoff (1918), Melchers (1960/61, 1961, 1963, 1965) und Rentenaar (1995, 2002, 2003), zuletzt auch Müller (2018). Doch bieten die meisten der genannten Werke eher eine allgemeine Einführung oder sie konzentrieren sich auf bekannte historische Einzelbeispiele. Es fehlt bislang an in die Tiefe gehenden Analysen zur Entstehung und weiteren Entwicklung von HumanistenN, der Übergang von individuellen Namen einzelner Gelehrter zu erblichen FamN ist noch wenig erforscht. Auch die internationale Dimension des Phänomens ist zwar bekannt (vgl. Rentenaar 2002), doch beschränken sich die einzelnen Untersuchungen in der Regel weitgehend auf einen einzelnen Staat. Insbesondere skandinavische und luxemburgische FamN finden in der Forschung zu HumanistenN bislang noch wenig Erwähnung, obwohl hier andere Grundvoraussetzungen herrschen als in den meisten übrigen Gebieten.5 Die vorliegende Arbeit untersucht HumanistenN in den Gebieten, in denen sie frequent und autochthon sind. Zu FamN konnten sie sich insbesondere in der Germania entwickeln (Deutschland, Niederlande, Luxemburg und Schweden, mit geringerer Dichte auch in Belgien, Dänemark und Norwegen6). Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt insgesamt auf dem deutschen und niederländischen Sprachraum. Zunächst wird die kulturgeschichtliche Entwicklung der lateinischen PersN in der Antike nachgezeichnet (Kap. 2.1), an die sich die Latinisierung von PersN

|| 2 In Friesland und Skandinavien, wo HumanistenN ebenfalls sehr frequent sind, entstanden FamN jedoch erst wesentlich später, sodass hier auch direkte Bildungen von latinisierten und gräzisierten FamN möglich sind. 3 URL zur Thematischen Information zu Humanistennamen: http://www.namenforschung.net/ id/thema/14/1, Aufrufdatum: 30.06.2021. 4 Abweichend von den Referenzen auf die übrigen DFA-Kapitel, die jeweils unter den Namen der HerausgeberInnen als Kunze & Nübling angegeben werden, wird auf die für diese Arbeit zentralen Kapitel zu Latinisierungen im Folgenden durch Angabe des Bearbeiters verwiesen. 5 In Skandinavien entstanden FamN für die Mehrheit der Bevölkerung erst wesentlich später als in den meisten anderen Gebieten Europas, Luxemburg ist katholisch geprägt (HumanistenN werden in der Forschung v. a. protestantischen Gebieten zugeschrieben, vgl. Bergerhoff 1918: 25, 29–31). 6 In Österreich und der Schweiz setzten sich HumanistenN hingegen kaum durch.

Terminologie | 3

im Mittelalter (Kap. 2.2) und schließlich die Namengebung im Humanismus anschließt (Kap. 3). Dabei werden zunächst dessen Grundlagen als Bildungsepoche umrissen (Kap. 3.1). Mit der Entstehung von HumanistenN sowie den soziologischen Aspekten der Umbenennung und deren Zielen beschäftigt sich Kap. 3.2. Die zu verschiedenen Zeiten präferierten Bildungsweisen werden anschließend empirisch anhand von Matrikeldaten aus den Jahren 1450 bis 1700 ermittelt (Kap. 3.3). Mit normativen Hilfestellungen zur Latinisierung von FamN befasst sich Kap. 3.4. Nach diesem Überblick über historische Aspekte zur Entstehung von HumanistenN wird in Kap. 4 die Struktur verschiedener Typen rezent vorkommender latinisierter und gräzisierter FamN in Deutschland analysiert, wobei HumanistenN aus den Niederlanden, in einigen Fällen auch aus Belgien, Luxemburg und Schweden mit einbezogen werden. Besonders relevante morphologische, phonologische, prosodische und graphematische Aspekte werden dabei gesondert untersucht, etwa die verschiedenen für die Namenbildung verwendeten Suffixe (Kap. 4.1), Typen von Substitutionen (Kap. 4.2) oder die Varianz der Schreibung (Kap. 4.4) und Flexion (Kap. 4.5) von HumanistenN. Hieran schließt sich ein Kartenteil an (Kap. 5.1), der die rezente Verbreitung ausgewählter HumanistenN in Deutschland, den Niederlanden und der belgischen Region Flandern visualisiert und aus den gewonnenen Erkenntnissen großräumige Verbreitungsgebiete generiert (Kap. 5.2). Das Fazit (Kap. 6) fasst die wesentlichen Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen zusammen. Einen Überblick über die internationale Verbreitung und Etymologie ausgewählter HumanistenN im gesamten Untersuchungsgebiet bietet das beigefügte Namenbuch (Anhang 1).

1.2 Terminologie Als HumanistenN werden in der vorliegenden Arbeit alle FamN bezeichnet, die lateinische, griechische,7 sehr selten auch hebräische8 Elemente enthalten und im Zuge der humanistischen Bildungsströmungen in Europa am Übergang des Mittelalters zur frühen Neuzeit bzw. in deren Tradition entstanden sind (zu den Begriffen Humanismus und Humanist s. Kap. 3.1). Einige Typen von Latini|| 7 Die Sprachangabe griechisch (griech.) wird im Folgenden synonym zu altgriechisch verwendet. Die moderne griechische Sprache wird hingegen als neugriechisch bezeichnet. 8 Da die Hebraisierung von FamN sehr selten ist (vgl. Namenbuch, Anhang 1; für Hebraisierungen, die nur historisch nachweisbar sind, s. Olsson 1946: 6–8), werden Hebraisierungen im Folgenden meist nicht mitgenannt, sie sind jedoch konzeptuell mitgemeint.

4 | Einleitung

sierungen finden sich auch bereits in der mittelalterlichen (mittellateinischen) Urkundensprache. Da es hier historisch zu zahlreichen Überschneidungen kommt (auch Humanisten wählten mitunter Latinisierungen, die in mittellateinischen Urkunden verwendet wurden), werden diese ebenfalls unter den Terminus HumanistenN gefasst (zu einer Ausdifferenzierung vgl. Kap. 2.2 und 3.3).9 Als Basis für HumanistenN diente meist der native FamN, in einigen Fällen liegen auch biographische Bezüge vor (z. B. zum Herkunftsort10). Der Begriff HumanistenN kann dabei sowohl den FamN einer konkreten historischen, den Renaissance-Humanismus vertretenden Person meinen (z. B. den des Humanisten Rudolf Agricola, 1444–1485) als auch einen rezent belegten FamN (z. B. den FamN Agricola), der historisch auf diese Epoche zurückgeht. So ist etwa Melanchthon, der gräzisierte FamN des Humanisten Philipp Melanchthon, ein HumanistenN, obwohl er rezent nicht mehr als FamN bezeugt ist. Ebenso werden aber auch rezent vorhandene latinisierte und gräzisierte FamN wie Xenodochius, bei denen kein bekannter Namenträger aus dem Humanismus greifbar ist, als HumanistenN angesehen. Wo es zur Unterscheidung notwendig ist, kann für rezente HumanistenN synonym der Begriff humanistischer Familienname verwendet werden (s. hierzu Rentenaar 2003: 85). Als HumanistenN werden diese FamN v. a. in der deutschen Forschungstradition bezeichnet, während sie in anderen Sprachen häufig als gelehrte Familiennamen Erwähnung finden (dän. lærde slægtsnavne, Sørensen 1980; schwed. lärda namn, Ryman 2002; nl. geleerde familienamen, Rentenaar 2003). Mit Rentenaar (2003: 84) wird dieser Begriff im Folgenden nicht verwendet, da nicht der FamN „gelehrt“ ist, sondern dessen Träger durch eine bestimmte Namenform seine Bildung demonstrieren möchte. Zudem legt dieser Terminus den Schluss nahe, dass andere FamN folglich als „ungelehrte“ FamN zu bezeichnen wären. Auch fehlt ihm die zeitliche Komponente, denn die hier besprochenen Latinisierungen und Gräzisierungen von FamN haben einen deutlichen Bezug zu den

|| 9 Sämtliche Gräzisierungen (z. B. Xylander) und einige Latinisierungen (z. B. Sartorius) sind eindeutig erst dem Humanismus zuzurechnen. Doch gibt es zahlreiche Latinisierungen, die als Relikte in einigen Fällen bereits der mittellateinischen Urkundensprache entstammen könnten (z. B. Sartor), bei denen jedoch häufig auch Neubildungen im Humanismus nachweisbar sind. Hier ist eine eindeutige Trennung nicht möglich. 10 Ein prominentes Beispiel hierfür ist Georg Spalatin, ein Freund Martin Luthers. Dieser hieß eigentlich Georg Burkhard. Nach seinem Herkunftsort Spalt bei Nürnberg nannte er sich später jedoch Georgius Spalatinus (vgl. Kap. 3.2.1; historische Belege s. Anm. 139). Wesentlich häufiger als in Deutschland wurden HumanistenN nach dem Herkunftsort in Schweden gebildet (Nübling 1997: 166f; Brylla 2007: 664f; s. auch Kap. 5.2.1 sowie Beispiele wie Agrelius, Betulander oder Semenius im Namenbuch, Anhang 1).

Terminologie | 5

Gelehrten in der Zeit des Renaissance-Humanismus, sie weisen also ins 15./16. Jahrhundert zurück und nicht etwa in Gelehrtenkreise der mittelalterlichen Scholastik. Da Gelehrte, die an der humanistischen Bildung teilhatten, zudem allgemein als Humanisten bezeichnet werden (vgl. Kap. 3.1), bildet der Begriff HumanistenN deren eigene bzw. die auf sie zurückgehenden FamN am adäquatesten ab. In der Forschung fehlt zwar eine einheitliche Terminologie für die verschiedenen Bildungsweisen von HumanistenN, doch bestehen methodische Übereinstimmungen hinsichtlich einer grundlegenden Einteilung in (1.) FamN, deren native Basis um ein lateinisches oder griechisches Suffix erweitert wurde (z. B. Fuchs > Fuchsius), und (2.) solche, die komplett durch lateinische bzw. griechische Lexeme ersetzt wurden (Fuchs > Vulpes). Letztere werden bereits in dem anonym11 publizierten Werk Virorum eruditorum onomatomorphosis von 1720 auf dem Titelblatt beschrieben: Das [= Virorum eruditorum onomatomorphosis, D.K.] ist: Etlicher Gelehrter Männer gebrauchte Nahmens-Veränderung, Insonderheit aber Derjenigen, welche ihre Nahmen mit Griechischen Wörtern verwechselt haben: Welchen auch beygefüget Etliche Gelehrte und berühmte Leute, so dergleichen Nahmens-Veränderung mit Lateinischen Wörtern vorgenommen.

Fleischner übernimmt von dieser Schrift, die er als eine der Quellen für sein eigenes Werk nennt (Fleischner 1826: 304), bereits auf dem Titelblatt den Begriff Onomatomorphose für die Bildung latinisierter FamN: Nebst einem Anhange, welcher einige Regeln bei der lateinischen Bildung unserer Familien-Namen, und eine Angabe der besonders vom 15ten bis zum 18ten Jahrhunderte gebräuchlichen Onomatomorphose oder Familiennamen-Uibersetzung enthält.

Der Begriff Übersetzung, der hier bei Fleischner zur Erläuterung des Kunstwortes Onomatomorphose Verwendung findet, wird in onomastischen Werken zu dieser Thematik im 20. Jahrhundert häufig verwendet. So nennt Noack (1927: 346) den kompletten Austausch von FamN durch lateinische oder griechische Lexeme „Übersetzung“, die Bildung von FamN mit lateinischen oder griechischen Suffixen „Umformung“, bei Gottschald (62006: 62) ist die Rede von „lateinischen Namenübersetzungen“ und „Antikisierung des Namens [...] durch eine lateinische Endung“. Bach (21953: 118f) beschreibt diese Veränderungen der FamN als „Übersetzung“ und „Antikisierung mit der Anhängung einer fremden

|| 11 Die Autoren werden angegeben als C.W.P.G.

6 | Einleitung

Endung und mit fremder Akzentuierung bei gelegentlicher leichter Umformung“, Rentenaar (2002: 161) nennt sie „Übersetzungen und Suffigierungen“. Im Deutschen Familiennamenatlas (DFA) unterscheidet Bochenek „Semantische Transposition“ (statt „Übersetzung“) und „Morphologische Transposition“ (statt „Umformung“ oder „Suffigierung“) (Bochenek 2012: 733, 743). Diese Zweiteilung wird für die vorliegende Arbeit weitgehend beibehalten und als Substitution und Suffigierung bezeichnet. Unter den Begriff Suffigierung werden folglich diejenigen HumanistenN gefasst, deren erhaltene native Namenbasis um ein lateinisches/griechisches Suffix erweitert ist. Diese Namenbasis kann dabei zusätzlich eine phonologische, prosodische oder graphematische Anpassung an das Lateinische erfahren (z. B. in Krämer > Cremerius, Kurz > Curtius). In Substitutionen ist diese deutsche Namenbasis durch eine lateinische/griechische Form ausgetauscht (z. B. Storch > Pelargus, zu griech. πελαργός/pelargós ‘Storch’), wobei auch an diese zusätzlich ein Flexions- oder Derivationssuffix treten kann (Weber > Textor > Textoris; Schneider > Sartor > Sartorius). Da Namen jedoch keine Semantik (mehr) enthalten und deshalb grundsätzlich nicht übersetzbar sind, lehnt u. a. Bleier (1985: 36f) den Begriff Übersetzung ab (anders z. B. Kalverkämper 1996: 1021f) und spricht allgemein von „Namenneubildungen“, bei denen der ursprüngliche FamN allenfalls „ersetzt“ werden könne (allerdings nicht beliebig, s. hierzu Kap. 4.2). Da der Begriff Übersetzung diese Art von HumanistenN unzureichend erfasst, wird er im Folgenden nicht verwendet. Zusätzlich zu Suffigierungen und Substitutionen werden Adaptionen als seltener dritter Bildungstyp von HumanistenN diskutiert, der in der Forschung bislang nicht systematisch behandelt wird (vgl. Kap. 4.3). Hiermit werden Assimilationen nativer FamN an Namen antiker Persönlichkeiten aufgrund phonologischer Ähnlichkeit bezeichnet, etwa Plate > Plato. Weitere Untergliederungen dieser Bildungen, wie sie Müller (2018: 463) für die Namen von Mitgliedern historischer Humanistenzirkel einführt (Typen 3–5), werden hingegen nicht weiterverfolgt, weil sie für rezente HumanistenN keine Relevanz haben (zu historischen, rezent nicht mehr nachweisbaren HumanistenN s. Kap. 3.2.1 und 3.4). Was hier bereits als Latinisierung und Gräzisierung von FamN bezeichnet wurde, begegnet in der Forschung häufig auch als Antikisierung. Dieser Begriff suggeriert zunächst den Vorteil, dass damit beide klassisch-antiken Sprachen, das Lateinische und das Griechische, gleichermaßen gemeint sein können (zusätzlich ließen sich auch hebräische Elemente in dieses Konzept integrieren). Doch weist Rentenaar (2003: 84f) darauf hin, dass Antikisierung (nl. antiquisering) zugleich die Assoziation hervorrufen kann, dass etwas in erster Linie

Forschungsstand | 7

antik, also allgemein alt gemacht werden soll. Trotz des Strebens der Humanisten nach einem puristischen klassischen Latein lehnten diese überdies nicht jedes Wort, das in der Antike unbekannt oder ungebräuchlich war, kategorisch ab (IJsewijn 1978: 74f). So kommt es, dass einige latinisierte FamN auf Berufsbezeichnungen basieren, die im klassischen Altertum noch nicht nachweisbar sind (z. B. Braxator für Breuer). Aus diesen Gründen wird Antikisierung im Folgenden zugunsten der den Gegenstand besser erfassenden allgemeineren Begriffe Latinisierung, Gräzisierung (und Hebraisierung12) vermieden. Problematisch ist der Status einiger Patronyme, die direkt auf lateinische oder griechische RufN zurückgehen (z. B. Cornelius, Nicolaus). Bei diesen kann es sich in einigen Fällen um (Re-)Latinisierungen zu volkssprachigen Formen dieser RufN handeln (z. B. Nehl > Cornelius, Nickel/Klaus > Nicolaus), doch können diese FamN jeweils auch direkt aus der lateinischen Form der entsprechenden RufN hervorgegangen sein.13 Ihr Status als HumanistenN ist deshalb weniger eindeutig. Liegt in einigen Fällen eine Latinisierung eines nativen FamN vor, so ist diese bei anzunehmender Kenntnis des lateinischen RufN wie Cornelius anders zu bewerten als die Herstellung eines FamN wie Fuchsius (< Fuchs), denn es handelt sich in solchen Fällen um die Verwendung der bekannten Vollform des RufN statt einer Kurzform, nicht um eine Suffigierung Letzterer. Diese Namenformen werden deshalb im Folgenden nicht zu den HumanistenN im engeren Sinn gezählt, doch bei der Untersuchung von FamN mit den Suffixen -us und -ius mit einbezogen (vgl. Kap. 4.1.1.1 und 4.1.2.1). Anders verhält es sich bei patronymischen Genitiven (z. B. Nicolai, Michaelis), denen eindeutig eine Latinisierung mit einem lateinischen Flexionssuffix zugrunde liegt und die deshalb uneingeschränkt als HumanistenN anzusehen sind (s. Kap. 4.1.2–4.1.4).

1.3 Forschungsstand Beschreibungen von HumanistenN finden sich bereits im 16. Jahrhundert, wobei es sich zunächst um Erwähnungen vorgenommener Latinisierungen/Gräzisierungen in biographischen Lebensbeschreibungen von Humanisten handelt (z. B. Fichardus 1536). In Namenbüchern zu HumanistenN werden schließlich || 12 Den Begriff Hebraisierung verwendet z. B. Gottschald (62006: 410). 13 Auch griechische RufN kamen erst über lateinische Vermittlung in Gebrauch (vgl. Nikolaos > Nicolaus), sodass griechische Formen von Patronymen nicht zu erwarten sind (auch im Humanismus wurden nicht die griechischen Formen der Patronyme als HumanistenN gewählt, sondern allenfalls dem Griechischen entlehnte Suffixe wie -aeus oder -ides verwendet, vgl. FamN wie Nikolaides).

8 | Einleitung

Umbenennungen von Gelehrten zusammengetragen, ausführlich etwa in dem Werk Onomatomorphosis von 1720. Hierauf baut auch Fleischner (1826) auf, der neben einer ausführlichen Zusammenstellung von HumanistenN historischer Personen auch eine aus diesen Umbenennungen abgeleitete Anleitung zur Bildung von Latinisierungen erschließt. Das Interesse der meisten dieser frühen Werke liegt jedoch insbesondere in einer etymologischen Entschlüsselung von FamN berühmter Gelehrter begründet. In dieser Tradition ist auch die von Kluge (1888) erarbeitete Darstellung der Namengebung im Humanismus zu sehen. Sein Werk behandelt die Entwicklung der deutschen Sprache von Martin Luther bis Gotthold Ephraim Lessing, wobei er auch der Namengebung in der Zeit des Humanismus einen Abschnitt widmet, der in späteren Auflagen noch um zahlreiche historische Quellen erweitert ist (vgl. Kluge 51918: 164–176). Auf Kluges Zusammenstellung baut die 1918 erschienene Dissertation Humanistische Einflüsse in den deutschen Familiennamen seines Schülers Bergerhoff14 auf, die bislang die einzige Monographie zum Thema HumanistenN geblieben ist. Auch Bergerhoff beschränkt sich mit seinen Ausführungen jedoch auf das ausgehende 15. und das 16. Jahrhundert. Anders als es der Titel seines Werkes vermuten lässt, fehlt diesem folglich ein Ausblick auf die späteren FamN. Jüngere Arbeiten nehmen zumeist direkt oder indirekt Bezug auf Bergerhoff und Kluge, gehen jedoch je nach Zielsetzung auch unterschiedlich intensiv auf rezente FamN ein. Einen längeren Abschnitt zum Thema HumanistenN bietet etwa Bach (21953: 116–122). In den meisten FamN-Büchern werden HumanistenN – wenn sie in der Einleitung eigens erwähnt werden – nur kurz beschrieben (Gottschald 62006: 61–63; Kohlheim & Kohlheim 22005: 17f; Naumann 2007: 53). Zoder (1968: 1,86–95) erweitert den Forschungsstand insbesondere um eine große Menge von Namenbelegen aus dem ostfälischen Raum. Mit mehreren Einzelbeiträgen widmen sich Melchers und Rentenaar dem Thema HumanistenN. Dabei liegt Melchers’ Fokus u. a. auf der „Rückverdeutschung“ von HumanistenN (1960/1961, 1961). Ausführlicher beschäftigt er sich zudem mit Gräzisierungen im Humanismus (1963) und dem Einfluss des Humanisten Konrad Celtis auf die Namengebung (1965). Demgegenüber gilt Rentenaars Interesse insbesondere einer Übertragung vorhandener Forschung auf die Ausprägung von HumanistenN in den Niederlanden, wobei er neue Quellen heranzieht und einen geographisch erweiterten Blick auch über Deutschland bis nach Skandi-

|| 14 Bergerhoff fügt dem Titel den Zusatz „Erster Teil“ hinzu, in der Hoffnung, „später den zweiten als Lexikon gedachten Teil folgen lassen zu können“ (Bergerhoff 1918: 5). Dieser wurde jedoch nicht gedruckt.

Forschungsstand | 9

navien vornimmt (1995, 2002, 2003). Rentenaars 2003 auf Niederländisch erschienener Aufsatz „Van humanistennaam tot humanistische familienaam“ bietet einen umfangreichen Überblick über den Forschungsstand und erweitert diesen um neue Erkenntnisse. Mit sozialen Aspekten der Annahme und Verwendung von HumanistenN beschäftigt sich Müller (2018), der den Fokus auf deren identitätsstiftendes Potenzial innerhalb und außerhalb humanistischer Gelehrtenkreise legt. Neue Perspektiven ergeben sich schließlich durch die Möglichkeit einer Datenbankabfrage und Kartierung von FamN im Rahmen des DFA. Im dritten Band dieses siebenbändigen Atlas-Werkes stellt Bochenek (2012: 732–785) die Verbreitung ausgewählter Latinisierungen in Deutschland anhand von Telefonanschlüssen dar. Ergänzt wird dieses Kartenwerk durch ein Kapitel im ein Jahr später von Steffens herausgegebenen regionalen FamN-Atlas für RheinlandPfalz, Hessen und das Saarland (Steffens 2013: 171–175) sowie eine Kartierung und Beschreibung von HumanistenN aus dem RufN Nikolaus in Deutschland von Dräger (2013: 83f, 142–147). Diese Werke beschäftigen sich erstmals mit Vorkommen und Verbreitung gegenwärtiger HumanistenN, historische Personen dienen dabei allenfalls als prominente Beispiele (so etwa bei Steffens 2013: 171, 173). Da eine Sondierung historischer Vorkommen im DFA aufgrund der späten Umbenennungen nicht vorgenommen werden konnte (die meisten zurate gezogenen Namenbücher reichen nicht bis ins 16. Jahrhundert, vgl. Bochenek 2012: 740, 764), fehlt diesem Werk wiederum eine historische Komponente. Im 19. Jahrhundert und noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein sind die Beschreibungen der humanistisch beeinflussten Namengebung häufig nicht objektiv, sondern nationalistisch geprägt und in der Folge subjektiv abwertend. So fragt Kluge (51918: 176): „Oder war es nicht eine sprachliche Verirrung, wenn man deutschen Namen in deutschen Schriften lateinische Formgebung aufnötigte?“ Abschließend stellt er pathetisch fest (Kluge 51918: 177): Aber die Übergriffe dieser Gepflogenheit auf deutsches Namengut, die im 16. Jahrhundert drohten, reichen nur bis ans Ende des 17. Jahrhunderts: die Naturkraft der Volkssprache siegte über den papierenen Stil der Gelehrsamkeit.

Selbst Kluges Schüler Bergerhoff, der sich in seiner Dissertation ausschließlich diesem Thema widmet, lässt abwertende Äußerungen wie die folgende nicht aus (Bergerhoff 1918: 27): Was die weitere Verbreitung der Modekrankheit im 16. Jahrhundert betrifft, so wucherte sie eben außer in Sachsen überall da, wo die humanistische Geistesrichtung besonders ausgeprägt war […]

10 | Einleitung

Bei der Wiedergabe von Gegnern der Bildung von HumanistenN wird auch Bach (21953: 118) deutlich: „Zeitig sind ihres Volkstums bewußte Männer gegen die humanistische Torheit aufgestanden.“ Erläuterungen mit polemischem Wortlaut finden sich überdies in FamN-Büchern, so beispielsweise bei Brechenmacher (1957–1960: 281f) zum FamN Decius: Decius hat mit dem römischen Cognomen nichts zu tun, sondern ist der kindische Versuch, dem altd[eutschen] Namen Dietz ein lat[einisches] Mäntelchen umzuhängen.

Seltener und weniger abschätzig urteilt Bahlow, etwa über den HumanistenN Dibelius, zu dem er nüchterner anmerkt, dieser sei „nach Humanistenart im 16. J[ahr]h[undert] aus ob[er]d[eutsch] Diebel (= Diebold) lateinisch frisiert“ worden (Bahlow 1985: 92). Für die genannten Namenforscher stellen HumanistenN demnach insbesondere Verfälschungen oder Verleugnungen der deutschen Sprache dar, während FamN, die nicht durch gewollte lateinische oder griechische Einflüsse verändert wurden, als autochthone Sprachzeugnisse für onomastische Untersuchungen angesehen werden. Für Kluge (51918: 176) stellen HumanistenN gar eine vorübergegangene „Gefahr“ für deutsche FamN dar, denn von letzteren sei „teilweise nur die geschichtliche Erinnerung und nicht immer eine erbliche Fortsetzung geblieben“.15 Dieses einseitig-wertende Bild findet in der Forschung der vergangenen Jahrzehnte keine Fortsetzung. Mit einer Hinwendung zur Verbreitung rezenter Latinisierungen und Gräzisierungen in den 2010er Jahren hat sich der Blick auf HumanistenN insgesamt gewandelt. Mittlerweile werden diese (wie u. a. auch bereits bei Rentenaar 1995, 2002, 2003) als fester Bestandteil des FamNInventars betrachtet und gleichrangig neben nativen FamN-Formen untersucht. Vor diesem Hintergrund erscheinen sie eher als zusätzliche Bereicherung der onymischen Vielfalt. Eine umfangreiche, auf historischen Quellen und rezenten Daten beruhende Darstellung der Entstehung und Ausbreitung von HumanistenN fehlt jedoch bislang, ebenso ist eine Überblicksdarstellung über frequente Bildungstypen nur in Ansätzen zu finden, in der Regel ohne empirische Grundlage (etwa bei Gottschald 62006: 61–63; Rentenaar 2003: 97–109). Eine Neubewertung der Beliebtheit und Verwendung von HumanistenN steht ebenfalls noch aus.

|| 15 Ein Beispiel für einen FamN, der tatsächlich nur noch als HumanistenN erhalten ist, ist Cornarius (s. Namenbuch, Anhang 1). Dabei handelt es sich jedoch um eine Ausnahme.

Datenbanken und Kartierungsprogramme | 11

Die Kartierung von Latinisierungen beschränkt sich bislang auf Deutschland, zudem ist eine Verbreitung von Gräzisierungen aufgrund von deren niedrigerer Frequenz noch nicht vorgenommen worden. Auch ein Abgleich mit historischen Verbreitungskarten, die erst seit wenigen Jahren auf einer soliden Datengrundlage möglich ist, ist in der Literatur noch nicht vorhanden. An diesen Punkten setzt die vorliegende Arbeit an.

1.4 Datenbanken und Kartierungsprogramme Als maßgebliche Grundlage für die systematische Ermittlung rezenter HumanistenN dienen die Datenbank des DFA und die der Nederlandse Familienamenbank. Die Daten des DFA basieren auf den Telefon-Festnetzanschlüssen in der Bundesrepublik Deutschland vom 30.06.2005. Zu diesem Zeitpunkt waren 28.205.713 Anschlüsse unter 850.661 verschiedenen FamN registriert (Kunze & Nübling 2009: XXXII). Einen Anschluss teilten sich nach Hochrechnung der Telekom etwa 2,9 Personen, sodass sich die tatsächliche Anzahl der NamenträgerInnen aus der Anzahl der Anschlüsse für einen FamN multipliziert mit dem Faktor 2,9 ergibt.16 Die Nederlandse Familienamenbank enthält rund 314.000 verschiedene FamN, die am 05.09.2007 bei der Gemeentelijke Basisadministratie (GBA) in den Niederlanden gemeldet waren (s. Nederlandse Familienamenbank17). Angegeben wird hier jeweils die Anzahl der tatsächlichen NamenträgerInnen.18 In beiden Datenbanken ist neben der Abfrage einer bestimmten Namenform auch eine trunkierte Suche möglich, sodass etwa alle FamN mit den lateinischen Suffixen -ius, -us, -is etc. sowie den griechischen Suffixen -aeus und -ides oder dem griechischen Namenglied -ander gesucht werden können. Außerdem ist eine historische Kartierung mittels Verlustlisten aus dem Ersten Weltkrieg auf der Plattform genealogy.net möglich, die Aufschluss darüber geben kann, ob ein FamN bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland verbreitet war, d. h. vor der Zunahme der Migration aus anderen Gebieten in die Bundesrepublik in der Nachkriegszeit.19 In den Verlustlisten, die rund 9 Mio.

|| 16 Den häufigsten HumanistenN Faber, der mit 4.840 Festnetzanschlüssen vertreten ist, trugen in Deutschland 2005 also errechnet 14.036 Personen. 17 URL (Datenbasis): https://www.cbgfamilienamen.nl/nfb/achtergrond.php?actie=help, Aufrufdatum: 30.06.2021. 18 Den HumanistenN Faber trugen in den Niederlanden zu diesem Zeitpunkt 6.983 Personen. 19 Hierdurch lässt sich beispielsweise nachweisen, dass der in den Verlustlisten bereits mit 17 Tokens erscheinende FamN Simonides nicht erst durch griechische Migration in der zweiten

12 | Einleitung

Datensätze enthalten, sind die Namen und Geburtsorte von Soldaten des Deutschen Reichs erfasst, die im Ersten Weltkrieg verwundet, vermisst oder getötet wurden.20 Diese Daten wurden in den Prototyp eines neuen Kartierungstools für das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD) integriert, mit dem die in Kap. 5 behandelten historischen Karten erstellt wurden.21 Anders als das Kartierungsprogramm des DFA, mit dem sich Verbreitungskarten mit Kreisdiagrammen aus der DFA-Datenbank generieren lassen, bietet die Nederlandse Familienamenbank Flächenkarten, in denen einzelne Gemeindeflächen je nach Namenvorkommen eingefärbt werden. Seit einigen Jahren gibt es jedoch auch die (nicht öffentlich zugängliche) Möglichkeit, Karten mit Kreisdiagrammen für den niederländischen Sprachraum in Europa (Niederlande und belgische Region Flandern) zu erstellen, die auf den genannten niederländischen Personendaten von 2007 sowie entsprechenden Daten aus Belgien von 2008 basieren (vgl. Marynissen 2019: 136–146).22 Für FamN aus anderen Staaten stehen jeweils einfache Abfrageprogramme zur Verfügung (teilweise mit Kartierung), mit denen die dortige Frequenz einzelner HumanistenN überprüft werden kann.23 Die Daten für Polen sind Rymut (2003) entnommen (Einwohnerdaten von 2002). Für die Verifizierung, dass es sich um einen HumanistenN – und nicht etwa um einen FamN aus einem anderen Sprachraum – handelt, werden diverse weitere Recherchemöglichkeiten herangezogen. Wichtige Nachschlagewerke sind FamN-Bücher wie Bahlow (1985), Brechenmacher (1957–1960, 1960–1963), Gottschald (62006), Kohlheim & Kohlheim (22005), Zoder (1968), für den niederländischen Sprachraum Debrabandere (2003), für Luxemburg Kollmann, Gilles & Muller (2016). In den meisten dieser Werke finden sich historische Belege, die das Vorhandensein des betreffenden HumanistenN in der frühen Neuzeit belegen können. Für die Suche nach konkreten Namengleichungen eignet sich insbesondere das Repertorium Academicum Germanicum (RAG), in dem Namenvarianten Gelehrter von etwa 1250 bis etwa 1550 abrufbar sind. Im RAG sind

|| Hälfte des 20. Jh. in den deutschen Sprachraum gelangte, weshalb dieser zweifellos als HumanistenN anzusehen ist (s. Kap. 5.1.3). 20 URL (Datenbasis): http://wiki-de.genealogy.net/Verlustlisten_Erster_Weltkrieg, Aufrufdatum: 30.06.2021. Zum Datenumfang im Hinblick auf Familiennamen und Kartierung mit zahlreichen Beispielen s. Flores Flores & Gilles (2020). 21 Geodaten für die Grenzen des Deutschen Reichs von 1914: https://maps.princeton.edu/ catalog/harvard-ghgis1914germanempire, Aufrufdatum: 30.06.2021. Für die Bereitstellung der Karten danke ich Beate Thull. 22 Für die Bereitstellung der Karten danke ich Ann Marynissen. 23 URLs s. Literaturverzeichnis (Internetquellen).

Datenbanken und Kartierungsprogramme | 13

Datensätze zu rund 64.000 Personen aus dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs enthalten, die in ihrer universitären Laufbahn mindestens einen Magisterabschluss erwarben.24 Auf historischen Personendaten von Universitäten beruht auch das in Kap. 3.3 herangezogene, für diese Arbeit zusammengestellte Matrikelkorpus.25 In diesem sind die Namen von 17.707 Studenten von acht Universitäten im deutschen und niederländischen Sprachraum im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit (1450–1700) enthalten, wie sie bei deren Immatrikulation im jeweiligen Matrikelbuch notiert wurden.

|| 24 URL (Beschreibung des Projekts): https://rag-online.org/projekt/projekt, Aufrufdatum: 30.06.2021. Namengleichungen belegen konkrete Namenwechsel im universitären Umfeld für Einzelpersonen und somit den Zusammenhang zwischen nativen und latinisierten/gräzisierten Namenformen (vgl. Namenbuch, Anhang 1). Zum Anteil der Universitätsbesucher, die mindestens einen Magisterabschluss erwarben, s. Schwinges & Wriedt (1995: XXIV–XXIX). 25 Das Matrikelkorpus ist als Excel-Datei abrufbar unter https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html.

2 Personennamen in Antike und Mittelalter 2.1 Personennamen in der römischen Antike Das PersN-System in Rom und den umliegenden Provinzen in Italien entwickelte sich ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. anders als das aller anderen Hochkulturen im Mittelmeerraum. Während etwa in Griechenland noch lange wie in den anderen indogermanischen Kulturen Einnamigkeit26 herrschte, neben dem RufN nur zum Zweck der eindeutigen Referenz auf eine Person gelegentlich ein zusätzliches Patronym gebraucht wurde (Bach 21953: 1), bildete sich in Mittelitalien ein mehrgliedriges PersN-System aus, das sich durch feste Systematik und individuelle wie vererbbare Bestandteile auszeichnete (Rix 1995: 728). Dieses römische Namensystem wird häufig als Vorbild für die vom Humanismus geprägte Namengebung angesehen (u. a. von Bergerhoff 1918: 22; Bach 21953: 116; Rentenaar 2003: 86f), weshalb es im Folgenden in seinen Grundzügen skizziert wird. In Rom finden sich um 650 v. Chr. PersN, die neben dem RufN zusätzlich ein adjektivisch abgeleitetes Patronym aufweisen (Rix 1995: 728). Aus diesem Patronym, das sich in dieser Zeit noch unmittelbar auf den eigenen Vater bezog, entwickelte sich im 6. Jahrhundert v. Chr. das erbliche nomen gentile, das dem nun als praenomen bezeichneten RufN nachgestellt wurde. Nach Rix (1995: 727) war „die historische Leistung des römisch-zentralistischen Personennamensystems [...] die Einführung des Gentiles, des erblichen Familiennamens“, denn hierdurch sei eine Benennung von „Individuen einer Gemeinschaft“ durch das praenomen sowie eine „Kennzeichnung aller Personen der gleichen (väterlichen) Deszendenz“ durch das nomen gentile möglich geworden. Dabei ging Letzteres selbst aus Patronymen hervor, die häufig durch das Adjektivsuffix -ius aus einem RufN gebildet wurden (z. B. Marcius < Marcus) und damit die Zugehörigkeit zur Abstammungslinie einer Person markierten (Rix 1995: 729). In diesem Stadium diente das praenomen, für das sich bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. standardisierte Abkürzungen wie M. für Marcus oder L. für Lucius herausgebildet hatten (Rix 1995: 725), zur Identifizierung der individuellen Person, während der Gentilname (GentilN) insbesondere für rechtliche Angele-

|| 26 Der Begriff Einnamigkeit ist nicht präzise, denn strenggenommen handelt es sich auch bei den in den indogermanischen Völkern weit verbreiteten, zunächst frei kombinierbaren zweigliedrigen RufN (z. B. Hein-rich, Hart-mann) nicht um Einnamigkeit. Dieser Begriff hat sich in der Forschung jedoch etabliert und wird als Kontrast zu den römischen tria nomina im Folgenden beibehalten (vgl. Castritius 1997: 30, Anm. 1). https://doi.org/10.1515/9783110744378-002

Personennamen in der römischen Antike | 15

genheiten bedeutsam war. Letzterer gewann auch dadurch an Bedeutung, dass sich in der republikanischen Zeit rund 99% der männlichen römischen Bevölkerung nur 14 praenomina teilten.27 Diese waren – anders als die der anderen indogermanischen Kulturen – fixiert und nicht mehr zweigliedrig, es gab hier also auch keine Kombinationsmöglichkeiten der Namenglieder (Salway 1994: 125), weshalb das nomen gentile schließlich zum wichtigsten Bestandteil des römischen PersN wurde. Durch die Erblichkeit dieses Namenbestandteils wurde das einstige patronymische System außer Kraft gesetzt, der GentilN erfüllte nun eine ähnliche Funktion wie später der FamN, der sich im späten Mittelalter in weiten Teilen Europas durchsetzte. Ein entscheidender Unterschied zu diesem ist jedoch, dass der GentilN nicht durch Heirat übertragen wurde, sodass auch Frauen ihr gesamtes Leben das nomen gentile des Vaters behielten (Rix 1995: 724). Bei Frauen fungierte das nomen gentile zudem gleichzeitig als RufN, denn die Zweinamigkeit aus praenomen und nomen gentile galt (wie später auch die Dreinamigkeit) nur für Männer, die das römische Bürgerrecht besaßen. Da Frauen vom Bürgerrecht ausgeschlossen waren, trugen sie bereits seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. meist lediglich den movierten GentilN des Vaters, z. B. Tullia < Tullius (im Falle mehrerer Töchter erhielten diese Zusätze wie maius, minus, tertia etc.) ohne praenomen (Mitterauer 1993: 76). Die Mehrnamigkeit war im antiken Rom also von Anfang an auf männliche Namenträger beschränkt. Der dritte Namenbestandteil, das sogenannte cognomen (von lat. cognoscere ‘erkennen’) war ursprünglich ein persönlicher BeiN (Mitterauer 1993: 71). In der Regel handelte es sich um einen Übernamen (ÜberN), der sich auf den Charakter oder die körperliche Erscheinung des Namenträgers bezog. Das cognomen diente damit zunächst der Unterscheidung einzelner Personen innerhalb einer Familie, da es aufgrund der Vererbung des GentilN und der geringen Auswahl an praenomina zu zahlreichen gleichnamigen Personen innerhalb einer Familie kam (Rix 1995: 724f). Obwohl dieser dritte Name bereits länger nachweisbar ist, hatte er erst um 100 v. Chr. offiziellen Charakter. In den Kreisen der römischen Elite der späten Republik wurde das Führen dieser drei Namen zu einem Statussymbol. Die cognomina berühmter Ahnen wurden aus Prestigegründen bald ebenfalls vererbt, sodass die Funktion der individuellen Identifizierung allmählich in den Hintergrund trat. In der Folge

|| 27 Nach Rix (1995: 724) waren am Ende der Republik (1. Jh. v. Chr.) nur noch folgende praenomina in Gebrauch: A. = Aulus; D. = Decimus; C. = Gaius; Cn. = Gnaeus; L. = Lucius; M. = Marcus; M’. = Manius; P. = Publius; Q. = Quintus; S(p). = Spurius; Ser. = Servius; S(e)x. = Sextus; T. = Titus; Ti(b). = Tiberius. Die praenomina Appius, Kaeso, Mamercus und Numerius waren zu dieser Zeit auf je eine bis zwei Adelsfamilien beschränkt, also nicht in allgemeinem Gebrauch.

16 | Personennamen in Antike und Mittelalter

konnte das cognomen auch dazu dienen, unterschiedliche Familienzweige zu unterscheiden, die einen identischen GentilN trugen, sich aber anhand des cognomens auf unterschiedliche Ahnen berufen konnten (Rix 1995: 725). Die Dreinamigkeit galt, wie erwähnt, lediglich für die cives Romani, also für freie Männer, die das Bürgerrecht der Stadt Rom besaßen, während im übrigen Italien zunächst das zweinamige System erhalten blieb. Dreiteilige römische PersN lassen sich z. B. bei den im Humanismus rege rezipierten Autoren Horaz (Quintus Horatius Flaccus, 65–8 v. Chr.) und Cicero (Marcus Tullius Cicero, 106– 43 v. Chr.) nachvollziehen (für weitere Beispiele s. Castritius 1997: 39): Tab. 1: Die drei Namen der klassischen Autoren Horaz und Cicero

Horaz

Cicero

Praenomen

Q. (Quintus)

M. (Marcus)

Gentilname

Horatius

Tullius

Cognomen

Flaccus (lat. flaccus ‘schlaff; schlappohrig’) Cicero (lat. cicer ‘Kichererbse’)

Dieses System blieb in der Zeit der Republik stabil,28 bevor es Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. in unterschiedlichen Ausformungen ins Wanken geriet (Mitterauer 1993: 71). Dennoch wurde die Mehrnamigkeit 212 n. Chr. mit der Ausweitung des Bürgerrechts noch offiziell auf das gesamte Kaiserreich übertragen. Durch das Prestige der Eliten in Rom breitete sich die Dreinamigkeit weiter aus, setzte sich jedoch beispielsweise im griechischen Reichsteil nie durch, wo die Bürger in der tradierten Einnamigkeit mit der gebrauchsgesteuerten unmittelbaren Patronymik verharrten (Mitterauer 1993: 83). Um den Namen des eigenen Vaters auch in Rom weiterhin im eigenen Namen angeben zu können, ist in römischen PersN neben den tria nomina eine sogenannte Filiationsangabe möglich, die aus dem praenomen des Vaters im Genitiv und dem Zusatz filius bzw. filia (‘Sohn’/‘Tochter’, meist abgekürzt als ) bestand (Rix 1995: 725). Dieses nicht erbliche, sich auf den Vater des Namenträgers bzw. der Namenträgerin beziehende Patronym wurde dem GentilN nachgestellt und entfiel in der Regel, wenn keine Verwechslungsgefahr bestand. Weniger zur Identifikation als zur Klassifikation diente zusätzlich die Tribusangabe als fünftes Namenelement, die den Stimmbezirk im Ablativ nann-

|| 28 In der täglichen Kommunikation waren die tria nomina jedoch weniger relevant.

Beinamen in mittelalterlichen Urkunden | 17

te und wie das praenomen mit festgelegten Siglen abgekürzt wurde, z. B. Ouf. (Oufentina tribu ‘aus dem Wahlbezirk Oufentina’) (Rix 1995: 725). Somit waren die PersN der römischen Elite in der späten republikanischen Zeit strenggenommen fünfteilig. Allerdings wurden Filiations- und Tribusangabe lediglich für den amtlichen Bereich oder zur eindeutigen Unterscheidung etwa in ehrenden Inschriften genutzt, sodass auch die römischen Autoren stets von Dreinamigkeit bzw. den tria nomina sprechen (Castritius 1997: 31). Verschiedene Entwicklungen wie Regeln zu Adoptivnamen und einer enormen Ansammlung von Namen bei Personen aus der römischen Elite führten jedoch ab der frühen Kaiserzeit (Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr.) dazu, dass das alte System intransparent und damit obsolet wurde, sodass auch die Römer in der Spätantike letztlich zur Einnamigkeit zurückkehrten (s. hierzu Kajanto 1963; Castritius 1997). Bis sich neue erbliche Namen entwickelten, dauerte es im Anschluss mehrere Jahrhunderte.

2.2 Beinamen in mittelalterlichen Urkunden Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs blieb Latein dort in weiten Teilen Rechts-, Bildungs- und Kirchensprache. Auch die seit dem frühen Mittelalter in Schriftquellen erscheinenden nicht-lateinischen PersN wurden in diesem Rahmen häufig an die lateinische Sprache angeglichen. Im frühen Mittelalter herrschte Einnamigkeit vor, wobei die notierten RufN in der Regel lateinisch suffigiert und flektiert wurden, z. B. Thietmarus, Genitiv Thietmari (vgl. Schlaug 1955: 12f29). Zusätzlich zu einem RufN erhielt eine wachsende Anzahl genannter Personen etwa seit dem 11./12. Jahrhundert einen BeiN (vgl. Debus 2009: 88; Übersichten bei Kunze 42003: 58–61). Dieser erscheint häufig ebenfalls in latinisierter Form, wobei nicht nur auf lateinische Suffixe, sondern in einigen Fällen auch auf lateinische Lexeme zurückgegriffen wurde (z. B. Heinricus de Ponte, s. u.). Laut Bergerhoff (1918: 13f) „sind dies Wortübersetzungen, die Stand, Amt oder Beruf bezeichnen“. Er listet eine Reihe solcher Latinisierungen aus dem Mittelhochdeutschen Namenbuch von Socin (1903) auf, darunter Camerarius (zu lat. camerarius ‘Kämmerer’), Faber (zu lat. faber ‘Schmied’), Molitor (zu lat. mōlītor ‘Müller’) (Bergerhoff 1918: 14). Die von Socin zusammengetragenen Namen stammen aus dem 13. Jahrhundert, mehrheitlich aus dem westoberdeutschen Raum, wo BeiN sehr früh nachweisbar sind (Kunze 4 2003: 60f).

|| 29 Beispiele für latinisierte RufN finden sich in großer Anzahl auch bei Förstemann (21900).

18 | Personennamen in Antike und Mittelalter

In ab 1216 überlieferten Urkunden aus Friedberg (Hessen) ist die Berufsbezeichnung bzw. der BeiN30 Schmied erstmals 1262 zur näheren Kennzeichnung einer Person beigefügt. Der Eintrag erscheint latinisiert als Reinherus Faber (Arend 1934: 52). Erst 1341 findet sich hier mit Frizze Schmid auch die deutsche Form dieses Berufsnamens (BerufsN) (Arend 1934: 52). Der 1361 erwähnte Claus faber ist wahrscheinlich identisch mit Clays Smyd, der 1368 belegt ist (Arend 1934: 52), sodass hier in dieser Zeit eine flexible Verwendungsmöglichkeit beider Formen in Dokumenten anzunehmen ist. Zu der zitierten Auflistung der Typen latinisierter BeiN in mittelalterlichen Quellen, die Bergerhoff nennt, sind insbesondere noch ÜberN zu ergänzen. So finden sich beispielsweise im Oculus Memorie, einem Güterverzeichnis aus dem Kloster Eberbach im Rheingau von 1211, Namen wie Heinricus Niger (zu lat. niger ‘schwarz’) (Meyer zu Ermgassen 1984: 81) oder Wernherus Magnus (zu lat. magnus ‘groß’) (Meyer zu Ermgassen 1984: 352). Gemeinsam ist allen diesen BeiN, dass sie einfache Substitutionen31 deutscher BeiN durch lateinische Formen sind. Dabei wird jeweils das zugrunde liegende transparente Etymon (z. B. Smyd zu mhd. smit ‘Schmied’) durch ein entsprechendes lateinisches ausgetauscht (z. B. Faber, zu lat. faber ‘Schmied’). Intransparente BeiN können hingegen nicht auf diese Weise latinisiert werden – diese erhalten stattdessen häufig ein lateinisches Suffix (s. Kap. 4.1). Für die mittelalterlichen BeiN in Zürich bis 1254 stellt Baumgartner fest, dass Latinisierungen hier zunächst konkurrenzlos sind, deutsche Formen finden sich erstmals ab der Mitte des 12. Jahrhunderts (Baumgartner 1983: 112). Von 39 Wohnstättennamen (WohnstättenN) in seinen Quellen sind laut Baumgartner 13 substituiert und 22 deutsch (z. B. 1223 Heinricus de Ponte = 1232 Heinricum militem an dem Stege), vier weitere bestehen aus dem deutschen BeiN und einem

|| 30 Da die BeiN am Beginn der Überlieferung noch semantisch mit dem Namenträger in Verbindung stehen, ist in vielen Fällen nicht zu entscheiden, ob es sich noch um eine Berufsbezeichnung oder bereits um einen BeiN handelt. 31 Da BeiN noch unmittelbar semantisch auf den jeweiligen Namenträger Bezug nehmen, handelt es sich zunächst noch um Übersetzungen. Erst wenn der BeiN an die nachfolgende Generation vererbt und damit zu einem FamN wird, geht diese Semantik verloren und eine Übersetzung im herkömmlichen Sinne ist nicht mehr möglich. Bis zum Humanismus wurden zahlreiche FamN zusätzlich bereits intransparent und konnten mitunter volksetymologisch gedeutet werden, was einige belegte Umbenennungen wie Huszgen > Oecolampadius („Hausschein“) nahelegen (vgl. Kap. 3.3.5.2, Anm. 123). Da ein exakter Zeitpunkt für einen Übergang von BeiN zu FamN jedoch allenfalls für Einzelbeispiele ermittelt werden könnte, wird für diesen Vorgang hier einheitlich der Begriff Substitution gebraucht (vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.2).

Beinamen in mittelalterlichen Urkunden | 19

lateinischen Suffix (Baumgartner 1983: 114). Obwohl in drei Urkunden aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bereits keine latinisierten BeiN mehr vorliegen, lasse sich eine „Verdeutschungsbewegung“ jedoch insgesamt noch nicht feststellen. Bis zum Ende seines Untersuchungszeitraums sind die meisten Urkunden in lateinischer Sprache verfasst, weshalb für Baumgartner (1983: 112) eher das Auftreten vollständig deutschsprachiger Formen Beachtung verdient als das lange Festhalten an Latinisierungen. Für ihn sind demnach von der lateinischen Dokumentensprache abweichende deutsche Namenformen auffällig, die Latinisierungen also an die Textsprache geknüpft. Wechselt diese, würde es folglich auch nicht verwundern, wenn der Anteil volkssprachiger Namenformen zunähme. Um exemplarisch dem Einfluss der für die Urkunden gewählten Sprache auf die verwendeten BeiN nachzugehen, der Frage also, inwiefern ein Wechsel der Textsprache die Form der PersN beeinflusst, werden im Folgenden die Bürgerbücher der Stadt Frankfurt a. M. herangezogen. In diesen ab 1311 lückenlos überlieferten, listenartig angelegten Dokumenten wurden die Neubürger der Stadt aufgezeichnet, die Einträge bis zum Jahr 1470 liegen ediert in zwei Bänden vor.32 Das erste erhaltene Bürgerbuch wurde bis 1352 geführt, der Text ist fast ausschließlich in lateinischer Sprache verfasst, was auch für Namenzusätze wie den Herkunftsort oder Erläuterungen zum Namen gilt, wie Einträge für das Jahr 1312 zeigen (Andernacht & Stamm 1955: 1): (1)

a. Nycolaus opilio b. Bertholdus glasere de Wimpe civis in Constancia. c. Arnoldus dictus Same de Ylwersheym.

Während in (1a.) ein substituierter BeiN vorliegt (zu lat. opilio ‘Schafhirte, Schäfer’), zeigt (1b.), dass von Beginn der Aufzeichnungen an auch deutsche BeiN vorkommen, die sich von Berufen ableiten (hier zu mhd. glasære ‘Glaser’). Der Herkunftsort wird meist mit lat. dē ‘von’ an RufN und BeiN angefügt. Eindeutige Hinweise auf den BeiN im Gefüge mehrerer Namenzusätze werden z. B. durch den Zusatz lat. dictus ‘genannt’ gegeben (1c.). Auch weitere Informationen werden auf Latein mitgeteilt, etwa dass der Frankfurter Neubürger Bertholdus glasere aus Bad Wimpfen auch das Bürgerrecht in Konstanz besaß. In den ersten 20 Jahren der Bürgeraufzeichnungen (1311–1330) finden sich häufiger verwendete

|| 32 Bd. 1, 1311–1400: Andernacht & Stamm 1955; Bd. 2, 1401–1470: Andernacht & Berger 1978. Die BeiN/FamN aus Bd. 2 liegen etymologisiert vor in Steffens 2019.

20 | Personennamen in Antike und Mittelalter

BerufsN33 ausschließlich durch lateinische Appellative ersetzt (die Quellenangaben beziehen sich auf Andernacht & Stamm 1955): Tab. 2: BerufsN im ersten Frankfurter Bürgerbuch 1311–1330

Berufsbezeichnung Namenbeleg

Jahr

Bäcker

Iohannes pistor de Bergin

1329

8

Culmannus pistor de Ursele uf dem Berge

1331

10

Müller

Wykerus molendinarius de Essirsheim

1328

8

Schäfer

Nycolaus opilio

1312

1

Necolaus opilio dictus zum Vraskelre

1323

5

Heinricus opilio de inferiori Bomersheim

1323

5

Henricus faber dictus de Wilen

1315

3

Hildegerus faber de Hoynowe

1330

9

Magister Aaron sartor

1324

6

Schmied

Schneider

Nachweis

Das zweite, ab 1352 geführte Bürgerbuch weist hingegen bereits einen wesentlich größeren deutschen Textanteil auf. Dieselben BerufsN sind in den ersten zehn Jahren dieses Verzeichnisses wie folgt notiert: Tab. 3: BerufsN im zweiten Frankfurter Bürgerbuch 1352–1361

Berufsbezeichnung Namenbeleg

Jahr

Bäcker

Concze beckir von Redilnheim

1353

60

Iohan beckirs dychtern

1353

60

Nachweis

|| 33 Dass der Status als BeiN nicht in jedem Fall sicher ist, belegt der Eintrag Necolaus opilio dictus zum Vraskelre, bei dem zusätzlich zur Berufsbezeichnung opilio angegeben ist, dass die betreffende Person nach der Wohnstätte (zum Vraskelre) genannt wird. Hier ist opilio folglich als Berufsbezeichnung, zum Vraskelre als BeiN anzusehen. Da dies in den meisten Fällen nicht mit Sicherheit zu klären ist, wird im Folgenden dennoch der Begriff BeiN bzw. BerufsN für alle verwendeten Berufsbezeichnungen beibehalten (vgl. Anm. 30).

Beinamen in mittelalterlichen Urkunden | 21

Berufsbezeichnung Namenbeleg

Müller

Schäfer

Schmied

Schneider

Jahr

Nachweis

Herbel becker von Durkilwil

1355

62

Petir beckirs son

1357

64

Hartmud beckir von Aldinstad

1359

68

uff Wenczel begkirs huse

1361

72

Iohan mulner von Horheim

1352

59

Iohan mulner von Esschirsheim

1353

59

Iohan mulner von Horheim

1357

65

daz eczwanne waz Pedir mulyneris

1359

69

uff Hennen scheffers

1352

59

Heiman scheffer von Arheilgen

1353

60

uff Conrad scheffirs hus

1359

69

Hennekin scheffir uff dem Steynenwege zu Sassinhusin 1360

71

Ulin smeid

1358

67

Andres smed von nydern Ursele

1358

68

Iohan smedis son von Ovenbach

1360

70

Concze smeid von Brachte, Herbord smedis nebe von Wiizsele

1360

71

uff Hennen smedis hoffe von Solczbach

1360

72

Heinrich snyders son

1353

60

Engelbrecht snyder von cleynen Karben

1357

65

Bereits wenige Jahre später findet sich somit keine einzige latinisierte Form mehr für die genannten BerufsN. Es stehen sich also ausschließlich latinisierte BerufsN im lateinischen Text auf der einen Seite und ausschließlich deutsche BerufsN im deutschen Text auf der anderen Seite gegenüber. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die latinisierten Formen aus dieser frühen Zeit lediglich schriftlich – im lateinischen Dokument – existierten. Diese „stellen also nicht etwa im Alltag gebrauchte Bei[N] lat[einischer] Herkunft dar“ (Bach 21952: 244). Zu den zahlreichen substituierten BerufsN in den Matrikeln der Universität Heidelberg in den Jahren 1460–1470, „also aus der Zeit v o r Einwirkung des

22 | Personennamen in Antike und Mittelalter

Humanismus“ (Bergerhoff 1918: 14f; Sperrung im Original), merkt auch Bergerhoff (1918: 15) an: All diese Namen sind wohl als Erscheinung des mittelalterlichen Urkundenlateins anzusehen, denn sie wurden nur in Urkunden benutzt, während solche Wortübersetzungen als vom Träger schriftlich und mündlich gebrauchte Namen erst durch den Humanismus in Mode kommen.

Die mittelalterlichen Latinisierungen von BeiN dienten der Einheitlichkeit der lateinischen Sprache des Textes und ihre Verwendung war hier nur deshalb möglich, weil eine eindeutige Rückübertragung solcher Standardbegriffe ins Deutsche offenbar nicht als problematisch für die Referenz auf eine bestimmte Person erachtet wurde, denn eine zweifelsfreie Identifizierbarkeit von Personen ist für einen Rechtstext wie dieses Verzeichnis der Inhaber des Frankfurter Bürgerrechts unerlässlich. Die daneben bereits genannten deutschen Formen wie in (1b.) betreffen vermutlich jeweils BeiN nach Berufen, die seltener waren oder für die das betreffende lateinische Appellativ dem Schreiber nicht bekannt war. Hier war deshalb die Gefahr größer, dass es zu Fehlinterpretationen kommen konnte. Anders als bei BerufsN und ÜberN, deren appellativische Basis im 14. Jahrhundert in der Regel noch transparent war und für die deshalb entsprechende lateinische Appellative herangezogen werden konnten, war bei zahlreichen bereits opak gewordenen (bzw. im Falle von Fremdnamen [FremdN] wie Nikolaus stets opak gewesenen) Patronymen eine Substitution nicht möglich und diese ist auch bei prinzipiell „übersetzbaren“ Namengliedern unterblieben (vgl. RufN wie Dietbalt, dessen Namenglieder im Mittelhochdeutschen noch homonym mit den Appellativen diet ‘Volk’ und balt ‘kühn, stark’ waren).34 Patronyme konnten jedoch ohne Weiteres latinisiert werden, indem ihnen, wie in (2a.), eine lateinische Genitivendung angefügt wurde oder indem, wie in (2b.), zusätzlich filius ‘Sohn’ zwischen RufN und Patronym trat (Andernacht & Stamm 1955: 2): (2) a. 1312 Bertoldus Wolframi frater b. 1313 Heylmannus filius Theoderici Monachi

|| 34 Im frühen Mittelalter ist dies hingegen in Einzelfällen belegt, etwa im 8. Jh. beim Freisinger Bischof Arbeo (einstämmige Kurzform zum RufN-Glied ahd. erbi ‘Erbe’), der auch als Heres (zu lat. heres ‘Erbe’) erscheint (Bergerhoff 1918: 15; s. auch Förstemann 21900: 142).

Beinamen in mittelalterlichen Urkunden | 23

Solche Assmilationen an das Lateinische sind im zweiten Bürgerbuch jedoch aufgrund des Wechsels zum Deutschen als Textsprache nicht mehr erforderlich, weshalb die BeiN nun in deutscher Form erscheinen. In der 1387 erstellten Bürgerliste für die Stadt Frankfurt a. M. (Andernacht & Stamm 1955: 151–169) erscheint mit Clese textur (Andernacht & Stamm 1955: 168) schließlich bloß noch ein einziger substituierter BeiN (zu lat. textor ‘Weber’). In dieser Quelle sind die PersN weitgehend vom sprachlichen Kontext gelöst, da sie ohne weitere Informationen aufgelistet werden. Doch die oben genannten BerufsN finden sich hier ebenfalls nur noch in deutschen Formen: Tab. 4: BerufsN in der Frankfurter Bürgerliste von 1387

Berufsbezeichnung

Namenbeleg

Jahr

Nachweis

Bäcker

Wicker, Heinrich beckers son

1387

161

Müller

Henne molner von Marppurg

1387

155

Henne moller

1387

160

Schäfer

Peder scheffer

1387

165

Schneider

Concze snedder

1387

156

Der BeiN, der sich aus der Berufsbezeichnung für den Schmied ableitet, fehlt hier. Es finden sich jedoch verschiedene Benennungen für spezialisierte Berufszweige dieses Handwerks: Tab. 5: BerufsN nach Schmiede-Handwerken in der Frankfurter Bürgerliste von 1387

Berufsbezeichnung

Namenbeleg

Jahr

Nachweis

Hufschmied

Frederich hubensmyd

1387

157

Goldschmied

Lonis goltsmyd

1387

165

Pfannenschmied

Heile pannensmyd

1387

168

Auch Patronyme, ÜberN, HerkunftsN und WohnstättenN enthalten in dieser Liste keine lateinischen Elemente:

24 | Personennamen in Antike und Mittelalter

Tab. 6: BeiN nach anderen Motiven in der Frankfurter Bürgerliste von 1387

Namenbasis

Namenbeleg

RufN

Henne Lenharcz son

1387

168

RufN

Heinrich Wernher

1387

163

APP

Heincze Blume

1387

161

Jahr

Nachweis

SiedlungsN

Wencel Sweynheim

1387

168

LandschaftsN

Locze Fogelsberger

1387

168

StraßenN

Hirbel in der Clappergassen

1387

168

Dennoch unterblieb die Latinisierung von PersN in der Folge offenbar auch in den Frankfurter Bürgerbüchern nicht in allen Fällen. Für die Einträge im Zeitraum von 1401 bis 1470 stellt Steffens (2019: 270) fest, dass acht Personen mit latinisiertem BeiN/FamN auftreten. Neben den Patronymen Heilmanni, Konradi und Mongoldi finden sich auch folgende BerufsN und ÜberN (die Quellenangaben beziehen sich auf Andernacht & Berger 1978): Tab. 7: Latinisierte BerufsN in den Frankfurter Bürgerbüchern 1401–1470

Deutsches Lexem

Namenbeleg

Jahr

Schmied

Conradus Fabri von Weniges

1424

60

Johannes Dringstobe kathedralis Johannes Fabri, sin eiden

1440

157

Henckel Incus35 von Giessen

1411

355

Siibold Incus von Menze und Henne Incus sin vetter

1443

194

Concze Denczer, Maderne eiden, textor

1440

144

Amboss

Weber

Nachweis

Die Nennung des Mainzer Juristen Konrad Humery 1457 als Meister Conradus Homerii und 1459 als Doctor Conrad Homerii (Andernacht & Berger 1978: 267, 347) ist in der Deutung unsicher (Steffens 2019: 118, 270) und bleibt hier deshalb unberücksichtigt. Bei textor handelt es sich offenbar um die Berufsbezeichnung

|| 35 Nach Steffens (2019: 120) zu lat. incūs ‘Amboss’.

Beinamen in mittelalterlichen Urkunden | 25

von Concze Denczer, also vermutlich nicht um einen BeiN/FamN. Die übrigen in Tabelle 7 aufgelisteten Formen zeigen, dass in seltenen Fällen auch im 15. Jahrhundert in einer deutschen Quelle latinisierte Formen von BeiN/FamN erscheinen können. Ob diese Namenformen im Alltag verwendet wurden, bleibt jedoch auch hier unsicher. Laut Bach (21952: 244) sind die Latinisierungen aus mittelalterlichen Urkunden jedenfalls „nicht der Ausgangspunkt der heutigen d[eu]t[schen] F[am]N lat[einischer] Herkunft (Faber, Vietor usw.)“. Die Verwendung von latinisierten FamN auch in deutschsprachigen Quellen wird jedoch in der Literatur bislang nicht thematisiert. Die Untersuchung der Frankfurter Bürgerbücher hat zwar gezeigt, dass der Wechsel vom Lateinischen zum Deutschen einen starken Rückgang von Latinisierungen nach sich zog, weshalb Steffens (2019: 16) festhält: „In den Frankfurter Bürgerbüchern des 15. J[ahr]h[underts] sind die Humanistennamen noch nicht recht greifbar.“ Doch könnte gerade das vereinzelte Vorkommen weniger verbliebener latinisierter BeiN/FamN darauf hindeuten, dass diese über das Mittelalter hinaus verwendet wurden und Eingang in das FamN-Inventar fanden, es sich also bei den noch heute vorkommenden latinisierten FamN nicht in jedem Fall um Bildungen im humanistischen Kontext handelt. Vor diesem Hintergrund ist der Hinweis von Bochenek (2012: 733) zu den substituierten FamN Faber und Molitor gerechtfertigt, dass „[d]ie Übersetzung (...) vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, im Rahmen humanistischer Bildungsbestrebungen des 16.–18. J[ahr]h[underts] [erfolgte]“. Um hier mehr Klarheit zu erhalten, ist eine Untersuchung der Verwendung latinisierter FamN über einen längeren Zeitraum vonnöten, die in Kap. 3.3 anhand von Matrikeldaten vorgenommen wird. Um die Vergabe und Bildung von HumanistenN besser nachvollziehen zu können, wird im Folgenden zunächst die Epoche des Humanismus mit ihren Rahmenbedingungen und Bildungszielen umrissen (Kap. 3.1). Der Anfangszeit der Verwendung von HumanistenN widmet sich Kap. 3.2.

3 Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen 3.1 Humanismus und Humanisten Der bereits mehrfach genannte Begriff Humanismus leitet sich von den zuerst von Cicero so genannten studia humanitatis ab, mit denen dieser u. a. in seiner 62 v. Chr. gehaltenen Rede Pro Archia poeta das Studium von Dichtung, Literatur und Geschichte pries (Mertens 1998: 187).36 In nachantiker Zeit lässt sich dieser Begriff erstmals 1401 in einem Brief des italienischen Gelehrten Coluccio Salutati nachweisen, in dem es heißt: „humanitatis, hoc est eruditiones moralis, studia“37 (zitiert nach Buck 1984: 12). Salutati definierte hiermit ein neues, nicht nur begrifflich an den von Cicero formulierten Idealen orientiertes Bildungsziel, das die Vervollkommnung des Menschen anstrebt. Er war es auch, der „als erster versucht[e], die humanistischen Studien als eine Einheit zu erfassen und ein entsprechendes Studienprogramm aufzustellen“ (Buck 1984: 12). Im Zentrum dieses neuen Studienprogramms standen die Werke antiker Dichter und Philosophen, deren sprachliches und moralisches Vorbild den Menschen erziehen sollte. Wie die Humanistengenerationen nach ihm sprach Salutati die „Wiederentdeckung“ dieser Autoren Francesco Petrarca (1304–1374) zu, der sich bereits in seiner Jugend eingehend mit Cicero beschäftigt und diesen zum sprachlichen Maßstab erhoben hatte (Buck 1987: 137). Die fünf Studienfächer, die den studia humanitatis meist zugeordnet werden, sind Grammatik, Rhetorik, Poesie, Geschichte und Moralphilosophie (Mertens 1998: 188). Diese umfassen also gerade nicht jene Inhalte, die an den höheren Fakultäten der Theologie, Jurisprudenz und Medizin gelehrt wurden. Während der Fokus der an der Artistenfakultät tradierten septem artes liberales nach scholastischer Ausrichtung auf Dialektik und Logik lag, verschob er sich unter humanistischem Einfluss auf Grammatik und Rhetorik. Die Trägersprache dieser humanistischen Bildung war das klassische Latein der Zeit Ciceros und insbesondere das der Werke Ciceros selbst. Die Beherr-

|| 36 Cicero: Pro Archia poeta oratio, Abschnitt 3: „[…] quaeso a vobis, ut in hac causa mihi detis hanc veniam accommodatam huic reo, [… ]ut me pro summo poeta atque eruditissimo homine dicentem, […] patiamini de studiis humanitatis ac litterarum paulo loqui liberius“ (Übers.: [...] bitte ich euch, dass ihr mir in dieser Sache folgende Gunst gewährt, die diesem Angeklagten angemessen ist, […]: Erlaubt es bitte, dass ich, indem ich für den höchststehenden Dichter und den gebildetsten Menschen spreche, […] dass ich über das Studium der Gelehrsamkeit und der Wissenschaften etwas freier rede […]). 37 Übers.: studia humanitatis, das ist die ethische Gelehrsamkeit. https://doi.org/10.1515/9783110744378-003

Humanismus und Humanisten | 27

schung dieses ciceronischen Lateins stellte zugleich ein wichtiges Ziel der Studien dar, denn studia humanitatis bedeutete „für die gesamte humanistische Kommunität ‚studia latinitatis’“ (Barner 1987: 243). Die Perfektionierung der Sprache, die von allen Lebewesen nur dem zur Ausbildung von Kultur befähigten Menschen gegeben ist, nimmt diesem nach dem Verständnis der Humanisten die Animalität. Vor diesem Hintergrund macht die humanistische Bildung „den Menschen erst zum Menschen, erzieht ihn zur vollendeten Gesittung, zur ‚humanitas’“ (Buck 1987: 154). Die Fähigkeit, gut zu reden, bedeutet nach diesem Verständnis zugleich, gut denken bzw. gut leben zu können (Buck 1987: 163). Für einen angeblichen Niedergang der Wissenschaften nach der Antike wurde in der Konsequenz dieser Überlegungen insbesondere auch eine mangelnde Kenntnis der Vermittlersprachen des antiken Wissens verantwortlich gemacht, was zu einem fehlerhaften Verständnis der Texte geführt habe (Buck 1987: 156). Der überlieferte Text, der anhand neuer Handschriftenfunde revidiert und in neuen Editionen publiziert wurde, sowie die Neuausrichtung der lateinischen Sprache an ihrem authentischen antiken Vorbild bekamen einen so großen Stellenwert, dass zahlreiche (wenn auch nicht alle) Wörter, die bei den zum Standard erhobenen Klassikern nicht belegt sind, gemieden wurden (IJsewijn 1978: 74f). Wegen der „dem klassischen Sprachgefühl zuwiderlaufenden Neubildung mit dem Suffix ‚-ista’“ (Buck 1984: 23) verwendeten die Humanisten konsequenterweise auch die Bezeichnung Humanist (bzw. lat. humanista), mit der sie zunehmend versehen wurden, zunächst nicht selbst (Buck 1984: 23). Mit diesem Begriff wurden zuerst an den italienischen Universitäten diejenigen bezeichnet, die die studia humanitatis lehrten, die Ableitung wurde parallel zu bestehenden Bezeichnungen wie jurista (Lehrer der Jurisprudenz) oder artista (Lehrer der septem artes liberales) gebildet (Buck 1984: 23). Der Begriff Humanist geht also auf einen im klassischen Latein nicht belegten Neologismus zurück, der durch Vertreter der anderen Fakultäten geprägt wurde. Ihrem Selbstverständnis und der antiken Überlieferung folgend bezeichneten sich die Humanisten selbst hingegen als poeta (‘Dichter’) oder orator (‘Redner’) (Buck 1984: 23). In der spätmittelalterlichen Feudalgesellschaft bildeten die Humanisten eine ideelle soziale Ordnung, in der das Ansehen nicht von der Abstammung,38

|| 38 Selbst bei herausragenden und unter Intellektuellen hoch angesehenen Humanisten sind alle sozialen Stände vertreten. Beispielsweise gehörte Ulrich von Hutten dem Adelsstand an, Eobanus Hessus und Konrad Celtis stammten aus bäuerlichen Verhältnissen (Bernstein 1998: 52). Dem gehobenen städtischen Bürgertum sind z. B. Willibald Pirckheimer und Konrad Peutinger zuzurechnen (Treml 1989: 150).

28 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

sondern von der persönlichen Hinwendung zur an der Antike orientierten Sprache und Bildung bestimmt wurde (Muhlack 2017: 170): Die Humanisten waren Gelehrte, Schriftsteller, Literaten, Intellektuelle, die allesamt das Ziel einer ‚Wiederentdeckung des Altertums’ verfolgten. Sie bildeten zusammen mit ihren Lesern, mit ihrem ganzen Publikum eine autonome Genossenschaft, eine res publica litteraria, die ihre Einheit in dieser gemeinsamen Zielsetzung und den daraus fließenden Prinzipien hatte. […] Wer diesen consensus teilte, gehörte der humanistischen res publica litteraria an, ganz gleich, welchen Standes oder welcher Profession er war oder aus welchem Land er stammte.

Einen lockeren Zusammenschluss bildeten Humanisten z. B. in sogenannten Sodalitäten (< lat. sodālitās ‘Tischgesellschaft, geheime Verbindung’) oder neugegründeten Akademien nach dem Vorbild der antiken Platonischen Akademie (Matheus 2010: 137), die für die Herausbildung von HumanistenN eine bedeutende Rolle spielten (s. Kap. 3.2). Die Beschäftigung mit lateinischen und griechischen Autoren blieb nicht auf die reine Rezeption beschränkt, vielmehr war ein Humanist jemand, der die Kultur der Antike „zur Richtschnur zunächst seiner Sprache, im Weiteren dann seines gesamten Handelns“ machte (Müller 2010: 118). Das Mittelalter wurde zumeist nicht gänzlich negiert, doch wurde eine weitgehende Wiederherstellung einiger Bereiche der antiken Bildungsgesellschaft angestrebt. Hierzu zählt etwa auch die durch Kaiser Friedrich III. (1440–1493) nach mutmaßlich antikem Brauch jährlich durchgeführte Dichterkrönung eines poeta laureatus (Matheus 2010: 154) oder die Einführung der bereits genannten gelehrten Vereinigungen für den Austausch ihrer Mitglieder. Im Rahmen der ideellen res publica litteraria, der „Gelehrtenrepublik“, verschwamm so die Grenze zwischen der eigenen, die Antike nachahmenden Zeit und der wirklichen, historischen Antike. Dies schlägt sich zunehmend auch im Verhältnis zum eigenen Namen nieder, denn „[d]er Humanist fühlte sich als Bürger des alten Roms und Griechenlands; so hatte er auch Anspruch auf einen lateinischen oder griechischen Namen“ (Strauss 1914: 16). Die Entstehung solcher HumanistenN, die Bedeutung der Dreinamigkeit und das letztliche Ende der Latinisierung und Gräzisierung von FamN werden in Kap. 3.2 anhand einiger ausgewählter historischer Beispiele dargestellt. Hieran schließt sich in Kap. 3.3 eine Untersuchung der weiteren Verbreitung von HumanistenN bei Studenten anhand von Universitätsmatrikeln an. Der Behandlung von HumanistenN in Grammatiken vom Humanismus bis ins 19. Jahrhundert wird in Kap. 3.4 nachgegangen.

Entstehung und Etablierung von Humanistennamen | 29

3.2 Entstehung und Etablierung von Humanistennamen 3.2.1 Die Entstehung von Humanistennamen Wie der Ursprung des Humanismus so liegen auch die ersten Ansätze zur Bildung und Verwendung von HumanistenN in Italien, wo sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Akademien herausbildeten, die sich der Sprache und Literatur der Antike widmeten und in denen nach dem abwertenden Urteil von Kluge (51918: 165) „schwärmerische Phantasten eine tote Vergangenheit wieder beleben wollten“.39 Eine besondere Rolle für die Etablierung von HumanistenN spielte dabei die in Rom gegründete Akademie des Humanisten Julius Pomponius Laetus. Dieser latinisierte nicht nur seinen eigenen PersN, er wählte für sich auch – in Anlehnung an das antik-römische Namensystem (vgl. Kap. 2.1) – drei Namen und vergab offenbar entsprechende Namen an die Mitglieder seiner Akademie, wie Fichardus in seinem 1536 gedruckten Werk Vitae virorum qui eruditione et doctrina illustres fuerunt (Leben berühmter Männer der Gelehrsamkeit und der Wissenschaft) beschreibt (Fichardus 1536: fol. 72v):40 Posthaec [...] maluit Octauius Cleophilus appellari, cum antea Franciscus diceretur. [...] Suasit ita (ut audio) Pomponius, Cuius id peculiare fuit, quod hoc tempore passim usurpari uideo, nomina ad antiquitatem reuocare. (Übers.: Nachher [...] zog er es vor, als Octavius Cleophilus bezeichnet zu werden, wohingegen er vorher Franciscus genannt wurde. [...] So empfahl es (wie ich hörte) Pomponius, dessen Eigentümlichkeit es war, Namen ins Altertum zurückzuführen, wovon ich sehe, dass man es in dieser Zeit überall anwendet.)

Neben dieser unter Papst Paul II. (1464–1471) gegründeten Akademie, die nach einer vorübergehenden Schließung 1468 erneut eröffnet wurde (Matheus 2010: 138), fanden sich ähnliche nicht-institutionelle Zusammenschlüsse in anderen Städten, etwa die wohl bereits 1462 gegründete Akademie des bedeutenden Gräzisten und Platon-Übersetzers Marsilio Ficino (1433–1499) in Florenz (Holmes 1990: 126f; Kühlmann 1994: 387f). Bergerhoff (1918: 7–13) nennt eine Reihe von Umbenennungen in diesen und vergleichbaren Kreisen in Italien, darunter u. a. die des Humanisten Enea Silvio, dessen Latinisierung des eigenen Namens noch in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts fällt (Bergerhoff 1918: 8):

|| 39 Das Interesse der Akademie-Mitglieder galt daneben jedoch auch weiteren Bereichen (s. hierzu Matheus 2010: 141). 40 Diese Textstelle zitiert, mit geringfügiger Abweichung, auch Bergerhoff (1918: 9).

30 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Einer der ersten Träger eines solchen Namens ist der berühmte Humanist und spätere Papst Pius II. (1405–1464) aus dem Geschlechte der Piccolomini, der seinen eigentlichen Namen Enea Silvio auf die lateinische Form Aeneas Sylvius Piccolomineus brachte.

Aufgrund der Anziehungskraft Italiens als Studienort kamen auch Studenten aus anderen Ländern dort mit dem Humanismus in Kontakt. In der Folge verbreitete sich das humanistische Bildungsprogramm in weiten Teilen Europas. Verbindungen deutscher Studenten und Professoren zu italienischen Akademien und Sodalitäten führten zu deren Nachahmung nördlich der Alpen (Dotzauer 1976: 108f). Im deutschen Sprachraum ist die Verwendung des Begriffs studia humanitatis erstmals 1456 nachweisbar.41 In diesem Jahr hielt der Wanderlehrer Peter Luder seine Antrittsrede an der Universität Heidelberg, in der er versuchte, das dortige Kollegium und die Studentenschaft von der aus Italien importierten Bildungsrichtung zu überzeugen, für die ihn Pfalzgraf Friedrich I. an seine Landesuniversität geholt hatte (Barner 1987: 232–233). Nachdem der um 1415 in Kislau im fränkischen Kraichgau geborene Luder 1430 sein Studium in Heidelberg aufgenommen hatte, hatte er sich ab 1434 v. a. in Italien aufgehalten und dort seine Studien u. a. bei dem Humanisten Guarino an der Universität Ferrara fortgeführt. Erst 1456 kehrte er nach Heidelberg zurück, wo er mit der genannten Antrittsrede eine Tätigkeit als Dozent an der dortigen Artistenfakultät aufnahm. Luder selbst führte trotz seines ausgedehnten Bildungsaufenthalts in Italien jedoch noch keinen HumanistenN.42 Rund drei Jahrzehnte nach Luder lehrte der Humanist Rudolf Agricola in Heidelberg. Agricola, der 1443 in der kleinen niederländischen Nordseegemeinde Baflo bei Groningen geboren wurde, war 1456 als Rodolfus Husman an der Universität Erfurt eingeschrieben, 1462 als Rodolfus de Groningen an der Universität Köln.43 Nach seinem Magisterabschluss widmete er sich juristischen Studien in Löwen (ab 1465), die er in Padua (1468) und Pavia (1469–1475) fortsetzte. Auf diese Aufenthalte folgten 1475–1479 intensive humanistische Studien – insbesondere des Griechischen – in Ferrara. Nach verschiedenen Studien- und Lehraufenthalten in Italien und den Niederlanden war er schließlich von 1484

|| 41 Einzelne Bestandteile humanistischer Diskurse italienischer Prägung sind bereits zehn Jahre zuvor an der Universität Köln nachweisbar, wo jedoch noch nicht der Begriff studia humanitatis mit all seinen dargelegten Komponenten in Erscheinung tritt (Mertens 1998: 191). 42 Vgl. die Namenformen im RAG (URL zu Peter Luder: https://resource.database.ragonline.org/ ngXN3O678W741mtvrW8m6Vjm, Aufrufdatum: 30.06.2021). 43 Belege s. Namenbuch (Anhang 1). Rudolf Agricola im RAG: https://resource.database.ragonline.org/ngBR4S072CT81qxPvAaqmZnu, Aufrufdatum: 30.06.2021.

