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German Pages 238 Year 1993
ELMAR WADLE
Historische Studien zum Urheberrecht in Europa
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Trier, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken, Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg
Band 10
Historische Studien zum Urheberrecht in Europa Entwicklungslinien und Grundfragen
llerausgegeben von
Elmar Wadle
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Historische Studien zum Urheberrecht in Europa : Entwicklungslinien und Grundfragen I hrsg. von Elmar Wadle. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte ; Bd. 10) ISBN 3-428-07683-4 NE: Wadle, Elmar [Hrsg.]; GT
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-07683-4
Inhaltsverzeichnis Einführung und Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Renate Frohne Ahasver Fritsch und das Urheberrecht
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Ludwig Gieseke Zensur und Nachdruckschutz in deutschen Staaten in den Jahren nach 1800
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Elmar Wad/e Privilegienschutz gegen den Nachdruck um 1800 - Der Fall Artaria contra Götz . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .
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William R. Cornish Das "Statute of Anne" (8 Anne c. 19)
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Manfred Rehbinder Die geschichtliche Entwicklung des schweizerischen Urheberrechts bis zum ersten Bundesgesetz vom Jahre 1883 . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .
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Luigi C. Ubertazzi Zu den piemontesischen Ursprüngen des italienischen Urheberrechts
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Gunnar Karneil Theoretische Grundlagen der Urheberrechtsentwicklung in den nordischen Ländern ... . ... . .................................................... . . . . . ......... . . . ...
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Herman Cohen Jehoram Urheberrecht: eine Sache des Rechts oder der Opportunität? Eine alte, aber unvollendete Debatte in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Diethelm Klippe/ Die Idee des geistigen Eigentums in Naturrecht und Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Barbara Dölemeyer "Das Urheberrecht ist ein Weltrecht" - Rechtsvergleichung und Immaterialgüterrecht bei Josef Kohler . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .
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Joanna Schmidt-Szalewski Evolution du droit d'auteur en France
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Walter Dillenz Warum Österreich-Ungarn nie der Bemer Übereinkunft beitrat .... .. .. .... .. .. .
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Martin Vogel Urheberpersönlichkeitsrecht und Verlagsrecht im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ..... .................... . . . ................ .'.... . ..............................
191
Reto M. Hilty Fragen zur Entwicklung des schweizerischen Verlagsrechts .... .... .. ........ ...
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Artur Wandtke Zu einigen theoretischen Grundlagen des Urheberrechts in der DDR - Historischer Einblick . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . .. . . 225 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Einführung und Dank Die Entwicklung des Urheberrechts seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zeigt von Anfang an ein doppeltes Gesicht. Sie ist zum einen geprägt durch die jeweils eigene Tradition der einzelnen Staaten, sie ist zum anderen begleitet und getragen durch Rechtsvergleichung und einer die Grenzen überschreitende Suche nach allgemeinen Grundlagen des Urheberschutzes. Diese Erkenntnis wurde neu belebt durch die seit Jahren geführte Diskussion um die Harmonisierung des europäischen Urheberrechts. Das Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1 hat diese Debatte nachhaltig angeregt und durch seine Orientierung an der angelsächsischen Tradition des Copyright-Denkens zugleich den historischen Kontext der Entwicklung hervorgehoben. Solche Wechselwirkungen sind Grund genug für einen Versuch, die geschichtlichen Vorläufer und Ansätze genauer in den Blick zu nehmen. Für die Realisierung eines solchen Vorhabens bot sich ein nahezu ideales Forum. Seit einigen Jahren treffen sich historisch interessierte Urheberrechtier und urheberrechtlich interessierte Rechtshistoriker, um sich über Themen der Urheberrechtsgeschichte auszutauschen. Der wissenschaftliche Niederschlag dieser Treffen 2 hat ein erfreuliches Echo gefunden, und so lag es nahe, diesen Kreis gezielt auf die eingangs erwähnte Doppelgesichtigkeit der Urheberrechtsentwicklung anzusprechen.
I Grünbuch über Urheberrecht und die technologische Herausforderung Urheberrechtsfragen, die sofortiges Handeln erfordern, Mitteilung der Kommission, CON (88) 172 end. (23. August 1988). - Von den zahlreichen kritischen Äußerungen dazu seien hier nur genannt: Margret Möller: Urheberrecht oder Copyright? Intern. Gesellschaft für Urheberrecht e. V., Berlin 1988; Adolf Dietz: Harrnonisierung des europäischen Urheberrechts, in: Georg Ress (Hg.): Entwicklung des europäischen Urheberrechts, Baden-Baden 1989, S. 57- 67; Geist und Geld, eine Tagung über die Zukunft des geistigen Eigentums in Europa, 25.-27. Oktober 1989 in Bonn, Verwertungsgesellschaft WORT, München 1990. z Es sind publiziert die Referate von - Murten (September 1986) in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht, Bd. 106, Bern 1987; - Heiligenkreuz (November 1987) in: Robert Dittrich (Hg.): Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es? Wurzeln, geschichtlicher Ursprung, geistesgeschichtlicher Hintergrund und Zukunft des Urheberrechts, Österreichische Schriftenreihe zum Gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht (= ÖSGRUM), Bd. 7, Wien
-
1988.
Budapest (Dezember 1989) in: Robert Dittrich (Hg.): Die Notwendigkeit des Urheberschutzes im Lichte seiner Geschichte, ÖSGRUM Bd. 9, Wien 1991.
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Einführung und Dank
Martin Vogel und der Verfasser dieser Zeilen hatten es unternommen, die nächste Tagung auszurichten. Dadurch ergab sich die Chance, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf den europäischen Kontext zu lenken. Der Ort des Treffens, die Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel, bot dem Unternehmen einen viel bewunderten Rahmen. Die Vorträge, die am 11. I 12. November 1991 im ebenso geschichtsträchtigen wie stilvollen Bibelsaal der Bibliothek gehalten wurden, sind hier versammelt. Einige der Teilnehmer machten von dem Angebot Gebrauch, den vorgetragenen Text zu vervollständigen und zu erweitern; andere behielten die Vortragsform im wesentlichen bei. Dies mag zu einer gewissen Inhomogenität führen, tut aber der Sache selbst keinen Abbruch, denn auch auf diese Weise dürfte das gesteckte Ziel deutlich werden, nämlich aufmerksam zu machen auf Gemeinsamkeiten und Differenzierungen in der Geschichte des Urheberrechts seit dem 18. Jahrhundert. Die drei an die Spitze gerückten Beiträge befassen sich mit Gegenständen, welche für die ältere Zeit charakteristisch waren und über die Schwelle zum 19. Jahrhundert hinaus wirksam geblieben sind. Überblicke und Abrisse der Urheberrechtsgeschichte stellen der Zeit des modernen und bis in die Gegenwart reichenden Urheberrechts durchweg zwei Epochen voran: zum einen das Zeitalter des Privilegienwesens, zum anderen die Epoche der Lehre vom geistigen Eigentum und der sie aufnehmenden Gesetzgebung des auslaufenden 18. Jahrhunderts. Obgleich diese Periodisierung im großen und ganzen zutrifft, so darf sie doch nicht als säuberlich trennbare Abfolge mißverstanden werden. Privilegien zum Schutz von Nachdruck werden bis weit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein erteilt, obgleich zu Recht die zukunftsträchtige Rolle der einzelstaatlichen Gesetzgebung hervorgehoben wird. Und die Lehren vom Verlagseigentum oder vom geistigen Eigentum stehen exemplarisch für das verstärkte Bemühungen um eine theoretische Fundierung des Schutzes von Verlegern und Autoren; sie haben nicht die positivrechtliche durch Privileg und I oder Gesetz beherrschte Ebene im Blick, sondern die dahinterliegende Ebene der sie tragenden Gedanken und .Rechtsgrundsätze. Die literarischen Zeugnisse betreffen beide Ebenen, je nachdem, ob sich eine Schrift als Ausdruck geltenden Rechts versteht, oder nur als Legitimationshilfe für die Instanzen, welche das positive Recht handhaben oder setzen. Auf diese Zusammenhänge und Überschneidungen wollen die ersten drei Beiträge hinweisen. Für die Gattung Literatur stehen exemplarisch die einschlägigen Äußerungen des Ahasver Fritsch (Frohne). Auf die Gesetzgebung verweist die Untersuchung zur Koppelung von Nachdruckschutz und Zensur (Gieseke), ein traditioneller Zusammenhang, der in Deutschland erst in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts aufgebrochen werden konnte. Derbis ins 19. Jahrhundert reichende Horizont des Privilegienwesens wird am Beispiel eines vor dem Reichshofrat ausgetragenen Rechtsstreites beleuchtet (Wadle). Wird in den genannten Untersuchungen der allgemeinere Hintergrund der modernen Gesetzgebung paradigmatisch beleuchtet, so bieten die folgenden Bei-
Einführung und Dank
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träge- mehr oder weniger breite- Einblicke in die einzelstaatliche Legislation. Die Entstehungsgeschichte des berühmten "Statute of Anne" (Comish) macht bewußt, daß die Besonderheiten der englischen Rechtstradition bereits in den Anfängen staatlicher Gesetzgebung begründet worden sind. Die Darstellung der schweizerischen Gesetzgebung bis 1883 (Rehbinder) liefert ein gutes Beispiel für die Einbettung des staatlichen Schutzes in politische und internationale Zusammenhänge. Der Beitrag zu den Piemonteser Ursprüngen des italienischen Urheberrechts (Ubertazzi) greift weit aus und hebt die Zusammenhänge mit dem älteren Privilegienwesen und die wechselseitige Befruchtung der einzelstaatlichen Gesetzgebung vor der Gründung des Königreichs Italien hervor. Die theoretische Diskussion steht im Vordergrund der beiden auf Deutschland bezogenen Themen, deren erstes das Fortwirken der naturrechtlich fundierten Idee vom geistigen Eigentum gewidmet ist (Klippel), während das zweite sich ganz auf die herausragende Gestalt Josef Kohlers konzentriert (Dölemeyer). Zwei weitere Referate beschäftigen sich mit der Entwicklung in Nordeuropa und in den Niederlanden. Im Beitrag über das Geschehen in den nordischen Ländern (Kamell) werden sowohl die Einflüsse der zentraleuropäischen Debatte als auch der eigenständige Pragmatismus sichtbar. Dieselben Tendenzen spiegeln sich im Bericht über die niederländische Debatte um das Jahr 1877 (Cohen Jehoram). Das Referat zur französischen Entwicklung (Schmidt-Szalewski) wiederum ist breiter angelegt und führt von den Anfängen zur Zeit der Revolution bis in die Gegenwart; dadurch kommt ins Blickfeld, wie zeitgebunden die Prinzipien sind, aus welchen Gesetzgebung und Judikatur des 19. Jahrhunderts geschöpft haben, und wie sehr die Frage ansteht, ob das moderne Urheberrecht neue Leitbilder braucht. Eine Besonderheit der Urheberrechtsgeschichte im Kaisertum Österreich-Ungarn lenkt die Aufmerksamkeit zugleich auf die Berner Übereinkunft (Dillenz). Zwei Untersuchungen widmen sich Problemen des mit dem Urheberschutz eng verwobenen Verlagsrechts; dabei treten grundsätzliche Zusammenhänge mit der Lehre vom Urheberpersönlichkeitsrecht (Vogel) ebenso hervor wie die Probleme moderner Gesetzgebung am Beispiel der Schweiz (Hilty). Den Abschluß bildet eine Untersuchung zu den theoretischen Grundlagen des Urheberrechts in der Deutschen Demokratischen Republik (Wandtke); sie zeigt, wie stark grundlegende traditionelle Kategorien des Urheberrechts in die sozialistische Gesetzgebung hineingewirkt haben, aber auch, wie sie im Sinne des Systems korrigiert worden sind. Daß die Tagung in Wolfenbüttel zustande kam und ihr wissenschaftlicher Ertrag in dieser Weise einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, verdanken Teilnehmer, Organisatoren und Herausgeber mehreren Institutionen und Personen. Ihnen allen sind wir zu Dank verpflichtet. Der HerzogAugust-Bibliothek und ihrem Leiter, Herrn Professor Dr. Paul Raabe, danken wir für die freundliche Begrüßung, aber auch für organisatorische Hilfe; in diesen Dank schließe ich gerne Herrn Professor Dr. Niewöhner und seine Mitarbeiter ein. Zu danken haben wir nicht zuletzt den Institutionen, die uns finanziell unterstützt haben, vor allem dem Förderungs- und Beihilfefond Wissenschaft
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Einführung und Dank
der Verwertungsgesellschaft WORT, aber auch der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfaltigungsrechte (GEMA) und der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Besonderen Dank verdient auch Frau Armeliese Austgen, Sekretärin an meinem Lehrstuhl in Saarbrücken; sie hat die Tagung mitorganisiert, unermüdlich und erfolgreich die vielen Wünsche bei der Manuskriptgestaltung aufgegriffen und sich gegen die Tücken moderner Textverarbeitung behauptet. Als Teilnehmer am Treffen in Wolfenbüttel weiß ich, daß die Mühe der Vorbereitung sich gelohnt hat; als Herausgeber dieses Bandes hoffe ich, daß das Buch einen interessierten Leserkreis findet. Saarbrücken, im November 1992
Elmar Wadle
Ahasver Fritsch und das Urheberrecht Von Renate Frohne 1675 erschien in Jena, getragen von dem Hamburger Buchhändler Zacharias Hertel, eine neunzig Seiten umfassende Schrift - eine der ersten ihrer Art Tractatus de typographis (Buchdrucker), bibliopolis (Buchhändler), chartariis (Papierhersteller, -händler) et bibliopegis (Buchbinder), worin über Statuten und Privilegien sowie deren Rechtslage und denkbaren Mißbrauch, ferner über Bücherkontrollen, die Aufsicht über Druckereien und Buchhandlungen, die Preisgestaltung u. a. m. gesprochen wird 1• Verfasser des genannten Werkes ist Ahasver Fritsch (16. 12. 1629 bis 24. 8.1701), sächsischer Herkunft, dessen Jugend die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges prägten. In Halle und Jena ausgebildet, Dozent, Fürstenerzieher und Kanzler in Rudolstadt, hinterließ der Stifter der "geistlichen fruchtbaren JesusGesellschaft" - neben zahlreichen Liedern - ein Lebenswerk von dreihundert Titeln antiquarischen, publizistischen, germanistischen und juristischen Inhaltes. Nach langatmigen Elogien auf die Kunst des Buchdruckes, die "Kunst der Erinnerung", "die Überwindung des Todes und Heimstätte des Geistes", jenes "bedeutendste Wunder Germaniens, das, dem ganzen Erdkreis gemein geworden, den Weg zur Tugend mitteilt", bewahrendes Gegengewicht zur verschwenderischen Zeit, Zauberring, der alles entlarvt: die Torheit des Anaxagoras, die Possen Heraklits und die Narreteien des Karneades - "man siehet allen den läppischen Pracht der Philosophen" - , nach lauten Klagen über das saeculum corruptissimum, die verworfene Jetztzeit, Kind des Krieges und konfessionell zerstritteuer Welten, die Jetztzeit, die eine von hohem sittlichem Ernst getragene und von der Obrigkeit, der Kirche und den Dekanen ausgeübte bzw. eingesetzte Zensur erforderte (die im übrigen von dem Autor oder dem Verleger in angemessener Weise zu honorieren ist, sofern der Zensor kein öffentliches Gehalt bezieht und somit bestechlich ist), um Druck und Vertrieball jener Produkte zu verhindern, die religioni christianae adversum, bonis moribus scandalosum, rei publicae damnosum die Jugend, die Ruhe und den Frieden gefährden: atheistische Schriften, denen Ahasver Fritsch gleich den Schriften der Sophisten das Feuer wünscht, staatsgefährdende Schriften, aber auch entsprechende Lieder und Gemälde, I Tractatus de Typographis, Bibliopolis, Chartariis, et Bibliopegis, in quo de eorum statutis & immunitatibus ... agitur. Pro usu Reip. Literaria scriptus opera ac studio Ahasver Fritschii, D. Jena 1675.
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Renate Frohne
Schnitzereien und Gußerzeugnisse, Zauberbücher sowie allerlei Obszönes und Anonymes, das derzeit in stattlichen Mengen aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt wird, sowie Traktate, die den Frieden von Münster und Osnabrück diskutieren (in dubium vocant, disputant aut interpretatione temeraria in alienum et perversum intelleeturn detorquent), und nach der Entrüstung über eine vielfach schlechte Druckqualität, liederliche Korrekturen, fehlende bzw. irreführende Interpunktion sowie das für Drucker I Handwerker offenbar einträgliche Geschäft des Nachschusses und Nachdruckes ("man hüte sich, zusätzliche Exemplare eines zu verlegenden Werkes heimlich zu drucken und zu verkaufen und lasse vor allem davon ab, privilegierte Bücher aus reiner persönlicher Gewinnsucht heraus nachzudrucken und damit den von anderen erhofften und nur ihnen zustehenden Gewinn an sich zu reißen") 2 und nach einem Hinweis auf die Rechtslage kommt Ahasver Fritsch auf die Privilegien zu sprechen. Buchdrucker sind Handwerker und Künstler zugleich, zählen dadurch mit den Buchhändlern zu den Honoratioren eines Ortes, sind in Universitätsstädten direkt der Rechtsprechung des Rektors unterstellt, erfreuen sich studentischer Vorrechte und genießen in Fragen der Abgabenfreiheit einiges Wohlwollen; ihre Werkstätten können nicht requiriert werden. Die hohe Einschätzung des Standes sowie seines materiellen, politischen und sozialen Einflusses 3 erlaubt unter bestimmten materiellen Gegebenheiten (si bibliopolae non sunt, qui suis impensis libros excudere velintaut propter angustiam rei familiaris possint) den Zusammenschluß von Buchhändlern in einer vom Kaiser privilegierten societas, einer "Innung", sofern diese sich keine Monopolstellung anmaßt oder das literarische Leben behindert. Da man nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen kann, und die Kunst die ganze Hingabe erfordert, wendet sich Ahasver Fritsch gegen die gleichzeitige Ausübung des Berufes des Buchdruckers und Buchhändlers, möchte die Zahl 2 "Es hat der Churfürst zu Sachsen auf Euer untertänigstes Ansuchen über Euer Büchlein ein gnädigst Privilegium erteilt und darinnen dasselbe nachzudrucken verboten oder auch, da es anderswo nachgedruckt, in diesen Landen zu verkaufen, bei Strafe von 100 Thaiern und Verlust der nachgedruckten Exemplarien. Dessen ungeachtet haben die Buchführer allhier Euer Buch, das zu Frankfurt am Main nachgedruckt, öffentlich feilgehabt, obgleich dasselbe nicht besonders und allein, sondern neben etlichen andern Büchern, so von dergleichen geschrieben (ähnlichen Inhaltes), in ein Volumen zusammengedruckt. Da aber dennoch obgedachtes Privilegium gebührlich publizieret worden, und sie dessen Wissenschaft also bekommen hätten, so werde ein jeder insonderheit in die Strafe des Privilegii fallen." 3 "Dieweil sie dem ganzen Vaterland dienen, sintemal man durch Hilfe ihrer Bücher alles wissen und erfahren kann, was man nur begehret, sonderlich heutiges Tages, da alle Künste und Grillen am Tag gedruckt und öffentlich verkauft werden, daß man also ohne sondere Mühe zu allen Wissenschaften kommen und alle Künste, so vor Zeiten verborgen gewesen, erlernen kann, wie man denn solches in der Tat findet, wenn man in einen Buchladen kommt, so findet man allerhand Traktaten, von Krieg und Liebe, von Künsten, von Regierung, von Ämtern, von Handwerken, in summa, was man nur erdenken und begehren kann."
Ahasver Fritsch und das Urheberrecht
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der qualifizierten Buchhändler in einem bestimmten Gebiet jedoch keineswegs eingeschränkt, wohl aber, wie eingangs erwähnt, diese streng zensuriert sehen; dabei versteht es sich, daß es eine "unleidliche Beschwerlichkeit nach sich ziehen dürfte, wenn solche Bücherinspektion alleine von etwa unzeitigen Affekten oder privatem Religionseifer eines Bücherkommissani dependieren müßte." Somit hat der Verleger obrigkeitliche Verfügungen einzuhalten, sich vor der cupiditas lucri in Acht zu nehmen, keine Schriften in besagtem Sinne contra deum, contra magistratum, contra proximum zu verlegen (Kenntnisse der Lateinischen Sprache bewahren ihn vor einem möglichen Vorstoß, denn Unkenntnis schützt bekanntlich nicht vor Strafe), sowie dem Autor, dessen Werke er auf eigene Kosten zu drucken unternimmt, in gerechter Weise zu begegnen und ein angemessenes Honorar zu zahlen\ mit anderen Worten: den Autoren die Bücher zu einem festen und vereinbarten Preis abzukaufen, sed ut lucrum ad istos (die Verleger), honor ad illos (die Autoren) perveniat, ohne daß damit das Schreiben von Büchern, eine res sanctissima, principaliter ad dei gloriam, zu einer res mercennaria degradiert würde: bleibt die im Manuskript verkörperte geistige Leistung doch eine res extra commercium (Digesten 50, 13). Labor und utilitas publica des Werkes garantieren dem Autor also ein Honorar: Kategorien, die von geschäftstüchtigen Verlegern- doch gleich dem Autor zu virtus, doctrina und religio verpflichtet - vielfach zu niedrig und unangemessen eingestuft werden, von Verlegern, die ob eines schnellen Gewinnes irgendeinen Kohl zum hundertstenmal aufkochen, ganz zu schweigen von allen anderen Machenschaften einer undurchsichtigen Preisgestaltung, der Verwendung schlechten Papieres, der Manipulation an älteren Titeln ("guter Leute Bücher unter fremdem Namen spargieren; die Titul in etwas verändern").
Über obrigkeitliche Privilegien, Bücher, die innerhalb einer bestimmten Zeit nicht wieder verlegt werden dürfen Da Buchhändler oft unter großem Aufwand bestimmte Bücher und Autoren zum Nutzen ihrer Leserschaft drucken lassen -wertvolle Literatur also-, und diese egregia scripta- sehr zum Nachteil ihrer Verleger- nur geringen Absatz finden - in einer Zeit, in der das Bücherangebot ohnehin schier unübersehbar geworden ist - , so daß der erhoffte Gewinn sich kaum oder erst nach Jahren zeigt, kann man es dem Verleger und Buchhändler z. B. in A nicht verargen, wenn er sich durch Privilegien abzusichern sucht, um zumindest in A einen Nachdruck zu verhindem oder andernorts, z. B. in B, tätigen Buchhändlern den 4 Es scheint derzeit (1675) zahlreiche Beschwerden von Autoren zu geben (Schriftstellerei beginnt auch zum Lebensberuf und Erwerbszweig zu werden), die von ihrem Verleger mit dem Hinweis auf die Unbill der Zeit, die Höhe der Druckkosten, die andernorts angeblich niedrigeren Buchpreise hingehalten und um den Lohn für Mühe (Iabor) und Leistung/Qualität (egregia scripta) betrogen werden.
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Renate Frohne
Export und Verkauf ihrer Erzeugnisse in A unmöglich zu machen. Obwohl derartige Privilegien nach einem längst und allgemein verpönten und untersagten Monopol "schmecken", werden sie dennoch, und wahrlich nicht zum Schaden der Öffentlichkeit, üblicherweise den Buchhändlern und Verlegern zugestanden. 1. Menschlicher Willkür und allem Wandel des historischen Lebens enthoben, läßt es die aequitas naturalis nicht zu, daß einer dem anderen in böswilliger Weise schade, was aber sehr wohl geschähe, wenn ein Buchhändler- in der Hoffnung auf angemessenen Verdienst und Gewinn- ein Buch verlegt, dann jedoch, durch einen anderen Buchhändler in seiner Hoffnung betrogen, in Elend und Armut stürzen würde.
2. Das Allgemein-Interesse, die utilitas publica virtutis, rät, erwartet, ja verlangt eine solche Privilegien-Erteilung, um die Verleger überhaupt zu den großen Investitionen, die die Herausgabe anspruchsvoller Werke (scripta doctorum ingeniorum) nun einmal verlangt, zu motivieren. Und so ist es nicht mehr als recht und billig, auf diese Weise den Verlegern entgegenzukommen, damit Habgier, Mißgunst und Eigennutz anderer den engagierten und aufrichtigen Investoren nicht schadet. 3. Bücherprivilegien, selbstverständlich mit der Zensur verbunden, werden nur für eine bestimmte Zeitspanne erteilt, können - langfristig gesehen - also gar keinen Schaden anrichten. Sie werden vom Kaiser, allgemein: von der Obrigkeit unter Androhung von Geldstrafen und dem Einzug der Bücher erteilt. 4. Die Strafe beträgt (Ahasver Fritsch zitiert Benedikt Carpzov) 600 Goldgulden und kann, wenn Gnade vor Recht gilt, auf 200 Goldgulden reduziert werden. Die bei B konfiszierten, einem in A tätigen Verleger nachgedruckten Bücher fallen zur einen Hälfte an A und dessen Erben, zur anderen Hälfte an die Obrigkeit von B. Bis zur Bezahlung der Buße bleiben die anderen Editionen des "Diebes" gesperrt. Noch einmal: die Privilegien-Erteilung liegt in den Händen der Obrigkeit und erfolgt "zur Erhaltung unserer Professoren und Untertanen", wohl wissend um einenjederzeit möglichen Privilegien-Mißbrauch so:wie darum, daß ein Nachdruck außerhalb der Landesgrenzen nicht verboten werden kann, im Gegensatz zu dessen Rückimport und Vertrieb am Ort der privilegierten (Erst-)Edition. 5. So mögen sich die Buchhändler also in Acht nehmen, um sich nichts zu Schulden kommen zu lassen und nicht straffällig zu werden, nicht gegen diese Privilegien, die von der Obrigkeit im übrigen jederzeit widerrufen werden können, zu verstoßen, indem sie sie eigenmächtig verlängern, oder einen unangemessenen Preis für ihr Buch verlangen, indem sie gar mit einem Privileg prahlen, das ihnen niemals zuerkannt worden ist (unter Auslassung des caesareo 5 schreiben sie nur cum privilegio und verraten damit letztlich sich selbst.) s Der Wortlaut des Kaiserlichen Privilegs ist etwa der folgende: Bekanntgemacht sei jedermann im allgemeinen sowie insbesondere den Buchdruckern, Buchhändlern und Buchbindem sowie allen anderen, die literarische Erzeugnisse vertreiben, daß der Erstaus-
Ahasver Fritsch und das Urheberrecht
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Ahasver Fritsch ist kein origineller Denker. Seine wiederholten Hinweise auf Belege bei Benedikt Carpzov (25.5.1595 Wittenberg - 30.8.1666) [einen Juristen, dem der Biograph (Allgemeine Deutsche Biographie) eine riesige Arbeitskraft, exegetische Fähigkeiten und Ordnungssinn attestiert, der, im Bestreben, Gelehrsamkeit zu zeigen, unbekümmert um das Gewicht der Allegate, einen wüsten Zitatenkram anhäufte, dessen wahre Demut ihn nicht hinderte, an zahlreichen Todesurteilen in Hexenprozessen mitzuwirken] dokumentieren diese Abhängigkeit, entlarven ihn über weite Passagen seines hier vorgestellten Traktates als Kompilator, wenn nicht gar Plagiator, der die lateinisch formulierten Grundgedanken ebenso wie die deutschen Quellen und Belege übernimmt. Carpzov's 1649 zuerst (2. Auflage 1721) erschienene "/urisprudentia ecclesiastica seu consistorialis" behandelt (nach Radulphus Fornerius, Rerum quotidianarum libri sex, Paris 1606) das Thema der Privilegien in den definitiones 413-416. Über Fritsch hinausgehend heißt es dort von der Widerrufbarkeil der Privilegien: 1. Eine Privilegien-Vergabe seitens der Obrigkeit liegt generell im Interesse der utilitas publica, ohne mit der libertas commerciorum in Konflikt zu geraten. Die Antwort auf die Frage, ob oder wann ein Privileg widerrufen werden kann, liegt in der Art der Konzession beschlossen. Ist jemandem aufgrund einer conventio ein Privileg zugestanden, wird es nicht leicht widerrufen werden können, denn ein über eine conventio erhaltenes Privileg geht in einen contractus über, ebenso wie ein für Geld zugestandenes Privileg in den Kontrakt mündet. 2. Ähnliches gilt für Privilegien, die ob causam remunerationis, als Belohnung irgendwelcher Verdienste erteilt werden: auch sie dürfen nicht annulliert werden, damit nicht aus der Fülle der potestas eine Fülle der tempestas wird. 3. Anders und grundverschieden ist hingegen die Situation eines Privilegs, das (mera gratia) ein reiner Gunsterweis ist (privilegium favorabile) und ohne Zweifel nach dem Gutdünken des Privilegien-Erteilers widerrufen werden kann, mag es noch so geraten erscheinen, auch in solchem Fall von einem Widerruf Abstand zu nehmen. 4. Kann ein Privilegien-Mißbrauch nachgewiesen werden, oder wendet sich ein Privileg zum Nachteil des Gemeinwesens (privilegium onerosum), wird die conventio oder die Zusage der Obrigkeit niemals so wirkungsvoll sein, daß sie einem Widerruf im Wege stünde. Solch ein im Interesse der utilitas publica erfolgender Widerruf verdient daher auch keine Mißbilligung.- Die Obrigkeit wird jedoch sicherer gehen, wenn sie sich expressis verbis das Recht auf den Widerruf vorbehält, um später, sollte sich ein Widerruf aufdrängen, mit keinen Unklarheiten und Widerständen konfrontiert zu werden. Deshalb wird auch nicht ohne Grund vor einer allzu häufigen und großzügigen Privilegienvergabe gewarnt, da zu weit gehende, den Untertanen zugestandene Privilegien zu ständigem Streit Anlaß geben, Aufbegehren gegen die Obrigkeit selbst: wird doch kaum ein Privileg so beständig und unangefochten sein, daß seinetwegen kein Streit de intellectu, validitate et substantia eius entbrennen würde.
gabe des vorliegenden Werkes ein Kaiserliches Privileg zuerkannt wurde. Niemand nehme sich also innerhalb der Landesgrenzen heraus, das Werk ganz oder auszugsweise nachzudrucken (eine mehr oder minder gleichzeitige Parallelausgabe) oder einen auswärtigen Nachdruck einzuführen, heimlich oder öffentlich zu verbreiten und zu verkaufen. Die Strafe beträgt ...; die widerrechtlich gedruckten und vertriebenen Exemplare werden eingezogen. - Um jedermann einsichtig zu sein, muß ein solches Privileg (zumindest in abgekürzter Form cum gratia & privilegio caesareo) dem Titel angefügt werden.
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Zurück zu Ahasver Fritsch. Privilegien schützen also den Erstverleger, ohne ihm ein Monopol einzuräumen, und können gegebenenfalls nochmals verlängert werden; die Zuerkennung und Interpretation der Privilegien steht allein der Obrigkeit zu. Für Druckerzeugnisse geringen Umfanges, mag ihr Inhalt noch so wichtig und nützlich sein, sind Privilegien generell nicht so ohne weiteres zu erhalten, weil die Herstellung und der Druck mit relativ geringen Kosten verbunden sind. Format und Authentizität einer Edition (die Frage also, ob das verlegte Werk vom scriptor, dem daher über das Bücherprivileg indirekt nochmals eine Anerkennung zuteil wird, einem compilator oder commentator stammt) spielt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Privilegien eine wichtige Rolle. Die erste Frage lautet somit, ob ein Verleger, der beispielsweise eine Epitome eines privilegierten Werkes ediert, der Privilegienverletzung angeklagt werden kann. Ahasver Fritsch glaubt die Frage verneinen zu müssen, ist für ihn eine Epitome doch nicht mit dem Original identisch, und Privilegien seien wohl eher einzuschränken I fest zu umreißen denn auszudehnen I nur vage zu formulieren. Doch wie steht es mit der Kommentierung oder der Veröffentlichung einer Erweiterung eines privilegierten Werkes? Da die Erweiterung eines Grundtextes nicht als "neues" Buch betrachtet werden kann, sondern eben als Nachtrag I Ergänzung, ist ihre Publikation erst nach Ablauf der dem authentischen Werk zuerkannten Privilegien möglich. Ahasver Fritsch beschließt seinen Traktat mit quaestiones miscellaneae: ob z. B. ein Autor, der ein versprochenes Werk nicht abliefert, von dem Verleger zu honorieren sei; ob ein Verleger, der einen zugesagten Termin nicht einhalten kann, dem Autor das Manuskript zurückgeben muß, damit dieser sich nach einem anderen Verleger umsehen kann; ob der Erstverleger automatisch das Recht auf eine Zweitauflage hat und in diesem Falle dem Autor ein neues Honorar schuldet (novus enim Iabor novum honorarium et nova spes lucri novam aestimationem meretur); ob der Erstverleger ohne Rücksprache mit dem Autor eine Neuauflage herausbringen darf; -
ob ein Verleger neben dem Honorar dem Autor eine Anzahl Freiexemplare schuldet (quoniam honoraria haec sunt - eben die Freiexemplare - et appellantur, sordidis mercatorum parsimonüs locum non esse) und:
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ob ein Buchhändler Bücher, die sich im Besitze eines zahlungsunfähigen Zwischenhändlers befinden, zurückfordern kann.
Wie Buchdrucker sich oftmals beklagen, daß ihre Arbeiter, jeder Konvention zuwider, heimlich zusätzliche Exemplare drucken und verkaufen, so sehen sich die Verleger oft mit dem Problem des Nachdruckes konfrontiert, der Tatsache,
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daß der eine Verleger den anderen, allen Privilegien zum Trotz, zu betrügen und um seinen Gewinn zu bringen sucht (es ist von defraudare solere die Rede, einer Realität also, nicht von einem schwer nachzuweisenden animus lucri faciendi I defraudandi, wenngleich es wenige Zeilen später heißt lucricupidi); ein der christlichen Religion wahrlich zuwiderlaufendes Verhalten, das, wie gesagt, mit dem Einzug der Bücher und im Ermessen der Obrigkeit liegenden Geldstrafen geahndet wird. Sich zum Nachteil eines anderen zu bereichern, schien schon den Heiden unerträglich; wie sollte es nicht die Christen beschämen? Sie sollten sich vor Augen halten, diese geldgierigen und gewinnsüchtigen Verleger, daß ihnen letztlich kein Gewinn, sondern allein die Verdammnis beschieden ist. Die Anspielung ist nicht zu überhören. Ahasver Fritsch bezieht sich auf die vielzitierte Warnung Luther's von 1534, in der Luther die Buchdrucker als "Geitzteufel und Wucherteufel" brandmarkt, ihnen dolus malus, betrügerische Absicht, vorwirft ("wissentlich und wohlbedachten Verstandes"), sie schon in das "höllische Feuer und ewige Verdammnis sehend und hörend" laufen sieht, zumal sie es in ihrer diebischen Hast zu verantworten haben, daß Gottes Wort nicht "ungeflilscht und wohl geläutert" an den Tag gelangte. In dieser Argumentation erscheint Gott selbst als derjenige, der diese "öffentliche Räuberei" strafen und seinem Wort zu ungetrübtem Glanze verhelfen wird: ein, wie gesagt, in allen Rückblicken zu Fragen des Urheberrechtes und geistigen Eigentums immer wieder beschworener Text, der m. W. noch nie mit seiner Vorlage, Jeremia 23, 30, in Verbindung gebracht wurde. Der Thesaurus linguae Latinae (VI 1, 1646) nennt unter furtum scriptorum I poetarum die bekannten und vielzitierten lateinischen Erstbelege (Terenz, Vitruv und Martial) für den Begriff des literarischen Plagiates. Der Vorgeschichte ist Konrad Ziegler (in der Realenzyklopädie) nachgegangen: mit dem Titel "Über den Diebstahl des XY" handeln zahlreiche griechische Texte, besonders der Hellenistischen Zeit, von der Alleignung fremden geistigen Eigentums, aufgelistet bei Porphyrius und Eusebius in der Absicht zu zeigen, "daß nicht erst jüdische und christliche Schriftsteller den Vorwurf des Plagiierens gegen die Griechen erhoben, sondern daß sie das selbst von sich bezeugt hätten". Clemens von Alexandria suchte dann den Nachweis zu erbringen, daß alle Weisheit aus den Schriften des Alten Testamentes entlehnt sei. Sein Argument lautete: "Leute, die einander ständig bestehlen, lassen ihre Hand begreiflicherweise auch nicht vom Eigentum fremder Nationen". Doch den Plagiatschnüfflern mit ihren vielen Trouvaillen stehen die seriösen Ästheten und Literaturkritiker gegenüber, die den ,,kontinuierlichen Strom der Gedanken und ihrer künstlerischen Forrnungen, der von Homer an durch alle Zweige der griechischen Literatur flutet, von einer höheren Warte zu betrachten wußten": Diebstahl und Nachahmung, Verankerung in der Tradition sind nicht identisch. Alles in allem also ein Thema, das erschöpfend behandelt scheint. - Im Thesaurus unter furari I de scriptoribus, exscribere, compilare, in usum suum convertere findet sich nun aber accedit, ut verba falsentur, corrumpantur, fa/so explicentur mit einem Jeremia-Hinweis (23, 30), der es in diesem Zusammenhang verdient diskutiert zu werden, zumal die Textstelle auch im Patristic Greek Lexikon (G. W. H. Lampe, Oxford 1984, 2 Wadle
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7. Aufl.) erscheint, und das "stehlen" in Theodoret's Jeremia-Kommentar mit "plagiarize", das "Worte stehlen" (klepsilogeo) und "Wortedieb" (klepsilogos) bei Hippolytus mit "steal arguments, plagiarize" wiedergegeben wird, die zugrundeliegende JeremiaStelle jedoch wenig Beachtung gefunden zu haben scheint.
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AlyEL XUpLO~ 0 ~E6~. ~ou~ xAtn~ov~a~ ~ou~ A6you~ ~ou EKaO~O~ napd ~oü nA~oCov au~oü. Siehe, ich will an die Propheten - Spruch Jahwes - , die einander meine Worte stehlen. Siehe, ich will an die Propheten - spricht Jahwe - , die sich die Zunge ausrenken und Orakel orakeln. Siehe, ich will an die Propheten, die erlogene Träume weissagen - spricht Jahwe und sie herumerzählen und mein Volk durch ihre Lügen und Flunkereien in die Irre führen. Ich habe sie wahrhaftig nicht gesandt und ihnen keinen Auftrag erteilt, und sie bringen diesem Volk gar keinen Nutzen, spricht Jahwe (Jerusalemer Bibel). Zur Zeit von Sidkija (597 -587 v. Chr.), dem letzten König Judas vor der Zerstörung und Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und der damit beginnenden Deportation und Babylonischen Gefangenschaft, läßt Jahwe Jeremia Seine, Jahwe's, Reaktion auf das Auftreten derzeitiger "falscher" Propheten wissen, von Gott I Jahwe nicht gesandt und nicht seine Sprache sprechend, Propheten, die, nach Jeremia 22, 17, die historische Situation mit ihrem nicht zu bezweifelnden Kräfteverhältnis verkennen, indem sie im Gegensatz zu Jeremia behaupten, es werde kein Unheil kommen, und es werde den Menschen gut gehen: doch das kann man ja wohl nur sagen, wenn man momentan aus einer allzu selbstbewußten nationalistischen Position heraus spricht oder aber mit dem vor den Toren stehenden Gegner kollaboriert, wenn man die Situation zu relativieren sucht oder von der Kurzlebigkeit der Mächtigen jener Gegenden weiß oder zu wissen glaubt und den Thron Nebukadnezars und seiner Nachfolgerangesichts der unaufhaltsam wachsenden Macht Persiens (538 v. Chr.) schon jetzt (587 v. Chr.) wanken sieht. Wenn Jeremia vor solchen "Wortedieben" warnt, muß es aus seiner Sicht ein Kriterium für die Authentizität "echter" Prophetie geben 6.
6 Hananja (Jeremia 28) zählte zu diesen Jeremia-Gegnem, doch der Jerusalemer Talmud (Sanhedrin XI 5) sieht die komplexe Kontroverse zu einseitig, wenn er vermerkt: Hananja war ein aufrichtiger Prophet, abgesehen davon, daß er ein Plagiator war und, als er Jeremia im oberen Markt hatte sprechen hören, in den unteren Markt ging, um im eigenen Namen zu sprechen (Lieberman, Hellenism in Jewish Palestine, N.Y. 1950, 17-19).
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Und wenn dich diese Leute oder ein Prophet oder ein Priester fragen: ,.Was ist die Last Jahwes?", dann sollst du ihnen antworten: ,.Ihr seid die Last Jahwes, und ich werfe euch ab, spricht Jahwe". So sollt ihr vielmehr untereinander und zueinander sprechen: "Was hat Jahwe geantwortet?" oder: "Was hat Jahwe gesprochen?" Aber das Wort ,.Last Jahwes" dürft ihr nicht mehr erwähnen, sonst wird jedem seine Rede zur "Last" werden. Denn ihr verdreht die Worte ... Gottes. Das strittige Wort ms' ist ein Terminus technicus der prophetischen Sprache. Es bezeichnet in der Regel im Sinne von "Unheilsankündigung" das Fremdvölkerorakel (Belege im Theologischen Handwörterbuch zum Alten Testament), als Nomen auf der Basis von ns' = aufheben, und zwar von jeder Last, im übertragenen Sinne der "Last des Unheils", die dem Angesprochenen durch prophetisches Wort aufgeladen wird. Für die hier diskutierte Stelle heißt das: die in Jahwes wie Jeremias Augen ,.falschen" Propheten bedienen sich in den Einleitungsworten ihrer Prophetien eines Terminus, der ihre Prophetie als langfristige Unheilsprophetie- und zwar gegenüber dem Neubabylonischen Reich des Nebukadnezar - zu erkennen gibt und damit rund fünfzig Jahre Geschichte überspringt, während "echte" und authentische Prophetie, wie Jeremia sie in der bedrohlichen Situation gefordert sieht, aus dem das Prophetenwort einleitenden elementaren ,.sprechen" und "antworten" ihre Legitimation für die das Südreich Juda betreffende Ankündigung von Ereignissen der nahen Zukunft bezieht. Jeremia polemisiert gegen Hananja nicht eines "Diebstahles" wegen, sondern wegen eines Verstoßes gegen die von der Situation gebotene Wahrhaftigkeit. Jeremia 23, 30 "die meine Worte stehlen" steht verbal am Anfang einer Kette von Formulierungen in der lateinischen Patristik, die eine andere dogmatische Position als Lug und Trug und Verrat an der göttlichen Wahrheit hinstellen (Ambrosius, In psalmum 118 sermo 11, 20, 3: verbum dei non ad utilitatem suam furantur et rapiunt, sed ad fraudem). Für Theodoret's Jeremia-Kommentar ist "stehlen" also nicht mit ,.plagiieren" im engeren Sinne von exscribere identisch, sondern mit accedit, ut verbafalsentur. Nach Jeremia 23, 30 bildet Hippolytus (3. Jahrhundert; Verfasser einer ,.Widerlegung aller Ketzereien") das Verb ,,klepsilogeo" und das Nomen "klepsilogos" im engen Sinne von "plagiieren", wenn er Markion beschuldigt, er habe die Vorstellung von einem dualistischen Prinzip Empedokles "gestohlen" . Die neugriechische Terminologie trägt dem komplexen Sachverhalt Rechnung und hat die Neubildungen des Hippolytus nicht in ihren Wortschatz aufgenommen, wohl aber das nur bei Diogenes Laertius 8, 54 belegte "logoklopos": daß Empedokles den Pythagoras gehört habe, berichtet Timaios im neunten Buch, wo er sagt: er sei damals ertappt worden, wie er heimlich die Vorträge entwendete, weshalb er denn von der Schulgemeinde ausgeschlossen worden sei. Der Buchdruck, ein Gewerbe, das, deorum manus et munus, in einer für viele verworfenen und weltlicher werdenden Zeit sich seinerseits auf dem Wege zu einem ungebundeneren Selbstverständnis befindet, sieht sich von Ahasver Fritsch mit den Zwängen von Zensur, Visitation und Privilegien belegt, um einer idealistischen utilitas publica zu Diensten zu stehen. Autor und Verleger bilden in dieser "heilen Welt" eine Einheit, gegeben, um Gottes Geschenk, munus, weiterzuleiten. 2*
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Letztlieber Garant 7 der aequitas und caritas christiana ist - nach Jeremia 23, 30 - Gott, der, egal, ob es sich um ein "Plagiat" oder einen mehr oder minder getreuen Nachdruck handelt, darüber wacht, daß sein aus allen egregia scripta der Professoren sprechendes Wort unverfälscht und auf ehrliche und wahrhaftige Weise den Lesern vermittelt wird.
7 Die Vorstellung von Gott als dem Garanten für die Gültigkeit Seines von Seinem Propheten vermittelten Wortes erscheint- wohl auch auf Jeremia 23, 30 basierendim Koran, Sure 22, 51: "Wir entsandten vor dir keinen Gesandten oder Propheten, dem nicht, wenn er etwas wünschte, der Satan etwas in seinen Wunsch eingeschoben hätte. Aber Gott wischt jedesmal aus, was der Satan einschiebt. Und dann macht Gott seine Verse endgültig fest." Rudi Paret, Mohammed und der Koran, Urban TB 32, 60; Gustave E. von Grunebaum, Der Begriff des Plagiates in der Arabischen Kritik, in: Kritik und Dichtkunst. Studien zur Arabischen Literaturgeschichte, Wiesbaden 1955, 101-129.
Zensur und Nachdruckschutz in deutschen Staaten in den Jahren nach 1800 Von Ludwig Gieseke
Ausgangspunkt
Nach den zahlreichen gewichtigen Veröffentlichungen und Äußerungen seit etwa 1730 war es gegen Ende des 18. Jahrhunderts doch wohl die ganz überwiegende Meinung in den meisten deutschen Staaten, der Nachdruck auch nicht privilegierter Bücher müsse - mindestens für eine bestimmte Zeit - unterbunden werden. Die Wahlkapitulationen von 1790 und 1792 sind dafür ein Beleg. Darin war ja die Erstattung eines Reichsgutachtens zur Frage der "völligen Unterdrückung des Nachdrucks" vorgesehen. Warum kam die Sache dann nicht voran? Warum konnte man sich über erste gesamtdeutsche Grundsätze erst 1835 einigen? Dafür gibt es wahrscheinlich mehrere Gründe: -
Das Ende des alten deutschen Reiches unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen mit dem napoleonischen Frankreich, markiert durch die Niederlegung der römisch-deutschen Kaiserwürde und die Gründung des Rheinbundes im Jahre 1806. Der faktische Zerfall des Reiches in mehr als 30 souveräne Einzelstaaten, 1815 in Wien besiegelt, machte eirie einheitliche deutsche Regelung in einem einzigen Rechtsakt unmöglich. Das Territorialprinzip beim Schutz der Rechte an Geisteswerken wurde damit - innerdeutsch zum Problem, schon weil es gern genutzte Verhandlungsmöglichkeiten eröffnete. In nicht wenigen Einzelstaaten bekamen Gesichtspunkte der Gewerbeförderung Bedeutung, was bremsend wirkte. Andererseits hatte das Thema für viele Staaten, zumindest zunächst, keine Priorität-angesichts der Verhältnisse in der napoleonischen Zeit verständlich.
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Die Schwierigkeiten der Rechtswissenschaft und ebenso der staatlichen Stellen mit der Aufgabe, Gegenstand und Umfang der ,,Rechte der Schriftsteller und Verleger" (so die Formulierung in Art. 18 der Bundesakte von 1815) zu beschreiben und - im Sinne einer Ausgestaltung - zu normieren.
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Die Verbindung von Zensur und Nachdruckschutz. Offensichtlich gab es zumindest in einem gewichtigen Teil der deutschen Staaten die Befürchtung, ein gesetzlicher Nachdruckschutz, wie auch immer ausgestaltet, unabhängig
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Ludwig Gieseke von der Zensur, könnte die Forderung nach völliger "Preßfreiheit" in unerwünschter Weise unterstützen. Jedenfalls wollten diese Staaten einen gesetzlichen Nachdruckschutz nicht ohne hinreichende Absicherung der Zensur gewähren.
Dieser letzte Punkt ist mein eigentliches Thema. Ich vertrete dazu die These, daß man in eine Betrachtung der deutschen Urheberrechtsentwicklung zwischen etwa 1800 und 1835 die Zensurpolitik voll einbeziehen muß.
Zensur als selbstverständliche Einrichtung um 1800 Um 1800 ist staatliche Zensur (und zwar Vorzensur) der zum Druck bestimmten Werke aus staatlicher Sicht eine selbstverständliche Einrichtung 1• Seit dem 16. Jahrhundert beruhte sie, als Bücheraufsicht, auf reichsrechtlichen Regelungen. Zensur sollte Druckschriften verhindern, die mit der christlichen Lehre der zugelassenen Konfessionen nicht in Einklang standen, -
mit denen Sitte und Moral untergraben werden konnten und (so die Wahlkapitulation von 1790),
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durch die "der Umsturz der gegenwärtigen Verfassung oder Störung der öffentlichen Ruhe befördert" werden konnten.
Seit den revolutionären Ereignissen in Frankreich lag der Schwerpunkt der Zensur im politischen Bereich: Man wollte einen Umsturz nach französischem Vorbild verhindern. Selbstverständlich kümmerte die Zensur sich vor allem um Zeitungen, Flugschriften u. ä. Druckwerke geringeren Umfanges. Im Prinzip galt sie jedoch für alle Druckwerke und bekam auch für Bücher immer wieder praktische Bedeutung. Schon damals wurde die Zensur zunehmend kritisiert, ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Form der Forderung nach "Preßfreiheit". Doch findet man auf der staatlichen Seite eigentlich nur eine gewichtige Stimme für die Abschaffung der Zensur: Carl Gottlieb Suarez äußerte sich in seinen Kronprinzenvorträgen, gehalten 1791 I 92, ausführlich in diesem Sinne. Vollständig gedruckt wurden die Vorträge aber erst 1960 2 • Sie konnten Ende des 18. Jahrhunderts also keine breite Wirkung erzielen. Der spätere König Friedrich Wilhelm III. zog daraus keine Konsequenzen. Keine Wirkung hatte auch der "Patriotische I Vgl. hierzu bes. Franz Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit, Neuwied I Berlin 1966; Ulrich Eisenhardt, Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ( 1496- 1806), Karlsruhe 1970; Herbert G. Göpfertl Erdmann Weyrauch (Hg.), "Unmoralisch an sich . .. " Zensur im 18. und 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1988. 2 Vgl. Hermann Conrad I Gerd Kleinheyer (Hg.), Carl Gottlieb Suarez, Vorträge über Recht und Staat, Köln I Opladen 1960, S. 43 f.
Zensur und Nachdruckschutz in deutschen Staaten nach 1800
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Brief', den F. W. von Gentz 1797 an den preußischen König schrieb und mit dem er das Geschenk der Pressefreiheit, also des Wegfalls der Zensur, forderte 3 • In Preußen blieb es, wie in den anderen deutschen Staaten, bei der Zensur. 1815 in Wien war es dann aber doch Preußen, das in der Bundesakte den Auftrag zur Regelung der Preßfreiheit, also zu einer Verrechtlichung der Zensur, durchsetzte. Wahrscheinlich findet man die auf der staatlichen Seite ganz herrschende Meinung zur Zensur in einer Publikation von 1802 dargestellt, im Handbuch des Teutschen Policeyrechts vbn Günther Heinrich von Berg 4 • Es ist derselbe von Berg, der 1818 in der Frankfurter Bundesversammlung (als Gesandter von Oldenburg-Holstein, Anhalt und Schwarzburg) ausführlich zu den Themen Nachdruck und Preßfreiheit, also Zensur, vortrug und maßgeblich an dem folgenden Kornmissionsentwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck von 1819 beteiligt war. 1802 legte von Berg ausführlich, mit Eingehen auf Gegenargumente, dar, warum Zensur nötig sei: "Im Staate ist das Recht, seine Gedanken anderen mitzuteilen, die Lehr-"tlnd Schreibfreiheit (Preßfreiheit, Publicität), dem Staatszwecke untergeordnet. Jeder, der dieses Rechtes sich so bedient, daß er dadurch dem Zweck des Staates entgegenhandelt, die Ruhe und Sicherheit desselben stört, die rechtmäßige Wirksamkeit der Regierung, die Rechte seiner Mitbürger verletzt, ihren guten Namen antastet, sie beschimpft, verleumdet, beleidiget, muß Genugtuung und Sicherheit für die Zukunft leisten .. . Der Staat darf also bestimmen, welche öffentliche Äußerungen, welche Gedanken, die der Schriftsteller dem Publikum mitteilen könnte, er für so geartet hält, daß sie, als gemeinschädlich, d. h. dem Staatszwecke hinderlich, nicht bekannt gemacht werden sollen; er darf der Preßfreiheit Grenzen setzen ... Der Staat darf auch die Gegenstände bestimmen, an welchen man sich vorzüglich durch Mißbrauch der Preßfreiheit vergehen kann."
Immerhin sagte von Berg auch: "Aber es darf nicht der willkürlichen Deutung eines Zensors überlassen sein, was er dem Staate, der Religion, den Sitten, dem guten Namen eines Dritten gefährlich und nachteilig glaubt. Die Begriffe und Kennzeichen müssen in den Zensurgesetzen deutlich angegeben sein .. . "
Das war allerdings der kritische Punkt: Schon Ende des 18. Jahrhunderts wurde "von unglaublichen Bücherzensurgreueln" in der Provinz gesprochen und von Berg selbst nannte einige schlimme Beispiele 5•
Später hat er sich anders geäußert; vgl. Schneider (wie Fn. 1) S. 112 f. Günther Heinrich von Berg (1765 -1843), von 1800 bis 1810 Hofrat in Hannover, von 1815 bis 1821 Gesandter beim Bundestag in Frankfurt (vgl. Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 2, S. 363 f.). Das siebenbändige Handbuch des Policeyrechts erschien 1799 - 1809 in Hannover; das Kapitel über die "Unterrichtspolicey" und die "Bücherpolicey" findet sich im Teil 2, 2. Aufl. Hannover 1802, S. 338 f. s Vgl. Schneider (wie Fn. 1) S. 105 f.; von Berg (wie Fn. 4) S. 350 f. 3
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Vergleicht man die Sätze von 1802 mit von Bergs Vortrag vom 12.10.1818 vor der Bundesversammlung in Frankfurt zur Preßfreiheit, so findet man im wesentlichen Übereinstimmung: "Der Zweck, dem die Presse dienen soll, verbietet Zügellosigkeit und Frechheit". Preßfreiheit soll nicht in "Preßfrechheit" ausarten dürfen - eine Formulierung, die auf den preußischen König Friedrich Wilhelm II. zurückgehen soll 6 • Zwischen 1802 und 1818 lag die napoleonische Zeit. Sie wirkte sich nachhaltig auf das Zensursystem aus, allerdings unterschiedlich in den einzelnen deutschen Staaten. In manchen Staaten gab es Schwankungen und Bewegungen im System (von der Vorzensur zur Nachzensur und wieder zurück; Einordnung als Polizeisache oder als Justizsache). Aber insgesamt wurde die Zensur strenger, übrigens keineswegs nur aufgrund des französischen Einflusses. Schon vor Gründung des Rheinbundes wurde sie in den an Frankreich angrenzenden Staaten in frankreichabhängiger Haltung ausgeübt; sie erhielt damit eine weitere Zielsetzung. Nach 1806 achteten die französischen Stellen innerhalb des Rheinbundes streng darauf, daß besonders in den Zeitungen nichts stand, was gegen die politischen Interessen des Rheinbundprotektors Napoleon und der Rheinbundstaaten gerichtet war 7 • Aber auch in Preußen, also außerhalb des Rheinbundes, sah die Zensur darauf, daß die Franzosen nicht durch entsprechende Veröffentlichungen provoziert wurden. Das haben etwa Fichte und Kleist zu spüren bekommen. Napoleon verfolgte in Frankreich bekanntlich eine Zensur- und Pressepolitik, mit der die freiheitlichen Errungenschaften der Revolution wieder abgeschafft waren. Kritik an seinen Maßnahmen war nicht zugelassen. Umgekehrt wurde stets eine positive, den Diktator verherrlichende Darstellung der Ereignisse gefordert. In den deutschen Staaten konnte er für seine Politik das vorhandene Zensursystem nutzbar machen. In der Ablehnung von Meinungs- und Pressefreiheit stimmte er mit den Rheinbundfürsten - und nicht nur diesen - überein. Die deutschen Fürsten konnten nach Napoleons Abtreten das nun voll eingespielte Zensursystem weiter einsetzen, jetzt allein in ihrem Sinne. Das Österreichische Zensursystem z. B. war in der napoleonischen Zeit kräftig ausgebaut worden; die Zensurvorschriften von 1810, auf das Strengste neugefaßt, konnten nach 1814, mit einigen zeitbedingten Ergänzungen, unverändert angewandt werden. Kritische Auseinandersetzungen mit der Vorzensur und Vorschläge, stattdessen auf die (nachträgliche) Strafbarkeit von Rechtsverletzungen zu setzen, die man mit der Zensur verhindem wolle, blieben ohne Wirkung 8• Mit den Karlsbader Vgl. Schneider (wie Fn. 1) S. 105 f. So ein Zirkular des französischen Geschäftsträgers in Frankfurt von 1809 an die Höfe der Rheinbundstaaten; vgl. Rüdiger Busch, Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, Karlsruhe 1970, S. 83. Zur Zensur in der napoleonischen Zeit auch: Kar! Heinz Fuchs, Bürgerliches Räsonnement und Staatsräson als Instrument des Despotismus, dargestellt am Beispiel des rheinbündischen Württemberg, Göppingen 1975, S. 57 f. 6 7
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Beschlüssen von 1819 wurde die Zensur in allen Staaten des Deutschen Bundes generell verschärft. Betrachtet man die damaligen Regelungen rein quantitativ, so stellt man schnell fest: Die Zensurvorschriften hatten einen um ein Vielfaches größeren Umfang als die wenigen Bestimmungen über den Nachdruck 9• Auch dies macht deutlich, wo die staatlichen Interessen in erster Linie lagen.
