Hiob - Vom Gottesfurchtigen Zum Reprasentanten Israels: Studien Zur Buchwerdung Des Hiobbuches Und Zu Seinen Quellen 9783161503375, 9783161511110, 3161503376

English summary: Raik Heckl shows that the composition of the book of Job as a poem framed by a prose text was developed

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Vorwort
Inhalt
Einleitung
1. Positionierung der Arbeit in der Forschung
2. Methodik und Ziele der Arbeit
3. Der Umgang mit literarischen Querbeziehungen
Kapitel 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung
1. Das Verhältnis von Form und Inhalt
2. Die Reden des Rahmens und der „Erzähltext“ der Dichtung
3. Die Form der Dichtung im Hiobbuch
4. Die Funktion des Rahmens
5. Die literarische Einbettung von nichterzählerischen Texten
6. Inhaltliche Probleme der Struktur des Hiobbuches
Kapitel 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung
1. Vorbemerkung
2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale
3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils
a) Hi 3 – Hiobs erste Rede
b) Hi 4f – Eliphas’ erste Rede
c) Hi 6f – Hiobs zweite Rede
d) Hi 8 – Bildads erste Rede
e) Hi 9f – Hiobs dritte Rede
f) Hi 11 – Zophars erste Rede
g) Hi 12–14 – Hiobs vierte Rede
h) Hi 15 – Eliphas’ zweite Rede
i) Hi 16f – Hiobs fünfte Rede
j) Hi 18 – Bildads zweite Rede
k) Hi 19 – Hiobs sechste Rede
l) Hi 20 – Zophars zweite Rede
m) Hi 21 – Hiobs siebente Rede
n) Hi 22 – Eliphas’ dritte Rede
o) Hi 23f – Hiobs achte Rede
p) Hi 25 – Bildads dritte Rede
q) Hi 26 – Hiobs neunte Rede
r) Hi 27 – Hiobs zehnte Rede
s) Stellung und Funktion von Hi 28 innerhalb des Hiobbuches
t) Hi 29–31 – Hiobs Herausforderungsreden (Hiobs elfte Rede)
4. Die kommunikative Struktur im Dialogteil
5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31)
6. Die Funktion der Freundesreden
7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob und Hiobs Reaktion auf sie (Hi 38,1–42,6)
8. Die Kohärenz der Dichtung
9. Juridische Metaphorik, Bezug zum Deuteronomismus und die Struktur der Hiobdichtung
10. Die Hiobdichtung und das altorientalische Motiv des „Vorwurfes gegen Gott“
11. Das Leid des Frommen als Problem für den entstehenden Monotheismus
12. Zur Kommunikationssituation der Dichtung
Kapitel 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung
1. Vorbemerkung
2. Hi 1,1–5
3. Hi 1,6–12
4. Hi 1,13–22
5. Hi 2,1–6
6. Hi 2,7–10
7. Hi 2,11–3,1
8. Hi 42,7–17
9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung
a) Handlungsverlauf
b) Resümee
c) Offene Fragen
10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung
a) Literarische Probleme in Hi 1,1–5
b) Die literarischen Probleme von Hi 1,6–12; 2,1ff
c) Zwei Fassungen des Hiobschlusses?
d) Das Verhältnis von Hi 2,11–13 und 42,7–10 zur Rahmenerzählung
e) Das Kohärenzproblem im Übergang zwischen Hi 2,11–3,1 und 3,2ff
f) Hi 42,1–6 und 42,7ff
Kapitel 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung
1. Vorbemerkung
2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung
a) Die Hiobfigur
b) Das Umfeld Hiobs
c) Unterschiede in der Szenerie
d) Das thematische Neben- und Ineinander von Dichtung und Rahmen
e) Die Vorwürfe des Satans und Hiobs Vorwurf gegen Gott
f) Textpragmatische und inhaltliche Erwägungen zum Gebrauch des Tetragramms im Hiobbuch
g) Gott und das Böse
h) Die Parteilichkeit Gottes im Epilog
i) Resümee
3. Die Erzelternerzählungen als literarischer Bezug der Rahmenerzählung
4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen – Eine fundamentale Kritik am Deuteronomismus
a) Der Horizont der literarischen Beziehung
b) Die Rezeption der Konzeption von Segen und Fluch
c) Die Intention der Anknüpfung an das Dtn
d) Resümee
5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch (Hiob und 1 Sam 1–4)
a) Die inhaltliche Struktur von 1 Sam 1–4 und das Verhältnis der Motive Fürbitte, Gottesfluch, Todesurteil und Opfer zur Hauptkohärenzlinie
b) Das Gegenüber der Expositionen 1 Sam 1,1–7 und Hi 1,1–5
c) Die Rolle der Kinder und das Wirken des Vaters im Hiobrahmen und in 1 Sam 1–4
d) Das Thema „Beten“ in Hi 1f; 42 und in 1 Sam 1f
e) Die Skepsis des Hiobrahmens die Effektivität der Opfer betreffend
f) Die sog. Hiobsbotschaften und das Ende der Eliden (Hi 1,13–21 und 1 Sam 4,12–18)
g) Resümee
6. Die Samuelis-/Königebücher als Hypotextder Rahmenerzählung
7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung
8. Resümee: Literarische Querbezüge
9. Eingrenzung der Abfassungszeit der Rahmenerzählung
Kapitel 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches
1. Vorbemerkung
2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6
3. Der Prosatext Hi 32,1–5 und die Selbstvorstellung Elihus Hi 32,6–21
4. Zur Abfassung der Elihureden und ihrer Einbindung in das Hiobbuch
5. Die ursprüngliche Gestalt der Dichtung und der Umgang der Rahmenerzählung mit ihr
Zusammenfassung
1. Die Hiobdichtung zwischen Innovation und Tradition
2. Das Buch Hiob als Ergebnis einer erzählerischen Rahmung der vorgegebenen Dichtung
3. Die Rahmenerzählung in der theologischen Auseinandersetzung mit der exilisch-nachexilischen Literatur und Theologie
4. Hiob als Repräsentanzfigur für Israel
5. Die Geschichte Hiobs als Urzeit-Endzeit-Modell ausgerichtet auf eine eschatologische Wiederherstellung des Gottesvolkes
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Altes Testament
Apokryphen und Pseudepigraphen
Qumran
Rabbinische Texte
Lexeme und Kontextformen
Sach- und Namensregister
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Hiob - Vom Gottesfurchtigen Zum Reprasentanten Israels: Studien Zur Buchwerdung Des Hiobbuches Und Zu Seinen Quellen
 9783161503375, 9783161511110, 3161503376

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)

70

Raik Heckl

Hiob – vom Gottesfürchtigen zum Repräsentanten Israels Studien zur Buchwerdung des Hiobbuches und zu seinen Quellen

Mohr Siebeck

Raik Heckl: Geboren 1967; Studium der Ev. Theologie in Leipzig, Naumburg und Halle; 1994/95 Studium der Judaistik in Jerusalem; 2001 Promotion; 2000–2002 Mitarbeit an der Zeitschrift für Althebraistik an der Universität Bonn; 2002 Teilnahme am Lehrkurs des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jordanien, Syrien und Israel; seit 2003 wiss. Assistent an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig; 2008 Habilitation.

e-ISBN PDF 978-3-16-151111-0 ISBN 978-3-16-150337-5 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet überhttp://dnb. d-nb.de abrufbar. © 2010 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Unschuldiges Leiden hat von alters her in den Religionen und auch in der christlichen Theologiegeschichte immer wieder zu Reflexionen angeregt. Wenn das Leiden nicht enden will, wenn der erbarmende Gott nicht mehr erkennbar ist, dann werden auch Vorwürfe, wie wir sie beispielsweise in der Hiobdichtung oder der Passionsgeschichte (z.B. Mk 15,34) dem Herrn der Welt gegenüber finden, laut. Die Antworten, die jeweils gegeben werden – damals wie heute – können das Leiden nur immer neu in ein größeres Konzept einbinden. Sie können mögliche Gründe formulieren und ihm einen begrenzten Sinn zuschreiben. Diese Antworten bleiben aber immer defizitär, weil das konkrete Leiden durch sie weder kleiner noch erträglicher wird. Auch bleibt die Frage nach einem letzten Grund des Leidens und auch die Frage, wie Gott sich zur nicht heilen Welt verhält, letztlich offen. In der Literargeschichte des Hiobbuches folgen ebenfalls unterschiedliche Antwortversuche aufeinander. Das hat dazu geführt, dass das Buch ein mehrstimmiges Zeugnis ist: So steht Gott einmal auf der Seite des Leidenden. Zum Zweiten kommt das Leid von Gott, doch es wird versucht zu formulieren, dass dieses nicht sinnlos ist, sondern dass der Leidende eine Aufgabe hat. Beide Antwortversuche werden dabei gleichzeitig aufeinander bezogen, doch befinden sie sich andererseits in einer eigentümlichen Spannung zueinander. Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, das in verschiedenen Themenbereichen des Hiobbuches spürbare thematische Neben- und zugleich Ineinander zu klären. Es wird zunächst eine synchrone inhaltliche Analyse der Hauptteile vorgenommen, um die diachronen Probleme beim Abschluss des Buches klären zu können. So können Bezüge aufgedeckt werden, die durch die Intentionen der späteren Herausgeber des Buches in den Hintergrund getreten sind. Zugleich wird deren Hermeneutik von Hiobthema und Hiobgestalt deutlich gemacht, die sich letztlich auch aufgrund der Zufälligkeit der Textüberlieferung in der Rezeptionsgeschichte des Hiobbuches nicht vollständig durchsetzen konnten. Die Arbeit wurde am 24. Juni 2008 von der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig als Habilitationsleistung angenommen. Für den Druck

VI

Vorwort

wurde sie leicht überarbeitet, und ein Abschnitt zu Hi 28 ist hinzugekommen. Ganz besonders sei an dieser Stelle meinem Lehrer Prof. Dr. Rüdiger Lux gedankt, der die Entstehung der Arbeit maßgeblich begleitet hat. Ich danke auch den weiteren Gutachtern im Habilitationsverfahren Prof. Dr. Angelika Berlejung (Leipzig) und Prof. Dr. Konrad Schmid (Zürich), für ihre hilfreichen Anregungen und die wohlwollende Aufnahme der Studie. Mein Dank gilt sodann in besonderer Weise meinem langjährigen Freund und Kollegen Dr. Kay Weißflog, der große Teile der Arbeit kritisch gelesen und mit dem sich über Jahre hinweg ein lebendiges wissenschaftliches Gespräch entwickelt hat. Ebenfalls ganz herzlich gedankt sei Constanze Dreßler, Florian Panzner, Harald Samuel und Birgit Starke, die Teile der Arbeit korrigiert haben. Außerdem möchte ich den Herausgebern Prof. Dr. Bernd Janowski (Tübingen), Prof. Dr. Mark S. Smith (New York) und Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Spieckermann (Göttingen) für die Bereitschaft danken, die Arbeit in die „Forschungen zum Alten Testament“ aufzunehmen. Schließlich ist die hervorragende Begleitung der Fertigstellung des Buches durch Frau Ilse König vom Mohr Siebeck Verlag und die Aufnahme der Arbeit durch Dr. Henning Ziebritzki in das Verlagsprogramm dankend zu erwähnen. Leipzig, im März 2010

Raik Heckl

Inhalt Einleitung ............................................................................................................................................................. 1 1. Positionierung der Arbeit in der Forschung ................................................................... 1 2. Methodik und Ziele der Arbeit .................................................................................................. 8 3. Der Umgang mit literarischen Querbeziehungen .................................................. 12 Kapitel 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung ......................................................................... 17 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Das Verhältnis von Form und Inhalt ................................................................................. 17 Die Reden des Rahmens und der „Erzähltext“ der Dichtung ....................... 20 Die Form der Dichtung im Hiobbuch .............................................................................. 23 Die Funktion des Rahmens ........................................................................................................ 24 Die literarische Einbettung von nichterzählerischen Texten .......................... 25 Inhaltliche Probleme der Struktur des Hiobbuches .............................................. 29

Kapitel 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung .................................. 31 1. Vorbemerkung ....................................................................................................................................... 31 2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale ...... 31 3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils .............................................................................. 37 a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l)

Hi 3 – Hiobs erste Rede ................................................................................................................... 38 Hi 4f – Eliphas’ erste Rede ............................................................................................................. 46 Hi 6f – Hiobs zweite Rede .............................................................................................................. 56 Hi 8 – Bildads erste Rede ................................................................................................................ 65 Hi 9f – Hiobs dritte Rede ............................................................................................................... 69 Hi 11 – Zophars erste Rede ............................................................................................................ 79 Hi 12–14 – Hiobs vierte Rede ........................................................................................................ 83 Hi 15 – Eliphas’ zweite Rede ......................................................................................................... 95 Hi 16f – Hiobs fünfte Rede ............................................................................................................ 99 Hi 18 – Bildads zweite Rede ......................................................................................................... 110 Hi 19 – Hiobs sechste Rede .......................................................................................................... 114 Hi 20 – Zophars zweite Rede ...................................................................................................... 120

VIII

Inhalt

m) Hi 21 – Hiobs siebente Rede ........................................................................................................ 125 n) Hi 22 – Eliphas’ dritte Rede ......................................................................................................... 131 o) Hi 23f – Hiobs achte Rede ............................................................................................................ 133 p) Hi 25 – Bildads dritte Rede .......................................................................................................... 143 q) Hi 26 – Hiobs neunte Rede .......................................................................................................... 144 r) Hi 27 – Hiobs zehnte Rede ........................................................................................................... 147 s) Stellung und Funktion von Hi 28 innerhalb des Hiobbuches ...................................... 151 t) Hi 29–31 – Hiobs Herausforderungsreden (Hiobs elfte Rede) .................................... 155 4. Die kommunikative Struktur im Dialogteil ............................................................... 176

5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31) ............................................................................................................. 181 6. Die Funktion der Freundesreden ........................................................................................ 187 7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob und Hiobs Reaktion auf sie (Hi 38,1–42,6) ............................................................................. 189 8. Die Kohärenz der Dichtung .................................................................................................... 204 9. Juridische Metaphorik, Bezug zum Deuteronomismus und die Struktur der Hiobdichtung .................................................................................. 208 10. Die Hiobdichtung und das altorientalische Motiv des „Vorwurfes gegen Gott“ .............................................................................................................. 212 11. Das Leid des Frommen als Problem für den entstehenden Monotheismus ..................................................................................................................................... 216 12. Zur Kommunikationssituation der Dichtung ........................................................... 220 Kapitel 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung .......... 221 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Vorbemerkung ..................................................................................................................................... 221 Hi 1,1–5 ..................................................................................................................................................... 221 Hi 1,6–12 .................................................................................................................................................. 236 Hi 1,13–22 ................................................................................................................................................ 248 Hi 2,1–6 ..................................................................................................................................................... 258 Hi 2,7–10 .................................................................................................................................................. 263 Hi 2,11–3,1 ............................................................................................................................................... 273 Hi 42,7–17 ............................................................................................................................................... 285 Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung .......................................................... 313

a) Handlungsverlauf ................................................................................................................................ 313 b) Resümee ................................................................................................................................................. 321 c) Offene Fragen ...................................................................................................................................... 322 10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung ....................................................................... 324 a) Literarische Probleme in Hi 1,1–5 ............................................................................................... 326 b) Die literarischen Probleme von Hi 1,6–12; 2,1ff ................................................................. 328 c) Zwei Fassungen des Hiobschlusses? ........................................................................................... 331 d) Das Verhältnis von Hi 2,11–13 und 42,7–10 zur Rahmenerzählung ............................ 333

Inhalt

IX

e) Das Kohärenzproblem im Übergang zwischen Hi 2,11–3,1 und 3,2ff ........................ 335 f) Hi 42,1–6 und 42,7ff ........................................................................................................................... 337

Kapitel 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung ....................... 338 1. Vorbemerkung ..................................................................................................................................... 338 2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung ....................................... 341 a) b) c) d) e) f)

Die Hiobfigur ..................................................................................................................................... 341 Das Umfeld Hiobs ........................................................................................................................... 350 Unterschiede in der Szenerie ....................................................................................................... 357 Das thematische Neben- und Ineinander von Dichtung und Rahmen .................... 359 Die Vorwürfe des Satans und Hiobs Vorwurf gegen Gott ........................................... 363 Textpragmatische und inhaltliche Erwägungen zum Gebrauch des Tetragramms im Hiobbuch .................................................................................................. 365 g) Gott und das Böse ............................................................................................................................ 367 h) Die Parteilichkeit Gottes im Epilog ......................................................................................... 372 i) Resümee ................................................................................................................................................ 373

3. Die Erzelternerzählungen als literarischer Bezug der Rahmenerzählung ............................................................................................................................ 377 4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen – Eine fundamentale Kritik am Deuteronomismus .............................................................. 381 a) b) c) d)

Der Horizont der literarischen Beziehung ............................................................................ 381 Die Rezeption der Konzeption von Segen und Fluch ..................................................... 382 Die Intention der Anknüpfung an das Dtn .......................................................................... 385 Resümee ................................................................................................................................................ 391 5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch (Hiob und 1 Sam 1–4) ...... 392 a) Die inhaltliche Struktur von 1 Sam 1–4 und das Verhältnis der Motive Fürbitte, Gottesfluch, Todesurteil und Opfer zur Hauptkohärenzlinie ................. 397 b) Das Gegenüber der Expositionen 1 Sam 1,1–7 und Hi 1,1–5 ....................................... 398 c) Die Rolle der Kinder und das Wirken des Vaters im Hiobrahmen und in 1 Sam 1–4 ........................................................................................................................................ 404 d) Das Thema „Beten“ in Hi 1f; 42 und in 1 Sam 1f ............................................................. 409 e) Die Skepsis des Hiobrahmens die Effektivität der Opfer betreffend ........................ 419 f) Die sog. Hiobsbotschaften und das Ende der Eliden (Hi 1,13–21 und 1 Sam 4,12–18) ........................................................................................................................... 422 g) Resümee ................................................................................................................................................ 425

6. Die Samuelis-/Königebücher als Hypotext der Rahmenerzählung ................................................................................................................... 427 7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung ................................................. 430 8. Resümee: Literarische Querbezüge ................................................................................... 438 9. Eingrenzung der Abfassungszeit der Rahmenerzählung ................................. 440

X

Inhalt

Kapitel 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches ........................................................................................................................... 445 1. Vorbemerkung ..................................................................................................................................... 445 2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6 ........................................................................................... 447 3. Der Prosatext Hi 32,1–5 und die Selbstvorstellung Elihus Hi 32,6–21 .............................................................................................................................. 457 4. Zur Abfassung der Elihureden und ihrer Einbindung in das Hiobbuch ................................................................................................................................................ 462 5. Die ursprüngliche Gestalt der Dichtung und der Umgang der Rahmenerzählung mit ihr ......................................................................................................... 465 Zusammenfassung .................................................................................................................................... 470 1. Die Hiobdichtung zwischen Innovation und Tradition ................................... 470 2. Das Buch Hiob als Ergebnis einer erzählerischen Rahmung der vorgegebenen Dichtung ...................................................................................................... 473 3. Die Rahmenerzählung in der theologischen Auseinandersetzung mit der exilisch-nachexilischen Literatur und Theologie ................................. 474 4. Hiob als Repräsentanzfigur für Israel ............................................................................. 476 5. Die Geschichte Hiobs als Urzeit-Endzeit-Modell ausgerichtet auf eine eschatologische Wiederherstellung des Gottesvolkes ..................... 477 Literaturverzeichnis ................................................................................................................................ 479 Stellenregister ............................................................................................................................................... 499 Lexeme und Kontextformen ............................................................................................................ 520 Sach- und Namensregister ................................................................................................................. 521

Einleitung 1. Positionierung der Arbeit in der Forschung Die vorliegende Arbeit widmet sich übergreifend der Frage, wie das Verhältnis der formal zu unterscheidenden Teile des Hiobbuches zu erklären ist. Ein Forschungskonsens scheint in dieser Frage heute ebensowenig in Sicht zu sein, wie dies bereits in der Mitte des 20. Jh. der Fall war. 1 Schon im Jahre 1941 fasste R.H. Pfeiffer den Weg der Forschung in seiner Einleitung skeptisch mit folgenden Worten zusammen: „It is thus clear that the critics have suggested every possibility: the prologue, the epilogue, or both (in part or in toto) were written by the author of the book, or before him, or after him.“2 Während man sich allerdings damals der literarhistorischen Bedeutung der formalen Unterscheidung von Prosa und Dichtung noch sicher war,3 hat ein Teil der der neueren Forschung allmählich auch dieses Kriterium aufge1 Zur Forschungsgeschichte dieser Fragestellung vgl. den ausführlichen Überblick bei Syring, Hiob, 25–47. Syring zieht aus seinem Überblick bereits das interessante Fazit, dass der Rahmen das Gesamtverständnis des Buches bestimmt und dabei „ein eigenständiges Verstehen der Dichtung verhindert“ (46). Zur Literargeschichte des Hiobbuches vgl. daneben Kuhl, Literarkritik, 185ff; Kaiser, Grundriß, 78f; van Oorschot, Tendenzen, 355–377; Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiob, 422–434; Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 335–348; ders., Vier Modelle; van Oorschot, Entstehung. 2 Pfeiffer, Introduction, 668f. 3 Der sekundäre Charakter der Elihureden wird auch in der gegenwärtigen Forschung überwiegend akzeptiert. Sie wurden schon seit Eichhorn und Velthusen als unabhängig vom übrigen Hiobbuch entstanden und sekundär mit ihm verknüpft angesehen. Zuvor war bereits in der jüdischen Exegese des Mittelalters und der frühen Neuzeit diese These aufgeworfen worden. Vgl. dazu Witte, Vom Leiden, 36; ders., Elihureden. Zur Bedeutung der Einfügung der Elihureden in das Hiobbuch für die Rekonstruktion der Literargeschichte des Hiobbuches siehe unten, 445ff. – Als Ausnahme ist neben den Einheitsthesen wie jenen von Habel, Job, 36f, und Gordis, Job, 546ff, vor allem die Arbeit von Mende, Durch Leiden, 308f, zu nennen. Ihrer Ansicht nach sind die Elihureden mit drei umfangreichen Redaktionen des gesamten Hiobbuches verbunden. Dadurch wird der formale und inhaltliche Sondercharakter der Elihureden ebenso nivelliert wie durch Einheitsthesen wie jene von Habel und Gordis.

2

Einleitung

geben. Man ist sich zwar bei der Abgrenzung des Prosatextes vom poetischen Text einig. Dass die formkritische Trennlinie aber literarhistorisch von Bedeutung ist, spielt in den Untersuchungen immer weniger eine Rolle, obwohl es für ihre Beachtung gute Gründe gibt – allen voran die unterschiedliche Figurierung Hiobs und seine Präsentation in unterschiedlichen Milieus.4 So wird mit Einheitshypothesen versucht, eine einheitliche Intention des Werkes zu konstruieren, auf deren Grundlage sich solche Widersprüche erklären lassen.5 Diese Thesen sind problematisch, da sie zum Teil von einer sehr offenen Gesamtintention des Buches ausgehen oder nur auf eine 4 Vgl. dazu zusammenfassend Kuhl, Literarkritik, 186–189; Hoffman, Relation, 160–170, und die Diskussion des Verhältnisses unten, 341ff. – Schmid, Hiobproblem, 11ff, führt die Unterschiede ebenfalls auf und weist auf die Probleme ihrer pauschalen Anwendung als literarkritisches Kriterium hin. 5 An Polemik kaum zu übertreffen ist Polzin, Framework, der den redaktionsgeschichtlichen Hypothesen nicht zuerkennt, dass sie einen Blick für das Gesamtwerk haben. Während s.E. (ebd., 199) eine suffiziente Lösung des Problems in der Rahmengeschichte in der Wiederherstellung des Anfangszustandes besteht, sieht Whedbee, Comedy, 1, in Anschluss an C. Fry die Präsentation der Dichtung als eine Art von „Comedy“. Die Konfrontation unterschiedlicher Bilder von Hiob, den Freunden und von Gott und ihr Bestehenbleiben sei das Ziel des Buches. Letzterer Ansatz steht in einer Reihe mit Versuchen, die Probleme damit zu erklären, dass der Rahmen ironisch gemeint sei. So z.B. Williams, You have not spoken, 250f, der durch Hi 2,11–13; 42,7–9 eine ironisierende Gegenüberstellung verschiedener Positionen bewirkt sieht. Vgl. dazu weiter Syring, Hiob, 44 (Lit). Zuletzt hat Schmid, Hiobproblem, 31, in diesem Sinne von den „märchenhafte[n] Zügen“ des Hiobprologes gesprochen, die dazu dienten, „damit nun nicht er als der archimedische Punkt missverstanden würde“. Hoffman, Perfection, lehnt die Annahme einer formal oder inhaltlich begründeten Literargeschichte im Hiobbuch ab (er sieht nur in Kap. 28; 32–37; 40,6–14 Zusätze; vgl. Hoffman, Perfection, 299) und sieht das Buch als Ergebnis der Verarbeitung einer Fülle von Material durch den Autor. Die spannungsvolle Einheit des Buches entspreche aber dem Inhalt. „As being a ‚blemished perfection‘ is a primary element in the book, the corruptions and additions therein also enjoy a special status“ (Hoffman, Perfection, 309). Ähnlich sieht Cheney, Dust, 82, die Präsentation von zum Teil unterschiedlichen Inhalten als Ziel des „Frame Tale“, die eine Spannung erzeugen soll: „[T]his tension appears to be well integrated with the plot of the book, producing tension vis-à-vis the moral stature of the character Job and confusion over the relationship between his speech in the face of his present trials and his actions in the past.“ An R. Polzin knüpfte zuletzt D. Iwanski an. Dieser argumentiert allerdings nicht mit einem strukturalistischen Modell, sondern sucht dem Buch eine einheitliche Intention abzugewinnen. Diese sieht er in Hiobs Fürbitte. Das ganze Buch ziele somit auf Hi 42,7ff. Doch muss das Thema des Buches, wenn dieses in einem Guss entstanden ist, kompatibel mit allen Teilen des Buches sein. Das Thema Fürbitte spielt jedoch in der Dichtung nur an wenigen Stellen eine Rolle. Iwanski lehnt Teilungshypothesen mit einer Polemik gegen die Literarkritik ab, die sich allenfalls auf die Literarkritik des 19. Jh. bezieht, als das Hauptinteresse der Forschung noch die „ursprüngliche“ Gestalt der Texte war. Vgl. Iwanski, Dynamics, 360f. Er hat zwar den Anspruch, das Ganze des Hiobbuches in den Blick zu nehmen, aber er kommt trotz ausführlicher semantischer Analysen gerade nicht zu einer Gesamtsicht. Das

1. Positionierung der Arbeit in der Forschung

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Erklärung der Stoffpräsentation abzielen.6 Sodann wird eine z.T. mehrfache redaktionelle Bearbeitung des Gesamtwerkes vermutet, die über die formkritischen Grenzen und damit auch über die Grenzen zwischen den sich inhaltlich widersprechenden Teilen hinweg geht.7 Sowohl den Einheitsmodellen als auch den verschiedenen redaktionsgeschichtlichen Ansätzen ist jeweils gemein, dass sich kein Konsens in der Erklärung des Hiobbuches herauszubilden scheint. Die am Ausgangspunkt der kritischen Forschung aufgeworfene Frage8, wie das Nebeneinander der verschiedenen Bilder der Figuren und ihres Miist m.E. nicht verwunderlich, denn man kann nicht einfach alle Stellen, an denen die gleichen Begriffe vorkommen oder auch nur Begriffe eines Wortfeldes zu finden sind, in einen Zusammenhang bringen, da der Gebrauch und z.T. auch die Semantik dieser Begriffe an vielen Stellen unterschiedlich ist. – E.A. Knauf, der aus pragmatischen Gründen zunächst (vgl. Knauf, Hiobs Heimat, 73) für die Annahme der literarischen Einheitlichkeit des Werkes auf Grund von Überlegungen zur Abfassungszeit gekommen war, die er aber dann zurücknehmen musste (Knauf, Ijobs multikulturelle Heimat, 64), hat zusammen mit P. Guillaume mit Verweis auf das Achiqarbuch die Einheitlichkeit des Hiobbuches betont. Guillaume/Knauf, Job, 82, sehen aus Gründen der Themenzusammenstellung wie Whedbee, Comedy, 1, eine Nähe zur griechischen Literatur. Hier ist an die These von Wagner, Versuch, 224, zu erinnern, der das Hiobbuch zwar als eine redaktionelle Einheit sieht, „der Letztverfasser [habe aber] die Inkongruenz verschiedener Bilder bewußt bestehen lassen, um dadurch ein ‚Mehr‘ an Wirklichkeit einfangen zu können“. 6 Eine neue Sicht bietet Magdalene, Scales of Righteousness, die über die alte These von Richter, Studien, hinausgeht und nicht nur die Dichtung, sondern das gesamte Buch als Rechtsstreit versteht. Sie führt dafür neubabylonische Parallelen an, die zeigen, dass das Hiobbuch vor dem Hintergrund des altorientalischen Prozessrechts zu verstehen ist. So vielversprechend diese Positionierung ist, so versagt dann am Ende doch die Formulierung der Gesamtintention, die auch die Rahmenerzählung integrieren soll. So wird Gott als eigentlicher Kläger zum Beklagten, der dann aber doch für die Restitution Hiobs sorgt. Magdalene legt den Finger in die Wunde, wenn sie feststellen muss, dass Gott nach ihrem Konzept z.B. die Anklage des Satans nicht entkräften kann. Vgl. ebd., 265. Sie vernachlässigt auch (ebd., 260), dass der Gebrauch von   in Hi 42,8f die Fürbitte Hiobs juridische Implikationen bewusst transzendiert. Siehe dazu unten, 297f. M.E. zeigt die Arbeit aber, dass zumindest der Dialogteil als Rechtsstreit zu sehen ist, dass aber die Strukturparallele in der Herausforderungrede und den Gottesreden verlassen wird und die juridische Beschreibung des Gottesverhältnisses bereits dort transzendiert wird. Das Auftauchen des Satans in einer quasi himmlischen Gerichtsverhandlung ist davon sicher nicht vollständig unabhängig. Doch lässt sich die Rahmenerzählung nicht bruchfrei mit dem als Rechtsstreit gestalteten Dialogteil verbinden. Generell zur Hiobdichtung als Rechtsstreit vgl. unten, 208ff. – Zu weiteren Thesen das ganze Buch betreffend siehe Newsom, Re-considering Job, 156ff. Eine Übersicht und Kritik bietet van Oorschot, Tendenzen, 375ff. 7 Hier sind vor allem die Arbeiten von Mende, Durch Leiden; Witte, Vom Leiden, zu nennen. M. Köhlmoos vermutet eine weit reichende literarische Überarbeitung einer zugrundeliegenden Erzählung durch den Verfasser der Dichtung. Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 54.71–73.360. Zuletzt gehört in diese Reihe die Arbeit von Syring, Hiob, der zwar das Primat bei der Dichtung sieht, als Grundlage der Rahmung einen Text ohne eigene Inten-

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lieus, wie es in Rahmen und Dichtung entwickelt wird, zu erklären ist, ist bis heute nicht suffizient beantwortet worden. Unterschiedliche Wege sind beschritten worden. Man hat eine komplexe Intention hinter den widerstreitenden Teilen vermutet, angenommen, dass die unterschiedlich gearteten Teile zu einem bestimmten Zweck präsentiert würden, und überlegt, ob auf eine ältere Tradition oder ein älteres literarisches Werk zurückgegriffen und dieses bei der Abfassung des Buches verwendet worden ist. Doch diese Versuche haben letztlich kein befriedigendes Ergebnis erbracht. Leicht hätte durch den Autor/die Autoren oder die Redaktoren ein spannungsfreier Übergang zwischen Rahmen und Dichtung erreicht werden können, und wenn der Autor/die Autoren der Dichtung den Rahmen selbst geschaffen hätte(n), warum sollte er/sie ihn nicht der Dichtung entsprechend kohärent gestaltet haben können? Die Offenheit dieser Fragen hat unlängst K. Schmid zum Ausdruck gebracht. Er weist einerseits auf die Unterschiede von Rahmen und Dichtung hin, andererseits aber auch auf die Probleme, die bei einer zu vorschnellen formal begründeten Scheidung der Dichtung von den Prosateilen bestehen. Die Kriterien der älteren Forschung für die Trennung waren über weite Strecken pauschal. Sie lässt sich auf diesem Wege letztlich nicht plausiblisieren.9 Schmid hält eine unabhängige Entstehung der beiden Teile letztlich nicht für wahrscheinlich und stellt heraus, dass die Bedeutung des Prologes sehr groß ist und seine Intention stark auf die Dichtung bezogen ist. Die Annahme einer eigenständigen Novelle ignoriert s.E. zentrale Aspekte der Intention des Rahmens.10 Diese Erkenntnis rührt daher, dass das Hiobbuch zum Buch erst durch seinen Rahmen wird, der für die dazwischen liegenden Reden Vorbereitung und Verortung sowie Nachbereitung und Ausklang darstellt. Daher kann für die vorliegende Arbeit die Prämisse von K. Schmid zugrundegelegt werden, dass das Ganze zunächst einmal zusammengehört und „die Annahme einer Entstehung des Rahmens nicht unter Absehung der Dialoge“ „mehr tion annimmt, der bei der Verbindung mit der Dichtung einer Redaktion unterzogen worden sei (vgl. bes. Syring, Hiob, 154ff). Zu den neuesten redaktionsgeschichtlichen Thesen, die auf Spannungen innerhalb der Rahmenerzählung wie der Dichtung zurückgehen, vgl. van Oorschot, Entstehung, 167. – Durch die Annahme von buchübergreifenden Redaktionen wird das augenfälligste Kriterium an der Textoberfläche, der Übergang zwischen Dichtung und Prosa zwischen Hi 3,1 und Hi 3,2ff, zwischen Hi 31,40 und Hi 32,1, zwischen Hi 32,5 und Hi 32,6f sowie zwischen Hi 42,1–6 und Hi 42,7ff in seiner Wertigkeit gemindert. Das führt letztlich sogar dazu, dass klare Kohärenzprobleme in diesen Bereichen zugunsten von komplexen Textentstehungsmodellen ignoriert werden. 8 Vgl. die Darstellung der älteren kritischen Forschung bei Syring, Hiob, 30–32. 9 Vgl. Schmid, Hiobproblem, 13–16. 10 Vgl. Schmid, Hiobproblem, 19f.

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Wahrscheinlichkeit hat“11 als alle älteren und neueren Thesen eines Volksbuches oder einer Novelle,12 in die hinein die Dichtung platziert worden ist.13 In eine ähnliche Richtung geht jetzt auch die Einschätzung von J. v. Oorschot, der eine ursprünglich eigenständige Dichtung für wahrscheinlich hält.14 Blickt man von hier noch einmal auf die Forschungsgeschichte, so ist deutlich, dass der Weg, der von K. Schmid als am ehesten gangbar angesehen wird, gerade nicht der beschrittene Weg ist. Die derzeitigen Thesen reichen von einer unabhängigen Entstehung von Rahmen und Dichtung mit der Annahme einer sekundären Verklammerung der vorher unabhängigen Texte bis zur Annahme der Verwendung einer mündlich oder schriftlich vorgegebenen Erzählung bei der Abfassung des Rahmens.15 Sieht man das Hiobbuch als Ergebnis einer längeren Entstehungsgeschichte an und nimmt die Prämisse von Schmid ernst, so müsste man zurück zu einem auch in der älteren Forschung nur am Rande diskutierten Modell: Obwohl es sich bei einer stringenten Anwendung des Kriteriums der Unterscheidung von Prosa und Erzähltext zur Erklärung für die Gestalt des Hiobbuches von vornherein anbieten würde, wurde die Annahme einer sekundären Klammerung der Dichtung durch eine auf die Dichtung bezogene Abfassung der Rahmenerzählung ein halbes Jahrhundert nicht mehr vertreten. Was noch in dem Literaturüberblick von C. Kuhl als gängiges Modell aufgeführt wird,16 versucht erst die Arbeit von W.-D. Syring als Lösungsweg wiederzubeleben.17 Freilich handelt es sich bei dieser Arbeit letztlich um den Versuch, zwei unterschiedliche redaktionsgeschichtliche Ansätze für Rahmen und Dichtung in einem übergreifenden Modell zu vereinen. Dabei übernimmt Syring die Kriterien für die Literarkritik der Rahmener11

Schmid, Hiobproblem, 19. Zuletzt hat Sarna, Epic Substratum, 25, vermutet, dass die Rahmenerzählung „is directly derived from an ancient Epic of Job“. 13 Dies hat auch unter der Voraussetzung, dass der Rahmen sekundär zur Dichtung entstanden ist, mehr Wahrscheinlichkeit, da dafür weniger Hilfsannahmen erforderlich sind als bei Annahme einer unabhängigen Entstehung von Erzählung und Dichtung und ihrer sekundären Verklammerung und Redaktion. 14 Van Oorschot, Entstehung, 173, verweist auf altorientalische Parallelen und auf das Koheletbuch, das keinen erzählerischen Rahmen besitzt. S.E. ist die Hioberzählung als unabhängiges Werk entstanden, das „eine inhaltlich komplexe Stellungnahme zur ursprünglichen Dichtung“ (ebd., 172) liefert. Im Zuge der Verbindung mit der Dichtung und durch eine redaktionelle Bearbeitung ist s.E. die Hioberzählung, deren Bestand ursprünglich nur 1,1a.2–5.13–20; 42,11* umfasste (ebd., 177), um wesentliche Bestandteile ergänzt worden. Vgl. ebd., 175ff. 15 Vgl. Kaiser, Grundriß III, 78f. 16 Vgl. Kuhl, Literarkritik, 194. 17 Vgl. Syring, Hiob, 154ff. 12

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zählung aus der älteren Forschung,18 obwohl gerade diese in der letzten Zeit einer ausführlichen Kritik unterzogen worden sind.19 S.E. steht der unabhängigen Dichtung (ohne Elihureden) eine einfache Erzählung vom Unglück des reichen Hiob gegenüber (1,1–3*.13–21*; 42,11*.12b–13?20). Die so (re-)konstruierte Erzählung enthalte keinerlei theologische Aussage. Ihr Schwerpunkt liege auf der Tröstung Hiobs durch die Verwandten und Bekannten.21 Auch bei der Frage, ob sie eine Wiederherstellung Hiobs enthalten hat, ist sich Syring nicht sicher. Die so rekonstruierte Hioberzählung sei dann durch eine verknüpfende Redaktion mit der rezipierten Dichtung verbunden worden.22 Syring rechnet zusätzlich noch mit zwei weiteren Redaktionen, wobei er sich den Thesen von M. Witte anschließt.23 Damit handelt es sich bei der These von Syring letztlich auch um nichts anderes als um die Annahme einer sekundären Verklammerung einer ursprünglich unabhängigen Hiobdichtung und der Hioberzählung. Was die Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Dichtung angeht, kommt Syring ebenfalls nicht zu einem plausiblen Ergebnis, da er dies nur mit dem Hinweis auf andere Texte ohne Rahmen begründet24 und sich damit weiter angreifbar gegenüber der oft geäußerten Gegenthese macht, dass die unvermittelt beginnende Rede einer nur namentlich bekannten Person in Hi 3,2ff eine irgendwie geartete Einführung vermissen lasse.25 Allerdings ist bei der Analyse des Textes die durch Syring aus der Forschungsgeschichte erhobene Erkenntnis zu berücksichtigen, dass der Rahmen nicht nur für eine einfache Rezeption der Dichtung von Bedeutung ist, sondern dass er auch über die Jahrhunderte die Richtung der Forschung maßgeblich beeinflusst hat.26 Vor W.-D. Syring hatte zuletzt B.D. Eerdmans die ursprüngliche Unabhängigkeit der Dichtung und ihr höheres Alter vermutet. S.E. ist die Dichtung sekundär von der Rahmenerzählung umschlossen worden.27 C. Kuhl, der selbst für eine unabhängige Entstehung von „Prolog und Gedicht“ plädierte,28 und damit letztlich den Weg für die redaktionsgeschichlichen The18 Ausgangspunkt ist hier die kurze literarkritische Untersuchung von A. Alt und die ausufernde Literarkritik von Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung. Vgl. zur Diskussion der Literarkritik unten, 324ff. 19 Vgl. Spieckermann, Satanisierung. 20 Vgl. Syring, Hiob, 154. 21 Vgl. Syring, Hiob, 155. 22 Vgl. Syring, Hiob, 159ff.168 (Übersicht). 23 Vgl. Witte, Vom Leiden, 173ff. 24 Vgl. Syring, Hiob, 153. 25 Vgl. Schmidt, Grundschicht, 171. 26 Vgl. Syring, Hiob, 46. 27 Vgl. Eerdmans, Conception. 28 Vgl. Kuhl, Literarkritik, 194.

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sen bahnte, lehnte die von Eerdmans vertretene These aus einem gut nachvollziehbaren Grund ab. Denn dieser argumentierte auf der Grundlage der sog. ‚Gottesnamen‘ in der Dichtung29 und sah in diesen jeweils Verweise auf verschiedene Gottheiten.30 Daher war bei Eerdmans die Dichtung gegenüber dem Monotheismus des Rahmens ein Dokument einer religionsgeschichtlich früheren Zeit, wobei diese abgesehen von Hi 12,9 und 40,1–4 nicht durch Einfügung des Tetragramms überarbeitet worden sei.31 Ist schon die religionsgeschichtliche Spätsetzung des Tetragrammgebrauchs nicht nachvollziehbar, so kann man auch mit dem Nebeneinander unterschiedlicher Gottesbezeichnungen die These eines impliziten Polytheismus im Hiobbuch nicht beweisen. Auch wenn die einfache religionsgeschichtliche Gleichung von Eerdmans nicht aufgeht, scheint der Gebrauch des Gottesnamens auf der einen und der unterschiedlichen Gottesbezeichnungen auf der anderen Seite auf unterschiedliche theologische Konzepte zu weisen, deren Verhältnisbestimmung aussteht.32 Kuhl nennt als Vermittlungsvorschlag33 noch die These von E. König, der freilich der Studie von Eerdmans vorangegangen ist. Dieser vertritt die ursprüngliche Eigenständigkeit der Hiobdichtung verbunden mit der Annahme, dass die Dichtung einmal durch eine kurze Einleitung eröffnet wurde, die aber bei Abfassung des uns vorliegenden Rahmens verdrängt worden sei.34 Damit wird dem verbreiteten Argument Rechnung getragen, dass die

29 Vgl. Eerdmans, Conception, 16. Ausdrücklich wird auf das Nebeneinander von  ,   und   in Hi 40,1–4 verwiesen: „It is incompatible with the construction of v. 1 and 2 that Jahu and El and Shaddai are names for the same deity. Jahu does not object to arguing with him, but to Job’s arguing with Eloah and Shaddai. Perhaps El or Elohim was in the original text.“ Sollte nicht der Gebrauch von   und   im poetischen V. 2 mit der Aufforderung       auf Hi 40,3 zielen, wo Hiob tatsächlich Jhwh antwortet (        )? Trotz dieser nicht haltbaren Überlegungen zum Gebrauch der Gottesbezeichnungen zeigt sich im Rahmen an diesem Punkt eine von der Dichtung verschiedene Intention. Vgl. unten, 365ff. Ähnlich interpretieren Kraeling, Book, und König, Hiob, 34ff, das Gegenüber von Tetragramm und Gottesbezeichnungen im Hiobbuch. 30 Zur Diskussion der Gottesnamen vgl. Kuhl, Literarkritik, 189f (Lit.). 31 Vgl. Eerdmans, Conception, 15f. 32 Vgl. dazu unten, 365ff. 33 Vgl. Kuhl, Literarkritik, 195. 34 König, Hiob, 462, schließt auf eine andere kürzere (allerdings) erzählerische Einleitung aufgrund der Unvereinbarkeit des „jetzige[n] Prolog[es]“ „mit der Dichtung“ und seiner Ansicht, dass „3,1ff eine orientierende Einleitung [verlangt]“ (Hervorhebung im Original gesperrt).

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in Hi 3 beginnende Dichtung ohne zusätzliche Vorinformationen unverständlich sei.35 Die durch K. Schmid vorgenommene Problematisierung des Forschungsweges lässt erkennen, dass eine einfache Nennung von Unterschieden zwischen Rahmen und Dichtung in der Tat für die Erklärung des Gegenübers der beiden Hauptteile des Hiobbuches nicht tragfähig ist, gerade auch weil sich zwar einige Argumente wie das unterschiedliche Milieu in Rahmen und Dichtung nicht von der Hand weisen lassen, sich aber zwischen ihnen dennoch auch Bezüge zeigen. Damit ist die Fragestellung für die vorliegende Arbeit, die sich aus der bisherigen Forschung ergibt, abgesteckt. Desiderat der Forschung ist die Klärung des literarischen Verhältnisses von Rahmen und Dichtung. Da diese Frage in den vergangenen 50 Jahren immer wieder mit der Literarkritik der Rahmenerzählung verbunden worden ist, ist gleichzeitig die Stichhaltigkeit der literarkritischen Thesen für die Rahmenerzählung zu überprüfen.36

2. Methodik und Ziele der Arbeit Bei der Positionsbestimmung der Arbeit ist deutlich geworden, dass in der Forschung ein Konsens bereits bei der Voraussetzung fehlt, ob man formale und inhaltliche Probleme literarhistorisch zu erklären hat oder nicht. Dieser Umstand kann aber gerade nicht den Verzicht auf die literarhistorische Fragestellung für das Hiobbuch begründen. Diese lässt sich vom Charakter des Gegenstandes her methodisch nicht suspendieren. Einerseits ist auch im Rahmen der Einheitshypothesen bisher kein konsensfähiges Modell entwickelt worden, andererseits machen zwei nicht von der Hand zu weisende Beobachtungen die literarhistorische Fragestellung unverzichtbar. Es handelt sich einmal darum, dass die LXX des Hiobbuches knapp ein Fünftel kürzer ist als der masoretische Text. Gleichgültig, ob es sich dabei um Kürzungen gegenüber MT handelt oder um literarische Ergänzungen innerhalb von MT, zeigt dies, dass die Literargeschichte des Hiobbuches noch in die Zeit der Textgeschichte hineinreicht. Im Rückschluss lässt sich vermuten, dass das Buch Hiob relativ spät einen Status erreicht hat, in dem sein Wortlaut feststand. Es ist daher in der Literargeschichte des Hiobbuches insgesamt mit massiven Veränderungen des Textes zu rechnen. Ein zweites Argument stellt die sekundäre Einbindung der Elihureden in den fertigen Textbestand des Hiobbuches dar.37 Diese zeigt, dass das Hiobbuch zu einer breiteren Hiobtradition gehört, die u.a. von Ez 14,12ff, vom 35 36

Vgl. Schmidt, Grundschicht, 171 (Lit.). Vgl. dazu unten, 324ff.

2. Methodik und Ziele der Arbeit

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sekundären Schluss der Hiobseptuaginta (Hi 42,17) und dem Testament Hiobs sowie vom Hiobtargum aus Qumran38 bezeugt wird. Die Existenz der sekundär eingebundenen Elihureden zeigt, dass auch das übrige Hiobbuch auf eine längere Geschichte der Bearbeitung der Hiobthematik zurückgeht. Für die anzuwendende Methodik sind folgende Überlegungen maßgeblich: Erst der Rahmen macht das Buch zum Buch. Dennoch zeichnet sich die dazwischen stehende Dichtung (abgesehen von den Elihureden) durch eine weitgehende Geschlossenheit aus. Trotz der großen Bedeutung des Rahmens für die gerahmte Dichtung sind zwischen beiden Größen formale und inhaltliche Probleme feststellbar. Der Problematik der formalen Unterscheidung von Rahmen und Dichtung wird dabei in einem ersten Schritt nachgegangen.39 Der Blick auf altorientalische und biblische Parallelphänomene kann unterstützende Evidenz bieten.40 Diese Überlegungen machen es erforderlich, die Intention des Rahmens und seiner Verbindung mit der Dichtung zu erheben. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob die Dichtung eine davon unabhängige Kohärenzstruktur aufweist. Dies muss durch eine synchrone Analyse (Kohärenzanalyse) geschehen.41 Diese hat in zwei Schritten von Innen nach Außen vorzugehen. Dabei wird zunächst die Kohärenz der Dichtung überprüft und – wenn möglich – ihre eigene Intention und Funktion bestimmt. Anschließend wird die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung analysiert. Dabei muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass sie auf die Dichtung zuläuft (Prolog) und in der Dichtung ihren Ausgangspunkt hat (Epilog).42 Generell ist in beiden Analyseschritten die Frage zu klären, wie sich der jeweilige Hauptteil auf den anderen bezieht. Dabei ist die Vernetzung an den Übergangsstellen von entscheidender Bedeutung. Das Zusammenspiel 37 Vgl. unten, 445ff. Der Blick auf die Elihureden kann dort als Modellfall für die Verbindung von Dichtung und Prosa im Hiobbuch überhaupt erwiesen werden. In die Analyse der formalen Struktur der Dichtung werden die Elihureden aber einbezogen. Vgl. unten, 31ff. Daran erweist sich zusätzlich ihre Sonderstellung. 38 Zu Text und Verständnis vgl. Janowski, Sündenvergebung. 39 Siehe unten, 20ff. 40 Siehe unten, 28f. 41 Bei der Referenz auf den hebräischen Text wird auf die masoretischen Zeichen zurückgegriffen. Der Unterteilung in Halbverse dient – wie üblich – Atnach. Die Unterteilung der Halbverse erfolgt aufgrund von seqef katon, rebija und segolta. In seltenen Fällen erscheinen mehrere Marker im Halbvers, so dass eine Untergliederung eines Halbverses in drei und mehr Glieder (¸¹º»¼) möglich wird. Die damit verbundene Durchbrechung der masoretischen Binärteilung der Verse ist rein pragmatisch begründet und dient dazu, den diskutierten Zusammenhang exakter zu bezeichnen, ohne ein neues System etablieren zu müssen (wie z.B. Satzgrenzen). 42 Zur Methodik allgemein vgl. Heckl, Moses Vermächtnis, 9ff.

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von Dichtung und Rahmen wird dann in einem eigenen synthetischen Abschnitt behandelt. Das Unterfangen, das gesamte Hiobbuch zu analysieren, stößt natürlich an Grenzen. Der Umfang des Buches stellt allein schon vor dem Hintergrund eines begrenzten Raum- und Zeitkontingents bei der Bearbeitung ein Problem dar, das sich nur schwer lösen lässt, insbesondere wenn die gesamte Literargeschichte des Buches erfasst werden müsste. Daher ist es erforderlich, diese Untersuchung auf die letzten (beiden) Phasen der Literargeschichte des Hiobbuches zu beschränken:43 Bei der umfangreichen Dichtung müssen literarkritisch nur Schlüsselstellen berücksichtigt werden. Die Begrenzung der literarhistorischen Fragestellung in diesem Bereich ist deswegen möglich, weil die Eröffnung der Elihureden die eigentümliche Gestalt des dritten Gesprächsganges der Hiobdichtung bezeugt, dem in einem eigenen Abschnitt der Arbeit nachgegangen werden soll.44 Der Anfang der Elihureden (Hi 32,6ff) reflektiert die abgeschlossene Dichtung. Ihre erzählerische Einbindung (Hi 32,1–5) setzt außerdem bereits die erzählerische Rahmung voraus. Daher kann in dieser Arbeit u.a. die literarhistorische Rückfrage nach einem intakten dritten Gesprächsgang ausgeblendet und zugleich auch auf eine durchgängige Kohärenzanalyse der Elihureden verzichtet werden, da diese ein von der übrigen Hiobdichtung unterschiedenes Traditionsstück mit eigener Intention sind. – Die Analyse der Kontextbezüge von Hi 28 bestätigt,45 dass es sich bei dem Kapitel um eine Komposition handelt, die eine eigenständige Literargeschichte aufweist.46 43

Für die Schlussphase der Literaturgenese lassen sich die Umrisse der literarischen Prozesse plausibler rekonstruieren als in weiter zurückliegenden Phasen, die jeweils von neuerlichen literarischen Textreproduktionen überlagert werden können. Vgl. zum methodischen Problem Heckl, Religionsgeschichte, 193–205. 44 Vgl. unten, 445ff. 45 Siehe unten, 151ff. 46 So schon Fohrer, Hiob, 393ff. Anders z.B. van Oorschot, Hiob, 199, der überlegt, ob das Kapitel literarisch auf eine Ebene mit den „sekundär ergänzten Satanszenen“ gehört. – Nach Newsom, Job, 533, könnte in der Charakterisierung Hiobs in Hi 1,1b (       , vgl. 1,8b; 2,3a) der Schluss von Hi 28,28 (        ) in Blick auf die Thematisierung der Weisheit Gottes in den Dialogen sozusagen proleptisch vorweggenommen sein. Nach Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 338, ist gerade dieser Vers sekundär. Auf die Probleme, die der Vers im Kontext der Dichtung verursacht, weist Habel, Job, 400f, hin und sieht eine Verbindung zur ‚Gottesfurcht‘ Hiobs im Prolog. – Westermann, Aufbau, 133, verteidigt Hi 28 „gerade in seinem Heraustreten aus dem Stil der Streitreden“ (ebd.) und sieht darin den Zielpunkt des Dialogteils. Zu dem speziellen Problem der unterschiedlichen Intention und Zuordnung der Versionen von LXX und MT zu Hi 28 vgl. Küchler, Gott und die Weisheit, 125–133; Marcos, Septuagint Reading; Witte, Greek Book, 46f. Siehe weiter zu Hi 28 und seinem Kontext unten, 151ff.

2. Methodik und Ziele der Arbeit

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Überlieferungskritischen Fragen kann in dieser Arbeit aus pragmatischen Gründen nicht nachgegangen werden, obwohl die Analyse immer wieder auf formale und inhaltliche Probleme stößt, die eine solche Frage rechtfertigen würden. Doch dieses Themenfeld würde ebenfalls den Rahmen der Arbeit überschreiten und muss späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Dennoch sind bei der Textanalyse die bei den antiken Adressaten stillschweigend vorausgesetzten Hintergrundinformationen besonders relevant. Diese Präsuppositionen spielen bei der Exegese des Hiobbuches deswegen eine besondere Rolle, weil dieses wie viele andere alttestamentliche Bücher als religiöser Gebrauchstext ganz aktuellen Interessen gedient haben dürfte.47 Aus diesem Grund muss bei der Analyse von Dichtung und Rahmen bei jeder Äußerung überlegt werden, welche Wissenspotentiale und Informationen im Hintergrund stehen. Zentral bei dieser Fragestellung ist, ob und wie von den Autoren literarische Bezüge aufgerufen werden.48 Anspielungen und Zitationen stellen an der betreffenden Stelle eine Beziehung zu anderen literarischen Texten her. Wenn solche Bezüge in der Analyse ausfindig gemacht werden, muss zunächst die kontextuelle Bedeutung des Bezuges bestimmt werden. Mitunter zeigt sich aber in der literarischen Verarbeitung einzelner Stellen eine über den konkreten Kontext hinausgehende Konzeption, der in einem eigenständigen Kapitel im Anschluss an die Beschreibung der Kohärenzstrukturen von Dichtung und Rahmen nachgegangen werden soll. Der Unterschied zwischen Dichtung und Rahmenerzählung ist an diesem Punkt auffällig. Die Dichtung setzt sich zwar theologisch mit dem Deuteronomismus auseinander,49 doch wird dies nicht durch einen breiten Bezug auf dtn/dtr Texte realisiert, sondern durch bestimmte theologische Aussagen. Nur sehr selten werden konkrete Stellen aufgegriffen. Anders verhält es sich bei der Rahmenerzählung. Hier finden sich konkrete Zitate und Anspielungen, durch die weit gehende Bezüge zu verschiedenen literarischen Textbereichen hergestellt werden, aufgrund derer die Intention des abgeschlossenen Hiobbuches überhaupt erst deutlich wird. Da sich die Dichtung als eigenständiges Werk verstehen lässt und die Analyse der Rahmenerzählung das Ergebnis erbringt, dass die Dichtung vom Rahmen quasi als Quelle rezipiert wird, wird in einem ersten Schritt die Verarbeitung der Dichtung durch den Rahmen behandelt.50 Danach folgen konzeptionelle literarische Bezugnah-

47

Siehe dazu Heckl, Religionsgeschichte, 200f. Ausführlich zur Methodik des Umgangs mit literarischen Querbeziehungen siehe unten, 13f. 49 Dies wird zusammenfassend unten, 208ff, diskutiert. 50 Siehe unten, 341ff. 48

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men zu anderen Teilen bzw. inhaltlichen Konzepten der Hebräischen Bibel (Erzelternüberlieferung, Deuteronomismus).51

3. Der Umgang mit literarischen Querbeziehungen Der von J. Kristeva geprägte Begriff „Intertextualität“ hat eine schnelle, aber schon sehr bald eingeengte Rezeption erfahren. Das philosophische Konzept, das hinter dem Begriff stand,52 erfreute sich weniger Beachtung, was Kristeva dazu veranlasste, den Begriff wieder zu verwerfen.53 „Intertextualität“ wurde und wird seitdem in den verschiedenen Literaturwissenschaften für das verwendet, wofür bis dahin die Begriffe Rezeption, Literaturverarbeitung etc. standen: für alle Bezüge, die sich von einem Text zu anderen Texten hin auftun. In der Alttestamentlichen Wissenschaft sind bei dem Begriff „Intertextualität“ zumeist die literarischen Querbeziehungen zwischen Texten im Blick, bei denen man in der Regel versucht, die Richtung der Abhängigkeit zu bestimmen.54 Ebenfalls mit dem Begriff „Intertextualität“ verbunden sind einige Arbeiten, in denen es um die Rezeption eines Textes innerhalb der biblischen Literatur und darüber hinaus geht. Diese Beschäftigung mit der Nachgeschichte von Texten ist vor Kristevas Begriffsprägung eher unter den Begriffen Rezeptionsgeschichte und Wirkungsgeschichte verhandelt worden.55 Die Rezeption des Begriffes „Intertextualität“ in der Bibelwissenschaft hängt – wenn er auch nicht mit der philosophischen Radikalität angewendet wird, wie Kristeva ihn prägte – zusammen mit der in der Postmoderne immer stärkeren Betonung der Rezeption gegenüber einer autorzentrierten Herangehensweise an die Texte.56 Letztlich werden von Kristeva Einsichten des Strukturalismus verarbeitet, in denen die Bedeutung des Subjekts beim Sprachgebrauch relativiert wurden (Barthes). Mittelbares und unmittelbares Zeichen der Rezeption dieser Entwürfe im Bereich der Bibelwissenschaft ist auch das Abrücken von der historisch orientierten Herangehensweise an die Texte. Neben dem Hervorbringen rezeptionsästhetischer Ansätze sind diese 51

Dies wird unten, 377ff, ausführlich behandelt. Zur Einführung vgl. Schmitz, Literaturtheorie, 91f; Gillmayr-Bucher, Intertextualität. Zu Kristevas Ansatz und ihrer Anknüpfung an de Saussere und Bahktin vgl. (ausführlich) Allen, Intertextuality, 8–60; auch Suchsland, Kristeva, 79–84. 53 Sie gebraucht zur Bezeichnung der Sinnübertragung zwischen Zeichen daher später den Begriff Transposition. Siehe Kristeva, Revolution, 69. 54 Einen Überblick über eine Auswahl von rezenten intertextuellen Studien in der Bibelwissenschaft und deren Methode stellt Kowalski, Intertextualität, vor. 55 Vgl. Rösel, Wirkungsgeschichte/Rezeptionsgeschichte, RGG4 8, 1598–1600. 56 Siehe z.B. Sals, Biographie; Steins, Bindung; Klein, Leseprozess. 52

3. Der Umgang mit literarischen Querbeziehungen

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Konzepte in eine allgemeine Kritik an der historisch-kritischen Exegese eingeflossen. So unterstützen sie nun methodisch die Forderung einer rein synchronen Interpretation der Texte.57 Methodisch hat dies vor allem G. Steins zu verarbeiten gesucht, der den Begriff „Intertextualität“ auf den Bibelkanon anwendet.58 Ist das Aufkommen solcher rezeptionsorientierter Konzepte unmittelbar auf den für die postmoderne Literaturwissenschaft ausgerufenen „Tod des Autors“59 zurückzuführen, so ist für sie auch nach einer inzwischen eingetretenen Rückkehr zu traditionellen Konzepten der Intentionalität der Texte60 doch die Frage nach den in den Texten verarbeiteten Konzepten, die aus anderen Zusammenhängen stammen, relevant geblieben. Dies hat in den Literaturwissenschaften zu der bereits erwähnten Eingrenzung des Intertextualitätsbegriffes geführt.61 Es ist das besondere Verdienst von G. Genette, die literaturwissenschaftlichen Implikationen von J. Kristevas Einsichten in einer klaren Terminologie für die Textanalyse anwendbar gemacht zu haben. Er macht Kristevas philosophischen Ansatz, dass der Sinn von sprachlichen Äußerungen immer im Zusammenhang von schon Geäußertem entsteht, insofern für die Interpretation literarischer Texte nutzbar, als er es schafft, die verschiedenen möglichen Textbeziehungen terminologisch greifbar zu machen. Für die Bibelwissenschaft ist es von großer Bedeutung, dass wir uns bei dem, was Genette ausführt, unmittelbar in einem Bereich befinden, den die atl. Exegese üblicherweise überlieferungs- und traditionskritisch zu erhellen sucht. Genette zielt auf die „Transzendenz“ eines Textes, die ihn „in eine manifeste oder geheime Beziehung zu anderen Texten bringt“62, und nennt diese Textbeziehungen allgemein Transtextualität. Genette wendet Kristevas Begriff Intertextualität – sich dabei (ironisch) auf ihre Äußerung von der Zitathaftigkeit der Sprache beziehend – auf manifeste Bezüge wie das Zitat, 57

Vgl. z.B. Childs, Biblische Theologie, 14, mit der Entwicklung des „canonical approach“. 58 Vgl. Steins, Bibelkanon, bes. 187–190. 59 Der Begriff geht auf R. Barthes Aufsatz „La mort de l’auteur“ zurück. Vgl. einführend zu dessen These Jannidis/Lauer/Martinez/Winko, Rede über den Autor, 3f, zu Barthes allgemein Schmitz, Literaturtheorie, 63ff. 60 Zur gegenwärtigen ‚Wiederentdeckung‘ der Autorperspektive in der Literaturwissenschaft siehe den gesamten Sammelband Jannidis/Lauer/Martinez/Winko (Hg.), Rückkehr des Autors. 61 In der Bibelwissenschaft ist der weite Intertextualitätsbegriff im Programm der Auslegung bei Steins, Bindung, von Willmes, Exegese, 68–84, zu Recht zurückgewiesen worden. Vgl. auch Frevel, Theologie, 246. 62 Genette, Palimpseste, 9. Vgl. zu dem Ansatz auch schon Genette, Einführung, 100ff.