Entstehung und Etablierung von Humanistennamen | 31

bis zu seinem Tod im darauffolgenden Jahr Professor an der Universität Heidelberg, wo er als einer der bekanntesten und bedeutendsten Vertreter des Humanismus außerhalb Italiens eine große Anziehungskraft auf Studenten ausübte. In seiner gesamten erhaltenen Korrespondenz erscheint er – wenn ein FamN genannt wird – als Agricola.44 So ist beispielsweise ein von ihm verfasster Brief an Dietrich von Plieningen vom 5. Dezember 1475 überschrieben mit „Agricola Plinio suo S[alutem]“45 (Leibenguth & Seidel 1994: 194). Er selbst nannte sich in diesem Brief also Agricola, den Empfänger gab er als Plinius an. Die Latinisierung Agricola (zu lat. agricola ‘Bauer’) ist eine Substitution des niederländischen FamN Huisman (zu mnl. huusman, huysman ‘Ackermann, Bauer’, ursprünglich ‘Vorsteher einer ländlichen Haushaltung’) und wird hier nicht mehr nur von einem Schreiber eines Rechtsdokuments verwendet, wie dies in der mittelalterlichen Urkundensprache der Fall war (vgl. Kap. 2.2), sondern vom Namenträger selbst in einem Brief an eine vertraute Person. Der Wittenberger Student Georg Oemler berichtete später in einem Brief an seinen Vater zudem, dass Agricola den FamN seines Briefpartners selbst latinisiert habe (Bretschneider 1836: 210): „Rudolphus Agricola Cancellario Bavarico Pleningero in publicis scriptis tribuit nomen Plinii.“46 Während Agricolas kurzer Lehrtätigkeit in Heidelberg schrieb sich dort Konrad Celtis ein, der als eine der herausragendsten Persönlichkeiten des deutschen Humanismus47 und auch als maßgeblicher Wegbereiter für die Bildung von HumanistenN gilt. Celtis hatte zuvor ab 1478 in Köln sein Grundstudium in den Artes begonnen, wo er als Conradus Pijckell eingeschrieben wurde (Keussen 1919: 48). In den Matrikeln der Universität Heidelberg erscheint er 1484 mit dem latinisierten FamN Celtis48 (Toepke 1884: 377), unter dem er schließlich in wei-

|| 44 Die erhaltene Korrespondenz umfasst 51 von Agricola verfasste und vier an ihn adressierte Briefe im Zeitraum 1469–1485 (Edition des Briefwechsels: van der Laan & Akkerman 2002). Die Adresszeilen können jedoch auch für spätere Abschriften vereinheitlicht worden sein, sodass nicht mit letzter Sicherheit zu klären ist, ob Agricola seinen HumanistenN tatsächlich bereits 1469 nutzte. 45 Übers.: Agricola grüßt seinen Plinius. 46 Übers.: Rudolph Agricola verlieh dem bayrischen Kanzler Plieningen in öffentlichen Schriften den Namen des Plinius (zu diesem Brief s. auch Kap. 3.2.3; zur typologischen Einordnung der Umbenennung des Kanzlers Dietrich von Plieningen in Plinius s. Kap. 4.3). 47 In der Forschung wird Celtis häufig als deutscher „Erzhumanist“ bezeichnet (im Titel etwa bei von Bezold 1883, auf Englisch als „arch-humanist“ bei Spitz 1957; vgl. auch Schuh 2013: 1). 48 Seine Promotion zum Magister an derselben Universität wurde 1485 unter der deutschen Namenform Conradus Bickel de Wyttfelt vermerkt (Toepke 1886: 416). In der älteren Forschung wird der HumanistenN meist als Celtes angegeben, wohl in der Annahme, dieser gehe auf griech. κέλτης (kéltes), abgeleitet von griech. κέλλω (kéllo) ‘vorschnellen, vorwärts eilen’ zu-

32 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

ten Kreisen bekannt wurde. Dieser Latinisierung liegt ein nur singulär überliefertes Wort zugrunde: celte erscheint nur in der Vulgata (Hiob 19,2449) und wird dort als ‘Meißel’ (von Celtis gleichgesetzt mit ‘Spitzhacke, Pickel’) interpretiert (Melchers 1965: 163). Allerdings zeigt Melchers auf, dass es sich hierbei unzweifelhaft um einen auf zwei mittelalterliche Handschriften zurückgehenden Abschreibfehler handelt, der schließlich auch in die ältesten Bibeldrucke gelangte. Andere Handschriften überliefern das korrekte certe ‘sicher, gewiss’, was zu einer anderen Interpretation der entsprechenden Textstelle führt,50 sodass Celtis „nicht ein stolzes hapax legomenon, sondern eine auf Verlesung oder Verschreibung beruhende Unform zur Grundlage seines Humanistennamens gemacht“ hat (Melchers 1965: 163; vgl. hierzu Kemper 1978: 423f sowie bereits Heller 1889: 207–210). Die Verwendung eines mutmaßlichen hapax legomenon verdeutlicht jedoch, mit welchem Selbstverständnis Celtis und einige andere Humanisten bei der Bildung ihres neuen Namens vorgingen (s. hierzu auch Kap. 4.2.8). Es ging dem Dichter dabei offenbar nicht vorrangig um eine einfache „Übersetzung“ des eigenen FamN (das Wort Pickel ließe sich z. B. auch durch lat. dolābra ‘Spitzhacke’ übersetzen), sondern zugleich um eine Demonstration der eigenen Bildung. Ähnlich selbstbewusst im Umgang mit Sprache gestaltete Celtis auch seinen zweiten HumanistenN Protucius, der erstmals 1486 im Titel seiner Schrift Ars versificandi erscheint (Wuttke 1993: 177). Diesem Namen liegt offenbar griech. τύκoς (týkos), τύκιoν (týkion) ‘Meißel’ zugrunde, woran Celtis das Präfix griech. προ (pro) ‘vor’ und das lateinische Suffix -ius anfügte. Hierdurch erweiterte Celtis, der sich als „Bannerträger der humanistischen Bewegung in Deutschland“ sah (Dickerhof 1996: 1104),51 seine Deutung des FamN Bickel als ‘Pickel,

|| rück, was in der Vulgata falsch als lat. sculpo ‘meißeln, bilden’ übersetzt worden sei (s. hierzu richtigstellend Kemper 1978: 423). Demnach wäre über lat. sculpo das Griechische κέλλω (kéllo) ‘vorschnellen, vorwärts eilen’ mit dt. meißeln gleichgesetzt worden, entsprechend die Ableitung κέλτης (kéltes) mit Meißel bzw. Pickel. Eine solche Herleitung wird in der jüngeren Forschung nicht mehr aufgegriffen. 49 Vulgata (Hiob 19,23f): „ut exarentur in libro / stylo ferreo et plumbi lamina, vel celte sculpantur in silice“ (Übers.: ...dass sie in ein Buch geschrieben würden / mit einem eisernen Griffel, und auf Bleitafeln / oder mit einem Meißel [= celte] in einen Fels gemeißelt). 50 Bereits in Luthers Bibelausgabe von 1534 erscheint in der entsprechenden Textstelle kein Wort für Meißel: „...das sie jnn ein buch gestellet würden / mit einem eisern griffel auff bley / vnd zu ewigem gedechtnis jnn einen fels gehawen würden.“ (Digitalisat: Digitale Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, URL: https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/ image/935008438/701/, Aufrufdatum: 30.06.2021). 51 Immer wieder weist Celtis in seinen Werken darauf hin, dass er als erster Nicht-Italiener 1487 zum poeta laureatus gekrönt wurde. Sein Selbstverständnis als Wegbereiter künftiger

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Meißel’ zu „Vor-Pickler, Vor-Meißler“ und hob damit seine beanspruchte „Wegbereiter-Rolle […] konzentriert und plakativ [hervor]“ (Wuttke 1993: 177). Auch die Verwendung von drei Namen nach antik-römischem Vorbild, wie sie in Italien in humanistischen Kreisen bereits praktiziert wurde, untermauert dieses Selbstverständnis (zur Dreinamigkeit in der römischen Antike s. Kap. 2.1, zur Dreinamigkeit im Humanismus s. Kap. 3.2.2). Die Kenntnisse für diese komplexe Bildung, mit der er als einer der ersten Humanisten einen gräzisierten FamN wählte, erwarb Celtis vermutlich in Heidelberg (Wuttke 1993: 176), wobei sein Studium bei Agricola hierfür eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte. Für den Austausch mit Gleichgesinnten und das Vorantreiben humanistischer Ideale in Deutschland etablierte Celtis zahlreiche Sodalitäten in verschiedenen Städten. Die Gründung dieser Vereinigungen unter seiner Leitung, etwa der Sodalitas Litteraria Rhenana in Heidelberg, erfolgte jedoch bezeichnenderweise erst nach seinem Aufenthalt in Italien, bei dem er den akademischen Gedanken „in der Umgebung Marsilio Ficinos bzw. Pomponio Letos bei seinen Besuchen an der florentinischen und römischen Akademie zwischen 1487 und 1489 kennengelernt hatte“ (Klaniczay 1987: 82). Auch die Soldalitas Litteraria Rhenana bezeichnete Celtis zunächst noch – dem italienischen Vorbild folgend – als academia, erst ab 1496 begann sich die Bezeichnung sodalitas durchzusetzen (Lutz 1984: 50). Nachdem Celtis eine Anstellung an der Universität in Wien erhalten hatte, gründete er dort 1487 die Sodalitas Litteraria Danubiana, die über seinen Tod hinaus ihre Wirkung entfaltete (Lutz 1984: 50). Die Verhältnisse in den Sodalitäten, die Verbindungen ihrer Mitglieder und die daraus folgenden Auswirkungen auf deren Namen fasst Roeck (32018: 696f) so zusammen: Man kam zusammen, um zu diskutieren, speiste gemeinsam, spielte Theater. Von Stadt zu Stadt schrieb man einander gepflegte Briefe, besorgte zudem die Veröffentlichung gelehrter Abhandlungen und literarischer Texte. Gleich den Italienern spielten die Deutschen ein wenig Antike. Ihre rauhen Namen unterzogen sie lateinischer Kosmetik: Ein ‚Hund’ wurde ‚Canisius’, ein ‚Krachenberger’ nannte sich ‚Gracchus Pierius’, und Celtis hieß eigentlich Bickel.

Anders als Agricola und Celtis verwendete Johannes Reuchlin seinen HumanistenN Capnio selten, obwohl ihm dieser nach dem Bericht des bereits erwähnten

|| deutscher (lateinischer) Dichter, die den italienischen überlegen seien, drückt sich in der von ihm mehrfach thematisierten Vorstellung eines Übergangs der „Musen“ von den Römern an die Deutschen in Anlehnung an die mittelalterliche Vorstellung der translatio imperii, der Übertragung des römischen Kaisertums, aus (vgl. Mertens 1998: 203–205; Dickerhof 1996: 1104).

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Studenten Georg Oemler in Italien von dem Humanisten Ermolao Barbaro gegeben worden sei und offenbar Reuchlins Leistungen auf dem Gebiet der griechischen Sprache würdigen sollte (Bretschneider 1836: 21152): Cum in Italia esset Reuchlinus, et sonus nominis peregrinus offenderet eruditorum aures, Hermolaus Barbarus iussit ei nomen ferre Capnionis.53 (Übers.: Als Reuchlin in Italien war und der Klang seines fremden Namens die Ohren der Gelehrten kränkte, forderte Hermolaus Barbarus ihn dazu auf, dass er den Namen Capnio tragen solle.)

Capnio beruht auf einer Deutung des FamN Reuchlin als ‘kleiner Rauch’ und ist eine Substitution zu griech. καπνός (kapnós) ‘Rauch, Dunst’, Diminutiv κάπνιον (kápnion) ‘kleiner Rauch’ (Bach 21953: 116). Auch wenn Reuchlin diese Gräzisierung selten verwendete, ist doch belegt, dass er – ähnlich wie Agricola – HumanistenN an seine Schüler vergab. Auch sein Großneffe Philipp Melanchthon, der schon von Zeitgenossen den Ehrentitel Praeceptor Germaniae (Lehrer Deutschlands) erhielt, wurde von Reuchlin umbenannt. Die Gräzisierung Melanchthon setzt sich zusammen aus griech. μέλας (mélas) ‘schwarz’ und griech. χθών (chthón) ‘Erde, Erdboden’; zugrunde lag ihr wohl der FamN Schwarzert, gedeutet als ‘schwarze Erde’.54 Der Vorschlag zu dieser Umbenennung durch Reuchlin, der die humanistische Bildung seines Großneffen maßgeblich förderte, erfolgte 1509 (Bauer 1993: 428). Im selben Jahr begann Melanchthon sein Studium in Heidelberg, wo er im Matrikelbuch noch als Philippus Swartzerd de Brethenn eingetragen ist (Toepke 1884: 472). Erneut unter Vermittlung Reuchlins berief Kurfürst Friedrich III. von Sachsen (1463–1525) Melanchthon als Griechisch-Professor an die Universität Wittenberg. Für den weiteren Ausbau dieser Universität zu einem humanistischen Zentrum spielte || 52 Ein Abdruck des gesamten Briefes mit geringfügigen editorischen Abweichungen findet sich auch bei Kluge (51918: 168–171). 53 Reuchlin nutzte diesen Namen z. B. für einen Selbstauftritt in seinem Werk De verbo mirifico (Das wundertätige Wort, publiziert 1494), in dem sich der Philosoph Sidonius, der Jude Baruchias und der Christ Capnio in Reuchlins Heimatstadt Pforzheim zu einem Gespräch treffen (Rhein 1993: 144). 54 Der FamN Schwarzert, der üblicherweise als Ausgangsform für die Gräzisierung Melanchthon angesehen wird (häufig angegeben als Schwarzerdt), wird als Erweiterung von Schwarzer mit Antritt von -t gedeutet, wie dies in zahlreichen FamN vorkommt (vgl. Kunze & Nübling 2012: 512–531). Ein FamN Schwarzert ist rezent nicht nachweisbar, doch findet sich der Verbreitungsschwerpunkt des identisch entstandenen FamN Weißert im engeren Umkreis um Melanchthons Geburtsstadt Bretten. Zur Ablehnung eines erst später so genannten Schwarzerdhofs bei Bretten als Ursprung des FamN s. Bach (21953: 117).

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Melanchthon eine herausragende Rolle. In Bezug auf die Namengebung gilt er – wie sein Großonkel Reuchlin – als einer der „besonderen Gönner“ (Bach 2 1953: 117) der Latinisierung und Gräzisierung von FamN. So erhielten beispielsweise „Pantaleon Candidus, Mathaeus Irenaeus, Petrus Lotichius, Michael Neander, Zacharias Praetorius und Thomas Raselius von Melanchthon ihre Namen“ (Bergerhoff 1918: 26; zur Vergabe von HumanistenN durch angesehene Humanisten s. Kap. 3.2.3). Ein Austausch über und eine Verwendung von HumanistenN unter Gleichgesinnten konnte außer in den genannten, von Celtis gegründeten Sodalitäten auch in weiteren Zentren des Humanismus stattfinden. Die bekannteste Verbindung dieser Art war der Erfurter Humanistenkreis, der sich Anfang des 16. Jahrhunderts um Mutianus Rufus (eigentlich Konrad Muth) in dessen Haus in Gotha versammelte (Rädle 2002: 114). Hier trafen Professoren und Studenten der Universität Erfurt im außeruniversitären Raum zum Austausch über humanistische Themen zusammen (Wendel 2018: 158). Neben Georg Spalatin, der später ein wichtiger Weggefährte Luthers wurde, gehörten dem Erfurter Kreis zeitweise u. a. bekannte Humanisten wie Eobanus Hessus, Euricius Cordus, Crotus Rubeanus und Ulrich von Hutten an (Rädle 2002: 114; zur Etymologie der HumanistenN Spalatinus und Crotus Rubeanus s. die nachfolgende Auflistung). Laut Bergerhoff (1918: 25) bildete Erfurt dadurch zunächst „das Schwergewicht“ der Bildung von HumanistenN, da hier „die neue Namensitte die üppigsten Blüten trieb“. In Anmerkungen gibt er eine ausführliche Aufstellung dieser und weiterer Beispiele aus dem 15./16. Jahrhundert listenartig wieder.55 In drei systematischen Zusammenstellungen ordnet er HumanistenN nach folgenden Kriterien (Bergerhoff 1918: 32–38): 1. 2. 3.

HumanistenN, die zum ursprünglichen FamN keine oder eine kaum mehr erkennbare Beziehung aufweisen. HumanistenN, die nicht nach dem FamN, sondern nach dem Herkunftsort gebildet wurden. HumanistenN mit lateinischem Suffix und lautlicher Anpassung des FamN.

Es geht Bergerhoff hier offenbar v. a. um eine grobe Einteilung von Gruppen für Beispiele, die er zur Illustration seiner Ausführungen angibt. Eine Auswahl hieraus wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben (die Bezeichnungen der

|| 55 Nach Bergerhoff (1918: 5) handelt es sich hierbei um Auszüge aus einem „Lexikon“ von HumanistenN, das er ursprünglich als zweiten Band seiner Arbeit nachträglich publizieren wollte.

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Gruppen werden an die Terminologie der vorliegenden Arbeit angepasst und um Bergerhoffs Beschreibungen ergänzt):56 1.

Substitution (Bildung von HumanistenN, „indem man sich einen vollständig neuen Namen beilegte, der zu dem früheren wenig oder gar keine Beziehungen hatte, und zu dessen Rechtfertigung man die Gründe oft von recht weit her zu holen wußte“ [Bergerhoff 1918: 20; 32–34, Anm. 3]): *Janus Cornarius (lt. cornus, der Kornelkirschbaum), eigentl. Hagbutt oder Hanbutt,57 geb. 1500, 1542 als Prof. der Med. in Marburg. [...]58 *Joannes Crotus Rubeanus,59 geb. um 1480, Prof. in Erfurt, hieß eigentl. Jäger, weshalb er sich zunächst Venator oder Venatorius nannte. Seit 1509 taufte er sich nach dem Schützen im Sternbild Crotus [...], dazu nach seiner Heimat Dornheim Rubeanus (rubeus, die Brombeere = Dornstrauch). Der Straßburger Prof. *Petrus Dasypodius (1. Hälfte 16. Jhdts.) hieß nicht, wie oft angegeben, Rauhfuß, Rauchfuß, Has, Häslein oder gar Hasenfratz, da er in zeitgenöss. Urkunden „Mag. Petrus Dasypodius oder Hasenfus“ genannt wird. [...] Eine sonderbare Übersetzung seines Namens leistete sich der Bischof von Wien *Friedrich Grau († 1552). Er gelangte über Grau – Greuel – Ekel zu Nausea (lat. nausea, die Seekrankheit). Nach seiner Vaterstadt Weißenfeld nannte er sich auch Blancicampianus. 1514 ist er in Leipzig, 1518 in Italien. *Paulus Constantius Phrygius (Paul Seidensticker [...]), auch Costenzer genannt, Humanist und Theologe, geb. 1483 in Schlettstadt, dachte bei seinem Namen wahrscheinlich an die im Altertum berühmten phrygischen Stickereien. [...] *Gregorius Schmerlin aus Straßburg, 1506 Prof. der Beredsamkeit in Frankf. a. 0. und humanistischer Dichter, nannte sich zunächst Gregorius Aramannus, Torquatius [...]; dann übertrug er den Namen Gregorius (gr.

|| 56 Abkürzungen und Textauszeichnungen der hier wiedergegebenen Auswahl folgen dem Original. Auf die Wiedergabe der zahlreichen bei Bergerhoff (1918) enthaltenen Literaturangaben und erläuternden historischen Zitate (zumeist aus lateinischen Biographien) wird verzichtet (s. hierzu die entsprechenden Textstellen bei Bergerhoff). 57 Der ursprüngliche FamN des genannten Humanisten war Hainbühl, vgl. Namenbuch (Anhang 1). 58 Zu historischen Belegen in Matrikelbüchern s. Namenbuch (Anhang 1). 59 Zu einer Bewertung dieser Umbenennung durch Mutianus Rufus s. auch Kap. 3.2.3.

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γρηγορηω, ich wache) in Vigilantius (lat. vigil, wachend). Nach seinem Familiennamen Schmerlin nannte er sich Bacillarius (lt. bacilla, die Fettbeere) und Arbilla (Fett). Ferner standen ihm noch die Namen Axungia und Publius zur Verfügung. 2.

Nach der Herkunft (Bergerhoff 1918: 34–36, Anm. 4): *Aquilonipolensis (lt. aquilonius, nördlich, gr. πολις, die Stadt). Der lat. Versmacher dieses Namens hieß eigentl. Heinrich Fischer aus Northeim, stud. in Erfurt und seit 1504 in Wittenberg. Er nannte sich zunächst Piscatoris, dann Hamifer (lt. hamus, die Angel), vorübergehend auch Northemensis, bis er zu dem Namen A. gelangte, den er dauernd beibehielt. Monomontanus, ein ganz verschollener Erfurter Humanist, ist der im S. S. 1498 als „Johannes Wabel de Norenberga, poeta entheus“ in Erfurt eingetragene Johann Babel aus Nürnberg. Aquilonipolensis (siehe einige Zeilen weiter oben) und er selbst latinisierten den Heimatsnamen in Monomontanus: nur ein Berg! *Petrus Albinus, eigentl. von Weisse, geb. 1534 in Schneeberg, nannte sich auch Nivemontius, war 1578 Prof. der Poesie in Wittenberg, † als Archivar in Dresden. *Gerhardus Noviomagus, ref. Theologe und Historiker, geb. 1482, nannte sich nach seiner Vaterstadt Nimwegen N. Er hieß eigentlich Geldenhauer, lebte in Wittenberg, Worms und Straßburg, † 1542 in Marburg. Joh. Piomontanus, eigentl. Butzbach, ein humanistisch gebildeter Mönch des Klosters Laach im Anfang des 16. Jhdts., später Prior daselbst, wählte seinen Namen nach seiner Heimat Miltenberg a. Main. [...] *Beatus Rhenanus, eigentlich Bild, geb. 1485 in Schlettstadt, Philol. und Historiker, Sohn eines Fleischers, der nach seiner Heimat Rheinau den Namen Rheinauer erhalten hatte. B. R. lehrte in Schlettstadt und Straßburg. † 1576. *Georg Spalatinus, eigentlich Burkhard, geb. 1482 (84?) in Spalt bei Nürnberg, Humanist und Geschichtsschreiber, nannte sich zunächst Spaltinus, Sphaltinus, oder Norcius. [...] *Iacobus Theodoricus Tabernaemontanus, geb. zw. 1520 und 1530 in Bergzabern, tüchtiger Botaniker, †1590 in Heidelberg als Hofmedicus.

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Erhardus Ventimontanus aus Basel, lehrte seit 1476 in Ingolstadt. Im medizinischen Dekanatsbuch heißt er: „dominus Erhardus Ventimontanus alias Aeolides seu Windsberger.“60 [...] 3.

Suffigierungen mit Anpassungen, wodurch man „einen deutschen Namen gewaltsam in ein antikes Gewand zwängte, wobei die seltsamsten und lächerlichsten Mißbildungen entstanden, die eher einen barbarischen als klassischen Eindruck machten“ (Bergerhoff 1918: 21; 36–38, Anm. 7): *Georg Aemilius, auch Aemylius, eigentl. Oehmler, geb. 1517 in Mansfeld, 1553 General-Superintendent in Stolberg. [...]61 Iohannes Bonaemilius aus Lasphe in Hessen, Fürstbischof in Erfurt, ist dort 1485 als „Mag. Iohannes Bonemilch de Lasphe“ eingeschrieben. [...] *Zacharias Praetorius, Prediger in Eisleben, geb. 1535 in Mansfeld, hieß eigentlich Breiter, sodaß es sich bei seinem Namen, den er Melanchthon verdankt, wahrscheinlich um eine lautliche Angleichung handelt.62 Mathias Flacius, geb. 1520 in Albona a. d. Adria als Sohn des Andreas Vlacich, mit dem aus der Heimat erklärlichen Beinamen Illyricus, stud. 1541 in Wittenberg, wo er als Theologe eine Rolle spielte. Jacobus Manlius, geb. um 1460 in Tübingen, Historiker und Stadtschreiber, später Prof. iur. in Freiburg i. Br., ist dort 1493 als „Mgr. Iacobus Mennel de Brigantia Constant. dioc.“ eingetragen. [...] Johannes Megobachus, eigentl. Meckbach, geb. 1495 in Spangenberg, seit 1516 im Kreise des Hessus in Erfurt, später Prof. med. in Marburg. Casparus Olevianus, geb. 1536 in Trier, ein kalvinistischer Reformator, † 1587, hieß eigentl. von der Olewig. [...] Mathaeus Philocapella, eigentl. Hans Pfyl aus Cappel in Hessen, stud. 1520 als Freund Eobans in Erfurt und war später 40 Jahre lang Prof. philos. in Marburg. Zuweilen nannte er sich auch Capella Philo. [...] Theodoricus Plinius, Dietrich von Pleningen (sic!),63 Ritter zu Schönbeck und Eisenhofen, pfälzischer Kanzler um die Wende des 15. Jhdts. [...]

|| 60 Der BeiN Windsberger hat keinen Bezug zum Herkunftsort, da der genannte Erhardus Ventimontanus aus Basel stammte, wie Bergerhoff selbst angibt. Korrekterweise müsste er deshalb unter 1. aufgeführt werden. 61 Zu dem bereits mehrmals genannten Wittenberger Studenten Georg Oemler s. auch Kap. 3.2.3. 62 Zu historischen Belegen in Matrikelbüchern s. Namenbuch (Anhang 1). 63 Zu Dietrich von Plieningen und seiner Umbenennung durch Agricola s. Kap. 4.3.

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*Urbanus Regius oder Rhegius,64 geb. 1489 in Langenargen am Bodensee, der Reformator des Herzogtums Lüneburg, † 1541. Sein Sohn Ernst gibt in der Biographie seines Vaters (Frankf. 1577) an, der eigentl. Name sei König gewesen. Diese von späteren Biographen nachgeschriebene Angabe ist falsch, denn der Name war ursprünglich Rieger oder Rhieger. [...] *Thiloninus nannte sich der Humanist aus dem Anf. d. 16. Jhdts. Tilemann Conradi aus Göttingen, mit dem Beinamen Philymnus. [...] Janus Tolophus aus Kemnat, Mag. artium und Freund des Celtes, erhielt von diesem seinen Namen. 1472 ist er in Ingolstadt eingeschrieben als „Magister Johannes Tollhopf de Kembnaten“. Diese von Bergerhoff zusammengetragenen biographischen Angaben verdeutlichen die enorme Bandbreite sowie den individuellen Assoziationsspielraum, mit dem HumanistenN im 15./16. Jahrhundert kreiert werden konnten (s. hierzu auch Kap. 4.2.8), aber auch die oft anekdotischen Herleitungen der Namen bekannter Humanisten, die sich leicht erweitern ließen und teilweise zu einer Mythenbildung beitrugen.65 In dieser Phase waren humanistisch beeinflusste Namenbildungen noch – wie an einigen Beispielen ebenfalls abzulesen ist – flexibel bezüglich der Nutzung und einer Weiterentwicklung der Form. Von den hier genannten historischen HumanistenN finden sich unter rezenten FamN nur noch die folgenden: Cornarius, Venator, Albinus, Aemilius, Praetorius, Plinius, Regius. Dass ein Humanist zeitweise einen latinisierten oder gräzisierten Namen trug, bedeutet folglich nicht, dass dieser auch als FamN fixiert und weiter tradiert wurde. In den ersten Humanistengenerationen scheint der neu erworbene Name noch ganz mit der eigenen Identität verbunden zu sein, wie etwa das Beispiel des oben genannten Crotus Rubeanus zeigt. Dieser war 1520 Rektor der Universität Erfurt und erscheint im dortigen Matrikelbuch als Ioannes Crotus Rubianus (Weissenborn 1884: 317). Im selben Jahr ist sein Neffe, dem durch den Einfluss des Onkels die anfallende Gebühr erlassen wurde, als Hermannus Jeger de Dornheim an dieser Universität eingeschrieben (Weissenborn 1884: 320).66 Obwohl die Verwandtschaftsbeziehung im Matrikel-

|| 64 Zu historischen Belegen in Matrikelbüchern s. Namenbuch (Anhang 1). 65 Vgl. hierzu die bei Bergerhoff zu einigen der genannten Personen zitierten Textstellen aus historischen Biographien. 66 „Hermannus Jeger de Dornheim gratis inscriptus benevolentia rectoris, cuius nepos est e fratre“ (Übers.: Hermann Jeger aus Dornheim, gebührenfrei eingeschrieben durch das Wohlwollen des Rektors, dessen Neffe väterlicherseits er ist).

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buch unmissverständlich hergestellt ist, fand in diesem Eintrag keine Übertragung des HumanistenN auf ein Familienmitglied statt, das denselben FamN (Jeger) trug und aus derselben Gemeinde (Dornheim) stammte. Doch waren die genannten humanistischen Kreise, auf die sich die ältere Forschung meist konzentriert, von großer Bedeutung für die Akzeptanz und Durchsetzung solcher Umbenennungen. Wie einige weitere der von Bergerhoff zusammengetragenen Beispiele außerdem zeigen, gab es insbesondere unter den frühen Trägern von HumanistenN eine Tendenz zum Führen von drei Namen, wie sie neben Johannes Crotus Rubeanus u. a. bereits Julius Pomponius Laetus und Konrad Celtis Protucius verwendeten. Da das Thema Dreinamigkeit im Zusammenhang mit HumanistenN bereits mehrfach genannt wurde und in der Forschung mit Konrad Celtis in Verbindung gebracht wird, wird es im Folgenden gesondert behandelt.

3.2.2 Das Dreinamensystem der Humanisten Mit der Gründung von Sodalitäten, in denen an mehreren Orten ein humanistischer Austausch stattfand, stellte Konrad Celtis außeruniversitäre Räume her, in denen auch HumanistenN verwendet und unter Gleichgesinnten erprobt und diskutiert werden konnten (s. Kap. 3.2.1). Im Bereich der Namengebung wird seine maßgebliche Rolle jedoch insbesondere in der Etablierung der Dreinamigkeit nach römischem Vorbild in deutschen Humanistenkreisen gesehen: Eine Besonderheit der Namengebung aber lag dem Celtes besonders am Herzen. Es ist die Dreinamigkeit. Indem er sie selbst nach italienischem Vorbilde mit seinem Namen Conradus Protucius Celtes einführte, stellte er für alle Humanisten den Typus des wahren Gelehrtennamens auf und formulierte das Gesetz: ‚poetas esse trinomines’, welches bis ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts seine Wirkung ausübte. (Bergerhoff 1918: 22)

Dieses von Bergerhoff genannte „Gesetz“ – „poetas esse trinomines“ (Dichter sollen dreinamig sein) – wurde in der onomastischen Literatur immer wieder wörtlich aufgegriffen, z. B. von Bach (21953: 116): Weithin hängt man der in der Völkerwanderung untergegangenen lat[einischen] Dreinamigkeit [...] an. Von Celtes stammt der Satz: Poetas esse trinomines.

Mit dieser vermeintlichen programmatischen Forderung wurde Celtis zum Initiator der Einführung der Dreinamigkeit in humanistischen Kreisen stilisiert, der den „Typus des wahren Gelehrtennamens“ aufgestellt habe und „dessen Ein-

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fluß auf die Namengebung nicht zu unterschätzen ist“ (Bergerhoff 1918: 22). Mit der Aufforderung an die (gelehrten) Dichter67 seiner Zeit, drei Namen zu führen, was offenbar zahlreiche Humanisten befolgten,68 ließe sich tatsächlich eine eindeutige normative Hinwendung zum Namensystem der römischen Antike feststellen (vgl. Kap. 2.1) und somit ein Programm zur Bildung von HumanistenN rekonstruieren, was einen einmaligen Glücksfall in der FamN-Forschung darstellen würde. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass der Einfluss Konrad Celtis’ auf die Entstehung von HumanistenN – ganz im Gegenteil – zweifellos überschätzt wurde. Laut Melchers (1965: 160) findet sich das kurze CeltisZitat in der Forschungsliteratur zuerst bei Kluge (51918: 166), der Bergerhoffs Dissertation Humanistische Einflüsse in den deutschen Familiennamen betreute und von diesem immer wieder als Quelle genannt wird (vgl. Bergerhoff 1918: 25, 26, 29, 40). Dabei übersieht Melchers jedoch, dass sich diese Textstelle bei Kluge in einem langen Zitat aus einer Arbeit Kampschultes zur Geschichte der Universität Erfurt befindet (Kampschulte 1858: 62f). Dieser wiederum führt für diese vermeintliche Schlüsselaussage zur humanistischen Namengebung keine Quelle an. Bei ihm heißt es lediglich zur Annahme eines HumanistenN durch den Dichter Helius Eobanus Hessus (Kampschulte 1858: 63): Eoban gab sich, um der Anforderung des Celtes zu genügen, daß ein Dichter drei Namen haben müsse, den prunkvollen Namen Helius Eobanus Hessius (sic!).

In einer Fußnote zu dieser Behauptung gibt er die genannte „Anforderung“ schließlich in der lateinischen Formel „Poetas esse trinomines“ wieder (Kampschulte 1858: 63, Anm. 4). Nach der mühsamen Suche nach diesem völlig aus dem Kontext gerissenen Zitat in Celtis’ Werken stellt Melchers (1965: 160f) zunächst fest, dass es sich dabei offenbar nicht um ein wörtliches Zitat, sondern bereits um eine Interpretation handelt. Denn ein kurzes Gedicht des Humanisten behandelt zwar das Thema Dreinamigkeit, doch enthält dieses nicht die Aussage „Poetas esse tri-

|| 67 Als poeta bezeichneten sich auch die humanistischen Dozenten. Überhaupt gehören die Bezeichnungen Gelehrter und Dichter nach humanistischem Verständnis zusammen, denn wer gelehrt (lat. litteratus) ist, muss sein Wissen nach dieser Vorstellung in formvollendeter Sprache ausdrücken können. Schon diese Fähigkeit selbst ist Teil der Bildung, denn Rhetorik und Poesie wurden von den Humanisten auch mit dem Ziel der Anwendbarkeit gelehrt (vgl. Kap. 3.1). Wenn hier von „poetas“ die Rede ist, sind also vermutlich nicht nur Dichter im engeren Sinn gemeint. 68 Vgl. z. B. die in Kap. 3.3.2 genannten Humanisten Joannes Crotus Rubeanus und Paulus Constantius Phrygius oder Belege wie Caspar Ursinus Velius im Namenbuch (Anhang 1).

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nomines“, sondern es ist überschrieben mit „Quare poetas trinomines“ (Warum Dichter drei Namen haben sollten):69 Quare poetas trinomines Quisquis adoptivo ingenuus cognomine gaudet Huic tria dat vati philosophia triplex Ex more imponens cognata vocabula rebus; Trinus enim numerus cuncta sub orbe regit. Et divinare est nomen imponere quod sit Fortunae aut morum vel necis iudicium.

Eine andere Aussage des Dichters zu diesem Thema konnte Melchers hingegen nicht finden und sie wird auch von keinem der Autoren angegeben, die das Celtis-Zitat verwenden. Das zuerst bei Kampschulte erscheinende „Zitat“ dürfte in dieser Form also gar nicht von Celtis selbst formuliert worden sein. Dennoch hat es die Beschäftigung mit HumanistenN nachhaltig geprägt und zu der Vorstellung eines durch Celtis vorangetriebenen Namenprogramms geführt. Aus dem kurzen Gedicht „Quare poetas trinomines“ geht jedoch deutlich hervor, dass sich dieser Text gerade nicht auf die antike römische Dreinamigkeit bezieht, wie sie in Italien in Gelehrtenkreisen im 15. Jahrhundert wieder aufkam (s. Kap. 3.2.1). Es steht außer Frage, dass Celtis bei seiner Studienreise im Austausch mit anderen Humanisten mit dieser Form der Dreinamigkeit in Kontakt kam, doch sein Gedicht handelt nicht von Dichtern und Philosophen des antiken Rom oder von italienischen Humanisten, die deren Namengebung übernahmen, sondern von der „Philosophia Triplex (auch Triformis) der Platoniker und Neuplatoniker“ (Melchers 1965: 161), nach der die Welt dreiteilig aufgebaut ist,70 weshalb die Dreizahl alles „regiert“. Der Dichter Celtis bindet die Namengebung also in dieses Weltverständnis ein und kommt zu dem Schluss, dass der

|| 69 Die Wiedergabe folgt der Edition von Pindter (1945: 19). Übers. (nach Melchers 1965: 161): Warum Dichter drei Namen haben sollten Wer als gelehrter Mann einen Sondernamen sich zulegt, Dreierlei gibt ihm dazu dreifache Philosophie, Die die Dinge seit jeher mit dem wahren Namen bezeichnet; Denn die Dreizahl regiert alles doch hier in der Welt. Und benennen bedeutet zugleich erahnen, was etwa Glück und Charakter dir oder der Tod dir bestimmt. 70 Celtis unterscheidet hier wohl – seinem auch an anderen Stellen eingebrachten Verständnis der philosophia triformis entsprechend – zwischen Wissensfeldern die 1. die Elemente, 2. den Menschen und 3. die Metaphysik betreffen (vgl. Robert 2003: 121–123).

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gebildete Dichter71 folgerichtig auch seinem eigenen Namen die Dreizahl zugrunde legen sollte. Er „fordert“ also nicht, zum römischen Vorbild der Dreinamigkeit zurückzukehren, sondern reflektiert über die Namengebung als Bestandteil der Welt und gleicht sie einem philosophischen Grundsatz an, der drei Namen als natürlich erscheinen lässt, als logische Konsequenz aus der Tatsache, dass auch die Welt selbst dreiteilig aufgebaut ist. So erklärt es sich, weshalb gerade die Gelehrten, denen dieses philosophische Prinzip bekannt sein sollte, drei Namen haben sollten. Zudem stellt Ryan (1982: 181) fest, dass sich eine ausgeprägte Zahlensymbolik in zahlreichen Celtis-Werken findet: „Within that circle of early German humanists, none was more fascinated by mathematics, astronomy, geography, and by cosmological significance of number, than Celtis.“ Eine Verwendung sinngebender Zahlen ist bei ihm also ein wiederkehrendes Motiv bei verschiedenen Themen. Doch auch den möglichen Einfluss dieser Verse zieht Melchers (1965: 162) zurecht in Zweifel, denn es handelt sich bei dem Gedicht zur Dreinamigkeit nicht um einen Ausschnitt aus einem bekannten Werk des Dichters, sondern um ein eher randständiges Epigramm. In der von Pindter herausgegebenen Edition ist es in einem als „Appendix“ gekennzeichneten Zusatz zu Celtis’ Rhapsodia beigefügt (Pindter 1945: 19). Es ist äußerst fraglich, ob dieser Text eine derart programmatische Wirkung auf die Gelehrtenwelt ausüben konnte, wie es die Forschung lange Zeit annahm. Die dennoch gerade in den älteren Humanisten-Generationen häufig praktizierte Dreinamigkeit hat ihren Ursprung also kaum in einer bewussten, normativen Programmatik, die einer bestimmten Autorität als Impulsgeber zuzuschreiben ist. Vielmehr erklärt sie sich aus den genannten Studienaufenthalten zahlreicher Studenten in Italien, wo diese Art der Namengebung nach antikrömischem Vorbild bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in humanistisch gesinnten Kreisen aufkam und in den Akademien in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weite Verbreitung fand, ohne dass sie in einem auffordernden Text ausformuliert werden musste. Konrad Celtis und zahlreiche andere einflussreiche Humanisten griffen die Dreinamigkeit auf und nutzten sie auch nördlich der Alpen, wo sie sich u. a. im in Kap. 3.2.1 erwähnten Erfurter Dichter-

|| 71 Zusätzlich bringt von Bezold (1883: 17) die Dreinamigkeit mit der Beherrschung der drei heiligen Sprachen, die im Humanismus hoch angesehen war, in Verbindung: „Diese Dreizahl hängt mit der dreifachen Begabung des Dichters zusammen, wie ja der Humanist als trilinguis die drei heiligen Sprachen, Latein, Griechisch, Hebräisch, als triformis philosophiae doctor die dreifache platonische Philosophie beherrschen soll.“

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kreis großer Beliebtheit erfreute.72 Doch wurde sie bereits nach wenigen Jahrzehnten nicht mehr praktiziert, wie auch Bergerhoff (1918: 22) feststellt. Möglicherweise scheiterte sie an der bereits allgemein etablierten Zweinamigkeit oder einem insgesamt nüchterneren Blick auf die Antike im stärker institutionalisierten Fortwirken des Humanismus (vgl. Kap. 3.2.4). Auch namhafte Gelehrte jüngerer Generationen wie Philipp Melanchthon gaben sich keinen dritten Namen mehr.

3.2.3 Humanistennamen als Teil der Identität Die meisten Humanisten bewegten sich in zwei unterschiedlichen Realitätsräumen mit je eigenen sozialen Regeln. Der humanistischen Gelehrtenwelt, die sich für die Antike und deren kulturelle Errungenschaften begeisterte (s. Kap. 3.2.1), stand eine nüchterne Alltagswelt gegenüber, die mit stilistischen Raffinessen und literarischen Anspielungen wenig anzufangen wusste (Müller 2018: 468). Während sprachliche Referenzen im Namengebrauch für die Gesellschaft außerhalb humanistischer Kreise folglich ein unverständliches, prunkendes und mithin lächerliches Unterfangen blieben, spielten sie innerhalb dieser Kreise eine bedeutende Rolle. Über diese Diskrepanz berichtet etwa der Augustiner-Chorherr Rutger Sycamber, der seinen HumanistenN von dem Sponheimer Abt Johannes Trithemius in Anlehnung an seinen Geburtsort Venray im Raum zwischen Niederrhein und Maas erhalten hatte, wo nach Julius Caesar in der Antike die Sugambrer siedelten (Müller 2010: 132). Anders als in humanistischen Kreisen werde dieser Name in seinem unmittelbaren Umfeld jedoch nicht verstanden, so Sycamber, weshalb er ihn immer wieder erläutern müsse und verspottet werde (Müller 2010: 132). Reaktionen dieser Art von außerhalb der engen humanistischen Sphäre wurden auch dem Vater des Wittenberger Studenten Georg Oemler zugetragen, der seinen Sohn warnte, dass er sich diesem Gespött aussetze, wenn er statt seines FamN Oemler den latinisierten Namen Aemilius weiterhin verwende, wie der Sohn in seinem Antwortschreiben zusammenfasst (Bretschneider 1836: 208): Scribis enim et a gravibus viris hanc mutationem nominis serio taxari, et dicaces quosdam nactos esse materiam ludendi et deridendi mei.

|| 72 Vgl. Namen von Mitgliedern wie Conradus Mutianus Rufus, Helius Eobanus Hessus, und Joannes Crotus Rubeanus (Bergerhoff 1918: 23).

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(Übers.: Denn du schreibst sowohl, dass dieser Namenwechsel von angesehenen Männern ernsthaft getadelt wird, als auch, dass einige Witzelnde eine Gelegenheit gefunden haben, zu scherzen und mich auszulachen.)

Georg Oemler rechtfertigte seinen HumanistenN Aemilius, doch wies er auch darauf hin, dass dieser Name allein zur Verwendung im Lateinischen gedacht sei („cum inter latine loquendum esset utendum latina forma vocis Ohmler“,73 Bretschneider 1836: 209). Im deutschsprachigen Kontext hingegen verwende er weiterhin seinen nativen FamN. Für Bernstein (1998: 53) manifestiert sich in der Verwendung von HumanistenN einer der maßgebenden Faktoren, der aus individuellen Humanisten eine Einheit mit einer gemeinsamen Gruppenidentität („group identity“) schafft. Sie stellten nach außen eine Abgrenzung dieser Gruppe zu einer „barbarischen“ Welt dar, der diese Namen fremd blieben, und dienten nach innen als Erkennungszeichen für die Zugehörigkeit und ein Bekenntnis zu dieser Gemeinschaft (Müller 2018: 461). Während sich die mit der Geburt beginnende Identität auf die Herkunft und mit dem FamN explizit auf eine genealogische Abstammung gründet, drückt ein HumanistenN folglich die Annahme einer zweiten Identität aus, deren Grundlage die Beherrschung der klassischen Sprachen und das persönliche Verhältnis zur antiken Kultur ist, was im HumanistenN einen symbolischen Ausdruck findet (Bernstein 1998: 54). Damit zeigt sich bereits im Namen offenkundig „die Andersartigkeit von Lebensentwurf und geistigem Profil des Gelehrten im Vergleich zu anderen Ständen“ (Treml 1989: 150). In Kap. 3.1 wurde bereits erwähnt, dass die humanistische Bildung mit ihrer Erziehung zur gehobenen Sprache nach dem Verständnis der Humanisten dem Menschen das Animalische nimmt. Dieses Verständnis wird auch auf den HumanistenN übertragen. Besonders bildhaft formuliert dies Mutianus Rufus, die zentrale Gestalt des Erfurter Humanistenkreises, in einem Brief an seinen Mitstreiter Crotus Rubeanus von 1513, in dem er ironisch überspitzt anmerkt (Gillert 1890: 1,344): Postquam vero renatus es et pro Iheger Crotus, pro Dornheim Rubianus salutatus, ceciderunt et aures prelonge et cauda pensilis et pilus impexus [...]

|| 73 Übers.: „[...] weil während des Lateinischsprechens eine lateinische Form der Aussprache Ohmler zu gebrauchen ist.“ Zur Einordnung dieses Briefes s. auch Kluge 51918: 171f; Bergerhoff 1918: 26f.

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(Übers.: Nachdem du nun wirklich wiedergeboren bist und du statt mit Jäger mit Crotus, statt mit Dornheim mit Rubianus begrüßt wirst, sind auch die langen Ohren, der hängende Schwanz und das raue Haar abgefallen.)

Während HumanistenN in der außerhumanistischen Welt belächelt wurden, zeigt sich der umgekehrte Fall in humanistisch gesinnten Gelehrtenkreisen, in denen ein nativer FamN als unwürdig empfunden werden konnte. Da der FamN von Adam Bub „lächerlich für einen Mann“ sei („Cognomen hominis ridiculum est“, Gillert 1890: 2,21f), habe Mutianus Rufus „aus Pub Publius gemacht“ („feci ex Pub Publium“, Gillert 1890: 2,21f; s. auch Müller 2018: 466). Für das Sprachempfinden der Humanisten konnte auch die Lautstruktur eines deutschen FamN offenbar Unbehagen auslösen, wie der Brief Oemlers an seinen Vater dokumentiert, in dem es u. a. heißt, der Klang des fremden Namens Reuchlin habe die Ohren der Gelehrten in Italien gekränkt (vgl. Kap. 3.2.1). Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet auch der Gelehrte Thomas Platter, der um 1517 den Unterricht von Johannes Sapidus in Schlettstadt besuchte, in seiner Autobiographie (Fechter 1840: 33): Uff ein tag laß Sapidus sine discipulos, sprach: ich hann vill barbara nomina, ich muß ein mall ein wenig latinisch machen. Hernach laß ers aber, do hatt er mich uffgeschriben erstlich Thomas Platter, min gsellen Antonius Venetz; die hat er vertiert Thomas Platerus, Antonius Venetus, und sprach: wär sind die zwen? Do wier uffstunden sprach er: pfüdich sind das so zwen rüdig schützen und hand so hüpsch namen!

Platters Erinnerung zufolge latinisierte der Lehrer hier die Namen seiner Schüler, weil diese in seinen Augen „barbara nomina“ (ungebildete Namen) trügen, was er für seinen Unterricht offenbar als unpassend empfand. Einige weitere Beispiele für die Vergabe von HumanistenN durch Gelehrte aus dem humanistischen Spektrum wurden in Kap. 3.2.1 bereits erwähnt. Für diese Art der Umbenennung verwendet Rentenaar (2002: 162) den Begriff „Fremdbenennung“, wovon er die „Selbstbenennung“ unterscheidet, bei der Schüler oder Studenten selbst einen HumanistenN für sich auswählten. Anders als in dem Bericht Platters, nach dem die Schüler in Schlettstadt einen eher moderat latinisierten FamN durch den Lehrer aufgezwungen bekommen haben sollen (vgl. hierzu die Empfehlungen für Lehrer von Hauerius in Kap. 3.4), war es für Schüler und Studenten üblicherweise eine besondere Auszeichnung, einen HumanistenN „verliehen“ bekommen zu haben. Zeugnisse für solche Verleihungen finden sich allerdings eher selten. Gelegentlich sind in Korrespondenzen zwischen Humanisten Anfragen erhalten, in denen um eine Latinisierung oder Gräzisierung des eigenen FamN gebeten wurde. So dankte Johannes Krachenberger in einem Brief vom 19. Februar 1493 dem Humanisten

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Reuchlin dafür, dass er ihn in einem Brief an Pietro Bonomo erwähnt und ihm den Ehrennamen Amphion74 beigelegt habe (Dall’Asta & Dörner 1999: 182). Nun bat er Reuchlin darum, ihm einen gräzisierten Namen zu geben, „quo honestius in Latinis literis quam barbaro hoc uti possem“75 (Dall’Asta & Dörner 1999: 182). Reuchlins Antwort auf Krachenbergers Anfrage ist nicht erhalten, doch verwendete letzterer erstmals in einem Brief an Konrad Celtis am 20. August desselben Jahres den gräzisierten Namen Gracchus Pierius:76 „Johannes Graccus Pierius Conrado Celtis, praeceptori suo charissimo, salutem“77 (Rupprich 1934: 113). Im Allgemeinen handelte es sich bei einer solchen „Verleihung“ eines HumanistenN also nicht um einen offiziellen Akt. Sie konnte auch ganz beiläufig geschehen, wie Reuchlin etwa den Mönch Nikolaus Ellenbog in einem Brief als Cubitus ansprach (zu lat. cubitum, cubitus ‘Ellenbogen; Unterarm’), was dieser dann als latinisierten FamN übernahm (Müller 2018: 464). Dabei handelt es sich stets um eine „Geste des humanistisch Arrivierten gegenüber dem Adepten“ (Müller 2018: 464), die innerhalb humanistischer Kreise ein hör- und sichtbares Symbol für die Aufnahme in diese Gemeinschaft war. Kraft der Autorität und des Ansehens, die vom Namengeber ausgingen, war dieses Symbol, das Müller (2010: 132) mit einem „Ritterschlag“ vergleicht, gleichsam ein kaum anfechtbarer Nachweis für die Aufnahme in die humanistische Gelehrtenwelt. Diese auf den Namenschöpfer projizierte besondere Legitimation des HumanistenN führte jedoch auch dazu, dass es eine höhere Verbindlichkeit für die

|| 74 In der griechischen Mythologie ist Amphion der Sohn der Antiope und des Zeus. Er gilt als Erfinder der Musik und Förderer musischer Bildung (Dall’Asta & Dörner 1999: 183). Der Zusammenhang zu Krachenberger findet sich jedoch in der Ars poetica von Horaz, in der es heißt, dass Amphion, Gründer der Stadt Theben, durch den Klang seiner Leier die Steine bewegt habe – „und nun muss man sich offenbar dazu denken, daß er zu diesem Zweck die Berge hat bersten lassen“ (Rädle 2003: 270). 75 Übers.: ...den ich ehrenvoller in lateinischen Briefen als diesen fremden [= den FamN Krachenberger, D.K.] benutzen kann. 76 Pierius ist eine Anlehnung an den Musenvater Pierus (Bergerhoff 1918: 9). Schon der italienische Gelehrte Giovanni Pietro Valerio Bolzani wurde von seinem Lehrer Marcus Antonius Sabellicus in Joannes Pierius Valerianus umbenannt (Bergerhoff 1918: 9). Pierius ersetzt hier also Pietro < Petrus, abgeleitet von griech. πέτρα (pétra) ‘Fels’ (zum RufN s. Kohlheim & Kohlheim 52016: 328f). Die Kombination mit Gracchus ist wohl nicht nur in lautlicher Anlehnung an das Erstglied Krachen- gewählt, sondern verweist zusätzlich auf die gleichnamige römische Gens. Nach Müller (2018: 465) referiert dieser gesamte HumanistenN „auf ihn als den Gracchen, der zu den Musen gehört, [...] die nach Cicero von den Dichtern Pieriae genannt wurden (De natura deorum 3,54)“. 77 Übers.: Johannes Graccus Pierius grüßt Conradus Celtis, seinen liebsten Lehrer.

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Verwendung des neuen Namens gab – durch den Umbenannten selbst ebenso wie durch andere Humanisten. Auch dieses Argument führte Oemler als Grund dafür an, dass er sich weiterhin im lateinischen Kontext Aemilius nennen werde, denn dieser HumanistenN sei ihm von Philipp Melanchthon verliehen worden („appellationem Philippus mihi indidit“,78 Bretschneider 1836: 208). Wie sehr eine solche „Fremdbenennung“ mit der neuen Identität einer Person verbunden war, wenn der Namengeber einen besonderen Rang unter den Humanisten innehatte, verdeutlicht ein Brief von Johannes Cochlaeus, der eigentlich Dobneck hieß, an Erasmus von Rotterdam von 1529. Darin berichtete Cochlaeus, dass er diesen HumanistenN gewiss nicht liebe, aber nicht sehe, wie er ihn ändern könne, weil er ihm in Köln durch den Dichter Remaclus verliehen worden sei.79 Seine Abneigung gegen den ihm zugedachten HumanistenN liegt darin begründet, dass diesem lat. coclea, cochlea ‘Schnecke’ zugrunde liegt, was Remaclus wiederum aus seinem Herkunftsort Wendelstein bei Nürnberg abgeleitet habe, denn einen Wendelstein (einen runden Treppenturm) nenne man auch Schnecke80 (s. hierzu auch Rentenaar 2002: 163). Dass Beispiele für „Selbstbenennungen“ nicht ähnlich gut dokumentiert sind wie die für „Fremdbenennungen“, liegt vermutlich daran, dass diese nicht in ähnlicher Weise Prestige im eigenen Lebenslauf versprachen und Anfragen oder „Verleihungen“ in Briefen oder Berichten wegfallen, sodass sich die eigentliche Namenfindung und Umbenennung der Schriftform entzog. In der humanistischen Korrespondenz finden sich jedoch vereinzelte Reflexionen über FamN, in denen die persönliche Wahl eines HumanistenN begründet wird, etwa in einem Brief von Heinrich Euticus (eigentlich Geratwol81) an Konrad Celtis von 1492, in dem Euticus erläutert (Rupprich 1934: 48; vgl. Treml 1989: 149): De nomine meo sive Eutichium integrum polysyllabum sive (quod meis semipaganis auribus resonantius foret et versu minus rebelle) perpetuamque syncopen Euticum (ut lubet) facito.

|| 78 Übers.: diesen Namen gab mir Philippus. 79 „et certe nomen hoc non amo, neque tamen video, quomodo mutare queam: inditum est mihi Coloniae olim a Remaclo poeta“ (zitiert nach Bergerhoff 1918: 36) (Übers.: ...und gewiss mag ich diesen Namen nicht, doch sehe ich nicht, wie ich ihn wechseln kann: Er ist mir einst in Köln von dem Dichter Remaclus gegeben worden). Gemeint ist Remaclus Arduenna (gest. 1524). 80 „nam patria mea prope Nurenbergam vocatur Wendelstein, hoc est cochlea“ (zitiert nach Bergerhoff 1918: 36) (Übers.: ...denn meine Heimatstadt bei Nürnberg wird Wendelstein genannt, das heißt Schnecke). 81 In Wien ist Euticus 1480 eingeschrieben als Mag. Henricus Gratwol arcium et medicine doctor (Gall & Szaivert 1959a: 175).

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(Übers.: Aus meinem Namen habe ich Eutichius, wie es in der vollen Silbenzahl heißt, oder aber verkürzt und zum anständigen Gebrauch Euticus gemacht [was in meinen halbbäurischen Ohren besser widerhallt und weniger widerspenstig klingt].)

Bei den meisten Studenten ist eine Umbenennung vermutlich erstmals mit der Dokumentation der Immatrikulation an einer Universität nachweisbar. Die im 16. Jahrhundert feststellbare enorme Zunahme von Latinisierungen und Gräzisierungen bereits beim Antritt des Studiums, zudem nach sich zunehmend festigenden Schemata (vgl. Kap. 3.3), spricht jedoch dafür, dass „Selbstbenennungen“ der Normalfall gewesen sein dürften. Nach Müller (2018: 468) zeigt sich hierin ein persönliches Streben, Teil der humanistischen Bildungswelt zu sein, denn „[d]er Wunsch dazuzugehören war sicher stärker als die Geduld auf Auszeichnung zu warten“. Ein HumanistenN, der durch einen namhaften Gelehrten verliehen wurde, ist somit als eine wertvolle Ausstattung in der humanistisch geprägten Bildungswelt anzusehen, auf die die meisten Studenten keinen Zugriff hatten. Für einfache, weniger exklusive Latinisierungen und Gräzisierungen wie Fuchsius, Molitor, Sartorius oder Neander bedurfte es hingegen nicht der sprachlichen Versiertheit eines herausragenden Humanisten sowie dessen Autorität zur Legitimation einer schwer deutbaren Namenform. Zum Austausch über einen derartigen selbst gewählten HumanistenN kann es z. B. auch im näheren Umfeld gekommen sein – etwa mit Mitschülern, Kommilitonen, Familienmitgliedern, die an höherer Bildung teilhatten, oder dem Lehrer oder Pfarrer der eigenen Schule oder Pfarrgemeinde, von denen viele selbst einen latinisierten FamN trugen.82 Auch für in humanistischen Kreisen bereits anerkannte Persönlichkeiten bedeuteten Berichte darüber, für gewisse sprachschöpferische Gefälligkeiten wie die Verleihung eines geeigneten HumanistenN zurate gezogen worden zu sein, vermutlich einen zusätzlichen Bedeutungsgewinn innerhalb dieses Umfelds. Der Namengeber gehörte hierdurch einem kleinen exklusiven Kreis an, der mit Angelegenheiten dieser Art überhaupt betraut wurde. Neben der Bitte um einen geeigneten FamN betrafen solche Anfragen auch andere Bereiche der

|| 82 Einen Überblick über die Namen der Pfarrer und Schulmeister im protestantischen HessenDarmstadt bietet beispielsweise Diehl (1923). Für die Stadtkirche in Darmstadt gibt er seit der Einführung der Reformation in Hessen 1526 bis zum Ende des 17. Jh. acht von 17 Pfarrern mit einem latinisierten FamN an, unter den 26 „studierten Lehrern“ an der Stadtschule (Aufzeichnungsbeginn 1531) sind es fünf, unter den Rektoren des 1629 eingerichteten Pädagogs bis 1750 fünf von elf (Diehl 1923: 19–33). Zur ostfriesischen Pfarrerfamilie Reershemius s. Kap. 5.2.1.

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sprachlichen Kompetenz, die gelegentlich den Bereich der Namengebung berührten. So wurde etwa der Humanist Willibald Pirckheimer Anfang des 16. Jahrhunderts nach der korrekten Betonung und den Silbenlängen in einigen griechischen Namen gefragt (Reicke 1940: 151). Konrad Peutinger wurde 1514 von Ellenbog in einem Brief gebeten, die in einer beigefügten Chronik enthaltenen Toponyme zu latinisieren (König 1923: 248). Zwei Jahre später fügte Peutinger einem Brief an Kaiser Maximilian eine Liste mit 137 antiken Frauennamen für „scherpfenmetzen“ (Geschütze) bei (König 1923: 268). Die Anfrage, in der Maximilian laut Peutingers Brief um eine Liste mit „hundert frauennamen“ gebeten haben soll, ist nicht erhalten, doch aus Peutingers Antwort geht hervor, dass der Kaiser seine Geschütze offenbar nach antiken Frauen benennen wollte und sich zu diesem Zweck eine Liste von einem zuverlässigen Ratgeber hatte senden lassen. Als einzige Gruppe innerhalb der humanistischen res publica litteraria, die offenbar keinen Bedarf an einem HumanistenN hatte, macht Treml (1989: 150f) sozial Höherstehende aus. Adlige wie Ulrich von Hutten und der Wormser Bischof Johann von Dalberg oder Patrizier wie Willibald Pirckheimer und Konrad Peutinger benötigten demnach keine Manifestierung einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe in ihrem Namen, denn ihr FamN verortete sie bereits in einer hohen sozialen Stellung. Die Hinwendung zum Humanismus war mit dieser Geburtsidentität prinzipiell vereinbar, keine stand der anderen im Weg. Doch die Mehrheit der Humanisten „came from a middle or even from the peasant classes, with their class-specific names“ (Bernstein 1998: 55). Für einen sozialen Aufstieg konnte dieser FamN mit seiner Referenz auf eine Herkunft von niedrigerem Stand möglicherweise hinderlich sein. Deshalb schlussfolgert Treml (1989: 151): Den Identitätswechsel nach außen, die damit verbundene Distanzierung vom geburtsständischen Herkommen ist viel eher bei den sozialen „Aufsteigern“ verbreitet, die qua Bildung den ihnen in der Ständegesellschaft zugedachten Platz verlassen konnten. Für die Humanisten, die keine hochrangigen Familien vorzuweisen hatten, sollte der Aufstieg in den Geistesadel auch nach außen hin sichtbar werden.

Dies wird zusätzlich im Hinblick auf die Tätigkeiten nachvollziehbar, denen Humanisten nachgingen. Der steigende Verwaltungsaufwand an der Schwelle zur Neuzeit erforderte zunehmend Kanzlei- und Stadtschreiber, Diplomaten, Juristen und Lehrer, auch für den Nachwuchs an Fürstenhöfen. Humanisten konnten in diesen Bereichen mit ihren herausragenden Lateinkenntnissen und ihrem an der Lektüre antiker Werke geschulten Allgemeinwissen außerhalb der Universität, an der sie zunächst noch ein weniger hohes Ansehen genossen

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(s. Kap. 3.3.1), eine gute Anstellung finden (Treml 1989: 151). Ihre Bildung war somit die Schlüsselqualifikation, die nicht nur einen ideellen, sondern auch einen realen sozialen Aufstieg ermöglichen konnte. Den kleinsten Eindruck mangelnder Bildung gegenüber einem möglichen Dienstherrn galt es deshalb zu vermeiden. So konnte der HumanistenN ein vorteilhafter Bestandteil der Selbstdarstellung sein. Die sich im HumanistenN ausdrückende Identität eines Gelehrten löste die erste Identität jedoch nicht komplett auf – beide waren zunächst lediglich an die beschriebenen unterschiedlichen Bezugssysteme gebunden (Müller 2018: 462). Dies änderte sich erst allmählich durch das gelegentliche Weiterführen latinisierter und gräzisierter Namenformen in nachfolgenden Generationen im 16. Jahrhundert, denn hiermit konnte ein HumanistenN bereits getragen werden, ohne dass zuvor ein Eintritt des Namenträgers in die Bildungswelt stattgefunden hatte. Für Treml (1989: 150) markiert diese Vererbung eines HumanistenN gar die Möglichkeit der Stiftung einer „Gelehrtendynastie“, ähnlich dem Adel, der seinen Stand und gesellschaftlichen Anspruch ebenfalls im Namen konsolidiert. Durch den erblichen HumanistenN wurde demnach der Anspruch, einer Bildungselite anzugehören, auf die eigenen Nachkommen übertragen, ganz gleich, ob diese tatsächlich einmal an höherer Bildung teilhatten, womit eine schrittweise Entkopplung latinisierter und gräzisierter FamN von der humanistischen „group identity“ stattfand (zur Ausbreitung von HumanistenN in bildungsferneren Schichten s. auch Kap. 5.2.1 und Kap. 5.2.2).

3.2.4 Das Ende der Neubildung von Humanistennamen Über das Ende des Humanismus herrscht weit größere Uneinigkeit als über dessen Anfänge. Insbesondere in der älteren Forschung aus dem deutschen Sprachraum findet sich die Darstellung, dass der Humanismus in die für die deutsche Geschichte bedeutendere Reformation überging. Nach dieser Auffassung habe die Reformation die durch den Humanismus geschaffenen Voraussetzung historisch wirksam genutzt und diesen damit gleichsam beendet, womit die obere Grenze der Epoche um 1520 anzusetzen wäre (hierzu kritisch Meuthen 1983: 219). Als HumanistenN im engeren Sinn wären demnach nur die bis um 1520 belegten Umbenennungen anzusehen. Diese Sicht auf das Ende des Humanismus ist jedoch auf die deutsche Geschichte verengt und verkennt insgesamt, dass die im Humanismus gelegten geistesgeschichtlichen Grundlagen darüber hinaus Gültigkeit besaßen. Mit der Einführung neuer Lehrpläne und dem steigenden Bedarf an Intellektuellen an

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Höfen und in städtischen Kanzleien hatten die einst außenstehenden Humanisten allerdings einen bedeutenden Platz innerhalb der Gesellschaft gefunden: „By 1530 humanists had managed to make themselves indispensable in German intellectual and political life“ (Bernstein 1998: 51). Gleichzeitig nahm auch die Pädagogisierung der studia humanitatis zu, die zu Beginn noch emphatische Beschäftigung mit den Klassikern wurde in ein nüchterneres Studienprogramm überführt. Der Humanismus hatte jedoch dessen ungeachtet eine über Jahrhunderte andauernde intensive Beschäftigung mit antiken Sprachen und Werken zur Folge und er hat „damit gleicherweise der deutschen Bildung eine erst im Zeitalter der Technisierung allmählich verblassende literarisch-klassische Färbung gegeben“ (Meuthen 1983: 230). Auf diese Weise sorgte er für ein kontinuierlich hohes Prestige der lateinischen und der griechischen Sprache, die eng mit höherer Bildung verknüpft blieben. Humanistische Ideale waren demnach bis weit in die Neuzeit hinein prägend für die Geistes- und Bildungsgeschichte in weiten Teilen Europas, was auch für Einflüsse auf die Namengebung gilt. Auch deshalb ist am Begriff Humanistenname für latinisierte und gräzisierte FamN selbst in den Fällen festzuhalten, in denen eine Latinisierung oder Gräzisierung erst lange nach 1520 erstmals nachweisbar ist. Das Erstarken der Volkssprachen im 17. Jahrhundert, insbesondere in der Literatur, hält Mertens für den eigentlichen entscheidenden Faktor für den Bedeutungsverlust des Humanismus, mehr als wirtschaftliche und gesellschaftliche Krisen, da die Verwendung des Lateinischen damit in die Schulbildung zurückgedrängt worden sei: Das Zuendegehen des Renaissance-Humanismus ist indes wohl weniger mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges zu begründen als mit dem allmählichen Zurücktreten des Lateins in Poetik und Poesie, wie es signalisiert und verstärkt wird durch Martin Opitzens Buch von der Deutschen Poeterey von 1624, das die antike Dichtungslehre für eine kunstgerechte deutsche Dichtung fruchtbar macht. Der poeta und der criticus, deutsche Poesie und lateinische Philologie, sprachliche Kunst und philologische Wissenschaft trennten sich, und damit dürfte ein Endpunkt des Renaissance-Humanismus markiert sein. (Mertens 1998: 197)

Auch die im Spätmittelalter zögerlich einsetzende „Vernakularisierung der Wissenschaft“ („vernacularization of science“, Prinz 2020: 576) erfährt erst in dieser Zeit eine verstärkte Wirkung und Anerkennung an den Universitäten: It was only relatively late – generally during the course of the 17th and 18th centuries – that a noticeable shift from Latin to the vernacular languages occurred at Europe’s universities. (Prinz 2020: 576)

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Es ist anzunehmen, dass die Latinisierung und Gräzisierung von FamN etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts – parallel zur Zunahme der Qualität und Quantität literarischer Texte in den sich konsolidierenden Volkssprachen und der steigenden Akzeptanz von deren Verwendung im wissenschaftlichen Bereich – abnahm, dass die jeweilige Relevanz von Humanismus, Latinität und HumanistenN im Kultur- und Bildungsbereich also eng miteinander verbunden ist. Ein Endpunkt der Bildung neuer HumanistenN wäre demnach in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anzunehmen83 (eine Evidenz für diese Hypothese können Universitätsmatrikeln liefern, die in Kap. 3.3 analysiert werden). Mit dem Ende der Bildung von HumanistenN wurde auch in Gelehrtenkreisen wieder zur Verwendung der nativen FamN zurückgekehrt, die dort in der Zwischenzeit nicht vollständig abgelehnt worden waren (v. a. in höheren sozialen Schichten nicht, s. Kap. 3.2.3), sondern in den HumanistenN lediglich für rund zwei Jahrhunderte einen Konkurrenten bekommen hatten. Nur die zu diesem Endzeitpunkt bereits durch Vererbung etablierten Latinisierungen und Gräzisierungen blieben weiterhin erhalten und wurden durch die nun einsetzende Entkoppelung von äußeren Entwicklungen als humanistische FamN fester Bestandteil des FamNInventars insbesondere in der Germania84 (mit Ausnahme des englischen Sprachraums85).

|| 83 Während Fleischner (1826) den Zeitraum für die „Onomatomorphose oder FamiliennamenUibersetzung“ auf der Titelseite seines Werkes auf den Zeitraum 15.–18. Jh. ansetzt, wird die „Griechische Nahmens-Mode“ nach C.W.P.G. (1720: 6) bereits Anfang des 18. Jh. als „veraltet“ und unter Zeitgenossen ungebräuchlich beschrieben. 84 Dieser Umstand ist bislang nicht überzeugend geklärt. Der Versuch, das weitgehende Fehlen von HumanistenN etwa im französischen Sprachraum auf politische Rahmenbedingungen wie eine Zentralgewalt, die eine Bildung von HumanistenN per Erlass für ein großes Gebiet verbieten konnte, zurückzuführen, gründet sich auf eine Fehlinterpretation infrage kommender Quellen (s. hierzu Rentenaar 2002: 164f). Auch negiert eine solche Sicht die politischen Unterschiede innerhalb der Gebiete des Heiligen Römischen Reichs und zudem gleichsam dessen Unterschiede zu den skandinavischen Königreichen (Rentenaar 2002: 164f). Auch die Tatsache, dass sich HumanistenN in ihrem Ursprungsland Italien, das politisch ebenfalls bis weit ins 19. Jh. hinein keine Einheit bildete, nicht in vergleichbarem Maß als FamN etablieren konnten wie in Deutschland oder den Niederlanden, wird hierbei ausgeklammert. Als ein entscheidender Faktor scheint eher die sprachliche Distanz der germanischen Sprachen zum Lateinischen infrage zu kommen (s. auch Kap. 3.2.3 und Kap. 4.1.2.1). Dennoch konnten sich HumanistenN auch in den slawischen Sprachen seltener als FamN erhalten (zu historischen HumanistenN im Polnischen s. Cieślikowej 2002: 50–80) und auch im deutschen Sprachraum finden sich große Verbreitungslücken (insbesondere im oberdeutschen, aber auch im niederdeutschen Raum, vgl. Kap. 5.1). 85 Es ist auffällig, dass HumanistenN im englischen FamN-Inventar nicht vertreten sind. Hanks, Coates & McClure (2016: 1,XVIII) erwähnen lediglich, dass die lateinische Namennota-

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3.3 Humanistennamen an Universitäten 3.3.1 Humanisten und Universitäten Das erste Zeugnis für die studia humanitatis im deutschsprachigen Teil des Heiligen Römischen Reichs findet sich mit der in Kap. 3.2.1 genannten Rede Peter Luders an einer Universität. Das ist jedoch nicht selbstverständlich, denn die Humanisten nahmen dort zu dieser Zeit eine Außenseiterrolle im etablierten Lehrbetrieb ein. In einer „zweiten Gründungswelle“ wurden im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts sieben neue Universitäten in diesem Gebiet gegründet86 (Baumgart 1984: 175; Schubert 1978: 14), die Gesamtzahl der Universitäten verdoppelte sich dort damit in wenigen Jahren. Das Lehrpersonal der Universitäten blieb jedoch zunächst noch vornehmlich der mittelalterlichen Scholastik zugewandt, gegen deren komplexe Fachsprachen und abstrakte Dialektik sich die Humanisten in besonderem Maße richteten, weshalb „[d]er Humanismus […] mit dem Wissenschaftskanon der Universität nicht ohne weiteres vereinbar“ war (Mertens 1998: 199). Ein allzu rasches Eindringen der neuen, aus Italien importierten Bildungsausrichtung mit ihrer Begeisterung für alles KlassischAntike war dort deshalb zunächst nicht zu erwarten.

|| tion, die sie v. a. auf geistliche Schreiber zurückführen und als „clerical convention“ bezeichnen, in der zweiten Hälfte des 14. Jh. stark abnahm, was sich auch anderswo in Europa beobachten lässt (vgl. Kap. 2.2). Als wesentlich bedeutender ist hier hingegen der romanische Einfluss zu bewerten, der sich in den FamN der frankophonen anglo-normannischen Führungsschicht bemerkbar macht, die sich trotz oder gerade wegen der lautlichen Ähnlichkeit zum Lateinischen gegen Latinisierungen zu sperren scheinen, vgl. den englischen HerkunftsN Devereux (< de Êvreux): Roger de Ebrois, Norfolk 1086; Eustace de Deueraus, Somerset 1204; John Deveros, London 1385; Dorothy Devereux, Petworth 1596 (Hanks, Coates & McClure 2016: 2,711f). Während sich naheliegende Latinisierungen mit den Suffixen -ius, -aeus oder -anus (*Deverius, *Deveraeus, *Deveranus), wie sie als HumanistenN im deutschen und niederländischen Sprachraum häufig gebildet wurden (s. Kap. 4.1.2.1, 4.1.2.2, 4.2.4), nicht in den Belegen finden, entstanden im 18. Jh. deutlichere Assimilationen an das Französische (Thomas Devereaux, Fornham All Saints 1791) und das Englische (Richi. Deveridge, Much Wenlock 1723), die sich in rezenten Varianten wie Devereaux und Deverick erhalten haben (Hanks, Coates & McClure 2016: 2,712). Die englischen FamN gehen hier den Weg der italienischen und französischen mit: Selbst wenn okkasionell gebildete Latinisierungen von FamN gelehrter Einzelpersonen aufgetreten sein sollten, wurden sie nicht oder nur selten erblich, sodass von merklichen humanistischen Einflüssen auf das FamN-Inventar wie in Deutschland, den Niederlanden oder Schweden keine Rede sein kann. 86 Diese neugegründeten Universitäten befanden sich in Greifswald (1456), Freiburg i. Br. (1457), Basel (1460), Ingolstadt (1472), Trier (1473), Mainz (1477), Tübingen (1477).

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Etwa seit den 1470er Jahren wurden an einigen deutschen Universitäten sogenannte Lekturen eingerichtet, die mit Humanisten besetzt wurden, wodurch die neue Lehre zögerlich Eingang in den Universitätsbetrieb fand. Die Humanisten bewegten sich dabei mit ihren Stellen zunächst „am Rande der Artistenfakultäten“ (Dickerhof 1996: 1102). Für Celtis, der mit seiner 1491 eingerichteten Lektur in Ingolstadt außerhalb der traditionellen Organisationsstruktur der Universität stand, ergab sich hieraus etwa das Problem, dass ihm als unliebsamem Kritiker des eingesessenen Personals schon der Zugang zur Bibliothek der dortigen Artistenfakultät versagt werden konnte (Schuh 2013: 4). Die am stärksten frequentierten Universitäten im Heiligen Römischen Reich nördlich der Alpen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren mit jeweils über 1000 Studenten die Einrichtungen in Wien, Erfurt, Leipzig, Köln und Löwen; in Heidelberg und Rostock studierten jeweils etwa 300–400 Studenten (Schwinges 2000: 36). Die meisten in diesem Zeitraum neugegründeten Universitäten waren demgegenüber deutlich kleiner,87 doch boten gerade die größeren Einrichtungen zunächst eine bessere Möglichkeit für ein breiteres Studienangebot, in das auch ein neues humanistisches Fach aufgenommen werden konnte (Mertens 1998: 200). Aus diesem Grund konnten gerade an den älteren Universitäten neben der traditionellen scholastischen Lehre auch die Humanisten mit der sich von ihr abgrenzenden Neuausrichtung im Rahmen von Lekturen und später auch Professuren eher in den Lehrbetrieb integriert werden. In dieser Umbruchsphase nahm die 1502 gegründete Universität Wittenberg, an der der Humanismus 1516 offiziell in den Lehrplan aufgenommen wurde (Mertens 1998: 200), bald eine Vorreiterrolle ein. Dort „entstand unter Melanchthon die klassische Form einer Universität, die in ihrem humanistischtheologischen Mischcharakter Altes und Neues auf insgesamt zukunftsträchtigen Fuß stellte“ (Hammerstein 1978: 28; vgl. Wartenberg 1996 zu den Einflüssen Melanchthons und der Universität Wittenberg auf die Universität Leipzig). Diese Feststellungen sind für die Datenzusammenstellung des im Folgenden verwendeten Matrikelkorpus von Bedeutung.

|| 87 Die Größe der Universität Ingolstadt ist nach Schwinges (2000: 36) mit der der Universitäten Heidelberg und Rostock vergleichbar, während in Greifswald, Freiburg, Basel und Tübingen nur je etwa 100–200 Studenten studierten (da die Matrikeln der Universität Mainz nicht erhalten sind, ist eine genaue Einordnung von deren Größe nicht möglich). Zur Anzahl der Neuzugänge an den Universitäten, deren Matrikelbücher im Matrikelkorpus untersucht werden, s. Anhang 2.

56 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

3.3.2 Matrikelbücher als Quelle für die Onomastik Matrikeln (von lat. mātrīcula, Diminutiv zu lat. mātrīx ‘Stamm’) sind Verzeichnisse der Mitglieder einer Universität.88 Darin festgehalten wurden auch die Zeitpunkte des Eintritts von Personen in die jeweilige Institution und damit die Immatrikulationen aller Studenten (Schuh 2018: 103f). Matrikelbücher der Gesamtuniversität, die sogenannten Allgemeinen Universitätsmatrikeln oder Rektoratsmatrikeln, um die es im Folgenden geht, sind insbesondere aus dem Heiligen Römischen Reich erhalten, wo diese nach der Gründung von Universitäten seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angelegt wurden (Schwinges 2020: 43).89 Eine Eintragung in einem solchen Matrikelbuch wurde in der Regel vorgenommen, nachdem ein Student einen Eid geleistet und eine bestimmte Gebühr gezahlt hatte (Asche & Häcker 2011: 252f), wobei es geringfügige Abweichungen im Vorgang der Immatrikulation an verschiedenen Universitäten gab (Paquet 1992: 41).90 Den PersN und andere für die Universität relevante Daten notierte der Rektor oder ein Schreiber, auch konnte der Rektor sich zunächst Notizen machen und diese später durch einen Schreiber in das Matrikelbuch nachtragen lassen. Eintragungen durch die Studenten selbst lassen sich hingegen nur selten nachweisen (Toepke 1884: XXXI). Da der PersN also in der Regel durch eine andere Person festgehalten wurde, ist ein Eingriff des Rektors oder eines Schreibers nicht gänzlich auszuschließen. Wenn der Student etwa eine deutsche Namenform nannte, könnte diese für das Matrikelbuch latinisiert oder gräzisiert worden sein, auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Von einigen Matrikellisten wurden prachtvolle Abschriften erstellt, z. B. von den Matrikeln der Universität Wittenberg, bei denen deshalb zusätzlich Eingriffe eines Abschreibers möglich sind. Ein Vergleich der

|| 88 Neben Studenten und Professoren erscheinen in Matrikeln vereinzelt auch „Sprach- und Exertienmeister (Fecht-, Reit-, Tanz- und Ballmeister), Buchdrucker, Apotheker, Stadtphysici und Schulmeister sowie die Bediensteten der Universitäten (z. B. Pedellen) und der Professoren, außerdem deren Familienangehörige (Ehefrauen und Kinder), aber auch auf Luxusgüter spezialisierte Handwerker (z. B. Gewandmeister), Gastwirte und Brauer“ (Asche & Häcker 2011: 243). Da diese statistisch kaum ins Gewicht fallen, wird hierauf im Folgenden nicht weiter eingegangen. 89 Die erste Universität im Heiligen Römischen Reich außerhalb Italiens wurde 1356 in Prag gegründet. Die dortigen Matrikeln wurden wohl ab 1367 geführt, sind jedoch nicht erhalten (Asche & Häcker 2011: 245). 90 Die Gebühren für die Immatrikulation zählten zu den wichtigsten Einnahmequellen der Universitäten. Sie richteten sich nach Alter und Stand des Studienanfängers und wurden bei fehlender finanzieller Voraussetzung auch erlassen (vgl. Asche & Häcker 2011: 253).