Die Probleme bei einer Regelung der Rechte an Schriftwerken Über die Natur der "Rechte der Schriftsteller und Verleger" bestand selbst 1815 und in den folgenden Jahren noch weitgehend Unklarheit. In der Rechtswissenschaft wirkten sich neue Entwicklungen aus. Die Historische Rechtsschule begann die herrschende Richtung zu werden. Die Zeit des Naturrechts war vorbei. Im 18. Jahrhundert hatten die Stimmen gegen den Nachdruck das geistige Eigentum und die daraus folgenden Rechte aber gerade naturrechtlich begründet. Nun mehrten sich die Stimmen, die die Anwendung des Rechtsbegriffs Eigentum auf die Rechte der Schriftsteller und Verleger ablehnten. Das gilt sowohl für die Rechtswissenschaft als auch für die Vertreter der staatlichen Seite. Nicht zuletzt mag dabei die Befürchtung, daß man mit dem kritisierten Begriff zu zeitlich unbegrenzten Rechten der Schriftsteller und Verleger kommen könne oder müsse, Bedeutung gehabt haben. Denn allmählich setzt sich die Vorstellung durch, daß diese Rechte zeitlich zu begrenzen seien, und, was noch wichtiger war, daß ihre Geltung gesetzlich begründet oder jedenfalls geregelt werden müsse 10• Hier ergab sich nun für die interessierten Staaten die sehr erwünschte Möglichkeit, eine Verbindung mit der ebenfalls anstehenden Regelung der Preßfreiheit, also der Zensur, zu suchen.
Verbindung von Zensur und Nachdruckschutz hatte Tradition Es ist nicht verwunderlich, daß eine um 1800 und in den Jahrzehnten danach noch so selbstverständliche Zensur schon in der vorangegangenen Zeit mit der .. s In diesem Sinne insbesondere der Artikel "Preßfreiheit" in Johann Georg Krünitz's Okonomisch-technologischer Encyklopädie, 117. Teil, Berlin 1811, S. 283-324, mit ausführlicher Erörtertung von Zielen und Nachteilen der Zensur; deren Sinn wird bestritten, die Bestrafung von Rechtsverletzungen als nachträgliche Maßnahme reiche aus. 9 Eine vollständige Sammlung der "Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse", teilweise zurück bis ins 18. Jh., findet man bei Hermann Th. Schletter, Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung, Leipzig 1846. 1o Vgl. die Beiträge von Barbara Dölemeyer, Diethelm Klippe! und Elmar Wadlein der Festschrift "Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland" , Weinheim 1991, S. 93 f. und 185 f., sowie den Beitrag von Manfred Rehbinder",Kein Urheberrecht ohne Gesetzesrecht", in: Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, Wien 1988, S. 99 f.
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Erteilung von Privilegien gegen den Nachdruck eng verbunden war. Die kaiserlichen Privilegien wurden, jedenfalls ab etwa 1760, erst nach einer Prüfung des Textes unter Zensuraspekten erteilt. Zensurentscheidungen gingen dem Privileg vor: Auch bereits erteilte Privilegien wurden hinfallig, wenn ein Werk nachträglich von der Zensur verboten wurde 11 • Ähnlich war die Situation in Leipzig nach den für Kursachsen geltenden Regelungen. Das Regulativ von 1773, mit dem eine Einzeichnung von Büchern in das Protokoll der Leipziger Bücherkommission mit Privilegienwirkung eingeführt worden war, erwähnte die Zensur zwar nicht. Mit diesem Mandat wurde aber die kursächsische Verordnung von 1686 nicht aufgehoben, nach der kein Buch ohne vorherige Zensur gedruckt werden durfte. Die Eintragung in das Protokoll war also erst nach Zulassung durch die Zensurbehörde möglich. Die Verbindung von Zensur und Nachdruckschutz beruhte auf dem Bücherregal, also den Hoheitsrechten des Kaisers und der Landesherren auf dem Gebiete des Bücher- und Pressewesens. Zu den Kontrollbefugnissen, die sich aus diesem Regal ergaben, gehörten die Erteilung von Konzessionen für Druckereien und Buchhandlungen, vor allem aber die Bücheraufsicht (die Zensur) und die Erteilung von Druckprivilegien. Diese Befugnisse wurden, offenbar auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, regelmäßig im Zusammenhang gesehen. Von daher ist es durchaus verständlich, daß schon der Auftrag für ein Reichsgutachten in den Wahlkapitulationen von 1790 und 1792 nebeneinander die Bücheraufsicht gemäß den zu verbessemden Reichspolizeiordnungen und die Unterdrückung des Nachdrucks nannte, und daß ebenso in der Wiener Bundesakte von 1815 Verfügungen über die Preßfreiheit und zum Schutz gegen den Nachdruck in einem Satz zusammengefaSt wurden. Es gibt aus der Zeit um 1810 mehrere Fälle von Regelungen und einen Entwurf, in denen Zensur und Nachdruckschutz (oder -freigabe) miteinander verbunden waren: So regelten die Österreichischen Zensurvorschriften von 1810 12 zunächst in 17 Paragraphen eingehend Grundsätze und Verfahren bei der Zensur. In § 18 wurden dann die geltenden Grundsätze in Bezug auf den Nachdruck festgesetzt: Es blieb bei der gesetzlichen Duldung des Nachdrucks von Werken, die im Ausland erschienen oder gedruckt waren, wenn nach Zensurierung derNachdruck für zulässig erklärt worden war. Hierauf beruhte das 1811 veröffentlichte Verzeichnis der von der K.u.K.-Zensur zum Nachdruck freigegebenen ausländischen Werke, das selbstverständlich eine Reihe von Werken der deutschen Klassiker enthielt.
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Vgl. Eisenhardt (wie Fn. l) S. 13, 61. Vgl. Schietter (wie Fn. 9) S. 168 f.
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Der Entwurf einer Zensurverordnung für das (1810 geschaffene) Großherzogtum Frankfurt vom 17.10.1812 sah ähnlich aus 13 : In 15 Artikeln sollten Zensurgrundsätze und -verfahren geregelt werden. In Artikel 16 sollten "Eigentumsund V erlagsrechte auf Bücher und Schriften" festgesetzt werden. Grundlage dafür sollten die Artikel 425 bis 429 des 1811 eingeführten französischen Code Penal sein. Die Schutzfrist sollte, soweit nicht besondere Privilegien erteilt waren, allerdings nur zwei Jahre betragen. Für Nassau wurde mit der "Verordnung die illimitierte Preßfreiheit betreffend" vom 5.5.1814 14, sicher unter dem Eindruck des Endes der napoleonischen Herrschaft, in § l die bisherige Vorzensur abgeschafft, in § 3 aber die Nachzensur nach praktisch gleichen Kriterien festgelegt; Verfasser wie Drucker konnten jedenfalls nach wie vor zur Verantwortung gezogen werden. Dieses Schwanken zwischen Freiheit und Beschränkung wurde schon damals kritisiert. In § 5 wurde dann allerdings eine sehr fortschrittliche Regelung getroffen: Der Nachdruck deutsch geschriebener, bei einem deutschen Buchhändler in Verlag gegebener Werke eines deutschen Schriftstellers war bei Lebzeiten des letzteren verboten.
Die Abhängigkeit von Metternich im Deutschen Bund Die Bundesakte von 1815 enthielt in Artikel 18 den schon erwähnten Auftrag an die Bundesversammlung, sich alsbald mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu beschäftigen. 1817 beauftragte die Bundesversammlung den Gesandten von Berg, die über Preßfreiheit und Büchernachdruck in den Bundesstaaten geltenden Regelungen zu sammeln und in einer erläuternden Übersicht vorzutragen. Von Berg hatte wohl zunächst über beide Gegenstände gemeinsam referieren wollen. Daß er sie dann doch trennte, geht auf Bemühungen des Buchhändlers Bertuch zurück. So wurde im Bundestag am 22.6.1818 über den Nachdruck referiert und am 12.10.1818 über Preßfreiheit. Im ersten Vortrag erklärte von Berg ausdrücklich, daß "beide Gegenstände von einander ganz unabhängig" seien 15 • Aufgrund dieses Vortrages wurde beschlossen, einen Ausschuß um ein Gutachten (nur) über gleichförmige Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu bitten. Der entsprechende Kommissions-Bericht zusammen mit dem Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck wurde am 11. 2. 1819 vorgelegt und mit Dank Vgl. Rüdiger Busch (wie Fn. 7) S. 85 f. Vgl. Schietter (wie Fn. 9) S. 311 f. 15 Zu den Beratungen in der Bundesversammlung von 1818 bis 1835 vgl. Ludwig Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, Göttingen 1957, 13
14
s. 131 f.
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entgegengenommen. Auf die vorgeschlagenen Regelungen, die allein die Nachdruckfrage betrafen, soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Bundesversammlung beschloß, zu Bericht und Entwurf die Instruktionen der Regierungen einzuholen. Beratungen darüber fanden aber erst 1823 statt. Inzwischen war klar geworden, daß die Weichen in Wien, nicht in Frankfurt gestellt wurden. Für Österreich wurde deutlich gemacht, daß man in herkömmlicher Weise eine Verbindung von Nachdruckschutz und Zensur anstrebte. Metternich selbst hatte bei den Wiener Ministerkonferenzen, die im November 1819 begonnen hatten, am 20. Mai 1820 eine ausführliche Denkschrift mit einem anderen Entwurf vorgelegt, der nach seinem Vorschlag anstelle des Frankfurter Entwurfs von 1819 im Bundestag behandelt werden sollte. Im Konferenzprotokoll findet sich kein Einspruch von Vertretern anderer Staaten, der ja mit Hinweis auf den vorliegenden Entwurf von 1819 hätte begründet werden können. Das Protokoll erwähnt allerdings, daß der Gesandte von Berg bereits abgereist war 16• Die Wiener Denkschrift soll eine Auftragsarbeit des Österreichischen Generalkonsuls in Leipzig, Adam Müller, gewesen sein. Danach sollte in Leipzig eine Zentralbehörde des deutschen Buchhandels unter der Oberaufsicht des Bundestages gebildet werden. In deren Protokoll sollten die entsprechend den Karlsbader Beschlüssen zensurierten Druckschriften (selbstverständlich nur diese) eingetragen werden können. Aufgrund der Eintragung sollte ein Schutz gegen Nachdruck garantiert sein, mit Fristen, die von 30 Jahren nach dem Tod des Verfassers bis 15 Jahre nach Erscheinen eines Werkes abgestuft waren. Die Leitgedanken dieser Denkschrift waren typisch für die Mettemichzeit und eindeutig. Einige Passagen, die auch das materielle Prinzip der Verbindung von Zensur und Schutz des Urheberrechts erkennen lassen, mögen das zeigen: ,,Allerdings ist es wahr, daß es eine absolut freie Presse nicht geben kann, weil es ein literarisches Privat-Eigentum gibt, welches, wie jedes andere Privat-Eigentum, ohne den Schutz des bürgerlichen Rechts nicht bestehen kann. Weil aber PräventivBeschränkungen der Presse notwendig sind, so ist auch andrerseits die beschrän. kende Behörde zum Schutz des unter ihrer Recognition entstehenden literarischen Privat-Eigentums gegen den Nachdruck verpflichtet ... Eine Gewerbs-Classe, die unter der demagogischen Führung dieses oder jenes Individuums und unter dem Schilde vermeintlicher Freiheit der literarischen Republick, sich im Mittelpunkt von Deutschland willkürlich konstituieren und ihre eigentümlichen Zwecke verfolgen könnte, wird um so weniger der Aufsicht des Bundes entzogen werden dürfen, als der gelehrte Stand in allen Zeiten in sehr hohem Grade 16 Abdruck des Protokolls samt Anlagen in: Die Schluß-Acte der Wiener MinisterialConferenzen zur Ausbildung und Befestigung des deutschen Bundes. Urkunden, Geschichte und Commentar von Ludwig Karl Aegidi, Erste Abteilung Berlin 1860, S. 382 f., sowie in: Protokolle der deutschen Ministerial-Conferenzen gehalten zu Wien in den Jahren 1819 und 1820, herausgegeben von Leopold Friedrich Ilse, Frankfurt 1860, S. 360 f. Darstellung des Vorgangs zuerst durch Heinrich Eduard Brockhaus, Metternichs Plan einer staatlichen Organisation des deutschen Buchhandels, in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels Bd. 1, Leipzig 1878, S. 91 f.
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von ihr abhängig bleiben, und sie demnach auf Erziehung, Geistesbildung und Volksstimmung einen fast größeren Einfluß, als der deutsche Lehrstand selbst, ausüben wird .. . . . . so wäre .. . eine Kontrolle des gesamten deutschen Buchhandels, der kaum irgend ein namhafter Mißbrauch entgehen könnte, angeordnet und der Vorteil des Buchhandels mit dem Interesse sämtlicher deutscher Regierungen aufs Innigste verwebt." Bezeichnend für den der Denkschrift beigefügten Gesetzesentwurf war auch, daß von 24 Artikeln wieder nur sechs den Nachdruck betrafen. Die Vorschläge der Denkschrift fanden in Frankfurt in der Bundesversammlung, was doch beachtlich ist, nicht die Zustimmung der anderen deutschen Staaten. Dort wurde 1823 nicht diese Denkschrift, sondern der Kommissionsentwurf von 1819 weiterbehandelt Zu Ergebnissen führte dies aber nicht, da Metternich schon im Februar 1823 erneut auf "die vielen nützlichen und sinnreichen Bemerkungen" der Denkschrift von 1820 verwies 17 • Dies geschah in einem längeren Vortrag über "Vorkehrungen gegen die Lizenz der Presse" , in dem Änderungen und Zusätze des Karlsbader Zensurbeschlusses (zu dessen Verschärfung) angeregt wurden. Er schloß an: "Mit den Verhandlungen über die beiden letzten Punkte könnten sehr zweckmäßig die, welche den Nachdruck betreffen, verbunden werden." Deutlicher konnte Mettemich die beabsichtigte Verbindung von Zensur und Nachdruckschutz nicht ansprechen. Für Österreich hielt er bis 1834 an der damit zum Ausdruck gebrachten Position fest (vielleicht mit stillschweigender Zustimmung einiger anderer Bundesstaaten). Er setzt sich damit auch durch. Nur mühsam kam auf einen preußischen Vorschlag von 1829 der Beschluß der Bundesversammlung vom 6.9. 1832 zustande, wonach bei Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und Maßregeln wider den Nachdruck in Zukunft der Unterschied zwischen den eigenen Untertanen eines Bundesstaates und jenen anderer Bundesstaaten gegenseitig aufgehoben sein sollte. Daß dann 1834 ein wesentlicher Fortschritt in der Nachdruckfrage erreicht werden konnte, hatte seinen Grund sicher auch in der immer größer gewordenen Dringlichkeit der Sache. Diese wurde von Mettemich andererseits ausgenutzt. Das damalige Schlußprotokoll der Wiener Ministerkonferenzen vom 12.6.1834, geheimgehalten bis 1843 18 , mit insgesamt 60 Artikeln nannte zahlreiche Maßnahmen, mit denen man der Freiheits- und Einheitsbewegung in Deutschland Herr zu werden hoffte. Mit den Artikeln 28- 35 (etwa 55 Druckzeilen) sollten insbesondere noch bestehende Lücken in der Zensur geschlossen werden. Die Artikel 11 Metternichs Vorschläge vom Februar 1823 auf dem Kongreß in Wien sind (erstmals) abgedruckt bei Leopold Friedrich Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, Marburg 1861, S. 576 f. (insbes. S. 597). 18 Abgedruckt in: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, herausgegeben von Ernst Rudolf Huber, Bd. l, 3. Aufl. Stuttgart 1978, S. 137 ff.
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38-54 enthielten detaillierte Bestimmungen zur Überwachung der Universitäten, mit denen vor allem die studentischen Verbindungen unterdrückt werden sollten. Nachdem diese Maßnahmen bei den anderen Bundesstaaten durchgesetzt waren, konnte auch Österreich dem einem Artikel36 (drei Druckzeilen) zustimmen, der schlicht folgendes besagte: "Die Regierungen vereinbaren sich dahin, daß der Nachdruck im Umfange des ganzen Bundesgebietes zu verbieten und das schriftstellerische Eigenthum nach gleichförmigen Grundsätzen festzustellen und zu schützen sei." Metternich hatte so jedenfalls in der Form des Konferenzprotokolls seine Vorstellungen zur Verbindung von Zensur und Nachdruckschutz durchgesetzt. Noch in einem weiteren Punkt zeigte Metternich aber, daß er einen von ihm gemachten Vorschlag nicht einfach beiseite schieben ließ. Die 1820 vorgeschlagene Zentralbehörde des deutschen Buchhandels wurde zwar nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Aber in Artikel 37 wurde doch vereinbart: "Es soll am Bundestage eine Kommission ernannt werden, um in Erwägung zu ziehen, inwiefern über die Organisation des deutschen Buchhandels ein Übereinkommen sämtlicher Bundesglieder zu treffen sei. Zu diesem Ende werden die Regierungen geachtete Buchhändler ihrer Staaten über diesen Gegenstand vernehmen und die Ergebnisse dieser Begutachtung an die Bundestagskommission gelangen lassen." Zu Konsequenzen führte das allerdings nicht mehr. Denn als im Februar 1835 in der Bundesversammlung in Frankfurt über die Äußerungen der Buchhändler berichtet werden sollte, legte der sächsische Gesandte statt des Gutachtens nur der sächsischen Buchhändler die weit darüber hinausgehenden "Vorschläge zur Feststellung des literarischen Rechtszustandes in den Staaten des Deutschen Bundes" des Leipziger Börsenvereins der Buchhändler vor, also etwas ganz anderes. Darüber kam es offenbar zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Österreichischen und dem sächsischen Gesandten; u. a. wurde Sachsen vorgeworfen, "sich einer nicht zuständigen Anmaßung schuldig gemacht" zu haben. Die "Vorschläge" wurden aber doch den Regierungen zur Äußerung zugeleitet. Das Thema der Organisation des Buchhandels wurde danach nicht mehr aufgegriffen 19 • 19 Das offizielle Protokoll (vgl. Protokolle der deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1835, S. 99 f.) läßt die Einzelheiten des Sitzungsverlaufs nicht erkennen. Diese ergeben sich aus dem Bericht der Gesandtschaft von Mecklenburg-Schwerin vom 12.2.1835 (Staatsarchiv Schwerin, Gesandtschaftsberichte Mappe 63). Danach "entstand eine ziemlich lebhafte Diskussion", die Österreichische Buchhändler seien zur Abgabe ihrer Meinung im Rahmen der "Vorschläge" nicht befugt gewesen und hätten sich dadurch strafbar gemacht; es stehe auch dahin, ob gerade die an der Abfassung der "Vorschläge" beteiligten Buchhändler zu den "geachteten Buchhändlern" gehörten, die nach dem Wiener Beschluß vernommen werden sollten. Der sächsische Gesandte erwiderte u. a., seine Regierung habe für die gehegte gute Absicht Dank anstatt Vorwurf verdient.
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Die Formulierung von Artikel 36 des Schlußprotokolls von 1834 hatte man in Wien offensichtlich nicht so systematisch vorbereiten können, wie es nach dem damaligen Stand der juristischen Diskussion möglich gewesen wäre. Das läßt vermuten, daß dieser Artikel während der Konferenzen eine weit geringere Bedeutung als die Zensur- und Universitätsartikel hatte. Die Formulierung wurde ohne weitere Erörterung in den Beschluß der Bundesversammlung vom 2.4.1835 übernommen, der dann bekanntlich den erläuternden weiteren Beschluß vom 5.11.1835 erforderlich machte, "daß das durch Beschluß vom 2. April d. J. ausgesprochene Verbot des Nachdrucks als ein positives bestehe, und in allen Bundesstaaten ... zum Vollzug zu bringen sei .. ." Das war der Durchbruch für einen in ganz Deutschland gleichen Schutz der Rechte von Schriftstellern und Verlegern. In der Folgezeit konnten diese Rechte ausformuliert und weiterentwickelt werden, ohne daß ein Zusammenhang mit der Zensur dafür noch Bedeutung gehabt hätte.
Privilegienschutz gegen den Nachdruck um 1800 - Der Fall Artaria contra Götz Von Elmar Wadle Über Jahrhunderte hinweg bediente sich die Obrigkeit des Privilegs, wenn sie Schutz gegen Nachdruck gewähren wollte. Anfangs stellten die Privilegien die einzigen Instrumente des Schutzes dar, später - namentlich im ausgehenden 18. Jahrhundert- traten gesetzliche Nachdruckverbote an ihre Seite, ohne jedoch den Schutz durch Privilegien ganz verdrängen zu können; erst im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich das Gesetz als einzige Form des Schutzes durch. Die Frankfurter Bundesversammlung, das höchste Organ des Deutschen Bundes, hat sich des öfteren mit Privilegienwünschen befaßt; zahlreiche deutsche Staaten gewährten- vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder Privilegien gegen den Nachdruck 1• Auch das Heilige Römische Reich führte bis zu seinem Ende die im 16. Jahrhundert begonnene Praxis 2 fort und erteilte Privilegien, die letzten noch wenige Wochen vor der Niederlegung der römisch-deutschen Kaiserkrone durch Franz II. am 6. August 1806. Unter den in diesem Jahr ausgegebenen Privilegien befindet sich auch eines für die Wiener Kunsthandlung Artaria & Co: Auf Antrag der Gesellschaft vom 27. März 1806 beschloß der Reichshofrat am 21. April 1806, das 1782 gewährte Privileg für weitere 10 Jahre zu erneuern; am 12. Mai 1806 wurde dann das Privileg ausgefertigt. Obwohl es sich bei den beiden Privilegien für Artaria nur um zwei unter vielen anderen handelt, verdienen sie unser besonderes Interesse, da sich um sie ein heftiger Rechtsstreit vor dem Reichshofrat entwickelt hat. In seinem Verlauf wird deutlich, mit welchen Problemen die Praxis des Privilegienwesens gegen Ende des Heiligen Römischen Reiches zu kämpfen hatte, wo die Stärken und vor allem wo die Grenzen und Schwächen dieses Schutzes durch kaiserliches Privileg zu suchen sind 3 • ' Vgl. einerseits Heinz Fröbe: Die Privilegierung der Ausgabe "letzter Hand" Goethes sämtlicher Werke, in: Archiv f. Geschichte des Buchwesens II (1960), S. 187-229; andererseits Paul Kaller: Druckprivileg und Urheberrecht im Herzogtum Nassau. Zur Bedeutung des Edikts für die Pressefreiheit von 1814, Frankfurt a. M. I Berlin I Bem I New YorkiParisiWien 1992, bes. S. 178ff. 2 Zum Privilegienwesen vgl. nur: Martin Vogel: Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850, Sonderdruck aus: Archiv f. Geschichte des Buchwesens XIX, Frankfurt a. M. 1978, S. 10 ff. m. w. Hinw. vor allem zur Lit. 3 Wadle
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Bevor der Prozeß, den Artaria gegen den Mannheimer Musikverleger Götz angestrengt hat, in seinen wichtigsten Etappen dargestellt wird (II I III), soll ein kurzer Blick auf die beiden Streitparteien geworfen werden (I). Eher der Kuriosität halber ist noch erwähnenswert, daß die beklagte Partei wegen ihres ungebührlichen Verhaltens noch eine zweite Klage, nämlich die des Reichshoffiskals, auf sich gezogen hat (IV). Sodann bleibt noch zu berichten, daß der Prozeß in den bewegten Zeiten des Kriegs mit dem revolutionären Frankreich versandet ist, aber gleichwohl noch einige Nachspiele ausgelöst hat (V). Abschließend sollen die zentralen rechtlichen Gesichtspunkte des Rechtsstreites zusammengestellt werden (VI).
I. Als Klägerin trat im Prozeß vor dem Reichshofrat die Wiener Kunsthandlung Artaria & Co. auf4 • Es handelt sich um ein Haus, das schon zur Zeit des Prozesses sehr angesehen war, seinen besonderen Ruf aber erst danach als Verleger von Werken Haydns, Mozarts und vor allem Beethovens gewinnen sollte. Die Gründung der Kunsthandlung fällt ins Jahr 1770; der Gründer, Carlo Artaria, hatte zuvor als Händler von Kupferstichen auf Jahrmärkten gute Geschäfte gemacht und sich nun in Wien in einem öffentlichen Gewölbe niedergelassen. Zu den Bildern, Kupferstichen und Landkarten kamen bald andere Waren hinzu, wie Augengläser, Barometer und andere optische Geräte. Seit 1776 vertrieb man auch handschriftliche und gedruckte Musikalien, seit 1778 wurde die Notenstecherei im eigenen Verlag ausgeübt- für Wien eine Neuheit. Der Musikalienkata3 Ein zuverlässiges Urteil über die kaiserliche Privilegienpraxis isttrotzder Diskussion der letzten Jahrzehnte noch nicht möglich; vgl. etwa Elmar Wadle: Vor- oder Frühgeschichte des Urheberrechts. Zur Diskussion über die Privilegien gegen den Nachdruck, in: UFITA 106 (1987), S. 95-107. - Mittlerweile hat Hans-Joachim Koppitz, damit begonnen, die kaiserlichen Privilegien aufgrund des Bestandes "Impressoria" im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufzunehmen; vgl. Koppitz: Erforschung der kaiserlichen Druckprivilegien. Ein vorläufiger Forschungsbericht, in: Peter Votosek (Hg.): Das Buch in Praxis und Wissenschaft, 40 Jahre Deutsches Bucharchiv München, eine Festschrift, Wiesbaden 1989, S. 9-16; Koppitz: Die Privilegierung von Klappstocks "Messias"Ausgabe von 1780 (1781) durch Kaiser Joseph II., in: Gutenberg-Jahrbuch 65 (1990), s. 205-212. Auf die vor dem Reichshofrat geführten Prozesse um kaiserliche Impressoria konzentriert sich ein längerfristig angelegtes eigenes Projekt des Verfassers. 4 Rosemarie Hilmar: Der Musikverlag Artaria & Co., Geschichte und Probleme der Druckproduktion, Publikationen der Österreichischen Musikdokumentation 6, Tutzing 1977; Alexander Weinmann: Vollständiges Verlagsverzeichnis Artaria & Comp., Wien 1952; Geschichte der Firma Artaria & Compagnie u. Freytag-Bemdt u. Artaria, Ein Rückblick auf 200 Jahre Wiener Privatkartographie, 1770- 1970, Wien 1970. Im übrigen vgl. Ernst Fritz Schmid: Art. "Artaria" in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart Bd. I, Kassel I Basel1949, Sp. 729-735; Weinmann: Art. "Artaria", in: S. Stanley (Hg): The new Grove Dictionary of Music, Bd. I London I Washington I Hongkong 1980, S. 640642; Alexander Witeschnik: Art. "Artaria", in: Neue Deutsche Biographie, Bd. I, Berlin 1953, s. 399-401.
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log aus dem Jahre 1769 führt folgenden bezeichnenden Titel 5: "Erster Anhang zum Verzeichnis von Musicalien, welche bey Artaria und Compagnie KunstKupferstich-Landkarten-Musicalienhändlern und Verlegern gegen der Michaelerkirehe über in Wien zu haben sind, Wien bei Mattbias Andreas Schmidt, Universitäts-Buchdrucker, 1779". Die Geschäfte der Firma müssen einen rasanten Aufschwung genommen haben, denn schon im Januar 1782 kann man von sich sagen: "Artaria ... sparet keinen Fleiß und siebet keine Verlags Kosten an, um in Kupferstichen und gestochenen Musicalien die schönen Künste zu verbreiten, und hat damit das Glück gehabt, bei in- und auswärtigen Kennern vollkommen Beifall und renommee zu erhalten". Diese Sätze sind dem Antrag auf Erteilung eines kaiserlichen Schutzbriefes entnommen; dem Antrag wurde schon bald stattgegeben. Im Privileg Joseph II. vom 28. Januar 1782 6 heißt es: "Wann Wir nun mildest angesehen, solche der Supplicirenden Kunsthandlung, demüthigst ziemliche Bitte, auch anbey den sich durch solches Unternehmen auf die Beförderung der schönen Künsten verbreitenden Nutzen gnädiglich erwogen haben, als haben Wir obbemelter Kunsthandlung, Artaria, et Compagnie die Gnade gethan, und Freyheit gegeben, thun solches auch hiemit wissentlich, in Krafft dieses Briefes, also und dergestalten, daß dieselbe alle in ihren Verlag herausgebende Kupfer- und Schwarzkunststiche, auch die gestochene Musicalien, mit Beyruckung der Worte oder Buchstaben, cum Privilegio Sacrae Caesareae Majestatis, in ofenen Druck auflegen, ausgehen, hin- und wieder ausgeben, und verkauffen möge, auch Ihr solche niemand ohne ihren Wissen, oder Willen, innerhalb Zehen Jahren, von dato dießes Briefes anzurechnen, in heiligen Römischen Reich weder ganz, noch Theilweiß, und in keinerley Form nachdrucken, und verkauffen solle". Das Privileg wurde zur Grundlage eines Prozesses gegen den Mannheimer Konkurrenten Johann Michael Götz 7 • Dieser hatte um 1768 in Mannheim die erste Notenstecherei und -druckerei gegründet und - wie seinerzeit üblich mit einer Musikalienhandlung verbunden. Der Betrieb expandierte offenbar schnell. Bald wurden Filialen in München und Worms eingerichtet. Auch Götz sicherte seinen Verlag rechtlich ab, und zwar durch ein kurpfälzisches Privileg. s Hilmar (Fn. 4) S. 14. Vollständiger Abdruck bei Hilmar (Fn. 4), S. 229 f. Das Zitat aus dem Antrag vom 22. Januar 1782 nach den Akten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien, Best. Reichshofrat (künftig: RHR), Impressoria II, BI. 190-190 Rs. - Zur Verlängerung des Privilegs im Jahre 1806 vgl. ebenda BI. 196 ff. 7 Friedrich Walter: Der Musikverlag des Michael Götz in Mannheim, in: Mannheimer Geschichtsblätter 16 (1915), Sp. 36-42; Lotbar Hoffmann-Erbrecht: Musikverleger und -händler Johann Michael Götz, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 6, Berlin 1964, S. 589. -Zu den Verhältnissen in Kurpfalz unter Kar! Theodor (1742-1799) und Maximilian Joseph (1799-1803) vgl. Carl Nebenius: Geschichte der Pfalz, Heide1berg 1873, S. 183193; Ludwig Häusser: Geschichte der Rheinischen Pfalz nach ihren politischen, kirchlichen und literarischen Verhältnissen, 2 Bde., 2. Aufl. 1856 (Nachdruck Pirmasens 1970), hier II S. 957 ff.; jetzt vor allem: Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz, Bd. 2: Neuzeit, Stuttgart 1992, S. 181 ff.; im übrigen vgl. Fn. 43. 6
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Dieses bereits 1876 bewilligte, aber erst am 23. April 1781 publizierte Privileg statuierte 8 : "Wir Karl Theodor von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Ober und Nieder Baiem, des H. R. R. ErztruchseS und Kurfürst p.p.p. Tit. tot.- Fügen hiemit zu wissen, wasmassenwir unserm Hof-Musickstecher und Händler Michael Goetz, dann dessen annehmenden Associt~s auf die Musickstecherei und Handel mit dieser Stecherei das unterthänigst gebethene Privilegium exclusivum auf dreißig Jahr lang dergestalten mildest ertheilet haben, daß innerhalb solcher Zeit Niemand ausser ihm Michael Goetz und dessen Associes, so viel er deren überkommen wird, in samtlieh Kurpfälzischen Landen, weder eine Musikstecherei anzulegen, noch mit gestochenen oder gedruckten Musikalien Handel zu treiben gestattet seyn solle. Wir erweitern nun solches weitres dahin, daß diesen Goetz und Associes allein mit allen gestochenen oder gedruckten Musikalien den Handel zu treiben erlaubt seyn soll, wenn auch diese Musikalien anderstwo, sowohl inner- als ausser Lands gestochen oder gedruckt seyn werden. Wozu unser gnädigster Schuz und Beistand genanntem Michael Goetz in allen Vorfällen jederzeit angedeihen wird. Urkund p. " Das Privilegium exclusivum wurde 1782 auf die bayerischen Lande ausgedehnt; 1777 hatte der Landesherr der Kurpfalz, Kurfürst Karl IV. Theodor, auch die bayerischen Wittelsbacher beerbt. Der Götz' sehe Verlag erlebte nur eine kurze Blütezeit. Die Mannheimer Musikszene verlor mit der Übersiedlung des Hofes nach München ihren Mittelpunkt und schon bald danach sorgten die Wirren der Revolutionszeit, deren Kriege ja auch die Kurpfalz nicht verschonten, für den Niedergang des Geschäftes. Ganz anders hat- trotz aller schwierigen Zeitläufte --:- Artaria diese Jahre überstanden: In der Blütezeit der Wiener Klassik hat sich dieses Haus weiter entfalten können. Doch nun zum Prozeß.
II. Am 3. Juni 1785 reichte der Anwalt der Firma Artaria & Co. - es handelt sich um den Reichshofratsagenten Johann Georg Ignatz von Schurnano 9 -unter Vorlage einer Abschrift des Privilegs Klage 10 beim Reichshofrat ein mit der 8 Der Text des Privilegs ist wiedergegeben nach der Abschrift in den kurpfälzischen Akten im Badischen Generallandesarchiv Karlsruhe (= GLA) 213 I 311 BI. 3. - das arn 23. August 1776 bewilligte, aber nicht ausgefertigte Privileg weicht etwas ab: es war nur auf 20 Jahre erteilt und beschrieb das Recht so: " ... in sämtlich kurpfälzl. Landen, weder eine Music-Stecherey anzulegen, noch mit selbstgestochenen oder gedruckten Musicalien Handel zu treiben gestattet seyn solle. Wozu Unser gnädigster Schutz ... "; vgl. Abschrift ebenda BI. 1. 9 Das "mandatum procuratoriurn" befindet sich bei den Prozeßakten (vgl. Fn. 10); zur Funktion der Agenten vgl. Wolfgang Sellert: Prozeßgrundsätze und stilus curiae arn Reichshofrat, Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, NF. Bd. 18, Aalen 1973, S. 112 ff. m. w. N.
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Begründung, ein Nachdruck des Götz habe sie "in ihrem iure quaesito verletzet und sonst in empfindlichen Schaden gesetzet"; auch sei Götz "anbei deren allerhöchsten Reservatis zu nahe getreuen . .. ". Deshalb wurde gebeten, "die allerhöchst kayserlichen Gerechtsame gegen derley Frevler zu handhaben, und an die Churpfälzische Regierung zu Mannheim wegen Konfiscation der in dortigen Landen anzutreffenden Nachstiche die gemessene Befehle zu erlassen, diese Nachstiche der implorantischen Kunsthandlung nach Inhalt des kaiserlichen Privilegii zuzuerkennen und den frevelmüthigen Verletzer in die auf seine Übertrettung gesetzte Stafe von 5 Mark löthigen Goldes wie auch in den Ersatz aller Kosten fällig zu erklären". Der Reichshofrat beschloß (10. Juni), diese Klage dem Beklagten "communicirn" zu lassen, und setzte dabei eine Äußerungsfrist von zwei Monaten. Dieser Bescheid wurde dem Götz am 5. Juli 1785 durch einen Notar in Mannheim zugestellt. Aus dem beigefügten Anlagen ergibt sich, womit der Nachstich konkret begründet wurde: Es ging um eine Arie nebst Clavicin-Begleitung des böhmischen Komponisten Leopold Kozeluch; dieses Stück hatte Ataria in Verlag genommen11. 10 Die Darstellung stützt sich einerseits auf die Prozeßakten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien; Bestand Reichshofrat Decisa (= RHR Dec.) 337 und RHR Relationes (= Rel.) 5 (alte Nr. 303); andererseits auf die Akten der kurpfälzischen Regierung GLA 77/758 und 2131311. Bei der in erster Instanz gewählten Verfahrensart dürfte es sich um einen Citationsprozeß handeln; so jedenfalls sieht es die Mannheimer Regierung, vgl. etwa das Votum Grimmeissen vom 25. Juni 1786 oder das Schreiben an Frhr. von Halberg vom 10. Februar 1789. Angesichts des prozeßeröffnenden Conclusum vom 10. Juni 1785 könnte man auch an einen "Vernehmlassungsprozeß" ("processus responsorius") denken; dieses Conclusum lautet: "Communicetur impetrato um sich darüber in Termino 2 Mensium rechtsbeständig zu verantworten". - Zum Prozeß um Privilegien vgl. etwa Vincenz Hanzely: Grundriß des reichshofräthlichen Verfahrens in Justiz- und Gnadensachen mit den nöthigen Formeln, Bd. 3 Abt. 2, Stuttgart 1788, S. 69 f. (§ 408). Zu den Prozeßarten ausführlicher Hanzely: Anleitung zur neuesten Reichshofrathsprax:is, Bd. 2, Frankfurt I Leipzig 1784, bes. S. 300 f.; im übrigen vgl. Sellert: Prozeßgrundsätze (Fn. 9), und Manfred Uhlhorn: Der Mandatsprozeß sine clausula des Reichshofrats, Quellen und Darstellungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 22, Köln I Wien 1990. Als Referent im RHR fungiert gemäß einer Notiz des Anwalts von Artaria & Co. vom 13. August 1737 zunächst (bis 1787) Gottfried Rudolf Reichsfreiherr von Dietmar, am RHR seit 1770, wegen Verschuldung 1787 aus dem Dienst entlassen. Näheres bei Oswald von Gschließer: Der Reichshofrat, Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806, Veröffentlichungen der Kommission für NeuereGeschichte des ehemaligen Österreich 33, Wien 1942 (Neudruck Nendeln 1970), S. 484 f. 11 Zu Leopold Ko(t)zeluch 1747-1818: Franz Menges: Artikel "Ko(t)zeluch, Leopold", in: Neue Deutsche Biographie Bd. XII Berlin 1980, S. 629-630; auch Weinmann, Verlagsverzeichnis (Fn. 4), S. 16 Nr. 39. Ein Exemplar der von Götz nachgedruckten Arie liegt bei den kurpfälzischen Akten GLA 213 I 311 BI. 27 ff. Anlage D. Der Nachdruck trägt den Titel: "Aria und Recitativ I I mit begleitung des Claviers I I von L:Kozeluch I I Aus besonderer Hochachtung der Fräulein Josepha von Maubuison gewidmet I I von I I J. M. Götz I I Mannheim und München I I im Musick Verlag von J. M. Götz ".
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Nachdem die gesetzte Frist ohne jede Reaktion verstrichen war, faßte der Reichshofrat am 12. September 1785 auf weiteren Antrag der Klägerin einen neuen Beschluß, in dem unter anderem nochmals (ex officio) eine Zweimonatsfrist zur Stellungnahme festgesetzt wurde; dies geschah allerdings "sub comminatione litis alias in contumaciam pro contestata et libelli pro confessato acceptandi"; kurz: man drohte mit dem Kontumazialverfahren, dem Ungehorsamsverfahren, einem Verfahren also, das unserem heutigen Versäumnisurteil nahe kommt 12• Der neue Beschluß wurde Götz zugestellt - diesmal in Frankfurt "in dessen Kaufladen im Barfüßer Kreuzgang". Das ganze wiederholte sich dann noch einmal Anfang 1786 mit dem einzigen Unterschied, daß Götz sich weigerte, das Schriftstück anzunehmen, worauf es der zustellende Frankfurter Notar "auf dem Ladentische vor ihm liegen" ließ 13 • Daraufhin beschloß der Reichshofrat, es war mittlerweile der 30. Juni 1786, "nunmehro in contumatiam partis impetratae lis pro contestata et Iibellus pro confessato" anzunehmen; d. h. der Streitgegenstand sollte fixiert sein und der in der Klageschrift genannte Sachstand sollte als zugestanden gelten. Der Kläger, der "ad ulteriora" zugelassen wurde, also seine abschließenden Anträge stellen sollte, begnügt sich: Er "submittiert simpliciter ad acta et ad sententiam und bittet aller unterthänigst pravia ejusdem positione ad acta die Exhibita allergnädigst referieren zu lassen". Ein entsprechender Beschluß des Reichshofrats wird zugestellt, abermals ohne Erfolg. Götz reagiert nicht, sondern fahrt- wie Artarias Anwalt klagt 14 - "ungescheut fort, seine strafbare Nachdrücke pendente lite überall in species auch in Frankfurth offentlieh feil zu biethen, solche durch gedruckte Catalogen zu verbreiten und so denen kaiserlichen Privilegiis sozusagen Trotz und Hohn zu biethen, wobei er darauf zu zählen scheint, daß er (bis der Prozeß zu Ende) alle falschen Nachdrücke längst werde versilbert haben, womächst Impetrantibus das leere Nachsehen zu Theil bleiben würde". Nun sieht Artarias Anwalt höchste Gefahr in Verzug und beantragt entsprechende Intervention per Reskript beim Frankfurter Magistrat. In der Hauptsache wird noch einmal eine Frist gesetzt. Als der Notar in Mannheim den neuen Beschluß zustellen will, erhält er von Götz, dem Beklagten also, zur Antwort 15 , daß er "sich in dieser Sache weder einlasse, noch einzulassen habe, denn er habe als churpfalzischer Unterthan den Vorwurf Seiner Churpfälzischen Durchlaucht hohen Landes-Regierung angezeigt und völlig überlassen, und seye bereits wegen diesem Vorwurf an ihre K.K. Majestät von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz eigenhändiges Schreiben abgegangen, wobey er es bewenden ließe und sich somit gegen alles verwahre". 12 Zum Ungehorsamsverfahren des gemeinen Prozeßrechts vgl. Georg Wilhelm Wetzell: System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. Auf!. Leipzig 1878, hier §§ 49, 72; Sellert: Prozeßgrundsätze (Fn. 9), bes. S. 285 f. 13 Zustellungsurkunde vom 30. September 1785 und vom 24. April 1786. 14 Eingabe vom 29. September 1786. 15 Notarielle Zustellungsurkunde vom 27. November 1786.
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Als der Reichshofrat nun insistiert und dabei nochmals androht, widrigenfalls werde "die Sach in contumaciam pro conclusa angenommen", reagiert Götz ganz ähnlich: Er berufe sich auf seine frühere Erklärung und nehme nichts mehr in dieser Sache an. Dies erklärt Götz am 23. Mai; am 3. September nimmt der Reichshofrat "die Sache in contumaciam für geschlossen" an. Und als dieser neue Beschluß nun am 14. November zugestellt werden soll, verweigert Götz nochmals die Annahme; er wolle "von der ganzen Sache nichts hören noch wissen". Dies wiederum rügte der Vertreter Artarias mit Sätzen wie: Es sei "unbeschreiblich, mit welcher vilipendirung der beklagte Götz ... sich beträgt . .. "; oder: er beleidige "frevelmüthig ... Allerhöchstdem regale und authorität" 16• So kommt es, wie es kommen muß: Am 16. Dezember 1788 faßt das Gericht seine "sententia in contumaciam" 17 : "In Strittsachen sich verhaltend zwischen der hiesig Kunsthandlung Artaria und Compagnie Klägern und Impetranten eines, entgegen, und wider M. Göz Beklagten und Impetraten andren Theils puncto violati privilegii Caesarei ist deren an- und Fürbringen auch der Sachen wohl erwogenen Umständen nach hiermit in contumaciam partis impetrato zu Recht erkannt worden, daß impetrat in die dem Kayserlichen Privilegio einverleibte Poen von fünf Mark lötigen Goldes fallig erkläret, auch dem Impetranten alle verursachte Schäden und Kosten nach vorgängiger Liquidation und richterlicher Ermächtigung zu erstatten schuldig sey, mit ausdrücklicher Warnung, daß, wenn Beklagte dieser urtel, so viel die Strafgelder betrifft, binnen Zeit zweyer Monaten nicht geloben würde, derselbe jetzt als dann, und dann als jetzt in eine Strafe von zehn Mark lötigen Goldes halb dem Kayserlichen fisco, und den andem halben Theil Impetranten zu bezahlen condemniret seyn, auch der wirklichen Execution halber auf Impetrantisches Anrufen ergehen solle, was rechtens". Zugleich wird der Reichshoffiskal per Reskript zur Einziehung aller Nachdrukke bzw. Nachstiche aufgefordert; ein entsprechender Befehl ergeht an die Reichsstadt Frankfurt und die kurpfalzische Regierung.
16 Zustellungsurkunden vom 23. Mai und 14. November 1787; Eingaben Schumann vom 14. Dezember 1787 und 29. November 1788. t7 Wortlaut nach dem Konzept in RHR Dec. 337. - Das vorbereitende Votum des Referenten (RHR Rel. 5 I 303) ist knapp: "So viel die Strafe des Impetraten und die Satisfaction des Impetranten quoad damna et impensas betrifft, ist das Kaiser!. Privilegium exclusivum klaren Inhaltes. So viel hingegen die violation dessieben und den per lit S. bescheinten Nachdruck des Stckes selbsten, dann den eines titel-blattes sub lit E. betrifft, müssen wir beides pro confessato annehmen. Ich hätte also kein Bedenken, partem impetratam in die dem Kaiser!. Privilegio einverleibte Strafe, und in die verursachte Schäden und Kosten praevia moderatione per sententiam zu condemnieren". Im übrigen beschäftigt sich das Votum nur noch mit der Möglichkeit einer Verdoppelung der Strafe, die aber, da nicht beantragt, abgelehnt wird, und dem beantragten, auf Konfiskation der Nachstiche gerichteten Reskript an die kurpfälzische Regierung, das als Folge des Urteils zu erlassen sei.
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An diesem Punkt soll die Schilderung des Prozeßverlaufs unterbrochen und zunächst jenem Hinweis nachgegangen werden, den Götz selbst gegeben hat, nämlich seinem Hilferuf an die kurpfälzische Regierung.
111. Götz hatte schon am 8. Juni 1786, zu einem Zeitpunkt also, als der erste Beschluß des Reichshofrates im Kontumazialverfahren (30. Juni 1786) noch nicht gefaßt war, die landesherrlichen Behörden von der Sache unterrichtet 18 • Er beklagte sich über die Zudringlichkeit des Wiener Musikstechers Artaria und fuhr dann fort: "Ich glaubte nicht, daß diese Klage fortgesetzt werden würde, allein die beyden weiteren Anlagen Zifer 2 et 3 zeigen das Gegentheil; und wenn ich also ferner müßig bliebe, so müßte ich in jeder Reichs-Stadt, besonders in Frankfurt wegen meiner Person, oder wegen meiner Waaren Unannehmlichkeiten besorgen" 19• Götz bat deshalb seinen Landesherrn darum, ihn nicht nur zu vertreten, sondern auch "gegen alle Zudringlichkeit der abgedachten Kläger kräftigst zu sichern und dadurch zugleich die kurpfälzischen Territorialgerechtsame zu vertheidigen". Die Gründe, die dann vorgebracht werden, betreffen dementsprechend zwei Bereiche. Zum einen wird die Rechtswirksamkeit des Artaria-Privilegs in Frage gestellt, zum anderen wird gesagt, er, Götz, habe nicht gegen das Privileg verstoßen. Bei der kurpfälzischen Regierung und ihrem Referenten, dem Geheimen Rat Johann Friedrich Grimmeissen 20 , fanden diese Argumente, auf die später zurückzukommen ist, offene Ohren, mehr noch, die Regierung gewann die Überzeugung, daß es nicht nur um eine Hilfe für Götz gehe, sondern "hauptsächlich" um "Schutz und Erhaltung eigener landesherrlicher Hoheitsrechte, gegen welche der kaiserliche Reichshofrath mittels der an einen churpfälzischen Unterthan erlassenen Citation schon wirklich angestoßen habe". Man sah in der Tätigkeit des Reichshofrates einen Verstoß gegen das kurpfälzische Privilegium de non evocando und die kaiserliche Wahlkapitulation; deshalb solle der Kurfürst "dieser die eigenen churfürstlichen Hoheits-Rechte so sehr nahe angehenden Sache halber ein nachdrucksamstes Schreiben ad Imperatorern ... erlassen" . Eingabe vom 8. Juni 1786 GLA 2131311 BI. 8-26. Bei den Anlagen 3 und 3 geht es um die RHR-Conclusa vom 12. September 1785 und vom 27. März 1786. Als Anlage 1 ist dem Schreiben die Klageschrift Artarias vom 3. Juni 1785 nebst Abschrift des Privilegs Joseph li. vom 28. Januar 1782 beigefügt. 2o Protokoll des Regierungsrats vom 27. Juni 1786, Auszug in GLA 77 I 758; ebenda auch das Votum des Referenten Grimmeissen vom 25. Juni 1786. - Grimmeissen, zuvor Landschreiber im Oberamt Simmern, war 1767 zum kurfürstlichen Regierungsrat ernannt worden; später führte der den Titel kurfürstlicher wirklicher Regierungs- und Oberappellationsgerichtsrat, 1778 wurde ihm das Prädikat Kurpfälzischer Geheimer Rat verliehen; vgl. GLA 77 I 8009 BI. 146 f.; GLA 77 I 7901 BI. 37. 18
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Der Kurfürst 21 hielt den Vorschlag eines Schreibens an den Kaiser für "genehm" und ordnete an, einen Entwurf abzufassen; zuvor sollte aber geklärt werden, warum das bereits unter dem 23. August 1776 dem Götz gewährte kurpfälzische Privileg von der Regierung erst im Jahre 1781 bekannt gemacht worden sei. Von diesem Umstand und den eventuell in der Vorstellung des Michael Götz sonst noch enthaltenen günstigen Umständen solle in dem Schreiben "nüzliche Anwendung, jedoch nur transeunter gemacht werden". Die Recherche wegen der verzögerten Privilegienerteilung wurde deshalb angeordnet, weil man es für bedeutsam hielt, daß das Götz'sche Privileg doch "verschiedene Jahre" älter war als das Privileg Artarias. Bis dieser Auftrag ausgeführt werden konnte, verging viel Zeit. Man versäumte, sich rechtzeitig vor Ablauf der vom Reichshofrat wiederholt gesetzten Fristen in den Prozeß einzuschalten. Am I. September 1786 ließ die kurpfälzische Regierung ein Schreiben an ihren Residenten in Frankfurt hinausgehen, in dem dieser aufgefordert wurde, die Bücherkommission und gegebenenfalls auch den Magistrat der Reichsstadt von dem kurfürstlichen Schreiben an den Kaiser zu unterrichten 22 • Doch der angekündigte Brief an den Kaiser wurde nicht geschrieben. Die kurpfälzischen Gegenvorstellungen gelangten nicht an eine kompetente Stelle; beim Reichshofrat selbst unterblieb jede Intervention und der mündliche Hinweis auf die landesherrliche Haltung, den Götz selbst - wie schon erwähnt - dem zustellenden Notar gegenüber geäußert hatte, konnte nicht genügen. Warum nun die kurpfälzische Regierung bis zum Jahresbeginn 1789 nichts mehr unternommen hat, ist aus den Akten nicht genau zu entnehmen. Die Mannheimer Behörde wurde erst aufgeschreckt, als ihr Agent beim Reichshofrat, Friedrich August Braun, im Januar 1789 Beschluß und Urteil des Reichshofrates vom 16. Dezember 1788 übermittelte 23 • In der Sitzung der kurpfälzischen Regierung vom 21. Januar 1789 24 legte der Berichterstatter den 1786 angeforderten Entwurf vor und erntete den verdienten Tadel: Wenn er den Auftrag "nicht über zwey Jahr liegen gelassen hätte, von welcher Säumnis ihn die beygebrachten Entschuldigungen kaum reinigen können, so würde dies Sache gehörlieh eingeleitet, allem Präjudicio bereits vorgebogen, 21 Reskript an die Regierung vom 10. Juli 1786; GLA 213 I 311 Bl. 65. Die Entscheidungen des Kurfürsten ergingen an die Regierung "Aus Sr. Churfürstlichen Durchlaucht Special gnädigstem Befehl"; es unterzeichnet in aller Regel der für die Kurpfalz zuständige "dirigierender Minister" Graf Franz Albert von Obemdorf; 1786 wurde als neue Administration für die Kurpfalz eine "Präsidialversammlung" geschaffen. 22 Konzept vom 1. September 1786, GLA 213 I 311 BI. 67. Die einschlägigen Akten der Reichsstadt Frankfurt gingen lt. feund1icher Auskunft des Stadtarchivs Frankfurts vermutlich im 2. Weltkrieg verloren. 23 Bericht Ferdinand August Braun an den Kurfürst vom 3. Januar 1789 nebst Anlagen; das Schreiben wurde lt. Vermerk am 13. Januar an den Referenten Grimmeissen weitergereicht; GLA 213 I 311 BI. 68 ff. - Zu Braun, später Baron Braun von Braunegg vgl. die Hinweise in GLA 77 I 1241 und 1242. 24 Protokollauszug vom 21. Januar 1789, GLA 77/758.
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und vielleicht dermahl entstehende unangenehme Folgen vermieden worden seyn" 25 • Daß die Situation mißlich war, sah auch der Berichterstatter selbst; er meinte allerdings, daß das WienerVerfahren nur den Götz betreffen, "keineswegs aber auch bey der bisherigen gänzlich ermangelnden legalen Wissenschaft der Churpfalzischen Gerichtsbarkeit derogiren könne, sondern in diesem Betref noch alle Rechtsmittel offen stünden, wodurch dann eo ipso Tit. Goetz gerettet werde". Grimmeissen schlug nun vor, auf den Brief an den Kaiser zu verzichten, zugleich aber ein entsprechendes Promemoria auszuarbeiten, und mit seiner Hilfe "durch ministerial negotiacion", mithin durch diplomatischen Vorstoß, die "Unterdrükkung der Sache" zu erreichen; erst wenn dies nicht gelinge, solle man vom Reichshofrat die "exceptio fori non competentis in forma iudiciali" einlegen, und wenn auch dies nichts fruchte, den "förmliche(n) recursus ad Comitia" einlegen, also den Reichstag anrufen. Am 9. Februar lag das Promemoria vor und die Regierung beschloß 26 , "wegen dieses ganzen unerwarteten Fürgangs" in Wien vorstellig zu werden, und zwar sollte über den diplomatischen Vertreter Wiens in Mannheim beim Reichshofvizekanzler, dem Fürsten Colloredo, erreicht werden, daß das Verfahren entweder zum Stillstand gebracht, oder der Kläger an die kurpfalzische "Gerichtsstelle" verwiesen würde. Von einem förmlichen Einspruch beim Reichshofrat versprach man sich in Mannheim nicht viel, da ein solcher Einspruch leicht "den Wege zu onangenehmen Contestationen bahnen und in dem Fall, daß hiernächst der kaiserliche Reichshofrat auf der unternommenen Gerichtsbarkeit beharren wollte, ein nach Maß der hierbei beteiligten allgemeinen reichsständischen Befugnisse zu ergreifender Rekurs ad comitia unvermeidlich bleiben würde". Offenbar schätzte man die zu erwartende Reaktion des Reichshofrates richtig ein; vor dem dann unvermeidlichen Rekurs an die Reichsstände scheute man noch zurück. Der Kurfürst folgte diesen Vorschlägen, ließ allerdings den pfalzischen Gesandten in Wien, Theodor Freiherr von Halberg, einschalten, damit dieser das Promemoria nicht nur an den Fürsten Colloredo gelangen lasse, sondern auch an den zuständigen Referenten des Reichshofrates und an "wo sonsten annoch nöthig oder nüzlich erachtet"; das Schriftstück war "durch mündliche Besprechungen und schickliche Insinuation solchergestallt eifrig und nachdrucksam zu unterstüzen" 27 • Eine Komplikation sah Grimmeissen allerdings darin, daß die Münchner Regierung im Falle des Nachstechers Weißenhahn im Jahre 1785 nicht so rigoros reagiert hatte wie die Mannheimer; seiner Ansicht nach sollte So eine Resolution vom 10. Februar 1789, GLA 77/758. Promemoria und Protokollauszug vom 9. Februar 1789, GLA 213 I 311 BI. 99-99 1 I 14; GLA 77 I 578. 27 Schreiben an von Halberg vom 10. Februar 1789, GLA 77/758. Theodor Freiherr von Halberg war 1768 aus Jülich-bergischen Diensten übernommen und zum Wirklichen Regierungsrat ernannt worden, GLA 77 I 8009 BI. 167. 25
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man vermeiden, daß zwei Landesregierungen desselben Monarchen unterschiedliehe Standpunkte einnähmen 28 • Noch bevor diese Sache aufgeklärt war, ließ die Mannheimer Regierung bereits die "Exemptional-Handlung", also den Vorstoß in Wien, vorbereiten. Grimmeissen verfaßte das Schreiben an den Kaiser nebst einem Votum, das in 16 Paragraphen den Standpunkt der Kurpfalz präzisierte. Die Regierung faßte entsprechende Beschlüsse 29 • Die kurpfälzische Intervention war nicht sehr erfolgreich. Von Halberg konnte von Colloredo zwar das Promemoria aushändigen, dieser reagierte jedoch verärgert: "Nachdem nun seine Fürstliche Gnaden gedachte Vorstellung mit dem Geheimen Reichsreferendar Baron von Albini durchgelesen, und reiflich erwogen haben, rathen Sie mir an dieselbe wegen verschiedener starker Ausdrücke, die sie darin glauben wahrgenommen zu haben, bei Reichshofrathe nicht zu übergeben. Sie bedauern sehr, daß sie nicht im Stande sind, den weiteren Verfügungen des Reichshofraths Einhalt zu thun, weil die Sache schon zur Urtel gediehen ist. Indessen wenn Eure Kurfürstliche Durchlaucht für gut fänden, Höchstihre Klage bei Reichshofrathe anzubringen, so hoft der Herr Reichsvizekanzler bei Gelegenheit des voti ad Imperatorem, welches von dem Reichshofrathe darüber abgestattet werden würde, sich in den Stand gesetzt zu sehen, Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht zu dienen, und wird auch dann den geäußerten Beschwerden soviel abzuhelfen suchen, als es die Lage der Sachen erlauben wird" 30• Das Verhalten der Wiener Stellen verärgerte die Mannheimer Regierung. Der Referent ließ seinem Unmut freien Lauf3 1: "Es ist für einen deutschen Patrioten 28 Bericht vom 20. und 24. Februar, Reskripte vom 24. Februar und 18. März, Regierungsprotokolle vom 20. Februar, 6. und 13. März 1789. Bei diesem Verfahren ging es um eine Klage Artarias gegen den Münchner Drucker Weißenhahn, dem vorgeworfen wurde, er habe ein bei Artaria herausgebrachtes Papstportrait nachgedruckt. Auch in diesem Verfahren war ein Kontumazialurteil (9. Juni 1785) ergangen. Abdruck des Urteils bei Hanzely (Fn. 10), S. 395 f. (Nr. 1213). Die Nachforschungen in München ergaben, daß man von bayerischer Seite nicht grundsätzlich argumentiert, sondern nur die persönlichen Ansehuldigungsgründe des Weißenhahn vorgetragen und damit erreicht hatte, daß das Verfahren nicht weiter betrieben wurde. Der Mannheimer Referent schloß aus dem Umstand, daß Weißenhahn sicher einen Nachdruck angefertigt hatte, für die Mannheimer Sache, wo es nicht um einen förmlichen Nachstich gehe, daß erst recht ein ähnlicher Erfolg zu erzielen sei. Entsprechend wurde von Halberg informiert; vgl. Votum Grimmeissen und Regierungsprotokoll vom 13. März 1789, Schreiben an Halbergvom23. März 1789, GLA 213/311. Halberg wußte am 18. April zu berichten, daß die Sache Weißenhahn deshalb liegen geblieben sei, weil der hier ebenfalls zuständige Referent von Dietmar (Fn. 10) ausgeschieden sei und die Akten bisher nicht wieder verteilt worden seien: Da aber der RHR "von dem Kläger weiter nicht angerufen worden, so beruht noch alles auf sich". 29 Votum Grimmeissen vom 5. März ("Fernerweiter Vortrag"), Protokollauszug vom 6. März, GLA 213 I 311 BI. 136-158. 30 Bericht vom 11. März 1789, GLA 77 /758. 31 "Nochmaliger Vortrag" Grimmeissens vom 31. März 1789 nebst Protokoll vom 3. April. GLA 213/311 BI. 187-195.