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Einleitung

das Plagiat und die Anspielung an.63 Ein Beispiel für eine derartige manifeste Textbeziehung innerhalb der Hiobrahmenerzählung konnte mit dem Bezug von Hi 2,7b auf Dtn 28,35 bereits aufgedeckt werden. Eine auf der Grenze zur Intertextualität im Sinne von Genette liegende Bezugnahme findet sich in Hi 1,10b¸. Die kurze Formulierung      verweist auf Formulierungen im Deuteronomium. Ob dabei ein konkreter Text im Blick ist, oder die Sprache (der paränetischen Heilszusagen) des Deuteronomiums generell rezipiert wurde, lässt sich nicht abschließend entscheiden. Als eine zweite Kategorie nennt Genette die Paratextualität. Er verweist hierbei vor allem auf moderne Erscheinungsformen von Texten mit Fußnoten, Zwischentiteln, Illustrationen etc. Bei biblischen Texten kann man auf die Überschriften in den Psalmen oder glossierende Notizen in Texten wie beispielsweise die sog. antiquarischen Notizen in Dtn 1–3 als Beispiele verweisen. Die Metatextualitiät, die dritte Kategorie, bezeichnet Literatur über Literatur. Genette nennt hier vor allem den Kommentar, 64 doch ist dies in Bezug auf die biblische Traditionsliteratur auszuweiten; man kann hier die mannigfaltigen Formen des Midrasch einbeziehen. Als den „abstrakteste[n] und impliziteste[n]“65 Typus der Transtextualität definiert Genette die Architextualität. Hierin geht es vor allem um die Gattungszugehörigkeit. Diese kann implizit vorausgesetzt oder explizit vorgegeben sein. Genette weist darauf hin, dass die Explikation der Gattung u.U. mit der Rezeption kollidieren kann. Ein gutes Beispiel für die explizite Voranstellung einer architextuellen Zuweisung in Genettes Sinne stellt Hi 23,2a dar. Das Faktum, dass innerhalb von Hi 23 keine Anrede Gottes realisiert wird, könnte dabei eine auf den Rezipienten bezogene Funktion haben. Die Verwendung von Elementen einer bestimmten Gattung – wie in Hiob 3 jene des Klageliedes unter Verzicht auf das eigentliche Herzstück, die an Gott gerichtete Bitte66 – hat ebenfalls einen Referenzcharakter für den Rezipienten.67 Genette betont daneben in besonderer Weise die Hypertextualität. Er meint damit Textbeziehungen, in denen ein Text einen anderen Text als Ganzes rezipiert, „wobei Text B Text A auf eine Art und Weise überlagert, die nicht die des Kommentars ist“68. Er spezifiziert diese Form der Transtextualität und unterscheidet zwischen Transformation und Nachahmung.69 Die Transformation, für die Genette das Beispiel der Rezeption der „Odyssee“ im Joyces „Ulysses“ wählt, überträgt die Handlung eines Werkes in diesem Falle an 63

Vgl. Genette, Palimpseste, 10. Vgl. Genette, Palimpseste, 13. 65 Genette, Palimpseste, 13. 66 Vgl. hierzu Gunkel, Einleitung, 218. 67 Siehe unten, 44. 68 Genette, Palimpseste, 14f. 69 Vgl. Genette, Palimpseste, 15f. 64

3. Der Umgang mit literarischen Querbeziehungen

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einen anderen Ort und in eine andere Zeit. Eine komplexere Form der Transformation stellt s.E. die „Nachahmung“ dar, für die er Vergils „Aeneis“ anführt: „Die Nachahmung ist zweifellos auch eine Transformation, stellt aber ein komplexeres Verfahren dar, da sie – um es wiederum sehr summarisch zu sagen – zunächst die Erstellung eines Modells der (sagen wir epischen) Gattungskompetenz erfordert, das, der Odyssee (und möglicherweise auch anderen Werken) als einzelnen Performanzen entnommen, zur Erzeugung einer unbeschränkten Zahl mimetischer Performanzen fähig ist. Dieses Modell stellt somit eine Zwischenstufe, eine unerläßliche Vermittlung zwischen dem nachgeahmten und dem nachahmenden Text dar, die bei der einfachen und direkten Transformation fehlt.“70 In der Hebräischen Bibel lässt sich das Verhältnis zwischen den Samuelis-/Königebüchern und den Chronikbüchern im Sinne Genettes als teilweise reduzierende Transformation71 begreifen, indem aus der Geschichte der Könige Judas und Israels die Geschichte der Könige Judas extrapoliert wird und dies aus einer bestimmten Perspektive sowie mit einer veränderten Intention. Die komplexe Form der Hypertextualität spielt im Folgenden für die Analyse des Hiobbuches in unterschiedlicher Weise eine besondere Rolle. Die Beispiele zeigen, dass eine Unterscheidung der Art und Weise, wie Textbezüge innerhalb eines Textes realisiert werden, im Bereich der Hebräischen Bibel möglich und erforderlich ist. Allerdings steht die Frage nach den Textbeziehungen der biblischen „Traditionsliteratur“ vor besonderen Herausforderungen. Denn die Textbezüge sind zu einem Teil nicht mehr realisierbar, da wir nur Ausschnitte aus einer reichhaltigeren Literatur besitzen.72 Daher sind viele literarische Bezüge nicht mehr unmittelbar greifbar. Allerdings sind die Verhältnisse etwas anders gelagert, da wir es – in der Regel – mit religiöser Gebrauchsliteratur zu tun haben, die für ein ganz bestimmtes Publikum und für einen bestimmten Zweck verfasst worden ist. Dieser Punkt stellt zwar ein Manko dar, da wir den konkreten Sitz im Leben von bestimmten Texten nur annäherungsweise mit Hilfe des formgeschichtlichen Vergleichs bestimmen können, er bringt aber auch den Vorteil mit sich, dass eine stärkere Adressatenbezogenheit der Texte (Pragmatik) vorausgesetzt werden kann, als dies in literarischen Texten sonst der Fall ist.73 Daher kann davon ausgegangen werden, dass z.B. radikale religionsgeschichtliche Veränderungen auch spezifische Veränderungen in der Traditi70

Genette, Palimpseste, 16. Vgl. Genette, Palimpseste, 16. 72 Das Problem hat Genette, Palimpseste, 510, für die antike Literatur im Blick: „Wir stehen hier [bei Ilias, Rolandslied oder den Karenrittern, R.H.] höchstwahrscheinlich vor Hypertexten mit unbekanntem Hypotext, deren Hypertextualität beinahe feststeht, aber für uns unbeschreibbar und somit undefinierbar bleibt.“ Er zeigt auch moderne Beispiele für das Problem auf. Vgl. ebd., 511ff. 71

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Einleitung

onsliteratur nach sich gezogen haben. Hier kann man innerhalb der uns vorliegenden Texte unter Zuhilfenahme des religionsgeschichtlichen Vergleichs eine Hypertextualität eruieren, so dass die biblischen Texte in gewissem Sinne einen Palimpsestcharakter offenbaren.74 Dass es sich um Gebrauchsliteratur handelt, ist dabei insofern hilfreich, als viele Texte die Kenntnis der Prätexte bei den Lesern noch voraussetzen dürften. Sie lassen erkennen, dass sie sich in einer direkten Auseinandersetzung mit ihren „Vorlagen“ befinden. Diese Präsuppositionen ermöglichen Rückschlüsse. Die Umrisse und bestimmte Intentionen zugrunde liegender Texte können so sichtbar gemacht werden.75

73 Dies ermöglicht uns weiter gehende Aussagen über die „verlorenen“ Hypotexte, als G. Genette (siehe Zitat in Anm. 72) für literarische Texte annimmt. „Unbeschreibbar und undefinierbar“ in Genettes Sinn bleibt freilich die exakte Form und der konkrete Inhalt dieser Texte, aber es ist möglich, bestimmte Aussagen zu eruieren und ihren Charakter und ihre Gestalt hypothetisch zu umreißen. 74 Nelißen, Intertextualität III, 224, erwägt: „Inwieweit muß man also Teile der Bibel als literarisches Verdrängungsprogramm lesen? Ist sie vielleicht an vielen Stellen ‚ein Palimpsest‘, an dem zugunsten des ‚monotheistischen Textes‘ der ‚polytheistische Prätext‘ mal mehr, mal weniger gut weggeschabt wurde?“ 75 Vgl. dazu ausführlich Heckl, Religionsgeschichte, 193–205.

Kapitel 1

Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung Im Folgenden soll in einem ersten Gedankengang der Problematik des Gegenübers von Rahmen und Dichtung nachgegangen werden. Dabei werden die formalen und inhaltlichen Probleme aufgezeigt und der Lösungsweg deutlich gemacht, der im Fortgang der Arbeit beschritten werden soll.

1. Das Verhältnis von Form und Inhalt Wie kommt es dazu, dass uns in der Dichtung scheinbar ein anderer Hiob entgegen tritt als in der Rahmenerzählung? Wie kommt es zu dem von der Rahmenerzählung verschiedenen Gottesbild in der Dichtung? Diese beiden Fragen, die pars pro toto für ein ganzes Bündel von inhaltlichen Problemen stehen, wurden in der älteren Forschung oft mit Verweis auf den formalen Unterschied von Rahmen und Dichtung mit unterschiedlichen Intentionen voneinander zu unterscheidender Buchteile erklärt.1 Dennoch wird auch argumentiert, dass die inhaltlichen Unterschiede mit der unterschiedlichen Präsentation des Stoffes zusammenhängen.2 In der Tat werden im erzählerischen Rahmen inhaltliche Aussagen parteiisch durch Figuren vorgebracht und neutral auf der Erzählebene präsentiert, so dass der Leser dem „allwissenden Erzähler“ folgend Figuren und Handlung zu bewerten in der Lage ist. Demgegenüber vollzieht sich in der Hiobdichtung eine Figuration allein durch die Reden der Sprecher. Die vorgetragenen Argumente werden jeweils ausschließlich parteiisch vorgebracht, und der Leser gewinnt nur allmählich Einblick in die vernetzte Argumentationsstruktur. Die Unterschiede zwischen Rahmen und Dichtung könnten daher damit zusammen hängen, dass die Dichtung anders als der Rahmen ausschließlich Kommunikation der Figuren enthält, und das „Selbstzeugnis“ der Figuren kann sich durchaus von den Charakterisierungen des Erzähltextes unterscheiden. 1

Vgl. z.B. die auf der älteren Argumentation fußende Verhältnisbestimmung von Hesse, Hiob, 9. 2 Vgl. die Kritik von Schmid, Hiobproblem, 17–19.

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

Der Unterschied der inhaltlichen Präsentation ist allerdings zunächst abhängig von der Textsorte. In dem poetischen Teil des Hiobbuches tritt wie in poetischen Texten üblich gegenüber dem Erzähltext alles Kommentierende und Charakterisierende zurück: Über die Sprecher wird auf einer Metaebene nichts geäußert, sondern der Kommentar beschränkt sich abgesehen von der Lokalangabe    in Hi 38,1; 40,6 auf die Angabe des Sprechers und den Fakt des Sprechens, was es schwer macht, über die vorgestellte Redesituation genauere Aussagen zu treffen, oder gar einen „Sitz im Leben“ für die Hiobdichtung zu bestimmen. Angesichts dieser Situation ist nun aber das Zusammenspiel von Rahmen und Dichtung umso relevanter. Denn der Rahmen bezieht sich bekanntlich auf die Dichtung, leitet zu ihr über und nimmt die Dichtung im Epilog auf. Der Rahmen ist also formal ein Ersatz für die innerhalb der Dichtung fehlenden Hintergrundinformationen. Dennoch lassen sich die erwähnten inhaltlichen Probleme nicht vollständig auf die unterschiedliche Argumentationsstruktur in Erzählung und Dichtung zurückführen, denn im Einzelnen deckt sich das Bild auch dort nicht, wo es sich entsprechen müsste – so ist eben das vorausgesetzte Milieu Hiobs ein anderes, Hiob im Rahmen eher passiv und in der Dichtung aktiv, und auch das Gottesbild des Rahmens (in Reden und Handeln Jhwhs) entspricht dem Gottesbild der Gottesreden nicht. Diese auch bei synchroner Betrachtung verbleibenden Differenzen machen eine intensive inhaltliche Verhältnisbestimmung der formal unterschiedenen Textteile nötig. Entscheidend ist, ob sich für die inhaltlichen Unterschiede eine übergreifende Intention – ein übergreifender Gestaltungswille – ausmachen lässt. Die fehlenden Kommentierungen innerhalb der Dichtung, die dialogische Struktur3 und die enthaltene direkte Polemik zwischen den Sprechern, die indirekt eine Charakterisierung bewirkt, weisen außerdem darauf, dass die Dichtung eher eine Affinität zur Mündlichkeit und damit eine andere literarische Funktion hat als die Rahmenerzählung. Mit der Mündlichkeit wird in der Dichtung in ganz anderer Weise umgegangen als in den Redeabschnitten des Rahmens, was auf eine Eigenständigkeit der Dichtung weisen könnte. Die in der Dichtung verwendeten Gattungen bestätigen diese Überlegung.4 3 Obwohl besonders der Umfang der einzelnen Reden im Vergleich zu anderen dialogischen Formen in der Dichtung eine Besonderheit darstellt, so dass das Hiobbuch keine „echten“ Dialoge bietet (vgl. dazu Schökel, Manual, 170), sind sie dennoch aufeinander bezogen und werden als Dialoge und in Dialogform präsentiert. 4 Schon Gunkel, Einleitung, 5, spricht von „Anleihen“ des Dichters aus der „Psalmendichtung“. Vgl. die Übersicht über die verarbeiteten Formen aus Weisheit, Rechtsleben und den Psalmen bei Fohrer, Hiob, 50ff (mit Übersicht: 51). Von einer „Gattungsmischung“ spricht auch Witte, Vom Leiden, 57.

1. Das Verhältnis von Form und Inhalt

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Die literarische Verarbeitung verschiedener Gattungen erklärt, wieso man letztlich trotz eines starken Gebrauchs juridischer Motivik die Hiobdichtung nicht durchgängig als Gerichtsrede5 oder als Sammlung von „Streitreden von Weisen, die um den Preis der Weisheit ringen“6, erklären kann. Die unterschiedlichen Gattungen haben rhetorische und inhaltliche Funktionen,7 weswegen eine Bestimmung einer übereinstimmenden Gattung dem Gegenstand nicht gerecht wird. Die Dichtung bietet sich demgegenüber eher als eine Art Großepos dar, das Formen und Gattungselemente aus dem Bereich der Mündlichkeit literarisch verwendet.8 Ihr Gebrauch in der vorliegenden Weise – in der Fiktion der Mündlichkeit – dient dabei vermutlich der Intention der Dichtung selbst. Es wird sich herausstellen, dass die Einschätzung von C. Westermann der formalen und inhaltlichen Struktur der Dichtung am ehesten entspricht. Er geht von der Dominanz der Klage in den Reden Hiobs aus,9 nimmt die Dialogform ernst, vermutet, dass „die Streitreden [...] an der Stelle des versagten Trostes“10 stehen, was dann in einen neuen Dialog münde, den Dialog zwischen Hiob und Gott, und fasst das zusammen unter dem Begriff „Dramatisierung der Klage“.11

5 Vgl. Richter, Studien, 126f, der selbst darauf verweist, dass „der Dichter [...] innerhalb des Hiobdramas sein Ziel nicht erreicht, das er von Anfang an im Auge hatte: Die Gerechtsprechung Hiobs durch Gott“. 6 Gunkel, Hiobbuch, RGG2 III, 45 (Hervorhebung im Original gesperrt). 7 Wie stark beispielsweise die Form am Inhalt ausgerichtet ist, sieht man daran, dass der Todeswunsch in den Hiobreden die Klage dominiert und zu Veränderungen von traditionellen Klageformularen führt. Siehe dazu unten, 181.206. Er hat nach Frevel, Todeswunsch, 39, eine klare Funktion in der Klagerhetorik des Hiobbuches. Frevel sieht das Hiobbuch daher eher als „weisheitliche[n] Diskurs“ (ebd., 38). 8 Vielleicht war sie für den öffentlichen Vortrag bestimmt. Vgl. dazu Eaton, Job, 39–41, der praktische Erwägungen des Vortrages anstellt und zugleich auf Parallelen im Griechenland des 6. und 5. Jh. v.Chr. verweist. Zu verweisen ist auf die Diskussion der Oral poetry-Forschung seit den fünfziger Jahren im Bereich der Homerforschung, die zu folgender Aussage weiterentwickelt worden ist: „Homers Epen sind zwar in Sprache und Stil typische Repräsentanten der Mündlichkeitsphase, die Großstruktur ihrer Handlungsanlage jedoch gehört bereits der Schriftlichkeitsphase an“ (Latacz, Homer, 7). 9 Vgl. Westermann, Aufbau, 29. 10 Ebd., 30. 11 Ebd., 38.

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

2. Die Reden des Rahmens und der „Erzähltext“ der Dichtung Die Kritik an einer einfachen literarkritischen Bezugnahme auf den Unterschied zwischen Dichtung und Prosaerzählung ist gerechtfertigt.12 Denn die Dichtung ist ja eine Zusammenstellung der direkten Reden Hiobs, seiner drei Freunde, Elihus und Gottes. Die poetische Form könnte zur Präsentation der direkten Reden gewählt sein. Entsprechend weist u.a. G. Fohrer darauf hin, „daß das ganze Buch in einheitlicher Weise das Berichtende in Prosa und das Gesprochene in poetischer Form darbietet.“13 Dies wird als Argument für Einheitshypothesen, die eine übergreifende Absicht hinter der Gesamtanlage des Hiobbuches sehen, vorgetragen.14 Allerdings lässt sich diese Einschätzung in ihrer Allgemeinheit nicht halten. Denn bei Lichte betrachtet, dominieren doch die Unterschiede zwischen den Reden des Rahmens und der Dichtung: Reden gibt es im Rahmen aus dem Munde Hiobs in Hi 1,5; 1,21; 2,10; es gibt die Jhwh-Reden in den Himmelsszenen 1,7a.8.12a; 2,2a.3.6 und in Hi 42,7f, die Reden des Satans in Hi 1,7b.9b.10f; 2,2b.4f sowie die kurze Rede von Hiobs Frau in Hi 2,9. Von einer durchgehenden poetischen Struktur all dieser Reden kann man aber nicht sprechen.15 Parallelismen finden sich lediglich in den drei direkten Reden Hiobs. Bei den Reden des Satans gibt es ansatzweise Parallelismen in 1,7b.10b; 2,2b, nicht aber bei den verbleibenden Sätzen. Die Jhwh-Reden kann man auch mit Mühe nicht als Parallelismen begreifen. 1,8b scheint zwar parallel strukturiert zu sein, doch stellt gerade dieser Vers einen literarischen Bezug zu Hi 1,1b in der Exposition her. Aber auch die drei Hiobreden in 1,5; 1,21; 2,10, die noch explizit von K. Schmid herangezogen werden,16 lassen sich nicht als poetische Textabschnitte parallel zur Dichtung begreifen. Während in Hi 1,5b ein Parallelismus erkennbar ist, durchbricht der Schlusssatz      in 1,21b die Struktur der vorangehenden beiden Parallelismen. In 2,10a verhält es sich umgekehrt. Hier eröffnet die direkt an seine Frau gerichtete Abweisung         keinen Parallelismus. Ein Parallelismus folgt erst nach dieser Formulierung. Aber auch die parallele Formulierung ist aufgrund des Gebrauchs von Artikel und Akkusativpartikel nicht als poetisch zu verstehen. Die Hiobreden im Rahmen sind also nicht als Parallelismen 12

Zuletzt Schmid, Hiobproblem, 17f. Vgl. Fohrer, Hiob, 33. Vgl. zu dieser Argumentation in der älteren Forschung Kuhl, Literarkritik, 188. 14 Vgl. oben, Anm. 5. 15 Daher weist K. Schmid darauf hin, „dass die Redestücke Hiobs im Prolog in Poesie wie umgekehrt die Redeeinleitungen in den Dialogen in Prosa gehalten sind“ (Schmid, Hiobproblem, 18), womit er die Argumentation eingrenzt. 16 Siehe das Zitat in Anm. 15. 13

2. Die Reden des Rahmens und der „Erzähltext“ der Dichtung

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gestaltet; es handelt sich auch nicht um poetische Abschnitte. Eher kann man sagen, dass die Reden Parallelismen enthalten.17 Außerdem fügen sich diese nahtlos in den erzählerischen Kontext ein. Die Kürze der Reden entspricht dem, was innerhalb von Erzählungen in direkten Reden üblich ist. Diese tragen dort oft einen Ausschnittcharakter und repräsentieren eine umfassendere Kommunikation.18 Hier ist auch der Zeitvergleich zwischen Rahmen und Dichtung relevant: Die Reden in der Dichtung nehmen eine Sprechzeit von mehreren Stunden in Anspruch.19 Die kurzen Dialoge zwischen Hiob und seiner Frau nehmen zwar – wie in Erzählungen üblich – sehr wenig Erzählzeit ein, dort vergeht aber insgesamt aufgrund sich vollziehender Zeitraffungen viel mehr Zeit, was den Ausschnittscharakter der Reden des Rahmens aus einer vorausgesetzten umfangreicheren Kommunikation deutlich werden lässt.20 Aufgrund dieses Befundes legt sich zumindest für die direkten Reden des Rahmens und der Dichtung eher keine einheitliche Gestaltungsabsicht nahe. Das Argument, dass die Dichtung direkte Rede ist, kann angesichts der direkten Reden im Rahmen also nicht als Beweis dafür dienen, dass Rahmen und Dichtung von vornherein als einheitliches Werk konzipiert sind. Was die Funktion der Parallelismen in den Hiobreden des Rahmens betrifft,21 drängt sich demgegenüber ein anderer Lösungsweg auf: Bei ihnen handelt es sich um besonders herausgehobene Aussagen22 an Schlüsselstellen im Erzähltext, die der Betonung bedürfen und auf der Erzählebene auch entsprechend gewürdigt werden.23 Umgekehrt wird geltend gemacht, dass auch in der Dichtung die Erzählrede in Prosa verfasst sei. Hiergegen ist zunächst einzuwenden, dass die durchgehende Eröffnung mit  ...   durchaus als stereotype Wieder17

Es ist m.E. allerdings doch inhaltlich aufschlussreich, dass es sich dabei um die Bestandteile handelt, die der Charakterisierung von Hiobs Frömmigkeit dienen. 18 Vgl. die allgemeine Einschätzung bei Ruprecht, Komposition, 38, der darauf verweist, dass umfänglichere Zitationen (in dem von ihm diskutierten Fall: eines Psalmes) „den Rahmen jeder Erzählung sprengen würde“. 19 Ich rechne bei einem mittleren Lesetempo mit ca. vier Stunden. 20 Hier lohnt es sich, die LXX zu beachten, die die Rede von Hiobs Frau entsprechend ausformuliert hat. Der gegenüber der Dichtung andere Stil der kurzen Reden im Rahmen ist den Tradenten aufgefallen. Er diente ihnen dazu, midraschartig weitere inhaltliche Aspekte auszuformulieren. Zu dieser Einfügung in die LXX sowie zur Entfaltung des Themas in der jüdischen Tradition vgl. Witte, Hiob und seine Frau, 364ff. 21 Vgl. oben, Anm. 17. 22 Allein darauf bezieht sich die häufig zitierte Sicht von Volz, Hiob und die Weisheit, 14: „Die Darstellung steht auf dem Übergang zum Epos, sofern die gesprochenen Worte metrisch gefaßt und dadurch vom erzählenden Stil unterschieden sind, ähnlich wie in der Genesis wenigstens an den Höhepunkten versmäßige Aussprüche eingeflochten werden.“ 23 Siehe Hi 1,22; 2,10b.

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

holung und in ihrer betonten Zweigliedrigkeit als der poetischen Struktur der Dichtung angepasst aufzufassen ist, insbesondere wenn man beachtet, dass die Eröffnung mit   in Hi 3,2 gegenüber den anderen Eröffnungen semantisch nicht unproblematisch ist.24 Lediglich der Schlussnotiz in Hi 31,40b fehlt diese Doppelverbstruktur. Doch der unvermittelte Wechsel aus der Hiobrede in diese unpersönliche Formulierung zeigt angesichts ihrer Kürze, dass es sich dabei um ein auf den Dialogteil bezogenes Endsignal handelt. Von dem nachfolgenden erzählerischen Vers 32,1, der sich auch auf die vorangehende Dichtung zurückbezieht, unterscheidet sich 31,40b massiv, so dass man auch bei diesem Halbvers nicht sagen kann, dass es sich um eine dem Erzähltext der Rahmenhandlung entsprechende Formulierung handelt.25 Weiterhin zeigt sich auch an den anderen Übergängen zwischen Dichtung und Prosa, dass die formale Struktur der Redeeinleitungen deutlich durchbrochen wird, was m.E. ein nicht zu vernachlässigendes formales Indiz dafür ist, dass es sich bei dem Gegenüber von Dichtung und Prosa um eine literargeschichtlich auszuwertende Trennlinie handelt. Jedenfalls lässt sich nicht sagen, dass „das ganze Buch in einheitlicher Weise Berichtendes in Prosa, Gesprochenes in poetischer Form darbietet“26. Es verbleiben als parallelisierte Ausdrücke einige Abschnitte der direkten Reden Hiobs (Hi 1,5.21; 2,10b). Da es sich um Aussagen handelt, die der Charakterisierung und Betonung von Hiobs Frömmigkeit dienen und dabei grundsätzliche theologische Aussagen enthalten, können sie zwar nicht für das Postulat einer einheitlichen Gestaltung von Rahmen und Dichtung herhalten. Man könnte aber überlegen, ob die Formulierung dieser Stellen sich an die Dichtung angelehnt hat, was ja in Hi 42,7f vom Rahmen her auch explizit ausgedrückt wird, indem dort das Reden Hiobs insgesamt positiv gewürdigt wird. Mit der aufgewiesenen Spezifik bleibt als Charakteristikum des Hiobbuches das Neben- bzw. das Ineinander von Dichtung (poetischem Text) und Erzähltext erklärungsbedürftig. Dass in letzter Zeit auf den zwei genannten Wegen, dem redaktionsgeschichtlichen und dem rein synchronen, eine Relativierung dieses Gegenübers erfolgt, ergibt sich m.E. aus der Schwierigkeit der Bestimmung einer eigenständigen Funktion der Dichtung (eines „Sitzes im Leben“). Man muss aber trotzdem die Frage stellen, ob die Verbindung

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Vgl. unten, 31ff. Siehe unten, 452. 26 Fohrer, Vorgeschichte, 251. 25

2. Die Reden des Rahmens und der „Erzähltext“ der Dichtung

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von Prosa und Dichtung bei dem vorliegenden ‚Mischungsverhältnis‘27 eigentlich als Werk eines Autors plausibel ist.28

3. Die Form der Dichtung im Hiobbuch Doch auch der formale Aufbau der Dichtung im Hiobbuch selbst widerspricht der Annahme, dass Prosa und Dichtung auf einen einzigen literarischen Akt zurückgehen. Immerhin sind die Reden in der Dichtung (anders auch als die Reden im Rahmen) geprägt vom Parallelismus und außerdem mehrstrophig aufgebaut.29 Die Überschreitung der Bikolon-Struktur lässt sich zwar nicht immer verifizieren, doch prägt sie weite Teile der Dichtung.30 Dieses Merkmal ist im Rahmen nirgends anzutreffen. Daneben ist der Stil in den Kap. 3,2–31,40; 32,6–42,6 deutlich vom übrigen Text unterschieden, was am Zurücktreten prosaischer Elemente (Artikel, Relativum, Akkusativzeichen) erkennbar ist.31 Die Präsentation der Inhalte ist in der Dichtung vom synthetischen Parallelismus geprägt, was zu einem stark retardierenden Informationsfluss führt. Aber auch darüber hinaus unterscheidet sich der argumentative Aufbau der Dichtung von dem des Rahmens. Denn die Dichtung präsentiert sich über weite Strecken in Form assoziativer Ketten. Es gibt kein einheitliches Thema, sondern fließende Themenwechsel zwischen den Abschnitten und mitunter literarkritisch beanstandete thematische Überlappungen. Gegen27

Zuletzt hat Köhlmoos, Auge Gottes, 71f, die These aufgestellt, dass in eine vorgegebene Novelle die Dichtung hineingeschrieben wurde und dabei die Novelle überarbeitet worden ist. Faktisch bedeutet das, dass in einem literarischen Akt an Prosa und Dichtung gleichermaßen nicht nur gearbeitet wurde, sondern beides in einem Zuge abgefasst worden ist. Denn wesentliche Bestandteile (1,6–12.21a.22; 2,1–13; 42,7–11) der Novelle sind nach Köhlmoos erst dabei entstanden. 28 Dies gilt auch dann, wenn sich für die Dichtung ein „Sitz im Leben“ oder besser eine „intendierte Vortragssituation“ letztlich nicht beweisen lässt. 29 Der strophische Aufbau des Buches ist umstritten, lässt sich aber am Einzelbeispiel oft verifizieren. Zur Begründung der mitunter auftretenden Brüche im Strophenaufbau vgl. schon Horst, Kennzeichen, 119 („variatio delectat“). Die Mittelposition von Hölscher, Hiob, 8, scheint sachgemäßt zu sein: „Was die Hiob-Dichtung anlangt, so ist ein strenger Beweis für vierzeilige Strophendichtung zwar nicht zu führen, aber der Eindruck, dass der Dichter eine solche Gliederung beabsichtigte, ist sehr stark.“ Diesem Urteil schließt sich de Wilde, Hiob, 63, an. Zur älteren Forschung zu diesem Thema vgl. Kuhl, Literarkritik, 183f. Zum formalen Aufbau der Dichtung und dem strophischen Aufbau siehe die Studie van der Lugt, Rhetorical Criticism. 30 Vgl. dazu de Wilde, Hiob, 62f. 31 Vgl. dazu Seybold, Poetik der Psalmen, 56. Der Artikelgebrauch allein kann für das Hiobbuch nicht als Kriterium dienen. Vgl. dazu Sarna, Notes.

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

über der auch in den Reden des Rahmens anzutreffenden Bündigkeit macht die Dichtung einen sehr redundanten Eindruck. Dass explizite Kontextbezüge (darin besonders bedeutsam polemische Bezugnahmen) häufig am Anfang und am Ende der jeweiligen Rede vorliegen, mitunter aber auch fehlen können, spricht für eine besondere kommunikative Funktion der Reden, vielleicht für eine intendierte Vortragssituation. Man könnte hier auch auf den Sprachunterschied selbst verweisen. Zu nennen ist insbesondere die Arbeit von A. Hurwitz, der den späten Charakter des Hebräischen in der Rahmenerzählung aufzeigt,32 während zuletzt von E.L. Greenstein zwar nicht das besondere Alter des Hebräischen der Dichtung, wohl aber ihr besonderer Charakter hervorgehoben worden ist.33 Allerdings befinden wir uns, was die Diachronie des Hebräischen betrifft, auf unsicherem Boden, wie der Versuch von I. Young, die Eigenheiten aufgrund von Dialektunterschieden und dem Einfluss des „Archaic Biblical Hebrew style“34 zu erklären, deutlich macht.35

4. Die Funktion des Rahmens Angeführt wird für die Einheitlichkeit des Buches Hiob und gegen eine Scheidung von Dichtung und Erzähltext, dass der Rahmen auf die Dichtung bezogen ist und dass der Dichtung ohne den Rahmen nötige Hintergrundinformationen zu fehlen scheinen. Doch ist zu beachten, dass das Hiobbuch erst durch den erzählerischen Rahmen zum Buch wird. Es wird im Ganzen von den wenigen Prosaversen bestimmt. Durch den Rahmen wird auch die Dichtung dem Leser zur „Lektüre“ präsentiert. Dazu bietet der Rahmen für die nachfolgenden Reden die Folie, er führt die Personen und das Problem ein. In der erzählten Handlung des Prologs wird die Dichtung als Dialog Hiobs mit den Freunden vorbereitet und auf die Dichtung bezieht sich die Handlung des Epilogs zurück. Die poetischen Abschnitte besitzen in Bezug auf den Rahmen den Status von direkten Reden und verbinden sich so formal mit den erzählerischen Abschnitten. Die Reden in der Dichtung sind trotz der bereits thematisierten grundsätzlichen Unterschiede zu den Reden im Rahmen der Erzählung fingiert mündliche Abschnitte. Ein längeres Stück direkter Rede kann es auch in einer Erzählung geben. 32

Vgl. Hurwitz, Date. Vgl. Greenstein, Features, 83 (Darstellung: 83ff). 34 Young, Diversity, 137. 35 Vgl. zur Sprache des Hiobbuches weiter Hoffman, Perfection, 176ff. Nach Hoffman kommen die sprachlichen Probleme insbesondere im Dialogteil aufgrund des Inhaltes zustande. Vgl. ebd., 203ff; weiter Greenstein, Language of Job, der u.a. die Aramaismen im Dienste der poetischen Funktion der Sprache des Hiobbuches sieht. 33

4. Die Funktion des Rahmens

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Entsprechend haben ja Psalmen oder andere poetische Stücke, die an anderen Stellen der Hebräischen Bibel in der Erzählung begegnen, die Funktion, das Gebet, die Klage oder dergleichen einer bestimmten Person zu repräsentieren. Ein poetischer Text ist dabei aber anders aufgebaut, und für ihn ist eine andere Funktion intendiert als für einen Erzähltext. Das zeigt sich in besonderer Weise in der Hiobdichtung, die – wie bereits erwähnt – nicht nur durch den Parallelismus, sondern auch durch viele Doppelzeilen geprägt ist. Was beim Leser den Eindruck einer Redundanz erweckt, steht in einem Zusammenhang zu der eigentlich intendierten Funktion der poetischen Struktur. Die Einschränkung eigentlich ist hier verwendet, da natürlich auch im Hiobbuch wie an anderen Stellen der Hebräischen Bibel grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass ein poetischer Zusammenhang als besonderer Bestandteil eines Prosatextes gestaltet worden ist. Doch ist im Hiobbuch der erhebliche Umfang zu beachten: Je größer ein in einem literarischen Zusammenhang enthaltener poetischer Textabschnitt ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er nur für diesen geschaffen worden ist. Denn der formkritische Unterschied zwischen dem Prosatext und dem poetischen Text hat Konsequenzen für die Rezeption, da für einen Erzähltext eine andere Weise der Rezeption intendiert sein dürfte als für einen poetischen Text. Der erhebliche Umfang des poetischen Abschnittes im Hiobbuch und das Faktum, dass es sich bei ihm (abgesehen von den dazwischen geschobenen ebenfalls poetischen Elihureden) um eine zusammenhängende Einheit handelt, die selbst bei den gliedernden Überschriften anders aufgebaut ist und eine andere Funktion hat als der erzählerische Rahmen, sind also bereits Hinweise darauf, dass das Hiobbuch nicht durch eine Abfassungshandlung (oder eine Folge von Redaktionen) entstanden ist, die sowohl Prosa als auch Dichtung umfasst. Für die Dichtung könnte stattdessen eine andere Funktion intendiert sein, während der erzählerische Rahmen in seiner Bezogenheit auf die Dichtung dann am ehesten zu verstehen wäre als eine sekundäre Umschließung der vorgegebenen Dichtung.

5. Die literarische Einbettung von nichterzählerischen Texten Es gibt in der Hebräischen Bibel nicht nur im Hiobbuch den Fall, dass poetische Texte in erzählerische Zusammenhänge eingebettet sind. Ähnliches findet sich auch in den Prophetenbüchern, die uns eine Mischung von erzählenden Passagen und Sammlungen von Prophetensprüchen präsentieren, wobei die erzählenden Passagen einen inhaltlichen bzw. biographischen Rahmen für die Sprüche bieten wollen und in der Regel gegenüber dem

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

Spruchgut als literarische Bildung gelten. Gleiches gilt für die Gebetsliteratur in der Hebräischen Bibel. Außer in den Sammlungen des Psalmenbuches mit dem sekundären Überschriftensystem36 finden sich auch eine ganze Reihe von Psalmen eingebettet in erzählerische Zusammenhänge.37 Hier ist genauso wie bei den Prophetensprüchen auffällig, dass die Psalmen, Gebete etc. in der literarischen Fiktion als direkte Reden oder Lieder im Munde Einzelner oder des Kollektivs erscheinen. Entsprechend sind inhaltliche Probleme zwischen dem Kontext und dem eingebetteten poetischen Stück spürbar, die darauf schließen lassen, dass ein Traditionselement in einem neuen Kontext verwendet wurde oder an den Kontext angepasst worden ist. Letztlich wird die nach ausführlicher Prüfung angestellte Schlussfolgerung von H.-P. Mathys, dass „die Stücke redaktionell in größere Werke [...] eingesetzt wurden“38, den Tatsachen entsprechen. Dem widerspricht nicht, dass an einigen Stellen auch eine weitere Literargeschichte der poetischen Texte im Zusammenhang ihrer Einbettung erkennbar ist.39 Ein gutes Beispiel für die Einfügung eines Psalms in einen Erzähltext liegt im Lied der Hanna in 1 Sam 2 vor. Der Unterschied zwischen Erzählung und poetischem Text wird hier in allen Untersuchungen des Liedes ernst genommen.40 Während die ältere Forschung sich noch um die Frage einer möglichen Authentizität des Liedes drehte,41 wird heute eher die Frage nach dem literarischen Verhältnis diskutiert.42 Der Psalm setzt „wie die Jugendgeschichte [...] den Inhalt der Samuelisbücher im wesentlichen voraus“43, was zwar inhaltlich nicht dagegen spricht, „daß dieser Psalm im Zusammenhang mit der Ausformung der Vorgeschichte entstanden zu denken ist“44, er aber wohl formal davon zu scheiden ist. Außerdem zeigt schon 36

Richard Simon hat seine These der sekundären Hinzufügung des Prosarahmens zur Hiobdichtung damit begründet, dass er den Rahmen mit der literarischen Form der Psalmenüberschriften verglich. Vgl. dazu Kuhl, Literarkritik, 194. 37 Vgl. Crenshaw, Job, 860, der dies als Argument für die Ursprünglichkeit der erzählerisch gerahmten Komposition des Hiobbuches ansieht. Dabei übersieht er das Problem des Umfangs der Dichtung im Hiobbuch. 38 Mathys, Dichter und Beter, 317; vgl. Seybold, Poetik, 35f („sekundär eingebettet“). Als Ursprung der Psalmen sieht z.B. Gerstenberger, Psalter, 12, den „Psalter [als] Sammlung von [...] Gebeten und Liedern aus unterschiedlichen Lebenssituationen“ an. 39 Vgl. das Beispiel 1 Sam 2, sein Verhältnis zu Ps 113 (dazu Dietrich, Samuel, 87 [Lit.]) und die auch in der LXX bezeugte Literargeschichte des Textes. 40 Vgl. zuletzt Dietrich, 1 Sam, 69. 41 Vgl. die Belege bei Stoebe, 1. Samuel, 106. 42 Vgl. den Überblick bei Becker-Spörl, Hanna, 157–159. 43 Stoebe, 1. Samuel, 107. 44 Stoebe, 1. Samuel, 107. Mathys ist der Ansicht, dass der Psalm als eine Art Kommentar zu den Samuelis-/Königebüchern verfasst worden ist. Vgl. Mathys, Dichter, 131ff. Zur

5. Die literarische Einbettung von nichterzählerischen Texten

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die Textüberlieferung, dass das Lied nicht fest im Kontext verankert ist,45 was dafür spricht, dass das Lied nachträglich in die Erzählung gelangt ist.46 Auffällig ist, dass in dem Lied das eigentliche kontextuelle Element, was zu erwarten wäre, nämlich die Geburt des Kindes, nicht erwähnt wird. Die hebräische Vorlage der LXX zu 1 Sam 2,9a          47 hat nun eine speziell zur Situation Hannas passende Formulierung an die Stelle des Gegenübers des Ergehens von Frommem und Frevler in MT gestellt.48 Das Lied hat also eine durch die LXX bezeugte weitere Anbindung an den Kontext erfahren, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass die Verbindung von Lied und Kontext schon in der Antike nicht als spannungsfrei angesehen wurde.49 Damit kann das Lied der Hanna als Beispiel dafür angeführt werden, dass ein ursprünglich unabhängiges – wohl auch von der Intention her nicht völlig passendes – poetisches Stück in einen Erzählzusammenhang eingefügt wurde, das dann eine Literargeschichte im Rahmen dieses literarischen Kontextes erfahren hat.50 Deutlich ist, dass wir auf ursprünglich eigenständige Texte mit einer eigenen Intention in der Hebräischen Bibel immer dann stoßen, wenn es sich um formkritisch abgeschlossene Zusammenhänge handelt. Daneben gibt es in der Hebräischen Bibel auch andere sekundäre erzählerische Rahmungen von älteren Traditionselementen. So ist eine solche Zurückweisung der These, dass der Psalm für den Kontext geschaffen worden ist, siehe Dietrich/Naumann, Samuelbücher, 13f. 45 Vgl. Tov, Different Editions, 151f; Dietrich/Naumann, Samuelbücher, 12 (Lit.). 46 Vgl. Reventlow, Gebet, 287–290 (mit ausführlicher inhaltlicher Begründung). Es hat danach weitere Veränderungen erfahren. Vgl. dazu Dietrich, 1 Sam, 75ff. 47 Dass dies in der Vorlage und nicht erst in der Übersetzung der Fall ist, wird durch 4Q51 bestätigt. Die hier vorgenommene Rückübersetzung wird größtenteils durch 4Q51 bestätigt. 48 Dass die hebräische Vorlage der LXX (LXX-V) gegenüber MT sekundär ist, ergibt sich formal aus der Stellung im Kontext. Vgl. Tov, Different Editions, 162. 49 Natürlich verwundert es, dass sich der direkte Verweis auf die Mutterschaft der Unfruchtbaren im verwandten Ps 113 (V. 9) findet, nicht aber in 1 Sam 2. Dies kann wohl nur mit einer getrennten Literargeschichte beider Psalmen, vielleicht bei traditionsgeschichtlich bestehender Bezogenheit auf den Stoff von 1 Sam 1ff erklärt werden. Die Übereinstimmungen und Abweichungen zeigen, dass der Psalm eine sehr komplexe Literargeschichte hat. 50 Bei anderen Liedern ist die Sachlage ähnlich: Beim Schilfmeerlied (wie beim Mirjamlied) hat man erwogen, dass es sich um einen Hymnus handelt, der seinen Ort in einem Bundesfestkult hatte. Vgl. z.B. Deissler, Psalmen, 17. In jedem Fall ist es deutlich, dass das Lied seine eigene Geschichte hat und unabhängig ist. Es handelt sich nicht um „narrative poetry indeed, none such exists in all the Bible“, sondern um „lyric poetry“ (Propp, Exodus, 553). Dabei setzt es die Kenntnis der Ereignisse aus Texten oder aus mündlichen Traditionen voraus.

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

Einbettung der Gesetzesmaterialen ein Grundcharakteristikum für die Tora. Auffällig ist, dass die Rahmung, bzw. Einbindung der Gesetzeskorpora in einen erzählerischen Zusammenhang die Aufgabe hat, die Gesetzeskorpora der Leserschaft zu präsentieren, ihre Einhaltung zu plausibilisieren und sie historisch zu legitimieren. Weiterhin ist auch bei den Gesetzeskorpora, aber auch bei Gebots-, Verbots- und Fluchreihungen etc. häufig eine sekundäre Literargeschichte nach der literarischen Einbindung nachweisbar. Das gleiche Phänomen liegt in den klassischen Schriftprophetenbüchern vor. Die aufgezeigten Beispiele machen deutlich, dass die Erklärung des Zusammenhangs von Prosa und Dichtung im Hiobbuch angesichts der bestehenden formalen und inhaltlichen Probleme als Ergebnis eines übergreifenden literarischen Aktes oder Prozesses im Horizont der Hebräischen Bibel eher als untypisch zu gelten hat. Interessanterweise gibt es zwei prominente Beispiele für außerbiblische Texte, die – ganz ähnlich dem Hiobbuch – über eine Rahmenhandlung verfügen, die man als sekundäre Rahmung eines zugrundeliegenden Textes identifiziert hat. Es handelt sich zunächst um die aus dem mittleren Reich stammende Prophezeiung des Neferti (PrN),51 die sich bis in die Ramessidenzeit großer Beliebtheit erfreute. Der Vergleich zum Hiobbuch führt zu interessanten Analogien. Wie das Hiobbuch vom Rahmen her als einheitliches Werk beabsichtigt ist, so ist auch PrN als Gesamtwerk gewollt, obwohl es sich dabei (wie im Hiobbuch) um ein Gegenüber zweier unterschiedlicher Textsorten mit unterschiedlichem Stil und Sprache handelt, was bei PrN aufgrund einer sekundären Rahmung des Textes der Weissagungen zustande gekommen ist.52 Diese hat ihr Vorbild in der „zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur“53 und dient wohl dazu, die Prophezeiung einem breiten Publikum zugänglich zu machen.54 Ganz ähnlich wie im Hiobbuch ist das Bestreben spürbar, eine konkrete Redesituation für die nachfolgenden Sprüche herzustellen und ebenfalls ganz ähnlich wie im Hiobbuch die Dichtung scheint PrN ohne ihre erzählerische Einführung, die inhaltlich zu den Weissagungen überleitet, unvollständig zu sein. Bei dem zweiten Beispiel handelt es sich um das seit der Spätantike weit verbreitete und mit einer Rahmengeschichte versehene Buch der Sprüche des Achiqar.55 Interessant ist beim Vergleich des ältesten Zeugnisses aus Ele51

Vgl. zur Einführung Kammerzell/Sternberg, Prophetien, TUAT II, 102f. Vgl. Blumenthal, Neferti, 21f. 53 Ebd., 19. 54 „Wahrscheinlich bestand ein Interesse daran, das Publikum zu erreichen, das Unterhaltungserzählungen las, und ihm unter dem Vorwand angenehmer Lektüre eine hochpolitische Schrift zu präsentieren“ (Blumenthal, Neferti, 22). 55 Vgl. zur Einführung Kottsieper, Achiqar, TUAT III, 320ff; Niehr, A¦iqar, 10ff. 52

5. Die literarische Einbettung von nichterzählerischen Texten

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phantine mit den jüngeren Zeugen, dass die Rahmenerzählung dort wesentlich kürzer gefasst ist. Während die jüngeren Zeugnisse keine literarhistorischen Entscheidungen zulassen, zeigt der ältere aramäische Text aus Elephantine „deutlich, daß die Sprüche erst später mit der Erzählung verbunden wurden“56. Dies lässt sich nicht zuletzt aufgrund des Sprachbeweises sichern. Denn während in den Sprüchen ein altaramäischer Dialekt vorliegt, ist die Rahmenerzählung im Reichsaramäischen verfasst.57 Für das Achiqarbuch lässt sich das Gleiche festhalten wie für PrN: Sein Rahmen läuft auf die Sprüche zu und konstruiert eine konkrete Redesituation. Auch wenn die genannten biblischen und außerbiblischen Phänomene der sekundären Rahmung von ursprünglich wohl eigenständigen Traditionselementen nur als Analogien zum Hiobbuch gelten können, 58 so zeigt das Gegenüber doch, dass u.a. der Versuch, anhand der Sprache oder Form die Eigenständigkeit der Hiobdichtung zu erweisen, sich methodisch auf dem richtigen Wege befunden hat, wenn dies auch aufgrund der differenzierten Einschätzung der Diachronie der Sprache des Hiobbuches – wie des Hebräischen überhaupt – einen Beweis nicht erbringen kann.59

6. Inhaltliche Probleme der Struktur des Hiobbuches Erste inhaltliche Beobachtungen unterstützen diese aus der formalen Struktur gewonnene Sicht. Die Erzählstruktur des Prologs erreicht – wie bereits festgestellt – ihren Höhepunkt und auch eine (scheinbar) suffiziente Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Übels,60 bevor dann in den langen Gesprächsgängen ein retardierender Abschnitt folgt, in dem das Problem des Leidens in völlig anderer Weise entfaltet wird. Der Rahmen scheint etwas vorwegzunehmen, was in der Dichtung erst nach langen Diskussionen 56

Kottsieper, Achiqar, TUAT III, 321. Vgl. ebd. Entsprechend ergibt sich für den Rahmen eine Abfassungszeit im 6. Jh. v. Chr. (vgl. ebd., 323), während die Sprüche selbst in das 8. oder 7. Jh. v.Chr. führen (vgl. ebd., 321). Zum Sprachunterschied und dem unterschiedlichen Sitz im Leben der beiden Teile siehe weiter Niehr, A¦iqar, 10ff. 58 Knauf, Hiobs Heimat, 78, denkt freilich an eine literarische Abhängigkeit von Achiqar, auch wenn er das Hiobbuch für einheitlich hält. 59 An dieser Stelle verdient es zusätzlicher Erwähnung, dass die beiden der Hiobdichtung am nächsten stehenden altorientalischen Texte Ludlul bel nemeqi und Babylonische Theodizee durchgängig poetisch stilisiert sind. Da sich die Vermutung einer literarischen Beziehung der beiden Texte zum Hiobbuch (vgl. dazu und zur inhaltlichen Ausrichtung Uehlinger, Hiob, 137ff), nicht verifizieren lässt (vgl. ebd., 162, und jetzt auch Schmid, Hiob als biblisches und antikes Buch, 61), hilft dies für die Frage nach der ursprünglichen Eigenständigkeit der Dichtung allerdings nicht weiter. 60 Vgl. Gese, Lehre, 71. 57

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Kap. 1: Vorüberlegungen zum Verhältnis von Rahmen und Dichtung

erreicht wird. In der Dichtung akzeptiert Hiob sein Geschick letztlich erst in Hi 42,1–6, nachdem er zuvor gegen es und damit gegen Gott rebelliert hat. Die Struktur führt im Buch also von der Akzeptanz (im Rahmen) über die Rebellion wieder zur Akzeptanz des Leidens.61 Die Aussprüche Hiobs in 1,21 und 2,10a bieten damit zusammenfassend das, woraufhin das Gesamtbuch erst hinausläuft. Eine Affinität zwischen 1,21 und 2,10a zu Hi 42,7b¹.8bº auf der einen und zu Hi 42,1–6 auf der anderen Seite ist hier unverkennbar. Doch an ihrer Stelle im Prolog wirken sie – nimmt man den Dialogteil und die Gottesreden hinzu – verfrüht. Hinzu kommt, dass nach 2,10 eigentlich keine Veränderung in der Situation des Leidenden mehr geschieht. Die Dichtung scheint angesichts dessen inhaltlich wie ein erratischer Block zu wirken, mit dem sich der Rahmen nur punktuell trifft. Hinzu kommen die klar erkennbaren Kohärenzprobleme an den Übergängen zwischen Dichtung und Prosarahmen.62 Zentral ist der Aspekt, dass Hiob in 2,10 sein Schicksal annimmt und den Tod ablehnt, sich aber ausgehend von Hi 3 im ersten Gesprächsgang den Tod wünscht. Hier ist noch einmal die Unausgewogenheit in der Textmenge zu bedenken. Diese wird auf der Ebene des Erzähltextes in 2,13 mit dem siebentägigen Schweigen der drei Freunde auszugleichen versucht, indem dem langen Redezusammenhang ein ‚gewaltiges‘ Schweigen vorangestellt wird. Der Nachweis ob das Hiobbuch ursprünglich als Einheit konzipiert war, oder ihm ein eigenständiges poetisches Werk vorangegangen ist, lässt sich nicht auf formalem Wege erbringen. Dafür ist das Buch insgesamt einer inhaltlichen Analyse zu unterziehen. Nach dieser dürfte sich aber eine Lösung formulieren lassen, die nicht nur die inhaltlichen, sondern auch die formalen Probleme erklärt und sich mit den parallelen Phänomenen im innerbiblischen und außerbiblischen Bereich ins Benehmen setzen lässt.

61 Engljähringer, Dynamik, 195, hat die These aufgestellt, dass eine Entwicklung spürbar sei, in der Hiob in der Dichtung zu seiner Haltung im Prolog geführt wird. Obwohl sie die Einheitsthese vertritt, dass Hiob am Ende der Dichtung „mit Gott und mit seiner schrecklichen Lage versöhnt ist, kann das den Übergang vom Prolog zur Dichtung nicht erklären. 62 Vgl. zusammenfassend Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 341f.

Kapitel 2

Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung 1. Vorbemerkung Die Vorüberlegungen zum formalen Gegenüber von Dichtung und Prosarahmen zeigen, dass deren Unterscheidung für die kompositionsgeschichtlichen Überlegungen im Hiobbuch nicht vernachlässigt werden darf. Außerdem deuten sich Kohärenzprobleme im Übergang zwischen Rahmenerzählung und Dichtung an, denen in der weiter gehenden Analyse der beiden Teile nachzugehen ist. Es legt sich aufgrund der vorangehenden Überlegungen nahe, zunächst die Dichtung als zusammenhängende Größe zu analysieren. So kann ihre Struktur erfasst und ihre eigene Intention bestimmt werden.1 Daneben soll die Frage geklärt werden, ob und wie sie als eigenständiger Zusammenhang betrachtet werden kann. Ist letzteres der Fall würde dies die Vermutung ihrer literarischen Unabhängigkeit von der Rahmenerzählung bestätigen. Bei der eigenständigen Analyse der Dichtung ist es aber dennoch erforderlich, die Rahmenerzählung im Blick zu behalten; ein Ziel der inhaltlichen Analyse ist das Ausfindigmachen von möglichen literarischen Bezügen der Dichtung zum Rahmen. Letztlich kann das Verhältnis der Dichtung zur Rahmenerzählung nur über die Zusammenhänge zwischen den beiden Größen bestimmt werden. Die in der Analyse der Dichtung ausgemachten Schnittstellen müssen im Anschluss an die Analyse der Rahmenerzählung weiter diskutiert werden, um die Richtung der Abhängigkeit zu klären.

2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale Der poetische Mittelteil des Hiobbuches umfasst Hi 3,2–42,6. Dieser wird üblicherweise untergliedert zunächst in den ersten Hauptteil (Hi 3–28). Daran schließen sich die sog. Herausforderungsreden Hiobs an (Hi 29–31). 1

Weiter gehende literarhistorische Fragen, die hinter die Dichtung als Einheit aus Dialog und Gottesreden zurückführen, können hier auf sich beruhen, da die Elihureden für die Endphase der Buchwerdung diese Einheit schon voraussetzen.

32

Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Der Abschnitt der Elihureden findet sich in den Kapiteln Hi 32–37. Beschlossen wird die Dichtung von den Gottesreden mit den zugehörigen Antworten Hiobs (Hi 38,1–42,6). Da die übergreifende formale Gestalt für die generelle literarhistorische Fragestellung des Verhältnisses von Dichtung und Prosa relevant ist, werden in makrostruktureller Hinsicht im Folgenden auch die Elihureden mit analysiert, obwohl ihre sekundäre Einbindung in dieser Arbeit vorausgesetzt werden kann. Noch einmal ausführlich diskutiert werden die Hi 32–37 betreffenden Aspekte der Struktur dann in dem Kapitel, in dem der Einbindung der Elihureden in das Hiobbuch und ihrer Bedeutung für die Literargeschichte des Hiobbuches nachgegangen wird.2 Die Dichtung ist durch kurze Redeeinleitungen vor den einzelnen Redeabschnitten und einer Schlussmarkierung in 31,40b strukturiert. Die unmittelbare Grenze zwischen Prosa und Dichtung wird jeweils durch Übergangsformulierungen hergestellt, die in 3,1f; 31,40b–32,6a in einem Zusammenhang mit den eigentlichen Redeeinleitungen bzw. der Schlussmarkierung stehen. Die Einleitungsformulierung in 42,7a bindet die nachfolgend erzählte Handlung inhaltlich an die vorangehenden Gottesreden. Hier fehlt die Verbindung mit einer formelhaften Überschrift oder Unterschrift, da danach der Erzähltext beginnt.3 Die überschriftartigen Redeeinleitungen haben eine unterschiedliche Form: Zunächst findet sich bei der Mehrzahl der Eröffnungen die folgende Grundform:  [ ]   . Diese wird durch verschiedene Elemente ergänzt. In den Freundesreden findet sich zusätzlich zum Namen des Sprechers durchgängig das Patronym4. Die erste Überschrift der Elihureden enthält zusätzlich die Nennung des Vaters. Alle Redeeinleitungen im Abschnitt der Gottesreden erwähnen außerdem den Adressaten der Rede (  ,   ). Die Gottesreden in 38,1; 40,6 enthalten zusätzlich die Adverbialbestimmung   . Diese Überschriften dienen zuallererst der Eröffnung eines nachfolgenden Redezusammenhanges. Je weniger Elemente in der Überschrift enthalten sind, desto mehr Informationen zur nachfolgenden Rede werden aus dem vorangehenden Text vorausgesetzt. Entsprechend wird in den Überschriften mehr oder weniger stark eine Beziehung zum vorangehenden Text hergestellt. Da es sich um Redeeinleitungen handelt, die formal einer Meta2

Siehe unten, 445ff. Vgl. dazu die Textanalyse von 42,7a unten, 285f. 4 Der Unterschied zwischen Gentilizium und Patronym ist fließend. Intendiert dürfte nach der Konzeption des Hiobbuches ein Vorvater sein. Letztlich fallen hier Volks- und Stammesbezeichnung und die Herleitung von einem Vorvater in eins. Im Folgenden wird der Einfachheit halber immer der Begriff „Patronym“ verwendet. Dass dieser nicht vollständig trifft, zeigt sich z.B. beim Gegenüber der Nennung des Vaters und des Patronyms bei Elihu in 32,2a.6a. 3

2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale

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ebene angehören, werden Bezüge zu Textbestandteilen hergestellt, die auf der gleichen literarischen Ebene stehen. Daneben begegnet als zweite Form der Redeeinleitungen []   . In den Hiobreden wird diese Form noch ergänzt durch die Infinitivkonstruktion  . In den Elihureden begegnet die Grundform. Dabei handelt es sich gegenüber der normalen Überschriftsform um eine Übergangsformulierung. Dies ist erkennbar am Gebrauch von  und an ihrer kontextuellen Stellung. Denn in 27,1 und 29,1 wird eine Hiobrede einleitet, die auf eine Hiobrede folgt. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Überschriften, aber auch die Formulierungen im Bereich des Erzähltextes, mit denen sie in einer Verbindung stehen, aufgenommen. Durch die Einrückung wird der Grad der Bezogenheit zu vorangehenden Überschriften (bzw. zum Erzähltext) ausgedrückt. Stelle Hi 3,1f

Hi 4,1 Hi 6,1 Hi 8,1 Hi 9,1 Hi 11,1 Hi 12,1 Hi 15,1 Hi 16,1 Hi 18,1 Hi 19,1 Hi 20,1 Hi 21,1 Hi 22,1

Funktion 3,1 Überleitung zwischen Erzähltext und Dichtung; 3,2 Überschrift äquivalent zu 4,1 etc., Hiob (1) Eliphas (1) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (2) – Zwischenüberschrift Dialog Bildad (1) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (3) – Zwischenüberschrift Dialog Zophar (1) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (4) – Zwischenüberschrift Dialog Eliphas (2) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (5) – Zwischenüberschrift Dialog Bildad (2) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (6) – Zwischenüberschrift Dialog Zophar (2) – Zwischenüberschrift Dialog Hiob (7) – Zwischenüberschrift Dialog Eliphas (3) – Zwischenüberschrift Dialog

Text                                

                                

                        

w

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Hiob (8) – Zwischenüberschrift      Dialog Hi 25,1 Bildad (3) – Zwischenüberschrift   

   Dialog Hi 26,1 Hiob (9) – Zwischenüberschrift      Dialog Hi 27,1 Überleitung Hiob (10)       Hi 29,1 Überleitung Hiob (11)       Hi 31,40b Schlussnotiz Dialog     Hi 32,1–5 Prosaeinführung der Elihureden =             Überleitung von 31,40b nach 32,6a [...]         Hi 32,6a Überschrift Elihureden           Hi 34,1 Zwischenüberschrift Elihureden       Hi 35,1 Zwischenüberschrift Elihureden      Hi 36,1 Überleitung      Hi 38,1 Überschrift Gottesrede I  5          Hi 40,1 Zwischenüberschrift in         Gottesrede I         Hi 40,3 Zwischenüberschrift Hiobs Erwiderung6 Hi 40,6 Überschrift Gottesrede II  7          Hi 42,1 Zwischenüberschrift Hiobs         Erwiderung (12) Hi 42,7ab¸ Überleitung zum Prosatext                      Hi 23,1

Der Abschnitt der Elihureden ist gegenüber den anderen Abschnitten in der Dichtung auffallend logisch strukturiert. An ihrem Anfang in Hi 32,6a steht die ausführliche Überschrift mit Patronym und eine genealogische Einordnung mit Nennung des Vaters. In 34,1 und 35,1 werden neue Reden eröffnet, während in 36,1 eine Fortsetzungsformulierung steht. Das Gegenüber von stärkeren Zäsuren und der Fortsetzungsformulierung verwundert, da sich ja die Reden Elihus nicht mit Reden eines Gegenübers, also Hiobs, abwechseln. Allerdings fordert Elihu Hiob in 33,32f explizit auf, ihm zu antworten, was die Zäsur in 34,1 erklärt und zugleich auch Licht auf jene in 35,1 wirft. Offensichtlich ist in ähnlicher Weise, wie die Elihureden im Aus5 So das Ketiv. Qere ist   . Die Ortsangabe unterscheidet sich von jener in Hi 40,6 dadurch leicht, dass dort die Determination fehlt. In der LXX besteht keine Parallelität der Überschriften. Sie enthält außerdem in 38,1 eine erzählerische Überleitung von der letzten Elihurede zur ersten Gottesrede. 6 Die Zählung der ersten Erwiderung Hiobs erfolgt aus inhaltlichen Gründen nicht. Formal müsste man 13 Hiobreden zählen. Da Hiob aber in Hi 20,4f ausdrücklich klarstellt, dass er seine Erwiderung einstellt und schweigen will, ist es sachgemäß, diese kurze Rede nicht zu zählen. Die oft monierte Kürze der Rede hängt unmittelbar mit ihrem Inhalt zusammen. 7 So das Ketiv. Qere ist hier   ; vgl. Anm. 5.

2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale

35

gang der Dialogdichtung ein Verstummen der Freunde Hiobs sehen, nun ein „Verstummen“ Hiobs intendiert. Die Form der Redeeinleitungen innerhalb des Elihuredenabschnittes scheint damit die Form der Hiobreden in der Dialogdichtung nachzuahmen.8 Alle Elihureden sind auf die ausführliche Eröffnungsformulierung bezogen. Eine solche liegt am Anfang des Dialogteils in Hi 3,2 für die Hiobreden aber nicht vor. Da dieser Vers durch 3,1 fest an den Prolog angebunden ist, haben die kurzen Überschriften der Hiobreden im Prolog als Gesamtgröße ihren Bezug. Die formale Struktur der Hiobreden hat damit anders als die Elihureden ihren Ausgangspunkt nicht in einem Teil der Dichtung, sondern paradoxer Weise im erzählerischen Rahmen.9 Gegenüber der Struktur der Elihureden ist außerdem auffällig, dass in den Freundesreden jeweils das Patronym genannt wird, obwohl in Hi 2,11 die drei Freunde vorgestellt wurden. Umgekehrt fehlt in den Redeeinleitungen der Hiobreden das Patronym, also eine geographisch-genealogische Zuordnung, obwohl im Rahmen eine solche nicht gegeben wird und Hiob dort ausschließlich mit seinem Namen bezeichnet wird.10 Dieses Problem wird von der Rahmenerzählung, auf die sich die Überschriften formal zurückbeziehen, hervorgerufen.11 Wenn man nun die Stelle (Hi 3,1f) in den Blick nimmt, auf die sich alle nachfolgenden Hiobreden zurückbeziehen, so zeigt sich in dieser einerseits eine Sonderform. Andererseits bestätigt sich, dass im kanonischen Hiobbuch der Prolog die Bezugsgröße des Überschriftensystems ist.12 Hi 3,2 hat darin allerdings exakt die sonst im ersten Teil der Dichtung übliche Form der Überschriften. Hi 3,1 konkurriert mit der eigentlichen Überschrift 3,2, da es sich um eine zusätzliche Redeeinleitung mit anderen Worten handelt. Außerdem bestehen Kohärenzprobleme.13 Denn 3,1 stellt einen expliziten Bezug zwischen der nachfolgenden Rede Hiobs und dem vorangehenden Text her,14 indem nun die in Hi 1f im Euphemismus  angespielte Wurzel 8

Schon darin zeigt sich ein Argument für die sekundäre Abfassung der Elihureden. Vgl. dazu ausführlich unten, 445ff. 9 Zu den literarhistorischen Konsequenzen dieses Gegenübers vgl. unten, 465ff. 10   ist die Angabe der Gegend, in der Hiob lebt. Vgl. dazu die Analyse der Rahmenerzählung unten, 223. 11 Der Rahmen bietet keine Auflösung der Identitätsfrage in Bezug auf Hiob, sondern lässt seine Identität bewusst im Unklaren. 12 Neben   , das eine klare Anknüpfungsfunktion hat (vgl. Course, Speech, 3), ist es anhand des Bezugs von  zu dem Euphemismus  offenkundig, dass mit Hi 3,1 eine inhaltliche Kontextualisierung mit dem Prolog intendiert ist. Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 108. Die Frage der Kontextualisierung kann vor einer inhaltlichen und formalen Analyse nicht suffizient geklärt werden. Siehe dazu unten, 392ff. 13 Vgl. dazu die Analyse von Kap. 3 unten, 38ff. 14 Vgl. Newsom, Job, 366.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

 in der Überschrift (V. 1) von 3,2ff erscheint. Signifikanterweise erscheint  weder innerhalb von 1f noch, wie nach 3,1 zu erwarten wäre, in 3,2ff.15 Der Dialogteil wird abgeschlossen mit der Schlussnotiz     (Hi 31,40b), die das Ende der vorangehenden Hiobreden oder den Abschluss des vorangehenden Dialogteils markiert.16 Die Prosaverse 32,1–5 knüpfen daran an und leiten zu der eigentlichen Eröffnung der Elihureden durch die Redeeinleitung 32,6a über.17 Bei Hi 32,1 ist dabei in einem doppelten Sinne eine vergleichbare Funktion wie bei 3,1 zu ermitteln. Hi 32,1 stellt eine Verbindung zwischen der vorangehenden und offenbar auch vorgegebenen Abschlussnotiz 31,40b und der weiter gehenden Hinführung (32,1–5) zu den Elihureden her.18 Die Verse 32,1–5 insgesamt leiten die Hauptüberschrift der Elihureden (32,6a) ein, auf die die Selbstvorstellung Elihus folgt. In 38,1; 40,6 finden wir die Überschrift  ()          . Der Unterschied zu den anderen Reden besteht in der ausdrücklichen Ausrichtung der Jhwh-Rede mit    auf Hiob. Außerdem findet sich die Ortsangabe   . Diese Angabe in 38,1 und 40,6 betont das Gewicht der beiden nachfolgenden Gottesreden gegenüber der untergeordneten Redeeinleitung 40,1 und den kurzen Hioberwiderungen. Sie stellt neben dem Rahmen die einzige kommentarartige Angabe über die Umstände der Reden in der Dichtung dar. Die Redeeinleitung (40,1)         leitet nur den Vers 40,2 ein und dürfte der Betonung desselben dienen.19 In 40,3 finden wir ein erstes Mal die Redeeinleitung         , die Hiobs Reaktion eröffnet, ein zweites Mal in 42,1. Die nachfolgende Redeeinleitung 42,7ab¸ unterscheidet sich formal von allen vorangehenden Einleitungen und steht bereits außerhalb der Dichtung. Es ergeben sich folgende Blöcke, die auf einer Ebene stehen: Der Dialogteil ist mit 3,1–31,40 ein zusammenhängender, formal abgeschlossener Ab15 Vgl. die Literarkritik von 2,11–3,2 unten, 335, und die Diskussion der literarischen Bezüge zwischen Rahmenerzählung und Dichtung unten, 359ff. 16 Dass die Formulierung darüber hinaus im Sinne eines Kolophons (wie z.B. bei der Prophezeiung des Neferti [Z. 70f, vgl. Kammerzell/Sternberg, Prophetien, TUAT II, 110]) das ursprüngliche Ende der Hiobdichtung nach Hi 31 markiert, ist nicht ausgeschlossen. So Newsom, Job, 555. Diese Fragestellung führt in die Vorgeschichte der Dichtung zurück, die in dieser Arbeit nur angerissen werden kann. Die Bezugnahme von 32,1–5 auf die Abschlussformulierung (siehe unten, 445ff) zeigt, dass die Formulierung keine späte redaktionelle Bildung ist. Gegen Fohrer, Hiob, 427 („... ist als redaktionelle Unterschrift zu streichen“). 17 Dem wird unten, 447ff, ausführlich nachgegangen. 18 Vgl. zu Hi 32,1ff ausführlich unten, 445ff. 19 Zur Problematik siehe unten, 193f.