Humanistennamen an Universitäten | 57

Matrikeln verschiedener Universitäten zeigt jedoch zu gleichen Zeiten ähnliche Tendenzen der Namennotation an weit entfernt liegenden Einrichtungen. Da die immatrikulierten Personen identifizierbar sein mussten und der Schreiber selbst Teil der Universität war, ist zudem nicht davon auszugehen, dass er die Namen der Studenten mit starker Abweichung zum tatsächlichen Namengebrauch, wie er zu seiner Zeit an der jeweiligen Universität vorherrschte, notierte. Gegen einen starken Einfluss eines Schreibers spricht auch, dass an einer Universität in einem Semester, in dem derselbe Rektor im Amt war, derselbe FamN in latinisierter und nicht-latinisierter Form erscheinen kann:91 (3) a. Leipzig 1550: b. Löwen 1550: c. Erfurt 1575 d. Rostock 1625:

Iacobus Schmidt Martinus Faber Sebastianus Hermanni Rodolphus Hermans Valentinus Zieglerus Christianus Ziegeler Christophorus Cruger Casparus Crugerus

(Erler 1895: 682) (Erler 1895: 681) (Schillings 1961: 411) (Schillings 1961: 419) (Weissenborn 1884: 433) (Weissenborn 1884: 434) (Hofmeister 1895: 61) (Hofmeister 1895: 62)

Die Matrikeln geben folglich ein allgemeines, zuverlässiges und umfangreiches Bild des Namengebrauchs von Studenten beim Eintritt in die Universitäten über einen langen Zeitraum wieder. Für eine Ermittlung der Phasen, in denen besonders häufig HumanistenN getragen wurden, sowie für das Vorherrschen bestimmter Bildungsmuster zu verschiedenen Zeiten, sind Matrikeln deshalb die aussagekräftigste Quelle, die zur Verfügung steht. Personen, die über ein Grundstudium hinaus im Wissenschaftsbetrieb tätig waren, können ihren FamN auch später noch latinisiert oder gräzisiert oder einen bereits gewählten HumanistenN weiter verändert haben, z. B. bei der Erlangung eines akademischen Abschlusses oder für wissenschaftliche Publikationen.92 Dies ist für die folgenden Auswertungen, die sich auf den PersN beim Eintritt in die jeweilige Universität konzentrieren, jedoch von untergeordneter Bedeutung und wird nicht berücksichtigt. Es ist an dieser Stelle lediglich zu ergänzen, dass folglich der tatsächliche Anteil von Latinisierungen und Gräzisierungen an den Universitä-

|| 91 Beispiele für das simultane Auftreten nativer und latinisierter bzw. gräzisierter Formen werden in Kap. 3.3.4 und 3.3.5 untersucht. 92 Zahlreiche Beispiele hierfür sind den Namengleichungen im Namenbuch (Anhang 1) zu entnehmen.

58 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

ten insgesamt eher etwas höher anzusetzen ist, als dies die Matrikeldaten widerspiegeln.

3.3.3 Zusammenstellung des Matrikelkorpus Das Matrikelkorpus93 besteht aus Matrikeldaten der ältesten sieben Universitäten des deutschen und niederländischen Sprachraums, die 1450 – also vor dem Einsetzen humanistischer Einflüsse in Deutschland (vgl. Kap. 3.2.1) – bereits existierten. Diese befanden sich in Erfurt, Heidelberg, Köln, Leipzig, Löwen, Rostock und Wien.94 Gewählt werden Zeitabschnitte im Abstand von je 25 Jahren von 1450 bis 1700, wobei jeweils ein Kalenderjahr oder – wenn die Eintragungen nicht exakt datiert sind – ein Sommersemester mit dem sich anschließenden Wintersemester einen Zeitabschnitt bildet.95 Fehlt ein Jahr in der Überlieferung, wird es durch das nächste vollständige ersetzt, solange dieses maximal fünf Jahre davon entfernt ist; unvollständige Jahrgänge werden nicht berücksichtigt. Der Zeitabschnitt 1450 wird als frühester Wert gewählt, weil humanistische Einflüsse in dieser Zeit im betreffenden Gebiet, wie erwähnt, noch nicht nachweisbar sind (vgl. mit Bezug auf die Namengebung auch Bergerhoff 1918: 14f; Rentenaar 2003: 85). Die ältesten in dieser Stichprobe vorkommenden latinisierten BeiN/FamN gehören somit noch in die Einflusssphäre der mittelalterlichen Urkundensprache (vgl. Kap. 2.2). Nach Bergerhoff (1918: 25) waren die in Kap. 3.2.1 genannten humanistischen Kreise in Erfurt Ende des 15. Jahrhunderts das erste Zentrum für die Verwendung von HumanistenN, bevor sich dieses an die 1502 gegründete Universität Wittenberg verlagerte. Um die Verwendung von HumanistenN auch dort anhand von Matrikeln überprüfen zu können, wird dem Korpus die Universität Wittenberg hinzugefügt (Matrikeln überliefert ab 1502, vgl. Förstemann 1841).

|| 93 Download: https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html. 94 Die älteste mitteleuropäische Universität in Prag (gegründet 1356) befindet sich außerhalb des deutschen und niederländischen Sprachraums (die wohl ab 1367 geführten Prager Matrikeln sind zudem verloren, s. Asche & Häcker 2011: 245). Auch von der 1402 eingerichteten Universität in Würzburg, die nur wenige Jahre Bestand hatte, sind keine Matrikeln erhalten (Schwinges 2020: 39f). 95 Zur genauen Zusammensetzung der einzelnen Zeitabschnitte s. die Tabelle in Anhang 2.

Humanistennamen an Universitäten | 59

Der obere Zeitabschnitt wird gewählt, weil um 1700 nicht mehr mit einer humanistischen Beeinflussung der FamN96 zu rechnen ist (vgl. Kap. 3.2.4) und weil für das 18. Jahrhundert nicht mehr im gleichen Umfang Daten zur Verfügung stehen wie für die Jahrhunderte davor (nur die Matrikeleditionen von Köln, Heidelberg und Rostock reichen bis 1800, für Löwen ist das Jahr 1796 das letzte nutzbare).97 Bereits am Ende des 17. Jahrhunderts sind die FamN weitgehend unveränderlich und werden offenbar auch beim Eintritt in die Universität nicht mehr den klassischen Bildungssprachen angepasst.98 Auch wurden die handgeschriebenen Matrikeln ab dem 18. Jahrhundert zunehmend durch sogenannte Studentenalben ersetzt, die häufig eine vorgedruckte Tabelle enthielten und somit stärker formalisiert waren (Asche & Häcker 2011: 244). Diese Studentenalben sind deshalb nicht mehr ohne Weiteres mit den älteren Matrikelbüchern vergleichbar.

|| 96 Anders als FamN wurden RufN und SiedlungsN in dieser Zeit weiterhin häufig latinisiert, vgl. Kroiß (2021: 204f). 97 Zudem nehmen die Immatrikulationszahlen stetig ab. Der Durchschnitt der Neueinschreibungen in Heidelberg, Köln und Rostock beträgt 1650 noch 206, 1700 sinkt er auf 169, 1750 auf 114, 1800 auf 59. Auch die deutlich stärker frequentierte Universität Löwen verbucht in diesen Zeitabschnitten eine beachtliche Abnahme der Immatrikulationen (1650: 512 Studenten, 1700: 377, 1750: 341, 1796: 183). 98 Abweichend Hellfritzsch (2017: 297f), der Beispiele für Latinisierungen aus dem 18. Jh. aus Dresden angibt. Aus seinen Daten geht jedoch nicht hervor, ob es sich bei den angeführten FamN aus Adressbüchern wie Lucius, Praetorius und Pelargus tatsächlich um neue Latinisierungen und Gräzisierungen handelt oder ob diese FamN nicht bereits in latinisierter Form von den jeweiligen Namenträgern geerbt wurden. Das Sinken der Latinisierungen und Gräzisierungen in den Matrikeleinträgen der zweiten Hälfte des 17. Jh. spricht in jedem Fall dafür, dass sich derartige Eingriffe in die Namengebung nach 1700 auf wenige Einzelfälle beschränken. Eine deutliche Abnahme von Latinisierungen stellt Hellfritzsch jedoch Ende des 18. Jh. fest (Hellfritzsch 2017: 297).

60 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Karte 1: Universitätsorte der ausgewerteten Matrikelbücher in den heutigen Staatsgrenzen

Überlieferungslücken finden sich in den Matrikeln der Universität Heidelberg in den Jahren 1625 und 1675. Während 1625 lediglich zwei Studenten neu eingeschrieben wurden (Toepke 1886: 308), ist das Matrikelbuch für die Zeit ab 1662, das auch die Einträge von 1675 enthielt, nicht erhalten, da es während des Pfälzischen Erbfolgekrieges „am 22. Mai 1693 bei der Einäscherung Heidelbergs durch die Franzosen verloren [ging]“ (Toepke & Hintzelmann 1903: VII). Das erste vollständig erhaltene Jahr nach Wiederaufnahme des Universitätsbetriebs ist das Jahr 1705 (Toepke & Hintzelmann 1903: 1–6), das deshalb anstelle von 1700 herangezogen wird. Eine Lücke weisen auch die Matrikeln der Universität Löwen auf, deren Aufzeichnungen für die Jahre 1559–1616 verloren sind (Reusens 1903: XIII). Da

Humanistennamen an Universitäten | 61

die Einträge für 1450 nur in einem von der Universitätsgründung 1426 bis 1453 reichenden, nicht chronologisch geordneten Gesamtregister enthalten sind, kann zudem erst auf die Zeitabschnitte ab 1475 zurückgegriffen werden. Die Matrikelbücher der Universitäten Leipzig und Wittenberg sind aus editorischen Gründen nur bis 1550 bzw. 1660 nutzbar, denn für die folgenden Jahre wurden hieraus lediglich nach FamN geordnete Registerbände publiziert, die keine exakte Wiedergabe der Einträge bieten. Für die Wiener Matrikeln gilt dies erst ab 1750, sodass diese für den Untersuchungszeitraum 1450–1700 uneingeschränkt verwendet werden können. Die Matrikeln der Universität Erfurt liegen hingegen nur bis 1636 als Edition vor (Weissenborn 1884), das Jahr 1625 stellt somit den letzten für diese Universität nutzbaren Zeitabschnitt dar. Für das Matrikelkorpus ergibt sich hieraus folgende Abdeckung der Zeitabschnitte:99 Tab. 8: Abdeckung der Zeitabschnitte der im Matrikelkorpus enthaltenen Universitätsmatrikeln

Universität

1450 1475 1500 1525 1550 1575 1600 1625 1650 1675 1700

Erfurt

x

x

x

x

x

x

x

Heidelberg

x

x

x

x

x

x

x

Köln

x

x

x

x

x

x

x

Leipzig

x

x

x

x

x

x

x

x

x

Löwen

x x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

Rostock

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

Wien

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

x

Wittenberg

Für die von Humanismus und Reformation besonders geprägte erste Hälfte des 16. Jahrhunderts stehen die Matrikeln aller acht Universitäten zur Verfügung, bis 1650 verbleiben jeweils mindestens fünf.100 Insgesamt umfasst das so zu|| 99 Für eine detaillierte Aufstellung nach den einzelnen Universitäten s. Anhang 2. 100 Eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit der Zeitabschnitte ist durch die unterschiedliche Abdeckung mit verschiedenen Universitäten nicht zu gewährleisten. Dennoch wird im Folgenden zugunsten einer möglichst hohen Tokenzahl und einer weiten geographischen Ausdehnung das gesamte Korpus verwendet (für den gesamten Untersuchungszeitraum ohne Unterbrechung wären lediglich die Matrikeln der Universitäten Köln, Rostock und Wien nutzbar).

62 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

sammengesetzte Korpus 17.707 PersN mit zusätzlichen Angaben. Die Anzahl der Einschreibungen pro Zeitabschnitt reicht von 1.012 erfassten PersN (1675) bis zu 2.909 (1500). Durchschnittlich wurden in einem Zeitabschnitt etwa 252 Personen pro Universität aufgenommen: Tab. 9: Anzahl der Immatrikulationen in den einzelnen Zeitabschnitten

Zeitabschnitt

Anzahl Immatrikulationen

Durchschnitt pro Universität

1450

1.479

247

1475

1.840

263

1500

2.909

363

1525

1.096

137

1550

2.433

304

1575

1.088

181

1600

1.061

177

1625

1.500

258

1650

1.931

321

1675

1.012

253

1700

1.358

272

17.707

252

Gesamt

Das Matrikelkorpus besteht aus aufgelisteten Einzelnennungen von PersN und Herkunftsorten. Wie bereits erwähnt, variieren die FamN im universitären Kontext zunächst noch erheblich. Der in Kap. 3.2 mehrfach genannte Student Georg Oemler etwa, der an der Universität Wittenberg 1532 noch als Georgius Omlerus (Förstemann 1841: 1147) eingeschrieben ist, erscheint bei seiner Promotion zum Magister 1537 als Georgius Aemylius (Köstlin 1888: 23). Auch Namenvarianten verschiedener Personen im RAG101 zeigen deutlich, dass im 16. Jahrhundert ein

|| Wie sich zeigen wird, sind die relevantesten feststellbaren Entwicklungen weniger vom Ort, sondern insbesondere vom Zeitpunkt der jeweiligen Immatrikulationen abhängig, sodass es in der Regel von untergeordneter Bedeutung ist, welche der untersuchten Matrikelbücher für einen bestimmten Zeitabschnitt zur Verfügung stehen (auch die Konfession der Universität ist hierfür in den meisten Fällen kaum relevant). Wenn bestimmte Universitäten ein entscheidender Faktor für eine festgestellte Entwicklung sind, wird hierauf gesondert eingegangen (vgl. etwa Kap. 3.3.4.4). 101 Zum RAG s. Kap. 1.4.

Humanistennamen an Universitäten | 63

Schwanken zwischen den jeweiligen deutschen und latinisierten/gräzisierten Formen häufiger vorkam und auch spätere Anpassungen von HumanistenN vorgenommen werden konnten.102 Dennoch weisen das Vorhandensein und die starke Zunahme von HumanistenN unter den Immatrikulierten eindeutig darauf hin, dass auch bereits beim (oder vor dem) Eintritt in die Universität Umbildungen von Namen stattgefunden haben. Die Matrikeln spiegeln dabei die Bildungstypen wider, die zur jeweiligen Zeit vorherrschend und damit am weitesten akzeptiert waren. Im Folgenden werden zunächst die zeitlichen Schwerpunkte der Bildung von HumanistenN ermittelt, bevor den verschiedenen Zeiträumen präferierte Bildungstypen zugeordnet werden (zu den Strukturen von HumanistenN s. auch Kap. 4).

3.3.4 Substitutionen im Matrikelkorpus Im Matrikelkorpus werden zunächst verschiedene Gruppen von BerufsN abgefragt, die in HumanistenN häufig substituiert erscheinen, deren scheinbar transparenter deutscher Namenkörper also komplett durch eine lateinische Entsprechung ersetzt wurde (zu Substitutionen s. Kap. 4.2). Diese lateinische Berufsbezeichnung, die den Platz des deutschen BerufsN und somit selbst den Status eines latinisierten BeiN/FamN einnimmt, kann verschiedene Zusätze erhalten: Neben der nominativischen Form (z. B. Pistor < lat. pistor ‘Bäcker’ für FamN wie Becker) finden sich lateinische Genitive (Pistoris) und Hyperlatinisierungen (Pistorius), bei denen an den substituierten BerufsN zusätzlich das Suffix -ius angetreten ist.103 Den latinisierten Formen werden jeweils die deutschen/niederländischen gegenübergestellt. Ziel dieser Untersuchung ist es, eine zeitliche Staffelung der verschiedenen Bildungstypen herauszustellen, um anhand dieser feststellen zu können, ob sich hier epochenspezifische Unterschiede in der Verwendung bestimmter Bildungsmuster ausmachen lassen. Anschließend wird anhand dieser || 102 Zu einzelnen Beispielen s. Namenbuch (Anhang 1). Vgl. auch Bach (21953: 119): „Bezeichnend für die hier betrachtete Namenmode ist der häufige Wechsel der gewählten Namenübersetzung.“ Anders Rentenaar (2002: 163): „Hatte man als Student einmal einen Humanistennamen angenommen, wurde dieser normalerweise das ganze wissenschaftliche und berufliche Leben hindurch beibehalten.“ Ähnliche Varianten eines FamN lässt dabei allerdings auch er gelten: „So trat der friesische Pfarrer Agge Hilles unter den Namen Hillii, Hillius und Hillenius auf“ (Rentenaar 2002: 163). 103 Zum Status dieses Suffixes s. Kap. 4.1.2.1, zu Hyperlatinisierungen s. Kap. 4.2.6.

64 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Bildungsmuster erörtert, welche der heute noch vorhandenen und als HumanistenN klassifizierten FamN im engeren Sinne als solche angesehen werden können, also in der Bildungswelt der frühen Neuzeit frequent genutzt wurden. Gleichzeitig wird überprüft, ob sich auch Typen latinisierter Namen ausfindig machen lassen, die von den Humanisten und ihren Nachfolgern eher gemieden wurden. Zunächst wird das Vorkommen des häufigsten substituierten BerufsN Faber (< Schmidt, de Smet etc.) untersucht, woran sich die häufigsten FamN anschließen, deren lateinische Entsprechung zweisilbig ist und mit dem Derivationssuffix -tor gebildet wird. Da die Länge des Namens ein möglicher Faktor bei der Wahl des latinisierten FamN ist,104 werden in einer dritten Abfrage dreisilbige substituierte FamN angeschlossen, die auf -tor enden. In der vierten Abfrage wird die Substitution von FamN auf -man(n) durch Gräzisierungen auf -ander dargestellt. Die Ergebnisse werden zu einem Gesamtbild der Verwendung substituierter latinisierter BerufsN in den spätmittelalterlichen/frühneuzeitlichen Universitätsmatrikeln zusammengefügt. 3.3.4.1 Latinisierung Faber Im Matrikelkorpus werden die Standardformen des frequentesten HumanistenN Faber (< Schmidt, Schmitt, Smet, de Smet etc.) abgefragt. Dabei werden sämtliche Varianten der entsprechenden deutschen/niederländischen und latinisierten Simplizia berücksichtigt. Bei den nativen Formen werden Nominative und patronymische Genitive (Schmitz, Smets etc.) kumuliert erfasst, weil diese Form der Variation der Verbreitung geschuldet ist, nicht dem Zeitabschnitt.105 Da sich lateinische Genitive hingegen an allen Universitäten finden, werden die latinisierten Formen getrennt aufgeführt als Substitution im Nominativ (Faber), Substitution im Genitiv (Fabri) und Hyperlatinisierung (Fabricius) mit den entsprechenden Schreibvarianten. Die insgesamt 174 Tokens verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Zeitabschnitte:

|| 104 Vgl. die Untersuchung zur Struktur rezenter FamN auf -ius in Kap. 4.1.2.1, bei denen bestimmte Silbenanzahlen deutlich präferiert werden. 105 In niederländischen FamN sind Genitive – mit regionalen Frequenzunterschieden – allgemein häufig, weshalb diese an der Universität Löwen frequent vertreten sind. Deutsche genitivische Formen finden sich fast ausschließlich an der Universität Köln mit ihrem rheinländischen Einzugsgebiet, für das patronymische Genitive noch heute ebenfalls typisch sind (vgl. Kunze & Nübling 2012: 14–79). Als native Standardformen sind somit (jeweils mit Schreibvarianten) Smets (Löwen), Schmitz (Köln) und Schmidt (alle anderen Universitäten) anzusehen.

Humanistennamen an Universitäten | 65

Tab. 10: Matrikel-Abfrage von Faber und Schmidt/(de) Smet mit Varianten

Jahr

1450

Substitution (Nom.) (Typ Faber)

Substitution (Gen.) (Typ Fabri)

Hyperlatinisierung (Typ Fabricius)

Dt./Nl. (Typ Schmidt/ Smet)

Gesamt

-

11

-

-

11

1475

-

12

-

2

14

1500

-

29

1

6

36

1525

7

4

-

1

12

1550

8

3

7

-

18

1575

2

-

7

4

13

1600

1

-

5

7

13

1625

2

2

3

6

13

1650

3

-

10

10

23

1675

-

2

1

5

8

1700

-

-

1

12

13

23

63

35

53

174

Gesamt

Es zeigt sich, dass (scheinbar) transparente BerufsN wie Schmidt/de Smet in den spätmittelalterlichen Universitätsmatrikeln fast ausschließlich in latinisierter Form erscheinen (Zeitabschnitte 1450, 1475, 1500). Allerdings fällt auf, dass es sich hierbei nicht um einfache Substitutionen handelt, wie dies die Aufstellung von Bergerhoff (1918: 15) aus den Heidelberger Matrikeln der Jahre 1460 bis 1470 vermuten lässt, sondern dass diese zunächst ausschließlich im Genitiv stehen (Typ Fabri). Diesen Umstand nimmt Bergerhoff durchaus zur Kenntnis und er begründet ihn folgendermaßen: Daß die Standes- und Berufsnamen wie z. B. Sutor, Scriptor, Textor etc. häufig im Genitiv auftreten, braucht nicht wunderzunehmen. Es ist der gleiche Vorgang wie bei den zahlreichen genetivischen Familiennamen, die auf Vornamen zurückgehen, wie Alberti, Conradi, Jacobi, Pauli, Petri, Theodorici, Ulrici usw., und die nur Alberti, Conradi usw. filius seu nepos bezeichnen. (Bergerhoff 1918: 16)

Diese Begründung greift jedoch zu kurz, denn die lateinischen Genitivformen finden sich, wie bereits erwähnt, an allen Universitäten, wie folgende Beispiele zeigen (es handelt sich jeweils um das erste Auftreten von Fabri in den für das Matrikelkorpus exzerpierten Stichproben aus den acht Matrikelbüchern):

66 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

(4) a. b. c. d. e. f. g. h.

Georgius Fabri de Rasteten Bertholdus Fabri de Schwiegern. Joh. Fabri de Schafusa Johannes Fabri de Hallis Matheus Fabri, Cam. dyoc. Theodericus Fabri de Geuer Michael Fabri de Erding Vitus fabri de wunsigel.

(Erfurt, 1450) (Heidelberg, 1450) (Köln, 1500) (Leipzig, 1450) (Löwen, 1475) (Rostock, 1475) (Wien, 1450) (Wittenberg, 1502)

Von den 21 deutschen/niederländischen Genitiven bis 1700, die – mit Ausnahme von Franciscus Smits de Mechlinia filius Methei 1525 in Löwen (Schillings 1958: 780) – erst ab 1600 erscheinen,106 finden sich hingegen fast alle im westmitteldeutsch-niederländischen Raum (15 in Köln und vier in Löwen). Lediglich an der Universität Wien ist 1650 mit Antonius Schmitz aus der Steiermark ein Beleg aus einer anderen Region anzuführen (Gall & Paulhart 1974: 218). Auch im erweiterten Zeitraum mit vier weiteren Zeitabschnitten bis 1800 findet sich in Köln demgegenüber kein einziger nominativischer Beleg, für Schmitz hingegen 29. Die deutschen und niederländischen Genitive sind also, wie erwähnt, (weitestgehend) auf das heutige Genitivgebiet der FamN beschränkt,107 während die lateinischen Formen früher erscheinen und für die gesamte Universitätslandschaft Gültigkeit besitzen. Dies lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass die Sprache der Matrikelbücher Lateinisch ist, sodass eine Angabe wie scriptor, medicus etc. sowohl den FamN als auch eine tatsächliche Qualifikation der eingetragenen Person bezeichnen kann. Genitivische Formen geben hingegen keine berufliche Stellung an, sondern beziehen sich eindeutig auf familiäre Abstammung.108 Eine konsequente Verwendung von Genitiven bei substituierten BerufsN dient also der eindeutigen Kennzeichnung des FamN, wie bereits in der mittelalterlichen Urkundensprache Substitutionen in der Regel nur dann gewählt wurden, wenn eine eindeutige Referenz auf die betreffende Person nicht gefährdet war (vgl. Kap. 2.2). Bei nativen Namenformen kommt es hinge-

|| 106 Nominative sind wesentlich früher belegt, vgl. 1475 Brandanus Smyt in Rostock (Hofmeister 1889: 193) und 1500 gleich dreimal Schmidt in Leipzig (Erler 1895: 433, 434, 436). 107 Zur Verbreitung patronymischer Genitive in Deutschland s. Kunze & Nübling (2012: 14– 79). 108 Vgl. Mgr Ricardus Fabri, Medicus licenciatus, Löwen 1525 (Schillings 1958: 752): Der Genitiv Fabri zeigt eindeutig den FamN an, während Medicus licentiatus im Nominativ den genannten Ricardus Fabri als Absolventen der medizinischen Fakultät ausweist. Medicus könnte in anderem Kontext jedoch auch der FamN sein, wie noch der rezente FamN Medicus in Deutschland belegt (s. Namenbuch, Anhang 1).

Humanistennamen an Universitäten | 67

gen nicht zu einer solchen Verwechslung, da mögliche weitere Angaben in lateinischer Sprache erfolgen, sodass hier von einer Genitivierung des FamN abgesehen werden kann. Deshalb ist eine funktionale Trennung zwischen den lateinischen (formal begründeten) und den deutschen/niederländischen (regionalsprachlich-historisch entstandenen) Genitiven vorzunehmen. Einfache Substitutionen vom Typ Faber finden sich hingegen erstmals 1525, in einem Jahr, in dem insgesamt sehr wenige neue Einschreibungen an Universitäten vorgenommen wurden. Alle deutschen/niederländischen und lateinischen Varianten des BerufsN Schmidt zusammen sind in diesem Zeitabschnitt lediglich zwölfmal belegt. Dabei überwiegt ab hier die einfache Substitution gegenüber dem lateinischen Genitiv, der nach 1550 fast vollständig aus dem Korpus verschwindet. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die latinisierten Formen der FamN mit dem zunehmenden Einfluss des Humanismus nicht mehr nur in den Matrikeln, sondern auch von den Studenten selbst in der Kommunikation und für Publikationen genutzt wurden. Ein Genitiv wie Fabri ist nicht weiter deklinierbar und eignet sich somit wenig für eine Einbindung in lateinische Texte (vgl. Kap. 4.1.1.2).

Abb. 1: Anteil substituierter Formen des BerufsN Schmidt/(de) Smet

Wie das Diagramm, das jeweils den prozentualen Anteil der einzelnen Gruppen am Gesamtvorkommen der Faber/Schmidt-Varianten pro Zeitabschnitt abbildet, veranschaulicht, zeichnet sich 1550 zudem bereits eine neue Entwicklung ab,

68 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

die in der Folge für rund ein Jahrhundert dominant bleibt: Die hyperlatinisierte Form Fabricius,109 zuvor nur 1502 einmal in Wittenberg belegt (Balthasar fabricius de fach., Förstemann 1841: 4), zieht mit Faber fast gleich und überholt diesen 1575 um mehr als das Dreifache (Faber: 15,4%; Fabricius: 53,8%). In den folgenden Zeitabschnitten sind v. a. Hyperlatinisierungen und deutsche/niederländische Formen zu finden, bevor Latinisierungen nach 1650 insgesamt zurückgehen und die nativen Formen endgültig überwiegen. Fabricius und die Schreibvariante Fabritius kommen in den Matrikeln insbesondere an den Universitäten Köln (elf Einträge) und Wittenberg (13) vor, nur in Wien fehlen diese Formen komplett (zur rezenten Verbreitung des FamN Fabricius s. Kap. 5.1.6). Die hier durchgeführte Untersuchung weist jedoch zu kleine Tokenzahlen auf, um eine allgemeingültige Aussage über die Entwicklung von Latinisierungen in Universitätsmatrikeln treffen zu können. Im Falle von Fabricius könnte z. B. auch die gleichnamige römische gens zur Beliebtheit dieser Namenform beigetragen haben (Bahlow 1985: 127). Um eine ausgewogenere Übersicht über den Anteil der verschiedenen Latinisierungstypen in den einzelnen Zeitabschnitten zu erhalten, werden im Folgenden weitere Abfragen vorgenommen. 3.3.4.2 Latinisierungen Pistor, Praetor, Sartor, Sutor und Textor Im Anschluss an die Untersuchung der zeitlichen Verteilung von Faber/ Fabri/Fabricius und Schmidt/(de) Smet werden BerufsN unter den 50 häufigsten deutschen und niederländischen FamN abgefragt,110 deren lateinisches Äquivalent wie viele lateinische Berufsbezeichnungen auf -tor endet. Da einige dieser substituierten Formen unter den rezenten FamN in Deutschland frequent sind, lässt sich auch historisch eine solide Tokenzahl erwarten.111 Es sind dies im Einzelnen:

|| 109 Zur Etymologie von Fabricius s. Namenbuch (Anhang 1). 110 Zugrunde liegt die Rangliste der 50 frequentesten deutschen FamN im DFD (URL: www.namenforschung.net/fileadmin/user_upload/dfd/_50_h%C3%A4ufigste_.pdf, Aufrufdatum: 30.06.2021). Von den niederländischen Formen werden ebenfalls nur diejenigen angegeben, die nach der Rangliste Top honderd Nederlandse familienamen der Nederlandse Familienamenbank unter den 50 frequentesten FamN in den Niederlanden rangieren (URL: www.cbgfamilienamen.nl/ nfb/documenten/top100.pdf, Aufrufdatum: 30.06.2021). 111 Zu den rezenten Vorkommen der angegebenen Formen s. Namenbuch (Anhang 1). In den Niederlanden sind von diesen rezent lediglich Pistor (13) und Textor (61) verbreitet.

Humanistennamen an Universitäten | 69

Tab. 11: Die häufigsten BerufsN in Deutschland und den Niederlanden (Top 50) mit lat. Entsprechung auf -tor

BerufsN (DE)

BerufsN (NL)

Substitution

Müller (1.), Möller (46.)

Mulder (12.)

Molitor

Schneider (3.), Schröder (17.)

-

Sartor

Fischer (4.)

Visser (8.)

Piscator

Weber (5.)

-

Textor

Becker (8.)

Bakker (6.)

Pistor

Schulz (9.), Schulze (33.), Scholz (44.)

Schouten (37.)

Praetor

Schubert (50.)

-

Sutor

Die zugrunde liegenden lateinischen Appellative bilden den Genitiv nach der konsonantischen Deklination auf -is, sodass die folgenden patronymischen Genitive zu erwarten sind: Molitoris, Sartoris, Piscatoris, Textoris, Pistoris, Praetoris, Sutoris (s. Kap. 4.1.1.3). Anders als bei Faber wird hier also nicht der Vokal der zweiten Silbe synkopiert; dies gilt auch für Hyperlatinisierungen vom Typ Sartorius gegenüber Fabricius. Bis auf Molitor und Piscator sind alle Latinisierungen in dieser Gruppe – wie auch Faber – zweisilbig, weshalb diese beiden Namen gesondert erhoben werden (s. Kap. 3.3.4.3). Die übrigen fünf FamN (Pistor, Praetor, Sartor, Sutor und Textor) und ihre Varianten werden im Matrikelkorpus abgefragt und in dieselben Kategorien wie Faber und Schmidt eingeordnet. Insgesamt 227 Tokens verteilen sich folgendermaßen auf die einzelnen Zeitabschnitte: Tab. 12: Matrikelabfrage zweisilbiger latinisierter BerufsN auf -tor und dt./nl. Entsprechungen

1450

Substitution (Nom.) (Typ Pistor)

Substitution (Gen.) (Typ Pistoris)

Hyperlatinisierung (Typ Pistorius)

Dt./Nl. (Typ Becker/ Bakker)

Gesamt

-

24

-

1

25

1475

-

22

-

-

22

1500

-

39

-

9

48

1525

-

5

-

4

9

1550

6

4

1

9

20

1575

3

-

9

2

14

70 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

1600

Substitution (Nom.) (Typ Pistor)

Substitution (Gen.) (Typ Pistoris)

Hyperlatinisierung (Typ Pistorius)

Dt./Nl. (Typ Becker/ Bakker)

Gesamt

2

-

8

5

15

1625

-

-

7

11

18

1650

2

1

9

13

25

1675

-

-

1

14

15

1700

-

-

2

14

16

13

95

37

82

227

Gesamt

Deutlich überwiegt auch hier zunächst der lateinische Genitiv. Die einzige deutsche Form 1450 ist Heinricus Schultz de Hertzperg in Leipzig (Erler 1895: 170). Wie bei Fabricius beginnt eine durchgängige Verwendung hyperlatinisierter Formen 1550, doch bei den BerufsN auf -tor werden diese erst im nächsten Zeitabschnitt 1575 frequent, den sie dann mit neun von 14 Einträgen deutlich dominieren. Die einfache Substitution vom Typ Sartor ist hingegen nur um 1550 mit sechs von 20 Belegen (30%) nennenswert vertreten.

Abb. 2: Anteil substituierter Formen von BerufsN, deren lat. Entsprechung auf -tor endet

Humanistennamen an Universitäten | 71

Da beide Abfragen insgesamt auf ähnliche Entwicklungen hindeuten, werden sie im folgenden Diagramm zusammengefasst. Dieses beinhaltet nun 401 Tokens, davon 36 substituierte Formen im Nominativ, 158 im Genitiv, 72 hyperlatinisierte und 135 deutsche/niederländische Formen. Die lateinischen Genitive sind damit in absoluten Zahlen die häufigste Gruppe, was jedoch – wie erwähnt – den insgesamt hohen Immatrikulationszahlen der ersten Zeitabschnitte geschuldet ist, in denen diese Gruppe die frequenteste ist, bevor genitivische Bildungen ungebräuchlich werden. Die Hyperlatinisierungen sind innerhalb der Latinisierungen die zweitgrößte Gruppe und mehr als doppelt so frequent wie die Substitutionen im Nominativ.

Abb. 3: Anteil substituierter BerufsN (-tor und Faber kombiniert)

Zwischen 1500 und 1575 erreichen die deutschen/niederländischen Formen konstant nur einen Anteil zwischen 20% und 30%, die drei Latinisierungstypen sind in dieser Zeit addiert jeweils deutlich in der Mehrheit. Nach 1575 sinken sie, bis sie 1675 auch addiert bei unter 20% ankommen und damit kaum noch eine Rolle spielen. Die in jedem Zeitabschnitt vertretenen deutschen/niederländischen Formen, die insgesamt nur 23 Tokens hinter den lateinischen Genitiven rangieren, bilden ab 1625 die größte Gruppe. Zuvor wechseln sich Substi-

72 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

tutionen im Genitiv (bis 1525), Substitutionen im Nominativ (1550) und Hyperlatinisierungen (1575–1600) ab. Mit den Hyperlatinisierungen lässt sich ab der Mitte des 16. Jahrhundert eine Zunahme an Latinität feststellen: Ein bereits lateinischer Wortkörper (z. B. Pistor zu lat. pistor ‘Bäcker’) erhält zusätzlich das lateinische Derivationssuffix -ius (vgl. Kap. 4.2.6). Faber stimmt dabei – im Gegensatz zu den HumanistenN auf -tor mit voller Nebensilbe – in der prosodischen Struktur mit zweisilbigen deutschen BerufsN auf -er überein (vgl. Weber, Huber etc.), von denen sich sehr viele unter den häufigsten FamN in Deutschland finden.112 Auch das könnte ein Grund dafür sein, dass die Hyperlatinisierung Fabricius statt der zu erwartenden Formen Faberius oder Fabrius gebildet wird. 3.3.4.3 Latinisierungen Molitor und Piscator Nach der Feststellung, dass sich für die Latinisierung zahlreicher BerufsN ähnlicher Struktur eine zeitliche Entwicklung deutlich erkennen lässt, wird dieselbe Untersuchung mit Latinisierungen von abweichender Struktur durchgeführt. Die dritte Abfrage gilt Substitutionen von BerufsN durch die dreisilbigen lateinischen Berufsbezeichnungen Molitor und Piscator. Diese werden durch das Anfügen des zweisilbigen Suffixes -ius fünfsilbig. Die Abfrage im Matrikelkorpus zeigt jedoch deutliche Unterschiede zu den zweisilbigen HumanistenN aus Kap. 3.3.4.2: Tab. 13: Anteil substituierter Formen der BerufsN Müller/Mulder und Fischer/Visser

Substitution (Nom.) (Typ Molitor)

Substitution Hyperlatini(Gen.) sierung (Typ Molitoris) (Typ Molitorius)

Dt./Nl. (Typ Müller/ Mulder)

Gesamt

1450

-

8

1

3

12

1475

-

2

-

6

8

1500

-

18

-

10

28

1525

2

2

-

6

10

1550

9

3

-

9

21

|| 112 Bereits in den Top 20 der häufigsten FamN in Deutschland finden sich elf: Müller, Schneider, Fischer, Weber, Meyer, Wagner, Becker, Schäfer, Richter, Bauer, Schröder (URL: www.namenforschung.net/fileadmin/user_upload/dfd/ _50_h%C3%A4ufigste_.pdf, Aufrufdatum: 30.06.2021)

Humanistennamen an Universitäten | 73

Substitution (Nom.) (Typ Molitor)

Substitution Hyperlatini(Gen.) sierung (Typ Molitoris) (Typ Molitorius)

Gesamt

-

6

10

1575

4

1600

3

-

-

7

10

1625

-

1

-

3

4

1650

2

4

-

14

20

1675

4

2

-

2

8

1700

3

-

-

7

10

27

40

1

73

141

Gesamt

-

Dt./Nl. (Typ Müller/ Mulder)

Anders als für alle anderen bisher abgefragten Namen bilden sich für Molitor und Piscator keine hyperlatinisierten Formen aus. Der einzige Beleg findet sich 1450 an der Universität Wien (Tomas Molitorius de Widow [Gall 1956: 282]). Dieser fällt in der übrigen Überlieferung nicht nur der sonst nicht belegten Form wegen auf, sondern auch aufgrund des Datums, denn keiner der fünf FamN auf -tor aus Abfrage 2 lässt sich in diesem frühen Zeitabschnitt bereits in hyperlatinisierter Form finden, obwohl alle diese Namen später in den entsprechenden Formen auftreten. Demnach ist dieser Beleg als eine Ausnahme anzusehen, die mit den späteren Entwicklungen nicht im Zusammenhang steht.

74 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Abb. 4: Anteil der Namenformen von Molitor/Piscator bzw. Müller/Fischer mit Varianten

In dieser Gruppe ist deutlich zu erkennen, dass sich die darin enthaltenen Formen gegenüber der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts präferierten Form auf -ius sperren. Das führt dazu, dass verschiedene Ausweichmöglichkeiten gesucht werden: So sind hier einerseits die deutschen Formen früh stärker vertreten als bei den anderen beiden Gruppen (vgl. Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2). Andererseits leben die Genitive für Molitor im 17. Jahrhundert wieder auf.113 Diese erscheinen nun lediglich noch an der Universität Köln, können also in dieser Phase tatsächlich als Substitution deutscher genitivischer Formen angesehen werden, die im Rheinland sehr frequent sind. Sie ähneln jedoch auch am ehesten den hyperlatinisierten Formen. Im Vergleich mit diesen umgeht Molitoris durch das fehlende u die Erweiterung um eine weitere Silbe. Auch typologisch kommen die Genitive als patronymische Formen den adjektivischen GentilNFormen am nächsten (zur römischen Namengebung s. Kap. 2.1). Doch wäre Molitoris als (Sohn) des Molitor, Sartorius hingegen als (Sohn) aus der Familie der Sartorer zu interpretieren. Im Gegensatz zu Molitoris verweist Sartorius also auf

|| 113 Der lateinische Genitiv Piscatoris erscheint im Matrikelkorpus nur mit 13 Belegen, zuletzt zweimal 1550 in Heidelberg.

Humanistennamen an Universitäten | 75

eine Abstammungstradition nach dem Vorbild einer römischen gens. Zudem haben genitivische Formen den Nachteil, dass sie in lateinischen Texten nicht weiter flektierbar sind (vgl. Kap. 4.1.1.2). Dieser Unterschied muss für die Gelehrtenwelt des Humanismus bedeutsam gewesen sein, da die Genitive der Namen aus Kap. 3.3.4.1 und Kap. 3.3.4.2 nach 1500 stark zurückgehen und schließlich nahezu komplett verschwinden. Bei Molitor zeigt sich jedoch, dass die Semantik offenbar gegenüber der Struktur zurückgestellt werden konnte, also nicht in allen Fällen beliebige Bildungen mit -ius bevorzugt wurden. Um keine fünfsilbige Form zu erhalten, wurde hier notgedrungen die an das antikrömische Namensystem angelehnte Ableitung auf -ius gemieden.114 Um dennoch einen HumanistenN auf -ius aus Müller/Mulder zu bilden, wählten einige Studenten die Gräzisierung Mylius (zu griech. μύλος, mýlos ‘Mühle’) als HumanistenN. Diese tritt im Matrikelkorpus mit sechs Einträgen jedoch selten auf. Erstmals findet sie sich 1550 in Wittenberg (Henricus Mylius a Bud:, Förstemann 1841: 260) und ist 1600 auch in Köln nachweisbar (Herm. Mylius, Col., Nyassi & Wilkes 1981: 188). Ein Rückgriff auf das Griechische wurde bei den beschriebenen transparenten BerufsN ansonsten nur für den FamN Becker (latinisiert Pistor) vorgenommen, doch ist dessen gräzisiertes Pendant Artopoeus im Matrikelkorpus lediglich einmal in Wittenberg belegt (Johannes Artopoeus Weissenburgensis, Wittenberg 1550, Förstemann 1841: 260). 3.3.4.4 Gräzisierungen mit -ander (Komander, Neander, Xylander) Abgefragt werden gräzisierte FamN, die das Zweitglied -ander (< griech. ανήρ, anér, Gen. ανδρός, andrós ‘Mann’) enthalten. Hierunter finden sich v. a. Substitutionen von WohnstättenN wie Xylander (zu griech. ξύλον, xýlon ‘Holz’ für FamN wie Holzmann) und von ÜberN wie Neander (zu griech. νέος, néos ‘neu’ für FamN wie Neumann), doch auch BerufsN wie Komander (zu griech. κώμη, kóme ‘Dorf’ für FamN wie Hoffmann). Diese schematisch gräzisierten FamN115 setzen im Matrikelkorpus erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein und bleiben über den gesamten Untersuchungszeitraum mit insgesamt lediglich 25 Tokens selten:

|| 114 Zur Struktur von Namen mit dem lat. Suffix -ius s. Kap. 4.1.2.1. 115 Zur Struktur von gräzisierten Substitutionen auf -ander s. Kap. 4.2.7.

76 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Tab. 14: Substitutionen mit -ander im Matrikelkorpus

Jahr

FamN mit -ander

1450

0

1475

0

1500

1

1525

0

1550

4

1575

5

1600

2

1625

11

1650

1

1675

1

1700

0

Einen deutlichen Überlieferungsschwerpunkt dieser häufigsten systematisch erfassbaren Gruppe von Gräzisierungen machen die Zeitabschnitte 1550 bis 1625 aus, was Rentenaars Feststellung widerspricht (Rentenaar 2003: 90): Hoewel de kennis van het Grieks in de loop van de zestiende eeuw toenam, blijkt de groei van het aantal vergriekste namen daarmee niet parallel te lopen. Vooral de programmatische naamvormingen verdwenen al weer snel, maar ook de eenvoudige vertalingen en afleidingen werden omstreeks 1600 steeds zeldzamer.116

Doch beschäftigt sich Rentenaar hier insbesondere mit den etablierten Humanisten. Bei diesen stellt er fest, dass Gräzisierungen (hier als „programmatische naamvormingen“ bezeichnet) in den ersten Generationen eine sehr wichtige Rolle gespielt hätten, wobei die gräzisierten Namen teilweise lediglich als inoffizielle Auszeichnungen in humanistischen Kreisen gedient hätten (Rentenaar 2003: 88).117 Das Matrikelkorpus legt für die Studenten an den Universitäten jedoch eine andere Entwicklung nahe: Während Substitutionen mit griechischen Lexemen von humanistischen Autoritäten bekannt waren, dauerte es offenbar über ein halbes Jahrhundert, bis sich systematische Gräzisierungen || 116 Übers.: Obwohl die Kenntnis des Griechischen im Laufe des 16. Jh. zunahm, scheint die Zunahme der Anzahl gräzisierter Namen damit nicht parallel zu laufen. Vor allem die programmatischen Namenbildungen verschwanden rasch wieder, aber auch die einfachen Übersetzungen und Ableitungen wurden um 1600 immer seltener. 117 Vgl. hierzu Kap. 3.2.3 und 4.3.

Humanistennamen an Universitäten | 77

(Rentenaar 2003: 88: „eenvoudige vertalingen“) soweit etabliert hatten, dass sie zunehmend von Studenten geführt wurden, die sich gerade erst an der Universität einschrieben. Wie bei den Latinisierungen ist hiermit nicht gesagt, dass Studenten, die mit einem deutschen Namen eingeschrieben wurden, später in ihrer akademischen Laufbahn keinen gräzisierten HumanistenN mehr annehmen konnten. Die Verwendung gräzisierter FamN bereits beim Eintritt in die Universität ist jedoch erst in dieser Zeit vermehrt feststellbar, was also durchaus zur allgemeinen Etablierung des Griechischen als Studienfach im Laufe des 16. Jahrhunderts passt. Besonders auffällig ist zudem, dass Gräzisierungen in größerer Dichte lediglich an der Universität Wittenberg auftreten. Im Falle der Bildungen auf -ander sind dies 13 der insgesamt 25 Belege, während sie z. B. in Löwen vollständig fehlen:118 Tab. 15: Einträge mit dem gräzisierten Namenglied -ander in Wittenberg im Matrikelkorpus

Jahr

Nachweis

Petrus Neander Cotbusiensis.

1550

1,262

Nathanael Rhenander Schemnicensis.

1550

1,262

Johannes Euander Wonsildensis

1575

2,254

Eintrag im Matrikelbuch der Universität Wittenberg

Iohannes Neander Salzfordensis

1575

2,254

Abrahamus Riuander Lesnicon.

1575

2,259

Christophorus Neander Gorlicius

1600

2,469

Georgius Xylander Burckunstaden. Franc.

1600

2,473

Tobias Neander Rautenas Sil.

1625

4,294

Tobias Mesander Frisius Nordanus

1625

4,295

Matthias Neander Bricensis

1625

4,296

Christianus Rivander Neustadiens. Misn.

1625

4,296

Laurentius Samuelis Arctander Nidresiensis

1625

4,297

Anthonius Güntherus Gryphiander Oldenburgo Frisius

1650

4,480

Eine gesonderte Betrachtung der Namenformen mit dem Namenglied -ander im Vergleich zu -man(n) an der Universität Wittenberg, für die Matrikeleinträge für

|| 118 Die Nachweise beziehen sich auf die Bände der Wittenberger Matrikeleditionen. FamN mit -ander kommen innerhalb des Matrikelkorpus an folgenden weiteren Universitäten vor: Rostock (4), Wien (4), Leipzig (2), Heidelberg (1), Köln (1). Zur Etymologie rezent vorkommender Gräzisierungen auf -ander s. Namenbuch (Anhang 1).

78 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

die Zeitabschnitte 1500 (1502) bis 1650 verfügbar sind, zeigt neben dem Erscheinen von HumanistenN mit Substitution von -mann durch -ander ab 1550 auch teilweise frequentes Vorkommen der suffigierten latinisierten Form mit -us (z. B. Johannes Hofmannus Herrborniensis, Förstemann 1841: 258), die in Kap. 3.3.5.1 untersucht wird.119 FamN mit -ander erreichen 1625 mit fünf Einträgen einen Höchststand an der Universität Wittenberg. Abbildung 5 zeigt das dortige Verhältnis der Formen auf -ander und der auf -man(n).

Abb. 5: Anteil von Latinisierungen und Gräzisierungen zu FamN auf -man(n) 1500–1650 in Wittenberg

Auch Gräzisierungen von Patronymen mit dem griechischen patronymischen Suffix -ίδης (-ídes) wie Romanides finden sich erst spät und selten in der Datenbank: Erstmals erscheinen sie 1575, insgesamt handelt es sich hierbei um nur sieben Belege.120 Die betreffenden Studenten sind, bis auf den 1575 in Rostock eingeschriebenen Lucas Marcinides Mundius Vilnensis in magno ducatu Lithuaniae (Hofmeister 1891: 187), ebenfalls alle an der Universität Wittenberg immatrikuliert.

|| 119 Die genitivische Form -manni kommt in Wittenberg hingegen nur 1500 mit einem einzigen Beleg vor. 120 Zu Gräzisierungen mit dem Suffix -ides s. Kap. 4.1.2.3.

Humanistennamen an Universitäten | 79

Auffällig ist, dass es gerade diese schematischen Substitutionen mit -ander und Suffigierungen mit -ides sind, die zunehmen, nicht assoziativ kreierte Gräzisierungen wie Protucius (‘Vormeißler’ < Bickel), Capnio (‘kleiner Rauch’ < Reuchlin) oder Oecolampadius (‘Hausschein’ < Husgen), die für die frühen Humanisten typisch waren. Für schematische Bildungen wie Neander sind keine profunden Kenntnisse des Griechischen notwendig, es handelt sich vielmehr um die Anwendung eines erst allmählich etablierten Modells, das anhand des Namengliedes -ander signalhaft anzeigt, dass es sich um einen HumanistenN handelt. Diese katalogartige Bildungsweise ist somit eine Hilfestellung für die Bildung und Verwendung „korrekter“ gräzisierter FamN in Kreisen, in denen das Griechische zwar ein hohes Prestige hatte, aber nur von Wenigen gut beherrscht wurde. Die aufgezeigte Entwicklung der gräzisierten HumanistenN passt ins Bild der euphorischen Aufbruchsstimmung in den ersten HumanistenGenerationen und einer sich im 16. Jahrhundert durchsetzenden allmählichen Verschulung der nicht mehr als neu und revolutionär angesehenen Bildungsbewegung (vgl. Kap. 3.2.4). Substitutionen des sehr frequenten deutschen FamN-Gliedes -mann durch lateinische Entsprechungen (etwa durch lat. *-vir ‘Mann’) kommen zudem nicht vor, sodass die Bildungen auf -ander hier eine Lücke im Inventar von Substitutionen füllen konnten, wie Abbildung 5 zeigt: Zunächst überwiegen deutsche Formen hier noch deutlich, erst um 1550 nehmen Substitutionen mit -ander in nennenswertem Umfang zu, doch werden sie – anders als etwa Hyperlatinisierungen – nie frequenter als die nativen Namenformen. Vor dem Jahr 1650, nach dem die Edition der Wittenberger Matrikel nicht mehr verwendet werden kann (vgl. Kap. 3.3.3), ist der Anteil der Formen mit -ander insgesamt bereits wieder deutlich gesunken. Diese Zahlen können aufgrund der geringen Frequenzen zwar nur Tendenzen aufzeigen, doch fügen sie sich in das sich bislang abzeichnende Gesamtbild ein: Das rapide Abfallen der Gräzisierungen nach 1625 in Wittenberg spricht – wie ähnliche Entwicklungen bei den Latinisierungen – dafür, dass es sich hier noch zu diesem späten Zeitpunkt häufig um Neubildungen für den Eintritt in eine universitäre Laufbahn handelt, seltener um einen bereits ererbten, in einer Familie über Generationen konstant getragenen HumanistenN. So erklärt es sich, dass auch diese HumanistenN in der Mitte des 17. Jahrhunderts bald weitgehend ungebräuchlich wurden. Die Gräzisierungen, die sich dann noch in den Matrikeln finden, haben bereits einen ähnlich geringen Anteil wie unter den heutigen FamN in Deutschland und den Niederlanden. Somit kann eine allgemeine Fixierung von FamN auch an Universitäten im ausgehenden 17. Jahrhundert angenommen werden, die Neubildungen von HumanistenN blockierte,

80 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

bereits mehrfach vererbte Latinisierungen und Gräzisierungen jedoch konservierte und so bis in die Gegenwart tradierte. Ein Blick in die ab 1595 erhaltenen Matrikeln der Universität Uppsala zeigt, dass dort die meisten Studenten mit Patronymen immatrikuliert sind. Doch erscheinen diese nicht als Derivate mit dem onymischen Suffix -son (wie Pettersson, Magnusson oder Karlsson), sondern als lateinische Genitive (Petri, Magni, Caroli). Von Anfang an finden sich hier jedoch auch HumanistenN auf -ander, die dem Patronym nachgestellt sind und denen in den Matrikeln in Uppsala eine frequente native Variante auf -man fehlt, da FamN in Schweden zu dieser Zeit noch weitgehend ungebräuchlich waren (vgl. Kap. 5.2.1). Im Zeitraum 1595–1625 erscheinen hier folgende HumanistenN auf -ander:121 Tab. 16: Matrikeleinträge auf -ander in Uppsala bis 1625

Eintrag im Matrikelbuch Georgius Erici Micrander Uplan.

Jahr

Nachweis

1595–1597

1,2

Michaël Johannis Chalcander Wesm.

1595–1597

1,2

Laurentius Laurentij Potamander

1604–1605

1,10

Magnus Magni Alander Smålandensis

1609–1610

1,16

Andreas Petri Normalander Ostgot.

1618

1,25

Jonas Johannis Tremulander Ostrogoth.

1618

1,25

Johannes Erici Roslagiander

1620

1,28

Johannes Olai Wallander

1623

1,33

Israel Nicolai Eosander Ostrogothus

1625

1,38

Das Auftreten von Gräzisierungen in den Matrikeln fast aller protestantischen Universitäten im Korpus (Heidelberg, Leipzig, Rostock, Wittenberg, außerdem an der Universität Uppsala im protestantischen Schweden) bei weitgehendem Fehlen an den katholischen Universitäten (mit Ausnahme von vereinzelten Belegen in Wien und Köln) scheint die in der Forschung vertretene These, dass HumanistenN v. a. ein protestantisches Phänomen seien, zu bestätigen. Doch ergibt sich im Falle von Latinisierungen ein gänzlich anderes Bild (vgl. hierzu Kap. 5.2.2).

|| 121 Die Nachweise beziehen sich auf den ersten Band der Matrikeleditionen der Universität Uppsala (Andersson 1900).

Humanistennamen an Universitäten | 81

3.3.5 Suffigierungen im Matrikelkorpus Nach der Abfrage der substituierten FamN folgt eine entsprechende Untersuchung von hybriden FamN, deren nativer Wortkörper bei der Latinisierung intakt geblieben ist und lediglich um ein lateinisches Suffix erweitert wurde. Dabei wird aufgrund der geringen Tokenzahlen zunächst nicht unterschieden, ob weitere Anpassungen – etwa eine Vermeidung von Umlauten oder eine Tilgung auslautender Schwa-Laute – vorgenommen wurden. Beispielhaft werden aus dieser Gruppe FamN mit den Suffixen -us und -ius sowie Genitivformen mit dem Suffix -i untersucht.122 Ziel der Untersuchung ist ein Vergleich mit den Ergebnissen aus Kap. 3.3.4, um diese weiter zu präzisieren. In der ersten Abfrage wird die Latinisierung von FamN mit dem Letztglied -mann durch Suffigierung mit lat. -us im Vergleich zur Substitution mit griech. -ander diskutiert (vgl. Kap. 3.3.4.4), woran sich eine Abfrage deutscher FamN mit dem Suffix -ius anschließt. In einer dritten Untersuchung werden Patronyme mit lateinischem Genitiv abgefragt. 3.3.5.1 Latinisierungen auf -mannus und -manni Die Abfrage von BeiN/FamN auf -mann und deren substituierten Varianten auf -ander ergab für die Universität Wittenberg insgesamt 143 Tokens, davon 25 für die gräzisierten Formen (vgl. Kap. 3.3.4.4). Doch FamN auf -mann können nicht nur durch Substitution mit -ander gräzisiert, sondern auch durch Suffigierung latinisiert werden. Als Suffixe treten hierbei -us (Nominativ) und -i (Genitiv) auf (z. B. Hermannus – Hermanni, Hoffmannus – Hoffmanni). Latinisierungen mit anderen Suffixen (z. B. -mannius) kommen in der Stichprobe hingegen nicht vor. Um ein Gesamtbild aller möglichen Formen zu FamN auf -mann zu erhalten, werden gräzisierte HumanistenN mit dem Letztglied -ander hier erneut integriert. Die nativen Formen mit -man(s), -mann(s) überwiegen mit insgesamt 530 Tokens deutlich. Zeitlich verteilen sich die Bildungstypen folgendermaßen:

|| 122 Zu den unterschiedlichen Suffixen in HumanistenN s. Kap. 4.1.

82 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Tab. 17: Verhältnis der Letztglieder -mann/-mannus/-ander

1450

Suffigierung Nom. (-us)

Suffigierung Gen. (-i)

Substitution (-ander)

Dt./Nl. (-man(n)(s))

Gesamt

1

6

-

40

47

1475

-

5

-

45

50

1500

1

7

1

81

90

1525

-

2

-

28

30

1550

18

6

4

78

106

1575

24

-

5

20

49

1600

28

1

2

29

60

1625

16

1

11

45

73

1650

17

-

1

81

99

1675

-

-

1

36

37

1700

3

2

-

47

52

108

30

25

530

693

Gesamt

Insgesamt wird das Fazit aus Kap. 3.3.4.4 bestätigt, dass FamN auf -mann erst spät an die Bildungssprachen Latein und Griechisch angepasst wurden. Die Suffigierung mit lat. -us nehmen dabei 1550 und insbesondere 1575 stark zu, fallen jedoch nach 1600 bereits wieder deutlich. Gräzisierte Bildungen mit -ander nehmen zunächst weniger stark zu, erfahren jedoch auch erst 1625 ihren höchsten Stand. In diesem Zeitabschnitt erreichen die stets selteneren Gräzisierungen einen ähnlich hohen Wert wie die Latinisierungen auf -us. Wie bereits bei den Substitutionen gesehen, verschwinden lateinische Genitive auf -i im Lauf des 16. Jahrhunderts beinahe vollständig. Anders als in Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2 sind sie bei BeiN/FamN auf -mann jedoch zu keinem Zeitpunkt besonders frequent. Latinisierte Formen mit -mannus haben sich – im Gegensatz zu allen anderen der bislang betrachteten Namengruppen – in den deutschen FamN nicht erhalten.

Humanistennamen an Universitäten | 83

Anteil von Suffigierungen und Subsitutionen bei FamN mit dem Letztglied -mann (n = 693) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1450

1475

1500

1525

1550

1575

1600

1625

1650

1675

Suffigierung Nom. (-mannus)

Suffigierung Gen. (-manni)

Substitution (-ander)

Deutsch/Niederländisch (-mann)

1700

Abb. 6: Latinisierungen und Gräzisierungen bei FamN mit Letztglied -mann

3.3.5.2 Suffigierungen nativer FamN mit -ius Abgefragt werden BeiN/FamN, deren deutsche/niederländische Basis formal weitgehend unverändert und lediglich um das Suffix -ius erweitert ist. Dieses fand in der antik-römischen Namengebung insbesondere für die Bildung von GentilN Verwendung, die aus einer adjektivischen Ableitung entstanden waren (s. Kap. 2.1). Da römische Autoren der Antike zum festen Kanon humanistischer Bildung zählten, liegt die Vermutung nahe, dass HumanistenN bevorzugt nach dem Vorbild der GentilN gebildet wurden und folglich das Suffix -ius besonders beliebt war. Ausgewählt werden BeiN/FamN, denen (scheinbar oder tatsächlich) ein transparentes Appellativ zugrunde liegt, sodass eine Substitution des Namens prinzipiell möglich gewesen wäre:

84 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

dt. FamN Fuchs

Substitution: Vulpes (lat. vulpēs ‘Fuchs’)

Suffigierung: Fuchs-ius Abb. 7: Latinisierung des deutschen FamN Stein durch Substitution und Suffigierung

Dabei ist es für diese Untersuchung unerheblich, was die tatsächliche Etymologie des jeweiligen FamN ist, denn Substitutionen der Namen bekannter Gelehrter wie des bereits genannten Johannes Oecolampadius123 beweisen, dass – sicher häufig bewusst – kreativ und produktiv Volksetymologien hergestellt und verwendet wurden.124 Während rein orthographische Anpassungen an das Lateinische in die Untersuchung einbezogen werden (z. B. Eccius statt Eckius zum Lexem Eck oder Ecke), werden zugehörige phonologische Veränderungen ausgeschlossen, wenn sie zu einer Übereinstimmung mit einem lateinischen Lexem führen (z. B. Longius statt Langius zu lat. longus ‘lang’). Da im Vergleich zu den gut abzugrenzenden substituierten FamN aus Kap. 3.3.4 eine sehr große Varianz des Typs deutscher FamN + -ius zu erwarten ist, wird für diese Untersuchung nach der Frequenz vorgegangen: Es werden im Folgenden alle FamN berücksichtigt, die die genannten Kriterien erfüllen und mindestens zweimal im Korpus verzeichnet sind. Für die Untersuchung verbleiben 16 Types mit 58 To-

|| 123 In Heidelberg 1499 immatrikuliert als Joannes Huszgen alias Icolampadius de Wynsberg (Toepke 1884: 434), in Tübingen 1513 als M. Johannes Icolumbadius de Winsperg (Hermelink 1906: 194). Der FamN ist eine Gräzisierung zu griech. οίκος (oíkos) ‘Haus’ und griech. λαμπάς, λαμπάδος (lampás, lampádos) ‘Fackel, Leuchte; Sonne’. „Sein deutscher Name wurde von seinen Freunden in das zur Übersetzung besser geeignete Husschin oder Hausschein umgewandelt, und er selbst scheint das gebilligt zu haben, denn auf dem Titel seiner zweiten Schrift an Pirkheimer (sic!) nennt er sich ‚Ioa. Husschin, cui ab aequalibus a prima adulescentia Oecolampadio nomen obvenit.’“ (Ioa[nnes] Husschin, dem von Gleichaltrigen von frühester Jugend an der Name Oecolampadio zuteil wurde) (Bergerhoff 1918: 36, Anm. 6). 124 Die Einschätzung, dass es sich dabei um „Übersetzungsfehler“ (Bach 21953: 116) handelt, geht von falschen Zielen für diese Form des Namenschöpfungsprozesses aus. Vielmehr handelt es sich um assoziative Interpretationen zeitgenössischer Namenformen, die eine intensive Beschäftigung mit Sprache widerspiegeln. Um einen einzigartigen, besonders kreativ komponierten HumanistenN zu erhalten, baten einige Humanisten sogar bei anerkannten Experten der klassischen Sprachen darum, einen solchen Namen für sie zu kreieren (s. Kap. 3.2.3). Um korrekte „Übersetzungen“ allein ging es etablierten Humanisten bei der Schaffung solcher HumanistenN gewiss nicht (s. hierzu Kap. 4.2.8).

Humanistennamen an Universitäten | 85

kens, die aufgrund der Heterogenität dieser Namengruppe nachfolgend im Wortlaut der Editionen aufgelistet werden:125 Tab. 18: Suffigierungen mit -ius im Matrikelkorpus (mind. zwei Einträge)

FamN

Matrikeleintrag

Universität

Jahr

Curtius (Kurz)

Christophorus Curtius Sagonensis

Wittenberg

1550

Wern. Curtius, Tolpiacensis

Köln

1675

Joh. Curtius, Juliac.

Köln

1700

Leuinus Ekius Suerinensis

Rostock

1575

Balthasar Eccius Moscouien.

Wittenberg

1575

Abrahamus Eccius, Glogoviensis Silesius

Heidelberg

1600

Sophonias Eccius Samenheimensis Francus

Wittenberg

1600

Casparus Fuchsius Fredrichrodensis

Rostock

1575

Bartholomaeus Fuchsius Gutstadiensis Prutenus

Wien

1575

Johannes Conradus Fuchsius, Vormatiensis

Heidelberg

1600

Iohannes Fuchsius Corona Transyl.

Wittenberg

1650

Win. Fucksius ex Sintorff

Köln

1700

Matthaeus Funckius Gothanus

Erfurt

1575

Iohannes Funckius Leobergensis

Wittenberg

1575

Johannes Philippus Hosius, Oppenhemius

Heidelberg

1600

Joannes Hosius, Alcmarensis

Löwen

1675

Daniel Kindius Delitianus

Wittenberg

1575

Christianus Kindius Rathenoviensis

Wittenberg

1600

Eccius (Eck, Ecke)

Fuchsius (Fuchs)

Funckius (Funke)

Hosius (Hose)

Kindius (Kind)

|| 125 Unter „FamN“ folgt auf die häufigste im Matrikelkorpus belegte Namenvariante jeweils ein mögliches deutsches Etymon, das für eine lateinische bzw. griechische Substitution hätte verwendet werden können. Die Belegstellen sind dem Matrikelkorpus zu entnehmen (Download: https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html).

86 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

FamN

Matrikeleintrag

Universität

Langius (Lang, Lange)

Eng. Langius, Monasteriensis et eiusdem d.

Köln

1525

Laurentius Langius Altenburgensis

Leipzig

1550

Iohannes Langius Hakelbergensis

Rostock

1575

Christophorus Langius Freistadi. Sile.

Wittenberg

1575

Daniel Langius Anclamensis Pomeranus

Rostock

1625

Ioachimus Langius Dabera Pomer.

Wittenberg

1625

Samuel Langius Dabero Pomeranus

Wittenberg

1625

Leonhardus Langius Lunaeburgensis

Rostock

1650

Godofridus Langius Cremnicio Hungarus

Wittenberg

1650

Iohannes Neuius Argentinensis

Wittenberg

1575

Henricus Neuius Clebensis

Wittenberg

1575

Iohannes Schnellius Haterslebiensis

Wittenberg

1600

Zacharias Snellius Brunsvicensis

Wittenberg

1625

Iohannes Schnellius Eiderostadiensis

Rostock

1650

Paulus Gregorius Schönius Aurbachio Palat.

Wittenberg

1625

Sebastianus Schönius Aurbachius Palat.

Wittenberg

1625

Philippus Athomarus Stabius

Heidelberg

1550

Othmarus Stabius art. magister

Heidelberg

1550

Athtomarus Stabius iunior

Heidelberg

1550

Ger. Sturmius, Juliac.

Köln

1600

Balthasar Sturmius Wismaria Megapol.

Wittenberg

1625

Petrus Sturtzius Orttratensis

Wittenberg

1575

Johannes Robertus Sturtzius, Bipontinus

Heidelberg

1600

Christophorus Sturcius Rostochiensis

Rostock

1600

Casparus Vogelius Stolbergensis

Leipzig

1550

Herm. Vogelius, Mon.

Köln

1600

Neuius (Neu, Neffe)

Schnellius (Schnell)

Schönius (Schön)

Stabius (Stab)

Sturmius (Sturm)

Sturtzius (Sturz)

Vogelius (Vogel)

Jahr

Humanistennamen an Universitäten | 87

FamN

Wildius (Wild)

Wolfius (Wolf)

Matrikeleintrag

Universität

Jahr

Paulus Vogelius Dresdensis

Rostock

1600

Petrus Wildius, Montisbelgardensis

Heidelberg

1600

Andreas Wildius Belticensis Saxo

Wittenberg

1600

Casparus Wolfius Argentinensis eiusd. dioc.

Heidelberg

1550

Hartmannus Wolfius Fridbergensis.

Wittenberg

1550

Martinus Wolfius Crossensis

Wittenberg

1550

Conradus Wolfius Bellersheimensis

Heidelberg

1575

Alexander Wolphius Hessus

Rostock

1575

Iohannes Wolfius Perlebergensis March.

Rostock

1625

Petrus Wolfius Femariensis Holsatus

Rostock

1625

Ivarus Iacobaeus Wolphius Danus

Rostock

1625

Johannes Fridericus Wolffius, Hagâ-Batavus

Heidelberg

1650

Iacobus Wolfius iniuratus

Wittenberg

1650

Christianus Sigismundus Wolfius Frisacens. Marchicus

Wittenberg

1650

Trotz der niedrigen Tokenfrequenz ergibt sich ein deutlicher Schwerpunkt dieses Namentyps zwischen etwa 1550 und 1650: Tab. 19: Vorkommen des Typs dt. FamN + -ius (absolut)

Jahr

dt. BeiN/FamN + -ius

1450

-

1475

-

1500

-

1525

1

1550

9

1575

14

1600

13

1625

10

88 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Jahr

dt. BeiN/FamN + -ius

1650

7

1675

2

1700

2

Geographisch deuten die genannten Immatrikulationen auf einen in der Forschung häufiger erwähnten konfessionellen Einfluss auf die Bildung von HumanistenN hin, denn während an den Universitäten in katholischen Gebieten lediglich acht dieser Einträge zu finden sind (Köln 6, Löwen 1, Wien 1), erreichen allein die Universitäten Wittenberg (24), Rostock (12) und Heidelberg (11) mit 47 Einträgen einen Anteil von etwa 81%. Die geringe Tokenzahl an der Universität Leipzig ist vermutlich auf die fehlenden späteren Zeitabschnitte zurückzuführen, denn die Matrikeln sind dort nur bis 1550 auswertbar. Da die Stichprobe auf zufälligen Mehrfachnennungen von FamN beruht, kann ein geringes Auftreten dieses Namentyps jedoch zumindest teilweise auch dem Zufall geschuldet sein. Dies mag für das beinahe vollständige Fehlen der betrachteten HumanistenN in den Matrikeln der Universität Erfurt eine Rolle spielen. Doch zeichnet sich ab, dass die von Bergerhoff (1918: 25) beschriebene Vorreiterrolle Erfurts bei der Bildung von HumanistenN ohnehin eine außeruniversitäre Erscheinung war, die in den Matrikeln auch anderweitig nicht nachweisbar ist. In Wittenberg hingegen, das Erfurt am Anfang des 16. Jahrhunderts laut Bergerhoff (1918: 25) in der Bildung von HumanistenN überholt haben soll, sind diese in verschiedenen Bildungsweisen überaus präsent. Dennoch lässt sich die Abnahme der Suffigierungen auf -ius im 17. Jahrhundert nicht allein dadurch erklären, dass die Edition der Wittenberger Matrikeln nur bis 1650 auswertbar ist, denn bereits im Zeitabschnitt 1650 sind deutlich weniger Belege zu finden. Diese Feststellung deckt sich mit der Abnahme der Gräzisierungen in Wittenberg, die offenbar im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts einsetzte (vgl. Kap. 3.3.4.4). In den Zeitabschnitten 1500 und 1525 hingegen, in denen Wittenberg vertreten ist, stammt der einzige verzeichnete Beleg für eine Suffigierung mit -ius von der Universität Köln. Anhand dieser Namengruppe wird somit deutlich, dass die Verwendung des Suffixes -ius um die Mitte des 16. Jahrhunderts nicht nur bei der Bildung von Hyperlatinisierungen wie Sartorius, sondern auch in Suffigierungen von (scheinbar) transparenten nativen FamN zunimmt und im 17. Jahrhundert wieder zurückgeht.

Humanistennamen an Universitäten | 89

3.3.5.3 Patronymische Genitive auf -i Zuletzt werden patronymische Genitive auf -i im Matrikelkorpus abgefragt. Da eine Auswahl für einzelne Patronyme zu treffen ist, wird die Abfrage auf die häufigsten der rezent vorkommenden lateinischen Genitive bei Patronymen in Deutschland, die in Kap. 4.1.1.2 behandelt werden, beschränkt. Davon ist lediglich Caspari in der historischen Stichprobe nicht nachweisbar. Die übrigen Namenformen verteilen sich wie folgt auf die Zeitabschnitte 1450–1700:

8

3

10

-

4

40

3

11

3

8

-

3

44

Gesamt

2

6

Wilhelmi

3

1

Philippi

2

2

Petri

1

2

Pauli

Georgi(i)

2

5

Nicolai

Conradi

5

1475

Martini

Antoni(i)

1450

Jacobi

Alberti

Tab. 20: Patronymische Genitive auf -i im Matrikelkorpus

1500

-

2

3

1

16

2

8

3

19

1

9

64

1525

1

3

1

-

6

4

7

5

8

1

1

37

1550

2

5

-

-

7

8

6

1

15

1

2

47

1575

-

-

-

1

-

1

2

3

3

-

-

10

1600

1

-

2

1

-

-

-

6

1

1

-

12

1625

-

-

2

2

4

3

9

-

9

1

-

30

1650

-

-

-

-

2

-

5

1

4

-

-

12

1675

1

1

-

-

-

1

2

1

-

-

2

8

1700

1

-

-

-

1

1

-

-

1

-

-

4

16

15

11

8

45

25

58

26

78

5

21

308

Gesamt

Die korrekten Genitive zu Antonius und Georgius sind Antonii und Georgii. Diese sind in den Matrikeln mehrfach anzutreffen, jedoch nicht als rezente FamN nachweisbar. Deshalb werden in dieser Untersuchung Antonii und Georgii statt der offenbar später reduzierten Formen Antoni und Georgi gewertet. Während Genitive bei BerufsN wie Faber oder Pistor an allen Universitäten zunächst sehr frequent vorkommen126 und dann deutlich abnehmen, legen die

|| 126 Vgl. Fabri: 1450: 100%, 1475: 86%, 1500: 81% (Kap. 3.3.4.1); Pistoris + Praetoris + Sartoris + Sutoris + Textoris: 1450: 96%, 1475: 100%, 1500: 81% (Kap. 3.3.4.2).

90 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

absoluten Zahlen für die Genitive von Patronymen keinen derart rapiden Rückgang nahe. Eine relative Untersuchung ist hier aufgrund mehrerer Faktoren nicht zielführend. Neben der oft nicht eindeutigen Einordnung von RufNFormen als Patronym oder RufN stellt auch die enorme Vielfalt von Patronymen ein Problem dar. Das verdeutlicht etwa das Beispiel Petrus/Petri: Der lateinische Genitiv Petri erscheint in 78 Einträgen im Matrikelkorpus. Während die lateinische Nominativ-Form mit fünf Tokens selten vorkommt, fehlt die deutsche Nominativ-Form Peter vollständig. Dafür finden sich jedoch folgende Derivate: Peters 2, Peterman 2, Petersen 1, Petraeus 3, Petreius 2. Hier wären den lateinischen Genitiven also nicht bloß deutsche nominativische und genitivische Formen gegenüberzustellen, sondern etwa auch die Gräzisierung Petraeus und das Patronym Peterman, bei dem unklar ist, ob die Option einer Latinisierung als Petri überhaupt in Betracht zu ziehen ist. Bei Pauli und Jacobi stellt sich hingegen ein anderes Problem ein: Hier sind als Nominative lediglich je einmal Paulus und Jacobus belegt, Derivate fehlen, sodass die Genitive bei diesen Patronymen fast immer 100% der Belege ausmachen. Überdies ließe sich kaum absichern, dass tatsächlich alle Varianten erfasst und Konkurrenzen bedacht wurden (FamN wie Kob, Kopp, Koppe, Koppeke und Koppius könnten deutsche bzw. latinisierte Kurzformen zu Jacobus, aber z. B. auch ÜberN zu mhd. kopf, md. kop ‘Becher; Kopf’, mnd. kop ‘Kopf, Schröpfkopf’ sein). Aus diesen Gründen muss sich die Untersuchung auf die absoluten Zahlen beschränken. Wie die Gräzisierungen mit dem Namenglied -ander einen deutlichen Schwerpunkt an der Universität Wittenberg haben, sind die hier untersuchten Genitivformen deutlich vorherrschend in Löwen, wo sich 167 der 308 Belege finden. Die Konzentration in Löwen erklärt das zunächst deutliche Abfallen der Frequenz in den Zeitabschnitten 1575 und 1600, in denen die Universität Löwen nicht enthalten ist. Mit dem nächsten Zeitabschnitt, für den auch Daten aus Löwen vorliegen, nehmen die entsprechenden Formen wieder zu, sodass der Rückgang 1575 und 1600 auf das Fehlen der Matrikeldaten der Universität Löwen in diesen Zeitabschnitten zurückzuführen sein dürfte. Die Matrikeln der übrigen Universitäten enthalten mit 141 Einträgen jedoch eine ausreichende Frequenz, die eine Bewertung ohne Löwen zulässt. Zusätzlich werden die Daten von Latinisierungen auf -is (Johannis, Michaelis, Simonis) hinzugefügt. Für die absolute Anzahl der in dieser Stichprobe enthaltenen lateinischen Genitive auf -i und -is ergeben sich an den verbliebenen Universitäten folgende Werte:

Humanistennamen an Universitäten | 91

Tab. 21: Lateinische Genitive auf -i und -is im Matrikelkorpus

-i

-is

Gesamt

1450

40

8

48

1475

10

6

16

1500

11

7

18

1525

8

1

9

1550

9

3

12

1575

10

3

13

1600

12

2

14

1625

21

2

23

1650

9

1

10

1675

7

1

8

1700

4

1

5

141

35

176

Gesamt

In diesen Daten ist keine mit den in 3.3.4 behandelten Substitutionen festgestellte Abnahme lateinischer Genitive erkennbar. Hier handelt es sich eher um eine diffuse Schwankung der Frequenzen einzelner in der Stichprobe enthaltener FamN. Auch unter Ausschluss der Universität Löwen stellt sich somit das Ergebnis ein, dass eine Abnahme der patronymischen Genitive wesentlich langsamer stattgefunden hat, als dies bei den übrigen Abfragen der Fall war. Dies ist vermutlich dadurch zu erklären, dass es bei Patronymen nur wenige Alternativen für die Namenbildung gibt. Eine Substitution ist nicht möglich, allenfalls eine Suffigierung, die sich wiederum bei nicht-deutschen RufN am ursprünglichen RufN orientiert. So ergibt sich etwa für den FamN Nickel die Möglichkeit, diesen zu latinisieren, indem die lateinisch vermittelte Vollform des RufN Nicolaus (< griech. Νικόλαος, Nikólaos) gewählt wird, oder aber der entsprechende Genitiv Nicolai, eine Suffigierung wie Nickelius oder (gräzisiert) Nicolaides. In Universitätsmatrikeln ergibt sich aus der Latinisierung Nicolaus das Problem, dass nicht in jedem Fall unmittelbar erkennbar ist, ob es sich um einen zweiten RufN oder um den FamN handelt. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu HumanistenN wie Faber, bei denen keine Gefahr der Verwechslung mit einem RufN besteht. Bei Patronymen hingegen stellt die Flexion hier Eindeutigkeit her: Ein RufN im Genitiv ist unmittelbar als FamN zu identifizieren. Ein Problem dieser

92 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Form ergibt sich hingegen im Text bzw. in der gesprochenen Sprache, denn ein lateinischer Genitiv kann nicht weiter flektiert werden (vgl. Kap 4.1.1.2).