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schwer zu verdauen, wenn er hören muß, daß der erste nicht blos kayserliche, sondern eigentliche Reichs-Minister, der Reichsvizekanzler, einen solchen Aufsaz, als derjenige ist, welcher dem diesseitigen Gesandten tit. Freyherr von Halberg zugesendet worden, des Enthalts harter Ausdrücke beschuldiget. Das heißt dann im Grunde nichts weiter gesagt, als daß die kayserliche Wahl-Capitulation ein bloßes Hirngespinst seyn solle, und man es denen Ständen, ja selbst dem größten Churfürsten des Reichs, sehr übel aufnehme, wenn sich dieselben darauf berufen wollen". Gleichwohl besann sich der Referent- mit dem Satze: "Sed transeant haec cum caeteris erroribus" - auf das politisch Sinnvolle: Der Wiener Gesandte sollte im Sinne der Streiterledigung im Falle Weißenhahn in Wien intervenieren, so wurde beschlossen. Aus Mannheim ging ein kurfürstliches Schreiben an den Kaiser ab, in welchem die Entschuldigungsgründe des Götz referiert wurden. Bei der Übergabe ließ man den kurpfälzischen Gesandten in Wien eröffnen 32: "Ob nun zwar der Inhalt desselben auf die gründbare Reichsgesäze und absonderlich die beschworene kayserliche Wahl-Capitulation sich lediglich gründet, und keine anstößige Stelle darin anzutreffen; so haben wir gleichwohl zu Erschöpfung aller Glimpfe das allhier urschriftlich angebogene Schreiben an Kaiserliche Majestät, wovon euch eine Abschrift zur Einsicht beigeschlossen wird, annoch ausfertigen lassen. Wir ertheilen euch demnach den gnädigsten Auftrag andurch, solches behörend zu überreichen, und dabei diejenigen Stellen, wo Ihr für nothwendig und ersprießlich erachtet, mündlich mit Glimpfe, jedoch standhaft zu eröffnen, daß, nachdem durch die aufgeklärte factischeUmstände die schicklichste Gelegenheit an banden gegeben seye, diese Sache auf sich beruhen zu lassen, Wir uns diesen Erfolg umso zuverlässiger versprechen, als Wir uns ansonsten in die unangenehme Nothwendigkeit versetzet sehen würden, zu Rettung unserer gesäzlichen ständischen Freiheiten die reichs-gesätzmäßigen Wege wider Willen einzuschlagen". Auf den Reichshofrat machte dies offenbar keinen nachhaltigen Eindruck. Es trat ein, was man in Mannheim nicht erhofft, wohl aber befürchtet hatte 33 • Der Reichshofrat verwarf am 10. August 1789 die "vorgebrachten stante sententia contumaciali überhaupt ganz unzulässigen und insbesondere dem Herrn Kurfürsten als Executions-Richter nicht zustehenden Einwendungen" und setzte der Mannheimer Regierung Tennin zum Vollzug des älteren kaiserlichen Reskripts, "damit es im widrigen anderweiterer kaiserlicher Verordnung nicht bedürfe". An den Frankfurter Magistrat erging ein weiteres Reskript. Dem Beklagten Götz wurde Frist für die Zahlung der Strafe gesetzt und die Realexekution bei fruchtlosem Fristablauf angedroht. 32 Schreiben an von Halberg vom 15. April1789 nebst Anlagen in Abschrift.- Das Original des Schreibens an den Kaiser ist vom Kurfürsten selbst unterzeichnet; es befindet sich in den Akten RHR Dec. 337. 33 Bericht des Agenten beim RHR vom 26. August nebst anliegendem RHR-Conclusum vom 10. August 1789.
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Der Frankfurter Magistrat 34 kam dem Verlangen nach und ließ am 28. Februar 1889 seinen Kanzleiboten bei jedem ortsansässigen Musikhändler 35 Nachforschungen anstellen; es wurde "nirgends aber ein Exemplar desselben angetroffen, außer daß der Organisat Haueisen von beiden Stücken je ein Exemplar besaß, welches dasselbe nach seiner Anzeige zu eigenem Gebrauch, weil er im Klavierspiele hier Unterricht giebt, von Mannheim beschrieben habe, wie denn die übrigen Muisicalien-Händler auf ihre bürgerliche Pflichten erwidert, daß sie niemalen ein solches Stück von oftgedachtem Götz aus Mannheim erhalten hätten". Auch bei einer unvermuteten nochmaligen N achsuchung habe man nichts entdecken können. Die beiden bei Haueisen vorgefundenen Stücke wurden nach Wien gesandt. Der Reichshoffiskal berichtete entsprechend und beantragte, den Beklagten zur Zahlung der Strafe anzuhalten 36• In Mannheim hielt man es nicht mehr für rätlich, die Verletzung der kurpfalzischen Gerichtsbarkeit im Prozeß geltend zu machen; man beschloß, beim Kaiser selbst eine Beschwerde einzubringen. Sollte auch sie erfolglos bleiben, so wollte man den "Recursus ad Comitia" betreiben, also die Sache vor den Reichstag bringen 37 • Der entsprechend instruierte Gesandte bemühte sich in Wien. Er ließ allerdings wissen, daß er keine Aussicht sehe, den Reichshofrat umzustimmen, "weil dieses Reichs-gerichtseinpoint d'honneur darin setzt, die von ihm bekannt gemachten Rechts-Erkenntnüsse bis auf den letzten Buchstaben zu behaupten, und die einmal gemachten Schritte nicht wieder zurück zu nehmen gewohnt ist" . Das an den Kaiser gerichtete Schreiben des Kurfürsten mit Datum vom 7. November 3s ging am 1. Dezember 1889 beim Reichshofrat ein. Es ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die nicht erfüllte Erwartung, der Reichshofrat werde die Sache auf sich beruhen lassen, wird so begründet: "In dieser Rücksicht fand ich es für angemessen, noch zur Zeit von meinen dabey betheiligten landesherrlichen Befugnissen keine Erwähnung zu thun, wo zumahlen es schon des Kayserlichen Reichshofraths eigene 34 Götz bat den Kurfürsten um Unterstützung gegen das Vorgehen des Frankfurter Senats; daraufbin teilt der Kurfürst der Reichsstadt unter dem 27. März 1789 mit, man werde .,bey der allerhöchsten Behörde solche triftigen Vorstellungen einbringen lassen, daß wir an der Aufbebung deren von dem Artaria erschlichenen Conclusum keineswegs zweifeln können. So ersuchen wird die Herren wenigstens noch zur Zeit, die Sache auf sich beruhen zu lassen", GLA2131311 BI. 178-178 r. 35 Im Bericht des Frankfurter Kanzleirates werden genannt Raueissen, Rühl, Kurz, Gneiß und Gail. 36 Daß es nach dem Urteil vom 16. Dezember 1788 zwischen dem Reichshoffiskal und dem Anwalt Artarias zu einem Streit um Kompetenzen kam, ergibt sich aus RHR Vota 303. 37 Regierungsprotokoll vom 19. Oktober 1789, GLA 213 I 311 BI. 265. 3S Der Entwurf des Briefes wurde von der kurpfalzischen Regierung am 19. Oktober beschlossen und am 2. November von dem in München weilenden Kurfürsten an von Halberg ausgefertigt, GLA 77 /758 und GLA 213 I 311 BI. 237-269. Zitiert wird das eigenhändig unterzeichnete Schreiben des Kurfürsten nach RHR Dec. 337.
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Pflicht gewesen bei der vor allen Dingen zu erörternden Competentia fori darauf den gehörigen Bedacht zu nehmen. Allein der Erfolg hat meinen so billigen Erwartungen keineswegs entsprochen, indem gedacht Höchstdem Reichs-Hofrath ausweislich abschriftlich anliegenden Conclusi vom 10. August laufenden Jahrs soweit gegangen ist, den Inhalt meines Eingangs erwähnten unterthänigsten Schreibens staute sententia contumaciali für unzulässig und insbesondere mich als angeblichen Executions-Richter nicht zuständig zu erklären und zu verwerfen". Desweiteren wird dann gesagt: Und selbst wenn die Gerichtsbarkeit des Reichshofrats wirklich begründet gewesen wäre, so hätten doch Urteil und Vollstrekkungsbeschluß nicht ergehen dürfen; "denn auch bey immerfort andauernder contumacia rei vera ist das Richteramt dennoch, wie schon die ältesten Gesäze und derselben Ausleger lehrten, ob praesentiam Dei verpflichtet, eine sonderssamte genaue Prüfung anzustellen, inwiefern der Actor ein Rechtsbegründetes Fundamenturn agendi contra reum für sich habe oder nicht? Und sobald es hieran gebricht, muß der Beklagte licet vere contumax fuerit, dennoch absolvirt werden". Wir würden heute sagen: Im Versäumnisverfahren muß die Klage schlüssig sein, wenn gegen den nicht anwesenden Beklagten ein Versäumnisurteil ergehen soll. Dann folgten einige einschlägige Überlegungen zur Unwirksamkeit des Privilegs sowie zum Tatbestand des Nachdrucks, der nicht gegeben sei; es fehlt auch nicht der Hinweis auf die fehlende Reziprozität und den notorischen Büchernachdruck in Österreich. Das ganze mündet dann in die Feststellung: "Bei diesem in facto et iure einleuchtenden Verhältnis der Sache nun hatte, da das Factum aus denen eigenen Artarischen Beylagen offenbar dasjenige, was rechtens ist, aber von dem richterlichen Amte ex officio suppliret werden muß, gleich primo obtuitu wahrgenommen werden können, daß es dem anmaßlieh klagenden Artaria an einem rechtsbegründenden Fundamento agendi durchaus gebreche, mithin der anmaßlieh beklagte Götz, wenn auch gleich die reichshofräthliche Gerichtsbarkeit begründet gewesen wäre, ohngeachtet seiner Nichterscheinung absolvirt werden müssen, wornach dann von einigen Executorialien gar keine Frage seyn könne". Im übrigen ist das Schreiben der Frage der Zuständigkeit gewidmet, auf die unten (VI) noch ausführlicher einzugehen ist. Der Kurfürst betrachtet das Vorgehen des Reichshofrats als Eingriff in seine landesherrlichen Gerechtsame; da dies ein Fall sei, der sich täglich ereignen könne, sei auch eine allgemeine reichsständische Beschwerde angezeigt. Diesmal scheint der Brief seine beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt zu haben. Offenbar konnte oder wollte man sich im Reichshofrat nicht auf eine der Vorlagen des Referenten festlegen. Die Akten 39 enthalten zwei Konzepte für ein Conclusum. Die auf das kurfürstliche Schreiben bezogene Passage lautete zunächst: 39 Vgl. RHR Re!. 5 I 303. Das (alte) Register zu den Decisa enthält unter A 104 (neu= 336-338) den Vermerk "adjacet Relatio"; in Dec. 337 ist kein Gutachten mehr
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"Detur quidem der Kurfürst!. Regierung zu Mannheim ad huc ex officio termin. 2 mensium ad satisfaciendum Rescripto caesareo dto 16. Xbris anni elapsi, iedoch unter der Verwarnung, daß es im widrigen schärferer Kais. verordnungnicht bedürfe". Im zweiten Entwurf heißt es dann: "I. Ponatur des H. Kurfürsten zu Pfalz hum=• literae ad imperatorem dto 2 Nov. et praes. 1. Xbris 1789 ad acta. II. Mit Verwerfung der darinn von dem H. Kurfürsten circa competentiam fori gemachten unstathaften Einwendungen, und übriger so ordnungs- als gesäzwidrig aufgestellter Principiorum detur der K. Regg. zu Mannheim adhuc ex offo termin. 2 mensium ad statisfaciendum Rescripto caesareo de 16. Xbris 1788, iedoch unter voriger Verwarnung." Der Reichshofrat faßt keinen Beschluß mehr 40 • Als der Anwalt Artarias im Dezember 1790 klagt, sein Mandant sei "bis diese Stunde noch nicht klaglos gestellt, kommt alle Tage in mehrere Proceß-Unkosten und Götz verachtet schnöd die kaiserlichen Befehle", geschieht nichts. Auch als der Reichshoffiskal am 3. Mai 1791 und am 12. Januar 1792 die Vollstreckung anmahnt, rührt sich der Reichshofrat nicht. Der Prozeß war versandet.
IV. Zum gleichen Mißerfolg führte ein vom Reichshoffiskal zusätzlich betriebenes Zitationsverfahren 41 • Mit seiner Hilfe sollte Götz auf Befehl des Reichshofrats wegen seines beleidigenden Vorgehens gegen einen Reichsnotar belangt werden. Der Vorfall, der dazu Anlaß gab, hatte sich in Mannheim ereignet. Als ein Notar, Johann Jonathan Augt, in Begleitungzweier Zeugen das Urteil vom 16. Dezember 1888 zustellen wollte, nahQl Götz das Schriftstück an und begann zu lesen. Als er den Inhalt begriff, sei er in die Worte ausgebrochen, er habe mit dem Reichshofrat nichts zu schaffen; im übrigen sei er gegen den Notar ganz "respektwidrig" verfahren. Der Notar berichtete, "daß es beinahe zu Realitäten bekommen wäre, wenn ich mit denen Gezeugen sogleich nicht den Abweg genommen, worauf dann derselbe die ehrenrührische Ausdrücke gegen mich gebraucht hat, und auf die Antwort, daß ich ein kaiserlicher Notarius sey, erwiderte derselbe gegen mich und die Gezeugen: ,Wer hat euch Spitzbuben so frech gemacht; wartet, Ihr Spitzbuben, ich will euch etc.' Das übrige habe ich nicht mehr verständlich vernehmen können, weilen ich mich reellen Unanehrnlichkeiten nicht aussetzen wollte". enthalten. Es ist davon auszugehen, daß hier das oben Fn. 17 angesprochene Votum gemeint ist, das später in den Bestand "Vota" eingegliedert wurde; das Titelblatt trägt noch den Vermerk "A 104 dec.". 40 Die im folgenden geschilderten Vorgänge nach RHR Dec. 337. 41 Ebenda; auch RHR Rel. 5 I 377.
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Die Satisfaktion, die der Notar nun erwartete, wurde vom Reichshofrat beim Reichshoffiskal angeregt, aber nicht mehr beschlossen; auch hier fruchteten die wiederholten Anträge nichts.
V. In der Hauptsache verlief der Prozeß - wie gesagt - im Sande. Die Frage, warum das Verfahren nicht weiter gediehen ist, kann anhand der Akten nicht genau beantwortet werden. Zunächst bleibt festzuhalten, daß im Januar 1792 der auf zehn Jahre befristete Privilegienschutz auslief und die Versuche Artarias, rechtzeitig eine Verlängerung zu erhalten, erfolglos blieben 42 • Damit entfiel- jedenfalls für die Zukunftdie Rechtsgrundlage der Klage; für die vergangene Zeit hätte man, etwa im Blick auf Schadensersatz und Strafe, weiter prozessieren können, man tat es aber nicht. Man darf den Grund für diesen Fortgang in den Wirren vermuten, welche die Französische Revolution ausgelöst hat 43 • Der Feldzug der deutschen Großmächte gegen Frankreich, der in Valmy (20. September 1792) seinen Wendepunkt erlebte, veränderte das politische Umfeld des Geschehens. Die Truppen der Revolution stießen 1792 auf rechtsrheinisches Gebiet vor, besetzten zeitweise Frankfurt und behaupteten sich 1795 einige Monate lang in der kurpfälzischen Hauptstadt Mannheim. Unter solchen Umständen war an eine Wiederaufnahme des Prozesses gegen Götz kaum zu denken 44 • Der Beklagte hat versucht, sich die politischen Umwälzungen jener Jahre zunutze zu machen, wie einige aus den Akten ersichtliche Nachspiele zeigen. 1797 beantragte Götz bei der Mannheimer Behörde eine "Entschädigung" in Höhe von 80.000 Gulden dafür, daß sein 1782 für die bayerischenLanden erteiltes Privileg nicht nur vielfach beeinträchtigt, sondern auch aufgehoben worden sei 45 • V gl. Fn. 54. Zu den Verhältnissen und Ereignissen in der Kurpfalz nach 1789 vgl. etwa Franz Xaver Remling: Die Rheinpfalz in der Revolutionszeit 1792- 1798, 2 Bde., Speyer 1865 I 66; Eberhard Weis: Montgelas, Erster Band: Zwischen Revolution und Reform 17591799,2. Aufl., München 1988, hierbes. S. 161 ff., 230 ff.; ders.: Pfalz-Bayern, Zweibrükken und die Französische Revolution, in: Jürgen Voss (Hg.): Deutschland und die Französische Revolution, Beihefte der Francia Bd. 12, München 1983, S. 118-131; Jürgen Voss: Die Kurpfalz im Zeichen der Französischen Revolution, in: Volker Rödel (Hg.): Die Französische Revolution und die Oberrheinlande (1789- 1798), Oberrheinische Studien 9, Sigmaringen 1991, S. 9-31; Jürgen Voss: Die Kurpfalz im Zeichen der Französischen Revolution, in: Volker Rödel (Hg.): Die Französische Revolution und die Oberrheinlande (1789-1798), Oberrheinische Studien 9, Sigmaringen 1991, S. 931; Schaab, Kurpfalz (Fn. 7) S. 245 ff. 44 In den Akten GLA 213 /311 finden wir unter dem 21. Januar 1794 den Vermerk "Akten mit Registratur geflüchtet". 45 Die Anfrage nebst Antwort in GLA 213 I I 310. 42 43
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Die Supplik wurde abgelehnt, da eine Schuld der bayerischen Behörde nicht gegeben sei, "weil hier in der Pfalz das Goezische Privileg nie auf einige Art gekränkt worden sei". Einige Jahre danach wandte sich Götz, der seit 1799 als französischer Untertan in Worms lebte, an den Souverän in München und verlangte abermals eine Entschädigung; das rheinpfälzische Generallandeskommissariat wurde angewiesen, dem Antragsteller zu eröffnen, "das privilegium exclusivum ... sei nicht von der Art, daß wir uns darauf einzulassen Veranlassung finden könnten". Nochmals wurde das Götz'sche Privileg Gegenstand eines Verfahrens. Götz hatte vor seinem Umzug nach Worms Firma und Geschäft an seinen "Associe" Joseph Abelshauser übergeben; der neue Inhaber beantragte 1802 eine Übertragung und Verlängerung des pfälzischen Privilegs. Die Behörde bestätigte einerseits die Fortgeltung des Privilegs, weigerte sich aber andererseits, eine Verlängerung zu genehmigen, da man "nach diesseitigen Staatsgrundsätzen keine privilegia exclusiva ertheile" 46 • Als nun Abelshauser den Schutz gegen die Konkurrenz brauchte und darum bat, man möge wenigstens die Fortgeltung bis zum Auslaufen der Dreißigjahresfrist im Provinzialblatt förmlich bestätigen, fand er anscheinend kein Gehör mehr bei der Obrigkeit.
VI. Versuchen wir abschließend, das Geschehen insgesamt als ein Beispiel der Privilegienpraxis zu betrachten und die dabei aufgeworfenen wichtigsten Rechtsfragen zusammenzustellen. Es fällt auf, daß rechtliche Gesichtspunkte zum Privileg selbst und seiner Verletzung im Prozeß nur von den Parteien, nicht aber vom Reichshofrat selbst angesprochen werden. Wohl aber hat das Gericht bei derErteilungdes Privilegs und bei späteren Erneuerungsanträgen erkennen lassen, daß die Begünstigung Artarias nicht ohne Probleme war. Doch beginnen wir mit dem wichtigsten Problem, der Frage der Zuständigkeit des Reichshofrats. Daß der Reichshofrat für eine Klage, die auf ein kaiserliches Privileg gestützt war, zuständig sei, schien auch dem Kläger von einiger Bedeutung, sonst hätte er nicht ohne weitere Begründung behauptet, man könne auch gegen einen Reichsmittelbaren, einen Mediatus, also den Untertanen eines Reichsstandes, vor dem Reichshofrat in solchen Fällen prozessieren. Daß der Reichshofrat selbst sich für zuständig hielt, ergibt sich aus seinem Vorgehen. Mittelbar erfahren wir etwas durch den kurpfälzischen Gesandten in Wien. Er schreibt im April 1789 47 , 46 Anfragen Abe1shauser vom 3. Dezember 1802 und 20. März 1803; Antwort vom 5. Dezember 1802, nach GLA 213 I 311. 47 Bericht vom 10. April 1789.
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man könne ,,mit Gewißheit voraussehen", daß eine anderweitige Stellungnahme "bei diesem Reichsgericht, welches seine Gerichtsbarkeit in allen jenen Fällen für begründet hält, wo von Verletzung eines kaiserlichen Privilegiums die Rede ist, der Beklagte mag mittelbar seyn, oder unmittelbar, ein desto lebhaftere Sensation machen werde, als der Reichshofrat behauptet, in dem Besitze dieses Rechts zu seyn, und sich äußerst betroffen fühlen muß, dasselbe von einem der mächtigsten Fürsten des Reiches mit so stattlichen Gründen bestritten zu sehen". Auch wenn in dieser Formulierung zeitgenössische Höflichkeit zum Ausdruck kommt, so dürfte sie im Kern doch zutreffen; denn das an den Gesandten übermittelte 16 Paragraphen umfassende Promemoria fand gerade in diesem Punkt eine klare Sprache 48 • Die Argumente, die hier zusammengestellt sind, tauchen bereits in der Verteidigungsschrift des Götz auf. Sie werden dann vom Referenten der kurpfälzischen Regierung aufgenommen und fließen in die offiziellen Schreiben an den Kaiser ein. Der Referent hielt es für augenfallig, daß die landesherrlichen Gerechtsame und Befugnisse auf das alleräußerste beeinträchtigt seien, da Götz kein Immediatus, sondern ein pfalzischer Untertan sei. Das Vorgehen des Reichshofrats verstieß nach Ansicht der Mannheimer Seite sowohl gegen einige Sätze der Wahlkapitulation 49 als auch gegen das ius superioritatis territorialis eines Reichsfürsten 50• Nach außen hin behauptete die Verwaltung eindeutig diese Position, nach innen hin gab man freilich zu bedenken, daß es Schriftsteller gab, die in solchen Fällen die Zuständigkeit des Reichshofrates positiv beurteilten 5 1• Es habe- so der Referent - nie an Rechtsgelehrten gefehlt, welche, da die falschesten Sätze ihre Verteidiger finden, behauptet haben, der Reichshofrat dürfe in einem solchen Falle prozessieren. Auch gäbe es Beispiele, Präjudizien, in denen der eine oder andere Reichsstand nicht wachsam genug seine Rechte verteidigt habe. Aber Vgl. Fn. 29. Im Juni 1786 werden aus der Wahlkapitulation herangezogen die Art. I§ 9, Art. VII §§ 4 und 5, Art. XIV § 3 und 4. Im März 1789 werden nur noch Art. XVIII §§ 3 und 4 genannt.- Neueste Wiedergabe der Wahlkapitulation Arno Buschmann (Hg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation von Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806, München 1884, s. 548-590. 50 Zum Beleg wird von Grimmeissen wiederholt verwiesen auf: Johannes Deckherr: De processu informativo, Frankfurt a. M. 1649, hier: "Cap. 1 p. 31"; aber auch auf Johann Ulrich (von) Cramer: Observationes Juris universi ex praxi recentiori supremorum imperii tribunalium haustae, 6 Bde., Wetzlar 1764, hier: "T. 1 obs. 400". 51 Im Votum von 1786 werden genannt: "Gail: lib: 1. obs. 1 n. 7"; "Blum: tit: 39 § 1"; "Mevio: p. VII dec 94"; mithin Andreas Gail: Practicarum Observationum tarn ad processum iudiciarum, praesertim imperialis camerae, quam causarum decisionibus pertinentibus libri duo, Editio postrema, Köln 1616, S. 3; und Jacob Blumen: Processus Cameralis ex-ordinationibus cameralibus, recessibus imperii ... compilatus, Frankfurt I Main 1665, S. 307 (Blumen stützt sich auf Gail); und David Mevius: Iurisdictionis summi tribunalis regii, quod est Vismariae ... , Frankfurt und Stra1sund 1681, S. 1079 (auch Mevius stützt sich vor allem auf Gail). 48 49
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solche Präjudizien könnten nichts an den in den "heiligsten" Reichsgrundgesetzen niedergelegten Regeln ändern. Im übrigen würden derartige Fälle auch nicht dazu führen, daß andere ReichsständeN achteile erleiden könnten. Und das Entstehen einer neuen Oberservanz sei ausgeschlossen, was gerade auch durch die Wahlkapitulation bestätigt werde. Als der Kurfürst in seinem letzten Schreiben ad imperatorem gar noch androhte, er werde den "Recursus ad Comitia" nehmen, also den Reichstag einschalten, wenn der Prozeß weitergeführt würde, war die Ernsthaftigkeit seiner Absichten nicht mehr zu verkennen. Wäre es zu einem derartigen Verfahren gekommen, so hätte die Gerichtsbarkeit des Reichshofrates in solchen Fällen ein für allemal geklärt werden müssen. In Wien hat man diesen Konflikt vermieden. Der Reichshofrat hat in dieser Sache keine conclusa mehr gefaßt, wie wir gesehen haben. Zu einem zweiten Themenbereich kann man jene Überlegungen zusammenfassen, die sich gegen die Rechtswirksamkeit des Artaria' sehen Privilegs richten. Alle Argumente, die in diesem Zusammenhang von kurpfälzischer Seite vorgetragen werden, tauchen bereits in der Klageerwiderung des Götz'schen Vertreters auf. Der Gedankengang ist konsequent. Er nimmt seinen Ausgang bei der These, daß kaiserliche Privilegien nur im Rahmen des Reichsherkommens erteilt werden dürften; im übrigen müßten die Reichsstände zustimmen. Zum Beleg dieser Aussage beruft man sich vor allem auf die Wahlkapitulationen des 18. Jahrhunderts. Da es sich nun bei der Musikstecherei- trotz aller Nähe zur Kupferstecherei - um eine ganz neu erfundene Kunst handle 52 , könne man Privilegien zum Schutze von Musikstichen nicht auf das Reichsherkommen stützen; eine Einwilligung der Stände gebe es nicht. Damit wird behauptet, die Privilegierungskompetenz von Kaiser und Reichshofrat umfasse diesen Fall nicht. Bis zu diesem Punkt greift Grimmeissen die klägerischen Gedanken auf und verwertet sie in seinen Voten und Schreiben. Andere Überlegungen des Götz bzw. seines Anwaltes werden beiseite gelassen. Dies gilt vor allem für die These, eine Analogie zur herkömmlichen Privilegierung des Buchdrucks könne nicht gezogen werden. Dies aber hatte Götz behauptet und mit Argumenten unterstützt, die nicht sehr überzeugend waren, da sie lediglich die Zweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens in Frage stellten. Der Mannheimer Referent scheint geahnt zu haben, daß der Ausschluß der Analogie nicht durchzuhalten war; denn in seinem weiteren Vortrag unterstellt er die Möglichkeit der Analogie und geht zum Gegenangriff über 53 : Seine Argumentation läuft darauf hinaus, daß selbst dann, wenn man die Zulässigkeit einer 52 Zusammenfassend: H. Edmund Poole I Donald W . Krumme!: Printing and publishing of music, in: The New Grove Dictionary (Fn. 4) Bd. 15, S. 232 - 274, hier bes. s. 247 ff. 53 Fn. 26 u. 38.
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kaiserlichen Privilegierung unterstellen wollte, einem solchen Rechtstitel nur eine beschränkte Wirkung zuzumessen sei; er könne nur für Österreichische Untertanen gelten. Soweit es um den Nachdruck von Büchern gehe, würden kaiserliche Privilegien auch in Österreich nicht geachtet: Es würden in Wien unter den Augen des kaiserlichen Reichshofrates und des Reichshoffiskals "non attentis privilegiis caesareis" privilegierte Bücher "ohnbedenklich nachgedruckt", ja in Östereich würde der Büchernachdruck sogar öffentlich autorisiert. In internen Voten werden sogar Roß und Reiter genannt; wir finden den Hinweis auf Trattner und seine Nachdrucke der Schriften von Geliert und Rabener 54• In den offiziellen Schreiben der kurpfälzischen Seite hält man sich mit Namen zurück, wohl aber verknüpft man dieses Faktum mit dem Rechtsgrundsatz der Reziprozität. Wer gegen die Untertanen in den eigenen Erblanden nicht vorgehe, könne auch von den Untertanen anderer Reichsstände nicht verlangen, daß sie sich dem kaiserlichen Befehl beugten. In diesem Zusammenhang nun bleibt noch etwas nachzutragen, was bislang nicht behandelt wurde, der Umstand nämlich, daß es schon beim ersten Privilegierungsgesuch des Hauses Artaria im Reichshofrat Bedenken gegeben hatte 5S. Diese Bedenken knüpften an den Umfang des beantragten Privilegs an. Es sollte ja alle vom Verlag herausgegebenen Kupfer- und Schwarzkunststiche, auch die gestochenen Musikalien umfassen, war also eine Art Generalprivileg für alle im Verlag Artaria & Co. erscheinenden Werke. Vermutlich ist es diesem Umstand zuzuschreiben, daß der Reichshofrat in einer ersten Stellungnahme (im Januar 1782) votierte, das erbetene Privilegium würde in der Tat auf "ein landesfürstliches privilegium exclusivum" hinauslaufen und hinzufügte, "in diesem Betracht wäre es nicht nostri fori, mithin dessen Ertheilung umso mehr bedenklich, weil Augustissimus allhier alle privilegia exclusiva teils aufgehoben.hat, teils aufheben werde". Deshalb beschloß man, "hat das Suchen hierorts nicht statt". In derselben Zeile wird allerdings die Genehmigung durch den Kaiser vermerkt, weshalb man das erbetene Privilegium erteilen werde. Ein ganz verwandtes Argument taucht ein knappes Jahrzehnt später auf, als Artaria um Erneuerung des kaiserlichen Privilegs nachsuchte. Dieser Antrag wurde am 4. Februar 1791 mit folgender Begründung abgelehnt 56 : "Die Verordnung gegen den Nachdruck, können auf Waaren der Kunsthändler, oder ihren Verlag nicht angewendet werden; nur in jenem Falle, wenn ein Kunstwerk von eigener Erfindung erscheint, dass der Kunst Ehre macht, oder wenn ein noch nicht bekanntes Gemählde durch eine glückliche Nachahmung der Kupferstecherey - oder Schabekunst mehr ausgebreitet wird, als dann könne darauf von 54 Zu Trattner vgl. vor allem Ursula Giese: Johann Thomas Edler von Trattner, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens III (1961), Sp. 1013 - 1260, z. B. Sp. 1109 f. (zu Geliert, Rabener u. a.). 55 RHR Impressoria 2 BI. 177. 56 Hilmar (Fn. 4) S. 31 m. w. N.
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Regierung ein Privilegium auf bestimmte Zeit, welche jedoch auf dem Kupferstiche selbst anzudeuten sey, ertheilet werden". Diese Bedenken richteten sich gegen die Privilegierung von Kuperstichen, nicht aber gegen jene von Musikalien. Immerhin wird hier deutlich, daß auf die Neuheit des geschützten Gegenstandes abgestellt wurde, auf das Kunstwerk eigener Schöpfung ("Erfindung"), bzw. auf das noch nicht bekannte Gemälde. Ein bemerkenswerter Grundsatz. Später hat man - wie wir eingangs gesehen haben - derartige Bedenken nicht mehr gehabt. Das Privileg von 1782 wurde 1806 noch einmal ausgefertigt; dabei ist nicht erkennbar, ob man sich um den grundsätzlichen Aspekt noch einmal Gedanken gemacht hat. Für Götz und seine Seite mußte es günstig erscheinen, das kaiserliche Privileg auf derselben Stufe einzuordnen, wie das kurpfalzische; letzteres war eindeutig ein Gewerbeprivileg, ein "privilegium exclusivum" zur Ausübung des Notenstiches und -handels in der Kurpfalz. Artarias Privileg hatte, da es als Generalprivileg die Stiche generell unter Schutz stellte, einen ähnlichen Charakter, da es nicht ausdrücklich auf den Gesichtspunkt der Neuheit, mithin der Originalität, abstellte; die Zweifel, die- wie erwähnt - 1791 geäußert wurden, machen diese Nähe zum Gewerbeprivileg deutlich. Für den Fall aber, daß ein kaiserliches und ein fürstliches Gewerbeprivileg miteinander konkurrierten, hätte man sich wohl auf das Prioritätsprinzip berufen können 57• Die Vorgänge zeigen, daß man auch bei den kaiserlichen Behörden nicht ganz sicher war, ob das an Artaria erteilte Privileg in jeder Hinsicht unbedenklich war. Götz und die kurpfälzische Regierung jedenfalls haben ein feines Gespür für die Schwäche der Wiener Privilegienpolitik, indem sie auf die Tatsache hinweisen, daß die Musikstecherei eine neu erfundene Kunst sei, deren Schutz durch Privilegien nicht dem Reichsherkommen entsprechen könne. Noch ein dritter Fragenkreis wird in der Auseinandersetzung angesprochen. Hier geht es um den Tatbestand des Nachdrucks oder- besser- des Nachstichs. Der Kläger Artaria hatte einen doppelten Frevel angemahnt. Götz habe nicht nur die Arie von Kozeluch nachgestochen, sondern dabei auch ein Titelblatt von einem anderen privilegierten Stück nachgeahmt. Alle Verzierungen seien übernommen worden, nur sei statt des Kopfes der Aspasia ein Silhouettenkopf in das Medaillon eingeschoben. Neben der Vervielfältigung des Musikstücks wird hier die Übernahme eines Titelblatts bzw. seiner Verzierung gerügt. Der Beklagte wehrt sich dagegen und verweist auf andere ~usikverleger und nennt Haueisen in Frankfurt, Andre in Offenbach und Schott in Mainz, die ebenso wie andere Häuser Verzierungen und Vignetten des Artaria offen und ungescheut nachdrucken und überall verbreiten würden. Niemand als der Kläger Artaria habe wegen solch einer Nachahmung von Titelblatt oder Vignette jemals Klage 57 Diese Ansicht geht aus einer Weisung an die kurpfälzische Regierung vom 4. Februar 1789 hervor, GLA 77/758.
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geführt. Es gehe insoweit ja nur um das in aller Welt übliche. Deshalb könne man die Übernahme von Vignetten nicht als Nachstich betrachten. Dieses Gegenargument wird später nicht mehr aufgegriffen. Es spielt offenbar keine große Rolle mehr, da sich alle Aufmerksamkeit auf das Musikstück selbst bzw. den Notenstich konzentriert 58 • Umso interessanter ist es, daß in diesem Bereich zwei Argumente von besonderer Bedeutung waren. Zum einen verteidigt sich die kurpfalzische Seite mit dem Hinweis, daß die Komponisten vor der Abgabe eines neuen Stückes an einen Verleger häufig Abschriften anfertigen ließen, also durch Musiker Kopien herstellen ließen, die dann verkauft würden. Beispiele dieser Art sind aus der Literatur bekannt; selbst die großen Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven haben auf diese Weise versucht, die Nutzung ihrer neu geschaffenen Werke zu intensivieren 59• Heute würde man den Rechtsgrundsatz der Erschöpfung bemühen, arn Ende des 18. Jahrhunderts war dieser Gedanke noch nicht geläufig; man zog andere Konsequenzen. Der Beklagte verwendete das Argument, um deutlich zu machen, daß man ihm keinerlei Verschulden vorwerfen könne, wenn das Werk durch Kopien schon verbreitet war. Während dieser Gedankengang von der kurpfalzischen Regierung eher zurückhaltend behandelt wurde, schob man einen anderen deutlich in den Vordergrund. Von einem Nachstich könne schon deshalb nicht die Rede sein, weil Götz die umstrittene Arie "übersetzt" habe. Während Artaria das Stück im Diskantschlüssel herausgebracht habe, verwende Götz den Violinschlüssel; dieser sei im vorderen Reich bei allen Musikliebhabern weit verbreitet, während die Ausgabe des Artaria gar nicht brauchbar und damit nicht absetzbar sei. Der Hinweis auf das Übersetzungsrecht knüpft an an den um diese Zeit allgemein akzeptierten Grundsatz der Übersetzungsfreiheit 60• Der Druck eines übersetzten Buches galt gemeinhin nicht als Nachdruck, mithin konnte auch ein übersetztes Musikstück nicht als als Nachstich eingestuft werden. Noch ein letzter Gedankengang sei erwähnt: Der Beklagte beruft sich darauf, Artaria hätte seinen Ausgaben nur die Buchstaben CPSCM - sie bedeuten cum privilegio sacrae caesaris majestatis- beigedruckt: Diesen Buchstaben sei nicht zu entnehmen, ob das verliehene Recht nur in den Österreichischen Erblanden gelten solle oder in sämtlichen Staaten des Reiches; dazu hätte man das Privilegium insgesamt vordrucken oder doch wenigstens in einer Zeitung einrücken müssen. 58 Zur Beliebtheit der graphischen Gestaltung der Drucke Artarias vgl. etwa Krumme! (Fn. 52) S. 268. 59 Vgl. Hilmar, Artaria (Fn. 4), S. 19 ff. 60 Martin Vogel: Die Entfaltung des Übersetzungsrechts im deutschen Urheberrecht des 19. Jahrhunderts, in: Robert Dittrich (Hg.): Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes im Lichte seiner Geschichte, Wien 1991, S. 202-221.
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Diese Einlassung wird von den kurpfälzischen Behörden nur vorsichtig aufgenommen: Götz habe annehmen dürfen, daß das Privileg sich nur auf die kaiserlichen Erblande beschränke. Später taucht dieses Argument bezeichnenderweise nicht mehr auf; es war offenbar doch etwas schwach. Es sollte wohl dazu dienen, die Unschuld des Götz in subjektiver Hinsicht zu untermauern, für die man auch noch zahlreiche andere Überlegungen vortrug. Erwähnenswert ist schließlich noch das Argument, daß Artaria neben Götz an den Frankfurter Messen teilgenommen und den Anschein erweckt habe, er wolle von seiner Klage abstehen: es habe "der neben ihm in denen Frankfurter Messen teillhabende, mit unzähligen Nachstichen handelnde Artaria, von dem, seinem eigenen Besußtsein nach, als durchaus grundlos anzuerkennen gewesenen Rechtshandel gänzlich abzustehen geschienen ... ". Überblickt man alle diese Argumente im Prozeß Artaria gegen Götz, so bleibt als Wichtigstes der Streit um die Zuständigkeit des Reichshofrats. Eine Konsequenz wie jene der kurpfälzischen Regierung ist im 18. Jahrhundert- soweit dies jetzt schon beurteilt werden kann - nicht gezogen worden. Es besteht jedenfalls der Eindruck, daß der Reichshofrat seine Rechtsauffassung, auch mittelbare Reichsuntertanen seien im Falle der Verletzung des kaiserlichen Privilegs seiner Gerichtsbarkeit unterworfen, überall dort durchsetzen kann, wo kein Privilegium de non evocando im Wege steht. Dies bedeutet vor allem, daß seine Befehle in den Städten des Alten Reichs, namentlich in der Messestadt Frankfurt, befolgt worden sind. Endgültig belegen läßt sich diese These allerdings erst, wenn es gelingt, weitere Prozesse vergleichbarer Art zu analysieren.
Das "Statute of Anne" (8 Anne c. 19) Von William R. Cornish Ich bin hoch erfreut, an dieser Runde teilnehmen zu dürfen, da sowohl moderne Rechtsgeschichte als auch Urheberrecht und andere Fragen des geistigen Eigentums zu meinen Interessen zählen. Professor Wadle's Einladung, einen Vortrag zu halten, hat mich dazu angeregt, die Geschichte des Urheberrechts der Britischen Inseln eingehender zu analysieren, als meine Zeit es mir bisher gestattete. Da das Thema bereits mehr als ein Jahrhundert lang von verschiedenen britischen, deutschen und amerikanischen Autoren behandelt wurde, liegen umfangreiche Erkenntnisse vor und jede heutige Untersuchung wird sehr wahrscheinlich einen erheblichen Anteil historiographischer Inhalte aufweisen. Ich wurde gebeten, einen Beitrag über die Entwicklungen im 19. Jahrhundert in Großbritannien vorzulegen. Ich meine jedoch, man sollte in gewissem Sinne mit den Anfängen beginnen und werde mich daher zu diesem Anlaß lieber auf das faszinierende fons et origo, das "Statute of Anne" von 1710, konzentrieren 1• Wie wir wissen, ging der Einführung des Urheberrechts in England wie in den meisten europäischen Staaten eine Zeit voraus, in der d~e Herrscher nur 1 Die Voraussetzungen, die dem "Statute" zugrunde lagen, und die Konsequenzen, die sich aus ihm ergaben, sind seit jeher ein bedeutende Quelle historischer Faszination und wissenschaftlicher Begeisterung. Die folgenden Titel sind eine Auswahl der führenden Werke, die sich mit dem "Statute of Anne" beschäftigen (von denen viele als hervorragende Quellen für weitere Materialien und Hinweise dienen): Howard Abrams: The Historical Foundation of American Copyright Law. Exploding the Myth ofCommonLaw Copyright, Wayne Law Review 1119 ( 1983); Augustine Birrell: Seven Lectures on Copyright, London 1898; Cyprian Blagden: The Stationers' Company. A History, 1403-1959, London 1960; Arthur Simons Collins: Authorship in the Days of Johnson, London 1927; Timothy Crist: Government Control of the Press after the Expiration of the Printing Actin 1679 (1979), 5 Publishing History 49; John Feather: The Book Trade in Politics. The Making of the Copyright Act of 171 0 ( 1980) 8 Publishing History 19; ders.: The Publishers and the Pirates. British Copyright Law in Theory and Practice 1710- 1757 (1987) 22 Publishing History 5; ders.: A History ofBritish Publishing (1988), Parts I, II; Benjamin Kaplan: An Unhurried View of Copyright, New York/London 1967; Albert Osterrieth: Die Geschichte des Urheberrechts in England, Leipzig 1895, Ch. 1- 5; Lyman Ray Patterson: Copyright in Historical Perspective (1968), Ch. 1- 8; Frank D. Prager: A History of Intellectual Property from 1545 to 1787 (1944) 26 Journal of the Patent Office Society 711; Harry Huntt Ransom: The First Copyright Statute, Austin I Texas 1956; Mark Rose: The Author as Proprietor: Donaldson v. Beckett and the Genealogy of Modern Authorship (1988) 23 Representations 51; Thomas Edward Scrutton: The Law of Copyright (4th ed. London 1903), Ch. 1; Richard Tompson: Scottish Judges and the Birth of British Copyright (1992) Juridical Review 18; Gwyn Walters: Booksellers in 1759 and 1774 (1974) 29 Library 287.
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bestimmten, ihnen vertrauenswürdig erscheinenden Druckern und Buchhändlern das Privileg des Buchdrucks verliehen, denen, die keine aufrührerischen und ketzerischen Werke veröffentlichen würden und deren Wunsch nach Ausschaltung der Konkurrenz sich mit der Entschlossenheit von Staat und Kirche deckte, alle gegen sie und ihre Doktrinen gerichteten Veröffentlichungen zu unterbinden. In England gründeten die führenden "booksellers" die "Stationers' Company" und kamen bis Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer zufriedenstellenden Vereinbarung mit der Krone und deren Kirche. Das Recht, etwas zu veröffentlichen, erwarb man nun durch eine königliche Patenturkunde oder durch den Beitritt zur "Stationers' Company". Dieses hatte zur Folge, daß die Zahl derer, die berechtigt waren als Druckereien zu fungieren, besonders begrenzt waren. Wie andere Zünfte zu dieser Zeit war die "Company" mit direkten Befugnissen zur Durchsuchung und Beschlagnahme ausgestattet, die sie gegen Buchdrucker und Buchhändler einsetzen konnte, die weder eine Patenturkunde besaßen und noch bei der "Company" registriert waren. Die höchsten Staatsbeamten und die führenden Bischöfe behielten sich die Entscheidungsbefugnis über die Zusammensetzung des "Stationers' Register" vor und somit wurde die Zensur fortgesetzt. Die "Stationers '",die großen Buchhändler von London und teilweise auch von Oxford und Carnbridge, setzten ihre Macht und ihren Einfluß in einer immer noch von der örtlichen Zunftstruktur beherrschten Handelswelt kartellähnlich ein. Im Laufe des 17. Jahrhunderts, als das Königreich eine Zeit des Bürgerkriegs erlebte, bis im Jahre 1660 die Stuart-Monarchie wieder eingesetzt wurde und im Jahre 1688 der Katholik Jarnes II. zugunsten des Protestanten Wilhelm von Oranien und seiner Gattin Maria aus der Stuartlinie abdanken mußte, wurde es immer schwieriger, die Zensur aufrechtzuerhalten. Ab 1660 wurde sie mehrmals fallengelassen, da das Parlament ihre Festschreibung durch ein ständiges Gesetz ablehnte, und 1694 wurde die Zensur endgültig aufgehoben. Die "Stationers' Company" konnte jedoch durch verschiedene interne Zwangsmaßnahmen ihre Vormachtstellung in der "Copy" von Büchern ihrem eigenen Kreis und in gewissem Maße anderen Buchhändlern und sonstigen Personen erhalten, die anderenfalls vielleicht zum Handel mit Raubdrucken verleitet worden wären. Es fehlten jedoch die disziplinarischen Vollmachten zur Durchsuchung, Beschlagnahme und Vernichtung, die sie zuvor unter dem Zensursystem besessen hatten. Diese frühere Protektion sowie ihre eigenen Handelsbestimmungen und -Vereinbarungen bestärkten sie in der Überzeugung, die Mitglieder der "Company" hätten ein zeitlich unbegrenztes Recht zur Veröffentlichung der Bücher, für die sie die "Copy" besaßen. Allein diese Faktoren veranlaßten sie, ein Gesetz in der Form zu fordern, wie es schließlich 1710 verabschiedet wurde. Das "Statute of Anne" war zweifelsohne ein Kompromiß, hauptsächlich zwischen den "booksellers" der "Stationers' Company" und den Parteien, die sich den Monopolisierungstendenzen der "Company" heftig widersetzten. In seiner endgültig verabschiedeten Form bestimmte das Gesetz folgendes: es sprach dem
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Autor oder einem "bookseller", Buchdrucker oder sonstigen Abtretungsempfänger des Autors die Rechte für die "Copy" jedes bereits gedruckten Buches für eine Dauer von 21 Jahren ab lnkrafttreten des Gesetzes zu (§I). Es gewährte dem Autor oder seinem Abtretungsempfänger für eine Dauer von 14 Jahren die Rechte zur Vervielfältigung noch nicht veröffentlichter Bücher (ibid.); und in dem einmaligen § XI wurde verfügt, daß nach Ablauf dieses Zeitraumes, "das alleinige Recht auf Druck und Veräußerung der gedruckten Exemplare für weitere vierzehn Jahre wieder deren Autor zufallen soll, falls er dann noch lebte". Gleichzeitig bewahrte das Gesetz die Urheberrechte der Universitäten für bestimmte Bücher sowie die Rechte aufgrund einer Patenturkunde berufen gemäß den Bestimmungen, nach denen sie verliehen worden waren (vgl. § IX) 2 • Für die Urheberrechte, die das "Statute" anerkannte, war es dem Urheber erlaubt, verletzende Kopien zu beschlagnahmen und zu vernichten und ferner gesetzlich vorgegebene Geldstrafen vom Verletzer zu erwirken(§ 1)3. Um diese Ansprüche jedoch geltend machen zu können, galt es als Vorbedingung, daß das Buch im Register der "Stationers' Company" aufgeführt war oder ansonsten in der "Gazette" annonciert wurde. (§ § II, III) Als nächstes würde ich gerne auf zwei verschiedene Bewertungen der rechtlichen Umstände der Verabschiedung des Gesetzes eingehen. Die erste stammt von T. E. Scrutton, der als junger Mann eine von Cambridge ausgezeichneten Abhandlung über Urheberrecht verfaßte, die zum juristischen Standard-Lehrbuch wurde, und der schließlich eine der prägenden Persönlichkeiten im Court of Appeal zwischen den beiden Weltkriegen wurde. Er faßte die Entwicklungen des 17. Jahrhunderts wie folgt zusammen: 4 "Zwischen der Einführung des Drucks im Jahre 1471 und der Verabschiedung des Statute of Anne im Jahre 1709 gab es weder eine direkte richterliche Anerkennung des Urheberrechts als Teil des englischen Rechtssystems noch einen Parlamentsbeschluß, der das Urheberrecht einführte. Die damalige Lage der Dinge unter den Autoren und Verlegern hätte jedoch die Richter gezwungen, eine neue gewohnheitsrechtliche Spezies des Eigentums anzuerkennen, falls solch eine Frage vor Gericht hätte entschieden werden müssen". Folgt man dieser Auffassung, so wird das "Statute of Anne" im wesentlichen zu einer gesetzlichen Anerkennung bereits existierender Rechte, die in jedem 2 Diese Auslegung des §IX schließt sich der Meinung Pattersons (Fn. 1) an, Ch. 148- 149. Andere, die die Auffassung vertraten, daß Urheberrechte bereits 1710 als Teil des "common law" existierten, beriefen sich auf § IX als Beweis für diese Ansicht; z. B. Scrutton (Fn. 1), 33. Doch das Aufrechterhalten existierender Rechte der Universitäten und "anderen Personen" bezog sich, wie Patterson erörtert, auf die Rechte derer, die "Druckereipatente" besaßen, und nicht auf irgendwelche "common law"-Urheberrechte der Autoren. 3 Es erwähnt jedoch keine Verfahren für Verfügungen und Schadensersatzklagen ein grundlegender Moment in jeder späteren Kontroverse. 4 Scrutton (Fn. 1), 50.
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Falle wirksamere Strafmittel gegen Kopisten bereits erschienener Werke bot und möglicherweise auch das Urheberrecht an den Werken nach deren Erscheinen begrenzte. Es erschwert jedoch die Sachlage, daß es vor dem "Statute of Anne" keine ausdrücklichen Einzelentscheidungen oder Gesetze gab, die den Autoren ein Urheberrecht im modernen Sinne zuerkannt hätten. Scrutton kann keine Belege aus dem 17. Jahrhundert anführen, die mehr als eine Spekulation über wahrscheinliche Antworten auf nicht gestellte Fragen darstellen 5 • Als wichtigste Bestätigung seiner Ansicht betrachtet Scrutton das Geschworenenurteil in Miliar v. Taylor und die Auffassung einiger Common Law Richter in Miliar v. Taylor und später in Donaldson v. Beckett 6 • Der Miliar Fall wurde jedoch erst 1769 entschieden, und im Donaldson Fall wurde 1774 vom höchsten Gericht, dem House of Lords, eine Entscheidung getroffen - nachdem die Verleger und Anwälte schon ein halbes Jahrhundert mit dem ,,Statute of Anne" lebten und sich mittlerweile mit der großen Streitfrage ihrer Zeit auseinandersetzten: ob das englische Recht selbst für veröffentlichte Werke ein immerwährendes Urheberrecht anerkannte oder ob die Bedingungen des "Statute of Anne" das Urheberrecht völlig abschaffte. Die damals vertretene Auffassung beruhte ebenfalls auf historischen Spekulationen der Art, wie sie in diesen Fällen den Gerichten von den Anwälten der Verleger so überzeugend vorgetragen wurden. Seit einem halben Jahrhundert verunglimpfen britische Historiker die "WhigGeschichtsschreibung" ("Whiggism") - d. h. Geschichtsschreibung, die einen unaufhörlichen Fortschritt bis hin zu den glorreichen Errungenschaften von heute aufzeigt. Diese Geschichtsschreibung war eine viktorianische Disziplin und ihr führender Kopf war T. B. Macaulay 7• Juristen haben ihre eigene Version des "Whiggism". Mit ihr werden historische Rechtsdokumente auf ihre Relevanz für Ideen und Praxis der Gegenwart untersucht. Wichtig ist, wann eine bestimmte Stütze unseres modernen Rechtsdenkens zum erstenmal aufgetreten war. Diesem Ansatz liegt gewöhnlich das Prinzip "je früher desto besser" zugrunde, denn die 5 Er betont die Sprache der Gesetze des 17. Jahrhunderts, die das Lizenzsystem zum Gegenstand hatten und die auf der Annahme beruhten, daß Eigentumsrechte für die "copies" existierten (siehe 21- 23). Aber wenn dieses ein Eigentum darstellte, dann bezog es sich auf den "bookseller" oder Drucker und nicht auf den Autor oder dessen Abtretungsempfänger. Folglich ist es schwierig zu wissen, ob es die Aufhebung der Zensur überstanden hatte und welche Eigenschaften es hatte. Osterrieth (Fn. 1) 106-108, noch ein Vertreter dieses Standpunktes, greift verschiedene Fälle aus der Restaurationszeit auf - insbesondere Roper v. Streater (1672) Skinner 234, 4 Burr. 2316 - , um auf eine ähnliche grundlegende Haltung zu verweisen. Doch all diese Fälle beschäftigen sich mit den Rechten der Druck-Patentinhaber gegenüber der "Stationers' Company". Scrutton (Fn. 1), 28- 30 weigert sich, deren Interessen besonders hervorzuheben. 6 Ich beabsichtige in einem späteren Artikel die bekannte Kontoverse, die diese Fälle provozierten, zu analysieren. Sie sind das zentrale Geschehen, das die meiste oben (Fn. 1) angegebene Literatur beschäftigt. 7 Ein Name, der allein schon deswegen einprägenswert ist, weil er mit der berühmten Einmischung in die Parlamentsdebatte über die Verabschiedung des Copyright Bill von 1842 verbunden ist.
Das "Statute of Anne" (8 Anne c. 19)
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Zeitspanne, die eine Idee in Gebrauch ist, unterstreicht irgendwie deren heutige Authentizität und Gültigkeit. Dieser Ansatz hat eine besondere Rolle in der romantischen (und ideologisch passenden) Auffassung der richterlichen Präzedenzfälle im englischen Common Law, der Deklarativen Theorie, gespielt; diese besagt, daß die Richter eigentlich kein neues Recht erschaffen, sondern das bereits bestehende Recht nur erläutern und interpretieren. Die heutige Generation der Rechtsgeschichtler, allen voran Prof. Milsom 8 , hat diesen "juristischen Whiggism" heftig kritisiert, und "Whiggism" als Lehre befindet sich zweifellos auf dem Rückzug. Dennoch stellt er eine anhaltende Denkgewohnheit dar und wird weiter an den meisten von uns nagen, wenn wir uns ihm nicht stellen und Einhalt gebieten. Scruttons Auffassung zur Geschichte des Urheberrecht vor 1710 erscheint mir wie ein exaktes Beispiel des juristischen "Whiggism". Im späteren 18. Jahrhundert wurde in England, wie bereits erwähnt, die Geschichte der vorangegangenen Jahrhunderte mißbraucht, da die Verleger zu beweisen versuchten, daß ihnen nach dem Common Law ein von ihren Autoren abgeleitetes immerwährendes Urheberrecht zustand, und die Imitatoren dagegen belegen wollten, daß alle Urheberrechte an veröffentlichten Werken auf die im "Statute of Anne" zugelassene kurze Zeitspanne begrenzt waren. Es gab jedoch gute Gründe, warum ein Urheberrechtsexperte des späten 19. Jahrhunderts, wie Scrutton, ebenfalls auf diese Geschichte zurück greifen konnte, um die Fakten seinen Interessen entsprechend auszulegen. Bis dahin befand sich nämlich die Unterhaltungs- und Bildungstechnologie in einem Stadium der vollständigen Umwälzung und eine Erweiterung des Urheberrechts auf neue Medien wie Tonaufnahmen, Filme und danach Rundfunksendungen wurde dringlich. Wenn man nur hätte anführen können, im Common Law werde ein allgemeines Eigentumsrecht für geistige Schöpfungen anerkannt, dann hätte man mit Sicherheit einen Ausweg gefunden, der nicht von der Gewährung neuer gesetzlicher Rechte durch das Parlament abhängig gewesen wäre. Diese Argumentation führte in sehr unwegsames Gelände, da man nachweisen mußte, daß es sich bei dem Fall Donaldson gegen Beckett im Grunde um einen fundamentalen historischen Irrtum gehandelt hatte. In diesem Fall hätte sich das House of Lords der offentsichtlich mehrheitlich vertretenen Auffassung unter den Richtern anschließen sollen, daß Autoren durch die Handelsbräuche des siebzehnten Jahrhunderts ein immerwährendes Urheberrecht nach dem Common Law besaßen. Wieder einmal war also die Geschichte benutzt worden, um ein zeitgenössisches Ideal zu untermauern. Im übrigen hatte Scrutton ebensowenig Erfolg mit seiner Argumentation wie seine Vorgänger im 18. Jahrhundert: im Copyright Act 1911 legte das Parlament fest, daß jedes zukünftige Urheberrecht für alle veröffentlichten und unveröffentlichten Werke nur insoweit gültig sein sollte, als es per Gesetz gewiihft wurde 9 . s Stroud Francis Char1es Milsom: Historical Foundations of the Common Law (2nd. ed., London 1981). 9 Sec. 31.