2. Die Gliederung der Dichtung durch formale Gliederungsmerkmale

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schnitt. Die Elihureden sind durch 32,6a (und die vorangehende Prosaeinleitung) überschrieben und stellen einen weiteren Block dar. Sodann sind die beiden Gottesreden mit den Reaktionen Hiobs auf sie durch die identische Eröffnung formal gleich angeordnet und bilden somit eigenständige Blöcke. Durch ihre Parallelität und den inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Gottesreden auf der einen wie der Hiobantworten auf der anderen Seite bilden sie aber gleichzeitig eine Einheit als Gottesredenkomplex. Die Reaktionen Hiobs selbst werden zwar ähnlich wie die Gottesreden eröffnet, doch sind sie auf die jeweils vorangehende Gottesrede bezogen, während sich die Gottesreden auf Hiobs Äußerungen im Dialogteil beziehen müssen. Dies gilt auch für die zweite Gottesrede, da innerhalb der mit Hi 40,3 eingeleiteten Erwiderung gerade das Schweigen Hiobs auf die Gottesrede zum Ausdruck gebracht wird. Es ist also sachgemäß, die Hioberwiderungen in einer direkten Beziehung zu der jeweils vorangehenden Gottesrede zu sehen. Eingedenk der Tatsache, dass die Elihureden durch deren Prosaeinführung sekundär mit dem zugrundeliegenden Text verbunden worden sind,20 ergibt sich eine Dreiteilung des Textes aus Hi 3,2–31,40b; Hi 38,1–40,5 und Hi 40,6–42,6. Die beiden Gottesreden sind durch die formale Ergänzung um den Adressaten der Reden (  ) auf den Dialogteil mit der zugehörigen Herausforderungsrede bezogen. Dieser formale Rückbezug bestätigt, dass es sich bei den Elihureden um einen die Grundstruktur ergänzenden Bestandteil handelt.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils Ein poetischer Text ist nach anderen Prinzipien aufgebaut als ein Erzähltext. Er folgt nicht derselben erzählerischen Logik. Daher ist in einem poetischen Text weniger mit einem logischen thematischen Progress als mit einer assoziativen Verkettung der Teile zu rechnen.21 Für einen poetischen Text, der in dialogischer Form dargeboten wird, ist darüber hinaus zu erwarten, dass die inhaltliche Struktur des Textes durch den Gesprächsgang bestimmt wird. Jede Rede hat eine eigene inhaltliche Struktur;22 sie bleibt aber gleichwohl als Bestandteil des Dialoges auf die vorangehende(n) Äußerung(en) bezogen. Daher müssen bei der Analyse neben dem Redeverlauf 20 Die Elihureden setzen den unvollständigen dritten Gesprächsgang und damit den Dialogteil in der uns vorliegenden Form und die Gottesreden voraus. Vgl. dazu unten, 460. 21 Ein stärker semantisches Verfahren favorisiert Beuken, Imprecation, und stellt es für Hi 3–7 vor. Zur Abweisung der an syntaktischen Gegebenheiten orientierten Literarkritik für die Dichtung siehe ebd., 41f. 22 Aufgrund der Länge und der eigenen Struktur der Reden sieht Schökel, Manual, 170, sie nicht als echte Dialoge an.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

die kommunikativen Konnexionen im Blick behalten werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Konnexionen der direkten Rede. Die Reden sind explizit und implizit auf die Kommunikationspartner bezogen. Dabei wird neben dem Inhalt der Reden oft auf die Art der Kommunikation Bezug genommen.23 Andererseits gibt es eine Fülle von inhaltlichen Konnexionen zwischen den einzelnen Reden bei den Parteien und darüber hinaus (gegeneinander stehende Themen, gleiche Themen). Es sollen auch eventuelle Bezüge der Dialoge auf die Rahmenerzählung im Blick behalten werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung ist J.E. Course gegangen, indem er die nach seiner Einschätzung eröffnenden Verse der einzelnen Reden mit dem jeweils vorangehenden Kontext in eine Beziehung gebracht hat.24 Freilich arbeitet Course primär lexematisch. Da aber die Bezüge zwischen den Reden im Dialogteil anders als der Bezug der Elihureden auf die ihnen zugrundeliegende Dichtung weniger an konkreten Formulierungen als an den Themen und Inhalten (bzw. z.T. vermeintlichen Inhalten) haften und hier wohl auch bewusst eine Dissonanz zwischen den Dialogpartnern intendiert ist, was man allein schon an dem sich zuspitzenden Ton sehen kann, ist die Konkordanzmethode allein für die Analyse inadäquat. a) Hi 3 – Hiobs erste Rede Weil Hi 3 scheinbar aus der Struktur der Dialogdichtung herausfällt und keine Anrede enthält, wurde vermutet, dass diese Rede kein eigentlicher Bestandteil der Dialogdichtung ist.25 Ein Außerachtlassen von Kapitel 3 aus dem Zusammenhang der Dialogdichtung ist aber nicht möglich, da zumindest in der ersten Rede des Eliphas ein deutlicher Bezug zu einer vorangehenden Hiobrede vorliegt.26 Die starke Bezogenheit auf die Herausforderungsreden Hi 29–31 und die Gottesreden27 zeigt weiter, dass Hi 3 als Eröffnungsabschnitt der Dichtung eine übergreifende Funktion hat. Daher 23 Die inhaltliche Analyse folgt der Leserichtung. Am Ende der Analyse jeder einzelnen Rede werden deren Argumentationsstruktur und die Konnexionen zu den vorangehenden Abschnitten rekapituliert. 24 Vgl. zur Methode Course, Speech, 16. Doch die formale Abgrenzung von Eröffnungsversen erscheint formal als problematisch, da dadurch wesentliche Konnexionen wie z.B. jene zwischen Hi 8,5 und 9,15 außer Acht gelassen werden, aber auch die Funktion der Eröffnung innerhalb der Struktur der Reden selbst nicht ausreichend berücksichtigt wird. 25 Vgl. die ausführliche Zurückweisung dieser Thesen durch Köhlmoos, Auge Gottes, 144f (Lit.). 26 Nach Köhlmoos, Auge Gottes, 145, verhält es sich bei einer Ausklammerung von Hi 3 so, dass „dann nicht deutlich wird, wie sich Hi 4f zu Hi 3 verhält“. 27 Vgl. Keel, Entgegnung, 54(.125.156).

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 3

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ist es sachgemäß, in Hi 3 nicht nur den Auftakt zur gesamten Dialogdichtung28 zu sehen, sondern die erste Rede Hiobs „hat ihr eigentliches Gegenstück in den Gottesreden“29. Die Eigenheit des Kapitels, dass es keine Anrede enthält, ergibt sich aus der Anfangsstellung. Hiob steht als erster Sprecher am Anfang der Dichtung, so dass eine Anrede der Freunde nicht notwendig ist. Die fehlende Anrede Gottes stellt kein Problem dar, da auch in Hiobs späteren Reden eine solche oft fehlt, wobei die Implikationen dessen im Folgenden noch zu diskutieren sind. Die Einleitung der ersten Hiobrede weist gegenüber den nachfolgenden Reden eine Sonderform auf. Bei der Sichtung der formalen Struktur der Hiobdichtung konnte dazu bereits festgestellt werden, dass Hi 3,1 eine inhaltliche Zusammenfassung von Kapitel 3 anstrebt.30 Hi 3,2 stellt exakt die Eröffnung dar, die in der Struktur der anderen Eröffnungen der Hiobreden im Dialogteil wiederholt anzutreffen ist. 31 Da die Formulierung und in ihr das Verb  in Hi 3,2 aber am Anfang aller Hiobreden steht, scheint sie nicht in der gleichen Bedeutung vorzuliegen wie in den anderen Redeeröffnungen.32 Da   ausgenommen Hi 3,2 jeweils die Reaktion auf eine vorangehende Rede einleitet, legt sich dort die Bedeutung „antworten“ nahe. Doch das kann synchron betrachtet in 3,2 nicht der Fall sein.33 Dieses Problem ist besonders auffällig, wenn man die V. 3,1f im Zusammenhang betrachtet. Die Formulierung         in Hi 3,1¸ impliziert, dass Hiob vorher geschwiegen hat. Der Gebrauch von  in Hi 3,2 kann sich also eigentlich nicht auf die vorangehende Rede eines Dialogpartners beziehen.34 Hier bietet der Blick auf die formale Struktur der Elihureden einen Ansatz zum Verständnis. Denn bei diesen handelt es sich um einen Neueinsatz in der Kommunikation mit Hiob. Dennoch findet sich in Hi 32,6a die Eröffnung mit   . Allerdings ist die Semantik von   im Hiobbuch noch nicht vollständig erfasst, wenn man es einfach als eine Formulierung ansieht, die eben die Eröffnung einer Rede anzeigen soll.35 Dagegen spricht die große Bedeutung, die dem Verb innerhalb der Hiobdichtung, aber auch in den Elihureden gegeben wird. Innerhalb von Hi 32,1–5 werden Elihus Reden dreimal damit begründet, dass die vorherigen Gesprächspartner Hiobs keine Erwiderung gefunden hatten ( ,  ).36 Interessant ist in dieser Hinsicht die Formulierung in Hi 32,12         („keinen gab es, der Hiob zurechtwies, der von euch antwortete auf seine Reden“). Der Erwiderungscharakter bestimmt den Gebrauch des Verbs in den Reden. Denn in der Reflexion der Elihureden über die vorangehende Dialogdichtung (32,12.15–17; vgl. 32,1–5), aber auch bei der von Hiob erhofften Auseinandersetzung mit Gott 28

So Köhlmoos, Auge Gottes, 145. Hermisson, Notizen, 126. 30 Siehe oben, 35f. 31 Zur formalen Struktur in der Dichtung siehe oben, 31ff; zur Literarkritik von 2,11–3,1 siehe unten, 333ff. 32 Das semantische Problem resümiert z.B. auch Fohrer, Hiob, 109. Er verweist auf ugaritische Texte, in denen eine ähnliche Phrase als Redeeinleitung begegnet. 33 Nach Guillaume, Studies, 78, handelt es sich um „his response to his misery“. 34 Als Problem wird dies von Course, Speech, 3, hervorgehoben: „Yet the second verse, ‚And Job answered and said,‘ is curious, for it is written in 2:13 that no one spoke to Job.“ 35 Vgl. Gordis, Job, 32. 36 Vgl. unten, 445ff. 29

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

(9,3.14–16.32; 12,4; 13,22; 14,15; 19,7; 23,5) und darüber hinaus allgemein bei der Auseinandersetzung Hiobs mit den Freunden (16,3; 19,16) sowie der Freunde mit Hiob (11,2; 15,2.6; 20,3) ist für den Gebrauch des Verbs immer ein Kommunikationszusammenhang im Blick, und es muss daher dort die Bedeutung „erwidern“ vorausgesetzt werden.37 Von daher kann man keinen völlig anderen Gebrauch des Verbs in den Redeeinleitungen annehmen. Formal ist in die Überlegungen zum Gebrauch von   im Hiobbuch einzubeziehen, dass es neben  in Hi 27,1; 29,1; 34,1; 35,1 noch die Eröffnung eines Redeabschnittes unter Gebrauch von  (Hif.) gibt. Hier wird formal die jeweils vorangehende Rede fortgesetzt; es handelt sich um eine Fortsetzungsformulierung. Da   aber auch die Reden des Elihu strukturiert, obwohl Hiob – trotzdem er aufgefordert ist, auf Elihus Reden zu antworten (   ) – auf sie schweigt, handelt es sich offenbar um eine formelhafte Wendung für die vorgestellte Kommunikation zwischen Hiob und seinen Gesprächspartnern. Diese beinhaltet semantisch durchaus ihren Erwiderungscharakter, muss aber aufgrund der Formelhaftigkeit nicht im direkten Kontext auf eine vorangehende Rede Bezug nehmen. Die Formel  ...   zeigt die Eröffnung der Streitrede an, und es handelt sich bei ihr wohl auch um ein das Hiobbuch übergreifendes Formelement.38

Der Exkurs zum Gebrauch von  im Hiobbuch zeigt, dass man kein semantisches Problem in der Abfolge des schweigenden Verharrens (Hi 2,13), der Tatsache, dass Hiob nach dem Schweigen die Rede eröffnet (Hi 3,1), und dem Gebrauch von  in der Überschrift Hi 3,2 sehen muss. Es besteht jedoch ein inhaltliches Problem zwischen der überschriftartigen Formulierung (3,1) und dem Inhalt des überschriebenen Abschnittes: Hier umkreist der erste Abschnitt (V. 3–10) das Thema von Geburt und Zeugung. In den V. 4f wird der Geburtstag –   bezieht sich auf den vorangehenden Vers zurück – mit schöpfungstheologischen Bildern in Zusammenhang gebracht.39 Seinem Tag wünschte Hiob, er möge anders als der erste Schöpfungstag im Chaos versinken.40 Im Fortgang findet sich in V. 8 nach den Verwünschungen des Tages der Geburt und der Nacht der Zeugung die Formulierung     „Es sollen ihn41 verfluchen, die Verflucher ei-

37 Eventuell könnte man in Hi 16,8 eine andere Bedeutung von  vermuten. Doch handelt es sich hier um eine gerichtliche Redewendung mit der Bedeutung „testify against me“ (Gordis, Job, 176), weswegen indirekt ebenfalls ein Kommunikationszusammenhang vorausgesetzt ist. 38 Dies gilt auch dann, wenn  ...   in der Hebräischen Bibel in der Regel direkte Reaktionen eröffnet (vgl. z.B. Gen 18,27; 27,37.39; 31,31.36.43; Ex 4,1; Num 22,18; 23,12.26; Jos 24,16 u.ö.). Denn innerhalb des Hiobbuches ist offenbar aufgrund des häufigen Gebrauchs eine weitergehende Funktion intendiert. 39 Vgl. z.B. Groß, Ijob, 19. 40 Vgl. dazu Fuchs, Mythos, 65–69. 41 Das Suff. 3. Sg. mask. kann sich konsequenterweise nur auf Tag und Nacht als eine Einheit beziehen. Wenn man    ohne Konjektur liest, dann ist das nicht anders möglich.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 3

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nes Tages“. Dabei wird , ein seltenes Synonym42 von , und die ebenfalls dazu synonyme Wurzel  verwendet. Die Wahl des Verbs  hängt mit dem Parallelismus zusammen. Denn    steht ja der Formulierung      gegenüber, und man wollte wohl eine lautliche Verbindung der beiden Halbverse herstellen. Bei dem Wortgebrauch ist verwunderlich, dass in 3,3ff lediglich Synonyme des in der Überschrift (in 3,1 auf der Erzählebene) verwendeten  erscheinen. Inhaltlich ergibt sich zwischen 3,1 und 3,8 ein Widerspruch: Denn andere werden von Hiob aufgefordert, den Tag zu verfluchen. Das bedeutet, dass der Sprecher selbst sich nicht für fähig hält, eine wirksame Verwünschung gegen „seinen Tag“ zu richten.43 Hiob wendet sich dabei in Rückgriff auf mythologische Konzepte wohl an die „‚Wächter‘ des Chaosungeheuers“.44 Klar ist dadurch, dass mit den    und   kein Mensch, aber trotz der Rezeption der Mythologie auch nicht Gott direkt angesprochen ist.45 Von hier aus betrachtet lassen sich die Imperfekte in den Formulierungen in 3,3–7 nicht als wirkli42

Es kommt in Num 22–24 mehrfach eindeutig im Sinne von „fluchen“ vor. Es scheint aus diesem Grunde nicht sinnvoll zu sein, gar von einer „Gattung der Selbstverfluchung“ zu sprechen. Gegen Westermann, Aufbau, 59. Von den Parallelstellen her argumentiert Newsom, Job, 366: „In antiquity curses and blessings were understood to be acts that had real effect under the proper conditions. Although some interpreters assume that Job is attempting an effective curse, other references in the Bible to cursing the day of one’s birth suggest that it is a rhetorical gesture. Most obviously, it is a highly charged way of expressing the wish that one had never bee born (Sir 23:14[19]).“ 44 Fuchs, Mythos, 67. Fohrer, Hiob, 118f, dachte noch an Zauberer. In Anlehnung an Fishbane, Jeremiah iv, 153–155, sieht Hartley, Job, 101f, eine Bezugnahme auf Gen 1,1–2,4. Es handle sich um eine „counter-cosmic incantation designed to reverse the stages of the creation of the day of his birth, which were thought to be essentially the same as the stages of the seven-day creation of the world“ (ebd., 101f). Inhaltlich lässt sich jedoch im Blick auf das gesamte Kapitel Hi 3 die Existenz eines solchen Ritualtextes nicht verifzieren. Eine rückwirkende Verwünschung würde auch nicht dazu führen, dass Hiob nicht mehr existiert, wie Hartley, Job, 102, annimmt: „If this curse were effective, Job would have ceased to exist.“ Bei der Annahme der literarischen Beziehung zu Gen 1 ist ebenfalls Vorsicht geboten. Die deutlich stärkere Rezeption von mythologischen Konzepten in Hi 3 spricht eher dafür, dass Gen 1f und Hi 3 vor einem gemeinsamen mythologischen Hintergrund entstanden sind (gegen Hartley, ebd.). Konkrete Bezüge fehlen jedoch. 45 Die Konjektur von   zu  erscheint hier nicht unbedingt notwendig, da im größeren Kontext   durchaus sinnvoll ist. Außerdem kommt   in Kap. 3 bezogen auf Hiob mehrfach vor und die LXX setzt es in 3,8 auch schon voraus. Entscheidend ist, dass in 3,1 mit     in dieser Weise auf 3,8 Bezug genommen ist. Die direkte Verbindung zu dem -Mythos könnte schon von Anfang an durch den Gebrauch von   aufgegeben worden sein, um den Passus dem Kontext anzupassen. Vgl. Grabbe, Philology, 36. Bei den intendierten Adressaten des Textes wird dabei aber durchaus ein Bezug auf  und den dahinter stehenden Mythos im Blick gewesen sein, was Hi 7,12 und andere Stellen beweisen. Vgl. zur Diskussion Fuchs, Mythos, 66. 43

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

cher Fluch auffassen.46 Es handelt sich modal um irreale Formulierungen und damit um extreme Formulierungen der Klage.47 Damit zeigt sich eine erklärungsbedürftige Diskrepanz zwischen der überschriftartigen Formulierung     , die nach Hi 1f auf ein regelrechtes Verfluchen „seines Tages“ durch Hiob weist, und der inhaltlichen Ausrichtung von Hi 3,3ff.48 Der Gebrauch des Lexems  in 3,1 steht mit dem Thema der beiden Prologkapitel in einer Verbindung. Hier ist die euphemistische Verwendung von  (Hi 1,4.11; 2,5.9) immer auf diese Wurzel bezogen. Diese enge Kontextbindung des prosaischen Eröffnungsverses zum vorangehenden Prosatext und die Diskrepanz zwischen dem Vers und der nachfolgenden Klage zeigt, dass der Vers, der fest mit dem vorangehenden Text verbunden ist, eine inhaltliche Bewertung von 3,3ff bewirken soll. Literarhistorisch könnte dies dafür sprechen, dass die Klage Hi 3,2ff vom Rahmen her als Selbstverfluchung aufgefasst werden soll. Hi 3,1 scheint dabei 3,2ff an die narrative Struktur des Prologs anzubinden. Eine leichte Diskrepanz besteht dabei zu der Grundhaltung Hiobs, die in Kap. 1 und Kap. 2 jeweils Zielpunkt der Ereignisse ist: Denn Hiob nimmt dort Gutes und Böses von Gott widerspruchslos hin, während in 3,1 von dem Verfluchen seines Tages die Rede ist. Diese Diskrepanz ist ein Hinweis darauf, dass an dieser Stelle im Text ein literargeschichtlich auszuwertendes Kohärenzproblem vorliegt. Zieht man die formale Besonderheit von Hi 3,1f gegenüber allen anderen Überschriften der Reden im Dialogteil in Betracht, so erweist sich der Übergang zwischen 3,1 und 3,2 als die 46 Vgl. Maag, Hiob, 102, der von irrealen Wunschsätzen spricht, wenngleich diese s.E. auf „einen wirklichen Existenzverlust der beiden Zeiträume von Zeugung und Geburt“ (ebd.) zielen. Vette, Hiobs Fluch, 235, spricht von einem Fluchantrag. S.E. bildet Kap. 3 mit Kap. 41 eine Klammer um die Hiobdichtung. Der Sinn dieser Inklusion besteht s.E. darin, „dass die Gottesrede verdeutlichen will, dass Hiob niemanden finden wird, der in der Lage ist, seinen Fluchantrag anzunehmen“ (ebd.). 47 Nach Westermann, Aufbau, 32, ist der Abschnitt formal an die Gattung der Feindklage angelehnt („der Tag der Geburt ist der vorgeschobene Feind“). Inhaltlich wird daraus aber keine Verfluchung des Tages der Geburt. Von der Selbstverfluchung als einer „Sonderform der Klage“ spricht Horst, Hiob, 42. Darauf, dass es sich (weil auf die Vergangenheit bezogen) nicht um ein echtes Verwünschen handeln kann, weist schon Torczyner, Hiob, 3, hin („Soweit der Fluch den Tag der Geburt und diese selbst betrifft, kann das Fortwünschen freilich nur ein irreales sein; die hebr. Imperfecta  etc. V. 3ff, können wie  ‚wär’ ich doch gestorben‘,   ‚wär’ ich geführt worden‘ 10, 18f etc. zeigen, in der Tat den irrealen Wunsch für die Vergangenheit bezeichnen.“). 48 Blank, Curse, 82, sieht „a long way removed from its source, the curse formula“. Doch ist dies eben nicht als formale Diskrepanz, sondern als Ergebnis der inhaltlichen Ausrichtung der Verse zu verstehen. Inhaltlich liegt kein Fluch vor, was z.B. auch die weite Auslegung von Pope, Job, 28, berücksichtigt: „The curse is not simply against his birthday as such, but against a life now so embittered that he wishes it had never begun.“ Siehe auch unten zur Literarkritik von Hi 3,1ff, 335ff.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 3

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Trennlinie. In 3,2 hätten wir also noch die ursprüngliche Eröffnung der Hiobrede von Kap. 3 (Hi 3,3ff) vorliegen. Inhaltlich bedeutet dieser Übergang, dass die Thematik des Prologs auf den Dialogteil zuläuft. Da sich beides aber über 3,1 hinweg nicht zu einer vollständig stringenten Kohärenzlinie verbindet, dürfte der Prolog die Eröffnung des Dialogteils in 3,2ff literarisch voraussetzen, nicht aber umgekehrt. Bei der Gliederung von Kapitel 3 wird häufig eine Dreiteilung versucht, die man an den beiden „Warum-Fragen“ in Hi 3,11.20 festmacht.49 Dies lässt sich inhaltlich nachvollziehen, wenngleich sich dabei keine ‚gleichwertigen‘ Abschnitte ergeben. Nach 3,3–10, der Klage über die eigene Existenz, entfalten die V. 11–19 Hiobs Todeswunsch. Schon in V. 14f ist dessen Generalisierung spürbar, da hier die gewünschte Todesruhe mit der Ruhe anderer – der Könige und Minister50 – zusammengebracht wird. Der Hinweis auf deren Grabmonumente,51 wird wohl (in Blick auf V. 17) als Ausdruck der Ruhe der genannten Personen im Tod verstanden.52 V. 16 geht wohl im Kontrast dazu auf die Totgeburt von Kindern und deren Beisetzung ein. In V. 17 folgt im Parallelismus eine Charakterisierung des Todes. Der Zorn der Frevler ist dort zu Ende, und die Matten finden Ruhe. Diese Charakterisierung setzt sich in V. 18f mit der Thematisierung der Gefangenen und der Sklaven fort. V. 20 greift mit der neuerlichen Warum-Frage auf den vorangehenden Redegang zurück und fragt danach, welchen Sinn dieses beklagenswerte Leben hat. Die V. 21f hängen sich als Partizipialkonstruktionen an   und bieten damit verwandte Aussagen. Die Freude über den Tod (V. 22) schlägt eine Brücke zurück zu dem vorangehenden Abschnitt, wo der Tod grundsätzlich als Ende von Not und Bedrückung beschrieben wird. Aber auch V. 23 greift die Charakterisierung solcher Menschen, inhaltlich eingeleitet mit dem Nomen , auf. Dies bildet einen erneuten Übergang zu einer Ich-Klage, die in V. 24f in -Sätzen erscheint. V. 26 schließt die Klage mit einer Reihe von vier Verbformen ab. Es stehen drei verneinte Perfektformen 49 Vgl. z.B. Fohrer, Hiob, 112f; Westermann, Aufbau, 31; Hartley, Job, 88; Ebach, Hiob I, 52f. 50 Mit    dürften hohe Regierungsbeamte gemeint sein. Vgl. Horst, Hiob, 51. Zu den lexematischen Problemen des Verses vgl. Pope, Job, 31f. 51 Vgl. Ebach, Hiob I, 52. 52 Die besondere Erwähnung dürfte einen Zusammenhang mit bestimmten Aspekten der Ahnenverehrung voraussetzen, die hier aber nicht expliziert wird. Vgl. dazu Fohrer, Hiob, 122, der auf das Harfnerlied als Parallele hinweist. Nach Ebach weist der Vers von der Bedeutung  „wüst“ aus darauf, dass die Grabmäler „längst zerfallen [sind]“, „nichts blieb von ihrem Glanz; nach dem Tode sind alle gleich“ (Ebach, Hiob I, 53), doch verweist der Zusammenhang auf die herausgehobene Ruhe der Honoratioren, nicht auf den Mangel an Bleibendem.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

und ein waw-Imperfekt nebeneinander: „Nicht habe ich Ruhe gefunden“53 bedeutet, dass der Klagende sich in Unruhe befindet. Das sich anschließende   zeigt mit  „Erregung, Aufregung, Toben“54 demgegenüber an, dass für den Klagenden kein Endzustand erreicht ist, sondern er von weiterem Unglück getroffen wird. Die Formulierung macht deutlich, dass der Klagende von einem Toben, einer Aufregung heimgesucht wird.55 Der inhaltliche Überblick über Hi 3,2–26 zeigt, dass eine strenge Dreiteilung des Abschnittes aufgrund formaler Kriterien sich vom Inhalt her nicht exakt nachvollziehen lässt; eher besteht zwischen den Unterabschnitten eine enge Verzahnung. Hi 3 ist eine tiefe „Klage“ über die leidvolle Existenz, die in Wunsch und Preis des Todes als Ausweg mündet. 56 Als solche stellt das Kapitel die Äußerung einer tiefen aussichtslosen Verzweiflung dar. Auffällig ist, dass nach der Feststellung der nur von 3,1 hergestellten Kontextbindung zum Prolog in Kapitel 3 selbst eine solche vollständig zu fehlen scheint. Zwar finden sich in dem Kapitel eine Reihe von Elementen, die auch in Klagepsalmen anzutreffen sind, doch gerade die Dominanz der Warumfragen und das Fehlen einer Anrede Gottes57 zeigen die eigentliche Stoßrichtung des Kapitels. Der Sprecher sieht sich als so verlassen an, dass er die Gottheit, die allein kausal im Hintergrund des beklagten Zustandes stehen kann, nicht direkt anspricht.58 Gerade dies aber steht in einem diametralen Widerspruch zu der Haltung, in der Hiob in Hi 1f gezeichnet wird, wo er sich ja ausdrücklich mit dem ihn treffenden Leid abfindet und gleichzeitig ein Ja zu seiner als von Gott herkommend verstandenen leidvollen Existenz spricht.59 Auf der anderen Seite entfernt sich das Gesamtkapitel Hi 3 von dem in der Überschrift 3,1¹ vorgegebenen Ausgangspunkt     .60 Die Klage thematisiert immer wieder die Hoffnung auf ein Ende der leidvollen  ,  und  sind Synonyme. Vgl. Stolz, , THAT II, 44. Vgl. HAL, 1104. 55 Dies ergibt sich daraus, dass in 3,17  für das Handeln der Frevler steht. Daher kann es in 3,26 nicht unkommentiert für eine Erregung des Klagenden stehen. In diesem Sinne legt Fohrer, Hiob, 126, die Formulierung aus. 56 Vgl. die Interpretation von Pope, Job, 28 (Zitat oben, Anm. 48). 57 Nach Gunkel, Einleitung, 218, ist die an Gott gerichtete Bitte eigentliches Herzstück der Gattung des Klageliedes. Wenn dem so ist, dann kommt dem Fehlen der Anrede wie auch den in den Raum gestellten Warumfragen ein besonderer Verweischarakter zu. 58 Vgl. Fuchs, Mythos, 67. 59 Zwar findet sich auch im Prolog keine explizite Anrede Gottes, doch wird in Hi 1,21b ein Element aus einem Psalm zitiert, was die Hiobrede als Gebet charakterisiert. Vgl. unten, 255. 60 Horst, Hiob, 38f, ist der Ansicht, dass sich Überschrift und nachfolgender Text entsprechen. S.E. seien die Äußerungen Hiobs „nach ihrer literarischen Art als ‚Selbstverwünschung‘ zu bezeichnen“ (ebd., 39). 53

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3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 3

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Existenz. Der Akzent liegt auf dem Todeswunsch. Dieser verbindet die verschiedenen Abschnitte von Kap. 3, doch an keiner Stelle lässt er sich mit der Überschrift verbinden und als Fluch auffassen. Der Todeswunsch selbst stellt dabei ein Thema dar, das nach Hi 2,9b.10 eigentlich ausgeschlossen zu sein scheint. Zwar trifft sich Hi 3 mit dem Prolog inhaltlich darin, dass hier wie dort Gott für die leidvolle Existenz verantwortlich gemacht wird, aber in Hi 3 keine Rede von Sünde und Gottesfurcht ist; die Gottesbeziehung, die im Prolog ausdrücklich erhalten wird, wird in Hi 3 nicht problematisiert. Sie wird nicht einmal angesprochen. Den Tod, der in Hi 2,10 als Alternative zur Gottesbeziehung und Konsequenz ihrer Beendigung kategorisch abgelehnt wird,61 entfaltet Kap. 3 breit, was ein Kohärenzproblem im Zusammenhang von Kap. 2 darstellt. Inhaltlich dürfte der Todeswunsch für die Durchbrechung der Klageform des Kapitels verantwortlich sein.62 Indirekt ist die Klage dabei thematisch dennoch an Gott gerichtet: auf ihn als den eigentlichen Verantwortlichen, der als hinter dem Leben stehend gesehen wird. Dass Gott aber nicht direkt angesprochen wird, ist Ausdruck für die aus der Perspektive des Sprechers in Hi 3 gestörte Gottesbeziehung.63 Für die inhaltliche Beziehung zum Prolog sind daneben noch die abschließenden V. 24–26 von Relevanz. In ihnen wird auf ein Leiden Hiobs angespielt. Es geht um das Stöhnen angesichts von Schmerzen, freilich um Schmerzen (  ), die der Klagende beim Essen hat (V. 24).64 Dies fügt sich nicht mit dem im Prolog vorausgesetzten Aussatz. Weiterhin wird von dem Eintreffen von Befürchtungen (V. 25) und von einer schnellen Aufeinanderfolge von Unheil (V. 26) gesprochen, ohne dass dies genauer ausgeführt wird und ohne dass sich hier Verbindungen zum Prolog auftun. Die Hiobdichtung setzt mit der Infragestellung der eigenen Existenz durch den Leidenden ein, die bis an den Rand einer Verwünschung des Tages der Geburt geht. Hiob wünscht sich „in das Dunkel vor der Schöpfung zurück“,65 da die Welt in seiner Sicht vom Chaos bestimmt ist. Die eigene Existenz wird als dem Fluch unterworfen verstanden, daher wünscht sich Hiob eine vollständige Negierung seiner Existenz. Dabei gleitet der Text 61

Vgl. dazu in der Analyse des Prologs unten, 267f. Ebach, Hiob I, 49, resümiert das Fehlen der Anrede Gottes: „So schreit Hiobs ‚Warum?‘ hier noch ins Leere.“ Westermann spricht vom „Schmerzensschrei“ Hiobs (Westermann, Aufbau, 53). 63 Fuchs, Mythos, 67, formuliert, es sei der „Ausdruck von Hiobs Gottesferne“. 64 Fohrer, Hiob, 126, überlegt, ob im Hintergrund die Metaphorik der „Tränenspeise“ in den Psalmen (er verweist auf Ps 42,4; 80,6; 102,10) steht, meint aber, dass im Kontext nicht die Tränen, sondern „Hiobs Stöhnen und Schreien“ im Blick sind. 65 Keel, Entgegnung, 54 („Rückkehr ins Ungeschaffene“); vgl. Fuchs, Mythos, 68. 62

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

nicht in einen durch das Leid hervorgerufenen Defätismus ab. Stattdessen sieht der Sprecher sich selbst zwar im Gegenüber der Gottheit (3,4.20.23), vorausgesetzt ist aber eine grundsätzliche Störung der Gottesbeziehung. Dies hat zur Folge, dass nur der Tod als Aussicht auf ein Ende der Leiden erscheint, was die starke Betonung des Todeswunsches in dem Text erklärt. Dabei ist beachtenswert, dass der Text zwar eine Reaktion auf ein Leiden darstellt, er sich aber nur in den letzten Versen auf ein solches bezieht. Auch fehlt in Kap. 3 eine Kontextbindung zu den vom Prolog her als anwesend gedachten Freunden. Ein Bezug auf eine vorangehende Rede oder auch das vorher genannte Schweigen der Freunde findet sich nicht. Die Klage scheint vollständig eigenständig zu sein. Eine direkte Anrede Gottes fehlt ebenfalls. Lediglich in wenigen Formulierungen ist ein indirekter Gottesbezug spürbar. Dies und der Todeswunsch sind Ausdruck der von Seiten Hiobs als gestört empfundenen Gottesbeziehung,66 was der Haltung Hiobs im Kap. 2 widerspricht. Das Kapitel fügt sich also nicht mit der Thematik des Prologs. Einerseits handelt es sich bei Hi 3,2ff nicht um eine tatsächliche Verfluchung „seines Tages“, wie dies, die Fluchthematik in Hi 1f aufnehmend, in 3,1 angekündigt wird. Andererseits widerspricht die Thematik der Klage, die letztlich einen grundsätzlichen Vorwurf an die Gottheit impliziert, Hiobs das Leid akzeptierende Haltung im Prolog. Am Schluss der Klage wird außerdem auf ein konkretes Geschick des Klagenden angespielt. Doch fehlt zu der Aussage des V. 24 ein Äquivalent im Prolog. b) Hi 4f – Eliphas’ erste Rede Die Rede wird in 4,2b (       ) mit einer Bemerkung über Eliphas’ eigenes Reden eröffnet. In 5,1 findet sich zum vorangehenden Text eine Zäsur durch einen unvermittelt gebrauchten Imperativ. Das Ende der Rede wird durch den zusammenfassenden Verweis auf die Richtigkeit der vorgebrachten Überlegungen in 5,27 inhaltlich markiert.67 Der Gedankengang setzt ein mit einem Bezug auf das Gegenüber. Hiob wird danach von Eliphas immer wieder direkt angesprochen (2. Sg. mask.) Gegenüber dieser kommunikativen Bezugnahme sind die inhaltlichen Kon66

Hierin dürfte der besondere Sinn des Todeswunsches im Hiobbuch liegen; er hat eine besondere Funktion in Bezug auf die Gottheit. Ein allgemeiner Pessimismus ist darin gerade nicht ausgedrückt. Gegen Reventlow, Skepsis, 282, der hierin eine Nähe zu Äußerungen der klassischen Antike sieht. Vgl. oben, 44. Differenzierter, aber vor allem auch als Verarbeitung von Erfahrungen sieht D. Mathewson die unterschiedliche Thematisierung des Todes im Hiobbuch. Vgl. Mathewson, Death, 165ff (bes. 168). 67 Eine eigenständige Analyse unternimmt Cotter, Study, 231ff (zusammenfassend). Er kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um zwei unterschiedliche Dichtungen handelt, die formal und inhaltlich zu unterscheiden sind (vgl. Cotter, Study, 237f).

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nexionen zu der vorangehenden Rede allerdings eher schwach. Die Eröffnung scheint sich auf eine vorangehende Redesituation zu beziehen: Der erste Halbvers der Rede Hi 4,2a       ist wörtlich mit „Hat ein dir geltendes Wort (dich) auf die Probe gestellt, dass du ermüdest?“68 zu übersetzen. Doch eine Rede, auf die Hiob mit Kap. 3 reagiert haben könnte, ist nicht in Sicht (siehe die Notiz über das siebentägige Schweigen in 2,13) und wird in Kap. 3 auch nicht vorausgesetzt. Ausgehend von 4,2b (       „aber ein Zurückhalten mit Worten – wer vermag es?“) kann man den Zusammenhang aber auch auf die ansetzende Rede des Eliphas beziehen. Es bleibt als Problem der Rückverweis der Verbform  ! (3. Sg. mask. Perfekt). Wenn man das erste Glied des synthetischen Parallelismus ( „ermüden, resignieren“) mit dem in Kap. 3 ausgeführten Todeswunsch verbunden sieht,69 kommt man zu einem alternativen Verständnis des Verses.  wäre dann auf das Leid des Klagenden und nicht auf eine Rede zu beziehen. Zu übersetzen wäre dann: „Hat (die)70 dir widerfahrene Sache (dich) auf die Probe gestellt, dass du ermüdest.“ Man kann den Zusammenhang daher am ehesten so verstehen, dass Eliphas sich in V. 2 also dafür entschuldigt, dass er Worte gegen den Klagenden richtet. Die Anrede Hiobs in der zweiten Person setzt sich in den V. 3–6 fort, wobei die V. 3f sich auf die frühere Zeit – vor dem Eintreffen des Leides – beziehen, während V. 5 auf den Jetztzustand abzielt. Die V. 3f haben den Angesprochenen als einen Lehrer oder Ratgeber im Blick. Hier liegt ein weisheitlicher Kontext vor. Hiob scheint vorher nicht nur eine weit reichende Vorbildfunktion gehabt, sondern auch als eine Art ‚Lehrer‘ gewirkt zu haben, was den engen personalen Verhältnissen im Prolog (dem Erzelternmilieu) nicht entspricht. Hi 4,4f weist demgegenüber auf eine Eingebundenheit und besondere Funktion des Angesprochenen in einer größeren Gemeinschaft.71 Einen argumentativen Zusammenhang bilden außerdem die V. 5f: Gegenüber dem „Ermüden, Resignieren“ ( )72 und „Erschrecken“ 68

Vgl. Hesse, Hiob, 50. Das Imperfekt ist hier aufgrund des vorangehenden Perfekt als Zustandsaussage verstanden und daher präsentisch übersetzt. 69 Überblickt man die Semantik von  , die von „erschöpft sein“ über „sich vergeblich mühen“ bis „nicht wollen“ reicht (vgl. Gesenius18, 589), so legt sich ein Bezug zum Todeswunsch Hiobs als dem Grundthema von Kap. 3 nahe. In V. 5 wird  noch einmal gebraucht parallel zu  „erschrecken, mutlos sein“, was in eine ähnliche Richtung weist. – Einen allgemeinen Bezug auf die vorangehende Hiobrede sehen z.B. Hesse, Hiob, 54; Hartley, Job, 102. 70 Die Determination ergibt sich indirekt durch  . 71 Auf den Unterschied weist schon Müller, Hiob und seine Freunde, 27ff.55ff hin. Müller ist der Ansicht, dass die Freunde zunächst als Tröster, dann als weisheitliche Dialogpartner stilisiert worden sind (ebd. 55f). 72 Course, Speech, 24, sieht in dem Gebrauch des Verbs bereits einen Angriff auf Hiob. Dies ist m.E. auch in Blick auf die anderen Verbformen unzulässig.

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( ), das beim Gegenüber vorausgesetzt ist, wird nun auf dessen Gottesfurcht und Vertrauen verwiesen.73 Diese sollten doch in gleicher Weise für ihn selbst Trost und Hoffnung sein wie für die von ihm in der  und   Unterwiesenen.74 Mit  wird dabei ein Bogen zurück zu V. 2 geschlagen und gleichzeitig zusammen mit dem Erschrecken auf die vorangehende Rede angespielt. Damit wird jetzt deutlich, dass mit dem Verweis auf Hiobs Ermüdung und Erschrecken der in Kap. 3 ausgeführte Todeswunsch im Blick sein dürfte. Der Angesprochene wird vorgestellt als jemand, der angesichts seines nahen Todes verzweifelt ist (Hi 4,5). Dabei wird wahrscheinlich gleichzeitig auch darauf angespielt, dass für Hiob weiter Grund zur Furcht besteht und weiteres Leid auf ihn zukommt (vgl. 3,24–26).75 Der Verweis auf Trost und Hoffnung in Blick auf Hiobs Gottesfurcht und Frömmigkeit (4,6) ruft den Tun-Ergehen-Zusammenhang in der Absicht zu trösten auf: Unschuldige sind nicht umgekommen (V. 7–11 [bes. V. 7]). Dass diese Argumentation (noch) keinen Angriff gegen den Leidenden darstellen soll, kann man an dem sich anschließenden Abschnitt (Hi 4,12–21) erkennen. Gleichzeitig scheint es sich bei 4,7–11 aufgrund der Eröffnung mit   um einen beim Angesprochenen als bekannt vorausgesetzten Sachverhalt zu handeln. Der nachfolgende Abschnitt 4,12ff läuft auf die Wiedergabe einer Offenbarung (V. 17) zu, die in einem Kontrast zum vorher thematisierten Tun-Ergehen-Zusammenhang steht.76 Allerdings ist innerhalb von Hi 4,12ff schon die genaue Abgrenzung des Offenbarungsinhaltes schwierig. Während G. Fohrer die V. 17–21 als seinen wörtlich wiedergegebenen Inhalt ansieht,77 nimmt A. de Wilde nur die 73   „Zuversicht, Vertrauen“ dürfte sich auf ein Vertrauen auf die Gottheit beziehen, das dieser früher besaß. Der Gebrauch des Nomens steht mit der in Kap. 3 ausgedrückten Aussichtslosigkeit in einem Zusammenhang. – Hier geht es um reale Frömmigkeit und Gottesfurcht. Siehe Course, Speech, 24, der eine mögliche Interpretation eines ironischen Bezuges ebenfalls zurückweist. 74 Diese Argumentation mit der früheren Bedeutung Hiobs lässt m.E. den Schluss nicht zu, dass die in der Eliphasrede dominierende Anrede Hiobs seine Trennung von den Freunden markiere, wie in Anlehnung an Cotter, Study, 155, Beuken, Imprecation, 47, vermutet: „The fact that we meet a large number of second person singular morphemes [...] in contrast to the total absence of first person morphemes makes it clear that Job is no longer considered one of the wise.“ M.E. hat der Gebrauch der 2. Person eher damit zu tun, dass aus der Perspektive der Freunde der Dialogcharakter sehr betont wird. 75 Hier hat Course, Speech, 23, auf die terminologische Nähe von 3,24 zu 4,5f hingewiesen. 76 Es ist eine Besonderheit, dass hier in einem Weisheitstext eine prophetische Form aufgegriffen wird, um eine „Grenzaussage der Weisheit“ (Hermisson, Prophetie, 123) auszudrücken. Hermisson weist außerdem darauf hin, dass die Theophanie Hiobs noch darüber hinausgehe.

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V. 17–19a als deren Umfang an.78 M. Köhlmoos hat demgegenüber dafür plädiert, die Offenbarung in die Rede Eliphas’ und sogar darüber hinaus reichen zu lassen und keine Grenze zu ziehen. Ihrer Meinung nach „reicht der Atem des Textes weiter als bis zum Ende der Eliphasrede; Sinn und Aussage der Offenbarung sind nicht allein auf Hi 4f beschränkt.“79 M.E. kann man jedoch nicht darauf verzichten, das Ende der Offenbarungsrede zu bestimmen. Die Abgrenzung ist bei Beachtung der argumentativen Struktur möglich: Denn zunächst sind die V. 12–16 als eine Hinführung, die das Offenbarungsgeschehen vorab charakterisiert, zu erkennen. Wenn man darin Hi 4,16b als eine Redeeinleitung auffasst, stellt sich die Frage, wo der Text danach wieder auf die Kommunikationsebene des sprechenden Eliphas zurückkehrt. Zunächst ist für die Bestimmung des Umfangs der Offenbarung jedoch relevant, dass sie als   eingeführt wird. Eine umfangreiche Gottesrede ist nach der Charakterisierung als „Säuseln und Laut“, also wohl als leises Geräusch, nicht zu erwarten.80 Als Struktur lässt sich das Gegenüber einer ‚Kopfzeile‘ (V. 17), die das Thema vorgibt, und mehrerer Zeilen ihrer Entfaltung (V. 18–21) erkennen.81 Die V. 18ff sind von V. 17 außerdem durch die Eröffnung mit der Interjektion  abgehoben.82 M.E. ist es am ehesten plausibel, dass die Interjektion schon wieder zur Eliphasrede und nicht mehr zu der mit   eingeleiteten (zitierten) Offenbarung gehört.83 Zum Hören aufgefordert wird mit  nicht Eliphas aus der Gottesrede heraus, sondern Hiob von Seiten Eliphas’. Denn V. 18 bezieht sich durch die Suffixe an    und   wieder argumentativ auf Gott und ist also kommentarartig an die Offenbarungsrede angeheftet. Die V. 18ff stellen die Konsequenz der in V. 17 wiedergegebenen Offenbarung heraus. Das bedeutet, dass wir uns in V. 18 bereits wieder außerhalb der mit 

 eingeleiteten Offenbarung befinden, und als Inhalt der Offenbarung bleibt nur der Parallelismus V. 17.84 77 Vgl. Fohrer, Hiob, 128.135. Hartley, Job, 113, entscheidet ebenso und begründet dies mit dem Stilwechsel zwischen 4,21 und 5,1. 78 Vgl. de Wilde, Hiob, 108. Ähnlich auch Stier, Hiob, 271. 79 Köhlmoos, Auge Gottes, 194. In ihrem Konzept spielt die Offenbarung eine entscheidende Rolle. Diese Aussage ist ein Vorgriff auf die Ergebnisse ihrer gesamten Untersuchung. 80 Siehe 1 Kön 19,12f. 81 So sieht u.a. schon Horst, Hiob, 78, den Text strukturiert. 82 Anders Blommerde, Grammar, 41; Habel, Job, 113, die  mit „if“ wiedergeben und entsprechend die V. 18f als Frage formulieren. Die Aussage wird dadurch nicht verändert, der Schluss vom Schwereren zum Leichteren lediglich in Form einer rhetorischen Frage präsentiert. 83 In dieser Weise gliedert auch Cotter, Study, 190f, den Text. 84 Diese Deutung wurde von Weiser, Hiob, 50, vertreten: „Das Offenbarungswort beschränkt sich auf V. 17; sein Inhalt ist [...] nicht [...] eine ‚Lehre‘, die in keinem rechten Ver-

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Zur Klärung der Interpretationsprobleme von V. 17 ist der Kontext einzubeziehen. Es geht um die kontextuelle Funktion von V. 17. Dabei ist es für die Frage nach dem Verständnis von V. 17 eigentlich nicht entscheidend, ob der Wechsel in die Eliphasrede bereits in V. 18 stattfindet. Setzte sich die Gottesrede nach V. 17 fort, dann würden die V. 18ff genauso den Kontext, innerhalb dessen V. 17 zu interpretieren ist, darstellen, wie in der hier präferierten Annahme, dass V. 18ff bereits wieder zur Eliphasrede gehören. Dies gilt auch dann, wenn man annimmt, dass die Offenbarung nicht für den Kontext konstruiert ist, sondern eine eigenständige Tradition bildet; denn sie wird dann ja trotzdem für den vorliegenden Kontext zitiert. Die V. 18–21 verbindet die Entfaltung dessen, was die Geschöpfe, seien es nun himmlische Wesen85 (  V. 18a), Boten (  V. 18b),86 oder Menschen (   V. 1987), von Gott zu erdulden haben. Das bedeutet, dass es hier eindeutig um eine unangefochtene – man kann sagen thronende – Position der Gottheit über ihren Geschöpfen geht. Wenn dem aber so ist, kann hältnis zur Offenbarung stünde, sondern mit ihr im tiefsten Sinne verwachsen. Die ‚Lehre‘ beginnt erst mit V. 18.“ Horst, Hiob, 78, weist diese Interpretation mit Hinweis auf parallele Aussagen in Hi 15,14–16; 25,4–6 zurück: „Jedesmal ist es derselbe dreifache Gedankenschritt, der dargetan wird: zunächst die Frage nach der Rechtheit und Reinheit des Menschen, in seinem Gegenüber zu Gott, sodann der Hinweis, daß selbst die himmlischen Geschöpfe die Vollkommenheit Gottes nicht erreichen, und daraus dann die Folgerung für den Menschen der entweder in seiner Todverfallenheit oder in seinem zu verabscheuenden Fehlhandeln oder allgemein in der Erbärmlichkeit seiner Existenz herausgestellt wird. Dieses gedankliche Schema ist nicht zerlegbar.“ Doch ein Verweis auf die beiden Stellen in Hi 15 und 24 kann die Argumentation von Weiser nicht entkräften. Denn Hi 15,14ff greift literarisch zurück auf Hi 4,17ff, und die Parallelität von 25,4–6 ist ebenfalls mit einem Rückbezug auf Hi 4 zu erklären. Bei diesen Rezeptionen wird der argumentative Gesamtzusammenhang der Eliphasrede (Hi 4,17ff) aufgegriffen. Dass Hi 4,17 Zitat ist, spielt dabei keine Rolle. Ebenfalls beschränkt auf V. 17 sieht Wilson, Job, 47, die Offenbarung an. S.E. handelt es sich in 4,17–19 um die Auseinandersetzung Eliphas’ mit der Offenbarung: „The two rhetorical questions in verse 17 summarize the spirit’s message.“ Danach folgt s.E. Eliphas’ Stellungnahme. 85 Nach Fohrer, Hiob, 144, handelt es sich sowohl bei den   als auch bei den   um himmlische Wesen. Dafür spricht die Schlussfolgerung in 4,19, die sich dann auf die Menschen bezieht. 86 Zu V. 18 vgl. unten zu Hi 15,15. Dort werden ganz ähnliche Aussagen in anderem Zusammenhang gemacht. 87 Nach Knauf, Ijobs multikulturelle Heimat, 65, der   wohl instrumental interpretiert, handelt es sich um „Lehmhäuser ohne Steinfundament“. Solche Gründungen seien besonders im ägyptischen Bereich, wo kaum Regen erwartet wird, üblich. Doch setzt der Attributsatz (    ) das Vorhandensein eines Fundamentes voraus. Daher lässt sich   eher lokal verstehen: „deren Fundament im Staub ist“. Im Blick ist eher der Gegensatz zu einer Gründung auf festem Grund (wie Felsen). Siehe z.B. Hab 3,13.   kommt in Hi 40,13 ähnlich wie in Hi 4,19 lokal vor.  bezeichnet jedenfalls in der Regel das steinerne Fundament.

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es kontextuell auch ironisch in V. 17 nicht um einen Vergleich der Gerechtigkeit des Menschen mit derjenigen Gottes gehen. Man kann also in V. 17 keinen komparativen Sinn zwischen den beiden Versteilen sehen. 88 Vielmehr geht es darum, dass von der Position Gottes her ein Mensch grundsätzlich nicht gerecht sein kann. Bei den beiden Parallelismen der Offenbarung handelt es sich also um rhetorische Fragen. Eliphas führt die Offenbarung an, um seinem Gegenüber deutlich zu machen, dass in Bezug auf die Gottheit ein völlig anderer als der irdische Maßstab der Gerechtigkeit gilt, der die in V. 18–21 entfalteten Folgen hat.89 Überblickt man nun das gesamte Kapitel, ergibt sich ein scheinbar problematisches Verhältnis der Offenbarungsrede zu dem vorangehenden mit   eingeführten Abschnitt (V. 7–11). Zwischen den beiden Abschnitten scheint ein Widerspruch zu bestehen. Wenn niemand sich vor Gott rechtfertigen kann und niemand vor ihm als unschuldig gilt (4,17), dann könnte es auch niemanden geben, der der Vernichtung im Sinne von Hi 4,7 entgehen kann.90 Doch zeigt m.E. die unterschiedliche Terminologie, dass kein inhaltliches Problem besteht, sondern dass ein Zusammenhang intendiert ist: So geht es in V. 7 um den Integeren, wobei das Adjektiv  verwendet wird, und um die Aufrechten (). In V. 17 wird ausgesagt, dass sich vor Gott niemand (selbst) als gerecht erweisen kann (  [Qal]) und auch nicht mit seinem Tun zu reinigen vermag ( [Qal] – also eher im kultischen Sinne). Anhand der unterschiedlichen Kontexte der beiden Zitationen ergibt sich ein Gesamtzusammenhang: Der leidende Hiob muss, weil er „integer“  und „aufrecht“  ist, den Tod nicht fürchten. Sein Leiden jedoch ergibt sich daraus, dass eben auch Integere () und Aufrechte (, siehe auch Hi 1,1.8: , ) wie (oder als!?) seine Diener und Boten nicht rein sind () und sich durch ihr Handeln vor Gott nicht als gerecht ( ) erweisen können. Vor Gott gilt eine mit kultischer Begrifflichkeit beschriebene Ge88 Eine komparativische Übersetzung und Interpretation („Ist ein Mensch ‚gerechter als Gott‘ oder ein Mann reiner als sein Schöpfer“ [Köhlmoos, Auge Gottes, 184; vgl. ebd., 194–196]) legt sich grammatisch eigentlich nahe (vgl. auch Pope, Job, 37). Dass sie hier nicht vorausgesetzt werden dürfe, wird üblicherweise mit der Logik des Textes begründet. Sodann wird auf Hi 9,2 und 15,14 hingewiesen, wo ähnliche Formulierungen vorliegen. Zur üblichen Abweisung der komparativischen Interpretation vgl. neben Pope, ebd., die Argumentation bei Köhlmoos, Auge Gottes, 195f, und die dort angegebene Literatur. – Zu beachten ist aber, dass mit der Formulierung          in der Einleitung der Elihureden (Hi 32,2) Hiob vorgeworfen wird, er halte sich für gerechter als Gott. 89 Damit deckt sich die hier vorgelegte Interpretation mit derjenigen bei Weiser, Hiob, 50. 90 So sieht z.B. Fohrer, Hiob, 143f, in der Offenbarung einen neuen Gesichtspunkt, der „außer der Vergeltungslehre zum Verständnis der Situation des Menschen ebenfalls berücksichtigt werden“ (Zit., 144) muss.

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rechtigkeit, die von Menschen aus der Sicht des Eliphas nicht erreicht werden kann.91 Was im Verhältnis der Menschen untereinander gerecht ist, gilt nicht als solches im Verhältnis zu Gott. Das Leiden des Angesprochenen ergibt sich aus diesem Dilemma (V. 17). Den vorzeitigen Tod muss er jedoch nicht fürchten, da Gott die Integeren und Aufrechten nicht tötet (V. 7). Der Zusammenhang zwischen 4,7 und 4,17 zeigt damit, dass hinter dem in Kap. 4 deutlich werdenden Perspektivproblem der Gerechtigkeit ein theologisches Konzept steht.92 Kap. 5 wendet sich wieder stärker dem Angesprochenen zu. Dies ist bereits in 5,1 erkennbar.     „Rufe doch, ob es jemanden gibt, der dir antwortet“ nimmt Bezug auf die Position des Leidenden. Man kann die Aufforderung am ehesten wieder als direkte Reaktion auf die vorhergehende Äußerung Hiobs verstehen. Gleichzeitig bewirkt dieser Rückgriff aber eine Zäsur innerhalb der Eliphasrede.93 Während Hiob in Kap. 3 dem nicht reagierenden Gott nur indirekt seinen dezidierten Wunsch nach dem Tode entgegen hält, macht die auf Kap. 3 zurückweisende Aufforderung zum Rufen in 5,1 deutlich, dass Hiob in der Form der Klage von Kap. 3 keine Antwort von der Gottheit zu erwarten hat, da er sich nicht entsprechend an Gott gewendet hat. „Rufe doch, ob dir jemand antwortet“ wäre dann schon eine auf Hi 5,8 zielende Kritik an der Art und Weise von Hiobs Klage. Wie dem auch sei, ergibt sich aus der Erwähnung der   in V. 1b, wobei wohl an irgendwelche himmlische Wesen gedacht ist, dass es letztlich um eine Reaktion von Gott geht.94 Den Warum-Fragen Hiobs stehen die rhetorischen Fragen des Eliphas gegenüber. Es wird niemanden geben, der antwortet, auch wenn sich Hiob an „einen der Heiligen“ wendet. Was stattdessen zu erwarten ist, wird in dem nachfolgenden Vers mit adversativem  „sondern“ angefügt. Dabei ist aufgrund des Gegenübers der V. 2f möglicherweise in V. 2 ein Zitat eines Weisheitsspruches zu sehen,95 dem in V. 3 eine eigene Erfahrung des Sprechers gegenübergestellt wird. Dass der Tor durch seinen Zorn getötet wird (V. 2), begründet daher V. 3 in der Form eines synthetischen Parallelismus, 91 Ähnlich Fullerton, Double Entendre, 328: „He refers only to the general sinfulness of man which is inherent in man’s creatureliness.“ 92 Den Stellen ist ausführlich van Oorschot, Gottes Gerechtigkeit, nachgegangen. Vgl. zur generellen Problematik des Tun-Ergehen-Zusammenhangs Koch, Vergeltungsdogma; Janowski, Tat. 93 Es geht wahrscheinlich zu weit, den Neueinsatz zum Anlass einer Teilung der Eliphasrede in zwei Reden zu nehmen. Wie sich zeigen wird, baut Kap. 5 auf die Prämisse des vorangehenden Kapitels auf. Gegen Course, Speech, 30f. 94 Vgl. Fohrer, Hiob, 146, der an Engel denkt. 95 Vgl. Hartley, Job, 117.

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was aufzeigt, dass jener trotz seines „Wurzelnschlagens“ plötzlich heimgesucht wird.96 Ausgehend von der rhetorischen Frage nach einem möglichen Adressaten von Hiobs Rufen (V. 1)97 und unterstrichen mit dem Hinweis auf das Geschick des Törichten (V. 2–4) weist Eliphas darauf hin, dass alles Unheil im Menschen und im menschlichen Handeln selbst begründet ist (V. 6f). Damit wechselt die Thematik gegenüber Kap. 4. Dort ging es darum, dass es letztlich aus Gottes Perspektive keinen Gerechten geben kann und Rechtschaffenheit und Frömmigkeit letztlich nur über Leben und vorzeitigen Tod entscheiden. In Kap. 5 dagegen wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang nun in umgekehrter Weise, aber in Abhängigkeit von dem vorher dargestellten Perspektivproblem thematisiert: Angesichts der Unfähigkeit des Menschen, rein und gerecht zu sein, ist Leid ein allgemeines Geschick des Menschen („der Mensch wird geboren zum Elend“ Hi 5,7a), dem (dann entsprechend zu Kap. 4) niemand entrinnen kann.98 Der Ausweg aus diesem in den V. 1–7 vorgetragenen Dilemma in Eliphas Sicht schließt mit dem folgenden    (V. 8) an. Dieser bietet dem Leidenden einen Lösungsweg an: Hier wird ganz bewusst in der 1. Sg. mit vorangestelltem  formuliert             „aber ich suche nach Gott und auf Gott richte ich meine Rede“. Eliphas stellt sich selbst und seine eigene Hinwendung zu Gott als Beispiel für Hiob hin.99 Man könnte meinen, dass sich hierin ein Widerspruch innerhalb von Kap. 5 zeige. Wenn eine Reaktion auf Gott nach 5,1 nicht zu erwarten ist, wie sollte eine Hinwendung zu Gott nach Hi 5,8 für Hiob Heil zur Folge haben? Doch besteht dieser Widerspruch nicht. Denn es zeigt sich in Hi 5,17, dass es bei dem Sich-An-Gott-Wenden in 5,8 um das Anerkenntnis der eigenen Schuld durch Hiob geht und zugleich um die Akzeptanz des Leidens als Zurechtweisung durch Gott. Ohne dass an dieser Stelle gesagt wür96 V. 3b wird oft von der LXX her emendiert (vgl. Fohrer, Hiob, 132), doch kann dem Ganzen auch mit der 1. Sg. im MT ein Sinn abgewonnen werden, da ja auch V. 3a in der 1. Sg. formuliert ist: V. 3b „ich schmähte seine Stätte plötzlich“ wäre dann parallel zu V. 3a als Ausdruck der negativen Wendung seines Geschicks zu verstehen. Der Sprecher drückt damit aus, dass sich das vorher positive Geschick in sein Gegenteil (also zum Fluch) gewendet hat. 97 Der Kontext spricht dafür, dass mit den   wiederum wie bei den   in V. 18 an himmlische Wesen gedacht ist. Vgl. Pope, Job, 41. M.E. setzt die rhetorische Frage eine unangefochtene Stellung der Gottheit voraus, neben der irgendwelche himmlische Wesen keine Funktion haben. Pope, Job, 41f, sieht darin gar eine Polemik „against the Mesopotamian idea of a personal god on whom a man could rely to make his appeal heard in the assembly of the great gods“. 98 Zum mythologischen Hintergrund in V. 17b und seiner Nachgeschichte vgl. Lipiľski, Rešfm. 99 Es ist nicht notwendig, das Imperfekt konjunktivisch wiederzugeben.