3.3.6 Zusammenfassung Die verschiedenen Untersuchungen von Namenbildungen anhand des Matrikelkorpus haben gezeigt, dass das lateinische Suffix -ius wie auch das gräzisierte Namenglied -ander zur Bildung von HumanistenN erst nach der eigentlichen Blütezeit des Humanismus zu einer Art „Markenzeichen“ für HumanistenN wurde. Zuvor überwiegen noch deutlich die in den spätmittelalterlichen Matrikeln vorherrschenden lateinischen Genitive (Fabri, Pistoris, Petri etc.). In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt es zu einer freieren Wahlmöglichkeit, in der zeitweise lateinische Genitive, Substitutionen im Nominativ und Hyperlatinisierungen koexistieren, bis um 1550 zunächst nominativische Substitutionen, um 1575 schließlich Hyperlatinisierungen den frequentesten Bildungstyp darstellen, die bis zur Ablösung durch native Formen um 1625 vorherrschend bleiben:

Lat. Substitution

Lat. Substitution

Genitiv

Nominativ

(1450–1525)

(1550)

Hyperlatinisierung (1575–1600)

Deutsch/ Niederländisch (1625–1700)

Abb. 8: Die häufigsten Namentypen bei Substitutionen 1450–1700

Etwa parallel zu den Hyperlatinisierungen nehmen auch Suffigierungen auf -ius zu, denen kein bereits latinisierter, sondern der native FamN zugrunde liegt, und zwar auch dann, wenn dieser scheinbar transparent ist und somit substituiert werden könnte (vgl. Kap. 3.3.5.2). Durch die frequente Verwendung des Suffixes -ius in Substitutionen und Suffigierungen nähern sich die HumanistenN in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vermehrt dem antik-römischen GentilN an. Gleichzeitig nehmen die erstmals im Humanismus aufkommenden Gräzisierungen mit dem Namenglied -ander zu (z. B. Neander), die eine Substitution von FamN auf -mann ermöglichen. Wenngleich diese insgesamt selten bleiben, tragen sie zu einer im Vergleich zur Anfangszeit der Bildung von HumanistenN (vgl. Kap. 3.2.2) immer schematischer werdenden humanistischen Namengebung bei, denn Hyperlatinisierungen zu bestimmten frequenten

Humanistennamen an Universitäten | 93

BerufsN (Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2), Gräzisierungen zu FamN auf -mann (Kap. 3.3.4.4) und Suffigierungen mit dem lateinischen Suffix -ius (Kap. 3.3.5.2) erfordern keinen hohen Grad an Latein- oder Griechischkenntnissen, sind jedoch unmittelbar als HumanistenN erkennbar. Die Matrikeldaten legen somit nahe, dass die markanteste Zeit der Latinisierung und Gräzisierung von FamN im deutschen Sprachraum nicht in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu datieren ist, in der noch experimentellere HumanistenN gebildet wurden, die sich häufig nicht als rezente FamN nachweisen lassen (s. Kap. 3.2.1), sondern in die zweite Hälfte des 16. und die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts (Rentenaar 2003: 109 nennt ohne weitere Differenzierung das 16. und 17. Jahrhundert als Blütezeit der Bildung von HumanistenN). Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts kann eine endgültige Akzeptanz und weiträumige Durchsetzung von HumanistenN als FamN nachgewiesen werden, wobei sich bei verschiedenen Bildungstypen deutliche regionale Unterschiede ausmachen lassen. Bei Gräzisierungen und Suffigierungen mit -ius tut sich insbesondere die Universität Wittenberg hervor, wobei jedoch auch weitere Universitäten in protestantischen bzw. reformierten Gebieten (insbesondere jene in Heidelberg und Rostock, möglicherweise auch die in Leipzig, deren Matrikeleditionen nur bis 1550 nutzbar sind) überdurchschnittlichen Anteil an diesen Namenbildungen haben. An Universitäten in Gebieten, die katholisch bleiben (insbesondere Köln und Löwen), sind zumindest Hyperlatinisierungen ebenfalls nicht selten, sodass der Zusammenhang zwischen der Einführung der Reformation und der Bildung von HumanistenN in einer Region (vgl. Bergerhoff 1918: 25, 29–31) nicht uneingeschränkt bestätigt werden kann. Anhand dieser Feststellungen ist die Hochphase der Bildung und Verwendung von HumanistenN folglich rund 50 Jahre später anzusetzen, als sie in der bisherigen Forschung, die sich zumeist auf die herausragenden Persönlichkeiten der humanistischen Bildungsbewegung fokussierte, angenommen wurde. Durch die nachweisbare sprachliche Varianz in der Verwendung von FamN in Gelehrtenkreisen verschiebt sich gleichzeitig deren endgültige Fixierung von etwa 1500 bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts:

94 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

unfester N-Zusatz

> > > BeiN

> > > fester (nativer) FamN HumanistenN

RufN 800

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000

Phase 1

Phase 2

Phase 3

Abb. 9: Entstehung und Fixierung der FamN mit längerer Variabilität durch Latinisierung/Gräzisierung (ergänzt nach: Nübling, Fahlbusch & Heuser 22015: 145)

Mit einem spätmittelalterlichen BeiN teilt sich ein HumanistenN die Eigenschaft, dass er i. d. R. nur von demjenigen getragen wird, der ihn angenommen hat, nicht jedoch von dessen Geschwistern. Dass der FamN in latinisierter/gräzisierter Form von der nächsten Generation weitergeführt wird, also eine Vererbung der Umbenennung stattfindet, ist zunächst ebenfalls häufig noch nicht der Fall.127 Auch verwendete der erste Namenträger seinen HumanistenN nicht in jedem Kontext (vgl. Kap. 3.2.3), sodass eine Rückkehr zum nativen FamN über einen längeren Zeitraum ebenso möglich war wie eine Anpassung des HumanistenN (etwa durch weitere latinisierende Elemente, z. B. Sartor > Sartorius). Die Varianz ist hier also – und dies unterscheidet HumanistenN entscheidend von BeiN – weitgehend an den bereits ererbten, semantisch nicht mehr mit dem Namenträger in Verbindung stehenden FamN geknüpft und kann somit nicht mehr frei nach dem Beruf, bestimmten Eigenschaften etc. des Namenträgers gewählt bzw. vergeben werden. Dasselbe gilt für dessen Nachkommen: Die bildungssprachliche Umformung des FamN kann zwar wieder abgelegt werden, doch führt dies zur Wiederannahme der einstigen nativen Form (Heintze & Cascorbi 61925: 73), nicht zur Verwendung eines davon unabhängigen neuen deutschen/niederländischen FamN. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als HumanistenN in der Regel nicht mehr neu gebildet wurden, ist die Verbindung zwischen nativen FamN und HumanistenN gekappt und eine Umformung des einen in den anderen nicht mehr ohne Weiteres möglich.

|| 127 Vgl. die überwiegende Menge von HumanistenN in Kap. 3.2.1, die als rezente FamN nicht nachweisbar sind.

Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken | 95

3.4 Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken Bereits im 16. Jahrhundert finden Erläuterungen zur Latinisierung von PersN Eingang in Werke zu Unterricht und Grammatik. Eine frühe Hilfestellung hierfür gibt 1531 etwa Nicolaus Hauerius (erstmals erschienen wohl bereits 1515, vgl. Kluge 51918: 173). In seiner Schrift Ad pubem suam instituendam exhortatio128 (Ermahnung an seine junge lehrende Mannschaft) fordert er u. a. (Hauerius 1531: fol. 5r): […], idcirco nomina, quibus puer vocat(ur), latina esse debebunt & recta quantitate prolata sic Adamus dicemus no(n) Adam sic Ioachimus, non Ioachim, Absolanus non Absolon, [...]“ (Übers.: […] deshalb sollen die Namen, mit denen der Junge aufgerufen wird, lateinisch sein und mit der korrekten Länge ausgesprochen werden, so sagen wir Adamus, nicht Adam, Ioachimus, nicht Ioachim, Absolanus, nicht Absolon, [...])

Nach Hauerius sollen die Lehrer die Namen ihrer Schüler an die lateinische Unterrichtssprache anpassen, wofür er feste Regeln für notwendig hält. Dazu gehört neben dem Anfügen von -us auch die korrekte Aussprache: „Georgi(us)“ solle man sagen, nicht „Iorius“, ebenso „Philippus no(n) Phillipus, Christophorus no(n) Cristoferus [...]“ (Hauerius 1531: fol. 5r). Um auch die Herkunftsorte der Schüler im Lateinischen angeben zu können, empfiehlt Hauerius, diese nicht mit einer Präposition wie de zu versehen, sondern ihnen das Suffix -anus oder -ensis anzufügen.129 So solle man etwa einen bestimmten Schüler aus Ingolstadt „Bartholomęus Angelypolitanus“ nennen, nicht „de Angelypoli“, einen aus Regensburg oder Eichstätt „Iacobus Ratisbonensis Eystetensis“, nicht „de Ratisbona, de Eystet“ (Hauerius 1531: fol. 5v). Für die Angabe von Herkunftsländern eigne sich hingegen das Suffix -us: „nec de Bauaria, Sueuia, Boemia, sed Bauar(us), Sueuus, Boem(us)“ (nicht aus Bayern, Schwaben, Böhmen, sondern der Bayer, Schwabe, Böhme) (Hauerius 1531: fol. 5v). In seinen Ausführungen widmet sich Hauerius auch der Latinisierung von FamN. Hierzu stellt er fest (Hauerius 1531: fol. 5v):

|| 128 Die Seitenangaben beziehen sich im Folgenden auf das Exemplar in der Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (Signatur: 8 Gl.IV,36). In dem Band sind mehrere Werke verschiedener Autoren enthalten, der Text von Hauerius beginnt auf fol. 4v. 129 Zum Suffix -anus s. Kap. 4.2.4. Zur Verwendung von -(i)ensis in Herkunftsangaben vgl. Kroiß (2021).

96 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Familię quoq(ue) nomen latina eleganter finit terminatione. sic ego, qui ex patre pientissimo Gaspare Hauer cognomen bissyllabum, in prima dipthongo au scriptum, traxi latina(m) terminatione(m). ius addo, quod possit illud & Romano flexu cadere, & tamen cognosci ab omnibus. Quod aute(m) pleriq(ue) integra latina pro barbaris illis co(n)fingant, nescio sane quam id tuto fiat, nam & legentes sæpius hos penitus ignorant, & alij aliter interprętantur, varia enim sunt eiusdem nonnumq(uam) rei, etia(m) apud Germanos vocabula, adeo vt ipsi sese inuicem sępenumero no(n) intellegant quare consultius videtur, cognomini barbaro latin(us) terminus addatur. quo efficimus, vt & recte ab omnibus idem proferatur, & congruat nihilominus orationi latinę. (Übers.: Auch der Familienname schließt im Lateinischen fein mit einer Endung. So habe auch ich es gemacht, der ich den zweisilbigen Beinamen vom gütigsten Vater Gaspar Hauer, in der ersten [Silbe] mit Diphthong au geschrieben, mit lateinischer Endung angenommen habe. Ich füge -ius hinzu, weil jenes unter die römische Flexion fallen und dennoch von allen erkannt werden kann. Dass aber sehr viele [Leute] tadellose lateinische [Namen] für jene fremden ersinnen, ich weiß nicht, wie das gefahrlos gemacht wird, denn öfter erkennen diese die Lesenden überhaupt nicht und andere übersetzen sie anders, denn verschiedenartig sind manchmal gleichartige Bezeichnungen für dieselbe Sache auch bei den Deutschen, so sehr, dass sie sich selbst umgekehrt oftmals nicht erkennen, weshalb es geratener erscheint, dass dem nicht-lateinischen Namen eine lateinische Endung hinzugefügt wird. Dadurch bewirken wir, dass derselbe von allen richtig ausgesprochen wird und nichtsdestoweniger mit der lateinischen Rede übereinstimmt.)

Für FamN empfiehlt Hauerius also ebenfalls die Verwendung eines lateinischen Suffixes an der deutschen Namenform, wie er sie selbst gewählt habe. Die Wiedererkennung des zugrunde liegenden FamN, die für ihn neben der Flektierbarkeit von großer Bedeutung ist, sieht er bei einer vollständig lateinischen Namenform gefährdet, also bei einer Substitution des nativen FamN, wie sie von vielen seiner Zeitgenossen verwendet werde. Von dieser Praxis rät er den Lehrern folgerichtig ab, da es zudem keinerlei Sicherheit gebe, dass der FamN korrekt gedeutet und auf dieser Basis adäquat durch eine lateinische Entsprechung wiedergegeben werde. Diese „Anleitung“ zur Latinisierung von FamN ähnelt dem Bericht Platters, der sich in seiner Lebensbeschreibung an die Latinisierungspraxis seines Lehrers Sapidus in Schlettstadt erinnert (s. Kap. 3.2.3). Dieser habe seinen FamN als Platerus latinisiert, den seines Freundes, der eigentlich Venetz geheißen habe, als Venetus. Im Unterschied zu dieser Praxis geht aus den von Hauerius angeführten Beispielen hervor, dass dieser das Suffix -us v. a. für RufN (und Herkunftsländer) empfiehlt, für FamN hingegen -ius. Möglicherweise spielt sein Hinweis auf die „römische“ Flexion sogar konkret auf die Flexion der römischen GentilN an, die ebenfalls mit -ius gebildet sind (s. Kap. 2.1). In jedem Fall wird deutlich, dass Hauerius zwar dieselbe Bildungsweise für Latinisierungen von RufN, FamN und Herkunftsorten/-ländern mittels Suffigierung fordert, dabei

Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken | 97

jedoch gleichzeitig durch die Verwendung verschiedener Suffixe für eine formale Trennung dieser unterschiedlichen Namengruppen plädiert. Auch eine lautliche Anpassung an das Lateinische wie in Platter > Platerus und Venetz > Venetus lehnt er offenbar ab, wie der explizite Hinweis auf den Diphthong au in seinem nativen FamN zeigt, den er in der Latinisierung seines FamN erhalten will. Damit beugt er einer Interpretation der Schreibung als Haverius und damit einer Auflösung der im Lateinischen unüblichen Vokalkombination aue vor. Eine Verwendung lateinischer Substitutionen von SiedlungsN scheint für ihn hingegen unproblematisch zu sein, solange diese allgemein etabliert sind (vgl. Eystet, aber Angelypolis und Ratisbona130). Die von Hauerius beschriebene Bevorzugung von Suffigierungen gegenüber Substitutionen findet sich noch 320 Jahre später in Webers Uebungsschule für den lateinischen Stil, die sich in einem Exkurs mit dem „Latinisiren moderner nomina propria“ (Weber 31851: 540) auseinandersetzt. In diesem Werk für die oberen Jahrgänge an Gymnasien begründet Weber die Verwendung von HumanistenN durch Gelehrte im 16. Jahrhundert damit, dass diese „in der gelehrten antiken Sprache schriftstellerten“, doch „verfuhren sie dabei oft wunderlich und abstrus genug“ (Weber 31851: 541). Substitutionen wie Oecolampadius und Capnio (s. Kap. 3.2.1) sind für ihn eine „Art spielender Pedanterei“, bei der ein zugrunde liegender deutscher FamN ohne die Kenntnis desselben nicht mehr zuverlässig „herauszufinden“ sei (Weber 31851: 541). Eine Latinisierung von FamN ist für Weber nur noch dann vorzunehmen, wenn diese in lateinischem Kontext gebraucht werden sollen. Wie auch bei Hauerius geht es dabei also nicht darum, einen HumanistenN für eine neue Identität in Gelehrtenkreisen zu entwerfen, sondern eine flektierbare Namenform für die Verwendung in lateinischen Texten. Die substituierten FamN bekannter Humanisten dienen Weber lediglich als prominente Beispiele, die jedoch nicht nachgeahmt werden sollten, wie schon Hauerius ablehnend auf Zeitgenossen verweist, die substituierte FamN verwendeten. Auch Weber ist der Ansicht, dass eine Latinisierung für den Gebrauch in lateinischen Texten nach festen Regeln vorgenommen werden sollte: In der Methode des Latinisirens aber muß man sich nach möglichst sicheren Gesichtspuncten richten, um nicht eintönig und übelklingend zu werden, wenn man schlechthin bloß die Sylben us oder ius anhängen, übrigens aber den Stamm des Namens unverändert lassen will. Zunächst kommt es freilich darauf an, daß man keine Zweideutigkeit über die Originalform herbeiführe. (Weber 31851: 541)

|| 130 Zur Substitution von SiedlungsN in Universitätsmatrikeln s. Kroiß (2021).

98 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Damit die Rückführung eines latinisierten FamN in eine deutsche Namenform eindeutig ist, schlägt Weber beispielsweise vor, den FamN Ernst nicht als Ernestius zu latinisieren, sondern als Ernestus, denn dann bliebe die Form Ernestius als eindeutige Latinisierung für den FamN Ernesti (Weber 31851: 541). Dass es sich bei letzterem bereits um eine latinisierte Form handelt, spielt für ihn dabei keine Rolle, denn ein lateinischer Genitiv wie Ernesti ist für die Verwendung in einem lateinischen Text ungeeignet, weil er nicht weiter nach einer lateinischen Deklinationsklasse flektiert werden kann (s. hierzu Kap. 3.3.5.3, 4.1.1.2 und 4.5). Bei anderen Motivgruppen weicht er von dieser Regel jedoch ab. So könne man die FamN Schulz und Schulze als Latinisierungen unterscheiden, wenn bei Schulze das auslautende e erhalten bleibe. Hier votiert er für Schulze > Schulzeus und Schulz > Schulzius, denn er merkt zusätzlich an, dass einsilbige FamN wie Schulz durchaus mit -ius latinisiert werden sollten, „da Baehrus, Handus, Steinus etwas Ungewöhnliches und Unherkömmliches haben würden“ (Weber 31851: 541). Für Schulze > Schulzeus müsse darauf geachtet werden, dass man die latinisierte Form „dreisylbig mit langer paenultima“ ausspreche (Weber 31851: 541), also Schulzēus. Bei mehrsilbigen FamN sei auch das Suffix -us möglich, etwa Wielandus oder Weichertus, „wiewohl man anmuthiger Jacobsius als Jacobsus sagen würde“ (Weber 31851: 541). Das Beispiel Jacobsius zeigt überdies (wie auch Ernesti > Ernestius), dass Weber eine strikte Trennung vorhandener erstarrter Flexion (hier das deutsche Genitivsuffix -s) und hinzuzufügender lateinischer Flexive vornimmt. Deshalb lehnt er eine Überführung eines deutschen patronymischen Genitivs wie Jacobs in Jacobi ebenso ab wie eine Tilgung des deutschen Genitivsuffixes (Jacob-ius). Die Maxime der eindeutigen Rückführbarkeit einer Latinisierung in einen deutschen FamN führt zu einem Schutz des Namenkörpers, der nur in unproblematischen Fällen aus prosodischen Gründen vernachlässigt werden darf (vgl. Ernst > Ernestus, nicht Ernstus).131 Als Merkregel empfiehlt Weber (31851: 541) den Lateinschülern, sich bei der Verwendung von Suffixen an Analogien zu bekannten literarischen Beispielen zu halten. So könne man sich bei FamN auf -mann an dem Stammesnamen „Allemannus“ orientieren, „auf er an Severus, auf el an Cornelius, auf en an Menenius“ (Weber 31851: 541), wofür er beispielhaft die von ihm vorgeschlage-

|| 131 Der FamN Ernest ist historisch beinahe ausschließlich in Westpreußen verbreitet (vgl. https://nvk.genealogy.net/map/1890:Ernest, Aufrufdatum: 30.06.2021) und in der DFADatenbank mit 43 Telefonanschlüssen gegenüber Ernst mit 15.646 sehr selten, sodass Weber vermutlich keine Kenntnis darüber hatte, dass Ernest überhaupt als FamN vorkommt.

Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken | 99

nen Latinisierungen Avemann > Avemannus, Herder > Herderus, Bentzel > Bentzelius, Menken > Menkenius nennt. Das ausführlichste Regelwerk für die Latinisierung von FamN geht Webers Darstellung ein Vierteljahrhundert voraus. Bereits 1826 publizierte Fleischner hierfür Anleitungen, die sich ebenfalls an Schüler richten. Fleischners Anliegen ist ein weitreichenderes, wie das Titelblatt verrät: Sein Onomatologie genanntes Werk bezeichnet er als den „Versuch eines Lateinischen Wörterbuches unserer Taufnamen“, die etymologisch erläutert werden. Zwei Anhänge beschäftigen sich zudem einerseits mit „der besonders vom 15ten bis zum 18ten Jahrhunderte gebräuchlichen Onomatomorphose oder Familiennamen-Uibersetzung“, also mit HumanistenN,132 und andererseits mit den bereits genannten „Regeln bei der lateinischen Bildung unserer Familien-Namen“. Fleischners Werk ist somit insbesondere ein zweiteiliges Namenbuch, in dem im Hauptteil fremdsprachige RufN, in einem Anhang latinisierte und gräzisierte FamN etymologisch gedeutet werden. Seine ausführlichen „Regeln“ für die Latinisierung von FamN in lateinischen Texten fallen hier thematisch und methodisch heraus. Das Namenbuch steht in einer langen Tradition vergleichbarer Werke, etwa des 1572 erschienen Namenbüchleins von Pretorius („Das ist. Erklerung fast aller Mans und Weiber Namen / jetziger zeit breuchlich“) oder der Onomatomorphosis von 1720, die substituierte FamN erläutert und auf die sich Fleischner mit dem Begriff Onomatomorphose auch terminologisch beruft (s. Kap. 1.2). Das Neue an seinem Werk ist jedoch die zusätzliche Einbindung von „Regeln“ zur Latinisierung von FamN, die der aktiven Anwendung beim Verfassen lateinischer Texte dienen sollen. Die Entscheidung, eine solche Ergänzung beizufügen, begründet er folgendermaßen: Nirgends findet hierüber, so viel wie mir wenigstens bekannt ist, der Schüler eine Anweisung, und darum schien es mir nothwendig, auch diesen Gegenstand nach Kräften zu beleuchten. (Fleischner 1826: 272).

Dabei habe er seinen „eigenen Weg gehen“ müssen, „ohne nur die geringste Vorarbeit benützen zu können“ (Fleischner 1826: 272). Für die Latinisierung von FamN empfiehlt auch Fleischner die Verwendung von Suffixen, wobei er – wie nach ihm Weber – insbesondere -us und -ius für geeignet hält. Die Flexion im lateinischen Text solle nach den lateinischen Deklinationsklassen erfolgen, jedoch „blos nach einer von den drei ersten Deklinationen (am häufigsten nach || 132 Nur rund ein Drittel der 383 von Fleischner behandelten HumanistenN ist in der DFADatenbank rezent nachweisbar.

100 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

der zweiten)“ (Fleischner 1826: 273).133 Hinsichtlich der konkreten Anwendung geht er strikt nach der Schreibung des FamN vor und ordnet die Suffixe dem jeweils letzten Graphem zu, selbst wenn dieses stumm ist (z. B. -h) oder es sich in einer Graphemkombination befindet, der nur ein Phonem zugeordnet ist (z. B. -sch). Seine Regeln lassen sich folgendermaßen zusammenstellen (Fleischner 1826: 274–296): Tab. 22: Latinisierung von FamN durch Suffigierung nach Fleischner (1826)

Auslaut

Kontext

Suffix

Beispiel

-a

-

(-a)

Bibra → Bibra

-b

-

-ius

Kolb → Kolbius

-c

-

-ius

Ravaillac → Ravaillacius

-d

V+d

-ius

Kleinod → Kleinodius

l/n+d (einsilbig)

-ius

Wald → Waldius

l/n+d (mehrsilbig)

-us

Ewald → Ewaldius

ar+d

-us

Reinhard → Reinhardus

-e

-

(-e)

Knappe → Knappe

-f

-

-ius

Wolf → Wolfius

-g

-

-ius

Schrag → Schragius

-h

V+h

(-h)

Zeh → Zeh

c+h

-ius

Gerlach → Gerlachius

sc+h

-ius

Hautsch → Hautschius

lp+h (einsilbig)

-ius

Ralph → Ralphius

lp+h (mehrsilbig)

-us

Rudolph → Rudolphus

|| 133 Der zweiten Deklination (o-Deklination) gehören die Suffixe -us und -ius an. Die erste Deklination (a-Deklination) gilt nur für FamN, die bereits in ihrer zugrunde liegenden Form auf -a enden. Die dritte Deklination (konsonantische/gemischte Deklination) lässt Fleischner nur für wenige FamN zu (z. B. für solche, die auf -on enden wie Ammon, Genitiv Ammonis), doch empfiehlt er auch hier eher die Suffigierung mit -ius (Ammonius) und in der Folge die Flexion nach der o-Deklination (Genitiv Ammonii).

Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken | 101

Auslaut

Kontext

Suffix

Beispiel

(alle übrigen)

-ius

Vieth → Viethius

a+i

(-jus)

(Nicolai → Nicolajus)134

(lat. Genitiv)

(-i)

Alberti → Alberti

(alle übrigen)

-ius135

Zwingli → Zwinglius

-k

-

-ius

Hauk → Haukius

-l

au/o(h)+l

-us

Kaul → Kaulus Kohl → Kohlus

(alle übrigen)

-ius

Will → Willius

-m

-

-ius

Sturm → Sturmius

-n

a(n)/au/we/i+n

-us

Fuhrmann → Fuhrmannus Braun → Braunus Owen → Owenius Calvin → Calvinus

o+n

(-n)

Matthisson → Matthisson

(alle übrigen)

-ius

Froben → Frobenius

-o

-

(-o)

Brentano → Brentano

-p

-

-ius

Knapp → Knappius

-r

V+r

-us

Möller → Moellerus

r+r

-ius

Narr → Narrius

h+r

-ius

Mohr → Mohrius

K(i)u+s

(-us)

Paulus → Paulus Heinsius → Heinsius

(alle übrigen)

-ius

Brockhaus → Brockhausius

Vl/r+(d)t (mehrsilbig)

-us

Ahlwardt → Ahlwardtus Bertholdt → Bertholdtus

-i

-s

-t

|| 134 Fleischner (1826: 279): „Solche, die sich auf ai endigen, können dieß manchmal in ajus verwandeln.“ 135 Fleischner (1826: 279) gibt als Suffix -ius an. Die von ihm angegebenen Beispiele lassen sich jedoch auch als Suffigierungen mit -us auffassen (vgl. Zwingli-us, Pestalozzi-us).

102 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

Auslaut

Kontext

Suffix

Beispiel

Vt+t

-us/-ius

Schott → Schottus/Schottius

(alle übrigen)

-ius

Heldt → Heldtius Schadt → Schadtius

a+u

-(av)ius/-

Bernau → Bernavius/Bernau

(alle übrigen)

(-u)

Preu → Preu

-v

-

-ius

Gronov → Gronovius

-w

-

-ius

Bredow → Bredowius

-x

-

-ius

Roux → Rouxius

-y

K+y

-us

Hölty → Hoeltyus

(a/e)+y

-us/-

Nicolay → Nicolayus/Nicolay

-

-ius

Schwarz → Schwarzius

-u

-z

Nach einer Untersuchung der von Fleischner (1826: 271–304) aufgelisteten und erläuterten Latinisierungen gelangt Rentenaar (2003: 99f) zu der Schlussfolgerung, dass das Suffix -ius bei Fleischner als Default anzunehmen ist, -us hingegen nur in bestimmten phonologischen Kontexten für eine Suffigierung infrage kommt. Tatsächlich wird -ius bei zahlreichen Auslauten bedingungslos gefordert (nach b, c, f, g, k, m, p, v, w, x und z wird immer -ius suffigiert), während -us jeweils an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Somit lassen sich Fleischners Regeln vereinfacht auf die jeweiligen Kontexte reduzieren, in denen -us verwendet werden soll; in anderen Fällen (abgesehen von Endungen auf Vokal sowie Vokal + h, bei denen von Suffigierungen generell abgeraten wird) wird automatisch -ius angefügt (Rentenaar 2003: 99f; die angegebenen Beispiele stammen aus den Niederlanden): Tab. 23: Kontexte, in denen nach Fleischner (1826) -us zur Latinisierung von FamN verwendet wird (Zusammenstellung nach Rentenaar 2003: 99f)

Auslaut

Kontext

Suffix

Beispiel

-d

V+l/n/r+d

-us

Ringenoldus, Schrergardus, Berlandus

-l

au/o+l

-us

Paulus, Carolus

-n

a/au/e/Ki+n

-us

Burmannus, Launus, Herbenus, Plantinus

Latinisierte Familiennamen in historischen Grammatiken | 103

Auslaut

Kontext

Suffix

Beispiel

-r

V+r

-us

Cuperus, Bresserus, Bakkerus

-t

V+l/n/r+t

-us

Posseltus, Rubertus, Forestus

-t

e/o+t (mehrsilbig)

-us

Muretus, Hallotus

Zu ergänzen wäre an dieser Übersicht, dass an Verbindungen aus Vokal + Nasal/Liquid + d/t nur bei mehrsilbigen FamN -us anzuhängen ist, bei einsilbigen jedoch -ius (vgl. Waldius, Heldtius). Rentenaar ist – abweichend von Fleischners Regeln – der Ansicht, dass das Anfügen von -ius bei FamN auf -e mit großer Regelmäßigkeit Anwendung fand und dass das -i- dabei das auslautende -e ersetzte (Rode > Rodius). Neben Fleischner (vgl. Knappe – Knappe) lehnt dies auch Weber (vgl. Schulze – Schulzeus) ab. Dass es auch FamN wie Heerius, Costerius und Gruterius gibt, obwohl an Vokal + r das Suffix -us angefügt werden sollte, müsse daher laut Rentenaar (2003: 100) „ongetwijfeld samenhangen met het feit dat het woord dat de basis van de afleiding vormde oorspronkelijk op een toonloze -e eindigde: Heere, Costere, Grutere“136. Allerdings kann Rentenaar diese Hypothese nicht belegen und hier scheinen zudem auch prosodische Gründe eine entscheidende Rolle zu spielen (s. hierzu Kap. 4.1.2.1). Zu Rentenaars Feststellungen über die Verwendung des Suffixes -us ist zusätzlich zu ergänzen, dass einige der von ihm als Beispiel angeführten FamN auf -us Patronyme sind (vgl. Carolus, Paulus, Rubertus), die in dieser Form auch als RufN in Gebrauch waren oder bereits in mittellateinischen Urkunden regelmäßig mit -us latinisiert wurden (s. Kap. 2.2 und 4.1.1.1). Es stellt sich hier eher die Frage, ob entsprechende Varianten mit -ius überhaupt in Konkurrenz zu derart bekannten Namenformen treten konnten. Eine gesonderte Behandlung von Patronymen auf -us nimmt jedoch weder Fleischner noch Weber vor. Eine Anwendung der von den genannten Autoren aufgestellten Regeln für die Latinisierung von FamN auf rezent vorkommende HumanistenN, wie sie Rentenaar vornimmt, ist somit nicht uneingeschränkt möglich und zudem anachronistisch, denn HumanistenN waren nicht ausschließlich auf den praktischen Aspekt der Flektierbarkeit ausgerichtet (vgl. Kap. 3.2.3), weshalb eine derart restriktive Regulierung in humanistischen Kreisen keine Zustimmung erfahren haben kann. Diesen Umstand beklagt bereits Hauerius, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert insbesondere die Bildung von Substitutionen bei

|| 136 Übers.: ...zweifellos mit der Tatsache zusammenhängen, dass das Wort, das die Basis der Ableitung darstellte, ursprünglich auf ein unbetontes -e endete: Heere, Costere, Grutere.

104 | Einflüsse des Humanismus auf Familiennamen

seinen Zeitgenossen kritisch beobachtet und sich wohl auch deshalb normierend an Lehrende richtet. Diese sollten PersN zwar durchaus für die Verwendung im lateinischen Kontext latinisieren, aber lediglich durch Suffigierung, ohne dabei den nativen Namenkörper in irgendeiner Form zu verändern. Die spezifischeren Regeln, die Fleischner und Weber rund 300 Jahre später für Schüler formulieren, führen diese Grundüberlegungen, wie gezeigt, lediglich weiter aus, wobei der in der Zwischenzeit etablierte Gebrauch in einigen Fällen berücksichtigt wird. Doch wird bei ihnen – ebenso wie bei Hauerius – eine grundlegend kritische Haltung zu HumanistenN deutlich. Es ist allein die Notwendigkeit der Flexion von Namen im lateinischen Text, die sie zu ihren Überlegungen antreibt, nicht die Frage nach einer geeigneten Namenform für den Eintritt in die Gelehrtenwelt, was sie lediglich noch retrospektiv als einst beliebte Praxis beschreiben. Im folgenden Kapitel wird gleichwohl gelegentlich vergleichend auf die Forderungen der hier besprochenen Regelwerke zurückgegriffen.

4 Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen In diesem Kapitel werden die Strukturen der verschiedenen Bildungstypen von HumanistenN untersucht, die rezent in Deutschland vorkommen. Ergänzend werden HumanistenN aus den Niederlanden herangezogen, in Einzelfällen auch aus Luxemburg und Schweden.137 Dabei stehen morphologische, phonologische, prosodische und graphematische Strukturmerkmale im Fokus. Grundsätzlich wird bei den Bildungsweisen von HumanistenN zwischen Suffigierungen wie Fuchs-ius (Kap. 4.1) und Substitutionen wie Fuchs > Vulpes (Kap. 4.2) unterschieden (vgl. Kap. 1.2). Zusätzlich wird ein in der Literatur bislang nicht konsistent unterschiedener dritter Bildungstyp als Adaption eingeführt (Kap. 4.3), bei der ein FamN so angepasst wird, dass er mit einem Namen einer antiken Persönlichkeit identisch ist (z. B. Söncke > Seneca). Bei der Untersuchung von Suffigierungen werden die Eigenschaften der verschiedenen in HumanistenN verwendeten Flexions- und Derivationssuffixe besprochen. Dabei wird anhand rezenter FamN untersucht, ob sich besondere Zielstrukturen für HumanistenN feststellen lassen, ob die Latinisierungen und Gräzisierungen also einem bestimmten angestrebten Schema folgten. Als Prämisse wird angenommen, dass der jeweilige HumanistenN als solcher erkennbar sein und sich deshalb auf verschiedenen sprachlichen Ebenen möglichst deutlich von nativen FamN abheben sollte (zu den Intentionen für die Bildung von HumanistenN s. Kap. 3.2). Infrage kommen neben morphologischen Aspekten (Suffixe) v. a. prosodische (Initialakzent, Paenultima-/AntepaenultimaAkzent) und phonologische (Umgang mit Umlauten, Affrikaten, Konsonantenclustern etc.). Substitutionen, die sich durch einen vollständigen Austausch eines nativen FamN durch lateinische oder griechische (selten auch hebräische) Lexeme und Grammeme auszeichnen, werden daraufhin untersucht, welche Wortbildungselemente der klassischen Sprachen hier besonders häufig enthalten sind und inwiefern die so gebildeten HumanistenN von Appellativen in der jeweiligen

|| 137 Zur Datengrundlage s. Kap. 1.4. Die vornehmliche Beschränkung auf Deutschland und die Niederlande ergibt sich insbesondere aus den Vorteilen trunkierter Abfragen in den zur Verfügung stehenden FamN-Datenbanken, die die Suche nach bestimmten Suffixen und Namenbestandteilen ermöglichen, und ist auch aufgrund des gemeinsamen historischen Kultur- und Bildungsraums (vgl. Kap. 3) gerechtfertigt. Gerade bei den Gräzisierungen spielen jedoch auch schwedische FamN eine Rolle, weshalb diese an gegebenen Stellen mit einbezogen werden. https://doi.org/10.1515/9783110744378-004

106 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Zielsprache abweichen. Bei den in Kap. 4.3 beschriebenen Adaptionen wird zunächst versucht, diese als dritten Bildungstyp schematisch von Suffigierungen und Substitutionen abzugrenzen bzw. Grade der Überschneidungen zu diesen Bildungstypen zu bestimmen. Als wichtigste Grundlage haben HumanistenN gemeinsam, dass sie nicht willkürlich gebildet sind, sondern einen Bezug zur Ausgangsform aufweisen müssen (Bleier 1985: 37). So ließ sich etwa der FamN Fuchs als Fuchsius oder (nach der lexikalischen Entsprechung) Vulpes latinisieren, nicht aber als Lupus (zu lat. lupus ‘Wolf’). Ist ein vom FamN vollkommen abweichender HumanistenN bezeugt, so ist dieser entweder auf einen anderen biographischen Bezug zurückzuführen (z. B. wurde dann statt des FamN der Beruf des Vaters138 oder der Herkunftsort in latinisierter Form als HumanistenN geführt139) oder es handelt sich um eine Suffigierung, bei der aufgrund der phonologischen Ähnlichkeit zu einem lateinischen/griechischen Lexem eine Anpassung durchgeführt wurde, die einer Substitution ähnelt (vgl. Breiter > Praetorius; Gresel > Chryselius).140 Durch diesen obligatorischen Bezug zur Form des ursprünglichen FamN

|| 138 Dies spielte v. a. in Regionen eine bedeutende Rolle, in denen FamN in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht üblich waren, z. B. in Ostfriesland und in Schweden (vgl. Olsson 1946: 15). Ein prominentes Beispiel für einen vom Beruf des Vaters abgeleiteten HumanistenN ist der Wiener Bischof Johannes Fabri (1478–1541). Dieser hieß eigentlich Heigerlin, sein Vater war Schmied in Leutkirch im Allgäu (s. Deutsche Biographie, URL: https://www.deutschebiographie.de/pnd118682946.html#ndbcontent, Aufrufdatum: 30.06.2021). 139 Vgl. z. B. den als Georg Spalatin bekannten Humanisten (1484–1545), der 1498 in Erfurt als Georius Borgardi de Spaltz (Weissenborn 1884: 204) und 1502 in Wittenberg als Georius borkhardus de Spalt immatrikuliert ist (Förstemann 1841: 5). Dort wurde er 1503 als Georgius Spaltinus (Köstlin 1887: 21) promoviert (RAG-URL: https://resource.database.rag-online.org/ ngFV9W678EN48ubvzEOupDrI6GI, Aufrufdatum: 30.06.2021). Sein HumanistenN leitet sich von seinem Herkunftsort Spalt südwestlich von Nürnberg ab. Ähnlich verhält es sich bei Helius Eobanus Hessus, doch anders als Spalatin verwendete dieser nicht seinen Herkunftsort als HumanistenN, sondern sein Herkunftsland. Als Eoban Koch wurde er 1488 in Halgershausen bei Frankenstein in Hessen geboren (RAG-URL: https://resource.database.rag-online.org/ ngIY4T779JQ5txeEcHhx7GuZ, Aufrufdatum: 30.06.2021). Bei seiner ersten Immatrikulation an einer Universität erscheint er 1504 wohl zunächst noch als Eobanus Coci Francobergius, doch wurde Coci in einer der Matrikel-Handschriften später „ausradiert und Hessus darauf geschrieben“ (Weissenborn 1884: 238, Anm. uu). Zahlreiche weitere Beispiele s. Kap. 3.2.1. Auch in Schweden und Ostfriesland, wo FamN in der frühen Neuzeit in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht üblich waren, finden sich zahlreiche Latinisierungen der Herkunftsorte als HumanistenN, s. Kap. 5.8.1 (vgl. Olsson 1946: 8–15; Bochenek 2012: 779f). 140 Die Suffigierung Praetorius < Breiter ist identisch mit der Substitution Praetorius < Schulz (zu lat. praetor ‘Vorsteher, Anführer; Bürgermeister; Graf’, vgl. Namenbuch, Anhang 1). Chryselius verweist auf griech. χρυσός (chrysós) ‘Gold’ und griech. ἥλιος (hélios) ‘Sonne’ für einen

Suffixe | 107

oder der eigenen Biographie war die Auswahl der Möglichkeiten zur Bildung eines HumanistenN eingeschränkt. Dieses begrenzte zur Verfügung stehende Ausgangsmaterial wurde durch die unterschiedlichen Bildungsmöglichkeiten auf sprachschöpferischer Ebene jedoch wiederum erweitert, wie z. B. verschiedene rezent belegte Latinisierungen aus dem FamN Fuchs verdeutlichen (in Klammern Tokens in der DFA-Datenbank): Grade der Latinisierung nativer FamN

Suffigierung

Fuchs (30.905)

Fuchsius (25)

Substitution Fuxius (30)

Vulpes (17)

Vulpius (72)

Abb. 10: Latinisierungsgrade am Beispiel des FamN Fuchs und entsprechender HumanistenN

Fuchsius und Fuxius sind Suffigierungen, wobei in Letzterem zusätzlich eine Anpassung an die lateinische Orthografie vorgenommen wurde, in der /ks/ durch das Zeichen repräsentiert wird. Substitutionen von Fuchs (und niederdeutschen Varianten wie Voss) stellen die HumanistenN Vulpes und Vulpius dar. Während in Vulpes das lateinische Lexem vulpēs ‘Fuchs’ für den FamN Fuchs eingesetzt wird, wird dieses in Vulpius zusätzlich erweitert: Aus dem Stamm Vulp- der substituierten Form entsteht hier in Kombination mit dem lateinischen Suffix -ius eine Form, die sogenannten Hyperlatinisierungen wie Pistorius < Pistor nahekommt (vgl. Kap. 4.2.6). An die Besprechung der unterschiedlichen Bildungstypen von HumanistenN schließen sich eine Untersuchung der graphematischen Umsetzung (Kap. 4.4) und der Flexion (Kap. 4.5) latinisierter und gräzisierter FamN an.

4.1 Suffixe Das Ziel der Latinisierungen in der mittelalterlichen Urkundensprache war es, nicht-lateinische PersN grammatisch in einen lateinischen Text zu integrieren (vgl. Kap. 2.2). Da den nativen PersN ein lateinisches Flexiv fehlte, lag es nahe, dieses aus lateinischen Deklinationsklassen zu entlehnen und an die ent-

|| nicht bezeugten FamN ‘Goldsonne’, ist jedoch ebenfalls eine Suffigierung (s. Jakob Gresel in der Deutschen Biographie, URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119510480.html, Aufrufdatum: 30.06.2021).

108 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

sprechenden deutschsprachigen Namen anzufügen. Für germanische MännerRufN geschah dies schon in den mittelalterlichen Quellen durch Verwendung des lateinischen Nominativsuffixes -us (mask. o-Deklination), das dann im lateinischen Text wie entsprechende Substantive und praenomina (Marcus, Quintus, Titus etc.) flektiert werden konnte. Die Deklination dieser Klasse im Singular lässt sich beispielhaft am lateinischen praenomen Marcus zeigen: Tab. 24: Lat. o-Deklination am Beispiel des praenomen Marcus

Kasus

Namenform

Nominativ

Marc-us

Genitiv

Marc-i

Dativ

Marc-o

Akkusativ

Marc-um

Ablativ

Marc-o

Vokativ

Marc-e

In den in Kap. 2.2 zitierten Bürgerbüchern von Frankfurt am Main finden sich unter den Einträgen für 1311 z. B. die nachfolgenden Latinisierungen germanischer RufN (Andernacht & Stamm 1955: 1): (6) a. b. c. d. e. f. g.

Wigandus de Gridele. Giselbertus Medin de Minczenberc. Henkinus. Heynricus de Dullingeym. Wilhelmus de Petirwil. Heynmannus dictus Monachus. Culmannus de Slozbach famulus plebani.

Auch für die im Laufe des Mittelalters immer häufiger auftretenden BeiN, die noch seltener als die RufN lateinisch flektierbar waren,141 konnte das Suffix -us

|| 141 Seit dem späten Mittelalter nahmen biblische RufN zu, deren lateinische Flexion – selbst bei nicht-lateinischem Ursprung – aus der Vulgata bekannt war. Die BeiN entstammen hingegen zu einem großen Teil der nativen Appellativik (BerufsN, ÜberN, WohnstättenN) oder werden v. a. von germanischen RufN oder SiedlungsN abgeleitet. Der Anteil von BeiN, die ohne Weiteres in eine flektierbare lateinische Form überführt werden könnten, ist gering (z. B. Pat-

Suffixe | 109

verwendet werden. Wenn eine eindeutige Identifikation nicht gefährdet war, wurde jedoch häufig eher eine komplette Substitution angestrebt, vgl. (6f.) Heynmannus dictus Monachus (zu lat. monachus ‘Mönch’). Mit der Herausbildung eines neuen, humanistisch geprägten Sprachempfindens (vgl. Kap. 3.1) wurden schließlich Handbücher für die Verwendung der lateinischen Sprache erarbeitet, wobei auch die Latinisierung von PersN in den Blick geriet (s. Kap. 3.4). Da nicht jeder FamN ohne Weiteres durch lateinisches (seit dem Humanismus auch griechisches) Sprachmaterial ausgetauscht werden konnte, weil er entweder etymologisch schwer zu deuten (v. a. Patronyme und HerkunftsN) oder kein Äquivalent aus den Zielsprachen bekannt war, war die Verwendung lateinischer oder griechischer Suffixe eine praktikable Alternative, um den eigenen FamN in einen HumanistenN umzugestalten. Die Bildungsmöglichkeiten wurden hierfür erweitert, neben Flexionssuffixen wie -us und -i wurden auch lateinische (z. B. -ius) und griechische (z. B. -ides) Derivationssuffixe verwendet, die der onymischen Grammatik der jeweiligen Sprache entlehnt wurden (s. Kap. 4.1.2). Suffigierungen boten zudem den Vorteil, dass eine Rekonstruktion des zugrunde liegenden nativen FamN wesentlich leichter möglich war als bei Substitutionen. Da der ursprüngliche FamN in vielen Fällen weitestgehend erhalten blieb und lediglich um grammatische Elemente erweitert werden musste, ließ sich eine auf diese Weise durchgeführte Latinisierung außerdem gut gegen mögliche Kritik verteidigen, man wolle hierdurch die eigene Herkunft verbergen.142 Suffigierungen stellen einen minimalen Eingriff dar, der sich als Anpassung des nativen FamN an die Textsprache der Wissenschaft rechtfertigen lässt (für die Verwendung griechischer Suffixe gilt dies nicht in demselben Maß, denn die griechische Sprache spielte für den wissenschaftlichen Austausch und Publikationen – trotz des hohen Prestiges von Griechischkenntnissen – kaum eine Rolle).

4.1.1 Flexionssuffixe Im Folgenden werden Suffigierungen untersucht, die mit Flexionssuffixen gebildet sind. Als Flexionssuffixe finden sich in HumanistenN das Nominativsuffix -us und die Genitivsuffixe -i, -is und -ae. Da das Suffix -a nur in Substitutionen auftritt, wird es in diesem Kontext in Kap. 4.2.3 behandelt.

|| ronyme wie Nickel > Nicolaus und HerkunftsN wie Trier > Treviranus). Dies wurde von einigen Humanisten zudem offenbar bewusst gemieden (vgl. Kap. 4.1.2.1). 142 Vgl. den Brief von Georg Oemler (Kap. 3.2.3).

110 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

4.1.1.1 -us Da sich Namen bezüglich der Grammatik die meisten Eigenschaften mit Appellativen teilen143 und Universitäten und Gelehrtenkreise in der frühen Neuzeit eine Männerdomäne waren (s. Kap. 3), scheint die Verwendung eines Flexivs aus einer Deklinationsklasse, in der Maskulina frequent sind, naheliegend für die Latinisierung von FamN. Wie schon die Beispiele aus mittelalterlichen Urkunden zeigen, ist hierfür insbesondere die lateinische o-Deklination geeignet, da bei dieser in der Regel auch der Nominativ ein Suffix trägt, der FamN so folglich auch im Nominativ eindeutig als latinisiert zu erkennen ist und sich Nominativ (-us), Genitiv (-i), Dativ (-o) und Akkusativ (-um) voneinander unterscheiden (anders als etwa in der u-Deklination, in der Nominativ und Genitiv auf -us gebildet werden144). Zudem ist -us die maskuline Genusendung, die z. B. auch an Adjektive tritt und in Derivationssuffixen wie -ius (s. Kap. 4.1.2.1), -arius (s. Kap. 4.2.2) und -anus (s. Kap. 4.2.4) enthalten ist. Darüber hinaus sind ihm jedoch – anders als Genitiv- (s. Kap. 4.1.1.2–4.1.1.4) oder Derivationssuffixen (s. Kap. 4.1.2.1–4.1.2.3) – keine weiteren Eigenschaften inhärent, die für die Bildung eines FamN gezielt genutzt werden können (z. B. für eine Nachbildung deutscher Genitive oder antiker GentilN, eine Verwendung patronymischer Suffixe etc.). Das Suffix -us ist somit insbesondere für eine reine flexivische, programmatisch neutrale Integration von FamN in einen lateinischen Text geeignet (vgl. Kap. 2.2 und 3.4). Die Verwendung dieses Nominativsuffixes birgt jedoch auch vielfältige Verwechslungsgefahr, denn es ist – wie die Beispiele in (6) zeigen – eher ein Indikator für RufN (s. auch Kap. 3.4) und an FamN zudem kein eindeutiger Marker für eine Latinisierung. So enden z. B. auch einige FamN auf mnd. -hūs ‘Haus’, in denen h ausgefallen ist, auf -us (z. B. Backus < Backhus, Virus < Vierhus).145 Im hochdeutschen Raum kann -us auch auf ausgebliebene Diphthongierung in Nebensilben von Satznamen zurückgehen (z. B. Trinkus < mhd. trink ūz) und war zudem in einigen regionalen Varianten einzelner Lexeme enthalten,

|| 143 Zur Zeit des Humanismus im 15./16. Jh. stimmte zudem auch im Deutschen die Grammatik von PersN und Appellativen noch in hohem Maß überein, vgl. Ackermann (2018). 144 Für die Unterscheidung zwischen /u/ (Nominativ) und /u:/ (Genitiv) gibt es keine Repräsentation in der lateinischen Orthographie. Diese wäre also lediglich in der gesprochenen Sprache realisierbar. 145 Bei diesen Beispielen kann die lautliche Nähe zum Lateinischen auch begünstigend auf eine Angleichung an das Suffix -us gewirkt haben. Eine Suffigierung läge nach der oben genannten Definition jedoch nur dann vor, wenn es sich eindeutig um eine Bildung mit agglutiniertem lat. -us handeln würde (z. B. *Backhusus/Backusus, *Vierhusus/Virusus). Solche Bildungen sind rezent nicht nachweisbar.

Suffixe | 111

die ebenfalls zu FamN werden konnten (vgl. Kappus < mhd. kabez, kabaz, kappiz, kappuz ‘Weißkohlkopf’146). In Regionen, in denen patronymische Genitive vorkommen, kann es v. a. in der gesprochenen Sprache aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit zu Vermischungen von -us und -es kommen, wie Rentenaar (2003: 110) seit dem 18. Jahrhundert bei niederländischen FamN wie Kuiperes neben Kuiperus, Schotanes neben Schotanus oder Montanes neben Montanus feststellt. Eine derartige Latinisierung konnte somit durch Nebensilbenabschwächung oder Umdeutung unkenntlich gemacht werden und wurde demzufolge häufig nicht eindeutig als Latinisierung wahrgenommen. Umgekehrt kann auch bewusst eine Ähnlichkeit zu latinisierten FamN hergestellt worden sein, etwa bei Baldus (< Baldes < Balthasar), möglicherweise in Anlehnung an FamN wie Debus (< Matthäus), wo das Suffix -us lediglich auf eine Tilgung des Hiats zurückgeht (vgl. Bochenek 2012: 750), wodurch der Status von Latinisierungen auf -us zusätzlich an Kontur verliert. Hinzu kommt, dass eine Suffigierung mit -us häufig keine zwingende Verschiebung des Akzents zur Folge hat. In lateinischen Wörtern liegt die Betonung auf der vorletzten Silbe (Paenultima), wenn diese lang ist, ansonsten auf der drittletzten (Antepaenultima) (vgl. Rubenbauer & Hofmann 121995: 7). Nach diesen Regeln werden auch zweisilbige FamN, die mit dem Suffix -us um eine dritte Silbe erweitert werden, weiterhin auf der ersten Silbe betont (Móller > Móllerus), der im Deutschen übliche Initialakzent bleibt also erhalten. Eine Ausnahme bilden FamN, in deren zweiter Silbe auf den Vokal ein Konsonantencluster folgt (Árnold > Arnóldus), wodurch diese „positionslang“ sind und deshalb wie eine Silbe mit Langvokal behandelt werden (Rubenbauer & Hofmann 12 1995: 7). Zudem kommt -us auch in FamN vor, die nicht den klassischen Sprachen zuzuordnen sind und die teilweise seit Jahrhunderten im deutschen Sprachraum vorkommen, z. B. in (teilweise eingedeutschten) slawischen und litauischen Patronymen (vgl. Janus 746 < poln. Janus/tschech. Januš < Johannes; Hanus 426 < poln. Hanus/tschech. Hanuš < Johannes; Mikus 395 < poln. Mikus/ tschech. Mikuš < Nikolaus; Schimkus 221 < lit. Šimkus < Simon; Rimkus 508 < lit. RufN-Kf. mit Rim- zu Vollformen wie Rimgáil). Der Anteil fremdsprachiger FamN dieser Art innerhalb des deutschen FamN-Inventars ist nicht unerheblich, wie sich zeigen wird.

|| 146 Bereits 1320 ist in Mainz ein Heylemann Cappuß belegt (Bahlow 1985: 272), in Frankfurt am Main im 15. Jh. vier Handwerker mit diesem BeiN (1436 Wigand Kappus von Ortenberg becker, 1440 Kappus Henne zymmerman, 1452 Maderne Cappus barchenwober, 1460 Clas Kappus decklecher, s. Steffens 2019: 126).

112 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Für die FamN in Deutschland, in denen der Auslaut -us auf das lateinische Suffix -us zurückgeht, ist zunächst zu klären, an welche FamN dieses Suffix vornehmlich angefügt wurde. Ein zu erwartender hoher Anteil an Patronymen aufgrund der Verwendung von -us in PersN im klassischen und mittelalterlichen Latein wurde bislang nicht empirisch nachgewiesen. Auch für andere FamN ist eine Suffigierung mit -us denkbar (z. B. Rabus < Raab/Rabe). Als Grundlage für die folgende Untersuchung werden in der DFADatenbank FamN auf -us in Deutschland abgefragt. Aufgrund der genannten Überschneidungen mit deutschen Formen und FamN aus anderen Sprachen ist die Etymologie für jeden Einzelfall zu überprüfen, was im niedrigfrequenten Bereich mit großen Problemen verbunden ist, denn hier fehlen häufig Quellen und Hinweise in FamN-Büchern. Deshalb wird die Abfrage auf FamN mit mindestens 50 Telefonanschlüssen begrenzt, wodurch in den meisten Fällen eine eindeutige Zuordnung zu Bildungsweise und Sprache möglich ist. FamNFormen, die historisch im deutschen Sprachraum nachweisbar sind147 und keiner anderen Sprache zugeordnet werden können, werden unter Vorbehalt ebenfalls als Latinisierungen angesehen, selbst wenn die Etymologie nicht eindeutig geklärt ist (Calaminus 50, Pampus 111, Saternus 64).148 Die Abfrage .*us ≥ 50 Tokens ergibt 706 Types (170.903 Tokens). Hiervon sind 218 Types auszuschließen, die auf -haus/-hus enden (z. B. Neuhaus 5.399, Niehus 551, Mühlhaus 399) oder bei denen -hus zu -us verkürzt ist (z. B. Cartus 120 < Karthaus). Außerdem werden 137 FamN aus der Stichprobe entfernt, die auf -ius enden (z. B. Möbius 2.794, Cornelius 1.550, s. hierzu Kap. 4.1.2.1), ebenso 16 FamN auf -(a)eus, -äus und -aus (darunter z. B. Matthäus 677 und Nikolaus 1.044, der im Folgenden ebenfalls nicht zu FamN auf -us gezählt wird; zu FamN auf -aeus, -äus, -eus s. Kap. 4.1.2.2) sowie 103 andere, meist einsilbige deutsche FamN (z. B. Kraus 21.030, Klus 242, Reus 379) oder solche, bei denen -us Teil des Zweitglieds ist (z. B. Kollmus < Kohl-mus ‘Speise aus Kohl’). Zusätzlich werden 44 slawische, 58 baltische und neun türkische FamN ausgeschlossen.149 Bei den verbliebenen 121 Types150 handelt es sich mit hoher Wahr-

|| 147 Für die Überprüfung der historischen Verbreitung werden die Verlustlisten des Ersten Weltkriegs herangezogen (zur Quelle s. Kap. 1.4 und Kap. 5.1.3). 148 Zur Auswahl der ausgewerteten FamN s. die Liste Familiennamen auf -us, abrufbar unter https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html. 149 Bei der Erfassung durch die Telekom wurden einige FamN in der Schrift vereinfacht (Durmus 459 < türk. FamN Durmuş < RufN zu türk. durmuş ‘er/sie/es ist geblieben’; Karakus 434 < Karakuş < RufN zu türk. karakuş ‘Adler’; Akkus 287 < Akkuş < RufN zu türk. akkuş ‘Habicht’; Okumus 109 < Okumuş < RufN zu türk. okumuş ‘gebildet, studiert, mit guter Schulbildung’).

Suffixe | 113

scheinlichkeit um FamN, bei denen -us im Zusammenhang mit der lateinischen Sprache steht. Wie erwartet, sind die meisten dieser FamN Patronyme zu RufN, die auch in lateinischer Form in Gebrauch waren (z. B. Paulus 4.450, Markus 1.996/Marcus 474, Justus 895, Gallus 823, Hieronymus 433/Hieronimus 257, Lazarus 239).151 Als FamN können diese Patronyme entweder (Re-)Latinisierungen zu FamN wie Paul, Jost, Lasser etc. sein oder direkt auf die lateinischen Formen der RufN (Paulus, Justus, Lazarus) zurückgehen. Es muss somit nicht in jedem Fall eine Latinisierung des FamN vorliegen, weshalb diese Formen in der Regel nicht zu den HumanistenN gezählt werden (vgl. Kap. 1.2). Von den übrigen FamN lassen sich ebenfalls die meisten auf einen RufN zurückführen. Dabei handelt es sich häufig um spätmittelalterliche Kurzformen: Zweisilbige RufN-Formen wie Asmus 1.281, Kobus 477 und Dittus 323 entstanden durch Wegfall der unbetonten ersten Silben des Vollnamens (Erásmus > Asmus; Jacóbus > Kobus; Benedíctus > Dittus). Bei Debus 1.678 und Mebus 257/Möbus 997 wurde zusätzlich ein Konsonant eingefügt, um den im Deutschen unüblichen Hiat ä-u aufzulösen (Matthäus > *Däus > Debus; Bartholomäus > *Mäus > Mebus/Möbus152). Da diese Formen bereits im Mittelalter als RufN-Kurzformen in Gebrauch gewesen und in dieser Form schon vor dem Humanismus als FamN vererbt worden sein können, werden auch sie meist nicht zu den HumanistenN gerechnet (vgl. Bergerhoff 1918: 16; Bochenek 2012: 743). Zwar enthalten sie das lateinische Suffix -us, doch beruht dieses nicht auf einer Latinisierung, sondern es ist eher ein Relikt der lateinischen RufN-Form, das sich der Eindeutschung des RufN entzogen hat, wenngleich auch hier einzelne Relatinisierungen möglich sind (etwa RufN Mebus > Mebes > FamN Mebes > Mebus). Auch bei Baldus (< Baldes < Balthasar) ist der Status als Latinisierung fragwürdig, da hier vermutlich eher eine Analogiebildung zu anderen RufN-Kurzformen auf -us vorliegt als eine bewusste Latinisierung. Bei FamN wie Dongus 112 (Donius < Antonius), Kargus 84 (Karius < Macarius), Kilgus 314 (< Kilius < Kilian) fand eine Assimilation des ursprünglichen Suffixes -ius > -gus statt, wodurch formal je-

|| 150 Schreibvarianten wurden jeweils einzeln gewertet, sodass etwa Hieronymus und Hieronimus als zwei Types gezählt werden. 151 Auch unter den häufigsten FamN auf -ius sind zahlreiche Patronyme vertreten, doch finden sich hier bereits im hochfrequenten Bereich auch andere Motivgruppen wie Hyperlatinisierungen (z. B. Pistorius) und Herkunftsnamen (Redenius) (vgl. Liste Familiennamen auf -ius, abrufbar unter https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html). In einem niedrigeren Frequenzbereich sind hier alle Motivgruppen in großer Anzahl vertreten (vgl. Bochenek 2012: 776–786). 152 Bei Möbus trat zusätzlich Rundung ä/e > ö ein.

114 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

weils FamN mit dem Suffix -us entstanden, das an ein auf -g endendes Konsonantencluster angeschlossen wird. Wenngleich zahlreiche der genannten FamN nicht als HumanistenN im herkömmlichen Sinn anzusehen sind, verdeutlichen sie umso mehr, dass das Lateinische als Bildungs- und Urkundensprache präsent war und ein sehr hohes Prestige hatte. Das Vorhandensein dieser Formen ist deshalb kaum als zufällig anzusehen, es fügt sich vielmehr in die lange Präsenz des Lateinischen im schriftlichen und kirchlichen Bereich ein. Zwar dürften sie in den seltensten Fällen auf Latinisierungen in humanistischen Bildungskreisen zurückgehen, doch können sie als Zeugnis für den peripheren Einflussbereich des Lateinischen auf FamN angesehen werden. Zusätzlich zu den zahlreichen fremdsprachigen RufN, deren Voll- und Kurzformen ohnehin auf -us enden, finden sich auch Suffigierungen germanischer RufN wie Gerhardus 163, Meinardus 135, Wernerus 69 etc. Insgesamt lassen sich rund zwei Drittel der 121 untersuchten Formen ausschließlich oder auch als Patronym deuten, das übrige Drittel verteilt sich auf die anderen Motivgruppen oder ist nicht sicher deutbar. Die frequentesten FamN auf -us in Deutschland mit mindestens 50 Tokens bestätigen somit die Vermutung, dass dieses Suffix insbesondere an Patronymen auftritt und ansonsten offenbar eher seltener zur Latinisierung von FamN verwendet wurde. Bereits die Untersuchung im Matrikelkorpus hat gezeigt, dass historisch bei einzelnen Formen sogar ein deutlicher Rückgang der Latinisierungen mit -us anzunehmen ist, denn darin sind z. B. noch 99 FamN mit dem latinisierten Zweitglied -mannus enthalten (vgl. Kap. 3.3.5.1). In den Daten des DFA hingegen fehlen vergleichbare Formen. Als Suffigierungen, bei denen aufgrund eines scheinbar transparenten zugrunde liegenden FamN auch eine Substitution möglich wäre, sind hingegen folgende Latinisierungen zu nennen: Helmus 153, Kalbus 65, Kargus 84, Kohlus 51, Kolbus 123, Korbus 57, Rabus 420, Schwagerus 95, Windus 104. Neben dem genannten Schwagerus ergibt die Abfrage des in deutschen FamN häufig vertretenen Suffixes -er mit zusätzlich angefügtem -us beispielsweise einige weitere Types mit weniger als 50 Tokens, die auf eine identische Bildungsweise hindeuten, z. B. Majerus 27, Mollerus 41, Schafferus 36, Schullerus 44. Obwohl diese Beispiele insgesamt deutlich seltener als etwa vergleichbare Latinisierungen auf -ius vorkommen (s. Kap. 4.1.2.1), finden sich außerhalb Deutschlands auch vereinzelte Suffigierungen auf -us, die sich in einem hohen Frequenzbereich bewegen (zum Vergleich wird jeweils der häufigste HumanistenN Faber angegeben): Der in Deutschland seltene FamN Majerus etwa, eine Latinisierung des BerufsN Meier, steht in Luxemburg mit 389 Telefonanschlüs-

Suffixe | 115

sen 2009 auf Rang 21 der häufigsten FamN (Faber: 414, Rang 14). In den Niederlanden findet sich der BerufsN Kuperus (< Kuiper, dt. Küfer) mit 1.415 NamenträgerInnen 2007 auf Rang 1.536 (Varianten: Cuperus 1.036, Couperus 417; Faber: 6.983, Rang 147). Die insgesamt eher seltene Verwendung von -us in Suffigierungen legt jedoch nahe, dass dieses Suffix v. a. – wie bereits in mittelalterlichen Urkunden – für eine allgemeine flexivische Integration von FamN im lateinischen Kontext genutzt wurde, weniger für die Bildung von HumanistenN. Gleichwohl finden sich neben Substitutionen zu lateinischen Lexemen wie die in der Stichprobe ebenfalls enthaltenen HumanistenN Columbus 60, Montanus 101 und Silvanus 73 (zu letzteren s. Kap. 4.2.4) auch einige Verwendungen des Suffixes -us an Gräzisierungen (z. B. Pelargus, Magirus) und der Hebraisierung Schomerus (s. hierzu Kap. 4.1.3; zur Etymologie der genannten HumanistenN s. Namenbuch, Anhang 1). Dies deutet darauf hin, dass bei substituierten FamN weniger die Gefahr bestand, dass es zu einer Angleichung des HumanistenN an die Volkssprachen kam. Doch auch bei diesen ist das Suffix -ius frequenter (s. Kap. 4.1.2.1, 4.2.2 und 4.2.6). Bei der Betrachtung der Struktur der 121 in der Untersuchung enthaltenen FamN auf -us fällt auf, dass 72 von diesen zweisilbig sind, was der von Weber (31851: 541) formulierten Empfehlung, das Suffix -us nicht an einsilbigen FamN zu verwenden (s. Kap. 3.4), zu widersprechen scheint. Dieser Anteil ist zwar auch aufgrund der hohen Anzahl an RufN-Kurzformen wie Asmus, Debus und Kobus sehr hoch, doch sind gerade die als Suffigierung deutscher Familiennamen mit dem lateinischen Suffix -us klassifizierten FamN (Helmus, Korbus, Windus etc.) ebenfalls zweisilbig. Hier wäre nach Webers Regeln eine Suffigierung mit -ius zu erwarten. Dreisilbige FamN wie Wilhelmus machen demgegenüber mit 42 Types eine deutlich kleinere Gruppe aus, während viersilbige wie Hieronymus lediglich mit sieben Types erscheinen. Mehr als vier Silben kommen bei diesem Bildungstyp in der Stichprobe nicht vor.

116 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen Silbenanzahl von FamN auf -us (n = 121) 4-silbig: 7 (6%)

3-silbig:42 (35%)

2-silbig:72 (59%)

Abb. 11: Silbenanzahl von FamN auf -us in der DFA-Datenbank mit mind. 50 Tokens (Silbenanzahl inkl. -us)

Bezüglich der Phoneme, die -us vorangehen, ist der hohe Anteil an Konsonantenclustern auffällig. Dieser scheint mit steigender Silbenzahl zu sinken: Bei den zweisilbigen FamN ist -us zu über 50% (37 Types) an ein Cluster angefügt (z. B. Asmus, Kolbus, Korbus, Windus), bei den dreisilbigen sind es 33% (14 von 42, z. B. Wilhelmus, Meinardus), bei den viersilbigen erscheinen hingegen keine Cluster vor -us (z. B. Hieronymus, Nazarenus). Die Abhängigkeit von -us an kurzen FamN von einem Konsonantencluster im Auslaut entspricht den Feststellungen, die sich in Kap. 3.4 bereits angedeutet hatten. Die hohe Anzahl der Konsonantencluster ist jedoch eng mit der Tatsache verbunden, dass der Anteil an Patronymen in dieser Gruppe sehr hoch ist. So erscheint die Phonemverbindung -rtus bei acht FamN, die jedoch alle eindeutig als Patronyme zu deuten sind und von denen mehrere das RufN-Glied -bert enthalten: Artus, Bertus, Hubertus, Lambertus, Libertus, Martus, Robertus, Rupertus. Das Vorkommen des lateinischen Suffixes -us an FamN in Deutschland ist somit maßgeblich mit Patronymen verbunden, wobei insbesondere die auf germanische RufN zurückgehenden Patronyme häufig auf zwei Konsonanten enden. Wird -us zur Latinisierung an einen nativen FamN aus anderen Motivgruppen angefügt, so schließt sich das lateinische Suffix auch hier – v. a. bei kurzen FamN – häufig an ein Konsonantencluster an. Diese Betrachtungen legen nahe, dass FamN mit anderen Strukturen mit anderen Suffixen latinisiert wurden, wofür insbesondere -ius infrage kommt (s. Kap. 4.1.2.1; vgl. auch Rentenaar 2003: 99f).

Suffixe | 117

4.1.1.2 -i Bei zahlreichen Patronymen ist die flektierte genitivische Form auf -i, teilweise in der graphischen Variante -y, frequenter als die nominativische Form auf -us. Die nachfolgende Tabelle gibt FamN mit lateinischem Genitivsuffix -i/-y wieder, von denen mindestens eine Variante in Deutschland über 500 Tokens aufweist. Da lateinische Genitive v. a. auch in Belgien frequent sind, werden diese neben der Verbreitung in den Niederlanden ebenfalls angegeben: Tab. 25: Die frequentesten lateinischen Genitive in Deutschland und ihre Verbreitung in den Niederlanden und Belgien

RufN

Lat. Genitiv

Petrus

Jacobus

Paulus

Georgius

Martinus

Nicolaus

Tokens (DE)

Tokens (NL)

Tokens (BE)

Petri

3.556

495

66

Petry

3.106

18

210

Jacobi

3.490

607

35

Jakobi

2.571

15

8

Jacoby

833

11

607

Jakoby

763

14

12

Pauli

3.291

289

173

Pauly

2.127

126

747

Georgi

2.665

-

2

Georgy

90

-

17

Martini

2.115

220

300

Martiny

123

-

228

Nicolai

1.617

1.775

94

Nikolai

632

-

-

Nicolay

490

14

1.109

Nikolay

303

-

1

Nickolai

144

-

-

Nickolay

94

-

-

118 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

RufN

Lat. Genitiv

Philippus Wilhelm

Konrad

Caspar

Antonius

Albert

Tokens (DE)

Tokens (NL)

Tokens (BE)

Philippi

1.571

462

39

Wilhelmi

1.235

-

80

Wilhelmy

401

-

37

Conradi

1.079

203

21

Konradi

500

-

-

Conrady

346

-

-

Konrady

10

-

-

Caspari

963

18

3

Kaspari

433

-

-

Caspary

324

-

10

Antoni

785

93

53

Antony

316

13

12

Alberti

617

311

78

Alberty

91

6

99

Nach Marynissen (2014: 163), die Bildungstypen von FamN in Belgien untersucht, ist „[n]ur bei den lateinischen Formen von christlichen Heiligennamen […] eine Genitivierung der Rufnamen möglich“. Sie geht also davon aus, dass ein RufN, der einem FamN zugrunde liegt, in lateinischer Form gebräuchlich gewesen sein muss, was im Kontext der Heiligenverehrung der Fall war. In ihrer Auflistung finden sich deshalb neben biblischen RufN wie Petrus und Paulus und RufN von im Christentum allgemein verehrten Heiligen wie Nicolaus auch germanische RufN wie Hubert, Robert, Gérard, Bernard, die jeweils auch als RufN Heiliger bekannt waren. Zu den latinisierten Formen dieser RufN, die konsequent der lateinischen o-Deklination angeschlossen werden (also Hubertus, Robertus, Gerardus, Bernardus), seien latinisierte FamN im Genitiv gebildet worden, die folglich das Suffix -i (bzw. -y) erhielten (Marynissen 2014: 163f). In Belgien sind diese v. a. an der germanisch-romanischen Sprachgrenze verbreitet, dort insbesondere „im Osten von Wallonien“ (Marynissen 2014: 163 und 175, Karte 9). In Deutschland reicht der Schwerpunkt der Verbreitung dieses FamNTyps von Rheinland-Pfalz und dem Saarland aus (mit hoher Frequenz auch in

Suffixe | 119

Luxemburg,153 s. Kap. 5.2.2) bis nach Thüringen (vgl. Bochenek 2012: 763; Steffens 2013: 172). Wie Tabelle 25 zeigt, finden sich unter den zehn häufigsten FamN mit dem Genitivsuffix -i/-y in Deutschland jeweils zwei Formen zu den RufN Petrus, Paulus und Jacobus. Lateinische Genitive kommen außer bei Patronymen v. a. bei Substitutionen vor, z. B. Fabri 259 zu lat. faber ‘Schmied’, auch hier mit der Variante -y (Fabry 563). Vereinzelt können auch Suffigierungen zu anderen deutschen FamN vorliegen, wie etwa Cascorbi 5 (< Käskorb), doch wie bereits bei den FamN auf -us, so bestehen auch bei denen auf -i/-y verschiedene Konkurrenzen, deren Etymologie zunächst für die einzelnen Types überprüft werden muss. Im Deutschen kann es beispielsweise Überschneidungen mit v. a. im südwestdeutschen Raum auftretenden hypokoristischen Formen auf -i bzw. -y und Diminutiven auf -li geben. So sind Patronyme wie Hardi/Hardy (zu RufN mit dem Namenglied ahd. harti, herti ‘hart, stark’, vgl. Brechenmacher 1957–1960: 652), ÜberN wie Vögeli (l-Diminutiv zu Vogel) und der im 16. Jahrhundert aus der Schweiz nach Hessen gelangte FamN Schermuly (Ramge 2017: 178) keine Latinisierungen. Bei einigen patronymischen Genitiven auf -i kann es zudem zu Überschneidungen mit rezenten italienischen FamN kommen (z. B. Martini 2.115, s. Caffarelli & Marcato 2008: 1075–1076). Dies gilt weniger für Patronyme zu HeiligenN aus germanischen RufN wie Hubertus. Abfragen von FamN, die auf -i/-y enden, enthalten darüber hinaus einige ungarische FamN (z. B. Nagy 1.098, Szilagyi 143) sowie polnische FamN auf -ski (z. B. Kaminski 4.040, Kowalski 3.293). Wie die historische Untersuchung anhand des Matrikelkorpus gezeigt hat, nehmen lateinische Genitive bei Substitutionen (z. B. Fabri, Sartoris) im 16. Jahrhundert stark ab (s. Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2). Im 15. Jahrhundert hingegen erscheinen die abgefragten FamN noch mehrheitlich – teilweise sogar ausschließlich – latinisiert in genitivierter Form in den Matrikeln. Die Abnahme von Latinisierungen im Genitiv dürfte auf eine Zunahme des Gebrauchs latinisierter Formen in der Kommunikation zurückzuführen sein: In den vor- bzw. frühhumanistischen Zeitabschnitten (1450 und 1475) wurden lateinische Genitive noch für das Matrikelbuch gebildet, dessen Textsprache Latein war. Der RufN und der FamN waren hier formal deutlich unterschieden: An den RufN im Nominativ schloss sich der FamN im Genitiv an (vgl. Wilhelmus Bernardi, Leod. dyoc., Löwen 1475 [Wils 1946: 323]). In dem als Liste angelegten Dokument ist

|| 153 Der frequenteste lateinische Genitiv in Luxemburg ist Jacoby auf Rang 46. In Deutschland findet sich der frequenteste lateinische Genitiv auf -i auf Rang 780 (Petri), auf -y auf Rang 920 (Petry). In den Niederlanden belegt Nicolai Rang 1.071 als häufigster lateinischer Genitiv auf -i.

120 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

diese Verwendung eindeutig und unproblematisch, doch ist nicht davon auszugehen, dass die Studenten diese Namenformen auch in der Kommunikation verwendeten (vgl. Kap. 2.2). Mit dem Voranschreiten des Humanismus änderte sich dies jedoch: HumanistenN begleiteten Lernende durch ihre universitäre Laufbahn und fanden auch in der Kommunikation Verwendung. Für den mündlichen oder schriftlichen Gebrauch ist eine genitivische Form jedoch ungeeignet, denn in diesem Fall würde der Genitiv die Funktion des Nominativs übernehmen. Ein patronymischer Genitiv wie Bernardi kann – als Nominativform verwendet – jedoch nicht erneut genitivisch flektiert werden: Tab. 26: Lateinische Genitivflexion der HumanistenN Bernardus und Bernardi

FamN Bernardus

FamN Bernardi

Nominativ

Bernardus

Bernardi

Genitiv

Bernardi

-

Der HumanistenN Bernardi kann also nur in einem Namensyntagma eindeutige Kasusmarker erhalten, wobei die flexivische Integration funktional durch den RufN übernommen wird (Wilhelmus Bernardi – Wilhelmi Bernardi). Ausschließlich mit dem FamN wäre auf einen Studenten, der Bernardi als seinen HumanistenN auswählt oder erhält, hingegen nicht eindeutig zu referieren, sobald dieser FamN nicht im Nominativ verwendet würde, denn im Genitiv sind z. B. die Latinisierungen Bernardus und Bernardi homonym (s. Tabelle 26), für andere Kasus käme für Bernardi nur die Deflexion oder eine Angleichung an Bernardus infrage (z. B. Dativ Bernardo). Da lateinische Genitive für die Alltagskommunikation in lateinischer Sprache aus diesem Grund kaum zu gebrauchen sind, entsprechen sie nicht den Anforderungen, die an einen FamN im gelehrten Umfeld gestellt wurden. Auf diesen wichtigen Umstand ist in der Literatur bislang noch nicht deutlich hingewiesen worden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sie bei Substitutionen wie Fabri, bei denen bei einer nominativischen Form keine Verwechslungsgefahr mit einem RufN besteht (anders als etwa bei Bernardus), im Verlauf des 16. Jahrhunderts beinahe vollständig zugunsten von nominativischen Substitutionen (Faber) oder Hyperlatinisierungen (Fabricius) verschwanden. Bei Patronymen ist hingegen anzunehmen, dass eine notwendige Trennung von RufN und FamN der Grund dafür ist, dass lateinische Genitive hier nicht ähnlich deutlich abnahmen. Gleichwohl lassen sich auch Strategien be-

Suffixe | 121

obachten, um aus einem Patronym einen flektierbaren HumanistenN zu kreieren (z. B. Klose > Nicolai/Closius, vgl. Kap. 4.1.2.1). Auf der Grundlage der Matrikeldaten sowie aufgrund der Nicht-Flektierbarkeit und der Überschneidungen mit nicht-lateinischen FamN-Formen lässt sich jedoch vermuten, dass bei lateinischen Genitiven ein höherer Anteil der rezent vorkommenden Bildungen bereits der mittellateinischen Urkundensprache entstammt, als dies bei anderen HumanistenN der Fall ist. Diese Formen wären in diesem Fall zunächst nur durch Schreiber verwendet worden und schließlich in den Alltagsgebrauch gelangt. In volkssprachigem Umfeld sind lateinische Genitive unproblematisch, denn deutsch oder niederländisch können sie durchaus flektiert werden. Hier können lateinische Genitive sogar von Vorteil sein, weil sich durch den nativen starken s-Genitiv eine Homonymie von Nominativ und Genitiv bei Latinisierungen auf -us einstellt: Tab. 27: Deutsche Genitivflexion der HumanistenN Bernardus und Bernardi

FamN Bernardus

FamN Bernardi

Nominativ

Bernardus

Bernardi

Genitiv

Bernardus’

Bernardis

In einigen Fällen können lateinische Genitive zudem später aus Kürzungen von HumanistenN auf -ius entstanden sein, die im volkssprachigen Kontext ebenfalls eine homonyme Nominativ- und Genitivform aufweisen.154 Bergerhoff (1918: 16) ist zwar eingeschränkt zuzustimmen, dass die rezenten lateinischen Genitive in FamN häufig deutsche (und niederländische) Genitive repräsentieren, denn sie sind v. a. im Westen des deutschen Sprachraums – mit Fortsetzung in den niederländischen Sprachraum – zu finden (s. Kap. 5.1.2), wo auch native genitivische FamN in großer Zahl vorkommen. Doch reicht ihre Verbreitung darüber weiter hinaus, als dies bei den nativen Formen der Fall ist (s. Bochenek 2012: 754–765), und historische Belege in Universitätsmatrikeln

|| 154 Eine solche Kürzung scheint z. B. bei dem HumanistenN Cascorbi vorzuliegen. Diese aus Pommern stammende Latinisierung zu FamN wie Käskorb (in Pommern u. a. 1607 Andr. Kesekorb), ist 1654 als Casecorbius belegt (Brechenmacher 1957–1960: 17; s. auch Bach 21953: 121).