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Nun lassen Sie mich eine zweite völlig andere Vorstellung aufgreifen. John Feather stellt in seinem kürzlich erschienen Buch, A History ofBritish Publishing, fest 10: Außer in der Präambel wurden Autoren überhaupt nicht erwähnt, und in der Tat wurde eine Reihe verschiedener Verweise auf die Rechte der Autoren, die im ersten Entwurf des Gesetzes noch enthalten gewesen waren, durch den Ausschuß gestrichen, fast mit Sicherheit unter dem Druck des Handels. Mit anderen Worten: das Statute of Anne war ein "bookseller"- und kein Autorengesetz, und es schien genau das wiederzugeben, was die Urheber anstrebten. Dies hat, wenn Sie so wollen, eine marxistische Note; es weist darauf hin, daß der Schutz des Kapitals die treibende Kraft hinter diesem Gesetz war. Feather fügt hinzu 11 : "Zwar gab es eine hohes Maß an Mehrdeutigkeit im Wortlaut wie auch in den Zielen des Gesetzes, doch glaubte der Handel im Frühling des Jahres 1710 die Schlacht gewonnen zu haben; die Ordnung im Handel wurde wieder hergestellt und ihre Investitionen waren gesichert". Ich halte die Ansicht Feathers, auch wenn sie der Meinung Scruttons entgegentritt, für so maßlos überspitzt, daß man sie eigentlich schon als falsch werten kann. Es stimmt nicht, daß der Autor nur in der Präambel des "Statute of Anne" in dessen tatsächlich verabschiedeter Form erwähnt wurde. Genau betrachtet entspricht es ebensowenig der Wahrheit, daß die "booksellers" von der "Stationers' Company" alles bekamen, was ihnen zuvor nach dem alten Zensursystem angeblich zugestanden hatte. Die vom Gesetz gewährten Rechte der "Copy" waren auf die zwei erwähnten Zeiträume beschränkt; wer für ein immerwährendes Urheberrecht plädierte, mußte seine Argumentation daher anders begründen. Die zweite Laufzeit von vierzehn Jahren, gemäß § XI, bezog sich auf eine offentsichtliche Rückübertragung der Rechte von dem abtretungsberechtigten "bookseller" zum Autor; und der Dichter Alexander Pope, der besonders geschäftstüchtig war, konnte beweisen, daß dies in der Tat so vorgesehen war. Die gesetzlichen Ansprüche waren abhängig von der Registrierung eines Buches bei der "Stationers' Company". Die frühere Praxis jedoch, alles und nur das zu registrieren, was die Mitglieder der "Company" forderten, wurde durch ein anderes Verfahren eingeschränkt, wobei man für die betreffenden Werke in der "Gazette" Werbung machen konnte, falls die "Company" die Registrierung ablehnte (§ III). Überdies war ein Komitee zur Überprüfung von Preisen vorgesehen, die als "zu hoch und ungerechtfertigt" galten (wahrscheinlich trat es nie zusammen)(§ IV). Dazu kam, daß die Einfuhr anderssprachiger Bücher erlaubt war, obwohl Bücher in englischer Sprache, die außerhalb Englands verlegt worden waren, weiterhin verboten waren (§ VII). 10
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Feather (Fn. 1), 74-75. Feather (Fn. 1), 103.
Das "Statute of Anne" (8 Anne c. 19)
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Es wäre ungerecht von mir, Feathers Verdienst um das historische Verständnis des Rechts, das die "booksellers" betraf, zu schmälern. Seine allgemeine Darstellung der Geschichte des Verlagswesens erlaubt völlig neue Einblicke und läßt die meisten früheren Darstellungen, die sich allein auf die Rechtsfälle konzentrierten, zweidimensional erscheinen. Ich habe zwar nicht die Zeit, die ganze Fachliteratur ausführlich zu besprechen, doch lassen Sie mich die bedeutsamsten Faktoren in drei Rubriken zusammenfassen12.
I. Soziale und. kulturelle Faktoren Zwei Einflüsse stechen hervor. Erstens wuchs mit zunehmender Verbreitung der Lese- und Schreibkenntnisse und der allgemeinen Bildung die Nachfrage nach Büchern. Im 17. Jahrhundert nahmen Anzahl und Spektrum der veröffentlichten Werke ungemein zu. In ganz neuem Maße eröffneten sich Möglichkeiten zur Meinungsbildung und-manipulationmit Hilfe von Veröffentlichung, insbesondere während des Bürgerkriegs und des Commonwealth Mitte des Jahrhunderts. Zweitens veröffentlichten die meisten Autoren im 16. Jahrhundert ihre Werke nicht des Geldes wegen, sondern um des Ruhmes und Ansehens willen. Ausnahmen bildeten hier vor allem die Dramatiker und die niederen Lohnschreiber, die zeitgenössische "Trivialliteratur" für Buchhändler und Buchdrucker verfaßten. Erst Ende des 17. Jahrhunderts tauchten die ersten Berufsautoren auf; aber auch diese verkauften ihre Manuskripte dem "bookseller" für einen Pauschalpreis. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es kaum Hinweise darauf, daß die Autoren an dem Ertrag aus den Veröffentlichungen in Form von Tantiemen beteiligt wurden. Diese Fakten machen es um so bemerkenswerter, daß der Begriff des Autors im "Statute of Anne" überhaupt erscheint.
II. Politische und religiöse Faktoren Die verheerenden politischen Ereignisse im England des 17. Jahrhunderts führte das Land aus der absolutistischen Herrschaft heraus. Wesentlicher Bestandteil der Entwicklung zur konstitutionellen Monarchie war, daß es keine Gedankenkontrolle durch ein Vorzensur- und Genehmigungssystem mehr geben durfte. Vom späten 17. Jahrhundert an wurde es offensichtlich, daß der Staat nur noch durch nachträgliche Maßnahmen, wie etwa Strafverfolgung wegen Volksverletzung und Gotteslästerung, sowie durch indirekte Verbote, wie etwa die Stempelgebühr für Zeitungen, Kontrolle ausüben konnte. Solange die Zensur bestand, 12 Folgendes nach Feather (Fn. 1), 4-9.
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konnten Staat, Kirche und "booksellers" innerhalb eines allseits annehmbaren Systems von Einschränkungen ihre eigenen Ziele verfolgen. Als die Zensur dann politisch untragbar wurde, insbesondere nach 1679, als man erstmals während der Restauration das Zensurgesetz fallenließ, verloren die Mitglieder der "Stationers' Company" ein umfassendes Instrument zur Monopolisierung der Buchproduktion und des Buchhandels. Unvermeidlich sahen sie sich einem sehr viel stärkeren allgemeinen Wettbewerb durch die Neulinge ihrer Branche ausgesetzt und konnten höchstens auf den Schutz vor Raubdrucken ihrer Ausgaben hoffen.
111. Wirtschaftspraktiken im Verlagsgewerbe Sehr bald nach 1679 gibt es Hinweise auf kartellartige Verbindungen innerhalb der "Stationers' Company". Diese wurden führende Persönlichkeiten innerhalb einer Gruppe ("conger") der "booksellers", die den Londoner Markt bis ins nächste Jahrhundert und darüber hinaus dominieren sollten. Ein wichtige Ursache hierfür war sicherlich die Abschaffung der Zensur, eine andere das stetige Wachstum der außerhalb Londons ansässigen Verlage - z. B. in Edinburgh, Dublin und verschiedenen anderen Provinzstädten sowie auf dem europäischen Kontinent - die allmählich auf den Londoner Markt drängten. Wie umfangreich diese Geschäfte mit Raubdrucken waren, ist schwer zu sagen; die Beschwerden der führenden Londoner booksellers wegen unerlaubter Kopien begann sich jedoch zu häufen. Ihr eigenes Verhalten bestand nicht nur aus Geschäftspraktiken, die es einzelnen Händlern erschwerte, Bücher von Verlagen zu führen, die nicht dieser Gruppe angehörten. Sie behaupteten auch, daß sie durch die Mitgliedschaft bei der "Stationers' Company" die alleinigen Veröffentlichungsrechte für diese Werke besäßen, ob nun das Eigentumsrecht vom tatsächlichen Autor auf sie übergegangen sei oder nicht. Sie versuchten also mit verschiedenen Mitteln, von denen einige aus moderner Sicht ausgesprochen skrupellos sind, die Veröffentlichungen aller Werke von wirklichem kommerziellen Wert an sich zu reißen. Gegen diese allgemeine Monopolisierung bildete sich in den 1690er Jahren eine Widerstandsbewegung. Die außenstehenden "booksellers" und Buchdrucker sowie andere, die die lesende Öffentlichkeit gefährdet sahen, argumentierten hauptsächlich zugunsten der Autoren. Warum sollten die Autoren es hinnehmen müssen, daß sich eine Person, mit der sie sonst keine Verbindung hatten, die Rechte an ihren Werken aneignete oder daß ihnen der Zugang zu den Buchläden verwehrt wurde, weil sie nicht das Interesse eines "booksellers" der privilegierten Gruppe ("conger") auf sich ziehen konnten? Abschließend kann man sagen, daß sich hierrin der wahre und bedeutende Charakter des "Statute of Anne" zeigt. In weiten Teilen ähnelt es dem "Statute of Monopolies" des Jahres 1624, welches die Monopole zwar grundsätzlich
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ächtete, zugleich jedoch eine bedingte Ausnahme für Patenturkunden verfügte, die sich auf eine "neue Herstellungsform" ("manner of new manufacture") bezogen. Auf seine Weise ist das spätere Gesetz von 1710 eine öffentliche Verurteilung weitreichender Monopole, in diesem Falle im Bereich des Buchverlags. Gleichzeitig begründete es ein vermindertes Vervielfältigungsrecht, allerdings nur, wenn das Eigentumsrecht von dem rechtmäßigen Eigentümer, d. h. dem Autor, stammt und nur unter der Bedingung, daß dieses Recht allen Autoren zusteht, nicht nur denen, die Verbindungen zu den Mitgliedern der "Stationers' Company" haben. Es war diese äußerst wichtige Anerkennung der Allgemeingültigkeit, die die Auffassung des Rechts als Eigentum und nicht als Privileg begründete. Damit war der entscheidende Kompromiß gefunden; er erlaubte einem bedeutenden und politisch empfindlichen Gewerbe den Übergang vom regionalen Privileg in den freien und dennoch geschützten Wettbewerb. Er war indes zwangsläufig ein Fortschritt, der das anglo-amerikanische Recht auf einem eindeutig und ausschließlich kommerziellen Weg zum "copyright" führte und nicht zum "droit d'auteur" . Mit diesem Gesetz erkannte man an, daß zukünftige Schutzmaßnahmen allein gegen Raubdruck getroffen werden und folglich dem Autor ebenso wie dem Verleger zugute kommen würden. Seither ist der Autor für den Verleger so wichtig geworden, wie der Verleger es für den Autor schon lange war.
5 Wadle
Die geschichtliche Entwicklung des schweizerischen Urheberrechts bis zum ersten Bundesgesetz vom Jahre 1883 Von Manfred Rehbinder
I. Die Basler Nachdruckverordnung von 1531 als Beginn eines schweizerischen Urheberrechts? Die Schweiz, die in diesem Jahr ihr 700jähriges Bestehen feiert, erscheint in der Geschichtsschreibung über die europäische Urheberrechtsentwicklung erst mit dem Jahre 1531, in dem in Basel das erste deutschsprachige Gesetz gegen den Nachdruck von Büchern erlassen wurde. Basel mit seiner Universität war der Ort, von dem aus sich in der Schweiz die Buchdruckerkunst verbreitete. Um 1463 soll ein ehemaliger Gehilfe von Gutenberg, Berthold Ruppel aus Hanau, in Basel die erste Druckerei eröffnet haben 1• 1480 konnten im kleinen Basel schon 26 Druckereien gezählt werden. Da diese, wie damals üblich, die erfolgreichen Erzeugnisse ihrer Kollegen nachdruckten und der Schutz hiergegen durch Erteilung von Privilegien an Verleger oder Schriftsteller 2 als unbefriedigend empfunden wurde, weil er sich nur auf bestimmte Druckwerke beziehen konnte, erließ der Rat der Stadt Basel am 28. Oktober 1531 das erste generelle Nachdruckverbot im deutschsprachigen Raum. Zwar wurde stets betont, daß es hier nicht eigentlich um einen Urheberschutz, sondern um einen Verlegerschutz gegangen sei 3 • Es ist aber das Verdienst von Reto M. Hilty, vor kurzem herausgearbeitet zu haben, daß es hier auch nicht mittelbar um den Schutz des Urhebers und seiner geistigen Schöpfung ging, sondern daß dieses gesetzliche Nachdruckverbot aus heutiger Sicht dem Drucker ein Leistungsschutzrecht gab 4 • Der handschriftliI Ernst Felix Lotz: Die geschichtliche Entwicklung der Urheberrechtsgesetzgebung auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, Diss. Basel 1941, S. 10. 2 Über das schweizerische Privilegienwesen siehe Jules Gfeller: Einiges über den Schutz des geistigen Eigentums auf bemischem Gebiet in früheren Jahrhunderten, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht(= ZSR) 15 (1896), 460-466; Eugen Huber: System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes Bd. IV, Basel 1893, S. 268. 3 Z. B. Otto Gierke: Deutsches Privatrecht Bd. I, Leipzig 1895, 752; Alois Troller: Immaterialgüterrecht I, 3. Aufl. Basel I Stuttgart 1983, S. 39. 4 Reto M. Hilty: Das Basler Nachdruckverbot von 1531 im Lichte der gegenwärtigen Entwicklungen des Urheberrechts, in: Robert Dittrich (Hg.): Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes im Lichte seiner Geschichte, Wien 1991, S. 20, 28 ff.
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Manfred Rehbinder
ehe Originaltext der Verordnung, der im Erkanntnisbuch IV, S. 96 5 enthalten ist, zeigt, daß das Nachdruckverbot mit zwei weiteren Beschränkungen der Drukkerfreiheit verknüpft war, nämlich mit einem Staatsschutzgebot 6 und dem Verbot des Abwerbens von Druckereigehilfen. Es lautete: "Anno XXXI uff samstag den XXVIII octobris haben beid alt und nüw rhet erkannt, diwyl ettwas spans under den druckem dyser statt Basel! von wegen das ie einer dem andren sine biecher und werck nochgetrockt hatt, der ander dar durch zu schaden gefiert worden, das dan hinfür kein drucker dyser statt Basell dem andren sine werck unnd biecher in dryen joren den nechsten, noch dem dy usgangen und trockt worden, nochtrocken, des glichen ouch nichts des einer statt Basel! verletzlich sin mag, trocken soll, alles by der peen hundert rinischer guldin, dy von einem ieden, der das überfert oder fürgot, zu rechter buss unablesslich gnomen sollen werden. Zu dem so soll ouch kein trucker hinfire einer dem andren sin gesind, es sigen correctores, setzer, trocker oder andere, in den werken abstellen mit innen selb oder durch ander, das sy von dem, by dem sy sind, und zu im komen, reden oder reden Jassen, damit keiner an dem wercken und dem, das er ze trocken fürgnomen, verhindert werd" 7• Nicht nur der Zusammenhang des Nachdruckverbots mit den von der Literatur bisher unterschlagenen zwei weiteren Beschränkungen des Druckergewerbes, sondern auch die von Hilty ermittelte Entstehungsgeschichte der Verordnung aus dem Streite zweier Basler Drucker machen deutlich, daß es sich hier um Regelungen des Buchdruckergewerbes handelte und nicht- auch nicht mittelbar - um den Schutz geistiger Schöpfungen. Da man trotz der gemeinsamen Regelungen des "urheberrechtlichen" Leistungsschutzes mit dem Schutz urheberrechtlieber Werke in einigen der nationalen Urheberrechtsgesetze dogmatisch und rechtspolitisch 8 zwischen Urheberrecht und Leistungsschutz unterscheiden muß, sollte man jetzt die Basler Verordnung von 1531 aus der Geschichtsschreibung des Urheberrechts konsequent eliminieren.
II. Johann Rudolf Thurneysens Basler Dissertation von 1738 Die Idee eines generellen, von Privilegien unabhängigen Autorenschutzes wurde zuerst vom Basler Professor Johann Rudolf Thumeysen in seiner Dissertation über den unerlaubten Bücher-Nachdruck geäußert, die 1738 in der Druckerei seiner beiden Onkel Emmanuel und Johann Rudolf Thumeysen in Basel gedruckt Stadtarchiv Basel Signatur B 4. Hilty (Fn. 4), S. 28 spricht hier unzutreffend von Zensur. Zensur erfordert die kirchliche oder behördliche Kenntnisnahme vom Inhalt einer Druckschrift vor deren Drucklegung. Rechtstechnisch ist Zensur also Vorzensur, nicht Nachzensur. Eine Vorzensur ist jedoch in der Verordnung von 1531 nicht vorgesehen. 7 Lotz (Fn. 1), S. 14, ergänzt und berichtigt durch Hilty (Fn. 4), S. 28. s Siehe Hilty (Fn. 4), S. 41 mit der treffenden Kennzeichnung der Leistungsschutzberechtigten als "Trittbrettfahrer des Urheberrechts". 5
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wurde. Viele Jahre vor der ausführlich behandelten, 1774 in Göttingen erschienenen Arbeit von Johann Stephan Pütter spricht Thurneysen, dessen Werk wir dank der Übersetzung von Hans Thierne aus einem heute nicht mehr verständlichen Latein der damaligen Zeit jetzt in seinen Einzelheiten zur Kenntnis nehmen können 9 , vom "Eigentum an geistigen Schöpfungen", das mit bestimmten Ausnahmen geschützt sein müsse. Für ihn ist also die Nachdruckfreiheit nicht die Regel und der Schutz gegen Nachdruck aufgrund Privilegs die Ausnahme, sondern der Schutz ist die Regel und die Nachdruckfreiheit die Ausnahme. Als ausnahmsweise erlaubten Nachdruck sieht er die Fälle an, in denen durch den Nachdruck niemand einen Schaden erleidet oder wo ein öffentliches Interesse am Nachdruck besteht. Dazu gibt er als Beispiele: Nachdruck von Büchern aus entfernten Gegenden, die mit den heimischen Buchhändlern in keinen Geschäftsbeziehungen stehen, wie Spanien, Rußland, Schweden oder England, oder Nachdruck von Büchern aus Ländern, mit denen weder Handelsbeziehungen noch völkerrechtliche Verträge bestehen, ferner Bücher, die vergriffen und deren ursprüngliche Drucker nicht willens oder in der Lage sind, eine weitere Auflage herzustellen. Auch Werke, die Gemeingut geworden sind, wie Bibel oder klassische Autoren, sollen frei nachgedruckt werden können. Hingegen wird das Urheberrecht im Prinzip als ewig gedacht, da von einer Befristung des Schutzes nicht die Rede ist. Ferner soll der Staat von Amts wegen einem Drucker das Nachdruckrecht geben können, wenn der Originaldrucker einen unangemessen hohen Preis für seine Bücher verlangt und diesen trotz Ahmahnung nicht senkt. Hier taucht also schon der heute wieder moderne Gedanke des Verbraucherschutzes im Urheberrecht auf. Nach diesen Ausnahmen erlaubten Nachdrucks behandelt Thurneysen den Grundsatz und kennzeichnet Nachdruck als Diebstahl 10, da nach Naturrecht wie nach positivem Recht der Schöpfer des Werkes an dem, was er durch Überlegung erarbeitet oder in Nachtarbeit zusammengetragen habe, ein Eigentum erwerbe, über das er frei verfügen könne. Da es dem Gelehrten nicht möglich sei, seine Werke selbst zu drucken und zu verkaufen, wende er sich an den Verleger und dieser erlange mit der Bezahlung des Honorars nicht nur das Manuskript, sondern alle Rechte, die der Autor an seinem Werke habe. Mit diesen Rechten am Werk sind aber nur das Vervielfältigungs- und das Verbreitungsrecht gemeint. Ein droit moral, das den Autor auch gegen den berechtigten Drucker schützen würde, bleibt unerwähnt. Das Argument der Nachdrucker, sie hätten das Exemplar, das sie nachdruckten, rechtmäßig erworben, wird mit einer (sachenrechtlichen) Zweckübertragungstheorie dahin entkräftet, das Buch sei ihnen nur zum Zwecke 9 Johann Rudolf Thumeysen: De Recusione Librorum Furtiva, zu Teutsch: Vom unerlaubten Bücher-Nachdruck (Basel 1738), in: Die Bemer Übereinkunft und die Schweiz, Schweizerische Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen der Bemer Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, hrsg. v. d. Schweizerischen Vereinigung für Urheberrecht, Bem 1986, S. 13-46. 10 Ebenda S. 26.
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Manfred Rehbinder
der Lektüre und des Weiterverkaufs übereignet worden, nicht zum Zwecke des Nachdrucks. Daß das Nachdruckverbot nicht erst aufgrundeines Privilegs besteht, sondern unabhängig von diesem, ergäbe sich aus dem Charakter des Privilegs als bloßer Bestätigung bestehenden Rechts zur Verbesserung der Rechtsstellung in einem Rechtsstreit. Das folge daraus, daß erschwindelte Privilegien keine aus dem Privileg folgende Rechtsstellung schaffen; denn auch durch Akte der Obrigkeit würde Unrecht nicht zu Recht werden. Im Zusammenhang mit den Privilegien wirft Thurneysen auch die Frage auf, ob man bereits veröffentlichte Werke in stark erweiterter Fassung frei veröffentlichen könne. Er verneint das mit der Begründung, die Erörterungen stellten Zusätze dar. Diese Zusätze könne man dem Originalverleger anbieten. Doch wenn dieser sie nicht übernehmen und verbreiten wolle, bleibe nichts übrig, als einen Ergänzungsband, der nur die Zusätze enthält, bei einem anderen Verleger zu veröffentlichen. Daß durch diese Zusätze ein neues Werk entstehen könne, wie das später etwa im Falle der Herausgabe der Vorlesungen von SeheHing angenommen wurde 11 , wird nicht gesehen. Den Abschluß der Dissertation bilden Überlegungen zur Institutionalisierung des Urheberschutzes. Zunächst wird vorgeschlagen, das öffentliche Amt eines Zensors zu schaffen, bei dem die Verleger die beabsichtigten Drucklegungen anzumelden und der ein Verzeichnis der erschienenen Bücher sowie der an ihnen berechtigten Verleger führen soll. Ferner sollen die Buchhandlungen stichprobenmäßig überprüft werden, um den Vertrieb importierterNachdrucke zu verhindern. Unerlaubte Nachdrucker sollten aus der Druckerzunft ausgeschlossen werden. Mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von conventiones et pacta communia schließlich eilte Thurneysen der Berner Konvention um 150 Jahre voraus 12•
111. Der Versuch einer eidgenössischen Gesetzgebung zur Zeit der Helvetik Die Praxis nahm jedoch die Vorschläge von Thurneysen nicht auf, sondern blieb noch lange dem Privilegienwesen verhaftet. Außer regionalen Privilegien sind auch eidgenössische Privilegien bekannt, die vom eidgenössischen Parlament (der Tagsatzung) in den Jahren 1659, 1676 und 1690 (für musikalische Kompositionen, Psalmenbücher und ein griechisch-lateinisches Lexikon) sowie in den Jahren 1703, 1760 und 1786 erteilt wurden. Die Schutzdauer bewegte sich zwischen 10 und 20 Jahren 13 • Die noch sehr lange verschlossene Tür der Gesetzgebung im schweizerischen Immaterialgüterrecht wurde erst "mit kräftigen Stößen 11 Dazu Manfred Rehbinder: Kein Urheberrecht ohne Gesetzesrecht. Zum Urheberschutz um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Robert Dittrich (Hg.): Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, Wien 1988, S. 99, 105 f. 12 Vgl. Josef Kohler: Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, 1907, Neudruck 1980, S. 73. 13 Huber (Fn. 2).
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vom Ausland her geöffnet" 14, und zwar auf Betreiben Frankreichs. Nach dem Sieg der napoleonischen Truppen über die alte Eidgenossenschaft wurde deren loser Staatenbund in einen Einheitsstaat nach französischem Vorbild, die Helvetische Republik, umgewandelt 15 • Schon am 25. April 1799 erhielt die Schweiz ein bundeseinheitliches Patentgesetz nach französischem Muster. Der am 2. Februar 1799 vom "vollziehenden Direktorium" der "Tagsatzung" vorgelegte Entwurf zu einem Gesetz betreffend die Bekämpfung des Nachdrucks blieb hingegen wegen der kriegerischen und politischen Wirren 16 liegen, bis die napoleonische Mediationsakte von 1803 den alten Staatenbund wieder aufleben ließ 17, womit einer gesamteidgenössischen Gesetzgebung angesichts der Schwäche der Zentralregierung weitgehend der Boden entzogen war. Wie aber nicht nur der Geist, sondern auch die politische Sprache Frankreichs den Gesetzgebungsversuch der Helvetischen Republik prägte, läßt sich dem Entwurf einer Botschaft entnehmen, die vom damaligen eidgenössischen Minister der Künste und Wissenschaften, dem späteren Berner Theologieprofessor Philipp Albrecht Stapfer, verfaßt wurde. Sie lautete: "Arau den 21ten August 1798 Bürger Gesetzgeber! Der Regierungs Statthalter des Cantons Luzem, Bürger Rüttimann, beklagt sich in einem Schreiben an den Minister der Künste und Wissenschaften, über einen von den Bürgern Brentano und Studer zu Stäfa im Canton Zürich veranstalteten Nachdruck von dem Werkchen, das unter dem Titel: Erklärung der Helvetischen Constitution in· Fragen und Antworten zu Luzem Bey Balthasar und Meyer im Lauf dieses Jahrs gedrückt worden ist. Der Nachdruck dieses Werkchens verdient um so viel die Ahndung des Richters, da die Unternehmer es wagten, eine vom Regierungs Statthalter von Luzem unterzeichnete Empfehlung desselben mit abzudrucken, die derselbe bloss der Arbeit des Verfassers und der Herausgabe des rechtmäßigen Verlegers zugedacht hatte. Die Nachdrucker haben aber besonders dadurch sich an dem Verleger und dem ganzen Publikum schwehr vergangen, dass sie auf dem Titel ihren Nachdruck eine dritte verbesserte Auflage nannten, da sie doch bey genauer Vergleichung mit der rechtmässigen Auflage nicht nur keine Spur einer Veränderung oder Verbesserung zeigt, sondern alles, Wort für Wort, Seite für Seite, nachgedruckt, und mit häuffigen Nachlässigkeiten und Druckfehlern entstellt ist. Die rechtmäßigen Unternehmer sind durch die Nachdrucker in verschiedenen Rücksichten beeinträchtigt, und das Publikum durch die ausgehängte Lockspeise einer verbesserten Auflage auf eine sträfliche Weise betrogen worden. So Troller (Fn. 3). Ulrich Haefelin I Walter Haller: Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Aufl. Zürich 1988, Fn. 34. 16 Kämpfe zwischen der französischen sowie der Österreichischen und russischen Armee auf schweizerischem Boden, ferner innerschweizerische politische Auseinandersetzungen zwischen konservativen (RepJlblikanem) und Neuerem (Patrioten) sowie Vertretern des Zentralismus (Unitarier) mit den Föderalisten. 11 Haefelin I Haller (Fn. 15) N. 38. 14 15
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Aber, Bürger Gesetzgeber, noch ist kein Gesetz vorhanden, das dem Schriftsteller und dem Verleger ihr Eigentum sichert, und dem Nachdrucker, der es verletzt, die angemessene Strafe beymisst Sie werden, Bürger Gesetzgeber, die Wissenschaften begünstigen und die ehrwürdige Menschenklasse schützen- die durch ihre Kenntnisse, ihr Nachdenken- ihre Nachtwachen der Vervollkommung aller Wissenschaften und die Veredelung des Menschengeschlechts befördert. Wenn kurzsichtige Herrscher ihre Anmassungen durch die Unwissenheit ihrer Völker zu sichern glauben, so wird eine Republik, welche auf die Menschen Rechte gebaut ist, ihre Sicherheit, ihren Ruhm und das Glück der Nation in der Ermunterung und Begünstigung der Aufklärung suchen; das Licht der Wahrheit ist das Element der wahren Freyheit. Sie werden nicht zugeben, dass der Gelehrtebey uns darbe- dass die Nachdrucker durch ihre schamlose Freybeuterey ihm den Lohn entreissen, den er durch seine Arbeiten verdienen sollte. - Nur eine kurzsichtige Politik kann auf den kleinen Gewinn, den eine geduldete und begünstigte Nachdrucker Fabrikeins Land bringt, einigen Werth setzen. - Was der Nachdrucker gewinnt, verliert der rechtliche Verleger zehenfach, und die Wissenschaften trauern, und der Gelehrte verliert seinen Muth, wenn ihm ein frecher Dieb öffentlich sein Brodt wegrauben darf. Die Grundsätze des Rechts, die den Nachdruck als einen Diebstahl bezeichnen, sind nicht schwehr aufzufinden. Der Buchdrucker, dem ein Schriftsteller sein Werk überlässt, ist der Geschäftsführer des letzteren, durch den Vertrag zwischen beyden erhält er das Recht, die Arbeiten des Gelehrten durch den Druck dem Publikum mitzutheilen; der Gewinn, den die gedruckte Schrift ihm abwirft, ist der Massstab der Bezahlung, die er dem Schriftsteller für seine Arbeit bezahlt. Nach diesem Gesichtspunkt hat kein Dritter das Recht, sich zum Geschäftsführer des Schriftstellers aufzuwerfen; wenn er die Schrift nachdruckt, so raubt er dem Verleger das Geld, das er dem Verfasser bezahlt hatte, und setzt ihn in die Nothwendigkeit bey einem künftigen Vertrag mit dem Gelehrten auf den Schaden zu rechnen, den er erlitten hat; so raubt der Nachdrucker auch dem Schriftsteller seinen gerechten wohlverdienten Lohn. Nach diesen Grundsätzen hat sich der Nachdrucker an dem Eigenthum des Schriftstellers und des Verlegers vergriffen, ist beyden einen angemessenen Ersatz schuldig und verdient die Ahndung des Gesetzes, das er verletzt hat. Die französischen Gesetzgeber haben schon im zweiten Jahr der Republik (den 19ten July 1793) den Nachdruck verbotten und nicht nur den Gelehrten das Eigenthum ihrer Arbeit auf ihr ganzes Leben, sondern auch ihren Erben den Genuss desselben noch zehen Jahre nach dem Tode zugesichert. Das Direktorium ladet Euch ein, Bürger Gesetzgeber, den Wissenschaften einen Schutz zu ertheilen, den sie bey allen Völkern, die ihren Werth zu schätzen wissen bis dahin gefunden haben. Republikanischer Gruss!" 18 Die aufgrund dieses Entwurfs arn 2. Februar des folgenden Jahres von der Regierung dem Parlament vorgelegte Mischung aus Botschaft und Gesetzesentwurf hatte folgenden Wortlaut:
18
Lotz (Fn. 1), S. 29 ff.; französische Fassung in Droit d' Auteur (= DdA) 1889,
s. 125 (126).
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"Luzem, den 2ten Hornung 1799 Bürger Gesetzgeber! Das vollziehende Direktorium ladet Euch ein, den Verfassern und Erfindern nützlicher Werke, so wie allen andem Bürgern, das heilige Recht des Eigenthums, und den Gewinn den sie aus der Bekanntmachung ihrer Erfindungen ziehen können, zu sichern; es ladet euch ein, das Nachdruckergewerbe in dem ganzen Umfang Helvetiens zu verbieten. Das Direktorium schlägt Euch demnach vor, den Grundsatz feyerlich anzuerkennen: 1) Dass kein in Helvetien bekannt gemachtes Werk in dem Umfange in der Republick nachgedruckt werden solle. 2) Dass während 20 Jahren nach Herausgabe eines Werkes nicht erlaubt seyn solle, dasselbe in Helvetien nachzudrucken, wenn es in einem Lande herausgekommen ist, wo die Regierung in Beobachtung des Gegenrechts, den Buchhändlern und Buchdruckern den Nachdruck eines in Helvetien herausgekommenen Buches verbietet. Indem Ihr auf diese Weise jedem helvetischen und selbst allen Buchhändlern fremder Länder, die sich gegen uns gerecht erzeigen, ihr Eigenthum und dem Erfinder den Genuss der Früchte seiner auf die Vermehrung des National-Wohlstandes abzweckenden Arbeit sichert, ohne dass desshalb andere Bürger durch erbliche Vorrechte in Schaden und Nachteil zu bringen, werdet Ihr die Künste und Wissenschaften neu beleben, die Fortschritte des Buchhandels befördern, und diesen wichtigen Verkehr wieder in die ihm gebührenden Rechte einsetzen. Gebt also diesen neuen Beweis, dass die freyen Völker auch gerechte Völker seyen. Republikanischer Gruss!" 19
IV. Die Geltung des französischen Urheberrechtsgesetzes in Genf Als nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft die Kantone Genf, Neuenburg und Wallis, die während der Mediation zu Frankreich gehört hatten, mit dem Bundesvertrag vom 7. August 1815 in den Bund eintraten 20, soll Genftrotz des Übertritts das französische Urheberrechtsgesetz vom 19. Juli 1793 sowie einige Strafvorschriften des code penal de Napoleon beibehalten haben 21 • Diese auf den Verfasser und Kommentator des ersten eidgenössischen Urheberrechtsgesetzes vom 23. April 1883, den Zürcher Professor Aloys von Orelli zurückgehende Feststellung wurde zwar in DdA 1896, 39 (40) mit dem Hinweis darauf bestritten, daß der Kanton Genf durch Dekret des Staatsrates am 13. November 1816 Heinrich Pestalozzi ein Privileg für die Dauer von 10 Jahren für den Druck und Verkauf seiner Werke im Kanton Genf erteilt habe. Das Bestehen eines gesetzlichen Schutzes schließt aber historisch gesehen die Erteilung von Privilegien nicht aus. Außerdem konnte damals der Schutz von Pestaloz19
Lotz (Fn. 1) S. 32; französische Fassung in DdA 1889, S. 125 (126 f.).
2o Haefelin I Haller (Fn. 15) N. 41.
21 DdA 1889, S. 125; Aloys von Orelli: Der Schutz des Iitterarischen und künstlerischen Eigenthums in der Schweiz, ZSR 1864, S. 109- 115, hier S. 118 f.
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zi nur mit Hilfe eines Privilegs erfolgen, weil dieser im Kanton Genf als Ausländer zu gelten hatte, auf den das Gesetz ja keine Anwendung fand. Feststeht, daß die Genfer Gerichte seit 1827 die französische Gesetzgebung angewandt haben 22 • Der Kanton Genf war also die erste Region der Eidgenossenschaft, in der das Urheberrecht gesetzlich anerkannt war. V. Die Gesetzgebung in den einzelnen Kantonen Pestalozzi hatte sich wegen der Privilegerteilung nicht an den Kanton Genf, sondern an die Bundesregierung gewandt, die mangels Zuständigkeit des Bundes ein entsprechendes Rundschreiben an die Kantone verfaßte 23 • Auch die Erben von Friedrich von Schiller haben im Jahre 1829 ein Gesuch um Privilegerteilung an die eidgenössische Tagsatzung gerichtet, die mangels Entscheidungskompetenz dem Vorort (der Regierung) den Auftrag erteilte, die Sache den einzelnen Kantonsregierungen zur Entschlußfassung vorzulegen. Über die dazu vorgebrachten mannigfachen Einwendungen und Bedenken sowie den insgesamt für die Erben glücklichen Ausgang der Sache haben wir einen eingehenden Bericht von Karl Schwarber, dem früheren Direktor der Universitätsbibliothek BaseJ24 • Die erste kantonale Urheberrechtsgesetzgebung stammt hingegen aus dem Jahre 1835. Unter dem Einfluß des französischen Gesetzes, aber auch des in Mailand erlassenen Gesetzes der Cisalpinischen Republik verkündete der Staatsrat des Kantons Tessin am 20. Mai 1835 ein Gesetz betreffend das literarische und künstlerische Eigentum 25 • Die Vorreiterrolle des Tessin erklärt sich aus dem Umstand, daß hier ein für die italienische Freiheitsbewegung unverzichtbares italienischsprachiges Druckereizentrum entstanden war. Zwei Punkte des Tessiner Gesetzes waren umstritten, nämlich die Schutzfrist und die Zahl der Pflichtexemplare. Gegenüber dem Antrag auf Verkürzung der Schutzfrist auf 5 Jahre nach dem Tode des Autors verteidigte der Staatsrat (und spätere Bundesrat) Franscini die im Gesetz angeordnete Schutzfrist von 10 Jahren nach dem Tode mit der Begründung, lange Schutzfristen lägen im öffentlichen Interesse. Bei längerer Schutzfrist könne der Drucker höhere Auflagen wagen. Höhere Auflagen aber würden die Kosten senken, so daß die Bücher billiger würden. Mit seinem Antrag auf Beschränkung der Pflichtexemplare auf ein einziges unterlag hingegen Franscini. Da der Sitz der Kantonsregierung seinerzeit alle 6 Jahre zwischen Locarno, Lugano und Bellinzona wechselte, wollte man an allen drei Orten die Bibliothek mit Pflichtexemplaren bedenken, wogegen Franscini vergeblich einwandte, daß bei teuren Büchern drei Exemplare im Mißverhältnis zum begrenzten 22
23 24
2s
So DdA (Fn. 18) und Lotz (Fn. 1), S. 42. DdA 1896, S. 39 f. UFITA 114, 1990, S. 101-117. DdA 1898, S. 95 f.
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Gebiet des Tessins stehen würden. Das Gesetz sah für Schriftsteller, Komponisten, Maler und Künstler, deren Werke als Stiche, Lithographien oder in ähnlichem Verfahren vervielfältigt werden, das ausschließliche Recht des Vertriebs und Verkaufs auf Kantonsgebiet vor. Der Schutz erstreckte sich auch auf Nachbildungen gemeinfreier Kunstwerke und auf Übersetzungen. Das Recht des Urhebers war auf 10 Jahre post mortem beschränkt und voll abtretbar. Der Nachdruck von im Ausland gedruckten Werken wurde dagegen ausdrücklich erlaubt, wobei unter Ausland auch die anderen Schweizer Kantone zu verstehen waren. Aber selbst zu einer solch bescheidenen Gesetzgebung zugunsten der Urheber des eigenen Kantons, die ihre Werke in diesem Kanton drucken ließen, konnten sich die anderen Kantone nicht verstehen, weil sie in der Beschränkung der Nachdruckfreiheit einen Eingriff in die Gewerbefreiheit sahen. Nur die 1837 in Basel-Stadt in Kraft gesetzte Allgemeine Polizei-Strafverordnung enthielt in § 223 die folgende Bestimmung: "Mit einer Strafe von Fr. 20 bis 100 und Confiscation soll belegt werden, wer neue Erfindungen oder schriftstellerische und künstlerische Werke, wofür die Regierung Privilegien ertheilt hat, nachmacht, nachdruckt oder nachsticht, oder solche Nachahmungen oder Nachstiche verkauft- oder wer das Gleiche an schriftstellerischen und künstlerischen Arbeiten, die im Canton herausgegeben worden sind, begeht." Dieses strafrechtliche Nachdruckverbot schützt aber, wie zur Basler Nachdruckverordnungvon 1531 ausgeführt, nicht den Urheber, sondern stellt einen Leistungsschutz für den Drucker dar. Es sollte daher ebenfalls aus der Geschichtsschreibung des schweizerischen Urheberrechts eliminiert werden. Weder das Tessiner Gesetz noch die im Anschluß an das preußische Gesetz von 1837 einsetzende Gesetzgebung in den deutschen Staaten konnten zunächst die übrigen Kantone zur Gesetzgebung im Urheberrecht bewegen. § 18 des Zürcher Gesetzes über das Gewerbewesen von 1832 hatte zwar ein solches Gesetz vorgesehen, indem dort bestimmt war: "Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen und Beschränkungen für eine neue Erfindung im Gewerbswesen oder für die Einführung einer solchen in den Canton oder endlich für ein ausgezeichnetes litterarisches Erzeugnis ein Gewerbsprivilegium ertheilt werden könne, ist einem künftigen Gesetz vorbehalten" 26 • Aber abgesehen davon, daß hier ebenfalls lediglich an ein Leistungsschutzrecht für Drucker gedacht war, ist dieses Gesetz nie erlassen worden. Diese fehlende Gesetzgebung im Kanton Zürich war auch der entscheidende Grund, warum der Prozeß der Erben des Liederkomponisten Hans Georg Nägeli ("Freut Euch des Lebens") gegen den Erziehungsrat des Kantons Zürich wegen Nachdrucks vor dem Zürcher Obergericht im Jahre 1844 verloren ging 27 .Im selben Jahre 1844 veröffentlichte der Zürcher Rechtsprofessor Johann Caspar Bluntschli, der später als Staats- und Völkerrechtler der Universität 26 27
von Orelli (Fn. 21), S. 119. Über diesen Fall siehe eingehende Ausführungen bei Rehbinder (Fn. 11 ), 99- 116.
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München weltberühmt werden sollte, seinen Entwurf für ein privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich. Dieser enthielt im Kapitel Personenrecht die §§ 73-88 "Vom Rechte des Authors". Diese wurden allerdings von der Beratenden Kommission im späteren Gesetzbuch von 1854 ersatzlos gestrichen 28 • Doch wanderten sie fast unverändert in die §§ 1404 ff. des Civilgesetzbuchs für den Kanton Solothum vom Jahre 1847. Der Kanton Solothum wurde damit zum zweiten Kanton, der das Urheberrecht gesetzlich regelte, und zwar wie folgt: Schriftsteller und Künstler erhielten ein ausschließliches, abtretbares Veröffentlichungsrecht auf Lebenszeit. Sind seit der Veröffentlichung des Werkes jedoch beim Tode des Autors noch keine 30 Jahre vergangen, wird das Werk bis zum Ablauf der Frist von 30 Jahren über den Tod des Autors hinaus geschützt. Anonyme und pseudonyme Werke sind nur 16 Jahre ab Erscheinen geschützt, desgleichen Werke, die nach dem Tode des Urhebers veröffentlicht werden. Übersetzungen sowie Um- und Nachbildungen werden als selbständige Werke angesehen. Gesetze, Verordnungen und Urteile sowie Zitate und Übernahme kleinerer Werke in Sammlungen sind frei, doch kann der Staat für von ihm herausgegebene Sammelwerke einen Urheberrechtsschutz von 16 Jahren beanspruchen. Auch der Kanton Graubünden hat später als dritter Kanton in sein Civilgesetzbuch von 1862 in den §§ 220 f. und 471 IV bescheidene Regelungen über das Urheberrecht aufgenommen. Inzwischen war aber die Gesetzgebungstätigkeit im Urheberrecht auf eine überregionale Ebene verlagert worden. Die Regelungen in Graubünden stellten deshalb nur eine Verbesserung der Schutzfrist in der nun darzustellenden überregionalen Regelung dar. VI. Das Konkordat von 1856 Diese überregionale Regelung war eine Folge des Scheiteros der Bemühungen, den Schutz des Urheberrechts in der Bundesverfassung von 1848 zu verankern. Die Revisionskonferenz zur neuen Bundesverfassung hatte beantragt, den Schutz des literarischen Eigentums in die Verfassung aufzunehmen. Auf die Bemerkung, solche Spezialitäten gehörten nicht in eine Verfassung, wurde dieser Antrag aJ:>er zurückgezogen. Daraufhin beantragte der Kanton Genf auf der konstituierenden Tagsatzung, der Bundesversammlung möge in der Verfassung die Kompetenz zur Regelung des künstlerischen und literarischen Eigentums für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft eingeräumt werden. Dieser Antrag wurde des längeren beraten und mehrheitlich abgelehnt. Nunmehr trat Frankreich, das hinter dem Genfer Antrag stand, direkt an den Bundesrat mit der Forderung heran, einen Staatsvertrag über den gegenseitigen Schutz des geistigen Eigentums abzuschließen. Der Bundesrat sah wegen der fehlenden Kompetenz nur die Möglichkeit,
zs von Orelli (Fn. 21), S. 120.
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den Kantonen durch Kreisschreiben vom 21. Aprill852 und 3. Januar 1853 den Abschluß eines Konkordats zu empfehlen. Da sich dafür nur eine Mehrheit auf dem Gebiete des schriftstellerischen und künstlerischen Eigentums fand, wurde ein auf dieses Gebiet beschränkter Konkordatstext auf einer Konferenz in Bern vom 15. Juli 1854 erarbeitet und den Kantonen mit Kreisschreiben vom 7. August 1854 zur Unterzeichnung empfohlen. Das Ergebnis war kläglich. Nur zwölfeinhalb Kantone fanden sich zur Unterzeichnung bereit (Zürich, Bern, Uri, Nidund Obwalden, Glarus, Baselstadt und -land, Schaffhausen, Appenzell-Innerrhoden, Graubünden, Thurgau, Tessin, Waadt und Gent). Der Kanton Solothurn verzichtete auf eine Unterzeichnung mit dem Hinweis auf die von Bluntschli stammende Regelung in seinem Zivilgesetzbuch. Daraufhin trat die Regelung am 1. Januar 1857 als "Konkordat über den Schuz des schriftstellerischen und künstlerischen Eigenthums vom 3. Christmonat 1856" in Kraft 29 • Noch im selben Jahre schloß sich der Kanton Aargau an, 1862 folgte Appenzell-Außerrhoden und im Jahre 1867 der Kanton Schwyz. Zuletzt waren also 15 Kantone durch diese Vereinbarung verbunden. Ohne Urheberrechtsschutz blieben hingegen die Kantone Luzern, Zug, Freiburg, St. Gallen, Wallis und Neuenburg 30• Das Konkordat stimmte im Schutzobjekt sowie in den Bestimmungen über nicht schützbare Werke mit dem Entwurf Bluntschlis überein. Die Schutzdauer des Werkes umfaßte die Lebenszeit des Autors und "insofern er vor dem Ablauf des dreißigsten Jahres, vom Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung an, stirbt, so wirkt es für den Rest dieser Zeit noch fort zu Gunsten seiner Rechtsnachfolger (Erben oder Zessionare)" (Art. 2 Abs. 1). Anders als bei Bluntschli finden sich keine Vorschriften über anonyme oder pseudonyme Werke. Der Schutz ist auf Werke beschränkt, die in den Konkordatskantonen veröffentlicht wurden; für Bürger dieser Kantone reicht es aus, wenn sie die Bekanntmachung ihrer Autorenschaft und die Hinterlegung eines Exemplars bei der Regierung ihres Heimatkantons vornehmen. Bei den Sanktionen stand das Strafrecht im Vordergrund: Auf Anzeige des Berechtigten Geldbuße bis zu Fr. 1000,- und Konfiskation noch unverkaufter Exemplare zu Handen des Autors (Art. 5). Daneben konnte der Autor aber auch Entschädigung verlangen: "Der verletzte Autor oder sein Rechtsnachfolger ist außerdem berechtigt, eine Entschädigung anzusprechen, welche das Gericht nach Anhörung der Parteien nach freiem Ermessen bestimmt" (Art. 6). Um unterschiedliche Interpretationen des Konkordats durch die kantonalen Gerichte zu korrigieren, wurde als gemeinsame Oberinstanz gemäß Art. 90 Ziff. 2 der Bundesverfassung von 1848 der Bundesrat bestimmt. Gemäß Art. 8 konnte mit Zustimmung des jeweiligen Kantons der Schutz dieses Abkommens durch Staatsvertrag auch auf Werke aus Ländern ausgedehnt werden, die Gegenrecht Amtliche Sammlung der Bundesgesetze 5 (1857), S. 494 ff. Ernst Hefti: Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechts und die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1883, in: Hundert Jahre URG, Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen eines eidgenössischen Urhebergesetzes, hrsg. v. d. Schweizerischen Vereinigung für Urheberrecht, Bem 1983, S. 1-13, hier S. 6. 29
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hielten, und durch "mäßige Eingangszölle auf die Schöpfungen der Schweizerischen Literatur und Kunst den Debit derselben ermöglichen". Vergleicht man das Konkordat mit dem Schutzniveau dieser Zeit in Frankreich oder Deutschland, so kann man seine Regelungen nur als dürftig und unklar bezeichnen. Der Genfer Professor Charles Brocher, Referent für den Verlagsvertrag in der OR-Kommission von 1878, sprach von einer "source feconde d'obscurites et de conflits" 31 • Aus dem Kanton Zürich sind dazu z. B. die folgenden drei Urteile überliefert: Es wurde entschieden, daß es für die Feststellung einer Verletzung des ausschließlichen Veröffentlichungsrechts nicht erforderlich sei, eine Bereicherungsabsicht nachzuweisen 32, wie dies in Deutschland etwa im oben erwähnten Falle Schelling als erforderlich angesehen wurde. Das Höherlegen einer Singstimme um eine Quinte sei keine Bearbeitung, die ein neues Werk schafft, und ein Sammelwerk im Sinne des Gesetzes liege nur dann vor, wenn es durch seinen historischen, kritischen oder literarischen Charakter belehren will und die systematische Anordnung eine selbständige Tätigkeit des Herausgebers darstellt 33 • Im Gegensatz z. B. zu einem Stich handle es sich bei der fotografischen Reproduktion um ein rein technisches Verfahren, nicht um die Anfertigung eines neuen Originals 34• Trotz seiner Mängel stellt das Konkordat von 1856 für die Entwicklung des schweizerischen Urheberrechts einen gewissen Fortschritt in Richtung auf ein gesamtschweizerisches Urheberrecht dar 35 •
VII. Die Staatsverträge Als für alle ersichtlich wurde, daß für das Gesamtgebiet der Eidgenossenschaft gegenwärtig keine Einigung über einen Urheberrechtsschutz zu erzielen war, schloß Frankreich am 30. Oktober 1858 einen Gegenseitigkeitsvertrag mit dem Kanton Genf ab, nachdem der Bundesrat den Alleingang von Genf am 23. November 1857 genehmigt hatte 36• Die Bemühungen des Staatsratspräsidenten des Kantons Waadt, des späteren Bundesrats Paul Ceresole, diesen Vertrag auf alle welschen Kantone auszudehnen, scheiterten am Widerstand der betreffenden Kantone, obwohl auf die Vorteile ermäßigter Exportzölle Frankreichs sowie darauf hingewiesen wurde, daß schweizerische Autoren, die in Frankreich verbreitet werden wollten, nun die Druckereien in Genf bevorzugen würden 37• Als 31 Manfred Rehbinder: Hundert Jahre Verlagsvertragsrecht, in: Jubiläumsschrift Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, Freiburg 1982, S. 257 (259). 32 Zeitschrift für Kunde und Fortbildung der Zürcherischen Rechtspflege 12 (1863), s. 434. 33 Ebenda 13 (1863), S. 34 f. 34 Ebenda 14 (1864), S. 116 ff. 35 V gl. die Bewertung aus heutiger Sicht von Hefti (Fn. 31 ), S. 11. 36 Aloys von Orelli: Das Schweizerische Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst, Zürich 1884, S. 7.
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dann aber im Jahre 1863 die Schweiz in Verhandlungen mit Frankreich über eine Erneuerung des Handelsvertrages und Niederlassungsabkommens trat, nutzte Frankreich das dringende Interesse der Schweiz an einem solchen Abkommen, um ein Junktim zwischen diesem Abkommen und einem Abkommen über den gegenseitigen Schutz des geistigen Eigentums herzustellen. Die Schweiz fühlte sich zwar erpreßt 38, fand sich aber zu einer Regelung bereit, die den Franzosen auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft wenn auch nicht die Rechte nach französischem Urheberrecht, wie dies gefordert worden war, wohl aber dem Konkordat ähnliche Rechte einräumte. Diese Vereinbarung wurde am 30. Juni 1864 in Paris unterzeichnet und im September desselben Jahres von der Bundesversammlung zusammen mit dem gegenseitigen Handels- und Niederlassungsvertrag angenommen. Damit trat das französische Übereinkommen mit Genf von 1858 automatisch außer Kraft. Dieser Staatsvertrag mit Frankreich vom Jahre 1864 war nicht nur klar verfassungswidrig, da dem Bund die Kompetenz im Urheberrecht fehlte, er führte auch "zu der schreienden Ungerechtigkeit, daß die Franzosen vom September 1864 bis zum l. Januar 1884 (dem Inkrafttreten des ersten gesamtschweizerischen Urheberrechtsgesetzes) mehr Rechte in der Schweiz hatten als die eigenen Landeskinder"39. Denn die Ausländer konnten ein Urheberrecht auch in solchen Kantonen geltend machen, in denen für Schweizer Bürger kein Urheberrecht existierte, nämlich in den Kantonen Luzem, Zug, Freiburg, St. Gallen, Wallis und Neuenburg. Diese unhaltbare Situation führte zu erneuten Versuchen, dem Bund die Gesetzgebungskompetenz im Urheberrecht zu verschaffen. Das gelang aber erst im dritten Anlauf, nämlich im Jahre 1874, nach zweimaligem Scheitern in den Jahren 1866 und 1872. Gleichwohl schloß die Schweiz in der Folgezeit weitere Staatsverträge ab, und zwar mit Belgien am 25. April 1867, mit Italien am 21. Juli 1868, mit dem Norddeutschen Bund am 13. Mai 1869 sowie mit den Ländern Baden, Bayern, Württemberg und Hessen am 16. Oktober 1869. Letztere Verträge wurden in der Übereinkunft mit dem Deutschen Reiche vom 23. Mai 1881 zusammengefaßt 40 • 1882 wurde der Vertrag mit Frankreich durch einen neuen ersetzt. Nachdem aber mit der Annahme der neuen Bundesverfassung von 1874 die Gesetzgebungskompetenz für das Urheberrecht in die Hände des Bundes gelangt war (Art. 64), konnten endlich die Arbeiten auf Bundesebene an einem schweizerischen Urheberrecht beginnen. Der Vorsteher des für Urheberrecht zuständigen Handels- und Landwirtschaftsdepartements, Bundesrat Numa Droz, legte jedoch Hefti (Fn. 31), S. 9. 38 "In der Tat hatte es aber seine große Bedenken, daß die Kantone vermittelst eines Staatsvertrages mit einer auswärtigen Macht gezwungen werden sollten, ihre innere Gesetzgebung zu ändern und gewisse Vorschriften, sogar Strafvorschriften wider ihren Willen aufzustellen", von Orelli (Fn. 36), S. 10. 39 von Orelli, ebenda S. 14. 40 von Orelli, ebenda S. 8 ff. 37
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erst 1880 einen ersten Vorentwurf vor, und es dauerte noch bis zum 1. Januar 1884, bis das erste gesamtschweizerische Urheberrechtsgesetz, das Schweizerische Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst vom 23. April 1883, in Kraft trat 41 • Auch hier hatte also der Kantönligeist bewirkt, "daß sich die Eidgenossenschaft im Vergleich zu gewissen anderen europäischen Staaten in der Entwicklung des gesetzlichen Schutzes ... durchwegs mehr als ein halbes Jahrhundert im Hintertreffen befand" 42 • Im Zeitraffer ergibt sich für die schweizerische Urheberrechtsentwicklung damit folgendes Bild: 1738: Theoretische Begründung des Urheberrechts mit Hilfe der Lehre vom geistigen Eigentum durch Thurneysen in Basel. 1835: Erstes kantonales Urheberrechtsgesetz (Tessin). 1856: Zwei Drittel der Kantone werden von einem Konkordat erfaßt. 1864: Frankreich eröffnet die Reihe der Staatsverträge, die den Ausländern einen Schutz auf dem gesamten Gebiet der Eidgenossenschaft einräumen. 1884: lokrafttreten des ersten gesamtschweizerischen Urheberrechtsgesetzes.
41 Siehe dazu den Kommentar von Aloys von Orelli sowie aus heutiger Sicht die Festschrift Hundert Jahre URG, Bem 1983 (Fn. 30). 42 So Hefti (Fn. 30), S. 8.
Zu den piemontesischen Ursprüngen des italienischen Urheberrechts Von Luigi Carlo Ubertazzi
I. Man hat mir aufgetragen, über die Ursprünge des italienischen Urheberrechts zu referieren. Dieses Thema ist sicherlich faszinierend und lädt dazu ein, es zu erforschen. Und dies beginne ich hier. Es scheinen mir aber einige Vorbemerkungen nötig, um das Thema zu umschreiben und den Zugang zu meinen Überlegungen zu erleichtern. Meine Arbeit ist nicht die eines Berufshistorikers, sondern nur die eines Rechtspositivisten, der neugierig ist auf die Vergangenheit. Dies sage ich vor allem deshalb, weil ich nicht dieselbe minutiöse Tatsachenkenntnis und nicht dasselbe Bewußtsein für die Kulturen anderer Zeiten besitze, wie ein professioneller Historiker; ich sage dies auch deshalb, weil die Sicht eines Rechtspositivisten der eines Historikers entgegengesetzt ist, denn letzterer geht von der Vergangenheit aus und schreitet mit der Geschichte fort, um ihre Entwicklung zu erfassen, während der Positivist aus der Gegenwart in die Vergangenheit blickt und leichter Gefahr läuft, die heutigen Interpretationsschemata auf die Vergangenheit zu übertragen. Die Geschichte des italienischen Urheberrechts ist überdies ein weites Feld und noch weitgehend unerforscht. Auch deshalb werde ich nur über einen bestimmten Abschnitt dieser Geschichte referieren, und diesen habe ich (teilweise) auch bewußt im Gegensatz zu Inhalt und Linie der früheren Studien zur Geschichte des italienischen Urheberrechts gewählt. Solche Arbeiten haben sich nämlich bis heute - wenn ich recht sehe - auf einige Staaten und Epochen begrenzt, und zwar behandeln sie die venezianischen und Mailänder Ursprünge der Drukker- und Verlagsprivilegien, um dann auf die ministeriell-parlamentarischen Arbeiten "überzuspringen", welche nach der Vereinigung Italiens zum Urhebergesetz von 1865 geführt haben. Im übrigen beziehen sie sich besonders auf die Entstehung des modernen angelsächsischen Urheberrechts mit seinem "case of monopolies" und dem Statut der Königin Anne, sowie auf den Übergang vom französischen "Ancien Regime" zu den revolutionären und napoleonischen Erlassen zum Urheberrecht, um sodann am Ende des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert zu den dogmatischen Konstruktionen Stellung zu beziehen, die 6 Wadle
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von der deutschen "Pandettistica" und Rechtslehre geboten wurden. Nur wenige, oft nur andeutende Zitate gelten hingegen der italienischen Gesetzgebung vor der Einigung, also dem früheren 19. Jahrhundert, oder speziell dem Übergang vom System der Privilegien zum modernen italienischen Urheberrecht. All dies mag viele Gründe haben. Es kann u. a. herrühren aus der unvollständigen Lektüre der heutigen Juristen, welche die politisch-literarischen Debatten des vorigen Jahrhunderts über die Notwendigkeit des Urheberrechts außer Acht lassen; es kann auch zurückgehen auf den Einfluß, den (zuerst und) für lange Zeit die französiche Exegetik des 19. Jahrhunderts und (später) die deutsche Dogmatik des 20. Jahrhunderts auf die italienische Rechtslehre gehabt haben, und vielleicht auch auf die Bestrebungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein neues Italien zu errichten und die Rechtsordnungen der Staaten vor der Vereinigung möglichst mit Schweigen zu übergehen. Sicher ist jedenfalls, daß auf diese Weise viele Aspekte der Geburtsstunde des italienischen Urheberrechts im Schatten bleiben; dieses wird erst erfaßt und kommentiert, nachdem seine Struktur in beständiger Form durch das Urheberrechtsgesetz geformt war, das 1865 "en bloc" mit den anderen Gesetzen zur juristischen und verwaltungsrechtlichen Einigung des savoyischen Königreichs Italien erlassen wurde. Diese Umstände haben mich inspiriert, die im Schatten liegenden Gebiete zu ergründen und auf einige Momente in der Entwicklung vom System der Privilegien im Königreich Sardinien zum modernen Urheberrecht einzugehen.
II.