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de, wie diese Hinwendung zu Gott konkret aussehen könnte, begründet Eliphas seinen Rat in 5,9–16 mit Gottes wohlwollendem (z.B. V. 10f.15) und ausgleichendem Handeln (V. 13f), was bestätigt, dass es sich in 5,1 implizit um eine Kritik an Hiobs Form der Klage handelt. Dies mündet in V. 17 wieder in einen mit der Interjektion  eingeführten Abschnitt, in dem nicht nur das Zurechtweisen durch Gott, sondern auch der Zurechtgewiesene gepriesen wird (       ), da Gott diesen wieder instand setzen wird (V. 18–26). Nach der unpersönlichen Aussage von V. 18 folgen – eröffnet von dem Zahlenspruch V. 19 – weitere parallele Aussagen, die direkt an Hiob gerichtet sind (2. Sg. mask.). Der Wechsel soll vielleicht den Eindruck erwecken, als handele es sich in V. 17f um eine Art Lehrsatz, der auf die Person Hiobs angewendet wird. Das Leiden wird als ein im Menschsein begründetes Problem angesehen; die Lösung liegt in dem Anerkenntnis der Schuld und damit in dem Anerkenntnis der in Kap. 4 dargestellten Perspektivität der Gerechtigkeit, wonach das, was im Verhältnis der Menschen zueinander als gerecht gilt, dies nicht von Gott her bzw. vor Gott ist. Die Leiden haben in der Position des Eliphas letztlich eine paränetische Funktion. Der Adressat der Rede soll mit der Zusage von erneuertem Heil zu einer Anerkenntnis der vorgetragenen Position motiviert werden. Die Kontextualisierung zur vorangehenden Rede ist damit indirekt gegeben. Es wird auf Hiobs Warum-Fragen nicht inhaltlich eingegangen, sondern mit einem grundsätzlichen theologischen Konzept geantwortet, das geeignet ist, Hiobs Leiden zu begründen, der Perspektivität in der Gerechtigkeit: Vor Gott kann niemand gerecht sein. Notwendig sei daher das Anerkenntnis der entsprechend bei Hiob vorhandenen Schuld gegenüber der Gottheit. Das vorgetragene Konzept enthält die Aussage, dass Gott den sich um die Gerechtigkeit bemühenden Menschen zumindest nicht tötet. Die vorangehende Rede wird also trotz des darin enthaltenen Todeswunsches als Ausdruck einer aus dem nahen Tode resultierenden Todesfurcht verstanden. Während Hiob sein Leiden aus der eigenen Perspektive thematisiert, tritt ihm Eliphas mit einer Außensicht gegenüber. Die Rede ist stark auf ein Gegenüber bezogen. Vorausgesetzt wird dabei an ihrem Ende (5,27), dass es sich um eine Gruppenposition handelt (    – „siehe das haben wir erforscht.“).   fasst den vorangehenden Redeabschnitt zusammen, und der Gebrauch der 1. Pl. macht deutlich, dass es sich vorher um eine Art Lehrposition handelt. Das entspricht der im Rahmen aufgebauten Szenerie nicht, da es sich dort um von unterschiedlichen Orten angereiste Einzelpersonen zu handeln scheint, die allein des Trostes wegen gekommen sind. Der Abschluss der Rede erweckt demgegenüber den Eindruck, dass die Freunde gemeinsam Lehrpositionen vor-

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tragen, obwohl bisher kein anderer der Freunde außer Eliphas gesprochen hat. Das Ende von Kap. 5 ist für den Vergleich mit dem Rahmen, insbesondere mit dem Epilog zusätzlich relevant, da es ab V. 18 um eine in Aussicht gestellte Restitution geht. Die Gottheit verletzt und verbindet, zerschlägt und heilt, wenn man die eigene Schuld eingesteht. Auf das durch die Gottheit bewirkte Unheil folgt entsprechend Heil, und so wird dem Gegenüber die Bewahrung in Hungersnot und Krieg (V. 20), unter bösen Dämonen100, bzw. übler Nachrede (V. 21), in Hunger und vor bösen Tieren (V. 22) in Aussicht gestellt. Nach einer Reihe von urzeitlich anmutenden Verheißungen,101 folgen die Mehrungsverheißung (V. 25) und die Ankündigung eines langen Lebens (V. 26). Lediglich letzteres hat ein mögliches Pendant im Epilog. Formal ist die erste Rede des Eliphas am Anfang ihres ersten Teils (Kap. 4) und dann wieder am Anfang und am Ende des zweiten Teils (Kap. 5) direkt an das Gegenüber gerichtet. Die Rede ist inhaltlich vollständig auf die vorangehende Rede Hiobs bezogen; sie muss als Reaktion auf diese aufgefasst werden, obwohl sie die Intention von Kap. 3 nicht trifft: Während Hiob die eigene Existenz beklagt mit der Konsequenz des Wunsches nach dem Tod, weist Eliphas auf die Existenz des Menschen im Gegenüber zur Gottheit als grundsätzliches Problem hin. Dabei versteht er den von Hiob geäußerten Todeswunsch als Ausdruck der Ermüdung und der Todesfurcht.102 Zentrum von Eliphas’ Argumentation ist eine göttliche Offenbarung, die in dem Parallelismus von 4,17 wiedergegeben wird, die Eliphas aber selbst nicht direkt als solche charakterisiert. Von ihr her argumentiert Eliphas mit einem grundsätzlichen Perspektivproblem: Für die Gerechtigkeit gibt es in Bezug auf Gott einen anderen Maßstab als in Bezug auf die Menschen. Für die Perspektive Gottes gebraucht Eliphas die Begriffe   und , während er für die menschliche Perspektive  und  verwendet. Der Mensch kann der Gerechtigkeit Gottes grundsätzlich nicht entsprechen. Als Hoffnung weist Eliphas jedoch darauf hin, dass der aus menschlicher Perspektive Fromme den vorzeitigen Tod aufgrund seiner Frömmigkeit nicht zu fürchten braucht (4,7). Erkennt er seine Unzulänglichkeit an und begreift er sein Leiden angesichts dessen als Züchtigung (5,17), dann erwartet den Frommen und damit auch Hiob künftiges Heil (5,18–26). Zwischen 100

Vgl. Pope, Job, 45. Es folgen Aussagen, die an eine urgeschichtliche Situation denken lassen, die in Aussicht gestellt wird (Bund mit den Steinen des Feldes [vgl. Gen 3,17f], dem Vieh des Feldes [vgl. Ex 23,29]). 102 Hiobs Befürchtungen werden dabei generalisierend als Furcht aufgefasst und problematisiert. Vgl. Course, Speech, 23. 101

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den Bemerkungen zum künftigen Heil und dem Epilog des Hiobbuches besteht eine Affinität. Vage liegt auch mit Hi 42,1–6 ein Zusammenhang vor. Man kann Hi 42,3 implizit als Anerkenntnis der besonderen Perspektive Gottes verstehen. Die Annahme einer Beziehung zur Rahmenhandlung ist demgegenüber problematisch. Diskrepanzen beherrschen das Bild. So unterscheidet sich das Milieu. Der in 4,4f vorausgesetzte weisheitliche Kontext (Unterweisung), wie auch die Parteiung der Freunde in Hi 5,27 widersprechen der Szenerie der Rahmenerzählung (Nomadentum, Großfamilie, die Freunde kommen von fern). Hiob wird wie schon in Hi 3 auch in Hi 4f anders gezeichnet bzw. gesehen, als er in Hi 1f eingeführt worden ist: Der Zielpunkt von Hi 4f harmoniert inhaltlich nicht mit Hi 2,10b, wo Hiob die Zweiseitigkeit von Gottes Handeln (Gutes und Böses) bereits akzeptiert hatte. Kap. 4 erweckt den Eindruck, als würde Eliphas Hiob mit einer Position antworten, die Hiob in 2,10b selbst vertreten hatte. Eine Entsprechung bietet der Hinweis auf die Restitution durch Gott, die Eliphas Hiob in Aussicht stellt. Sie trifft sich teilweise mit dem Epilog. c) Hi 6f – Hiobs zweite Rede Die zweite Rede Hiobs lässt sich anhand der Anredestruktur in zwei Abschnitte gliedern. Während Kap. 6 nach einer allgemeinen Rechtfertigung seiner Klage auf einen Tadel der anwesenden Freunde hinausläuft, richtet sich Kap. 7 an Gott und argumentiert dabei allgemeiner.103 Die Rede beginnt mit einer Thematisierung von Hiobs eigener Person. Es fehlt zunächst eine direkte Anrede eines Gegenübers. Die Freunde werden erst am Ende des ersten Teils der Rede ab 6,21 direkt angesprochen. Vorher steht der Passus 6,14ff aber in einer indirekten Beziehung zu ihnen als Gesprächspartnern. Den Anfang des Kapitels 6 kann man am ehesten als Anklage gegen Gott ansehen, wobei zugleich Eliphas’ Vorschlag zurückgewiesen wird, sich mit dem Leid abzufinden. Dabei greift Hiobs Rede nicht den Begriff   aus Hi 5,2 auf, wo Eliphas Hiobs Klagen angegriffen hatte.104 Ebenfalls als Weigerung, das Leid zu akzeptieren sind Hi 6,5–7 aufzufassen.105 Es liegt also ein Bezug zu dem Vorschlag Eliphas’ vor, Leid als 103

Vgl. Hartley, Job, 130. Eine Teilung in mehrere Reden allein anhand des Kriteriums der Anrede verbietet sich beim Blick auf die anderen Reden im Dialogteil, wo die Anredestruktur ebenfalls wechselt. Die wechselnde Stilisierung zwischen Monolog, Anrede der Freunde und Anrede Gottes ist ein Grundcharakteristikum der Hiobreden und kein Indiz für die Literarkritik. Gegen Course, Speech, 31f, und die von ihm dort dargestellten z.T. weiter gehenden Versuche einer Teilung. 104 Vgl. Hartley, Job, 132. 105 Der Zusammenhang mit dem vorangehenden V. 4 ist dadurch gegeben, dass auch dort für sein Leiden Metaphern gebraucht werden. Der gesamte Zusammenhang weist die

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pädagogisches Mittel der Gottheit zu akzeptieren.106 Obwohl keine explizite Anrede des Gegenübers vorliegt, ist der Bezug zu Eliphas’ Rede unbestreitbar.107 Gleichzeitig liegt von Anfang an ein heftiger Vorwurf gegen die Gottheit vor, der allerdings ebenfalls ohne eine direkte Anrede erfolgt. Hiob benennt in Hi 6,2–7 Gott selbst als Ursache des Unheils, das ihn getroffen hat: In 6,4 wird ausgedrückt, dass Hiob sich von Gott tödlich getroffen weiß. Auf diesen durch die Dreigliedrigkeit hervorgehobenen Parallelismus108 weist 6,3b voraus. In   sieht man meist einen Rückbezug auf Kap. 3.109 Problematisch ist der Gebrauch von . Sieht man hierin eine Rechtfertigung für ein übereiltes Reden, dann kann dies nur ein einfacher Rückbezug auf die vorangehende Rede sein. Zu beachten ist aber, dass der erste Halbvers (V. 3a) auf die gegenwärtige Situation des Sprechers bezogen ist. Sein Leid ist nun schwerer als der Sand der Meere (     ). Entsprechend ist das Perfekt im nachfolgenden Halbvers nicht auf eine vergangene Äußerung von Worten zu beziehen. Hiob rechtfertigt nicht sein vorangehendes Reden, sondern es handelt sich um eine allgemeine Aussage über sein Reden überhaupt. Daher hat hier eher die Bedeutung „stammeln, irre reden“110. Hiobs Worte sind aufgrund der gegenwärtigen Situation unbedacht geworden. Die kausale Verbindung wird durch die Konjunktion  deutlich gemacht. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in der grundsätzlichen Einschätzung von Hiobs Reden auch auf Kap. 3 Bezug genommen wird, genauso aber bezieht sie sich auf Hiobs Reden überhaupt und letztlich handelt es sich bei 6,3b im vorliegenden Kontext um eine Äußerung, die die nachfolgenden harten Aussagen in V. 4 rechtfertigen.111 Dem entspricht, dass diese Angriffe gegen Gott in Hi 6,4 danach in 6,5f durch zwei rhetorische Fragen erneut gerechtfertigt werden. Deutung des Leides als Erziehung durch Gott als unannehmbar zurück. Vgl. Course, Speech, 36. Assoziativ besteht ein Zusammenhang zwischen V. 4 und V. 6 über das nebeneinander von Trinken und Essen. In V. 4 wird das Leid als Gift Gottes, das Hiob trinken muss, beschrieben. In V. 5ff geht es um die Legitimität von Hiobs Klage (V. 5) und darin um sein Unvermögen, die Deutung des Eliphas zu schlucken (V. 6f). Vgl. Pope, Job, 50f. 106 So auch Fohrer, Hiob, 165, der annimmt, dass sich Hiob hier „gegen die Ermahnung, das Leid geduldig zu ertragen“, wende. 107 Anders de Wilde, Hiob, 120, der kaum eine Beziehung sieht. 108 Dies ist die Gliederung, wenn man 6,4b nicht mit Fohrer, Hiob, 160, emendiert oder mit de Wilde, Hiob, 117, Umstellungen vornimmt. 109 So Fohrer, Hiob, 167. Eine indirekte Beziehung sieht Course, Speech, 39, über die zurückgewiesene Kritik des Eliphas an Hiobs Eröffnungsklage. 110 So der Vorschlag Gesenius18, 613. Die häufig vorgeschlagene Wiedergabe mit „voreilig, übereilt“ (vgl. z.B. Alden, Job, 99, der eine Übersicht bietet) wird den sich sofort anschließenden weiter gegen Gott gerichteten Vorwürfen nicht gerecht. 111 Es ist signifikant, dass Hiob nach der zweiten Gottesrede sein zurückliegendes Reden kritisch reflektiert, es aber wiederum begründet (     – Hi 42,3).

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Hi 6,8 stellt einen inhaltlichen Neueinsatz dar. Denn es geht jetzt um das Stichwort Hoffnung.112 Sieht man in den beiden Versen Hi 6,8f einen inhaltlichen Zusammenhang,113 dann liegt ein Rückbezug über die Eliphasrede hinweg zu der Eröffnungsklage (Hi 3) vor. Denn das Ersehnte und Erhoffte (           – V. 8) ist dann der Tod (V. 9). Der Tod erscheint als einziger Ausweg aus der leidvollen Situation, in der sich der Klagende befindet. Hiob bringt nun den Wunsch vor, von Gott selbst erschlagen zu werden (V. 9). V. 10a drückt eine Art Vorfreude aus, die offenbar als Folge der Realisierung des vorangehenden Wunsches gedacht ist.114 Freilich fragt es sich, wie Freude darüber, dass Gott den Sprecher erschlägt, hier eigentlich als möglich gedacht sein kann. Sollte der nicht recht zum Metrum passende Begründungssatz V. 10b „denn ich habe die Worte des Heiligen nicht verleugnet“ als sekundäre Begründung anzusehen sein, dann hat dies mit der inhaltlichen Problematik zu tun.115 Man kann überlegen, ob die in V. 10a ausgedrückte Freude und die Begründung in 10b inhaltlich bereits mit dem Fortgang der Rede zu verbinden sind: In V. 12 spricht Hiob davon, dass er nur über eine begrenzte Kraft verfügt. Dies impliziert ein mögliches Scheitern und dann vielleicht entsprechend 6,10b die Übertretung göttlicher Weisungen (  ).116 Dieser Gedanke begegnet am Ende des Kapitels in 6,29b noch einmal, dann in der Anrede an die Freunde. Dort wird betont, dass Hiob sich „noch“ im Recht weiß. Der Tod muss also auch in 6,10 schon als Ende der für Hiob bestehenden Gefahr eines Abfallens von Gott verstanden werden, was in 6,10 mit den    intendiert ist und in 6,29 in ähnlicher Weise hinter der von den Freunden geforderten Umkehr steht. Ein literarischer Zusammenhang mit dem Rahmen besteht durch den Gebrauch der pluralischen Formulierung    nicht. Denn von dort her erwartet man eher einen allgemeinen Hinweis auf die Frömmigkeit Hiobs (z.B. durch Gebrauch des Nomens  117). Das eventuelle Leugnen der Worte des Heiligen (V. 10b) und ein mögliches Geschehen von Unrecht (V. 29) dürfte das Übertreten

112

In V. 8 sieht auch Course, Speech, 33, eine Zäsur. So auch Alden, Job, 100. 114 Zu den textkritischen Problemen vgl. Fohrer, Hiob, 161. 115 In der Regel wird von einer Glossierung ausgegangen. Ein Problem scheint in der Gottesbezeichnung und der Formulierung    insgesamt zu bestehen. Vgl. z.B. Fohrer, Hiob, 161. Doch zeigt sich der glossarische Charakter gerade daran, dass man über die Semantik der Formulierung keine genauen Aussagen machen kann. De Wilde, Hiob, 123, sieht den Ursprungsort von 10b in V. 14. 116 Vgl. zu der Formulierung Num 24,4.16; Ps 107,11 (  ); Jos 24,27 (  ) und die Interpretation, die die LXX mit ÇĤºÛÉëмÍÊÚľÅģûĸ̸׺À¸¿¼ÇıÄÇÍ gibt. 117 Vgl. zur Bedeutung dieses Begriffes in der Charakterisierung Hiobs unten, 229f. 113

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von Geboten implizieren,118 worum es im Rahmen nicht geht.119 Insgesamt erscheint damit der erste Teil der zweiten Rede Hiobs als eine Rechtfertigung seiner Klage angesichts des Leides. Es besteht also ein indirekter Bezug zu der Zurückweisung durch Eliphas, aber auch darüber hinaus zu Hi 3.120 V. 13:         „Gibt es keine Hilfe für mich, und wird fern gehalten von mir Gelingen?“121 verlässt das Thema des Todeswunsches als Ausweg. Zunächst erscheint die Thematisierung der Hilfe als unvermittelt, da noch nicht klar ist, wessen Hilfe vermisst wird. Die vorangehende Entfaltung der aussichtslosen Situation zeigt aber, dass in V. 13 zwei rhetorische Fragen vorliegen. Deren Aussage ist, dass es keine Hilfe gibt, und ein Ausweg (daher) nicht in Sicht ist. Der nachfolgende Vers (V. 14) zeigt, woran bei der fehlenden Hilfe gedacht ist. Der fehlenden Hilfe wird jetzt der Vorwurf fehlender  an die Seite gestellt:122 „Wer die Liebe/Treue zu seinem Freund verwirft, der verlässt die Furcht des Allmächtigen.“123 Was konkret mit  gemeint ist, ist nicht klar. Es ist aber mit   ein Mensch im Blick, der sich nicht in einer von ihm erwarteten 118

So Weiser, Hiob, 58; Terrien, Book, denkt an eine Lästerung. Siehe dazu unten, 236. 120 Vgl. Fohrer, Hiob, 165. 121 Zu  vgl. Gesenius18, 785; Ebach, Hiob I, 67. Bei   ist am ehesten dem Vorschlag von HAL, 1579, „Gelingen, Erfolg“ zu folgen (so auch Fohrer, Hiob, 158). Zusammen mit  und  dürfte es im ersten Halbvers um fehlende Unterstützung gehen. In der Literatur werden ganz unterschiedliche Vorschläge gemacht: Terrien, Book, 954: „resource“; Ebach, Hiob I, 67: „Glückendes“; Gradl, Ijob, 100: „Möglichkeit“; Hesse, Hiob, 62, und Weiser, Hiob, 54: „Errettung“. Der Fortgang in V. 14 zeigt, dass (fehlende) Unterstützung durch Menschen thematisiert ist. 122 Hiob wendet sich hier indirekt gegen die Freunde. Das Thema des Todeswunsches, der in V. 12 anklang, wird nicht weiter verfolgt. Daher sind V. 12 und 13 aufgrund der Eröffnung formal eher nicht als parallel anzusehen. Die mit  in V. 13 eingeleitete rhetorische Frage ist der Ausgangspunkt eines neuen Gedankens. Anders Horst, Hiob, 107; Course, Speech, 33. 123 Wörtlich: „In Bezug auf den, der verwirft (die) Liebe gegen seinen Freund – er verlässt die Furcht des Allmächtigen.“ Eine Streichung des Verses ist nicht nötig. Gegen Fohrer, Hiob, 161. Das Verachten der  gegenüber dem Freund (V. 14) und die fehlende Hilfe (V. 13) mit der Folge des Scheiterns (   „Erfolg hält sich fern“) bildet einen direkten Zusammenhang. Spürbar ist eine erste Kritik an der Haltung der Freunde. Mit einer großen Zahl masor. Hss und der LXX (Aor. med. von ÒȸºÇɼį¼ÀÅ), die in Hi 10,3  liest, dürfte die ursprüngliche Lesart Ptz. akt. von  mit der Präposition sein (vgl. de Rossi, Lectiones IV, 105:  aversanti). Zu den Problemen des Verses siehe auch Pope, Job, 52f. Eine Deutung wie „A despairing man should have the devotion of his friends, even though he forsakes the fear of the Almighty“ (Alden, Job, 101; ähnlich auch Stier, Hiob, 275), ist modern gedacht und kommt auch angesichts von Hiobs Selbstdeutung in der Dichtung nicht in Betracht. Denn er gesteht zwar eventuelle Verfehlungen ein, doch stellt er nirgendwo die Gottesbeziehung selbst in Frage. 119

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Weise verhält. Aus dem Aufeinander mit den vorangehenden Fragen kann man schließen, dass mangelnde  mit der fehlenden Hilfe zu verbinden ist. Dadurch legt sich indirekt ein Bezug zu der in der Rahmenerzählung vorgegebenen Kommunikationssituation nahe, wobei V. 14b aufgrund der Gegenüberstellung zu V. 14a den Eindruck einer geprägten Formulierung macht.124 Der Fortgang der Auseinandersetzung (V. 15) lässt deutlich werden, dass es um enttäuschte Erwartungen bei einer Mehrzahl von Personen geht:      „meine Brüder trügen wie ein Bachtal“. Mit der Rede von Brüdern in V. 15 gegenüber  in V. 14 wird die Nähe zu der Hiob gegenüberstehenden Gruppe betont. Ein Problem stellt bei einer vorausgesetzten Bezugnahme zu den Freunden dar, dass von diesen gerade erst ein Freund gesprochen hat. Im Fortgang zeigt sich, dass die Gesprächspartner dennoch angesprochen sind. Denn in den V. 21–30 wendet er sich ihnen direkt zu. Die Freunde stehen Hiob damit von Anfang an als Partei in der Auseinandersetzung gegenüber, was auch schon in der Abschlussformulierung Hi 5,27 in der ersten Eliphasrede ähnlich deutlich wurde. Dabei wird die eher indirekte Bezugnahme auf die Freunde nun mit V. 21–30 verlassen, gleichzeitig werden die Vorwürfe konkret: In den V. 22f wird in rhetorischen Fragen aufgezählt, worum Hiob seine Gesprächspartner nicht gebeten hat (Geschenke, Bezahlung aus dem Vermögen, Errettung aus Feindes Hand). Die zentrale Aussage ist, dass die auf die Freunde gerichtete Erwartung diesen Dingen gegenüber wesentlich geringer ist. Was Hiob erwartet hat und erwarten durfte, lässt sich an mehreren Stellen aus dem Gedankengang entnehmen. Es fehlt den Freunden an Liebe  (V. 14), die sie ihm nicht erwiesen haben; echte Hilfe ( ) und Unterstützung ( )125 (V. 13) hat er nicht erfahren. Letztlich hat er von ihnen keinen Trost   (V. 10) bekommen.126 Damit scheint sich ein Bezug zum Rahmen aufzutun, wo in hintergründiger Weise in Hi 2,11–13 dargestellt wurde, dass die Freunde bereits bei ihrer Ankunft nicht der an sie gerichteten Erwartung und auch nicht ihrer eigenen Absicht entsprechen.127 Ein Problem stellt dabei dar, dass dort schon die schweigenden Trauerrituale als inadäquates Verhalten gelten, während es in Hi 6 um die Kritik eines verbalen Verhaltens geht. Es fehlen darüber hinaus zwischen Hi 2,11–13 und 6,22f weitere Entsprechungen: Von einer Bezahlung aus dem Vermögen der Freunde zur Errettung aus Feindeshand und von einem Loskauf aus der Sklaverei oder

124 Im Prinzip handelt es sich um die Umkehrung von Spr 16,6b. Im Blick dürfte das Verhalten der Freunde sein. So auch Pope, Job, 52. 125 Zu diesem Verständnis von   siehe oben, Anm. 121. 126 Ähnlich Course, Speech, 39. 127 Siehe die Analyse zu diesem Passus unten, 280.

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einer Lösegeldzahlung128 ist in der Rahmenerzählung nicht die Rede. Auch wenn es in Hi 6,22f um fiktive Hilfe geht, scheint eine andere Art von Leid im Blick zu sein, als der Rahmen vorgibt. In Hi 6,24–30 fordert Hiob die Freunde dann heraus. Er weiß sich ihnen gegenüber im Recht. Obwohl es in der Rede des Eliphas um das rechte Verhalten im Leid und das Anerkenntnis von Schuld ging, richtet er die Aufforderung, ihn zu belehren (  ), an die Freunde. Der Fortgang zeigt, dass diese eine rhetorische Funktion hat. Hiob weiß sich im Recht, es wird den Freunden nicht gelingen, ihn zu überzeugen, was faktisch in V. 25b (      – „was beweist die von euch [vorgebrachte] Beweisführung“) ausgedrückt ist. Damit wird eine Tendenz eröffnet, die im Folgenden immer wieder aufgegriffen wird. Hiob weist nicht als Unschuldiger den falschen Schuldvorwurf der Freunde zurück, sondern thematisiert in erster Linie das rechte Verhalten einem Leidenden gegenüber: Worte eines Verzweifelnden kann man nicht tadeln (vgl. V. 26); gegenüber der Waise und dem Nächsten ist nicht die Anklage angemessen, sondern die Unterstützung (V. 27). In V. 29 fordert er seine Gesprächspartner auf, sich abzukehren von ihrer Position. Was gemeint ist, wird jeweils im zweiten Teil der Halbverse deutlich:    („nicht geschehe Verkehrtheit“),    („noch ist meine Gerechtigkeit darin129“). Das „noch“ im letzten Satz weist darauf, dass Hiobs Position noch unerschüttert, aber nicht unangefochten ist. Die von den Freunden erwartete Unterstützung könnte damit darauf zielen, Hiob in seiner Position zu bewahren, ihn zu unterstützen. Es geht damit in dem ersten Teil der Rede um Hiobs Leid und um Hiobs Reaktion darauf in der Klage. Thematisiert wird das Leid selbst, und es geht hier nicht um selbst verschuldetes oder unverschuldetes Leiden.130 Eine vage 128 Das Verbum

 mit der Grundbedeutung „schenken“ kommt nur zweimal in der Hebräischen Bibel vor, das Nomen

#" $ dagegen häufiger, wobei es meist negativ im Sinne von „Bestechung“ gebraucht wird. Vgl. Beyse,

, ThWAT VII, 1208f. In diesem Sinne legt auch Fohrer, Hiob, 173, Hi 6,22 aus. In der Doppelstrophe Hi 6,22f geht es darum, dass Hiob nicht um einen Freikauf gebeten hat. Vergleicht man die rhetorischen Fragen in den beiden Versen, so ergibt sich eine deutliche Klimax von der allgemeinen Aussage des Gebens Hi 6,22a über die Aussage des Geschenkemachens 22b und die Errettung aus der Hand des Feindes 6,23a hin zum Loskauf aus der Hand des Gewalttätigen 23b. Das Gegenüber von   und

 ist aufschlussreich für die Bedeutung von

, für das demnach keine negative Konnotation anzunehmen ist. Es dürfte ähnlich wie bei   um eine Art Lösegeldzahlung gehen. 129 Fohrer, Hiob, 158, übersetzt „hierin“. Das Suffix scheint keinen konkreten Bezugspunkt zu haben. Möglich wäre im Prinzip nur ein Rückbezug auf   am Anfang der Rede, was auch der Bedeutung des Todeswunsches in der Rede entspricht. 130 Gegen Pope, Job, 56: „The injustice is the unfair assumption that Job must be guilty.“

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Beziehung zum Prolog lässt sich mit Einschränkungen nur in der in 2,11–13 nicht erfolgten Trostspendung entdecken: Einen Bezugspunkt in dieser Hinsicht stellt die Formulierung    dar, denn in Hi 2,11b (      

) waren die Freunde überein gekommen, Hiob zu trösten. Hi 6,22 erinnert demgegenüber an Hi 42,11.131 Der Charakter der Rede verändert sich ab Hi 7,1. Der vage Bezug zu den Freunden wird aufgegeben.132 Zunächst geht der Text in 7,1–10 wieder in die Klage über. Hi 7,1 setzt damit ein, dass Hiobs Leiden als Teil des Menschenschicksals beschrieben wird (    133      „Ist nicht Heer[dienst] dem Menschen auf Erden, und wie die Tage eines Lohnarbeiters sind seine Tage?“). Die beklagte Existenz scheint sich aber nicht auf unerwartetes Unheil zu beziehen, sondern eher ein dauerhaftes Leid im Blick zu haben. Vergebliches Arbeiten (V. 2f), Ruhelosigkeit (V. 4), rasches Dahinschwinden der Lebenszeit (V. 6) decken sich nicht mit dem Bericht des Rahmens, wo ein erfülltes Leben unvermittelt zerstört worden ist. Auch die Krankheit, die in V. 5 beschrieben wird, fügt sich nicht zu dem im Prolog erwähnten Aussatz.134 Innerhalb von Hi 7,1–10 ist die Klage zunächst wie in Hi 3 ohne jegliche Anrede formuliert. In V. 7f findet sich dann im Imperativ und im Gebrauch der 2. Sg. mask. ein Bezug zu einem Gegenüber. In V. 7 ist noch nicht klar, an wen die Rede sich richtet; in V. 8b deutet sich an, dass Gott angesprochen ist. Zwar wird dort nicht explizit gesagt, wessen Auge den dann Gestorbenen nicht mehr sehen wird. Im ersten Halbvers kann   „ein mich sehendes Auge“ sich auch auf Menschen beziehen. Doch muss der in V. 8b Angesprochene jemand sein, der gerade als anwesend gedacht ist, aber Hiob und sein Leiden bislang ignoriert. Damit kann V. 7f nur auf Gott be-

131

Vgl. unten, 354. Course, Speech, 41f, sieht dagegen in 7,1 einen Bezug auf Hi 5,6f. Allerdings ist es signifikant, dass Hiob in Hi 7 allgemein von dem Leid als Menschenschicksal spricht und sich in dieses einordnet, während Eliphas die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Leid in Bezug auf Hiobs Leiden formuliert hatte. Auch ist in 7,1ff keinerlei Polemik gegen Eliphas spürbar, und das Thema Schuld oder Unschuld kommt nicht vor. Eine besondere Beziehung von 7,1 nach Hi 5,6f ist daher wohl nicht intendiert. Anders verhält es sich am Anfang von Kap. 6. Auf die Argumentation von Eliphas reagiert Hiob dort (6,6f) mit einer harten Zurückweisung. In 7,1ff verschärft er mit der Verallgemeinerung seines Schicksals den Vorwurf gegen Gott. 133 Das Qere  entspricht dem poetischen Stil. Vgl. Fohrer, Hiob, 163. 134 Zwar führt Hölscher, Hiob, 24, aus, dass es sich um eine bestimmte Art des Aussatzes handeln könnte; aber schon der dabei vorausgesetzte lange Krankheitsverlauf widerspricht der Darstellung in Hi 2. 132

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 6f

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zogen sein. Wenn Gott nach ihm sehen wird, wird er nicht mehr da sein. 135 Der Passus dient dazu, Gott indirekt ins Unrecht zu setzen. Die Verse 7,1–10 mit ihrer verhaltenen Ausrichtung auf Gott scheinen dazu zu dienen, die nachfolgenden direkten Angriffe gegen die Gottheit zu rechtfertigen und vorzubereiten. Eine Scharnierfunktion zwischen den Abschnitten hat V. 11. Mit  wird zwischen der nachfolgenden und der vorangehenden Aussage ein Zusammenhang hergestellt. Mit ...          wird also an die allgemeinen Aussagen die eigene Klage angebunden. Mit der Herstellung des Zusammenhanges zwischen Hi 7,1–10 und dem nachfolgenden Abschnitt bestätigt sich, dass in V. 7f schon Gott angesprochen war. Der direkt an Gott gerichtete Abschnitt (Hi 7,11–21) ist dabei wie Kap. 3 wieder vom Thema des Todeswunsches angesichts der Leiden geprägt. Mit diesem Thema wird ein weiterer Zusammenhang mit dem allgemein gehaltenen Abschnitt hergestellt, denn auch in Hi 7,7–10 ging es schon um den unmittelbar bevorstehenden Tod. Da 7,1ff durch das Fehlen einer Anrede Gottes an Kap. 3 erinnert und durch die in Hi 7,11–21 folgende Reihe direkter Vorwürfe über Kap. 3 hinausgegangen wird, kann man Hi 7 am ehesten als Anknüpfung an Hi 3 verstehen.136 So wird in V. 13f erwähnt, dass Gott dem schlafenden Hiob böse Träume geschickt habe, die diesen erschreckten. In V. 15 findet sich das Motiv des Todeswunsches wieder. Einerseits wünscht der Sprecher sich dabei den Tod als Ende der Leiden herbei (V. 15),137 andererseits sieht er in den Leiden den Tod kommen (V. 16). Die in V. 16 enthaltene Aufforderung an Gott, doch von Hiob abzulassen, wird dann gerade damit begründet, dass ja der Tod sowieso kommt. In dem Zusammenhang wird deutlich, dass der Todeswunsch angesichts des sowieso nahe bevorstehenden Todes der Gottheit das versagt, was eigentlich Konvention gewesen wäre, die Bitte um Lebensrettung.138 Interessant ist in diesem Zusammenhang noch einmal, dass neben den Vorwürfen (7,12.14) gegen Gott139 dieser lediglich aufgefordert wird, von dem Klagenden abzulassen (

– Hi 7,16).

135

Vgl. Hartley, Job, 147. Nach Horst, Hiob, 99, erneuert [die Anknüpfung, R.H.] die Klage von Kap. 3 und stellt sie unter neue Gesichtspunkte. 137 Die Formulierung „meine Seele hat sich Erwürgen gewählt, Tod wegen meiner Knochen“ drückt den Todeswunsch aus. 138 Vgl. Gunkel, Einleitung, 218, sowie oben, 44, mit Anm. 57. 139 Hier wird auf mythische Zusammenhänge angespielt. Vgl. Fohrer, Hiob, 179 (Parallelstellen); Newsom, Job, 395. Janzen, Another Look, 113, weist dabei auf den Zusammenhang mit der ersten Gottesrede (Hi 38,8–11) und die (intendierte) Diskrepanz zwischen Hiobs Vorwurf und Gottes Antwort. 136

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Mit V. 17–21 wird ein neues Thema eröffnet. Hiob klagt bei seinem Gott die Verhältnismäßigkeit im Umgang mit ihm ein. Hiob als ‚kleiner Mensch‘ fühlt sich von Gott über Gebühr geprüft und daher ungerecht behandelt. In Hi 7,17 wird eine Aussage aus Ps 8,5 parodisiert. 140 Die Parodie besteht darin, dass die Aussagen zugespitzt werden. Aus Gottes Beachtung für den Menschen wird in Hi 7,17, dass Gott ihn groß macht141 und seine Gedanken auf ihn gerichtet sind. V. 18 drückt das ganze Gegenteil von Ps 8,6 aus. Die Absicht der Anspielung besteht darin, das Lob des Psalms zur Klage werden zu lassen.142 Die parodisierende Aufnahme eines offenbar als bekannt vorausgesetzten Psalmes zeigt außerdem, dass die intendierten Adressaten der Hiobdichtung als vertraut mit solchen religiösen Texten angesehen werden. 143

V. 17–19 und 20f thematisieren, was im Hintergrund des ganzen Redeganges steht. Es geht nicht um unschuldiges Leiden, das beklagt wird, sondern um die Verhältnismäßigkeit von Hiobs Leiden. Denn Schöpfer und Geschöpf stellen ein ungleiches Gegenüber dar. Den Angriff Gottes (V. 20) wie das fehlende Erbarmen (V. 21a) erfährt der Leidende als göttliche Willkür und Ferne Gottes144. Damit wird ein Zusammenhang mit der Eliphasrede hergestellt, wo das erste Mal die Perspektivität der Gerechtigkeit thematisiert wurde. Angesichts des Gefälles zwischen Schöpfer und Geschöpf müsste die Gottheit eigentlich mit Erbarmen und mit Hilfe (V. 20), aber auch mit Vergebung (7,21a) antworten.145 Dass dies nicht geschieht, wirft Hiob Gott vor, der von ihm ironisch als    „Hüter/Bewahrer des Menschen“ (V. 20) angesprochen wird, was noch einmal die eigentliche Erwartung an Gott, nämlich die Bewahrung und den Schutz impliziert. 140 Vgl. Fohrer, Hiob, 180; Hartley, Job, 151. Nach C. Frevel dient die Verarbeitung von Ps 8 in Hi 7,17 und 19,9 dazu, „die Tragödie deutlich zu machen und die Ungerechtigkeit und Unrechtmäßigkeit des Schicksals Ijobs herauszustreichen“ (Frevel, Theologie, 266; vgl. ders., Schöpfungsglaube, 487f). Zur Intertextualität der Hiobdichtung mit Ps 8 vgl. weiter Köhlmoos, Auge Gottes, 362. 141 Üblicherweise wird mit „dass du ihn groß achtest“ übersetzt (so Lutherübersetzung von 1984; Hesse, Job, 64; Guillaume, Job, 25). Fohrer, Hiob, 159, schlägt „großziehst“ vor.  (Pi.) kann diese Bedeutung haben. Im Gegenüber zum zweiten Halbvers hat man sich eher für die hier vorgeschlagene allgemeine Bedeutung zu entscheiden. 142 Vgl. Hartley, ebd. 143 Ähnlich ausgerichtet wie Hi 7,17f. ist der verwandte Ps 144,3f. 144 Hermisson, Notizen, 128, stellt fest, dass in dem Vers die Schuld Hiobs als Effekt der Übermacht Gottes beschrieben werde. Der Vorwurf der Ferne lässt sich dem Fortgang mit   entnehmen. In die gleiche Richtung weist auch Hi 7,20b. Wenn man den hier vorgenommenen Tiqqun ernstnimmt, muss man interpretieren „(Warum) bin ich dir zur Last geworden?“ Vgl. McCarthy, Tiqqune Sopherim, 79–81. 145 Es geht an der Intention des Textes vorbei, wenn man bemängelt, dass hier der Ernst der Sünde heruntergespielt werde. So Horst, Hiob, 122, in Rückgriff auf Hempel. Es handelt sich aber auch nicht um einen „gefühlsmäßigen Protest gegen einen Zustand, der von Hiob erlebt wird als ein Suchen nach ihm durch den Übermächtigen“ (de Wilde, Hiob, 130).

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 6f

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Interessanterweise richtet der Leidende am Schluss seiner Rede den bevorstehenden Tod nach 7,7–10 ein weiteres Mal gegen die Gottheit:    „wenn du mich suchen wirst, werde ich nicht da sein“ (Hi 7,21b). Im Hintergrund steht dabei, dass der Gottheit dann der Vorwurf des fehlenden Erbarmens und übermäßiger Bestrafung dauerhaft erhalten bleiben würde. Aus der Formulierung wie auch aus Hi 7,8b geht hervor, dass an ein Weiterbestehen der Gottesbeziehung über den Tod hinaus nicht gedacht ist. Der Tod zerreißt das Band zwischen Hiob und Gott, was Gott dann auch ein auf Hiob bezogenes Handeln unmöglich macht. Die Hiobrede Hi 6f ist schwächer mit den Freunden als Gegenüber verbunden als die vorangehende Eliphasrede. Erst in 6,21ff werden sie direkt angesprochen. Die Rede schließt sich aber beim Thema des Todeswunsches eng an die Eröffnungsklage Kap. 3 an. Die Klage und der Todeswunsch werden ausführlich begründet und gerechtfertigt. Dadurch vollzieht sich indirekt auch eine Zurückweisung der Eliphasrede.146 Eine Spannung zum Prolog besteht darin, dass Hiob sein Leiden als eine Gefahr für die Integrität der Gottesbeziehung ansieht. Der Tod wird demgegenüber als Ausweg betrachtet. Kap. 7 schließt sich mit der unpersönlichen Klage formal eng an Hi 3 an. Dann gleitet der Text in die Anrede an Gott hinüber, an den harte Anklagen gerichtet werden. Verbindendes Element zwischen Hi 6 und 7 ist der Vorwurf der fehlenden Barmherzigkeit. Die Freunde auf der einen und Gott auf der anderen Seite haben angesichts des übermäßigen Leides allen Grund, dem Leidenden beizustehen, ihm barmherzig und unterstützend zu begegnen, was beide Parteien aber nicht geleistet haben. d) Hi 8 – Bildads erste Rede Die Rede wendet sich nahezu durchgängig an Hiob (2. Sg. mask.). Hier zeigt sich ein Kontrast zur vorangehenden Hiobrede, die weniger stark auf das Gegenüber bezogen war. Inhaltlich bezieht sich in der Bildadrede schon in Hi 8,2a mit   zusammenfassend auf die vorangehende Hiobrede. Die Frage „Bis wann willst du diese (Dinge) sagen?“ ist eine polemische Bezugnahme,147 die sich ähnlich auch in 18,2 in der zweiten Rede Bildads148 und in

146

Zu weiteren möglichen Anspielungen auf die Eliphasrede vgl. Course, Speech, 39.  ist ein aramäisches Lehnwort. Dass es hier in der Polemik Verwendung findet, dürfte mit dem Parallelismus zusammenhängen. In V. 8b wird Hiobs Reden als „mächtiger Wind“ bezeichnet. Daher dürfte mit  eine Anspielung auf 1 „verdrossen, müde sein“ vorliegen. 148 Vgl. Fohrer, Hiob, 187. 147

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

19,2 in einer Hiobrede findet.149 In V. 3 zielen die beiden rhetorischen Fragen auf die direkt vorangehenden Inhalte der Hiobrede. 150 Bildad hält den Widerstand Hiobs für ungerechtfertigt und weist die Klage über die Unverhältnismäßigkeit seines Leidens als unberechtigt zurück. Die rhetorischen Fragen (          ) beziehen sich im Parallelismus auf Recht und Gerechtigkeit Gottes, die sich Hiob zu hinterfragen angemaßt habe. Es ist auffällig, dass konkret von einer Beugung des Rechtes und der Gerechtigkeit durch Gott in den vorangehenden Hiobreden nicht die Rede ist. Bildad verlagert damit die Problematik. Hiobs Anklage der fehlenden Barmherzigkeit auf Seiten Gottes, seine Anmahnung von Hilfe und Vergebung wird hier als Vorwurf der Ungerechtigkeit in einem juridischen Sinne verstanden.151 Abgelehnt wird damit die Möglichkeit einer moralischen Bewertung von Gottes Handeln. Gleichzeitig machen die rhetorischen Fragen deutlich, dass es Ungerechtigkeit in Gottes Handeln generell nicht gibt. Dazu führt Bildad als Exempel das Schicksal von Hiobs Söhnen an:        . Es legt sich nahe, dass  insgesamt hier in der Bedeutung „durch/wegen“ gebraucht ist,152 die u.a. auch in Ex 4,13; Jer 29,3, aber auch im mischnischen Hebräisch belegt ist.153 Es ergibt sich also der auch in verschiedenen Übersetzungen oft so aufgefasste Sinn „er verstieß sie um ihrer Übertretung willen“.154 Das Tempus des Verses 149

Vgl. Horst, Hiob, 128. Vgl. Fohrer, Hiob, 187. 151 Ähnlich interpretiert Horst, Hiob, 128: „Ein untragbarer Angriff auf Gott muß es den Freunden sein, wenn Hiobs Klagen auf den Vorwurf zielten oder ihn auch nur begünstigten, daß Gott das Recht verkrümmen und also einem Menschen willentlich Unrecht tun könnte.“ Ähnlich: Lamparter, Hiob, 67; Wharton, Job, 52f. De Wilde, Hiob, 133, sieht eine Verengung der Problematik: „Bildad wirft hier als Kernfrage auf: Handelt Gott etwa ungerecht? Er verengt damit die Problematik; Hiob hatte bis hierher allein über die Handlungsweise Gottes im allgemeinen geklagt.“ Dass Bildad das Thema der vorangehenden Rede verfehlt, dürfte mit Ebach, Hiob I, 85, intendiert sein. Eine Verbindung zwischen 6,29f und 8,3, wie von Course, Speech, 50, vorgeschlagen wird, ist kaum intendiert, da in 6,29 einerseits die juristische Komponente, andererseits der Gottesbezug fehlt. Es geht dort um die Richtigkeit von Hiobs Position gegenüber den Freunden, nicht um Rechtsbruch durch Gott. 152 Von den Wörterbüchern wird vorgeschlagen,     mit „in die Hand der Sünden übergeben“ (Gesenius17, 665) bzw. mit „dem Zugriff der Unrechtstat überlassen“ (HAL, 923) zu interpretieren. Vgl. auch Jenni, Beth, 199, der für  (pi.) die Bedeutung „ausliefern“ vorschlägt. M.E. widerspricht dies aber der Fügung mit dem Verb. Denn  (pi.) bezeichnet in der Regel ausgehend von der Grundbedeutung „ausstrecken“ ein Wegschicken ohne konkretes Ziel (bis hin zur Verstoßung). Daher ist  eher als eine präpositionale Fügung mit einer eigenen Bedeutung aufzufassen, wobei der nominale Charakter von  entfällt. Fohrer, Hiob, 184, erwägt vom Ugaritischen her eine ähnliche Lösung. 153 Vgl. Dalman,  / , 179f. 154 Siehe zu dem Gebrauch von  auch Gesenius18, , 439. 150

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 8

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(4a Perfekt, 4b waw-Imperfekt) zeigt, dass das mit  eingeleitete Beispiel der Söhne nicht nur konditional zu verstehen ist. Das waw-Imperfekt   zeigt, dass die Verwerfung der Söhne bereits als Realität angesehen wird. Als Beispiel für Hiob kann das Ganze dienen, da die Schuld der Söhne aus der Sicht des Sprechers bereits feststeht. So wird Hiob deren Geschick als Beweis dafür angeführt, dass auch auf Hiob der Tun-Ergehen-Zusammenhang zutrifft, und sein Leiden die Folge einer Verfehlung ist. Alle nachfolgenden Aussagen in Kap. 8 sind von diesem Gedankengang abhängig. Formal stellt V. 4 einen synthetischen Parallelismus dar, der  mit  zusammenbringt. Da von den Söhnen Hiobs und ihrem Sündigen die Rede ist, kann ein Querbezug zum Prolog vorliegen, der genauer beleuchtet werden muss.155 Allerdings ist vom Tod der Söhne in 8,4 nicht die Rede. Die Annahme, dass der Tod der Söhne auf eine Sünde bezogen wird, legt sich aber aufgrund der gesamten Argumentation nahe. Die nachfolgenden V. 5–7 gehen vom Beispiel der Söhne zu Hiob über. Gott werde ihn wieder restituieren, wenn er sich an Gott wende. Dabei wird explizit auf den Schluss der vorangehenden Hiobrede zurückgegriffen, wo Hiob Gottes Mangel an Fürsorge beklagt hatte und am Schluss zu der Formulierung gekommen war, dass er nicht mehr da sei, wenn Gott ihn suchen werde (7,21b). Umgekehrt so Bildad, müsse Hiob Gott suchen, indem er ihn anflehe.156 Begründet wird diese Einschätzung mehrfach damit, dass eine intakte Gottesbeziehung als Grund des Lebens beschrieben wird (V. 11ff.13ff.20): Sie bewahre den Frommen im Unterschied zum Frevler und gebe den Sündern Hoffnung. Die V. 5f sind eindeutig in diese Richtung auszulegen. Die Zuwendung zu Gott und das Flehen zu ihm (V. 5) implizieren eine Schuld, auch wenn Hiob als integer () und aufrecht () gilt (und nicht wie auch bei Eliphas ausgeschlossen als rein [] und gerecht [ ]). Nimmt man die beiden Punkte, die vorausgesetzte Verfehlung157 und den Verweis auf eine intakte Gottesbeziehung, die in der Anrufung Gottes besteht, zusammen, dann ergibt sich, dass Schuld und Verfehlung aus Bildads Perspektive eine intakte Gottesbeziehung nicht ausschließen.158 Freilich wird eine mögliche konkrete Sünde nicht benannt, wohl aber als Grund für Hi155

Siehe den Vergleich der Hinweise auf die Kinder Hiobs unten, 350ff. Vgl. Course, Speech, 50. 157 Ein Verweis auf eine Schuld Hiobs ist in Hi 8,5 aufgrund der Bezugnahme auf eine Schuld von Hiobs Söhnen implizit enthalten. So auch Fohrer, Hiob, 189. 158 Es ergibt sich ein Bezug zu der vorangehenden Hiobrede, die eine mögliche Verfehlung ebenfalls nicht ausschloss. So Wharton, Job, 53; Fohrer, Hiob, 190. Doch dürfte die Beschreibung des Geschickes des Frevlers nur für den Fall auf Hiob zu beziehen sein, dass dieser auf seine am Leid zu erkennende Schuldigkeit nicht mit dem Flehen zu Gott (V. 5b) antwortet. 156

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

obs Geschick vorausgesetzt und Hiob eine Umkehr nahegelegt.159 Dies werde letztlich zu einer Restitution führen. Mit der Rahmenerzählung stehen die Schlussworte Bildads in V. 20–22 im Konflikt. Dort wird einerseits noch einmal bekräftigt, dass Gott den Frommen (Sg.  und nicht  ) nicht verwirft (V. 20). Dagegen werden die Übeltäter (Pl.) von Gott nicht bewahrt (      ). Im Hintergrund dieser Gegenüberstellung steht das Konzept, dass der Fromme, wenn er sich an Gott wendet (8,5), von Gott auch nicht verworfen wird. Daran heftet sich die Zusage von Heil, die voraussetzt, dass Hiob als  „Frommer“ sich an Gott wendet. Gott werde ihm, den Klagenden, dann wieder zum Lachen und Jubeln verhelfen (V. 21).160 V. 22 wendet sich demgegenüber wohl den Übeltätern aus V. 20b zu, ist aber insofern überraschend, als hier von dem Klagenden gegenüberstehenden und offensichtlich für dessen Leid verantwortlichen Hassern gesprochen wird (), die dann im zweiten Halbvers als Frevler ( ) bezeichnet werden.161 Es geht in der Bildadrede also nicht um die zwei Wege von Frevlern und Gerechten,162 sondern um das Geschick des Buße tuenden Frommen gegenüber dem Frevler, der den Weg der Hinwendung zu Gott nicht einschlägt. Dadurch entsteht eine inhaltliche Klammer zum Anfang der Rede. Für Hiobs Leid ergibt sich, dass Widersacher und Anfeindungen durch andere vorausgesetzt sind. Die Bildadrede ist formal sehr eng auf das Gegenüber bezogen. Hiob wird durchgängig angesprochen. Inhaltlich stellt die Rede eine Zurückweisung der vorangehenden Rede Hiobs dar, in der dieser gegenüber Gott und den Freunden fehlende Barmherzigkeit beklagt hatte. Bildad weist darauf hin, dass an Gottes Urteil nicht zu zweifeln ist. Er führt das Beispiel von Hiobs Söhnen an, die aufgrund ihrer Sünde verstoßen worden seien (8,4). Ähnlich wie dies in der vorangehenden Eliphasrede der Fall war, wird auf die Notwendigkeit verwiesen, sich flehend an Gott zu wenden (8,5). Der Gebrauch von  impliziert dabei ebenfalls ein Schuldanerkenntnis Hiobs. Dies werde letztlich in eine Restitution Hiobs münden. Die Bildadrede unterscheidet sich von der Eliphasrede darin, dass nun offenbar an eine konkrete Schuld und nicht mehr wie bei Eliphas nur an Schuld im Sinne des Perspek159

Vgl. Fohrer, Hiob, 189. Vgl. ebd., 194. 161 Die LXX verweist in 8,21f auf eine pluralische Größe. Dieses Schwanken kann mit der auch der LXX bewussten Beziehung der beiden Verse zu verschiedenen Psalmen (bes. Ps 126) zusammenhängen. Vgl. Horst, Hiob, 135. Dass es hier trotz der Verarbeitung von Traditionen konkret um Hiob geht, zeigt die Parallelität mit dem Schluss der Eliphasrede, wo die Heilszusagen (Hi 5,17–21) ebenfalls konkret auf Hiob bezogen waren. Gegen Horst, ebd. 162 So Wharton, Job, 53. 160

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tivunterschiedes gedacht ist, wonach Menschen von Gott her generell nicht als rein und gerecht erachtet werden können. Interessant ist beim Vergleich mit dem Prolog, dass der Bezug auf Hiobs Söhne anders als dort nicht mit Hiobs Geschick verknüpft zu sein scheint. In Hi 8 dürfte gegenüber dem Bericht vom Tod der Kinder (Hi 1,18f) eine Vorstellung im Hintergrund stehen, nach der jeder grundsätzlich für die eigene Sünde gerade zu stehen hat (vgl. Dtn 24,16).163 Darüber hinaus fehlt ein konkreter Bezug zur Szenerie der Rahmenhandlung insbesondere auf das Unheil, das Hiob getroffen hat; in Hi 8,22 wird auf Hiob gegenüberstehende Hasser Bezug genommen, die Teil seines Leides sind, was dem Rahmen nicht entspricht. e) Hi 9f – Hiobs dritte Rede Die dritte Rede Hiobs (Hi 9f) enthält keine Anrede an den bzw. die Vorredner. Sie umkreist die in V. 2b genannte Frage, was einen Menschen bei Gott gerecht werden lässt. Diese Frage ist aber durch die Eröffnungsformulierung      „wahrlich weiß ich, dass es so ist“ auf eine voranstehende Äußerung bezogen. Denn das  kann hier nur dazu dienen, einen Zusammenhang mit den vorangehenden Äußerungen der Freunde herzustellen.164 Worauf sich 9,2a bezieht, erschließt sich im Zusammenhang des konkreteren Halbverses (9,2b): „Und was macht einen Menschen bei Gott gerecht?“ Die Eröffnung mit der Kopula zeigt den Zusammenhang mit der mit  substituierten Aussage. Daher dürfte 2a letztlich den rhetorischen Charakter der Frage 9,2b bekräftigen. Hiob weiß also, dass nichts den Menschen bei Gott gerecht macht.165 Eine entsprechende Aussage findet sich aber in der Rede des Bildad nicht.166 Stattdessen ist die Formulierung        der in der Eliphasrede zitierten Offenbarungsrede (      „Ist [etwa] ein Mensch gerechter als Gott?“ – Hi 4,17) sehr nahe. 163 Wenn in Ez 14,12ff auf den Tod von Hiobs Kindern verwiesen ist, dann liegt dort zwar ebenfalls die Vorstellung vor, dass jeder für seine Sünde sterben muss. Ez 14,12ff könnte sich theoretisch auf eine Hiobüberlieferung beziehen, in der anders als in Hi 1 Hiob seine Kinder vor dem Tode gerettet hat. Da in Ez 14,12ff aber nicht nur von Hiob, sondern auch von Daniel und Noah die Rede ist und auch ein Bezug auf Hi 1,5 vorliegen könnte, kommt man mit solchen überlieferungskritischen Überlegungen letztlich nicht weiter. 164 Vgl. Fohrer, Hiob, 203. 165 Mit Ebach, Hiob I, 93. 166 Allenfalls kommt die Diskussion aus der vorangehenden Bildadrede über das Geschick der Sünder in Frage. Ausgeschlossen ist, dass Hi 9,2a an Hi 8,3 anknüpft und die dort gestellte Frage positiv beantwortet, obwohl die rhetorische Frage eine negative Beantwortung impliziert (so Course, Speech, 60). Hiob wirft Gott auch in Kap. 9 gerade nicht die Verkehrung des Rechtes vor, sondern dessen machtvolle Position und das Fehlen seiner Fürsorge.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Ein inhaltlicher Zusammenhang mit dieser Aussage wird dadurch unterstrichen, dass es sich beide Male um rhetorische Fragen handelt, dass also jeweils Selbstverständliches ausgedrückt wird. Das bedeutet, dass Hiob nun die in der Rede des Eliphas aufgeworfene Perspektivität der Gerechtigkeit akzeptiert, dass vor Gott nicht gerecht ist, was bei den Menschen als gerecht gilt. Hiob führt das Perspektivproblem in den nachfolgenden Versen in einem eigenen Gedankengang aus. Er begründet mit Gottes Schöpfermacht (9,3–10), dass nichts den Menschen bei Gott gerecht machen kann.167 Die in der Schöpfermacht Gottes begründete Perspektivität hat Konsequenzen, die in Hi 9,11–13 zur Sprache kommen und für den Klagenden von Relevanz sind, weswegen in V. 11 das Ich des Sprechers erscheint. Weil Gott als Schöpfer Herr über die ganze Welt ist, ist Hiob ihm gegenüber nicht im Recht; denn die Gottheit handelt souverän, wobei der Leidende sein Handeln nicht einsehen kann (V. 11). Gott vernichtet (V. 12) und gebietet seinem Zorn keinen Einhalt (      – V. 13). In den drei Versen ist noch keine Anklage enthalten. Aber das Geschick des Leidenden wird auf Gottes machtvolles Handeln zurückgeführt. Im nachfolgenden Zusammenhang (9,14–35) geht Hiob explizit auf seine machtlose Stellung gegenüber Gott ein: Er vermag es nicht, ihm gegenüber etwas zur Verteidigung vorzubringen, da man vor ihm um sein Recht flehen müsste (V. 14f).168 Hier findet sich die gleiche Konsequenz des Perspektivitätsproblems der Gerechtigkeit, die auch von Eliphas angemahnt worden war. Mit der Bildadrede besteht ein Zusammenhang, da Bildad Hiob aufgefordert hatte, zu Gott zu flehen.169 Auch wenn Hiob im Recht wäre (  ), könnte er Gott nichts erwidern ( ). Die Interpretation der Perfektform in konjunktivischen Sinne ergibt sich direkt aus dem Rückgriff von 9,2b auf Hi 4,17, wo Hiob zugesteht, dass ein Mensch vor Gott nicht gerecht ist.170 Die Anklage geht in V. 16–20 von dem Vorwurf, dass Gott nicht auf die Stimme des rufenden Klagenden hört und antwortet (         ), dazu über, dass Gott nicht nur Untätigkeit, sondern weiteres unheilvolles Handeln vorgeworfen wird. In 9,17 erscheint dabei das erste Mal der sog. Wettersturm als Ort, von dem her die Gottheit handelt.171 Da der Vorwurf, dass Gott nicht antwortet, auf das direkte Zusammentref167 Der Zusammenhang innerhalb des Abschnittes ist dadurch gegeben, dass sowohl die eher destruktiven Aussagen zur Macht Gottes über die Natur (V. 5–7) als auch die Aussagen über die Schöpfermacht Gottes selbst (V. 8ff) verschiedentlich im Lobpreis Gottes vorkommen. Vgl. Newsom, Job, 410. 168 Vgl. Hartley, Job, 175. 169 Vgl. Ebach, Hiob I, 97. 170 Gegen Course, Speech, 60. Zum irrealen Konditionalgefüge vgl. Meyer, Grammatik III, 111.116.

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fen Hiobs mit Gott in den Gottesreden zielt, dürfte mit   auch schon auf den Schlussteil der Dichtung abgezielt sein, obwohl die Terminologie nicht dieselbe ist wie in Hi 38,1; 40,6 (dort  ). Die Vorstellung vom Wettersturm, die hier und in Hi 38,1; 40,6 aufgerufen wird, unterscheidet sich von der Thronratsvorstellung in den Himmelsszenen des Prologs und auch von der Selbstmitteilung Jhwhs in Hi 42,7ff.172 Hiob erfährt Gott als Angreifer, der nach ihm greift ( 173), und seine Wunden umsonst vermehrt ( [Hif.]). Der Gebrauch von  ist an der Stelle, an der Gottes destruktives Handeln gegen den Klagenden thematisiert wird, auffällig. Man ist an Hi 2,3 erinnert, wo Jhwh dem Satan vorwirft, er habe ihn aufgehetzt, Hiob umsonst zu verderben (    ). Das syntaktisch wie in 2,3 verwendete  wird hier auch inhaltlich ähnlich gebraucht. Gott hat – so die Aussage von 9,17 – keinen Grund dafür, Hiob unablässig zu schlagen. Der Kontext (bes. 9,15) macht darüber hinaus aber deutlich, dass „[d]ieses  % ! [...] den Mächtigen als ‚inadäquat‘ Handelnden [charakterisiert]“174. Die nachfolgenden Sätze führen die Argumentation in diese Richtung fort. Beklagt wird Gottes Macht, die dazu führt, dass das Recht ihm gegenüber nicht eingeklagt werden kann. (V. 19). Das Ganze gipfelt in der Aussage (V. 20), dass Hiob, selbst dann, wenn er Recht hätte ( ) und rechtschaffen () wäre, von Gott schuldig gesprochen würde (  [Hif.]).

171 Die Mehrheit der masor. Hss liest wie Cod. L  . Dennoch ist gerade die textkritische Problematik ein erstes Zeichen dafür, dass ein Zusammenhang mit den Gottesreden gesehen worden ist oder gesehen werden sollte. Möglich ist, dass hier eine inhaltliche Nähe zu Nah 1,3 dazu geführt hat, dass man wie dort   geschrieben hat. Da die LXX die drei Stellen Hi 9,17; 38,1 und 40,6 nicht konkordant übersetzt, wird   in 9,17 von der LXX nicht bestätigt, so dass   in 9,17 ursprünglich sein dürfte. Im übrigen ist der Wechsel der Schreibung unproblematisch. Vgl. Michel, Job, 215 (Lit.). Gordis, Job, 106, schlägt demgegenüber vor,   „as the nomen unitatis of   ‚hair‘“ anzusehen. Vgl. Gesenius18, 1295. Eine Rezeption von Nah 1,3 bzw. des Eingangspsalms des Nahumbuches (Nah 1,2–8) insgesamt lässt sich zwar nicht beweisen, doch steht der Psalm vielen Aussagen der Hiobdichtung und gerade auch der Argumentation von Hi 9 sehr nahe, was die Orthographie von   erklären könnte. Interessanterweise wird in Nah 1,3 wie in Hi 9,17 Gott im Sturm lokalisiert wird, was sich auch mit Hi 38,1; 40,6 trifft. Fohrer, Hiob, 208, nennt als Vergleichstexte außerdem Jer 23,19; 30,23; Am 1,14. Dort findet sich   bzw.  . 172 Vgl. unten, 359. 173 Die Wurzel   ist schwer verständlich. Sie kommt nur in Hi 9,17; Gen 3,15 und Ps 139,11 vor. U.a. Budde, Hiob, 44, und Duhm, Hiob, 53, schlagen aufgrund des Vergleichs mit Gen 3,15 die Bedeutung „schnappen“ vor, was sich zu dem Parallelismus   (Hif.) gut fügt. Die LXX interpretiert das Verb allgemeiner, wenn sie es mit ëÁÌÉĕ¹¼ÀÅ „vertilgen“ wiedergibt. 174 Ebach, „Ist es ‚umsonst‘...“, 20.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Die Aussagen zeigen, dass eine Interpretation, Hiob werfe Gott eine Verdrehung des Rechtes vor, die Problematik nicht trifft. 175 Das Problem ist, dass Gott sozusagen über dem Recht steht.176 Sein machtvolles Handeln gegen Hiob ist in der Perspektivität der Gerechtigkeit begründet, die juristische Kategorien in Relation zu den Menschen ausschließt. J. van Oorschot zeigt in einer Studie auf, dass der Gegensatz von Gerechten und Frevlern einen „roten Faden“ „durch [die] jüdische Geschichte und Religion“177 bildet. Er konstatiert dabei für das Hiobbuch, dass „die direkte Konfrontation beider erstaunlicherweise eine völlig untergeordnete Rolle spielt“178. Im Hiobbuch dominiere demgegenüber „die Auseinandersetzung um Gottes und Hiobs Gerechtigkeit“ 179. Diese Einschätzung entspricht der inhaltlichen Tendenz des Hiobbuches, das ja von der Zurückweisung des gegen Hiob gerichteten Vorwurfes bestimmt ist, er sei ein . Adjektiv, Nomen und Verb kommen statistisch gesehen im Hiobbuch verhältnismäßig oft (40-mal180) vor. Nahezu genauso häufig finden sich Derivate der Wurzel  .181 Vergleicht man dann aber die Anzahl der bezeugten Adjektive   und , so hört diese Parallelität auf.  ist wesentlich häufiger (26-mal) bezeugt als  . Der Plural   kommt noch 16-mal vor, während   nur ganze 7-mal belegt ist, und der Plural hier lediglich ein einziges Mal vorkommt (Hi 22,19). Die Statistik bestätigt die inhaltliche Ausrichtung des Hiobbuches. Doch auch wenn der Inhalt des Hiobbuches eine durchgehend parallele Thematisierung des Gegensatzpaares nicht zulässt, so wird an sehr vielen Stellen der Gegensatz doch wie selbstverständlich vorausgesetzt. Dies ist nicht nur in den Freundesreden bzw. in den Elihureden der Fall, vielmehr wird zumindest der negative Part auch in den Hiobreden häufig erwähnt und zwar immer dann, wenn der Tun-Ergehen-Zusammenhang thematisiert wird, sei es, dass auf ihn insistiert wird oder sei es, dass man sein Fehlen beklagt. Die überwiegende Mehrheit dieser Stellen sind in van Oorschots Sinne indirekt der dritten Gruppe zuzurechnen, in denen der Gerechte den Frevlern gegenübergestellt wird (siehe Hi 3,17; 8,22; 10,3; 11,3; 16,11; 18,5; 20,5; 21,7.16f.28; 22,18; 40,12 182). An diesen Stellen stellt  wie /     eine Größe dar, die einer Kategorisierung von Menschen dient. Doch ist für die Be175 Fohrer, Hiob, 209, sieht den an Gott gerichteten Vorwurf, „daß er Macht gleich Recht sein läßt“. 176 So Weiser, Hiob, 74. 177 Van Oorschot, Der Gerechte, 236. S.E. lassen sich drei Stufen des Gebrauchs unterscheiden. Ausgehend von einer Gegenüberstellung des Gerechten und des Frevlers in der Erfahrungsweisheit, wird dies später in einer zweiten Gruppe von Texten mit dem Tun-Ergehen-Zusammenhang verbunden. Vgl. ebd., 226–229. Eine dritte Gruppe von Texten thematisiert den Gegensatz aus der Perspektive des Gerechten. Vgl. ebd., 229ff. Nach Reventlow, Evil Ones, vollzieht sich eine Begriffsverschiebung vom ethischen in den religiösen Bereich. 178 Van Oorschot, Der Gerechte, 232. S.E. findet sich die Thematik lediglich in den Elihureden häufiger. 179 Ebd. 180 Nach der Belegstellenzahl steht damit das Hiobbuch nach Pss und Spr an dritter Stelle. Vgl. Leeuwen, , THAT II, 813f. 181 Vgl. Koch,  , THAT II, 511. 182 An allen diesen Stellen bilden die   einen Kontrast zu Hiob – und zwar auch dann, wenn deren Geschick wie in Hi 3,17 nicht von dem Hiobs unterschieden wird.

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zeichnung einer Person als  trotzdem kein Schuldspruch im gerichtlichen Sinne notwendig.183 Oft wird „schuldig“ im Sinne der Bezeichnung als Gegengröße zum Ideal „gerecht“ gebraucht.184 Daneben gibt es Belegstellen, an denen keine „objektive Beurteilung“ vorgenommen wird. Hier wird oft das Verb verwendet, was auch im Hiobbuch der Fall ist. Qal und Hifil ordnen sich einander so zu, dass mit dem Qal eine etwaige Schuld zur Sprache kommt, während mit dem Hifil jemandem eine Schuld zugewiesen wird. Dies sagt dann prinzipiell noch nichts über den tatsächlichen „Charakter“ der betreffenden Person aus. Verbunden ist der Gebrauch häufig mit der Thematik des Perspektivproblems der Gerechtigkeit, dass das, was in Relation zu den Menschen als gerecht gilt, vor Gott nicht gerecht ist. Entsprechend steht das Thema Schuldigsein in den Hiobreden im Zusammenhang mit der Zurückweisung von Gottes Schuldspruch oder begegnet in der Klage über ihn. Das Hiobbuch wechselt zwischen der Perspektive Hiobs und der Perspektive Gottes und entsprechend kann  wie  /  jeweils unterschiedlich gebraucht werden. Im Kontext muss dann die Perspektive klargestellt werden, um die Bedeutung und Intention der Begriffe klären zu können.