122 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

legen zumindest zeitweise eine weitgehende Entkoppelung beider Formen nahe (vgl. Kap. 3.3.4.1).155 In genitivischer Form sind – anders als bei den Nominativen auf -us – auch einige wenige Latinisierungen von FamN auf -mann (nl. -man) erhalten, so insbesondere zum Patronym Hermann, nämlich Hermanni (105), Her(r)manny (35+23) (Niederlande: Hermanni 12, Harmanni 25). In den Niederlanden finden sich zudem weitere FamN auf -manni aus weiteren Motivgruppen: Schniermanni (105, wohl Derivat zu Schnier < mnl. snider, sniër ‘Schneider’), Schuiermanni (7, < mnl. schure ‘Scheune, Scheuer’). Während -man in niederländischen FamN üblicherweise mit einfachem wiedergegeben wird, erhalten die latinisierten Formen auch im Niederländischen ein zusätzliches Graphem, weil das Suffix -i den zugrunde liegenden FamN eine weitere Silbe hinzufügt und a in *-mani in offener Silbe stünde, womit es nach den Ausspracheregeln zur niederländischen Orthographie gedehnt werden müsste (vgl. hingegen niederländische patronymische Genitive wie Hermans oder Harmans, in denen a in geschlossener Silbe steht). In den niederländischen FamN auf -man(s) hat der lateinische Genitiv somit Auswirkungen auf die Schreibung des nativen Namengliedes, das hierdurch der deutschen Standardschreibung angeglichen wird. Außer bei Patronymen finden sich lateinische Genitive auf -i/-y auch in Substitutionen (vgl. Kap. 3.3.4.1). Rezente Formen in Deutschland, die im Namenbuch (Anhang 1) etymologisiert vorliegen, sind Angeli, Coqui, Fabri, Galli. Einige häufige Patronyme aus RufN fremdsprachiger Herkunft wie Michael, Johannes und Thomas, die nicht nach der o-Deklination flektiert werden, bilden den Genitiv regulär nach anderen lateinischen Deklinationsklassen (Michaelis, Johannis, Thomae, vgl. Kap. 4.1.1.3 und 4.1.1.4), doch sind auch bei diesen Genitive auf -i/-y nachweisbar (Michaeli 127, Michaely 144, Johanni 91, Johanny 14, Thomai 3, Thomay 13). Ein ähnlicher Wechsel der Deklinationsklasse findet sich auch bei substituierten BerufsN auf -tor wie Pistor, Molitor (vgl. Kap. 4.2.1), die den Genitiv gemäß der lateinischen Flexion regulär wie Michael auf -is bilden, jedoch auch mit -i/-y belegt sind (Pistori 17, Pistory 6156). Dies deutet darauf hin, dass sich das Genitivsuffix -i zu einem überstabilen Marker für lateinische Genitive entwickelte, der andere lateinische Genitivsuffixe aufgrund seiner hohen Frequenz verdrängte, und sich sein Status dadurch

|| 155 Dies ist auch in Namengleichungen belegt, z. B. Sixtus Hermanni de Bar cler. Argentinensis, Heidelberg 1493 (Toepke 1884: 408) = Sixtus Herman sacerdos ex Barr Argentinens. dioc. vicarius in Tanbach, Freiburg i. Br. 1512 (Mayer 1907: 205). 156 Doch kann es sich bei vermeintlichen Substitutionen wie Sartori und Pistori in einigen Fällen auch um italienische FamN handeln (vgl. Caffarelli & Marcato 2008: 1354, 1522f).

Suffixe | 123

dem eines onymischen Suffixes im deutschen und niederländischen FamNInventar näherte. Dabei kann eine Assoziation mit dem Lateinischen nachgelassen haben, sodass -i allmählich als allgemeiner FamN-Indikator wahrgenommen wurde (vgl. onymische Suffixe wie -ing oder -sen, die im Deutschen nur in Namen vorkommen und diese dadurch eindeutig als solche markieren). Eine teilweise Entkopplung vom Lateinischen sowie eine Vermischung mit den genannten nativen Elementen könnte auch die zunehmend abweichende Schreibung des Suffixes -i als (v. a. im linksrheinischen Gebiet, in den Niederlanden auch als ) erklären, die etwa im von der lateinischen Textsprache geprägten Matrikelkorpus noch fehlt. In frühneuhochdeutschen Texten hingegen erscheint häufig für /i/. Die gezeigte unproblematische Verwendbarkeit von FamN auf -i/-y in den erstarkenden Volkssprachen könnte somit ein weiterer Faktor dafür sein, dass lateinische Genitive auf -i/-y in hoher Frequenz in FamN erhalten blieben, während sie im lateinischen Universitätsbetrieb des 16. Jahrhunderts beinahe verschwanden. 4.1.1.3 -is Das lateinische Genitivsuffix -is wird der dritten Deklination zugeordnet, die verschiedene Stämme umfasst.157 Den Genitiv mit -is bilden im Lateinischen z. B. die RufN Johannes, Michael, und Simon, aus denen entsprechend abgeleitete FamN-Formen rezent vorkommen: Tab. 28: Patronyme mit dem lateinischen Genitivsuffix -is

RufN

Lat. Genitiv

Johannes

Johannis

Michael

Michaelis

Simon

Simonis

Tokens (DE) 30 4.603 712

|| 157 Zur dritten Deklination werden in der Regel die konsonantische Deklination (cōnsul, cōnsulis; mīles, mīlitis) und die i-Deklination (mare, maris; turris, turris) gezählt (Rubenbauer & Hofmann 121995: 36–42). Zusätzlich wird häufig noch die gemischte Deklination (urbs, urbis) unterschieden, die die Singularformen nach der konsonantischen, die Pluralformen nach der iDeklination bildet. Für die Ausführungen in diesem Kapitel ist lediglich von Bedeutung, dass die Genitivformen der dritten Deklination stets mit dem Suffix -is gebildet werden.

124 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Michaelis ist mit 4.603 Tokens in der DFA-Datenbank die frequenteste latinisierte Genitivform, vor den häufigsten Genitiven auf -i (Petri 3.556, Jacobi 3.490, Pauli 3.291).158 Zu den häufigen lateinischen Genitiven gehört auch Simonis mit 712 Tokens, doch außer dem seltenen Johannis finden sich keine weiteren Genitive auf -is in der Datenbank. An germanischen RufN wie Konrad oder Wilhelm, die im Lateinischen in die o-Deklination integriert werden (vgl. Kap. 4.1.1.2) erscheint -is nicht. Frequenter ist dieses Suffix erwartungsgemäß in Substitutionen erhalten, deren zugrunde liegende lateinische Appellative der dritten Deklination angehören. Hierzu zählen u. a. die Bildungen auf -tor wie Sartor, die in Kap. 4.2.1 behandelt werden: Tab. 29: Lateinische Genitive auf -is zu Substitutionen

Lexem

FamN (lat. Genitiv)

custōs ‘Wächter, Hüter, Aufseher’

Custodis

mercātor ‘Handelsmann, Kaufmann’

Mercatoris

Tokens 51 3

mōlītor ‘Müller’

Molitoris

12

sartor ‘Schneider’

Sartoris

121

sūtor ‘Schuster’

Sutoris

29

textor ‘Weber’

Textoris

38

vietor ‘Binder, Fassbinder’

Vietoris

15

Bei Wörtern der dritten Deklination, die im Nominativ auf -is enden (z. B. canis, canis ‘Hund’), ist aufgrund dieses Synkretismus nicht zu entscheiden, ob es sich bei homonymen Namenformen um Nominativ- oder Genitivbildungen handelt (vgl. den HumanistenN Canis 64; Varianten: Kanis 370, Kaniß 30). Diese werden deshalb als Nominative gewertet und hier nicht mit einbezogen. Wie in Kap. 4.1.1.2 erwähnt, liegt in einigen Fällen ein Flexionsklassenwechsel der Genitivformen vor, wobei hier in der Regel ein Wechsel von der dritten Deklination in die hochfrequente o-Deklination stattfand (z. B. Michaeli und Pastori neben korrektem Michaelis und Pastoris; Martinis zu Martinus statt korrektem Martini ist offenbar italienischer Herkunft, vgl. Caffarelli & Marcato 2008: 1075f). Ein Grund für diesen Wechsel kann auch in der Ähnlichkeit von -is mit dem deutschen Genitivsuffix -es liegen. In der gesprochenen Sprache wie

|| 158 Unter Einbeziehung der in Tabelle 25 angegebenen Schreibvarianten kommt Petri jedoch auf 6.662, Jacobi auf 7.657 und Pauli auf 5.418 Tokens.

Suffixe | 125

auch im Schriftbild ist das stets unbetonte -is kaum von -es zu unterscheiden und somit nicht sicher als Latinisierung zu erkennen. Auch hier besteht die bei Suffigierungen mit -us beschriebene Gefahr einer Abschwächung zu Schwa (vgl. Kap. 4.1.1.1). Zusätzlich können Überschneidungen mit deutschen Lautvarianten und anderen Sprachen zu Unsicherheit in der Deutung der Formen führen. So ist etwa der FamN Schultis als kontrahierte Form von Schultheiß anzusehen, nicht als lateinischer Genitiv zum FamN Schulte. In Scholtis (auch Scholtys) hingegen deutet die historische Verbreitung in Schlesien darauf hin, dass es sich um eine eingedeutschte Variante zu poln. szołtys ‘Schultheiß, Gemeindevorsteher’ handelt (entlehnt aus mhd. schultheize). Auch im ehemaligen Ostpreußen waren FamN auf -is verbreitet, wobei -is hier jedoch Bestandteil des litauischen Suffixes -a(i)tis ist (z. B. Adomatis zum RufN Adoms < Adam; Woweratis zu lit. voverė ‘Eichhörnchen’). 4.1.1.4 -ae Patronymische Genitive auf -ae (eingedeutscht -ä) folgen der a-Deklination, die in der Appellativik v. a. durch Feminina besetzt ist (vgl. Kap. 4.2.3). Auch Adjektive und Pronomina flektieren bei femininer Kongruenz nach der a-Deklination. Jedoch werden auch einige maskuline RufN aus anderen Sprachen, die v. a. aus der Bibel bekannt waren (z. B. Andreas, Noah, Tobias), in lateinischen Texten nach der a-Deklination flektiert. Die nachfolgende Tabelle enthält solche Formen mit mind. 10 Tokens in der DFA-Datenbank: Tab. 30: Lat. Genitiv auf -ae in RufN und FamN

RufN

FamN

Tokens

Andreas, Andreae

Andrä

862

Andrae

647

Andreä

81

Andreae

201

Mathiä

10

Mathiae

12

Matthiä

32

Matthiae

74

Matthias, Matthiae

126 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

RufN

FamN

Tokens

Noah, Noae

Noae

11

Thomas, Thomae

Thomä

346

Thomae

345

Tobias, Tobiae

Zacharias, Zachariae

Thobae

14

Tobä

10

Tobae

10

Towae

43

Zachariae

67

Die lateinischen Genitive auf -ae mit mindestens 10 Tokens lassen sich also auf wenige RufN zurückführen, nämlich Andreas, Matthias, Noah, Tobias, Thomas und Zacharias. Die RufN Bartholomaeus, Matthaeus und Nicolaus bilden den Genitiv im Lateinischen hingegen üblicherweise nach der o-Deklination auf -i, doch sind auch Formen nachweisbar, die denen aus Tabelle 30 nachgebildet zu sein scheinen: Tab. 31: Lateinische Genitive auf -ae, -ä aus anderen Deklinationsklassen

RufN

FamN

Bartholomaeus, Bartholomaei

Barthelmä

16

Bartholmae

10

Bartholomä

222

Bartholomae

71

Mathä

31

Mathae

15

Matthä

30

Matthae

10

Nicolae

34

Matthaeus, Matthaei

Nicolaus, Nicolai

Tokens

Formal sind FamN wie Bartholomae als reduzierte Formen von Bartholomae-us interpretierbar, denen also lediglich das lateinische Flexiv fehlt. Doch dürften

Suffixe | 127

sie vor dem Hintergrund von Formen wie Andreae und Matthiae ebenfalls als lateinische Genitive auf -ae wahrgenommen werden. Eine solche Kürzung kann zudem nicht die Form Nicolae erklären, denn der Namenkörper des RufN Nicolaus endet nicht bereits auf -ae. Es ist davon auszugehen, dass hier jeweils als Monophthong /ε:/ artikuliert wird, dass es sich also etwa bei Bartholomae um eine Schreibvariante von Bartholomä handelt und nicht etwa um eine an die klassische lateinische Aussprache von angelehnte Schreibung für den Diphthong /⁠aɪ/. Der Grund für den vermeintlichen Übergang in die a-Deklination ist bei diesen HumanistenN in der Auflösung des Hiats im deutschsprachigen Kontext zu sehen. Im Matrikelkorpus (s. Kap. 3.3.3) sind Formen mit -ae/-ä noch nicht belegt. Darin findet sich neben Bartholomaei (1 Eintrag) die Variante Bartholomei (6), Nicolai (37) erscheint in Löwen auch als Nicolay (3) und Nicolaij (3), Matthaei (1) auch als Matthei (2) und Mathei (8).

4.1.2 Derivationssuffixe Außer mit Flexionssuffixen kommen Suffigierungen auch mit Derivationssuffixen frequent vor. Dabei markieren die verwendeten Suffixe ursprünglich jeweils die familiäre Abstammung einer Person: In antiken PersN drückten die meist auf -ius gebildeten GentilN die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gens aus (vgl. Kap. 2.1), die dem Griechischen entstammenden Suffixe -aeus (< -αιος, -aios) und -ides (< -ίδης, -ídes) fanden Verwendung bei der Bildung von Patronymen. Weitere Derivationssuffixe, die ausschließlich bei Substitutionen auftreten, werden im folgenden Kapitel behandelt (s. Kap. 4.2.2–4.2.5) 4.1.2.1 -ius Für die onymische Verwendung des Adjektivsuffixes -ius ist der Ausdruck von Zugehörigkeit entscheidend, wie z. B. in pater ‘Vater’, patrius ‘väterlich, des Vaters’. Wie in Kap. 2.1 beschrieben, dient -ius im römischen PersN-System v. a. zur Bildung der GentilN, mit denen die Angehörigen einer bestimmten gens gekennzeichnet werden (so bezeichnet z. B. in Gaius Julius Caesar der GentilN Julius die Zugehörigkeit des Namenträgers zur gens der Julii).159 Wenngleich antik-römischer GentilN und frühneuzeitlicher FamN nicht völlig gleichzu-

|| 159 Daneben findet es sich auch in einigen praenomen (z. B. Lucius, Publius, Tiberius).

128 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

setzen sind,160 so teilen sie sich doch das Merkmal der Vererbbarkeit an nachfolgende Generationen und somit die Markierung der familiären Abstammung im PersN. Deshalb eignet sich das Suffix -ius als Element römischer GentilN in funktionaler Hinsicht besonders gut für die Latinisierung von FamN. Mit -ius suffigierte BeiN/FamN sind der mittelalterlichen Urkundensprache noch fremd (vgl. Kap. 2.2). Während dort die einfache Einbindung des PersN in den lateinischen Text im Vordergrund steht, strebt die in die humanistische Bildungsbewegung eingebettete Namengebung eine bewusste Anlehnung an antike PersN an, die mit der Imitation römischer GentilN formal und symbolisch zum Ausdruck gebracht werden kann. Lediglich Patronyme, die sich von römischen RufN auf -ius herleiten (z. B. Cornelius 1.550), können auch ohne humanistische Einflüsse zu FamN auf -ius geworden sein, wobei der Humanismus hier jedoch auch normierend gewirkt und volkssprachige Kurz- oder Koseformen zum Vollnamen zurückgeführt haben kann.161 Unter den Patronymen auf -ius finden sich auch zahlreiche RufN mittelalterlicher Heiliger, die durch Vermittlung des Lateinischen in den entsprechenden Formen bekannt waren, wie etwa Georgius 151. Anders als bei den mit Flexionssuffixen gebildeten HumanistenN in Kap. 4.1.1 ist hier jedoch nicht davon auszugehen, dass Patronyme den überwiegenden Anteil der FamN auf -ius ausmachen. Im Folgenden wird untersucht, wie die FamN, in denen das Suffix -ius besonders häufig enthalten ist, aufgebaut sind.162 Als Datengrundlage werden die häufigsten FamN mit diesem Suffix in der DFA-Datenbank (mindestens zehn Tokens) abgefragt. Im Unterschied zu den FamN auf -us handelt es sich bei jenen auf -ius in den meisten Fällen um HumanistenN. Von den 572 Types, die die Abfrage .*ius mit mindestens 10 Tokens ergibt, sind lediglich Gius 27 sowie die baltischen FamN Simonavicius 13 und Mackevicius 10 sicher von der Untersuchung auszuschließen, da -ius hier nicht auf das lateinische Suffix -ius zurückgeht.163 Die übrigen 569 Types164 werden im Folgenden hinsichtlich der Phonologie, Prosodie und des jeweiligen Auslauts, an den -ius angefügt wird, untersucht. Die betreffenden FamN weisen folgende Silbenanzahlen auf:

|| 160 Zu den Eigenschaften römischer GentilN s. Kap. 2.1. 161 So könnte etwa die Kurzform Nehl (< Cornelius) zum FamN geworden und dann als Cornelius (re-)latinisiert worden sein. 162 Zu dieser Untersuchung s. auch Kroiß (2020). 163 Für diesen Hinweis danke ich Christiane Schiller. 164 Vgl. https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html (Liste der Familiennamen auf -ius). Zur Kartierung dieser Namengruppe s. Kap. 5.1.1 (Karte 4).

Suffixe | 129

Silben anzahl von FamN auf -ius (n = 569) 5/6-silbig: 19 (3%)

4-silbig: 280

3-silbig: 270

(49%)

(48%)

Abb. 12: Silbenanzahlen von FamN auf -ius in der DFA-Datenbank mit mind. zehn Tokens (Silbenanzahl inkl. -ius)

Den hier dargestellten dreisilbigen FamN liegt in den meisten Fällen ein einsilbiger deutscher FamN zugrunde, an den das zweisilbige Suffix -ius angefügt wurde (z. B. Fuchs-ius), den viersilbigen entsprechend ein zweisilbiger (z. B. Cremer-ius).165 Die drei- und viersilbigen Latinisierungen auf -ius machen zusammen 97% der häufigsten FamN auf -ius aus. Längere FamN kommen hingegen mit 3% kaum vor (z. B. Nicolaudius, Nicolovius, s. hierzu Dräger 2013: 142f). Bei 50% der abgefragten FamN auf -ius wird das Suffix an einen Liquid (l, r) oder einen Nasal (n) angefügt. Alle anderen Konsonanten verteilen sich auf die übrigen 50%. Lediglich s steht mit 12% noch ähnlich häufig vor -ius (s. Abbildung 13), wobei hier jeweils von den Graphemen ausgegangen wird (Formen auf -zius werden also von denen auf -sius getrennt behandelt):

|| 165 In der Abfrage enthalten sind jedoch auch Hyperlatinisierungen wie Sartorius (s. auch Kap. 4.2.6) und Patronyme wie Cornelius. Insgesamt machen diese allerdings einen geringen Anteil an den 569 untersuchten Types aus und auch bei diesen Formen wären Anpassungen der Laut- und Silbenstruktur vielfach möglich, wie Beispiele wie Nicolaus > Nicolaudius oder Thomas > Thomasius belegen.

130 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen Häufigs te Konson anten vor -ius (n = 569) l: 102 (18%) übrige: 218 (38%) r: 94 (17%)

s: 68

n: 87

(12%)

(15%)

Abb. 13: Die häufigsten Konsonanten vor -ius in FamN mit mind. zehn Tokens in der DFADatenbank

Demnach wurde das Schema Nasal/Liquid + -ius für die Bildung von HumanistenN sehr häufig verwendet. Im Folgenden werden deshalb die latinisierten FamN auf -lius, -nius und -rius gesondert in den Blick genommen. Dabei fällt zunächst auf, dass FamN auf -lius besonders häufig viersilbig sind: FamN auf -lius (n = 102) 3- und 5-silbige: 33 (32%) elius (4-silbig): 54 (53%) andere 4-silbige: 2 (2%) ilius (4-silbig): 13 (13%) Abb. 14: Familiennamen auf -lius mit mind. zehn Tokens in der DFA-Datenbank

Suffixe | 131

Von 102 FamN auf -lius sind mehr als zwei Drittel (68%) viersilbig, die meisten davon (53%) sind viersilbig und enden auf -elius (z. B. Drexelius 109, Schuppelius 38). Auf -ilius enden 13% (z. B. Homilius 86). FamN auf -nius (n = 88)

3- und 5-silbige: 31 (35%)

enius (4-silbig): 39 (44%)

andere 4-silbige: 1 (1%) onius (4-silbig): 5 (6%)

inius (4-silbig): 12 (14%)

Abb. 15: Familiennamen auf -nius mit mind. zehn Tokens in der DFA-Datenbank

Vor -nius ist e ähnlich frequent wie vor -lius. So enden 44% der abgefragten FamN in dieser Gruppe auf -enius 44% (z. B. Hessenius 69, Oxenius 17), -inius folgt mit 14% (z. B. Rivinius 78). Drei- und fünfsilbige Formen bilden auch hier eine kleinere Gruppe mit 35% der 88 Types. Die Parallelen zu FamN auf -lius sind deutlich erkennbar. Einen Unterschied stellen hier jedoch fünf FamN (6%) auf -onius dar (z. B. Baronius 17, Colonius 26).

132 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen FamN auf -rius (n = 94)

3- und 5-silbige: 28

arius (4-silbig): 27

(30%)

(28%)

andere 4-silbige: 3 (3%)

orius (4-silbig): 22 erius (4-silbig): 15

(23%)

(16%) Abb. 16: Familiennamen auf -rius mit mind. zehn Tokens in der DFA-Datenbank

Bei den FamN auf -rius zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab. Zwar dominieren viersilbige Formen mit 70% auch hier, doch enden diese mit -arius und -orius zu 51% auf andere Vokale als die FamN auf -lius und -nius. Die abweichenden Vokale a und o vor dem Liquid r, an den das Suffix -ius angeschlossen wird, erklären sich v. a. dadurch, dass in dieser Gruppe eine hohe Anzahl von fremdsprachigen Patronymen (z. B. Hilarius 49, Gregorius 339) und substituierten FamN (z. B. Cellarius 46, Carnarius 40) bzw. Hyperlatinisierungen (z. B. Sartorius 489, Pistorius 427, Sutorius 72) enthalten ist. Auch bei den FamN auf -rius liegt die Gruppe der Formen auf -erius jedoch mit 16% im frequenten Bereich, wobei sich hier – wie bei den FamN auf -elius und -enius – ein hoher Anteil an Suffigierungen zu deutschen FamN findet (z. B. Cremerius 164, Eberius 74, Macherius 34). Bei einem großen Anteil der FamN auf -ius in Deutschland geht dem lateinischen Suffix also eine Struktur aus Vokal + Nasal/Liquid voraus. Diese mit -ius latinisierten FamN sind meist viersilbig und werden aufgrund der Erweiterung um das zweisilbige Suffix -ius auf der zweiten, bzw. der drittletzten Silbe (Antepaenultima) betont.166 Die Nasale/Liquide, an die -ius angefügt wird, stehen

|| 166 In lateinischen Wörtern liegt die Betonung auf der vorletzten Silbe (Paenultima), wenn diese lang ist, ansonsten auf der drittletzten (vgl. Rubenbauer & Hofmann 121995: 7). Da das i im Suffix -ius kurz ist, liegt die Betonung in Latinisierungen mit -ius immer auf der letzten Silbe des zugrunde liegenden FamN (z. B. Crúsius, Schottélius, Nicolóvius).

Suffixe | 133

dadurch in der Regel in intervokalischer Position, vgl. Schottelius, Homilius, Hessenius, Sartorius etc., was den so gebildeten FamN einen hohen Grad an Sonorität verleiht. Durch Vollvokale in Nebensilben, die Betonung auf der zweiten Silbe, eine Vermeidung von Schwa-Lauten (diese werden zu [e:] gedehnt, vgl. Krémer > Cremérius) und die hohe Anzahl von vier Silben unterscheidet sich ein großer Anteil der HumanistenN auf -ius deutlich von anderen deutschen FamN und gewährt so in besonderem Maß die Erkennung als Latinisierung. Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich eine Analogiewirkung der beschriebenen Struktur auf FamN feststellen, bei denen auch eine Latinisierung mit anderen Mitteln möglich wäre. Im RAG finden sich z. B. folgende Namengleichungen für Studenten der Universität Wittenberg:167 (7) a. 1523 Johannes Franck b. 1543 Leonhardus Kote c. 1539 Nicolaus Rumpelius

= 1533 Iohannes Franckenius = 1549 Leonartus Cotenius = 1545 Nicolaus Rumpeldt

Statt der Latinisierung Franckenius in (7a.) wäre z. B. auch eine einfache Suffigierung mit -ius zu Franckius möglich. Diese empfiehlt beispielweise Fleischner168 (1826: 280, dort das Beispiel „Fonk, Fonkius“). In FamN auf -e wie Kote (7b.) wird das -e nach Rentenaar häufig durch -ius ersetzt, sodass hier Kotius (mit Anpassung an die lateinische Graphie Cotius) zu erwarten wäre. Fleischner (1826: 275f) empfiehlt hingegen, dass solche FamN möglichst unverändert bleiben sollten, da bei Formen wie Kotius nicht klar ist, ob hier ursprünglich Kot(t) oder Kot(t)e zugrunde liegt. Bei dem FamN Rumpeldt (7c.) wäre eher das Suffix -us zu erwarten, da es sich um einen zweisilbigen, auf ein Konsonantencluster auslautenden FamN handelt und latinisierte Patronyme häufig das Suffix -us erhalten (vgl. Kap. 4.1.1.1). In den Beispielen in (7) wird stattdessen jeweils die viersilbige Struktur auf -enius/-elius mit Antepaenultima-Akzent hergestellt, die sich für FamN auf -ius als häufiges Strukturelement herausgestellt hat. Bei Franckenius wird diese erreicht, indem zwischen Franck und dem Suffix die Silbe -en- eingefügt wird. Ohne Einschub dieser zusätzlichen Silbe würde der Akzent auf der ersten Silbe verbleiben (Fránckius). Bei Cotenius (7b.), dem mit Kote bereits ein zweisilbiger FamN zugrunde liegt, wird ein -n- eingefügt. Hierdurch wird es schwie-

|| 167 Abfrage unter https://rag-online.org/datenbank/abfrage (Aufrufdatum: 30.06.2021). Die hier zitierten historischen Namenformen sind im RAG jeweils Einträgen aus Matrikelbüchern entnommen (diese Beispiele sind auch bereits erwähnt in Kroiß 2020). 168 Zu Fleischners „Regeln“ für das Latinisieren von FamN s. Kap. 3.4.

134 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

riger, die ursprüngliche deutsche Form des FamN zu rekonstruieren, denn als diese wären nun Kot(t), Kot(t)e und Kot(t)en denkbar. Die Zielstruktur ist jedoch dieselbe wie in Franckenius, nämlich ein viersilbiger HumanistenN auf -enius mit Akzentverlagerung auf die zweite Silbe. Derartige Suffixe, die nicht direkt an den FamN treten, sondern bei denen -ius (auch -us, -is etc.) mit einer Zwischensilbe aus Vokal + Nasal/Liquid169 angefügt wird, bezeichnet Ryman (2002: 30) als „utbyggda suffix“ (hierfür wird im Folgenden die deutsche Bezeichnung erweitertes Suffix verwendet). In (7c.) hingegen wird der zugrunde liegende FamN nicht erweitert, sondern verkürzt, indem der Plosiv im Auslaut getilgt wird. Die verbliebene zweisilbige Form Rumpel entspricht mit dem Suffix -ius strukturell den frequenten viersilbigen HumanistenN auf -elius. Im Einzelfall ist nur durch Namengleichungen wie in (7) zu klären, ob ein erweitertes Suffix wie -elius/-ilius, -enius/-inius/-onius oder -arius/-orius/-erius vorliegt oder ob bereits eine entsprechende zweite Silbe in der Ausgangsform vorhanden war. So könnte etwa der FamN Schottelius sowohl auf den FamN Schottel mit dem Suffix -ius als auch auf den FamN Schott mit dem erweiterten Suffix -elius zurückgehen. Die Analogiewirkung von Bildungen auf -ius wird auch an einer Reihe von Patronymen deutlich, die auf biblische RufN und HeiligenN zurückgehen und somit in lateinischer Form bekannt waren. Eine naheliegende Latinisierung der deutschen RufN-Kurzform Klaus etwa wäre die Vollform Nicolaus (< griech. Nikolaos), aus Matthes oder Thies ließe sich wieder Matthaeus bzw. Matthias bilden, was vermutlich auch häufig so praktiziert wurde. Doch findet sich in humanistischen Kreisen andererseits eine Tendenz zur Vermeidung der ursprünglichen Vollformen, indem eingedeutschte Kurzformen durch Suffigierung mit -ius latinisiert wurden. Daraus entstanden u. a. folgende HumanistenN:

|| 169 Ryman nennt als Beispiele für solche „mellanstavelser“ (Mittelsilben), die zwischen FamN und -ius treten, v. a. solche mit e/i + Nasal/Liquid (-el-, -en-, -er-, -in-), außerdem -ov-, -æ- und auch das in SiedlungsN häufig vorkommende Namenglied -stad- (‘Stadt’), z. B. in Ulostadius (Ryman 2002: 30). Rentenaar (2003: 101f) übernimmt Rymans Terminologie ins Niederländische als „uitgebreid suffix“ (erweiterts Suffix) und nennt als Beispiele aus den Niederlanden -onius, -enius und, mit anderen Suffixen, -onis, -onides, -oniades.

Suffixe | 135

Tab. 32: HumanistenN aus RufN-Kurzformen mit suffigiertem -ius

RufN

Kurzform + -ius

Andreas

Trebesius

42

Bartholomaeus

Mebesius

17

Matthaeus

Matthesius

81

Mathesius

48

Matthias

Nicolaus

Thomas

Tokens

Thiesius

7

Thisius

5

Clausius

98

Klesius

42

Clesius

11

Closius

11

Klosius

5

Thomasius

39

Diese Namenformen wurden durch die Suffigierung mit -ius vom RufN-Inventar entkoppelt, wodurch sie eindeutig als latinisierte FamN zu erkennen sind. Da solche Bildungen erst mit dem Humanismus populär wurden, grenzen sie sich zudem – anders als die Verwendung der Vollformen oder die Suffigierung mit -us (vgl. Kap. 4.1.1.1) – von mittelalterlichen Latinisierungen ab. In Schweden konnte -ius in HumanistenN seit dem 18. Jahrhundert gekürzt werden, ohne dass der Akzent erneut verschoben wurde (Nöbbelöv > Nobélius > Nobél). Aus dem lateinischen Antepaenultima-Akzent wurde ein Finalakzent, wodurch die inzwischen als „unmodern“ empfundenen Latinisierungen „einen französischen Klang“ erhielten (Brylla 2007: 665). Das liberale schwedische Namengesetz ermöglicht es, dass FamN fortlaufend neu gebildet werden können, wobei auch weiterhin Latinisierungen mit -ius und Zusammensetzungen mit den aus Kürzungen entstandenen Suffixen -én/-een, -el, -ér, -in, -lin und -án, „die heute als eindeutige Familiennamenindikatoren fungieren“ (Nübling 2004: 469), verwendet werden. Namenbildungen wie Lindén, Nordin, Molin, Lindell nehmen in Schweden zu und werden in offiziellen Anleitungen für die Bildung neuer FamN sogar ausdrücklich empfohlen (Nübling 2004: 469). Durch diese und weitere neue Namentypen werden hochfrequente Patronyme, die zur Dis-

136 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

tinktion nur wenig dienen, allmählich reduziert. Zum Status von Latinisierungen (und Gräzisierungen) in Schweden resümiert Nübling (2004: 470): Längst ist der einstige Prestige- und Statusgewinn durch latinisierte Namen einer eleganten Onymisierungsstrategie gewichen – wenngleich die einstige Konnotation nicht vollkommen erloschen ist.

Die genannten Suffixe sowie die mit ihnen verbundene Prosodie sind so zu einem produktiven Element des schwedischen FamN-Systems geworden und werden mittlerweile – trotz ihrer lateinischen Bezüge und ihres französischen Aussehens – als typisch schwedisch wahrgenommen (Nübling 2004: 470). 4.1.2.2 -aeus, -äus, -eus Das Suffix -aeus (eingedeutscht -äus) geht zurück auf das griechische Suffix -ιος, erweitert -αιος (-aios) bzw. -ειος (-eios) (Melchers 1960/1961: 17),170 das häufig zur Bildung von Adjektiven aus PersN verwendet wird und so – ähnlich wie das Suffix -ius im Lateinischen – in der griechischen Namengebung auch als Suffix für Patronyme in Gebrauch war (Pape & Benseler 31911: 1,XIXf). In griechischen RufN-Formen wie Ματθαῖος (Matthaíos), Πτολεμαῖος (Ptolemaíos) erscheint es bereits in römischen Texten latinisiert als -aeus (Matthaeus, Ptolemaeus). Dem lateinischen Vorbild folgend, wurden auch Gräzisierungen mit -αιος (-aios) und -ειος (-eios) zur Bildung von HumanistenN in der latinisierten und somit in lateinischen Texten flektierbaren Form -aeus verwendet. Die Variante -eus ist formgleich mit dem lateinischen Adjektivsuffix -eus, das v. a. zur Ableitung von Stoffeigenschaften verwendet wird (vgl. lat. aurum ‘Gold’, aureus ‘golden’; lat. līgnum ‘Holz’, līgneus ‘hölzern’). Dieses Suffix ist für die Bildung von FamN jedoch ungeeignet, da derartige Ableitungen als ÜberN (etwa ‘der Goldene’, ‘der Hölzerne’) kaum anzunehmen sind,171 weshalb -eus im Folgenden als Variante von -aeus angesehen wird. Rentenaar (2003: 101) be-

|| 170 Das seltenere Suffix -οιος (-oios) tritt nicht an Namenformen an, wenn es nicht bereits im griechischen Lexem erhalten ist. In Substitutionen erscheint es als -oeus (vgl. Artopoeus zu griech. αρτοποιός, artopoiós ‘Bäcker’) oder -eus (vgl. Toxopeus zu griech. τοξοποιός, toxopoiós ‘jemand, der einen Bogen herstellt’). 171 FamN wie Goldner sind keine substantivierten Adjektive mit der Bedeutung ‘der Goldene’, sondern BerufsN für einen Vergolder, in Schlesien auch für einen Goldwäscher (Kohlheim & Kohlheim 22005: 282; vgl. Cuonr. dictus Goldenär, belegt 1261 in Meßkirch, Brechenmacher 1957–1960: 575). Als lateinische Übersetzung für die Berufsbezeichnung Goldener ist argentarius (eigentlich ‘Silberschmied’) belegt (DWB 8,765, URL: www.woerterbuchnetz.de/ DWB?lemid= G21707, Aufrufdatum: 30.06.2021).

Suffixe | 137

zeichnet das Suffix -aeus als „Graeco-Latijns“, nennt im Anschluss jedoch lediglich wenige Beispiele. Dass dieses Suffix prinzipiell auch bei Suffigierungen von FamN auf -e mit dem lateinischen Suffix -us entstanden sein könnte, zieht Rentenaar nicht in Betracht (anders als beim Suffix -ius, vgl. Rentenaar 2003: 100). Dann wäre das auslautende -e des nativen FamN erhalten und nicht Teil des Suffixes (Segmentierung also etwa Hose > Hose-us, nicht Hos-eus, wobei eine Akzentverschiebung auf die zweite Silbe vorauszusetzen wäre, also Hosé-us; eine solche Vorgehensweise empfiehlt beispielsweise Weber für die Latinisierung von FamN auf -e, s. Kap. 3.4). Jedoch legen FamN, die sowohl mit -eus als auch mit -aeus bzw. -äus vorkommen, nahe, dass es sich hierbei in den meisten Fällen lediglich um verschiedene Schreibvarianten des Suffixes -aeus handelt, das in einigen Fällen allerdings auslautendes -e ersetzt haben kann (z. B. Budde > Buddäus), wie Tabelle 33 zeigt. Diese listet alle FamN in Deutschland172 auf, die mit mindestens zwei der genannten Varianten des Suffixes -aeus auftreten (berücksichtigt werden dabei alle entsprechenden Namenformen, die mit mindestens fünf Tokens in der DFA-Datenbank vertreten sind):173 Tab. 33: FamN auf -aeus/-äus/-eus in Deutschland

FamN

Variante

Bartholomaeus

Bartholomaeus

22

Bartholomäus

530

Bartolomaeus

9

Bartolomäus

10

Barthelmeus

14

Bartholmeus

6

Bartholomeus

5

Budaeus

Budäus

Tokens

34

|| 172 Im niederländischen Sprachraum kommt das Sonderzeichen nicht vor, sodass hier lediglich die Formen -aeus und -eus möglich sind. Mit dem Suffix -aeus und mindestens fünf Tokens findet sich in den Niederlanden lediglich der FamN Petraeus 11, der jedoch nicht als Petreus erscheint. Für die Niederlande sind somit keine geeigneten Beispiele anzuführen. 173 Weitere HumanistenN auf -aeus finden sich im Namenbuch im Anhang, z. B. Chalybaeus, Chytraeus, Mylaeus, Molinaeus.

138 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

FamN

Cunaeus

Fudaeus

Goeddaeus

Heddaeus

Hunaeus

Lanaeus

Lebaeus

Matthaeus

Musaeus

Variante

Tokens

Buddäus

11

Budeus

62

Buddeus

27

Cunaeus

15

Cunäus

9

Fudaeus

6

Fudeus

9

Goeddaeus

8

Goddäus

5

Heddaeus

10

Heddäus

11

Hunaeus

19

Huneus

6

Lanäus

8

Laneus

7

Lebäus

6

Lebbäus

10

Lebeus

23

Mathaeus

7

Matthaeus

48

Mathäus

33

Matthäus

677

Mateus

18

Matheus

189

Mattheus

264

Musaeus

11

Suffixe | 139

FamN

Nicaeus

Pelizaeus

Schubaeus

Thaddaeus

Timaeus

Zachaeus

Variante

Tokens

Musäus

9

Mussäus

8

Nicäus

5

Niceus

7

Pelizaeus

33

Pelizäus

32

Schubäus

10

Schubeus

8

Tadeus

9

Thaddäus

7

Timaeus

25

Timäus

11

Timeus

11

Zachaeus

6

Zachäus

66

Zacheus

22

Anders als im Deutschen, das die Schreibung dem Griechischen entlehnt hat und damit den Diphthong /ɔɪ/ wiedergibt, entstammt im Niederländischen der französischen Orthographie und repräsentiert den Monophthong /ø/ (vgl. dt. Freude /frɔɪdə/, nl. vreugde /vrøɣdə/). Somit ist die Graphemfolge in beiden Sprachen bereits für andere Phoneme besetzt. Im Deutschen gilt dasselbe für die Diphthongschreibung , einer etymologisch begründeten Variante für denselben Diphthong /ɔɪ/. Trotz der potenziellen Verwendung derselben Graphemfolge auch in nativen FamN liegen bei FamN auf -aeus jedoch kaum Konkurrenzen vor. Einige wenige deutsche FamN enden auf -eus und sind aus der Untersuchung auszuschließen (mit mindestens fünf Tokens: Bleus 5, Breus 11, Buckreus 131, Kartheus 26, Kreus 46, Kutheus 7, Gneus 5, Preus 68, Pleus 186, Schreus 5, Treus 35). Lediglich die Schreibung hebt sich in beiden Sprachen von der Orthographie nativer Wörter ab. Neben der deutlichsten Anlehnung an die latinisierte Schreibung dieses griechischen Suffixes könn-

140 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

te das ein Grund dafür sein, dass -aeus in einigen HumanistenN frequenter ist als -äus und -eus. Die von Rentenaar (2003: 101) angeführten Beispiele aus dem niederländischen Sprachraum deuten darauf hin, dass -aeus v. a. das starke Genitivsuffix -es ersetzt haben könnte: Syrck Melles > Cyricus Mellaeus, Remmert Dodoens bzw. Doedes > Rembertus Dodaeus. Außerdem nennt er den „internationaal verbreide naam Petraeus < Peters, Pieters“.174 Allerdings ist nicht deutlich, ob es sich bei diesen Beispielen um tatsächlich vorkommende historische Belege oder nur um fiktive Namengleichungen zur Veranschaulichung handelt. Auch wenn Genitiv und Abstammung anzeigendes onymisches Suffix ähnliche Funktionen erfüllen, ist dieser Zusammenhang kaum sicher herzustellen. Insbesondere die Namenformen mit der eindeutig bildungssprachlichen Form -aeus deuten auf eine Verwendung hin, die ähnlich abgekoppelt von den grammatikalischen Grundlagen der Ausgangsformen zu sein scheinen, wie dies bereits beim Suffix -ius beobachtet wurde (vgl. auch Kap. 4.1.2.1). Gelegentlich kommt es auch zur Verwendung von -aeus (bzw. -äus, -eus) und -ius an demselben Namenstamm. Wie bei Gräzisierungen insgesamt zu beobachten ist, sind die latinisierten Varianten in der Regel frequenter, vgl. Mylius 204 und Mylaeus 6, obwohl hier ein griechisches Lexem (griech. μύλος, mýlos ‘Mühle’) zugrunde liegt. Häufiger mit -ius als mit -aeus erscheint z. B. auch die Latinisierung Rabius 44 (Suffigierung zu FamN wie Raab, Rabe) im Vergleich zu Rabeus 10. Häufiger gräzisiert sind hingegen Hoseus 30 (mit Variante Hosaeus 3) gegenüber Hosius 10 und Musaeus 11 (Musäus 9) gegenüber Musius 4. In Schweden konnte -aeus an HumanistenN später getilgt werden (s. hierzu Kap. 4.1.2.1), jedoch verblieb dabei – anders als bei dem entsprechenden Vorgang beim Suffix -ius – der vokalische Anlaut am FamN (Linnaeus > Linné). Das einstige Suffix -aeus ist also nicht vollständig geschwunden, sondern wurde um die lateinische Endung -us gekürzt und an das Französische angepasst (ae > é). Ein vergleichbarer Vorgang ist charakteristisch für schwedische Namenbildungen, wohingegen er bei deutschen HumanistenN nur sehr selten zu beobachten ist (vgl. Artope 9, Artopee 3 < Artopoeus im Namenbuch, Anhang 1).

|| 174 Eine nennenswerte internationale Verbreitung des HumanistenN Petraeus ist rezent nicht erkennbar – lediglich in den Niederlanden (11) und in Schweden (16) ist er mit mehr als 10 NamenträgerInnen vertreten, in Deutschland, Belgien, Luxemburg und Dänemark kommt er hingegen gar nicht vor. Die Variante Peträus ist nirgends nachweisbar (zum HumanistenN Peträus allgemein s. Melchers 1960/1961). Der ebenfalls nicht international verbreitete FamN Petreus ist v. a. rumänischer Herkunft (s. Forebears, URL: https://forebears.io/surnames/ petreus, Aufrufdatum: 30.06.2021).

Suffixe | 141

4.1.2.3 -ides Das Suffix -ides, eine Transliteration von griech. -ίδης (-ídēs),175 wird im Griechischen für die Bildung von Patronymen verwendet. Ein PersN mit diesem Suffix bezog sich in der Antike auf einen Ahnherrn, auf den eine Familie ihre Abstammung zurückführte (vgl. Mitterauer 1993: 63), womit -ides funktional dem lateinischen -ius an GentilN entspricht: Einem griechischen Kimon Miltiadou Philaides entsprach ein Publius Cornelius Publii filius. Nur hat Kimon seinen Gentilnamen kaum geführt, während in Rom der Gentilname zum eigentlichen „Nomen“ wurde.176 (Mitterauer 1993: 55)

Nach der griechischen Betonung trägt die erste Silbe von -ides den Wortakzent, sodass alle mit diesem Suffix gebildeten Gräzisierungen auf der Paenultima betont werden. Diese Akzentverlagerung führt außerdem dazu, dass der Akzent vom ursprünglichen FamN auf das neu hinzugetretene Suffix verschoben wird (vgl. Símon > Simonídes). Zu einer Überschneidung mit rezenten neugriechischen FamN kommt es nur in wenigen Fällen, da griech. η (ē) im Neugriechischen als [i] artikuliert und so das Suffix -ίδης in griechischen FamN bei der Transliteration ins lateinische Alphabet häufiger als -idis wiedergegeben wird (Henrich 2011: 494). Deshalb finden sich in den Daten des DFA mehrheitlich deutsche HumanistenN wie Simonides 71, Nicolaides 16 und Petrides 15 neben eindeutig griechischen FamN wie Simonidis 2, Nicolaidis 23 und Petridis 95 (zu Nicolaides vgl. Dräger 2013: 145).177 Häufiger als in Deutschland sind Patronyme auf -ides in den Niederlanden (zur Verbreitung von Gräzisierungen auf -ides s. Kap. 5.3), wobei sich die zugrunde liegenden RufN in beiden Staaten stark unterscheiden:

|| 175 Langvokale wie ē (griech. η) werden in der lateinischen Transliteration griechischer Wörter im Folgenden ohne Längenzeichen wiedergegeben. 176 Die so gebildeten Patronyme konnten jedoch auch in Griechenland vereinzelt zum eigentlichen RufN werden (vgl. Pape & Benseler 31911: 1,XXXII). 177 Zu FamN auf -ides sind im deutschen Telefonbuch von 2005 fast ausschließlich RufN registriert, die in Deutschland häufig sind, zu -idis hingegen fast ausschließlich griechische RufN wie Dimitrios, Georgios etc. Bei dem FamN Benavides (DE 16, NL 8, BE 5) handelt es sich um einen spanischen FamN (vgl. Hanks 2003: 1,135; zur weltweiten Verbreitung von Benavides s. Forebears, URL: https://forebears.io/surnames/benavides, Aufrufdatum: 30.06.2021).

142 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Tab. 34: FamN auf -ides in Deutschland (Tel. 2005) und den Niederlanden (Einw. 2007) mit jeweils mind. 5 Tokens

RufN

Deutschland

Niederlande

Antonius

-

Antonides 316

Caspar

Kasparides 10

-

Gatse

-

Gatsonides 109

Hermann/Harmen

-

Harmanides 109

Hilarius

-

Hilarides 66

-

Hylarides 21

-

Hijlarides 31

Jacobus

Jakobides 19

-

Johannes

Johannides 6

-

Joannides 5

Joannides 12

Mense

-

Mensonides 197

Michael

Michalides 29

Michalides 24

Michaelides178 8

-

Nicolaides 16

-

Nikolaides 5

-

Paulus

-

Paulides 188

Petrus

Petrides 15

-

Simon

Simonides 71

Simonides 98

Stephanus

Stefanides 36

-

Stephanides 19

-

Steffanides 9

-

Nicolaus

|| 178 Zum FamN Michaelides liegen im Telefonbuch v. a. griechische RufN vor, sodass die Zuordnung hier unsicher ist.

Suffixe | 143

RufN

Deutschland

Niederlande

Ynze

-

IJnzonides 19

Wie Tabelle 34 zeigt, wird -ides v. a. an fremdsprachige RufN wie Simon oder Johannes angefügt. Die Formen folgen dabei griechischen patronymischen Bildungen wie das Beispiel Nikolaides verdeutlicht: (8) a. Nikolaus b. Nikolaides

< Nikólaos (Νικόλαος) < Nikolaídes (Νικολαίδης)

Anpassungen an das Lateinische lassen sich dabei nicht nur in der Phonologie, sondern auch in der Graphematik feststellen (vgl. Nicolaides). Unter den mit -ides gräzisierten FamN in den Niederlanden finden sich jedoch auch mehrere, denen niederländische und friesische RufN zugrunde liegen. Nach Rentenaar (2003: 89) ist z. B. Harmanides abgeleitet aus Harmens, einem patronymischen Genitiv zum RufN Harmen (< Herman). Bei einigen FamN ist -ides darüber hinaus zu -onides erweitert (zu erweiterten Suffixen vgl. Kap. 4.1.2.1), sodass etwa Gatsonides, Mensonides und IJnzonides (bei Rentenaar in der historischen Schreibung Ynzonides angegeben) auf die RufN Gatse, Mense und Ynze zurückgehen (Rentenaar 2003: 102). Die Gräzisierungen dürften in diesen Fällen aus patronymischen Genitiven wie Gatzen, Mensen und IJnzen entstanden sein, die das n des erweiterten Suffixes bereits enthalten (-en > -on-ides) und die als rezente FamN in den Niederlanden vorkommen.179 In den deutschen FamN sind Bildungen mit nativen Patronymen und dem Suffix -ides nicht erhalten, doch zeigen historische Belege, dass die Entwicklung im deutschen Sprachraum zunächst dieselbe war. So wurde etwa in Leipzig 1493 der aus Eisenach stammende Jodok Wymar immatrikuliert (Erler 1895: 400). Bei seiner Promotion zum Bakkalar wird er 1501 als Iodocus Wayner aufgelistet (Erler 1897: 381), bei der zum Magister 1503 schließlich als Iodocus Wymarides (Erler 1897: 399).180 Sein FamN ist demnach als Patronym zum RufN Winmar gedeutet und mit dem patronymischen Suffix -ides gräzisiert. Allerdings waren Gräzisierungen auf -ides bei Patronymen zu fremdsprachigen RufN stets beliebter.

|| 179 Gatzen 67, Mensen 744, IJnzen 5 (zur Datengrundlage s. Kap. 1.4). 180 RAG-URL: https://resource.database.rag-online.org/ngUK3L375TC1djqQoU5jgSgF, Aufrufdatum: 30.06.2021.

144 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

In den meisten Fällen ist -ides an einen zweisilbigen RufN angefügt, wodurch ein viersilbiger FamN mit Paenultima-Betonung entsteht, vgl. Si.mo.ní.des, Ste.fa.ní.des, An.to.ní.des, Men.so.ní.des. Auch hier zeigt sich demnach eine offenbar angestrebte Zielstruktur, die deutliche Ähnlichkeiten zu derjenigen der FamN auf -ius aufweist, bei denen der Akzent jedoch auf der Antepaenultima liegt (vgl. Kap. 4.1.2.1). Um diese Zielstruktur herzustellen, kann ein dreisilbiger RufN bei der Gräzisierung sogar um eine Silbe gekürzt werden, z. B. Michael > Michalides (neben seltenerem Michaelides). Auch Bildungen mit einsilbigen RufN kommen vor, wobei -ides jeweils direkt an den Stamm des RufN tritt, also das lateinische Flexiv ersetzt (Paulus > Paulides, Petrus > Petrides). Wenn es die Struktur des RufN zulässt und keine im Griechischen bereits vorhandene Form wie Petrides zur Verfügung steht, wird dies jedoch gemieden, wie sich insbesondere an den genannten FamN mit volkssprachigem RufN zeigt. Bei diesen wären auch Kürzungen (Mense > *Mensides) oder eine Ersetzung des volkssprachigen patronymischen Suffixes -en durch das griechische Suffix -ides (Mens-en > *Mens-ides) möglich. Doch wird in solchen Fällen eher eine Erweiterung des Suffixes vorgenommen, sodass mit dem dreisilbigen erweiterten Suffix -onides ein viersilbiger HumanistenN gebildet werden kann (vgl. die Beispiele zu -ius in Kap. 4.1.2.1: Franck > Franckenius, Kote > Cotenius), der zudem an Simonides und Antonides, die häufigsten FamN dieser Gruppe, anschließt. Zwar ist -ίδης in der griechischen Patronymik seltener als -ίος (-íos) (Schwy2 zer 1953: 509), doch ist es aus mehreren Gründen attraktiver für die Bildung von HumanistenN. So ist die lateinische Transliteration -ides in humanistischen Kreisen eindeutig als griechisches Suffix erkennbar. Demgegenüber wird griech. -ίος im antiken Latein als -ius wiedergegeben, womit eine Hervorhebung als Gräzisierung durch -ios in einem lateinischen Text unter Gelehrten kaum möglich ist, denn eine Gräzisierung wie *Simonios würde dem Lateinischen als *Simonius angepasst werden.181 Zusätzlich dürfte sich mit dem Suffix -ίδης ein besonderes Prestige verbunden haben, denn es findet sich besonders häufig in den Epen Homers (Schwyzer 21953: 509) und in Namen griechischer Autoren wie dem des Geschichtsschreibers Thukydides (Θουκυδίδης) und des Dramatikers Euripides (Ευριπίδης) (beide 5. Jahrhundert v. Chr.). Wie Gräzisierungen insgesamt, so sind jedoch auch Patronyme auf -ides weit weniger frequent als etwa die bereits im Mittelalter häufigen lateinischen Genitive. In den Niederlanden sind sie v. a. im Norden verbreitet, mit einem Schwerpunkt in der Provinz Friesland. Die historischen Belege im Matrikel|| 181 Zu griech. -αιος (-aios) > -aeus s. Kap. 4.1.2.2 (vgl. auch Melchers 1961/1962).

Suffixe | 145

korpus deuten für den deutschen Sprachraum auf einen Schwerpunkt dieser Bildungen an der Universität Wittenberg hin, die spätere Verbreitung von FamN auf -ides zeigt eine deutliche Ballung jedoch ausschließlich in Schlesien (zur Verbreitung von FamN auf -ides s. Kap. 5.1.3). Aus dieser historischen Konzentration außerhalb der Grenzen der späteren Bundesrepublik Deutschland resultiert das verstreute Vorkommen in den rezenten Daten der DFA-Datenbank.

4.1.3 Suffixe an gräzisierten und hebraisierten Familiennamen Die meisten substituierten FamN enthalten lateinische Lexeme und können deshalb lateinisch flektiert werden (s. Kap. 4.2). Liegen jedoch griechische oder hebräische Lexeme zugrunde, stellt sich bezüglich der Verwendung in einem lateinischen Text ein ähnliches Problem dar wie bei nativen FamN, denn auch diese bestehen zunächst aus Sprachmaterial, das mit dem lateinischen Deklinationssystem nicht kompatibel ist.182 Deshalb erhalten auch substituierte FamN mit griechischer oder hebräischer Basis meist ein lateinisches Suffix (s. auch Bergerhoff 1918: 38, Anm. 8). Bei einigen Gräzisierungen erfordert dies lediglich eine geringfügige phonologische Anpassung im Vergleich zum jeweiligen Lexem im Nominativ: Tab. 35: Gräzisierungen mit lateinischem Suffix

Griech. > Lat.

griech. Lexem

HumanistenN

-as > -(i)us

μάγειρας (mágeiras) ‘Koch’

Magirus, Magirius

-os > -(i)us

λαγός (lagós) ‘Hase’

Lagus, Lagius

μύλος (mýlos) ‘Mühle’

Mylius

πελαργός (pelargós) ‘Storch’

Pelargus

-oios > -oeus

αρτοποιός (artopoiós) ‘Bäcker’

Artopoeus

-ys/-os > -ius

χέλυς (chélys) ‘Leier, Laute’; χηλός (chelós) ‘Kiste, Kasten’

Chelius

|| 182 Eine Ausnahme stellt der HumanistenN Chytreus dar, der bereits in dieser Form als Lexem auf -us (griech. χυτρεύς, chytreús ‘Töpfer, Hafner’) vorliegt.

146 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Bei dem substituierten FamN Chelius, der auf griech. χέλυς (chélys) ‘Leier, Laute’ oder auf griech. χηλός (chelós) ‘Kiste, Kasten’ zurückgeht, wird -ys bzw. -os zu -ius modifiziert, ebenso bei Mylius < μύλος (mýlos) ‘Mühle’. Dadurch erhalten diese HumanistenN neben der Flektierbarkeit nach der lateinischen oDeklination im Vergleich zum jeweiligen Appellativ auch eine weitere Silbe, werden also dreisilbig. Mit dieser Struktur fügen sie sich in das in Kap. 4.1.2.1 herausgestellte Schema ein, demzufolge ein großer Anteil an HumanistenN drei- oder viersilbig ist und auf -ius endet. Hierzu gehört auch die parallel zu Lagus existierende Variante Lagius. Zu Magirus bildete sich die häufigere Variante Magirius heraus, die ein ähnliches prosodisches Schema wie Hyperlatinisierungen aufweist (vgl. Kap. 4.2.6). Bei Artopoeus hingegen handelt es sich um eine Latinisierung des griechischen Suffixes -oios > -oeus, wie sie häufiger bei der Anpassung von -aios > -aeus zu beobachten ist (vgl. Kap. 4.1.2.2). Ähnlich wie bei Magirus wird auch beim HumanistenN Chalybaeus verfahren, dessen griechische Basis χάλυψ (chályps) ‘Stahl’ auf -ps endet. Durch das vom griechischen -aios abgeleitete Suffix -aeus (vgl. Kap. 4.1.2) erhält der HumanistenN im Vergleich zu dem griechischen Appellativ zwei weitere Silben und wird somit zu einem viersilbigen FamN, der nach der o-Deklination flektiert. Aufgrund der Auflösung des auslautenden Konsonantenclusters /ps/ wird das nun in intervokalischer Position auftretende /p/ lenisiert. Die Verwendung des griechischen Suffixes -aeus statt -ius setzt das Konzept einer Gräzisierung hier konsequent um, indem Lexem und Suffix zwar an das Lateinische angepasst werden und so im lateinischen Text flektierbar sind, jedoch komplett dem Griechischen entstammen. Ähnlich ist dies auch bei der seltenen Variante Mylaeus 6 zu Mylius 204 zu beobachten. Bei Substitutionen lässt sich dieses Vorgehen insgesamt jedoch selten feststellen, was die Bedeutung des Lateinischen für die sichere Erkennung von HumanistenN unterstreicht. Nicht in allen Fällen enthält das griechische Lexem bereits ein dem lateinischen -us ähnliches Suffix wie -os, -as oder -ys. Ist kein solches Suffix vorhanden, wird ein lateinisches Suffix an das Appellativ angefügt, wie die Beispiele (9a.) und (9b.) zeigen: (9) a. Ireneus b. Schomerus

< griech. ειρήνη (eiréne) ‘Friede’ < hebr. ‫( שומר‬schomēr) ‘Wächter’

Suffixe | 147

Bei (9b.) handelt es sich um die einzige historisch bezeugte Hebraisierung eines deutschen FamN.183 Hier ist das lateinische Suffix besonders vonnöten, da Schomer ohne -us ein Homonym zu dem deutschen FamN Schomer darstellen würde und als zweisilbiger FamN auf -er kaum als HumanistenN zu erkennen wäre (vgl. Kap. 4.2.9; bei Faber ist hingegen die häufige Verwendung im Lateinischen für die Wiedererkennung ausreichend). Ähnliches gilt für Irene, wobei hier zusätzlich eine Verwechslung mit dem femininen RufN Irene möglich wäre, der ebenfalls auf griech. ειρήνη (eiréne) ‘Friede’ zurückgeht.

|| 183 Da dieser Bezug eines HumanistenN auf das Hebräische eine Besonderheit darstellt und der betreffende Namenwechsel in der Literatur häufig erwähnt wird (u. a. bei Bahlow 1985: 466, Gottschald 62006: 443, Kohlheim & Kohlheim 22005: 597, Zoder 1968: 2,548), jedoch auch eine Suffigierung mit -us zu dem deutschen FamN Schomer vorliegen könnte, wird dem Ursprung dieser Information hier im Detail nachgegangen. Gottschald, der als einziger der genannten Autoren eine Referenz angibt, verweist auf Bach (21953: 118), der hierzu anmerkt: „Schomerus z. B. für Küster entspricht hebr. schomer «Wächter», dem eine lat. Endung angehängt wurde: so nannte sich der ehemalige Augustiner Joh. Köster, der in Geseke i. W. zuerst das Luthertum verkündigte.“ Bei Bahlow findet sich diese Textstelle fast wörtlich übernommen, Bach wiederum beruft sich auf Heintze & Cascorbi (71933: 430), wo es heißt: „hebr. schomêr mit latin. Endung «Wächter, Küster». So nannte sich der Augustiner Johann Köster, der in Geseke (Westf.) zuerst die lutherische Lehre verkündigte.“ Ein Quellennachweis findet sich auch bei Heintze & Cascorbi als offensichtlicher Vorlage für alle anderen der genannten Namenbücher nicht. Bereits in von Steinens 1760 erschienenem Werk Westphälische Geschichte lässt sich diese Behauptung jedoch eindeutig nachvollziehen. Dort heißt es, die Bürgerschaft der Stadt Lippstadt habe 1535 bei den Landesherren darum gebeten, Johan Köster als Prediger einzusetzen, über den von Steinen (1760: 952) schreibt: „Dieser heist sonst Johan Custos oder Schomerus. Er war ehemals ein Augustiner Mönch, und in dem Kloster zu Lipstadt wohl bekandt gewesen. Als er sich nachhero unterstanden in der benachbarten Stadt Geisecke, in seinen gewöhnlichen Ordens Habit, unter dem Schein, daß er terminiren ginge, die Evang. Lutherische Lehre den Leuten beyzubringen, wurde er von dannen vertrieben, und kam nach Lipstadt, also er sich häuslich niederlies, sich verheyrathete, und einen gelehrten Sohn Conrad zeugte, davon unten ein mehrers.“ Zu diesem Sohn Conrad wird ausgeführt, sein FamN sei „bald Custos, bald Phylax, bald Schomerus. Sein Vater Johan, welcher zu Lipstadt Prediger gewesen, hatte ihn studirens halber nach Cöln geschickt, und von dar wurde er zum hiesigen Rectorat berufen“ (von Steinen 1760: 972). Im Matrikelbuch der Universität Köln ist der genannte Conrad Schomerus 1558 als Conr. Custodis, Lippiensis nachweisbar (Keussen 1919: 1122, Nr. 145 mit der Anmerkung, dass dieser 1565 Rektor in Lippstadt wurde). In seiner Special Geschichte von Lippstadt führt Möller (1788: 278) unter den Rectores des Gymnasiums in Lippstadt einen Magister Conrad Schomerus, von dem es heißt: „ein hiesiger Predigersohn, wurde von Cöln, wo er sudirte, zum Rector berufen. Er war ein gelehrter Mann und hatte viele Kentniß von Sprachen.“ Die Substitution Köster > Schomerus scheint somit ausreichend verbürgt zu sein, weshalb an der Hebraisierung Schomerus weiterhin festzuhalten ist. Dass es sich bei dem FamN Enax ebenfalls um eine Hebraisierung handelt, ist hingegen nicht gesichert (s. Namenbuch, Anhang 1).

148 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Doch erhalten nicht alle Gräzisierungen ein lateinisches Suffix. Während dessen Fehlen bei HumanistenN auf -ander durch die latinisierte Form von griech. -ανδρός (-andrós) > -ander bedingt und die Flexion nach der o-Deklination (Xylander, Genitiv Xylandri) im klassischen Latein bereits geläufig ist, gilt dies für andere Gräzisierungen nicht. Ein solcher rezent vorkommender gräzisierter FamN ohne Suffix ist der HumanistenN Erythropel, zusammengesetzt aus griech. ερυθρός (erythrós) ‘rot, rötlich’ und griech. πίλος (pílos) ‘Filz, Filzhut’. Hieraus ließe sich auch eine lateinisch suffigierte Form wie *Erythropilus bilden. Nach Brechenmacher (1957–1960: 417) ist diese Form historisch noch bei dem Hofprediger Martin Rothut (gest. 1655) belegt (s. auch die Belege im Namenbuch, Anhang 1). Der FamN wurde demnach nachträglich zu Erythropel gekürzt, wofür auch der im griechischen Lexem πίλος (pílos) nicht vorkommende Schwa-Laut in der Endsilbe -pel spricht. Doch stellt eine solche Kürzung eine Ausnahme zu den häufigeren suffigierten Gräzisierungen dar.

4.2 Substitution Substitution meint den vollständigen Austausch nativer Namenformen durch lateinische, griechische oder hebräische.184 Dabei handelt es sich nicht um Übersetzungen im engeren Sinn, denn Namen zeichnen sich allgemein dadurch aus, dass sie lediglich benennen, ohne dabei eine eigene Semantik zu entfalten (Direktreferenz, vgl. Nübling, Fahlbusch & Heuser 22015: 18f, 27). Der Name ist also bloß ein (phonologisch und graphematisch materialisiertes) Zeichen, das bei gegebenen juristischen Freiheiten und vorausgesetztem gesellschaftlichem Konsens beliebig austauschbar wäre – Menschen, Länder, Gegenstände etc. können also durch Umbenennung einen anderen Namen annehmen bzw. erhalten, der trotzdem dasselbe Denotat bezeichnet. Fleischer (1992: 11) spricht von einer „unterschiedlichen Übersetzbarkeit von Namen“: Übersetzbar ist nur das charakterisierende Element der lexikalischen Bedeutung: wo dies nicht ein gewisses Mindestmaß erreicht, kann von Übersetzung keine Rede sein.

So seien Übersetzungen von Buchtiteln, aber prinzipiell auch von Gebirgsnamen mit beschreibendem Charakter (etwa Felsengebirge für Rocky Mountains) möglich, doch sei demgegenüber eine „Übersetzung“ von FamN wie Churchill als Kirchberg nicht zielführend, denn „[d]ie lexikalische Bedeutung der Na|| 184 Ein Namenbuch und ein Wortverzeichnis zu substituierten FamN finden sich im Anhang (Anhang 1).

Substitution | 149

menwörter des Familiennamens hat – im Unterschied zu denjenigen der Gebirgsnamen – nichts mehr mit dem direkten Objektsbezug zu tun.“ Ohne einen semantischen Bezug zur benannten Person handelt es sich also nicht um eine Übersetzung im herkömmlichen Sinn. Substituierte FamN wie Sartor (meist für Schneider, zu lat. sartor ‘Schneider’) erwecken jedoch trotzdem den Anschein, dass es sich hierbei um Übersetzungen handelt, weil der Austausch nicht willkürlich, sondern mit Formen vollzogen wurde, deren einst zugrunde liegende lateinische und deutsche Appellative sich semantisch entsprechen (vgl. Bleier 1985: 35, Großschreibung im Original): Beispiel: ein Italiener namens Pietro FABBRO kann nicht in Peter SCHMIED übersetzt werden, die Umwandlung von Pietro in Peter und des Zunamens FABBRO in Schmied nimmt den bei Pietro FABBRO gegebenen Objektbezug nicht automatisch mit, es bedürfte erst einer Namensänderung vor der Behörde; eine solche hätte aber nicht zur Voraussetzung, daß auf die vor der Namenbildung vorhanden gewesene Wortbedeutung der Zunamenslautung zurückgegriffen wird, eine solche Namenänderung wäre auch auf einen anderen Zunamen, z. B. auf SARTO, SCHLOSSER oder MILTENBERGER möglich. Was hier beim Übergang von FABBRO zu Schmied übersetzt wird, ist nicht der italienische Name, sondern ein Gattungswort fabbro, das seinerzeit für den Namen die Lautung geliefert hat.

Bei einer Substitution zur Bildung eines HumanistenN wird also ein nativer FamN durch das lateinische oder griechische Appellativ ausgetauscht, das dem Appellativ entspricht, aus dem der FamN einst entstanden ist. Das ist es, was Kalverkämper, der den Begriff Übersetzung für HumanistenN gelten lässt, meint, wenn er ausführt (Kalverkämper 1996: 1019): Der Begriff „Namenübersetzung“ hat also nur in solchen Fällen der ausgangssprachlich vorhandenen und dann zielsprachlich nachvollzogenen semantischen Transparenz, der Verstehbarkeit einer appellativischen Bedeutung, seine Berechtigung.

Doch ist diese Transparenz im Bereich der FamN häufig nicht gegeben, wie er anhand des Beispiels des HumanistenN Melanchthon ausführt (Kalverkämper 1996: 1022): Das berühmte Beispiel des „Praeceptor Germaniae“, Philipp Schwarzert (1497–1560), der sich in Philipp Melanchthon umbenannte, nach ‘schwarz’, griech. mélas und ‘Erde’, griech. chthón, zeigt sehr schön, daß bei der Übersetzung um jeden Preis auch volksetymologisierende Mißgriffe und fehldeutende Assoziationen (wie ‘Schwarz-erd[e]’) vorkamen.

Dieses Beispiel zeigt jedoch insbesondere, dass es sich bei dieser Neubildung von FamN eben nicht um eine Übersetzung tatsächlich transparenter, Semantik enthaltender Wortformen handelt, sondern um eine Interpretation eines Na-

150 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

mens, dem hierfür zunächst in einem Prozess der (Re-)Semantisierung eine neue Bedeutung zugewiesen werden muss.185 Die onomastische Ebene muss somit für die Bildung substituierter FamN zunächst verlassen werden, um aus der Appellativik eine geeignete Übersetzung des dem FamN (mutmaßlich) zugrunde liegenden Appellativs zu finden (der FamN wird also etymologisch gedeutet). Zurück auf der onomastischen Ebene wird der FamN durch eine aus diesem Appellativ gebildeten Form als HumanistenN ersetzt. Durch die spezifische Verwendung als FamN wird das lateinische/griechische Appellativ folglich als neuer FamN verwendet und ist als substituierter FamN zu bezeichnen, wobei zusätzliche, vom Appellativ abweichende Elemente hinzugefügt werden können: FamN:

Schmidt

APP:

fnhd. schmied

Faber/Fabricius

lat. faber

Holzmann

Xylander

fnhd. holz fnhd. man

griech. xýlon griech. anér

Abb. 17: Substitution der FamN Schmidt und Holzmann durch Faber/Fabricius und Xylander

FamN wie Holzmann, die keine direkte Entsprechung in der Zielsprache haben, müssen zunächst in passende appellativische Elemente zerlegt und anschließend aus deren Übersetzungen neu zusammengesetzt werden. Ohne Kenntnis der (vermeintlich) zugrunde liegenden oder mit diesem zu assoziierenden nativen Appellative kann eine Substitution deshalb ebenso wenig funktionieren,

|| 185 Ein FamN wie Schwarzert weist keine Semantik auf, die das Denotat – den damit bezeichneten Menschen – beschreibt. Eine Substitution im Sinne eines HumanistenN kann nur erfolgen, wenn der FamN (bzw. dessen Namenglieder) als Appellative behandelt oder mit Appellativen assoziiert werden. Die Beurteilung einer „Assoziation“ wie Melanchthon zu Schwarzert als „Mißgriff“ resultiert im Übrigen aus dem Anspruch einer „korrekten“ Übersetzung nach translatorischen Maßstäben, die ein solcher FamN kaum erfüllen kann oder soll. Sie wird den spielerischen und flexiblen sprachlichen Versuchen, die zur Bildung von HumanistenN unternommen wurden, sicher nicht gerecht, denn das Ziel war nicht in erster Linie eine Übersetzung eines FamN, sondern die Schöpfung eines neuen, v. a. in den ersten Humanistengenerationen häufig auch kreativen individuellen FamN auf dessen Grundlage (vgl. etwa Substitutionen wie Castritius oder Cornarius sowie Gräzisierungen wie Xylander im Namenbuch, Anhang 1, die in keiner Sprache korrekte Wortformen darstellen). Dass FamN wie Schneider dennoch häufig als Sartor substituiert wurden, ist kein Widerspruch, denn es zeigen sich auch hier Tendenzen zur Abkopplung vom lateinischen Appellativ (vgl. HumanistenN wie Sartory oder Sartorius).

Substitution | 151

wie wenn eine lateinische/griechische Entsprechung eines Appellativs nicht bekannt ist oder nicht existiert. In diesen Fällen stehen für die Bildung eines HumanistenN aus dem nativen FamN lediglich Suffigierungen zur Verfügung (vgl. Kap. 4.1). Denn während der FamN bei einer Substitution zunächst etymologisch gedeutet bzw. assoziativ interpretiert werden muss, entfällt dieser Schritt bei Suffigierungen, bei denen lediglich der ursprüngliche FamN um lateinische/griechische Grammeme erweitert wird.186 Anders als Substitutionen, die durch die genannten Rahmenbedingungen gelingen oder scheitern können, sind Suffigierungen deshalb uneingeschränkt möglich. Wie bereits erwähnt, können substituierte FamN von der formgleichen Übernahme eines lateinischen oder griechischen Appellativs abweichen, etwa durch Verwendung eines lateinischen Suffixes an einem gräzisierten oder hebraisierten FamN (z. B. in der Hebraisierung Schomerus oder der Gräzisierung Chelius, vgl. Kap. 4.1.3), die Kombination lateinischer und griechischer Lexeme (z. B. Silvander, vgl. Namenbuch, Anhang 1), lautliche Anpassungen (z. B. Castritius, vgl. Kap. 4.2.8) oder zusätzliche Suffigierung (z. B. Pistorius, vgl. Kap. 4.2.6). Es ging bei der Bildung von Substitutionen also nicht nur darum, einen FamN zu „übersetzen“, sondern insbesondere darum, auf der Basis der nativen Namenform eine neue aus lateinischen oder griechischen Sprachelementen zu kreieren, die den von Geburt an ererbten FamN v. a. im Bildungskontext und zunehmend auch im Alltag ersetzen konnte (vgl. Kap. 3.2.3). Auf dieser Grundlage ist ein breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten für HumanistenN zu beobachten.

4.2.1 Berufsnamen auf -tor Lateinische Substantive auf -tor werden aus dem Stamm des Partizip Perfekt Passiv (PPP) von Verben gebildet und bezeichnen handelnde Personen (Rubenbauer & Hofmann 121995: 19), z. B. victor ‘Sieger’ < lat. victus (PPP zu vincere ‘siegen’) oder laudātor ‘Lobredner’ < laudātus (PPP zu laudāre ‘loben’). Neben Verbalableitungen können mit -tor auch Substantive von anderen Substantiven gebildet werden, z. B. lat. gladius ‘Schwert’ > gladiātor ‘Gladiator’. Zahlreiche nach diesen Schemata gebildete lateinische Berufsbezeichnungen kommen in

|| 186 Die Ersetzung eines deutschen/niederländischen Suffixes durch ein lateinisches/griechisches (z. B. Hermanns > Hermanni) wird entsprechend der am Anfang des Kapitels formulierten Definition, nach der eine vollständige Ersetzung des FamN vorliegen muss, nicht als Substitution bezeichnet.

152 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

HumanistenN, aber auch bereits in der mittelalterlichen lateinischen Urkundensprache häufig vor. Als rezente HumanistenN sind Bildungen auf -tor v. a. in Deutschland und Luxemburg verbreitet, in den Niederlanden und in Skandinavien kommen sie hingegen kaum vor (zur Verbreitung in Deutschland s. Bochenek 2012: 734–736). Tabelle 36 zeigt – mit abnehmender Frequenz – die durch lateinische Bildungen auf -tor substituierten FamN in Deutschland mit mindestens 10 Telefonanschlüssen und die häufigsten deutschen Entsprechungen (angegeben sind nur die mit lateinischen Lexemen identischen Hauptvarianten; zu weiteren Varianten s. Namenbuch, Anhang 1): Tab. 36: Die häufigsten lateinischen Substitutionen auf -tor mit deutschen Entsprechungen

HumanistenN

Tokens

Frequenteste dt. Formen

1.939

Müller, Möller

Pistor

396

Becker, Bäcker

Sutor

373

Schuster, Schumann

Sartor

370

Schneider, Schröder

Molitor

Pastor

352

Hirt, Hirth, Hirte

Textor

351

Weber

Vietor

168

Bender, Fassbinder

Sator

130

Sämann

Gubernator

92

Gladiator

51

Schwertfeger

Piscator

29

Fischer

Auditor

23

Schüler, Jünger

Praetor

21

Schulz

Venator

12

Jäger

Braxator

11

Breuer

Stuhrmann

Einige Ableitungen auf -tor, die in latinisierten FamN erscheinen, sind in der Antike nicht belegt, jedoch in mittellateinischen Berufsbezeichnungen. Hierzu zählen z. B. der nach Faber häufigste substituierte FamN Molitor 1.939 und Braxator 11 (zur Etymologie s. Namenbuch, Anhang 1). Die meisten dieser Formen sind zweisilbig und ähneln mit ihrem trochäischen Akzenttyp deutschen Wörtern (Pistor, Sutor, Sartor, Pastor, Textor, Sator etc.). Doch sind auch längere Formen mit bis zu vier Silben darunter (Guberna-

Substitution | 153

tor, Gladiator). Die starke Repräsentanz kurzer Formen ist hier v. a. auf das Lateinische als Gebersprache dieser mit lateinischen Appellativen identischen Substitutionen zurückzuführen, nicht auf eine bestimmte angestrebte Zielstruktur, wie sie in Kap. 4.1.2.1 deutlich erkennbar ist. An die dort beschriebene Zielstruktur lassen sich jedoch die von diesen abgeleiteten Hyperlatinisierungen anschließen (s. Kap. 4.2.6).

4.2.2 Berufsnamen auf -arius Ähnlich wie Substitutionen auf -tor sind auch einige der zahlreich vorkommenden FamN-Formen auf -arius (< lat. -ārius) direkt der lateinischen Appellativik entnommen und teilweise bereits in der mittelalterlichen Urkundensprache belegt. Die nachfolgende Tabelle enthält rezente Substitutionen auf -arius in Deutschland mit abnehmender Frequenz (zur Etymologie s. Namenbuch, Anhang 1): Tab. 37: HumanistenN auf -arius und deutsche Entsprechungen

HumanistenN Rosarius

Tokens 115

Frequenteste deutsche Formen Rosengart

Avenarius

69

Habermann

Cellarius

46

Keller

Carnarius

40

Fleischer

Pomarius

35

Baumgartner

Fabarius

33

Bohnes, Boneß

Rotarius

27

Wagner

Cornarius

20

*Hainbühl187

Ollarius

15

Töpfer, Hafner

Arcularius

14

Kastner

Olearius

13

Ferrarius

7

Eisermann

Sagittarius

4

Schütz

Aquarius188

1

Waterman

Oelschläger, Oelmüller

|| 187 Der FamN Hainbühl ist rezent nicht mehr belegt (s. Eintrag Cornarius im Namenbuch, Anhang 1).

154 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Die Struktur dieser FamN ähnelt derjenigen der Suffigierungen auf -ius, bei denen sie als Randgruppe bereits mit in die Untersuchung eingegangen waren (Kap. 4.1.2.1), und Hyperlatinisierungen (Kap. 4.2.6): Häufig handelt es sich um viersilbige FamN mit Betonung auf der Antepaenultima (Aquárius, Carnárius, Cellárius, Ferrárius, Ollárius, Pomárius, Rotárius), wobei der Akzent hier jeweils durch das lateinische Suffix -ārius vorgegeben ist. Zwar liegt die Betonung bei Arculárius, Avenárius, Oleárius und Sagittárius ebenfalls auf der Antepaenultima, doch weichen diese mit jeweils fünf Silben von den anderen genannten FamN ab. Avenarius ist mit dem erweiterten Suffix -ārius in Analogie zu den hier genannten BerufsN gebildet und eine Substitution zu deutschen FamN wie Habermann. Dabei ist das Suffix direkt an den Stamm des lateinischen Appellativs angefügt (lat. avēn-a ‘Hafer’, fab-a ‘Bohne’, pōm-um ‘Obstfrucht’). Solche regelmäßigen Ableitungen auf -ārius, die häufig bereits im klassischen Latein belegt sind, zeigen dort zunächst Zugehörigkeit an (z. B. pōmārius ‘zum Obst gehörig, Obst-’ zu lat. pōmum ‘Obstfrucht’). Bei substantivischer Verwendung bilden solche Adjektive vorrangig Nomina Agentis (pōmārius ‘Obsthändler’, pōmāria ‘Obsthändlerin’, wörtlich ‘zum Obst Gehörige/Gehöriger’), die als Neutra oft lokal zu verstehen sind (pōmārium ‘Obstgarten’, wörtlich ‘zum Obst Gehöriges’).189 Werden aus diesen Neutra Maskulina abgeleitet, können hierdurch auch WohnstättenN substituiert werden (Pomarius < Baumgartner, Rosarius < Rosengart). Dabei ist vermutlich ein Hervorrufen der agentiven Semantik dieses Suffixes190 in Anlehnung an die oben genannten, lexikalisierten Berufsbezeichnungen beabsichtigt (etwa ‘der am Baumgarten Wohnende, der Baumgartner’). Auch bei dem HumanistenN Cornarius, der auf lat. cornus ‘Kornelkirschbaum’ zurückgeht und zu dem kein formgleiches lateinisches Adjektiv belegt ist, lässt sich dieses Verfahren erkennen: An den Stamm corn- wird das Suffix -ārius angefügt. Substituiert wird hiermit der rezent nicht mehr belegte WohnstättenN Hainbühl. Die Kornelkirsche wurde häufig als Heckenpflanze verwendet, was hier offenbar als Interpretationsgrundlage für die Substitution von Hain (< mhd. hagen, hain ‘Dornbusch; eingefriedeter, umhegter Ort’) diente (s. auch Namenbuch, Anhang 1).

|| 188 Der FamN Aquarius ist niederländischer Herkunft (s. Namenbuch, Anhang 1). 189 Für diese und zahlreiche weitere Hinweise zur lateinischen Grammatik danke ich Andreas Klein. 190 Auf lat. -ārius geht auch das deutsche Suffix -er zurück (Rubenbauer & Hofmann 121995: 19).