Im 18. Jahrhundert war es der savoyischen Dynastie gelungen, ihre eigenen Staaten zu festigen und zu erweitern. Mit den Frieden von Utrecht ( 1713), Rastau (1714) und Aachen (1748) erhielt sie das Monferrato und schob die Ostgrenze des Reiches bis an den Fluß Ticino, insbesonders aber wurden ihr Sardinien und damit Königstitel und -würde zugestanden. Die Savoyer präsentierten sich im 18. Jahrhundert als eine aufgeklärte Monarchie, als eine der ersten, die eine Neuordnung und Vereinfachung der eigenen Gesetzgebung einführte, und zwar durch die Verfassungen von 1723 und 1729 von Vittorio Amedeo li. und mit den folgenden des Jahres 1770 von Carlo Emanuele III. In den savoyischen Staaten hatte die industrielle Revolution noch nicht eingesetzt, die Wirtschaft war nach wie vor von merkantilistischen Mustern und von Innungen und Zünften geprägt. Es fehlte allerdings eine Druckerzunft und mehr noch eine Vereinigung der Urheber. Die Druckertätigkeit und generell die Verwertung der Werke der Autoren konnte daher nur innerhalb der Grenzen der einzelnen Verlags- oder Literaturprivilegien vorbehalten werden. Die Verlagsprivilegien waren ohne Zweifel die ersten, welche von den Savoyern erteilt wurden; sie waren überdies zahlreicher und wirtschaftlich bedeuten-
Zu den piemontesischen Ursprüngen des italienischen Urheberrechts
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der als Literaturprivilegien und sie überlebten länger. Sie gewährten den staatsansässigen Druckern eine weitgehende und exklusive Druckertätigkeit Damit lehnen sich die Verlagsprivilegien an jene zeitgenössischen Privilegien für Manufakturen oder Bergbau an, sind aber noch weit von dem modernen Modell des Urheberrechts im Sinne einer Verwertung geistiger Werke entfernt. Dennoch lohnt es sich, sich mit ihnen näher zu beschäftigen. Einerseits deshalb, weil es gerade die Exklusivrechte der Buchdrucker waren, die das Aufkommen der physiologisch entgegengesetzten Privilegien der Urheber blockierten. Und andererseits, weil (auch) das System der savoyischen Verlagsprivilegien einen nicht geringen Teil des rechtlichen Instrumentariums hervorgebracht hat, auf das dann das moderne Urheberrecht zurückgreifen konnte; und zwar erzeugte es sie u. a. insoweit, als die Privilegien das Schema des ius excludendi alios prägten und verfeinerten und die Sanktionen der Einziehung sowie der Überlassung des Eigentums vorsahen, welches dann das Urheberrecht des italienischen Königreichs übernehmen sollte. Verweilen wir daher bei den savoyischen Verlagsprivilegien. Diese haben eine lange Geschichte: sie hat - wenn ich es richtig sehe - in dem am 30. Juni 1562 erteilten Privileg Emanuele Filibertos an den Drucker Leonardo Torrentino ihren Ursprung und endet mit dem letzten für die Dauer von 25 Jahren erteilten Patent Carlo Albertos vom 29. März 1836 für die königliche Druckereigesellschaft Im Gegensatz zur Republik Venedig, die seit Anfang des 15. Jahrhunderts einige "parti" [Verordnungen] einführte, die generell die Verlagsprivilegien ex ante regelten, hätten die savoyischen Staaten nie eine allgemeine Regelung jener eingeführt, wenn nicht am Ende ihrer Entwicklung Carlo Felice die königlichen Patente vom 28. Februar 1826 Nr. 1829 erlassen hätte über die erteilten und erteilbaren Privilegien an "gli autori di ritrovamenti atti a promuovere od a perfezionare qualehe ramo di industria, coloro ehe primi introdurranno nei nostri stati utili invenzioni straniere, e gli editori di opere, ehe ci constera di essere degne" [Urheber von Erfindungen, die darauf hinzielen, irgendeinen Industriezweig zu fördern oder zu verbessern, an jene, die als erste nützliche Erfindungen aus dem Ausland in unsere Staaten einführen, und an Verleger von Werken, die uns würdig erscheinen] (Art. 1). Zwischen dem Privileg für Leonardo Torrentino und jenem von 1836 für die königliche Druckereigesellschaft wurden viele weitere erlassen; die meisten Verlagsprivilegien wurden in den "registri Patenti controllo Finanza" [Patentregistern zur Finanzkontrolle] der savoyischen Kanzlei eingetragen. Viele wurden später, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in Turin von der Druckerei Arnaldi wieder veröffentlicht 1• Noch später, ·im Jahre 1836, wurden die zehn wichtigsten Verlagsprivilegien in Mailand veröffentlicht 2 • Diese I Im Buch XVI Vol. XVIII der "Raccolta Per Ordine di Materia delle Leggi, Editti, Patenti, Manifesti etc. emanate negli Stati di Terraferma sino all' 8 dicembre 1798 dai Sovrani della Real Casa di Savoya compilata dall 'avvocato Felice Amato Duboin membro della Regia Deputazione sopra gli studi di storia patria e della Reale Accademia di Agricultura di Torino".
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Schrift wurde von Pomba bei Brofferio 1835 in Auftrag gegeben, um im Jahre 1836 die Vergabe des Druckerprivilegs an die königliche Druckereigesellschaft zu verhindern, was ihnen aber nicht gelang. Die Schrift von Brofferio wurde von der savoyischen Zensur erfaßt und dem Staatsarchiv überstellt; erst 1876 konnte sie von Pomba publiziert werden. Die Druckerprivilegien, die so wiederveröffentlicht wurden, bieten ein interessantes Zeugnis der Entwicklung und der schrittweisen Standardisierung einiger Klauseln, die unsere Materie näher betreffen. Betrachten wir speziell die fünf aufeinanderfolgenden Privilegien, die der königlichen Druckereigesellschaft am 9. Juli 1740, am 21. Juli 1769, am 7. Oktober 1778, am 16. Januar 1816 und am 29. März 1836 gewährt wurden. Ihre Lektüre, und speziell jene der Privilegien des 18. Jahrhunderts, könnten mehr als nur einen Anstoß geben, um die Studien zur Geschichte der Aktiengesellschaften auch auf die italienischen Staaten vor der Vereinigung auszuweiten, nachdem diese Studien normalerweise die Kolonialgesellschaften Frankreichs, Hollands und Englands behandeln. Auf der eigentlichen Ebene der Privilegien scheinen einige der Dokumente des 18. Jahrhunderts noch eine patrimoniale Auffassung des Staates auszudrükken. Hier signalisiert schon die Klausel 2 des Privilegs von 1769 bezüglich der "grazia e privilegi" [Gnade und Privilegien], daß der König von Sardinien "accorda laddimandata avocazione e commissione alla Camera dei Conti perle questioni ehe potessero insorgere sull'osservanza delle presenti grazie e privilegi" [der Rechnungskammer die Übernahme und Bearbeitung jener Angelegenheiten zugesteht, die sich aus der Beachtung der gewährten Gnade und Privilegien ergeben könnten]; diese Klausel wurde in den Privilegien von 1788 (Art. 2) und 1836 (Art. 3) im wesentlichen wiederholt. Weiter signalisiert der erste Teil des ersten Titels des 6. Buches der beiden savoyischen Verfassungen von 1729 und 1770, welcher der "giurisdizione della Camera" [Zuständigkeit der Kammer] gewidmet ist, daß "la Camera Nostra de'Conti avra Ia cognizione di tuttele Cause concernenti il Demanio, il Patrimonio Nostro si per la conservazione, e difesa, ehe per Ia reintegrazione di esso" [unsere Rechnungskammer die Zuständigkeit für alle Fälle betreffend den Staatsbesitz und unser Vermögen hat, sei es für dessen Erhaltung, Verteidigung oder Wiederherstellung]. Diese patrimoniale Grundauffassung des Staates wird von einer merkantilistischen Grundhaltung der Regierung getragen; sie sieht in den Verlagsprivilegien, die der königlichen Druckerei erteilt wurden, ein Instrument, das es ermöglicht, in die savoyischen Staaten Arbeitstechniken einzuführen, die es erlauben, entsprechende berufliche Erfahrungen zu sammeln und der öffentlichen Hand bestimmte 2 In: Cenni storici intomo all'arte tipografica e suoi progressi in Piemonte dall'invenzione della stampa sino al 1835 dettati dall'avv. Angelo Brofferio giusta Ia memoria ed i documenti somministratigli da! tipografo, editore e libraio Giuseppe Pomba e da questo ora pubblicati.
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Produkte einem (wie man heute sagen würde) minutiös artikulierten "Leistungsverzeichnis" gemäß zur Verfügung zu stellen. Während das Privileg formaljuristisch sicherlich ein souveräner Akt ist, scheint es von seinem Inhalt her wenigstens teilweise eine vertragliche Konzeption aufzuweisen. Diese Konzeption kommt schon in jener Anfrage zum Vorschein, die zu dem Privileg von 1728 an den Drucker Giovanni Battista Chais führte; er verpflichtete sich, beginnend bei Punkt 6 seiner Bittschrift, bestimmte Leistungten zu erbringen "pour reconaissance des privileges que j'espere que Votre Majeste aura Ia bonte m'accorder" (Art. 6). Und die vertragliche Konzeption wird noch deutlicher im Privileg für die königliche Druckerei in Turin zum Ausdruck gebracht. So nämlich, daß Ignazio Gaetano Favetti schon in der Anfrage zur Erteilung des Privilegs vom 9. Juli 1740 "spera ehe Ia clemenza di V. M. si compiacera di farle provare gli effetti della sua generosa protezione con accordarle Je grazie ed i privilegi a pie del presente Memoriale espressi, come indispensabili per l'introduzione, progresso ed aumento di un'Opera cosl insigne ricevendo a buon grado nell'istesso tempo le obbligazioni ehe in correspettivita de' medesimi m'incarico eseguire sl a nome proprio, come parimenti della Societa futura" [hofft, daß es der Güte seiner Majestät gefiele, die Auswirkungen ihres großzügigen Schutzes genießen zu lassen, indem Sie ihm die Gnade und die Privilegien zugestehe, die am Ende dieser Bittschrift angeführt und unerläßlich für den Beginn, die Weiterführung und Erweiterung dieses so lehrreichen Werkes sind, andererseits aber im gleichen Moment die Verpflichtungen als Gegenleistung annimmt, die zu erfüllen ich in meinem Namen und in jenem der zukünftigen Gesellschaft mich antrage]. Die hier betrachteten Privilegien garantierten jeweils ein Monopol in der Druckertätigkeit Der Umfang dieses Monopols war aber nicht immer gleich. Mit dem Privileg von 1740 für die königliche Druckerei "S. M. accorda Ia chiamata privativa sia per tutto cio ehe si stampa a spese del suo Erario, come anche per quello ehe si stampa per servizio dell 'Universita, e cosl pure per tutti que' Libri, ehe il Magistrato della Riforma dichiarera necessari, sl per uso di detta Universita, ehe per uso delle Regie Scuole" [gewährt Ihre Majestät die Alleinberechtigung, sei es für all das, was auf Rechnung der Staatskasse, wie auch für das, was für den Gebrauch der Universität gedruckt wird, und so auch füralldie Bücher, die der Magistrat für die Reform als notwendig erklärt, sowohl für den Gebrauch an der Universität als auch an den königlichen Schulen]. Und das Privileg von 1769 für die königliche Druckerei gewährte "Ia dimandata proibizione per Ia stampa e la introduzione negli Stati di qua da'monti e dal mare per li libri sia di privativa ragione, ehe non tanto impressi ehe da imprimersi dalla Stamperia Reale volendo ehe detta proibizione debba considerarsi assoluta, senza ehe si possa allegare alcun pretesto anche di forma, e materia diversa, o di aggiunta o di annotazione" [das Verbot des Drucks und der Einfuhr von Büchern in die Staaten zu Land und zu Wasser, handle es sich um private Gründe
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oder gehe es um Bücher, die die Königliche Druckerei gedruckt hat oder drucken wird, in dem Willen, daß das genannte Verbot absolut eingehalten wird, ohne daß irgendein Vorwand geltend gemacht werden kann, er betreffe die Form oder die Änderung oder Ergänzung der Materie oder ihre Anmerkungen]. Das Privileg von 1740 regelt auch das Verhältnis zu den früheren Privilegien, die noch in Kraft waren; es erklärt, daß "S. M. vuole pero ehe quegli Stampatori e Librai, i quali hanno ottenuto da Iei un qualehe privilegio per la Stampa di detti libri" (d. h. die dem Privileg für die Königlichen Druckereien unterstehen) "ne debbano gioire per il tempo ehe sara loro stato accordato, ed ove ei fosse indefinito per lo spazio, di anni 10 in avvenire, passati i quali s'avra senz'altro per rivocato" [Seine Majestät jedoch will, daß diejenigen Drucker und Buchhändler, die von ihr irgendein Privileg für den Druck der besagten Bücher erhalten haben, sich dessen für die Zeit bedienen sollen, für die es ihnen zugebilligt wurde, und wann immer jene Dauer unbestimmt sein sollte, für den Zeitraum der kommenden zehn Jahre, nach denen sie ohne weiteres wiederrufen sind]. Dementsprechend sicherte das Privileg, das 1836 der königlichen Druckerei erteilt wurde, jene Exklusivrechte zu, die einigen Urhebern aufgrund des Art. 18 des königlichen Patents vom 28. Februar 1826 Nr. 1899 von Carlo Felice zugestanden worden waren; überdies sah § 22 des "Regolamento pel Privilegio della Societa della Stamperia Reale" [Verordnung für das Privileg der königlichen Druckereigesellschaft] vor, daß in deren Ausschlußrecht folgende Werke "sono esclusi: I. i trattati d'opera qualunque, per cui spetti agli autori il diritto esclusivo di stampa, e vendita, a termine dell'art. 18 delle regie patenti 28 febbraio 1826, se, e fintanto ehe tale diritto realmente loro appartenga" [ausgeschlossen sind: I. Die Werke, für die den Urhebern das Exklusivrecht des Drucks und des Verkaufs nach der Vorschrift des Art. 18 des königlichen Patents vom 28. Februar 1826 zusteht, wenn und solange ihnen das Recht effektiv gehört]. Vorgänger einiger Normen des modernen Urheberrecht sind schließlich bestimmte Klauseln der Privilegien des 18. Jahrhunderts, die sich auf den Verkehr von Büchern beziehen, die unter Verletzung der Privilegien gedruckt worden sind, oder auf die Sanktionen solcher Verletzungen. Hier sah tatsächlich schon Art. 9 des Teils "grazie e privilegi" des Privilegs von 1769 vor, daß "Ii contravventori incorreranno nella pena della perdita dei libri applicabili alla stessa Societa" der königlichen Druckerei "bene inteso pero ehe riguardo all'introduzione si abbia solamente per vietata quella ehe si facesse per ragione di traffico o di particolare commercio, e non gia di qualehe copia per privato uso" [die Verletzer der Strafe des Verlustes der Bücher an dieselbe Gesellschaft verfallen, wohlverstanden jedoch, daß in Bezug auf die Einfuhr nur jene zu verbieten ist, die zum Zweck des Verkaufs oder speziellen Handels erfolgte und nicht jene von Kopien für den privaten Gebrauch]. Dieselbe Regel ist wörtlich in die Klausel 9 der "grazie e privilegi" des 1788 der königlichen Druckerei erteilten Privilegs übernommen; wirkte vielleicht als Vorgängerinder Artt. 394 und 396 des albertini-
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sehen Strafgesetzbuches von 1839 und der Artt. 31- 32 des Urheberrechtsgesetzes von 1865. Später wurde sie auch von Art. 29 des Privilegs von 1836 für die königliche Druckerei übernommen, nachdem "il tipografo, introduttore, o Libraio Ritentore" [der Drucker, Einführer oder Buchhändler] von Büchern, die unter Verletzung des Ausschlußrechts produziert oder eingeführt wurden "incorrera la perdita della totalita degli esemplari, applicabili a pro della Regia Tipografia, e pronunciabile dal Magistrato della Regia Camera" [der Gesamtheit der Exemplare zu Gunsten der königlichen Druckerei verlustig gehen sollte, und zwar durch Urteilsspruch des Magistrats der königlichen Kammer].
111. Die Privilegien, die der königlichen Druckereigesellschaft erteilt wurden, waren ohne Zweifel Verlagsprivilegien. Schwieriger ist es allerdings, die vielen anderen Privilegien einzuordnen, die von den Savoyern zugestanden wurden. Da sind einerseits Druckerprivilegien, die einen unterschiedlichen Inhalt aufweisen; oft sind sie auf einzelne Werke, z. B. auf die Veröffentlichung von Werken der klassischen griechischen und lateinischen Antike beschränkt; so das Privileg vom 18. August 1739 an die Drucker Pietro Giuseppe Zappata, Francesco Bernardo Bertolero e Pio Francesco Mairesse. Anderere Privilegien werden wieder an Drucker erteilt, jedoch für Almanache und "gazzette" [Zeitungen], so die Privilegien von 1724, 1741, 1762 und 1781 bezüglich des Almanacco Palmaverde, von 1738 und 1747 bezüglich des Almanacco Astrologo di Valserena, von 1780 und 1793 bezüglich des Almanacco Reale o sia Guida di Torino, von 1790 bezüglich des Almanacco georgico, von 1772 bezüglich einer politischen Gazzette aus Nizza, und von 1793 bezüglich der Gazzetta detta il Giornale di Torino. Schließlich wird eine dritte Gruppe von Privilegien für einzelne Werke direkt an Urheber oder deren Erben erteilt; diese sind natürlich in die Kategorie der Literaturprivilegien einzuordnen. Betrachten wir letztere genauer. Die "registri Patenti controllo Finanze" bezeugen, daß von diesen Privilegien zwischen 1707 und 1796 mindestens 19 erteilt wurden. Und diese bieten uns einen interessanten Einblick in die Welt der Urheber des Königreichs Sardinien im Jahrhundert vor der Französischen Revolution. Die savoyischen Literaturprivilegien wurden an einen kleinen Kern von Berufsintellektuellen erteilt, unter ihnen wiederum nur, und in quantitativ abfallender Reihenfolge, an einige Priester, Ärzte, Architekten, Notare, Rechtsanwälte und Musiker, von denen manche auch Professoren an der Universität Turin waren. Die savoyischen Literaturprivilegien des 18. Jahrhunderts betreffen einen noch begrenzten Kreis von Werken, und zwar vor allem Wörterbücher, Übersetzungen von antiken lateinischen Klassikern oder von modernen französischen Werken, Bücher für Studenten, nützliche Werke für Berufstätige, geographische Karten und touristische Führer. Dies alles spricht dafür, daß den savoyischen Literaturpri-
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vilegien eine geringere Bedeutung zukam, die sicherlich dem kulturellen Niveau und der Größe des savoyischen Staates nicht gerecht wurde. Dieses Mißverhältnis mag mehrere Gründe haben. Einer davon ist sicherlich das System der Verlagsprivilegien, welches sehr wahrscheinlich der königlichen Druckergesellschaft und den anderen privilegierten Druckern eine Vorrangstellung auf dem savoyischen Büchermarkt einräumte. Ein anderer Grund war die Einfuhr von literarischen Werken aus dem Ausland, darunter auch der Werke von savoyischen Schriftstellern, wie beispielsweise jene des Piemontesers Vittorio Alfieri, der vor allem in Siena und Paris publizierte. Die savoyischen Literaturprivilegien des 18. Jahrhunderts gleichen noch weitgehend den merkantilistischen Verlagsprivilegien. Auch sie werden durch einen unüberprüfbaren und freien Akt des Herrschers zugestanden. Dieser erteilt ebenfalls ein ausschließliches Recht; es hat aber im Falle des Literaturprivilegs nur ein einzelnes Werk und nicht eine weitläufige Druckeraktivität zum Inhalt. Das Exklusivrecht, das mit derErteilungder savoyischen Literaturprivilegien verbunden ist, umfaßt "stampare, ristampare, ed ancorche altrove stampata introdurre, e vendere" [drucken, neudrucken, die Einfuhr auch des anderswo Gedruckten und das Verkaufen] des Werkes in den savoyischen Staaten (so das Privileg vom 7. März 1720 an Gioanni Derossi). Die Dauer des Privilegs ist verschieden, von 4 bis 5,10, 15 und 20 Jahren. Die Sanktionen im Falle einer Verletzung sind auch hier "Ia pena della perdita de'libri, i quali cederanno al Supplicante e di Scudi 50 al Fisco nostro applicandi per ogni contravvenzione" [die Strafe des Verlustes der Bücher, die dem Antragsteller ausgehändigt werden, und 50 Dukaten unserem Fiskus für jede Zuwiderhandlung] (so das Privileg vom 13. August 1786 an den Rechtsanwalt Domenico Alberto Azuni); die zuletzt genannte Summe ist ab und zu verschieden und wird im Privileg von 1720 an Gioanni Derossi aufgeteilt wird "per un terzo al Fisco Nostro, altro terzo all 'Esponente e suoi heredi in mancanza di esso, ed il restante al denunciante" [ein Drittel unserem Fiskus, ein weiteres Drittel dem Exponenten (=privilegierter Urheber) oder, falls schon verschieden, seinen Erben, und den Rest dem Denunzianten]. Und in einigen Fällen schreiben die Literaturprivilegien den Urhebern die Hinterlegung einiger Exemplare des gedruckten Werkes vor (so in den Privilegien von 1707, von 1721, von 1731 und von 1734), oderverlangen vom Urheber, daß er "consegni i rami, stampate ehe ne avra le copie" einer gegebenen "carta geografica de nostri stati" [die Kupferplatten einer geographischen Karte unserer Staaten aushändige, nach denen er seine Kopien gedruckt hat] (so im Privileg 10. November 1778 an den Priester Francesco De Caroli). Die Ratio, die politischen Motive für die Erteilung der Literaturprivilegien sind in den offiziellen Dokumenten nur angedeutet. Diese lassen zwei verschiedene Konzeptionen erkennen. Der Urheber trägt natürlich die "spese e fatiche dell'autore fatte in detti libri" vor [die Spesen und die Mühen, die sich der Urheber um diese Bücher macht] (so das Bittgesuch zum Privileg vom 3. April 1734 an den Notar Gianandrea Rostagni della Bollena); der Autor ersucht um
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das Privileg "al termine del suo lavoro, e per non restar privo del frutto d'un cosl lungo travaglio" [am Ende seiner Arbeit, um nicht ohne Lohn einer so langen Mühe zu sein] (so im Privileg 10. November 1778 an den Priester Francesco De Caroli). Der König aber erteilt das Privileg "in riflesso non tanto delle fatiche e delle spese in cio dal medesimo consumate, quanto ancora del vantaggio ehe puo derivarne al pubblico" [nicht nur in Hinsicht der Mühen und Spesen, die derselbe ertragen hat, sondern aufgrund des Vorteils, der dem Publikum dadurch zuteil wird] (so wiederum im Privileg 29. Juli 1798 an Carlo Giovanni Testori). Damit zeigen die Bräuche der savoyischen Kanzlei an, daß sie bei der Verleihung die Literaturprivilegien, zumindest in formaler Hinsicht, die merkantilistischen Ansichten teilte, die auch den Verlagsprivilegien eigen waren.
IV. So stellte sich das savoyische Privilegiensystem kurz vor Beginn der Französischen Revolution und des Einfalls der napoleonischen Heere in Italien dar. Diese Ereignisse nun erschütterten die savoyischen Staaten zutiefst; Frankreich annektierte zuerst Savojen und Nizza im Jahre 1792 und kurz danach auch Piemont im Jahre 1802, während die Savojer flüchteten und unter dem Schutz der britischen Flotte lediglich Herrscher von Sardinien bleiben konnten. Von hier kehrte Vittorio Emanuele I, beflügelt durch das Österreichische Heer, nach Turin zurück und annektierte aufgrund des Friedens von Wien die alte Republik Genua. Dies alles geschah im Rahmen des Zeitalters der Restauration. Schon die ersten Akte der Restauration sind bezeichnend. "II generale in capo della grande armata alleata, il maresciallo principe di Schwarzenberg" [Der kommandierende General der großen alliierten Armee, Feldmarschall Fürst von Schwarzenberg] veröffentlichte am 25. April 1814 eine "dichiarazione agli abitanti di terraferma di S. M. il re di Sardegna al di la delle Alpi e del contado di Nizza" [Deklaration an die Bewohner Seiner Majestät des Königs von Sardinien im Festland über den Alpen und im Herzogtum Nizza], in der er alle aufforderte, an ihrem Platz zu bleiben, und versicherte, daß "Ia memoria delle cose passate non deve inspirarvi verun timore, veruna inquietudine: tutto edimenticato" [die Erinnerung der vergangenen Dinge keine Angst und keine Besorgnis einflößen dürfe: alles ist vergessen]. Sofort danach erklärte das königliche Edikt vom 21. Mai 1814 von Vittorio Emanuele, daß "abbiamo quest'oggi considerato, ehe il sistema gia stabilito dai Reali nostri Predecessori nelle pubbliche Amministrazioni e nei Dicasteri sl politici e militari, ehe economici e giuridici, sia quello ehe l'esperienza delle cose nel corso di piil secoli ha dimostrato il piil proprio e confacente alla constituzione del Paese, ai costumi, alle consuetudini degli abitanti, ed al bene generale dello Stato, ed abbiamo percio determinato di tosto ristabilirlo, sul piede intanto, in cui era prima dell'epoca della rivoluzione, riservandoci poi di farvi quelle variazioni, ehe dopo un piil maturo esame Ci risulteranno adattate ai tempi ed
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alle circostanze" [wir heute erwogen haben, daß das von unseren königlichen Vorgängern eingeführte System in der öffentlichen Verwaltung und den Ministerien, seien sie politisch oder militärisch, wirtschaftlich oder juristisch, dasjenige sei, das aufgrund der Erfahrung im täglichen Leben im Laufe von mehreren Jahrhunderten sich als das richtige und geeignetste für die Beschaffenheit unseres Landes erwiesen hat, für die Bräuche und Gewohnheiten der Einwohner und allgemein für das Wohl des Staates; deshalb haben wir entschieden, es sofort wieder einzuführen in seiner Form, wie es vor der Epoche der Revolution war, unter dem Vorbehalt, dann diejenigen Änderungen vorzunehmen, die Uns nach reifer Überlegung den Zeiten und Umständen gemäß angebracht erscheinen]. Damit wurde die gesamte Ordnung der Epoche vor der Revolution wieder hergestellt. Tatsächlich setzte schon das Edikt vom 21. Mai 1814 die königliche Verfassung von 1770 wieder in Kraft. Unter Bezug auf dieses Edikt erklärte das Manifest vom 10. August 1814 des Consolato di S. M. sui cambi, negozi ed arti in Torino sedente [Konsulats Seiner Majestät für Wechsel, Geschäfte und Zünfte mit Sitz in Turin] "ristabilite tutte le Universita de'Mastri di qualunque arte erette per addietro dai Reali nostri Sovrani" [daß es alle Meisterzünfte jedweder Künste wiedereinführt, die einst von unseren königlichen Herrschern errichtet worden waren]. Und die Regierung führte auch die vorrevolutionäre Politik der Privilegien fort, dies ging so weit, daß der Regierungsakt 301 I 1816 das Privileg für die königliche Druckerei bestätigte und bis ins Jahr 1835 verlängerte, während 1836. die königlichen Patente 134 I 1836 der königlichen Druckerei ein neues und letztes Druckprivileg bis 1860 erteilten.
V. Ende der zwanziger Jahre begann das Königreich Sardinien eine tiefgreifende Umgestaltung und entwickelte sich zum Modell eines liberalen Staates des 19. Jahrhunderts. Diese Umgestaltung kam natürlich nicht plötzlich, sondern verlief während einer längeren Zeitspanne; sie gipfelte im Erlaß des Albertinischen Statuts von 1848, welches das Königreich Sardinien in einen Verfassungsstaat "retto da un governo monarchico rappresentativo" [regiert von einer monarchischen, repräsentativen Regierung] (Art. 2) umgestaltete. Die Anfange dieser Neuordnung wurden für eine Weile vom Fortbestehen und vielleicht sogar von einer Verstärkung früherer Tendenzen begleitet, solange die savoyische Zensur als Kontrolle über liberale Ideen bestand und mit den "Lettere patenti" 13 I 1833 von Carlo Alberto noch verschärft wurde. Erste Anzeichen für eine Trennung beider Materien wurden in den königlichen Patenten 1899 I 1826 von Carlo Felice "in materia di privilegi esclusivi" [bezüglich der Exklusivprivilegien] sichtbar. Sie lösten endgültig die Urheberrechte vom System der Privilegien los und gaben diesen zugleich eine umfassende Neuordnung, die allerdings an den Privilegien als souveränen Verfügungsakten und als Ausdruck einer patrimonialen und mer-
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kantilistischen Staatsauffassung festhielten. Auf die nur teilweisen Fortschritte der königlichen Patente von Carlo Felice folgte dann eine Neugründung des gesamten savoyischen Rechts. Nachdem der "alte" Codice Feliciano von 1827 nur in Sardinien in Kraft getreten war, wurden ab 1831 die ersten modernen Gesetzbücher für die gesamten sardischen Staaten vorbereitet und erlassen; in rascher Folge wurden 1837 das Bürgerliche Gesetzbuch (in weiten Teilen dem Code Napoleon nachgeahmt), 1839 das Strafgesetzbuch, 1842 das Handelsgesetzbuch, 1847 die Strafprozeßordnung und 1854 die Zivilprozeßordnung verabschiedet. Der Übergang des Staates zu den liberalen Ideen wurde schließlich mit den königlichen Patenten 453 I 1844 von Carlo Alberto, die Innungen und Zünfte abschafften, vollendet; es folgten der Erlaß des albertinischen Statuts im März 1848 und des ersten sardischen Pressegesetzes im selben Monat März 1848, das die zivile Zensur abschaffte und die Regel des Art. 28 des albertinischen Statutes einführte, wonach "la stampa sara libera, ma una !egge ne reprime gli abusi" [die Presse frei sein wird, aber ein Gesetz deren Mißbrauch unterbindet]. Das Jahrzehnt zwischen dem ersten und dem zweiten sogenannten Unabhängigkeitskriege gegen Österreich in den Jahren 1848 und 1860 erlebte das wirkliche Aufblühen eines politisch-ökonomisch liberalen Systems: mit der Einleitung der Industrialisierung in Piemont und dem Einfluß der ersten, modernen sardischen Patent- und Warenzeichengesetze im Jahre 1855. Das Urheberrecht übernahm in dieser Zeit weithin die Rolle eines Vorreiters des modernen italienischen Gewerblichen Rechtsschutzes. Einen ersten Kern des neuen sardischen Urheberrechts bildeten die felicianischen Regeln von 1826. Dieser Kern konsolidierte sich nach und nach; bereits 1855 erlebte er einen Höhepunkt, als das subalpine Parlament die sardischen Warenzeichen- bzw. Erfindungspatentgesetze erließ. Die Vorreiterrolle des Urheberrechts ist andererseits leicht erklärbar, wenn man bedenkt, daß es die Intellektuellen des Reiches schützen sollte und daher vom fortschrittlichen Flügel der Urheber und Verleger ersehnt wurde; diese Kreise zogen sicherlich einen neuen moderaten Liberalismus der alten österreichisch-sardischen Restauration vor. In seinen Ursprüngen und in seinem Wachsen entwickelte sich das neue savoyische Urheberrecht in zwei Richtungen. Die. erstere war die Bildung eines eigenen nationalen Rechts. Sie gründet in den königlichen Patenten von Carlo Felice vorn 28. Februar 1826 Nr. 1899. Diese bilden sicherlich eine der letzten Akte des Ancien Regime, da sie mit den Artt. 1-17 die Industrie- und Verlagsprivilegien für die Verleger von "opere" von Dritten "ehe ci constera esserne degne" [Werken, die uns als würdig erscheinen] regeln. Gleichzeitig aber erläßt der letzte Artikel der königlichen Patente von Carlo Felice die neuen und modernen Bestimmungen des savoyischen Urheberrechts, indem er erklärt "esenti dalle disposizioni sopra espresse gli autori di libri e disegni, ehe si pubblicheranno ne'nostri Stati sotto l'osservanza delle leggi e regolamenti veglianti in materia di stampa: ai medesimi vogliamo ehe sia
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riservato il diritto esclusivo della stampa e della vendita di loro opere per anni 15, si veramente ehe in esse dichiarino di volersene valere e ehe prima della pubblicazione ne depongano un esemplare presso Ia nostra Segreteria di Stato per gli Affari dell'Interno, ed uno in ciascuna delle Biblioteche dell'Universita di Torino, della nostra Accademia delle Scienze, e dei nostri Archivi di Corte" [frei von den oben ausgeführten Verfügungen sind die Urheber von Büchern und Zeichnungen, die in unseren Staaten unter Beachtung der Gesetze und Verordnungen bezüglich der Druckerprodukte veröffentlichen; für dieselben wollen wir das Exklusivrecht des Drucks und Verkaufs ihrer Werke für 15 Jahre reservieren, vorausgesetzt, daß sie erklären, davon Gebrauch zu machen, und, daß sie vor der ersten Veröffentlichung ein Exemplar in unserem Staatssekretariat für innere Angelegenheiten und eines bei jeder der Bibliotheken der Universität von Turin, unserer Akademie der Wissenschaften und unseres Hofarchives hinterlegen] (Art. 18 der königlichen Patente 1899 I 1826). Damit übernimmt die felicianische Regel vom Privilegiensystem nur die technische Struktur des Urheberrechts als eines Exklusivrechtes; ansonsten ist sie völlig neu und enthält in nuce bereits die Grundlinien jenes Urheberrechts, das wir heute anwenden. Die felicianische Regel übergeht die Drucker also, die privilegierten Empfänger der merkantilistischen Privilegien, und zielt nun schon ganz modern auf die Intellektuellen, auf die "autori" [Urheber]. Das Exklusivrecht hat einerseits keine variable Geometrie mehr, sondern wird für ein bestimmtes Werk erteilt, genauer gesagt, es ist den "autori di libri e disegni" [den Urhebern von Büchern und Zeichnungen] vorbehalten; dies geschah mit Hilfe einer Regel, die später von Art. 395 des albertinischen Strafgesetzbuches von 1839 "ausgelegt" wurde, um unter dem Begriff "libri" [Bücher] der königlichen Patente von Carlo Felice auch "scritti, composizioni musicali" [geschriebene, musikalische Kompositionen] und unter dem Begriff "disegni" [Zeichnungen] auch "pitture" [Gemälde} zu erfassen. Das Exklusivrecht wird nun nicht mehr durch königliche Privilegien "zugestanden", sondern entsteht ex lege aufgrundder bloßen Schöpfung des Werkes und einiger weiterer kleinerer Formalitäten, die alle vom Urheber selbst erfüllt werden können. Das Exklusivrecht ist auf "autori di libri e di disegni ehe si publicheranno ne'nostri Stati" [Urheber von Büchern und Zeiclmungen, die in unseren Staaten veröffentlicht werden] beschränkt. Diese Beschränkung hat einen z. T. doppelten vorrevolutionären Ursprung, insoweit nämlich, als sie zum einen beabsichtigt, die savoyischen Editionen wirtschaftlich anzuspornen, und sie zum anderen besser durch die Zensur kontrollieren will. In diesem Sinne erinnert die hier besprochene Regel von 1826 an Art. 13 des 16. Kapitels des 34. Titels des 4. Buches der savoyischen Verfassung von 1770, der es "pur anche proibito a chichessia di far stampare libri, o altri scritti fuori de' nostri Stati senza licenza de' Revisori" [verbietet, daß, wer auch immer es sei, Bücher oder andere Schriften von außerhalb unserer Staaten ohne Genehmigung des Revisors zu drucken]. Sicher ist es aber, daß im neuen savoyischen Urheberrecht die Veröffentlichung im Inland
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nunmehr als Kriterium zur international-privatrechtliehen Verankerung eines Werkes in der jeweiligen Rechtsordnung gilt; gleichzeitig dient sie zur Bestimmung der Schutzfähigkeit der Werke. Hier wird in einer recht modernen Weise auf ein Kriterium abgestellt, das bis heute von den großen internationalen Konventionen zum Urheberrecht anerkannt wird. Das den Urhebern zugesprochene Recht stellt immer noch die traditionelle aus den Privilegien entwickelte Position dar. Es ist ein "Exklusivrecht" vermögensrechtlicher Natur, das 15 Jahre gilt. Gemäß Art. 18 der Patente von Carlo Felice bezieht sich dieses Recht weiterhin nur "alla stampa e alla vendita di loro opere" [auf den Druck und Verkauf der Werke der Urheber]. Schon Art. 395 des albertinischen Strafgesetzbuches von 1839 "interpretiert" jedoch die Norm von Carlo Felice als Zugeständnis eines Exklusivrechts, das sich auf denjenigen erstreckt, der das Werk "introduca dall 'estero, o venda o riproduca" [vom Ausland einführt, verkauft oder reproduziert]. Und wenig später weitete das sardinische Königreich die Zahl der dem Urheber zugestandenen Exklusivbefugnisse anband verschiedener internationaler Übereinkünfte aus. Die Regelung des Urheberpersönlichkeitsrechts jedoch stand noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Der sardische Staat schützte nur indirekt das Interesse des Verfassers an der öffentlichen Anerkennung seiner Urheberschaft. Er schützte es mit den Zensurgesetzen. Hier bestimmte schon Art. 12 des 16. Abschnitts des 34. Titels des 4. Buches der beiden Verfassungen von 1729 und 1770, daß "dovranno gli Stampatori tanto ne 'Libri quanto nell' Allegazioni, o nelle altre Scritture, oltre al Norne dell'Autore, esprimer anche illoro Norne, e denunziare nel fine delle Stampe la licenza ottenuta" [die Buchdrucker, sei es in den Büchern, sei es in den Anlagen oder in anderen Schriften, zusätzlich zum Namen des Urhebers auch ihren eigenen Namen angeben und am Ende des Druckes die ihnen erteilte Lizenz anzeigen müssen]. Diese Regel wurde durch die Androhung drakonischer Strafen "di scudi 25 d'oro, se Ia tralascieranno, od anni 2 di Galera se 1'enunzieranno contro verita" [von 25 Golddukaten für den Fall des Nichtanzeigens oder zwei Jahre Gefängnis im Falle unwahrer Angaben] verstärkt. Man kann davon ausgehen, daß aufgrundoder vielleichttrotzdes drakonischen Charakters der angedrohten Strafen das Risiko viel zu groß war, als daß der Drucker den Namen des Urhebers nicht angezeigt hätte; die Rigorosität der Zensur und der Bestrafung ließen es geraten erscheinen, von der Angabe eines Pseudonyms oder falscher Urheberangaben abzusehen. Besonders verspürt wurde - wenn überhaupt - das Problem des "droit de repentir" des Urhebers und sein Recht "di ritirare l'opera dal commercio" [auf Rückruf aus dem Verkehr] (um in den Worten des heutigen italienischen Urheberrechts zu sprechen). Zu diesem Problem hat mit wirkungsvollen Worten vor allem ein Pamphlet von Nicolo Tommaseo aus dem Jahre 1839 3 Stellung bezogen (S. 10-11): 3 Nicol6 Tommaseo: Delle ristampe. Ai librai d'Italia, Florenz 1839; das Buch wurde im wissenschaftlich-literarischen Kabinett des G. P. Vieusseux veröffentlicht.
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"S 'imagini ehe l'autore ridoni rifuso il suo libro, o corretto si ehe sia altro: le ristampe ehe si saranno in quel frattempo venute facendo, lui dissenziente, moltiplicheranno, con noja di lui e perdita de' letteri, illavoro suo primo, ch'era forse un abbozzo ed un saggio. E gli editori cuculi vorranno a ogni costo smaltire fino all 'ultimo gli esemplari ehe della prima covata ne restano, avanti di mettere il becco alla ristampa dellibro rinnovellato. Imaginate ehe l'autore abbia qualehe proposizione o dottrina da ritrattare; o ch'e voglia sopprimere, se non Ia memoria, Ia diffusione continova d'alcun suo scritto. Questi echeggiatori spietati ripeteranno gli errori o Je invettive o i barbarismi di lui a suo marcio dispetto, specialmente se s'agitino nel paese discordie letterarie, o sette religiose o civili fazioni. L'uno editore vorra o (come un benemerito scrittore nota) dovra tagliar via l'un luogo, altri l'altro; e s'avverera Ia favola dell'uomo dalle due ganze. Ovvero ristamperanno appuntino ma con note ehe insultino al testo, o lo affoghino; ma con errori tipografici da travisare il senso, da deformare lo stile; ma senza il corredo di rami e di figure in opera ehe le richiegga. E ristampe siffatte riputerannosi lecite come la copia ehe in colori o in rame si faccia di pregiato dipinto? Que' ehe non sann'essere neppur braccianti con fedelta, levati al grado d'artisti? Sapete a chi s'avrebbero a comparare piuttosto? Ad uomo ehe uno scritto trafughi all'autore, e, copiando, ne faccia suo lucro. Negare una facolta a chi potrebbe abusame con qualehe pretesto di diritto, per darla a chi sempre ne abusa senza pretesto veruno, non mi pare equita." [Man stelle sich vor, der Verfasser überarbeitete sein Buch oder korrigierte es so, daß es ein anderes wäre. Die Neuauflage, die zwischenzeitlich gegen seinen Willen, zu seinem Verdruß und unter Verlust von Lesern, von dem ersten Buch gemacht wird, wird ein Werk vervielfältigen, welches möglicherweise nur eine Erstabschrift war. Und die geldgierigen Herausgeber werden mit allen Mitteln versuchen, bis aufs letzte die Exemplare des ersten Druckes zu verkaufen, bevor sie sich daran machen werden, die Neuauflage des Buches zu vervielfältigen. Man stelle sich vor, der Autor habe eine gewisse Position oder Auffassung zurückzunehmen; oder er möchte, wenn nicht die Erinnerung, so doch die Verbreitung irgendeiner seiner Schriften verhindern. Diese gnadenlosen Wellenschläger werden seine Fehler oder seine Worte oder die Barbarismen zu seinem Ärger wiederholen, besonders, wenn sie damit im Land literarischen Zwiespalt schüren oder dazu beitragen, religiöse Sekten und bürgerliche Fraktionen zu bilden. Der eine Herausgeber möchte oder (wie ein angesehener Schriftsteller bemerkt) muß das eine wegschneiden, der andere etwas anderes; und es wird sich die Fabel des Menschen mit den zwei Gesichtern bewahrheiten. Oder sie werden den Text identisch wiedergeben, jedoch mit Noten versehen, die den Text beleidigen und ihn verunstalten; oder mit Druckfehlern, die den Sinn verfälschen, den Stil verformen; oder ohne die Kupferstiche und Zeichnunge11, die d'!,S Werk benötigt. Und solche Neuauflagen sollen für so legitim gehalten werden wie die Kopien aus Farben oder Kupferplatten eines wertvollen Gemäldes? Welcher nicht einmal treue Handlanger wird auf den Grad eines Künstlers gehoben? Wißt ihr, mit
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wem man ihn - wenn schon - vergleichen sollte? Mit einem Mann, der dem Verfasser eine Schrift stiehlt und, sie kopierend, an seiner Stelle den Verdienst einstreicht. Jemandem eine Befugnis zu verweigern, der mit irgendeinem Rechtsvorwand diese mißbrauchen könnte, aber denen die Bewilligung erteilen, die immer ohne Rechtsvorwand diese mißbrauchen, scheint mir nicht gerecht]. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Problem des Schutzes der Urheberpersönlichkeitsrechte sicherlich verspürt und stellte sich irgendwie schon. Lösungen jedoch wurden in den Urheberverwertungsrechten gesucht und in den eigentumsrechtlichen Instrumenten, die jene boten. So blieb es in Italien noch im gesamten 19. Jahrhundert. Erst später trat das Bedürfnis einer Teilung und einer getrennten Regelung der Urheberverwertungsrechte und der-persönlichkeitsrechte auf, und zwar mit der Anmerkung von Eduardo Piola-Caselli zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Turin vom 31. Dezember 1900 4 • Von diesem Zeitpunkt an wurde die Teilung noch lange befürwortet, bis es schließlich in zwei Übereinkünften zu einer ersten Regelungen bezüglich des Persönlichkeitsschutzes des Urhebers bzw. Erfinders kam, nämlich in den Bestimmungen des Art. 6 RBÜ (1886/1908 - Fassung Rom 1928) und des Art. 4ter PVÜ (1883 Fassung London 1928). Soweit die Anfänge des modernen savoyischen Urheberrechts, die sich auf die königlichen Patente Carlo Felices vom 28. 2. 1826 Nr. 1899 gründen. Die Struktur dieser felicianischen Regelung ist sicherlich schon sehr modern. Sie wurde dann bis zur Vereinigung Italiens durch zwei Gruppen von "nationalstaatlichen Normen" des Königreiches Sardinien ergänzt. Die erste davon ergibt sich aus Art. 440 des albertinischen Zivilgesetzbuches, wonach "le produzioni dell 'ingegno umano sono proprieta dei loro autori sotto l'osservanza delle leggi e dei regolamenti ehe vi sono relativi" [die Werke des menschlichen Geistes das Eigentum ihrer Urheber sind, unter der Beachtung der Gesetze und der Verordnungen, die hierzu erlassen wurden]. Diese Norm war innovativ gegenüber dem Code Napoleon, der keine ausdrückliche Hinweise auf die Urheberrechte enthielt; sie unterschied sich auch von der Systematik des Österreichischen allgemeinen Zivilgesetzbuches von 1811, das ab 1. Januar 1815 durch das königliche Patent vom 16. Oktober 1815 im Königreich Lombardo I Veneto in Kraft trat und sich auf "Rechte des Verfassers" im Rahmen der Regelung "des Dienstvertrages" gern. Artt. 1164 - 1171 bezog; diese Regelung löste eine neue, langwierige rechtspolitische Diskussion über die Natur der Urheberrechte aus. Dem albertinischen Bürgerlichen Gesetzbuch folgten dann die Artt. 394, 395 und 396 des albertinischen Strafgesetzbuches von 1839. Von diesen verbietet Art. 394 die falsche Angabe von "il nome [. ..] apposto [. ..] sopra opere d'inge4 Eduardo Piola-Caselli: Le ragioni del secolare dissenso sulla natura e sul nome dei diritti degli autori e inventori, in: Foro ltaliang 19_01, I, S. 1294 ff.
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gno con lo scopo di far apparire siffatte cose come provenienti dalle persone [... ] di cui sia contraffatto il segno" [dem auf dem Werk angegebenen Namen mit dem Ziel zu fälschen, daß diese geistigen Werke von denen abzustammen scheinen, dessen Zeichen verletzt wird]; und er sanktioniert die Verletzung mit einer "multa estensibile a Lit. 500, oltre risarcimento dei danni e la confiscazione delle cose contraffatte e degli instrumenti ehe hanno servito per la frode" [Geldstrafe bis zu 500 Lire, zusätzlich zum Schadensersatz und der Konfiskation der gefälschten Exemplare und der zur Fälschung benötigten Werkzeuge]. Art. 395 sieht weiters "la stessa pena" [die gleiche Strafe] für die Verletzung der Exklusivrechte der Urheber vor. Art. 396 schließlich rundet das ganze dadurch ab, daß er vorsieht, daß "nei casi preveduti dai due precedenti articoli il prodotto degli oggetti confiscati servira particolarmente a indennizzare le persone danneggiate" [die in den Fällen der vorausgegangenen Artikel konfiszierten Objekte insbesondere zur Entschädigung der betroffenen Personen zu verwenden seien]; er schlägt somit in die gleiche Kerbe wie die vorhergehenden Verlagsprivilegien und nimmt die Regelungen des Art. 31 des italienischen Urhebergesetzes von 1865 vorweg. VI. Von diesem Zeitpunkt an wurde die weitere Entwicklung des Urheberrechts im Königreich Sardinien durch zwischenstaatliche Verträge geprägt. Die Savoyer hatten eine lange Tradition diplomatischer Beziehungen mit anderen Herrschern; sie wurde perfektioniert durch die jahrhundertelange schwierige Übung, einerseits den Expansionismus der großen Anrainerstaaten zu hemmen und andererseits die eigenen Domänen mit der Kunst der Diplomatie zu erweitern. Nachdem 1814 gerade wieder die Vorherrschaft in den eigenen Festlandstaaten erreicht war, fingen die Savoyer sofort wieder an, ein weit verflochtenes Netz internationaler Beziehungen und Verträge aufzubauen. Und sie taten dies auch durch eine Reihe von Übereinkommen über das geistige Eigentum. Dies war in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein politisches, kulturelles und auch wirtschaftliches Thema von großer Bedeutung. So schloß das Königreich Sardinien nacheinander die Übereinkünfte vom 22. Mai 1840 mit Österreich, vom 28. August 1843, 22. Apri11846 und 5. November 1850 mit Frankreich, vom 24. November 1859 mit Belgien, jene mit Spanien vom 9. Februar 1860 und jene mit dem Vereinigten Königreich (England) vom 30. November 1860. Den genannten Gründen gesellten sich noch einige andere hinzu, die eine vertragliche Regelung des geistigen und künstlerischen Eigentums erforderlich machten; es waren spezifische, in der Sache liegende Gründe. Der italienische Kultur- und Sprachraum bot sich nämlich als großer und einheitlicher Büchermarkt an. Die postnapoleonische Restauration hatte erneut eine politische Fraktionierung in eine Vielzahl kleiner Staaten zur Folge gehabt. Die Urheber, und vor allem die erfolgreichen unter ihnen, und ihre Herausgeber strebten einen Schutz an, der nicht an den politischen Grenzen ihres Staates halt machte, sondern sich
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auch auf andere Länder erstreckte. Einen solchen Schutz gewährten die italienischen Staaten vor der Vereinigung für lange Zeit faktisch nicht. Die rechtliche Situation war sehr unbestimmt. Einige Staaten, und unter ihnen das Königreich Sardinien und später noch der Kirchenstaat und der Kanton Tessin, hatten noch kein eigenes Urheberrecht eingeführt. In anderen war es nach der politischen Restauration der Jahre 1814- 1815 zweifelhaft, ob die Gesetze nach französischem Muster, die von der Cisalpinen Republik und dem ersten Königreich Italien verabschiedet wurden, in Kraft waren. In allen Staaten war der Rechtsschutz von ausländischen Urhebern dadurch verkompliziert, daß sich -nicht ohne Gegenstimmen - eine Tendenz breit machte, die Ausländer nur unter der Bedingung der sehr streng gehandhabten faktischen Gegenseitigkeit schützen wollte, eine Tendenz, die u. a. in Art. 26 des albertinischen Zivilgesetzbuches, Art. 9 des Gesetzes des Königreiches der "due Sicilie", Art. 32 des Zivilgesetzbuches von Parma und Art. 8 des Zivilgesetzbuches des Kirchenstaates zum Ausdruck kam; sie fehlte in den Zivilgesetzbüchern des ersten Königreiches Italien, Österreichs und des Kanton Tessin. Es blühte die Praxis der Neuauflagen und insbesondere die Aktivität der Herausgeber, Nachdrucke unter eigenem Namen von Werken zu verlegen, die schon in anderen Staaten von anderen Urhebern I Druckern veröffentlicht worden waren. Sie blühte deshalb, weil die vom ausländischen Urheber nicht authorisierte Neuauflage für den Herausgeber sicherlich weniger kostenaufwendig war als eine Veröffentlichung mit seiner Zustimmung. Die Neuauflage in der Toskana nahm natürlich dem Urheber und seinem Mailänder Herausgeber die Möglichkeit, sein Produkt in diesem Staat zu vertreiben; es eröffnete sich überdies die Chance, mit besonders vorteilhaften Preisen auch in das Gebiet Lombardo-Veneto zu exportieren. Es stimmt zwar, daß die im größten Teil Italiens in Kraft befindliche Regierungszensur in gewisser Weise diese Exporte behindern konnte; es gelang ihr aber nicht, diese völlig zu verhindern, so daß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die zwei Tessiner Druckereien von Campolago mit den Neuauflagen aufblühten, die sie in die Gebiete des jetzigen Italiens versandten. Dies fand natürlich keinen Gefallen unter den Herausgebern, die politisch am aktivsten waren und sich kulturell einsetzten, wie Pomba und Vieusseux. All dies, t;.:a va sans dire, fand genauso wenig Gefallen bei den Urhebern. Und zwei von ihnen hinterließen eine Spur ihres Protestes in der Geschichte der AnHinge des italienischen Urheberrechts. Der erste Protest betraf die dritte Auflage des Galateo von Melchiorre Gioia, veröffentlicht vom Verleger Pirotta aus Mailand im Jahre 1822. Diese Auflage wurde sofort vom Drucker Annesio Nobili von Bologna in einer Neuauflage herausgebracht, die falschlieherweise angab, sie käme von Pirotta. Und auf jene reagierte Melchiorre Gioia mit der Veröffentlichung eines scharfen Pamphlets unter dem Titel "Cenni sulla pirateria libraria" 5 • Dies~ Schri~t enthält einen s Ich zitiere aus der Auflage "II primo ed il nuovo galateo di Melchiorre Gioia. Nuova edizione corretta", III Edizione di questa nostra Biblioteca Popolare, UTET, Turin, 1877, s. 565 ff. 7 Wadle
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Angriff, der später häufig von der zeitgenössischen Publizistik zitiert wurde und der es wert ist, hier angeführt zu werden: "L'Italia non manca di stampatori ehe farebbero l'aggressore sulle strade se ne avessero il coraggio; e il timore della forca, se non il sentimento del giusto ehe li ritiene dal prendervi di notte pel collo e dirvi: La borsa o la vita. Inabili al mestiere dell'assassinio per tutt'altro motivo ehe per mancanza di volonta, essi esercitano l'industria del borsaiuolo e del ladro. Essi ristampano le altrui opere senza l'assenso degli autori; e, mentre il tagliaborse danneggia la sola persona del derubato, lo stampatore-ladro danneggia gli autori e il pubblico: eccone le ragioni." [In Italien fehlt es nicht an Druckern, die auf den Straßen Wegelagerer wären, hätten sie nur den Mut dazu. Es ist die Angst vor dem Schafott und nicht der Gerechtigkeitssinn, der sie davon abhält, euch nachts am Halse zu fassen und euch zu sagen: Geld oder Leben. Aus ganz anderen Gründen als aus Willensmangel zum Mörderberuf unfähig, betreiben sie das Geschäft des Taschendiebes und des Räubers. Sie drucken Werke anderer ohne deren Einwilligung nach und, während der Taschendieb nur die Person des Geschädigten trifft, so schädigt der Drucker-Dieb den Urheber und das Publikum]. In gleicher Weise oder vielleicht noch stärker dürfte später Alessandro Manzoni von den Neuauflagen getroffen worden sein; hier geht es um Ereignisse, an die Roberto Lucifredi ausführlich erinnert 6• Insbesondere die letzte dieser Begebenheiten betraf den Nachdruck der "I promessi sposi", veröffentlicht im Jahre 1845 vom Florentiner Herausgeber Felice Le Monnier, nachdem auch in der Toscana die austro-sardische Übereinkunft des Jahres 1840 in Kraft getreten war. Und sie ist eine unter den wenigen Ereignissen, die vor der Vereinigung Italiens zur Prüfung vor dem Zivilgericht landete; es kam zu einem Prozeß, der bis vor das Kassationsgericht der Toscana gelangte, welches ihn mit Urteil vom 20. Dezember 1861 entschied 7 und so das Urteil des OLG Florenz vom 25. April 1860 bestätigte 8 • Dieser Streitfall war damals Grund einer langen und intensiven Debatte, an der sich zahlreiche· Juristen beteiligten, und der eine "philosophische" Schrift Manzonis zur Folge hatte. Am Ende der 30er Jahre war dann die Zeit reif für die Einführung einer Übereinkunft zwischen den damaligen italienischen Staaten. Die Initiative ging wahrscheinlich von Österreich aus, und zwar von einem Gespräch Metternichs Anfang 1839 mit Vittorio Bertone Balbo von Sambuy, dem sardischen Botschafter in Wien. Dieser sah sofort, daß "il ne fallait pas laisser echapper l'occasion d'etre les premiers a adopter de pareilles mesures, qui nous feraient beaucoup 6 In: Alessandro Manzoni eil diritto, Mailand-Genua-Rom-Neapel 1933, S. 22-36, S. 131-137.
Giur.it. I 861, II, S. 78 I ff. s Giur.it. 1860, II, S. 505 ff.