Angesichts der Problematik des Gebrauchs von  (Hif.) stellt sich die Frage, ob in Hi 9,20 eine Willkür Gottes intendiert ist und Gott von Hiob ungerechtes Urteilen unterstellt wird.185 Doch diese Interpretation trifft den Sachverhalt nicht. Denn es geht wiederum eher um das Problem des Verhältnisses als einfach um Recht oder Unrecht auf Seiten Gottes. Menschliches Recht und menschliche Frömmigkeit haben vor Gott keinen Bestand; dies zeigt der Verweis auf Gottes Macht und Freiheit. Gott und Mensch lassen sich in juristischen Kategorien gerade nicht auf einen Nenner bringen; das stellt Hiob in Hi 9f fest. Er rezipiert dabei die Position des Eliphas (siehe 4,17–21) und widerspricht auch derjenigen Bildads nicht (siehe dessen Spitzenaussage in der rhetorischen Frage 8,3). Doch führt ihn das zur Resignation. In diesem Sinne hat man auch den syntaktisch schwierigen Vers Hi 9,21 zu verstehen.186 Hier scheint der Ausruf   den vorangehenden V. 19f zu widersprechen. Doch bringt sie in Kürze nur noch einmal Hiobs perspektivische Sicht vor, während    deutlich macht, dass Hiob sich trotz seiner Frömmigkeit () selbst nicht kennt. Im Sinne von Spr 183 Nach Rost, Erwägungen, 226, ist ein  jemand, „der auf Grund seiner Taten die Schuldigerklärung vor Gericht erwarten muß“. 184 Vgl. Jenni, Piel, 44. Allerdings gibt es beim Gebrauch des Hif. Fälle, bei denen Gott das Subjekt ist (Ex 22,8; 1 Kön 8,32), so dass zumindest der Gottheit die Möglichkeit deklarativer Entscheidung zukommt. Rost, Erwägungen, 226, nimmt an, dass das Nomen  ursprünglich eine konkrete Bedeutung gehabt habe, dann jedoch eine „Begriffserweiterung“ aufgrund von   als Gegenüber erfahren habe. 185 So legt u.a. Fohrer, Hiob, 208, die Stelle aus. 186 Die LXX sucht dem Vers durch eine Interpretation Sinn abzugewinnen. Ob Hiob schuldig ist, wird er erst wissen, wenn ‚das Leben von ihm genommen ist‘ (ÈÂüÅ  ĞÌÀ ÒθÀɼė̸ĕÄÇÍ÷½Ñû֖ե

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

24,12 wird hier indirekt darauf verwiesen, dass (nur) Gott die  kennt.187 Hiob weiß also um die Gründe seines Leidens nicht; dass es solche geben kann, bestreitet er nicht. Die Konsequenz aus diesem Dilemma, das sich im Gegenüber von Hiobs Perspektive ( ) und der Perspektive Gottes ergibt, wird in Satz 3 mit   „ich verachte/verschmähe mein Leben“ ausgedrückt. Damit bringt Hiob den bereits mehrfach geäußerten Todeswunsch im direkten Zusammenhang des Perspektivproblems der Gerechtigkeit, unter dem er leidet, vor. Im Sinne der beiden unterschiedlichen Perspektiven werden V. 22–24 verständlich. Aus der Perspektive Hiobs188 vernichtet Gott den Frommen wie den Frevler (           – Hi 9,22). Der Passus gipfelt in der Aussage von V. 24    . Die passive Formulierung (   ), ohne dass eine andere Vermittlungsgröße im Kontext im Blick ist (vorher wird in V. 23 eine parallele Aussage direkt über Gott gemacht), lässt nur den Schluss zu, dass Gott selbst ein „Frevler“  ist.189 Es handelt sich um eine euphemistische Formulierung, durch die die Radikalität der Aussage abgemildert wird. Inhaltlich schwer verständlich ist die Aussage des nachfolgenden Satzes   . Hier ist nicht an eine Vorstellung wie die verdeckten Augen von Justitia, der römischen Göttin der Gerechtigkeit, zu denken, aber auch nicht daran, dass Gott die „Rechtsnot mehrt“190, indem er nicht für die Einhaltung des Rechtes sorgt. Der Satz sagt nicht aus, dass diejenigen, die hier als  bezeichnet werden, untätig oder wirkungslos sind. Bei der Interpretation hat man von der Bedeutung des Verbs  auszugehen. Ein „Bedecken“ oder „Verdecken“ macht nicht unwirksam, wohl aber unerkennbar, ungreifbar und unsichtbar. Damit ist mit den Richtern der Erde () auf den gleichen Sachverhalt verwiesen wie mit V. 24a¸ե Daran, dass Gott scheinbar willkürlich Fromme und Frevler tötet, zeigt sich, dass Gott ein Frevler ist, der auch diejenigen, die hinter dem Leid in der Welt stehen, verdeckt hält.191 Abgeschlossen werden die beiden Verse durch den häufig als sekundär angesehenen Ausruf        . Einige hexaplarische Zeugen der LXX übersetzen hier mit ¼Ċ»òÄü¸ĤÌĠËÌĕËëÊÌÀÅ und interpretieren damit den vorangehenden Zusammenhang vielleicht unter dem Eindruck des Prologs stärker personal als MT (siehe Hi 1,12; 2,6); im MT muss sich     auf den Zusammenhang von V. 24 im Ganzen richten: „wenn es nun nicht (so) ist ...“192 Der Fortgang mit    „Wer ist er?“ bezieht sich zweifellos auf den Verursacher der 187

Hier tut sich ein Zusammenhang mit der Herausforderungsrede Hi 31 auf. Vgl. unten, 160ff. 188 Fohrer, Hiob, 196, übersetzt „darum behaupte ich“. 189 So auch Keel, Entgegnung, 19.44. 190 Horst, Hiob, 151; ähnlich Hartley, Job, 178. 191 Vgl. Hi 23,7 wo  ähnlich negativ konnotiert gebraucht wird.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 9f

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„Verdeckung der Richter“, also auf Gott selbst. Gefragt und damit nachträglich in Frage gestellt wird also die Aussage, dass die Welt in die Hand eines Frevlers gelegt ist, ob also Gott damit ein Frevler ist. Dies könnte man als Glossierung auffassen, da die Formulierung aus dem metrischen Aufbau des Verses herausfällt.193 Es kann aber auch der Abschluss jener von V. 22 an als überzogene Aussagen markierten Worte sein.194 Beachtet man, dass in V. 22      in ähnlicher Weise aus der parallelen Struktur der Verse herausfällt wie       , dann muss man die Formulierung nicht für sekundär halten. Sie bindet auch den Zusammenhang mit V. 22 zusammen: Wenn er nicht den Frommen wie den Gottlosen vernichtet (V. 22), nicht plötzlich tötet und über die Unschuldigen spottet (V. 23), die Erde nicht in die Hände eines Frevlers gelegt ist, und er nicht ihre Richter verborgen hat (V. 24a), wer ist es dann? Betrachtet man den Zusammenhang unter diesem Blickwinkel, so gibt sich dieser Ausbruch Hiobs dennoch zu erkennen als eine verzweifelte Suche nach dem Gott, von dem der Leidende trotz seiner Leiden nicht loskommt. Er hofft letztlich, dass seine Aussage, Gott sei ein Frevler, nicht der Tatsache entspricht. Der Fortgang der Rede in V. 25ff bestätigt diese Interpretation. Hier wird in die Klage gewechselt und damit nach den Vorwürfen gegen Gott (V. 22–24) in V. 28 in die Anrede an ihn. Zunächst beklagt er in den V. 25–31, dass sein Leben im Fluge vergeht und er nichts Gutes, sondern nur Leiden gesehen habe. V. 27f sehen als Grund für die Klage den Zusammenhang von Leid und Schuld (9,28: „Ich fürchte alle meine Schmerzen – ich weiß, dass 192 Ein Bezug, der im Sinne von „wenn er’s nicht tut“ (so de Wilde, Hiob, 138) nur einen Zusammenhang zum vorangehenden Satz herstellt, lässt sich im Fortgang bei    nicht halten. Hier geht es eben pauschal um Identität und Charakter Gottes. 193 So z.B. Stier, Hiob, 284. In der LXX fehlt (außer in einigen hexaplarischen Hss) die Schlussformulierung zusammen mit dem zweiten Satz. Ihr liegt eine andere poetische Gliederung mit Klammerung der dazwischen liegenden Verse durch V. 22 und 24a¸ zugrunde. Dies könnte der Versuch sein, die separate Stellung von V. 22 auszugleichen und gleichzeitig den schwierigen V. 24a¹b außen vor zu lassen. Dass die LXX in V. 24b die Glossierung habe korrigieren wollen und eine Art Überkorrektur vorgenommen hat (so Fohrer, Hiob, 199; vgl. zum von Fohrer vorausgesetzten Verfahren der Übersetzer ebd., 56), lässt sich so aber nicht beweisen. Die Frage müsste im Zusammenhang einer vollständigen inhaltlichen Analyse der LXX des Hiobbuches diskutiert werden. Vgl. dazu unten, 165f mit Anm. 585.586 und 193, Anm. 681. – Baumgärtel, Hiobdialog, 37, hält die Frage mit Verweis auf Hi 24,25 für unvollständig, doch lässt sich das genauso wenig beweisen. Immerhin ist    syntaktisch eine vollständige Frage. Hi 24,25a ist demgegenüber syntaktisch anders aufgebaut. Horst, Hiob, 151, ist sich über die Ursprünglichkeit unsicher. Für ursprünglich hält die Formulierung de Wilde, Hiob, 149, doch ist seine Interpretation des vorangehenden Satzes „die Verblendung durch Bestechung verhüllt ihnen die Augen“ nicht mit der Semantik von  vereinbar. 194 Dafür spricht auch die unpersönliche Formulierung, die Gott in der radikalsten Aussage von Hi 9,24a¸ nur indirekt nennt.

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du mich nicht reinigen wirst.“), der aus der Perspektive Gottes auch für den Klagenden besteht. Die Klage gipfelt mit V. 29 in der Aussage       . Von den Kommentatoren wird dieser Vers meist als Ironie angesehen. Doch dürfte hinter ihm wie im vorangehenden Vers das Anerkenntnis der aus der Perspektive Gottes klaren Aussage   stehen, die für Hiob die Konsequenz ergibt, dass sich angesichts dessen jede Mühe erübrigt. Dies treiben V. 30f noch einmal auf die Spitze. Hiob kann sich nicht reinigen, sondern Gott wird ihn in die Grube werfen, wobei vom Bild der Unreinheit, das dafür steht, dass sich der Sprecher als Frevler bezeichnet, hinübergewechselt wird zum Bild der Grube, in die der Leichnam gelegt wird. V. 32–34 thematisieren weiter das Perspektivproblem der Gerechtigkeit. Eingeleitet mit dem Begründungssatz     „denn nicht (ist er) ein Mann wie ich“, der die Irrealität der folgenden Aussagen hervorhebt, wünscht der Sprecher doch, er könnte mit Gott vor Gericht erscheinen. Wenn es eine Instanz gäbe, die zwischen Hiob und Gott über Recht und Unrecht entscheiden könnte (    ), wenn sein Stock und seine Furcht von ihm genommen würde, dann könnte er reden, ohne ihn zu fürchten, doch das ist ihm so nicht gegeben (      – V. 35b). In Hi 10,1.2a wird mit einer expliziten Eröffnung ein zweiter Gedankengang innerhalb der Hiobrede begonnen. Nach der noch an den vorangehenden Kontext des nahen Todes (9,25f.31) angebundenen Feststellung, dass Hiob sein Leben anekelt, folgt die Formulierung     . Wörtlich wäre das wiederzugeben mit „Ich will (laufen-)lassen über mich meine Klage.“195 Da der nachfolgende Satz zusammen mit dem Beginn von V. 2 (   ) die Rede eröffnet, und diese als Ausdruck der Bitternis der  bezeichnet, und wenn man bedenkt, dass in Kap. 10 eine Steigerung gegenüber dem vorangehenden Text vorliegt,196 indem Hiob nun eine radikale Anklage gegen Gott richtet, ist m.E. eher zu überlegen, ob sich  in      auf die vorangehende Rede zurückbezieht. Der Satz wäre dann im Sinne von „Ich will (ver-)lassen meine Klage über mich.“ zu interpretieren. Die Formulierung     in der vorangehenden Hiobrede (Hi 7,11) unterstützt diese Deutung.  ist also dann eine Bezeichnung für die bisherige Form der Klage in Kap. 9, während der in Hi 10,1.2a eingeleitete Abschnitt diese verlässt und sozusagen direkt an Gott gerichtet ist:         „Ich will reden in der Bitternis meiner Seele. Ich 195 Vgl. Gesenius18, 944; Fohrer, Hiob, 197. Die LXX liest ëÈЏ ¸ĤÌġÅ „zu ihm“, was dem vorangehenden Vers entspräche, aber eine Glättung darstellen könnte. Die Wahl von ëȸÎĕ¾ÄÀ „dagegen absenden, wegschleudern“ könnte dies erzwungen haben. 196 Fohrer, Hiob, 213, weist zurecht die Einschätzung von Weiser, Hiob, 77f, zurück, dass es sich um ein Klagegebet handele.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 9f

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werde sprechen zu Gott.“ Überschrieben mit der Aussage, dass Hiob sein leidvolles Leben anekelt, haben wir in Hi 10,1.2a eine Überleitung innerhalb der dritten Hiobrede vorliegen. Dieser Überleitung entspricht, dass Gott in der Rede nun tatsächlich direkt angesprochen wird und an ihn ein Jussiv und ein Imperativ gerichtet sind. Hiob richtet also Forderungen an Gott: „Mach mich nicht zu einem Frevler (  );197 tue mir kund, worüber du mit mir rechtest ()!“ Die an Gott gerichtete Aufforderung, keinen Schuldspruch vorzunehmen und Hiob die Ursache seines Leidens mitzuteilen, mündet in V. 3 in eine Reihe von Fragen, die einen radikalen Vorwurf implizieren. Hiob fragt Gott an, ob es ihm gefalle, ihm ( ) Gewalt anzutun. V. 3b lässt sich als Pendant zu V. 3a verstehen, wenn man den Zusammenhang zum Perspektivproblem der Gerechtigkeit ernstnimmt. Indem Gott ihn unterdrückt und verurteilt (= zum Frevler erklärt, 10,2a), arbeitet er den eigentlichen Frevlern ( ) in die Hände und hebelt auch die Gerechtigkeit, die im Verhältnis der Menschen zueinander besteht, aus. Dieser Vorwurf setzt sich in den Fragen V. 4–6 fort, wo Gott vorgeworfen wird, dass er nach Sünde ( ) und Verfehlung ( ) bei Hiob suche, was in V. 4f als typisch menschliches Tun charakterisiert wird. Hiob hält Gott entgegen, dass er ihn damit zum Frevler mache, obwohl er wisse, dass er nicht schuldig ist (     ). Zu beachten ist das Gegenüber von  und  (V. 6) zu der im Imperfekt Qal von  (V. 7a) gemachten Aussage, dass der Sprecher nicht schuldig sei. Gott ist in der Lage, Sünde und Verfehlung aufzusuchen und den Frommen zu verurteilen, obwohl dieser in Relation zu den Menschen nicht schuldig ist. Die Argumentation befindet sich damit im Einklang mit der auch im vorangehenden Kapitel diskutierten Perspektivität der Gerechtigkeit. Hiob wirft sie Gott als Willkürakt vor, da er damit das Werk der eigentlich Schuldigen, der  , vollziehe. Die Perspektivität wird explizit im Fortgang von V. 7 in dem Satz     „aber198 aus deiner Hand rettet niemand“. Im nachfolgenden Text wird der Aspekt des Schöpfungshandelns, der schon vorher angeklungen war, weitergeführt. Hiob ist Gottes Geschöpf (V. 8a), das Gott nun vernichten will (8b). Entsprechend liegt in V. 9 ein Vorwurf den bevorstehenden vorzeitigen Tod betreffend vor. V. 10–12 verbinden die Schöpfungsvorstellung mit der einstigen Bewahrung und gehen in V. 13f zu dem Vorwurf über, dass Gott darauf achtet, ob Hiob Verfehlungen begangen hat. Er habe keine Reinigung von seiner Sünde durch Gott zu erwarten (V. 14). Die negativ formulierte Unterstellung in V. 14 zeigt, Vgl. zu  oben, 72. Die adversative Bedeutung des waw ergibt sich aufgrund des Gegenübers der beiden Halbverse. 197 198

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dass das, was Hiob von Gott fordert, der Freispruch, das Erlassen von möglicher Schuld und Sünde, ist. Die V. 15–17 formulieren dies dann wieder stärker aus der Perspektive Gottes. Hiob hat Gott gegenüber keine Chance zu bestehen; ob er schuldig oder unschuldig ist, würde keinen Unterschied machen, denn Gott würde ihn weiter verfolgen (V. 16) und immer neue Zeugen gegen ihn aufstellen (V. 17). Der Abschnitt schließt in 10,18–22 wieder mit der Thematisierung der Geburt. Eröffnet mit der Frage     „Warum hast du mich aus dem Mutterleib herausgehen lassen?“ liegt einerseits ein Rückgriff auf Kap. 3 mit der Thematik des „Geburtstages“ vor (siehe 3,3ff), andererseits besteht eine Verbindung zu den vorangehenden Schöpfungsaussagen, die auch immer auf den Klagenden bezogen waren. Dabei wird in 10,18f auch der Todeswunsch wieder thematisiert, während 10,20–22 den unmittelbar bevorstehenden Tod beschreiben und damit die Aussichtslosigkeit der Situation des Leidenden unterstreichen. Der Zusammenhang von Todeswunsch und Klage über den unmittelbar bevorstehenden Tod zeigt wiederum, dass der Todeswunsch hier wie in Hi 3 und in Hi 6f im Dienste der Klage und Anklage Gottes steht. Formal ist die Rede (Hi 9f) nicht an die Freunde gerichtet. Allerdings stellt die Eröffnung eine explizite Anknüpfung an Inhalte der vorangehenden Freundesreden dar. Ausgerichtet ist die Rede jedoch auf Gott. Dieser wird am Ende von Kap. 9 und dann durchgängig in Kap. 10 angesprochen. Hiob rezipiert das Perspektivproblem der Gerechtigkeit, das zuvor von seinen Gesprächspartnern vorgebracht worden ist und führt in einem eigenen Gedankengang aus, dass es aus der Sicht Gottes keinen Gerechten gibt. Hiob akzeptiert also explizit die Position der Freunde, wirft Gott aber die Perspektivität als Ungerechtigkeit und Unverhältnismäßigkeit vor. In Kap. 10 geht Hiob darüber noch hinaus, indem er Gott vorwirft, dass er mit der in der Perspektivität der Gerechtigkeit begründeten Schuldigsprechung Hiobs die Gerechtigkeit im Verhältnis der Menschen zueinander aushebelt. Dabei sieht sich Hiob nicht als einen Sündlosen. Es wird offensichtlich für möglich gehalten, dass Gott Übertretung und Sünde bei Hiob finden und ihn aufgrund dessen verurteilen kann. Dem hält Hiob aber entgegen, dass er in seiner Perspektive, in Relation zu den Menschen, integer (= fromm) ist ( ), so dass er sich von Gott, seinem Schöpfer, ungerecht behandelt weiß. Anders als von den Freunden empfohlen, sich als Schuldiger an Gott zu wenden, klagt er ihn angesichts des Perspektivproblems und seiner Folgen massiv an. Diese Anklage ist Ausdruck der Ausweglosigkeit von Hiobs Situation und entsprechend mündet der Zusammenhang wiederum in den be-

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reits in Hi 3; 6,8–10 und in 7,15 ausgedrückten Todeswunsch des Klagenden. Eine Spitzenaussage dabei ist Hiobs Vorwurf gegen Gott, dieser sei ein Frevler. Dies eröffnet nicht nur nach Hi 32,10.12 eine Querbeziehung, wo dies am Anfang der Elihureden rezipiert wird, sondern möglicherweise auch zu den Himmelsszenen. Eine vage Beziehung zum Prolog (Hi 2,3) liegt durch den Gebrauch des Adverbs  in Hi 9,17 vor. Denn an beiden Stellen wird damit die Grundlosigkeit der Angriffe Gottes gegen Hiob bezeichnet, wobei dies in 9,17 nur unterstellt wird, wobei Gott in Hi 2,3b selbst über sich feststellt, er habe Hiob grundlos vernichtet.199 f) Hi 11 – Zophars erste Rede Die erste Rede Zophars ist von einer durchgängigen Anrede Hiobs geprägt. Gleichzeitig findet sich in Hi 11,2–7 eine ausführliche polemische Bezugnahme zur vorangehenden Hiobrede, die negativ charakterisiert: Soll einer Menge an Worten nicht geantwortet werden? Soll ein Schwätzer (  „Mann von Lippen“) Recht haben? Die Polemik (Hi 11,2f) ist dabei zunächst in ihrer Pauschalität ähnlich geartet wie jene am Anfang von Bildads Rede (Hi 8,2). Ein direkter Bezug auf Hiobs Rede folgt erst in V. 4. Was hier eingeleitet mit  wie eine zitierte Rede aussieht, lässt sich allerdings nicht als Zitat in den vorangehenden oder anderen Hiobreden ausfindig machen.200 Daher kann der Parallelismus        nur als eine paraphrasierende Wiedergabe der vermeintlichen Position Hiobs aufgefasst werden.201 In der Formulierung stehen eine Aussage über Hiobs Reden (  – „Lehre“) und über seine Integrität () nebeneinander.202 Beides, Hiobs Bestehen auf seiner Integrität und dass er dies in der Klage vorträgt, wird also von Zophar zurückgewiesen. In der vorangehenden Hiobrede gehen die Verse Hi 9,21 und 10,7 inhaltlich in die Richtung von

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Zum Vergleich der Stellen siehe unten, 371. J. Ebach sieht eine enge Verbindung der  -Stellen im Hiobbuch insgesamt (vgl. Ebach, Ist es ‚umsonst‘, 17–21) und denkt auf der Grundlage von Hi 1,9 im Zuge einer kanonischen Interpretation über gesamtbiblische Verknüpfungen aufgrund des Adverbs nach (vgl. ebd., 21–28). 200 Fohrer, Hiob, 225, vermutet, dass der Gebrauch des Perfekts  in besonderer Weise Zophars Widerspruch hervorrufe, weil damit Hiobs Reinheit „als eine Tatsache“ hingestellt werde. Allerdings findet sich gerade in dieser Radikalität keine Aussage bei Hiob.  in 10,19 ist anders konnotiert. 201 Course, Speech, 67, sieht hier auf verschiedene Stellen in der vorangehenden Rede, an denen Hiob seine Unschuld beteuert, angespielt. Der Zitationscharakter sei Ausdruck einer besonderen Distanzierung Zophars von Hiob. Hartley, Job, 194, meint, „Zophar is caricaturing Job’s view in an attempt to make it look even more absurd.“ 202 Horst, Hiob, 167, schreibt, „daß Hiob sich, auch in seiner heillosen Lage, als rein und lauter in ‚Lehre und Wandel‘ ansieht“.

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Hi 11,4.203 An diesen beiden Stellen beharrt Hiob auf seiner Integrität. Doch ob es sich in 11,4 um einen Rückgriff auf diese Stellen handelt, ist im Prinzip irrelevant, denn Hiob hatte in den vorangehenden Reden seine Integrität immer unter Berücksichtigung – wenn auch unter Beklagung – des Perspektivunterschiedes in der Gerechtigkeit, wonach also vor Gott nicht als gerecht gilt, was zwischen den Menschen gerecht ist, thematisiert. Dies wird nun offenbar bei der Anknüpfung der Zopharrede ignoriert, obwohl Hiob mit dem Perspektivunterschied auf die Position der ersten Rede Eliphas’ zurückgegriffen hatte.204 Die polemische Paraphrase von Hiobs Position leitet die Anklage von Hiobs angeblicher Unbelehrbarkeit ein. Aufgrund derer wünscht sich Zophar (V. 5f), Gott möge selbst gegen Hiob argumentieren. Interessant ist dessen unpersönliche Formulierung mit         „Wer gebe es, dass Gott redete und er öffnete seine Lippen bei dir“. Hier wird irreal formuliert. Eine direkte Rede Gottes an Hiob wird von Zophar nicht erwartet. Dem entspricht der Fortgang in V. 6a, wo noch in der 3. Sg. mask. ohne Neueinführung des Subjektes die (irreale) Hoffnung auf eine Selbstkundgabe Gottes fortgeführt wird, dass Gott Hiob die Geheimnisse der Weisheit (   ) mitteilen möge. Gottes Eingreifen würde von doppeltem (= vollständigem)205 Erfolg sein.206 Die Irrealität zeigt sich daran, dass Zophar seine eigene Rede im Stile einer Unterweisung fortsetzt. Vielleicht soll er aufgrund der vorangehenden Formulierung als eine Art irdischer Vermittler der Weisheit erscheinen.207 Die folgende Belehrung des Zophar reagiert von dem Vertrauen „in Gods wise and effective governance of the world“208 her auf Hiobs Zustand. Ihr Beginn wird mit dem Imperativ markiert: „Wisse, dass Gott dir vergessen macht von deiner Sünde!“ (11,6b).209 Es ist die Frage, wie man konkret den Hif. von 203

Vgl. Fohrer, Hiob, 225; Horst, Hiob, 167. Über die beiden Stellen hinaus nennt Course, Speech, 67, Hi 9,15.20. Doch handelt es sich dort um Bedingungssätze, deren Aussage eher in dem Aufzeigen des Perspektivproblems der Gerechtigkeit liegt, dass Hiob nämlich durch sich selbst oder durch Gott für schuldig erklärt werden müsste, auch wenn er gerecht wäre. 204 Vielleicht handelt es sich wiederum um eine bewusst gesetzte Ungenauigkeit bei der Anknüpfung an die Position Hiobs. So Ebach, Hiob I, 85, zu Hi 8; vgl. oben, 66, Anm. 151. 205 Gegen Fohrer, Hiob, 221, der hier einem Konjekturvorschlag (siehe App. BHS) u.a. von Duhm folgt, handelt es sich wohl wie in Jes 40,2 um einen Ausdruck der Doppelheit, die Vollständigkeit ausdrückt. Vgl. Gese, Dekalog, 79. 206 Zur Bedeutung von   vgl. oben, Anm. 121. 207 Es ist ein Kontinuum in den Freundesreden, dass diese die vermeintliche Position Gottes einnehmen. Davon ist auch die vorliegende Stelle geprägt. Vgl. dazu unten, 188f. 208 Newsom, Job, 420. 209 Nicht hier ist also ein Wechsel in den Irrealis zu sehen, wie von Fohrer, Hiob, 220. Sondern es handelt sich um eine Unterweisung Hiobs durch Zophar.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 11

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$ zu verstehen hat. Die syntaktische Konstruktion lässt es geraten sein, die Bedeutung „vergessen machen“ zugrunde zu legen.210 Es ist jedoch weiter interessant, dass das Idiom nicht noch einmal in der Hebräischen Bibel vorkommt. Eine Erklärung für den Gebrauch ergibt sich aber, wenn man beachtet, dass das übliche Verb für das Vergeben von Sünde  ist. & und $ sind sich graphisch sehr nahe, und eigentlich erwartet man zusammen mit  das Verb & oder ein Synonym. Da Zophar aber Hiobs Anspruch, integer zu sein, zurückweist und ihm konkrete Sünde unterstellt, dürfte damit ein Bezug auf Hi 7,21 vorliegen: Hiob hatte Gott dort vorgeworfen, dass er ihm seine Sünde nicht vergebe (         „Und warum vergibst du nicht meine Schuld und lässt nicht meine Sünde dahingehen?“). Zophar nutzt demgegenüber $, um auszudrücken, dass es keine Vergebung für Hiobs Sünden gibt, denn diese würde das Eingeständnis der Schuld und die Bitte um Vergebung (siehe Hi 11,13) voraussetzen. Hiobs Sünden sind als Grund für sein Leiden nicht einmal vollständig berücksichtigt. Aufgrund der Bedeutung „vergessen machen“ werden sie als nur vorübergehend nicht beachtet verstanden. Dies ist als deutlicher Affront gegen Hiob aufzufassen. Ein gnädiger Akt Gottes soll also gerade nicht ausgesagt werden, obwohl die Formulierung impliziert, dass es ihm noch schlechter gehen könnte.211 Hier zeigt sich, dass für Zophar Hiobs Sünde feststeht. Daher tut sich auch ein Bezug nach 10,6.14 in der direkt vorangehenden Hiobrede auf, wo Hiob die ständige Suche Gottes nach seinen Sünden beklagt.212 Hiobs Vorwurf in 10,14b ist aber gerade, dass Gott Hiob von seiner Sünde nicht reinigt (hier mit  [Pi.]). Die Berührung von 10,14b (    ) mit der zweiten Zeile von 11,6 (       ) zeigt ebenfalls die Zielrichtung von Zophars Argumentation: Hiobs Vorwurf gegen Gott ist unsinnig. Denn für Hiobs Leiden sind nicht einmal alle seine Sünden verantwortlich. Einsicht in die Geheimnisse der Weisheit würde entsprechend auch die „vergessenen“ Sünden Hiobs offenbaren. Vielleicht wird mit einem Einlenken Hiobs gerechnet, weil ihm dann die Alternative des Todes (siehe 11,20) bewusst werden würde. Dass damit gerechnet wird, zeigt sich am Verweis auf die Geheimnisse der Weisheit in der Schöp210

Vgl. zur Diskussion und Entscheidung schon Horst, Hiob, 169. Vielleicht soll hier indirekt sogar angedeutet werden, dass Hiob eigentlich den Tod verdient hätte. Dies könnte sich im Schluss von Zophars Rede (Hi 11,20) widerspiegeln. – Fohrer, Hiob, 226, sieht einen gnädigen Akt angesprochen: „Zophar weicht zur Widerlegung Hiobs ein wenig ab; allerdings meint er vorsichtig, daß Gott nur einen Teil der Sünde gnädig übersehe.“ 212 Course, Speech, 67, sieht den Zusammenhang folgendermaßen: „Job speaks of his ‚iniquity‘ as a hypothetical possibility. Zophar’s assurance, as uncomforting as it is, can be understood from this perspective as a confirmation of the reality of Job’s ‚iniquity.‘“ 211

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

fung, die vertikal (V. 8) und horizontal (V. 9) die Fähigkeit Hiobs zur Einsicht überschreiten.213 V. 10 hebt die Macht Gottes unter Verwendung der Gerichtsmetaphorik hervor. Dem entspricht, dass Gott nach V. 11 jene kennt, die übel und verwerflich handeln. Dies stellt eine Wiederaufnahme der Thematik von V. 6 dar. Indirekt ist also Hiob angesprochen, gegen den sich dann auch die Verunglimpfungen von V. 12 als    („hohler Mann“) und   („Zebra“) richten, die möglicherweise aus einem anderen Kontext zitiert werden.214 Danach wechselt die Rede des Zophar in V. 13–19 ähnlich wie jene Bildads in die direkte Aufforderung an Hiob, die eigene Schuld anzuerkennen und sich so Gott zuzuwenden. Sie enthält wiederum den Hinweis auf eine dann eintretende Wendung von Hiobs Geschick zum Heil (11,15f). In V. 20 klingt die Rede mit der umgekehrten Aussage aus, dass es die einzige Hoffnung der Frevler ( ) sei, zu sterben. Dies bezieht sich sicher auf den mehrfach geäußerten Todeswunsch Hiobs und auf dessen negative Beschreibung des Todes in Hi 10,20–22215 zurück, dient zugleich aber der Warnung an Hiob, seinen Frevel (Hi 11,14a) nicht von sich zu tun. Die Zopharrede ist durchgängig als Anrede an Hiob stilisiert. Zunächst wird sein Reden pauschal und polemisch zurückgewiesen. Zophar wendet sich konkret gegen den Anspruch Hiobs, dass er integer und sein Reden berechtigt sei. Zophar verweist Hiob dazu auf die Weisheit Gottes, gegen die seine Argumentation keinen Bestand habe. Er rät Hiob, seine Sünde einzugestehen und sie entsprechend abzutun (Hi 11,14a), was wie in den vorangehenden Freundesreden wiederum mit einer Heilszusage verbunden wird. Mit der Aufforderung, die Sünden einzugestehen, werden das erste Mal konkrete Vorwürfe gegen Hiob laut, ohne dass sie freilich im Einzelnen benannt werden. Überhaupt verschärft sich der Ton gegen Hiob, und das zuvor bei Eliphas vorgebrachte Problem der Perspektivität der Gerechtigkeit kommt vorerst nicht mehr zur Sprache.

213 „Keinem Menschen enthüllt Gott sich ganz. Im folgenden nennt der Weise die vier Dimensionen der Welt: Himmel, Totenreich, Erde und Meer, um an ihnen die Unermeßlichkeit Gottes zu demonstrieren“ (Hesse, Hiob, 90). 214 Hartley, Job, 198, ist der Ansicht, dass hier ein Sprichwort zitiert wird. Zu der textkritischen Problematik des Verses vgl. Fohrer, Hiob, 222, und die dort angegebene Literatur. 215 So Fohrer, Hiob, 231. Anders Horst, Hiob, 174, der an ein leidvolles Ende des Frevlers denkt.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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g) Hi 12–14 – Hiobs vierte Rede Bei der vierten Rede Hiobs handelt es sich um die längste Rede im ersten Gesprächsgang überhaupt. Sie setzt ein mit einer zusammenfassenden Bezugnahme auf die vorangehenden Freundesreden.216 Beides zeigt, dass die Rede die Funktion eines Abschlusses des ersten Redeganges hat.217 In Hi 12,2f wendet der Sprecher sich sofort den Gesprächspartnern insgesamt (2. Pl. mask.) zu. Die wieder polemische Eröffnung (V. 2) ist aus sich nicht leicht verständlich. Aus V. 3, wo Hiob darauf beharrt, ebenso viel Verstand ( ) zu haben und nicht geringer zu sein als seine Gesprächspartner, wird aber deutlich, dass V. 2 als eine Ironisierung zu verstehen ist. Das rhetorische Stilmittel der Hyperbel wird verwendet, um den Anspruch der Freunde auf Besitz der Weisheit ins Lächerliche zu ziehen:     „Mit euch wird (die) Weisheit sterben.“ Damit dürfte insbesondere die vorangehende Rede Zophars im Blick sein, in der Hiobs Argumentationen gegenüber den „Geheimnissen der Weisheit Gottes“ abgewertet wurden.218 Die Ironisierung von Zophars Anspruch (wie von jenem der anderen Freunde; daher    [Hi 12,2a]) dient also wiederum dazu, die Geltung von Hiobs Worten zu bekräftigen. Danach nimmt Hiob in V. 4 weiter Bezug auf seine Vorredner. Der Fromme müsse verlacht werden, womit er den Vorwurf Zophars, Hiobs Rede sei Spott (11,3b), zurückweist.219 Dies wird dadurch unterstrichen, dass Hiob auf die eigene Gottesbeziehung verweist. Er charakterisiert sich als jemanden, der Gott anruft und von Gott erhört worden ist (      – Hi 12,4a¹). Damit führt er die eigene Frömmigkeit gegen die Behauptung ins Feld, seine Rede sei Spott. Der Verweis auf die eigene (intakte) Gottesbeziehung dient zugleich dazu, die beschädigte Beziehung zu seinen Gesprächspartnern zu kontrastieren. Die Verwendung von  und  in der Formulierung      könnte dabei einen Vorverweis auf die Konzeption der Gottesreden darstellen, wo tatsächlich eine Reaktion auf das Rufen Hiobs erfolgt. Ein Problem besteht allerdings in der Verwendung des waw-Imperfekts in der Form   . Der Rückverweis scheint dadurch der Klage Hiobs, dass Gott ihm nicht antwortet (z.B. Hi 9,16–20), zu widersprechen. Man kann ihn daher 216 Der explizite Bezug aufgrund der pluralischen Anrede hat mehr Gewicht als die allerdings auch vorhandenen Anspielungen auf die vorangehende Rede, die Course, Speech, 78ff, aufzeigt. So schließt die Rede den ersten Gesprächsgang ab, nimmt aber gleichzeitig Bezug zu den Vorwürfen Zophars. 217 Vgl. zur gliedernden Funktion der langen Hiobrede auch Köhlmoos, Auge Gottes, 145. 218 So auch Course, Speech, 78. 219 Die singularische Formulierung     zeigt, dass ein Bezug auf die vorangehende Rede vorliegt. Das bestätigt die von Course, Speech, 78, gesehene Bezugnahme von 12,4 auf 11,3b.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

am ehesten so verstehen, dass Gott Hiob früher (und das dürfte heißen: vor seinem gegenwärtigen Leiden) auf seine Anrufung „geantwortet“ hat. Zu überlegen ist auch, ob diese Anrufung Gottes durch Hiob das impliziert, was eigentlich von den Freunden erwartet würde: nämlich die Anrufung Gottes für ihn als Leidenden.220 In der Tat fehlt eine direkte Anrede Gottes in den Freundesreden auffälligerweise durchgängig. 221 Wenn hier also eine versteckte Kritik an den Freunden ausgedrückt wäre, dann könnte theoretisch auch ein Bezug zu Hi 2,11–13 vorliegen, wo das Schweigen der Freunde möglicherweise schon in Blick auf Hi 42,7ff negativ konnotiert ist.222 Doch eine erhörte Fürbitte für andere von Seiten Hiobs gibt es erst in Hi 42,7ff.223 Andererseits ist die Terminologie des Verbpaares    gerade nicht von der Rahmenerzählung gedeckt. Wahrscheinlich handelt es sich eher um eine Redewendung, die der Charakterisierung des Frommen dient.224 Innerhalb der Dichtung verweisen die früheren Anrufungen und Antworten Jhwhs indirekt auf die Gottesreden voraus – etwa in dem Sinne, dass das in der Dialogdichtung geforderte Antworten Gottes in den Gottesreden den vormaligen Zustand seiner Gottesbeziehung wiederherstellt. Nachdem die V. 4 und 5 noch die Freunde in ihrer Haltung kritisieren, wechselt V. 6 in die Klage darüber, dass die Frevler (hier 

 – „Gewalttäter“) in Sicherheit leben, ein Zusammenhang von Tun und Ergehen also nicht sichtbar ist. Überraschend an der nachfolgenden Argumentation ist, dass auch Zophars Einwand, man könne Gottes Weisheit nicht erkennen, von Hiob mit einem langen Verweis auf die Schöpfermacht Gottes (12,7–12) erwidert wird. Dies soll offenbar wiederum die Weisheit des Sprechers unterstreichen, der seine Rede seinerseits mit einer Ironisierung des Anspruchs der Gesprächspartner auf die Weisheit eröffnet hatte (12,2f). Der Beweis der eigenen Weisheit durch das Lob der Schöpferkraft scheint zum Repertoire der Streitgespräche zu gehören.

220

Deutlicher drückt dies Hi 16,5 aus. Siehe unten, 185. Vgl. Oeming, Ziel, 139. 222 Vgl. unten, 273ff. 223 Es wäre auch möglich, dass die Formulierung auf nicht in die Hiobdichtung und auch nicht in die Rahmung eingegangenes Material verweist. Eine Beziehung zu Ez 14,12ff ist nicht ausgeschlossen. 224 So Fohrer, Hiob, 244, der auf Stellen wie Hi 22,27; 27,9f; Ps 99,6 verweist. Zu dem gleichen Ergebnis auch ohne Angabe anderer Stellen kommt Newsom, Job, 426, aufgrund des idiomatischen Charakters des ganzen Verses: „One needs to hear traces of quotation marks around these stock phrases.“ 221

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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Die Stücke Hi 12,7–11 und Hi 12,12–25 machen einen relativ abgeschlossenen Eindruck und gelten oft als aus anderen Zusammenhängen hier eingetragen.225 Üblicherweise sieht man V. 7–11 als eine weisheitliche Belehrung an. Man kann überlegen, ob sie im vorliegenden Kontext „zitiert“ wird, weil sie am Ende in V. 11 propagiert, die überlieferte Weisheit und damit die vorangehende Position kritisch zu hinterfragen. Doch der Wechsel von der Anrede (2. Sg. mask. [V. 7f]) in unpersönliche Formulierungen spricht allenfalls dafür, dass hier eine Quelle literarisch für den Dialog verarbeitet worden ist. Für die Klärung des textkritischen Problems bei    (Hi 12,9) ist zu erwägen, ob ursprüngliches    von der gebräuchlichen Formulierung    verdrängt worden ist.226 Im Fortgang gibt es Probleme gerade am Beginn des zweiten oft ebenfalls für quellenhaft gehaltenen Stückes (V. 12–25).227 Denn das Suff. 3. Sg. mask. in V. 13 (  ) würde dann bezugslos dastehen. Von den Kommentatoren wird oft ein Bezug auf die göttliche Weisheit hergestellt und im Suffix ein nur indirekter Verweis auf die Gottheit gesehen.228 Sieht man zwischen den V. 11f aber in der Weise einen Zusammenhang, dass V. 12 die rhetorische Frage von V. 11 fortsetzt, dann wird in den beiden Versen zuspitzend herausgestellt, dass Gottes Weisheit kritisch über der überlieferten und damit auch über der Weisheit der Alten steht. 229 Die Würdigung der 225 Man nimmt aufgrund der verschiedenen Gattungen an, dass es zwei Stücke sind. Vgl. Fohrer, Hiob, 244f; Horst, Hiob I, 185. 226 In der Dichtung wird der Gottesname nur in Hi 12,9 (mit Ausnahme weniger masor. Hss, die wohl den ursprünglichen Text repräsentieren; vgl. de Wilde, Hiob, 166) innerhalb einer Rede gebraucht. Er begegnet in 38,1; 40,1.3.6; 42,1 zusätzlich in Überschriften. Einfluss auf Hi 12,9 könnte auch Jes 41,20 ausgeübt haben, wo sich eine parallele Formulierung       findet. Der -Satz folgt dort der Erkenntnisformel (Jes 41,20a¸¹), an die    (Hi 12,9a) vielleicht erinnert. Daher hat sich möglicherweise schon der Autor von Hi 12,9 an Jes 41,20 angelehnt. Die inhaltliche Nähe und die parallele Formulierung hat in der Textüberlieferung eine Angleichung des Wortlautes bewirkt. 227 So Fohrer, Hiob, 245. 228 Vgl. Fohrer, Hiob, 245.; Ebach, Hiob I, 116. 229 So Ebach, Hiob I, 114ff. Ein inhaltlicher Zusammenhang zu Hi 32,9 liegt durchaus vor. Dass der Sachverhalt in der Selbstvorstellung des Elihu nicht als Zitat aus der Hiobrede markiert ist, liegt in der Sache. Elihu nutzt die Formulierung, um zu begründen, wieso er als Jüngerer nun auch redet, während Hiob mit der Formulierung die Weisheit Gottes über die menschliche Weisheit stellt. Daher kann sich Elihu für seinen Redeanspruch gegenüber Hiob (!) nicht auf Hi 12,12 beziehen. Nach Fohrer, Hiob, 245, handelt es sich um eine spätere Hinzufügung, da die Aussagen „in der Form weder zu Hiob [...] noch zu den Freunden [...] passen“. – Newsom, Job, 428, sieht schon in 12,11 den Anfang eines neuen Abschnitts mit der Intention, die Freunde über eine selbstverständliche Zustimmung zu der Aussage von V. 11 auch zur Zustimmung von V. 12 zu bewegen, „that God (who,

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Weisheit Gottes (V. 13) selbst bezieht sich dann auf   230 in V. 9 zurück. Das Ganze mündet inhaltlich klar in den nachfolgenden Lobpreis von Gottes zerstörerischem Wirken V. 14f. V. 16 greift auf den Preis der Weisheit in V. 13 zurück und markiert den übergreifenden Zusammenhang, während die nachfolgenden V. 17–25 weiter Gottes destruktives Handeln beschreiben und damit Macht und Freiheit Gottes hervorheben, wodurch sich ein Zusammenhang zu V. 6 am Anfang der Hiobrede ergibt. Dagegen, dass es insgesamt nur eine Quelle war, die verarbeitet worden ist, sprechen die formalen Unterschiede zwischen V. 7ff und V. 14ff.231 Dass nicht einfach nur zwei Teile nebeneinander gestellt worden sind, zeigen der Übergang von der Anrede in die unpersönliche Rede (V. 7f), der fließende Übergang zwischen den beiden Abschnitten in V. 11–13 und die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Abschnitten. Dafür dass das Ganze nicht ad hoc für den Zusammenhang geschaffen worden ist, sprechen die argumentative Bedeutung des mit     (V. 7a) eröffneten Abschnittes für die vorangehende gegen die Freunde gerichtete Polemik und der ähnlich geartete Rückbezug in Hi 13,1. Der Abschnitt hat mit seinem Zielpunkt auf dem Lob der unergründlichen Macht und Freiheit Gottes zum Wirken des Negativen die Funktion durch eine Abfolge von Negativaussagen die Aussage des V. 6, dass die Frevler bevorzugt werden, zu unterstreichen und den darin enthaltenen Vorwurf, dass die Ordnung in Form des Tun-Ergehen-Zusammenhanges auf dem Kopf stehe, zu begründen. Mit dem Hymnus wird indirekt darauf gewiesen, dass die Umkehrung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges tatsächlich von Gott verursacht ist. Dass ein solcher Hymnus rezipiert wird, überrascht, da das unheilvolle Wirken Gottes vom Klagenden bisher immer beklagt worden ist. Dennoch zeigt der Zusammenhang mit V. 6, dass es sich nicht um eine satirische Doxologie handelt.232 Die komplementären Aussagen innerhalb von V. 14–25 wie V. 16b.23 weisen darauf, dass nur der negative Abschnitt eines umfangreicheren Textes rezipiert worden sein könnte.

after all, is the ancient of days) posses not only wisdom and understanding, but also power and counsel, qualities having to do with the ability to effect what one plans (v. 13)“. 230 Zum textkritischen Problem siehe oben, Anm. 226. 231 Letztlich ist aber nicht auszuschließen, dass der gesamte Zusammenhang schon vor seiner Einarbeitung in die Dialogdichtung so verbunden war. Nach Tur Sinai, Job, 208f, handelt es sich bei V. 15.21b–25 um Zitationen „from ancient literary sources, in whose context alone those particulars were fully intelligible.“ Dass der Abschnitt (Hi 12,12ff) an Ps 107; Jes 44,24–28 und Dan 2,20–23 erinnert (vgl. dazu Fohrer, Hiob, 245), ohne dass hier eine direkte literarische Abhängigkeit zu beweisen ist, zeigt, dass auch Hi 12,7ff eine Quelle zugrunde liegen könnte. 232 Gegen Newsom, Job, 429.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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Man vergleiche hier nur Ex 34,6f, der in der Argumentation mit bestimmter Intention partiell zitiert werden konnte (vgl. Neh 9,17; Jon 4,2). Hi 13,1 nimmt mit        – „Siehe, all (das) hat mein Auge gesehen, mein Ohr gehört“233 Bezug auf den vorangehenden Abschnitt.234 Die zusammenfassende Aufnahme zeigt ein weiteres Mal den traditionellen Charakter des vorangehenden Stückes. Der Rückgriff zeigt, dass die Umkehrung bzw. Aufhebung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges sozusagen eine Erkenntnis ist, die der Sprecher gewonnen hat. In V. 2 wendet sich Hiob an die Freunde insgesamt. Es liegt die gleiche Argumentation gegen sie vor wie in 12,2: Hiobs Erkenntnis ist der ihren nicht unterlegen. Ab V. 3 wird dann aber ein anderer Weg beschritten, indem der mit   eingeleitete Wunsch, mit Gott ( ) zu sprechen und gegen ihn (im Gericht) anzutreten (  [Hif.]), aufgeworfen wird.235 Dieses Ansinnen wird mit der Polemik gegen die Freunde (13,4–16) verbunden.236 Hiob wünscht, jene würden Zeugen einer Kommunikation zwischen ihm und Gott werden (13,6). Hiob drückt die Überzeugung aus, dass Gott sich letztlich auf seine Seite stellen werde, und die Aussagen der Freunde sich als falsch herausstellen. Interessant ist, dass sich dabei ähnlich wie in den Freundesreden die Argumentation ganz auf Hiobs Perspektive verlagert und Gott nun für seine Sicht instrumentalisiert wird. Eine Spitzenaussage findet sich dabei in V. 7. Das Eintreten der Freunde für Gott wird als  („Ungerechtigkeit“) und die entsprechende Rede als  („Betrug“) bezeichnet.237 Hiob stellt ein Verhör seiner Gesprächspartner durch Gott in Aussicht (      „Wäre es etwa gut für euch, wenn er euch ausforscht?“). Ihre Argumentationen (V. 8) werden darin keinen Bestand haben, da es nicht möglich sei, Gott selbst zu betrügen (V. 9 –  [Hif.]). Angesichts dessen wird Gott gegen sie ins Gericht gehen, wenn sie versuchen sollten, heimlich Partei zu ergreifen. Dies bezieht sich auf die Aussage in V. 7, dass das Eintreten der Freunde für Gott Unrecht ist. Gott wird also selbst gegen die Freunde, die permanent 233 In der LXX bleibt der Fortgang   unübersetzt. Man möchte anstelle oder nach  ein feminines Nomen wie  oder (aufgrund des Fortganges eher)  ergänzen, doch bleibt das spekulativ. Vielleicht hat die LXX hier den problematischen Text korrigiert. 234 Fohrer, Hiob, 247, unterstreicht, dass Hiob erfasst hat, wie man den Leidenden bedrückt, „den Gewaltmenschen aber in Ruhe läßt“. 235 Da es sich um einen Wunsch handelt, stellt das gerade keinen Rückbezug zu Hi 12,4b dar, sondern den Neueinsatz eines Themas. Gegen Course, Speech, 84. 236 Die Beschimpfung der Freunde im Pl. nimmt eindeutig Bezug auf die Gesamtheit der vorangehenden Freundesreden und nicht ausschließlich auf die Zopharrede. So Course, Speech, 84. 237 Vgl. van Hecke, Ich aber will, 388.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

aus der Perspektive Gottes argumentieren, als Hiobs Unterstützer angeführt. Er wird letztlich paradoxer Weise zum unparteiischen Richter gegen diejenigen, die fälschlich für ihn (Gott) Zeugnis leisten.238 In V. 12f wird das Reden der Freunde ein weiteres Mal als unsinnig zurückgewiesen. Die Freunde werden ihm gegenüber zum Schweigen aufgefordert (V. 13). Hiob werde weiter sprechen, was auch kommen mag. Wahrscheinlich ist es sachgemäß,  aus V. 14 noch mit zu dem letzten Satz des vorangehenden Verses hinzuzunehmen,239 denn bei Hi 13,14b ist durch Parallelstellen klar,240 dass es darum geht, dass Hiob mit seinem Reden sein Leben aufs Spiel setzt. Ähnlich hat man auch wegen der syntaktischen Parallelität die sonst nicht bezeugte Formulierung    (Hi 13,14a*) zu interpretieren. Würde V. 14a aber mit  beginnen, ergäbe sich eine 13b genau entgegengesetzte Bedeutung, was die Annahme, dass  (aus 14a) zu 13b hinzuzuziehen ist, bestätigt. Für den Satz      (Hi 13,13b +  ) ergibt sich die Bedeutung, dass über Hiob „eines über das andere hinweggehen werde“,241 womit nur gemeint sein kann, dass Hiob immer neues Unheil trifft, was auf einer Linie mit Hi 3,26 liegt, nicht aber mit der Rahmengeschichte. V. 15 setzt mit  ein. Das Verständnis des Verses ist durch das Zusammentreffen von zwei Problemen erschwert. Einerseits ist nicht klar, ob man  als Interjektion oder als eine Konjunktion der Bedingung ansehen soll (so auch Hi 12,14), andererseits bringt das Problem von Qere und Ketiv im zweiten Satz gegensätzliche Bedeutungen mit sich (K: „ich warte242 nicht“, Q: „auf ihn warte ich“).243 Aufgrund des zweiten Kolon (    

  – „aber (mit) meinen Wegen werde ich gegen ihn streiten“), dürfte es aber nahe liegen, dem Qere zu folgen. Denn wenn Hiob gegen Gott antreten will, muss er auf die Begegnung mit Gott warten, was auch der durchgängigen Tendenz der Hiobreden entspricht. Das andere Problem lässt sich im Blick auf den nachfolgenden Kontext lösen. Diesem entspricht es am ehesten, wenn  einen Bedingungssatz einleitet244: „Wenn er mich auch töten wird, warte ich auf ihn; aber (mit) meinen Wegen werde ich gegen ihn streiten.“ Der Vers bildet einen Zusammenhang mit dem nachfolgenden 238

Ähnlich interpretiert dies auch Müller, Hiob und seine Freunde, 29. So Hesse, Hiob, 94; de Wilde, Hiob, 162; Fohrer, Hiob, 238. Pope, Job, 99, schlägt dagegen vor,  in V. 14 als Dittographie auszuscheiden. 240 Vgl. Fohrer, Hiob, 250 (mit Belegstellen). Pope, Job, 99, verweist auf außerbiblische Belegstellen für die Formulierung. Zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten des Verses vgl. Newsom, Job, 434f. 241 Vgl. Fohrer, Hiob, 238. 242 Zur Abweisung der Bedeutung „hoffen“ vgl. Fohrer, Hiob, 238. 243 Die LXX hat außerdem noch anstelle von  die Verbform  gelesen. 244 Anders Fohrer, Hiob, 251. 239

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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V. 16. Hiob ist sich sicher, dass Gott für ihn gerade in der direkten Begegnung die Rettung bedeuten werde. Er geht aber in der Hoffnung auf eine Begegnung mit Gott dennoch die Gefahr des Todes ein.245 Als Begründung für seine Hoffnung auf Errettung führt er an, dass kein  vor Gott gelange (13,16b). Das Adjektiv  (wie die Wurzel überhaupt) mit der Grundbedeutung „pervertiert sein“ wird häufig in theologischen Zusammenhängen gebraucht,246 so dass es hier vielleicht, wo es um den Zugang zu Gott geht, die Bedeutung „heuchlerisch“ hat. Damit greift Hiob nicht nur einen Begriff, sondern gleichzeitig einen vorher in der Rede Bildads (8,13) gebrauchten Zusammenhang auf. Es klingt an, dass für das Geschick des Einzelnen dessen Gottesbeziehung allein von Bedeutung ist, wobei die üblichen Synonyme für Schuld und Sünde wie  oder  in diesem Zusammenhang nicht gebraucht werden. Offensichtlich weiß sich der Sprecher in einer intakten Beziehung zu seinem Gott, ohne dass er einem Urteil vorgreifen will. Interessant ist, dass Hiob in seinen Reden trotz aller Polemik gegen seine Gesprächspartner deren Argument aufgreifen kann, dass eine intakte Gottesbeziehung Heilsbedeutung für ihn habe (aus der Bildadrede: Hi 8,13). Gleichzeitig bildet der Zusammenhang einen deutlichen Vorverweis auf die Gottesreden, wo die hier erwartete und erhoffte Gottesbegegnung stattfindet. Hi 13,17 setzt mit der Aufforderung an die Freunde, ihm zuzuhören, noch einmal neu ein. In dem danach folgenden Abschnitt (Hi 13,18–28) ist Gott ab V. 20 durchgängig angesprochen. Eingeleitet wird die direkte Anrede an Gott in 13,18f. Hiob drückt in V. 18 seine Überzeugung aus, dass er recht behalten werde. Der Schwerpunkt liegt auf einer noch nicht begonnenen direkten Auseinandersetzung mit Gott. So gesehen ist Hiob selbst „‚gerüstet‘ zum Gericht“   und wäre sich in einer solchen Situation eines Sieges sicher.247

245

In erster Linie handelt es sich um die Gefahr der Verurteilung. Vgl. Newsom, Job, 436. Andererseits dürfte auch im Blick sein, dass die Begegnung mit Gott auch als Gefahr verstanden wurde. Siehe z.B. Ex 33,20. 246 Vgl. Knierim,  , THAT I, 599. 247 Nach van Hecke, Ich aber will, 388, handele es sich um ein performatives Perfekt. „[D]er Prozess ist mit dieser Erklärung bereits Tatsache.“ Doch widerspricht dem der Fortgang der Dichtung, wo erst in Hi 29–31 die direkte Konfrontation eingeleitet wird, und dem Fortgang der vorliegenden Rede, die deutlich macht, dass ein Rechtsstreit gegen Gott eine Illusion ist.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Dies geht in V. 19 in die Polemik über248: „Wer ist es, der mit mir streitet, dass ich nun schwiege und zugrunde ginge?“ „Nicht einmal Gott“ 249 werde Erfolg gegen Hiob haben und ihn zum Schweigen bringen.250 Hiob verzichtet in dieser Polemik nicht auf die Thematisierung des Perspektivproblems: Ein Rechtsstreit sei nur möglich, wenn Gott ihm positiv gegenübertrete und selbst den Rechtsstreit mit ihm aufnehme.251 So bittet er von Gott zunächst, seine auf ihm lastende Hand fortzunehmen und ihn nicht mehr zu erschrecken (13,21), was bedeutet, dass Gott die Leiden und Heimsuchungen Hiobs beenden soll.252 Dies sieht Hiob als Voraussetzung für eine Kommunikation mit Gott an (13,22).253 In den nachfolgenden Fragen V. 23–26 bringt Hiob seine Kritik auf den Punkt. Gott soll ihm das Ausmaß seiner Sünde (V. 23: „Wie viele Übertretungen und Verfehlungen habe ich; meine Sünde und Verfehlung tu mir kund!“) benennen und ihm endlich gegenübertreten (V. 24).254 Bei 13,23a handelt es sich nicht um eine rhetorische Frage. Die Frage zeigt, dass Hiob nicht im Rahmen eines Ideals „absoluter Sündlosigkeit“ argumentiert, sondern dass es ihm um die Verhältnismäßigkeit geht. Die Bilder des verwehenden Blattes und des trockenen Halmes (V. 25) für die Verfolgung Hiobs (explizit V. 24) weisen darauf, dass Hiob seine Verfolgung durch Gott für unverhältnismäßig hält, während die Bemerkung, dass Gott so „Bitteres“ ( ) gegen ihn verhängt und ihn die Übertretungen seiner Jugend ‚erben‘ ( Hif.) lässt (V. 26), zeigt, dass tatsächlich nicht an eine völlige Sündlosigkeit Hiobs gedacht ist.255 V. 27 geht noch einmal in diese Richtung. Hier wird betont, dass Gott auf jeden Schritt des Klagenden achtet. Gott verfolgt den Leidenden mit seinen Nachforschungen und achtet auf seinen 248

So auch Fohrer, Hiob, 251. Fohrer, Hiob, 251. 250 Die Formulierung wird in der Gottesbegegnung (Hi 38–42) aufgegriffen (siehe Hi 38,2; 41,3 und die  Fragen der Gottesreden überhaupt). Insofern handelt es sich um eine wichtige Schnittstelle innerhalb der Dichtung. Vgl. unten, 197. 251 Vgl. Driver/Gray, Job, 124; Horst, Hiob, 203; Fohrer, Hiob, 252; Alden, Job, 163. 252 Vgl. Weiser, Hiob, 100; Fohrer, Hiob, 252 253 Vgl. unten, 189ff. 254 Hierin erkennt Hermisson eine zentrale Argumentationslinie in den Hiobreden, die auf den Reinigungseid zielt. Vgl. Hermisson, Weisheit, 213. 255 Vgl. Fohrer, Hiob, 253. Die Formulierung ist relevant für eine Gesamtsicht von Hiobs Gottesbeziehung. Fohrer beschreibt die hier zugestandenen Sünden als irrelevant: „Er [Hiob] schließt aber ein, daß sie auf der natürlichen Schwäche des Menschen beruhen, längst vergessen, unerheblich oder verjährt sind, so daß der erwachsene Mann für sie nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann“ (ebd.). Diese Einschätzung verkennt das Problem, dass aus der Sicht Hiobs diese und mögliche andere Sünden vor Gott eben nicht als verjährt gelten (vgl. 13,27b). 249

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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Weg, obwohl dieser (V. 28) vergänglich ist.256 Mehrfach wird damit das Perspektivproblem der Gerechtigkeit argumentativ gegen Gott gerichtet: Die Suche nach Schuld bei Hiob, einem vergänglichen Menschen, wird als grausam und unverhältnismäßig kritisiert.257 Dieser Vorwurf steht dem anderen der Missachtung des Leides gegenüber. Hi 14,1f greift das Thema der Vergänglichkeit des Menschen auf und führt es fort. Der vorangehende Vers (13,28), der bereits in der 3. Sg. formuliert ist, könnte eine Art Überschrift markieren.258 Der Gebrauch der 3. Person in Hi 13,28–14,2 zeigt, dass Hiob sein eigenes Geschick in ein allgemeines Geschick der Vergänglichkeit einordnet. Ähnlich wie zwischen 13,27 und 13,28 ein Wechsel von der Person Hiobs zu allgemeinen Aussagen erfolgte, vollzieht sich ein solcher auch in den wieder in der Anrede persönlich formulierten Sätzen in V. 3. Hiob bringt so das eigene Schicksal immer wieder mit allgemeinen Aussagen von der Vergänglichkeit und vom Leid in eine enge Verbindung. In V. 4 wird wieder zu allgemeinen Aussagen gewechselt, während V. 6 zumindest auf Hiob anspielt. Nach weiteren in der dritten Person formulierten allgemeinen Aussagen thematisiert Hiob dann in den V. 13–17 wieder die eigene Person mit Gebrauch der 1. Sg. Im Hintergrund des ersten Abschnittes des Kapitels (14,1–6) steht die Klage über den Perspektivunterschied zwischen Gott und den Menschen. Die Vergänglichkeit und das Leiden haben ihren Grund in der Unreinheit des Menschen. Der Perspektivunterschied wird in V. 4 durch die Gegenüberstellung von Reinheit und Unreinheit ausgedrückt.259 Das Kapitel geht damit aus von der Perspektive Gottes. Das Geschick der Menschen hat seinen Grund in dem kategorialen Unterschied zwischen Gott und den Menschen. Darin ist auch das Leiden begründet, worauf immer wieder in der 256 Es sind weniger die Nachstellungen Gottes, die den Tod verursachen (so Fohrer, Hiob, 253). Die koordinierte Anbindung von V. 28 an den vorangehenden Kontext zeigt stattdessen, dass der Tod als ein allgemeines Geschick im Blick ist. Der für Hiob nahe Tod wird den Nachstellungen Gottes entgegengehalten. Dies kann nur dazu dienen, die „Nachstellungen“ Gottes negativ zu charakterisieren. Diese Funktion des Verses bedingt die Durchbrechung des Ich-Stiles. Gleichzeitig könnte es sich um ein zitiertes Element handeln, was man am Fehlen des Rückbezugs des Personalpronomens   erkennen kann. Die Eröffnung mit der Kopula zeigt die Zugehörigkeit zu Kap. 13. 257 Fohrer, Hiob, 253, spricht von „Kleinlichkeit und Verfolgungssucht Gottes“. 258 Dies leuchtet besonders ein, wenn man V. 28 als ein wörtlich übernommenes Zitat versteht. So Fohrer, Hiob, 253. Die beiden Bilder werden zusammen in Hos 5,12 gebraucht, um Jhwhs unheilvolles Handeln für Ephraim und Juda zu charakterisieren. Vgl. Jes 51,8. 259 Hier zeigt sich nach 4,7 (Eliphas) auch in einer Hiobrede, dass , also Reinheit zur Perspektive der Gottheit gehört, und hinter dem Perspektivproblem in der Tat eine durchdachte Konzeption steht.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Klage und Anklage zurückgekommen wird. Wie in den vorangehenden Reden Hiobs bildet dieser Aspekt jeweils den Abschluss der Argumentation. In den V. 7–12 schließt sich ein Abschnitt an, der das Geschick des Baumes thematisiert, der im Unterschied zu einem Menschen, wenn er abgeschlagen ist, wieder ausschlagen könne.260 Das Todesschicksal ist demgegenüber dem Menschen sicher! Dies gilt, auch wenn das Bild des Schlafes den Abschnitt in V. 12 beschließt, denn hier wird im Unterschied zum „echten“ Schlaf davon gesprochen, dass es kein Erwachen für den Gestorbenen geben werde. Aber auch der nachfolgende Abschnitt V. 13–17 thematisiert keine Auferstehungshoffnung,261 sondern kehrt wieder zu den Leiden und der Verfolgungserfahrung des Sprechers zurück. Das Totenreich, die , ist für ihn ein ferner Ort (unter der Erde),262 wo er sich wünscht, vor Gott verborgen zu werden, um vor dem Zorn der Gottheit selbst sicher zu sein, bis sie wieder an ihn denken werde (V. 13). Dabei kann man den Vers angesichts der anderen Aussagen über die Irreversibilität des Todes nur als irreale Formulierung, sozusagen als unmöglichen Wunsch auffassen.263 Der Vers steht in einem Zusammenhang mit dem mehrfach geäußerten Todeswunsch. H.-J. Hermisson bezeichnet ihn als Kulminationspunkt des Todesmotivs. 264 Dabei wird in Hi 17,13f eine Beziehungsterminologie in Bezug auf die  und den Tod gebraucht. Dies ist Ausdruck der Hoffnungslosigkeit des Klagenden265 (vgl. auch 17,15:     ) und gleichzeitig wieder Teil der Anklage Gottes. Hiob wünscht sich, sicher verborgen zu sein vor Gott an einem Ort, auf den dieser nicht zugreifen kann, bis er von Gott wieder beachtet würde, dann aber ohne auf seine Übertretung zu achten (16b). Im Fortgang, in V. 17, geht es nicht um ein Wegnehmen der Sünde. Wohl aber spielt sie auch nach Hi 14,17 für die Beurteilung des Leidenden keine Rolle mehr, da sie quasi in einem Beutel versiegelt und damit unzugänglich 260

Zur Auslegung des Passus und zum Unterschied zu anderen mythischen Vorstellungen vgl. Fuchs, Mythos, 266. 261 Vgl. Fohrer, Hiob, 257f. Diese ist auch generell im Hiobbuch nicht anzutreffen oder wird nicht thematisiert. Vgl. zu der Schlüsselstelle in dieser Hinsicht für die Auslegungsgeschichte Hi 19,25 Fohrer, Hiob, 317ff. Unlängst hat Gibson, I know, 58, versucht, in abgeschwächter Form eine Jenseitshoffnung in dem Text zu sehen. Hiob drücke in einer visionären Aussage die Hoffnung aus, dass Gott ihm am Ende in der Scheol erscheinen werde, wo er ihn sehen werde. Doch widerspricht auch diese Interpretation deutlich anderen Aussagen des Buches. 262 Vgl. Berlejung, Unterwelt, 400. 263 Ähnlich argumentiert Eberhardt, Hiobs Wunsch, 58ff. Vgl. zur Thematik auch unten, 217. 264 Vgl. Hermisson, Notizen, 127. 265 So Mathewson, Death, 104f.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 12–14

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wird.266 Der zweite Halbvers (V. 17b) ist aufgrund des seltenen Vorkommens von  nicht einfach zu verstehen. In Hi 13,4 steht das Verb negativ konnotiert parallel zu , ähnlich scheint es auch in Ps 119,69 gebraucht zu sein. Wahrscheinlich trifft die von HAL vom mischnischen Hebräisch und vom jüdischen Aramäisch hergeleitete Bedeutung „übertünchen, überdecken“ zu.267 Dafür spricht auch, dass sich die beiden Halbverse in ihrer Bedeutung dann recht nahe sind. Parallel zu Hi 14,17a dürfte intendiert sein, dass die Sünde durch eine Überdeckung unzugänglich gemacht wird. In den V. 18ff kehrt der Sprecher zu einer Klage über das Todesgeschick des Menschen zurück, das ihn von der Welt und sogar von den Nächsten absondert. Der Abschluss in V. 22 könnte von jener dunklen Schattenexistenz der Menschen im Totenreich sprechen, die sich der Sprecher als eine Gefangenschaft und Beschränktheit des Menschen in sich selbst vorstellt, es könnte aber zugleich – euphemistisch – von dem Prozess des Verfalls des Körpers nach dem Tode die Rede sein.268 Die Freunde werden am Anfang der Rede angesprochen. Der explizite Bezug zu ihnen verliert sich dann aber, was mit dem Charakter der Rede als Abschluss des ersten Redeganges zusammenhängen kann. Interessant ist, dass sie in 13,17 als mögliches Publikum für seine Anklage gegen Gott erwähnt und vorgestellt sind. Dies lässt ausgehend von dem vorliegenden Zusammenhang die Schlussfolgerung zu, dass es sich von den Freundesreden bis zu den Gottesreden um eine einheitliche Szenerie handelt. Bestätigt wird dies durch Querbeziehungen zu den Herausforderungsreden, den Gottesreden und Hiobs Antworten auf sie. Die Rede ist trotz ihrer besonderen Länge ähnlich aufgebaut wie Hiobs vorangehende Rede. Hiob richtet zunächst eine vehemente Polemik gegen seine Gesprächspartner und führt dann – vielleicht als Erwiderung der weisheitlichen Unterweisung in der vorangehenden Rede – eine weisheitliche Ar266 Oft wird auch für das gebräuchliche Verb des Sühnens  eine Bedeutung „bedecken, überdecken“ angenommen. Vgl. Maass, , THAT I, 843; dort ist für diese Bedeutung festgehalten, dass  in Neh 3,37; Jer 18,23 austauschbar mit  (vgl. dazu oben, 74 [zu Hi 9,24]) ist. G. Gerlemann denkt u.a. an konkrete Handlungen: „wegwischen, bestreichen, reiben“, lehnt aber die Bedeutung „bedecken“ ab. Vgl. Gerlemann, kpr, 12–18. 267 Vgl. HAL, 362. Man muss erwägen, ob die wenigen Stellen sich nicht noch besser unter der etwas weiteren Bedeutung „überdecken“ zusammenfassen ließen. Beachtet man, dass in Hi 13,4; Ps 119,69 die negative Konnotation jeweils durch das Nomen  bewirkt wird (in Hi 13,4 parallel dazu die negative Konnotation von  durch das Nomen ), wird  für sich also eher eine positiv konnotierte Handlung ausdrücken. Anders Gesenius18, 428. Vgl. allgemein zur Auslegung der Stelle Newsom, Job, 442, die von „images of concealment“ spricht, die hier und im Kontext gewählt seien. 268 Vgl. Fohrer, Hiob, 261.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

gumentation an, mit der er nachzuweisen versucht, dass der Tun-ErgehenZusammenhang auf dem Kopf steht. Danach fordert er die Freunde auf, Zeugen seiner gerichtlichen Herausforderung Gottes zu werden. Obwohl er sich der Irrealität seines Unterfangens bewusst ist und sich dabei dem Tode nahe weiß (13,15), fordert er von Gott eine Antwort auf die Frage, wie groß seine Schuld ist (13,23) und warum er sich verbirgt (13,24). In Kap. 14 wendet sich Hiob in Klage und Anklage an Gott. Obwohl sich Hiob in einer kritischen Weisheitsrezeption gegen die weisheitlichen Positionen seiner Vorredner wendet, greift er ohne konkreten Rückverweis das Thema der Gottesbeziehung aus der Bildadrede (Hi 8) positiv auf. Die Gottesbeziehung überhaupt, nicht Schuld oder Sünde, entscheidet letztlich über das Geschick des Menschen (13,16). Freilich zieht er nicht die Konsequenz – wie von Bildad gefordert –, seine Schuld Gott gegenüber einzugestehen und sich ihm als Schuldiger zu unterwerfen, um wieder Heil zu erlangen. Das Thema Sünde behandelt die Rede auf unterschiedlichen Ebenen in Abhängigkeit von der Thematisierung des Perspektivproblems der Gerechtigkeit. Entsprechend finden sich Aussagen, in denen der Sprecher, sich seiner Frömmigkeit bewusst, auf seiner Unschuld beharrt, neben Aussagen, in denen er eine mögliche Schuld gegenüber Gott eingesteht. Trotz eines solchen Eingeständnisses fühlt sich Hiob aber angesichts seiner intakten Beziehung zu Gott von diesem ungerecht behandelt. Ganz im Gegensatz zu der von Bildad geforderten Unterwerfung fordert Hiob von Gott angesichts dessen Übermächtigkeit, der die Todesverfallenheit des Menschen gegenübersteht, Vergebung (bzw. Überdeckung) einer möglichen Schuld. Die an Gott gerichtete Aufforderung, doch endlich zu seinen Gunsten einzulenken, führt ihn, da er zugleich das Perspektivproblem der Gerechtigkeit als gegeben ansieht, wieder in resignierende Klage, die in der Hoffnung, in der Scheol vor Gottes Nachforschungen verborgen zu sein (14,13), gipfelt. 269 Dieser paradoxe Wunsch nach einem Schutzort von Gott vor Gott selbst zeigt wiederum die Suchbewegung, auf der sich Hiob in seiner Gottesbeziehung befindet.270 Dass hier die Scheol genannt wird, könnte darauf verweisen, dass es sich bei dieser nach der theologischen Konzeption der Hiobdichtung um den einzigen Ort handelt, auf den Gott keinen Einfluss hat, was im Einklang mit der Funktion des Todeswunsches auch an anderen Stellen der Dichtung steht.