Substitution | 155

4.2.3 Berufsnamen und Übernamen auf -a Die meisten lateinischen Appellative auf -a sind Feminina und flektieren nach der a-Deklination (Genitiv -ae). Ausnahmen bilden u. a. einige Berufsbezeichnungen, die der a-Deklination angehören, denen aber aufgrund des männlichen Sexus maskulines Genus zugeordnet wird, etwa lat. poeta, poetae ‘Dichter’ (Rubenbauer & Hofmann 121995: 24). In dieser Gruppe haben die Substitutionen Advena, Agricola, Auriga, Nauta und Scriba als FamN überdauert. Ein Femininum liegt hingegen in lat. aquila ‘Adler’ vor, das dem HumanistenN Aquila zugrunde liegt.191 Tab. 38: Substitutionen auf -a in Deutschland und den Niederlanden

HumanistenN

Lexem

Varianten

DE

NL

Advena

advena ‘Ankömmling, Fremder; Neuling’

Advena

17

-

Agricola

agricola ‘Bauer’

Agricola

104

382

Agrikola

27

-

Aquila

aquila ‘Adler’

Aquila

25

Auriga

aurīga ‘Fuhrmann, Kutscher’

Auriga

48

-

Nauta

nauta ‘Schiffer’

Nauta

19

2.802

Nouta

-

44

scrība ‘Schreiber, Amtsschreiber, Sekretär’ Scriba

154

-

Scriba

Es ist auffällig, dass diese Gruppe von Latinisierungen gemessen an den Types sehr klein ist. Das liegt einerseits daran, dass die Anzahl der Maskulina in der lateinischen a-Deklination ohnehin gering ist, andererseits wohl aber an den Eigenschaften des Suffixes -a, denn dieses ist nicht eindeutig der lateinischen Sprache zuzuordnen und – weil es stets in unbetonter Position steht – von der

|| 191 Aufgrund der Symbolkraft des Adlers ist das zugeordnete grammatische Geschlecht hier offenbar nicht relevant. Der HumanistenN Aquila ist in Deutschland mehrfach historisch bezeugt (vgl. Namenbuch, Anhang 1), doch kann bei den rezenten Nachweisen auch Herkunft aus Italien zugrunde liegen, wo der FamN Aquila häufig vorkommt (vgl. Caffarelli & Marcato 2008: 85).

156 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Nebensilbenabschwächung bedroht.192 Für Suffigierungen ist dieses Suffix deshalb ungeeignet, bei Substitutionen ist eine eindeutige lexikalische Zuordnung notwendig (wie etwa bei einem FamN wie Agricola mit vier Silben ohne SchwaLaute und einem deutlichen personengeschichtlichen Bezug zum Humanismus). Auch die Flexion nach der a-Deklination ist für einen HumanistenN weniger geeignet, da maskuline RufN üblicherweise das Suffix -us erhalten und somit – anders als etwa mit dem Suffix -ius – eine abweichende Flexion bei RufN und FamN entsteht (vgl. Rudolfus Agricola, Genitiv Rudolfi Agricolae). Während für die hohe Frequenz des HumanistenN Agricola neben der Häufigkeit möglicher zugrunde liegender BerufsN wie Bauer/de Boer oder Ackermann/Akkerman vermutlich auch die Popularität des niederländischen Humanisten Rudolf Agricola von Bedeutung ist,193 ist der HumanistenN Nauta, der nach Faber die häufigste Latinisierung in den Niederlanden ist, historisch nicht an eine besondere Persönlichkeit geknüpft. Die Verbreitung konzentriert sich hier jedoch deutlich auf die Provinz Friesland und angrenzende Regionen (s. Kap. 5.1.4), sodass sich eine Substitution niederländischer FamN wie Schipper durch Nauta offenbar auf einen begrenzten geographischen Raum beschränkt.

4.2.4 Wohnstätten- und Herkunftsnamen auf -anus Das Derivationssuffix -ānus entstand durch Reanalyse des Suffixes -nus in Herkunftsangaben nach dem Schema Romā, Romā-nus > Rom-ānus, danach z. B. urbs (‘Stadt’), urb-is, urb-ānus (Rubenbauer & Hofmann 121995: 18f). In HumanistenN findet es sich v. a. an substituierten WohnstättenN:194

|| 192 Würde z. B. der HumanistenN Nauta zu Naute abgeschwächt, erhielte er damit eine dem zweisilbigen deutschen/niederländischen trochäischen Wort mit Schwa in der Nebensilbe entsprechende Phonologie. 193 Auch die mögliche Referenz auf den Feldherrn und Konsul Gnaeus Julius Agricola, Schwiegervater des von den Humanisten verehrten Historikers und Germania-Autors Tacitus, kann die Popularität dieses HumanistenN zusätzlich erhöht haben (s. hierzu Kap. 4.3). 194 In einigen Fällen kann es sich auch um SiedlungsN oder LänderN handeln, z. B. die belgische Stadt Brügge (Pontanus) oder das ehemalige Herzogtum Berg (Montanus).

Substitution | 157

Tab. 39: Substituierte WohnstättenN auf -anus in Deutschland und den Niederlanden

HumanistenN

Lexem

DE

NL

BE 3

Hortulanus

hortulus ‘Gärtchen’

-

58

Molanus

mola, molae (Pl.) ‘Mühle’

2

74

-

Montanus

mōns, montis ‘Berg’

101

189

35

Paludanus

palūs, palūdis ‘Sumpf, Morast’

-

132

-

Pontanus

pōns, pontis ‘Brücke’

-

-

39

Puteanus195

puteus ‘Brunnen; Grube’

Silvanus

silva ‘Wald’

6

-

-

73

-

-

Die meisten dieser FamN deuten auf eine Entstehung im niederländischen Sprachraum hin: Hortulanus ist ausschließlich in den Niederlanden verbreitet, Molanus und Paludanus bis auf wenige Ausnahmen ebenfalls, Pontanus (Belgien) und Puteanus (v. a. Nordfrankreich) weisen ebenfalls in den niederländischen Sprachraum. Montanus findet sich ausgeglichen in Deutschland und den Niederlanden, Silvanus ist nur in Deutschland und dort v. a. im Moselraum und am Niederrhein verbreitet (zur Verbreitung s. Kap. 5.1.5). Das legt die Vermutung nahe, dass -anus in diesen Substitutionen meist die Funktion der Präposition mnl. van ‘von’ (üblicherweise mit folgendem Artikel de/der/den) übernimmt, die jeweiligen HumanistenN also anstelle von Univerbierungen wie van den Berg gebildet wurden. Frequente niederländische Entsprechungen, die diesen FamN zugrunde liegen können, sind beispielweise van der Tuin 1.143 für Hortulanus, van der Meulen 9.978/Vermeulen 20.110 für Molanus, van den Berg 57.377 für Montanus, van den Broek 18.447 für Paludanus, van der Bruggen 1.092/Verbruggen 2.743 für Pontanus. Im deutschen Sprachraum können auch Derivate mit dem Suffix -er zugrunde liegen, z. B. Berger bei Montanus. Außer in WohnstättenN kann -anus auch in HerkunftsN erscheinen, z. B. in Treviranus 11, wobei hier die deutsche Form des SiedlungsN Trier zusätzlich durch die lateinische ([Augusta] Treverorum, später u. a. auch [in] Treviris, s. Niemeyer 2012: 637) ersetzt wird. Das sich in den Universitätsmatrikeln im 16./17. Jahrhundert für die Angabe der Herkunft eines Studenten gegenüber Präpositionen wie de/a(b)/e(x) durchsetzende Suffix -(i)ensis wurde auf diese Funktion verengt und drang wohl auch deshalb nicht ins FamN-Inventar vor || 195 Puteanus ist v. a. im ehemals niederländischen Sprachgebiet in Nordfrankreich verbreitet (20 Geburten 1966–1990, 12 Geburten 1941–1965, die meisten davon jeweils im an Belgien angrenzenden Département Nord, vgl. geopatronyme.com, Aufrufdatum: 30.06.2021).

158 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

(vgl. Kroiß 2021: 206). Da andere Suffixe wie -anus deutlich seltener für Herkunftsangaben verwendet wurden, konnte sich hierdurch allmählich eine formale Trennung zwischen WohnstättenN und HerkunftsN einerseits (-anus und -ius196) und Herkunftsangaben (-ensis, z. B. Trevirensis, Coloniensis) etablieren, vgl. den 1550 in Löwen immatrikulierten Andreas Jocomontanus, Montensis (Schillings 1961: 419), der aus einer Stadt wie Mons (nl. Bergen) stammte, oder den 1650 an derselben Universität eingeschriebenen Paulus Paludanus, Trajectensis (Schillings 1962: 520) aus Maastricht (lat. Traiectum). Im 16. Jahrhundert war -ensis an FamN jedoch durchaus noch möglich, vgl. den 1525 in Köln eingeschriebenen Caspar Montensis de Colonia (Keussen 1919: 877).

4.2.5 Diminutive Im Lateinischen werden Diminutive mit dem Suffix -ulus (fem. -ula, neutr. -ulum) von Substantiven abgeleitet, das häufig erweitert als -culus (-cula, -culum) auftritt, vgl. lat. avis ‘Vogel’, aviculus ‘Vögelchen’ (Rubenbauer & Hofmann 121995: 19f). Anders als es die beträchtliche Menge an Diminutiven im deutschen FamN-Inventar vermuten ließe (vgl. Kunze & Nübling 2012: 332–459), sind entsprechende Formen in Substitutionen kaum vertreten. In Deutschland findet sich der FamN Musculus mit 35 Telefonanschlüssen, der aus lat. mus ‘Maus’ und dem erweiterten Diminutivsuffix -culus gebildet ist. Neben der häufigeren, ans deutsche Schreibsystem angepassten Schreibvariante Muskulus 89 entstand auch eine lautliche Varianz in der unbetonten zweiten Silbe mit Senkung u > o in Muskolus 4 und Synkope in Musklus 3. Bei Katillus 7 (zu lat. catīllus ‘Schüsselchen, Tellerchen’ < lat. catīnus ‘Schüssel, Napf’), zu dem auch die Variante Kattillus 5 erscheint, handelt es sich um einen bereits im klassischen Latein lexikalisierten Diminutiv. In den Niederlanden lässt sich eine diminuierte Form lediglich in dem HumanistenN Hortulanus mit 58 NamenträgerInnen erkennen (zu lat. hortulus ‘Gärtchen’ < lat. hortus ‘Garten’), wobei dieser zusätzlich zu dem Diminutivsuffix -ulus das Suffix -anus aufweist, das sich häufig in latinisierten Herkunftsund WohnstättenN findet (vgl. Kap. 4.2.4). Zwar ist die Latinisierung eines diminuierten FamN Meusel zu Musculus historisch belegt,197 doch ist nicht auszuschließen, dass auch FamN wie Maus durch Musculus substituiert wurden, da das zugrunde liegende lateinische Le|| 196 Zum Suffix -ius an rezenten HerkunftsN s. Kap. 5.1. 197 S. Namenbuch (Anhang 1).

Substitution | 159

xem mus ‘Maus’ ohne Suffix aufgrund von Homonymien198 kaum als HumanistenN zu erkennen wäre. Andere Möglichkeiten, diese Homonymien zu umgehen, zeigen die hyperlatinisierten Formen Musius 4 und Musaeus 11/Musäus 9, bei denen dem bereits latinisierten FamN Mus (< Maus) die Suffixe -ius bzw. -aeus angefügt wurden.199 Zwar verbleibt bei all diesen FamN der Akzent auf der ersten Silbe, doch zeigt sich auch hier eine Meidung des Trochäus, indem mit Musculus, Musius und Musaeus jeweils dreisilbige HumanistenN gebildet werden (nur in Musklus fehlt eine dritte Silbe aufgrund der eingetretenen Synkope, die den lateinischen Diminutiv an deutsche FamN angleicht, wenngleich dieser vollständig opak bleibt).

4.2.6 Hyperlatinisierungen Als Hyperlatinisierungen (Bergerhoff 1918: 21: „hyperlateinische Namen“) werden HumanistenN bezeichnet, bei denen an einen substituierten FamN zusätzlich das lateinische Suffix -ius angefügt wird. In der Regel bleiben HumanistenN, die auf diese Weise gebildet werden, transparent, d. h. das Suffix -ius tritt agglutinierend an das Lexem, ohne dessen Struktur zu verändern. Bergerhoff beschränkt diesen Begriff auf Substitutionen auf -tor wie Pistor-ius (vgl. Kap. 3.3.4.2, 3.3.4.3 und 4.2.1). Nach diesem Schema sind in Deutschland und den Niederlanden rezent folgende FamN nachweisbar (angegeben werden alle Varianten mit mindestens fünf Tokens in einer der beiden Datenbanken): Tab. 40: Hyperlatinisierungen auf -torius mit Varianten

Hyperlatinisierung

Varianten

DE

NL

Junctorius (iunctor ‘Anspänner’)

Junctorius

13

-

Jungtorius

18

-

Pistorius (pistor ‘Bäcker’)

Pistorius

427

344

Praetorius (praetor ‘Vorsteher’)

Praetorius

197

-

|| 198 Vgl. mhd., mnd. mūs ‘Maus’ (noch regional alem. und nd. Mus ‘Maus’) und nhd. Mus ‘Brei’ < mhd. muos ‘Essen, Speise’. 199 Diese Namenformen können ebenso als Suffigierungen zu Maus angesehen werden, s. hierzu Kap. 4.2.6.

160 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Hyperlatinisierung

Varianten

DE

NL

Prätorius

180

-

Pretorius

19

35

Sartorius (sartor ‘Schneider’)

Sartorius

489

59

Satorius (sator ‘Säer’)

Satorius

76

-

Sutorius (sūtor ‘Schuster’)

Sutorius

72

74

Auf diese Weise sind auch die Substitutionen Canisius (zu lat. canis ‘Hund’) und Musius200 (zu lat. mus ‘Maus’) gebildet, die im Folgenden deshalb zur Gruppe der Hyperlatinisierungen hinzugezählt werden. Trotz Anpassungen des zugrunde liegenden lateinischen Lexems ist auch für einige weitere HumanistenN der Begriff Hyperlatinisierung passend: Tab. 41: Hyperlatinisierungen mit Anpassung des lateinischen Lexems

Hyperlatinisierung

lat. Lexem

Fabricius

faber ‘Schmied’

Opificius

opifex ‘Handwerker’

Während bei Opificius der Wortstamm aus den flektierten Formen abgeleitet werden kann (opifex, Genitiv opific-is), erscheint dieser in Fabricius erweitert, wobei die Erweiterung des Stammes von lat. faber (Genitiv fabri) auf lat. fabricārī ‘verfertigen, herstellen; schmieden’ zurückgreift (vgl. auch lat. fabrica ‘Werkstatt, Schmiede’). Der hier nicht aufgeführte HumanistenN Castritius hingegen ist aus der Hyperlatinisierung Castratorius (zu lat. castrātor ‘Kastrierer, Verschneider’) durch Kontraktion der Bestandteile des lateinischen Lexems gekürzt.201 Als Hyperlatinisierung ist diese Form nach diesem Eingriff nicht mehr erkennbar. Nicht unter die Hyperlatinisierungen gefasst werden im Folgenden Latinisierungen und Gräzisierungen, bei denen -ius ein bereits vorhandenes anderes || 200 Bei Musius kann auch eine Suffigierung zum FamN Maus vorliegen, wobei in diesem Fall eine phonologische Anpassung durch Monophthongierung des im Lateinischen selten vorkommenden Diphthongs au > u anzunehmen wäre. 201 Zum HumanistenN Castritius s. Namenbuch (Anhang 1) sowie Kap. 4.2.8.

Substitution | 161

Suffix ersetzt (z. B. Angelius < lat. angelus ‘Engel’, Mylius < μύλος, mýlos ‘Mühle’), denn hierdurch wird die Menge klassischer Elemente – anders als etwa bei Pistorius < lat. pistor – nicht erhöht. Formal sind Hyperlatinisierungen identisch mit Adjektivierungen lateinischer Substantive (vgl. lat. sartor ‘Schneider’, sartorius ‘zum Schneider gehörig’). Es handelt sich also um regelhafte, auch im klassischen Latein produktive Bildungen. In römischen PersN findet sich das Suffix -ius zudem insbesondere in GentilN (s. Kap. 2.1.). Aus diesem Grund eignet es sich gut für die Bildung von HumanistenN, denn es markiert allgemein Zugehörigkeit, die sich in GentilN als Abstammung manifestiert. Bergerhoff (1918: 21) vermutet jedoch, „daß es den humanistischen Trägern von Namen dieser Art einzig und allein daran lag, sich recht volle und hochtönende Namen zu erdenken“. Für eine echte patronymische Nachbenennung, etwa Sartorius als Sohn eines Mannes, der sich bereits Sartor nannte, sind ihm hingegen keine Belege bekannt. Historische Namengleichungen stützen diese These:202 Beispielsweise ist 1534 in Wittenberg der Student Sebastianus Schmidt immatrikuliert (Förstemann 1841: 152), der 1546 an derselben Universität als Sebastianus Fabricius zum Magister promoviert wird (Köstlin 1890: 19). Sein ursprünglicher FamN Schmidt wurde offenbar direkt als Fabricius latinisiert. Zwei Jahre vor Sebastianus Schmidt ist in Wittenberg ein Ioannes Fabri eingeschrieben (Förstemann 1841: 148), der also bereits bei der Immatrikulation mit einem substituierten FamN im Genitiv erscheint. Doch 1539 promoviert er dort als Ioannes Fabricius (Köstlin 1890: 11). Es scheint demnach historisch eine bereits mehrfach beobachtete variable Verwendung der Formen vorzuliegen, wobei die Entscheidung für Faber, Fabri oder Fabricius der individuellen (eigenen oder fremden) Präferenz obliegt. Das Beispiel Fabri > Fabricius legt im Übrigen den Schluss nahe, dass es sich auch bei HumanistenN wie Sartorius nicht etwa um Suffigierungen lateinischer Genitive mit dem Suffix -us handelt, wie dies Weber (31851) empfiehlt (vgl. Kap. 3.4), denn dann müssten auch Formen wie Fabrius erscheinen. Dass ein lateinischer Genitiv wie Fabri – ebenso wie der deutsche FamN Schmidt – in Fabricius geändert wird, ist allein als Hyperlatinisierung nach den genannten Bildungsmechanismen zu erklären. Wie in Kap. 4.1.2.1 herausgestellt, führt eine Suffigierung mit -ius dazu, dass ein FamN um zwei Silben erweitert wird und – sofern -ius an einen zweisilbigen FamN angefügt wird – der Akzent von der ersten Silbe auf die zweite rückt, z. B. Schottélius (bei einem zugrunde liegenden dreisilbigen FamN entsprechend auf die dritte, z. B. Nicoláudius). Dasselbe geschieht bei der Bildung hyperlatinisier|| 202 Für weitere Belege dieser Art s. Namenbuch (Anhang 1).

162 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

ter FamN, denn die Substitutionen, an die -ius tritt, sind in der Regel zweisilbig und werden auf der ersten Silbe betont (z. B. Sártor). Meist wird -ius an den Liquid -r angefügt, wodurch eine große Ähnlichkeit zu viersilbigen FamN auf -ius besteht, die in Kap. 4.1.2.1 beschrieben wurden.203 Auch Hyperlatinisierungen sind folglich Suffigierungen, die diese Struktur herstellen. Der Unterschied liegt hier im lexikalischen Bereich, denn gleichzeitig gehören Hyperlatinisierungen mit dem kompletten Austausch des nativen Namenkörpers zu den Substitutionen. Bei diesen Bildungen wird ein Maximum an Latinität erreicht: Der (scheinbar) transparente volkssprachige FamN wird durch ein lateinisches Appellativ ersetzt und erhält zusätzlich das eindeutig lateinische, die Prosodie verändernde Suffix -ius. Es ist Bergerhoff deshalb zuzustimmen, dass hier vermutlich eine besonders ausgeprägte Latinität im Vordergrund stand, doch ist die Suffigierung gerade mit -ius – und nicht etwa mit -us – sicher nicht zufällig, sondern bewusst in Rückgriff auf die römischen GentilN gewählt. Es spielen somit drei Faktoren eine Rolle für die hohe Popularität von Hyperlatinisierungen seit dem 16. Jahrhundert (vgl. Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2): 1. 2. 3.

Eine lateinische Lexik und Morphologie Eine lateinische Prosodie mit Antepaenultima-Akzent Die Nachbildung römischer GentilN

Die Hyperlatinisierungen aus Berufsbezeichnungen mit -tor haben im Übrigen Ähnlichkeiten mit den zahlreichen latinisierten BerufsN mit dem Suffix -arius wie Cellarius (vgl. Kap. 4.2.2), denn diese sind ebenfalls mehrheitlich viersilbig und enden auf Vokal + -rius. Die outputorientierte Wahl dieser prosodischen Struktur viersilbiger FamN auf -ius mit Akzent auf der zweiten Silbe wird auch daran deutlich, dass fünfsilbige Formen gemieden werden. So sind Hyperlatinisierungen zu dreisilbigen Substitutionen wie Braxator, Molitor und Piscator rezent nicht belegt und auch historisch selten (vgl. Kap. 3.3.4.3). Die historisch nachweisbare fünfsilbige Form Castratorius wurde, wie erwähnt, bereits im 16. Jahrhundert zum viersilbigen HumanistenN Castritius umgestaltet. Da Hyperlatinisierungen in mittellateinischen Quellen nahezu vollständig fehlen und in jedem Fall nicht systematisch für BeiN/FamN verwendet wurden, gehören sie wie die übrigen Suffigierungen mit -ius zu den Latinisierungen, die mit dem Humanismus neu aufkamen. Sie sind somit HumanistenN, die mit großer Sicherheit vollständig auf ein neues humanistisches Selbstverständnis zurückgehen. Dies gilt ebenso für alle Arten von Gräzisierungen. || 203 In Kap. 4.1.2.1 wurden sie deshalb bereits miterfasst.

Substitution | 163

4.2.7 Gräzisierungen mit -ander Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts werden einige FamN auf -mann zunehmend mit dem griechischen Namenglied ανήρ, ανδρός (anér, andrós) ‘Mann’ gräzisiert (vgl. Kap. 3.3.4.4). Wie bei anderen Gräzisierungen wird jedoch nicht die eigentliche griechische Form verwendet, wie sie in antiken Namen wie Αλέξανδρος (Aléxandros) erscheint, sondern stets die an das Lateinische angepasste Variante: In lateinischen Texten wird das griechische Namenglied -ανδρός als -ander wiedergegeben (griech. Aléxandros > lat. Alexander) und nach der lateinischen o-Deklination flektiert (Alexander, Alexandri, wie lat. faber, fabri). Diesem Schema folgen humanistische Gräzisierungen auf -ander, für die beim Gebrauch in lateinischen Texten somit auch dieselben morphologischen Eigenschaften gelten (s. Kap. 4.5). Die nachfolgende Tabelle enthält Formen, bei denen auch das Erstglied gräzisiert ist. Da diese Namenbildungen außer in Deutschland und den Niederlanden v. a. in Schweden sehr produktiv waren, werden auch HumanistenN auf -ander ergänzt, die nur in Skandinavien vorkommen (zu Varianten sowie Angaben zur Datengrundlage s. Namenbuch, Anhang 1). Tab. 42: Substitutionen -ander und gräzisiertem Erstglied

Gräzisierung

Erstglied

Verbreitung

Arktander

griech. άρκτος (árktos) ‘Bär; großer/kleiner SE 4 Bär (nördl. Sternbild)’

Argillander

griech. άργιλος (árgilos) ‘Töpfererde, Ton’

SE 40

Aulander

griech. αυλή (aulé) ‘eingefriedeter Hof vor dem Haus’

SE 16

Chrysander

griech. χρύσεος (chrýseos) ‘golden’

SE 28

Dryander

griech. δρυς (drys) ‘Baum, Eiche’

DE 9

Komander

griech. κώμη (kóme) ‘Dorf’

DE 249, NO 6

Leander

griech. λαός (laós), att. λεώς (leós) ‘Volk’

SE 1.326, NL 193, DK 142, DE 27

Lithander

griech. λίθος (líthos) ‘Stein, Fels’

SE 150, NO 19, DK 17

Macrander

griech. μακρός (makrós) ‘lang’

NL 47, DE 8

Melander

griech. μέλας (mélas) ‘schwarz’

SE 2.802, DK 245, DE 18

164 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Gräzisierung

Erstglied

Verbreitung

Mesander

griech. μέσος (mésos) ‘mitten, in der Mitte’

NL 30

Neander

griech. νέος (néos) ‘neu’

SE 185, DE 94, DK 16

Psilander

griech. ψιλός (psilós) ‘kahl, nackt, entblößt; leichtbekleidet’

DK 28, SE 27

Sarkander

griech. σάρξ (sárx), σαρκός (sarkós) ‘Fleisch’

DE 21

Xylander

griech. ξύλον (xýlon) ‘Holz’

DE 48

Diese FamN sind stets Komposita aus zwei Konstituenten, wobei dem Zweitglied -ander jeweils ein Namenglied vorangestellt ist, und meist dreisilbig, was durch Tilgung des griechischen Flexivs im Erstglied erreicht wird: Arktander < άρκτος (árktos), Komander < κώμη (kóme), Xylander < ξύλον (xýlon). Das Zweitglied wird also in der Regel an den Konsonanten eines einsilbigen Erstglieds angeschlossen (außer bei Leander und Neander, bei denen schon die zugrunde liegenden Lexeme leós, neós einen Hiat enthalten). Den Wortakzent trägt jeweils die erste, mit dem Konsonanten des Erstglieds verbundene Silbe von -ander (vgl. Ko-mán-der, Xy-lán-der), womit diese HumanistenN der lateinischen Betonung folgen: Der Akzent liegt auf der Paenultima, weil diese aufgrund des Konsonantenclusters nd positionslang ist (Rubenbauer & Hofmann 121995: 7; vgl. demgegenüber die griechische Betonung in Aléxandros). Die Beliebtheit dieses Bildungsschemas ist nicht allein auf das hohe Prestige der griechischen Sprache in humanistischen Kreisen zurückzuführen. Von zusätzlicher Bedeutung ist die große Menge an FamN auf -man(n) bei gleichzeitig fehlender Substitution durch ein lateinisches Appellativ (Substitutionen mit lat. vir ‘Mann’ o. ä. wurden nicht gebildet), die einfache Verwendbarkeit durch schematische Kombination mit einem weiteren Namenglied (Kom-ander, Xylander) und die Namenstruktur (dreisilbig mit Betonung auf der vorletzten Silbe, vgl. demgegenüber deutsche FamN auf -mann wie Bértelsmann, Áckermann, Héinemann). Zusätzlich war eine Identifizierung als griechisches Namenglied durch die Bekanntheit des antiken Feldherrn Alexanders des Großen gewährleistet. Diese Faktoren führten dazu, dass auch Namenglieder in umgekehrter Reihenfolge substituiert wurden, um eine Gräzisierung auf -ander zu bilden, wie die Gräzisierung von Mangolth als Chrysander (eigentlich = Goldmann), belegt 1587 an der Universität Erfurt: Iohannes Mangolth alias Chrysander dictus (Weissenborn 1884: 464).

Substitution | 165

Besonders frequent wurde dieses Bildungsschema, wie erwähnt, in Schweden (s. auch Kap. 3.3.4.4). Anders als in Deutschland entwickelte sich -ander dort zu einem allgemein produktiven Element, das nicht nur an gräzisierte Namenglieder treten konnte, sondern auch an latinisierte und schwedische.204 Latinisierungen, an die -ander angeschlossen wurde, sind z. B.: Tab. 43: Substitutionen mit -ander und latinisiertem Erstglied in Schweden

Gräzisierung

Erstglied

Verbreitung (SE)

Arenander

lat. arēna ‘Sand’

155

Betulander

lat. betulla ‘Birke’

18

Colliander

lat. collis ‘Anhöhe, Hügel’

Lakander

lat. lacus ‘See, Teich’

Molander

lat. mola ‘Mühlstein’ (Pl. molae ‘Mühle’)

430 12 1.900

Pagander

lat. pāgus ‘Bezirk; Dorf’

Silvander

lat. silva ‘Wald’

177

33

Tiliander

lat. tilia ‘Linde’

50

Es zeigt sich, dass -ander in HumanistenN in Schweden – ähnlich wie -mann im Deutschen – v. a. zur Bildung von Herkunfts- und WohnstättenN verwendet wird (zu FamN auf -mann s. Kunze & Nübling 2012: 286–331). Der von der schwedischen Betonung abweichende Paenultima-Akzent (-ánder) profilierte Gräzisierungen dieser Art (ähnlich wie Latinisierungen mit erweiterten Suffixen, z. B. -enius und -elius, s. Kap. 4.1.2.1) gegenüber der Volkssprache (Nübling 2004: 468–470). Während die Landbevölkerung in Schweden erst im 19. Jahrhundert vermehrt erbliche FamN annahm, verwendeten Adlige diese ab dem 16. Jahrhundert, Bürger ab dem 17. Jahrhundert (Brylla 2007: 663–666). Die Matrikeln der Universität Uppsala (s. Kap. 3.3.4.4) zeigen unter Studenten um 1600 neben der allgemein gebräuchlichen Angabe von Patronymen erst vereinzelt FamN, darunter bereits einige Gräzisierungen auf -ander. Aufgrund der späten Entstehung von FamN sind bei zahlreichen Beispielen mittels genealogischer Quellen Bezüge von HumanistenN zum SiedlungsN des Herkunftsortes herstellbar, aus dem der erste Namenträger stammte (s. Olsson 1946), doch sind in einigen Fällen auch Bildungen zu besonderen Landschaftsformen (Hügel, See, Wald, einzelne Bäume etc.) bzw. in Einzelfällen Bezüge zu Stand oder Beruf des || 204 Vgl. den FamN Salander zum SiedlungsN Uppsala (Ryman 2002: 353).

166 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Vaters möglich (vgl. Psilander: griech. ψιλός, psilós ‘kahl, nackt, entblößt; leichtbekleidet’). Das Namenglied -ander nimmt in Schweden den Status eines onymischen Suffixes ein, das auf die Bildung von FamN beschränkt ist und diese dadurch eindeutig markiert. Die betreffenden FamN bestehen – anders als im deutschen und niederländischen Sprachraum – offenbar nicht zuerst im Schwedischen und werden dann substituiert, sondern Herkunfts- und WohnstättenN werden direkt aus Herkunftsort bzw. Wohnstätte + -ander gebildet, wobei das Erstglied nicht zwangsläufig ebenfalls substituiert sein muss (vgl. die schwedischen FamN Salander 371 zum schwedischen SiedlungsN Uppsala oder Arhusiander 41 zum dänischen SiedlungsN Aarhus, bis 2011 Århus). Außerdem liegen Kombinationen mit Patronymen vor (z. B. Svenander 47 < RufN Sven, möglicherweise als Gräzisierung für den FamN Svensson). Bei zahlreichen schwedischen FamN auf -ander dürfte es sich dennoch nicht um Gräzisierungen handeln, denn der Anschluss von -ander an vorausgehendes -l ist auffallend frequent: Unter den 789 FamN auf -ander, die in Schweden 2019 von mindestens zehn Personen getragen wurden, enden 257 (32,6%) auf -lander. Neben Substitutionen wie Aulander, Betulander, Psilander kommen hier auch zahlreiche Einwohnerbezeichnungen mit dem Namenglied -land vor, unter den frequentesten z. B. Nylander 3.105 zu schwed. nyland ‘Neuland’ (Hanks 2003: 2,685), Sjölander 2.562 zu schwed. sjöland ‘Seeland’ (Hanks 2003: 3,358) oder Olander 2.285 zu den Inseln Öland oder Åland (Hanks 2003: 3,11). Bei rezenten FamN auf -lander ist so ohne Kenntnisse der Etymologie nicht zu entscheiden, ob es sich um eine Gräzisierung bzw. Latinisierung oder um einen nativen schwedischen HerkunftsN handelt.205 Auch der in Deutschland vorkommende FamN Xylander 48 zeigt, dass bei Gräzisierungen auf -ander eine Assoziation mit HerkunftsN hergestellt werden kann, wenn diesem Namenglied ein l vorausgeht. So konnte Xyl-ander durch Reanalyse volksetymologisch zu Xy-lander umgedeutet werden und in der Variante Xyländer 19 sogar den für HerkunftsN mit dem Namenglied -land im Deutschen üblichen Umlaut erhalten (vgl. Oberländer 1.288, Voigtländer 1.095, Holländer 986). Ob das Namenglied -ander auch in Deutschland an ein natives Erstglied treten konnte, ist nicht sicher geklärt, doch wurde dies in jedem Fall nicht systematisch durchgeführt. Infrage kommt eine solche Deutung bei den FamN Bergander 250 (< Bergmann?) und Osiander 124 (< Hosemann?). Eine Deutung als

|| 205 Vgl. Hanks (2003: 2,158) zum FamN Helander, bei dem das Erstglied Hel- oder He- sein kann, aber in beiden Fällen etymologisch unklar bleibt. Zu historischen Gräzisierungen auf -ander in Matrikeln der schwedischen Universität Uppsala s. Kap. 3.3.4.4.

Substitution | 167

Teilgräzisierung von Bergmann, wie sie Gottschald (62006: 110) und Udolph (2008) für Bergander annehmen, entspräche dem in Schweden produktiven Schema – in Schweden tragen 266 Personen den FamN Bergander, der dort wohl zu einem SiedlungsN mit schwed. berg ‘Berg’ oder einer entsprechenden Wohnstätte gebildet worden ist. Im deutschen Sprachraum war der FamN Bergander historisch jedoch weit von Skandinavien entfernt im deutschslawischen Kontaktgebiet im Norden Schlesiens verbreitet, was eine etymologische Einordnung erschwert. Nach Udolph (2008: 337) sind mutmaßliche Varianten wie Begander 80, Bargander 6, Bergandy 7, Bergande 62 oder Pergande 204 als an das Polnische angepasste Varianten eines deutschen HumanistenN Bergander erklärbar, während die Anpassung einer slawischen Ausgangsform an das Deutsche Probleme bereite. Für eine slawische Deutung kämen möglicherweise Varianten von HerkunftsN zum StammesN der Burgunden infrage (vgl. FamN-Formen wie Bergunder 4, Borgander 2).206 Für einen teilsubstituierten FamN Bergander, dessen Entstehung als HumanistenN im universitären Bereich zu erwarten wäre, fehlen allerdings entsprechende Belege in Matrikeln, was bei der überaus hohen Frequenz für eine Gräzisierung und die zahlreichen mutmaßlichen Varianten erklärungsbedürftig wäre (die Hauptvariante Bergander übertrifft in Deutschland mit 250 Telefonanschlüssen knapp die häufigste Gräzisierung Komander mit 249 und bei Weitem die häufig in Matrikeln belegte Gräzisierung Neander mit 94). Eine ausgebliebene Substitution des Erstglieds wäre hier zudem deshalb auffällig, weil Bergebenfalls transparent ist und somit problemlos eine vollständige Substitution möglich gewesen wäre. Die Deutung des FamN Bergander in Deutschland als HumanistenN ist deshalb weiterhin als äußerst unsicher anzusehen. Bei dem HumanistenN Osiander, der erstmals bei dem Reformator Andreas Osiander (1498–1552) belegt ist (s. Bergerhoff 1918: 40), könnte eine Umgestaltung des deutschen Erstglieds vorliegen, denn meist wird Osiander als Substitution zum FamN Hosemann gedeutet, der wie Osiander im Raum Ingolstadt verbreitet ist. Da das Griechische den Laut /h/ nicht kennt, wäre dieser hier entsprechend getilgt worden und Osiander damit der einzige der wenigen viersilbigen HumanistenN auf -ander in Deutschland, bei dem das Zweitglied an einen Vokal angefügt wurde (sonst nur bei Leander und Neander). Doch ist der

|| 206 Hierzu ablehnend Udolph (2008: 337f), der den am Rhein verbreiteten FamN Burgunder 35 nicht als Variante zu den genannten, in Schlesien und Pommern verbreiteten Formen ansieht. Ob sich dort der Name des ostgermanischen Stammes der Burgunden, die dort bis in die Spätantike siedelten, in SiedlungsN und evtl. sogar in FamN gehalten haben kann, ist in der Tat fragwürdig.

168 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

aus der mittelfränkischen Stadt Gunzenhausen stammende Andreas Osiander, nach dessen Auskunft bereits sein Großvater diesen FamN getragen habe, 1515 an der Universität Ingolstadt noch mit dem FamN Osanner immatrikuliert, der auch 1497 bei einem Vtz Osanner im nahe Gunzenhausen gelegenen Weißenburg belegt ist (Rechter 1985: 2,626). Für Osiander könnte demnach auch eine geringfüge Umformung des rezent nicht mehr nachweisbaren FamN Osanner infrage kommen. Dass bereits Osianders Vorfahren oder der erwähnte Vtz Osanner einen gräzisierten FamN auf -ander trugen, ist jedenfalls kaum anzunehmen, denn diese gehörten – anders als der humanistisch ausgebildete Theologe – nicht der Bildungselite an. Zudem ist eine Gräzisierung auf -ander (zumal nach diesem sonst nicht belegten Bildungsschema) für das Ende des 15. Jahrhunderts noch nicht anzunehmen (vgl. Kap. 3.3.4.4). Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass spätere Studenten ihren FamN Hosemann an den des Reformators anglichen, als sie für sich einen HumanistenN wählten oder einen solchen zugewiesen bekamen. Eine derartige Bildung würde eine Nähe zu Adaptionen zeigen (vgl. Kap. 4.3).

4.2.8 Neologismen Vor allem in den ersten Jahrzehnten des Humanismus in Deutschland lässt sich ein Streben nach Singularität bei der Namenbildung in humanistischen Kreisen feststellen (s. auch Kap. 3.2.3). Dies führte zu einer großen Anzahl an Neologismen, die offenbar dazu dienten, sich aus der Welt der Gelehrten auch mit dem FamN hervorzuheben. Ein solches Bestreben findet sich exemplarisch bereits im gräzisierten FamN Protucius des Humanisten Konrad Celtis. Diesem liegt offenbar griech. τύκoς (týkos), τύκιoν (týkion) ‘Meißel’ zugrunde (s. Kap. 3.2.1). Doch begnügte sich der poeta laureatus nicht mit einer einfachen Substitution wie Tykion für seinen deutschen FamN Bickel, den er als Pickel, Spitzhacke deutete, sondern er fügte hieran noch das Präfix lat. pro ‘vor’ an, womit ein Wort entsteht, das es im Griechischen nicht gibt. Damit der HumanistenN im Lateinischen verwendbar war, ersetzte er außerdem das griechische Suffix durch das in römischen GentilN verwendete lateinische Suffix -ius, woraus das einzigartige Kunstwort Protucius entstand. Melchers (1963: 223) sieht in diesem Vorgehen einen „Ausdruck einerseits seiner Selbsteinschätzung, andererseits seines herrscherlichen Umgangs mit Sprache“. Eine Ansicht, die Bach (21953: 265) teilt, für den diese Art der Namenbildung unter Humanisten „die hoffärtige Absicht, ihre gelehrte Bildung prunkend zur Schau zu stellen“ symbolisiert.

Substitution | 169

Dieses Streben nach Andersartigkeit, resultierend auch in einer Verrätselung der deutschsprachigen Ausgangsform des FamN, ist ein grundsätzlicher Unterschied zu den latinisierten BeiN der mittelalterlichen Urkundensprache. In dieser wurden, wie in Kap. 2.2. gezeigt, gerade schlichte, transparente Übersetzungen207 von häufig vorkommenden Berufsbezeichnungen und äußerlichen Merkmalen oder Charaktereigenschaften der genannten Personen verwendet, um eine einheitliche Sprache innerhalb der lateinischen Urkunde herstellen zu können. Diese Formen mussten jedoch jederzeit wieder in die deutsche Sprache übertragbar sein. War dies nicht ohne Weiteres möglich, wurde der native Name nicht verändert oder nur mit -us suffigiert. Erst der Humanismus mit dem Bedürfnis der Gelehrten, sich auch durch den PersN besonders auszuzeichnen (vgl. Kap. 3.2.3), führte zu völlig neuen Bildungen. Die Namenkreation insbesondere der frühen Humanisten bewegte sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen der korrekten Verwendung der lateinischen/griechischen Sprache einerseits (mit einer breiten Kenntnis des jeweiligen Wortschatzes) und dem Streben nach einer kreativen Transformation mit dem Ziel der exponierten Einzigartigkeit andererseits. Zwar wurden HumanistenN im 16. Jahrhundert zunehmend schematischer und damit weniger individuell, doch äußert sich dieses Spannungsfeld in geringerem Maß noch in der simplen Steigerung der Latinität durch die Bildung von Hyperlatinisierungen wie Fabricius oder Sartorius (s. Kap. 4.2.6), wenngleich diese mit regelhaft gebildeten Derivaten identisch sind. Auch die Komposita der Gräzisierungen mit -ander (s. Kap. 4.2.7) sind – ganz gleich, wie schematisch dieser Bildungstyp schließlich angewendet wurde – immer Neologismen, die weder im Griechischen noch im Lateinischen, sondern allein als HumanistenN möglich sind. Ein FamN wie Holzmann wird durch die Substitution Xylander vom Wortschatz aller bekannten Sprachen abgekoppelt und bleibt unter Studenten und Gelehrten doch eindeutig als gräzisierter FamN erkennbar. Ein Beispiel für eine späte Neologismus-Bildung ist der bereits in Kap. 4.2.6 genannte HumanistenN Castritius. Bei der Namenform Castratorius, mit der der spätere Magister Matthias Castritius 1545 in Marburg immatrikuliert ist (Caesar 1874: 22), handelt es sich um eine Hyperlatinisierung zu lat. castrātor ‘Kastrierer, Verschneider’ für den im Darmstädter Raum verbreiteten FamN Gölzenleuchter (zu mhd. gelze ‘verschnittenes Schwein’ und mhd. līhten ‘kastrieren’ für einen Schweinekastrator). Im Matrikelkorpus zeigen sich Hyperlatinisierungen im Zeitabschnitt 1550 erstmals häufiger, 1575 machen sie bereits einen beträchtlichen Anteil an latinisierten FamN aus (s. Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2), sodass die || 207 Liegen bereits FamN vor, handelt es sich um Substitutionen, vgl. Kap. 4.2.

170 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Form Castratorius als zeitgemäße und gängige Bildung anzusehen ist. Die hieraus verkürzte Form Castritius, mit der derselbe Student 1551 in Heidelberg erscheint (Toepke 1884: 612), ist hingegen allein mit Kenntnissen des lateinischen Wortschatzes und der lateinischen Grammatik nicht mehr sicher zu entschlüsseln. Im Gegensatz zu Castrator oder dessen regelkonformer Adjektivierung Catratorius handelt es sich bei Castritius also um eine Form, die nur als Name möglich ist und deren zugrunde liegende Semantik in der Form zwar noch zu erahnen, aber aufgrund der Umbildung verborgen ist. Auch für die Onomastik sind Bildungen dieser Art eine Herausforderung, wie Melchers (1963: 225) feststellt, denn einige FamN seien derart „verrätselt“, dass „zur Rückübertragung manchmal geradezu detektivischer Spürsinn vonnöten ist“ (vgl. mit einem systematischen Versuch Melchers 1961). Allerdings ist fraglich, ob es für die Träger solcher Namen überhaupt erstrebenswert war, dass eine „Rückübertragung“ ihres HumanistenN mühelos gelingen konnte. FamN dieses Typs deuten eher darauf hin, dass ein grundsätzlicher, unausgesprochener Konsens darüber genügte, dass ein HumanistenN mit lateinischen und griechischen Bestandteilen gestaltet sein und mit dem ererbten FamN oder einem anderen biographischen Merkmal (z. B. dem Herkunftsort) der betreffenden Person in Zusammenhang stehen musste.208 Der unter diesen Bedingungen vorgenommenen Kreation von HumanistenN ist im Prinzip keine weitere Grenze gesetzt. Im Fall des FamN Castritius ist ein spätes Zeugnis für die gescheiterte Suche nach dem zugrunde liegenden deutschen FamN belegt, die aufgrund der lange flexiblen Verwendung der Namenformen aufgelöst werden konnte: In seiner Untersuchung Umformung und Übersetzung Darmstädter Familiennamen ins Klassische gesteht Noack (1927: 346), er habe „unter Zustimmung von Fachgenossen die Vermutung auf[gestellt], er [= der FamN Castritius, D.K.] käme von castrum = Burg, Borger“. Erst durch einen Hinweis in einem Kirchenbuch, in dem der Name Gelsenleichter an entsprechender Stelle bei einem Eintrag von 1714 hinzugefügt worden sei, sei der Irrtum erkannt worden. Ähnlich äußert sich auch Rentenaar, der erklärt, man habe „lang vreemd tegen de vrij frequente familienaam Toxopeus aangekeken“,209 bis die Deutung zu griech. τοξοποιóς (toxopoiós) ‘jemand, der einen Bogen herstellt’ erwogen worden sei und der HumanistenN damit zum niederländischen FamN Boogman gestellt werden konnte (Rentenaar 2003: 89).

|| 208 Vgl. die Namengleichungen im Namenbuch (Anhang 1) sowie die Beispiele in Kap. 3.2.1. 209 …lange Zeit verwundert auf den überaus frequenten FamN Toxopeus geschaut.

Substitution | 171

Die hier herausgestellte Zielsetzung beim Entwurf eines substituierten HumanistenN, der von einer formgleichen Verwendung lateinischer oder griechischer Lexeme abweicht, spielte sicher auch bei FamN wie Chalybaeus (< griech. χάλυψ, chályps ‘Stahl’) oder Cornarius (< lat. cornus ‘Kornelkirschbaum’) eine Rolle. Auch diese FamN heben sich aufgrund ihrer Einzigartigkeit aus einem lateinischen Text deutlich ab, ohne dabei ungrammatisch zu sein, denn sie beruhen ausschließlich auf Lexemen, die mit dem zugrunde liegenden nativen FamN im Zusammenhang stehen, sowie Suffixen, die für die Bildung antiker lateinischer und griechischer PersN üblich sind.

4.2.9 Homonymien Bereits Bergerhoff (1918: 17) weist darauf hin, dass es einige FamN in Deutschland gibt, die auf eine Substitution durch ein lateinisches oder griechisches Appellativ hindeuten, bei denen diese Formgleichheit jedoch nicht auf humanistische Einflüsse zurückgeht, sondern auf zufälliger Übereinstimmung beider Formen beruht. Solche Homonymien finden sich besonders häufig bei zweisilbigen lateinischen und griechischen Appellativen auf -er, da deren Struktur leicht mit der deutscher Derivate auf -er wie Schneider (< schneiden) oder RufN auf -(h)er/-(g)er wie Werner (< Werin-heri) übereinstimmen kann. Der FamN Anser 16 etwa ließe sich auf lat. anser ‘Gans’ zurückführen und könnte somit eine Substitution zu FamN wie Gans, Gauß sein, doch gibt es dafür keinen Hinweis. Stattdessen handelt es sich offenbar um ein Patronym zum RufN Ansher (Bergerhoff 1918: 17; so auch Gottschald 62006: 90, 92), der historisch ausreichend belegt ist (vgl. RufN-Belege bei Förstemann 21900: 127f). Ähnlich verhält es sich mit dem FamN Asper 19, den Bergerhoff (1918: 17) nicht zu lat. asper ‘rau’, sondern „zu einem Hofe Aspe bei Wollishofen in der Schweiz“ stellt. In der Schweiz ist dieser FamN mit 30 Telefonanschlüssen 2015 tatsächlich frequenter.210 Zugrunde liegen dürfte – wie auch bei dem von Bergerhoff genannten HofN – mhd. aspe ‘Espe, Zitterpappel’, also in der Regel ein WohnstättenN zu einem entsprechenden markanten Baum oder einem charakteristischen Gehölz. Eine vergleichbare vermeintliche Gräzisierung ist in dem v. a. in Bayern und Österreich verbreiteten FamN Aster (DE 237, AT 93) zu sehen. Dieser gehört nicht zu griech. αστήρ (astér) ‘Stern’ (so z. B. Fleischner 1826: 308), sondern ist ein WohnstättenN zu bair. Aste ‘Niederalpe, Weideplatz’ || 210 Verbreitung in der Schweiz: https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/newsnetz/namenkarte/, Aufrufdatum: 30.06.2021.

172 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

(Kohlheim & Kohlheim 22005: 98; vgl. Asam Aster auf dem Asterhof in Pens, Tirol 1543, Tarneller 1923: 27).211 Auch der FamN Semper ist vermutlich keine Latinisierung zu lat. semper ‘immer’ (so Gottschald 62006: 270), sondern geht wohl auf den RufN Sentprecht zurück (Brechenmacher 1960–1963: 601). Die Variante Sempert ist historisch wie Semper v. a. in Schlesien verbreitet (zu weiteren Deutungen für Semper s. Namenbuch, Anhang 1). Einige weitere FamN, bei denen es sich scheinbar um Latinisierungen handelt, gehen zwar tatsächlich auf lateinische Lexeme zurück, doch wurden diese früh entlehnt, sodass sie auch ohne Einflüsse des Humanismus oder der lateinischen Urkundensprache zu FamN werden konnten. Dies ist etwa der Fall bei Paternoster 107. Bereits im Mittelhochdeutschen bezeichnet pāternoster (entlehnt aus lat. pāternoster ‘Vaterunser’) neben dem gleichnamigen Gebet auch einen zum Beten verwendeten Rosenkranz, sodass der FamN als indirekter BerufsN für einen Hersteller von Rosenkränzen zu deuten ist. Mehrere Nachweise schon aus dem 14. Jahrhundert belegen, dass es sich dabei nicht um eine nachträgliche Latinisierung handelt, z. B. Sigmund Paternoster paternosterer, belegt 1397 in Breslau (Bahlow 1985: 374), bei dem die Berufsbezeichnung und der FamN noch in direkter Verbindung stehen. In verschiedenen Namenbüchern finden sich zudem einige mutmaßliche Substitutionen, die auf FamN aus anderen Sprachen zurückgehen und denen ebenfalls lateinische Entlehnungen zugrunde liegen können. So wird z. B. der FamN Figura bei Gottschald (62006: 470) zu lat. figura ‘Gestalt, Form’ gestellt und als Substitution von FamN wie Gstalt angesehen. Tatsächlich handelt es sich jedoch um einen polnischen FamN zu poln. figura ‘Figur, Gestalt’ (entlehnt aus lat. figura ‘Gestalt, Form’). Ein FamN wie Gstalt ist überdies (zumindest rezent) nicht nachweisbar. Einige weitere Beispiele für FamN, die keine tatsächlichen Substitutionen darstellen, sind im Namenbuch (Anhang 1) unter Pseudo-Substitutionen zusammengestellt.

4.3 Adaption und metaphorischer Gebrauch antiker Personennamen Neben den beiden in Kap. 4.1 und 4.2 besprochenen Bildungstypen von HumanistenN unterscheidet Rentenaar (2002: 161f) einen dritten, der mit den anderen beiden häufig gleichgesetzt werde, „aber in Wirklichkeit sozio-onomastisch an-

|| 211 Vereinzelt kann es sich auch um einen HerkunftsN zu SiedlungsN wie Ast in Bayern handeln. Ein ÜberN zu mhd. agelster ‘Elster’ (so Gottschald 62006: 93) ist lautlich weniger wahrscheinlich.

Adaption und metaphorischer Gebrauch antiker Personennamen | 173

ders zu beurteilen ist.“ In diese dritte Gruppe, die er in einem anderen Beitrag auch als „veranderingen door woord- en naamassociaties“ (Veränderungen durch Wort- und Namenassoziationen) bezeichnet (Rentenaar 2003: 108), ordnet er Umbenennungen wie die des Mailänder Humanisten Piattino Piatti in Plato in Anlehnung an den griechischen Philosophen Platon (Πλάτων, latinisiert Plato) ein. Als weiteres Beispiel nennt er den bayrischen Kanzler Dietrich von Plieningen, den Rudolf Agricola laut einem Bericht des Studenten Georg Oemler in Plinius umbenannt haben soll (zu Oemlers Brief s. auch Kap. 3.2.3), nach den römischen Schriftstellern Gaius Plinius Secundus Maior (Plinius der Ältere) und dessen Neffen Gaius Plinius Caecilius Secundus (Plinius der Jüngere). FamN wie Plato 183 und Plinius 21 sind rezent in Deutschland nachweisbar, weshalb ihre Entstehung und ihr Status hier – ergänzt um weitere Beispiele – gesondert thematisiert wird. Die Grenze dieser Namenbildungen zu Suffigierungen und Substitutionen ist auf formaler Ebene nicht ohne Weiteres zu ziehen, denn in zahlreichen Fällen wurden durch Latinisierungen Namenformen hergestellt, die mit tatsächlichen römischen GentilN identisch sind. So ist etwa der FamN Boetius 17 eine Latinisierung zum friesischen Patronym Boie 170. Dieser wurde in Anlehnung an den antiken Philosophen Boethius (Anicius Manlius Severinus Boethius) gebildet (Bahlow 1985: 67; weitere Beispiele aus den Niederlanden gibt Rentenaar 2003: 108f). Übereinstimmungen wie diese sind kaum zufällig, denn entsprechende antike Namenvertreter sind den Humanisten aus der Lektüre der antiken Klassiker bekannt und vermitteln in besonderem Maß antikes Prestige. Wenn sich etwa ein Martinus van den Hove mit substituiertem FamN Martinus Hortensius nennt (zu lat. hortus ‘Garten’, hortēnsius ‘zum Garten gehörig’) (Rentenaar 2003: 108), so geschah dies wahrscheinlich auch in Anlehnung an den römischen Konsul Quintus Hortensius Hortalus (Konsul 69 v. Chr.), einen Konkurrenten Ciceros. Ein wichtiger Unterschied ist hier jedoch, dass lat. hortus ‘Garten’ in einem semantischen Zusammenhang mit mnl. hof ‘Hof; Garten’ steht, während etwa Plieningen und Plinius oder Boie und Boetius keinerlei inhaltliche Berührungspunkte aufweisen, die Umbenennungen in diesen Fällen also lediglich aufgrund der phonologischen Ähnlichkeit vorgenommen worden sein dürften. Bei Hortensius handelt es sich somit um eine Substitution, die zusätzlich mit einem antiken PersN übereinstimmt, während Plinius und Boetius eher den Suffigierungen zuzuordnen sind. Die Anpassungen der zugrunde liegenden FamN gehen hier jedoch weiter, als dies bei anderen Suffigierungen üblich ist: Während etwa eine Namenbildung wie Fuchs > Fuxius als rein graphematische, Krause > Crusius als phonologische und graphematische Assimilation an das Lateinische erklärbar sind, wurde bei Plieningen > Plinius ein erheb-

174 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

licher Teil des zugrunde liegenden FamN getilgt und in Boie > Boetius ein unorganisches t eingefügt. Ähnliches wie für den HumanistenN Hortensius, der in den Niederlanden 2007 von 278 Personen getragen wurde, gilt vermutlich zumindest für die ersten Verwendungen der Hyperlatinisierung Fabricius (542 Tokens in der DFADatenbank) für FamN wie Schmidt, denn auch der GentilN Fabricius war aus den Werken Ciceros bekannt, in denen der Konsul Gaius Fabricius Luscinus (Konsul 282 und 278 v. Chr.) mehrfach genannt wird. Selbst eine Substitution wie Caesar 311 für FamN wie Kaiser ist in humanistischen Kreisen nicht als simple Rückführung des Lehnwortes (mhd. keiser < lat. Caesar) auf die lateinische Form ohne die Assoziation mit dem Cognomen des römischen Feldherrn Gaius Julius Caesar denkbar. Auch der bereits genannte FamN Plato wurde nicht nur als Ehrenname an den italienischen Humanisten Piattino Piatti vergeben, sondern ist z. B. auch als Anpassung des deutschen FamN Plate belegt212 und in Deutschland noch rezent mit 183 Tokens in der DFA-Datenbank nachweisbar. Ebenso wurde der FamN Söncke als Seneca 7 latinisiert, wobei die lautliche Ähnlichkeit zu dem römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca (um 1 n. Chr. bis 65 n. Chr.) als Vorbild für die Bildung des HumanistenN genutzt wurde. Zweifellos handelt es sich auch bei diesen FamN um HumanistenN, bei denen jedoch – anders als bei Boetius und Plinius – keine typischen Suffixe verwendet wurden. Allen diesen HumanistenN ist gemein, dass die Anpassung auf die Angleichung des nativen FamN an einen in Gelehrtenkreisen bekannten PersN aus der römischen oder griechischen Antike abzielt, ohne dass dabei ein bestimmtes Schema verfolgt wird. Der entscheidende Unterschied in der Umbenennung Dietrichs von Plieningen in Plinius zu Studenten mit dem FamN Söncke in Seneca oder Plate in Plato liegt jedoch nicht in der gebildeten Namenform selbst, sondern im spezifischen Namengebrauch. Denn was Rentenaar als „literarische Spielerei“ bezeichnet, ist der Gebrauch von Namen antiker Persönlichkeiten als Metapher für besondere Qualitäten, die der Namengeber dem „Umgetauften“ zuspricht, also um „assoziative Nachbenennungen nach klassischen Berühmtheiten“ Rentenaar (2002: 162). Wenn etwa Dietrich von Plieningen in Schriften des Humanisten Agricola als Plinius bezeichnet wird, dann ist dabei der literarische Kontext entscheidend, in dem eine eindeutige Referenz auf die Eigenschaften des antiken Autors hergestellt wird. Auch der bereits mehrfach genannte Brief Oemlers stellt diesen Bezug deutlich her, denn dieser spricht nicht etwa davon, dass Dietrich von || 212 Namengleichungen im RAG: Heningus Plate, Greifswald 1507 = Henningus Plato, Wittenberg 1517; Simon Plate, Greifswald 1524 = Simon Plato, Frankfurt (Oder) 1536.

Adaption und metaphorischer Gebrauch antiker Personennamen | 175

Plieningen den Namen Plinius erhalten habe, sondern den Namen des Plinius,213 was Müller (2010: 132) als „gelungene Gleichsetzung“ bezeichnet, da hierdurch „Identität mit dessen Studienobjekt, den Briefen Plinius des Jüngeren“ hergestellt worden sei. Hier werden also bestimmte, in Gelehrtenkreisen ohne weitere Erläuterungen mit der historischen Persönlichkeit Plinius verbundene Eigenschaften auf den mit diesem Namen versehenen Zeitgenossen übertragen (zum metaphorischen Gebrauch von Namen allgemein s. Thurmair 2002). Dabei handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um die Bildung eines latinisierten FamN, der im Bildungskontext (und schließlich auch darüber hinaus) den nativen FamN ersetzen soll, sondern um einen situativen Lobpreis unter Verwendung des Namens einer realen oder mythologischen Person als Ehrentitel.214 Zwar ist dieser metaphorische Gebrauch antiker PersN als Reflex der humanistischen Gelehrtenwelt anzusehen, indem hier eine besondere zeitliche und räumliche Nähe zu literarischen Vorbildern hergestellt wird, doch handelt es sich in Fällen wie diesen tatsächlich nicht um humanistische FamN, weshalb vergleichbare historische Belege, wie auch Rentenaar fordert, nicht als Belege für HumanistenN herangezogen werden sollten. Die übrigen, außerliterarisch nachweisbaren Umbenennungen aufgrund lautlicher Ähnlichkeit, etwa Boie in Boetius, Plate in Plato oder Söncke in Seneca, sind demgegenüber jedoch – wie erwähnt – sehr wohl als HumanistenN anzusehen, denn hierbei handelt es sich nicht um „literarische Spielereien“, sondern um vererbte FamN, deren heutige Form auf den Einfluss des Humanismus zurückgeht. Da ihrem Bildungsprinzip nicht die Verwendung bestimmter Suffixe zugrunde liegt, können sie den Suffigierungen nicht ohne Weiteres zugeordnet werden. Sie gehören somit einer dritten, zwischen Suffigierung und Substitution einzuordnenden Gruppe von Bildungstypen an, die im Folgenden als Adaption bezeichnet wird. Eine solche Adaption ohne Überschneidungen mit Suffigierungen oder Substitutionen kommt allerdings nur für wenige Beispiele infrage. So ergeben sich etwa bei FamN wie Curtius (FamN Kort, Kurz;

|| 213 Zum Brief Georg Oemlers an seinen Vater s. Kap. 3.2.1 und 3.2.3. 214 Der bayrische Kanzler ist zwar mehrfach an Universitäten nachweisbar, aber nie als Plinius, sondern stets als de Plieningen/Pleningen (s. RAG, URL: https://resource.database.ragonline.org/ngTJ5m870SL62ipPnUMieRfi, Aufrufdatum: 30.06.2021). Ein noch eindeutigeres Beispiel für einen literarischen Ehrentitel ist die in Kap. 3.2.3 erwähnte Bezeichnung Krachenbergers als Amphion in einem Brief Reuchlins. Dass Krachenberger dies zwar als Ehrung, nicht aber als Vergabe eines tatsächlichen HumanistenN ansah, geht daraus hervor, dass er Reuchlin zusätzlich um eine Gräzisierung seines FamN bat, die er dann als HumanistenN in lateinischen Schriften verwenden wolle.

176 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

römischer GentilN Curtius) Überschneidungen mit Suffigierungen, bei solchen wie den genannten FamN Hortensius und Fabricius mit Substitutionen: Tab. 44: Die verschiedenen Bildungstypen von HumanistenN ergänzt um Adaptionen, inkl. Überschneidungen verschiedener Bildungstypen

Umbenennung Breiter > Praetorius

Suffigierung

Adaption

Substitution

Praetorius

-

-

Kurz > Curtius

-

Curtius

Söncke > Seneca

-

Schmidt > Fabricius

-

Schulz > Praetorius

-

-

Seneca Fabricius -

Praetorius

Tabelle 44 veranschaulicht die um Adaptionen ergänzten Bildungstypen von HumanistenN inklusive der genannten Überschneidungen. Als Kontrast zur Hyperlatinisierung Fabricius mit Anlehnung an den Namen einer römischen gens wird der HumanistenN Praetorius aufgeführt, der als Suffigierung mit Anpassung des deutschen FamN Breiter > Praetorius und als Substitution (Hyperlatinisierung) zu lat. praetor ‘Vorsteher, Anführer; Bürgermeister; Graf’ für FamN wie Schulz gebildet werden kann. Während die Bildungen von Praetorius und Seneca anhand des jeweils zugrunde liegenden nativen FamN eindeutig einem Typ zugeordnet werden können, liegt bei der Suffigierung Curtius und der Substitution Fabricius gleichzeitig eine Adaption vor, die bei den hier genannten Beispielen jedoch eher eine untergeordnete Rolle für die Bildung des HumanistenN gespielt haben dürfte.

4.4 Graphematik Neben der Phonologie und der Prosodie (vgl. Kap. 4.1, v. a. 4.1.2.1) konnte bei der Suffigierung von FamN auch die Schreibung verändert werden. Während ein nativer FamN bei einer Suffigierung an die Orthographie der Zielsprache angepasst werden und bei einer lateinischen Substitution auf die Schreibung des lateinischen Lexems zurückgegriffen werden konnte (Kap. 4.4.1), musste bei Gräzisierungen zusätzlich eine Überführung in ein anderes Alphabet vorgenommen werden. Die grundlegenden Prinzipien hierfür werden in Kap. 4.4.2 erläutert.

Graphematik | 177

4.4.1 Anpassung an die lateinische Orthographie Bei der Bildung von Suffigierungen mit lateinischen Suffixen wie -us, -ius oder -i konnten die zugrunde liegenden nativen FamN unverändert bleiben, wodurch eine Namenform entstand, die flexivisch in den lateinischen Text integriert werden konnte, jedoch durch ihre im lateinischen nicht üblichen Schreibprinzipien auffiel (vgl. Kohlus, Fuchsius, Möbius, Gerhardi). Mit geringfügigen Anpassungen an bekannte lateinische Schreibtraditionen ließ sich jedoch auch ein harmonischeres Schriftbild herstellen, z. B. indem die Graphemfolge durch ersetzt (Fuxius) oder ein Sonderzeichen wie aufgelöst (Moebius) bzw. durch ein entrundetes Äquivalent (Mebius) dargestellt wurde (zur Etymologie von Möbius s. u.). Ein generelles methodisches Problem bei einer quantitativen Untersuchung zu diesen Varianten stellt die selten nachweisbare native Namenform dar, die suffigiert wird, zumal im 16./17. Jahrhundert noch nicht von einer fixierten Schreibung ausgegangen werden kann. Bei dem HumanistenN Crusius etwa ist eine Latinisierung zu Krause möglich, aber u. a. auch zu Kruse, bei Cremerius kann neben Krämer auch bereits eine Variante mit vorgelegen haben (Kremer), einer Suffigierung wie Funccius können ein- oder zweisilbige Formen mit oder zugrunde liegen (Funk, Funck, Funke, Funcke). Eine Untersuchung der Anpassung deutscher FamN an lateinische Schreibtraditionen kann sich deshalb nur an Einzelbeispielen orientieren. Die folgende Tabelle enthält exemplarisch Suffigierungen mit dem Suffix -ius und Umlautzeichen (Möbius, Möwius und Mönius) sowie Varianten, die dieses Zeichen auf verschiedene Weise umgehen, sich also nur hierdurch voneinander unterscheiden. Dabei ist nicht in jedem Fall sicher zu klären, ob es sich tatsächlich um Varianten zu demselben FamN handelt, doch legt die Verbreitung dies in den meisten Fällen nahe (zur Verbreitung vgl. die jeweiligen Verbreitungskarten im DFD): Tab. 45: Umlautschreibungen in den Suffigierungen Möbius, Möwius und Mönius

FamN

Varianten

Möbius

Möbius Moebius

Tokens 2.794 126

Mobius

2

Mebius

10

178 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

FamN

Varianten

Möwius

Möwius

64

Moewius

29

Mowius

3

Mewius

1

Mönius

251

Mönius

Tokens

Moenius

2

Monius

13

Menius

39

Diese Beispiele, in denen die Schreibung mit jeweils deutlich überwiegt, zeigen, dass eine Vermeidung von Sonderzeichen in Suffigierungen zwar möglich ist, jedoch nicht zwangsläufig frequent durchgeführt wird. Dabei handelt es sich in diesen Fällen um gerundete Formen, bei denen sogar die ursprünglichere Schreibung darstellt: Möbius und Möwius sind Kurzformen zu Bartholomaeus mit Auflösung des Hiats, Wechsel des Suffixes und Rundung des Stammvokals (Maeus > Mebus > Mebius > Möbius). Mönius geht wohl auf Rundung des FamN Menius 39 zurück, der aus dem FamN Menig 176 suffigiert ist.215 Auch Schreibungen für die Affrikate /ts/ können beträchtlich variieren. Im Lateinischen werden die Zeichen und vor vorderen Vokalen in nachklassischer Zeit als /ts/ artikuliert, wofür im Deutschen je nach Position und Kontext bzw. zur Verfügung stehen.216 Wird ein deutscher FamN, der auf /ts/ || 215 Der Namenwechsel Menig > Menius ist belegt bei dem Theologen Justus Menius (eigentlich Jodocus Menig) aus Fulda (s. Deutsche Biographie, URL: https://www.deutsche-biographie.de/ sfz68720.html#ndbcontent, Aufrufdatum: 30.06.2021), der 1513 in Erfurt als Iodocus Menigus de Fulda eingeschrieben ist (Weissenborn 1884: 285), 1514 als Iodocus Meymius de Fulda (Weissenborn 1884: 290) und 1515 als Jodocus Meinus Fuldensis (Schwinges & Wriedt 1995: 312) erscheint. Die FamN Mönius und Menig sind rezent beide im mainfränkischen Raum verbreitet (zur Verbreitung von Mönius s. Kap. 5.1.1). Die von Bochenek (2012: 778) angegebenen Herleitungen als Patronym zu einer Kurzform von Romanus oder als HerkunftsN zum SiedlungsN Möhn (Gemeinde bei Trier, Rheinland-Pfalz) sind wenig wahrscheinlich. Die Verbreitung am Main (lat. Moenus) legt für den HumanistenN Mönius auch eine gezielt hergestellte Assoziation mit dem Flussnamen nahe. 216 Der Buchstabe wurde im klassischen lateinischen Alphabet als neues Zeichen eingeführt und zunächst lediglich für griechische Lehnwörter verwendet (Rubenbauer & Hofmann 12 1995: 4).

Graphematik | 179

oder /t/ endet, mit -ius suffigiert, wird häufig die latinisierende Schreibung oder verwendet, wie in den aus der römischen Antike bekannten Namen Curtius und Lucius,217 die auch als rezente FamN in Deutschland vorkommen. Dabei handelt es sich um Suffigierungen zu FamN wie Kurz und Lutz:218 Tab. 46: Schreibungen für die Affrikate /ts/ in Curtius und Lucius

FamN

Varianten

Curtius

Curtius

124

Kurzius

30

Kurtius

15

Kurtzius

13

Kurcius

6

Lucius

Tokens

Lucius

291

Luzius

188

Lutzius

11

Bei Curtius und Lucius zeigt sich, dass die aus der Antike bekannten, mit mythologischen oder historischen Personen verbundenen Schreibungen die HumanistenN stark beeinflussen. Dennoch sind auch hier verschiedene Abweichungen von der lateinischen Schreibung zu beobachten, von denen die Varianten Kurzius, Kurtzius und Lutzius einen vollständigen Erhalt der deutschen FamN Kurz, Kurtz und Lutz darstellen. Zwischen der vollständigen Übernahme der lateinischen und dem vollständigen Erhalt der deutschen Schreibung stehen die Mischformen Kurtius, Kurcius und Luzius.

|| 217 Vgl. den aus der römischen Mythologie bekannten Marcus Curtius oder den antiken Geschichtsschreiber Quintus Curtius Rufus (1. Jh. n. Chr.). Lucius ist ein häufiges praenomen (s. Kap. 2.1) mit mehreren bekannten römischen Namenträgern, darunter z. B. Lucius Munatius Plancus, ein Vertrauter Caesars und Ciceros. 218 Zu Lucius < Lutz vgl. Bahlow (1985: 323), Brechenmacher (1960–1963: 211), Zoder (1968: 2,87). Die Latinisierung des FamN Lutz zu Lucius ist in Universitätsmatrikeln belegt, z. B. bei Wendelinus Lutz Gerspacensis, Heidelberg 1543 (Toepke 1884: 586) = Vendelinus Lucius Gerspacensis, Wittenberg 1545 (Köstlin 1890: 18).

180 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Die mögliche Varianz der graphematischen Gestaltung ist bei Suffigierungen folglich groß und von zahlreichen Faktoren abhängig, allgemeingültige Regelmäßigkeiten sind kaum auszumachen. Es ist davon auszugehen, dass gerade bei rein graphematischen Unterschieden, die keine phonologischen Variationen abbilden (vgl. Möbius und Moebius, Curtius, Kurtius, Kurtzius, Kurzius und Kurcius), verstärkt mit Einflüssen von Schreibern zu rechnen ist, z. B. bei Eintragungen in Kirchen- oder Bürgerbücher. Auch Schreibvarianten von Substitutionen, die üblicherweise der lateinischen Schreibtradition bzw. den gängigen Transliterationen aus dem griechischen Alphabet (s. Kap. 4.4.2) folgen, konnten durch Einflüsse volkssprachiger Schreibpraktiken entstehen. Dies betrifft beispielsweise die Verwendung des Zeichens für lat. im Anlaut (Kapito, Kanis, Kolumbus, Komes) und im Inlaut (Merkator, Muskulus, Piskator).219 Auch für lat. findet sich in einigen substituierten Namenvarianten, z. B. Awenius (< Avenius), Wietor (< Vietor). Die im Niederländischen unübliche Diphthongschreibung in Nauta konnte durch das der Schreibtradition entsprechende ersetzt werden (Nouta). Das sich im Deutschen etablierende Umlautzeichen kann lateinisches ersetzen, vgl. Prätor (< Praetor), Prätorius (< Praetorius). Auch eine Kennzeichnung von Langvokalen, die im Niederländischen in geschlossenen Silben durch Doppelvokal markiert werden, lässt sich feststellen in Majoor (< Major), Pistoor (< Pistor), Pastoor (< Pastor, vgl. die deutsche Variante Pastohr). Die Markierung von Kurzvokalen durch Verdopplung des nachfolgenden Konsonanten weisen Formen wie Mollitor (< Molitor) und Suttor (< Sutor) auf. Eine Anpassung der Phonologie an die Volkssprache konnte ebenfalls Eingang in die schriftliche Repräsentation des HumanistenN finden, etwa Umlautung bei einer Interpretation als Derivation mit -er wie in Xyländer (< Xylander, vgl. Kap. 4.2.7) oder Nebensilbenabschwächung in Texter (< Textor) und Paster (< Pastor). Fälle dieser Art sind jedoch selten. Es ist davon auszugehen, dass Abweichungen von der Schreibung lateinischer Appellative bei Substitutionen auf die Namennotationen im volkssprachigen Kontext zurückzuführen sind. Wie bei Suffigierungen sind dabei verstärkte Einflüsse der jeweiligen Schreiber und ihrer regionalen Schreibpraktiken anzunehmen, die Namen in städtischen und kirchlichen Verzeichnissen festhielten. In den frühneuzeitlichen (lateinischen) Universitätsmatrikeln sind derartige Abweichungen hingegen kaum feststellbar. || 219 Im Namenbuch (Anhang 1) finden sich diese und die nachfolgenden Substitutionen jeweils unter den lateinischen Schreibungen (Canis, Mercator, Vietor, Nauta, Praetor etc.).

Graphematik | 181

4.4.2 Transliteration aus dem Griechischen Namennennungen mit griechischen Buchstaben finden sich schon in der frühen Neuzeit äußerst selten. Besonders im Austausch in Briefen werden gelegentlich von einigen Humanisten griechische Buchstaben in lateinischen Texten verwendet, doch bleiben diese in der Regel auf den jeweiligen Anlass beschränkt. Vereinzelt finden sich auch griechische Einträge in Matrikelbüchern (vgl. unter Melas im Namenbuch, Anhang 1: Hieronymus Μέλας, Transsyluanus Coronensis, Wittenberg 1538). In Humanistenbriefen, die griechische Passagen enthalten oder komplett auf Griechisch verfasst sind, finden sich auch Transliterationen deutscher oder latinisierter/gräzisierter Formen ins griechische Alphabet, etwa die Suffigierung Μιχαήλ Ουμελβέργιος (Michaél Oumelbérgios) für Michael Hummelberg (Müller 2018: 467). Der Normalfall ist hingegen bereits in humanistischer Zeit eine Transliteration gräzisierter FamN unter Verwendung lateinischer Buchstaben, wobei von der klassischen Aussprache ausgegangen wird. Da nur wenige griechische Suffixe für die Bildung von HumanistenN verwendet wurden und diese zusätzlich in latinisierter Form erscheinen (vgl. Kap. 4.1.2.2 zu griech. -αιος, -aios > -aeus > -eus), ist die Transliteration vom griechischen ins lateinische Alphabet fast ausschließlich für Substitutionen von Bedeutung. Bei einigen Zeichen ergeben sich für die Verwendung in HumanistenN Wahlmöglichkeiten, ob eher dem Griechischen oder einer im Lateinischen üblichen Umschrift zu folgen ist. Für das Zeichen steht zur Verfügung, das im klassischen lateinischen Alphabet jedoch nur in sehr wenigen Wörtern gebraucht wird (Rubenbauer & Hofmann 121995: 4). In der Regel wird griech. bei der Entlehnung griechischer Wörter ins Lateinische als wiedergegeben, was sich auch in den gräzisierten FamN einiger bekannter Humanisten wie Johannes Reuchlin (Capnio < griech. κάπνιον, kápnion ‘kleiner Rauch’) und Johannes Huszgen (Oecolampadius < griech. οίκος, oíkos ‘Haus’ und griech. λαμπάς, lampás ‘Fackel, Leuchte; Sonne’) wiederfindet. Bei rezenten HumanistenN finden sich gelegentlich beide Varianten, so bei Sarkander/Sarcander (zu griech. σάρξ, sárx, Genitiv σαρκός, sarkós ‘Fleisch’ und griech. ανήρ, anér, Genitiv ανδρός, andrós ‘Mann’). Die Vorkommen der beiden Schreibvarianten zeigen sich in den rezenten FamN in Deutschland sehr ausgewogen, die dem Lateinischen angelehnte Form mit überwiegt nur sehr knapp: Sarkander 21 vs. Sarcander 24. Das Zeichen wird in der Regel als ins lateinische Alphabet übertragen (z. B. Chalybaeus < χάλυψ, chályps ‘Stahl’) und stimmt im Deutschen in der Aussprache mit /y/ überein. Nur in Kombination mit anderen Vokalen wird

182 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

regelkonform als übertragen (vgl. Aulander < griech. αυλή, aulé ‘eingefriedeter Hof vor dem Haus’). Nicht markiert wird die Quantität von griech. (ē) und (ō), die in HumanistenN durch (vgl. Suffix -ides < -ίδης, -ídēs) und (vgl. Perizonius < griech. περίζωμα, perízōma ‘Lendenschurz’) realisiert werden.220 Aufgrund der schon in griechischen Lehnwörtern im Lateinischen vorgenommenen Transliteration von griech. als beginnen einige HumanistenN mit dieser in nativen FamN nicht im Anlaut vorkommenden Graphemkombination (Chalybaeus, Chelius, Chrysander, Chytraeus). Dadurch werden diese Substitutionen graphisch als Gräzisierungen hervorgehoben.

4.5 Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen Neben dem Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gruppe Gelehrter erfüllten HumanistenN auch den Zweck, den eigenen FamN morphologisch in lateinische Texte zu integrieren (s. Kap. 4.1). Flektierbarkeit wurde entweder durch Suffigierung mittels lateinischer Suffixe wie -us, -ius (bzw. griechischer Suffixe in latinisierter Form wie -aeus) oder durch Substitution mit lateinischen Lexemen (bzw. griechischen Lexemen in latinisierter Form wie ander < griech. ανήρ, anér, Genitiv ανδρός, andrós ‘Mann’) erreicht. Da HumanistenN jedoch – anders als die Latinisierungen in mittelalterlichen Urkunden – bereits im 16. Jahrhundert zunehmend auch im Alltag verwendet wurden und schließlich auch in der Volkssprache neben native FamN traten,221 war ihr Gebrauch bald nicht mehr auf die lateinische Schriftsprache begrenzt, wenngleich dies von Schulbuchautoren immer wieder gefordert wurde (s. Kap. 3.4). Für die Verwendung in deutschsprachigem Kontext ergab sich jedoch das gegenteilige Problem: Ein FamN, der an die lateinische Sprache angepasst worden war, war nicht mit der deutschen Namenflexion kompatibel, die im Humanismus und noch bis ins 19. Jahrhundert hinein wesentlich ausdifferenzierter war als im Gegenwartsdeutschen (zum Abbau der Flexion von PersN s. Nübling 2012 sowie zuletzt eingehend Ackermann 2018). Zum Ende der

|| 220 In dieser Arbeit werden Langvokale in griechischen Lexemen bei der Transliteration ebenfalls einheitlich ohne Längenzeichen wiedergegeben, vgl. Kap. 4.1.2.3. 221 So finden sich beispielsweise in den ersten beiden Mainzer Stadtaufnahmen (Schrohe 1930), Verzeichnissen der Hausbesitzer der Stadt Mainz in deutscher Sprache, bereits folgende Substitutionen, die als rezente FamN vorkommen (zur Etymologie s. Namenbuch, Anhang 1): 1568: Artopeius (vgl. Artopoeus), Pistor; 1594: Agricola, Artopeius, Faber, Latomus, Molitor, Pistor, Pistorius, Sartoris, Sartorius.

Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen | 183

frühneuhochdeutschen Sprachepoche am Anfang des 17. Jahrhunderts sind nach Ackermann (2018: 131) folgende Deklinationsklassen zu unterscheiden: Tab. 47: Flexionsklassen von Personennamen Anfang des 17. Jh. (nach: Ackermann 2018: 131)

Luther

Huß

Marie

Kuno

Nom.

Luther

Huß

Marie

Kuno

Gen.

Luther-s

Huss-ens

Marie-ns

Kuno-s

Dat.

Luther-n

Huss-en

Marie-n

Kuno

Akk.

Luther-n

Huss-en

Marie-n

Kuno

Für die Verwendung der Dativ- und Akkusativformen von RufN stellt Ackermann (2018: 138–143) anhand einer Korpusrecherche im Deutschen Textarchiv (DTA) fest, dass die lateinische Deklination die deutsche im 17. Jahrhundert jedoch noch übertraf,222 wobei in dieser Zeit nicht nur nicht-deutsche RufN lateinisch flektiert wurden. Auch deutsche RufN wie Albert sind z. B. im Akkusativ in deutschen Texten als Albertum, im Genitiv als Alberti nachweisbar (Ackermann 2018: 138, 162). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kritisiert Bauer (1828: 2,257) diese Praxis: So viel wissen wir, die ältere Art, nicht-deutsche Eigennamen nach der Biegung ihrer Sprachen auch im Deutschen abzuändern, ja wohl gar deutsche nach fremden Formen zu dekliniren, muß ganz verworfen werden.

Diese vollständige Ablehnung begründet Bauer (1828: 2,258) damit, dass es „unter der Würde“ der deutschen Sprache sei, „irgend einen Eigennamen, sei er fremd oder wohl gar selbst deutsch, nach der Deklinationstheorie einer fremden Sprache im Deutschen biegen zu wollen“. Dazu nennt er Beispiele, die in den „allgemeinen, schlechten Sprachgebrauch“ (Bauer 1828: 2,257) gefunden hätten. Diese müssten nun mühsam wieder beseitigt werden: Unter keinen Umständen darf man es sich also je erlauben, Ciceronis Schriften, Krösi Reichthum, Gott half (dem) Karolo, er lieset (den) Livium und Nasonem zu sagen und zu schreiben, und eben so wenig in Hinsicht auf die heilige Schrift Mariä Geburt, Petri Fischzug, er kam zu (zum) Johanni, er sah (den) Paulum. Selbst die Namen des heiligen Stifters

|| 222 Als Beispiele nennt Ackermann (2018: 138, 140): 1679 „welcher Johannem den Täuffer getödtet“, 1681 „dem Johanni“.

184 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

unsrer Religion müssen nicht griechisch und lateinisch deklinirt werden: das Blut Jesu Christi, mit Jesu Christo, durch Jesum Christum. (Bauer 1828: 2,258)

Auch wenn Bauer hier lediglich RufN nennt, ist erkennbar, dass es ihm um die Deklination sämtlicher Namen im Deutschen geht. Nach Ackermann (2018: 138) hat die lateinische Deklination nicht-deutscher RufN im 18. Jahrhundert noch Fürsprecher, verschwindet dann jedoch im 19. Jahrhundert vollständig. Es stellt sich somit die Frage, ob auch HumanistenN von einem vergleichbaren Wechsel von der lateinischen zur deutschen Deklination betroffen sind. In der Gegenwartssprache werden HumanistenN wie deutsche FamN dekliniert. Nach einem starken Abbauprozess der Namenflexion im 19. Jahrhundert und einer Herausbildung von -s als überstabilem Marker für den Genitiv (s. hierzu Ackermann 2018: 281f) sind sie dementsprechend im Singular außer im Genitiv unflektiert (vgl. Rudolf Agricolas Werke vs. bei Rudolf Agricola): Tab. 48: Deklination von HumanistenN und nativen FamN im Singular

Müller

Peters

Faber

Agricola

Sartorius

Nom.

Müller

Peters

Faber

Agricola

Sartorius

Gen.

Müllers

Peters’

Fabers

Agricolas

Sartorius’

Dat.

Müller

Peters

Faber

Agricola

Sartorius

Akk.

Müller

Peters

Faber

Agricola

Sartorius

Im Folgenden wird anhand einer Analyse von Belegen aus dem DTA überprüft, wie sich die Deklination von HumanistenN in deutschen Texten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verändert hat. Da mit latinisierten und gräzisierten FamN keine mit Ackermanns Erhebung für RufN vergleichbare Belegdichte zu erreichen ist, kann diese Untersuchung lediglich Tendenzen aufzeigen. Die Auswahl der HumanistenN richtet sich am Vorkommen und der Bestimmbarkeit von Genitivformen aus.223 Im Einzelnen werden folgende HumanistenN und ihre jeweilige Genitivbildung im DTA abgefragt:

|| 223 Der HumanistenN Xylander etwa ist mit 17 Belegen im DTA zu finden. Davon betrifft jedoch nur ein Beleg eine Genitivform (Xylandri), die sich allerdings in einem Verweis auf einen älteren lateinischen Buchtitel – und damit nicht in deutschsprachigem Kontext – findet: „Schon Plutarch (Lib. de facie lunae, Op. Plut. ex edit. Xylandri 1620. fol. To. II. p. 939.) ge-

Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen | 185

Tab. 49: Sample für die Untersuchung der Genitivflexion von HumanistenN

Deklination (Nom./Gen.)

HumanistenN

Genitiv

a-Dekl. (-a/-ae)

Agricola

Agricolae

o-Dekl. (-er/-ri)

Faber, -ander

Fabri, -andri

o-Dekl. (-ius/-ii)

Fabricius, Sartorius

Fabricii, Sartorii

lat. Genitiv (-i/?)

Fabri

-

Mit dem Namenglied -ander enthält dieses kleine Sample die HumanistenN Argelander, Chrysander, Dryander, Melander und Neander (zur Etymologie s. Namenbuch, Anhang 1). Diese bilden den Genitiv nach der o-Deklination (Argelandri etc.), ebenso wie der HumanistenN Faber, dessen genitivische Form Fabri jedoch homonym mit dem HumanistenN Fabri ist. In der Gruppe der Hyperlatinisierungen, die ebenfalls nach der oDeklination flektieren, werden Fabricius und Sartorius abgefragt (vgl. Kap. 4.2.6).224 Deren Genitiv endet nach den klassischen lateinischen Deklinationsklassen korrekt auf -ii (Fabricii, Sartorii). Eine Reduktion dieser Genitivformen zu einfachem -i oder eine Ligatur -ii bzw. -ij > y (Fabrici/Fabricy, Sartori/Sartory) ist in den Belegen nicht feststellbar. Betreffende Formen sind jeweils eindeutig als (erstarrte) lateinische Genitive identifizierbar, also als HumanistenN Fabricy, Sartori etc., die im jeweiligen Kontext nicht genitivisch gebraucht werden (vgl. „von Sartori herausgegeben“ [nn_conversationslexikon02_1854:625]). Nach Ackermann (2018: 162f) macht die lateinische Deklination bei MännerRufN im Genitiv im 17. Jahrhundert insgesamt noch 57% der Belege im DTA aus, wobei 36% der o-Deklination (z. B. Alberti), 21% der konsonantischen Deklination (Johannis225) zuzuordnen sind. Im 18. Jahrhundert schrumpft dieser Anteil auf 17% (davon 8% o-Deklination, 9% konsonantische Deklination), im 19. Jahrhundert erreicht die lateinische Deklination allein aufgrund der Kontinuität von

|| denkt einer Mondluft“ [gehler_woerterbuch01_1798:174]. Dieser Beleg ist für die Untersuchung somit unbrauchbar, weshalb der FamN Xylander insgesamt auszuschließen ist. 224 Belege genitivischer Formen zu weiteren Hyperlatinisierungen, etwa Pistorii zu Pistorius, finden sich meist ausschließlich in Literaturangaben zu lateinischen Buchtiteln, in denen die Namenform vermutlich dem jeweiligen Titelblatt entnommen ist, z. B. „Vergl. H. Mutius de Germanorum origine, gestis etc. Chronic. lib. VIII p. 57, in Pistorii Germanicorum scriptorum T. II. Francof. 1584“ [humboldt_kosmos02_1847:456]. Diese sind somit für die Untersuchung unbrauchbar. 225 Der sehr frequente RufN Johannes ist der einzige aus Ackermanns Sample, bei dem Formen nach der konsonantischen Deklination nachweisbar sind (Ackermann 2018: 162).

186 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

Johannis noch einen Anteil von 3% der Belege, die o-Deklination ist hier bereits nicht mehr vertreten. Bei den Frauen-RufN ist der Anteil der Genitivformen nach der a-Deklination (Mariae) von Interesse, der auch der HumanistenN Agricola zuzuordnen ist (s. Kap. 4.2.3). Die Genitive auf -ae machen im 17. Jahrhundert 30% der Belege aus, im 18. Jahrhundert nur noch 3%, im 19. Jahrhundert kommen sie nicht mehr vor (Ackermann 2018: 164f). Übertragen auf die Genitivformen von HumanistenN im DTA zeigt sich erwartungsgemäß, dass diese zunächst der jeweiligen lateinischen Deklination folgen, im 16. Jahrhundert etwa Dryandri zu Dryander, Fabri zu Faber. Auch die ersten Genitivbelege von Sartorius aus dem 17. Jahrhundert und von Agricola aus dem 18. Jahrhundert sind lateinisch flektiert (Sartorij, Agricolae): (11) a. Mit eyner vorrede D. Joh. Dryandri b. des Achtbarn Hochgelarten Herrn Danielis Fabri c. des Herrn Agricolae VermehrungsKunst d. Herrn D. Andreae Sartorij

[staden_landschafft_1557:1] [511528:3]226 [fleming_jaeger02_1724:137] [523586:112]227

Belege aus dem 16. Jahrhundert zeigen noch keine deutsche Deklination. Das passt zum Selbstverständnis der Humanisten und ihrer Wertschätzung für die lateinische Sprache. Zudem ist zu bedenken, dass die Mehrzahl der Drucke im 16. Jahrhundert noch immer auf Latein publiziert wurde und HumanistenN in dieser Phase aktiv neu gebildet wurden, die Träger latinisierter/gräzisierter FamN also besonders eng mit der lateinischen Bildungssprache verbunden waren und auch Außenstehende sie mit ihr in Verbindung brachten (s. hierzu Kap. 3.2.3). Die lateinische Flexion des HumanistenN Faber in (11b.) ist im betreffenden Text von 1591 jedoch bereits auf den Genitiv beschränkt. Im Dativ wird Faber in demselben Text, wie (12a.) zeigt, bereits wie deutsche FamN auf -er mit -n flektiert (vgl. Tabelle 47: Luthern), während (12c.) den lateinischen Dativ auf -io in dem Text von 1631 belegt, der Sartorij zu Sartorius enthält (11d.). Für den HumanistenN Fabricius zeigt (12b.) den lateinischen Akkusativ Fabricium:

|| 226 Diese DTA-Signatur verweist auf folgenden Text: Wenzel, Andreas: Von rechter Prob vnd merckzeichen Christgläubiger menschen. Frankfurt (Oder), 1591. 227 DTA-Signatur für: Thebesius, Adam: Sterbender Christen Seelen-Schatz. Breslau, 1631.

Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen | 187

(12) a. Nachmals iſt ſie [...]/ Herr Danieln Fabern/ [...]/ [511528:30] des hochgelarten Herrn D. Antonij Fabri [...]/ Sohn/ [...] verehelicht worden [...] b. jhren Secretarium Johannem Fabricium [micraelius_pommernland06_1639:143] c. zum Herren D. Andrea Sartorio gezogen [523586:112] d. beym Michael Neander [neickel_museographia_1727:352] Bei der Verwendung der Formen Faber(n) und Fabri im selben Text ist es offenbar nicht relevant, dass der Namenstamm im Genitiv durch die Verwendung der lateinischen Deklination verändert wird. Es wird somit vorausgesetzt, dass LeserInnen mit dem lateinischen Deklinationssystem vertraut sind. Häufig erscheinen Dativ und Akkusativ jedoch bereits früh unflektiert.228 Der Kasus wird dabei in der Regel durch einen Artikel oder beigefügte Attribute eindeutig markiert, wie (12d.) zeigt. Bei genitivischen HumanistenN wie Fabri wird die eigentliche Genitivform als Nominativ verwendet, sodass eine weitere Flexion nach einer lateinischen Deklinationsklasse nicht möglich ist. Die folgenden Belege aus einer Chronik von 1753 beziehen sich auf den Rechtsgelehrten Dionysius Fabri aus Pommern: (13) a. Dionysius Fabri aus Pommern b. eine eigene Erfindung Dionysii Fabri c. des Fabri gedrucktes Stiftische Recht

[lettus_chronik02_1753:41] [lettus_chronik02_1753:90] [lettus_chronik02_1753:42]

Der Genitiv bleibt hier am FamN unmarkiert, wodurch eine Homonymie zur lateinischen Genitivform des HumanistenN Faber wie in (11b.) entsteht. Bei einer Namenform wie Fabri ist somit nur aus dem Kontext zu erkennen, ob es sich um einen Genitiv zum HumanistenN Faber oder um den HumanistenN Fabri handelt, dessen Genitivform mit Nullflexion ebenfalls Fabri ist. In den Beispielen (13a.–13c.) wird der Genitiv durch beigefügte flektierte Formen des RufN (Dionysius – Dionysii) bzw. eines Artikels (des Fabri) eindeutig markiert. Seit dem 17. Jahrhundert ist jedoch auch die deutsche Genitivflexion mit -s nachweisbar, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend mit Apostroph vom Namenkörper abgetrennt wird. Hierdurch können auch HumanistenN wie Fabri mit einer eindeutigen Genitivmarkierung versehen werden: || 228 Für Agricola finden sich noch im 17. Jh. vereinzelt lateinische Dative und Akkusative, z. B. „den sehr gelehrten Rudolphum Agricolam“ [happel_roman_1690:690].

188 | Bildungstypen und Strukturen rezenter Humanistennamen

(14) a. M Fabers Einfalt und Unglück b. mit zuthun der Generaln vnd Obriſten Kniephauſens/ Melanders/ Kaggen c. der fast güldne Glantz Chrysanders Augen d. seit Agricola’s Zeiten e. nach Faber’s Beschreibung f. Bischof Neander’s geschickte Hand g. in Fabri’s Staatskanzlei h. Das Buch des Dr. Fabricius

[schupp_schriften_1663:1051] [micraelius_pommernland06_ 1639:147] [brockes_vergnuegen04_ 1735:102] [gehler_woerterbuch04_ 1798:538] [brunn_griechen02_1859:565] [treitschke_geschichte03_ 1885:418] [paul_titan01_1800:148] [augsburgerallgemeine_167_ 18400615:15]

Der s-Genitiv setzt sich dabei ausnahmslos bei allen HumanistenN durch, unabhängig davon, ob sie auf Konsonant oder Vokal enden. Wie bei den Beispielen zu Fabri in (13) ist der HumanistenN Fabricius in (14h.), der ohne Kontext als Nominativform interpretiert werden würde, aufgrund des Artikels eindeutig als Genitiv zu erkennen. Die Kasusmarkierung wird hier somit in die Syntax ausgelagert, der FamN selbst ist – wie im Gegenwartsdeutschen – unflektiert.229 Die systematische Verwendung von -s zur Genitivmarkierung sowie die Nullmarkierung insbesondere bei HumanistenN, die bereits auf -s enden, dienen der Schemakonstanz des Namenkörpers, die sich in der deutschen Namenflexion im Laufe des 19. Jahrhunderts als allgemeines Prinzip etabliert hat (zur Schemakonstanz bei Namen s. Ackermann 2018: 213–237). Was Bauer (1828: 2,257) als „die ältere Art, nicht-deutsche Eigennamen nach der Biegung ihrer Sprachen auch im Deutschen abzuändern“ bezeichnet, findet sich bei den abgefragten HumanistenN im DTA zuletzt vereinzelt im 18. Jahrhundert (z. B. „Hrn. D. Agricolae Worte“ [reichart_landschatz01_1753:53]; „des Herrn Jacob Friedrich Reimanns, Johann Alberts Fabricii und einiger andern Lutherischen Schriftsteller“ [gessner_buchdruckerkunst04_1745:26]).230 Zu dieser Zeit überwiegen jedoch bereits Belege mit dem deutschen Genitivsuffix -s. Das Fehlen von Belegen

|| 229 Orthographisch wird der Genitiv jedoch durch Apostroph nach dem auslautenden -s markiert (Sartorius’, vgl. Tabelle 48). 230 Bei Belegen für Fabri im Genitiv ist aus den oben genannten Gründen jedoch nicht immer eindeutig zu klären, ob es sich um einen Genitiv zu Faber oder zu Fabri handelt, sodass bei Faber auch spätere lateinische Genitivbildungen denkbar sind.

Flexion latinisierter und gräzisierter Familiennamen | 189

für die lateinische Deklination im 19. Jahrhundert stimmt mit Ackermanns Ergebnissen für RufN überein, nach denen im 18. Jahrhundert in beinahe allen Deklinationsklassen und Kasus die letzten DTA-Belege für die lateinische Deklination zu finden sind.

5 Verbreitung von Humanistennamen Zur Verbreitung von HumanistenN äußert sich bereits Bergerhoff (1918), doch gilt seine Beschreibung lediglich der Entstehungszeit von HumanistenN, ohne dass hieraus explizit eine Schlussfolgerung für die spätere Verbreitung dieser Namentypen gezogen wird. Bergerhoff (1918: 25) stellt „ein bedeutendes Überwiegen der klassischen Namen in den protestantischen gegenüber den altgläubigen Kreisen“ seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts fest. Dafür macht er v. a. die engere Verbindung der Humanisten zur Reformation als zum Katholizismus verantwortlich. Als frühe Zentren habe die „humanistische Namenbewegung an den Universitäten, in größeren Städten und in den gelehrten Gesellschaften Kristallisationspunkte“ gefunden (Bergerhoff 1918: 24; zur Lokalisierung der ältesten Universitäten im deutschen und niederländischen Sprachraum sowie der Universität Wittenberg s. Karte 1). Neben Ingolstadt sieht Bergerhoff einen dieser „Kristallisationspunkte“ in Erfurt mit der dortigen Universität und dem sich aus ihren Professoren und Studenten speisenden Humanistenkreis (s. Kap. 3.2.1), dann in der 1502 gegründete Universität Wittenberg (Bergerhoff 1918: 25). Im Anschluss an seine weiteren Ausführungen zu Wittenberg stellt er fest: Was die weitere Verbreitung der Modekrankheit im 16. Jahrhundert betrifft, so wucherte sie eben außer in Sachsen überall da, wo die humanistische Geistesrichtung besonders ausgeprägt war, also namentlich in der Pfalz, in Basel und vor allem am Hofe des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen. (Bergerhoff 1918: 27)

Bergerhoff macht die genannten Zentren für die Bildung von HumanistenN offenbar nicht an einer hohen Frequenz latinisierter und gräzisierter FamN in einer Stadt oder an einer Universität fest, sondern am Wirken einzelner Personen an diesen Orten, etwa von Konrad Celtis in Ingolstadt, wo dieser 1491 eine Lektur erhielt. Celtis gilt als einer der wichtigsten Initiatoren der Bildung von HumanistenN in Deutschland (vgl. Kap. 3.2.1, 3.2.2 und 3.3.1). Dass Erfurt das erste bedeutende „Zentrum“ für HumanistenN gebildet habe, leitet Bergerhoff offenbar von der Beliebtheit latinisierter und gräzisierter PersN innerhalb des Erfurter Humanistenkreises ab, von denen er zahlreiche nennt (Bergerhoff 1918: 25). Ein Vorbeiziehen Wittenbergs an Erfurt ist schließlich mit dem Wirken Philipp Melanchthons an dieser Universität in Verbindung zu bringen. Aus dem Brief des Studenten Georg Oemler (s. Kap. 3.2.3) leitet er gar eine „Wittenberger Bewegung“ ab (Bergerhoff 1918: 26). Auch die Pfalz und der Hof des hessischen Landgrafen Philipps des Großmütigen dürften von Bergerhoff aufgrund ihrer

https://doi.org/10.1515/9783110744378-005

Verbreitungskarten | 191

diversen Verflechtungen mit dem Humanismus und der Reformation in dieser Reihe genannt werden (zu den Erfurter Humanisten und ihren Verbindungen zum hessischen Landgrafen s. Wendel 2018). Die Verbreitung von rezent vorkommenden HumanistenN beschreibt Rentenaar, der in ihnen ein weitgehend auf Nordwesteuropa beschränktes Phänomen sieht: Kijken we naar de huidige internationale verspreiding van dit soort namen dan valt er een duidelijk samenhangend gebied te constateren waar zij in hoofdzaak voorkomen en dat zich uitstrekt van West- en Noord-Nederland over Noord-Duitsland naar Denemarken, Zweden en Finland.231 (Rentenaar 2003: 84)

Laut Nübling (2004: 469) sind HumanistenN hingegen – zumindest in Bezug auf die rezente Verbreitung – in Dänemark (und in dem von Rentenaar nicht genannten Norwegen) weit weniger verbreitet. Tatsächlich legen die im Namenbuch verzeichneten Substitutionen nahe, dass sich HumanistenN in Dänemark und Norwegen seltener zu FamN entwickelten als in Schweden (s. Namenbuch, Anhang 1; vgl. dort jedoch die Frequenzen von Fabricius und Arctander). Mit der Möglichkeit der Kartierung von FamN hat sich der Blick auf die Verbreitung latinisierter FamN in Deutschland im letzten Jahrzehnt grundlegend gewandelt. In Band 3 des DFA kartiert Bochenek (2012: 732–785) mehrere Gruppen latinisierter FamN. Ein wichtiges Ergebnis seiner Untersuchung ist die Herausstellung eines großen Verbreitungsschwerpunkts von HumanistenN im Westen Deutschlands (v. a. im linksrheinischen Gebiet, rechtsrheinisch bis nach Hessen reichend). Dieses Gebiet hat einen hohen Anteil an katholischer Bevölkerung, was der Beschreibung Bergerhoffs widerspricht, auch liegt es südlich des Raumes, den Rentenaar als „Nordwesteuropa“ bezeichnet. Eine Ergänzung zu den DFA-Karten für einige frequente latinisierte FamN, deren Verbreitungsschwerpunkt in diesem Gebiet in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegt, bietet Steffens (2013: 171–175). Karten von HumanistenN zum Patronym Nikolaus finden sich überdies bei Dräger (2013: 83f, 142–147). Gräzisierungen wurden aufgrund der geringeren Tokenzahlen bislang in keinem dieser Werke kartiert.

|| 231 Übers.: Blicken wir auf die heutige internationale Verbreitung dieser Art von Namen, dann ist ein deutlich zusammenhängendes Gebiet zu erkennen, in dem sie hauptsächlich vorkommen und das sich vom Westen und Norden der Niederlande über Norddeutschland nach Dänemark, Schweden und Finnland ausstreckt.

192 | Verbreitung von Humanistennamen

Die folgenden Verbreitungskarten für Deutschland verstehen sich insbesondere als Ergänzungen zu Bocheneks DFA-Karten und basieren auf derselben Datenbank (s. Kap. 1.4). Zusätzlich werden Kartierungen im niederländischen Sprachraum (Niederlande und belgische Region Flandern) vorgenommen sowie historische Verbreitungskarten anhand der Verlustlisten des Ersten Weltkriegs angeschlossen. Hierdurch wird es möglich, eine anzunehmende Fortsetzung von Verbreitungsschwerpunkten im Westen Deutschlands (Niederrhein und Ostfriesland) zu visualisieren, zumal der niederländische Sprachraum bereits mehrfach als eines der zeitgenössischen „Zentren“ von HumanistenN angesprochen wurde (vgl. z. B. Kap. 1.1 und 3.3.5.3). Die genannten historischen Karten werden zur Erklärung von rezenten Verbreitungskarten mit auffälliger Streuung der Namenvorkommen herangezogen. Hier ist jeweils zu überprüfen, ob bei einzelnen HumanistenN möglicherweise von einer dezentralen, überregionalen Verbreitung auszugehen ist, was die Mobilität von Gelehrten in der frühen Neuzeit prinzipiell vermuten ließe (s. hierzu Kap. 3.2.1), oder ob der historische Verbreitungsschwerpunkt einzelner HumanistenN lediglich östlich von Oder und Neiße lag und die weiträumige rezente Verbreitung somit auf Flucht und Vertreibung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist.

5.1 Verbreitungskarten 5.1.1 Suffigierungen auf -ius In der DFA-Datenbank fragt Bochenek (2012: 777f) FamN auf -ius mit mindestens 50 Tokens ab (136 Types/23.349 Tokens). Daraus kartiert er alle Formen, die keine Substitutionen sind (z. B. Avenarius für Hafermann) und die nicht auf eine tatsächlich verwendete lateinische RufN-Form (z. B. Cornelius) bzw. eine RufNKurzform auf -ius zurückgehen können (z. B. Blasius; Brosius < Ambrosius; auch Varianten auf -ius zu RufN, deren Vollform nicht auf -ius endet, z. B. Möbius < Bartholomaeus, sind ausgeschlossen). Bei den verbliebenen 58 Types (5.425 Tokens) geht Bochenek davon aus, dass diese auf deutsche FamN zurückgehen, die durch Suffigierung mit -ius latinisiert wurden (vgl. Bochenek 2012: 776, Karte 361).

Verbreitungskarten | 193

Karte 2: [Reden]ius in Deutschland (nach: Bochenek 2012: 776, Karte 361)

Details zu Karte 2 „Kartentyp: relativ; Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 3–45, entspricht 0,01–2,79‰“ (Bochenek 2012: 778).232 In der Karte sind alle Motivgruppen vertreten, jedoch v. a. Patronyme wie Apitius 105 (< Apitz < Albert) oder Matthesius 81 (< Matthes < Matthäus). Bei einigen der kartierten FamN ist die Etymologie unklar, z. B. Perius 57, oder es liegen Konkurrenzen vor, z. B. bei Roselius 58 (Bochenek 2012: 777f). Verbreitungs|| 232 Im Folgenden werden diese für das Verständnis der Karten wichtigen Daten entsprechend den Vorgaben des DFA bei allen vorgenommenen Kartierungen angegeben (auch bei historischen und niederländischen Karten), soweit sie ermittelbar sind.

194 | Verbreitung von Humanistennamen

schwerpunkte zeigen sich in Ostfriesland, im Rhein-Moselraum (Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen) und im mainfränkischen Raum. Letztere Ballung geht jedoch auf die dichte Verbreitung des FamN Mönius zurück: Die mit Abstand höchste Konzentration der kartierten Latinisierungen auf -ius findet sich mit einem Anteil von 2,79‰ im PLZ-Gebiet 913 um Forchheim und „davon entfallen 2,69‰/132 Tokens auf Mönius)“ (Bochenek 2012: 779; Etymologie s. Kap. 4.4.1). Die Verbreitung des vergleichsweise frequenten FamN Mönius 251 wirkt somit enorm auf das Kartenbild ein, wie eine separate Kartierung dieses HumanistenN zeigt (Karte absolut, größter Kreis 132 Tokens):

Karte 3: Mönius in Deutschland

Um den Effekt einer lokalen Ballung eines einzelnen frequenten Types zu reduzieren, wird die Kartierung im Folgenden auf alle FamN mit dem Suffix -ius mit

Verbreitungskarten | 195

mindestens 10 Tokens erweitert, bei denen -ius nicht auf eine andere Sprache zurückzuführen ist. Dabei handelt es sich um die in Kap. 4.1.2.1 behandelten 569 Types (33.011 Tokens).233 In Deutschland sind diese wie folgt verbreitet:

Karte 4: [Möb]ius in Deutschland

Datenbasis zu Karte 4 Typ [Möb]ius 569 Types/33.011 Tokens. Kartentyp: relativ, Kreisdiagramme pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 1–50, entspricht 0,04–6,16‰.

|| 233 Vgl. die Liste Familiennamen auf -ius, abrufbar unter https://www.degruyter.com/document/isbn/9783110744378/html.

196 | Verbreitung von Humanistennamen

Unter den hier kartierten FamN auf -ius sind auch einige Latinisierungen, die den Substitutionen zuzurechnen sind, z. B. Fabricius (< Schmidt), Canisius (< Hund), Avenarius (< Hafermann),234 sowie Patronyme wie Cornelius, Möbius (< Bartholomaeus). Deutlich erkennbare Schwerpunkte der Verbreitung finden sich erneut in Ostfriesland, entlang Rhein und Mosel (Rheinland-Pfalz und Saarland bis in den Westen Hessens und den Süden Nordrhein-Westfalens) sowie entlang Elbe und Saale (vom Osten Thüringens und der Mitte Sachsens bis nach Sachsen-Anhalt und in den Westen Brandenburgs). Die Verbreitungsschwerpunkte der DFA-Karte stimmen somit im Wesentlichen mit der hier abgebildeten Karte 4 überein. Lediglich die auf Mönius zurückgehende Ballung am Main tritt nun nicht mehr in demselben Maß hervor, dafür die nordöstlich davon gelegene, die auf der DFA-Karte nur sehr schwach zu erkennen ist. Karte 5 greift ergänzend die Verbreitung einer Auswahl von eindeutigen Suffigierungen aus Karte 4 heraus (≥ 10 Tokens), die aus einem deutschen FamN und dem Suffix -ius bestehen, ohne dass der FamN zusätzlich an die lateinische Sprache angepasst wurde. Hierbei handelt es sich um Suffigierungen deutscher FamN, die dem Anschein nach transparent sind und bei deren Latinisierung deshalb ohne Interpretationsschwierigkeiten auch eine Substitution möglich gewesen wäre.235 Berücksichtigt werden nur Fälle, in denen auch die Orthographie jeweils mit einem Appellativ übereinstimmt.236 Die Auswahl enthält 11 Types/582 Tokens in einem Frequenzbereich von 122 bis 14 Tokens.

|| 234 Zur Etymologie s. auch Namenbuch (Anhang 1). 235 Teilweise ist diese zusätzlich nachweisbar, vgl. Fuchs > Fuchsius 26/Vulpes 17, Jung > Jungius 36/Junior 206, Sohn > Sohnius 89/Filius 49. 236 Um eine Gruppe mit möglichst hoher Transparenz zu erhalten, werden somit niederdeutsche Formen sowie phonologische Varianten und Schreibvarianten ausgeschlossen, da bei diesen eine Zuordnung nicht eindeutig ist und auch eine Anpassung an das Lateinische vorliegen kann, vgl. Sonius 19 < Sohn/Sonne, Funccius 26 < Fun(c)k/Fun(c)k(e), Koppius < Kopp(e)/Köpp(e)Kopf/Köpf.

Verbreitungskarten | 197

Karte 5: Hofius, Bockius, Sohnius, Eberius, [Lang]ius in Deutschland

Datenbasis zu Karte 5 Typ Hofius 122: Hofius. Typ Bockius 111: Bockius. Typ Sohnius 89: Sohnius. Typ Eberius 74: Eberius. Typ [Lang]ius 186: Bergius 24, Fuchsius 26, Hausius 15, Jungius 36, Kochius 14, Kurzius 30, Langius 41. Kartentyp: absolut (Städte zusammengefasst); Kreisdiagramme pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 3–40, entspricht 1–60 Tokens. Auch bei dieser Abfrage fällt eine dichtere Konzentration in Rheinhessen und im Grenzgebiet zwischen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen

198 | Verbreitung von Humanistennamen

auf, die sich insbesondere auf die frequentesten FamN Hofius 122 (Raum Bad Laasphe), Bockius 111 (Raum Ingelheim) und Sohnius 89 (Westerwald/Bergisches Land) gründet. Eberius 74 hingegen ist v. a. zwischen Dessau im Süden Sachsen-Anhalts und Leipzig im Norden Sachsens verbreitet. Die übrigen sieben Types mit je weniger als 50 Tokens (zusammengefasst als Typ [Lang]ius) zeigen keinen eindeutigen Schwerpunkt. Allerdings finden sie sich insgesamt deutlich frequenter im Norden als im Süden, mit kleineren Ballungen am Niederrhein und in Niedersachsen. Vorkommen in Ostfriesland lassen sich für diese FamN nicht feststellen, was darauf zurückzuführen ist, dass in diesem Gebiet einige wenige Latinisierungen auf -ius besonders häufig sind, die in anderen Regionen hingegen kaum vorkommen, wie Karte 6 veranschaulicht. Im Vergleich zu Bocheneks Karte (Bochenek 2012: 780, Karte 362) ist Reddingius 15 hinzugefügt und Stadtteile sind nicht einzeln ausgewiesen.

Karte 6: Redenius, Bolinius, Hessenius, Potinius, Reershemius, Reddingius in Deutschland (Detailansicht Ostfriesland) (vgl. Bochenek 2012: 780, Karte 362)

Verbreitungskarten | 199

Datenbasis zu Karte 6 (vgl. Bochenek 2012: 780) Typ Redenius 344: Red(e/i)nius 340+4. Typ Bolinius 97: Bol(e/i)nius 18+79. Typ Hessenius 95: Hes(s)enius 20+69, Heßenius 6. Typ Potinius 51: Potinius. Typ Reershemius 30: Reershemius. Typ Reddingius 15: Reddingius. Kartentyp: absolut (Städte zusammengefasst); Kreisdiagramme pro fünfstellige PLZ, Kreisgröße 5–70, entspricht 1–67 Tokens. Unter diesen frequenten Latinisierungen in Ostfriesland finden sich v. a. HerkunftsN und WohnstättenN (Redenius < SiedlungsN Rhede, Rheden oder Rehden in Niedersachsen oder WohnstättenN zu mnd. rēde, reide ‘Reede, offener Hafen, Ankerplatz’; Potinius < SiedlungsN Pott, Wohnplatz in Wittmund im Landkreis Ostfriesland; Reershemius < SiedlungsN Reersum, Ortsteil von Dornum im Landkreis Aurich). Bei Hessenius, Bolinius und Reddingius handelt es sich vermutlich um Patronyme zu Bohle (Kurzform zu RufN mit dem Namenglied as. bald ‘kühn, stark’ wie Baldwin), Hesse (< Hesso; Hessenius kann jedoch auch HerkunftsN zum LandesN Hessen sein, vgl. Ebeling 1984: 204f) und Redding (< Kurzform zu RufN mit dem Namenglied as. rād ‘Rat, Beratung’ wie Redewin mit patronymischem Suffix -ing; nach Ebeling 1984: 204f HerkunftsN zum SiedlungsN Reddingen, Ortsteil von Wietzendorf im Landkreis Heidekreis in Niedersachsen). Auf formaler Ebene entsprechen diese Bildungen der in Kap. 4.1.2.1 herausgestellten Struktur von FamN auf -ius: Sie sind viersilbig, werden auf der zweiten Silbe betont und das Suffix ist an einen Nasal angeschlossen, der nicht in ein Konsonantencluster eingebunden ist (an /n/ bei Redén-ius, Bolín-ius, Hessén-ius, Potín-ius; bei Reershém-ius an /m/; bei Reddíng-ius an /ŋ/). Keiner dieser HumanistenN entspricht dem Typ [Hof]ius, bei dem das Suffix -ius an einen bereits bestehenden FamN angefügt wurde. Während HumanistenN zu SiedlungsN in Deutschland außerhalb Ostfrieslands vergleichsweise selten vorkommen,237 sind sie beispielsweise in Schweden sehr frequent, wo

|| 237 Vgl. noch die rezenten HumanistenN Chemnitius 11 (< Chemnitz), Monheimius 31/Monhemius 3 (< Monheim im Kreis Mettmann, Nordrhein-Westfalen), Colonius 26 (< Köln, lat. Colonia Agrippina) und Treviranus 11 (< Trier, lat. Augusta Treverorum). Bei anderen möglichen HerkunftsN wie Lipsius (< Leipzig) liegen Konkurrenzen vor (< RufN Lipps < Philippus).

200 | Verbreitung von Humanistennamen

zudem bei transparenten SiedlungsN auch Substitutionen vorliegen (vgl. Brylla 2007: 664f).238

5.1.2 Lateinische Genitive auf -i Abgefragt werden die frequentesten der in Kap. 4.1.1.2 behandelten lateinischen Genitive auf -i mit graphematischen Varianten auf -y und -ie. Die Abfrage (Paul|Nicola|Jacob|Petr|Albert|Conrad|Philipp)(ie?|y) ≥ 5 Tokens in der DFADatenbank ergibt 17 Types mit insgesamt 22.281 Tokens. Datenbasis zu Karte 7 Typ Nicolai 2.107: Nicola(i/y) 1.617+490. Typ Pauli 5.418: Paul(i/y) 3.291+2.127. Typ Jacobi 4.331: Jacob(i/y) 3.490+833, Jacobie 8. Typ Petri 6.706: Petr(i/y) 3.556+3.106, Petrie 44. Typ Philippi 1.578: Philipp(i/y) 1.571+7. Typ Alberti 708: Albert(i/y) 617+91. Typ Conradi 1.433: Conrad(i/y) 1.079+346, Conradie 8. Kartentyp: relativ; Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 0,06– 6,60‰.

|| 238 Vgl. Latinisierungen wie Agrelius, Aurivillius, Semenius und Gräzisierungen wie Arctaedius, Dryselius im Namenbuch (Anhang 1). Auch zahlreiche FamN auf -ander in Schweden enthalten einen substituierten SiedlungsN, meist mit einem lateinischen Etymon, vgl. FamN wie Arenander, Betulander, Lakander (s. auch Kap. 4.2.7).

Verbreitungskarten | 201

Karte 7: Nicolai, Pauli, Jacobi, Petri, Philippi, Alberti, Conradi in Deutschland

Wie Karte 7 zeigt, sind lateinische Genitive mit dem Suffix -i/-y v. a. in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und im Westen Hessens verbreitet, doch sind bei den verschiedenen Patronymen Unterschiede erkennbar (Philippi v. a. im Saarland, Jacobi auch östlich der Weser, Pauli außer an Rhein und Mosel auch im Raum Passau). Bezüglich der Zusammenhänge zwischen deutschen Genitiven wie Jacobs, Petri oder Wilhelmi stellt Bochenek (2012: 764f) fest: Die Verbreitung von Jacob(i/y) deckt sich nur westl[ich] des Rheins mit der von Jacobs, nicht aber in den übrigen Gebieten, [...]. Petr(i/y) liegt weitgehend außerhalb des Gebiets von Peters, [...]. [...] Bei Wilhelm und Konrad sind dt. Genitive in Ostfriesland und dann wieder in Nordrhein-Westfalen konzentriert, klar getrennt von den weiter südl[ich] verbreiteten lat. Genitiven. [...]

202 | Verbreitung von Humanistennamen

Native und lateinische Genitive bedingen sich also nicht gegenseitig: Lateinische Genitive können auch dort gehäuft auftreten, wo deutsche Genitive eher unüblich sind. Dies belegt, dass HumanistenN wie Jacobi, Petri oder Wilhelmi nicht zwangsläufig auf bereits erstarrte genitivische FamN wie Jacobs, Peters oder Wilhelms zurückgehen, sondern auch eine Latinisierung der Nominativform mittels lat. -i vorgenommen werden konnte (vgl. Kap. 3.3.4.1, 3.3.5.3 und 4.1.1.2).

● Typ Nicolai 2.736  ● Typ Pauli 944  ● Typ Jacobi 800  ● Typ Petri 777  ● Typ Philippi 486  ● Typ Alberti 369  ● Typ Conradi 274 

© Marynissen 

Karte 8: [Petr]i in den Niederlanden und der belgischen Region Flandern

Verbreitungskarten | 203

Datenbasis zu Karte 8 Typ Nicolai 2.736: Nicola(i/y) 1.856+218, Nicolaï 390, Nicolaij 272. Typ Pauli 944: Paul(i/y) 450+430, Paulij 64. Typ Jacobi 800: Jacob(i/y) 629+114, Jacobij 20, Jakob(i/y) 22+15. Typ Petri 777: Petr(i/y) 549+120, Petrie 98, Petrij 10. Typ Alberti 369: Albert(i/y) 321+48. Typ Conradi 274: Conradi 223, Conradie 51. Typ Philippi 486: Philippi 486. Kartentyp: relativ. Im niederländischen Sprachraum zeigen sich zwei deutlich voneinander getrennte Verbreitungsgebiete für dieselben lateinischen Genitive, die in Karte 6 für Deutschland behandelt wurden: Im niederländischen Südosten schließt sich eine Ballung in der niederländischen und der belgischen Provinz Limburg an die nördlichen Ausläufer des deutschen Verbreitungsgebiets an. Im Maastrichter Raum in den Niederlanden ist insbesondere Jacobi verbreitet, auf belgischflämischer Seite häufen sich hingegen v. a. Pauli und Petri. Das andere Verbreitungsgebiet, das insbesondere durch die hohe Frequenz des HumanistenN Nicolai hervortritt, befindet sich in Westfriesland im Norden der Niederlande (Provinz Friesland). Hierin unterscheidet sich Westfriesland deutlich von Ostfriesland, wo lateinische Genitive selten vorkommen (s. auch Bochenek 2012: 763f, Karte 355). Anders als in Deutschland stimmen die niederländischen Genitivgebiete mit diesen Ballungen lateinischer Genitive weitgehend überein (vgl. Marynissen 2014: 190, Karte 7). Besonders frequent sind lateinische Genitive auf -i zu Patronymen auch in Luxemburg, wo – wie im äußersten Westen Deutschlands und in Belgien – die Schreibung mit überwiegt (zu patronymischen Genitiven in Luxemburg s. Kap. 5.2.2).

5.1.3 Patronyme auf -ides Die Abfrage .*ides ≥ 5 Tokens in der DFA-Datenbank ergibt 24 Types mit insgesamt 492 Tokens. Da Überschneidungen mit griechischen Patronymen möglich sind (vgl. Kap. 4.1.2.3), werden zusätzlich Abfragen der RufN im Telefonbuch vorgenommen. Nach Ausschluss nicht zugehöriger FamN wie Weides 98 werden als wahrscheinliche Gräzisierungen auf -ides 12 Types/240 Tokens kartiert.

204 | Verbreitung von Humanistennamen

Karte 9: [Simon]ides in Deutschland

Datenbasis zu Karte 9 Typ [Simon]ides 12 Types/240 Tokens: Jakobides 19, Jo(h)annides 5+6, Kasparides 10, Michalides 29, Ni(c/k)olaides 16+5, Petrides 15, Simonides 71, Stef(f)anides 36+9, Stephanides 19. Kartentyp: absolut (Städte zusammengefasst); Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 1–13 Tokens. Die gräzisierten Patronyme auf -ides zeigen in Deutschland eine weiträumige Streuung, ein Verbreitungsschwerpunkt ist nicht auszumachen. Zusätzlich zu diesem Befund kann die markante Verdichtung in Großstädten (Berlin, München und Wuppertal) auf eine relevante historische Verbreitung in den Gebieten östlich von Oder und Neiße hindeuten, weshalb im Folgenden eine Kartierung

Verbreitungskarten | 205

auf der Grundlage der Verlustlisten des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg vorgenommen wird. Diese verzeichnen die PersN und Geburtsorte der gefallenen, verwundeten, als vermisst gemeldeten oder in Gefangenschaft geratenen Soldaten. Bei der Annahme eines durchschnittlichen Alters dieser Soldaten von Mitte 20 bilden die Karten somit ungefähr die Verbreitung von etwa 1890 ab. Aufgrund der geringeren Abdeckung der Gesamtbevölkerung durch die Verlustlisten im Vergleich zu den Telefondaten von 2005, die der DFA-Datenbank zugrunde liegen, ist davon auszugehen, dass einige der rezent nachweisbaren Namenformen zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen, in den Verlustlisten jedoch nicht vertreten sind. Von den in Karte 9 dargestellten Gräzisierungen können Jakobides, Michalides, Nikolaides, Stefanides, Stephanides und Simonides anhand der Verlustlisten kartographisch dargestellt werden.

● Typ [Simon]ides 43 

Karte 10: [Simon]ides im Deutschen Reich um 1890

206 | Verbreitung von Humanistennamen

Datenbasis zu Karte 10 Typ [Simon]ides 6 Types/43 Tokens: Jakobides 2, Michalides 1, Nikolaides 1, Simonides 17, Ste(f/ph)anides 18+4. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde; größter Kreis: 8 Tokens. Die historische Karte bestätigt, dass ein Großteil der FamN auf -ides, die in Deutschland rezent weit gestreut zu finden sind, Ende des 19. Jahrhunderts einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt in Schlesien und damit östlich der heutigen Staatsgrenze hatte.

● Typ Jakobides 2  ● Typ Nikolaides 1  ● Typ Simonides 17  ● Typ Ste(f/ph)anides 22 

Karte 11: [Simon]ides im Deutschen Reich um 1890 (Detailansicht)

Datenbasis zu Karte 11 Typ Jakobides 2: Jakobides. Typ Nikolaides 1: Nikolaides. Typ Simonides 17: Simonides. Typ Stefanides 22: Ste(f/ph)anides 18+4. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde; größter Kreis: 8 Tokens.

Verbreitungskarten | 207

Von den kartierten FamN auf -ides kommen historisch lediglich die selteneren FamN Jakobides 2 und Nikolaides 1 außerhalb des oberschlesischen Gebietes um Gleiwitz (Gliwice) und Kattowitz (Katowice) vor.239 Die frequenteren FamN Simonides und Stefanides/Stephanides hingegen finden sich im äußersten Osten Schlesiens und somit in einem einstigen sprachlichen Kontaktgebiet mit deutsch- und polnischsprachiger Bevölkerung. Auch in den Niederlanden sind Gräzisierungen auf -ides verbreitet. Karte 12 stellt die Hauptvarianten der häufigsten dieser HumanistenN dar.

● Antonides 317  ● Mensonides 197  ● Paulides 189  ● Gatsonides 149  ● Hilarides 118  ● Hermanides 111  ● Simonides 98 

© Marynissen 

Karte 12: Antonides, Mensonides, Paulides, Gatsonides, Hilarides, Hermanides, Simonides in den Niederlanden und der belgischen Region Flandern

|| 239 Der FamN Michalides 1 ist nur in Barmen (jetzt Stadtteil von Wuppertal, NordrheinWestfalen) außerhalb des Kartenausschnitts verzeichnet.

208 | Verbreitung von Humanistennamen

Datenbasis zu Karte 12 Antonides 317. Mensonides 197. Paulides 189. Gatsonides 149. Hilarides 118. Hermanides 111. Simonides 98. Kartentyp: relativ. Der Verbreitungsschwerpunkt dieser HumanistenN liegt im Norden der Niederlande, mit einer Ballung in den Provinzen Friesland und Groningen (vgl. Sipma 1952: 114; Timmermann 2007: 240). Nach Ebeling (2001a: 179) ist das Suffix -ides „fast ein Markenzeichen“ der Provinz Friesland. Außerhalb dieses Gebietes findet sich Antonides, der häufigste der hier kartierten FamN, auch konzentriert im Binnenland (12 Tokens in der Gemeinde Scherpenzeel, Provinz Gelderland), Paulides in Südholland und Nordbrabant, Hermanides im Süden Nordbrabants an der Grenze zur belgischen Region Flandern. In Flandern ist Hermanides offenbar nicht autochthon, der Kreis bei Brüssel (Gemeinde Bertem, Provinz Flämisch-Brabant) bezieht sich lediglich auf eine Person. Andere Bildungen auf -ides kommen in Belgien nicht vor.

5.1.4 Substituierte Berufsnamen Bochenek (2012: 732f) leitet das Kapitel Semantische Transposition mit einer Verbreitungskarte der frequentesten substituierten FamN Faber (< Schmidt u. ä.) und Molitor (< Müller u. ä.) ein, die im Folgenden nachgebildet ist.

Verbreitungskarten | 209

Karte 13: Faber, Molitor in Deutschland (nach: Bochenek 2012: 732, Karte 338)

Datenbasis zu Karte 13 (vgl. Bochenek 2012: 733) Typ Faber 4.853: Fa(a)ber 4.840+9, Fawer 4. Typ Molitor 1.975: Mol(l)itor 1.939+36. Kartentyp: relativ; Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 3–40, entspricht 0,02– 4,20‰. Der häufigste HumanistenN Faber240 ist weit gestreut verbreitet. Erkennbare Schwerpunkte zeigen sich im Rhein-Mosel-Raum241 bis nach Nordhessen sowie

|| 240 Außer in Deutschland, wo Faber mit 4.840 Tel. 2005 auf Rang 532 der häufigsten FamN steht (s. Artikel Faber im DFD, URL: http://www.namenforschung.net/id/name/532/1, Aufruf-

210 | Verbreitung von Humanistennamen

im thüringisch-fränkischen Grenzgebiet. Demgegenüber nimmt die Dichte der Verbreitung in Bayern und Norddeutschland, insbesondere in MecklenburgVorpommern, stark ab. Der zweithäufigste substituierte FamN Molitor weist hingegen eine eingeschränktere Verbreitung auf, die sich den Rhein (von Mannheim bis ins Ruhrgebiet) und die Mosel entlangzieht,242 mit einzelnen weiteren Verdichtungen bis in den Süden Niedersachsens.

● Typ Faber 1.277  ● Typ Molitor 461 

Karte 14: Faber, Molitor im Deutschen Reich um 1890

|| datum: 30.06.2021), ist er auch der häufigste HumanistenN in Luxemburg (389 Tel. 2009, Rang 21) und den Niederlanden (6.983 NamenträgerInnen 2007, Rang 147). 241 Die meisten Telefonanschlüsse sind in Berlin gemeldet (131), bei getrennter Ausweisung der Stadtteile befinden sich die meisten in Konz bei Trier (33). 242 Am frequentesten ist Molitor mit 74 Telefonanschlüssen in Köln, bei getrennter Ausweisung der Stadtteile im südhessischen Bürstadt (54).

Verbreitungskarten | 211

Datenbasis zu Karte 14 Typ Faber 1.277: Faber 1.277. Typ Molitor 461: Mol(l)itor 451+10. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde; größter Kreis: 36 Tokens (Faber in Berlin). Die anhand der Verlustlisten ermittelte Verbreitung im Deutschen Reich um 1890 bestätigt im Wesentlichen die DFA-Karte: Faber war demnach bereits vor 1945 weit verbreitet, größere Lücken zeigen sich in Norddeutschland und Bayern. Östlich von Oder und Neiße kam Faber hingegen nur in Ostpreußen und im Süden und äußersten Osten Schlesiens gehäuft vor, was die weiträumige Verbreitung auf der DFA-Karte nur noch in geringem Maß verstärkt haben kann. Neben den noch rezent deutlich hervortretenden Schwerpunkten im RheinMosel-Raum ist auch bereits die Ballung im thüringisch-fränkischen Grenzgebiet erkennbar. Für Molitor zeichnet sich hingegen schon historisch die Schwerpunktbildung den Rhein entlang ab.243 Auch diese Substitution war im Osten des Kaiserreichs selten, eine geringe Ballung lässt sich jedoch ebenfalls in Oberschlesien feststellen. Dies ist nicht nur dasselbe Gebiet, in dem auch Faber verstärkt vorkam, sondern auch die Gräzisierungen auf -ides (s. Kap. 5.1.3). Es deutet sich somit ein bislang nicht bekannter Verbreitungsschwerpunkt für HumanistenN im einstigen deutsch-polnischen Kontaktgebiet an, dessen Charakteristik noch anhand weiterer Typen von HumanistenN zu untersuchen ist (vgl. Kap. 5.1.7). Die andere Ballung von Faber in Schlesien, die keilförmig in das heutige Tschechien hineinragt, könnte in eine ähnliche Richtung weisen. Evidenz für eine verstärkte Verbreitung von HumanistenN in deutsch-slawischem Kontaktgebiet im schlesischen Raum könnte die Ergänzung der digitalisierten Verlustlisten um das Gebiet Österreich-Ungarns und damit die Fortsetzung der Karten im Südosten zutage fördern.244 Auch im niederländischen Sprachraum ist Faber der frequenteste HumanistenN. Da Molitor hier jedoch sehr selten vorkommt, wird in Karte 15 stattdessen zusätzlich zu Faber die Verbreitung des dortigen zweithäufigsten substituierten FamN Nauta dargestellt.

|| 243 Die Stadt mit den meisten Namenvorkommen ist auch nach diesen Daten bereits Bürstadt mit 14 Tokens. 244 Beim Abschluss dieser Arbeit waren über 80% der Daten digitalisiert (Listen 1914–1917 und 1919), s. Genealogy.net (https://wiki-de.genealogy.net/Verlustlisten_%C3%96sterreichUngarns_1914-1919, Aufrufdatum: 30.06.2021).

212 | Verbreitung von Humanistennamen

● Faber 7.080  ● Nauta 2.817 

© Marynissen 

Karte 15: Faber, Nauta in den Niederlanden und der belgischen Region Flandern

Datenbasis zu Karte 15 Faber 7.080. Nauta 2.817. Kartentyp: relativ. Im niederländischen Sprachraum ist Faber mit 6.983 NamenträgerInnen v. a. in den Niederlanden verbreitet, in der belgischen Region Flandern sind lediglich die übrigen hier kartierten 97 NamenträgerInnen gemeldet. Auch die Verbreitung von Nauta ist mit 2.802 von 2.817 NamenträgerInnen deutlich auf die Niederlande konzentriert. Dort ballen sich beide HumanistenN besonders in der Provinz Friesland, etwas schwächer in den benachbarten Provinzen Groningen und Nordholland. Wie bei den Gräzisierungen auf -ides zu sehen (Kap. 5.1.3), unterscheidet sich der Norden der Niederlande hinsichtlich der Verbreitung dieser HumanistenN deutlich vom angrenzenden ostfriesischen Gebiet im Nordwesten Deutschlands, wo keine dieser Formen frequent auftritt.

Verbreitungskarten | 213

Auch eine Kartierung der BerufsN auf -tor (≥ 10 Tokens) nimmt Bochenek (2012: 734–736, Karte 339) vor. Seine Karte mit 19 Types wird um Auditor 23 als Substitution für FamN wie Schüler, Jünger (zu lat. audītor ‘Zuhörer, Schüler’) ergänzt, außerdem um die Varianten Guvernator 7 zu Gubernator 92, Praxator 8 zu Braxator 11 und Mercator 5 zu Merkator 24. Zugunsten einer deutlicheren Hervorhebung der Verbreitungsschwerpunkte werden in Karte 16 die 23 sich hieraus ergebenden Types zu einer einzigen Namengruppe [Pis]tor zusammengefasst.

Karte 16: [Pis]tor in Deutschland

214 | Verbreitung von Humanistennamen

Datenbasis zu Karte 16 Typ [Pis]tor 23 Types/2.542 Tokens: Auditor 23, (B/P)raxator 11+8, Gladiator 51, Gu(b/v)ernator 92+7, Mer(c/k)ator 5+24, Pastor 352, Pis(c/k)ator 29+16, Pistor 396, Pr(ae/ä)tor 21+22, Pretor 28, Sartor 370, Sator 130, Sut(t)or 373+41, Textor 351, Venator 12, (V/W)ietor 168+12. Kartentyp: relativ; Kreise pro dreistellige PLZ; Kreisgröße 2–35, entspricht 0,01– 1,17‰. Karte 16 bestätigt im Wesentlichen das bereits mehrfach herausgestellte Verbreitungsgebiet vom Saarland über Rheinland-Pfalz bis in den Westen Hessens sowie eine insgesamt dichtere Verbreitung entlang des Rheins. Während Ostfriesland hier erneut nicht herausragt, ist ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt im bayrisch-thüringisch-sächsischen Grenzgebiet auszumachen. In diesem Raum sind auch Faber und Mönius besonders frequent. Es zeigt sich somit, dass sich neben einem weiträumigen westlichen Verbreitungsschwerpunkt von HumanistenN häufig ein hiervon getrennter östlicher (der je nach HumanistenN vom südlichen Sachsen-Anhalt bis zum fränkischen Norden Bayerns reicht) erkennen lässt. Die Ballung in Ostfriesland ist hingegen v. a. auf die in Kap. 5.1.1 besprochenen, regionalspezifischen Latinisierungen auf -ius begrenzt.

5.1.5 Wohnstättennamen auf -anus Im Folgenden wird die Verbreitung der in Kap. 4.2.4 besprochenen latinisierten WohnstättenN mit dem Suffix -anus dargestellt. In Deutschland eignen sich lediglich Montanus 101 (zu lat. mōns, montis ‘Berg’) und Silvanus 73 (zu lat. silva ‘Wald’) für die Kartierung, die Variante Sylvanus 2 sowie die Latinisierungen Puteanus 6 (zu lat. puteus ‘Brunnen; Grube’) und Molanus 2 (zu lat. mola ‘Mühlstein’, Plural molae ‘Mühle’) werden aufgrund der geringen Frequenz nicht berücksichtigt.

Verbreitungskarten | 215

Karte 17: Montanus, Silvanus in Deutschland

Datenbasis zu Karte 17 Montanus 101. Silvanus 73. Kartentyp: absolut (Städte zusammengefasst); Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 1–15 Tokens. Die Verbreitung von Silvanus 73 weist zwei Schwerpunkte im äußersten Westen Deutschlands an der Grenze zu Luxemburg (Eifelkreis Bitburg-Prüm in Rheinland-Pfalz) bzw. zu Frankreich (Landkreis Saarlouis im Saarland) auf, doch finden sich weder Silvanus noch die seltene Variante Sylvanus auf der anderen Seite dieser Grenzen. Montanus 101 ist hingegen im rechtsrheinischen Gebiet verbreitet, die größte Ballung befindet sich im Raum Siegen. Damit könnte dem

216 | Verbreitung von Humanistennamen

HumanistenN neben WohnstättenN zu mhd. berc, mnd. berch ‘Berg’ und HerkunftsN zu einer gleichnamigen Siedlung auch der LandesN des Herzogtums Berg zugrunde liegen, in und um dessen Grenzen Montanus verbreitet ist. Wie in Kap. 4.2.4 gezeigt, kommen Substitutionen mit dem Suffix -anus jedoch v. a. in den Niederlanden vor. Im Folgenden werden die dort vertretenen Formen kartiert (5 Types/463 Tokens).

● Montanus 193  ● Paludanus 132  ● Molanus 74  ● Hortulanus 58  ● Pontanus 6 

© Marynissen 

Karte 18: Montanus, Paludanus, Molanus, Hortulanus, Pontanus in den Niederlanden und der belgischen Region Flandern

Datenbasis zu Karte 18 Montanus 193. Paludanus 132. Molanus 74. Hortulanus 58. Pontanus 6. Kartentyp: relativ.

Verbreitungskarten | 217

Die in Karte 18 dargestellten substituierten WohnstättenN auf -anus weisen im niederländischen Sprachraum eine andere Verbreitung auf, als dies anhand der Karten 8, 12 und 15 zu vermuten wäre. Während der Schwerpunkt der niederländischen HumanistenN bislang auf die Provinz Friesland weist, hat dieses Gebiet am Vorkommen von WohnstättenN auf -anus keinen relevanten Anteil. Diese häufen sich insbesondere im Westen (Südholland) und im Zentrum des Landes (Provinz Utrecht und Westen der Provinz Gelderland) sowie in der Provinz Groningen im Nordosten (dort jedoch lediglich Molanus). In Westfriesland sind hingegen zumindest bei HerkunftsN – wie in Ostfriesland – Suffigierungen mit -ius üblich, vgl. Winsemius 88 zum SiedlungsN Winsum (Provinz Groningen) oder Staphorsius 72 zum SiedlungsN Staphorst (Provinz Overijssel). Pontanus 6 ist auf dieser Karte nur in Brüssel und Löwen verzeichnet, doch sind 33 weitere Personen mit diesem FamN in Belgien außerhalb des niederländischen Sprachraums in der Region Wallonien gemeldet. Pontanus ist somit der einzige der hier kartierten substituierten WohnstättenN auf -anus, der v. a. außerhalb des niederländischen Sprachraums verbreitet ist.

5.1.6 Hyperlatinisierungen Hyperlatinisierungen, also Substitutionen, die zusätzlich das lateinische Suffix -ius erhalten haben, kamen erst mit dem Humanismus auf (vgl. Kap. 3.3.4.1 und 3.3.4.2). Kartiert werden die frequentesten zugehörigen Bildungen, wobei Fabricius wie in Kap. 3.3.4.1 getrennt von den Formen auf -torius behandelt wird. Der Karte von Bochenek (2012: 737, Karte 340), die Formen bis zu einer Frequenz von mindestens 100 Tokens darstellt, werden die Varianten Fabritzius 12 und Pretorius 19 sowie der FamN Sutorius 72 hinzugefügt. Statt der einzelnen Farbgebung für jeden FamN mit seinen jeweiligen Varianten werden im Folgenden die Hyperlatinisierungen auf -torius zu einer Namengruppe zusammengefasst, wodurch die beiden etwa gleich großen Namengruppen Fabricius 1.051 und [Sar]torius 1.365 entstehen.

218 | Verbreitung von Humanistennamen

Karte 19: Fabricius, [Sar]torius in Deutschland

Datenbasis zu Karte 19 Typ Fabricius 1.063: Fabri(c/t)ius 542+330, Fabri(tz/z)ius 12+179. Typ [Sar]torius 1.384: Pistorius 427, Pr(ae/ä)torius 197+180, Pretorius 19, Sartorius 489, Sutorius 72. Kartentyp: relativ; Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 0,01– 0,97‰. Die auffälligsten Verbreitungsschwerpunkte beider Namengruppen finden sich weit im Westen Deutschlands (Fabricius: Raum Köln-Bonn; [Sar]torius: Saarland, Südhessen, Westfranken und Norden Baden-Württembergs). Da darüber hinaus eine dichtere Verbreitung in fast ganz Deutschland (außer in Bayern und

Verbreitungskarten | 219

im Nordosten) zu beobachten ist, werden die frequenteren Formen (mindestens 50 Tokens in der DFA-Datenbank) zusätzlich historisch kartiert (Karte 20).

● Typ Fabricius 174  ● Typ [Pis]torius 415 

Karte 20: Fabricius, Sartorius, Pistorius, Praetorius im Deutschen Reich um 1890

Datenbasis zu Karte 20 Typ Fabricius 174: Fabri(c/t)ius 129+33, Fabrizius 12. Typ [Pis]torius 415: Pistorius 134, Pr(ae/ä)torius 41+78, Sartorius 143, Sutorius 19. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde, größter Kreis entspricht 16 Tokens. Die historische Kartierung zeigt für Fabricius einen weiteren Verbreitungsschwerpunkt in Ostpreußen sowie eine Ballung im jetzt zu Dänemark gehörenden nördlichen Teil Schleswigs (in Dänemark, dessen Einwohnerzahl weniger als 7% von der Deutschlands beträgt, tragen etwa ebenso viele Personen den FamN Fabricius245).

|| 245 Dänemark (2020): 1.560 NamenträgerInnen; Deutschland 2005: 542 Telefonanschlüsse (entspricht ca. 1.572 NamenträgerInnen, ohne Berücksichtigung von Schreibvarianten).

220 | Verbreitung von Humanistennamen

5.1.7 Gräzisierungen auf -ander Wie Hyperlatinisierungen gehören auch Gräzisierungen zu jenen Namenbildungen, die erst mit dem Humanismus aufkamen (zur Zunahme von Gräzisierungen auf -ander im 16. Jahrhundert s. Kap. 3.3.4.4). Da HumanistenN mit dem Namenglied -ander (< -mann, zur Bildung s. Kap. 4.2.7) rezent weniger vorkommen als etwa Hyperlatinisierungen und ihre Verbreitung bislang nicht dokumentiert wurde, werden die häufigsten Formen separat kartiert (Karten 21 und 22). Karte 21 gilt der frequentesten Bildung Komander 249 (zu griech. κώμη, kóme ‘Dorf’ für FamN wie Hoffmann) und der zugehörigen Variante Kommander 34.

Karte 21: Komander, Kommander in Deutschland

Verbreitungskarten | 221

Datenbasis zu Karte 21 Komander 249. Kommander 34. Kartentyp: absolut (Stadtteile einzeln ausgewiesen); Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 1–6 Tokens. Der HumanistenN Komander ist weiträumig gestreut verbreitet, größere Lücken finden sich in Norddeutschland sowie im thüringisch-sächsischen Raum. Auch um den Universitätsort Wittenberg in Sachsen-Anhalt, wo in den Matrikeldaten die meisten Gräzisierungen auf -ander erscheinen (s. Kap. 3.3.4.4), sind diese rezent kaum nachweisbar. Es fällt auf, dass bei Komander mit maximal 6 Tokens innerhalb eines einzelnen dreistelligen PLZ-Gebiets keine erkennbaren Ballungen auftreten. Die Verbreitung der nächstfrequenten Gräzisierungen auf -ander, bei denen eine Gräzisierung historisch nachweisbar ist (s. Namenbuch, Anhang 1), ist in Karte 22 dargestellt. Datenbasis zu Karte 22 Typ Leander 27: Leander. Typ Melander 18: Melander. Typ Neander 94: Neander. Typ Sarkander 45: Sarcander 24, Sarkander 21. Typ Xylander 48: Xylander. Kartentyp: absolut (Stadtteile einzeln ausgewiesen); Kreise pro dreistellige PLZ, Kreisgröße 2–35, entspricht 1–8 Tokens.

222 | Verbreitung von Humanistennamen

Karte 22: Leander, Melander, Neander, Sarkander, Xylander in Deutschland

Für diese selteneren Gräzisierungen lassen sich leichte Ballungen feststellen: So kommt etwa der FamN Melander v. a. im Kieler Raum in Schleswig-Holstein vor, während Xylander in Thüringen und Sachsen, Neander am Niederrhein (Raum Düsseldorf) und – weniger stark ausgeprägt – in Sachsen-Anhalt, Leander zwischen Rhein, Main und Saale Schwerpunkte bilden und Sarcander/Sarkander v. a. in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dichter verbreitet ist. Karte 23 gibt die Verbreitung der Gräzisierungen aus beiden Karten historisch wieder. Wegen der geringen Frequenz ausgeschlossen wird lediglich Melander 2 (Osten Schleswig-Holsteins). Die übrigen in den Karten 21 und 22 dargestellten FamN sind mit insgesamt 183 Einträgen in den Verlustlisten vertreten (Farbgebung wie in Karte 21 und 22, Komander und Kommander sind in der Namengruppe Komander zusammengefasst).

Verbreitungskarten | 223

● Typ Komander 84  ● Typ Leander 16  ● Typ Neander 52  ● Typ Sarkander 8  ● Typ Xylander 23 

Karte 23: Komander, Leander, Neander, Sarkander, Xylander im Deutschen Reich um 1890

Datenbasis zu Karte 23 Typ Komander 84: Kom(m)ander 45+39. Typ Leander 16: Leander. Typ Neander 52: Neander. Typ Sarkander 8: Sar(c/k)ander 5+3. Typ Xylander 23: Xylander. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde, größter Kreis entspricht 16 Tokens. Die historische Karte zeigt, dass sich die Verbreitung der meisten Gräzisierungen auf -ander kaum verändert hat. Neander 52 weist bereits die Ballungen am Niederrhein und im heutigen Sachsen-Anhalt auf (außerdem eine weitere mit 9 Vorkommen in Danzig/Gdansk im heutigen Polen), Xylander bildet einen Schwerpunkt im Südwesten Thüringens, Leander in Sachsen-Anhalt und Sarkander ist auf den Norden konzentriert (Vorkommen außer in Hamburg v. a. in Mecklenburg). Besonders auffällig ist jedoch die Verbreitung von Komander: Diese nach den DFA-Karten verstreut vorkommende häufigste Gräzisierung auf -ander erscheint in den Verlustlisten des Ersten Weltkriegs ausschließlich in Oberschlesien, bildete dort also einen sehr dichten Verbreitungsschwerpunkt. Wäh-

224 | Verbreitung von Humanistennamen

rend sich für Komander in den DFA-Daten trotz höherer Abdeckung der Bevölkerung durch Telefonanschlüsse und einer damit verbundenen deutlich höheren Tokenzahl sowie zusätzlich einer gröberen Kartierung nach dreistelligen PLZ lediglich 6 Tokens in einem Kreisdiagramm bündeln, steht der größte Kreis in der historischen Karte für 16 Personen in einer Gemeinde (Stadt Cosel, jetzt Koźle, Stadtteil von Kędzierzyn-Koźle, Polen). Karte 24 zeigt eine Detailansicht dieses Gebietes mit Komander sowie den Gräzisierungen auf -ides und der Substitution Molitor, die in dieser Region ebenfalls markante Ballungen aufweisen (vgl. Karten 10, 11 und 14).

● Typ Komander 84  ● Typ Molitor 451  ● Typ [Simon]ides 39 

Karte 24: Komander, Molitor, Simonides, Stefanides im Deutschen Reich um 1890 (Detailansicht Schlesien)

Datenbasis zu Karte 24 Typ Komander 84 (rot): Kom(m)ander 45+39. Typ Molitor 451 (grün): Molitor 451 (Schlesien: 15). Typ [Simon]ides 39 (blau): Simonides 17, Ste(f/ph)anides 18+4. Kartentyp: absolut; Kreise pro Gemeinde; größter Kreis: 16 Tokens; kleinster Kreis: 1 Token.

Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete | 225

5.2 Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete Die in diesem Kapitel vorgenommenen Kartierungen haben mehrere Verbreitungsschwerpunkte von HumanistenN in Deutschland und den Niederlanden aufgezeigt. Im Folgenden werden anhand der besprochenen Namenkarten und der aus Skandinavien bekannten Verbreitung von HumanistenN vier großräumige Verbreitungsgebiete beschrieben, die sich durch ihr spezifisches Inventar an HumanistenN sowie durch äußere Umstände (Alter von FamN, sprachliche Situation, Konfession etc.) voneinander unterscheiden.

5.2.1 „Nordwesteuropa“ Das westlichste dieser Verbreitungsgebiete hat sein Zentrum in der niederländische Provinz Friesland und ragt in die angrenzenden Provinzen Nord- und Südholland im Westen und die Provinz Groningen im Osten hinein. Laut Ebeling (2001a: 179) fanden sich unter den 100 frequentesten FamN in der niederländischen Provinz Friesland 1947 fünf HumanistenN: Faber, Nauta, Posthumus,246 Nicolai und Kuperus. Gräzisierungen auf -ides zeigen nirgends eine ähnlich dichte Verbreitung wie in diesem Gebiet (s. Kap. 5.1.3). Östlich an die Provinz Groningen schließt sich das zu Deutschland gehörende ostfriesische Gebiet an, in dem einige wenige, nur lokal verbreitete HumanistenN hohe Frequenzen erreichen. Anders als in Westfriesland finden sich hier jedoch nicht einzelne hochfrequente BerufsN wie Faber oder Nauta (s. Kap. 5.1.4) oder systematisch gräzisierte Patronyme auf -ides unter diesen HumanistenN, sondern insbesondere HerkunftsN und Patronyme auf -ius (s. Kap. 5.1.1). Diese kommen weniger exponiert auch in Westfriesland vor (z. B. Winsemius, s. Kap. 5.1.5). Während HumanistenN zu SiedlungsN im niederländischen und deutschen Sprachgebiet außerhalb der friesischen Regionen eher unüblich sind,247 leiten sich insbesondere auch in Schweden (weniger in Dänemark und Norwegen) viele HumanistenN aus SiedlungsN ab, wofür dort verschiedene Bildungstypen zur Verfügung stehen. Auch in Schweden werden HerkunftsN häufig auf -ius

|| 246 Bei Posthumus (2.419 NamenträgerInnen in den Niederlanden 2007) handelt es sich um eine Latinisierung des friesischen FamN Postma (12.395) (vgl. Namenbuch, Anhang 1, unter 2. Pseudo-Substitutionen). 247 Der bislang nicht genannte nordfriesische Raum im Westen Schleswig-Holsteins tritt nicht als auffälliges Verbreitungsgebiet von HumanistenN in Erscheinung.

226 | Verbreitung von Humanistennamen

gebildet, hinzu kommen zahlreiche Bildungen auf -ander, das häufig an einen substituierten SiedlungsN tritt (s. Kap. 4.2.7). Das PersN-System dieser friesischen und skandinavischen Gebiete ist historisch durch die lange Gültigkeit des patronymischen Prinzips und die damit einhergehende späte Durchsetzung von FamN gekennzeichnet. Hier wurden FamN erst in der Neuzeit verpflichtend eingeführt (in Westfriesland beispielsweise erstmals 1811, s. Nieuwland 1980), jedoch bereits früher von Gelehrten (z. B. Pfarrern) und einigen anderen Bevölkerungsgruppen getragen (in Schweden z. B. von Adeligen, Gelehrten und Soldaten, s. Brylla 2007: 663–666; ein Beispiel aus Ostfriesland s. u.). Der größte Teil der Bevölkerung hatte in diesen Gebieten hingegen noch lange lediglich einen RufN und ein stets auf den eigenen Vater referierendes (und damit nicht vererbbares) Patronym. Da hier auch ein Gelehrter vor der Annahme eines HumanistenN häufig noch keinen BeiN/ FamN trug, stand ihm hierfür deshalb lediglich eine Latinisierung/Gräzisierung dieses Patronyms oder des Namens seines Herkunftsortes zur Verfügung.248 In den sich südlich anschließenden (nieder)deutschen und niederländischen Gebieten hingegen ist die Verwendung von BeiN beim ersten Kontakt mit dem Humanismus – insbesondere in den aufstrebenden Universitäts- und Hansestädten – bereits weitgehend vollzogen (Kunze 42003: 60f). Studenten, die aus den friesischen und skandinavischen Gebieten stammten, übernahmen diese Praxis früher als der größte Teil der übrigen Bevölkerung und – der zeitlichen Strömung entsprechend – häufig in latinisierter oder gräzisierter Form. Eine Neubildung eines latinisierten FamN nach dem Herkunftsort ist exemplarisch bei dem ostfriesischen FamN Reershemius nachweisbar (zur Verbreitung s. Kap. 5.1.1): Der protestantische Pfarrer Aybo Ihnen (1547–1617), Sohn von Ihno Siebels aus dem ostfriesischen Dorf Reersum im Landkreis Aurich, nahm – vermutlich im Zusammenhang mit einem Theologiestudium – den HumanistenN Reershemius an (Koerner 1938: 549). Zurück in Ostfriesland, führte er diesen als Prediger in Petkum (jetzt Stadtteil von Emden) weiter und vererbte ihn an seine Nachkommen. Sein 1580 in Petkum geborener Sohn Anton (Koerner 1938: 551) ist 1600 als Antonius Aiben Reershemius Frisius orient. an der Universität Wittenberg immatrikuliert (Hartwig 1894: 469). Während der zweite Name in den Matrikeln bei den meisten Studenten in dieser Zeit den FamN anzeigt, der zum HumanistenN latinisiert oder gräzisiert werden konnte, ist dieser hier das von Generation zu Generation wechselnde Patronym im Genitiv (Aiben nach dem Vater, der den RufN Aybo trug). Demgegenüber ist der dritte Eintrag, der üblicherweise den Herkunftsort angibt, bereits in dieser zweiten Generation || 248 Zu FamN und SiedlungsN als Grundlage von HumanistenN s. Kap. 3.2.1.

Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete | 227

zum eigentlichen FamN geworden, denn Antonius Aiben Reershemius wurde selbst nicht mehr in Reersum, sondern in Petkum geboren, womit bei ihm Reershemius als Referenz auf den Herkunftsort nicht mehr korrekt ist. Er führte also den HumanistenN seines Vaters als dritten, erblichen Namen zusätzlich zu dem wechselnden Patronym weiter, wie dies auch bei den nachfolgenden Generationen feststellbar ist (da der in Wittenberg belegte Antonius Aiben Reershemius kinderlos war, wird im Folgenden dessen älterer Bruder Ihno Ayben angeführt) (Koerner 1938: 550–555): Tab. 50: Entstehung und Vererbung des HumanistenN Reershemius in Ostfriesland

RufN

Patronym

HumanistenN

Geburtsort

Ihno

Siebels

-

?

Aybo

Ihnen

Reershemius

Reersum

Ihno

Ayben

Reershemius

Petkum

Ubbo

Ihnen

Reershemius

Esens

Für Gelehrte in Gebieten, in denen FamN unüblich waren, stellten HumanistenN somit eine Möglichkeit dar, die Zugehörigkeit zu einer Familie zu markieren, die Zugang zu Bildung hatte. So konnten sich etwa protestantische Pfarrerfamilien von der bäuerlichen Bevölkerung und auch von großen Teilen des bürgerlichen Milieus abheben. Hierfür konnten auch die eigentlich wechselnden Patronyme (vgl. insbesondere Nicolai und die FamN auf -ides) und Berufe des Vaters (nur in Westfriesland, vgl. Faber, Nauta) als erblicher HumanistenN Verwendung finden, das zugrunde liegende Prinzip ist ähnlich zu bewerten. Einige HumanistenN in den friesischen und skandinavischen Gebieten breiteten sich folglich bereits einige Jahrhunderte früher aus als die meisten anderen FamN. Diese äußeren Umstände erklären die hohe Dichte, die einzelne HumanistenN in diesen Gebieten erreichen. Insbesondere im Falle Schwedens und der niederländischen Provinz Friesland hat sich dieses Phänomen schließlich auch auf weitere Bevölkerungsschichten ausgebreitet. Der Vorteil dieser HumanistenN liegt insbesondere in einem Gebiet, in dem eine geringe Anzahl an Patronymen hochfrequent ist und in der Folge sehr viele Personen denselben FamN tragen, in der Distinktion und der sprachlichen Profilierung. Für den hier beschriebenen Raum – West- und Ostfriesland sowie Schweden (mit den übrigen nördlichen Provinzen der Niederlande, Dänemark und Norwegen als Randgebieten) – kann der von Rentenaar verwendete Begriff Nordwesteuropa verwendet werden. Im Gegensatz zu seiner Definition ist jedoch

228 | Verbreitung von Humanistennamen

einerseits der größte Teil Norddeutschlands hiervon auszuschließen, andererseits sind weitere, geographisch und kulturgeschichtlich anders zu wertende Gebiete ebenfalls als Verbreitungsgebiete von HumanistenN auszumachen. Das so präzisierte Nordwesteuropa ist folglich lediglich ein Teilgebiet der Verbreitung von HumanistenN.

5.2.2 Das Rhein-Maas-Gebiet Weiter südlich findet sich ein Verbreitungsgebiet von HumanistenN, das im Westen vom Saarland über Luxemburg sowie die belgische und die niederländische Provinz Limburg bis nach Hessen im Osten reicht. Typisch für diese Region ist die besonders hohe Frequenz von lateinischen Genitiven wie Petri und substituierten BerufsN wie Faber und insbesondere Molitor, der nur in dieser Region eine besonders große Ballung aufweist (s. Kap. 5.1.4). Nirgends sonst sind überdies ähnlich viele verschiedene Types an Suffigierungen auf -ius sowie die ebenfalls auf -ius endenden Hyperlatinisierungen anzutreffen (s. Kap. 5.1.1). Dieser Raum um Rhein und Maas ist zwar in weiten Teilen evangelisch, aber auch katholisch geprägt (z. B. umfasst er die Kerngebiete der einstigen Erzbistümer Köln, Trier und Mainz), was einer allgemeinen Rückführung von HumanistenN auf evangelische (lutherisch bzw. calvinistisch geprägte) Gebiete, wie sie Bergerhoff annimmt, widerspricht (s. auch die Verbreitungskarten bei Bochenek 2012: 732–785 und Steffens 2013: 171–175). Dieser Raum wird v. a. in der älteren Forschung – abgesehen von den Randgebieten in den protestantischen Teilen Hessens – nicht als Verbreitungsgebiet von HumanistenN wahrgenommen, was vermutlich einerseits damit zusammenhängt, dass von einigen katholischen Theologen wie Johannes Eck kritische Äußerungen zur Latinisierung und Gräzisierung von FamN bekannt sind (Bergerhoff 1918: 29f) und andererseits damit, dass katholische Pfarrer keine FamN vererben durften, weshalb ein Stammbaum wie der in Kap. 5.2.1 dargestellte der ostfriesischen Pfarrerfamilie Reershemius hier nicht möglich ist. Ein Blick in die Stadtaufnahmen der erzbischöflichen Residenzstadt Mainz zeigt jedoch, dass HumanistenN hier im 16. Jahrhundert bereits einige Verbreitung hatten und dabei keineswegs auf Theologen beschränkt waren (s. Anm. 221). Besonders eindrücklich zeigt sich die Ausbreitung in weitere Bevölkerungsschichten auch in den deutschsprachigen Bürgerbüchern und Schatzungslisten der pfälzischen Stadt Kaiserslautern (Braun & Rink 1965):

Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete | 229

Tab. 51: HumanistenN in Kaiserslautern im 17./18. Jahrhundert

Jahr

Eintrag

Seite

1656

Anthonius Pelargus, Schuldiener

1691

Thomas Crusius, Metzger, bürtig auß Cusel

76

1700

Johannes Petri, Johann Adolph Petri burgers von hier Sohn

83

173

1721

Herr Nicolaus Comes, Ambts-Schultheiß

189

1740

Johann Thomas Caspari, Kieffer und Bierbrauer, gebürttig zu Breingesheim [...]