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d'honneur aupres du monde litteraire, ce qui n'etait pas a dedaigner" 9• Die konservativen Kreise wären andererseits mit dem Verbleib der Zensur zufrieden gewesen, welche Art. 26 der österreichisch- sardischen Übereinkunft ausdrücklich "unbeeinträchtigt" ließ. Die diplomatische Einigung wurde schnell erzielt. Die Übereinkunft wurde zwischen der Österreichischen und der sardischen Regierung geschlossen; Art. 27 sah aber vor, daß diese "die übrigen Regierungen Italiens und jene des Kantons Tessin einladen, der gegenwärtigen Konvention beizutreten". Ihr traten schon im Jahre 1840 die Staaten Parma, Modena, Toscana, der Kirchenstaat und der Kanton Tessin bei. 1847 trat dann die Übereinkunft auch in Lucca in Kraft, das von der Toscana annektiert wurde. Das Königreich der beiden Sizilien wollte dieser Übereinkunft jedoch nicht beitreten, weil es seit dem Jahre 1822 in einer Politik der Selbstisolierung (auch in kultureller Hinsicht) befangen war; diese Politik hatte sich niedergeschlagen in der Einführung eines sehr hohen Zolles auf ausländische Publikationen und in einer besonders aufmerksa,men und schwerwiegenden Zensur. Die austro-sardische Übereinkunft zielte auf ein einheitliches Recht. Sie sah einen schon hohen Mindestschutz vor. Sie schützte "die Werke oder Produkte des menschlichen Geistes oder der Kunst, die in einem der kontrahierenden Staaten veröffentlicht werden"; damit wiederholte sie das Kriterium der Publikation, das schon in den königlichen Patenten von Carlo Felice 1826 vorgesehen war und völlig von der Staatsangehörigkeit des Verfassers absah. Insbesondere aber erhöhte die Übereinkunft das bisherige Schutzniveau, denn der Schutz betraf die allgemeine Kategorie "Werke und Produkte des menschlichen Geistes und der Kunst" und die Artt. 2 und 3 der Übereinkunft sahen explizit den Schutz von "theatralischen Werken" und "Übersetzungen" vor. Die dem Urheber zuerkannten ausschließlichen Befugnisse erweiterten sich auch auf das "Recht, die Veröffentlichung zu gestatten" (Art. 1) und auf die Darbietung des Bühnenwerkes (Art. 2); aber nur unter besonderen Bedingungen dehnten sich die Befugnisse auf die Übersetzungen der Werke aus (Art. 3), während im übrigen galt: "Verletzungen für verschiedene Instrumente, Auszüge und andere Bearbeitungen musikalischer Kompositionen, wenn sie für sich selbst als selbstständige Erzeugnisse menschlichen Geistes angesehen werden können, sollen nicht als Nachdruck behandelt werden" (Art. 9). Auffallend verlängert wurde auch das Exklusivrecht des Urhebers: hier führte Art. 18 das Prinzip des Schutzes "30 Jahre lang nach dem Tod des Verfassers" ein, während Art. 19-24 einige spezielle Regelungen einführten. Art. 15 und 16 der Übereinkunft sahen die zivilen Sanktionen des "Ersatzes des erlittenen Schadens" (Art. 15), der Beschlagnahme und Zerstörung der verletzenden Objekte und der anderen Gegenstände, "welche zur Ausführung
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So schrieb Sambuy in der Depesche vom 23. Januar 1839, wiederveröffentlicht in:
M. Degli Alberti: La politica estera del Piemonte sotto Carlo Alberto secondo il carteggio
diplomatico del Conte Vittorio Bertone Balbo di Sambuy, ministro di Sardegna a Vienna (1835-1846), Turin, 1919, Vol. II, S. 8. 7*
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des Nachdruckes gedient haben", und der "Überlaßung dieser Gegenstände ganz oder zum Teile auf Abschlag seiner Ersatzforderungen" (Art. 16) vor. Eine sehr artikulierte, einheitsrechtliche Übereinkunft, wie man sieht. Sie ergänzte und ersetzte in weiten Teilen die vorausgegangene sardische Regelung des Urheberrechts. Von dieser letzteren Regelung blieben wahrscheinlich die konstitutiven Formalitäten des Art. 18 der königlichen Patente von Carlo Felice noch in Kraft, und sei es auch nur für jene Werke, die erstmalig in den sardischen Staaten veröffentlicht wurden; ebenso wie für das OLG Florenz im Urteil vom 25. April1860 im Fall Manzoni gegen Le Monnier die konstitutiven Formalitäten nach der lombardo- venezianischen Gesetzgebung noch fortgalten. Es blieb andererseits auch Art. 440 des albertinischen Bürgerlichen Gesetzbuches in Kraft, mit seiner theoretischen Verlagerung der Urheberrechte auf das Eigentum und mit den möglichen Folgen aus einer Anwendung des allgemeinen Zivilrechts. Und es blieben die von den Art. 394-396 des albertinischen Strafgesetzbuches von 1839 vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen, die ausdrücklich durch Art. 16 der österreichisch-sardischen Übereinkunft (wie die in die gleiche Richtung weisenden des Lombardo-Veneto) in Kraft gehalten wurden. Sicher ist, daß sich das sardische Königreich auf diese Weise mit einer weiten und modernen Regelung des Urheberrechts versah. Die österreichisch-sardische Übereinkunft einerseits und der Beitritt der nord- und zentralitalienischen Staaten zu diesem Vertrag vor der Vereinigung andererseits hatte in diesen Ländern einen festen Kern "iuris communis" im Gebiet des Urheberrechts eingeführt, so daß es einfach war, im Jahre 1860 das gesamte savoyische Urheberrecht auf ihre Territorien auszuweiten. Es blieb das Königreich der beiden Sizilien; es wurde 1860 erobert und das sardische Urheberrecht wurde schrittweise auf dessen Territorien ausgedehnt: Zunächst in Sizilien durch das Gesetz 163 I 1860 des Prodiktators Garibaldi, und dann durch das Statthalterdekret 264 I 1861 , durch die Gesetze 444 I 1862 und 560 I 1862, von denen letzteres ausdrücklich und einzeln die königlichen Patente vom 28. Februar 1826 und die internationalen Übereinkünfte mit Österreich, Frankreich, Belgien, Spanien und Großbritannien in Kraft setzte. Das (zweite) savoyische Königreich Italien war schon auf die verwaltungsrechtliche und gesetzliche Vereinigung Italiens vorbereit Diese wurde endgültig im Jahre 1865 durch eine lange Reihe wichtiger Gesetze des neuen Staates erreicht. Eines dieser Gesetze war das erste "italienische" Urhebergesetz, eingeführt durch Anlage G des Gesetzes vom 2. April 1865 Nr. 2215. Alle wurden in kürzester Zeit von der Regierung vorbereitet. Dies gilt auch für das Urheberrecht; es wurde vorweggenommen durch den berühmten Bericht von Scialoja; es war sicherlich in vielen Punkten innovativ, wurzelte aber tief in der früheren Regelung des Königreichs Sardinien.
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VII. Es bleibt noch, über einige an den zentralen Kern des Urheberrechts angrenzende Bereiche zu referieren. (1) Über den Werken der Urheber, Verleger, Buchhändler und über den Bühnendarsteilungen schwebte die Zensur. Ihr Ursprung geht weit in die Zeit der savoyischen Staaten zurück. Man findet sie, mit drakonischen Vorschriften und Strafen versehen, in den Verfassungen von 1723, 1729 und 1770. Sie ist nach einer "unklaren" Ordnung geregelt: so gab es jeweils verschiedene Organe für die kirchliche, für die allgemein-bürgerliche Zensur, für jene bezüglich der Veröffentlichung von Gerichtsschriftsätzen und für jene der Universitätspublikationen. Mit der Restauration des frühen 19. Jahrhunderts wurde die savoyische Zensur wiederaufgenommen; sie verschlimmerte sich gleich wieder mit dem Edikt 15 I 1814 von Vittorio Emanuele und dann mit den königlichen Patenten Carlo Albertos 13 I 1833. An sie wird auch in den Verlagsprivilegien für die königliche Druckereigesellschaft und in den sardischen Urheberrechtsregeln erinnert, speziell in Art. 18 der königlichen Patente Carlo Felices und Art. 26 der österreichisch-sardischen Übereinkunft. Sie wird schließlich erst durch Art. 28 des albertinischen Statuts und dem Edikt zur Presse von 1848 drastisch eingeschränkt. (2) In dieser Zeit kommt gleichfalls die Verpflichtung auf, bestimmte Exemplare eines Werkes zu hinterlegen. Man findet diese Verpflichtung schon in einigen Literaturprivilegien der Jahre 1707, 1721, 1731 und 1734. Von diesen gehen sie in die Privilegien über, die Druckern erteilt wurden. Die Verpflichtung findet man beispielsweise im Privileg von 1728 für Giovanni Battista Chais, der in Art. 6 seiner Bittschrift erklärt, "je m'oblige de remettre un exemplaire dans Ia bibliotheque publique de Votre Majeste de tous les livres que j'imprimeray". Von hier ging sie wiederum in die Privilegien für die königliche Druckereigesellschaft ein, so daß Ignazio Gaetano Favetti in Art. 9 des Teils bezüglich der "obblighi della societa" [Verpflichtungen der Gesellschaft] seiner Merkschrift verspricht, "di tutti i libri, ehe si stamperanno per conto della societa, se ne daranno tre esemplari, uno a' regi archivi, l'altro alla libreria dell' Universita, ed il terzo al ministro protettore della medesima a nome di S. M." [daß er von allen Büchern, die von der Gesellschaft gedruckt werden, drei Exemplare zur Verfügung stelle, eines für die königlichen Archive, ein anderes für die Bibliothek der Universität und das dritte für den zuständigen Minister derselben im Namen Seiner Majestät]. Diese Formel wird von Art. 7 des Abschnittes des Privilegs von 1769 über die "obblighi della societa" und von den gleichlautenden Artt. 7 bzw. 5 der Privilegien von 1789 und 1816 wiederholt wird (die Formel ist hingegen nicht im Privileg von 1836 enthalten, möglicherweise, weil dieses auf Regierungsakte und Veröffentlichungen für die Universität bezogen war; denn einerseits erhielt die Universität die Exemplare jener Bücher, die für sie bestimmt waren, und andererseits war die Hinterlegung von Pflichtexemplaren bei den anderen, in den früheren Privilegien vorgesehenen Archiven schon gern. Art. 18
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der königlichen Patente von Carlo Felice erforderlich). Desweiteren bestimmten die Verfassungen Seiner Majestät von 1772 für die Universität Turin mit Art. 4, Abs. 1, des 12. Titels, daß "gli Staropatori de' Nostri Stati saranno tenuti a dare alla Libreria una copia de'nuovi libri ehe essi stamperanno sotto pena di scudi 10" [die Drucker unserer Staaten gehalten sein werden, der Bibliothek eine Kopie der neuen Bücher, die sie drucken, unter Androhung einer Strafe von 10 Dukaten zu geben]. Die Ablieferungspflicht geht schließlich von den Druckprivilegien in das Urheberrecht über. Art. 18 der königlichen Patente 1899 I 1826 von Carlo Felice sah für die Urheber vor "il diritto esclusivo della stampa e della vendita de loro opere [... ] si veramente ehe in esse dichiarino di volersene valere, e ehe prima della pubblicazione ne depongano un esemplare presso la nostra segreteria di Stato per gli Affari dell'lntemo, ed uno in ciascuna delle Biblioteche dell'Universita di Torino, della nostra Accademia della Scienze, e de'nostri Archivi di Corte" [das Exklusivrecht des Drucks und Verkaufs ihrer Werke [... ], wenn sie in diesem den Anspruch auf diese Rechte ausdrücklich erklären, und wenn sie vor der Veröffentlichung ein Exemplar bei unserem Staatssekretariat für innere Angelegenheiten, eines bei jeder Bibliothek der Universität Turin, bei unserer Akademie der Wissenschaften und unseren Hofarchiven hinterlegen]. Noch später führte dann Art. 8 des albertinischen Presseedikts die Pflichthinterlegung einer gewissen Zahl von Exemplaren des Druckwerkes ein. Das erste einheitliche italienische Urheberrechtsgesetz von 1865 schließlich sieht die Vorbehaltserklärung und die Hinterlegung eines Exemplares des Werkes als teilweise urheberrechtsbegründend vor, indem es in Art. 26 festlegt, daß "in difetto di dichiarazione e di deposito nel corso dei primi dieci anni dopo la pubblicazione di un'opera, intendendesi definitivamente abbandonato ogni diritto d'autore" [bei Unterlassung dieser Erklärung und der Hinterlegung während der ersten zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes jegliches Urheberrecht verwirkt wird]. Man kann also möglicherweise der Pflichthinterlegung rechtliche Bedeutung beimessen. In den Privilegien hatte sie notwendigerweise keine konstitutive Bedeutung; sie ist vielmehr ganz einfach die Erfüllung einer Verpflichtung, die zur Errichtung eines öffentlichen Bücherbestandes führen sollte. Diesselbe Funktion hat die Zwangshinterlegung natürlich auch in der Verfassung der Universität von Turin des Jahres 1772 und im albertinischen Presseedikt Die Hinterlegung eines Exemplares des Werkes und die Vorbehaltserklärung, die vom Urheberrechtsgesetz von 1865 vorgesehen waren, scheinen dagegen konstitutive Elemente des Exklusivrechts des Autors zu sein; genauer gesagt, sie scheinen Bedingung für die Wirksamkeit des zentralen Merkmals des konstitutiven Tatbestandes zu sein, nämlich der Schöpfung des Werkes. Problematischer ist es jedoch, die von den königlichen Patenten Carlo Felices vorgesehene Pflichthinterlegung einzuordnen. Hier könnte das vorher über die Verlagsprivilegien Gesagte zutreffen, daß auch das Hinterlegen vor der Veröffentlichung, das eben die Patente Carlo Felices vorsehen, nur auf den politischen Willen der Erstellung eines öffentlichen Bücher-
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bestandes zurückzuführen sei. Möglich wäre auch eine andere Interpretation, wonach die von Carlo Felice vorgesehene Zwangshinterlegung urheberrechtsbegründend sein sollte; für diese Auslegung könnten mehrere Gründe sprechen, so das zeitgenössische kulturelle Klima, denn auch in Italien und in Österreich war die "konstitutive Hinterlegung" bei Urheberrechten bekannt; oder die vorherige Erfahrung mit der auch schon sehr fortschrittlichen französischen und italienischen Revolutionsgesetzgebung, die beispielsweise in Art. 8 des cisalpinen Gesetzes vom 19. April 1800 vorschrieb, daß ohne Hinterlegung von "due esemplari nella biblioteca nazionale" [zwei Exemplaren in der Nationalbibliothek] der Urheber "non potra essere ammesso in giustizia contro i contraffattori" [gegen die Verletzer kein gerichtliches Gehör erhalten wird]. Man kann auch auf die spätere Rechtsentwicklung verweisen; denn noch im Gesetz von 1865 war die Hinterlegung der Exemplare (nicht mehr vor, wie im Jahre 1826, sondern nach der Veröffentlichung) als eine konstitutive Formalität zur Begründung des Urheberrechts vorgesehen. Sicher ist jedoch, daß noch lange im 19. Jahrhunderts beide Thesen verfochten wurden, einerseits die These, die Pflichtexemplare dienten zur Errichtung eines öffentlichen Bücherbestandes, und andererseits die Ansicht, die Hinterlegung von Exemplaren sei mit der Entstehung des Urheberrechts verknüpft. Endgültige Klarheit schuf erst die Berliner Fassung zur BRÜ (1908), die (auch) in Italien jegliche konstitutive Formalität des Urheberrechts definitiv beseitigt hat. (3) Die Beziehungen zwischen dem Urheber und dem Verleger sind noch nicht klar genug herausgestellt. Das Dekret 273 I 1810 der cisalpinen Republik scheint diese Beziehungen auf das Schema des Kaufvertrages zurückzuführen, mit dem der Verfasser "cede il diritto ad uno stampatore o libraio il quale e sostituito nel detto diritto" [sein Recht an einen Drucker oder Verleger abtritt, der dann Rechtsnachfolger des genannten Rechtes wird] (Art. 38 ). Das österreichisehe ABGB von 1811 ordnet die Regeln des Verlagsvertrages im Rahmen der "locazione e conduzione di opere" [Miete von Werken] ein. Das Königreich Sardinien kennt noch keine ausdrückliche Regelung des Verlagsvertrages. Ein Urteil in Turin vom 17. April 1848 in der Sache Enrici gegen Bischof von Saluzzo und andere 10 scheint das Verhältnis des Verfassers mit dem DruckerVerleger auf einen Kaufvertrag zurückzuführen, der ihm "glie ne passa Ia proprieta" [das Eigentum überträgt]; vielleicht war dies eine Folgewirkung von Art. 440 des albertinischen Zivilgesetzbuches von 1836. Sicher ist, daß dies noch die Auffassung der zeitgenössischen Publizistik zu sein scheint, die unter anderem in den Schriften von Carlo Tenca und Nicolo Tommaseo zu finden ist. Und diese Auffassung bleibt noch weiter in der juristischen Lehre Italiens am Ende des letzten Jahrhunderts bestimmend.
10 Der Leitsatz ist abgedruckt in: Aronne Rabbeno: Nuova !egge e regolamento sui diritti degli autori delle opere d'ingegno, Mailand-Fiorenz 1865, S. 99-100.
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(4) Es bleiben noch einige Anmerkungen zum Büchermarkt. Nach der Abschaffung der Korporationen waren die professionellen Drucker möglicherweise Unternehmer oder genauer gesagt "commercianti" [Kaufleute] laut Art. 1 des albertinischen Handelsgesetzbuches. In diesem Punkt bestanden allerdings ähnliche Unsicherheiten, wie sie von Carlo Tenca in seinem Werk "Del commercio librario in ltalia e dei mezzi di riordinarlo" im Blick auf die Mailänder Verleger, Drucker und Buchhändler beklagt wurden. Dieses Buch wurde übrigens deshalb von der königlichen Zensur verboten; es ist in jüngster Zeit wieder veröffentlicht worden 11 • Das piemontesische Bücherunternehmertum kannte keine längeren, dauerhaften Initiativen, wenn man jene der königlichen Druckereigesellschaft (die von 1740 bis Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte) und jene des von Giuseppe Pomba Anfang des 19. Jahrhunderts gegründeten Verlages (der noch heute unter der Firma UTET existiert) ausnimmt. Pomba war sicher ein intelligenter Kulturanimator; er war aber gleichzeitig auch ein sehr gewandter Geschäftsmann, der das zur Verfügung stehende Rechtsinstrumentarium gut nutzte. So kommt es nicht von ungefähr, daß die Rechtschroniken der Zeit berichten, daß er zuerst mit Brofferio die Petition von 1835 vorbereitete, um die Verlängerung des Privilegs an die königliche Druckerei zu verhindern; daß er dann in den Jahren 1828 und 1830 zwei Patente beantragte und erhielt, die für die Einfuhr neuer aus England erworbener Druckmaschinen galten, um der einzige in den sardischen Staaten zu sein, der sie benutzen durfte; daß der schließlich mit der königlichen Post Sardiniens die erste Übereinkunft über den ermäßigten Versand von Büchern unterzeichnete. Beim Vertrieb der Bücher schließlich kannte man schon lange die Praxis der "associazioni", die in der eben in Erinnerung gerufenen Schrift von Carlo Tenca kritisiert wurden und die im Prinzip die Subskription einer Reihe von Büchern vorsahen, die vom Verleger geplant waren. (5) Eine letzte Kuriosität findet man schließlich in der Verfassung der Universität Turin von 1772. Hier bestimmt Art. 7 des 13. Titels, daß "nelle esecuzioni non potranno pignorarsi i libri destinati ad uso degli Studenti, eccetto ehe si tratti di credito contratto da questi per mantenersi allo studio, o per comperar libri, o ehe avessero ne' loro contratti taciuta la qualita di Studenti" [bei Vollstreckungen jene Bücher nicht gepfändet werden dürfen, die für den Gebrauch von Studenten bestimmt waren, es sei denn, diese hätten den Kredit aufgenommen, um sich in der Studienzeit ihren Lebensunterhalt zu sichern oder um Bücher zu kaufen, oder sie hätten in ihren Verträgen verschwiegen, daß sie Studenten waren].
11 Giuseppe Pomba-Giampietro Viesseux-Carlo Tenca: Scritti sul commercio librario in ltalia, Maria Jolanda Palazzolo (Hg.), Rom 1986.
Theoretische Grundlagen der Urheberrechtsentwicklung in den nordischen Ländern Von Gunnar Karneil
Theorie ist die Zusammenfassung einer gegebenen Wirklichkeit, bestenfalls nach einer Analyse Ein Versuch, die theoretischen Grundlagen der Entwicklungsgeschichte des Urheberrechts in den nordischen Staaten, im Norden Europas, festzustellen, könnte darin bestehen, nachzuforschen, in welchem Ausmaß und in welcher Weise der Inhalt des Urheberrechts im Laufe verschiedener Zeiten aus einmal aufgestellten allgemeinen Prinzipien hergeleitet worden ist. Es ginge um Gesetzgeber, Gerichtshöfe, Märkte und Doktrinen, mithin um die Frage, wie sie sich von solchen Prinzipien haben bestimmen lassen, sowie darum, welche grundlegenden und generellen Züge der geschichtlichen Entwicklung des Urheberrechts ihre Spuren in der nordischen Rechtsentwicklung hinterlassen haben. Die Suche bezöge sich dann darauf, in wie weit die Wirklichkeit den Theorien Genüge getan hat. Einen anderen Blickwinkel bietet die Möglichkeit, die theoretischen Grundlagen der nordischen Entwicklung anband von Entwicklungsschritten nachzuzeichnen; dies würde bedeuten, daß man die faktischen Gegebenheiten verschiedener Zeiträume zu analysieren und die einzelnen Stufen dieser Entwicklung herauszuarbeiten hätte. Man würde dann erforschen, wie die Theorien ihren Grund in der Wirklichkeit gefunden haben. Ich bediene mich unbekümmert beider Betrachtungsweisen, wenn ich jetzt die Aufmerksamkeit auf die Urheberrechtsentwicklung in den nordischen Ländern richte und mich dabei vor allem an der Entwicklung der Gesetzgebung orientiere. Die Rechtsprechung bietet fast durchgängig, während der ganzen Zeit der Gesetzesentwicklung bis zum heutigen Tage, nur eine Kasuistik, die Sinn oder Tragweite eines Gesetzesdetails gerrauer darlegen soll. Nur ausnahmsweise haben die Gerichte die Absicht erkennen lassen, aus der Theorie neue Gedanken abzuleiten und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Beiträge der Rechtsprechung zu den theoretischen Grundlagen der Urheberrechtsentwicklung sind also eher unbedeutend. Als Beispiel dessen, was nichtdestoweniger aufgetrieben werden kann, mag ein schwedisches Urteil dienen, das ein gewisses Verständnis für die Gewährung der Freiheit künstlerischer Ausdrucksformen bekundet und sie im Verhältnis zum Schutz der Urheberpersönlichkeit abgrenzt 1•
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Gunnar Karneil
Die Entwickung urheberrechtliehen Denkens in der Rechtswissenschaft hat gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Am Anfang standen eher spärliche Äußerungen, die vor allem französische und deutsche Einflüsse aufweisen. Um die Jahrhundertwende herum und noch mehr während der drei folgenden Jahrzehnte finden wir dann eine ziemlich lebendige Doktrin, in der zum Teil auch eigene nordische Auffassungen wirksam sind. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ist diese Doktrin kräftig gewachsen; dabei wurde sie stark von internationalen Strömungen im weitesten Sinne geprägt. Allerdings sind die Auswirkungen der Rechtswissenschaft auf die Gesetzesentwicklung und auch auf die Rechtsprechung insgesamt schwer festzustellen. Es liegt nahe, sie vor allem als argumentationstechnische Unterstützung bei der Wahl konkreter Lösungen anzusehen. Charakteristische dogmatische Vorgaben sind nur schwer auszumachen. Im nordischen Rechtsdenken besteht eine große Skepsis gegenüber Schlußfolgerungen aus generellen Prinzipien. Während in anderen Ländern und Rechtskreisen, ähnlich wie in der frühen Entwicklungsgeschichte des Urheberrechts, Theorien in rechtsdogmatischer Gestalt die Fähigkeit beigemessen wird, konkrete Rechtsprobleme gleichsam selbstwirkend zu lösen, ist im Norden diese Verfahrensweise, wenn nicht wesensfremd, so doch auf jeden Fall seit den frühen 20er Jahren verdächtig geworden. Wenn zeitweise andere Rechtsordnungen, insbesondere die französische und die deutsche, Einfluß gewinnen konnten, ging es weniger um die allgemeinen Lehren, auf welchen diese Rechtssysteme gebaut worden sind, als um die konkreten Lösungen, die für praktische Bedürfnisse gefunden wurden und die man sodann in das nordische Recht übernommen hat. Es ist kaum übertrieben zu behaupten, daß sich in allen nordischen Staaten die Entwicklung des Urheberrechts mit einer Verzögerung im Vergleich zu anderen Ländern vollzogen hat. Ab und zu bildeten sie auch, sozusagen aus freier Hand, eine Art selbständiger Seitenlinie. Bezeichnend hierfür ist die Situation in Schweden während der ersten drei Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung war weniger sytembedingt, wohl aber den praktischen Bedürfnissen der jeweiligen Zeit angepaßt; dabei kamen mehr oder weniger eigenständige Lösungen zustande. Diese Entwicklung vollzog sich unabhängig davon, ob nun das Geschehen unter den nordischen Staaten koordiniert war, wie während des letzten Teils des 19. Jahrhunderts und während dieses ganzen Jahrhunderts, sei es in einer mehr oder weniger umfassenden Zusammenarbeit bei der Gesetzgebung, sei es in vergleichender Erforschung der Rechte der Nachbarländer; oder ob die Entwicklung im großen und ganzen eigene Wege nahm, was, wie ich eben angedeutet habe, in Schweden fast bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der Fall war. 1
352.
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Nytt Juridiskt Arkiv (= NJA) I, 1979,
Urheberrechtsentwicklung in den nordischen Ländern
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Mein schwedischer Kollege Stig Strömholm hat unter dem Titel "Die Frühstufen des nordischen Urheber- und Verlagsrechts" 2 über die Grundzüge des rechtsgeschichtlichen Verlaufs bis zur Zeit des Ausbruchs des zweiten Weltkriegs Bericht erstattet. Er unterscheidet dort zwischen zwei Entwicklungsstufen; die eine umfaßt die Zeit vor, die andere die Zeit nach 1880. In diese beiden Phasen gliedert Strömholm dann Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ein. Er macht dabei mit Recht darauf aufmerksam, daß in der Zeit nach der Periode der Privilegien, die es im Norden ebenso sowie sonst in Europa gegeben hat, die im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich heranwachsende Einzelgesetzgebung zunächst unter französischem, nach 1870 stark unter deutschem Einfluß gestanden hat. Die französische Einwirkung, die allenthalben spürbar ist, hat ihren Ursprung im "Decret relatif aux droits de propriete des auteurs d'ecrits en tout genre, des compositeurs de musique, des peintres et des dessinateurs". Seine Vorschriften über das ausschließliche Recht des Urhebers oder seines Rechtsnachfolgers und Erben, lebenslang bzw. zehn Jahre nach dem Tod des Urhebers seine Werke zu verkaufen oder sonst zu verbreiten- eine Schutzdauer, die übrigens schon 1866 auf 50 Jahre nach dem Tod des Autors verlängert wurde - erschienen als wegweisend. Was sich in Deutschland vor 1870 und 1876 auf dem Gebiet der Gesetzgebung ereignet hat, scheint nicht im besonderem Maße zur Theoriebildung im Norden beigetragen zu haben. Dies gilt sowohl für das von Feuerbach verfaßte bayrische Strafgesetz von 1813, das hierzulande wohl als eines der ersten das Recht des Urhebers als primäres Recht und das Recht des Verlegers als abgeleitetes Recht verstanden hat, als auch für seinen Nachfolger von 1865. Das preußische Landrecht von 1794 hatte zwar das Privilegiensystem aufgegeben, aber zum Verhältnis zwischen Verfasser und Komponisten auf der einen Seite und Verleger auf der anderen Seite stellt es nur das Recht des Verlagsvertrages zur Verfügung; diese Regelung übte ebensowenig einen Einfluß auf die nordische Gesetzgebung aus wie das preußische Gesetz von 1837 zum Schutze des Eigentums an wissenschaftlichen und künstlerischen Werken gegen Nachdruck und Nachbildung, dessen bemerkenwerte Schutzdauer von 30 Jahren nach dem Tod des Autors 1854 erweitert wurde. Nach 1870 erlangte die deutsche Rechtstheorie nicht nur in der Gesetzgebung, sondern noch viel mehr in der Rechtswissenschaft als Vorbild vorrangige Bedeutung. Verschiedene rechtsdogmatische Ideen bereiteten die Ausgangspunkte für Stellungnahmen zu den theoretischen Grundlagen des Urheberrechts. Nach damals üblichem Brauch versuchte man rechtswissenschaftlich einen festen Ausgangspunkt zu finden, sei es, daß man das Urheberrecht als Eigentumsrecht betrachtete, es also näher beim Sachenrecht als bei anderen Rechtskategorien 2
GRUR International 1980, S. 216-219.
Gunnar Kamel!
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ansiedelte; sei es, daß man es als Persönlichkeitsrecht oder als eigenständiges Recht verstand. Darüber wurde viel diskutiert. Es ging dabei nicht nur um die Schaffung einer rechtstheoretischen Ordnung. Die Rechtsprechung brauchte Hilfe bei der Lösung konkreter Probleme, wo die Gesetze schwiegen - so z. B. in Bezug auf die Pfändung des Urheberrechts; bei solchen Problemen wollte man potentiell systemfremde Lösungen vermeiden. Die Stellung der Rechtswissenschaft als Esel zwischen zwei oder mehreren Heuwischen, wie wir in Schweden sagen, tritt deutlich hervor im folgenden Zitat des wohl einzigen Rechtswissenschaftlers, der sich in Finnland, während der Zeit der russischen Herrschaft zwischen 1810 und 1917, über die rechtsystematische Einordnung des Urheberrechtes geäußert hat. Ich zitiere aus einer Schrift von Robert Montgomery, aus dem Jahre 1895. In einer Fußnote seines "Handbuches zum allgemeinen Privatrecht Finnlands Bd. II" 3 kommt er anläßlich der Befugnis einer Person, "sowohl über ihr Gewerbe und über dessen Erzeugnisse als auch über ihre geistige Tätigkeit zu bestimmen", auf das Urheberrecht zu sprechen. Das Zitat bezieht sich auf das erste finnische Spezialgesetz zum Urheberrecht vom 15. März 1880: ,,Zu welcher Gruppe von Rechten das sogenannte literarische und künstlerische Eigentumsrecht sowie noch dazu die Rechte an Name, Firma und Warenzeichen zu rechnen sind, ist eine in der Theorie unentschiedene Frage. Daß sie ihrer Wesensart nach die Person in ihrem privaten Leben und ihrer Aktivitätssphäre schützen, wird überhaupt nicht bestritten, aber sie haben auch noch dazu einen ökonomischen und vermögensrechtlichen Sinn, der, schon bevor man unternommen hat, ihre Natur näher zu untersuchen, Veranlassung gegeben hat, sie den Sachenrechten zuzuführen (propriete litteraire et artistique, geistiges Eigentum) und dieser Sinn wird noch hervorgehoben durch die Bezeichnung, die man in Deutschland scheint festlegen zu wollen für diese Rechte: ,Immaterialgüterrecht'. Es ist klar, daß sie absolute Rechte sind... im selben Sinne wie die Sachenrechte, aber das gilt auch für die Persönlichkeitsrechte. Und was die Objekte der rechtlichen Befugnisse betrifft und die Beziehungen der Subjekte zu den Objekten ist es offenbar, daß sie nicht derselben Natur sind wie die Sachenrechte. Eine neulich veröffentlichte, bedeutende Arbeit über das Privatrecht, die erst allzu spät dem Verfasser zur Verfügung gekommen ist, das Deutsche Privatrecht von Otto Gierke 1895, ordnet die Rechte den Persönlichkeitsrechten zu und verleiht dessen Schilderung einen Platz bei den allgemeinen Lehren; was auch die Zustimmung verdienen kann". Im letzten Teil der Zeitperiode, die Professor Strömholm in seinem vorerwähnten Artikel behandelt hat, d. h. 1880 bis zum ersten Weltkrieg, dominieren über die gesetzgebensehen Aktivitäten insbesondere Überlegungen in Beziehung auf die sich entwickelnde Bemer Übereinkunft. In der Zeit vor Bem, nach dem Ende des Privilegiensystems bis in die letzten zwei oder drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts finden wir, wie bereits erwähnt, im Norden zwar Einwirkungen aus dem Ausland. Diese wurden auch von eigenen 3
s. 266.
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rechtsdogmatischen Akzenten begleitet, namentlich in Dänemark und Norwegen; in Schweden und Finnland war dies jedoch kaum der Fall. Gesetzgebung entstand nach Marktbedarf. Sie wurde begründet mit dem Interesse eines Schutzes der Rechte des Verfassers und später allgemeiner auch des Komponisten und des Künstlers, auch nach dem Tode für längere oder kürzere Zeit. Man baute das Rechtssystem auf, je nachdem, welche Rechte im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung ökonomische Bedeutung erlangten. Man warpragmatisch und diskutierte Bedürfnisse in so konkreten Termini, wie es die Sprachgebräuche der Wirklichkeitsauffassung erlaubten. Noch 1877, als dem seit 1855 bestehenden Schutz des Verfassers gegen die Bühnenaufführung dramatischer oder musikdramatischer Werke in Schweden durch Gesetz eine neue Form gegeben wurde, geschah dies unter dem Titel "Gebrauch einer Schrift für die Schaubühne". Es war noch zu früh, vom Schutz des dramatischen Werkes als solchen gegen Aufführung zu sprechen; es fehlte die theoretisch I dogmatische Grundlegung. Kannte man damals überhaupt eine angemessenere Ausdrucksweise? Es sollte vielleicht erwähnt werden, daß die Verhältnisse in Schweden etwas eigenartig waren. Als sich Mitte des 18. Jahrhunderts der Schutz gegen das Entstehen eines blühenden Marktes für ausländische Raubdrucke schwedischer Werke aus Deutschland als unzureichend erwies, und die Bestrebungen der Behörden, durch Zensur den Druck und die Verbreitung unerwünschter Schriftstücke zu verhindern, nicht genügend Unterstützung fanden, bewirkten Drucker I :Verleger einerseits und Staatsgewalt andererseits gemeinsam, daß der Schutz komplettiert und sodann durch andere rechtstechnische Lösungen genereller Art /ersetzt wurde. So wurde 1752 in Schweden für Buchdrucker eine Alternative zum Ausschließlichkeitsrecht der Privilegien eingeführt, die sich auf kleine Schriften bezog. Dieses Alternativrecht entstand schon durch den Druck. Gleichzeitig wurde dem Verfasser ein Recht auf Genehmigung des Drucks von Übersetzungen seines Werkes zugesprochen. Vielleicht geschah dies in der Absicht, die staatlichen Interessen an einer Kontrolle wahrzunehmen, da Übersetzungen ja gleichermaßen wie die Originale der Zensur unterlagen. Es wurde verboten, im Ausland gedruckte schwedische Schriften ins Reich einzuführen. Durch die schwedischen Pressegesetze von 1810 und 1812 wurde dann in grundsätzlicher Form festgestellt, daß jede Schrift im Eigentum ihres Verfassers und seiner Rechtnachfolger stehen sollte. Übersetzern wurde ein Recht an ihren Übersetzungen ausländischer Schriften zugebilligt. Das Recht wurde vorbehaltlos als ein Eigentumsrecht angesehen, und aus diesem Grunde war es ursprünglich zeitlich nicht begrenzt. Die Befugnisse des Verlegers waren ganz davon abhängig, welche Stellung ihm durch den Vertrag mit dem Verfasser eingeräumt wurde. Die Schutzdauer wurde 1841 weiter modifiziert, und zwar in der Weise, daß nach dem Tode des Verfassers das Recht innerhalb von 20 Jahren- und danach während weiterer Perioden von 20 Jahren - benutzt werden mußte, um weiter bestehen zu können. Wenn diese Ordnung im Jahre 1876177 aufgehoben, das
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Gunnar Kameil
Verfasserrecht vom Presserecht getrennt und im Jahre 1877 ein neues Gesetz über Eigentum an Schriften erlassen wurde, so geschah dies in Anlehnung an die Ausgestaltung des Rechts in den norwegischen und dänischen Gesetzen von 1876 bzw. 1857 (mit nachträglichen Bestimmungen), sowie an das deutsche Gesetz von 1870. Das schwedische Gesetz von 1855 über die Aufführung dramatischer und musikdramatischer Werke und das Gesetz von 1867 über die Nachbildung von Kunstwerken wurden sozusagen rings um den presserechtliehen Schriftschutz gelegt und von keiner weiteren rechtsdogmatischen Diskussion begleitet. Man stellte einfach fest, daß das Verfasserrecht eigentlich nicht genügend Gemeinsamkeiten mit dem Presserecht aufwies, sondern eher mit dem Gebiet der Zivilrechtsgesetzgebung. Auch dem Gesetz von 1897 über das Recht der N achbildung von Kunstwerken ging keine rechtstheoretische Diskussion voraus, die diesen Namen verdient hätte. Halten wir aber einen Augenblick inne in unseren Betrachtungen über die schwedischen Verhältnisse, um uns im übrigen Norden Europas ein wenig umzuschauen. In Dänemark finden wir das erste nordische Verfasserrechtsgesetz moderner Art, das zweite nach dem bekannten englischen Gesetz von 171 0; diese dänische Verordnung vom 7. Januar 1741 gewährte während der Lebenszeit des Verfassers und Verlegers Schutz gegen die Herstellung und den Import von Büchern und von anderen Schriften (jedoch nicht von musikalischen Werken), die erlaubterweise von einem anderen erworben worden waren. Die Verordnung, die auch für Norwegen galt, wurde in Dänemark 1857 durch ein Gesetz über Nachbildung gewisser Kunstarbeiten (Lithographien, Kupferstiche und was sonst Gegenstand mechanischer Vervielfältigung sein konnte) ergänzt. Erst 1857 hat man die alte Verordnung durch ein neues Gesetz über Verfasserrecht ersetzt, das man dann in den Jahren 1866, 1868, 1879 und 1889 ziemlich kasuistisch, fast bis zur Unübersichtlichkeit, umgestaltet hat. Eine Ergänzung fand das Gesetz über das Autorrecht 1864 durch ein Gesetz, das ganz allgemein die Nachbildung von Kunstwerken erfaßte. Später folgte eine Gesetzgebung, die sehr stark von französischen Gedanken beeinflußt war; so in den Jahren 1902 und 1904; entsprechendes gilt für das Gesetz von 1912 über Verfasser und Künstlerrecht, das mit Änderungen (seit 1933) bis zu demjetzt geltenden Urheberrechtsgesetz von 1961 in Kraft geblieben ist. In Island entstand- sieht man von einer "Bekanntmachung über die Wiedergabe von Photographischen Bildern" aus dem Jahre 1869 (!) ab, die anscheinend noch bis 1972 formell in Geltung war - das erste eigene urheberrechtliche Gesetz zum Schutz der Rechte der Verfasser und Komponisten im Jahre 1905; es wurde 1912 erweitert um den Schutz für "Bilder und Zeichnungen von künstlerischem Wert". Die Regelung baute ganz auf dänischen Vorbildern auf. Der Rechtschutz wurde erst 1943 auf alle Werke der bildenden Kunst erweitert. Ein Gesetz aus dem Jahre 1947 bereitete den Weg für den Beitritt zur Berner Überein-
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kunft. Die Urheberrechtsgesetze aller anderen nordischen Staaten aus den frühen 60er Jahren wurden als Grundlage für das noch geltende isländische Gesetz von 1972 benutzt. In Norwegen bestand die ursprüngliche dänische Verordnung von 1741 (Änderungen und Ergänzungen in den Jahren 1830, 1842 und 1860) bis zum Gesetz von 1876 über das sogenannte Schrifteigentumsrecht fort. Kunstwerken wurde in Gesetzen aus den Jahren 1857, 1871 und 1877 Schutz gewährt. In diesem Stadium bestand ein starker deutscher Einfluß, der noch im norwegischen Gesetz von 1893 über das Verfasser- und Künstlerrecht spürbar ist, einem Gesetz, das erst 1930 vom Gesetz über "Geisteswerke" ersetzt wurde. Dieses Gesetz wiederum geht auf sehr eigenständige Vorarbeiten zurück. Im Kommiteentwurf zu der neuen Regelung wurde z. B. vorgeschlagen, daß der Staat alle Urheberrechte an Werken übernehmen sollte, die einmal in Norwegen Schutz genossen hatten, deren Schutzfrist aber abgelaufen war; dieser Vorschlag wurde jedoch nicht aufgegriffen. Die theoretischen Grundlagen der Gesetzgebung in Dänemark und Norwegen wurden somit in der Zeit vor der Jahrhundertwende und kurz danach immer offensichtlicher von der Rechtswissenschaft geprägt, welche die kontinentalen Urheberrechtsgesetze des 19. Jahrhunderts formte. Als die finnische Verordnung, die ich vorhin erwähnte, im Jahre 1927 von einem Urheberrechtsgesetz ersetzt wurde, nahm man einen Vorschlag zum Vorbild, der 1925 zur Revision des norwegischen Urheberrechts veröffentlicht worden war und der in wesentlichen Teilen als Grundlage des norwegischen Gesetzes von 1930 diente. Zurück nach Schweden. Aus den in das Jahr 1914 zurückreichenden Vorarbeiten zu den 1919 in Kraft getretenen Gesetzen über das Recht an literarischen und musikalischen Werken sowie über das Recht an Werken der bildenden Kunst kann man herauslesen, daß die seinerzeit neuen dänischen und norwegischen Gesetze als Vorlagen verwendet worden sind, aber auch, daß das Österreichische Gesetz von 1895 und die deutschen Gesetze von 1901 und 1907 eine bedeutende Rolle gespielt haben. Aus dem Bereich der Doktrin kam den Ideen Allfelds eine ähnliche Bedeutung zu; dies geschah in Auseinandersetzung sowohl mit Gierke als auch mit Kohler und Wächter 4 • Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen wurden unter anderem damit begründet, daß man nach größerer internationaler Gleichförmigkeit streben müsse. Wenn man heutzutage mit Recht das nordische Recht auf dem Gebiet des Urheberschutzes als ein ziemlich weit vereinheitlichtes System versteht, so sollte man sich in Erinnerung rufen, daß dies im wesentlichen dem Bemühen um eine gemeinsame Arbeit zu verdanken ist, die zwar schon bei der ersten Nordischen 4
Förslag 1914, S. 50 et seq.
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Juristentagung 1872 initiiert worden war, aber erst vor dem zweiten Weltkrieg, nämlich 1938, eine so feste Form gewann, daß eine tatsächliche Vereinheitlichung möglich wurde. Diese wiederum vollzog sich seit der Mitte der 50er Jahre 5 • In der Zeit zuvor, am Ende des 19. Jahrhunderts und danach, hatten sich die nordischen Staaten auf eine Anpaßung ihrer Gesetze an die schrittweise Entwicklung der Bemer Übereinkunft konzentriert; dies hatte einerseits zu ziemlich unterschiedlichen gesetzestechnischen Lösungen mit nationalem Gepräge geführt, andererseits aber auch zu einer von der kontinentalen rechtsdogmatischen Diskussion bisweilen recht emanzipierten rechtswissenschaftliehen Forschung und Debatte. In einer Weise, die für die nordische Rechtswissenschaft allgemein charakteristisch war und immer noch ist, dienten rechtsvergleichende Studien als Grundlagen dieser Debatte, Studien, in denen sprachlich sowie natürlich auch sachlich begründet, nordisches, deutsches, französisches und- wegen der systematischen Unterschiede meistens nur begrenzt- englisches Recht vergleichend herangezogen wurde. Auch in den Gesetzesvorarbeiten wird regelmäßig ausländisches Recht zur Unterstützung für nationale oder gesamtnordische Erwägungen angeführt. Schauen wir jetzt auf die Vorarbeiten der immer noch grundlegenden urheberrechtlichen Gesetze der frühen 60er Jahre und suchen wir nach Hinweisen auf ausländisches Recht oder auf eigene Standpunkte, so finden wir keine theoretischen Betrachtungen über die Natur des Urheberrechtes, über seine persönlichkeitsrechtliche oder eigentumsrechtliche Zugehörigkeit oder anderes Kategoriengut theoretischer Art, das als Grundlage für den jeweiligen Standpunkt hätte dienen können. Stattdessen wird, nach dem Vorbild der Vorarbeiten des norwegischen "Geisteswerksgesetzes" von 1930, dem am höchsten entwickelten Produkt der nordischen urheberrechtliehen Gesetzgebung in der Zeit zwischen den Weltkriegen, von den verschiedenen Interessen gesprochen, von persönlichen und ökonomischen, sozialen und kulturellen Interessen. Diese werden abgewogen, in einem generellen Begriffsrahmen mit einer Terminologie erfaßt, die gewählt worden ist, um eben nicht theoretisch vorbelastet zu sein. Zusammengefaßt wird die Interessenahwägung in einem Prinzip, auf das der schwedische Oberste Gerichtshof auf Grund der Gesetze der 60er Jahre bei der Auslegung der Regeln über Einschränkung grundlegender urheberrechtlicher Befugnisse mehrfach zurückgegriffen hat: "Der prinzipielle Ausgangspunkt des Gesetzgebers war es, dem Urheber das Recht vorzubehalten, sich alle solche Werknutzungen ökonomisch zunutze zu machen, die von praktischer Bedeutung sind" 6 • Dieses Prinzip wurde durch ein weiteres komplettiert, und auch dieses ist zuerst in den erwähnten Vorarbeiten zum norwegischen Gesetz zum Ausdruck gekommen: Dem Urheber 5 S. hierzu meinen Artikel "Die Nordischen Bestrebungen auf die Harmonisierung des Urheberrechts" in Zeszyty Naukowe Universytetu Jagellonskiego. Prace z wynalazczosci Intelektualnej Z. 45, 1988, S. 77-86. 6 E. g. NJA 1988 S. 715 (723).
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sollen alle Befugnisse zur Bestimmung über sein Werk vorbehalten werden, die ihm nicht wegen zwingender gesellschaftlichen Gründe entzogen werden müssen7. Diese beiden Prinzipien bilden - so kann man sagen - die theoretische Grundlage des heutigen nordischen Urheberrechts. Ihre Ziele werden durch eine genaue Interessenahwägung innerhalb eines, rechtstechnisch gesehen, sehr weiten Rahmens verwirklicht, den ich eben näher beschrieben habe: keine begrenzten Werkkategorien innerhalb der allgemeinen Kategorie der literarischen und künstlerischen Werke (von Photos abgesehen); keine unterschiedliche Schutzdauer (von Photos abgesehen); ein generelles Recht, das Werk dem Publikum zugänglich zu machen, unabhängig von Form und Zusammenhang; Schutz wohldefinierter ideeller Interessen, das Recht auf Namensnennung etwa und der Schutz gegen kränkende Änderungen oder Vorkommen in kränkendem Zusammenhang; scharf definierte Einschränkungen. Bei den beiden Prinzipien, die ich gerade erwähnt habe, sind wir weit von den theoretischen Grundlagen der Urheberrechtsentwicklung entfernt, die mit ihrer Einpassung in die Rechtsordnung als Ganzes zu tun hatten. Verwandte Rechtsfiguren oder abstrakte Argumente, wie Eigentumsschutz oder Persönlichkeitsschutz, geben keine Anleitung zur Gesetzesauslegung mehr. Die theoretischen Grundlagen haben ihren Charakter gewechselt. Die Suche nach einer Identität oder einer Legitimität kraft des bereits Anerkannten ist abgelöst worden von einem Feinschleifen der Eigenart des Urheberrechts durch gesellschaftliche lngenieurkunst; dabei werden Interessengruppierungen während der gesetzgebensehen Arbeit zu Konsultationen zusammengebracht, um grundlegende urheberrechtliche Begriffsbestimmungen zu ermitteln, die den jeweils eigenen Bestrebungen gerecht werden. In gewisser Art und Weise sind wir damit in rechtsgeschichtlicher Perspektive zurückgekehrt in die Vorstellungswelt der Privilegienzeit, so wie sich diese in Anbetracht der Medien von damals, der Herstellung und Verbreitung gedruckter Schriftstücke, darstellte; sie unterscheidet sich deutlich von der Welt der Theorienbauten des 19. Jahrhunderts oder des beginnenden 20. Jahrhunderts. Das ausschließliche Recht bezog sich auf Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, mithin auf die einzige Nutzungsart, die - in Ländern wo, wie in den nordischen, Bühnenaufführungen Sache der Höfe war - zu Gebote stand, um ein Publikum zu erreichen; eventuell gab es auch noch einen Schutz gegen Entstellung des Textes und ein ausschließliches Recht zur Verbreitung von Übersetzungen im Lande. Diese Rechte unterlagen einer staatlichen Kontrolle, zumal der Zensur, um eine Verbreitung des gesellschaftlich Unerwünschten zu unterbinden. All dies entsprach der damaligen Interessenabwägung. Musik wurde gedruckt und mittels Noten vorgeführt, Musikdramen und Schauspiel h~t.!._en ge7
Statens offentliga utredningar (= SOU) 1956:25, S. 86.
8 Wadle
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druckte Unterlagen. Vor-, Auf- und Ausführungen verflüchtigten sich beim Stattfinden. Nur das Gedruckte hatte Bestand. Privilegien gaben Investitionsschutz zu dem, was dazu nötig war. Jetzt stehen wir wieder dort, wo der Investitionsschutz ins Zentrum rückt und wo die rechtstheoretischen Ecksteine der urheberrechtliehen Regelbastionen, die zum Schutze der schöpferischen Menschen errichtet worden waren, von systemwidrig denkenden Pionieren, gleichsam den Nachfolgern der alten privilegierten Drucker, unterminiert werden. Die mir zur Verfügung stehende Zeit erlaubt nicht, daß ich mich auf die theoretischen Grundlagen der Erstreckung des Urheberrechts der nordischen Staaten auf Werke ausländischer Autoren und Werke einlasse. Im Norden, wie auch sonstwo, bezog sich der Schutz ursprünglich nur auf nationale Werke. In Dänemark wurde 1828 das schon bestehende Verbot gegen Nachdruck auf solche Werkstücke erstreckt, die hergestellt wurden unter Benutzung von Exemplaren, die von Untertanen fremder Länderaufgrund deren eigenen Verlagsrechts produziert worden waren. Eine Art Gegenseitigkeitsprinzip wurde 1830 in Norwegen eingeführt, in Schweden erst 1877 und in Finnland erst 1880. Bilaterale Verträge folgten zwischen den nordischen Staaten und anderen Ländern, bis das Bild sich auf der Basis der Berner Übereinkunft völlig veränderte. Ein besonderes Kapitel des nordischen Rechts stellt schließlich der Schutz von Photographien dar. Die theoretische Grundlegung dieses Schutzes hat mit der Einstellung zur Photographie als Kunst zu tun und nicht mit eigentlichen urheberrechtliehen Erwägungen theoretischer Art. Die in allen nordischen Staaten, außer Island, eingeführte eigenartige Ordnung des Photographierechts ist in besonderen Gesetzen niedergelegt. Diese Trennung vom eigentlichen Urheberrechtsschutz und die großen Unterschiede im Blick auf die Schutzdauer sind Konsequenzen einer Skepsis, die sich dagegen wandte, Erscheinungen, die mehr technischen als künstlerischen Kategorien entsprachen, mit dem Urheberrecht zu verbinden. Es kommt noch der Wille hinzu, allen Photographien einen gewissen Rechtsschutz zuzusprechen, einen Schutz, der in vielen Einzelheiten ähnlich war, aber doch unterscheidbar blieb; auch hierbei waren Interessenahwägungen maßgeblich, so z. B. in bezug auf die Schutzdauer oder den Schutz bestellter Bilder. Diese Abwägungen sind jetzt vielleicht reif für eine neue grundsätzliche Überprüfung durch die nordischen Gesetzgeber.
Urheberrecht: eine Sache des Rechts oder der Opportunität? Eine alte, aber unvollendete Debatte in den Niederlanden Von Herman Cohen Jehoram Schon während des ganzen 19. Jahrhunderts hat es in den Niederlanden gesetzliche Regelungen des Urheberrechts gegeben. Trotzdem ist am rechtlichen Charakter dieses Urheberrechts fast das ganze Jahrhundert lang gezweifelt worden. Im Jahre 1840 hat der Hoge Raad der Niederlande geurteilt, daß Sinn und Zweck des damaligen Urheberrechtsgesetzes von 1817 vor allem darin gesehen werden sollten, daß es "ein Zeichen von Wohlwollen gegenüber den Autoren und Künstlern" sei 1• 1877 wurde der 8. Jahrestagung des niederländischen Juristenvereins die folgende Frage vorgelegt: "Nach welchem Rechtsgrundsatz muß der Staat die Rechte von Autoren und Künstlern am Produkt ihrer Arbeit regeln?". Die beiden Berichterstatter waren sich einig über die Antwort. Fresemann Vietor schrieb 2 : "In der Tat gibt es jeden Grund zu verzweifeln, wenn man darangeht, einen Rechtsgrundsatz ausfindig machen, durch den die Rechte von Autoren und Künstlern regiert werden. (...) Und das System ist einfach: es gibt kein Rechtsprinzip, das den Staat zwingen kann, Autoren und Künstlern die Rechte ihrer Arbeit zuzusichern. Sie können darauf keine Rechte geltend machen. Damit ist nicht gesagt, daß der Staat ihnen keine Rechte zuweisen soll. Im Gegenteil, es gibt allen Anlaß, sie zu behandeln wie die meist begünstigten Arbeiter. Liefern sie doch ein Werk, stärker als Quaderstein, sie bringen uns die Speise, die nicht zerfällt ... ". Der andere Berichterstatter, De Ridder, meinte 3 : "Keine einzige Rechtsgrundlage kann vom Staat zugrunde gelegt werden, wenn es gilt, die Interessen der Autoren zu sichern". Er plädiert aber dennoch für ein "Eingreifen des Staates zur Sicherung des allgemeinen Interesses durch eine Abwehr der Verletzung der 1 Hoge Raad 8. September 1840, Het letterkundig eigendomsrecht in Nederland II, Den Haag 1867, 132, zitiert von van Engelen: De geschriftenbescherming in de Auteurswet en de bescherming van daarmee op een lijn te stellen prestaties, Byblad by de lndustriele Eigendom 1987, S. 243-253. 2 Handelingen der Nederlandsche Juristen-Vereeniging (= N.J.V.) 1877 I, Den Haag,
s. 34, 44. 3
8*
Op. cit. S. 65-67, 97.
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Interessen der Autoren und deren Rechtsnachfolger". Er will ein "befristetes Verbot des Nachdrucks, soweit es um Produkte geht, die darauf angelegt sind, ihren Schöpfer auf publizistischem Weg des Lohnes teilhaftig werden zu lassen. Deshalb: ein befristetes, durch ein Monopol beherrschtes, exklusives Absatzgebiet". Beide Berichterstatter befürworteten zwar ein Urheberrecht, aber nicht auf Grund von Rechtsgrundsätzen - die gab es hier einfach nicht - , sondern auf Grund von Opportunität. So schrieb Fresemann Vietor auch 4 : "Durch das Copyright muß verhütet werden, daß das Verlegen von Büchern unterbleibt; Autoren müssen ermutigt werden, die Welt mit den Früchten ihrer Feder zu bereichern", und: " ... immer muß man das Ziel im Auge behalten: dafür zu sorgen, daß der Autor Gewinn aus seinem Werk erzielen kann, oder lieber zu vermeiden, daß er aus Angst vor dem Gegenteil sein Werk nicht verlegt". De Ridder meint ebenso 5 : "Und nun wird es wohl niemanden geben, der bezweifelt, daß, weil dem Autor kein Lohn zufließt, er nicht oder zumindest weniger arbeitet; auch nicht, daß hierdurch der intellektuelle Gehalt einer ganzen Gesellschaft Schaden nimmt". Die Allgemeine Versammlung des niederländischen Juristenvereins folgte seinen beiden Berichterstattern und verwarf mit großer Mehrheit den Standpunkt, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des Urheberrechts auszugehen hat a) vom Gedanken "des literarischen oder intellektuellen Eigentums" (40 gegen 9 Stimmen), b) von der Theorie "daß der Arbeiter Recht hat auf den Lohn für seine Arbeit, und daß jeder, der sich ohne Grund mit dem Lohn eines anderen bereichert, zur Zurückgabe verpflichtet ist" (42 gegen 7 Stimmen), und c) vom Gedanken einer stillschweigenden Bedingung beim Verkauf eines Exemplars eines Buches dieses nicht nachzudrucken (alle Stimmen minus eine). Bejahend wurde aber beantwortet die These d) " ... daß im allgemeinen Interesse durch Gesetz ein Recht zur exklusiven Reproduktion gegeben werden sollte" (36 gegen 10 Stimmen)6. Vielleicht kann zur Entschuldigung der niederländischen Juristen von 1877 dienen, daß sie diese Idee von einem nur auf Opportunitätsgründen basierenden Urheberrecht nicht selber erdacht haben. Sie haben diesen Gedanken - oder lieber diesen Mangel an Gedanken- importiert aus der angelsächsischen Welt, wo er nur mit rhetorischer Eleganz formuliert worden war. Beide holländischen Berichterstatter aus dem Jahre 1877 zitierten oft und gerne die Rede, die Macauley am 5. Februar 1841 im englischen Unterhaus über das Urheberrecht gehalten hat, und die in einer Tauchnitz Edition von Macauley's Ansprachen der Welt zugänglich gemacht worden war: "ls this (copyright) a question of expediency Op. cit. s. 46-47. s Op. cit. S. 67.
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6 Handelingen N.J.V. 1877 II, S. 69-71.