269

Vgl. Hermisson, Notizen, 127. Dafür spricht außerdem, dass sich bes. 14,13ff. an die Gebetssprache anlehnt. Vgl. Newsom, Job, 439. 270

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 15

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h) Hi 15 – Eliphas’ zweite Rede Wie die vorangehenden Freundesreden ist diese Rede an ihrem Beginn durch eine rhetorische Zurückweisung der vorangehenden Rede mit dem Kontext verbunden.271 Sie richtet sich in ihrem ersten Teil (15,2–16) durchgängig an die Person Hiobs und auf seine Reden. Danach wird das Geschick des Frevlers (V. 17–35) allgemein thematisiert. Ein tröstender Abschluss oder ein an die Ratschläge paränetisch angehefteter Zuspruch von Heil fehlt in dieser Rede,272 so dass man die abschließende Thematisierung der Frevler als einen polemisch auf Hiob anspielenden Passus zu verstehen hat. Die polemische Anknüpfung an die vorangehende Hiobrede (Hi 15,2–6) erfolgt mit besonderer Heftigkeit. Nach dem Vorwurf der Nichtigkeit seiner Worte (V. 3) werden Hiobs Reden zusätzlich () in religiösem Sinne als zerstörerisch273 charakterisiert (15,4). Eliphas unterstellt Hiob, dessen Klage würde die Gottesfurcht zerstören. Er stellt damit Hiobs Argumentationsgang grundsätzlich in Frage, da dieser ja immer auf dem Hintergrund einer von seiner Seite aus gesehen intakten Gottesbeziehung gesprochen hatte. In V. 5 wirft nun nach Bildad und Zophar auch Eliphas Hiob eine konkrete Schuld vor. Dessen Rede bezeuge eine solche (     „denn deine Schuld belehrt deinen Mund“). V. 6 scheint mit der Aussage    „dein Mund beschuldigt dich (mit  [Hif.])“ dem Kontext von Hiobs Herausforderung Gottes zum Rechtsstreit verbunden zu sein, denn vor dem Hintergrund von Eliphas’ Argumentation erscheinen Hiobs Reden sozusagen als Zeugnis gegen die aus seiner Perspektive vorgetragene Behauptung der Integrität.274 Damit wird in den Freundesreden insgesamt eine neue Qualität der Auseinandersetzung erreicht, denn in seiner ersten Rede hatte Eliphas Hiob noch zugestanden, „integer“ zu sein.275 Die wachsende Polemik und die immer stärkere Konfrontation zwischen Hiob und seinen Freunden prägen den gesamten Dialog. Es folgt eine Reihe rhetorischer Fragen (Hi 15,7f), die darauf abzielen, Hiobs Wissen und damit auch die Grundlage seiner Argumentation als begrenzt zu erweisen. In V. 9 wird Hiobs Wissen mit dem der Freunde verglichen. Der Einwand, Hiob wisse nicht mehr als sie, erweist sich nach 12,3; 13,2, wo in der Hiobrede in ganz ähnlicher Weise formuliert wird, als Stereotyp in der Auseinandersetzung. Interessant für die vorausgesetzte Redesituation ist die Fortsetzung des Vergleiches zwischen Hiob und seinen Ge271

Vgl. Course, Speech, 92. Vgl. Fohrer, Hiob, 265. 273 Vgl. ebd., 267. 274 Vielleicht sind hier radikale Aussagen wie Hi 7,21 im Blick. 275 Vgl. Fohrer, Hiob, 265. 272

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

sprächspartnern in V. 10. Unter den Gesprächspartnern seien Greise, die an Lebenszeit Hiobs Vater überschreiten. Hier wird die im Rahmen vorausgesetzte Redesituation Hiobs im Gegenüber zu drei angereisten Freunden überschritten. Stattdessen steht Hiob einer größeren Gruppe gegenüber.276 In V. 11 setzt mit einer Frage ein neues Thema ein:           „Sind die Tröstungen Gottes (zu) wenig und ein Wort, das mit dir sanft (umgeht)?“ Sowohl mit den     als auch mit 

scheint auf etwas Konkretes verwiesen zu sein. Es ist die Frage, wie die beiden Halbverse zu verstehen sind. Das Nomen  277 ist ein Derivat des im Hiobbuch mehrfach belegten Verbs   „Mitleid haben, trösten“, doch von einem „Trost“ durch Gott ist weder in der vorliegenden Eliphasrede noch explizit in der vorangehenden Dichtung die Rede. Allerdings lässt der polemisch auf Hiobs vorangehendes Reden gerichtete Charakter der Rede insgesamt vermuten, dass Hiobs Weigerung, die Ratschläge der Freunde zu akzeptieren, im Blick ist. Die Polemik gegen Hiob ist im Anschluss an Hi 15,11 in den V. 12–16 noch einmal besonders deutlich: V. 12f richten sich polemisch gegen Hiobs Reden. Konkret wird dann Hi 15,14. Die Verse Hi 15,14–16 nehmen formal und inhaltlich Hi 7,17f aus der zweiten Hiobrede auf278:

276 Dies hat Fohrer, Hiob, 270, als Problem erkannt. Er schlussfolgert: „Die Alten und Ergrauten ‚unter uns‘ meinen nicht einen der Freunde, sondern die Weisen überhaupt.“ Doch widerspricht das trotzdem der Stilisierung des Rahmens, wo Hi 2,11–13 die Freunde kommen, um Hiob zu trösten und nicht, um ein Streitgespräch stellvertretend im Namen aller Weisen zu führen. Zum Argument des Alters vgl. auch die Diskussion der Eröffnung der Elihureden unten, 458. – Außerdem zeigt sich in der Eröffnung der Elihureden in Hi 32,6ff, wo ebenfalls eine andere und offenbar größere personale Szenerie im Blick ist, dass Rahmen und Dichtung in diesem Punkt nicht konvergieren. Vgl. insgesamt das Kapitel zu den Elihureden unten, 445ff. 277 Vgl. HAL, 1623. Gesenius17, 884, unterscheidet dagegen aufgrund des Nebeneinanders von fem. und mask. Pluralbildung zwei Nomina mit gleicher Bedeutung. Das Nomen   kommt im Hiobbuch ein weiteres Mal in Hi 21,2 vor, wo es mit   die Reden der Freunde polemisch zusammenfasst. Das seltene Nomen wird in Ps 94,19; Jes 66,11 mit Gottes Handeln verbunden. In Ps 94,19 ist es ähnlich im Text platziert wie in Hi 15. So wie in Hi 15,20ff auf die Rede von den     das Thema des Gottesgerichts an den Widersachern folgt, schließt sich dieses Thema auch in Ps 94,23 an die Erwähnung der Tröstungen Gottes an. 278 Der Abschnitt richtet sich aber auch gegen Aussagen wie Hi 14,1. So Fohrer, Hiob, 271.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 15 Hi 15,14–16

Hi 7,17f

  14                  15         16 14Was ist der Mensch, dass er rein wäre, und gerecht das Geborene einer Frau? 279 traut er nicht, 15Siehe seinen Heiligen und der Himmel ist nicht integer in seinen Augen. 280 einem Abscheuli16Um wie viel weniger chen und Verderbten, einem Mann, der Sünde trinkt wie Wasser.

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  17                 18 Was ist der Mensch, dass du ihn groß machst und auf ihn achtest,

17

dass du an den Morgen nach ihm schaust und ihn immer wieder prüfst?281

18

Bei der Formulierung  ...     handelt es sich angesichts der durchgehenden Bezugnahme der Rede auf Hiobs Reden zuallererst um eine Referenz innerhalb der Hiobdichtung.282 Ein direkter Bezug zu Hi 7,17f soll hergestellt werden. Die folgenden Aussagen nehmen wohl konkret Bezug zu den Formulierungen Hiobs: Anstelle der Anrede Gottes und der parodierenden Aussagen über den Menschen in Gottes Sicht werden jetzt rhetorische Fragen über den Menschen formuliert. Der Mensch erscheint im zweiten Halbvers als das Geborene einer Frau. Damit wird die parodistische Überhöhung des Menschen umgekehrt. Die rhetorische Frage zielt darauf, dass Reinheit und Gerechtigkeit des Menschen unmöglich sind. Es folgt in V. 15 eine Aussage über die Heiligen und über den Himmel. Diese dient der Begründung der vorangehenden Aussage. Wenn schon der Himmel nicht rein ist vor Gott, ist auch der Mensch weder gerecht noch rein vor ihm. Die beiden Verse greifen dabei zugleich zurück auf den Inhalt von Eliphas’ Offenbarung283 und deren Auslegung (Hi 4,17–21).284 Interessanterweise erscheint der Schluss vom Schwereren zum Leichteren, der in 4,17ff von „den Dienern“ zu den Menschen geführt wurde, in 15,16 abgewandelt. Hier wird von einem Mann (gegenüber   in V. 14 hier ) gesprochen, der als sün279

Hier ist in der Übersetzung dem Qere zu folgen. Vgl. zur Interpretation der Figur Fohrer, Hiob, 271. 281 Bei der Interpretation von  folge ich Fohrer, Hiob, 159f. 282 An dieser Stelle steht der Zusammenhang zu Ps 8,5 nicht im Vordergrund, sondern Hiobs Parodie des Psalms in Hi 7,17f. 283 Köhlmoos, Auge Gottes, 250, schreibt: „Er ‚zitiert‘ das empfangene Wort in freier Form.“ 284 Nach Köhlmoos, Auge Gottes, 250, hat der Rückgriff auf Hi 7,17ff die Veränderungen in Hi 15,14ff gegenüber Hi 4,17ff bewirkt. Freilich ist eine „exakte Zitation der Vision“ (ebd.) nicht zu erwarten, da im Dialogteil bei Bezugnahmen in der Regel paraphrasiert wird. 280

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

dig und verdorben charakterisiert wird. Es liegt nahe, dass sich dies nun direkt auf Hiob bezieht. Hatte sich Hiob, eingeleitet mit der Formulierung   , über Gottes Angriffe beklagt, so nutzt Eliphas den Rückgriff auf diese Formulierung, um deutlich zu machen, dass für Hiob die umgekehrte Aussage über die Natur der Menschen in besonderer Weise gilt. Eliphas wirft Hiob damit nun konkrete Übertretung vor. Er sieht Hiobs Reden als Beweis gegen dessen Unschuldsbeteuerung, wie die Ausgangsformulierung      in Hi 15,6 deutlich macht. Die unablässigen Angriffe Gottes, denen sich Hiob ausgesetzt sieht und die er als ungerechte Behandlung durch Gott versteht, interpretiert Eliphas als Ausdruck der Perspektivität der Gerechtigkeit: Vor Gott sind nicht einmal die Heiligen rein. Die Schlusszeile deutet dabei an, dass er Hiob nun als einen   und  hinstellt, bei ihm also konkrete Schuld sieht, so dass Hiobs Geschick nun eine doppelte Begründung erfährt. Allerdings wird Hiob dabei trotz aller Polemik noch nicht direkt angesprochen. Damit wird deutlich, dass sich die Referenz von    und     in Hi 15,11 auf den Lösungsvorschlag285 des Eliphas und auf Hiobs Verweigerung, ihn zu akzeptieren, beziehen. Die nachfolgende Thematisierung des Geschicks der Frevler in Hi 15,20ff zeigt, dass sich der Abstand zwischen Hiob und seinen Freunden deutlich vergrößert hat.286 M.E. dürfte die allerdings auch hier noch nur indirekte Zuweisung Hiobs zu den Frevlern damit zu tun haben, dass Hiob immer noch dazu bewegt werden soll, eine Schuld einzugestehen, was später in der dritten Rede des Eliphas konkret wird. Die Schuld besteht nach 15,25 zumindest in Hiobs Aufbegehren gegen Gott. Der Bezug, der zu Hi 13,13ff.20ff besteht, wo Hiob Gott auffordert, ihm zu antworten, macht deutlich, dass Eliphas es für grundsätzlich illegitim hält, sich in der Weise wie Hiob an Gott zu wenden. Hi 15,25 kommt daher für die Hiobdichtung konzeptionell eine erhebliche Bedeutung zu. Möglicherweise soll die Auffälligkeit einer in den Freundesreden völlig fehlenden Anrede Gottes in der Perspektive von Hi 15,25 zum Ausdruck bringen, dass eine Anrede Gottes ausschließlich im Sinne des Schuld285 Dieser hatte Hiob zu Umkehr und Akzeptanz des Leides als Züchtigung Gottes (Hi 4,17) geraten. 286 Hiob wird indirekt mit den Frevlern auf eine Ebene gestellt. M.E. ist nicht mehr erkennbar, worin hier ein Trost für Hiob bestehen soll. Anders Köhlmoos, Auge Gottes, 256: „Eine Möglichkeit hingegen besteht noch: Sind auch Menschen nicht grundsätzlich gerecht, so sind doch einige ‚gerechter‘ als andere. Der  ist identifizierbar. Sein schreckliches Ende soll Hiob sowohl bei der Deutung seines Leidens als auch im Ertragen helfen.“ Gegen diese Deutung spricht aber, dass Eliphas meint, Menschen seien grundsätzlich nicht gerecht. Da der Beweis für Hiobs Schuld in dessen Reden liegt, dürfte Hi 15,20ff als Angriff auf Hiob gemeint sein.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 15

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anerkenntnisses – wie von den Freunden von Hiob gefordert – möglich ist. Letztlich offenbart sich die zweite Rede des Eliphas damit konkret als Retardierung in der auf die Begegnung Hiobs mit Gott gerichteten inhaltlichen Linie der Dichtung. Die zweite Eliphasrede ist in ihrem ersten Teil durchgängig an Hiob gerichtet. Sie befindet sich nicht nur mit der vorangehenden Rede Hiobs in einer Auseinandersetzung, sondern auch mit dessen Erwiderung auf Eliphas. Die Kontextbindung ist damit sehr eng, ohne dass direkt zitiert wird; ein expliziter Bezug auf den Rahmen und auf die dort dargestellte Hintergrundsituation besteht jedoch nicht. Paradigmatisch dafür ist, dass zurückgegriffen wird auf den Ausgangspunkt der Argumentation des Eliphas (Hi 4,17ff). Es wird mehrfach unter Rezeption von Hiobs Argumentation (Hi 7,17ff) dessen Klage über die Unbarmherzigkeit der Nachstellungen Gottes zurückgewiesen, und es wird zugleich eine Verschärfung der Bewertung von Hiobs Situation vorgenommen: Hiobs Reden bezeugen, dass sein Leiden nicht nur in der Perspektive Gottes begründet sein kann, sondern Ausdruck einer konkreten Schuld ist, die er auf sich geladen hat. i) Hi 16f – Hiobs fünfte Rede Die Hiobrede setzt mit direktem Bezug auf die vorangehenden Äußerungen ein, indem mit       (V. 2a) zusammenfassend auf die Freundesreden Bezug genommen wird.287 Die Gesprächspartner werden im zweiten Halbvers direkt (2. Pl. mask.) angesprochen und zusammenfassend als    bezeichnet. Diese Bezeichnung scheint in einer direkten Beziehung zur vorangehenden Rede des Eliphas zu stehen. Dort fand sich bezogen auf das den Frevlern drohende Leiden in 15,35 das Nomen  ; in 15,11 wurde   verwendet. Im Zusammenhang der Bezugnahme wird also auf zentrale Stichworte aus der Eliphasrede zurückgegriffen.    ironisiert entsprechend die Position des Eliphas. Ein weiteres Mal schlägt Hiob damit den auch in dem vorangehenden Abschnitt über das Geschick der Frevler (Hi 15,20–34) implizierten Vorschlag, seine Schuld anzuerkennen, aus.288 Die Bezeichnung der Freunde als    leitet zugleich über zu Hiobs Kritik am Fehlverhalten der Freunde ihm als Leidenden gegenüber (16,4ff). 287 Dass es nicht nur um die direkt vorangehende Rede geht, sondern um eine Vielzahl ergibt sich aus    . Gegen Course, Speech, 99. Dass die Formulierung sich direkt auf den vorangehenden Passus über die Sünder bezieht (so Course, Speech, 100), lässt sich aus ihrem Wortlaut nicht entnehmen. 288 Vgl. Fohrer, Hiob, 283.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

In Hi 16,3 setzt sich die Polemik mit dem Bezug zu der vorangehenden Rede fort. Diese wird ganz ähnlich dem Vorwurf des Eliphas (15,2f) als inhaltslos charakterisiert   (vgl. 15,2:      ). Wieder beginnt also eine Rede mit einer Abqualifizierung der Redeinhalte und einer Relativierung der Kenntnisse des Gegenübers.289 Die Unterstellung (16,3), dass der Angesprochene seine Reden nicht aus eigenem Antrieb vorbringt, dient der weiteren Abqualifizierung des Gegners und entspricht der parallelen Bemerkung in der Eliphasrede (15,12f), die hier sozusagen zurückgegeben wird. Der unvermittelte Gebrauch des Sg. zeigt den direkten Bezug zur Eliphasrede formal an. In 16,4–6 wendet sich Hiob formal wieder den Gesprächspartnern insgesamt zu (2. Pl.). Hier hält er deren Reden entgegen, wie er an ihrer Stelle gehandelt hätte. Er hätte es ihnen mit Angriffen gleichtun können (V. 4). Das Verständnis der Intention von V. 5 ist nicht ganz leicht. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Gegensatz zum vorangehenden Vers ausgedrückt werden soll. Im Gegensatz zu den Angriffen der Gesprächspartner würde Hiob trösten. Eine andere Möglichkeit ist, dass es sich beim Stärken mit dem Munde und beim Trost mit den Lippen um ein inadäquates Verhalten dem Leid gegenüber handelt und stattdessen praktische Hilfe und Unterstützung erwartet werden.290 Zu beachten ist aber der Wechsel in der Bezugnahme auf die angesprochenen Gesprächspartner. In V. 4 werden diese zweimal mit der Präpositionalphrase  „über euch“ in den Blick genommen, während auf sie in V. 5 mit dem Objektsuffix an  abgezielt wird. V. 5 spricht also im Gegensatz zu V. 4 von einer direkten Unterstützung. Daher stehen sich die Aussagen      „ich könnte versammeln gegen/über euch mit Worten“ in V. 4a und    „ich würde euch stärken mit meinem Mund“ (V. 5a) einander gegenüber. Hiob würde sich den Freunden – anders als sie – positiv zuwenden.291 Dieses Verständnis trifft sich mit der Bezeichnung der Freunde als    (Hi 16,2). Der Gebrauch der Formulierung     in 5b dürfte damit zusammenhängen. Wenn das Hapaxlegomenon  von  „bewegen“ herzuleiten ist, ist die Konstruktusverbindung   eine Metapher für das Sprechen. Die Frage ist, ob es sich dabei um das Subjekt des Satzes handelt, die 3. Sg. mask. bei   auf   bezogen werden kann. Denn es fehlt ein Objekt. Beachtet man die Intention des ersten Halbverses, die auf die Stärkung des Gegenübers zielt, so ist zu überlegen, ob es auch im zweiten Halbvers nicht um eine Beschreibung der Art 289

Vgl. zur kommunikativen Struktur in der Dichtung unten, 176ff. Vgl. Newsom, Job, 458, die beide Möglichkeiten erwägt und sich für die zweite entscheidet. So auch Fohrer, Hiob, 284. 291 Ähnlich Weiser, Hiob, 122. 290

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 16f

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und Weise von Hiobs Sprechen, sondern um die Wirkung dessen bei seinem Gegenüber geht. Es legt sich dann für  die etwas anders gelagerte Bedeutung „schonen“292 nahe. Hiobs Rede würde sein Gegenüber also stärken und schonen. Interessant ist, dass in 2,11b im Übergang vom Prolog zur Dichtung als Absicht der Freunde erwähnt wird, Hiob zu trösten (    ). In Bezug auf Hi 16,6 wird darüber debattiert, ob sich  auf die Schmerzen Hiobs293 oder aber in Fortsetzung des vorangehenden Gedankens auf das Mitleid mit seinem Gegenüber bezieht.294 Letzteres ist unwahrscheinlich, da das biblisch seltene  sonst nirgends in dieser Bedeutung auftaucht.295 Dafür wird eigentlich   gebraucht. Daher bezieht sich der Vers sicher wieder auf Hiobs Leiden. Die Rollenumkehrung, die im vorangehenden Vers beschrieben wurde, ist damit verlassen. Ein Problem stellt das Tempus der vier Verbformen in V. 6 dar. Die Imperfektformen lassen weder Vor- noch Nachzeitigkeit der Handlungen erkennen. Eine Lösung des inhaltlichen Problems ergibt sich, wenn man von 16,6b ausgeht:     

 . Die Parallelität der Halbverse spricht dafür, dass es sich auch in 16,6b um ein Konditionalgefüge handelt. Der Halbvers ist also zu übersetzen: „(Wenn) ich aufhöre, was wird von mir gehen?“ Die Frage ist dabei eindeutig rhetorischen Charakters. Intendiert ist also, dass mit einem Schweigen nichts von Hiob () weg bewegt wird. Ist demgegenüber im vorangehenden Halbvers ein Gegensatz in dem Sinne, dass auch ein Reden für Hiob keine Schmerzlinderung bewirkt, intendiert? 296 Es liegt zunächst ein Gegenüber von Reden und Schweigen (bzw. „aufhören“ zu reden) vor, doch ist im Hauptsatz  '&*  *  die Passivkonstruktion zu beachten. „Wenn ich rede, wird mein Schmerz nicht aufgespart.“ Dass es nicht darum geht, den Schmerz durch Reden zu lindern, zeigt sich durch den zweiten Halbvers. Wenn Hiob aufhört, würde nichts mehr von ihm gehen. Das bedeutet lediglich, dass die Äußerung seines Leides dann aufhört, nicht aber das Leiden selbst. Umgekehrt ist daher für V. 6a zu schließen, dass Hiobs Reden seinen Schmerz – und das meint entsprechend die Äußerung seines Schmerzes – nicht aufspart. Hiobs Klagen wird in V. 6 damit als Ausdruck und Äußerung seines Leides beschrieben.297 Der Vers dürfte damit als Zurückweisung der permanenten Aufforderungen der Freunde, diese Form der Klage zu unterlassen, zu verstehen sein. Die Form von Hiobs 292

So auch Stier, Hiob, 293. Stier, Hiob, 293, meint, dass das Reden Hiob keine Erleichterung verschaffe. So auch Mosis, , ThWAT IV, 10. 294 So z.B. Fohrer, Hiob, 285. Vgl. Stier, Hiob, 293, der das als Möglichkeit erwägt. 295 Die LXX übersetzt übrigens mit Ìġ  Ìɸıĸ und bezieht  damit auf Hiobs Krankheit. Zur Etymologie vgl. Mosis, , ThWAT IV, 8f. 296 So Newsom, Job, 458. 293

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Klage wird hier angesichts des Leidens gerechtfertigt. Die Angriffe der Freunde und ihre Unterstellungen einer Schuld sind dem Leidenden gegenüber unangemessen, wie die Rollenumkehrung in V. 5 zeigt: Der Trost dem Leidenden gegenüber (V. 5) wäre die adäquate Reaktion auf seine Klage. Mit   (V. 7) wird ein neuer Zusammenhang eröffnet.298 In dem Abschnitt 16,7–17 wendet sich Hiob an Gott. Seine Gesprächspartner werden demgegenüber nicht mehr angesprochen. Zunächst wird Gott, ohne dass er direkt genannt wird, als Ursache für Hiobs Leiden beschrieben (V. 7–10).299 Eine Spitzenaussage ist in V. 9 zu sehen:             – „Sein Zorn hat mich gerissen und er ist mir zum Widersacher geworden. Er hat seine Zähne gegen mich gefletscht. Mein Feind schaut mit seinen funkelnden Augen zu mir.“ Der Vers steht ambivalent zwischen den vorangehenden und auf Gott bezogenen Sätzen (V. 7f) und dem nachfolgenden Vers, der sich pluralisch formuliert auf Gegner Hiobs bezieht. Man kann diesen Vers aufgrund des ersten Satzes (   ) als Klage über die Reden der Freunde werten.300 Die Fortsetzung des Zusammenhanges spricht aber auch für andere, sonst nicht erwähnte Widersacher. Eine implizite Polemik gegen die Freunde im Zusammenhang von weiteren Aussagen über Hiobs Gegner könnte der wachsenden Schärfe der Auseinandersetzung entsprechen. Die Vorstellung von persönlichen Anfeindungen Hiobs begegnet auch später noch (27,7; 30,19). Hierin zeigt sich in der Dichtung eine vom Rahmen verschiedene und wohl auch komplexere Situation.301 Besonders V. 11 macht klar, dass auch die in V. 10 genannten Widersacher von Gott ausgeschickt sind. Der nachfolgende Abschnitt gebraucht dann verschiedene Bilder, um Gottes ungerechte Feindschaft gegen den Klagenden auszudrücken. Der Passus schließt mit der Beteuerung, dass an Hiobs Hand keine Gewalttat klebt und sein Gebet rein sei (V. 17). 297 Die LXX hat an eine konkrete Linderung der Schmerzen durch das Reden gedacht: ëÛźÛɸÂûÊÑÇĤÁÒºûÊÑÌġÌɸıĸ „wenn ich reden werde, werde ich nicht die Wunde fühlen“. Das Futur steht für den hebr. Imperfekt. 298 Vgl. Fohrer, Hiob, 285. Anders Course, Speech, 97. Die unterschiedliche Zuweisung des Verses hängt mit den Verstehensschwierigkeiten zusammen. Vgl. die Diskussion darüber, die bei Course, Speech, 95–97, dargestellt ist. 299 Innerhalb des Zusammenhanges werden oft literarische Überarbeitungen vermutet. Fohrer, Hiob, 280, sieht V. 9b–11 als sekundär an, Mende, Ijob I, 243, zusätzlich noch V. 12b.13a. Doch sind die formalen und inhaltlichen Probleme des Abschnittes vielleicht besser mit der Verarbeitung einer Quelle (Klagezusammenhang) zu erklären. Weiser, Hiob, 124, weist darauf hin, dass die Aussagen „aus dem traditionellen Wortschatz der Klagepsalmen stammen“. Horst, Hiob, 249, verweist auf Ps 31,9; 140,9. 300 Diese Interpretation bestätigt sich im Fortgang der Rede. Vgl. unten, 105. 301 Gegen Weiser, Hiob, 124, der die Verse aufgrund des traditionellen Wortschatzes nicht in einer Beziehung zur Situation Hiobs sieht.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 16f

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In Hi 16,7–17 insgesamt steigert sich die Rede gegenüber Hi 16,2–6 zur Anklage. Hier wird betont, dass Gottes Handeln feindlich gegen Hiob gerichtet ist.302 Auch wenn der Abschnitt in den Feindklagen z.T. aus anderen Zusammenhängen stammen mag,303 wird insbesondere mit dem an Gott gerichteten Vorwurf, dass dieser Widersacher gegen Hiob ausgeschickt hätte, die ihren Mund gegen ihn aufgetan haben, d.h. ihn verbal angreifen, auf die Freunde angespielt.304 Die Anklage Gottes und die Anklage der Gesprächspartner werden in Hiobs Reden in einen direkten Zusammenhang gebracht. Andere Formulierungen der Klage weisen über den Dialogteil hinaus, doch ist eine Verbindung zum Rahmen nicht erkennbar. So deckt sich der Kriegszusammenhang der V. 12–14, wo Hiob in V. 14 mit einer vom Feind attackierten Stadt identifiziert wird, nicht mit der Rahmenhandlung. Auch wenn dort in 1,15.17 von Überfällen die Rede ist, so doch nicht von einem Angriff wie gegen eine Stadt. In V. 15–17 ist wiederum (ähnlich wie in 14,17) nicht eine absolute Schuldlosigkeit Hiobs im Blick. Die Handlungen in V. 15f können zwar Reaktion des Klagenden auf das Unheil sein (bekleidet mit Sack, die Stirn in der Asche, V. 15; Weinen, V. 16). Doch wird danach betont, dass keine Gewalttat ( ) an seiner Hand sei und sein Gebet rein sei (V. 17). Das lässt die Existenz einer möglichen Schuld offen und lässt Sack und Asche (wie in Hi 42,6) als die äußeren Zeichen einer Bußhandlung erscheinen. 305 Im Hintergrund steht zumindest nicht die Vorstellung, dass Hiob als völlig Schuldloser Gottes Strafhandeln ausgesetzt ist. Doch wirft er Gott – wie auch schon an anderen Stellen – dessen Handeln als unverhältnismäßig vor.306 Mit Hi 16,18–22 wird eine inhaltliche Wendung vollzogen. Nach den Anklagen ist Gott nun Adressat eines Redeabschnittes mit verändertem Charakter: Zunächst wird (V. 18) die Erde angerufen, Hiobs Blut nicht zu bedecken. Dabei wird ähnlich wie in Gen 4,10f die Thematik der Blutrache (dort mit  ) aufgegriffen.307 Die Anwendung der Blutrachemetaphorik insbe302 Innerhalb von Hi 16,7–17 werden aufgrund der sich im Zentrum steigernden Schärfe mehrere Abschnitte voneinander unterschieden (7f.15–17 und 9–14). Vgl. Horst, Hiob, 244. 303 Dies nimmt z.B. Fohrer, Hiob, 283, zum Anlass, die V. 9b–11 zu streichen. 304 So in V. 10. Vgl. Weiser, Hiob, 124. 305 Gegen Groß, Ijob, 64, der meint, das Trauergewand würde an den Wunden kleben: „Lebend zählt er zu den Toten.“ 306 Ähnlich interpretiert Weiser, Hiob, 125, die Stelle: „Aber schlimmer als dies alles ist die offene Wunde, die in einer tieferen Schicht seines Herzens brennt und sich nicht schließen läßt: Die Glaubensanfechtung, daß solch schwere Mißhandlung durch Gott bei ihm in keinem Verhältnis steht zu einer besonderen Schuld, die sie rechtfertigen könnte. Schuld und Schicksal kann er bei sich nicht zur Deckung bringen, damit die Rechnung, die ihm seine Freunde vorgelegt haben, aufgeht.“ 307 Vgl. Fohrer, Hiob, 290.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

sondere auf Gott impliziert den Vorwurf, dass dieser letztlich Blutschuld auf sich laden werde. Im Sinne von Gen 4,10f würde mit Hiobs Tod ‚die Stimme seines Blutes zu Gott schreien‘. Damit liegt gegenüber dem vorangehenden Text eine weitere Steigerung des Anklagecharakters von Hiobs Reden vor, indem Hiob Gott mit dieser Konsequenz seines ungerechtfertigten Todes droht.308 Die Thematisierung des Todes (Todeswunsch; naher Tod) geht damit einen Schritt weiter: Es wird mit Hiobs Tod nicht mehr nur zu spät für Gott sein, sich ihm (wieder) zuzuwenden (Hi 7,8), sondern Gott lädt damit konkrete Schuld auf sich. Der nachfolgende V. 19 wechselt wieder in eine völlig andere Vorstellung von Gott. Denn nun wird von Gott als Zeugen und Bürgen Hiobs gesprochen.309 Die Eröffnung mit   unterstreicht trotz des Gegensatzes formal den Zusammenhang. Mit „auch jetzt“ schließt sich der Vers adversativ im Sinne von „trotzdem“ an den vorangehenden Zusammenhang an. In diesem Sinne kann man von einer „mutig trotzige[n]“ 310 Ausrichtung seiner Worte sprechen. Der Zusammenhang der V. 18f macht auch die Intention des an die Erde gerichteten Aufrufes (V. 18) deutlich. Gegen den gegen Gott gerichteten Vorwurf der Gewalttat wird Gott (also gegen sich selbst) als Fürsprecher und Zeuge angerufen.311 Zugleich muss der indirekte Ruf an die Erde als implizite Aufforderung an Gott verstanden werden, dafür zu sorgen, dass dessen eigene Blutschuld nicht verdeckt wird, bzw. dass es nicht zu einer solchen kommt. Dass Gott hier trotz der gesteigerten Anklagen und Vorwürfe, trotz seiner Bezeichnung als Widersacher und der Anspielung auf ihn als Blutschuldigen von Hiob als Fürsprecher und Beistand in den Blick genommen wird, versteht sich aus seiner permanenten Suchbewegung 308

Fohrer, Hiob, 290, schreibt: „Da er sich mit diesem Anliegen [dem Aufruf zum Rechtsstreit, R.H.] nicht erhört fühlt, unternimmt er einen weiteren Versuch, Gott zur Anerkennung seiner Unschuld zu bewegen, ja zu nötigen. Darin, daß er ihn zu nötigen sucht, liegt die Steigerung gegenüber dem ersten Versuch.“ 309 Zur Wiedergabe von  vgl. Fohrer, Hiob, 291. 310 Weiser, Hiob, 127. 311 Vgl. Fohrer, Hiob, 291. Andere halten die Vorstellung, dass Gott gegen sich selber zeugt, für problematisch und denken an einen Engel (wie in Hi 33,23f). Vgl. Strauß, Hiob, 289 (Lit.). Habel, Job, 275, nimmt an, Hiob suche „another vehicle for winning his case against god“. Er führt zusätzlich zu der Stelle in den Elihureden auch das Erscheinen des Satans im Prolog als Beleg an. Habels Einheitsthese scheitert m.E. auch an dieser synchronen Verbindung von Stellen. Nicht nur, dass Hiob im Prolog ja nichts über den Satan weiß, ist hier entscheidend, sondern auch, dass Hiobs Äußerungen eine Instanz neben und außer Gott in seiner Perspektive nicht zulassen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Vorstellung von Hi 16,19 eine deutlich andere ist als im Prolog und in den Elihureden. Keine himmlische Gestalt wie der Satan oder ein Fürsprechengel könnten gegen Gott Zeugnis ablegen und Hiob helfen, in seiner Auseinandersetzung mit Gott erfolgreich zu sein.

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nach der Ursache des ihn treffenden Unheils.312 Die Paradoxie im vorliegenden Zusammenhang kommt dadurch zustande, dass diese Suchbewegung im Gegenüber zur Gottheit erfolgt. Letztlich stellt sie einen Appell des Leidenden an Gott dar. Denn wenn er als potentiell Blutschuldiger gleichzeitig als Zeuge gegen sich aufgerufen wird, dann kann das nur darauf abzielen, ihn dazu zu bewegen, jetzt sein Verhalten gegenüber Hiob zu ändern. 313 Wir haben hier eine paradoxe theologische Konzeption vor uns, die aber in der Konsequenz eines zu Ende gedachten Monotheismus liegt. Wenn die Welt nach einem einzigen Prinzip funktioniert, so ist dieses Prinzip für Hiobs Heil und für Unheil verantwortlich.314 In der Fortsetzung des Abschnittes (Hi 16,20–17,1315) wird Gott nun auch zum Fürsprecher in Hiobs Auseinandersetzung mit den Freunden angerufen. Dies bindet den Abschnitt an den vorangehenden Abschnitt an, wo von den von Gott ausgesendeten Widersachern Hiobs die Rede war.316 Damit ist ein Bezug zur vorangehenden Hiobrede (Hi 13,9–11) eröffnet, wo bereits einmal eine Zurechtweisung der Freunde durch Gott in Aussicht gestellt worden war. Vielleicht steht die Aussage (V. 20), dass die Freunde Hiob schlecht behandeln ( – „frech behandeln, verspotten“317),318 in einer Beziehung zu dem an Gott gerichteten Vorwurf, für die gegen Hiob ankämpfen312 „Daß Hiob, wo alles auf Erden gegen ihn zu sprechen scheint, und sein von Gott gesandtes Leiden selbst als Zeugen gegen ihn auftritt (16,8), es wagt, Gott als seinen Zeugen zu benennen, kennzeichnet den ungeheuren Glaubensmut, mit dem er sich der ganzen Welt des Augenscheins entgegenwirft und an dem Gott festhält, an den zu glauben er nie ganz aufgegeben hat, auch da, wo ihm alle irdisch-menschlichen Stützen des Glaubens von Gott zerbrochen werden“ (Weiser, Hiob, 127). 313 Hartley, Job, 264, drückt das so aus, dass Hiob „is affirming genuine confidence in God regardless of the way it appears that God is treating him“. Stier, Hiob, 294, ist der Ansicht, diese Haltung sei „verständlich nur dem Gott Verfallenen, der in das Finstere Gottes fiel und doch in seinem Licht sich weiß, im einen wie im anderen lebt.“ M.E. ist es nicht zielführend, aufgrund z.B. des Nebeneinanders der Verse Hi 16,18f über die Gesamtkonzeption hinaus zu viel über Hiobs religiöse Einstellung zu spekulieren. Die Dichtung läuft klar auf die Herausforderung Gottes und Gottes Antwort an Hiob hinaus. Daher zielt auch der vorliegende Zusammenhang klar auf eine Veränderung von Gottes Haltung gegenüber Hiob. 314 Vgl. unten, 216ff. 315 Zur Abgrenzung der Einheiten vgl. Course, Speech, 96. Das Ende dieses Abschnittes dürfte mit dem Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Tod Hiobs in den beiden Versen 16,22; 17,1 markiert sein. Vgl. Wharton, Job, 80. Die nachfolgenden Verse thematisieren wieder die Angriffe gegen Hiob und die Hoffnung auf Gott als Fürsprecher. Das zeigt, dass wir uns in einem Gesamtzusammenhang befinden, der die genannten Themen immer wieder umkreist. Eine stringente Gliederung ist nicht erreichbar. 316 Nachträglich bestätigt sich damit, dass auch in 16,10 mit den von Gott ausgesendeten Widersachern die Freunde gemeint waren. 317 Siehe Gesenius18, 609.

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den Gegner verantwortlich zu sein. Dem entspricht der zweite Halbvers     , in dem Hiob der Verspottung der Freunde gegenüber seine Hoffnung wieder positiv auf Gott richtet. Andererseits stellen die schlechte Behandlung durch die Freunde und sein Weinen (  – „mein Auge tropft“) in Bezug auf Gott wohl zwei Pole dar, die das durch Gott und Menschen hervorgerufene Leid zusammenfassen. V. 21a ist durch den Rückbezug auf   (V. 20b) eng mit diesem Vers verbunden. Das Imperfekt mit waw-Kopulativum (   ) markiert einen finalen Zusammenhang. Dabei wird Gott als Rechtsinstanz nicht nur gegen den Freund, sondern noch einmal auch gegen sich selbst aufgerufen („und er [Gott, V. 21b] rechte für einen Mann mit Gott“). Zu beachten ist, dass wir uns hier noch in dem in V. 18 eröffneten Zusammenhang befinden. Hiob äußert die Zuversicht, dass Gott mit sich selbst ins Gericht gehen würde. Die Verse 16,22; 17,1 stellen abschließend den baldigen Tod Hiobs in Aussicht, vielleicht, um dies als indirekte Forderung zu unterstreichen, was wie in 7,21b eine Zäsur im Redegang darstellt. Wie bereits festgestellt kehren in 17,2ff Aussagen aus dem vorangehenden Text wieder. In 17,2 scheint mit der Formulierung     wiederum auf das Reden der Gesprächspartner angespielt zu sein. Allerdings ist es auffällig, dass dennoch keine direkte Anrede der Freunde mehr erfolgt, sondern dass die Freundesreden im Folgenden nur noch Gegenstand der Klage sind, gegen die Gott als Bürge angerufen wird (V. 3). Die Klage über die Freunde wird aber in einigen Aussagen überschritten und ist äußerst pauschal formuliert. „At 17:2, Job apparently turns his attention back to the ‚friends‘ whose ‚provocation‘ he has described as the very opposite of the encouragement a true friend owes to one who is in distress such as his own (16:1–5). If so, however, it is clear from 17:2–12 that Job’s three friends symbolize a whole class of people who typically harass the innocent sufferer (see Psalms 22:6–8; 69:9–12; 89:50–51, see also Isa. 50:6).“319 Diese Einschätzung zeigt, dass die vorgestellte Kommunikationssituation für die Freundesreden komplexer ist, als sie vom Rahmen her vorgegeben ist.320 Der Gedanke von Gott als Unterstützer wird allerdings in Hi 17,2–4 in anderer Weise ausformuliert als vorher. War in Hi 16,7ff Gott gegen sich selbst und gegen die Freunde als Zeuge und Fürsprecher angerufen worden, so ist in 17,3f Gott als Bürge, der quasi ein Pfand hinterlegt,321 gegenüber 318

Dies ist insofern einleuchtend, als ja an die Freunde auch vorher schon mehrfach andere Erwartungen herangetragen wurden. 319 Wharton, Job, 81. 320 Bauks, Feinde, 74, hat Ähnliches festgestellt, nämlich, „daß Ijob nicht nur durch seine Krankheit, sondern ebenso von dem Verlust seines Status und seiner gewohnten Umgebung getroffen ist.“

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den Freunden im Blick. In Bezug auf diese war die Pfandgabe in Hi 6,22f thematisiert worden. Mit V. 5ff kehrt der Text in die Klage zurück. Dabei werden Aussagen über die Situation des Leidenden gemacht, die aber dem Rahmen nicht entsprechen. Möglich ist, dass der Passus sich an ein verarbeitetes Sprichwort anlehnt.322 Die Unterschiede würden sich dann aus der Quellenverarbeitung erklären. Doch stellen die Ich-Aussagen darin einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass die Verse mit der für die Dichtung vorgestellten Szenerie in einer Beziehung stehen. Zwar werden nur vage Aussagen über das Gegenüber von Kindern und Freunden (V. 5), die Sprichwörtlichkeit von Hiobs Leiden (V. 6), die Krankheit Hiobs (V. 7) und über die Inanspruchnahme der Gerechten als Parteigänger (V. 8) gemacht. Dennoch sind sie für die Frage nach der Figurierung Hiobs in der Dichtung im Auge zu behalten. 17,6a scheint aufgrund der Formulierung   die individuelle Konzeption der Rede zu verlassen. Dies hängt einerseits an dem Nomen 323 andererseits an dem Plural von  .324 Doch der Bezug auf den Sprecher (Suff. 1. Sg.) macht klar, dass in der Konzeption der Formulierung nicht an Völker gedacht sein kann.325 Im Blick ist also wohl das Umfeld Hiobs, was sich in der Fortsetzung des Verses mit „ein Gespei bin ich“ bestätigt.326 Dies widerspricht wiederum der engen Konzeption von Hiobs personalem Umfeld, wie es im Rahmen vorliegt.327 Die V. 8–10 werden mitunter für einen Zusatz gehalten.328 Zu beachten ist demgegenüber, dass die Anrufung der Aufrechten als Parteigänger, die über Vgl. Gesenius18, 1008. Man hat wörtlich zu übersetzen: „hinterlege doch meinen Pfand bei dir“. Vgl. Fohrer, Hiob, 281. „Meinen Pfand“ hat man im Sinne von „das Pfand für meine Person“ zu interpretieren. 322 Vgl. Fohrer, Hiob, 294. Für die Interpretation von Fohrer spricht, dass Hiob im nachfolgenden Vers als Gleichnis bezeichnet wird. 323 Hier ist mit den Versionen $ " + ! (von $ )  zu lesen. Siehe Gesenius18, 755. 324 Die Parallelstellen Dtn 28,37; Jer 24,9; 1 Kön 9,7 (par.) und Ps 44,15 werfen ein bezeichnendes Licht auf die Stelle. Der exemplarische Charakter der Hiobsdichtung wird durch den Gebrauch des Nomens deutlich. Die Stelle wird im Talmud überindividuell ausgelegt.           (bBB 15a) kann nur eine Interpretation von Hi 17,6a sein. Vgl. dazu unten, 377ff, und in der Zusammenfassung unten, 476ff. 325 Vgl. z.B. Ps 71,7a. 326 Vielleicht ist in 6b  mit der Peschitta zu  zu verbessern, so dass sich der Sinn „Auswurf bin ich vor ihnen“ ergibt. Vgl. Horst, Hiob, 243; Fohrer, Hiob, 281 (siehe dag. allerdings Fohrer, Hiob, 294), und den Apparat der BHK (dort mit einem weiteren Konjekturvorschlag von  zu ). Ebenfalls möglich ist es, eine idiomatische Wendung anzunehmen. Gesenius17 schlägt „ins Gesicht spucken“ vor, eine Interpretation, die die nominale Bedeutung des Pl. von  hoch wertet.  wird sonst meist als temporales Adverb mit der Bedeutung „früher, vorher“ verwendet. 327 Vgl. Fohrer, Hiob, 294. – Im Rahmen sind außer den Freunden keine anderen Figuren im Blick, auf die das pl. Nomen  angewendet werden könnte. 321

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die Behandlung und das Geschick Hiobs entsetzt wären (V. 8a), in Hi 18 eine mögliche Bestätigung erfährt; freilich scheinen im vorangehenden Kontext (bes. 17,3f) keinerlei Fürsprecher außer Gott in Frage zu kommen. Bei V. 8b.9 ist der konkrete Bezug der beiden singularischen Formulierungen (,  ,   ) unklar. Es könnte sein, dass hier eine auf die Person Hiobs hin verarbeitete Quelle vorliegt.329 Beachtet man, dass  eine Leitwortfunktion in der Dichtung hat (Hi 8,13; 13,16; 15,34; 20,5; 27,8; 34,30; 36,13), die sowohl in Hiobreden als auch in den Freundesreden immer in Passagen der Verurteilung des Frevlers oder der Beschreibung seines Geschickes vorkommt, dann muss man in 17,8b eine Äquivalenzaussage zu V. 8a sehen. Die Frommen werden sich entsetzen, und (entsprechend) wird sich ein Reiner über einen Ruchlosen entrüsten. In V. 9, der parallel zu V. 8 steht, wird die Aussage zugespitzt. Der Gerechte   hält an seinem Weg fest. Die beiden Bezeichnungen  und   können durchaus auf Hiob bezogen sein, was auch gilt, wenn der Passus aus einem anderen Kontext hier eingetragen worden sein sollte. In 9,23 hatte Hiob über Gottes Unheilshandeln gegen die Unschuldigen () gesprochen und in 12,4 von sich selbst als  . Wie fügen sich aber die beiden Aussagen vom Reinen, der den Frevlern gegenübersteht und vom Gerechten, der seinen Weg unbeirrt fortsetzt, in die inhaltliche Struktur der Dichtung ein? Zunächst zeigt sich eine Differenz zu der klaren Darstellung des Perspektivunterschiedes am Anfang des Dialogteils durch Eliphas, wonach vor Gott kein Mensch gerecht ist   (Hi 4,17). Dass Hiob hier so dezidiert Reinheit und Gerechtigkeit für sich reklamiert, kann also nur so vorzustellen sein, dass er die Perspektive wechselt und sich nun selbst mit den Frevlern vergleicht. Aus seiner, der menschlichen, Perspektive ist Hiob daher  und  . Entsprechend dürfte die in 17,9b ausgedrückte Zuversicht (     ) zu verstehen sein, dass derjenige mit reinen Händen an Stärke zunimmt. Damit wird auch die konkrete Unterstellung Zophars aus Hi 11,14 zurückgewiesen, Hiob habe eine bestimmte Schuld auf sich geladen (       ).330 Deutlich ist in dem Passus aber auch, dass hier Attribute auf Hiob angewendet werden, die bei der Thematisierung des Perspektivproblems bisher für das Verhältnis zwischen den Menschen gemieden wurden ( ,  ). Dies kann man auf 328 G. Fohrer ist der Ansicht, dass der Passus nicht in die Rede Hiobs passt. Vgl. Fohrer, Hiob, 281. 329 Wharton, Job, 82, verweist mit Hinweis auf Ps 1 auf eine „proverbial confidence in the ultimate success of ‚the righteous‘“, die hier ausgedrückt ist. 330 Ein Widerspruch zu 14,4, wo Hiob die Aussage Eliphas’, dass ein Mensch nicht rein ist vor Gott (Hi 4,17b), rezipiert, besteht nicht, da mit    keine grundsätzliche Reinheit, sondern eben nur die Schuld der Hände, also konkrete Schuld, intendiert ist.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 16f

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die in der Auseinandersetzung mit Gott feststellbare Radikalisierung und auf die parallel dazu spürbare Zuwendung zu Gott zurückführen. Ab V. 10 wendet sich die Rede – mit   ist gegenüber dem vorangehenden Abschnitt eine Zäsur markiert – mit dem Gebrauch der 2. Pl. mask. (Imperfekt und Imperativ) dem direkten Gegenüber des Klagenden zu. Inhaltlich ist die Bezugnahme überraschend.331 Hiob fordert die Freunde mit      auf, umzukehren und zu ihm zu kommen. Einerseits handelt es sich auch dabei um eine polemische Bezugnahme: In 10b heißt es, Hiob werde offenbar auch dann keinen Weisen unter seinem Gegenüber finden, wenn alle zu ihm kämen.332 Andererseits ist mit dem Vers vorausgesetzt, dass sich andere Personen von Hiob abgewendet hätten. Im Zusammenhang mit der Polemik von V. 10b könnte man vermuten, dass dies auch im Zusammenhang der weisheitlichen Auseinandersetzung geschehen ist. Damit zeigt sich hier wiederum eine vom Rahmen verschiedene Szenerie. Es schließt sich daran in den V. 11–16 eine auf die Erwartung des Todes ausgerichtete Klage an. Dabei wird der Tod anders als im vorangehenden Kapitel derselben Rede (Hi 16) nicht als Argument in der Auseinandersetzung mit Gott thematisiert, sondern als unabänderliches Geschick. Aus dieser Klage heben sich die Fragen des V. 15 nach dem Wo und Woher der Hoffnung für den Klagenden heraus. Durch diese rhetorischen Fragen, aus denen hervorgeht, dass die hier nicht angesprochene Gottheit nicht als Hoffnung für den Klagenden in Frage kommt, werden die vorangehenden drastischen Aussagen über den Tod als indirekte Polemik gegen Gott erkennbar. Denn hier werden die oft auch für die Gottesbeziehung gebrauchten Beziehungsmotive         auf den Tod angewandt. Die Metaphorik zielt auf V. 16, wobei die 3. Pl. fem. auf das zweimalige   im Parallelismus des vorangehenden Verses zu beziehen ist. Die Hoffnung wird mit ihm in das Totenreich hinabgehen, zusammen (mit ihm) wird sie zu Staub niedergehen. Hiob erscheint hier aufgrund des nahen Todes als ohne Hoffnung und als bereits der Todessphäre zugehörend. In Hi 16f wird nach einer polemischen Abweisung der vorangehenden Freundesreden Gott zunächst gegen sich selbst und gegen die Freunde als Beistand angerufen. Dabei verschärft Hiob die Argumentation mit dem Verweis auf seinen bevorstehenden Tod, denn er stellt Gott eine Blutschuld 331

So Horst, Hiob, 261. Der Vers steht in einer Reihe mit Formulierungen, die dem Gegenüber den Besitz der Weisheit absprechen. Die Aussage ist inhaltlich vergleichbar mit der Polemik in Hi 12,2; 13,5 und widerspricht implizit der Zurückweisung von Hi 15,8. Bei dieser Stelle dürfte es sich auch um einen Anknüpfungspunkt für die Elihureden handeln. 332

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

in Aussicht. In Kap. 17 wird Gott als Bürge gegenüber Hiobs Gesprächspartnern aufgerufen. Dann verlässt die Rede die Anrede Gottes. Im Hintergrund einer neuerlichen Thematisierung des bevorstehenden Todes bleibt allerdings indirekt durch die verwendete Metaphorik die Auseinandersetzung mit Gott bestimmend. Die Bezüge auf Hiobs Situation und sein Leiden weisen darauf hin, dass im Hintergrund der Dichtung eine andere Situation Hiobs vorgestellt ist, als sie in der Rahmenerzählung dargestellt wird, und auch die Redesituation des Dialoges scheint nach Hi 17,10 klar von jener unterschieden zu sein, die durch Hi 2,11–13 vorgegeben ist. j) Hi 18 – Bildads zweite Rede Hi 18,2f sind inhaltlich wiederum polemisch gegen vorangehende Redezusammenhänge gerichtet. Auffällig ist aber, dass dies in der 2. Pl. mask. (18,2f) geschieht, wodurch die Bildadrede als an eine Gruppe gerichtet erscheint. Da nur Hiob und die Freunde vorher erwähnt werden, müsste die Rede an Hiob und die beiden anderen Freunde gerichtet sein, was aber an der Härte der Polemik scheitert und darüber hinaus auch daran, dass der Sprecher die 1. Pl. verwendet, so dass sich Sprecher und Hörer nicht mit den anwesenden Personen in Deckung bringen lassen.333 Erst in V. 4 wird Hiob in dem Satz       unter Gebrauch der 2. Sg. mask. angesprochen. Dieser Wechsel ist ein ernstes Problem, das die LXX durch Umformulierung der V. 2f in die 2. Sg. auszugleichen versucht hat. In der LXX wird Hiob also schon in den V. 2f direkt angesprochen,334 aber auch in V. 4 wird zusätzlich gegenüber MT V. 4a¸ in der 2. Sg formuliert. Dass die 2. Pl. mask. in MT in den V. 2f gegenüber V. 4 ein Textfehler ist, ist unwahrscheinlich. Dafür lassen sich keine sinnvollen Szenarien entwickeln, da die 2. Pl. mask. dort deutlich dominiert.