105

1746

Johann Christian Molitor, des abgelebten Johann Molitors, gewesenen Rathsverwandten dahier, Ehelicher sohn, ein Becker

108

1751

Carl Nicolaus Lanius, seiner profession ein Krämer, des Kayßerlichen Notarii und oberambts advocaten zu Freinsheim Caspar Lanio hinterlaßener sohn

113

Diese Einträge deuten darauf hin, dass latinisierte/gräzisierte FamN zunächst z. B. durch Lehrer, Juristen und politisch einflussreiche Bürger angenommen wurden und über diese schließlich u. a. auch in Handwerkerkreise gelangten (vgl. den Krämer Carl Nicolaus Lanius 1751, dessen Vater ohne juristisches Studium kaum als „Kayserlich[r] Notari[us] und oberambts advocat“ eingesetzt worden wäre). Da die deutschen Namenformen in den Bürgerbüchern um ein Vielfaches überwiegen und häufig über mehrere Generationen unverändert erscheinen, ist von einer tatsächlichen Verwendung der hier genannten latinisierten/gräzisierten Formen im Alltag auszugehen. Lateinische Genitive finden sich vermehrt in dem Gebiet, in dem auch native (deutsche und niederländische) Genitivformen frequent sind, doch reicht ihre Verbreitung darüber hinaus und ist in einigen Fällen sogar eher in den Randgebieten besonders markant (Bochenek 2012: 764f). Die Ausdehnung in den sich westlich anschließenden französischen Sprachraum in der belgischen Region Wallonien ist bei einigen der kartierten Genitive fließend, in Frankreich wird die deutsch-französische Sprachgrenze hingegen kaum überschritten. In Luxemburg finden sich einige Latinisierungen unter den häufigsten autochthonen FamN,249 von denen nur die ersten drei der hier angegebenen keine Patronyme im Genitiv sind (Liste nach Kollmann, Gilles & Muller 2016: 393f):

|| 249 Paulus belegt mit 109 Tel. Rang 150, wird hier jedoch nicht zu den HumanistenN gerechnet, ebenso Thoma (134 Tel., Rang 114). Zum Ausschluss dieser FamN s. Kap. 1.2.

230 | Verbreitung von Humanistennamen

Tab. 52: Latinisierungen unter den 200 frequentesten FamN in Luxemburg

Rang

FamN

Tel.

14

Faber

454

21

Majerus

389

33

Molitor

291

46

Jacoby

221

49

Huberty

218

68

Pauly

175

118

Winandy

131

122

Antony

127

159

Petry

108

191

Thilmany

98

Im Norden reicht dieses Gebiet nicht bis an den ostfriesischen Raum heran, sodass in Norddeutschland etwa ab dem Ruhr-Gebiet eine weitgehende Verbreitungslücke von HumanistenN festzustellen ist (auch in den Niederlanden ist die Dichte an HumanistenN zwischen der südlichen Provinz Limburg und den nördlichen Provinzen geringer). Dieser Zwischenraum wird nach Osten hin sogar noch breiter (eine Ausnahme bildet der FamN Michaelis, der zwischen Bremen, Hamburg und Hannover genau in dieser Lücke verbreitet ist, vgl. Bochenek 2012: 766, Karte 356), bis sich im Norden eine frequentere Verbreitung in Skandinavien anschließt (s. Kap. 5.2.1). Das hier beschriebene rhein-maasländische Gebiet, das mit markanten Ballungen im Süden bis über die Mosel ins Saarland hineinreicht, ist von dem Gebiet, das in Kap. 5.2.1 mit Rentenaar als Nordwesteuropa bezeichnet wurde, zu unterscheiden. Auch aufgrund der im Folgenden (Kap. 5.2.3 und 5.2.4) beschriebenen östlicheren Gebiete erweist sich dieser Begriff als unzureichend, um das gesamte Verbreitungsgebiet von HumanistenN zu erfassen.

5.2.3 Der ostmitteldeutsche Raum Das dritte der herausgestellten Verbreitungsgebiete tritt weniger deutlich hervor. In zahlreichen Abfragen zeichnet sich jedoch ein östliches Gebiet ab, das vom in Kap. 5.2.2 beschriebenen Rhein-Maas-Gebiet deutlich getrennt ist. Zu erkennen sind Teile dieses Gebietes bei der Verbreitung von Faber und auf der kumulierten Karte von HumanistenN auf -ius. Bei einigen der dort kartierten

Ausdehnung und Charakteristika der Verbreitungsgebiete | 231

FamN reicht dieses Verbreitungsgebiet bis an den Main im fränkischen Teil Bayerns (vgl. Faber, Mönius). Auch die weniger frequenten Gräzisierungen auf -ander finden sich hier mit leichter Konzentration: Diese sind im Westen (mit Ausnahme von Neander) eher ungebräuchlich, in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verdichtet sich hingegen die Verbreitung von Xylander, Leander und Neander. Dieser Befund passt zu der Tatsache, dass sich in diesem Raum die Universität Wittenberg befindet, an der Gräzisierungen auf -ander im 16. und 17. Jahrhundert besonders häufig in den Matrikeln zu finden sind (s. Kap. 3.3.4.4). Bei Hyperlatinisierungen zeigt sich eine leichte Konzentration des HumanistenN Fabricius in Thüringen und der Formen auf -torius in Sachsen. Im Gegensatz zum weiter westlich gelegenen Gebiet um Rhein und Maas findet sich hier keine ähnlich hohe Frequenz an patronymischen Genitiven. In dem umrissenen ostmitteldeutschen Gebiet befindet sich ein Kerngebiet der Reformation, das früh die protestantische Konfession annahm. Hier kann die in der Forschung beschriebene Vererbung von HumanistenN in Pfarrerfamilien – ähnlich wie in Friesland und Skandinavien – also seit dem 16. Jahrhundert in einem großen Raum stattgefunden haben und so auch von Städten ins Umland gelangt sein. Darüber hinaus ist die frühe Universitätsdichte in diesem Gebiet (zu den alten Universitäten Erfurt und Leipzig kamen im 16. Jahrhundert Wittenberg und Jena hinzu) mit ihrer von Erfurt und dann insbesondere Wittenberg ausgehenden Offenheit für den Humanismus ein zusätzlicher Faktor, der die Verbreitung von HumanistenN zweifellos begünstigt hat. Doch wurden diese konfessionellen und bildungsgeschichtlichen Hintergründe in der älteren Forschung zu sehr in den Vordergrund gerückt, weshalb dieses Gebiet in Bezug auf die tatsächliche Verbreitung latinisierter und gräzisierter FamN überschätzt wurde. Die in Kap. 5.2.1 und 5.2.2 genannten Regionen weisen hier eine deutlich höhere Dichte auf.

5.2.4 Oberschlesien Ein viertes Gebiet mit einer auffälligen Verbreitung von FamN, das in der Forschung bislang weitgehend übersehen wurde,250 ist nur noch mittels historischer Kartierung greifbar: Das deutsch-polnische Übergangsgebiet in Ober-

|| 250 Bach (21953: 120) nennt als Verbreitungsgebiet von Gräzisierungen auf -ides neben den Niederlanden auch Böhmen, für das er die Namenformen Wencelides, Steffanides und Johannides angibt. In Tschechien ist davon rezent nur Johannides nachweisbar (3 NamenträgerInnen 2016, s. kdejsme.cz, Aufrufdatum: 30.06.2021).

232 | Verbreitung von Humanistennamen

schlesien weist in einigen der durchgeführten Kartierungen eine markante Verbreitung für Latinisierungen und insbesondere auch für Gräzisierungen auf. Die Bevölkerung in diesem Gebiet gehörte bereits Ende des 19. Jahrhundert mit großer Mehrheit der katholischen Konfession an. Eine aufgrund der gräzisierten Namenformen zunächst zu vermutende Verbindung zur weit entfernten protestantischen Universität Wittenberg im heutigen Sachsen-Anhalt (vgl. Kap. 3.3.4.4) lässt sich nicht nachweisen und muss als äußerst unwahrscheinlich verworfen werden. Für die Gräzisierungen auf -ides in Oberschlesien kommt beispielsweise viel eher eine Herkunft aus weiter östlich gelegenen slawischen Gebieten infrage.251 Auch die hohe Frequenz von FamN wie Simonides in Tschechien252 legt nahe, dass die HumanistenN in diesem Gebiet in keinem näheren Zusammenhang zu jenen im ostmitteldeutschen Raum standen. Ausgerechnet die geographisch am weitesten voneinander entfernten Gebiete – die niederländische Provinz Friesland und die einstige preußische Provinz Oberschlesien – teilten sich somit einst die Gemeinsamkeit, dass dort jeweils Patronyme mit -ides gräzisiert wurden. In beiden Gebieten gab es eine Tradition autochthoner patronymischer Suffixe, die hierfür offenbar durch das griechische Suffix ersetzt wurden (z. B. fries. -ma, slaw. -owicz253). So geht die Streuung einer großen Menge an Gräzisierungen (Komander, Kommander und die frequentesten Formen auf -ides) im heutigen deutschen Bundesgebiet auf dieses kleine Ursprungsgebiet zurück.

|| 251 Als Simon Simonides tritt z. B. der in Lemberg (Lwiw, Ukraine) geborene Dichter Szymon Szymonowicz (1558–1629) in Erscheinung, der im nahe Kattowitz (Katowice) gelegenen Krakau (Kraków) studierte (s. Deutsche Biographie, URL: https://www.deutsche-biographie.de/ pnd118845985.html, Aufrufdatum: 30.06.2021). 252 2016 trugen den FamN Simonides in Tschechien 103 Personen, s. kdejsme.cz, Aufrufdatum: 30.06.2021. 253 Zu friesischen patronymischen Suffixen s. Ebeling (2001a: 177–179, 468f), Timmermann (2007: 240), Timmermann (2011: 27–29, 31f); zum slawischen Suffix -ovic s. Blanár (1996: 1197).

6 Fazit Anhand verschiedener Untersuchungen wurde in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, über die Entstehung von HumanistenN (Kap. 3.2) und ihre historischen Bezüge auf antike PersN (Kap. 2.1) hinaus den Übergang von individuellen HumanistenN (Kap. 3.2.3) hin zu erblichen latinisierten und gräzisierten FamN nachzuzeichnen und diese als Bestandteil rezenter FamN-Inventare einzuordnen (Kap. 4). Die Untersuchung von FamN in Universitätsmatrikeln im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit (Kap. 3.3) hat gezeigt, dass die Namennotation zunächst noch der mittelalterlichen Urkundensprache nahestand. BeiN/FamN wurden – wenn sie latinisiert wurden – v. a. im Genitiv angegeben (Conradi, Fabri, Sartoris). Mit zunehmenden humanistischen Einflüssen nahmen diese genitivischen Formen im 16. Jahrhundert stark ab. Etwa in der Mitte des Jahrhunderts setzte eine verstärkte Verwendung neuartiger latinisierter Formen an den Universitäten ein, die bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts anhielt. In dieser Phase wurden insbesondere Hyperlatinisierungen geläufig (Fabricius, Sartorius) und Suffigierungen mit -us traten hinter den im Mittelalter noch kaum vorkommenden Formen mit -ius zurück (vgl. Hessus vs. Hessenius). Zusätzlich finden sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vermehrt Gräzisierungen (Neander, Simonides), die erst mit dem Humanismus als neuer Namentyp aufkamen und die Hinwendung der Humanisten zur griechischen Antike dokumentieren. Tab. 53: Latinisierungen/Gräzisierungen in Urkundensprache, Humanistenkreisen und an Universitäten

Urkundensprache (bis A. 16. Jh.)

Humanistenkreise (um 1470 bis um 1520)

Universitätsbesucher (M. 16. bis E. 18. Jh.)

Latinisierung

++

++

++

Gräzisierung

-

++

+

Dreinamigkeit

-

+

-

Kreativität

-

++

+

morphol. Komplexität

-

++

+

etymol. Komplexität

-

++

+

Die Untersuchung der Matrikeldaten wie auch der ältesten Bürgerbücher der Stadt Frankfurt a. M. (Kap. 2.2) bestätigt die in der Forschung unstrittige Annahme, dass latinisierte FamN kaum aus den im Alltag nicht gebräuchlichen https://doi.org/10.1515/9783110744378-006

234 | Fazit

mittelalterlichen Anpassungen von BeiN/FamN entstanden. Bei lateinischen Genitiven von Patronymen wie Conradi, die in den Universitätsmatrikeln keinen vergleichbar starken Einbruch erfuhren wie lateinische Genitive zu Substitutionen, können solche Traditionslinien bis zurück zur mittellateinischen Urkundensprache am ehesten angenommen werden. Bei einigen simplen Substitutionen wie Faber oder Molitor, die im 16. Jahrhundert in Gebrauch blieben, sind diese ebenfalls nicht gänzlich auszuschließen, wobei eine klare Trennung jedoch kaum möglich ist. Der Anteil an rezenten Latinisierungen, die auf die mittelalterliche Urkundensprache zurückzuführen sind, muss in jedem Fall als sehr begrenzt angenommen werden. Umbenennungen bekannter Wegbereiter des Humanismus außerhalb Italiens wie Rudolf Agricola, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin, Mutianus Rufus und Philipp Melanchthon (s. Kap. 3.2.1), auf die sich die Forschung zu HumanistenN meist stützt, fallen bei der vorgenommenen Untersuchung mit Matrikeldaten kaum ins Gewicht. Diese frühen HumanistenN unterscheiden sich von den späteren, in Universitätsmatrikeln quantifizierbaren Latinisierungen und Gräzisierungen durch einen hohen Grad an Individualität, Komplexität und eine Tendenz zur Übernahme der römisch-antiken Dreinamigkeit (vgl. Tab. 53). In den rezenten FamN haben diese literarischen Namenexperimente kaum einen Niederschlag gefunden. Ihrem Vorbild folgend, wurden HumanistenN jedoch auch später nicht mehr nur für die Verwendung in lateinischen Dokumenten gebildet, sondern waren für viele Gelehrte, die sie zunehmend auch außerhalb der Bildungswelt verwendeten, ein fester Bestandteil ihrer Identität (Kap. 3.2.3). Die jüngere Phase humanistischer Einflüsse auf FamN, deren Einsetzen anhand der Matrikeldaten grob auf die Mitte des 16. Jahrhunderts datiert werden kann, weist gegenüber der experimentellen Namengebung in frühen Humanistenkreisen zunehmend systematische Bildungen auf, die von einer breiteren Studentenschaft getragen wurden. Diese nüchterneren, regelhaften Formen, denen sich nur noch vereinzelt kreative, auf eine singuläre Namengebung abzielende Beispiele hinzufügen lassen (vgl. Castritius, Kap. 4.2.8), wurden durch gesellschaftliche Veränderungen (steigender Verwaltungsaufwand an Höfen und in den Städten, Zunahme von Schulen, Abschaffung des Zölibats in protestantischen Gebieten etc.) zu einem Ausweis einer akademischen Ausbildung. Etwa anderthalb Jahrhunderte blieben sie eine bewährte Methode, dem eigenen FamN einen gelehrten Anstrich zu geben, durch Vererbung schon im 16. Jahrhundert auch mit einer Übertragung auf nachfolgende Generationen, wodurch sie zur wesentlichen Grundlage für die rezenten latinisierten und gräzisierten FamN wurden.

Fazit | 235

Mit der Zunahme volkssprachiger Schriftlichkeit in der Verwaltung und der Kirche, aber auch aufgrund sich neu formierender nationaler Literatur- und zuletzt auch Wissenschaftssprachen, verloren die klassischen Sprachen und mit ihnen HumanistenN im 17. Jahrhundert an Bedeutung. Neue Latinisierungen und Gräzisierungen nahmen in der Folge in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stark ab und waren bereits am Ende des Jahrhunderts ungebräuchlich. Nur bereits als vererbte FamN etablierte HumanistenN wurden darüber hinaus konserviert und später mit der Einführung der Standesämter endgültig als Bestandteil des FamN-Inventars festgeschrieben. Diese noch rezent vorkommenden HumanistenN wurden hinsichtlich ihrer typischen Strukturen analysiert (Kap. 4), die einige Präferenzen zeigen: Beispielsweise treten häufig viersilbige, auf der Antepaenultima betonte Latinisierungen auf -ius auf, bei denen das Suffix bevorzugt an einen Nasal oder Liquid angeschlossen ist (Hessénius, Drexélius, Ebérius vgl. Kap. 4.1.2.1), während Formen auf -us seltener vorkommen, als Beispiele aus der Literatur zu HumanistenN dies vermuten lassen. Zudem sind viele mutmaßliche Latinisierungen auf -us weniger eindeutig als solche erkennbar, da sich zahlreiche Konkurrenzen ergeben (Kap. 4.1.1.1), wohingegen mit -ius auch ein deutlicher Bezug auf klassisch-römische GentilN verbunden ist (Kap. 2.1). Insgesamt lässt sich eine Tendenz zu einer von den germanischen Sprachen abweichenden prosodischen Struktur (Betonung nicht auf der ersten Silbe, mindestens dreisilbige FamN) und morphologischen Markierung (Verwendung lateinischer und griechischer Suffixe und Namenglieder) erkennen, wodurch sich HumanistenN eindeutig von nativen FamN abheben (vgl. Hésse – Hessénius, Kónrad – Konrádi, Símon – Simonídes; Báumgärtner – Pomárius, Schmídt – Fabrícius, Bénder – Viétor, Hólzmann – Xylánder). Zusätzlich können graphematische Assimilationen an das Lateinische auftreten (Conradi, Cremerius; Fuxius, Oxenius, Drexelius), die jedoch in zahlreichen Fällen unterblieben oder mit Verwendung von HumanistenN in volkssprachigen Dokumenten wieder beseitigt wurden (vgl. Fuchsius, Möbius, Asmuß). Der Einfluss der Volkssprachen konnte sich sogar auf Substitutionen auswirken (vgl. Faaber, Pastohr, Prätorius, Xyländer), sodass eine klare Tendenz zu graphematischen Anpassungen rezent nicht mehr erkennbar ist. Für die in Kap. 5 behandelte Verbreitung hat sich gezeigt, dass sowohl der in der älteren Forschung lokalisierte Schwerpunkt in protestantischen Gebieten als auch der von Rentenaar als Nordwesteuropa bezeichnete Raum unzureichend sind, um das rezente Vorkommen von HumanistenN adäquat zu beschreiben. Die in Kap. 5.1 dargestellten und beschriebenen Verbreitungskarten ergänzen die Kartenkomplexe des DFA (Bochenek 2012: 732–785) insbesondere um eine von den Bevölkerungsverschiebungen des 20. Jahrhunderts unbeein-

236 | Fazit

flusste historische Verbreitung sowie den sich an Deutschland anschließenden niederländischen Sprachraum. Diese Möglichkeiten der Kartierung – ergänzt um Frequenzabfragen einzelner HumanistenN in anderen Staaten – weisen auf vier geographisch und kulturgeschichtlich zu unterscheidende Verbreitungsgebiete. Rentenaars Begriff Nordwesteuropa ist dabei zu präzisieren und auf einen dieser vier Räume zu beschränken (Friesland und Skandinavien ohne Norddeutschland, auch Dänemark und Norwegen nur eingeschränkt). Dieser weite, in sich heterogene Raum lässt sich in Bezug auf PersN aufgrund der langen patronymischen Tradition, der späten Einführung von FamN sowie durch spezifische Bildungen von HumanistenN (z. B. zu SiedlungsN) zu einem großen Verbreitungsgebiet zusammenfassen, in dem ähnliche Voraussetzungen für die Verbreitung von HumanistenN herrschten. Die v. a. in der älteren Forschung genannte Vorreiterstellung der protestantischen Gebiete (insbesondere Sachsen und Hessen) geht auf eine Fokussierung auf frühe Humanistenkreise mit ihren Verbindungen zur Reformation zurück und ist für die rezente Verbreitung latinisierter und gräzisierter FamN zu relativieren. Die hessischen Vorkommen gehören aufgrund der Verbreitung und der Namentypen eher einem westlichen, in weiten Teilen katholischen Verbreitungsgebiet im Rhein-Maas-Raum an. Dieses Gebiet, das im Westen das Saarland, Luxemburg und die belgische und niederländische Provinz Limburg einschließt, zeichnet sich v. a. durch patronymische Genitive (Petri, Conradi) aus, die weiter östlich kaum vorkommen. Außerdem sind hier eine hohe Dichte an Hyperlatinisierungen und Suffigierungen auf -ius sowie die hochfrequente Verbreitung der Substitution Molitor und ein weitgehendes Fehlen von Gräzisierungen als Charakteristika zu erkennen. Das hiervon zu trennende ostmitteldeutsche Gebiet reicht – mit weniger klaren Konturen – im Süden bis an den Main, im Westen nach Thüringen, im Osten nach Sachsen und im Norden bis nach Sachsen-Anhalt. Dieser Raum tritt als Schwerpunkt für einige der häufigeren Gräzisierungen auf -ander hervor und weist unsystematisch andere Häufungen auf (z. B. von verschiedenen Suffigierungen und Hyperlatinisierungen sowie dem HumanistenN Faber). Ein viertes Verbreitungsgebiet befand sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im äußersten Osten Schlesiens: Im einstigen deutsch-polnischen Übergangsgebiet in Oberschlesien fand sich – wie im weit entfernten Westfriesland – eine hohe Dichte an Gräzisierungen auf -ides, die im übrigen deutschen Sprachraum zu dieser Zeit kaum vorkamen. Zudem war nur hier der HumanistenN Komander (< Hoffmann), die häufigste Gräzisierung auf -ander, verbreitet. Zusammen mit einer Häufung von Substitutionen wie Faber und Molitor, die im übrigen Schlesien kaum vorkamen, lässt sich dieser vergleichsweise kleine

Fazit | 237

Raum historisch als eigenständiges Verbreitungsgebiet von HumanistenN erkennen, dessen Entstehungsumstände weiterer Forschung bedürften. Inwieweit sich dieses Gebiet möglicherweise auch in die angrenzenden slawischen Sprachräume erstreckte, ist nicht bekannt. Die vorliegende Arbeit hat die historische, geographische und quantitative Dimension von HumanistenN aufgezeigt, um das in der Forschung herrschende Bild der humanistischen Einflüsse auf FamN zusammenzuführen und mit neuen Daten und Methoden zu präzisieren bzw. zu korrigieren. Neben dem genannten Forschungsdesiderat zu HumanistenN im oberschlesischen Raum ist aufgrund einer fehlenden Kartierungsmöglichkeit für die nordgermanischen Raum eine Differenzierung in diesen Gebieten bislang nicht möglich. So könnten spätere Studien ergeben, dass es auch in Dänemark und Norwegen dichtere Verbreitungsgebiete gibt oder dass sich die für Schweden angenommene flächendeckende Dichte von HumanistenN auf einzelne, voneinander getrennte Gebiete verteilt, wie dies für Deutschland und die Niederlande gezeigt werden kann. Eine Einbeziehung von HumanistenN in Finnland ist hier ebenfalls zu überprüfen und zu diskutieren. Im Hinblick auf historische Entwicklungen könnten genealogische Einzelfallstudien, wie in die vorliegende Arbeit beispielhaft zum FamN Reershemius eingebunden (s. Kap. 5.2.1), Umbenennungen zeitlich, räumlich und sozialgeschichtlich exakter einordnen. Auf diese Weise könnte es möglicherweise gelingen, einzelne prägnante Häufungen von FamN wie Faber in Luxemburg, Möbius im nördlichen Franken oder Molitor im Raum Trier und an der südhessischen Bergstraße zu erklären. Auch für den oberschlesischen Raum wäre eine solche Untersuchung vorzunehmen, um den sprachlichen Grundlagen der dortigen HumanistenN und der Herkunft ihrer TrägerInnen nachzugehen. Eine Analyse italienischer FamN im 15./16. Jahrhundert könnte die bislang nicht überzeugend erklärte Abkehr von latinisierten FamN südlich der Alpen erhellen. Dafür stellen erhaltene Matrikeln italienischer Universitäten, die mit den in dieser Arbeit ausgewerteten Matrikelbüchern der ältesten Universitäten im deutschen und niederländischen Sprachraum verglichen werden könnten, einen möglichen Anknüpfungspunkt dar. Auch das weitgehende Fehlen von HumanistenN in Frankreich und anderen Teilen Europas könnte womöglich auf der Basis einer solchen Untersuchung der Abnahme von Latinisierungen in Italien besser erklärt werden.

Quellen- und Literaturverzeichnis Im Quellen- und Literaturverzeichnis werden auch die für das Matrikelkorpus und das Namenbuch verwendeten Matrikeleditionen aufgeführt (in Klammern sind die im Namenbuch verwendeten Kurztitel angegeben). Im angeschlossenen Verzeichnis der Matrikeleditionen werden die Bände jeweils unter den zugehörigen Universitätsorten aufgelistet.

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252 | Quellen- und Literaturverzeichnis

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Verzeichnis der Matrikeleditionen | 253

Verzeichnis der Matrikeleditionen Aufgelistet sind die für das Matrikelkorpus und das Namenbuch verwendeten Editionen und Registerbände (zu den vollständigen Literaturangaben s. Literaturverzeichnis). In Klammern sind die im Namenbuch verwendeten Kurztitel angegeben.

Basel - Wackernagel (1951) (= Wackernagel 1) - Wackernagel (1956) (= Wackernagel 2) Bologna - Friedlaender & Malagola (1887) (= Friedlaender & Malagola 1) Erfurt - Kleineidam (1992) (= Kleineidam 2) - Schwinges & Wriedt (1995) (= Schwinges & Wriedt) - Weissenborn (1881) (= Weissenborn 1) - Weissenborn (1884) (= Weissenborn 2) Frankfurt (Oder) - Friedlaender (= Friedlaender F1) Freiburg i. Br. - Mayer (1907) (= Mayer 1) Greifswald - Friedlaender (1893) (= Fiedlaender G1) Heidelberg - Toepke (1884) (= Toepke 1) - Toepke (1886) (= Toepke 2) - Toepke (1889) - Toepke & Hintzelmann (1903) Ingolstadt - Pölnitz (1937) (= Pölnitz 1) Köln - Keussen (21928) (= Keussen 1) - Keussen (1919) (= Keussen 2) - Keussen (1931) - Nyassi & Wilkes (1981a) (= Nyassi & Wilkes 4) - Nyassi & Wilkes (1981b)

254 | Verzeichnis der Matrikeleditionen

Königsberg i. Pr. - Erler (1910) (= Erler K1) Krakau - Chmiel (1892) (= Chmiel 2) Leipzig - Erler (1895) (= Erler 1) - Erler (1897) (= Erler 2) Löwen - Reusens (1869) (= Reusens) - Reusens (1903) - Schillings (1958) (= Schillings 3) - Schillings (1961) (= Schillings 4) - Schillings (1962) - Schillings (1963a) - Schillings (1963b) - Wils (1946) Marburg - Caesar (1872) (= Caesar 1) - Caesar (1874) (= Caesar 2) - Caesar (1875) (= Caesar 3) - Caesar (1876) (= Caesar 4) - Caesar (1877) (= Caesar 5) - Caesar (1878) (= Caesar 6) - Caesar (1879) (= Caesar 7) - Caesar (1880) (= Caesar 8) - Caesar (1881) (= Caesar 9) Orléans - Ridderikhoff (1971) (= Ridderikhoff 1) Padua - Martellozzo Forin (1970) (= Martellozzo Forin 3,2) Rostock - Hofmeister (1889) (= Hofmeister 1) - Hofmeister (1891) (= Hofmeister 2) - Hofmeister (1895) - Hofmeister (1904) Tübingen - Hermelink (1906) (= Hermelink 1) - Kötz (2008) (= Kötz)

Verzeichnis der Matrikeleditionen | 255

Uppsala - Andersson (1900) (= Andersson 1) - Andersson (1902) (= Andersson 2) - Andersson (1902) (= Andersson 3) - Andersson (1904) (= Andersson 4) Wien - Gall (1956) - Gall & Szaivert (1959a) (= Gall & Szaivert 2) - Gall & Szaivert (1959b) (= Gall & Szaivert 3) - Gall & Paulhart (1974) - Gall & Szaivert (1975) - Mühlberger & Schuster (1993) - Schrauf (1904) (= Schrauf 3) - Uiblein (1978) (= Uiblein 1) Wittenberg - Förstemann (1838) (= Förstemann D) - Förstemann (1841) (= Förstemann 1) - Hartwig (1894) (= Hartwig 2) - Köstlin (1887) (= Köstlin 1) - Köstlin (1888) (= Köstlin 2) - Köstlin (1890) (= Köstlin 3) - Köstlin (1891) (= Köstlin 4) - Weissenborn (1934)

Anhang 1: Namenbuch Im Namenbuch sind rezent belegte substituierte latinisierte, gräzisierte und hebraisierte FamN verzeichnet (Abschnitt 1). Bei FamN, die sowohl lateinische als auch griechische Lexeme enthalten, erfolgt die Sprachzuordnung auf der Grundlage des Erstglieds.254 Liegt ein lateinisches Lexem zugrunde, das auf ein griechisches Lehnwort zurückgeht, wird der entsprechende FamN als Latinisierung behandelt. Die Hauptvariante orientiert sich jeweils an der lateinischen/griechischen Standardschreibung, bei griechischen und hebräischen Lexemen erfolgt die alphabetische Einordnung nach der lateinischen Transliteration. Der Aufbau der Einträge orientiert sich weitgehend an Kollmann, Gilles & Muller (2016: 6): 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Namenlemma Häufigkeitsangaben255 Variante(n) Etymologie256  historische Belege aus Matrikelbüchern257  Nachweise in überregionalen Familiennamenbüchern258

|| 254 So wird z. B. Arenander unter den Latinisierungen aufgeführt, weil das Erstglied auf lat. arena ‘Sand’ zurückgeht und das gräzisierte Zweitglied -ander (< -mann) schematisch verwendet wird (vgl. Kap. 4.2.7). 255 Datengrundlage: Belgien (BE): Einwohner 2008 (familienaam.be); Dänemark (DK): Einwohner 2020 (dst.dk); Deutschland (DE): Tel. 2005 (DFA-Datenbank); Luxemburg (LU): Tel. 2009 (LFA); Niederlande (NL): Einwohner 2007 (Nederlandse Familienamenbank); Norwegen (NO): Einwohner 2020 (ssb.no); Schweden: Einwohner 2019 (scb.se). Bei einer hohen Frequenz werden zudem ergänzt: Frankreich (FR): Geburten 1966–1990 (Geopatronyme); Polen (PL): Einwohner 2002 (Rymut 2003); Österreich (AT): Tel. 2005 (Geogen Austria). Weniger als 5 Tokens werden nur angegeben, wenn der betreffende FamN nirgends mehr als 10 Tokens erreicht. 256 Ist ein vom Nom. abweichender Gen.-Stamm für die Deutung relevant, wird die Gen.-Form zusätzlich angegeben, vgl. Opificius: zu lat. opifex, opificis ‘Werkmeister, Schöpfer; Handwerker’; Xylander: zu griech. ξύλον (xýlon) ‘Holz’ und griech. ανήρ (anér), ανδρός (andrós) ‘Mann’. 257 Die Belege sind Universitätsmatrikeln (vornehmlich aus dem 16. Jh., schwedische aus dem 17. Jh.), vereinzelt Briefen entnommen. Namengleichungen wurden mithilfe des RAG, der Registerbände der jeweiligen Matrikeleditionen und der in Anm. 258 genannten FamN-Bücher recherchiert. Da in diesen Werken jedoch einige Anpassungen vorgenommen wurden, werden die Belege direkt aus angegebenen Matrikeleditionen zitiert (die angegebenen Kurztitel werden im Literaturverzeichnis aufgelöst). Normalisierte Namenformen aus enzyklopädischen Werken wie der Deutschen Biographie werden nicht berücksichtigt. 258 Es werden folgende FamN-Bücher herangezogen: Bahlow (1985), Brechenmacher (1957– 1960, 1960–1963), Debrabandere (2003), Gottschald (62006), Kohlheim & Kohlheim (22005), https://doi.org/10.1515/9783110744378-008

258 | Anhang 1: Namenbuch

In Abschnitt 2 finden sich einige gelegentlich als Substitutionen bezeichnete FamN, die jedoch als native FamN oder Suffigierungen zu deuten sind (vgl. Kap. 4.2.9). Im Wortverzeichnis (Abschnitt 3) sind die in rezenten HumanistenN enthaltenen lateinischen, griechischen und hebräischen Lexeme verzeichnet (die Angabe der griechischen und hebräischen Lexeme erfolgt alphabetisch nach der lateinischen Umschrift). Diesen folgen jeweils eine deutsche Übersetzung und die HumanistenN aus Abschnitt 1, in denen sie enthalten sind. Abkürzungen att.

attisch

belg.

belgisch

kors.

korsisch

dän.

dänisch

Dat.

Dativ

dt.

deutsch

fries.

friesisch

frz.

französisch

Gen.

Genitiv

griech.

griechisch

hebr.

hebräisch

it.

italienisch

kors.

korsisch

lat.

lateinisch

mhd.

mittelhochdeutsch

mlat.

mittellateinisch

nl.

niederländisch

Nom.

Nominativ

patr.

patronymisch

Pl.

Plural

port.

portugiesisch

röm.

römisch

schwed. schwedisch

|| Kollmann, Gilles & Muller (2016), Naumann (2007), Søndergaard (2000), Veka (2001), Zoder (1968), für Schweden in Ermangelung eines Familiennamenbuchs ersatzweise Olsson (1946).

1. Substitutionen | 259

Symbole 

historische Namenbelege



Nachweise in Familiennamenbüchern

*

nur historisch bezeugter Familienname

>

wird zu


Enax) ist zudem aufgrund der Verbreitung (v. a. in Sachsen und Sachsen-Anhalt) unwahrscheinlich.  Gottschald 410. SCHOMERUS (DE 89). 1. Zu hebr. ‫( שומר‬schomēr) ‘Wächter’, erweitert mit lat. Suffix -us, für FamN wie Köster. 2. Eine Suffigierung zum

FamN Schomer mit lat. Suffix -us ist unwahrscheinlich und historisch nicht nachweisbar.  Der Namenwechsel ist belegt „beim Augustiner Joh. Köster um 1525“ (Bahlow 466; vgl. Anm. 183).  Bahlow 466; Gottschald 443; Kohlheim & Kohlheim 597; Linnartz 207; Zoder 2,548.

2. Pseudo-Substitutionen ANSER (DE 16, SE 6). Nicht zu lat. anser ‘Gans’, sondern Patronym zum dt. RufN Ansher (vgl. Bergerhoff 1918: 17).  Gottschald 90, 92. ARIES (DE 33). VARIANTE(N) Arius (DE 14). Nicht zu lat. ariēs ‘Widder; Stier; Bock; Schaf; Lamm’ (unsicher bei Gottschald 91), sondern Patronym zum RufN Hilarius.  Gottschald 91, 250; Zoder 1,170. ASTER (DE 237, AT 93). Nicht zu griech. αστήρ (astér) ‘Stern’, sondern WohnstättenN zu bair. Aste ‘Niederalpe, Weideplatz’, vereinzelt evtl. HerkunftsN zu SiedlungsN wie Ast in Bayern oder ÜberN zu mhd. agelster ‘Elster’.  Asam Aster auf dem Asterhof in Pens, Tirol 1543 (Tarneller 1923: 27).  Bahlow 39; Gottschald 93; Kohlheim & Kohlheim 98; Zoder 1,176. AUCTOR (DE 9). VARIANTE(N) Aucktor (DE 10), Auktor (DE 28), Autor (DE 29). Nicht zu lat. auctor ‘Urheber, Stifter, Schöpfer’, sondern Patronym zum RufN Auctor.  Autor Steinhusen, Braunschweig 1542 (Brechenmacher 1,54).  Bahlow 40; Brechenmacher 1,18. AUTEM (FR 77, BE 46, DE 14). Nicht zu lat. autem ‘aber, dagegen, andererseits’ für FamN wie Abert (so Gottschald 95), sondern HerkunftsN zum SiedlungsN Houtem (mehrfach in Belgien). In Frankreich ist die Verbreitung des FamN Autem weitgehend auf das ehemals nl. Sprachgebiet im Norden (Départements Nord und Pas-de-Calais) beschränkt, an den sich

das belg. Verbreitungsgebiet anschließt.  Debrabandere 630; Gottschald 95. CASTOR (DE 225). VARIANTE(N) Kastor (DE 37). 1. Patronym zum RufN Castor (Verehrung des Hl. Castor im Moselraum, wo der FamN verbreitet ist). 2. Eine Latinisierung zu lat. castor ‘Biber’ für FamN wie Bieber (so Kohlheim & Kohlheim 170) ist vor diesem Hintergrund kaum anzunehmen.  Castor de Heymerhusen, Köln 1474 (Keussen 1,864).  Gottschald 140; Kohlheim & Kohlheim 170. FIGURA (PL 5.397, DE 319). Nicht zu lat. figura ‘Gestalt, Form’, nach Gottschald (470) für dt. FamN wie Gstalt (dieser FamN ist rezent nicht nachweisbar), sondern zu poln. FamN zu poln. figura ‘Figur, Gestalt’ (entlehnt aus lat. figura ‘Gestalt, Form’). Der FamN Figura war historisch v. a. in Schlesien und Ostpreußen verbreitet.  Gottschald 470. MOLINARI (FR 498, DE 95). Kein lat. Gen. zu lat. molīnārius ‘Müller’ (so Zoder 2,175), sondern it. FamN zu molinaro ‘Müller’ (vgl. Caffarelli & Marcato 2008: 1146).  Zoder 2,175. MONETA (DE 36). Nicht zu lat. monēta ‘Münzstätte; Münze’ für FamN wie Münzer (so Gottschald 359), sondern it. FamN (Caffarelli & Marcato 2008: 1150).  Iohannes da Moneta, Genua 1188 (Caffarelli & Marcato 2008: 1150).  Gottschald 359.

3. Wortverzeichnis | 281

MORS (NL 337, DE 149). Nicht zu lat. mors ‘Tod’ für FamN wie Todt (Gottschald 154, 355), sondern Patronym zu den RufN Maurus, Moritz oder ÜberN zu mhd. mōr, mōre ‘„Mohr“, Dunkelhäutiger’.  Brechenmacher 2,287; Debrabandere 871; Gottschald 154, 355; Zoder 2,183. POSTHUMUS (NL 2.419, DE 16, BE 10). Wohl nicht zu lat. postumus ‘nachgeboren (nach dem Tod des Vaters)’ (so Gottschald 391) für FamN wie Nachgebur, sondern Umdeutung des fries. FamN Postma (Debrabandere 990f).  Debrabandere 990f; Gottschald 391. SEMPER (DE 272). Wohl nicht zu lat. semper ‘immer’ zu FamN wie Immer (so Gottschald 270), sondern Patronym zum RufN Sentprecht. Andere Deutungen wie ein indir. BerufsN zu mhd. sentbære ‘berechtigt, an dem sende (< lat. synodus/senatus) teilzunehmen’ (Bergerhoff 1918: 17) oder ein ÜberN zu bair. Semper ‘Wanst, Dickbauch’ (Bahlow 480) sind unwahrscheinlich (in Bayern ist Semper historisch nicht verbreitet).  Bahlow 480; Brechenmacher 2,601; Gottschald 270, 456; Linnartz 217. SILVIA (DE 27). Nicht zu lat. silvia ‘Waldkind’ für FamN wie Waldmann (so Bahlow 486), sondern it. FamN zum RufN Sìlvio, Sìlvia (vgl.

Caffarelli & Marcato 2008: 1578).  Bahlow 486. VENUS (DE 443, NL 230, BE 85, AT 42). Für eine Substitution des FamN Morgenstern (so Gottschald 505) finden sich keine Hinweise. Nach Kohlheim & Kohlheim (686) 1. ÜberN für jemanden von kleiner Gestalt nach den „Fenesleute[n], Venusmännlein genannt“, die „koboldartige Geister“ gewesen seien (vgl. Hellfritzsch 1992: 208f), oder 2. indir. BerufsN „für den Bauern, der Kolbenhirse (mhd. phenich, venich) anbaute“. Laut Brechenmacher (1,451) liegt SiedlungsN wie Venusberg wohl eine Umdeutung des PersN Fenis zugrunde, für dessen Etymologie er ebenfalls auf „Fenesleute, Fenismännchen = Kobolde, zwergartige Geister“ verweist. Zoder (1,475) stellt den FamN hingegen u. a. zur röm. Liebesgöttin Venus und vermutet einen ÜberN für jemanden, „der den sinnlichen Freuden ergeben ist“. Laut Debrabandere (1249) ist der FamN in Belgien historisch lediglich bei einem Findelkind belegt, das 1652 in der Venusstraat in Antwerpen gefunden und Jan Venus genannt worden sei.  Eberlin Venis, Neckarems (Ludwigsburg) 1350; Hans Venus, 1461 Görlitz (Brechenmacher 1,451).  Bahlow 532; Brechenmacher 1,451; Debrabandere 1249; Gottschald 505; Kohlheim & Kohlheim 686; Zoder 1,475.

3. Wortverzeichnis 3.1. Latein advena ‘Ankömmling, Fremder; Neuling’. Advena. ager, agrī ‘Acker, Feld’. Agrelius. agricola ‘Bauer’. Agricola, Agrikola. albīnus ‘weiß’. Albinius, Albinus. albus ‘weiß’. Albus. aliās ‘anders, sonst’. Alias. alius ‘ein anderer’. Alius.

amnis ‘kleiner Fluss, Bach’. Amnelius, Amneus. angelus ‘Engel’. Angeli, Angelius, Angelus, Angely. apis ‘Biene’. Apiarius. aquārius ‘Wasserträger, Wassermann (Sternbild)’. Aquarius. aquila ‘Adler’. Aquila.

282 | Anhang 1: Namenbuch aquilō, aquilōnis ‘Nordwind; Norden’. Aquilonius. arculārius ‘Schmuckkästchenhersteller’. Arcularius. arēna ‘Sand’. Arenander. audītor ‘Zuhörer, Schüler’. Auditor. aurīga ‘Fuhrmann, Kutscher’. Auriga. auris ‘Ohr’. Aurivillius. avēna ‘Hafer’. Avenarius; Avenius, Awenius. avis ‘Vogel’. Avianus. betulla ‘Birke’. Betulander. bonus ‘gut’. Bonus. braxātor ‘Brauer’. Braxator, Praxator. brevis ‘kurz, klein, niedrig’. Brevis, Breves. candidus ‘blendend, weiß’. Candidus. canis ‘Hund’. Canis, Kanis, Kaniß; Canisius. capitō ‘Großkopf, Dickkopf’. Capito, Kapito. carnārius ‘Fleischhändler, Fleischer’. Carnarius. castrātor ‘Kastrierer, Verschneider’. Castritius. catīllus ‘Schüsselchen, Tellerchen’. Katillus, Kattillus. cattus ‘Kater’. Cattus, Kattus. cellārius ‘Kellermeister’. Cellarius. cervus ‘Hirsch’. Cervinus. cīvis ‘Bürger’. Civis. clēricus ‘Geistlicher’. Clericus. coclea, cochlea ‘Schnecke’ (< griech. κοχλίας, kochlías ‘Schnecke’). Kochleus. collis ‘Anhöhe, Hügel’. Colliander. columbus ‘männliche Taube, Tauber, Tauberich’. Columbus, Kolumbus. comes ‘Graf’. Comes, Komes. coquus ‘Koch’. Coqui. cornus ‘Kornelkirschbaum’. Cornarius. corvus ‘Rabe’. Corvinius, Corvinus. crux, crucis ‘Kreuz, Marterholz’. Crucis, Crucius, Crux. cūriō ‘Kurienvorsteher; Ausrufer, Herold’. Curio. custōs, custōdis ‘Wächter, Hüter, Aufseher’. Kustos, Custodis. cycnus ‘Schwan’. Cygnaeus. dux, ducis ‘Führer, Anführer; Fürst, Herzog’. Dux. faba ‘Bohne’. Fabarius.

faber, fabri ‘Schmied’. Faber, Faaber, de Faber, Fabers, Fabert; Fabri, Fabrie, Fabry; Fabricius, Fabritius, Fabritzius, Fabrizius. falcō ‘Falke’. Falco, Falko. ferrārius ‘zum Eisen gehörig, Eisen-; Schmied’. Ferrarius. fīcus ‘Feigenbaum’. Ficus, Fickus, Fikus. fīlius ‘Sohn’. Filius, Felius. fīnis ‘Ende’. Finis. fōns, fontis ‘Quelle’. Fontius, Rosæfontanus. gallus ‘Hahn’. Gallus; Galli, Gally. Gigās ‘Gigant, Riese’ (< griech. Γίγας, Gígas ‘Gigant’). Gigas, Gygas, Gygax. gladiātor ‘Schwertfeger, Waffenschmied’. Gladiator. gubernātor ‘Steuermann’. Gubernator, Guvernator. hortēnsius ‘zum Garten gehörig’. Hortensius. hortulus ‘Gärtchen’. Hortulanus. hospes ‘Wirt; Gast, Fremder’. Hospes. iūdex ‘Richter, Prüfer’. Judex. iunctor ‘Anspänner’. Junctorius, Jungtorius. iūnior ‘jünger’. Junior, Junius. labor ‘Mühe, Arbeit’. Labor. lacus ‘See, Teich’. Lakander. laniō ‘Fleischer, Metzger’. Lanio. lanius ‘Fleischer, Metzger’. Lanius. latomus ‘Steinmetz’ (< griech. λατομία, latomía ‘Steinbruch’). Lathomus. lupus ‘Wolf’. Lupus. māgnus ‘groß’. Magnus. māior ‘der Größere, Höhere’. Major, Majoor. martius ‘März (Monat)’. Martius. maurus ‘der aus Mauretanien Stammende, „Mohr“’. Maurus. mēchanicus ‘Arbeiter, Handwerker; Maschinenbauer’ (< griech. μηχανικός, mechanikós ‘die Mechanik betreffend, mechanisch’). Mechanicus. medicus ‘Arzt’. Medicus. mercātor ‘Handelsmann, Kaufmann’. Mercator, Merkator; Mercatoris. minor ‘kleiner’. Minor, Minohr. miser ‘elend, unglücklich, krank’. Miserus, Miezerus. mola, molae ‘Mühlstein; Pl. Mühle’. Molander, Molanus.

3. Wortverzeichnis | 283

mōlītor ‘Müller’. Molitor, Moliteur, Mollidor, Mollitor; Molitoris. mōns, montis ‘Berg’. Montanus, Montelius. mus ‘Maus’. Musaeus, Musäus, Musius. mūsculus ‘Mäuschen’. Musculus, Muskulus, Muskolus, Musklus. nauta ‘Seemann, Schiffer’. Nauta, Nouta. oleārius ‘Ölschläger, Ölmüller’. Olearius. ollārius ‘Töpfer, Hafner’. Ollarius. opifex, opificis ‘Werkmeister, Schöpfer; Handwerker’. Opificius. pāgus ‘Bezirk; Dorf’. Pagander. palūs, palūdis ‘Sumpf, Morast’. Paludanus. parvus ‘klein’. Parvus, Parwus. pāstor ‘Hirte; Inhaber einer Pfarrstelle’. Pastor, Paster, Pastohr, Pastoor. pāx, pācis ‘Friede’. Pacem. perizōnium ‘Lendenschurz’ (< griech. περίζωμα, perízoma ‘Lendenschurz’). Perizonius. piscātor ‘Fischer’. Piscator, Piskator. pistor ‘Bäcker’. Pistor, Pistoor, Pestoor; Pistori, Pistory; Pistorius. plancus ‘Breitfuß’. Plancius. pōmārium ‘Baumgarten, Obstgarten’. Pomarius, Pommarius, Bomarius, Bommarius. pōns, pontis ‘Brücke’. Pontanus; Pontelius. praetor ‘Vorsteher, Anführer; Bürgermeister; Graf’. Praetor, Prätor, Pretor; Prätori, Pretory; Praetorius, Prätorius, Prætorius, Pretorius, Preetorius, Bretorius. prātum ‘Wiese’. Prato. pulcher ‘schön’. Pulcher. puteus ‘Brunnen; Grube’. Puteanus. quattuor ‘vier’. Quatuor. quīnque ‘fünf’. Quinque. rāsor ‘Schaber, Barbier’. Rasor. rēx, rēgis ‘König’. Rex; Regis; Regius.

rīvus ‘Bach’. Rivinius. rosa ‘Rose’. Rosæfontanus; Rosinius; Rosinus. rosārium ‘Rosengarten’. Rosarius. rotārius ‘Wagner, Stellmacher’. Rotarius. rūsticus ‘Landmann, Bauer’. Rusticus. sagittārius ‘Bogenschütze; Schütze (Sternbild)’. Sagittarius, Sagitarius. sāl ‘Salz’. Salinus; Salius. sartor ‘Schneider’. Sartor, Sator; Sartori, Sartory, Satori, Sartoris; Sartorius. sator ‘Sämann’. Sator; Satori, Satory; Satorius. scīpiō ‘Stock, Stab’. Scipio. scrība ‘Schreiber, Amtsschreiber, Sekretär’. Scriba, Skriba. sēmen ‘Samen’. Semenius. silex, silicis ‘harter Stein, Kiesel’. Silex. silva ‘Wald’. Silvanus, Silwanus, Sylvanus; Silvius; Silvander, Sylvander. sināpis ‘Senf’ (< griech. σίναπι, sínapi ‘Senfpflanze’). Sinapius. sūtor ‘Schuster’. Sutor, Suttor; Sutoris; Sutorius. textor ‘Weber’. Textor, Texter, Dextor; Textoris, Textores; Textorius. tilia ‘Linde’. Tiliander. tōnsor ‘Frisör, Barbier’. Tonsor. ursus ‘Bär’. Ursinus. vēnātor ‘Jäger’. Venator. vīcīnus ‘Nachbar’. Vicinus. vietor ‘Binder, Fassbinder’. Vietor, Viëtor, Wietor. vīlla ‘Landgut; Dorf’. Aurivillius. vulpēs ‘Fuchs’. Vulpes, Vulpus; Vulpius. vultur, vulturius ‘Geier’. Vulturius. xenodochīum ‘Herberge, Pilgerhaus, Hospital’ (< griech. ξενοδοχέω, xenodochéo ‘Fremde aufnehmen’). Xenodochius.

3.2. Griechisch aípos (αίπος) ‘steile Höhe’. Aepinus. anér, andrós (ανήρ, ανδρός) ‘Mann’. Arctander, Arktander; Arenander; Argelander, Argillander; Aulander; Betulander; Chrysander,

Chrisander, Krysander; Colliander; Dryander; Komander, Kommander, Commander; Lakander; Leander; Lithander; Macrander; Melander, Mellander; Mesander; Molander; Neander;

284 | Anhang 1: Namenbuch Pagander; Psilander; Sarkander, Sarcander, Sercander, Serkander; Silvander, Sylvander; Tiliander; Xylander, Xilander, Xyländer, Zylander. árgilos (άργιλος) ‘Töpfererde, Ton’. Argelander, Argillander. árktos (άρκτος) ‘Bär; großer/kleiner Bär (nördl. Sternbild)’. Arctaedius; Arctander, Arktander. artopoiós (αρτοποιός) ‘Bäcker’. Artopoeus, Artope, Artopee. aulé (αυλή) ‘eingefriedeter Hof vor dem Haus’. Aulander. chályps (χάλυψ) ‘Stahl’. Chalybaeus, Chalybäus. chelós (χηλός) ‘Kiste, Kasten’. Chelius. chélys (χέλυς) ‘Leier’. Chelius. chrýseos (χρύσεος) ‘golden’. Chrysander, Chrisander, Krysander. chytreús (χυτρεύς) ‘Töpfer, Hafner’. Chytraeus, Chytreus. daís, daitós (δαίς, δαιτός) ‘Gastmahl, Speise’. Arctaedius. drys dryós (δρυς, δρυός) ‘Baum, Eiche’. Dryander; Dryselius. eiréne (ειρήνη) ‘Friede’. Irenaeus, Irenäus, Ireneus. éremos (έρημος) ‘Wüste’. Erenius. erythrós (ερυθρός) ‘rot, rötlich’. Erythropel. Gígas (Γίγας) ‘Gigant’. Gigas. gnapheús (γναφεύς) ‘Walker, Tuchscherer’. Gnapheus, Gnaphäus, Gnapfeus. kochlías (κοχλίας) ‘Schnecke’. Kochleus. kóme (κώμη) ‘Dorf’. Komander, Kommander, Commander. krátos (κράτος) ‘Stärke, Kraft’. Crato, Krato. kyknós (κύκνος) ‘Schwan’. Cygnaeus.

lagós (λαγός) ‘Hase’. Lagius, Lagus. lampás, lampádos (λαμπάς, λαμπάδος) ‘Fackel, Leuchte; Sonne’. Lampadius. laós (λαός), att. leós (λεώς) ‘Volk’. Leander. latomía (λατομία) ‘Steinbruch’. Lathomus. líthos (λίθος) ‘Stein, Fels’. Lithander. mágeiras (μάγειρας) ‘Koch’. Magirius, Magirus, Machirus, Magérus. makrós (μακρός) ‘lang’. Macrander. mechanikós (μηχανικός) ‘die Mechanik betreffend, mechanisch’. Mechanicus. mélon (μήλον) ‘Apfel’. Melander, Mellander. mélas (μέλας) ‘schwarz’. Melas; Melander, Mellander. mésos (μέσος) ‘mitten, in der Mitte’. Mesander. mýlos (μύλος) ‘Mühle’. Mylius, Milius; Mylaeus. néos (νέος) ‘neu’. Neander. pelargós (πελαργός) ‘Storch’. Pelargus. perízoma (περίζωμα) ‘Lendenschurz’. Perizonius. pílos (πίλος) ‘Filz, Filzhut’. Erythropel. psilós (ψιλóς) ‘kahl, nackt, entblößt; leichtbekleidet’. Psilander. sárx, sarkós (σάρξ, σαρκός) ‘Fleisch’. Sarx; Sarkander, Sarcander, Serkander, Sercander. sínapi (σίναπι) ‘Senfpflanze’. Sinapius. timé (τιμή) ‘Ehre’. Timaeus, Timäus, Timeus. toxopoiós (τοξοποιóς) ‘jemand, der einen Bogen herstellt’. Toxopeus, Toxopéus, Toxopeüs. xenodochéo (ξενοδοχέω) ‘Fremde aufnehmen’. Xenodochius. xýlon (ξύλον) ‘Holz’. Xylander, Xilander, Xyländer, Zylander.

3.3. Hebräisch enak (‫‘ )ענק‬Riese’. Enax, Einax.

schomēr (‫‘ )שומר‬Wächter’. Schomerus

Anhang 2: Übersicht zu den Matrikelbüchern Die nachfolgende Tabelle stellt eine Übersicht der für das Matrikelkorpus ausgewerteten Immatrikulationen pro Jahr und Universität dar. In den meisten Fällen wurden zwei Semester gewertet, beginnend mit dem Sommersemester (etwa Sommersemester 1500 und Wintersemester 1500/1501). Wenn Einschreibungen exakt datiert sind, wurden gesamte Kalenderjahre vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines Jahres gewählt. In Klammern unter der Anzahl der Immatrikulationen angegebene abweichende Zeiträume wurden ersatzweise verwendet, wenn einzelne Semester oder ganze Jahre in den Matrikelbüchern nicht überliefert sind (z. B. Heidelberg 1653). Tab. 54: Anzahl der Immatrikulationen je Universität und Zeitabschnitt.

1450

1475

1500

1525

1550

1575

Erfurt

157

178

331

21

122

115

Heidelberg

101

105

157

36

127

107

Köln

241

169

442

122

161

114

Leipzig

178

207

346

101

339

-

Löwen

-

573

491

492

773

-

Rostock

171

170

188

15

84

184

Wien

631

438

543

110

274

119

-

-

411 (1502)

199

553

449

1479 (247)

1840 (263)

2909 (363)

1096 (137)

2433 (304)

1088 (181)

Wittenberg Gesamt (Durchschn.)

 

286 | Anhang 2: Übersicht zu den Matrikelbüchern

1600

1625

1650

1675

1700

Gesamt

34

12

-

-

-

970

Heidelberg

188

-

81 (1653)

-

45 (1705)

947

Köln

112

190

279

399

311

2540

Erfurt

Leipzig

-

-

-

-

-

1171

Löwen

-

466

512

363

377

4047

156

280

258

123 (1674/75)

151

1780

85

144

264

127

474

3209

486

408

537

-

-

3043

1061 (177)

1500 (250)

1931 (321)

1012 (253)

1358 (272)

17707 (252)

Rostock Wien Wittenberg Gesamt (Durchschn.)

Familiennamen- und Personenregister Advena 155, 259 Aemilius 39 – Georg Aemilius Siehe Oemler, Georg Aepinus 275 Agrelius 4, 200, 259 Agricola 4, 155f., 184ff., 259 – Agrikola 155, 259 – Gnaeus Julius Agricola 156, 259 – Rudolf Agricola 4, 30f., 33f., 156, 173f., 184, 234, 259 Alberti 65, 89, 101, 118, 200, 203 – Alberty 118, 200, 203 Albinius 259 Albinus 37, 39, 259 Albus 259 Alias 260 Alius 260 Amnelius 260 Amneus 260 Andreae 125 – Andrä 125 – Andrae 125 – Andreä 125 Angeli 122, 260 – Angely 260 Angelius 161, 260 Angelus 260 Anser 171, 280 Antoni 89, 118 – Antony 118, 230 Antonides 142, 144, 208 Apiarius 260 Apitius 193 Aquarius 153f., 260 Aquila 155, 260 Aquilonius 260 Arctaedius 200, 275 Arcularius 153f., 260 Arenander 165, 200, 260 Argillander 163, 275 – Argelander 185, 275 Arhusiander 166 Arius 280 – Aries 280

https://doi.org/10.1515/9783110744378-009

Arktander 163f., 275 – Arctander 191, 275 Arnoldus 111 Artopoeus 75, 136, 140, 145f., 276 – Artope 140, 276 – Artopee 140, 276 Artus 116 Asmus 113, 115 – Asmuß 235 Asper 171 Aster 171, 280 Auctor 280 – Aucktor 280 – Auktor 280 Auditor 152, 213f., 261 Aulander 163, 166, 182, 276 Auriga 155, 261 Aurivillius 200, 261 Autem 280 Avenarius 153f., 196, 261 Avenius 180, 261 – Awenius 180, 261 Avianus 261 Baldus 111, 113 Barbaro, Ermolao 34 Baronius 131 Bartholomae 126 – Barthelmä 126 – Bartholmae 126 – Bartholomä 126 Bartholomaeus 137 – Barthelmeus 137 – Bartholmeus 137 – Bartholomäus 137 – Bartholomeus 137 – Bartolomaeus 137 – Bartolomäus 137 Bergander 166f. Bergius 197 Bernardi 120f. Bernardus 120f. Bertus 116 Betulander 4, 165f., 200, 261

288 | Familiennamen- und Personenregister

Bockius 197f. Boethius (Anicius Manlius Severinus Boethius) 173 Boetius 173, 175 Bolenius 199 – Bolinius 199 Bonus 261 Braxator 7, 152, 162, 213f., 261 – Praxator 213f., 261 Brevis 261 – Breves 261 Budaeus – Budäus 137 – Buddäus 137 – Buddäus 138 – Buddeus 138 – Budeus 138 Caesar 174, 261 – Cäsar 261 – Cesar 261 – Caesar (Gaius Julius Caesar) 44, 127, 174, 179, 261 – Zäsar 261 Calaminus 112 Camerarius 17 Candidus 262 Canis 124, 180, 262 – Kanis 124, 180, 262 – Kaniß 124, 262 Canisius 33, 160, 196, 262 Capito 262 – Kapito 180, 262 Capnio Siehe Reuchlin, Johannes Carnarius 132, 153f., 262 Caroli 80 Carolus 102f. Cascorbi 119, 121, 147 Caspari 118 – Caspary 118 – Kaspari 118 Castor 280 – Kastor 280 Castritius 150f., 160, 162, 169f., 234, 262 Cattus 262 – Kattus 262 Cellarius 132, 153f., 162, 262

Celtis, Konrad 8, 27, 31ff., 35, 39ff., 47f., 55, 79, 168, 190, 234 Cervinus 262 Chalybaeus 137, 146, 171, 181f., 276 – Chalybäus 276 Chelius 145f., 151, 182, 276 Chemnitius 199 Chrysander 163f., 182, 185, 276 – Chrisander 276 – Krysander 276 Chryselius 106 Chytraeus 137, 182, 276 – Chytreus 276 Cicero (Marcus Tullius Cicero) 16, 26, 47, 173f., 179, 264, 266 Civis 262 Clausius 135 Cleophilus, Franciscus Octavius 29 Clericus 262 Clesius 135 – Klesius 135 Closius 121, 135 – Klosius 135 Cochlaeus – Johannes Cochlaeus 48, 266 – Kochleus 266 Colliander 165, 263 Colonius 131, 199 Columbus 115, 263 – Kolumbus 180, 263 Comes 263 – Komes 180, 263 Conradi 65, 89, 118, 200, 203, 233ff. – Conradie 200, 203 – Conrady 118, 200 – Konradi 118, 235 – Konrady 118 Coqui 122, 263 Cordus, Euricius 35 Cornarius 10, 150, 153f., 171, 263 – Janus Cornarius 36, 263 Cornelius 7, 112, 128f., 196 Corvinius 263 Corvinus 263 Cremerius 6, 129, 132f., 177, 235 Crotus Rubeanus, Johannes 35f., 39ff., 44f. Crucis 263

Familiennamen- und Personenregister | 289

Crucius 263 Crusius 132, 173, 177 Crux 264 Cunaeus 138 – Cunäus 138 Curio 264 Curtius 6, 85, 176, 179f. – Kurcius 179f. – Kurtius 179f. – Kurtzius 179f. – Kurzius 179f. Custodis 124, 147, 264 Cygnaeus 264 Dalberg, Johann von (Bischof von Mainz) 50 Dasypodius, Petrus 36 Debus 111, 113, 115 Decius 10 Diebel 10 Dittus 113 Dongus 113 Drexelius 131, 235 Dryander 163, 185f., 276 Dryselius 200, 276 Dux 264 Eberius 132, 197f., 235 Eccius 84f. Ellenbog, Nikolaus (Cubitus) 47, 50 Enax 147, 279 – Einax 279 Enea Silvio (Aeneas Sylvius Piccolomineus, Papst Pius II.) 29 Eobanus Hessus, Helius 27, 35, 38, 41, 44, 106 Erasmus (Erasmus von Rotterdam) 48 Erenius 277 Ernesti 98 Ernestius 98 Ernestus 98 Erythropel 148, 277 Euripides 144 Euticus, Heinrich (Geratwol) 48f. Fabarius 153, 264 Faber 1, 11, 17f., 25, 64f., 67ff., 71f., 89, 91, 114, 120, 147, 150, 152, 156, 161, 184ff.,

208f., 211f., 214, 225, 227f., 230f., 234, 236, 264 – de Faber 264 – Faaber 209, 235, 264 – Fabers 264 – Fabert 264 – Fawer 209 Fabri 64ff., 89, 92, 119f., 122, 161, 185, 187f., 233, 264 – Fabrie 264 – Fabry 119, 264 – Johannes Fabri (Bischof von Wien) 106 Fabricius 64f., 68ff., 72, 120, 150, 160f., 169, 174, 176, 185f., 188, 191, 196, 217ff., 231, 233, 235, 264 – Fabritius 218f., 264 – Fabritzius 217f., 264 – Fabrizius 218f., 264 Falco 265 – Falko 265 Ferrarius 153f., 265 Ficino, Marsilio 29, 33 Ficus 265 – Fickus 265 – Fikus 265 Figura 172, 280 Filius 196, 265 – Felius 265 Finis 265 Fontius 265 Friedrich I. (Pfalzgraf) 30 Friedrich III. (Kaiser) 28 Friedrich III., der Weise (Kurfürst von Sachsen) 34 Frobenius 101 Fuchsius 5, 7, 49, 85, 105, 107, 129, 177, 196f., 235 – Fuxius 107, 173, 177, 235 Fudaeus 138 – Fudeus 138 Funccius 177, 196 Galli 122, 265 – Gally 265 Gallus 113, 265 Gatsonides 142f., 208 Georgi 89, 117

290 | Familiennamen- und Personenregister

– Georgy 117 Georgius 106, 117, 128 Gerhardi 177 Gerhardus 114 Gigas 265 – Gygas 265 – Gygax 265 Gladiator 151ff., 214, 265 Gnaphaeus 277 – Gnapfeus 277 – Gnaphäus 277 Goeddaeus 138 – Goddäus 138 Gregorius 132 Guarino da Verona 30 Gubernator 152f., 213f., 266 – Guvernator 213f., 266 Harmanides 142f. Hauerius, Nicolaus 46, 95ff., 103f. Hausius 197 Heddaeus 138 – Heddäus 138 Heinsius 101 Helmus 114f. Hermanides 208 Hermanni 81, 122, 151 – Harmanni 122 – Hermanny 122 – Herrmanny 122 Hermannus 39, 81 Hessenius 131, 133, 199, 233, 235 – Hesenius 199 – Heßenius 199 Hieronymus 113, 115f. – Hieronimus 113 Hilarides 142, 208 – Hijlarides 142 – Hylarides 142 Hilarius 132 Hoffmanni 81 Hoffmannus 81 Hofius 197f. Homilius 131, 133 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 16 Hortensius 173f., 176, 266 Hortulanus 157f., 216, 266

Hosaeus 140 – Hoseus 137, 140 Hosius 85, 140 Hospes 266 Hubertus 116 Huberty 230 Hunaeus 138 – Huneus 138 Hutten, Ulrich von 27, 35, 50 IJnzonides 143 Ireneus 146, 277 – Irenaeus 277 – Irenäus 277 Jacobi 65, 89f., 98, 117, 124, 200f., 203 – Jacobie 200 – Jacobij 203 – Jacoby 117, 119, 200, 203, 230 – Jakobi 117, 203 – Jakoby 117, 203 Jacobius 98 Jacobus 38, 90 Jakobides 142, 204ff. Johanni 122, 183 – Johanny 122 Johannides 142, 204, 231 – Joannides 142, 204 Johannis 80, 90, 124 Judex 266 Junctorius 159, 266 – Jungtorius 159, 266 Jungius 196f. Junior 196, 266 Junius 266 Justus 113 Kalbus 114 Kargus 113f. Kasparides 142, 204 Katillus 158, 266 – Kattillus 158, 266 Kilgus 113 Kobus 113, 115 Kochius 197 Kohlus 114, 177 Kolbus 114, 116

Familiennamen- und Personenregister | 291

Komander 75, 163f., 167, 220ff., 232, 236, 277 – Commander 277 – Kommander 220ff., 232, 277 Koppius 90, 196 Korbus 114ff. Krachenberger, Johannes (Gracchus Pierius) 33, 47, 175 Krato 277 – Crato 277 Kuperus 225 – Couperus 115 – Cuperus 103, 115 Kurzius 197 Kustos 266 Labor 266 Lagius 145f., 277 Lagus 145f., 277 Lakander 165, 200, 267 Lambertus 116 Lampadius 277 Lanaeus – Lanäus 138 – Laneus 138 Langius 84, 86, 197 Lanio 267 Lanius 267 Lathomus 267 Launus 102 Lazarus 113 Leander 163f., 167, 221ff., 231, 277 Lebaeus – Lebäus 138 – Lebbäus 138 – Lebeus 138 Libertus 116 Linné 140 Lipsius 199 Lithander 163, 278 Longius 84 Lucius 59, 179 – Lutzius 179 – Luzius 179 Luder, Peter 30, 54 Lupus 267 Luther, Martin 4, 32, 35

Macherius 132 Macrander 163, 278 Magirius 145f. Magirus 115, 145f., 278 – Machirus 278 – Magérus 278 Magni 80 Magnus 267 Majerus 114, 230 Major 180, 267 – Maior 267 – Majoor 180, 267 Manlius, Jacobus 38 Marcus 113 – Markus 113 Martini 89, 117, 119, 124 – Martiny 117 Martius 267 Martus 116 Matthae 126 – Mathä 126 – Mathae 126 – Matthä 126 Matthaeus 138 – Mateus 138 – Mathaeus 138 – Mathäus 138 – Matheus 138 – Matthäus 112, 138 – Mattheus 138 Matthesius 135, 193 – Mathesius 135 Matthiae 125 – Mathiä 125 – Mathiae 125 – Matthiä 125 Maurus 267 Mebesius 135 Mebus 113, 178 Mechanicus 267 Medicus 267 Megobachus, Johannes 38 Meinardus 114, 116 Melanchthon, Philipp 4, 34f., 38, 44, 48, 55, 149f., 234 Melander 163, 185, 221f., 278 – Mellander 278

292 | Familiennamen- und Personenregister

Melas 278 Mensonides 142ff., 208 Mercator 180, 213f., 268 – Merkator 180, 213f., 268 Mercatoris 124, 268 Mesander 164, 278 Michaeli 122, 124 – Michaely 122 Michaelides 142, 144 – Michalides 142, 144, 204ff. Michaelis 7, 90, 124, 230 Minor 268 – Minohr 268 Miserus 268 – Miezerus 268 Möbius 112, 177f., 180, 196 – Mebius 177f. – Mobius 177 – Moebius 177, 180 Möbus 113 Moebius – Möbius 235, 237 Molander 165, 268 Molanus 157, 214, 216f., 268 Molinaeus 137 Molinari 280 Molitor 17, 25, 49, 69, 72ff., 122, 152, 162, 180, 208ff., 224, 228, 230, 234, 268 – Moliteur 268 – Mollidor 268 – Mollitor 180, 209, 211, 268 Molitoris 69, 72, 74, 124, 268 Mollerus 111, 114 Moneta 280 Monheimius 199 – Monhemius 199 Mönius 177f., 194, 196, 214, 231 – Menius 178 – Moenius 178 – Monius 178 Montanus 111, 115, 156f., 214ff., 268 Montelius 268 Mors 281 Möwius 177f. – Mewius 178 – Moewius 178 – Mowius 178

Musaeus 138, 140, 159, 269 – Musäus 139f., 159, 269 – Mussäus 139 Musculus 158, 269 – Musklus 158f., 269 – Muskolus 158, 269 – Muskulus 158, 180, 269 Musius 140, 159f., 269 Mutianus Rufus, Konrad 35f., 44ff., 234 Mylaeus 137, 140, 146, 278 Mylius 75, 140, 145f., 161, 278 – Milius 278 Nauta 155f., 180, 211f., 225, 227, 269 – Nouta 155, 180, 269 Neander 35, 49, 75, 79, 92, 164, 167, 185, 221ff., 231, 233, 279 Nicaeus – Nicäus 139 – Niceus 139 Nicolae 126 Nicolai 7, 80, 89, 91, 101, 117, 119, 121, 200, 203, 225, 227 – Nickolai 117 – Nickolay 117 – Nicolaï 203 – Nicolaij 203 – Nicolay 102, 117, 127, 200, 203 – Nikolai 117 – Nikolay 117 Nicolaudius 129, 161 Nicolaus 7, 109, 117, 127, 129, 134f. – Nikolaus 112, 191 Nicolovius 129, 132 Nikolaides 7, 142f., 204ff. – Nicolaides 91, 141ff., 204 Noae 126 Nobel 135 Oecolampadius, Johannes 79, 84, 97, 181 Oemler, Georg (Aemilius) 31, 34, 38, 44f., 48, 62, 109, 173ff., 190 Olearius 153f., 269 Olevianus, Caspar 38 Ollarius 153f., 269 Opificius 160, 269 Osiander 166f.

Familiennamen- und Personenregister | 293

– Andreas Osiander 167f. Oxenius 131, 235 Pacem 269 Pagander 165, 269 Paludanus 157, 216, 269 Pampus 112 Parvus 269 – Parwus 269 Pastor 152, 180, 214, 269 – Paster 269 – Pastohr 180, 235, 269 – Pastoor 180, 269 – Pastor 180 Pastori 124 Pastoris 124 Paternoster 172 Paul II. (Papst) 29 Pauli 65, 89f., 117, 124, 200f., 203 – Paulij 203 – Pauly 117, 200, 203, 230 Paulides 142, 144, 208 Paulus 41, 86f., 90, 101ff., 113, 229 Pelargus 6, 59, 115, 145, 279 Pelizaeus 139 – Pelizäus 139 Perius 193 Perizonius 182, 269 Petraeus 137, 140 Petrarca, Francesco 26 Petri 1, 65, 80, 89f., 92, 117, 119, 124, 200, 203, 228, 236 – Petrie 200, 203 – Petrij 203 – Petry 117, 119, 200, 203, 230 Petrides 141f., 144, 204 Peutinger, Konrad 27, 50 Philipp I., der Großmütige (Landgraf von Hessen) 190 Philippi 89, 118, 200f., 203 – Philippy 200 Piatti, Piattino 173f. Pirckheimer, Willibald 27, 50 Piscator 69, 72ff., 152, 162, 214, 270 – Piskator 180, 214, 270 Piscatoris 37, 69, 74

Pistor 63, 68f., 72, 75, 89, 107, 122, 152, 159, 180, 214, 270 – Pestoor 270 – Pistoor 180, 270 Pistori 122, 270 – Pistory 122, 270 Pistoris 63, 69, 89, 92 Pistorius 63, 69, 107, 113, 132, 151, 159, 161, 185, 218f., 270 Pius II. (Papst) Siehe Enea Silvio Plancius 270 Plato 6, 173ff. Platter, Thomas 46, 96f. Plieningen, Dietrich von (bayrischer Kanzler) 31, 38, 173ff. Plinius 39, 173f. – Plinius der Ältere (Gaius Plinius Secundus Maior) 173 – Plinius der Jüngere (Gaius Plinius Caecilius Secundus) 31, 173, 175 Pomarius 153f., 235, 270 – Bomarius 270 – Bommarius 270 – Pommarius 270 Pomponio (Julius Pomponius Laetus) 29, 33, 40 Pontanus 156f., 216f., 270 Pontelius 270 Posthumus 225, 281 Potinius 199 Praetor 68f., 152, 180, 214, 270 – Prätor 214, 270 – Pretor 214, 270 Praetoris 69, 89 Praetorius 35, 38f., 59, 106, 159, 176, 180, 218f., 270 – Bretorius 270 – Prætorius 270 – Prätorius 160, 180, 218f., 235, 270 – Preetorius 270 – Pretorius 160, 217f., 270 Prato 271 Prätori 271 – Pretory 271 Psilander 164, 166, 279 Pulcher 271 Puteanus 157, 214, 271

294 | Familiennamen- und Personenregister

Quatuor 271 Quinque 271 Rabeus 140 Rabius 140 Rabus 112, 114 Rasor 271 Reddingius 198f. Redenius 113, 199 – Redinius 199 Reershemius 199, 226f., 237 Regis 271 Regius 39, 271 – Urbanus Regius 39, 271 Reinhardus 100 Remaclus Arduenna 48 Reuchlin, Johannes (Capnio) 33ff., 46f., 79, 181, 234 Rex 271 Rivinius 131, 272 Rodius 103 Rosæfontanus 272 Rosarius 153f., 272 Roselius 193 Rosinius 272 Rosinus 272 Rotarius 153f., 272 Rubertus 103 – Robertus 116 – Rupertus 116 Rudolphus 100 Rusticus 272 Sagittarius 153f., 272 – Sagitarius 272 Salander 165f. Salinus 272 Salius 272 Salutati, Collucio 26 Sapidus, Johannes 46, 96 Sarkander 164, 181, 221ff., 279 – Sarcander 181, 222f., 279 Sartor 4, 6, 68ff., 94, 124, 149f., 152, 161f., 214, 272 Sartori 272 – Sartory 272 Sartoris 69, 89, 119, 124, 233, 272

Sartorius 4, 6, 49, 69, 74, 88, 94, 129, 132f., 150, 160f., 169, 184ff., 188, 218f., 233, 272 Sarx 279 Saternus 112 Sator 152, 214, 272f. Satori 273 – Satory 273 Satorius 160, 273 Schafferus 114 Schniermanni 122 Schomerus 115, 146f., 151, 280 – Conrad Schomerus (Köster, Custos) 147 – Johannes Schomerus (Köster) 147, 280 Schottelius 132ff., 161 Schubaeus – Schubäus 139 – Schubeus 139 Schuiermanni 122 Schullerus 114 Schuppelius 131 Schwagerus 114 Scipio 273 – Scipio (Publius Cornelius Scipio Africanus) 273 Scriba 155, 273 – Skriba 273 Semenius 4, 200, 273 Semper 172, 281 Seneca 105, 174ff. – Seneca (Lucius Annaeus Seneca) 174 Silex 273 Silvander 151, 165, 273 – Sylvander 273 Silvanus 115, 157, 214f., 273 – Silwanus 273 – Sylvanus 214f., 273 Silvia 281 Silvius 273 Simonides 11, 141f., 144, 204, 206, 208, 224, 232f., 235 Simonis 90, 124 Sinapius 273 Sohnius 196ff. – Sonius 196 Spalatin, Georg 4, 35, 37, 106 Staphorsius 217

Familiennamen- und Personenregister | 295

Stefanides 142, 144, 204ff., 224 – Steffanides 142, 204, 231 – Stephanides 142, 204ff., 224 Sutor 65, 68f., 152, 180, 214, 274 – Suttor 180, 214, 274 Sutoris 69, 89, 124 Sutorius 132, 160, 217ff., 274 Svenander 166 Sycamber, Rutger 44 Tacitus (Publius Cornelius Tacitus) 156, 259 Textor 6, 65, 68f., 152, 180, 214, 274 – Dextor 274 – Texter 274 Textoris 6, 69, 89, 124, 274 – Textores 274 Textorius 274 Thaddaeus – Tadeus 139 – Thaddäus 139 Theodorici 65 Thiesius 135 – Thisius 135 Thilmany 230 Thomae 126 – Thomä 126 Thomai 122 – Thomay 122 Thomasius 129, 135 Thukydides 144 Tiliander 165, 274 Timaeus 139, 279 – Timäus 139, 279 – Timeus 139, 279 Tobae 126 – Thobae 126 – Tobä 126 – Towae 126 Tolhopf, Johannes (Tolophus) 39 Tonsor 274 Toxopeus 170, 279

– Toxopeüs 279 – Toxopéus 279 Trebesius 135 Treviranus 109, 157, 199 Trithemius, Johannes 44 Ulrici 65 Ursinus 274 Venator 36, 39, 152, 214, 274 Venus 281 Vicinus 274 Vietor 25, 152, 180, 214, 235, 275 – Viëtor 275 – Wietor 180, 214, 275 Vietoris 124 Vulpes 5, 105ff., 196, 275 Vulpius 107, 275 Vulpus 275 Vulturius 275 Wencelides 231 Wernerus 114 Wilhelmi 89, 118 – Wilhelmy 118 Willius 101 Winandy 230 Windus 114ff. Winsemius 217, 225 Xenodochius 4, 275 Xylander 4, 75, 148, 150, 164, 166, 169, 180, 184, 221ff., 231, 235, 279 – Xilander 279 – Xyländer 166, 180, 235, 279 – Zylander 279 Zachaeus 139 – Zachäus 139 – Zacheus 139 Zachariae 126