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or is it a question of right?". Seine Antwort ist deutlich: "lt is desirable that we should have a supply of good books: we cannot have such a supply unless men of letters are liberally remunerated; and the least objectionable way of remunerating them is by means of copyright" 7 • Heutzutage bekannter ist Artikel 1, Paragraph 8, 8. Abschnitt der amerikanischen Verfassung: "The Congress shall have the power (... ) to promote the progress of science and the useful arts, by securing for limited times to authors and inventors the exclusive right to their respective writings and discoveries". Auch hier scheint nur Opportunität zugrunde gelegt zu sein beim ganzen Urheberund auch Patentrecht. Das jedenfalls wird in der juristischen und ökonomischen Fachliteratur oft behauptet, und ganz besonders, wenn irgendeine Mode oder irgendein Interesse daran besteht, den urheber- oder patentrechtliehen Schutz zu kürzen oder gar wegzudenken 8 • Allerdings hat es auch in den Vereinigten Staaten ganz andere Stimmen gegeben. 1983 sagte der damalige Register of Copyrights David Ladd in seinem Brace Lecture ,The harm of the concept of harm in copyright' 9 : "In truth the fundamental claim of copyright is one of justice", und: "American copyright legislation may not fit into the formal philosophical edifice of ,natural law'. lt does, nevertheless, express a feit sense of what is right and just", und schließlich: "That rights of the author are thus of a special kind, rooted both in utility and feit justice, has long been recognized in our country". Um aber wieder zurückzukommen auf das 19. Jahrhundert in den Niederlanden: diese "pragmatische" Auffassung des Urheberrechts, wie sie vom niederländischen Juristenverein im Jahre 1877 zum Ausdruck gebracht wurde, muß auch gesehen werden im Zusammenhang mit der damaligen Diskussionen über die Abschaffung der bestehenden Immaterialgüterrechte überhaupt. Denn das war ja auch schon in diesen Jahren vorgekommen. In einem außergewöhnlichen Anfall von ökonomischem Populärliberalismus hatte der holländische Gesetzgeber 1869 das Patentgesetz abgeschafft, zur Verblüffung der damaligen Welt 10• Nach der urheberrechtliehen Debatte im niederländischen Juristenverein 1877 schrieb ein Herr Katz: ,,Zweifellos wird die Zeit kommen, daß auch hier aufgeräumt wird mit allen Privilegien und allen Monopolen, und das Vorbild der Patente, wieviele Abweichungen es auch aufzeigen möge, auch auf das Gebiet Macauley: Speeches (Tauchnitz Edition) Vol. I, S. 277. s Besonders den Ökonomen gefallt das sehr gut. Vergleiche z. B. Machlup: An economic review of the patent system. Study of the Subcommittee on Patents, Trademarks and Copyrights ofthe Committee on the Judiciary. US-Senate. Study No. 15, Washington 1958, und Gerhard Prosi (Schüler von Machlup): Ökonomische Theorie des Buches, Düsseldorf 1971. 9 Die jährliche Brace Lecture wurde diesmal arn 13. April 1983 gehalten im Tishman Auditorium des New York University Law Centre, New York, und u. a. veröffentlicht in: Auteursrecht 1984 1, S. 3-6. 10 Erst 1910 hat Holland sich wieder ein neues Patentgesetz zugelegt, unter Druck der Pariser Union, in der man von Anfang an, seit 1883, an Mitglied war. 1
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des Urheberrechts angewandt werden wird" 11 • Auch ein Teilnehmer an der Debatte des Juristenvereins selbst, Herr Levy, wußte zu melden, daß das Urheberrecht kein dingliches Recht sei und auch kein persönliches Recht, also kein bürgerliches Recht; und da er nun auch das allgemeine Interesse daran nicht einzusehen vermöge, könne das ganze seinetwegen gestrichen werden 12• Daneben gab es auch wohl andere Autoren 13, die schon Gründe von Billigkeit und Gerechtigkeit für das Bestehen des Urheberrechts anzuführen wußten und die darauf hinwiesen, daß dieses Recht mit den in unserem ganzen privatrechtliehen System verfolgten Prinzipien übereinstimmte; aber es blieb doch bei kurzen allgemeinen Bemerkungen und eine Rechtslehre wurde nie in diesem Sinne entwickelt. De Beaufort, ein Schüler Josef Kohlers, konnte 1909, in seinem in Holland nie übertroffenen Handbuch des Urheberrechts, mit Recht schreiben 14: "So ist denn im allgemeinen die Rechtswissenschaft, was das Urheberrecht angeht, in unserem Land mehr abbrechend als aufbauend tätig gewesen". Was die Grundlagenforschung des Urheberrechts anbetrifft, ist unter holländischen Autoren diese eher negative Einstellung bis heute sogar eine bestimmte Tradition geblieben. So schreibt z. B. neuerdings Verkade: "Rechtsprinzipien, die Anlaß geben zu (mehr) Verwertungsschutz oder Belohnung von immateriellen Leistungen, habe ich nicht finden können. Rechtsprinzipien, die fungieren können als Deiche gegen einen Schutz, der noch (viel) weiter geht, gibt es aber" 15 • 1877 gab der Berichterstatter des niederländischen Juristenvereins, De Ridder, seinem Bericht schon folgenden Leitspruch mit: "Der Zeitpunkt scheint gekommen, in dem das Verlangen nach Autorschutz das rechte Maß zu überschreiten anfangt". Holländische Gesetzgebung und Rechtsprechung haben sich aber genauso traditionell nie um diese eher negative Tendenz gekümmert. Hier sei nur hingewiesen auf die parlamentarischen Debatten um das Urheberrechtsgesetz von 1881. Der große Jurist und damaliger Justizminister Modderman wollte das Urheberrecht sehen "nicht einfach als Produkt von Utilität, aber als ein Recht sui generis", und der Fraktionsvorsitzende der damaligen Katholischen Staatspartei in der Zweiten Kammer und einer der wichtigsten holländischen Intellektuellen seiner Zeit, Schaepman, meinte, daß der Gesetzgeber das Urheberrecht nicht zu schaffen brauche, daß es aber ein bestehendes, auf Billigkeit und Gerechtigkeit gegründetes Recht sei, dem durch das Gesetz nur ein förmlicher und bestimmter Rechtsgeleerd Magazijn I, S . 328. Handelingen N.J.V. 1877 li, S. 20. 13 Viotta: Het auteursrecht van den componist, Amsterdam 1877, S. 8; van de Kasteele, Het auteursrecht in Nederland, Leiden 1885, S. 8; Swart: Opmerkingen betreffende auteursrecht op werken van beeldende kunst, Leiden 1891, S. 27. 14 De Beaufort: Het auteursrecht in het Nederlandsche en internationale recht, Dissertatie, Utrecht 1909. 15 Ars Aequi 1991, S. 867. 11
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Ausdruck gegeben werden müsse 16 • Die Erläuterung zum Entwurf unseres heutigen Urheberrechtsgesetzes 1912 wollte keine theoretische Stellung mehr beziehen, und sagte 17 : "Es ist unnötig, den vielen bestehenden Theorien über die Grundlage dieser Rechte nachzuforschen. Ob man ein intellektuelles Eigentumsrecht anerkennt, oder im Urheberrecht den Respekt vor der Persönlichkeit des Urhebers sieht, oder die Anerkennung eines Rechtes auf Lohn für Arbeit, oder auch nur ein Mittel um dem allgemeinen Interesse zu dienen; das Urheberrecht als solches gibt es, und es verlangt vom Gesetzgeber Regelung und Mittel zur Handhabung". Die Erläuterung zum wiederhergerichteten Patentgesetz 1910 erkannte sowohl Rechts- als auch Zweckmäßigkeitsgründe für das wieder einzuführende Patentsystem an 18• Woran fehlte es denn so vielen holländischen Juristen des 19. und auch einigen des 20. Jahrhunderts bei ihrer Verneinung von Rechtsgrundlagen, die dem Urheberrecht zugrunde liegen konnten? Otto Gierke hat einmal ein Wort gesagt, das auch hier anwendbar zu sein scheint: "Es gibt eine Jurisprudenz, die in einem Rechte, das sich nicht romanistisch konstruieren läßt, kein gutes Recht zu sehen vermag" 19• Man hat auch nicht unterscheiden können zwischen einerseits der rechtspoiitischen Legitimation des Urheberrechts, die es zu suchen galt, und andererseits der rein technisch-juristischen Einordnung des Urheberrechts im zivilrechtliehen System. Auch die niederländische Rechtsprechung hat sich in unserem Jahrhundert völlig gelöst von Anschauungen, wie sie der Hage Raad 1840 noch zum Ausdruck gebracht hat, als wäre das Urheberrecht nur ein Zeichen von Wohlwollen gegenüber den Autoren und Künstlern. In einem Urteil des Hagen Raads aus dem Jahre 1990 heißt es jetzt zum BeispieJ2°, daß der Gesetzesparagraph über die Zitierbeschränkung des Urheberrechts "ausgelegt werden muß im Hinblick auf den Zweck des Urheberrechts, nämlich dem Autor eines Werkes Schutz zu bieten, unter anderem bei der Verwertung des Werkes durch Veröffentlichung oder Vervielfältigung, von welchem Schutz dieser Paragraph eine Ausnahme bildet". Diese grundlegende Entscheidung, die bezeichnenderweise von einigen holländischen Kommentatoren wieder sehr kritisch aufgenommen worden ist 2 1, steht ganz im Einklang mit der Lehre vom geistigen Eigentum in Deutschland, worüber Handelingen, Tweede Karner 1880 I 81, S. 1628, 1642, 1644. Abgedruckt bei Snijder van Wissenkerke: Het Auteursrecht in Nederland, Gouda 1913, S. 106. 18 Siehe: ,,Rijksoctrooiwet", Ed. Schuurman & Jordens, No. 73. 19 Otto Gierke: Deutsches Privatrecht, Bd. I, Leipzig 1895, S. 756. Vergleiche auch Beaufort (Fn. 14) S. 93. 20 Hoge Raad 22. Juni 1990 (Zienderogen Kunst), Ais Aequi 40 (1990) 9, S. 672679, mit zustimmender Anmerkung von Cohen Jehorarn. 21 Dommering: in Informatierecht I AMI 1990 I 9, S. 202-205, und Spoor in NJ 1991, S. 268. In ihrem Sinne auch schon Grosheide: Auteursrecht op maat, Dissertation, Utrecht 1986, Zwolle 1986. 16
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Ulmer gesagt hat 22 : der BGH "leitet daraus mit Recht den Gedanken ab, daß dem Urheber nicht nur einzelne Verwertungsrechte zustehen, deren Verleihung im Ermessen des Gesetzgebers liegt, daß ihm vielmehr in umfassender Weise die Verwertung seines Werkes vorbehalten ist". In Deutschland steht das vermögensrechtliche Urheberrecht unter dem Schutz des Grundgesetzes und dessen Regeln über das Eigentum. In den Niederlanden gibt es eine solche ausgeprägte Verfassungsregel nicht; aber auch dort, wie in ganz Europa - und diesmal ist das große Europa des Europarats gemeint - , steht das Urheberrecht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des I. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, wobei das Eigentum in einem weiteren Sinne aufzufassen ist als in den romanistischen Bürgerlichen Gesetzbüchern dieser Welt. Dieser weite Eigentumsbegriff braucht auch gar nicht auf Naturrecht oder Naturgesetz gegründet zu werden. Das Urheberrecht ist, wie jedes Recht, auch nicht im Himmel geschrieben worden. Es ist einfach ein Produkt unserer Kultur und unserer Zeit, die für das Urheberrecht mit der Erfindung des großen Gutenbergs angefangen hat.
22
Eugen Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht, Berlin I Heidelberg I New York 1980,
S. 108.
Die Idee des geistigen Eigentums in Naturrecht und Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts Von Diethelm Klippe! Im heutigen deutschen Zivilrecht bezieht sich der Begriff des Eigentums ausschließlich auf Sachen 1 • Zivilrechtlich gibt es daher strenggenommen kein geistiges Eigentum. Dennoch kennt auch die heutige deutsche Rechtswissenschaft den Begriff des geistigen Eigentums: dann nämlich, wenn rechtspolitisch argumentiert wird 2 , des weiteren im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, der selbstverständlich auch das Urheberrecht und die subjektiven absoluten Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes umfaßt 3• In der heutigen deutschen Rechtssprache haben wir also zwei Eigentumsbegriffe: das zivilrechtliche, lediglich Sachen betreffende Eigentum und den weiteren verfassungsrechtlich-rechtspolitischen Eigentumsbegriff, der auch das geistige Eigentum einbezieht. Rechtshistorisch begegnet uns der Begriff des geistigen Eigentums vor allem am Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er spielte in der juristischen Argumentation des 19. Jahrhunderts eine erhebliche Rolle; insbesondere handelte es sich um einen für die theoretische Legitimation des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes zentralen Begriff. Bestrebungen, das geistige Eigentum in Deutschland als Begriff des geltenden Zivilrechts zu etablieren, scheiterten freilich. Statt dessen setzten sich die Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechte als Kategorien von subjektiven Privatrechten durch 4 •
§§ 90, 903 BGB. Dazu Barbara Dölemeyer I Diethe1m Klippe!: Der Beitrag der deutschen Rechtswissenschaft zur Theorie des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. 1, Weinheim 1991, S. 185 ff., 231; neuerdings z. B. OttoFriedrich Freiherr v. Gamm: Zur Lehre vom geistigen Eigentum, Ufita 94 (1982), S. 73 ff.; Claus Dietrich Asendorf: Gesetz zur Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie, NJW 1990, S. 1283 ff. 3 V gl. nur Walter Leisner: Art. Eigentum, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef lsensee u. Paul Kirchhof: Bd. 6, Heidelberg 1989, S. 1023 ff., Rn. 46, 72 ff. 4 Zu der geschilderten Entwicklung und ihren Hintergründen: Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2). I
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All dies ist nichts Neues. Gerade in den letzten Jahrzehnten sind auf dem Gebiet der Erforschung der Geschichte des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes große Fortschritte zu verzeichnen, die neben der Gesetzgebungsund der Wissenschaftsgeschichte auch die Geschichte der theoretischen Legitimation des geistigen Eigentums betreffen 5 • Vor allem im Zusammenhang mit der Nachdruckdiskussion am Ende des 18. Jahrhunderts sind dabei auch naturrechtlich-rechtsphilosophische Quellen ausgewertet worden 6 • Dagegen sind die zahlreichen naturrechtliehen und rechtsphilosophischen Publikationen des 19. Jahrhunderts bisher vernachlässigt worden, obwohl sich - wie zu zeigen ist - der Diskurs über Legitimation und Ausgestaltung des Schutzes von geistigem Eigentum noch im 19. Jahrhundert in erstaunlichem Umfang in Naturrecht und Rechtsphilosophie abspielte. So z. B. notierte Felix Eberty 1852 mit Blick auf das Naturrecht des 19. Jahrhunderts, das geistige Eigentum gehöre "zu den unter den Naturrechtslehrern am meisten streitigen Gegenständen" 7 • Der folgende Beitrag untersucht gerade diesen Ausschnitt aus der Theoriegeschichte des geistigen Eigentums. Die Quellenbasis dafür bilden vor allem eine Auswahl von ca. 70 naturrechtlich-rechtsphilosophischen Lehrbüchern und Einzelpublikationendes 19. Jahrhunderts, die zum Problem des geistigen Eigentums Stellung nehmen. Zum einen sollen, selbst wenn gelegentlich Bekanntes anband einer unbekannten Quellengattung verfolgt wird, einige Konturen der Legitimationsdiskussion schärfer herausgearbeitet, einige Akzente anders gesetzt und vor allem die Verbindungslinien zur politischen Theoriegeschichte deutlicher gezos Nachweise bei Dölemeyer I Klippe! (fn. 2), S. 236 f.- Nachzutragen sind nunmehr u. a.: Martin Vogel: Die Entfaltung des Ubersetzungsrechts im deutschen Urheberrecht des 19. Jahrhunderts, GRUR 1991, S. 16 ff.; Elmar Wadle: Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung der Paulskirche, in: Verfassungsrecht und Völkerrecht. Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, Köln usw. 1989, S. 929 ff.; ders.: Französisches Recht und deutsche Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung, Berlin 1991, S. 201 ff.; ders.: Savignys Beitrag zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, hrsg. v. Gerhard Lüke: Köln usw. 1989, S. 95 ff.; ders.: Der Streit um den Schutz der "Kunstindustrie". Notizen zur Geschichte des preußisch-deutschen Urheberrechts im 19. Jahrhundert, in: Festschrift für Hubert Niederländer, Heidelberg 1991, S. 435 ff. 6 Vgl. insbesondere Walter Bappert: Wege zum Urheberrecht. Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechtsgedankens, Frankfurt a. M. 1962, S. 266 ff.; Ludwig Gieseke: Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, Göttingen 1957, S. 75 ff.; Hellmut Rosenfe1d: Zur Geschichte von Nachdruck und Plagiat. Mit einer chronologischen Bibliographie zum Nachdruck von 1733- 1824, Archiv für Geschichte des Buchwesens 11 (1971), Sp. 337 ff.; Martin Vogel: Der literarische Markt und die Entstehung des Verlags- und Urheberrechts bis zum Jahre 1800, GRUR 1973, S. 303 ff.; ders.: Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850. Sozialund methodengeschichtliche Entwicklungsstufen der Rechte von Schriftsteller und Verleger, Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978), Sp. 1 ff.- S. auch die Quellenedition: Gelehrsamkeit ein Handwerk? Bücherschreiben ein Gewerbe? Dokumente zum Verhältnis von Schriftsteller und Verleger im 18. Jahrhundert in Deutschland, Leipzig 1982 (mit Nachwort von Evi Rietzschel: S. 249-275). 7 Felix Eberty: Versuche auf dem Gebiet des Naturrechts, Leipzig 1852, S. 148.
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gen werden. Zum andern mag ein wenig Licht auf die Funktionen von Naturrecht und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert fallen- dies allerdings lediglich als "Abfallprodukt" der Untersuchung 8 •
I. Der Hintergrund: Polizei und Privileg im aufgeklärten Absolutismus Der Begriff des geistigen Eigentums findet sich bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts; als Stärkung der Rechtsposition gerade des Autors wird er jedoch vor allem in der Nachdruckdebatte in den letzten Jahrzehnten des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt 9• Die Frage, ob der Nachdruck erlaubt oder verboten sei, betraf nach dem Selbstverständnis des aufgeklärt absolutistischen Staates gerade nicht nur die Interessen allein von Autor, Verleger (bzw. Buchhändler) und Nachdrucker. Vielmehr war damit ein Problem angesprochen, das zu den Regelungsaufgaben des Staates gehörte, der sich - insbesondere über die Theorie und Praxis seiner polizeilichen Befugnisse - gerade für die wirtschaftlichen Aspekte, aber auch für die aufklärerischen Bezüge des Büchermarktes zuständig fühlte. Juristischer Ausgangspunkt der Befürworter der Nachdruckfreiheit war bis in das 19. Jahrhundert hinein die Eigentümerposition des Käufers eines Buches: Jeder, der das Eigentum an einem Buche erwerbe, werde freier Eigentümer mit allen entsprechenden Rechten; er könne daher mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren, u. a. könne er es auch nachdrucken. Insbesondere lasse der Nachdruck oder auch das Nachmachen von Erfindungen das Eigentum des Autors oder Erfinders unberührt. Der Eigentumsbegriff beschränkt sich also auf das Sacheigentum; der Nachdruck verstößt grundsätzlich nicht gegen das Naturrecht. So etwa heißt es 1784 bei Georg Friedrich Lamprecht, der Nachdruck sei "nicht gegen das natürliche Recht, denn jeder, der sich ein Exemplar von einem Buche ersteht, wird Eigenthümer desselben" und könne daher "über die Substanz der eigenthümlichen Sache disponiren, wenn er nicht durch Vertrag oder positives Gesetz darin eingeschränkt ist" 10• Folglich sei der Nachdruck nur in zwei Fällen rechtswidrig: erstens dann, wenn das Buch unter der ausdrücklich darin gedruckten Bedingung verkauft werde, daß der Käufer nicht nachdrucke; zweitens dann, wenn der Landesherr ein ausschließliches Privileg erteilt habe. Sei beides nicht der Fall, so begehe der Nachdrucker keinen Diebstahl, sondern mache rechtmäßigen Gebrauch von seinem Eigentum 11 • s Dazu Diethelm Klippel: Naturrecht und Politik im 19. Jahrhundert, in: Naturrecht und Politik, hrsg. v. Karl Graf Ballestrem, Berlin 1993. 9 Dölemeyer I Klippel (Fn. 2) S. 198 ff. 10 Georg Friedrich Lamprecht: Versuch eines vollständigen Systems der Staatslehre mit Inbegriff ihrer beiden wichtigsten Haupttheile, der Polizei- und Kamera}- oder Finanzwissenschaft, Bd. 1, Berlin 1784, S. 321. II Ebd. s. 321 f.
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Läßt man den Vorschlag einer Vertragsklausel, die den Nachdruck verbietet, einmal außer acht- sie wird bei den juristischen Konstruktionen der Nachdrucksgegner im 19. Jahrhundert noch eine Rolle spielen 12 - , so ist mit dem Begriff des Privilegs ein Instrument des absolutistisch-merkantilistischen Staates des 18. Jahrhunderts genannt worden, das der Sache nach den Autor oder Erfinder schützen konnte. Allerdings sollten Theorie und Praxis der Privilegien im 18. Jahrhundert in Zusammenhang mit der politischen Theorie des Staates des aufgeklärten Absolutismus gesehen werden. Als Staatszweck wurde zumeist die Herstellung der Glückseligkeit des Ganzen und der einzelnen gesehen; der Erfüllung der damit verbundenen eminenten Zahl von Staatsaufgaben dienten insbesondere die zahlreichen Zweige der staatlichen "Policey" 13 • Gerade diese sollte sich daher mit dem Nachdruck beschäftigen, der etwa bei Georg Friedrich Lamprecht unter dem Abschnitt "Litteraturpolizei" abgehandelt wird, die Teil der staatlichen Fürsorge für die geistige Vervollkommnung der Bürger ist 14; manchmal wird das Thema auch unter "Aufklärungs-Policey" erörtert 15 • Vom Standpunkt der Polizei her ist aber der Nachdruck dem Wohl des Staates gerade zuträglich und daher, so Lamprecht, "eher zu begünstigen als zu unterdrücken, denn die Bürger bekommen dadurch die Bücher wohlfeiler, vielfach auch schöner". Jedenfalls sei es deshalb ratsam, "nur in seltenen Fällen Bücherprivilegia zu erteilen" 16• Ähnlich hält Johann Christian Christoph Rüdiger den Nachdruck für "das einzige Mittel gegen unbillige Vertheurung der Bücher" 17 • Gerade der Gesichtspunkt der Aufklärung als eines der Ziele der Tätigkeit des Staates spricht also gegen ein Verbot des Nachdrucks. Hinzu kommen merkantilistische Gründe; denn ohne Nachdruck im eigenen Land fließt das Geld für die betreffenden Bücher ins Ausland, aus dem sie importiert werden 18 • Polizei und Privilegien geben sich damit als Steuerungsinstrumente des absolutistisch-merkantilistischen Staates zu erkennen, die der Austarierung der Interessen des einzelnen und des Gemeinwohls dienen. Das Privileg erscheint als Mittel der Polizei, die Interessen des Erfinders, des Autors, Verlegers und Nachdruckers 12
S. unten III.l.
Zu diesen Zusammenhängen vgl. Ulrich Engelhardt: Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts (J. H. G. v. Justi), Zeitschrift für historische Forschung 1981, S. 37 ff.; Peter Preu: Polizeibegriff und Staatszwecklehre, Göttingen 1983. 14 Lamprecht (Fn. 10). 15 Johann Christian Christoph Rüdiger: Kurzer Lehrbegriff der persönlichen Policey und Finanzwissenschaft als Nachtrag zu den Anfangsgründen der allgemeinen Statslehre, Halle 1795, S. 22 ff. 16 Lamprecht (Fn. 10) S. 322. 17 Rüdiger (Fn. 15) S. 25. 18 Dazu Helmut Kiesel I Paul Münch: Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzung und Entstehung des literarischen Markts in Deutschland, München 1977, S. 133, 136; Herbert Hofmeister: Bemerkungen zur Geschichte des Österreichischen Urheberrechts, Ufita 106 (1987), S. 173 ff., 174 f., 177. l3
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u. a. mit merkantilistischen Gesichtspunkten und dem Aspekt der Aufklärung der Bevölkerung in Übereinstimmung zu bringen. Die Frage eines Rechtes des einzelnen auf Erteilung eines Privilegs tritt demgegenüber in den Hintergrund.
II. Der personale Eigentumsbegriff in Naturrecht und Rechtsphilosophie Die Nachteile eines auf Privilegien beruhenden Schutzes der Autoren im merkantilistisch-absolutistischen Staat sind unübersehbar. U. a. waren Druckprivilegien auf das Territorium begrenzt, für das sie erteilt wurden, galten also schon nicht in einem benachbarten Staat innerhalb des Deutschen Reiches 19 • Darüber hinaus wurden Privilegien auch für Nachdrucker erteilt 20, so daß sie schon von daher nicht generell als eine Art früher Urheberrechtsschutz verstanden werden sollten. Und schließlich war weder die Erteilung noch der Bestand von Privilegien gesichert; der Souverän konnte jedenfalls in der Theorie aus Gründen des Gemeinwohls Privilegien erteilen oder widerrufen 21 • Sollte der Schutz der Autoren gestärkt werden, so mußten theoretische Positionen entwickelt werden, die den Nachdruck generell als rechtswidrig darstellten, seine Unzulässigkeit also gerade nicht vom Vorhandensein von Privilegien abhängig machten. Dies geschah durch das deutsche Naturrecht seit Ende des 18. Jahrhunderts, das sich gegen die Auffassungen des aufgeklärten Absolutismus richtete und einen personalen Eigentumsbegriff kannte 22 , der auch das geistige Eigentum umfaßte. Von daher konnten zahlreiche Autoren den Nachdruck als naturrechtswidrig ansehen. Der Mensch hat - das ist der gedankliche Ausgangspunkt - neben vielen anderen Rechten ein aus seinem "Urrecht" entspringendes "ursprüngliche(s) Recht auf die Erzeugnisse seiner Geistes- und Körperkräfte" 23 • Daraus folgt zum einen, daß seine Werke einen Teil seiner Persönlichkeit ausmachen. Wie wichtig Vgl. z. B. Kiesel/Münch (Fn. 18) S. 134, 135 f.; Rietzschel (Fn. 6) S. 272. Vgl. Hofmeister (Fn. 18) S. 174, 180; Rommel: Das Schulbuch im 18. Jahrhundert, Wiesbaden-Dotzheim 1968, S. 68 ff. 21 Dazu Heinz Mohnhaupt: Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation im 18. und 19. Jahrhundert, Ius Commune 5 (1975), S. 71 ff.; Dietmar Willoweit: Gewerbeprivileg und "natürliche" Gewerbefreiheit. Strukturen des preußischen Gewerberechts im 18. Jahrhundert, in: Vom Gewerbe zum Unternehmen. Studien zum Recht der gewerblichen Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. v. Kar! Otto Schemer u. Dietmar Willoweit: Darmstadt 1982, S. 60 ff., 102 ff., 104 ff.; Rietzschel (Fn. 6) S. 272. 22 Dazu Diethelm Klippe!: Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderbom 1976, S. 144 ff. 23 So z. B. Heinrich Robert Stoeckhardt: Die Wissenschaft des Rechtes oder das Naturrecht in Verbindung mit einer vergleichenden Critik der positiven Rechtsideen, Leipzig 1825, S. 91; vgl. Leonard Dresch: Naturrecht, Tübingen 1822, S. 161 (,,Recht auf den ungestörten und freien Gebrauch seiner körperlichen und geistigen Kräfte"). 19
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dieser Zusammenhang ist, geht besonders daraus hervor, daß als "Urrecht" des Menschen zumeist ein materielles "Recht der Persönlichkeit" angenommen wurde; die menschliche Persönlichkeit spielte eine entscheidende Rolle bei der Ableitung der natürlichen Rechte des Menschen 24. Zum andern wird daraus der Schluß gezogen, daß der Mensch auch "Eigenthümer seines Geistesproducts" wird 25 . Demnach gibt es im Naturrecht zwangsläufig einen weiten Eigentumsbegriff, der das Eigentum an Sachen, an der eigenen Person des Menschen und an deren Produkten umfaßt. So z. B. heißt es 1824 bei Gottlob Wilhelm Gerlach: "Indem ... der Mensch auch in sich selbst Objecte seines Rechts besitzt, die zugleich Gegenstände seiner ausschließlichen Behandlung sind, z. B. alle seine geistigen und körperlichen Kräfte, so wie seine Gedanken; so muß das Eigenthum und Eigenthumsrecht nicht nothwendig blos auf Sachen bezogen werden, sondern man hat dann ein doppeltes Eigenthum, ein inneres und ein äußeres, und wo dasselbe blos auf Sachen bezogen wird, entsteht das Eigenthum im engem Sinne"26. Daher wird der Begriff des geistigen Eigentums in Naturrecht und Rechtsphilosophie fast allgemein akzeptiert. Heinrich Robert Stoeckhardt z. B. kennt "persönliches Eigenthum, d. h. Eigenthum der Person, das ihm mit seiner Person und Natur selbst zukommt. Hieher gehört das ausschließliche Eigenthum an Geisteswerken, Schriften, welche daher kein Andrer, als deren Verfasser zu seinem Vortheile benutzen darf" 27. Karl Salomo Zachariä spricht 1804 schlicht von dem "Eigenthum des Schriftstellers an seinen Geisteswerken" 28 • Und für Johann Erich von Berger (1827) gibt es "ein geistiges Eigenthum- an Kräften, Kenntnissen, Talenten, und so begreiflich wieder an den sinnlichen Producten derselben" 29 •
24 Dazu Diethelm Klippe!: Persönlichkeit und Freiheit. Das "Recht der Persönlichkeit" in der Entwicklung der Freiheitsrechte im 18. und 19. Jahrhundert, in: Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hrsg. v. Günter Birtsch: Göttingen 1987, S. 269 ff. 25 So Anton Bauer: Lehrbuch des Naturrechts, Marburg 1808, S. 185. 26 Gottlob Wilhelm Gerlach: Grundriß der philosophischen Rechtslehre, Halle 1824, s. 148. 21 Stoeckhardt (Fn. 23) S. 93. 28 Kar! Salomo Zachariä: Anfangsgründe des philosophischen Privatrechts, Leipzig 1804, s. 80. 29 Johann Erich von Berger: Grundzüge der Sittenlehre, der philosophischen Rechtsund Staatslehre und der Religionsphilosophie, Altona 1827, S. 296. -Vgl. fernerDresch (Fn. 23) S. 161, 168; Georg Henrici: Ueber den Begriff und die letzten Gründe des Rechts. Ein historisch-kritisch-szientifischer Versuch zur Begründung einer philosophischen Rechtslehre, Bd. 2, Hannover 1822, S. 395; Friedrich Wilhelm Carove: Ueber das Recht, die Weise und die wichtigsten Gegenstände der öffentlichen Beurtheilung mit stäter Beziehung auf die neueste Zeit, Trier 1825, S. 56 ff.; Leopold August Wamkönig: Rechtsphilosophie als Naturlehre des Rechts, Freiburg i. Br. 1839, S. 362 f.; Gustav Gaertner: Die Philosophie des Lebens, Tl. 1, Die Rechts- und Staatslehre, Bonn 1839, S. 51; Carl Moritz Kahle: Die Speculative Staatslehre oder Philosophie des Rechts, Berlin 1846, S. 227 f.; Eberty (Fn. 7) S. 148.
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Der weite personale Eigentumsbegriff impliziert nun, daß zwischen dem Eigentum an der Sache, nämlich dem Buch, und dem Inhalt, der geistigen Seite des Buches unterschieden wird. Insbesondere bei Johann Gottlieb Fichte findet sich diese Unterscheidung 30• Daraus wiederum scheint zu folgen, daß der Käufer eines Buches zwar das Sacheigentum an dem von ihm erworbenen Exemplar erhält, nicht aber die mit dem geistigen Eigentum des Autors verbundenen Befugnisse. Demnach, so könnte man annehmen, ist der Nachdruck als Eingriff in das geistige Eigentum des Verfassers zu qualifizieren 31 • Einige Autoren ziehen diese Konsequenz, so z. B. Stoeckhardt: " ... der Nachdruck einer jeden Schrift ist unerlaubt vermöge des ursprünglichen Rechtes des Menschen auf die Producte seiner Kräfte" 32• Dennoch erwies sich die Auffassung, daß derErwerbereines Buches mit dem Eigentum daran auch das Recht der Vervielfliltigung erwerbe, zunächst als außerordentlich langlebig 33 • Selbst Fichtes Differenzierung zwischen der körperlichen und der geistigen Seite erwies sich insofern nicht als Hindernis; Ludwig Heinrich Jakob etwa argumentierte, der Nachdrucker mache auch hinsichtlich des geistigen Inhalts des Buches lediglich von seinem Eigentumsrecht Gebrauch, da die Gedanken des Buches nunmehr mit seiner Person verknüpft und daher zu seinem Eigentum geworden seien 34• Noch deutlicher wird der damit angedeutete Zusammenhang bei Erfindungen: Sofern sie nicht durch ein Privilegium geschützt waren, konnte gerade die theoretische Ableitung des geistigen Eigentums für ein Vervielfältigungsrecht eingesetzt werden, da sich der Verfertiger von Nachahmungen einer Erfindung ja ebenfalls auf den freien Gebrauch seiner Kräfte berufen könne 35 • 30 Johann Gottlieb Fichte: Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchemachdrucks. Ein Räsonnement und eine Parabel (1793), in: ders.: Werke, hrsg. v. Immanuel Hermann Fichte, Bd. 8, Nachdr. Berlin 1971, S. 223 ff. 31 So Fichte (Fn. 30) S. 228; ähnlich z. B. Bauer (Fn. 25) S. 186. 32 Stoeckhardt (Fn. 23) S. 94; ähnlich Johann Gebhard Ehrenreich Maaß: Grundriß des Naturrechts, Leipzig 1808, S. 231 f.; Bauer (Fn. 25) S. 186 ff. 33 Vgl. etwa (z. T. mit Einschränkungen, zumindest hinsichtlich der Möglichkeit der positiven Gesetzgebung) Heinrich Stephani: Grundlinien der Rechtswissenschaft oder des sogenannten Naturrechts, 2. Teil, Erlangen 1797, S. 129; Theodor Marezoll: Lehrbuch des Naturrechts, Gießen 1819, S. 252 f.; Clemens August von Droste-Hülshoff: Lehrbuch des Naturrechts oder der Rechtsphilosophie, Bonn 1823, S. 114 f.; C. C. Gaupp: Das allgemeine Recht im Verhaeltnisse zu der Sittenlehre betrachtet, Stuttgart 1829, S. 242; Georg Norbert Schnabel: Die Wissenschaft des Rechts (Naturrecht), Wien 1842, S. 78 f.; S. A. Byk: Rechtsphilosophie. Der letzte Grund des Rechts und seine practischen Consequenzen bearbeitet unter Berücksichtigung der Möglichkeit ihrer Verwirklichung, Leipzig 1882, S. 18. 34 Ludwig Heinrich Jakob: Philosophische Rechtslehre oder Naturrecht, 2. Auf!., Halle 1802, S. 137 f.; eine andere Frage sei es allerdings, so Jakob, ob die positiven Gesetze den Nachdruck verbieten könnten; zu ähnlichen Argumenten vgl. Pranz von Egger: Das natürliche Privat-Recht nach dem Lehrbuche des ... Edlen v. Zeiller über dasselbe, Wien u. Triest 1815, S. 228 f.: Ein Nachdruck störe das Eigentum des Autors an seinen Gedanken nicht, da der Nachdrucker die Gedanken in dem von ihm nachgedruckten Buch ja nicht als seine eigenen ausgebe. Vgl. auch Ferdinand Walter: Naturrecht und Politik im Lichte der Gegenwart, Bonn 1863, S. 195.
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Selbst wenn man den Begriff des geistigen Eigentums akzeptierte, fingen die juristischen Schwierigkeiten erst an. Der weite personale Eigentumsbegriff sagte nämlich zunächst nichts über die Konsequenzen für den Schutz des geistigen Eigentums im einzelnen aus. Ob und warum der Nachdruck als Eingriff in das geistige Eigentum oder generell als naturrechtswidrig angesehen wurde, hing also von weiteren Überlegungen ab, die insbesondere das Problem betrafen, inwieweit der zu gewährende Rechtsschutz sich am Sacheigentum orientieren konnte. Einerseits waren die Unterschiede aus zeitgenössischer, an Privilegien orientierter Sicht offensichtlich: "Denn wäre es ein reines Eigenthumsrecht, so müßte es auch auf die Erben übergehen, und auch auswärtige Nachdrucker wären Diebe" 36• Andererseits konnte eine zu starke Parallelisierung zum Sacheigentum für einen effektiven Schutz des geistigen Eigentums gar nicht erwünscht sein, da etwa der Gedanke nahegelegen hätte, geistiges Eigentum könne ohne weiteres veräußert werden, so daß dem Autor keine Rechte gegen Dritte verblieben. Gerade in der Begründung des Schutzes des Autors gegen Dritte, nämlich den Nachdrucker, lag aber das zu lösende juristische Problem. Die Bedeutung der personalen Eigentumstheorie um 1800 bestand also darin, daß sie die Auffassungen des absolutistisch-merkantilistischen Interventionsstaates, die geprägt waren von Sacheigentum, Nachdruckpolizei und Privilegien, zugunsten von generellen Positionen überwand, die neues Nachdenken über den Nachdruck und generell über die aus dem Eigentumsbegriff zu ziehenden Konsequenzen erforderten. Die personale Eigentumstheorie lieferte die theoretische Legitimation des Eigentums im allgemeinen und des geistigen Eigentums im besonderen; eine überzeugende Konstruktion für Art und Umfang des juristischen Schutzes bot sie noch nicht. 111. Die Konstruktionen zum Beweis der Rechtswidrigkeit von Verletzungen des geistigen Eigentums Um auf den geschilderten Grundlagen die Naturrechtswidrigkeit des Nachdrucks nachzuweisen, griffen die Naturrechtsautoren am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu Konstruktionen, die uns heute zum Teil als juristisch abenteuerlich anmuten. Sie wurden in der Naturrechtsliteratur ausführlich und kontrovers diskutiert, wurden demnach mit Sicherheit auch in der Vorlesung "Naturrecht" oder "Rechtsphilosophie" an den deutschen Universitäten besprochen. Führt man sich allerdings ihre Funktion im 19. Jahrhundert vor 35 Z. B. Gottlob Ernst Schulze: Leitfaden der Entwicklung der philosophischen Prinzipien des bürgerlichen und peinlichen Rechts, Göttingen 1813, S. 268 ff.; vgl. Jakob (Fn. 34); Lazarus Bendavid: Versuch einer Rechtslehre, Berlin 1802, S. 180; Zachariä (Fn. 28) S. 80; von Berger (Fn. 29) S. 297. 36 von Berger (Fn. 29) S. 300.
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Augen, so erscheinen sie als weniger merkwürdig: Sie dienten der Erklärung, warum der Nachdrucker, obwohl er Eigentümer des von ihm erworbenen Buches wurde, mit dem Nachdruck in die Rechte des Autors eingriff, warum also das geistige Eigentum auch gegen ihn wirkte. Mit anderen Worten: Die Konstruktionen sollten den Ausschließlichkeitscharakter des geistigen Eigentums nachweisen, der ja keineswegs gesichert war, da der weite personale Eigentumsbegriff zwangsläufig zahlreiche Rechte enthielt, die nicht wie das Sacheigentum absolut, nämlich gegen alle wirkten. 1. Als erstes zu nennen ist die Auffassung, der Verleger bzw. Buchhändler verkaufe ein Buch nur unter der Bedingung, daß der Käufer das Buch nicht nachdrucke; diese Konstruktion hatten wir bereits kennengelemt 37 • Es sei, so Johann Gottlieb Buhle (1798), "eine wesentliche Bedingung des Verkaufes" , daß der Verleger die Befugnisse hinsichtlich der geistigen Seite des Buches nicht an den Käufer übertrage 38 • Der Grund für die generelle Naturrechtswidrigkeit des Nachdrucks ist also der Verstoß des Nachdruckers gegen den Vertrag mit dem Verleger. Die zahlreichen Schwächen dieser Auffassung wurden von vielen Autoren erkannt. Es wurde zwar eingeräumt, daß eine ausdrückliche vertragliche Bestimmung dieser Art möglich sei, sie komme aber fast nie vor. Deshalb gehe es nur um die Frage des Vorhandenseins einer entsprechenden stillschweigenden Klausel; eine solche aber sei "eine handgreifliche Erdichtung", also eine Fiktion 39 • Ferner handele es sich um eine petitio principii, da eine stillschweigende Bedingung nur auf die Naturrechtswidrigkeit des Nachdrucks gestützt werden könne, die es aber gerade zu beweisen gelte 40 • Des weiteren wird eingewandt, der Vertrag zwischen Käufer und Verleger wirke nicht gegen Dritte; auf diese Weise könne also keine dingliche Beschränkung des Eigentumsam Buch erreicht werden 41 • 2. Noch verbreiteter als die geschilderte Konstruktion war am Anfang des 19. Jahrhunderts die auf Kant zurückgehende Auffassung, bei einem Buch handele es sich um eine Rede an das Publikum; der Verfasser habe den Verleger bevollmächtigt, diese Rede in seinem Namen an das Publikum zu halten. Der NachdrukOben bei Fn. 10 f. Johann Gottlieb Buhle: Lehrbuch des Naturrechts, Göttingen 1798, S. 164; ähnlich z. B. von Berger (Fn. 29) S. 298 f.; Schnabel (Fn. 33) S. 77 f. 39 Karl David August Röder: Grundzüge des Naturrechts oder der Rechtsphilosophie, Heidelberg 1846, S. 288; vgl. von Egger (Fn. 34) S. 229. 40 Kar1 Heinrich Gros: Lehrbuch der philosophischen Rechtswissenschaft oder des Naturrechts, 6. Aufl., Stuttgart u. Tübingen 1841, S. 64; vgl. Droste-Hülshoff (Fn. 33) s. 115. 41 Eberty (Fn. 7) S. 150; Wilhelm Snell: Naturrecht nach den Vorlesungen. Hg. von einem Freunde des Verewigten, neue für das Ausland bestimmte Ausgabe, Bem 1859, S. 134; Egger (Fn. 34) S. 229; gegen diese Konstruktion auch Heinrich Ahrens: Die Philosophie des Rechts und des Staates. 1. Tl., Die Rechtsphilosophie oder das Naturrecht, auf philosophisch-anthropologischer Grundlage, 4. Aufl., Wien 1852, S. 524 f.; Schulze (Fn. 35) S. 274. 37 38
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ker handele nun zwar im Namen, aber ohne Vollmacht des Schriftstellers; er verletze daher das "durch Bevollmächtigung ausschließlich auf den vom Autor bestellten Verleger übergegangene Recht, diese Rede öffentlich nachsprechen zu dürfen, und entwendet den Vortheil, den dieser ausschließlich aus seinem Rechte ziehen konnte, und wollte". Aus diesem Grund sei derNachdruck generell naturrechtswidrig: "Der Büchernachdruck ist also durch das Vernunftrecht verbothen"42. Auch dagegen wurden gewichtige juristische Argumente vorgebracht, so daß sich auch Kants Lösungsvorschlag nicht durchsetzte. So etwa wandte man ein, die Konstruktion müsse dazu führen, daß auch das Vorlesen, Auswendiglernen und Wiederholen von Schriftwerken rechtswidrig sei, ferner die Vermietung eines Buches 43 ; umgekehrt erfasse sie nicht den Fall, daß der Nachdrucker den Namen des Verfassers verschweige und deshalb nicht mehr in dessen Namen zum Publikum rede 44 • Im übrigen lasse der Nachdrucker den Verfasser doch zum Publikum reden; mit der Veröffentlichung sei die Rede Allgemeingut geworden45. Ferdinand Walter wendet kurz und bündig ein, ein Buch sei keine Rede zum Hören, sondern eine Schrift zum Lesen 46 • Juristisch sei nicht zu beweisen, daß die Übertragung der Vervielfältigung vom Autor an den Verleger ausschließlich wirke und daher einem Dritten die Beschränkung auferlege, nicht nachzudrucken47. Als richtig akzeptiert wird von einigen Autoren lediglich der Aspekt der Theorie Kants, daß der Nachdruck eine Verletzung der Persönlichkeit des Autors darstelle4s. 3. Selbst wenn man diese beiden Konstruktionen für überzeugend hielt, so hatten sie doch einen Nachteil: Sie waren speziell auf den Nachdruck zugeschnitten, auf das Verhältnis zwischen Autor, Verleger und Nachdrucker; eine Antwort auf die Frage nach dem Schutz von Werken der Kunst oder von Erfindungen boten sie nicht. Deren Nachahmung wurde daher häufig als erlaubt angesehen 49. 42 Gregor Leonhard Reiner: Allgemeine Rechtslehre nach Kant, Landshut und Augsburg 1801, S. 53; mit ähnlicher Begründung: Franz von Zeiller: Das natürliche PrivatRecht, Wien 1802, S. 148; Johann Heinrich Tieftrunk: Grundriß der Sittenlehre. Bd. 2, Wissenschaft der äußeren Gesetzgebung oder die Rechtslehre der Vernunft, Halle 1803, S. 173 ff.; Christian Weiß: Lehrbuch der Philosophie des Rechtes. Zu Vorlesungen und zum Privatgebrauche, Leipzig 1804, S. 196 f.; Egger (Fn. 34) S. 228 ff.; alle Autoren im Anschluß an: Immanuel Kant: Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (1785), in: Gelehrsamkeit ein Handwerk? (Fn. 6) S. 221 ff.; ders.: Die Metaphysik der Sitten (1797 /98), in: Werke, hrsg. v. Wilhelm Weischedel: Bd. 4, Darmstadt 1956, s. 404f. 43 Eberty (Fn. 7) S. 151; vgl. Snell (Fn. 41) S. 135; Buhle (Fn. 38) S. 165. 44 Eberty (Fn. 7) S. 151; vgl. Schulze (Fn. 35) S. 276: Schulze wendet gegen Kants Konstruktion ein, die Verleger klassischer Werke würden dann zu öffentlichen Rednern ohne Vollmacht. 45 Droste-Hülshoff (Fn. 33) S. 116 f.; Ahrens (Fn. 41) S. 524. 46 Walter (Fn. 34) S. 195. 47 Walter (Fn. 34) S. 195; vgl. Schnabel (Fn. 33) S. 78. 48 Z. B. Ahrens (Fn. 41) S. 524.
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Eine überzeugende theoretische Begründung mußte also zunächst dartun, daß grundsätzlich alle schöpferischen Werke der Persönlichkeit schützenswert waren und warum sie einen ausschließlichen, also auch gegen Dritte gerichteten Schutz genießen sollten. Dies geschah dadurch, daß drei Gedankengänge miteinander verbunden wurden. (1) Deren erster betrifft den Arbeitsbegriff. In Übereinstimmung mit der Eigentumstheorie von John Locke und mit dem personalen Eigentumsbegriff wird die Arbeit als Mittel des Menschen angesehen, Eigentum zu erwerben 50• Ganz dezidiert wird aber - wie ebenfalls in dem personalen Eigentumsbegriff bereits angelegt - nunmehr auch geistiges Eigentum von daher legitimiert: "Wenn man also überhaupt die Arbeit als eine Quelle oder Erwerbungsart des Eigenthums betrachtet, so muß man sie gerade bei Werken der Intelligenz am meisten anerkennen" 51 • (2) Dem Schöpfer von "Werken der Intelligenz" stehe ein Entgelt für seine Arbeit zu; daher verschaffe sich, so Johann Nepomuk Borst ( 1818), derjenige einen unerlaubten Gewinn, "welcher neue Erfindungen sogleich nachmacht, oder neue Bücher sogleich nachdruckt, ehe der Erfinder oder Verfasser den natürlichen, ohne die Einwirkung des Dritten ihm zufallenden Preiß für seine neue Erfindung von seinen Zeitgenossen erhalten hat"; er bringe Erfinder und Autor um den verdienten Gewinn 52• Der Nachdruck sei daher rechtswidrig, weil er dem Schriftsteller die Möglichkeit nehme, die Früchte seines geistigen Eigentums so zu genießen, wie es ihm ohne Eingriff möglich gewesen wäre 53 • (3) Dem schöpferisch Tätigen gebühre dieses Entgelt gerade deshalb, weil er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes darauf angewiesen sei. Insbesondere der Philosoph Karl Christian Friedrich Krause stellte diesen Gesichtspunkt nachhaltig heraus: Es sei "freie Arbeit im reingeistigen Leben, in Wissenschaft und Kunst, und die öffentliche Darstellung der Werke der Wissenschaft und Kunst für Viele zugleich das einzige, ihnen rechtens zugelassene Erwerbmittel alles nützlichen Eigenthumes, sogar der ersten Lebensnothwendigkeiten, zu welchem sie auf andere rechtliche Art nicht gelangen können; dann müssen daher die Urheber der Wissenschaftswerke und der Kunstwerke vom Staate hiebei geschützt, und auf alle rechtliche Weise darin gefördert werden, daß sie dadurch rechtliches Eigenthum gewinnen und es erhalten. . .. Daher ist ... jeder ohne Bewilligung der Urheber von Wissenschaftswerken und Kunstwerken unternommene Nachdruck, Nachbildung, Nachstich, und überhaupt jedes Kopiren, schon 49 Bendavid (Fn. 35) S. 180; Jakob (Fn. 34) S. 137; Zachariä (Fn. 28) S. 80; Schulze (Fn. 35) S. 268 ff.; von Berger (Fn. 29) S. 296; vgl. Buhle (Fn. 38) S. 165 f. 5o Dazu Dieter Schwab: Arbeit und Eigentum, in: Quademi Fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno, Bd. 3 I 4, Florenz 1974 I 75, S. 509 ff., 520 ff. 51 Ahrens (Fn. 41) S. 526. 52 Johann Nepomuk Borst: Ueber das Naturrecht, und dessen Übereinstimmung mit der Moral im höchsten Vernunftgesetze, Nümberg 1818, S. 185 f.; vgl. Gottlob Wilhelm Gerlach (Fn. 26) S. 225: Der Nachdrucker wolle sich "die Vortheile fremder Arbeit" aneignen. 53 Dresch (Fn. 23) S. 168.
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insoweit dadurch die Urheber um ihr damit zu erwerbendes nützliches Eigentbumsrecht gebracht werden, unrecht, und vom Staate nicht zu gestatten" 54 • In der Folgezeit übernehmen weitere Autoren diesen gedanklichen Zusammenhang oder zumindest einzelne Aspekte davon 55 • Insbesondere Heinrich Ahrens argumentiert ganz ähnlich wie Krause, dessen Rechtsphilosophie er auch im übrigen nahesteht: Der Urheber eines Geisteswerkes verfolge bei der Veröffentlichung einen doppelten Zweck: erstens einen geistigen, indem er das Publikum auffordere, an der wissenschaftlichen, literarischen oder künstlerischen Schöpfung teilzunehmen; zweitens einen materiellen. Auch der letztere, nämlich der Zweck, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, müsse von der Gesellschaft anerkannt und geschützt werden. "Daher ist die geistige Arbeit auch als eine Erwerbungsart des Eigenthums zu schätzen" 56 • Der Nachdruck sei widerrechtlich, weil er "die Verletzung eines privaten Rechtes ist, welches jedem Arbeiter auf Frucht und Lohn seiner Arbeit zusteht" 57 •
IV. Die Lehre vom geistigen Eigentum im Widerstreit ihrer Konsequenzen Der Lehre vom geistigen Eigentum war es demnach grundsätzlich gelungen, die Rechtspositionen von Autoren und Erfindern mittels des Eigentums- und Arbeitsbegriffes als schutzwürdig zu legitimieren. Doch besagte dies meist noch nichts über die Rechtsform des Schutzes. Mit der Diskussion darüber verknüpft ist die Frage, wie sich die zu schützenden Positionen mit einem auf wirtschaftlicher Freiheit beruhenden Gesellschaftssystem vereinbaren lassen. 54 Karl Christian Friedrich Krause: Abriß des Systemes der Philosophie des Rechtes oder des Naturrechtes, Göttingen 1828, S. 174 f. 55 Vgl. Franz Fischer: Naturrecht und natürliche Staatslehre, Gießen 1848, S. 116: "Die Natur weist uns an, Einemjeden den Nutzen seines Fleißes, seiner Arbeit zu lassen, uns denselben weder anzueignen, noch ihn sonst zu schmälern ... "; Heinrich Bemhard Oppenheim: Philosophie des Rechts und der Gesellschaft, Stuttgart 1850, S. 30: Der Vertrieb von Nachdrucken und Nachahmungen bringe den Urheber "um den Werthund Preis seiner Thätigkeit"; Adolf Helfferich: Kategorien des Rechts auf geschichtlicher Grundlage, Berlin 1863, S. 54: ,,Es heißt die Arbeit und mit ihr das Eigenthum herabwürdigen, wenn man der geistigen Arbeit es unmöglich macht, ihr Brot zu verdienen"; Adolf Lasson: System der Rechtsphilosophie, Berlin und Leipzig 1882, S. 627 f.; Röder (Fn. 39) S. 281 ff.; Eberty (Fn. 7) S. 154, 156; K. Ch. Planck: Katechismus des Rechts, Tübingen 1852, S. 108; C. L. Michelet: Naturrecht oder Rechtsphilosophie, Bd. 2, Berlin 1866, S. 23; Adolf Trendelenburg: Naturrecht auf dem Grunde der Ethik, 2. Aufl., Leipzig 1868, S. 222.- Zu diesem Argumentationsstrang s. auch Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2) S. 208 f. 56 Ahrens (Fn. 41) S. 526 ff. 57 Heinrich Ahrens: Naturrecht oder Philosophie des Rechts und des Staates auf dem Grunde des ethischen Zusammenhanges von Recht und Kultur. Bd. 2, Das System des Privatrechts, die Staatslehre und die Prinzipien des Völkerrechts, 6. Aufl., Wien 1871, S. 150 f.
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Ein Teil der Autoren ging von vornherein lediglich von einem strafrechtlichen Schutz aus, so z. B. Jakob Friedrich Fries (1803): "Sobald ... dem Autor von Staats wegen sein Eigenthurnsrecht an Gedanken gesichert wird, so ist Nachdruck und Plagiat ein Diebstahl und muß als solcher bestraft werden" 58 • Ähnlich meinte Wilhelrn Traugott Krug (1833), der Nachdruck sei "von Rechts wegen zu verbieten und zu bestrafen" 59• Wenn aber ein geistiges Eigenturn arn Produkt der Geistesarbeit bestand und gerade die Arbeit der Grund dafür war, weshalb dem Urheber der gerechte Lohn ausschließlich zustehen sollte, so lag doch der Schluß nahe, dem Urheber auch ein Vermögenswertes subjektives Privatrecht daran einzuräumen. Das aber warf die Frage auf, wo dieses Privatrecht dogmatisch und systematisch einzuordnen war. Bei der Beantwortung dieser Frage zeigte sich, daß die Lehre des geistigen Eigenturns es in Deutschland zwar vermochte, einen wie auch immer gearteten Schutz von Werken der Literatur und Kunst, von Erfindungen und anderen gewerblichen Schutzrechten zu legitimieren; aber nur selten wurden rechtstechnisch Parallelen zwischen Sacheigenturn und geistigem Eigenturn gezogen. Dagegen sprach schon die im 19. Jahrhundert ständig vorhandene und ständig geäußerte Ansicht, geistiges Eigenturn könne es nicht geben, da nur Sachen Objekte von Eigenturn sein könnten 60• So heißt es etwa bei Heinrich Zoepfl (1879): "Geistiges Eigenthurn ist ... eine contradictio in adjecto: denn das Geistige oder Ideen können als Unkörperliches und dem Wesen nach Allgerneines kein Gegenstand des Eigenthurns sein ... "; geistiges Eigentum gebe es daher nur im übertragenen Sinne 61• Um aber die Rechtsposition etwa von Urheber und Erfinder dennoch als ausschließlich wirkende vermögenswerte Privatrechte auszugestalten, lag der Rückgriff auf das Privileg nahe. Ein Teil der Autoren naturrechtlicher und rechtsphilosophischer Werke des 19. Jahrhunderts spricht daher im Zusammenhang mit den Rechten u. a. von Urhebern und Erfindern von Privilegien 62 • So z. B. heißt es 1818 bei Johann Nepornuk Borst: "Daher ist ein Privilegiurn für den Erfinder .. . das ihm vorn Staate Namens des Publikums vertragsmäßig ertheilte Recht, mit den Produkten seiner Erfindung das Publikum eine Zeit lang allein versorgen zu dürfen" 63. Jakob Friedrich Fries: Philosophische Rechtslehre, Jena 1803, S. 120. Wilhelm Traugott Krug: Art. Nachdruck, in: ders.: Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften, 2. Aufl., Bd. 3, Leipzig 1833, S. 3 ff., 6. 60 Nachweise bei Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2) S. 223. 61 Heinrich Zoepfl: Grundriß zu Vorlesungen über Rechtsphilosophie (Naturrecht), 2. Aufl., Berlin 1879, S. 134. 62 von Berger (Fn. 29) S. 300; Snell (Fn. 41) S. 132, 135; Leopold von Morgenstern: Mensch, Volksleben und Staat im natürlichen Zusammenhange, Leipzig 1855, Bd. 2, S. 466; Walter (Fn. 34) S. 195. 63 Borst (Fn. 52) S. 188, vgl. 191 , 189 (abweichend hinsichtlich des Schutzes gegen Nachdruck). 58 59
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Die Einordnung als Privilegien machte die Rechte u. a. von Autoren und Erfindern allerdings politisch und ökonomisch höchst verwundbar. Offensichtlich wird dies 1819 in dem Naturrechtslehrbuch von Carl August Eschenmayer: "Monopole und Privilegien können nur für neue Erfindungen .. . auf bestimmte Dauer dem Erfinder ... ertheilt werden. Sie werden selbst durch das Normalrecht unter diesen Umständen gerechtfertigt, weil neue Erfindungen, Anstalten, Ansichten, Künste zum besonderen Personaleigenthum gehören." Grundsätzlich aber widersprechen Monopole und Privilegien der Gleichheit 64 • Privilegien sind demnach in einem politisch, zumindest aber wirtschaftlich in erheblichem Maße liberal geprägten Jahrhundert theoretisch nur mehr schwer zu legitimieren, da sie mit den Begriffen der Gleichheit und Freiheit kaum zu vereinbaren waren. Soweit es um die Gleichheit ging, konnte freilich im 19. Jahrhundert argumentiert werden, daß Nachdruck- oder Erfindungsprivilegien auf allgemeinen Gesetzen beruhten, so daß bei Erfüllung der Voraussetzungen entsprechende Privilegien erteilt wurden: "Positive Gesetzgebungen haben ... in neuerer Zeit aus Rücksicht auf den Broderwerb des Schriftstellers und des Buchhändlers zum Theil das Privilegium gegen den Nachdruck zum allgemeinen Gesetz erhoben" 65 • Selbst dann aber konnten sie wirtschaftlich als Monopole aufgefaßt werden. Dementsprechend wird häufig die wirtschaftliche Freiheit als Argument gegen ein Verbot des Büchernachdrucks ins Feld geführt, so z. B. 1823 von Friedrich Ernst Ludwig Athenstädt: "Alle gedruckten Bücher sind gleichsam eine Waare, die man nach den Grundsätzen der Handelsfreyheit, weiter verbreiten und verkaufen kann überall"; ausschließliche Privilegien, die das verhindem sollen, erscheinen daher als "schädliches Monopol", "was gegen die allgemeine Gewerbefreyheit läuft" 66• Ähnlich heißt es 1863 bei Ferdinand Walter: Für die Erlaubtheit des Nachdrucks spreche "die natürliche Freiheit des Gewerbes, die nur durch ein Monopol, also durch Privilegien und positive Gesetze, beschränkt werden kann" 67 • Ein 1866 erschienener Aufsatz zum Thema "Gibt es ein geistiges Eigenthum an Erfindungen und läßt sich der Patentschutz überhaupt vom Standpunkt des Rechts aus begründen?" stellt der Begründung durch ,den Begriff des geistigen Eigentums den Monopolcharakter des Patentschutzes entgegen und kommt zu dem Ergebnis, daß der Patentschutz vom Standpunkt der natürlichen Rechtsord64 Carl August Eschenmayer: Normal-Recht, Bd. 1, Stuttgart und Tübingen 1819, S. 180 f . - Zu diesem Zusammenhang Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2) S. 212 f., 221. 65 Snell (Fn. 41) S. 135. 66 Friedrich Ernst Ludwig Athenstädt: Europa und sein Monarchenthum oder Geheime Politik der Staaten aus der Moral- und Rechts-Philosophie, Bd. 2, Magdeburg 1823, S. 313, 314; vgl. von Berger (Fn. 29) S. 296: "Der Freiheit des Gewerbes scheint das Recht doch im Allgemeinen das Wort zu reden, und auf das Nachbilden und Nachahmen beruht überhaupt die ganze Cultur des Menschen ... " 67 Walter (Fn. 34) S. 195.