333 Vgl. Fohrer, Hiob, 298. Torczyner, Hiob, 120, schlussfolgert aus dem Problem, V. 2 müsse aus einer Hiobrede hierher verstellt worden sein, muss dafür aber Konjekturen vornehmen. Eine Übersicht über die derzeitigen synchronen Versuche, die Probleme zu erklären, bietet Course, Speech, 105 (Anm. 52). Die eigene Erklärung, „that the plural forms are intended to convey the view that Job speaks voluminously, as much as two or more people“ (ebd.), lässt sich gerade im Gegenüber von V. 3 und V. 4 nicht verifizieren; auch bietet sich nichts Vergleichbares in der Hebräischen Bibel. Am ehesten könnte man noch Habel, Job, 280, folgen, der die Ansicht vertritt, dass die Stelle auf pluralische Formulierungen in Hiobreden (12,2; 19,2) Bezug nehme („echoing the plural language used by Job“), doch kann auch dies den Wechsel in V. 4 nicht erklären, den Habel, Job, 281, auch unerklärt lässt. Andere Versuche argumentieren mit einer weiteren Zuhörerschaft. So z.B. Weiser, Hiob, 136. 334 Vgl. Stier, Hiob, 295.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 18

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Zunächst ist zu fragen, worauf sich das Gegenüber der 1. Pl. und der 2. Pl. mask. in V. 2f bezieht und wie sich synchron dazu der Wechsel zur 2. Sg. mask. in V. 4 verhält. M.E. macht der Blick auf die Aussagen eine Tendenz deutlich. Die 1. Pl. in V. 2b ist bezogen auf den Sprecher und sein Gegenüber insgesamt. Nimmt man nicht an, dass in V. 3a    („wir werden angesehen als Vieh“) der Bezug wiederum wechselt, dürfte hier das Menschsein überhaupt im Blick sein.335 Diese Interpretation vermag auch den nachfolgenden Halbvers    „wir sind unrein in euren Augen“ (3b) zu erklären. In der Bildadrede wird nun also eine gegnerische Position wiedergegeben, nach der den Menschen die Unreinheit grundsätzlich eigen ist. Dies findet sich auch in der vierten Hiobrede (siehe z.B. Hi 14,4).336 Während die 1. Pl. damit in den beiden Versen auf das Menschsein bezogen ist, weist der Gebrauch 2. Pl. mask. darauf, dass es sich um eine angegriffene Position handelt, die von einer gegnerischen Partei vertreten wird. Dies ist in V. 2 besonders evident (2a: „Ihr legt eine Falle für Worte!“, 2b: „Versteht, danach wollen wir reden.“), denn hier liegt eine ähnliche polemische Anknüpfung vor, wie in den meisten anderen Redeanfängen. Damit wird deutlich, dass der Sprecher die 1. Pl. in Aussagen, die das Menschsein allgemein betreffen (), gebraucht und zwar, um sie gegen die gegnerische Position zu richten, die das „Menschsein“ entsprechend abgewertet hatte.337 Wenn man ausschließlich V. 3b in den Blick nimmt, wäre es entsprechend möglich, dass die 2. Pl. mask. Hiob und Eliphas in den Blick nimmt, die beide das Thema Reinheit und Unreinheit im Rahmen des Perspektivproblems der Gerechtigkeit thematisiert hatten (Hi 4,17; 14,4). Bildad hatte dagegen auch in seiner ersten Rede das Thema einer konkreten Schuld bei Hiob angesprochen und die Perspektivität der Gerechtigkeit als Erklärungsmöglichkeit nicht thematisiert. Es bleibt aber dann als Problem die pluralische Anrede in V. 2, die den Eindruck einer anderen Personenkonstellation macht. Auch verschärft sich die Situation durch den zweifachen

335 Fohrer, Hiob, 300, vermutet, dass mit der 2. Pl. mask. die beiden anderen Freunde angesprochen sind, doch kollidiert mit dieser Annahme die deutliche Polemik. Von dem Beginn einer zusätzlichen Auseinandersetzung zwischen den Freunden ist sonst an keiner Stelle die Rede. Man vergleiche hier die Sicht der Selbstvorstellung Elihus, der nicht auf Differenzen zwischen den Äußerungen der Freunde zu sprechen kommt. Außerdem ignoriert diese Annahme die ebenfalls unklare 1. Pl. in den beiden Versen. Vgl. Horst, Hiob, 268f (mit Konjektur in 3b von  zu  ). 336 Das Fehlen eines konkreten Bezuges hat dazu geführt, dass in den Übersetzungen, aber auch in der Kommentarliteratur oft auf eine Konjektur    (vgl. Horst, Hiob, 269) zurückgegriffen wird (so z.B. Horst, ebd.: „verdummt“; Lutherübersetzung von 1984, Torczyner, Hiob, 120: „töricht“; Hesse, Hiob, 119: „vernagelt“). 337 Vgl. Stier, Hiob, 295.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Wechsel der Person in V. 4. Hier sind verschiedene Möglichkeiten einer glossierenden Bearbeitung denkbar: Zunächst findet sich mit    ein unpersönlich formulierter Ausdruck (3. Sg. mask.). Da die Formulierung auch die parallele Struktur des Verses durchbricht und zwischen den Versen in der Anrede der 2. Pl. mask. zur Anrede der 2. Sg. mask. steht, könnte sie der Vermittlung des Numeruswechsels dienen und als Glosse anzusehen sein, wie G. Fohrer vermutet.338 Gegen diese Vermutung spricht aber der Fortgang der Rede (V. 5ff), die dann permanent die 3. Sg. / Pl. mask. benutzt und sich damit auf den bzw. die Frevler bezieht. – Die unpersönliche Formulierung von V. 4a¸ könnte andererseits auch mit der Formelhaftigkeit des Ausdruckes zusammenhängen. Dann wäre der Fortgang in der 2. Sg. mask. mit der unpersönlichen Aussage in der 3. Sg. mask. zu verbinden: „Als einer, der seine Seele in seinem Zorn zerreißt, willst Du, dass die Erde verlassen ist?“ Dies erklärt aber nicht, dass V. 4b wieder in der 3. Sg. mask. formuliert ist. – Zu überlegen wäre sodann, ob der in der 2. Sg. mask. formulierte Satz       eine Hinzufügung ist, der die Stilisierung als Hiobrede unterstreichen soll. Doch der verbleibende Zusammenhang ergibt wenig Sinn: „Jemand zerreißt seine Seele in seinem Zorn, und ein Fels wird von seiner Stelle weichen.“339 M.E. bietet der Blick auf den nachfolgenden Kontext eine relativ einfache Lösung für das Problem. Dort geht es darum, was die Frevler zu erwarten haben. V. 5 scheint sich dabei argumentativ an den vorangehenden Zusammenhang anzuschließen. Da es in V. 5 um das Ende der Frevler geht, könnte ein Zusammenhang mit dem in V. 4a implizierten Ende des Angesprochenen      intendiert sein. Die Verbindung der beiden Verse stellt also klar, dass wegen Hiob340, selbst wenn er vor Zorn bersten würde, die Erde nicht verlassen und auch kein Fels von seiner Stelle gerückt würde, „dass also der eigene Zorn und nicht der Zorn Gottes es ist, der sein Leben in erhebliche Gefahr bringt“341. Der Gebrauch des Felsmotivs    bestätigt diese Interpretation, denn es könnte sich dabei um eine Aufnahme aus der vierten Hiobrede (Hi 14,18) handeln. Mit Hi 18,4 wird also eine konkrete Argumentation Hiobs zurückgewiesen. Es wird auf Hiobs Versuche, sein Geschick vor dem Hintergrund eines allgemeinen Leidensgeschicks zu erklären, abgezielt. Dem wird in Hi 18,5ff das Geschick der Frevler entgegengestellt. 338

Vgl. Fohrer, Hiob, 297. F. Stier hat überlegt, ob nach    eine parallele Aussage ausgefallen ist. Vgl. Stier, Hiob, 88f.296. 340 Die LXX paraphrasiert   mit ÌĕºÚÉëÛÅÊİÒÈÇ¿ÚÅþËund macht dies explizit. 341 Horst, Hiob, 269. 339

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 18

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Der Zusammenhang von Tun und Ergehen wird nach der allgemeinen Vorbemerkung der V. 5f, die einen inhaltlichen Zusammenhang durch den gemeinsamen Bezug auf das Ende der Frevler bilden, als eine Art Lebensweg entfaltet: Zunächst wird dargestellt, wie gefährdet der Weg des Frevlers ist, wie er in Gefahr steht, zu Fall zu kommen, und geängstigt gehen muss (V. 7–12); dann wechselt die Rede hin zu Leidensaussagen (V. 13–16). Diese Verse werden oft auf das Schicksal Hiobs bezogen, doch ist die Metaphorik zu beachten. So ist V. 14 nicht auf Hiobs Weg aus seinem Haus in die Asche bezogen, sondern auf den Weg aus dem Leben in den Tod, wie der zweite Halbvers zeigt. V. 13f bilden entsprechend einen inhaltlichen Zusammenhang. V. 15 greift das Bild von seinem Haus ( ) wieder auf. Dieses wird ohne ihn (  ) bewohnt bzw. durch das Ausstreuen von Schwefel unbrauchbar gemacht.342 Nach dem Bild des verdorrenden Baumes geht es in den V. 17–19 dann um das, was nach dem Tode vom Frevler bleibt. Er wird weder Andenken noch Nachkommen haben und man wird sich über sein Geschick (V. 20f) überall entsetzen. So stellt der gesamte Abschnitt V. 5–21 eine allgemein formulierte Abhandlung über das Geschick des Frevlers dar, die ähnlich wie dies in der zweiten Rede des Eliphas der Fall war, auf Hiob bezogen sein dürfte.343 Man kann überlegen, ob es sich um ein weisheitliches Element aus anderem Zusammenhang handelt,344 und es z.B. mit Spr 5,22f vergleichen, doch erinnert der Duktus von 18,5–22 auch an Psalmen und Sprüche, in denen das Geschick der Frevler dem der Gerechten gegenübergestellt wird (vgl. z.B. Ps 1; 37; Spr 10,1ff etc.). Wenn man dies beachtet, ergibt sich ein Zusammenhang zwischen V. 4 und 5. Während V. 4 sich polemisch auf Hiobs allgemeine Aussagen bezieht, wird diesen das konkrete Geschick der Frevler gegenübergestellt: „Soll deinetwegen die Erde verlassen werden? ... Allerdings wird das Licht der Frevler erlöschen ...“ Der Bezug auf Hiob als einzelne Gestalt hängt in dem Kapitel ausschließlich an dem Satz      . Daher ist zu überlegen, ob es sich bei dem gesamten Kapitel nicht um einen Passus handelt, der aus einem anderen Kontext stammt und hier als Freundesrede Verwendung gefunden hat. Denn einer gegnerischen Gruppe wird hier eine dem Menschsein entgegengesetzte Position unterstellt. Wesentlich an ihr ist, dass die Menschen allgemein wie Vieh geachtet und für unrein gehalten werden (18,3b:   ). Gegen eine allgemeine Verwerfung des Menschen wird dann offenbar die Entfaltung des Geschicks des Frevlers angeführt. Der Sinn könnte sein, dass eben nur die Frevler Unheil, Leid, frühzeitigen Tod und Verges342

Vgl. Fohrer, Hiob, 304. Vgl. Wharton, Job, 84. 344 Wharton, Job, 84, denkt an „proverbial wisdom of very general sort“. 343

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sen trifft, nicht aber die Menschen insgesamt. Der Abschnitt vertritt somit die Geltung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges in traditioneller Weise. Dass man die Rede dennoch nicht von der Auseinandersetzung im Dialogteil trennen kann, zeigt die polemische Bezugnahme in V. 2f auch ohne den konkreten Bezug auf Hiob in V. 4. Da es sich in der Tat um eine Position handelt, die den Positionen der Freundesreden entspricht, gibt es keinen Grund, eine vollständig andere kontextuelle Stellung des Stückes anzunehmen. Die Probleme am Anfang und die im Unterschied zu anderen Freundesreden schwache Kontextbindung sprechen allerdings am ehesten dafür, dass hier abgesehen von der besonderen Diskrepanz zur Stilisierung des Rahmens noch eine andere Konzeption der Dichtung durchscheint, die sonst nicht mehr erkennbar ist. Kap. 18 wäre sozusagen ein besonders wenig auf die Konstellation Hiob – Freunde hin zugespitzter Abschnitt einer anders konzipierten Dichtung, in der Hiob den Freunden als Vertreter einer anderen Gruppe gegenübersteht. Dem entspricht, dass auch die Hiobreden viel weniger als die anderen Freundesreden kontextualisiert sind. So lässt Kap. 18 die Vermutung zu, dass hinter der uns vorliegenden Dichtung eine andere Szenerie verborgen ist, in der auch die anderen Freundesreden weniger stark kontextualisiert waren als in der uns vorliegenden Dichtung. Hi 18 unterscheidet sich von allen vorangehenden Freundesreden durch die problematische Anrede Hiobs in der 2. Pl. mask., sodann durch den nur vagen inhaltlichen Kontextbezug. Die Art und Weise, wie der Tun-ErgehenZusammenhang vermittelt wird, trifft sich allerdings mit der Eröffnung als Rede Bildads als einer der drei Freunde. Das Problem des Numerus in MT weist darauf hin, dass das Stück möglicherweise noch auf einer anderen Konzeption der Dichtung oder ihrer Quellen fußt, die durch die Überschriften und durch die Rahmung aber nicht gedeckt ist. k) Hi 19 – Hiobs sechste Rede Die sechste Rede Hiobs ist mit V. 2–6 an eine Mehrzahl von Freundesreden angebunden. Die Rede wird wie die vorangehende Rede mit  durch Fragen eröffnet.345 Die Rede ist also als Teil einer bereits fortgeschrittenen Redesituation gedacht. Der Akzent liegt darauf, dass die Reden der Freunde 345 Es ist die Frage, ob durch die ähnliche Eröffnung in Hi 18,2 und Hi 19,2 auch ein besonders enger inhaltlicher Zusammenhang hergestellt werden soll. So Course, Speech, 115f, der annimmt, dass sich die beiden Zurückweisungen direkt aufeinander beziehen. Da die Verse ausschließlich durch rhetorische Elemente ( ,   bzw.   und Nun-Paragogikum) verbunden sind, sind die Übereinstimmungen eher ein Kennzeichen für die Stereotypie in der Formulierung der Redeeröffnungen. Demgegenüber wiegen die unterschiedlichen Vorwürfe (Bildad: Redestreit [wörtlich: „Jagd auf Worte“], Hiob: Plagen der Seele, Peinigen mit Worten; vgl. zu den Unterschieden auch Weiser, Hiob, 143) und die

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als bedrückend empfunden werden (V. 2); 10-mal sei Hiob geschmäht worden. Bei dieser Zahlenangabe (   – V. 3) handelt es sich allerdings um eine runde Zahl,346 die eben die Fülle der Schmähungen betonen soll. Die Formulierung ist ebenfalls Ausdruck der polemischen Zurückweisung der vorangehenden Reden. Im zweiten Halbvers wird auf fehlende Scham (   ) für solches Tun beim Gegenüber hingewiesen. Bei V. 4 handelt es sich um einen Einwand, der mit der Betonung der Vielzahl der Schmähungen in V. 3 in einer Verbindung steht. Hiob weist darauf hin, dass ein eventueller Fehler und damit dessen Folgen auf ihm selbst lägen (    ). Gegenüber der Anrufung Jhwhs als Bürgen gegen die Freunde (Hi 17) macht diese Aussage wieder einen eher resignierten Eindruck. V. 5 bildet im Sinne von „wenn ihr euch über mich erhebt und mir meinen Vorwurf beweisen wollt, (so) habe doch ich gefehlt und auf mir liegt der Fehler“ einen Zusammenhang mit dem vorangehenden Vers.347 Hiob macht allgemeine Vorwürfe und weist auf die auf ihn begrenzten Folgen eines möglichen Irrtums hin. V. 6 schließt die Redeeröffnung mit einem nochmaligen Appell Hiobs an sein Gegenüber (  ), seine Position zu akzeptieren, ab. Diese wird im Folgenden inhaltlich entfaltet. Der nachfolgende Abschnitt (V. 7ff) ist zwar immer noch als Äußerung an die Freunde gerichtet, wie die Eröffnung mit der Interjektion  zeigt. Die Freunde werden aber nicht mehr thematisiert und auch (abgesehen von der Interjektion) nicht mehr direkt angesprochen. V. 7 ist unpersönlich formuliert. Das Nif. von  in           und die Thematik, die darin mit dem Gegenüber von  und   angerissen wird, weisen darauf, dass sich der Sprecher hier wieder in der Auseinandersetzung mit Gott befindet. Gegen ihn wird der Vorwurf erlittener Gewalttat ( ) erhoben und beklagt, dass keine Aussicht auf Recht besteht. Überhaupt wird Gott das Nicht-Hören der Klage  ,- *  vorgeworfen. Mit „siehe ich schreie Gewalttat/Unrecht“ (V. 7) wird ein Abschnitt mit Kriegs- bzw. Jagdmetaphorik (V. 8–12) eingeleitet, der die erlittene Gewalttat ( ) entfaltet.348 Ausgangspunkt ist der Rückbezug auf die bereits mehrfach geschehene Klage darüber (V. 7), dass der Klagende keine Antwort und keine Hilfe erfährt. Eingeklagt wird demnach auch hier eine dem Leidenden zustehende Barmherzigkeit. Dabei stoßen wir wieder auf die zwei Aspekte in Hiobs Haltung, nämlich einerseits Gottes Fehlverhalten pluralische Anrede des Gegenübers stärker, so dass man die beiden Eröffnungen inhaltlich nicht zu sehr aufeinander beziehen sollte. 346 Vgl. Fohrer, Hiob, 311; Weiser, Hiob, 143; Driver/Gray, Job, 164. 347 So sieht de Wilde, Hiob, 206, die Verse als zueinander gehörig an. Vgl. dagegen Fohrer, Hiob, 306. 348 Vgl. Strauß, Hiob, 9. Zum mythologischen Hintergrund der Klage vgl. Fuchs, Mythos, 88 („Chaoskampfmotiv“).

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anzuklagen, in ihm aber andererseits den Adressaten seines „sukzessiven Ausstoßens von Schreien“349 (V. 7), also als Hoffnung für sich zu sehen, auch wenn letzteres hier noch350 unpersönlich formuliert ist. Es schließt sich in den V. 13–22 das Thema der Vereinzelung an.351 Die Vereinsamung betrifft das gesamte Umfeld des Klagenden. Die Brüder (V. 13a),352 die Bekannten (13b) und Verwandten (14a) haben sich entfernt (  [Hif.],

), die Fremdlinge des Hauses ( ) (= als Angehörige der Unterschicht vielleicht die Unfreien des Hauses353) und die Mägde halten ihn für fremd (V. 15), was V. 16 expliziert. Die Aussage, dass Hiob von seinem Knecht ignoriert wird (V. 16) und er ihn anflehen muss, widerspricht der Szenerie des Rahmens. Denn dieser zielt im ersten Kapitel darauf, dass Hiob der gesamte Besitz und die Familie genommen werden und ihm am Ende nur noch die Frau und die drei von fern gekommenen Freunde bleiben.354 Der nachfolgende Vers ist für die Bestimmung des Verhältnisses von Rahmen und Dichtung ebenfalls wichtig. „Mein Geruch ist meiner Frau fremd, und er stinkt355 den Söhnen meines Leibes“ (V. 17). Da die Formulierung bezogen auf die Kinder Hiobs zu einer Diskrepanz mit dem Rahmen führt, wird oft vorgeschlagen,   als „Söhne meiner Mutter“ o.ä. zu interpretieren.356 Doch warum sollte hier eine solche Metapher für Brüder So nach HAL, 1340, die Bedeutung der Wurzel  im Parallelismus zu  . Dies ändert sich im Fortgang der Rede in Hi 19,25. 351 Der Abschnitt wird durch de Wilde, Hiob, 207, durch eine Textumstellung der V. 28f nach V. 22 ergänzt. 352 An dieser Stelle könnten mit den Brüdern auch die weiter entfernten Verwandten, also die Angehörigen der Sippe gemeint sein. 353 Vgl. Gesenius18, 227; Bultmann, Der Fremde, 213ff. 354 Die Argumentation des Satans in der zweiten Himmelsszene in Hi 2,4 (   ) weist darauf, dass die Intention von Hi 1,13ff so zu fassen ist. Ein sophistischer Bezug zwischen dem in Hi 1,16 erwähnten Knecht und den Unglücksboten in Hi 1,13ff ist sicherlich nicht intendiert. Dies ist auch daran erkennbar, dass der Knecht in Hi 19,16 ja in einer Rolle gezeigt wird, die dem Rahmen nicht entspricht. 355 Die einfachste Erklärung der Form ist die Annahme eines euphemistischen Gebrauch von  I „geneigt sein, gnädig sein“. Es ergibt sich daher „zuwider sein“. Hartley, Job, 287, folgt dem Vorschlag eines Hapaxlegomenon vom arab. hanna mit der Bedeutung „stink, fetid“. Strauß, Hiob, 12f, liest  und übersetzt „... muss ich mich einschmeicheln“. 356 Vgl. z.B. Fohrer, Hiob, 308; Ebach, Hiob I, 157; Wharton, Job, 85; Lamparter, Hiob, 118; Weiser, Hiob, 146; Kuhl, Literarkritik, 188 (Lit.). Knauf, Heimat, 70f, geht einen Weg über das Arabische: „Die bn bi¬ n 19,17 sind nicht die Söhne von Hiobs Bauch, sondern die Söhne seines Stammes, arab. ba¬ n. gdš 21,32, hebr. Garbenhaufen.“ Diese Interpretation verkennt die kontextuelle Stellung von   und den euphemistischen Charakter der Formulierung. Die von Knauf angeführten Parallelen enthalten immer nur Teile der Phraseologie. In Hi 19,17 steht eben   und nicht das in 21,32 ohne  bezeugte 349 350

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Hiobs gebraucht werden? Brüder Hiobs sind nach der Thematisierung seines eigenen Knechtes, seiner Frau (19,17a) und vor den Kleinkindern (  ) in Hiobs Haus in 19,17b nicht zu erwarten, da sie keine Angehörigen seines Hauses sind, ebensowenig wie andere Angehörige des Stammes. 357 Die Verachtung gegenüber Hiob betrifft den gesamten inneren Bereich seines Hauses: Hiobs Knecht, Frau, Söhne und Kleinkinder. Der immer wieder angeführte Verweis auf Hi 3,10, wo  den Mutterleib bezeichne,358 stellt kein Gegenargument dar. Im Hintergrund jener Formulierung stehen mythische Zusammenhänge.359 Außerdem handelt es sich sowohl bei   (19,17) wie auch bei   (3,10) um Idiome. Man kann das Element  „mein Leib“ nicht getrennt vom zugehörigen Konstruktus und vom Kontext überhaupt betrachten. Entsprechend handelt es sich bei den „Pforten meines Leibes“ im Rahmen der Thematik von Hiobs eigener Geburt um den Muttermund seiner Mutter (Hi 3,10). Dagegen sind in Hi 19,17 die „Söhne meines Leibes“ im Kontext von Hiobs Frau und den Kleinkindern seines360 Hauses plausibel nur auf Hiobs Söhne zu beziehen. Als Argument kommt hinzu, dass die Formulierung   in Dtn 7,13; 28,18.53; 30,9 (dort immer mit Suffix 2. Sg. mask.) für die Nachkommenschaft eines Mannes verwendet wird. Dass sich das Du der Anrede im Deuteronomium auch an Frauen richten dürfte, ist kein Argument gegen dieses Verständnis, genauso wenig wie Ps 132,11, wo   sich auf den Nachfolger Davids bezieht.361 Dies zeigt, dass andere Erklärungsversuche zu weit hergeholt sind und  in   (Hi 19,17b) wie an den genannten Stellen im Dtn und in Ps 132,11 ein Euphemismus für die Geschlechtsorgane des Mannes ist.362 Die Erwähnung der Kinder bildet also eine deutliche Spannung zur Rahmenerzählung und zu Hi 8,4.363 Mit der Thematisierung der (Hi 19,19) mit dem Verb   („verabscheuen“) daran angereihten    scheinen besonders nahe Vertraute gemeint zu sein, die Hiob verachten. Für diese Interpretation spricht die Fortsetzung in V. 20 („An Haut und Fleisch hängt mein  . Schon Hartley, Job, 288f, diskutiert die verschiedenen Möglichkeiten. Angesichts der Tatsache, dass keine mit dem Prolog in Deckung zu bringen ist, vermutet er: „More likely, though, Job is using the stereotyped language of lament without making specific adjustments to the particulars of his case.“ 357 Gegen Knauf, Heimat, 70f, siehe das Zitat Anm. 356. 358 Vgl. z.B. Ebach, Hiob I, 157, der Hi 3,10 anführt und daher meint, bei entsprechender Auslegung von Hi 19,17 würde „sich zu Kap. 1 kein (mühselig aufzulösender) Widerspruch“ ergeben. 359 Vgl. Fuchs, Mythos, 68; dazu auch unten, Anm. 155.    bezieht sich auf den Geburtsvorgang, der mit mythischen Bildern beschrieben wird. 360 Zu beachten ist, dass auch der Knecht in Hi 19,16 Hiobs Hausknecht ist. 361 Vgl. weiter Hos 9,16; Mi 6,7. 362 Vgl. dazu die Ausführungen zu   bei Schorch, Euphemismen, 150. 363 Siehe die Diskussion der Problematik unten, 350ff.

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Gebein [Sg.], mit Haut und Zahn bin ich entkommen.“) in der die Vereinzelung des Klagenden noch einmal auf den Punkt gebracht wird, ohne dass hier ein direkter Bezug zu der im Rahmen erwähnten Krankheit spürbar ist. Der Abschnitt schließt, wie er begonnen hatte, mit einer Anrufung der Freunde (V. 21), diesmal mit der Bitte um Erbarmen. Begründet wird sie damit, dass die Hand Gottes (  ) ihn getroffen hat, was zu dem abschließenden Vorwurf an die Freunde hinführt (V. 22), sie würden ihn wie Gott verfolgen. Diese Aussage ist interessant, da Gott in den vorangehenden Hiobreden als Beistand und Bürge gegen die Freunde angerufen worden war. Der Zusammenhang mit V. 22 macht klar, dass sich Hiob über die Freunde wie über Gott wegen der fehlenden Barmherzigkeit angesichts seines Leidens beklagt. In V. 23f wird eine neue Thematik eröffnet. In den beiden Versen geht es um die allgemeine, weithin sichtbare und dauerhafte ( ) Aufbewahrung der Klage.364 Der Klagende wünscht – insbesondere nach der Thematik der Vereinzelung des Klagenden – eine beständige Beachtung seines Geschicks. Letztlich ist die inschriftliche Niederlegung von Hiobs Worten angelegt als weithin sichtbares Zeichen dafür, dass seine Position richtig ist. Dabei dürfte der Wunsch im Blick sein, dass die Klage auch über seinen Tod hinaus vernehmbar gemacht werden möge.365 Trotz dieses indirekten Bezuges auf den bevorstehenden Tod schließt sich in V. 25–27 die Zuversicht an, Gott gegenüberzutreten, was für den Klagenden Heil zur Folge haben würde. Gott wird als Erlöser angesprochen.366 Die Aussage in V. 25a (       ) 364 Die beiden Verse haben eine kulturgeschichtliche Relevanz, denn sie zeigen antike Beweggründe für das Anfertigen einer Inschrift auf. Vgl. Maag, Hiob, 185. Freilich hilft das Psychologisieren bei der Interpretation der V. 23f ebensowenig wie die Frage, ob es einmal eine solche Inschrift gegeben hat. Wohl aber steht der in Hi 19,23f geäußerte Wunsch wohl weniger in einer Beziehung zu Weihe- und anderen Monumentalinschriften als zu den Aufzeichnungen der Schriftpropheten. „Sie schrieben ihre Worte nieder oder ließen sie aufzeichnen, nachdem sie hatten erfahren müssen, daß sie in den Wind geredet hatten.“ (Maag, Hiob, 185). 365 Vgl. Strauß, Hiob, 15. 366 Anders u.a. Pope, Job, 146, der den   wie den   in Hi 9,33 und den in Hi 16,19 von Gott abtrennt und darin einen Verweis wie in sumerischen Texten zu einem persönlichen Gott als „his advocate and defender in the assembly of the gods“ sieht. Vgl. zuletzt, Magdalene, Redeemer, 308f.313, die von neubabylonischen Rechtstexten her an dieser Stelle die Notwendigkeit eines „second accuser“ annimmt. Doch gibt das das Nomen  nicht her. Vgl. Kaiser/Mathys, Hiob, 141. Die Thesen gehen auf Mowinckel, Hiobs g’l, zurück. Vgl. insgesamt zur Diskussion Hartley, Job, 293. Gegen eine Abtrennung von Gott spricht, dass Hiob Gott auch sonst direkt als seine Hoffnung anspricht. Die vorliegende Stelle ist aber schon durch den Gebrauch von  zu stark mit auf Jhwh bezogenen theologischen Vorstellungen verbunden, als dass sich hier eine andere Gestalt plausibilisieren ließe. So Hartley, ebd; Vgl. Meinhold, Leben auf Dauer, 360; zuletzt Janowski, Erde, 9: „Damit nimmt das Hiobbuch das Leiden seines Protagonisten ernst und lässt ihn

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klingt nach den harschen Anklagen Gottes euphorisch und wurde in der christlichen Tradition christologisch gedeutet.367 Der zweite Halbvers wird mitunter als Zeuge für eine Auferstehungshoffnung Hiobs angeführt, 368 doch würde dies der Argumentation im übrigen Hiobbuch nicht entsprechen. Es ist G. Fohrer Recht zu geben, dass die schwierige Aussage einen solchen Aspekt nicht enthalten hat. Sonst wäre dies klarer formuliert worden. Möglicherweise liegt ein Verweis auf die Begegnung mit Gott in den Gottesreden vor, wobei eine gewisse Nähe zu Hi 42,6b spürbar ist.369 Der Vorverweis auf die Gottesreden in Verbindung mit der Löservorstellung impliziert eine Heilsbedeutung der erhofften Gottesbegegnung für Hiob. 370 Die isoliert scheinende Formulierung      (27b: „zugrunde gehen meine Nieren in meinem Leib“) drückt vielleicht noch einmal die Sehnsucht des Klagenden nach Errettung aus.371 Daran schließt sich eine neuerliche schroffe Anklage der Freunde an, denen er wegen ihrer Verfolgung (V. 28:  ) die Strafe des Schwertes androht (V. 29).       scheint diesen Zusammenhang der V. 28f genauso unvermittelt abzuschließen wie      die V. 25–27. Vielleicht will man mit der Formulierung auf Hi 19,6 ( ...   ) zurücklenken, wo Hiob die Freunde ebenfalls zur Einsicht aufgerufen hatte, und so die Rede klammern. Möglicherweise handelt es sich sowohl bei V. 27b als auch bei V. 29b um kommentarartige Formulierungen (Glossen?). Womögdennoch an der Hoffnung auf die Gerechtigkeit Gottes festhalten – und zwar des Gottes, der nun kein ‚Fremder‘ (Hi 19,27) mehr für ihn ist, sondern ein ‚Löser‘, der helfend eintritt und sein Recht wiederherstellt.“ 367 Vgl. zu den Deutungsmöglichkeiten Fohrer, Hiob, 317–320; Ebach, Hiob I, 161–168. 368 Vgl. die Argumentation zur Abweisung dieser These bei Newsom, Job, 477f. Zuletzt tendierte Seow, Job’s gêl, 709, wieder in diese Richtung: „And he does not preclude the possibility that he will – even after his personal devastation – somehow still ‚see‘ God for who God really is.“ Vorsichtig in diese Richtung argumentiert Meinhold, Leben auf Dauer, 361: „Die Gott bestürmende Klage Hiobs bedient sich der Metapher ‚Leben auf Dauer‘ zunächst in negativem Sinn, insofern die [...] altorientalischen Selbsterhaltungsstrategien [...] als wirkungs- und damit sinnlos verworfen werden. Da sie jedoch in Hi 18f an Gottes Verfügung geknüpft erscheinen, wird ‚Leben auf Dauer‘ für den Menschen denkerisch mit Gott verbunden.“ 369 Der Zusammenhang mit der dauerhaften Aufzeichnung der Worte Hiobs könnte auch darauf verweisen, dass es um eine posthume Antwort oder Rechtfertigung geht. Vgl. Newsom, Job, 478. In Hi 42,6b wird nicht die Veränderung von Hiobs Situation ausgesagt, sondern dass Hiob „(tröstlich) umgestimmt wird“ (Willi-Plein, Widerruf, 143). 370 Einen Zusammenhang zwischen Hi 19,25–27 und den Gottesreden und darüber hinaus zum Epilog sieht auch R. Kessler. Vgl. Kessler, Ich weiß, 157f. Ähnlich dazu auch Hermisson, „Ich weiß ...“, 678, der die These von Clines, Job, 459f, zurückweist, Hiob müsse sein eigener   sein. 371 Vgl Hartley, Job, 297: „I am consumed with longing deep within me.“

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lich ist auch ein Zusammenhang zwischen den beiden ohne Parallelismus stehenden Formulierungen intendiert.372 Auffällig ist in der sechsten Hiobrede die von den vorangehenden Reden etwas abweichende inhaltliche Struktur. Nach der polemischen Zurückweisung der vorangehenden Rede(n), wird nicht in die Anrede Gottes gewechselt. Stattdessen werden die Freunde mehrmals angesprochen. Dennoch wird Gott als Gegenüber, als Hoffnungsträger und als Rächer, insbesondere gegenüber den Freunden, thematisiert. Hi 19,25–27 zielen direkt auf die Gottesbegegnung Hiobs in den Gottesreden und zeigen damit den inhaltlichen Bogen der Dichtung auf. Von besonderer Relevanz ist, dass wir mit dem Thema der Desozialisierung scheinbar in den Bereich des Erzähltextes gelangen, doch sind hier gerade bei der Erwähnung von Hiobs Knecht, von Hiobs Kindern und bei einer nicht gedeckten Erwähnung seiner Frau Spannungen zum Rahmen spürbar. l) Hi 20 – Zophars zweite Rede Zophars zweite Rede nimmt in V. 2f Bezug auf eine vorangehende Hiobrede. Die Zurückweisung scheint sich auf die Rede zu beziehen, die Hiob gegen Zophar gerichtet hatte, da sich dieser persönlich angegriffen fühlt (     ).373 Eröffnet wird die Rede mit  . Dabei handelt es sich um eine Konjunktion, die kataphorische und anaphorische Funktionen vereint.374 Ein Rück372

De Wilde nimmt entsprechende Textumstellungen vor. Um an dieser Stelle aber zurecht zu kommen, muss er (de Wilde, Hiob, 207), aus       die Formulierung       konstruieren. Doch ist auch dann ein Zusammenhang mit      schwierig: Wieso sind die Emotionen Hiobs (so de Wilde) das Zeugnis des Allmächtigen? 373 Fohrer, Hiob, 327 sieht einen Bezug zu Hi 19,28f und damit auf einen gegen alle drei Freunde gerichteten Zusammenhang. Man kann diese Verbindung zwischen Hi 20 und Hi 19 sehen, muss aber im Auge behalten, dass Zophar sich hier „persönlich“ angegriffen fühlt. Die lexematischen Verbindungen, die Course, Speech, 121f, anführt, beziehen sich ebenfalls auf die Freundesreden insgesamt. – Course, Speech, 122, interpretiert     im Sinne von Hi 16,3. Da auch in Hi 15,2 schon in der polemischen Anknüpfung ähnlich formuliert worden war (      ), dürfte „and with wind he answers me without understanding me“ (Course, Speech, 120), in der Sache zutreffen. Zur Diskussion und zu anderen Übersetzungsvorschlägen vgl. ebd.; anders zuletzt Alden, Job, 211, und dagegen Wharton, Job, 92. Freilich zeigt der von Course, Speech, 122, nicht diskutierte Beleg Hi 15,2 im Zusammenhang von 16,3 und 20,3, dass es sich bei der Formulierung um ein Stereotyp zur Zurückweisung der gegnerischen Position und wohl nicht um einen expliziten Rückbezug handeln dürfte. 374 Vgl. Gesenius18, 553; HAL, 504, und die entsprechenden Übersetzungen in den neueren Kommentaren. Fohrer, Hiob, 325, betont die anaphorische Bedeutung im Kontext.

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bezug auf eine vorangehende Rede legt sich auch aufgrund der Verben in 20,2 nahe.   (Hif.) ist nur im Zusammenhang einer umfangreicheren Kommunikation verständlich. Gleichzeitig weist  aber voraus auf das, was Zophar nun (in den V. 4ff) vorzubringen gedenkt.375 In MT von V. 3 liegt mit der Charakterisierung der vorangehenden Rede als     und als  „Wind“376 dem (rudimentären) Zeugnis der LXX377 gegenüber ein vehementer Angriff gegen Hiob vor, bevor das eigentliche Thema der Rede in V. 4 mit der rhetorischen Frage     eröffnet wird.378 Thematisiert wird im Folgenden ein weiteres Mal das Ergehen des Frevlers. Die rhetorische Frage unterstreicht die Selbstverständlichkeit der nachfolgenden Gegen die an  und    gehefteten literarkritischen Überlegungen von Torczyner, Hiob, 135; Baumgärtel, Hiobdialog, 87. Dillmann, Hiob, 182, meint,    könne nur mit einem folgenden  oder  kataphorischen Sinn haben, doch mit folgendem Infinitiv dient    dazu, finale Aussagen zu eröffnen. Vgl. die entsprechenden Stellen: Ex 9,16; 20,20(2x); 1 Sam 1,6; 2 Sam 10,3; 14,20; 17,14; 18,18. 376 Siehe Anm. 373. 377 Verblüffend abweichend ist der Text der LXX an dieser Stelle: ÇĤÏ  ÇĩÌÑË ĨȼÂÚŸÅÇÅÒÅ̼ɼėÅʼ̸ı̸Á¸ĖÇĤÏĖÊÍÅĕ¼Ì¼ÄÜÂÂÇÅõÁ¸Ėëºļ (wörtlich: „Nicht so erwidere ich, um gegen dich zu sprechen dieses, und nicht versteht ihr besser als ich.“) Die LXX gibt  in anderen Büchern im Rahmen der sog. kaige-Rezension oft mit ÇĤÏÇĩÌÑË (oder ähnlich) wieder und interpretiert es als Kompositum aus   . Demgegenüber dürfte Á¸ĖÇĤÏĖzumindest  enthalten. In Hi 31,7 steht es für  . Schwierig ist ÄÜÂÂÇÅõÁ¸Ė ëºļ. Dafür gibt es kein exaktes Äquivalent an anderer Stelle. Zu vermuten wäre freilich , und die Betonung von Á¸Ėëºļ könnte für die Langform  sprechen. Vgl. Hi 16,6b; 21,16; 22,18 (). Es ergibt sich ein antithetischer Parallelismus, der in etwa folgendermaßen zu rekonstruieren ist:         . Zu beachten ist, dass insbesondere die Rekonstruktion der Figura etymologica von  hier eine direkte Übertragung voraussetzt. Die Abweichung setzt sich aber fort, denn in der LXX fehlen V. 3.4a (mit Asteriskus versehen, vgl. Gentry, Asterisked Materials, 32) völlig. Die vom Griechischen wörtlich wiedergegebene Fortsetzung des hebräischen       (V. 4b) hängt so in der Luft, dass hier keine inhaltliche Korrektur anzunehmen ist. Gegen Fohrer, Hiob, 325. Eine Möglichkeit ist die Annahme eines Ausfalls aufgrund von Homoioteleuton. Denn V. 4a schließt ja mit . Genaueres wird man über das Problem nicht sagen können, da der genaue Wortlaut des ausgefallenen Textes nicht rekonstruierbar ist. Allerdings zeigt sich in der Abweichung in V. 2 ein Problem, auf das wir im MT in Kap. 18 gestoßen waren, wo nämlich ebenfalls ein Wechsel der Anrede in der Freundesrede (dort Bildads) zwischen der Ihr-Anrede und der Anrede Hiobs anzutreffen war. Die LXX (bzw. ihre Vorlage) könnte hier eine Lesart konserviert haben, in der ähnlich wie dort hinter Hiob eine Gruppe sichtbar wird. Da in 20,2 die einzige Stelle im Hiobbuch vorliegt, wo  mit ÇĤÏ ÇĩÌÑËübersetzt wird (vgl. dagegen 32,10; 34,10), und dies gegen den ursprünglichen Textsinn, könnte in 20,2 eine alte wörtliche Wiedergabe einer hebräischen Vorlage erhalten geblieben sein. – Interessant ist diese Möglichkeit insofern, als die dann ältere Lesart der LXX die Interpretation von 20,3b (siehe Anm. 373) bestätigt. Den Implikationen der LXX des Hiobbuches müsste in einer gesonderten Untersuchung nachgegangen werden. 378 Vgl. Clines, Job, 484. 375

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Ausführung dadurch, dass deren Inhalt schon immer bekannt gewesen sei (    // ).379 Der so eingeführte Text erscheint inhaltlich als eine Steigerung gegenüber den Vorwürfen gegen Hiob aus den vorangehenden Reden. Hiob wird hier allerdings wiederum nicht direkt angesprochen (vgl. zuletzt Hi 18,5ff). Der Bezug auf Hiob ist aber durch die an Hiob gerichtete rhetorische Frage (V. 4) und zuvor durch die Zurückweisung von Hiobs Reden evident. Entsprechend dürfte die listenartige Aufstellung des Geschicks des Frevlers in der 3. Sg. mask. (in V. 5 noch  ) und deren kurzes Frohlocken auf die Reden Hiobs und auf dessen Geschick bezogen sein. Der Abschnitt erinnert dabei inhaltlich an die Fluchreihe in Dtn 28,15ff. Auch wenn es kaum lexematische Berührungen gibt und auch die Abfolge in den beiden Texten eine andere ist, zeigen sich parallele Themen. So stehen sich die Vergeblichkeit (Hi 20,18–20 // Dtn 28,30f); Krieg (Hi 20,24f // Dtn 28 [passim]) und Finsternis (Hi 20,26 // Dtn 28,29) gegenüber. Besonders markant ist, dass der Abschnitt wie Dtn 28,1 mit einer positiven Aussage beginnt. Mit         (V. 6) wird der vormalige Segen zum Ausgangspunkt der folgenden fluchartigen Formulierungen gemacht. Der Gedankengang innerhalb von Hi 20,5–28 geht von allgemeinen Aussagen aus: So wird die Freude der Frevler nicht lange währen (noch V. 5). Die gegenwärtige Stellung steht dem künftigen Untergang gegenüber (V. 6–11). V. 7a impliziert den endgültigen Niedergang und deutet in der herabwürdigenden Motivik den resultierenden Tod an. Eine Erinnerung (V. 8f) wird von den Frevlern nicht bleiben (   ). V. 10 gehört in diese Reihe noch hinein: Die Kinder des Frevlers müssen die Auswirkung seines Falls tragen, da ihm mit dem Niedergang alles genommen wird. V. 11 stellt noch einmal die gegenwärtige Kraft dem baldigen Vergehen gegenüber, wobei die Inkongruenz im Parallelismus daher rührt, dass mit   der Körper als Gesamtgröße bezeichnet wird.380 V. 12–15 kreisen dann um den Gedanken, dass dem Frevler der Genuss der Speise verwehrt ist. Die Verse zielen (V. 15) in dieser Metaphorik darauf, dass der „verschlungene Besitz“ (   ) wieder erbrochen werden muss (  [Hif.]381). In V. 16 wird die Metaphorik gewechselt („Am Kopf der Schlange wird er saugen, und die Zunge der Viper wird ihn töten.“). Vielleicht ist ein Zu379

Vgl. Alden, Job, 214. Die Inkongruenz dürfte im vorliegenden Kontext die Funktion haben,   als Gattungsbegriff, der den gesamten Leib bezeichnet und nicht nur einzelne Teile, deutlich zu machen. Vgl. zu diesem Grund für die Inkongruenz Levi, Inkongruenz, 188. 381 Wörtlich: „Gott wird es ihn aus seinem Bauch erben lassen“. , der eigentliche Begriff für das „Erbrochene“, wird an zwei Stellen durch Initialabkürzung ( ) euphemistisch gebraucht. Vgl. Schorch, Euphemismen, 189. 380

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sammenhang zum Bild des Genusses der Güter zu sehen: Schon der Genuss des unrechten Gutes trägt die Strafe in sich. Mit V. 17 wechselt die Metaphorik noch einmal.   dürfte auf die verbreitete Metapher     hinzielen.382 Auffällig ist allerdings die doppelte Konstruktusverbindung in V. 17b. Will man  nicht als fehlerhafte Doppelschreibung oder als stehengebliebenes Äquivalent für das nachfolgende   emendieren,383 wäre aufgrund von    und der Form  auch noch die Möglichkeit bedenkenswert, ob nach  ein Eigenname (das könnte sich angesichts der Milch-Honig-Metaphorik vielleicht auf das Land Israel beziehen) ausgefallen (oder ausgelassen worden) ist. Allerdings würde dann der erste Halbvers zu lang werden. Die alternative und wahrscheinlichere Lösung ist die auch durch die Versgliederung der Masoreten unterstrichene Annahme der Doppelung des Konstruktus. Dabei ist dann wohl anzunehmen, dass der (seltenere) Konstruktus  hier nicht „Ströme“, sondern „Strömungen“ meint. Dafür, dass in V. 17 auf die Gabe des Landes für Israel angespielt ist, spricht m.E. der Fortgang in den V. 18f. In diesen Versen geht es um die Rückgabe von widerrechtlich in Besitz genommenen Gütern384, an denen sich der Frevler nicht erfreuen kann (V. 18). Interessanterweise wird dies in V. 19 begründet, wobei die Vergehen in den Blick kommen: das Unterdrücken und Im-Stich-Lassen der Armen ( ), die unrechtmäßige Besitznahme eines Hauses ( ), das er nicht gebaut hat. Insbesondere V. 19a dürfte dabei die Sozialgesetzgebung des Deuteronomiums im Blick haben, die mit der Landgabe und dem Landbesitz aufs Engste verbunden ist. Letztlich führt dieser Zusammenhang zu der anfänglichen Beobachtung zurück, dass zwischen Hi 20 und Dtn 28,15ff eine Verwandtschaft besteht, wobei keine direkte literarische Abhängigkeit nachweisbar ist, wohl aber eine inhaltlichtheologische Beziehung zum Deuteronomismus vorliegt. V. 20 leitet mit der Aussage, dass der Frevler mit der in Besitz genommenen Kostbarkeit nicht entkommen werde, einen neuen Gedankengang ein, der in eine Kriegsmetaphorik mündet und ihm den gewaltsamen Tod in Aussicht stellt (V. 23–25). V. 26 scheint darüber noch hinauszugehen, indem von Finsternis und Feuer gesprochen wird, die ihn treffen. Der folgende V. 27, der Himmel und Erde als Zeugen dafür nennt, zeigt, dass es in V. 26 um direkt von Gott verhängte Strafen geht. 382   in der Heilsaussage Jes 7,15.22 greift wahrscheinlich ebenfalls diese Metaphorik auf. Vgl. Kaiser, Jesaja 1–12, 172; Wildberger, Jesaja, 306f. 383 So der Apparat der BHS. 384   bedeutet eigentlich „Tausch, Vergeltung, Erstattung“. Stier, Hiob, 100f, übersetzt    mit „Gut seines Tausches“. Wahrscheinlich ist der Begriff gewählt, damit erkennbar ist, dass es sich nicht um regelrechtes Eigentum handelt. Vgl. zur Semantik HAL, 1608f.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

V. 28 wechselt wieder zu einem konkreten Bild unter Gebrauch der Kriegsmetaphorik: Der Ertrag des Hauses wird weggeführt werden. V. 28b ist schwer verständlich. Wahrscheinlich bezeichnet    („am Tag seines Zorns“) den Tag, an dem den Frevler seine Strafe trifft. 385 Indirekt ist damit wieder eine Bestrafung durch die Gottheit impliziert. Bei   ist nur klar, dass das Verb  meist negativ konnotiert ist, so dass sich wohl ein synthetischer Parallelismus ergibt: Der Ertrag seines Hauses wird weggeführt, als Zerinnendes am Tage, an dem ihn der Zorn trifft. V. 29 schlägt einen Bogen zurück zum Anfang der Rede und bildet mit V. 4f eine Klammer um den gesamten Zusammenhang. Dadurch wird das Kapitel abgeschlossen.      fasst den gesamten vorangehenden Text inhaltlich zusammen.  substituiert dabei alle vorangehenden Aussagen über den Frevler. Möglicherweise hängt dieser zusammenfassende Abschluss mit der Herkunft des verwendeten Materials zusammen, das in der Rede wiedergegeben wird, um das allgemeine Geschick des Frevlers zu umreißen. Die Formulierung     „das Erbe seines Ausspruches von Gott“ im Gegenüber zum ersten Halbvers        „das ist das Teil des Frevlers von Gott“ lässt sich als eine indirekt auf Hiob bezogene Kontextualisierung verstehen; denn die Zopharrede begann in 20,2f mit einer expliziten Zurückweisung von Hiobs vorangehenden Redeinhalten.386 Zophars Rede ist nur am Anfang als Anrede an Hiob formuliert, was sie von der Mehrzahl der Freundesreden, die durchgängig an ihn gerichtet sind, unterscheidet. Eine Rückbindung an eine vorangehende Rede liegt am Anfang explizit mit einer polemischen Zurückweisung von Hiobs Reden vor. Die Rede ist insgesamt geprägt durch die Zitation einer listenartigen Darstellung des Geschicks des Frevlers. Abgezielt wird damit auch auf Hiob als Gegenüber, was am Ende noch einmal in 20,29 deutlich wird. 387 Es stellte 385 Die LXX versteht das in ähnlichem Sinn, bietet aber im zweiten Halbvers einen ausführlicheren Text: îÂÁįʸÀÌġÅÇčÁÇŸĤÌÇıÒÈļ¼À¸¼ĊËÌñÂÇË÷ÄñɸĚɺýËëÈñ¿ÇÀ¸ĤÌŊ („Sein Haus wird verschleppt werden zur vollständigen Vernichtung; der Tag des Zorns wird auf ihn kommen.“). ÒÈļ¼À¸¼ĊËÌñÂÇË im ersten Halbvers könnte anstelle von   auf   weisen. Da die Nomen   und  , die mitunter mit ÒÈļ¼À¸ wiedergegeben werden (vgl. Spr 10,24; Jer 30,24 [LXX)]), von   abgeleitet sind, kann der LXX aber auch   vorgelegen haben, das diese aber als Ptz. Pl. fem. von   (Nif.) hergeleitet hat. Der Plural könnte entsprechend für ¼ĊËÌñÂÇËverantwortlich sein. Die Interpretation der LXX mit   dürfte mit dem Gebrauch des Nomens   zusammenhängen. Dass die Wiedergabe der LXX nicht der ursprünglichen Intention entspricht, zeigt sich daran, dass schon   und   nur vereinzelt mit ÒÈļ¼À¸ wiedergegeben werden und   im Nif. sonst nirgends belegt ist. 386 Fohrer überlegt, ob  ein Textfehler ist. Vgl. Fohrer, Hiob, 326. Strauß, Hiob, 25, behält zwar  bei und interpretiert „Wort, Weisung“. 387 Vgl. Hartley, Job, 309.

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sich heraus, dass der Text Dtn 28 nahe steht. Aufgrund des Fehlens von lexematischen Beziehungen ließ sich zwar die Annahme einer direkten literarischen Abhängigkeit nicht beweisen, wohl aber konnte auf eine inhaltliche (theologische) Verwandtschaft geschlossen werden. Möglich ist, dass bereits die verarbeitete Quelle mit Dtn 28 in einer Verbindung stand. m) Hi 21 – Hiobs siebente Rede Die Hiobrede beginnt mit direkter Anrede der Freunde in der 2. Pl. mask. (V. 2f.5) und kehrt am Ende zur Anrede der Freunde zurück (V. 27–29.34). In dieser Rede wird Gott nicht angesprochen. Dass Hiob sich einerseits fast388 durchgängig nur an die Gruppe wendet, andererseits die Anrede an Gott unterbleibt, könnte damit im Zusammenhang stehen, dass mit dieser Rede der zweite Redegang des Dialoges abgeschlossen wird. Die V. 2–6 bilden die Hinführung auf den nachfolgenden Zusammenhang. Zunächst wird aufgefordert, Hiobs „Rede“ ( ) zuzuhören (2a). Das Hören durch sein Gegenüber wird in 2b als Trost ( ) für den Klagenden bezeichnet.389 Bei diesem Aspekt handelt es sich um einen Rückverweis auf die Eröffnung der fünften Hiobrede (Hi 16,2). Wie dort handelt es sich im vorliegenden Kontext um einen Hinweis auf den fehlenden Trost durch die Freunde.390 Über das Nomen   wird eine weitere Querbeziehung zu Hi 15,11 hergestellt, wo mit dem Begriff auf die Argumentation der Freunde verwiesen wurde.391 Dass das Zuhören der Freunde gefordert und dies als Tröstung bezeichnet wird, ist eine ironisierende Bezugnahme auf die vorangehenden Freundesreden,392 die dadurch en bloc als nicht hilfreich hingestellt werden. V. 3 führt dies fort: Der Vers setzt mit einer erneuten Aufforderung ein, wobei   („ertragt mich“) der Aufforderung zum Hören (V. 2a) entspricht. Diese Entsprechung unterstreicht den ironischen Charakter des vorangehenden Verses (V. 2): „Ertragt mich, und ich werde reden! Und nach meinem Reden verspotte!“ Der nächste Freund, also Eli388 Lediglich in 21,3b findet sich ein Wechsel in den Singular, der darin begründet ist, dass zunächst ein Sprecher Hiob folgt. 389 Strauß, Hiob, 42, weist dies als „vordergründig psychologisierend“ zurück und denkt an eine polemische Verwendung des Begriffes, der „alle bisherigen Bemühungen der Freunde negativ (s. V. 34a) zusammenfassen“ soll. Doch ist es m.E. nicht möglich, hier im Sinne einer Alternative zu entscheiden. Stattdessen sind in dem Satz beide Aspekte enthalten: Einerseits wird auf das bisher in den Reden fehlende Erbarmen hingewiesen, andererseits wird mit der Absicht der Freunde, ihm zu erwidern gebrochen, indem vom Hören als Trost die Rede ist. 390 Vgl. oben, 99f. 391 Vgl. Fohrer, Hiob, 341. Siehe zu   oben, 96, Anm. 277. 392 Vgl. Alden, Job, 219; siehe Anm. 389.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

phas,393 soll seinen Spott erst nach Hiobs Rede äußern. Die vorangehenden Reden der Freunde werden dadurch zugleich als Spott zurückgewiesen. Der Ton verschärft sich gegenüber den vorangehenden Reden ein weiteres Mal. Die nachfolgenden Verse (V. 4–6) rechtfertigen Hiobs Klage. Diese richte sich nicht gegen einen Menschen (V. 4a), was aus der Sicht Hiobs seine Ungeduld rechtfertigt (4b). Für die abgewiesene Reaktion der Freunde, also für deren vorangehende Reden, ergibt sich daraus, dass diese seiner Situation gegenüber als unangemessen aufgefasst werden. Die Freunde werden, wenn sie sich Hiob zuwenden, von selbst verstummen (V. 5),394 so wie Hiob selbst über sein eigenes Geschick erschüttert ist (V. 6). V. 4a (    ) ist darüber hinaus für die übergreifende Sicht der Hiobreden von Belang: Hiob bezeichnet seine Reden hier mit dem Nomen

 „Sorge, Klage“.395 Die rhetorische Frage, ob seine Klage denn an einen Menschen gerichtet sei, drückt indirekt ihre Ausrichtung auf Gott aus. Da aber gerade die vorliegende Hiobrede keine Anrede Gottes enthält, bestätigt sich die Vermutung, dass gerade das Fehlen der Anrede Gottes in der Klage einen Signalcharakter hat, der letztlich auf die Herausforderung Gottes und die Gottesreden gerichtet ist.396 Die V. 5f stehen in einem eigenartigen Verhältnis zu dem Übergangsabschnitt zwischen Rahmen und Dichtung (2,11–13), wo berichtet wird, die Freunde seien gekommen, um Hiob zu trösten, sie aber nach dem Vollzug von Trauerriten sieben Tage und sieben Nächte geschwiegen hatten. Im vorliegenden Kontext wird ihnen, weil sie keinen Trost vorgebracht haben, vorgehalten, sie würden verstummen, wenn sie sich ihm nur zuwendeten. Gleichzeitig besteht eine Spannung zum Übergang zwischen Kap. 3 und 4, denn auf die Klage Hiobs reagieren sie mit Argumentation und Zurückweisung und nicht mit Betroffenheit und Trost. Die vorliegende Rede vermittelt dabei den Eindruck, als habe sich jenes stumme Schweigen der Freunde in Hi 2,11–13 nicht ereignet. Natürlich hat die Dichtung eine andere inhaltliche Struktur, und in ihr ist auch eine andere Form der Kohärenz zu erwar-

393 Daher wahrscheinlich der Wechsel in den Sg. Die LXX (ähnlich V) setzt den Plural, dreht aber die Aussage um („dann werdet ihr nicht [mehr] über mich spotten“), so dass sie nicht als Zeugin dienen kann. 11QTgJob bezeugt den Plural leider nicht ( ] – DJD XXIII, 95: „After qop there are some dark stains, which may or may not be waw and final nun.“ Allerdings liegen diese im dunklen Brandbereich (?) des Fragments). 394 Sie würden sich entsetzen ( [Hif.] – „staunen, sich entsetzen“), was bereits auf das Verstummen abzielt, und ihre Hand auf den Mund legen, was ein Gestus des Verstummens ist. Vgl. Fohrer, Hiob, 341. 395 In Hi 7,11 hatte er seine Klage bereits mit dem Verb  bezeichnet. Vgl. oben, 76. 396 Vgl. zum erstmaligen Auftreten dieses Phänomens in Kap. 3 oben, 46, und zusammenfassend unten, 181ff.

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ten als in einem Erzähltext.397 Dennoch verwundert es, dass im vorliegenden Kontext, wo es um konkretes Verhalten geht, nicht auch auf im Rahmen konkret berichtetes Verhalten Bezug genommen wird und dass beispielsweise der in V. 3b vorgeworfene Spott und das angemahnte schweigende Zuhören (V. 3a.5) sich insbesondere nicht mit Hi 2,11–13 verbinden lassen. Nach der inhaltlichen Hinführung beginnt ein erster Gedankengang der Rede in V. 7 mit der Frage ...      – „Warum leben die Frevler?“. Ein zweiter Gedankengang setzt parallel dazu in V. 17 mit einer weiteren Frage ein:       – „Wie oft erlischt das Licht der Frevler?“ Die beiden Abschnitte Hi 21,7–16 und 17–26 bilden den Kern der Hiobrede. Bereits der erste Zusammenhang (V. 7–16) über das Ergehen der Frevler ist nicht mehr direkt an die Freunde gerichtet, sondern allgemein formuliert. Hier wird von einer Umkehrung des traditionellen Tun-Ergehen-Zusammenhanges gesprochen und behauptet, es ergehe dem Frevler grundsätzlich gut. Der Abschnitt gipfelt in einer zitierten Rede der Frevler. Diese distanzieren sich von Gott (    „Weiche von uns!“, V. 14) und zweifeln seine Macht an (V. 15). Sie zweifeln quasi agnostisch den Sinn der Gottesbeziehung an, vollziehen aber nicht den Schritt, die Existenz Gottes vollständig in Frage zu stellen, wofür der zweite Halbvers spricht (    – „was haben wir für Nutzen ...“). Wenn es dem Frevler gut geht, dann zeigt das letztlich, dass die Gottesbeziehung keinerlei Relevanz für das Ergehen hat.398 Der als Frevlerrede stilisierte Zusammenhang zieht die Konsequenz, dass aus Sicht der Frevler ein Festhalten an Gott generell nutzlos (V. 15b) ist, und daher wird letztlich die Frömmigkeit selbst für hinfällig erachtet, was in der radikalen Aussage        (V. 15a) ausgedrückt ist.399 Zu dieser Aussage und zu den Ausführungen der V. 7–16 begibt sich der Sprecher abschließend in Distanz (V. 16b), freilich mit der im ersten Halbvers angespielten Aussage, dass auch hinter deren „Gut“ ( ) letztlich Gott stehe (V. 16a). Ohne dass hier die Ursache dessen geklärt wird, gehört die Aussage in den Zusammenhang der perspektivischen Aussagen über Gott, dessen Handeln letztlich nicht nachvollziehbar ist. Doch hat dies für den Sprecher nicht die Konsequenz der Aufgabe seiner Frömmigkeit. Die Diskussion der Frage nach dem Grund dafür, dass die Frevler ungestört leben, zeigt, dass Hiob letzteres für die Normalität hält. 397 Das hängt u.a. damit zusammen, dass das Gewicht auf der punktuellen Absicht des poetischen Textes liegt und Referenzen nicht primär der Kohärenz des Textes dienen. Vgl. Cotter, Study, 12. 398 Ebach, Hiob II, 6, verweist hier auf die Frage des Satans „nach dem Nutzen der Frömmigkeit“. Interessant ist beim Vergleich von Hi 21,15 mit 1,9, dass im Prolog auf eine Frömmigkeit abgezielt wird, an der ohne Aussicht auf Nutzen an Gott festgehalten wird. 399 Diese erinnert an die Worte des Pharao       in Ex 5,2.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Die Pauschalität in der dies vorgebracht wird, erklärt sich aus dem Gegenüber zur Abhandlung Bildads über das Geschick der Frevler Hi 18,5ff. In der Hiobrede wird sozusagen ein Pendant zu der vorangehenden umgekehrten Abhandlung über das Geschick des Frevlers geliefert. Die Intention dürfte indessen in der Mitte liegen. Weder der Frevler noch der Fromme hat einen Vorzug. Der Tun-Ergehen-Zusammenhang ist letztlich nicht nachweisbar. Mit der Gegenüberstellung der beiden entgegengesetzten Positionen ist zumindest nichts widerlegt. Aussage wird gegen Aussage gestellt. Allerdings ist die unterschiedliche Einbindung zu beachten. Während Zophars Rede als eine althergebrachte Erkenntnis charakterisiert wird (20,4) und auch formal den Eindruck eines Traditionselementes macht, impliziert   (V. 6a) in der Hinführung zu Hiobs Darlegung, dass es sich dabei um eine eigene Erkenntnis Hiobs handelt, die der hinter Hi 20 stehenden traditionellen Überzeugung entgegen gestellt wird. Interessant ist bei dem Thema von Hi 21,7ff, dass Hiob damit nicht nur den Freunden widerspricht, sondern auch eigenen Positionen (vgl. 13,10; 19,28f).400 Die Intention der radikalen Infragestellung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs durch Hiob dürfte daher im Zusammenspiel der konträren Aussagen bestehen. Letztlich geht es nicht um die grundsätzliche Umkehrung des traditionellen Zusammenhanges, sondern nur um dessen Problematisierung durch das Gegenüberstellen von entgegengesetzten Erfahrungen und Positionen. In Bezug auf den Prolog verwundern die Formulierungen in Hi 21,14f, auch wenn diese in V. 16 etwas eingeschränkt werden. Hiob moniert dort bei der Wiedergabe der Worte der Frevler, dass es dem Frevler im Vergleich zu seiner eigenen Situation gut geht. Angeklagt wird von ihm also das Ausbleiben von Lohn für die Frömmigkeit und für den Gottesdienst angesichts dessen, dass der Frevler, dem es gut geht, die Nutzlosigkeit der Gottesbeziehung aussagt. Damit vertritt er eine Position, die ihm vom Satan im Prolog vorgeworfen wird. Von der idealen Gottesbeziehung, die er im Prolog unter Beweis stellen soll, an der ohne das Kalkül von Tun und Ergehen festgehalten wird, scheint er in Hi 21 weit entfernt zu sein. Da aber schon dort durch Hiobs Reaktionen auf das Leid der Vorwurf des Satans widerlegt wird, ergibt sich eine Diskrepanz.401 Der nächste Gedankengang (V. 17–26) schließt sich an die rhetorische Frage „Wie oft erlischt das Licht der Frevler?“ an und nutzt nun gegenüber 400

Vgl. Fohrer, Hiob, 342. Ebach, Hiob II, 7, stellt fest, „So bleibt der Hiob, der Zophar und den anderen Freunden seine ‚Gegenrechnung‘ aufmacht, noch immer der Ökonomie des Glaubens verhaftet. Kritik an dieser Lohnfrömmigkeit sollte jedoch nicht dazu führen, Hiobs Bestandsaufnahme zu verdrängen.“ – Allerdings ist bei dieser Beobachtung zu beachten, dass im Rahmen die Gottesbeziehung aus der Perspektive Gottes in den Blick genommen wurde, während sie in den Hiobreden aus der Perspektive des Frommen thematisiert wird. 401

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dem vorangehenden Abschnitt einen speziellen Aspekt, um den Tun-Ergehen-Zusammenhang empirisch zu widerlegen. Es geht um das Thema des Lebensendes der Frevler. Diese können offenbar trotz ihrer Verfehlungen ein langes Leben genießen.402 Dass Gott das Unglück für die Kinder des Frevlers aufspare (V. 19), erweist sich noch abhängig von der rhetorischen Frage als eine Konstruktion, die dieses Problem zu erklären trachtet. Hiob weist diese Argumentation in einer Art Stoßgebet403 vehement zurück (V. 20:  404  ). Er resümiert dann aber am Ende, dass der Tod als allgemeines Geschick des Menschen unabhängig vom Tun eintritt (V. 23–26).405 402 Dabei macht bereits Hi 21,17 den Eindruck, als würde hier Bezug genommen auf andere Aussagen oder allgemein bekannte Positionen. Das Thema des Endes der Frevler in Verbindung mit der Lichtmetaphorik und dabei auch das seltene Verb  kommen in der zweiten Rede Bildads (18,5f) vor. Wörtlich finden wir die Formulierung in Spr 13,9 im Parallelismus zu     . Das zeigt das inhaltliche Bezugssystem, in dem die Hiobrede steht. – Das ebenfalls seltene Nomen  „Verderben“ (21,17a¹) kommt auch in der zweiten Rede Bildads (18,12) vor, auch wenn es dort im Kontext etwas anders verwendet wird. Bei der dritten Aussage von 21,17 (      ) ist die Bedeutung von   umstritten. Ausgehend von den vorangehenden Stichoi ist m.E. eher für eine Beziehung zu , , II „Schaden“ zu votieren, oder aber, was die plausibelste Lösung ist, anzunehmen, dass es um das Auslegen (daher  „austeilen“) von Schlingen geht (vgl. Spr 5,22). M.E. zeigt die Zusammenstellung der Aussagen, dass die Argumentation sich hier im Zusammenhang der vorangehenden Freundesreden bewegt. Immerhin schließen sich ja die beiden Infragestellungen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs durch Hiob an die paradigmatische Darstellung der Gültigkeit desselben durch Zophar in Hi 20 an. Gleichzeitig wird aber auf weisheitliche Positionen polemisch Bezug genommen, die wir neben den Freundesreden u.a. in den Sprüchen finden. Bei Hiobs Infragestellung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs handelt es sich aber gleichzeitig um einen Angriff gegen die Gottheit. Deren Handeln gegen den Frevler wird als defizitär angesehen (21,17b), wobei mit dem Suff. 3. Sg. mask. auf Gott verwiesen wird, ohne dass dieser ausdrücklich genannt wird. Das Fehlen einer Anrede Gottes kann hier wie auch an anderen Stellen als gesteigerte Form der Polemik gelten, da Gott aufgrund eines Vorwurfes wie jenes in 21,17b verweigert wird, was eigentlich zu erwarten ist, die Bitte um Errettung. V. 18 setzt die Frage mit zwei weiteren Aussagen (Stroh im Wind, Spreu im Sturm) fort. Vielleicht wird hier ebenfalls auf einen weisheitlichen Text angespielt, der dies positiv ausdrückt. V. 19a und Hiobs Reaktion auf diese Zitation (V. 19b.20f) könnten dafür sprechen, dass es sich um einen größeren Zusammenhang handelt, der hier im Hintergrund steht. 403 Ebach, Hiob II, 8, schreibt: „Hiob fordert, daß sich für den Frevler die Folgen seines Tuns in seinem Leben manifestieren sollen“. Ähnlich Strauß, Hiob, 48. Nach Alden, Job, 224, lehnt Hiob den Verweis des Tun-Ergehen-Zusammenhangs auf die nachfolgende Generation als unfair und als zur Abschreckung ungeeignet ab. 404 Die pluralische Verbform lässt sich nur mit dem Qere verbinden (Vgl. LXX). 405 V. 22–26 kehren zum Ausgangspunkt des Abschnittes zurück, indem nun im Dienste einer weiteren Infragestellung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs das unterschiedliche

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Mit V. 27ff kehrt Hiob wieder zu der Auseinandersetzung mit seinen Freunden zurück. Er skizziert in V. 28 mit zwei rhetorischen Fragen die in Kap. 21 generell abgewiesene Position der Freunde und insbesondere die vorangehende Position in der Zopharrede, dass nämlich die Gottlosen keinen Bestand haben. Die nachfolgenden V. 29–32 fassen Hiobs Gegenposition noch einmal zusammen, dass die Frevler selbst im Gericht nicht angefochten werden und am Ende in Frieden in ihr Grab gehen. V. 34 schließt mit einer polemischen Verwerfung der Reden der Freunde:          „Wie tröstet ihr mich sinnlos, und von euren Antworten bleibt (nur) Untreue.“ Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Freunde die an sie gerichteten Erwartungen nicht erfüllt haben. Gleichzeitig wird ein Bogen zurück geschlagen zu der Eröffnung der Rede in 21,2 mit        . Damit erweist sich, dass die Rede in Hi 21 in engem Zusammenhang mit der vorher in der Zopharrede dargestellten Tun-Ergehen-Problematik steht. Hiob weist dies als Möglichkeit des Trostes von sich. Kap. 21 stellt als Abschluss des zweiten Gesprächsganges eine resümierende Auseinandersetzung mit den Freunden dar. Auch wenn eine enge Beziehung zur Zopharrede (Kap. 20) besteht, werden die Reden der Freunde insgesamt implizit und explizit als untauglich zum Trost abgelehnt, was sich nach Hi 16,2 als übergreifendes Thema in der Hiobdichtung erweist. Hiob richtet sich vor allem gegen den von den Freunden als Lösungs- und Erklärungsweg vorgebrachten Tun-Ergehen-Zusammenhang. Während die Zopharrede in Hi 20 einen inhaltlichen Bezug zur Theologie von Dtn 28 hatte und auch dadurch deutlich als in der Tradition verankert erschien, stellt Hiobs Rede über das Geschick des Frevlers in Hi 21 einen aktuellen Gegenentwurf dazu dar. Impliziert ist für den Zusammenhang eine Gegenüberstellung der beiden Positionen. Dass die Hiobrede eine extreme und auch irreale Zuspitzung ist, zeigt, dass die Umkehrung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges durch Hiob in Hi 21 der Relativierung des traditionellen Konzeptes dient, das in Hi 20 dargeboten wird. Die Zurückweisung der Freundesreden als untauglicher Trost und damit als inadäquat der Situation des Leidenden gegenüber scheint in einem Zusammenhang zum Prolog zu stehen, wo von den Freunden berichtet wird, dass sie kommen, um Hiob zu trösten (Hi 2,11–13).406

Geschick der Menschen in den Raum gestellt wird. Der Gedankengang wird Gott in V. 22 sozusagen als Gegenargument entgegengehalten. 406 Vgl. zur Interpretation von Hi 2,11–13 unten, 280.

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n) Hi 22 – Eliphas’ dritte Rede Eliphas’ letzte Rede setzt mit einer weiteren Zurückweisung von Hiobs Position ein. Auffällig ist, dass in der rhetorischen Frage407 in Hi 22,2a und auch in der Feststellung, dass der Kluge sich nur selbst nützt (2b), keine so scharfe Polemik spürbar ist, wie sie in vielen anderen Reden am Anfang stand.408 Dennoch ist der Fortgang der Rede, abgesehen von den V. 12–20 durchgängig an Hiob gerichtet (2. Sg. mask.). Statt einer polemischen Zurückweisung seiner Rede(n) wird nun aber in weiteren rhetorischen Fragen immer direkter auf den Vorwurf einer individuellen Schuld Hiobs abgezielt. Zunächst wird in V. 3 festgestellt, dass Gott letztlich keinen Nutzen der Gerechtigkeit ( ) und Frömmigkeit () Hiobs habe. Hier wird ein Zusammenhang mit der Rahmenerzählung gesehen: „Mit der Verteidigung der Ansicht vom Nutzen, den der ‚Einsichtige‘ sich verschafft, verbindet sich sogleich die Beschuldigung des diese Ansicht angreifenden Hiob (V. 2–5). Daß dabei das platte Streben solcher Frömmigkeit nach Nutzen derart deutlich hervortritt und die Nähe dieser herkömmlichen Lebensweisheit zu der herausfordernden und anklagenden Frage des Satans nach dem Nutzen (1,9) einsichtig wird, ist zweifellos Absicht des Hiobdichters, der dadurch sowohl die Versuchung Hiobs durch die Freunde als auch die Minderwertigkeit des herkömmlichen Glaubens kennzeichnet.“409 Hinter den rhetorischen Fragen des Eliphas steht die Ansicht, dass der Fromme sich mit seiner Frömmigkeit durchaus einen Gewinn erwirken kann. Dass der Fromme nur410 sich selbst nützt, scheint die Erwiderung auf eine solche Behauptung Hiobs darzustellen.411 Es könnte dabei Hiobs Vorwurf gegen Gott avisiert sein, dass dieser die Frömmigkeit des Frommen nicht achtet und nicht entsprechend beantwortet. Ein entsprechender Vorwurf findet sich auch in der vorangehenden Hiobrede, wo Hiob (in Hi 21,31) Gott die fehlende Begleichung des Unrechts des Frevlers vorgeworfen hatte. In Hi 22,2f könnte dies sozusagen als umgekehrter Vorwurf aufgefasst worden sein, als hätte Hiob geklagt, Gott nehme seine Frömmigkeit hin, antworte ihm aber mit Leid. Dem hält Eliphas nun entgegen, dass Gott als Garant des Tun-Ergehen-Zusammenhangs unabhängig vom Tun des Frommen ist und keinerlei Nutzen aus dem Tun des Frommen zieht. Er steht quasi als unabhängige neutrale Instanz dem 407

136f.