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nung aus unbegründet sei. Vielmehr habe jeder Mensch das natürliche Recht, nach einer neu erfundenen Methode zu produzieren. Der Patentschutz dagegen sei "daher nicht ein natürlicher Ausfluß eines in dieser Weise gar nicht existirenden geistigen Eigenthums des Erfinders an der Erfindung, sondern umgekehrt ein nicht zu rechtfertigender Eingriff der positiven Gesetzgebung in die natürliche Rechtsordnung" 68 • Neben der ökonomischen Freiheit wird im übrigen auch der freie Gedankenaustausch in Wissenschaft und Kunst als Argument gegen Urheber- und gewerblichen Rechtsschutz angeführt. Freiheit fördere auch die geistige Produktion; es müsse daher "der geistige Verkehr .. . dem natürlichen Rechtsgesetze nach ein einfach freier unbeschränkter seyn" 69 • Wilhelm Snell (1859) sieht ein Verbot des Nachdrucks als "Beschränkung der persönlichen Freiheit und des Verkehrs" an: "Ein Rechtsgrund . . . läßt sich nicht angeben, warum eine Produktion des Menschen nicht von Allen sollte benutzt werden dürfen" 70 • Vielmehr müßten im Interesse des Fortschritts von Gewerbe und Industrie insbesondere Erfindungen und Entdeckungen allen mitgeteilt werden 7 1• Die Argumente machen ein Dilemma der liberalen politischen und ökonomischen Theorie des 19. Jahrhunderts deutlich, das im Zusammenhang mit dem Begriff des geistigen Eigentums offen zutage tritt. Einerseits sollen die Persönlichkeit und ihre Rechte geschützt werden; dazu gehört nicht zuletzt das durch Arbeit mit der Persönlichkeit verbundene geistige Eigentum. Andererseits soll im Interesse des Individuums und der Gesellschaft die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit garantiert werden; freier Wettbewerb war ebenfalls mit der Freiheit der Persönlichkeit und mit wirtschaftlichem Fortschritt eng verbunden. Gerade mit den an zweiter Stelle genannten Aspekten kollidierte aber der Schutz des geistigen Eigentums. Hinsichtlich des Sacheigentums bestand dieses Dilemma nicht, da es klar abgegrenzt war und als Voraussetzung von Freiheit und freiem Wettbewerb akzeptiert wurde. Ein Teil des Naturrechts sucht sich dem Dilemma dadurch zu entziehen, daß geistiges Eigentum nicht schon naturrechtlich Schutz genieße; vielmehr müsse dieser durch ein positives Gesetz des Staates angeordnet werden 72 • Der größte Teil freilich suchte - mit welcher Konstruktion auch immer -die Naturrechtswidrigkeit von Eingriffen in das geistige Eigentum zumindest hinsichtlich des Nachdrucks zu beweisen 73 • 68 W. Reuling: Gibt es ein geistiges Eigenthum an Erfindungen und läßt sich der Patentschutz überhaupt vom Standpunkt des Rechts aus begründen? Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen, 1866, S. 89 ff., 97 ff. , 110 ff. (das Zitat aufS. 101). 69 Planck (Fn. 55) S. 107. 10 Snell (Fn. 41) S. 135, 132. 11 Planck (Fn. 55) S. 84; vgl. Snell (Fn. 41) S. 132. n Z. B. Kar! Heinrich Heydenreich: System des Naturrechts nach kritischen Principien, Leipzig 1795, Bd. 2, S. 123; Jakob (Fn. 34) S. 138 f.; Fries (Fn. 58) S. 119 f.; Marezoll (Fn. 33) S. 252 f.; Droste-Hülshoff (Fn. 33) S. 115; Gaupp (Fn. 33) S. 242; Gros (Fn. 38) S. 64 f.; Zoepfl (Fn. 55) S. 136; Byk (Fn. 33) S. 18.
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Der Streit um den naturrechtliehen Schutz geistigen Eigentums hatte durchaus konkrete Auswirkungen. Erstens machte es einen Unterschied, ob die staatliche Gesetzgebung einer naturrechtliehen Verpflichtung zum Schutz des geistigen Eigentums folgte oder ob ihr der Schutz freigestellt war und lediglich Zweckmäßigkeitsgründe für entsprechende Gesetze sprachen; das Problem des Verhältnisses von Naturrecht zu positivem Recht kann hier außer acht gelassen werden 74 • Zweitens beeinflußte die Begründung des naturrechtliehen Schutzes geistigen Eigentums die Diskussion um Form und systematische Einordnung entsprechender Rechte im positiven Privatrecht, das dafür kaum adäquate Rechtsfiguren zur Verfügung stellte; die Gegenansicht trug dagegen zu einer "Privatisierung" des Schutzes weniger bei, da sie eher herkömmliche Schutzformen (Privileg, Strafrecht) nahelegte. Drittens schließlich hatte die mangelnde naturrechtliche Begründung geistigen Eigentums die Konsequenz, daß - anders als das Sacheigentum -das geistige Eigentum auch nicht zwischenstaatlich geschützt war 75 ; vielmehr waren Verträge erforderlich, um die Gegenseitigkeit des Schutzes herzustellen 76 • Umgekehrt hatte die Auffassung, daß das geistige Eigentum generell naturrechtlieh geschützt sei, meist die Internationalität dieses Schutzes zur Folge. So heißt es z. B. bei Karl Christian Planck (1852): Es "muß ... der Urheber eines solchen Erzeugnisses überall, auch im fremden Staate, als der ursprüngliche und alleinige rechtliche Eigenthümer desselben betrachtet werden; er muß für ein Werk, welches durch Uebertragung auch den Bürgern eines anderen Staates zukommt, überall auch den gebührenden rechtlichen Lohn für seine Arbeit erhalten" 77 • 73 Fichte (Fn. 30); Kant (wie Fn. 42); Buhle (Fn. 38) S. 163 ff.; Reiner (Fn. 42) S. 53; Zeiller (Fn. 42) S. 148 f.; Weiß (Fn. 42) 196 f.; Bauer (Fn. 25) S. 188; Maaß (Fn. 32) S. 229 ff.; Amadeus Wendt: Grundzüge der philosophischen Rechtslehre, Leipzig 1811, S. 53; Egger (Fn. 34) S. 228; Dresch (Fn. 23) S. 168; Henrici, Bd. 2 (Fn. 29) S. 395 ff.; Gerlach (Fn. 26) S. 148, 222 ff.; Stoeckhardt (Fn. 23) S. 93 f. ; Krause (Fn. 54) S. 124 f.; Krug, Art. Nachdruck (Fn. 59) S. 3 ff.; Schnabel (Fn. 33) S. 77 ff.; Röder (Fn. 39) S. 280 ff.; Kahle (Fn. 29) S. 234 f.; Fischer (Fn. 55) S. 116 f., 148 f. 74 Dazu Jan Schröder: ,,Naturrecht bricht positives Recht" in der Rechtstheorie des 18. Jahrhunderts? In: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift für Paul Mikat, Berlin 1989, S. 419 ff. 75 So ausdrücklich Oppenheim (Fn. 55) S. 30; vgl. Warnkönig (Fn. 29) S. 363. 76 Vgl. Warnkönig (Fn. 29) S. 365; Planck (Fn. 55) S. 108 f. Zu den zahlreichen Gegenseitigkeitsverträgen zwischen den deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts hinsiehtlieh Warenzeichen vgl. Diethelm Klippe!: Der zivilrechtliche Schutz des Namens, Paderbom usw. 1985, S. 70, Fn 222. 77 Planck (Fn. 55) S. 108; ferner bereits Buhle (Fn. 38) S. 165 (für den Fall, daß ausländische Bücher vom rechtmäßigen Verleger zu erhalten sind- andernfalls "ist es so anzusehen, als ob der rechtmäßige Verleger sein Eigenthumsrecht derelinquirt hätte ... "); Zachariä (Fn. 28) S. 82. Gelegentlich überlassen auch Befürworter der Naturrechtswidrigkeit des Nachdrucks es dem Staat aus polizeilichen Gründen, den Nachdruck ausländischer Bücher zu gestatten; so Zeiller (Fn. 42) S. 149; Egger (Fn. 34) S. 229. Abgesehen von der speziellen Österreichischen Situation - dazu Hofmeister (Fn. 18) -und der Regelung des preußischen Allgemeinen Landrechts (II 20 §§ 1294 ff.), auf die sich Zeiller beruft, betrifft diese Möglichkeit das Verhältnis Naturrecht- positives Recht, s. oben Fn. 74.
Die Idee des geistigen Eigentums
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V. Die Lösung der Probleme: zeitlich begrenzte Immaterialgüter- oder Persönlichkeitsrechte Insbesondere zwei Probleme waren demnach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts theoretisch ungelöst: die Frage der Einordnung des geistigen Eigentums in die Privatrechtsdogmatik und die Frage der Vereinbarkeil seines Monopolcharakters mit ökonomischer Freiheit und den Interessen der Gesellschaft. Heinrich Ahrens formuliert 1852 noch einmal deutlich die beiden gegensätzlichen Positionen des an zweiter Stelle genannten Problems. Er setzt dem materiellen Zweck des Urhebers und Erfinders das Interesse der Gesellschaft entgegen, daß dem geistigen Eigentum Schranken gesetzt werden und daß es nicht der ausschließlichen Verfügungsmacht des Verfassers und seiner Erben unterliegt. Diese Notwendigkeit werde dadurch unterstrichen, daß die Entwicklung und der Fortschritt der Gesellschaft von der Verbreitung der Geisteswerke abhänge; ein absolutes Eigentumsrecht aber würde dem Fortschritt im Wege stehen. "Ein absolutes Eigenthumsrecht an Geisteswerken zulassen, hieße literarische Majorate errichten, welche bei weitem verwerflicher wären, als die Majorate des Grundeigentums. Das Naturrecht beweiset so einerseits das Dasein eines privaten Eigentbumsrechtes an Geisteswerken und andererseits das Dasein eines auf denselben Gegenstand sich beziehenden Rechts der Gesellschaft" 78 • Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen erfolgte nun im Naturrecht dadurch, daß die Dauer des geistigen Eigentums zeitlich begrenzt wird 79 • Dadurch werde verhütet, "daß durch dauernde Monopolisierung der intellectuelle und technische Fortschritt leide", so Adolf Lasson 1882 80• Im einzelnen gehen die Meinungen freilich auseinander, vor allem hinsichtlich der Dauer des Schutzes. Damit blieb noch das Problem der rechtlichen Einordnung. Wenn auch Naturrecht und Rechtsphilosophie keinen Anlaß hatten, auf ihren ohnehin rechtspolitisch bestimmten weiten Eigentumsbegriff zu verzichten, so setzte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in der Wissenschaft des geltenden Rechts doch immer mehr die Meinung durch, zivilrechtlich sei der Begriff des geistigen Eigentums abzulehnen; der römisch-rechtlich bestimmte rechtstechnische Eigentumsbegriff erwies sich in Deutschland einer Öffnung nicht zugänglich 81 • Da der Begriff des Privilegs aus den geschilderten Gründen ebenfalls nicht akzeptabel war, mußten neue Arten von subjektiven Privatrechten entwickelt werden, um das Urheberrecht und die Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes systematisch Ahrens (Fn. 41) S. 526 ff. (Zitat aufS. 528 f.). Z. B. Borst (Fn. 52) S. 189; von Berger (mit Hinweis auf England; wie Fn. 29) S. 300; Dresch (Fn. 23) S. 169 ff.; Ahrens (Fn. 41) S. 529; Morgenstern, Bd. 2 (Fn. 62) S. 467; Friedrich Adolph Schilling: Lehrbuch des Naturrechts oder der philosophischen Rechtswissenschaft mit vergleichender Berücksichtigung positiver Rechtsbestimmungen, 1. Abt., Leipzig 1859, S. 168; Snell (Fn. 41) S. 135. 80 Lasson (Fn. 55) S. 628. st Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2) S. 223. 78 79
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erfassen zu können. Das geschah vor allem in der Wissenschaft des geltenden Rechts durch Karl Gareis und Josef Kohler mit den Kategorien der Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechte82. Doch auch in Naturrecht und Rechtsphilosophie sind bezeichnenderweise Versuche erkennbar, wegen der geschilderten theoretischen Schwierigkeiten spezifische Bezeichnungen zu finden. Bei Franz Fischer ist 1848 etwa im Zusammenhang mit geistigem Eigentum von "Urheberrechten oder den Rechten auf Alleinbenutzung geistiger Erzeugnisse" die Rede, die als "Vermögensrechte" angesehen werden 83. Heinrich Ahrens sieht 1871 das Urheberrecht als "wirkliches Privatrecht" an, das kein Eigentumsrecht im eigentlichen Sinne sei, sondern ein "Arbeitsrecht", "ein vom Staate gegen Jedermann zu schützendes Persönlichkeitsund Arbeitsrecht", ein "Recht der Persönlichkeit" 84. Nicht dem Begriff des geistigen Eigentums gehörte also im positiven Recht die Zukunft, sondern - neben den Persönlichkeitsrechten - dem Begriff der Immaterialgüterrechte, der sich vom "geistigen Eigentum" bewußt abzusetzen suchte. Freilich wurde die Bezeichnung "Immaterialgüterrecht" als terminologischer Ausweg erkannt und- wenn auch als Einzelfall und ohne Erfolg - selbst in der Rechtsphilosophie nunmehr von Adolf Lasson (1882) abgelehnt: Ein Erfinderrecht "würde als Eigenthum an einer bloßen Form zu bezeichnen sein, wenn nicht das von manchen geträumte Immaterialgüterrecht eine contradictio in adiecto wäre. Das Vermögensrecht in dieser schlechten irdischen Welt hat es leider immer unmittelbar oder mittelbar mit Sachen zu thun. Vielleicht mögen die seligen Geister im Jenseits sich ein Immaterialgüterrecht geschaffen haben; für unsere irdischen Verhältnisse würde es keinesfalls und auch dann nicht passen, wenn wir von dieser himmlischen Rechtsbildung durch irgendeine specielle Offenbarung Kenntnis zu erlangen im Stande wären ... . Ein literarisches, artistisches Eigenthum ist deshalb ein Unding" 85 . Immerhin sieht Lasson Urheberrechte als "dingliches Recht auf den Vermögenswerth der Form einer fremden Sache" an, während er andere Rechte des Erfinders den Persönlichkeitsrechten zuordnet86.
82 Dazu Dölemeyer I Klippe! (Fn. 2) S. 224 ff. 83
Fischer (Fn. 55) S. 116, 102 ff., 148 f.
84 Ahrens (Fn. 57) S. 148 f., 150, 151. 85 Lasson (Fn. 55) S. 626. 86 Ebd. S. 627.
"Das Urheberrecht ist ein Weltrecht" Rechtsvergleichung und Immaterialgüterrecht bei Josef Kohler· Von Barbara Dölemeyer Josef Kohler-ein Universaljurist 1, oder Josef Kahler- ein nahezu vergessener Rechtsgelehrter 2, oder beides? Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischer dieser Wertung und jener? Jedenfalls gilt die letztere Bemerkung nicht für das Rechtsgebiet, das hier im Blickfeld steht. Aus Kohlers "verschwenderischer literarischer Produktion" 3 (2500 Veröffentlichungen) mögen viele Bereiche der Kritik der Fachwelt und der Nachwelt oder auch tatsächlich dem Vergessen anheim gefallen sein. Dies gilt bekanntlich jedoch nicht für sein Wirken auf dem Gebiet des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes, auf dem Kahler bahnbrechend gewirkt hat durch die Entwicklung der Theorie der Immaterialgüterrechte, durch ihre Durchsetzung und Fortbildung in der Rechtspraxis und durch seinen Beitrag zur Theorie der Persönlichkeitsrechte (Individualrechte). Und dieses Vergessen gilt auch nicht für seine Arbeiten auf dem Gebiet der vergleichenden Rechtswissenschaft 4 • Da Immaterialgüterrecht tendenziell übernational wirkt 5 (wenngleich der gesetzliche Schutz zunächst nach dem Territorialitätsprinzip national begrenzt ist) 6 und da es der Rechtsvergleichung - auch zum Zweck der Rechtsfortbildungbesonders bedarf, soll auf diesen Aspekt der Arbeiten Kohlers etwas näher eingegangen werden. Dabei wird wohl weniger sein ,,Recht der Papuas auf * Die Vortragsform wurde im wesentlichen beibehalten und durch Anmerkungen ergänzt. I Günter Spende!: Josef Kahler. Bild eines Universaljuristen, Beideiberg 1983. 2 Wolfgang Gast: Historischer Optimismus. Die juristische Weltsicht Josef Kohlers, in: Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVg1RWiss) 85 (1986) S. 1- 10; Andreas Gänge! I Michael Schaumburg: Josef Kohler Rechtsgelehrter und Rechtslehrer an der Berliner Alma materum die Jahrhundertwende, in: ARSP 1989, S. 290; siehe auch Klaus Luig: Josef Kohler, in: Neue Deutsche Biographie 12, S. 425 f. J Spende! (Fn. 1) S. 8. 4 Leonhard Adam: Josef Kohler und die vergleichende Rechtswissenschaft, in: ZVglRWiss 37 (1920) S. 1-31. 5 Vgl. Edouard Laboulaye: Etudes sur Ia propriete litteraire en France et en Angleterre, Paris 1858, S. 86: "C'est un des caracteres principaux du droit de propriete litteraire que d'etre essentiellement international ... ". 6 Elmar Wadle: Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, in: Georg Ress (Hrsg.): Entwicklung des Europäischen Urheberrechts, Baden-Baden 1989, S. 10.
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Neuguinea" 7 oder das "Banturecht in Ostafrika" 8 zu berücksichtigen sein. Aber die Rechtsprechung zur "propiedad intelectual" in Argentinien, die Urheberrechtsgesetze Costaricas und Ecuadors 9 gehören ebenso dazu wie Patentrechtsund Copyright-Entscheidungen amerikanischer Gerichtshöfe oder der Pariser Cour de cassation 10• Kohler hat dies selbst (in einer Rezension) so formuliert, daß " ... die Nichtberücksichtigung ausländischer Literatur bei unserem Stoff nicht nur als Unvollständigkeit, sondern auch als Mangel bezeichnet werden" muß, weil hier "die Beschränkung auf die deutsche Litteratur ebenso fehlerhaft (ist), als wenn man sich bei der Darstellung der mechanischen oder chemischen Technik auf die deutsche Industrie beschränken will . .. " 11 • Und umgekehrt wertete er die internationale Akzeptanz einer Lehre als einen Maßstab für deren Brauchbarkeit, wenn er etwa an Gerbers 12 Theorie vom Autorrecht als Reflexwirkung von Deliktsgesetzen unter anderem moniert, daß dessen Ansicht " ... keinen Versuch gemacht hat, irgend einen Winkel deutschen Landes zu überschreiten und in Frankreich, England oder Amerika laut zu werden . . . " 13 • Hier zitiert er zur Unterstützung seiner Lehre Werke von französischen, englischen und amerikanischen Autoren sowie die Gesetzgebung dieser Länder 14 • Dagegen, so meint er, ". . . wird bei Gerber immer gesprochen, als ob das Autorrecht in den deutschen Autorgesetzen aufginge ... " 15 • Ja, er sah die Tatsache, daß eine derartige Meinung in Deutschland einen gewissen Anklang finden konnte, als Zeichen für die mangelnde Entwicklung der deutschen Urheberrechts-
1 Über das Recht der Papuas auf Neu-Guinea, in: ZVglRWiss 7 (1887) S. 369-380; siehe die weiteren Arbeiten auf diesem Gebiet: Arthur Koh1er (Hrsg.): Josef KohlerBibliographie, Berlin 1931, Neudruck Aalen 1984, S. 20. s Das Banturecht in Ostafrika (Rechte der deutschen Schutzgebiete IV), in: ZVglRWiss 15 (1902) S. 1- 83; vgl. Josef Kohler-Bibliographie, S. 22. 9 Rezension von Quesada, La propiedad intelectual en el derecho Argentino, Buenos Aires 1904, in: Zs. für Sozialwissenschaft 8 (1905) S. 600 f.; Beigabe VI, in: Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, Stuttgart 1907, Neudruck Aalen 1980, S. 492 ff.; Costaricas Gesetz über geistiges Eigentum, in: GRUR 16 (1911) S. 7 ff. (zus. mit Alfredo Hartwig). 1o Z. B. Berichte über Ausländische Jurisprudenz, in: Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts, begr. F. B. Busch, fortgesetzt H. Busch (Buschs Archiv) 47 (1887) S. 205 ff. 11 Rezension des Werkes von Anders, in: Deutsche Litteratur-Zeitung (Dt.Litt.Ztg) 1882, Sp. 179. 12 Karl Friedrich Gerber: Über die Natur der Rechte des Schriftstellers und Verlegers, in: Jherings Jahrb. 3 (1859) S. 359 ff., abgedruckt in: Gesammelte juristische Abhandlungen, 1872, S. 261 ff. 13 Das Autorrecht, eine zivilistische Abhandlung. Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Eigenthum, vom Miteigenthum, vom Rechtsgeschäft und vom Individualrecht, Separatabdruck aus: Jherings Jahrb. 18, NF 6 (1880) S. 4. 14 Z. B. (Autorrecht Fn. 13), S. 39 das engl. Gesetz von 1710 als "das erste großartige Autorgesetz". 15 Ebenda, S. 39, Anm. 2.
Rechtsvergleichung und Immaterialgüterrecht bei Josef Kohler
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theorie an (welche die Resultate der französischen, englischen und amerikanischen Praxis nicht genügend zur Kenntnis genommen habe) 16• Kurz gesagt, Kohler war der tiefsten Überzeugung: "Das Urheberrecht ist, wie das Erfinderrecht, ein Weltrecht und kann nur rechtsvergleichend behandelt werden"17. Aus seiner umfassenden Tätigkeit und Wirksamkeit auf diesem Gebiet seien zwei Gesichtspunkte herausgegriffen und etwas näher beleuchtet:
I. Zur Entwicklung der Theorie der Immaterialgüterrechte generell: Hier sei der Frage nachgegangen, inwieweit und wie der rechtsvergleichende Ansatz Kohlers in der Formulierung dieser Hauptidee zum Tragen gekommen ist. II. Zur praktischen Fortbildung des Urheberrechts: Hierbei soll untersucht werden, auf welche Weise Kohlers weitgespannte internationale Interessen, Kenntnisse und auch Beziehungen in der - nationalen und übernationalen Legislation und Doktrin wirksam wurden.
I. Zur Entwicklung der Theorie der Immaterialgüterrechte Die Hauptleistung Kohlers, die darin bestand, neue Rechtsgebiete dogmatisch zu erfassen, systematisch zu durchdringen und Gesetzgebung, Praxis und Lehre des In- und Auslandes gleichmäßig zu verarbeiten, ist bereits in seinen frühen Werken des Patent- und Urheberrechts zu sehen. Wie er selbst mehrfach ausführte 18 , hat er den grundlegenden Gedanken zur Immaterialgüterrechtslehre 1874 anband eines praktischen Falles entwickelt, 1875 erstmals in einer Abhandlung in den Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte publiziert, zwar noch nicht den Begriff "Immaterialgüterrecht" verwendet (er spricht hier von den "idealen Gütern"), aber in der Essenz bereits formuliert. In seinem vielbeachteten "Einstieg in die Wissenschaft" mit der Veröffentlichung des "Deutschen Patentrechts" (1878), in deren Folge er die Professur für Zivilprozeßrecht und französisches Zivilrecht in Würzburg ohne Habilitation erhielt 19, hat er bekanntlich die Theorie im wesentlichen und prinzipiell dargelegt und im "Autorrecht" (1880)2° im Detail auch für das Urheberrecht ausgeführt und weiter entwickelt. 16 Ebenda, S. 5. 17 Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht (Fn. 9), Vorwort von 1906, S. VII. 18 Die Immaterialgüterrechtsidee im Jahre 1875, in: Forschungen aus dem Patentrecht, Mannheim 1888, Anhang [zuerst in Annalen der Großherzog!. badischen Gerichte 41 (1875) S. 100 ff.]; ebenso bereits Autor-, Patent- und Industrierecht, in: Buschs Archiv 47 (1887) S. 169 ff. (die Vorrede zum Deutschen Patentrecht (Nov. 1877) enthalte in der Einleitung "die Idee des Immaterialrechts in Form und Sache"). 19 Vgl. Spende! (Fn. 1), S. 19 ff. 20 Deutsches Patentrecht systematisch bearbeitet unter vergleichender Berücksichtigung des französischen Patentrechts, Mannheim und Straßburg 1878; Das Autorrecht (Fn. 13).
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Auf drei Faktoren, die seine ersten Arbeiten charakterisieren und die für seine juristische Tätigkeit - nicht nur auf diesem Gebiet - bestimmend waren, sei hier hingewiesen: zum einen das Interesse für neue Rechtsprobleme, verbunden mit bzw. hergeleitet aus seiner Aufgeschlossenheit gegenüber wirtschaftlichen und technischen Neuerungen, zum zweiten die intensive Kenntnis der französischen Rechtsordnung und zum dritten seine pointierte Auffassung von der Rolle des Richters und der Rechtsprechung bei der Rechtsfortbildung. All dies hat einen biographischen Hintergrund: Josef Kohler war ja damals - in den siebziger Jahren - Großherzoglich Badischer Kreisgerichtsrat in Mannheim; in dieser Handelsstadt und der entstehenden Industrieregion 21 traf er im juristischen Alltag auf Fälle aus neuen Rechtsgebieten, zu deren Lösung die gestaltende Funktion der Rechtsprechung in höherem Maße gefordert war als es dem damals noch weithin herrschenden Bild des Richters als reinen Rechtsanwenders entsprach. Und diese gestaltende, rechtsbildende Tätigkeit des Richters forderte er für die deutschen Juristen- nach dem Vorbild der römischen und der englischen- ein 22 • Später hat Kohler diese Haltung so formuliert: "Wir sind Gestalter des Rechts, nicht Sklaven des Gesetzes; wer Sklave des Gesetzes sein will, ist kein Jurist der Gegenwart" 23 • Dies bedeutet Rechtsvergleichung auf sämtlichen Ebenen juristischen Handelns, nicht nur Vergleichung von Gesetzen, nicht nur Vergleichung der Judikatur oder der Doktrin, wie sie in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen ausgebildet werden, sondern in einem viel weiter gefaßten Rahmen auch Vergleichung der Strukturen juristischer Tätigkeit. Zum Anstoß für Kohlers "Deutsches Patentrecht" wurde zwar das Patentgesetz für das Deutsche Reich von 1877 24 , grundlegend für seine Theorie war aber die Verarbeitung der Rechtspraxis und zwar vor allem der französisch-rechtlich bestimmten, und darüber hinaus der direkte Bezug auf das Patentrecht Frankreichs, von dessen 80jähriger Entwicklung er bei der Formulierung der Immaterialgüterrechtslehre ausgeht 25 • In seiner Ausführung der Parallelität von Eigentum und eigentumsähnlichen, absoluten Rechten an immateriellen Gütern basiert Kohler durchaus auf der Vom Lebenspfad. Gesammelte Essays, Mannheim 1902, S. 29 ff. Autorrechtliche Studien, in: AcP 85 (1896) S. 374, Anm. 35: "Man hat mir seinerzeit wegen dieser Aufstellung Willkür, Hinüberschreiten über den wirklichen Inhalt der Iex lata und damit eben das vorgeworfen, was mir überhaupt die alte Juristenschule vorzuwerfen pflegt, welche noch nicht glaubt, daß wir deutsche Juristen ebenso zur freien Gestaltung des Gesetzesmaterials berechtigt sind, wie die römischen und englischen". (Die Stelle bezieht sich auf den vollen Schutz dramatisch-musikalischer Werke, den er im "Autorrecht" gefordert hatte.) 23 Neue autorrechtliche Studien, in: GRUR 24 (1919) S. 1; ähnlich bereits in: Die Idee des geistigen Eigenthums, in: AcP 82 (1894) S. 147 f. 24 Patent-Gesetz vom 25.5.1877, Reichs-Gesetzblatt 1877, Nr. 1193, S. 501-510. 25 Deutsches Patentrecht (Fn. 20), Vorwort (November 1877) S. V. 21
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französischen Konstruktion der Urheberrechte als "propriete". Dies steht nicht im Widerspruch dazu, daß er sich in späteren Abhandlungen explizit gegen den Begriff des "geistigen Eigentums" wendet, da er in diesem in erster Linie den falschen terminus technicus sieht 26 , wobei er aber dessen Wert als Legitimationsfaktor für die Durchsetzung des geistigen Rechtsschutzes keineswegs verkennt. Die intensive Ausbildung der französischen Praxis führt er vor allem darauf zurück, daß in Frankreich auch seit der Revolutions-Gesetzgebung die Vorstellung des geistigen Eigentums beibehalten worden sei, die der richtigen Begriffsbildung (d. h. seiner Meinung nach der Begriffsbildung des Immaterialrechts) am nächsten käme 27 • Man könnte dies- etwas überspitzt- so formulieren, er habe "geistiges Eigentum" als Hilfskonstruktion angesehen, sozusagen als Platzhalter für die ,,richtige", nämlich seine Theorie. Aber auch abgesehen von dem in jeder Beziehung naheliegenden französischen Vorbild, ist die Formulierung der Grundideen seiner Theorie durch die rechtsvergleichende Methode bestimmt. In der Definition des immateriellen wirtschaftlichen Gutes und in der Analogie der Rechtfertigung des Eigentums und der Immaterialrechte durch seine Arbeits- bzw. Schöpfungstheorie 28 verarbeitet Kohler in- und ausländische politische und ökonomische Literatur, Gesetzgebung aus verschiedensten Ländern und Zeiten; die Materialien zu den französischen Gesetzen 29 ebenso wie englische Statutes und Entscheidungen etc. Weiter ausgeführt wird dies in den Entgegnungen auf seine Kritiker: Wenn er z. B. im "Autorrecht" ( 1880) seine Begründung der Zeitlichkeit der Immaterialgüterrechte darlegt und die Analogien zu bestimmten Nutzungsmodi des Grundeigentums ausführt, so nimmt er seine Beispiele aus sämtlichen Kulturen und Rechtsordnungen3o. Auch in den Folgerungen, die Kohler aus der Hauptidee entwickelt, zeigt sich die vorurteilsfreie Betrachtung sämtlicher auf diesem speziellen Rechtsgebiet vorgeschlagener Problemlösungen. Diese basiert auf seiner Grundauffassung vom "Recht als Kulturerscheinung" 31 . Das Recht "als Ausfluß der jeweiligen Kulturstufe" ... "ist immer so zu gestalten, daß es die Kulturentwicklung möglichst Zur Literatur des Autorrechts, in: Krit.Vjs. 1879, S. 193. Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht (Fn. 9), S. 96 f. 2s Bereits im "Deutschen Patentrecht" (Fn. 20), Einleitung, S. 1 ff.; so auch im Autorrecht (Fn. 13), S. 67 ff., S. 98 ff.: "Die philosophische Begründung des Eigentums und des lmmaterialrechts liegt in der Arbeit, richtiger, in der Güterschöpfung: wer ein neues Gut schafft, hat das natürliche Anrecht daran; dieser Satz ist völlig vernunftgemäß und philosophisch nicht zu widerlegen." Dazu siehe auch Diethelm Klippe!, Historische Wurzeln und Funktionen von Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechten im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1982, S. 132 ff., hier: 149 ff. 29 Autorrecht (Fn. 13) S. 113. 30 Autorrecht (Fn. 13), S. 55. 31 Das Recht als Kulturerscheinung. Einleitung in die vergleichende Rechtswissenschaft, Würzburg 1885; siehe auch Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung, in: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 1 (1907 I 08) S. 192 ff. 26 27
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fördert ... ". "Es muß aber zu diesem Zwecke I. dem Volke verständlich und seiner gewöhnlichen Lebensauffassung gemäß sein; es muß sich 2. einordnen in den Kreis der übrigen Kulturmächte und wirken in Verbindung mit den sonstigen Kulturfaktoren"32 • In dieser Argumentation spielt ein anderer Aspekt mit: die Bemühung um Legitimation aus dem Naturrecht, die Idee einer Erneuerung des Naturrechts als "Kulturrecht" 33 • Hier wird auch die Vorstellung von der Einheit der Kulturnationen und deren (sehr konkreter) Wirkung auf die zwischenstaatliche Rechtsentwicklung angesprochen, auf welche - Schlagwort "internationaler Standard" - später noch einzugehen ist.
II. Kohlers Einfluß auf die praktische Fortbildung der deutschen und der internationalen Urheberrechtsgesetzgebung Hier sollen nicht in erster Linie die Einzelbereiche der Wirkung Kohlerscher Tätigkeit, einzelne Bestimmungen, Materien, deren Ausgestaltung er mitprägte, aufgezählt werden. Einerseits wären es wohl zu viele, andererseits sind die direkten Einwirkungen (obgleich er sie häufig für sich reklamierte- Bescheidenheit zählte sicher nicht zu Kohlers Wesenszügen) oft nicht eindeutig nachzuweisen. Und das liegt gerade an seiner Arbeits- und Wirkungsweise, deren Strukturen aufzuzeigen hier versucht werden soll. Kohlers Arbeitsstil wurde als historisch, empirisch, rechtsvergleichend und interdisziplinär charakterisiert 34 ; seine fundierten Sprachkenntnisse sind bekannt 35 • Zunächst ist zu sagen, daß die Resonanz der Lehre von den Immaterialgüterrechten sowohl in Deutschland wie im Ausland sehr stark war, sie löste eine heftige Diskussion aus, in der Kohler sich mit Äußerungen zu zustimmenden wie auch kritischen Stellungnahmen nicht zurückhielt. 1879 kann er schon sagen: "Auf dem Gebiete der Immaterialgüterrechte herrscht gegenwärtig eine gesteigerte Tätigkeit; Deutschland, Frankreich, England und Amerika überbieten sich bald in gesetzgebensehen Neuschöpfungen und Neuschöpfungsversuchen, bald in wissenschaftlichen Leistungen; die Immaterialrechte streben unaufhörlich, von ihrer Sonderstellung hinweg in das gemeinsame Fahrwasser des allgemeinen Civilrechts zu gelangen"36. Der eine Ansatz seines Wirkens für den geistigen Rechtsschutz, die Eingliederung des Urheberrechts und gewerblichen Rechtsschutzes in das ZivilrechtssyRechtsphilosophie und Rechtsvergleichung (Fn. 31), S. 193 f. Zur naturrechtliehen Begründung des Urheberrechts: "Daß es ein solches naturwüchsiges, durch die vernünftige Volksüberzeugung an sich schon gebotenes Recht ist, beweist ein Blick in die Geschichte des Autorrechts .. . " (Autorrecht, S. 83); " . .. gesetzlich sanktionirten(s) Naturrecht" (Autorrecht, S. 91). 34 Luig (Fn. 2); Gänge! I Schaumburg (Fn. 2). 35 Leonhard Adam (Fn. 4), S. 13. 36 Zur Literatur des Autorrechts, in: Krit.Vjs. 1879, S. 189. 32 33
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stem, wurde bereits erwähnt; der zweite Aspekt, das Streben nach Ausweitung dieses Schutzes in jeder Beziehung: zeitlich, materiell, territorial, im zwischenstaatlichen Bereich, soll im folgenden dargestellt werden.
1. "Internationaler" Arbeitsstil In den zahlreichen Rezensionen und Abhandlungen, in denen sich Kahler mit der neuesten Literatur und Gesetzgebung auf diesem Gebiete auseinandersetzt, werden unterschiedslos und vorurteilsfrei sämtliche Äußerungen aus dem europäischen und angloamerikanischen, auch dem südamerikanischen Rechtsbereich geprüft und kritisch kommentiert und darüber hinaus an den historischen Vorgängern gemessen. (An dieser Stelle sei erwähnt, daß gerade das "Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht" heute noch einen wertvollen Überblick über die europäischen Entwicklungslinien seit dem Altertum bietet)37. Josef Kohlers Vermittlung ausländischer Gesetzgebung, Judikatur und Doktrin durch Beobachtung und Begleitung der neuesten Arbeiten, Auseinandersetzung mit Lehrmeinungen, Besprechung von Entscheidungen war intensiv und nahezu flächendeckend. Unermüdlich wirkte er in dieser Beziehung und kein Hinweis war ihm zu unwichtig. So zeigte erz. B. in der Deutschen Litteraturzeitung 1885 das Erscheinen einer amerikanischen Bibliographie zur "Literary property" an und forderte dabei die deutschen Bibliotheken auf, die genannten Werke anzuschaffen, " . . . so daß der geistige Meinungsaustausch in umfassendem Maße erfolgen könnte" 3s. Diese Tätigkeit wirkte in beide Richtungen: Aufnahme der jeweils neuesten Modelle aus dem Ausland, Vergleich mit den deutschen Urheberrechtsgesetzen; andererseits wieder Projektion der deutschen Ergebnisse durch Kritik der ausländischen, woraus eine gegenseitige Durchdringung der in- und ausländischen wie der internationalen Legislation und Doktrin resultierte.
2. Forum, Publikationsorgane Ein gezieltes Mittel für die Bemühungen zur Fortbildung des Immaterialgüterrechts war Kohlers umfangreiche publizistische, redaktionelle und gutachterliehe Tätigkeit. Als Mitglied des "Vereins für den gewerblichen Rechtsschutz" stand er in enger Verbindung mit Wirtschaftskreisen 39, wobei er aber deren Forderungen keineswegs unkritisch gegenüberstand. Er war Herausgeber oder Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften; so begründete er 1878 zusammen mit Bernhöft die Zeitschriftfür Vergleichende Rechtswissen37 Siehe Fn. 9, S. 29 ff. 38 Zur Bibliographie des Autorrechts, in: Deutsche Litteraturzeitung 1885, Nr. 6,
s. 206.
39 Gänge! I Schaumburg (Fn. 2), S. 289.
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schaft. 1907 I 08 gab er erstmals zusammen mit Fritz Berolzheimer das Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie heraus, das später als Organ der 1909 gegründeten "Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie" fungierte 40 und in dessen erstem Band er einen Programmaufsatz über "Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung" veröffentlichte 41 • Er betreute seit 1908 zusammen mit Ernst Rabel, M. Pagenstecher und A. Mendelssohn Bartholdy die Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 42 • Er übernahm es auch ganz speziell, in anderen Organen das Immaterialgüterrecht durch umfassende Publikationen in der juristischen Öffentlichkeit bekanntzumachen. In Buschs Archiv wird 1887 bekanntgegeben, daß er das Rechtsgebiet für die Zeitschrift zur Bearbeitung übernommen habe und fortan mit dogmatischen Abhandlungen, historischen Beiträgen sowie Berichten über deutsche und ausländische Jurisprudenz betreuen werde 43 • Er fungierte als deutscher Gewährsmann für die Zeitschrift Droit d' auteur, äußerte sich in zahlreichen Abhandlungen, Urteilsanmerkungen etc. zu Fragen der Zeit und seine Stimme hatte großes Gewicht, wenn es um Auslegung strittiger Bestimmungen, Beurteilung von Entwürfen und Gesetzen ging 44 • Umfangreich war auch seine Tätigkeit in internationalen Gesellschaften (er war u. a. korrespondierendes Mitglied der "Societe de legislation comparee" in Paris); weitgespannt seine Zusammenarbeit mit ausländischen Juristen und mit Wissenschaftlern anderer Fachgebiete. Öfters verweistKohlerauf Arbeiten seiner ehemaligen Schüler, die inzwischen in Südamerika, den USA etc. tätig sind 45 und die es ihm mit Übersetzungen, Gesetzgebungs-Berichten oder ähnlichem ermöglichen, auch aus weit entfernten Ländern Informationen aus erster Hand zu erlangen. In seinen Seminarveranstaltungen an der Universität Berlin, zu denen er insbesondere auch ausländische Studenten heranzuziehen suchte, legte er auf rechtspraktische und rechtsvergleichende Themen - auch zu Fragen des Urheberrechts- Wert 46. Gekrönt wurde diese internationale Reputation, die auch in zahlreichen Ehrenmitgliedschaften ausländischer Akademien und wissenschaftlicher Vereinigun40 Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie mit besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebungsfragen, Band 1, Berlin I Leipzig 1907 I 1908; vgl. Gänge! I Schaumburg (Fn. 2), S. 290. 41 s. 192 ff. 42 Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht, 1. Jahrgang, Berlin 1908 I 09: l. Heft (Oktober 1908), Einführung, S. 3: "Es gibt(...) für uns kein größres Bildungsmittel, als die Weiterentwicklung des französischen Rechts zu verfolgen und die Ergebnisse der französischen Rechtsprechung in Deutschland bekannt zu machen und zur wissenschaftlichen Erörterung zu bringen." 43 Band 47 (Berlin 1887) S. 167, Anmerkung. 44 Le droit de traduction dans le ressort de I'Union de Berne. li. Allemagne, in: Le Droit d'auteur 6 (1893) S. 148 ff. 45 Costaricas Gesetz über geistiges Eigentum, in: GRUR 16 (1911) S. 7 ff. (zus. mit Alfredo Hartwig). 46 Gärtgel I Schaumburg (Fn. 2), S. 297.
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genzum Ausdruck kam 47 , durch die Ehrendoktorwürde der Universität Chicago 1904 48 •
3. Direkter und indirekter Einfluß auf Gesetzgebung und internationale Verträge Josef Kohl er hat nie selbst in legislativen Gremien in Deutschland an gesetzgeberischen Arbeiten auf diesem Gebiet mitgewirkt. Mit großem Selbstbewußtsein distanziert er sich denn auch von den "zahlreichen Fehlern des Gesetzes" von 1901, da er nicht zur Mitarbeit herangezogen worden sei 49 • Im gleichen Zusammenhang weist er auf seinen Einfluß auf bestimmte Rechtsgestaltungen hin: u. a. die Ausdehnung des Urheberrechtsschutzes auf die Übersetzung, auf Adaptationen und Utilisationen; Fortschritte bei der Ausgestaltung des Urheberschutzes an musikalischen Werken; Ausbildung des Verlagsrechts 5°. So gingen auch ohne direkte Beteiligung an der Legislation zahlreiche Forderungen Kohlers in die deutsche Rechtsentwicklung ein. Als ein Beispiel hierfür sei seine Argumentation für das uneingeschränkte Übersetzungsrecht des Originalautors- parallel zur Argumentation für das Recht des Autors, über Adaptationen und Utilisationen zu entscheiden, genannt. Zur Geschichte des Übersetzungsrechts hat sich kürzlich erst Martin Vogel ausführlich geäußert 5 1• Hier·sei nur darauf hingewiesen, daß Kohler mit der Aufnahme der Forderungen der französischen Wissenschaft und Praxis nach einem umfassenden Übersetzungsrecht, durch seine Kritik an der deutschen Gesetzgebung und durch seine Lehre vom Wesen des Autorrechts bereits seit 1880 eine Meinung vertrat 52, die sich im Deutschen Reich mit dem Gesetz von 1901 und international mit den Revisionen der Berner Übereinkunft von 1896 und 1908 nach und nach durchsetzte: die Meinung, der Originalautor habe das Recht an äußerer Sprachform und innerer Form, müsse daher das uneingeschränkte Übersetzungsrecht haben, unabhängig von Formalien und Fristen. Zur Durchsetzung dieser seiner Auffassung nützte Kohler jede Gelegenheit und jegliches Forum, so z. B. in einer Stellungnahme im Droit d' auteur 1893, die sich mit dem speziellen Problem der gleichzeitigen Veröffentlichung eines Werks in mehreren Sprachen, bzw. mit der Rückübersetzung befaßte; in seiner Kritik am Entwurf des Österreichischen Urheberrechtsgesetzes von 1893 (welchen Gänge! I Schaumburg (Fn. 2), S. 290. Vgl. Spende! (Fn. 1), S. 36 ff. 49 Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht (Fn. 9), Vorwort von 1906, S. VI. 50 Ebenda, S. V; siehe auch Das Recht des Geistes, in: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik 1 (1907) Sp. 653 ff., hier 656. 51 Mactin Vogel: Die Entfaltung des Übersetzungsrechts im deutschen Urheberrecht des 19. Jahrhunderts, in: GRUR 1991, Heft 1, S. 16 ff. 52 Autorrecht (Fn. 13), S. 208 ff. 47 48
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er im übrigen als den größten Rückschritt in der Entwicklung des europäischen Urheberrechts bezeichnete) 53• Durch seine Beteiligung an internationalen Kongressen - wie vor allem als deutscher Delegierter auf der Berliner Konferenz 1908 zur Revision der Berner Übereinkunft - hat er aber durchaus auch direkt Einfluß auf die internationale Legislation genommen. Er berichtet z. B. selbst, daß auf seinen Antrag hin auf dieser Berliner Konferenz die Beibehaltung der 30jährigen Schutzfrist für Deutschland festgelegt wurde (dies vor allem im Hinblick auf musikalische Kompositionen, um - wie er betont - dem drohenden "Parsifalmonopol" zu entgehen)54 •
4. Der "internationale Standard" Noch auf eine andere Weise setzte sich Kohler für die Fortbildung des Urheberrechts ein: wenn er etwa zweiseitige Verträge wie den deutsch-amerikanischen Urheberrechtsvertrag 55 oder nationale Gesetzgebung wie den englischen Autorenrechtsentwurf an ihrem jeweiligen Verhältnis zur Berner Konvention mißt 56 , so trägt er in großem Umfang zur Klärung der Begriffe bei, filtert "fortschrittliche" Regelungen heraus, kritisiert diejenigen, die gegenüber der Rechtslage der Übereinkunft zurückbleiben. Die mittelbaren Folgen des deutsch-amerikanischen Urheberrechtsvertrags von 1892 untersucht er in einem Beitrag in GRUR 1906 und sieht in ihnen einen großen Fortschritt für die Ausbildung des zwischenstaatlichen Autorrechts. Hier skizziert und wertet er die Bestimmungen des französischen Urheberrechtsgesetzes von 1852, die Ausländer den Inländern gleichstellen, geht den Wechselwirkungen dieses Gesetzes mit den zweiseitigen Verträgen (Frankreichs mit Deutschland, Italien, Belgien) vor allem unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung nach. Er weist in einer scharfsinnigen Darlegung darauf hin, wie durch das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Verträge und Gesetze insgesamt eine Ausweitung der Urheberbefugnisse und der Wegfall von Beschränkungen materieller und territorialer Art herbeigeführt wurde.
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Zur Konstruktion des Urheberrechts, in: Archiv für bürgerliches Recht 1895,
s. 280 ff.
54 Urheberrecht. Bemer Vertrag (Anm. zu OLG Hamburg, 14. 7.1917), in: Juristische Wochenschrift 46 (1917) 980 f.; siehe dazu auch: Parsifal und das Autorrecht, in: Der Tag (Berlin 25.8.1912, Ausgabe A Nr. 199), abgedruckt: Manfred Rehbinder: Die Parsifal-Frage oder der Gedanke des Verbraucherschutzes im Urheberrecht, in: R. Dittrich (Hrsg.), Die Notwendigkeit des Urheberschutzes im Lichte seiner Geschichte, Wien 1991, S. 91 ff., hier: Anhang, S. 99 ff. 55 Die mittelbaren Folgen des deutsch-amerikanischen Urheberrechtsvertrags, in: GRUR 11 (1906) S. I ff. 56 Der englische Autorenrechtsentwurf und seine Beziehungen zur Bemer (Berliner) Konvention, in: GRUR 16 (1911) S. 203 ff., hier. S. 212 ff. (Bemerkungen).
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In dieser Klarstellung wie in zahlreichen ähnlichen Publikationen wirkte Kohler daran mit, den jeweils geltenden "internationalen Standard" des geistigen Rechtsschutzes zu definieren und dabei die Meßlatte immer höher zu legen. Das Streben nach Erreichung eines "internationalen Standards" als Movens für Gesetzgebungsbemühungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen ist aus der Entwicklung des internationalen Urheberrechts und gewerblichen Rechtsschutzes bekannt. Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die europäischen Staaten bemüht, sich in die Reihe der ,,narröes mais cultas do mundo civilisado" einzufügen (wie es etwa in der Vorrede zum portugiesischen Dekret von 1851 über "propriedade das obras de letras" heißt) 57 , oder es "allen übrigen civilisierten Ländern" gleichzutun (wie dies im Schweizer Gesetzentwurf über Erfindungspatente von 1877 formuliert ist) 58. "Le principe de Ia reconnaissance internationale de la propriete des oeuvres litteraires et artistiques en faveur de leurs auteurs doit prendre place dans la legislation de tous les peuples civilises", so formulierte es programmatisch der Internationale Kongreß, der 1858 in Brüssel zusammentrat59. Diesen internationalen Standard für seine Zeit auch gemäß seinen theoretischen und rechtspolitischen Vorstellungen höherzuschrauben, war ein wesentliches Bestreben Kohlers und es ist ihm sicherlich durch seine umfassende wissenschaftliche Tätigkeit in mehreren Bereichen gelungen.
5 . Neue Horizonte Aus der intensiven Teilnahme am internationalen Diskurs folgte, daß Kohler sozusagen immer auf der Höhe der Zeit war, aus der Kenntnis der neuesten technischen Entwicklungen folgte eine Sensibilität für die notwendigen Erweiterungen des Urheberschutzes, aus seinem gewissen Fortschrittsglauben - in neueren Abhandlungen als "historischer Optimismus" 60 oder als "Erkenntnisund Fortschrittsoptimismus" 61 bezeichnet- die Überzeugung von der "Machbarkeit" des Rechts. 57 Vorbemerkung zum Decreto garantindo a propriedade das obras de letras ... Collec~ao official de legisla~ao portuguesa 1851, S. 232. Vgl. Barbara Dölemeyer: Wege der Rechtsvereinheitlichung. Zur Auswirkung internationaler Verträge auf europäische Patent- und Urheberrechtsgesetze des 19. Jahrhunderts, in: Aspekte europäischer Rechtsgeschichte. Festgabe für Helmut Coing zum 70. Geburtstag, Frankfurt I Main 1982, S. 65 ff., hier S. 69. 58 Gewerbliches Eigentum. I. Erfindungspatente. Allgemeine vergleichende Umschau und erster Gesetzentwurf (März-Juli 1877), Bern 1877, S. 7 (zur Frage der Erfindungspatente: " ... können wir den Tag voraussehen, an dem sie bei uns dieselbe Lösung finden wird wie in allen übrigen civilisierten Ländern"). 59 Zitiert bei Francesco Ruffini: De la protection internationale des droits sur les oeuvres litt~raires et artistiques, Paris 1927 (aus: Academie de droit international. Recueil des cours), S. 66; zum Kongreß 1858 vgl. Edouard Romberg: Compte rendu des travaux du Congres de la propriete litteraire et artistique ... , I- II, Bruxelles-Leipzig - ParisLandres 1859. 60 Gast (Fn. 2). 61 Gänge! I Schaumburg (Fn. 2), S. 302. 8. 7.1851, in:
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Im Urheberrecht stellte er sich sogleich allen neuen Fragen, wie etwa, wenn er die Notwendigkeit der Erweiterung der Schutzrechte infolge neuerer technischer Möglichkeiten konstatiert 62 • So z. B. in bezugauf das Immaterialrecht des reproduzierenden Künstlers, wenn er darlegt, daß technische Erfindungen wie der Phonograph den erweiterten Schutz einerseits notwendig, andererseits aber auch möglich machen: notwendig, weil die Wiedergabeform festgehalten werden kann, möglich, weil sie dadurch auch von anderen Nachahmungen scharf abgegrenzt werden kann 63 • In einer seiner letzten Schriften zum Urheberrecht reißt Kohler das Problem des Spekulationsgewinns (Verkehrsgewinns) bei Weiterveräußerung etwa eines Bildes an und erörtert die Frage, ob und wie dem Urheber, in diesem Fall dem Maler ein Anteil an diesem Gewinn zukommen solle? 64 So hat Kohler auch Fragen angestoßen, die über die Entwicklungsstufe des geistigen Rechtsschutzes seiner Zeit hinausgingen und die z. T. heute noch kontrovers diskutiert werden.
6. Schluß Zusammenfassend könnte man Josef Kohler als eine "Clearingstelle" der europäischen und außereuropäischen Wissenschaft und Praxis auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts bezeichnen - eine Wirksamkeit, die man etwa mit der Kar! Josef Anton Mittermaiers für Zivilrecht und Prozeßrecht in der ersten Jahrhunderthälfte vergleichen könnte. In dieser Funktion war Kohler sozusagen die Personalisierung einer Tendenz, die in der europäischen Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts vor allem auf den Sondergebieten des Privatrechts, den neuen Rechtsgebieten 65 generell anzutreffen ist: Gemeint ist hier die Offenheit für neue gesetzgebensehe Lösungen, aus welchem Land bzw. Rechtskreis sie kommen mögen, die Aufnahme der jeweils "modernsten" , zweckmäßigsten Bestimmungen und damit die Förderung der gegenseitigen Durchdringung von Gesetzgebung und Rechtspraxis, die im Endeffekt auf ein Weltrecht abzielt. In diesem Sinne war Kohlers rechtsvergleichende Arbeit immer eine eminent praktische: Rechtsvergleichung mit dem Ziel der Rechtsfortbildung, Rechtsfortbildung mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung.
62
Recht und Persönlichkeit in der Kultur der Gegenwart, Stuttgart und Berlin 1914,
s. 39 ff. 63 64 65
Neue Horizonte im Urheberrecht, in: Österreichische Rundschau 1917, S. 219 ff. Ebenda, S. 212. Vgl. Helmut Coing: Europäisches Privatrecht, li: 19. Jahrhundert, München 1989,
s. 3 f., s. 56 ff.
Evolution du droit d'auteur en France Von Joanna Schmidt-Szalewski "C'est en regardant les choses evoluer depuis leur origine qu'on peut en avoir Ia vue Ia plus juste". Ce mot, attribut~ aAristote, s 'applique parfaitement a 1'objet de notre etude. Si l'on veut mesurer l'evolution du droit d'auteur, il convient d'abord de comprendre apartir de quoi elle s'est effectuee. Les structures tondamentales du droit d'auteur fran~ais ont ete elaborees au cours d'une longue maturation qu'il convient de retracer rapidement, avant de tenter de saisir les tendances qui animent son evolution actuelle. I. Velaboration historique du droit d'auteur en France
Originairement, le problerne juridique pose par l'reuvre de l'esprit reside dans Ia reservation d'une valeur economique apparue avec l'imprimerie. A Ia sollicitation des imprimeurs, le droit repondit par la creation d'une reservation par la voie de privileges attribues par le prince. Le roi delivrait au profit d'un editeur et pour une edition determinee, des privileges individuels contenant l'interdiction a tous autres que le beneficiaire d'imprimer ou de vendre l'ouvrage privilegie 1• Ces privileges etaient une institution de Sauvegarde industrielle destinee a indemniser les editeurs des frais et risques commerciaux de l'entreprise 2 • Sous 1' Ancien Regime, l'attention etait toumee non pas vers les auteurs, mais vers Ia puissance economique, vers les detenteurs de capitaux qui monopolisaient Jes presses. L'ascension sociale des auteurs etait paralysee par l'obligation de suivre les doctrines politiques officielles, sous la menace de la censure. Le statut juridique des auteurs etait remplace par les dedicaces et pensions decemees par de puissants mecenes, assurant ainsi ala fois Ia recompense morale et materielle des ecrivains. La puissance des privileges fut minee par les luttes pour leur renouvellement et par Ja concurrence entre les libraires de Paris et ceux de la province. Les droits des auteurs commencerent alors a etre invoques comme arguments par les parties en presence, comme en temoigne la circulation d 'un memoire intitule: "Memoire sur les vexations qu'exercent les libraires de Paris" 3 • Les arrets du Conseil du I M. c. Dock: Contribution hisitorique a l'etude des droits d'auteur, Paris, L.G.D.J., 1962, p. 65. 2 H. Falk: Les privileges de librairie sous l'Ancien Regime, These, Paris, 1906, p. 65 et s. 3 Dock: op.cit., p. 113.
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Joanna Schmidt-Szalewski
Roi du 30 aoiit 1777 reconnaissent explicitement a l'auteur le droit d'editer et de vendre ses ouvrages. L'abolition des privileges par Ia Revolution et le tarissement du mecenat ouvrirent Ia voie al'ascension des droits individuels des auteurs. Le droit revolutionnaire reconnut et consacra Ies droits de I' auteur, "qui dependent non d'une concession arbitraire des pouvoirs publics, mais de !'ordre nature! et procedent du seul fait de Ia creation intellectuelle" 4 • Les Decrets des 13-19 janvier 1791 et 19-24 juillet 1793 reconnaissaient a I' auteur Ies monopoles de representation et de reproduction sur les creations de son esprit. Stig Strömholm observe dans ces textes revolutionnaires Je point de depart de "l'histoire moderne des droits patrimoniaux des auteurs" 5• Le legislateur revolutionnaire fran~ais a analyse Je droit d' auteur en un droit de propriete: "La plus sacree, Ia plus legitime, Ia plus inattaquable et, si je puis ainsi parler, Ia plus personnelle de toutes les proprietes est l'ouvrage, le fruit de Ia pensee d'un ecrivain" (Chapellier, rapporteur du decret des 13. et 19. janvier 1791). Boufflers allait meme plus loin, affirmant Ia propriete de l'auteur sur ses idees: "S'il existe, pour un homme, uneveritable propriete, c'est sa pensee... " 6 • Ainsi, lorsque Ia reconnaissance sociale s'est attacbee a l'auteur, plus qu'au libraire, Ia notion de propriete de l'oevre s'est substituee a celle de privilege economique. Le "droit d'auteur moderne" est alors identifie a Ia propriete, droit le plus absolu que peut connaitre I'hornme sur une chose; sur le plan juridique, il s' ensuit que I' auteur a une maitrise exclusive et absolue sur son reuvre 7 • Pendant pres de deux siecles, lajurisprudence s'est accommodee de ces decrets pour regler les problemes nes de l'apparition du disque, du film, de Ia television ou de Ia radiodiffusion 8 • 4 H. Desbois: Cours de propriete litteraire, artistique et industrielle, Paris, Les Cours de Droit, 1954-1955, p. 35; 0. Laligant: La Revolution franc;:aise et le droit d'auteur, ou Ia perennite de l'objet de Ia protection, Revue internationale de droit d'auteur (= RIDA) 1991, n. 147, p. 3-123; J. C. Ginsburg: A Tale of Two Copyrights: Litterary Property in Revolutionary France and America, RIDA 1991, n. 147, p. 125- 289. 5 Stig Strömholm: Le droit moral de 1'auteur en droit allemand, franc;:ais et scandinave avec un aperc;:u de l'evolution internationale. Etude de droit compare, Premiere partie: L'evolution historique et le mouvement international, Stockholm, P. A. Norstedt & Soners Forlag, 1966, p. 117. 6 Dock: op. cit. pp. 150 et s. 7 La Cour de cassation retient aussi Ia qualification de droit de propriete: " . . . Ia propriete litteraire et artistique essentiellement mobiliere, a le meme caractere et doit avoir le meme sort que tout autre genre de propriete, moins Ia Iimitation que l'interet public a fait apporter a sa duree; une teile propriete est meuble dans sa valeur principale comme dans ses produits et doit comme teile accroitre l'actif de Ia communaute": cass.civ. 16. aout 1880: Recueil Dalloz (= D.) 1881, 1, 25. Voir: J. Carbonnier: La protection de l'homme de lettres et de l'artiste devant la Cour de cassation, dans: Bicentenaire de la Cour de Cassation, La Documentation franc;:aise, Paris, 1991; RIDA 1991, nr., 150, p. 94. s Une quinzaine de textes ont complete les decrets revolutionnaires sur des points de detail: R. Savatier: Le droit de l'art et des lettres, Paris, L.G.D.J., 1953; C. Colombet, Propriete litteraire et artistique et droits voisins, 4e ed. Paris, Dalloz 1988, n. 7. Les
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La promulgation de Ia loi du 11 mars 1957 ne s 'explique pas tant par I' evolution des technologies de Ia creation, que par les besoins pratiques nes de Ia protection internationale des reuvres. Les decrets revolutionnaires ne s'interessaient pas aux etrangers. Unepartie de Ia doctrine subordonnait Ia protection de l'reuvre a Ia premiere publication en France. Le decret du 28 mars 1852 prevoyant que "Ia contrefa