Zu den rhetorischen Fragen und weiteren impliziten Bezügen vgl. Course, Speech,

408 Die LXX hat die Aussage völlig umgekehrt: ÈĠ̼ÉÇÅÇĤÏĖĝÁįÉĕÇËëÊÌÀÅĝ»À»ÚÊÁÑÅ ÊįżÊÀÅÁ¸ĖëÈÀÊÌûľŠ„Ist es nicht der Herr, der den Weisen und Klugen lehrt?“ 409 Fohrer, Hiob, 352; vgl. Hartley, Job, 325. 410 So interpretieren üblicherweise die Übersetzungen. 411 Vgl. Ebach, Hiob II, 14f.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Tun des Frommen wie dem des Frevlers gegenüber. Der Fortgang macht deutlich, dass er dabei aber den Frevel bestraft (V. 4),412 Frömmigkeit aber nicht entsprechend belohnt. Letzteres ergibt sich aus der Aussage von V. 2, dass sich der Kluge nur selbst Nutzen bringt. Eliphas wirft Hiob also konkret vor, er fordere von Gott eine Art Gegenleistung für die Frömmigkeit. Ab V. 4 argumentiert Eliphas gegen diese Sichtweise mit einer juridischen Terminologie. Darauf weisen die Ausdrücke „Zurechtweisen“ und „ins Gericht gehen“ ( ,   ). Die rhetorischen Fragen zielen also auf eine Unparteilichkeit Gottes im juristischen Sinne ab. Daher leide Hiob aufgrund von Frevel und eben nicht wegen seiner Gottesfurcht und werde entsprechend von Gott zurechtgewiesen und vor Gericht gestellt. In dem Vorwurf, wie bereits in der vorangehenden Klage Hiobs, scheint sich ein Zusammenhang mit Hi 1 abzuzeichnen, wo das Thema der Frömmigkeit in der Himmelsszene thematisiert wird. Interessanterweise trifft sich die vom Satan monierte Frömmigkeit, die auf die Absicherung des Wohlergehenes abzielt,413 sowohl mit der Klage Hiobs, dass Gott nicht adäquat auf die Frömmigkeit antwortet, als auch mit der von Eliphas in Hi 22,2–4 zurückgewiesenen Position. Mit den rhetorischen Fragen in V. 4 (       „Rechtet er mit dir wegen deiner [Gottes-]Furcht? Kommt er [deswegen] mit dir [zusammen] im Gericht?“) wird also konkret darauf angespielt, dass Hiobs Ergehen ihn als schuldig erweist. Hiobs Gottesfurcht ist entweder nicht echt, oder sie hat aufgrund von Hiobs Schuld keine Relevanz für seine Behandlung. Hiob steht nach Eliphas schon in der Auseinandersetzung mit Gott und unter dem Gericht. V. 5 drückt dies (wieder mit rhetorischen Fragen) explizit aus. Daran schließt sich in Hi 22,6–11 ein Katalog von Schuldvorwürfen gegen Hiob an. Damit kehrt Eliphas Hiobs Kritik am Tun-Ergehen-Zusammenhang wieder um. Während Hiob in Kap. 21 unterstellt hatte, „sein Leiden beweise geradezu, daß er kein Frevler sei“, indem er auf das Wohlergehen der Frevler verwiesen und sein Leiden in das allgemeine Leiden der Frommen eingeordnet hatte, erwidert Eliphas nun, dass Hiob „ein großer Sünder sein“414 müsste, weil er so leidet. In dem nachfolgenden Abschnitt (Hi 22,12–20) wird unterstellt, Hiob rechne nicht mit Gott. Dabei dürfte ebenfalls an die vorangehende Hiobrede angeknüpft werden, wo Hiob das Gegenkonzept zum Tun-ErgehenZusammenhang entfaltet hatte. Nach Eliphas meint Hiob, dass Gott fern sei. Dies wird eröffnet mit der Feststellung, Gott sei hoch wie der Himmel. Die angehängte Unterstellung (V. 13f), Gott könne bei seiner Größe auf412

V. 4 impliziert, dass Hiobs Leid auf eine konkrete Schuld zurückzuführen ist. Vgl. die Zusammenfassung der Analyse von Kap. 1,6–12 unten, 247. 414 Ebach, Hiob II, 15. 413

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 22

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grund der Wolkendecke nicht sehen und keinen Einfluss nehmen, ironisiert Hiobs Position. Dabei nimmt Eliphas in 22,17f Hiobs Aussage aus 21,14 auf und weist darauf hin, dass auch jene Frevler, denen es gut geht und die meinen, Gott ignorieren zu können, schon sehr schnell an ihr Ende kämen.415 Eliphas beharrt also gegen Hiobs grundsätzliche Infragestellung dieser Sicht in 22,18b.19f darauf, dass die Gerechten am Ende Recht behalten werden. Der Text schließt mit der Aufforderung an Hiob, mit Gott Frieden zu schließen (V. 21) und zu ihm umzukehren (V. 23). Intendiert ist wie jeweils in den vorangehenden Eliphasreden eine Buße, die nun aber nicht mehr nur auf die perspektivisch vorhandene, sondern auf die konkret benannte Schuld bezogen ist (V. 24). Doch auch für diese Buße416 wird vom Sprecher erneuerter Segen in Aussicht gestellt, der sogar so weit geht, dass er auf andere hin ausstrahlen könne (V. 30). Anstelle der pauschalen Polemik, die am Anfang der meisten Freundesreden stand, verschärft die dritte Eliphasrede die Vorwürfe gegen Hiob generell. Die impliziten und allgemein formulierten Anklagen werden nun von dem Vorwurf konkreter Schuld in einem Sündenkatalog abgelöst. Es wird nicht mehr wie im ersten, aber auch noch im zweiten Redegang im Rahmen des Perspektivproblems der Gerechtigkeit argumentiert, sondern Eliphas wird zu einem konkreten Ankläger Hiobs. Dabei weist der Sündenkatalog der gegen Hiob vorgebrachten Vorwürfe (22,5–11) voraus auf Hi 31 mit dem sog. Reinigungseid.417 Die Aussagen über Hiobs Leiden und sein angebliches schuldhaftes Verhalten decken sich mit der Rahmenerzählung nicht. o) Hi 23f – Hiobs achte Rede Hiobs achte Rede wird mit       „Auch heute ist meine Klage Widerspenstigkeit“ eröffnet. Es fehlt wie in der vorangehenden Eliphasrede die stereotype Polemik. Die Eingangsformulierung macht demgegenüber eine Beziehung zu den vorangehenden Hiobreden deutlich. Einerseits impliziert die Eröffnung mit    vorausgehende Reden. Mit   könnte sich ein größerer zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Reden andeuten.418 Andererseits zielt der Satz in Abweisung der vorangehenden Rede(n) darauf, dass Hiob die Ausrichtung seiner Reden als „widerspenstige Klage“ 415

Vgl. Course, Speech, 131. Vgl. oben, 53.67. 417 Vgl. unten, 160ff. 418 Dann wäre eine andere Stilisierung im Blick als im Rahmen. Die Dichtung enthielte damit zumindest einen Hinweis, dass die Reden nicht ad ad hoc in einem Zuge geredet gedacht sind, sondern dass sie eine längere Diskussion der Thematik voraussetzen. 416

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

fortsetzt.  wurde in Hi 21,4 schon einmal als Bezeichnung für die Form von Hiobs Äußerungen gebraucht. Mit der Charakterisierung der nachfolgenden Rede als  „Halsstarrigkeit, Widerspenstigkeit“419 wird bei gleichzeitigem Rückbezug auf die vorangehende Radikalität die Klage selbst gerechtfertigt,420 die auch die Kritik der Freunde in Blick hat. Doch erfolgt eine Kontextualisierung in Bezug auf die Freundesreden ansonsten nicht. Stattdessen wird mit dem Ausgangspunkt von Hi 23,2b   421    „seine Hand ist schwer auf meinem Seufzen“ über Gott gesprochen. Der Nominalsatz zielt dabei auf Gottes Verhalten Hiob als Leidenden (   – „auf meinem Stöhnen“) gegenüber. Angeklagt wird Gott nicht nur als Verursacher von Hiobs Leiden, sondern weil er dem Leid gegenüber unangemessen handelt.422 Die ganze achte Rede enthält genauso wenig eine direkte Anrede an Gott, wie in ihr eine Anrede an die Freunde erfolgt. Das führt sie nahe an Kap. 3 heran, wo ebenfalls weder die Freunde noch Gott direkt angesprochen wurden, die Klage aber durchgängig auf Gott bezogen war. Der Anfang der Rede V. 3–7 thematisiert die erwünschte Auseinandersetzung des Klagenden mit Gott. Hierin könnte eine inhaltliche Anknüpfung an die vorangehende Rede des Eliphas vorliegen, der Hiobs Leid als Beweis für den Beginn der Auseinandersetzung Gottes mit Hiobs Schuld gewertet hatte (Hi 22,4f).423 Ausgedrückt wird in V. 6f die Zuversicht, dass für Hiob eine direkte Auseinandersetzung mit Gott doch Heil bedeuten werde; denn:          „Dort424 setzt sich ein Aufrechter mit ihm auseinander und ich werde entkommen für immer meinem Richter.“ Die so ausgedrückte Zuversicht tritt allerdings zurück angesichts der Tatsache, dass die erhoffte Auseinandersetzung nicht in Sicht ist, da Gott sich eben von Hiob nicht greifen lässt (V. 8f).425 Hiob kann letztlich im Rechtsstreit gegen Gott nicht bestehen. Umgekehrt kennt Gott den Klagenden wohl (V. 10). Hier wird ein weiteres Mal die Perspektivität im Verhältnis zwischen Gott und den Menschen deutlich. Im Zentrum stehen V. 13f, wo Gottes Handeln als 419 Die LXX liest hier vermutlich  , was die Verantwortung Hiobs betont. Vgl. Fohrer, Hiob, 362. 420 Vgl. Fohrer, Hiob, 363. – Die Überlegungen zu  als Gattungsbegriff bestätigen sich damit. Vgl. zu Hi 21,4 oben, 126 (vgl. auch zu Hi 7,11 oben, 76). 421 MT hat  ! . Es handelt sich wohl um einen Schreibfehler.  bezeugen Vulgata, LXX und Peschitta. 422 Wharton, Job, 101, sieht auf Gott als Feind und Unterdrücker angespielt. M.E. geht die Stelle nicht so weit. 423 Einen inhaltlichen Zusammenhang vermutet auch Fohrer, Hiob, 366. 424  ist hier aufgrund des vorangehenden Kontextes temporal auf die Begegnung mit Gott ausgerichtet. Vgl. Strauß, Hiob, 77. 425 Witte, Vom Leiden, 120, sieht einen Kontrast zu Ps 139,5.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 23f

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frei beschrieben wird. Dies erscheint in der Perspektive des Klagenden als erschreckend und in der Konsequenz als Willkür (V. 15f). Dass das in V. 13 mit der Thematik Gottes als des Einen verbunden wird, ist signifikant. Da in den V. 10–12 Hiob seine Rechtschaffenheit mit der Motivkombination Gebotserfüllung – Bewahren-des-Weges (vgl. Dtn 8,2.6; 11,22; 19,6, 28,9 u.ö.) ausdrückt, ist ein Zusammenhang zum Deuteronomium auch in Hi 23,13 wahrscheinlich. Hier wird also Gottes als willkürlich empfundenes Handeln in einen Zusammenhang mit dem Deuteronomismus gestellt. 426 Die Einzigkeit Gottes und die Klage des Leidenden über die Willkür werden damit in einen Zusammenhang gebracht. Zwar bleibt die Frage nach der konkreten Verbindung zu Dtn 6,4 offen,427 doch wird deutlich, dass die Einzigkeit Gottes hier mit der Klage über Gottes unheilvolles Handeln verbunden wird, was eine durchgehende theologische Linie der Dichtung zu sein scheint. In ihr wird trotz der Rezeption einer Fülle von Mythologemen an keiner Stelle ein anderes Bezugssystem deutlich, als jenes, das auf die Eingottverehrung weist.428 Dies wird in Hi 23,13 sozusagen theoretisch untermauert. Es ergibt sich, dass das theologische Problem der Hiobdichtung letztlich mit einem sich entwickelnden Monotheismus zusammenhängt oder sogar von ihm herrührt: Beruht die Welt auf einem Prinzip, ergeben sich Probleme, das Leiden des Frommen zu erklären.429 Hiob wird entsprechend entgegengehalten, dass er Schuld auf sich geladen hat, bzw. als Mensch grundsätzlich nicht unschuldig ist. Gottes Macht über alles aber zwingt auch Hiob zu schweigen (V. 16.), was die Finsternis (V. 17) nicht zu bewirken vermag. M.E. hat man die beiden Verse so zu verbinden, dass die Finsternis für den bevorstehenden Tod steht.430 Dieser kann Hiob nicht zum Verstummen bringen, ebensowenig wie er es vermag, bei ihm Bestürzung hervorzurufen und ihm die Ent426 Zum grammatischen Verständnis vgl. Gesenius/Kautzsch, Grammatik (= GK), §119i, 396; zum Bezug Ebach, Hiob II, 35. Nach Strauß, Hiob, 80, handelt es sich bei der Stelle um eine deutliche Anspielung auf Dtn 6,4. Driver/Gray, Job, 203; Fohrer, Hiob, 363; Witte, Notizen, 75 (Lit.) u.a., konjizieren zu  , weil ein Verb fehle. Als Argument wird der zweiten Satz des ersten Kolon   angeführt. Hingewiesen wird auf Hi 9,12; 11,10; 31,14 (mit ) und Jes 43,13 (vgl. Witte, ebd.). Da sich aber mit Jes 14,27 (vgl. auch Jer 2,24) die Formulierung an einen Nominalsatz heften kann, ist die Konjektur nicht zwingend. Hinzu kommt, dass das präferierte   im Hiobbuch nie auf Gott hin vorkommt. Hätte es an dieser Stelle tatsächlich ursprünglich gestanden, würde sich ein ähnlicher Sinn ergeben. Eine Beziehung würde dann zum Deuteronomium ebenfalls bestehen. Vgl. aber Witte, Vom Leiden, 117, der     mit „aber er wünscht etwas“ übersetzt. 427 Zu den Problemen vgl. Ebach, Hiob II, 35. Aufgrund des schwierig zu beweisenden Bezuges zu Dtn 6 verzichtet Weiser, Hiob, 182, auf diese Annahme, kommt aber bei der Auslegung zum gleichen Ergebnis. 428 Vgl. unten, 216ff. 429 Vgl. Weiser, Hiob, 182.

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schlossenheit431 zu rauben. Während der Vergleich mit dem Tod, der Hiob nicht aufhalten kann, auf die Stellen zurückverweist, an denen der Todeswunsch und der nahe bevorstehende Tod des Leidenden der Gottheit entgegengehalten wurden, verweist die Aussage, dass Hiob von Gott selbst erschreckt wird (V. 15f) auf die Konzeption der Gottesreden voraus. Dort bekundet Hiob sein Schweigen angesichts der ihm entgegentretenden Gottheit (40,4f). Nicht der bevorstehende Tod vermochte Hiob zum Schweigen zu bringen. Dies vermochte nur die direkte Gottesbegegnung. Der Abschnitt endet mit Hiobs Entschlossenheit dem nahen Tod gegenüber und seiner Bestürzung über die Macht Gottes. Auch in Kap. 24 findet sich keine direkte Kommunikation, die auf einen Gesprächspartner bezogen ist. Hier wird häufig angenommen, dass Material vorliegt, das mit der ursprünglichen Hiobrede (diese sieht man z.T. nur in Kap. 23) nichts zu tun habe.432 Mit Kap. 24 betritt man den Bereich in der Hiobdichtung, der besonders stark mit literarkritischen Problemen behaftet ist.433 Das Problem von Kap. 24 wird in der Regel in einem Zusammenhang mit den Problemen des dritten Gesprächsganges überhaupt gesehen. Den sehr langen Reden Hiobs in Kap. 23f; 26–31 steht nur eine äußerst kurze Rede Bildads gegenüber. Eine dritte Rede Zophars fehlt ganz. Die Problemlösungen hängen in diesem Bereich in besonderer Weise davon ab, wie man sich die ursprüngliche Dichtung vorstellt. Die Annahme, dass es einmal einen vollständigen dritten Gesprächsgang gegeben hat, führt dann z.T. auf Hypothesen, die mit Textumstellungen rechnen.434 Nimmt man an, dass der dritte Gesprächsgang in der vorliegenden Form ursprünglich ist, kann man dies auch durch inhaltliche Kriterien bestätigt finden.435 An dieser Stelle kann nun nicht die Vorgeschichte des dritten Gesprächsganges rekonstruiert werden. Für die Frage nach der literarhistorischen Abschlussphase ist allerdings relevant, in welcher Entstehungsphase des Buches der eigentümliche dritte Ge  und  werden häufig metaphorisch für den Tod gebraucht. Vgl. die Auslegung bei Fohrer, Hiob, 367. 431 Da  in der Formulierung    Sitz der Gedanken ist, ist wohl eher an eine unaffektive Bedeutung wie „Entschlossenheit“ zu denken. 432 Vgl. z.B. Fohrer, Hiob, 370; Hesse, Hiob, 147; Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 427 (zusammenfassend); Ebach, Hiob II, 26–30, stellt einen eigenen Ansatz vor und diskutiert die Problematik ausführlich. Übersichten zu den Rekonstruktionsversuchen bezüglich des dritten Gesprächsgangs insgesamt bieten Pfeiffer, Introduction, 670–672; Witte, Vom Leiden, 239–249. 433 Die Probleme beginnen schon bei der Textgrundlage und Übersetzung. Vgl. die Vorbemerkung von Witte, Vom Leiden, 116. 434 Ein schönes Beispiel für den Zusammenhang von Prämisse und Hypothese ist Maag, Hiob, 144. Dort werden die Besonderheiten der äußeren Struktur des dritten Gesprächsganges sofort literarkritisch ausgewertet. Ganz am Anfang heißt es: „Danach [nach dem ersten Redegang] beginnt eine zweite, äußerlich gleich aufgebaute und dann eine dritte Runde. Diese letzte aber zeigt in ihrer heutigen Gestalt nicht mehr die Regelmäßigkeit der beiden ersten“ (Hervorhebung: R.H.). 430

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sprächsgang vorauszusetzen ist. In diesem Sinne ist im Folgenden die Arbeit von M. Witte zu diskutieren, der zuletzt bei der Gestalt des dritten Gesprächsgangs von starken redaktionellen Bearbeitungen und auch von weitgehenden Veränderungen am Bestand der Gottesreden bei der letzten Phase der Entstehung des Hiobbuches ausgegangen ist. Die Forschungslage und Problematik des dritten Gesprächsganges wird von M. Witte ausführlich dargestellt. Neben der Annahme, dass seine Eigentümlichkeit innerhalb der Dichtung intendiert ist,436 wird in der Literatur die Annahme vertreten, dass Teile des Textes durch Textverstellungen an einen anderen Platz gekommen seien. 437 Eine Fülle von redaktionsgeschichtlichen Modellen haben sich ebenfalls an die Probleme geheftet. 438 Witte stellt im Zusammenhang einer Gesamtsicht der Dichtung ein eigenständiges redaktionsgeschichtliches Modell auf. Er sieht drei Redaktionsschichten, die über den dritten Redegang hinausgehen. Es handelt sich s.E. um Zusammenhänge mit Aussagen zur Niedrigkeit, zur Majestät und zur Gerechtigkeit.439 Witte kommt zu dem Ergebnis, dass die Elihureden der Abfassung und redaktionellen Bearbeitung u.a. des dritten Redeganges bereits vorausgehen. Dafür spricht s.E., dass der Elihudichter die Texte der Redaktionen nicht voraussetzte; Überschneidungen seien durch eine Anlehnung der Redaktionsschichten in Hi 21–28 an die Elihureden zustande gekommen.440 Dem redaktionsgeschichtlichen Argumentationsgang kann hier nicht en détail nachgegangen werden. Die eigentliche Frage ist aber, ob das argumentum e silentio, dass der Elihudichter sich nicht auf die Bestandteile der Redaktionen beziehe, für die literarische Vorordnung der Einfügung der Elihureden vor die letzten literargeschichtlichen Stufen der Hiobdichtung ausreichend ist. An dieser Stelle hilft leider auch die Arbeit von H.M. Wahl nicht weiter, der sich bei seinen Analysen auf die Elihureden beschränkt, dort aber bei der Erörterung der literarischen Querbeziehungen, der in den Elihureden so maßgeblichen Zitationen und Anspielungen auf die Dialogdichtung, nicht über summarische Aussagen hinauskommt. 441 Er sieht allerdings anders als Witte in der Prosaeröffnung einen Zusammenhang mit der Situation des dritten Redeganges. S.E. muss die Dichtung bei der Abfassung der Elihureden relativ fertiggestellt gewesen sein.442 In 32,15f wirft Elihu „den Freunden vor, daß sie die Auseinandersetzung mit Hiob nicht zu einem ordentlichen Abschluß brachten“443. Sowohl in der Selbstvorstellung des Elihu wie auch in der Prosaeinleitung wird also auf die „Unvollständigkeit“ des dritten Redeganges Bezug genommen. Aussagen wie Hi 32,15f haben als explizite Verweise auf den Schluss des Dialoges einen höheren Rang als das Fehlen von inhaltlichen Bezügen zu bestimmten Abschnitten. Weiterhin lehnt sich die formale Struktur der Reden des Elihu an die Struktur der letzten Hiobrede(n) an.444 Der gegenüber der Dialogdichtung fehlende Rednerwechsel wird 435 So hat Reventlow, Tradition, bes. 288–291, aufgezeigt, dass der Aufbau von Hi 24–27 intendiert ist, was auch in der Folge bei der Abfassung und Einfügung der Elihureden so interpretiert wurde. Vgl. dazu unten, 445ff. 436 Vgl. zu dieser Position Witte, Vom Leiden, 7–25. 437 Vgl. Witte, Vom Leiden, 25–30. 438 Vgl. die Darstellung der divergierenden Ansätze bei Witte, Vom Leiden, 36–53. 439 Vgl. zusammenfassend Witte, Vom Leiden, 191f. 440 Vgl. Witte, Vom Leiden, 173f. 441 Siehe für diese „traditionsgeschichtliche Abhängigkeit“ Wahl, Schöpfer, 156–165. 442 Vgl. Wahl, Schöpfer, 39, 443 Wahl, Schöpfer, 51. 444 Vgl. oben, 31.

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dabei eigens in Hi 33,31–33 vor der Eröffnung der zweiten Elihurede mit dem gleichen Argument, das Elihu für sein Auftreten gegen die Freunde Hiobs anführt, explizit reflektiert. Gegen die Abfolge der Redaktionen, die Witte anführt, ist sodann einzuwenden, dass die Elihureden sowieso nicht das gesamte Material rezipieren, so dass das argumentum e silentio auch deswegen nicht sehr weit trägt. Inhaltlich dürfte die Abfassung der Elihureden eher auf dem Faktum beruhen, dass man Hiob nicht das letzte Wort lassen wollte. Witte weist zwar darauf hin, dass die Elihureden ähnlich argumentieren wie die vorangehenden Redaktionsschichten: „Andererseits wäre die Kritik des Elihudichters unverständlich, wenn er bereits auf die seiner eigenen Theologie anspielenden Abschnitte der Niedrigkeitsund der Gerechtigkeitstredaktion hätte zurückblicken können.“445 Hier fragt man sich freilich umgekehrt, wieso die Redaktionsschichten dann eingefügt worden sein sollen, wenn es zuvor in Hi 32ff bereits eine ausführliche Klärung der Probleme gab. Andererseits ist die Dichtung von Redundanzen geprägt. Hiob rezipiert Positionen der Freunde. Seine Positionen werden neben die traditionellen weisheitlichen Konzepte der Freunde gestellt, um diese zu relativieren – all das aber mit der Konsequenz, dass die Freunde mit dem Vorschlag, Hiob solle seine Schuld anerkennen, keinen Erfolg haben. Dies ruft Elihu auf den Plan, der sich ebenso argumentativ gegen Hiob versucht. Damit wird deutlich, dass die Abfassung der Elihureden und ihre Einfügung in das Hiobbuch erst in der letzten Phase der Literargeschichte des Hiobbuches erfolgt sein kann und ihr der dritte Redegang bereits in seiner jetzigen Gestalt vorgelegen haben muss. Zwar ist es wahrscheinlich, dass der dritte Gesprächsgang eine längere Literargeschichte hat, doch bezeugt u.a. die Abschlussnotiz    , dass der Dialogteil mit dem gewichtigen Schlusswort Hiobs (Hi 29–31) bei der Einfügung der Elihureden vorgelegen hat. Die Notiz wurde inhaltlich in die Prosaeröffnung der Elihureden 32,1–5 integriert, selbst aber nicht mehr verändert.446 Die strukturbildenden Veränderungen im dritten Gesprächsgang dürften auf eine Phase der Vorgeschichte des Hiobbuches zurückzuführen sein, in der der Zusammenhang zwischen Dialog und Gottesreden noch nicht in der im kanonischen Buch vorliegenden Form bestanden hat, in der aber vielleicht auch die Konfrontation zwischen Hiob und den Freunden noch nicht in gleicher Weise stilisiert war, wie in der jetzt vorliegenden Dichtung. Die inhaltliche Analyse hat es auf der anderen Seite wahrscheinlich gemacht, dass in der Dichtung überhaupt und besonders im dritten Gesprächsgang sehr viel Material verarbeitet worden ist. Der besondere Charakter des dritten Gesprächsgangs könnte auf diese Literaturverarbeitung zurückzuführen sein. Dieser Literargeschichte kann in dieser Untersuchung nicht weiter nachgegangen werden. Es geht hier nur um die inhaltliche Konzeption der literarischen Form der Dichtung, wie sie bei der Abfassung und Einfügung der Elihureden vorgelegen hat. Deshalb werden im Fortgang der Diskussion des dritten Gesprächsganges die Konnexionen der Aussagen mit vorangehenden Äußerungen Hiobs und der Freunde im Auge behalten. Dabei geht es auch wie schon in den ersten beiden Redegängen darum, ob und wie sich die unter der Überschrift      (Hi 23,1) stehenden Verse in den Dialog einfügen.447 Ob eventuelle Diskrepanzen – wie mehrfach festgestellt – auf die Verarbeitung von Quellenmaterial 445

Witte, Vom Leiden, 174. Vgl. unten, 445ff. 447 Im Folgenden ist u.a. zu prüfen, ob Kap. 24 im Munde Hiobs überhaupt vorstellbar ist, oder man Hiob das ganze Kapitel absprechen muss und es einer Zopharrede zuzuweisen hat. So Habel, Job, 358. Habel weist auf die Affinität zu anderen Zopharreden hin und vermutet, dass die entsprechende Überschrift getilgt worden sei. Auch wird vermutet, 446

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oder aufgrund einer literarischen Überarbeitung des Gesprächsganges zurückzuführen sind, kann in dieser Arbeit nicht geklärt werden und muss einer späteren Beschäftigung vorbehalten bleiben.

Kapitel 24 wird eröffnet mit zwei Fragen, die auf die Akzeptanz der Aussage zielen, dass Gottes Handeln nicht einsehbar ist: 448 „Warum sind vom Allmächtigen nicht Zeiten beschlossen449 worden, und die ihn kennen,450 sehen seine Tage nicht?“ Auch wenn in den Fragen Gott nicht angesprochen wird, beziehen sie sich doch auf ihn. Die Form der Frage „warum [...] nicht?“ impliziert eine Anklage Gottes. Wenn 24,1 eine Anklage Gottes darstellt, kann kein Zweifel bestehen, dass hier Hiob als Sprecher vorgestellt ist. Wenn dem so ist, dürfte 24,1b einen Verweis auf die Gottesbeziehung Hiobs darstellen. Interessanterweise stellt das Ketiv  451 „und der ihn Kennende“ möglicherweise eine frühe Interpretation in diesem Sinne dar, indem der das Syntagma durchbrechende Sg. direkt auf Hiob bezogen wurde.452 Blickt man zunächst von hier aus auf das Ende des Kapitels, so zeigt sich in Hi 24,25 eine Abschlussnotiz, die sich auf die vorangehende Rede bezieht. Die Frage  , mit der der Sprecher einen Angriff zurückweist, zeigt, dass auch hier nur Hiob als Einzelner im Gegenüber anderer, die ihn angreifen, vorgestellt sein kann. Damit lässt sich der äußere Rahmen des Kapitels, das zwar wie auch Kap. 23 keine direkte Anrede der Freunde oder Gottes enthält, sicher auf Hiob beziehen. Das Kapitel enthält in Hi 24,2–4 zunächst eine weitere Darstellung des Handelns der Frevler, die hier freilich nicht explizit genannt werden. Spätesdass womöglich die intendierte Abfolge der Äußerungen nicht mehr erhalten sei, was zu den Problemen geführt habe. Vgl. Gordis, Job, 374. 448 Nach Weiser, Hiob, 183, stellt sich Hiob damit nicht nur gegen Eliphas, sondern auch gegen eine in atl. Texten verbreitete Überzeugung. „Und nur weil Hiob selbst die innere Berechtigung dieses Glaubens anerkennt und selbst von dem Wunsch beseelt ist, Gottes gerechtes Walten erfahren zu können, darum kann er dieses quälende ‚Warum‘ sagen, das als Vorzeichen vor der Klammer den Sinn aller folgenden Feststellungen im Zusammenhang der Theodizeefrage bestimmt“ (ebd.). 449 In Hi 10,13 kommt das Verb  in ähnlichem Sinn vor wie in Hi 24,1. Die Bedeutung des Verbs in jenem Vers ist nicht „verbergen“, sondern „beschließen“. Dies ergibt sich aus 10,13b     . Fohrer schlägt für  „aufbewahren“ vor und bleibt damit bei der Metaphorik des Verbs. 450 Dem Qere, das den Plural „die ihn Kennenden“ liest, muss hier aufgrund des pluralischen Prädikats  gefolgt werden. 451 Der Apparat der BHS schlägt außerdem waw-Perf. 3. Pl. vor (  ), doch führt das zu zwei elliptischen Formulierungen in dem Halbvers, so dass dies auszuschließen ist. Schwierig sind auch die Formulierungen mit Ptz. Pl. mit Suff. 1. Sg. (vgl. de Rossi, Lectiones IV, 119), die den Sinn umkehren. Vgl. dazu weiter Witte, Notizen, 82. 452 Vgl. Anm. 450. Pope, Job, 175, gibt   mit „and his friends“ wieder.

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tens in V. 3 (mit der Erwähnung von Waise und Witwe) wird endgültig klar, worum es geht. Der direkte Anschluss an die vorangestellten Fragen lässt m.E. nur die Interpretation zu, dass Gottes Handeln in Bezug auf das verwerfliche Handeln der Frevler zeitlich nicht nachvollziehbar (24,1a) und nicht erkennbar (24,1b) ist.453 Damit befindet sich der Anfang von Kap. 24 in engem Zusammenhang mit Hi 21,17, wo von Hiob das Fehlen von Bestrafung nach Vergehen beklagt wurde. Mit den V. 5–12 schließt sich assoziativ an die Erwähnung der Bedrückung der Armen im V. 4 geheftet ein Abschnitt an, der das Elend der Armen beschreibt, die gezwungen sind, nachts zu arbeiten und im Weinberg des Frevlers Nachlese zu halten (V. 6). Der Passus steht durchaus im Zusammenhang von Hi 24,1, dass Gottes Handeln nicht einsehbar ist.454 Man kann den umstrittenen455 Schlussvers V. 12 in dem Sinne interpretieren, dass Gott den Schrei der zugrunde Gehenden nicht vernimmt (V. 12).456 Der zweite Halbvers       „Aber457 Gott achtet458 nicht auf Verkehrtheit“ dürfte sich auf die fehlende Reaktion Gottes beziehen. Es wird vorgeschlagen, die von zwei masoretischen Hss und der Peschitta bezeugte Lesart   ! 2+ „Gebet“ als ursprünglich anzusehen.459 Doch ist dies aufgrund der schlechten Bezeugung nicht wahrscheinlich. Allerdings weist die Vokalisation der beiden Hss und die Interpretation der Peschitta noch in eine andere Richtung. Denn das seltene Nomen   + ! wird auch im Rahmen in Hi 1,22 gebraucht, um auf das Nomen   ! 2+ „Gebet“ anzuspielen.460 Im vorliegenden Kontext könnte dies in ähnlicher Weise der Fall sein: Hier wird explizit davon gesprochen, dass Gott die Verkehrtheit nicht wahrnimmt.461 Implizit wird durch die Anspielung auf das Nomen   ! 2+ aber eine Interpretation der Schreie der Klagenden als Gebet eröffnet, was auch eine Verbindung zu dem Verständnis der Hiobreden als Ausdruck der Klage andeutet. 453

Vgl. Fohrer, Hiob, 371. Darin werden die V. 5–8 oft als redaktioneller Abschnitt ausgeschieden, da sie sich auf das Elend der Steppenbewohner beziehen. Vgl. z.B. Loretz, Probleme, 265. Es stellt sich aber die Frage, warum es nicht möglich sein soll, dass hier das Elend unterschiedlicher Personengruppen thematisiert wird. Außerdem schließt sich V. 5 gut an V. 4 an. Denn V. 4 erklärt, wie jene, deren Elend in V. 5ff thematisiert wird, in diese Situation gekommen sind. 455 Vgl. nur Fohrer, Hiob, 373. 456 Vgl. Weiser, Hiob, 184. 457 Die adversative Bedeutung des waw legt sich aufgrund des Gegenübers des Leidens und Gottes Nichthandelns nahe. 458 HAL, 1234, schlägt „achten auf“ vor, doch erwartet man nach  dann  . 459 Vgl. Fohrer, Hiob, 373, 460 Dort ist ein Euphemismus intendiert. Vgl. unten, 256. 461 Ebach, Hiob II, 37. 454

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In V. 13–17 wird nun der Blick wiederum auf die Frevler und allgemein auf Frevel und Gewalttat gerichtet. Dieser Abschnitt betont verschiedene Arten von Leid. Ein konkreter Bezug zu den Leiden Hiobs scheint nicht vorzuliegen. Es gibt formal und inhaltlich einige Diskrepanzen zum vorangehenden Abschnitt.462 V. 12 markiert einen Abschluss des Abschnittes. Doch es gibt beim folgenden Vers bei dem Personalpronomen  Probleme. Dieses kann sich nicht auf den vorangehenden Text zurückbeziehen, weshalb V. 13 den Eindruck einer Zäsur macht.463  bezieht sich also ähnlich wie in 24,2ff ohne sie direkt zu nennen auf die Frevler. Wahrscheinlich hat das Personalpronomen hier die Funktion der Ferndeixis „jene“, um auf die am Anfang des Kapitels thematisierten Frevler zu verweisen.464 Dass nun Mörder und Diebe im Blick sind, während der Text sich vorher mit sozialem Frevel beschäftigte, stellt kein Problem dar: Sozialer Frevel und die zuletzt genannten Verbrechen sind zu allen Zeiten gleichzeitig anzutreffende Phänomene.465 Die formale Besonderheit des Abschnittes mit der Fülle an Trikola 466 dokumentiert einen vom Kontext verschiedenen Stil, was für die Verarbeitung einer Quelle spricht.467 Zu verweisen ist hier auch auf den Versuch von G. Fuchs, den Abschnitt aus der Verarbeitung eines Mythos zu verstehen.468 In V. 18 scheint ein neuer Abschnitt (V. 18–21) zu beginnen, in dem, wenn man die Formulierungen als Jussive interpretiert,469 Erwartungen geäußert werden.470 Damit werden den beiden unterschiedlichen Abschnitten 462 Vgl. Gordis, Job, 366. Witte, Vom Leiden, 124, weist auf die formalen Besonderheiten des Abschnittes hin. 463 Nach Witte, Vom Leiden, 124 (Lit.), stellt V. 13 eine Art Zwischenüberschrift dar. 464 Vgl. Grenzer, Armenthematik, 253. 465 Gegen Witte, Vom Leiden, 124. 466 Vgl. Witte, Vom Leiden, 124. 467 Westermann, Aufbau, 129, sieht eine Verwandtschaft zu den Sprüchen. Ebach, Hiob II, 37, verweist auf Hos 4,1–3 und sieht eine Art „negativen Dekalog“. 468 Vgl. Fuchs, Mythos, 129ff. Wenn auch mit Witte, Vom Leiden, 125, die literarkritische Abgrenzung des Mythos vom Aufstand der Sterne schwierig nachvollziehbar ist, so ist der traditionsgeschichtliche Hintergrund dennoch möglich. Überlieferungskritisch betrachtet könnte in Bildads Antwort Hi 25,5b eine kontextuelle Bestätigung der These von G. Fuchs vorliegen. 469 Versteht man 24,18a¹ als Verfluchung „Verflucht möge ihr Acker im Land sein.“, kann man den schwierigen vorangehenden Satz 24,18a¸ hinzunehmen und einen Merismus im Sinne von „Verflucht möge er sein, wo auch immer er ist, auf dem Wasser oder auf dem Lande“ annehmen. 470 Vgl. Weiser, Hiob, 179. Grenzer, Armenthematik, 262–274, sieht in den V. 18–24 das baldige Ende der Armen thematisiert. Dagegen spricht aber schon die Eröffnung bei der Thematik von Acker und Weinberg. Die Verfluchung des Erdbodens spricht nicht für Besitzlosigkeit. In 19b erscheint die Wurzel  . In V. 21 geht es darum, dass die Unfruchtbare und die Witwe nicht gut behandelt werden. V. 22 spricht von den  , die

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über die Frevler nun konkrete Erwartungen an die Seite gestellt. Hier findet sich eine deutliche Diskrepanz zur Eröffnung von Kap. 24.471 War noch in Hi 24,1 Gott das Zögern in der Reaktion auf das Handeln der Gottlosen vorgehalten worden, so wird nun das bevorstehende Ende der Frevler erhofft. Der Zusammenhang wechselt danach aber vom Jussiv in Aussagen, die klar die Zuversicht ausdrücken, dass Gott letztlich doch eingreifen werde, dass es den Frevlern nur (noch) eine kurze Weile wohl ergehen wird (      „Sie sind erhöht; wenig und sie werden nicht mehr sein.“ 24a¸). Damit hat in der Hiobrede Hi 23f das Kap. 24 einen hymnusartigen Schluss, in dem der Sprecher ein gerechtes Handeln Gottes am Frevler (siehe Hi 24,22–24) preist.472 Hierbei könnte es sich wiederum um Inhalte handeln, die aus einer anderen Quelle hier eingetragen sind. Innerhalb von Kap. 24 lässt sich nach den negativen Aussagen der vorangehenden Abschnitte ähnlich, wie bei dem Schlussabschnitt der sechsten Hiobrede (Hi 19,25), die gleiche verzweifelte aber dennoch bestehende Hoffnung des Klagenden auf die Gottheit erkennen.473 Es ist also durchaus möglich, dass das Kapitel aus unterschiedlich gearteten Quellenstücken als Hiobrede komponiert worden ist. Wie oben festgestellt, bezieht sich der Schlussvers Hi 24,25 auf den Anfang von Kap. 24 zurück und unterstreicht so die Geltung des gesamten Kapitels. Wer in dem Kapitel literarkritische Spannungen aufgrund von Hi 24,19–24 insbesondere wegen der V. 22–24 sieht, der lässt außer acht, dass es in dem Kapitel nicht darum geht, Gottes gerechtes Handeln generell in Frage zu stellen. Stattdessen steht in 24,1 über dem Ganzen, dass Gottes Handeln zeitlich nicht determiniert und auch nicht nachvollziehbar ist. Beachtet man dies, erscheint der hymnusartige Abschnitt, der hier aus einer Quelle zitiert wird, als Kontrast zu den Abschnitten, die das Handeln der Frevler darstellten. Hiob bekennt damit zwar die Gerechtigkeit und Treue seines Gottes, beklagt aber im gesamten Kapitel dennoch, dass diese nicht erkennbar ist. heimgesucht werden. Daher wird man weiterhin nicht daran vorbei können, in dem Abschnitt das Todesgeschick der Frevler dargestellt zu sehen, das sich also logisch an V. 17 anschließt. Dass dies zu erwarten ist, stellt auch Grenzer, Armenthematik, 262, fest. 471 Zu den Diskrepanzen vgl. Witte, Vom Leiden, 126. 472 Die Verse sind schwer verständlich. Vgl. das Urteil von Baumgärtel, Hiobdialog, 142, der aufgrund dessen den Zusammenhang mit den V. 13–17 nicht weiter behandelt. Westermann, Aufbau, 129, sieht in der Thematisierung des Endes der Frevler einen Passus, der an das Ende einer Freundesrede gehören könnte. Ähnlich Loretz, Probleme, 266. 473 Weiser, Hiob, 185, weist darauf hin, dass sich die Freunde und Hiob in ihrer Beurteilung des Frevlers nicht unterscheiden.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 23f

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Die achte Hiobrede ist von einer vollständig fehlenden direkten Anrede geprägt. Weder beginnt die Rede mit einer polemischen Zurückweisung der vorangehenden Freundesrede, noch wird das Gegenüber der Freunde angesprochen. Die Rede unterscheidet sich auch darin von anderen Hiobreden, dass es nicht zu einer direkten Anrede Gottes kommt. Ein inhaltlicher Bezug auf vorangehende Reden Hiobs besteht durch die Eröffnung mit      . Die Charakterisierung der Klage mit dem Nomen  könnte u.U. auf die radikale Kritik der Freunde zu beziehen sein. In    scheint dabei allerdings eine andere Zeitstruktur durch. Stammt die Rede oder das Material des Dialogteils womöglich aus einer anders gearteten (literarischen) Präsentation?474 Trotz des Fehlens einer Anrede Gottes ist die Rede durchgängig auf Gott bezogen, was eine Affinität zu Kap. 3 zeigt. Kap. 23 zielt dabei auf den Gedanken, dass Hiob ausschließlich durch die Begegnung mit der Gottheit zum Schweigen gebracht werden könnte, während Kap. 24 das zeitlich unbestimmte und überhaupt vom Frommen nicht nachvollziehbare Handeln Gottes, das sich im Tun der Frevler zeigt, mit dem Bekenntnis zu Gottes Sorge für die Gerechtigkeit kontrastiert. So schließt die Rede in der Erwartung eines Handelns Gottes, was die Rede zugleich zu einer Anklage macht. p) Hi 25 – Bildads dritte Rede Bildads Rede wird ohne Anrede und ohne andere Bezugnahme zu einer vorangehenden Hiobrede eröffnet. Dass in Hi 25,2a das Suffix 3. Sg. mask. ( 

) scheinbar ins Leere verweist, stellt allerdings kein Kohärenzproblem dar. Denn aufgrund der Formulierung des ganzen Verses ergibt sich klar, dass es auf Gott bezogen ist. In dem indirekten Bezug der Eröffnungsaussage könnte sich ein Bezug zur vorangehenden Rede zeigen. Denn auch dort fehlt in 24,22–24 der direkte Bezug auf die Gottheit, und es liegen dennoch Bezüge auf ihn in der 3. Sg. mask. vor. Die Eröffnung der Bildadrede hat einen bekenntnisartigen Charakter, indem Gottes Herrschaft und Schrecken auf der einen und „sein Frieden schaffendes Tun in seinen Höhen“475 auf der anderen Seite festgestellt wer474 Braulik, Deuteronomium, 66ff, vermutet eine Rezeption von Deuteronomium und Dekalog. Die Hinweise auf den Quellencharakter des Textes machen aber mindestens eine Zwischenstufe wahrscheinlich. In dieser Arbeit kann den Hinweisen auf eine weiter zurück führende Literargeschichte nicht nachgegangen werden. 475 Im Hintergrund stehen nach Weiser, Hiob, 187, depotenzierte polytheistische Vorstellungen. Vgl. dazu weiter Fuchs, Mythos, 133ff. Interessanterweise zeigt sich dies noch in der Auslegungsgeschichte, die hier die Angelologie einträgt: GenR 12,8 identifiziert  mit Gabriel,

 mit Michael. Vgl. Masechet Derek Erez Suta, Haschalom 7; Steg, Text TgJob, 170* (Version 2 z.St.). Vgl. Mangan, TgJob, 62. Der Text hat im Judentum eine repräsentable Rezeptionsgeschichte in der Abschlussbitte des Kaddisch erfahren. In

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den. Hierin und auch in der nachfolgenden Äußerung       (Hi 25,3) dürfte sich eine Beziehung zu der Thematisierung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in der vorangehenden Hiobrede andeuten, die zwischen Hoffnung, Zuversicht und Beklagung oszillierte.476 Danach folgt in den V. 4–6 noch einmal eine Thematisierung des Perspektivproblems der Gerechtigkeit, wonach das, was in Relation der Menschen zueinander gerecht ist, vor Gott nicht als gerecht gilt. Dies wird mit dem Lob Gottes in den V. 3f verbunden.477 An die Stelle dieses Erklärungsmodells trat nach dem ersten Gesprächsgang die direkte Beschuldigung Hiobs durch die Freunde. Die Quintessenz lautet nun hier wiederum, dass vor Gott ein Mensch nicht gerecht und rein sein kann (25,4). Die Zuspitzung am Ende auf die Niedrigkeit des Menschen könnte auf Hiobs Anspruch, kein Gebot übertreten zu haben (23,12, vgl. 23,7), abzielen. Das Perspektivproblem wird am Ende der Freundesreden wahrscheinlich aufgegriffen, um so Hiobs Vorwurf, dass der Zusammenhang von Frevel und Bestrafung nicht erkennbar sei, zu entkräften. Es ergibt sich über Hi 23f hinaus eine inhaltliche Nähe vor allem zum ersten Gesprächsgang, wo diese Thematik intensiv diskutiert wurde. Eine auch vom Aufbau her erkennbare Nähe zu der Eliphas widerfahrenen Offenbarung (Hi 4,17ff)478 und ihrer Entfaltung unterstreicht den Zusammenhang mit der Perspektivproblematik der Gerechtigkeit und deren Bedeutung in der Hiobdichtung überhaupt.479 q) Hi 26 – Hiobs neunte Rede Die Rede wird mit einer vehementen Zurückweisung der vorangehenden Rede eröffnet (26,2–4), die in der 2. Sg. mask. stilisiert ist. Überblickt man die Zurückweisungen der anderen Hiobreden, stellt die Eröffnung in Hi 26,2 ein Novum dar; denn hier wird dem Gegenüber von vornherein vorgeworfen, er lasse es dem, der keine Kraft hat, an Unterstützung/Hilfe und Rettung mangeln. Das zielt auf der einen Seite auf den Hintergrund der Hiobklagen, die vom Leidenden ausgehen, auf der anderen Seite führt es inder scheinbaren Doppelung der Friedensbitte spielt der aufgerufene Kontext von Hi 25,2 eine entscheidende Rolle. Dieser erklärt auch, dass gerade die Friedensbitte über das Trauerkaddisch zum Allgemeingut wurde. (Zur Friedensbitte im Kaddisch vgl. Elbogen, Gottesdienst, 94f). 476 Vgl. Weiser, Hiob, 187. Anders Course, Speech, 129, der keine Konnexion zwischen Hi 25 und dem vorangehenden Text sieht. 477 Vgl. Witte, Vom Leiden, 60. 478 Vgl. Horst, Hiob, 78. 479 Darauf, dass Hi 4,17 eine besondere Bedeutung in der Dichtung hat, weist auch Köhlmoos, Auge Gottes, 357, hin.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 26

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haltlich zurück zu dem Vorwurf des fehlenden Erbarmens.480 Zentraler Text ist in dieser Hinsicht Hi 16,2–5, wo Hiob den Freunden vorhielt, dass er an ihrer Stelle mit Trost und Stärkung reagieren würde. In Hi 26,3 findet sich der Vorwurf, das Gegenüber lasse es auch an Rat ( ) und Belehrung (  [Hif.]) fehlen. Inhaltlich zeigt sich damit trotz der Anrede in der 2. Sg. an dieser Stelle, dass die Freundesreden insgesamt im Blick sind. Die polemische Eröffnung der Rede zielt in 26,4 auf die Frage           „Wessen Worte481 sagst du, und wessen Geist geht von dir aus?“ ab. Diese Fragen sind eher auf die in der vorangehenden kurzen Rede ein letztes Mal thematisierte Perspektivität der Gerechtigkeit durch Bildad zu beziehen. Ebenfalls im Blick könnte die Zurückweisung von Hiobs Argumentation in Kap. 24 durch Bildad in Hi 25,2f sein,482 mit dem eine Beziehung zur vorangehenden Hiobrede hergestellt wurde. 483 Die Polemik und die – pauschale – Zurückweisung des Vorredners zeigt, dass wir uns mit Kap. 26 noch innerhalb der inhaltlichen Struktur des Dialogteils befinden. Dem formalen und inhaltlichen Charakter des Dialogschlusses ist folgende Zwischenbemerkung gewidmet: In 27,1 findet sich eine neue Überschrift, die einen neuen Redeabschnitt Hiobs eröffnet.484 Die Zwischenüberschrift       in Hi 27,1 und 29,1 untergliedert den bis Hi 31,40 reichenden monologischen Abschnitt in drei Einzelabschnitte. Beachtet man die Ausrichtung der Hiobreden, dann sind Kap. 26f aufgrund des in ihnen noch enthaltenen Bezuges auf die Freunde als Abschluss des Dialogteils aufzufassen. Das Lied der Weisheit (Kap. 28) ist nicht mit einer eigenen Überschrift versehen und gehört daher formal mit Hi 27 zusammen. Seine abgeschlossene Form und sein besonderer Inhalt sollen wohl den Abschluss des Dialogs markieren.485 Wenn man die Überschriften in Hi 26–29 der formalen Struktur der vorangehenden Dichtung zuordnet, stellt das vorliegende Kapitel die Reaktion auf die Bildadrede dar. Die Zwischenüberschrift in 27,1 ist die formale Antwort auf das Fehlen der letzten Zopharrede. Die Hiobrede Hi 27f markiert dennoch die letzte Antwort Hiobs. Die Kap. 29–31, die unter einer neuen Überschrift stehen, bilden einen eigenen Abschnitt, der der Herausforderung Gottes und der Überleitung zu den Gottesreden dient.

480 Eröffnung und Schluss von Kap. 26 zeigen eindeutig, dass es sich konzeptionell um eine Hiobrede handelt. Newsom, Job, 517, trennt 26,6–14 ab und weist diese Verse der Bildadrede zu. 481 Vom zweiten Kolon her wird deutlich, dass der Sprecher sozusagen als Mittler gedacht ist. Bei   handelt es sich daher nicht um die Präposition , sondern die Nota accusativi. Eigentlich müsste man den doppelten Akkusativ mit „Wen nennst du mit Worten?“ wiedergeben, denn   und   stehen appositionell zueinander. 482 Vgl. oben, 144. 483 Anders Course, Speech, 129. 484 Vgl. zur formalen Struktur der Hiobreden oben, 31ff. 485 Zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt das eindeutig von der Verarbeitung einer Quelle geprägte Kapitel in die Dichtung eingefügt worden ist, siehe unten, 151ff.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Bei Hi 26,5–14 handelt es sich um einen Hymnus über das Schöpferhandeln Gottes. Der Abschnitt preist mit mythischen Bildern die Schöpfermacht Gottes. Dadurch scheint er mit den Gottesreden zu konkurrieren (die Vernichtung von   und    nimmt Inhalte der zweiten Gottesrede vorweg). Dies hat zu der Überlegung geführt, dass er an dieser Stelle nachträglich eingefügt worden sei oder eigentlich an eine andere Stelle im Buch gehöre.486 Der Abschnitt im vorliegenden Kontext zeigt allerdings auch, dass die Schöpfungsvorstellung der Gottesreden eine etablierte Form der Theologie war. So verwundert es nicht, dass ein mit den Gottesreden verwandter Passus in Hi 26,5ff Hiob zugeschrieben werden konnte. Der meist dem Hymnus zugerechnete V. 14 bietet einen Ansatz, die kontextuelle Stellung des Hymnus zu erklären. V. 14 selbst gehört wahrscheinlich nicht mehr zum Bestand des Hymnus. Denn mit der Formulierung 26,14a¸ (487      ) wird auf die mythologischen Aussagen des Hymnus zurückverwiesen. Die Verbform , aber auch die Eröffnung mit der Interjektion  zeigen, dass der Stil der vorangehenden Verse verlassen ist. Üblicherweise interpretiert man  als 1. Pl.488, was aber ebenso dem Stil des Hymnus widerspricht. Sieht man dagegen Perfekt 3. Sg. mask. (Nif.), ergibt sich folgender Zusammenhang mit dem Fortgang von V. 14: „Siehe dies sind die Enden seiner Wege, und was für ein Flüstern darin ist vernommen worden, aber489 den Donner seiner Machttaten, wer kann (ihn) verstehen?“ Während   auf der Metaebene, also quasi kommentierend, die Inhalte des Hymnus substituiert, weist 26,14a¹ (      ) inhaltlich darauf, dass damit nur ein „leiser Hauch“490 von Gottes Handeln vernommen worden ist, wobei sich das Perfekt (Nif.) von  auf die Äußerung des Hymnus zurückbezieht.491 Hi 26,14b bildet mit dem vorangehenden Satz einen Zusammenhang, indem das wenige Geäußerte dem „Donner seiner 486

Vgl. Fohrer, Hiob, 387; Newsom, Job, 517. Hesse, Hiob, 151, hält den Hymnus in Hiobs Munde für „schwer vorstellbar, zumal er durchweg positiv über Gottes Walten spricht.“ Zur Argumentation und der theologischen Konzeption vgl. Groß, Allmacht. – An dieser Stelle ist zu beachten, dass auch in den Elihureden eine Reihe von Inhalten aus den Gottesreden vorweggenommen werden. Was dort zwar im Zusammenhang einer Fülle weiterer Argumente beweist, dass die Elihureden sekundär vor die Gottesreden geschoben sind, zeigt auch, dass die Inhalte der Gottesreden nicht diesen allein vorbehalten waren. 487 Gegenüber Sg.  (Ketiv) weist das Qere  auf Pl. 488 So LXX, Vulgata, Targumim. 489 Das waw ist hier adversativ zu verstehen, da die Halbverse sich inhaltlich entgegenstehen. 490 Vgl. zur Semantik von  HAL, 1460. 491 Zur gleichen Interpretation gelangt man, wenn man 1. Pl. annimmt. Dagegen spricht aber, dass in Hi 26f die 1. Pl. nirgends verwendet wird.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 26

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Machttaten“ (Qere), das nicht eingesehen ( ) werden kann,492 gegenübergestellt wird. Bei V. 14 handelt es sich daher um eine Interpretation des Hymnus aus der Perspektive Hiobs.493 Damit befindet der Vers sich im Zusammenhang mit Hiobs Vorwurf, dass der Mensch Gottes Handeln letztlich nicht durchschauen könne und es daher aus der Perspektive des Menschen willkürlich ist. Dass dennoch das hymnische Lob des Schöpfungshandelns die Rede abschließt, zeigt, dass sich Hiob nicht grundsätzlich gegen die Gottheit und gegen die etablierte Theologie stellt. Wohl aber stellt er ihr seine Defiziterfahrung entgegen, dass der Mensch nur ein Flüstern davon erfahren kann. Dies liegt auf einer Linie mit der Ambivalenz in den Hiobreden, wo sich neben dem Vorwurf gegen Gott auch die Hoffnung auf ihn und sein Handeln richtete. Hi 26,14b, die Fortsetzung des Vorwurfes, dass man Gottes Handeln nicht verstehen kann, stellt eine rhetorische Frage dar:494        „und den Donner seiner Machttaten – wer kann (ihn) verstehen?“ Interessanterweise zielt diese aber auf die Gottesreden. Am Schluss von Hi 26,14b stellt die Formulierung entsprechend einen Hinweis auf die direkte Kommunikaiton zwischen Hiob und Gott im Wettersturm dar.495 r) Hi 27 – Hiobs zehnte Rede Die Rede beginnt nach der Zwischenüberschrift496 mit einem Schwur (27,2–4). Eröffnet wird er mit     . Die traditionelle Schwurformel wird mit dem Satz   ergänzt („So wahr Gott lebt, der [mir] mein Recht vorenthält.“497). Hier zeigt sich in der Kombination dieser beiden Aussagen   und   etwas, das schon in Hi 19,22.25 miteinander verbunden war, nämlich der Vorwurf gegen die Gottheit und das Festhalten an der Hoffnung auf sie, was letztlich die Hiobreden im dritten Gesprächsgang durchgängig prägte. Der Schwur zielt auf Hi 27,4 wo dezidiert die Richtigkeit und Aufrichtigkeit der Reden Hiobs bekräftigt wird. Bei    handelt es sich um eine rhetorische Frage. Ähnlich Weiser, Hiob, 193: „Es ist nicht mehr das unmittelbare Erfaßtsein von der göttlichen Gegenwartswirklichkeit, wenn er plötzlich innehält und reflektiert ...“, und Alden, Job, 261: „Job concludes this poem with the astute observation that all these celestial and terrestrial manifestations of divine power ‚are but the outskirts of his ways‘.“ Hier zeigt sich, dass die Zuweisung von 26,5–15 zu einer Freundesrede nicht notwendig ist. Gegen Newsom, Job, 517. Groß, Allmacht, 82, hält den Hymnus für ursprünglich zum Kontext gehörend und sieht V. 14 als Abschlussvers an. 494 Vgl. Strauß, Hiob, 111, der den Vers aber dennoch dem Hymnus zurechnet; vgl. Gradl, Ijob, 236; Fohrer, Hiob, 383. 495 Vgl. Hi 12,4a¹; 13,16 u.ö. 496 Vgl. dazu oben, 31ff und 145. 497   (Hif.) „weichen lassen, entfernen, berauben“. 492 493

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

          erinnert an die Schlussformulierungen auf der Erzählebene am Ende der beiden Prologkapitel (Hi 1,22; 2,10b), in denen Hiobs Festhalten an der Gottesbeziehung jeweils abschließend gewürdigt wurde. In 27,5 wird diese Aussage mit dem Anliegen der Freundesreden, Hiob zum Eingeständnis seiner Schuld (V. 5b:     ) zu bewegen, verbunden. Mit    wird ein zweiter Schwurzusammenhang eröffnet, der aber jetzt eine bedingte Selbstverfluchung gegen den Sprecher richtet. V. 5 ist nun aber durch Suff. 2. Pl. mask. direkt auf die Reden der Freunde bezogen (   ). Die Aussage ist durch  „bis ich sterbe“ auf den bevorstehenden Tod des Klagenden bezogen. Keinesfalls werde Hiob also den Gesprächspartnern Recht geben und von seiner Position abgehen. Diese wird in V. 6 noch einmal angeführt. Vielmehr werde Hiob festhalten an seiner Gerechtigkeit498 und müsse sich nichts vorwerfen (V. 6b). Im Folgenden finden sich in den V. 7–10 und 13–23 zwei Abschnitte, die oft als aus einer Quelle stammendes Material angesehen werden.499 M.E. ist bei der Beurteilung dieser Abschnitte aber unbedingt die auf die gegnerische Partei bezogene Einführung, die sich auch noch einmal in den V. 11f wiederholt, zu beachten. Der erste Abschnitt (V. 7–10) stellt eine Verwünschung von Hiobs Gegner dar.500 Auffällig ist natürlich, dass dieser hier im Singular in den Blick genommen wird, was oft die Literarkritik auf den Plan gerufen hat.501 Doch gerade die singularische Formulierung macht deutlich, was wir vor uns haben. Die Befreiung von dem Gegner und die Hoffnung, dass der traditionelle Tun-Ergehen-Zusammenhang für jenen gelten möge, ist „an essential component of a personal psalm of lament“502. Die Eröffnung in der 1. Sg. (V. 7) setzt das sein Geschick beschreibende leidende Ich Hiobs voraus und bindet die Klage gegen den Gegner mit dem vorangehenden Text zusammen. Gleichzeitig spielt die Formulierung   wohl mit dem Namen Hiobs.503 „Seinem Feind möge es wie einem Frevler ergehen“ ist also gegen Gegner Hiobs gerichtet. Entsprechend wird danach 498 Die Perfektform   ist präsentisch aufzufassen. Dafür spricht die Parallelität von V. 6 mit V. 5. Vgl. Witte, Notizen, 153. 499 Nach Fohrer, Hiob, 387, handelt es sich insgesamt um ein ursprüngliches Lied, das Hiob zugewiesen worden sei. Vgl. Newsom, Job, 523, die das Abzielen auf die Freunde für eher unwahrscheinlich hält. Ihrer Meinung nach ist die gewählte Form rhetorischer Natur und zielt auf das Problem ab, „that he, a righteous person, has experienced what tradition said is the fate of the wicked.“ 500 Vgl. Newsom, Job, 523. 501 Vgl. z.B. Hesse, Hiob, 152.155. Fohrer, Hiob, 387, weist auf eine inhaltliche Affinität des Stückes zu den Freundesreden hin. 502 Hartley, Job, 371.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 27

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in rhetorischen Fragen die Zuversicht ausgedrückt, Gott werde das Schreien des Frevlers nicht hören (V. 9), und am Ende werde jener keine Lust mehr an Gott haben (V. 10). Der Abschnitt kontrastiert damit insgesamt V. 6, wo Hiob die eigene Gerechtigkeit herausstellt. Da die V. 5f sich dezidiert gegen die Gesprächspartner richten, muss man den Abschnitt als eine indirekt504 gegen jene gerichtete Feindklage ansehen. Offenbar bereits auf die Gottesbegegnung Hiobs ausgerichtet, drückt Hiob in dem Abschnitt seine Zuversicht aus, dass Gott Hiobs Schrei hört, nicht aber jenen des Frevlers und damit implizit jenen der Gesprächspartner. Interessanterweise tut sich hier auch eine Beziehung auf zum Epilog, wo die Freunde von Gott bewertet werden. Freilich deckt sich die Szenerie nicht, da die Freunde dort ja gar nicht in die Situation kommen, Gott anzurufen. Das Stück hat eine auf die Freundesreden gerichtete polemische Absicht. Nach Eliphas’ gegen Hiob gerichteten Vorwurf der Schuld wird mit diesem Stück den Freunden nun umgekehrt der Vorwurf der „Frevelei“ gemacht. Dafür spricht die Form der Verwünschung und außerdem, dass in V. 9 nun im Blick auf Hiobs Widersacher auf Hiobs Klagen angespielt wird; das Schreien des Gegenübers wird dann (auch nicht) von Gott gehört werden.505 In den V. 11f kehrt der Text in die Anrede der Freunde zurück.506 Die Polemik an dieser Stelle zeigt, dass die Vermutung, dass auch der vorhergehende Abschnitt auf die Freunde abzielt, richtig ist.507 Dabei verweist Hiob in V. 11 auf die präsente Rede und erhebt den Anspruch, über508 Gottes 503 Dass in V. 7 nicht Gott gemeint sein kann (so Habel, Job, 381f), ergibt sich aus 27,9f. Vgl. Newsom, Job, 523. Vgl. zu den verschiedenen Deutungen des Hiobnamens im Hiobbuch unten, 224f. 504 Mit der exemplarischen Formulierung     sind die Freunde indirekt im Blick. Interessanterweise war ja auch Hiob am Anfang der Dialogdichtung in ähnlichen Ausführungen über die Frevler indirekt mit diesen in eine Verbindung gebracht worden. 505 „Here, he specifically identifies hope with God’s willingness to hear a person in distress (v. 9a)“ (Newsom, Job, 524). 506 Nach Witte, Vom Leiden, 165, handelt es sich bei diesen beiden Versen um die ursprüngliche Einleitung des Liedes der Weisheit. Die beiden Stücke Hi 27,7–10 und 13–23 stellen s.E. eine „schalenförmig um die Einleitung der Weisheitsrede Hiobs gelegte Konfession des Dulders zu Gottes vergeltender Gerechtigkeit“ dar. Doch die Formulierung      muss sich auf Gottes machtvolles Handeln beziehen. Doch dieses (vgl. Hi 28,25f) wird in Hi 28 gerade von der dort gepriesenen Weisheit unterschieden. Daher kann sich Hi 27,11 im vorliegenden Wortlaut nicht ursprünglich auf das Lied der Weisheit beziehen. 507 Vgl. Reventlow, Tradition, 289. Reventlow sieht darüber hinaus in V. 12 „die Gesamtkompositionsabsicht des Endverfassers; ihm ist offensichtlich klar, daß er in Kap. 27 dem Hiob dieselben Erwägungen in den Mund legt, die früher die Freunde geäußert hatten.“ 508 Vgl. Witte, Notizen, 159.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Macht509 belehren zu können. In V. 12 wertet er die vorangehenden Reden als nichtig510 (  „Windhauch“) ab. Der Augenschein, also die konkrete Erkenntnis,511 müsste die Gegner eines besseren belehrt haben. Für den nachfolgenden Abschnitt (Hi 27,13–23) ist die Annahme, dass er aus einer Quelle stammt, sehr wahrscheinlich. Der Abschnitt schließt sich an die Aussage, Hiob werde sein Gegenüber über Gottes Macht (  ) belehren (V. 11), an und entfaltet noch einmal konkret, was einen Frevler erwartet (   ). Daher wird der Abschnitt, auch wenn er aus einer Quelle stammen sollte, hier wie die V. 7–10 auf die Freunde abzielen. V. 13 stellt im vorliegenden Kontext eine überschriftartige Formulierung dar.512 Ein Zusammenhang ergibt sich über die Parallelität von 27,13 und Hi 20,29.513 Der Vers, der in 20,29 die Zopharrede zusammenfassend abschloss, eröffnet in Hi 27,13 die Ausführung über den Frevler. Newsom ist der Ansicht, dass hier die Argumentation Zophars nachgeahmt werde,514 doch dient der Abschnitt jetzt umgekehrt dazu, den Freunden nun seinerseits den Vorwurf des Frevels entgegenzuhalten. Zumindest ist es kein Argument für eine sekundäre Abfassung des Abschnittes, dass Hiob hier ganz ähnliche Dinge vorbringt wie Zophar in Hi 20. Denn dass Hiob und die Freunde oft gleiche Argumente gebrauchen, ist nicht auf das Ende des Dialogteils beschränkt. 515 Für die Hiobrede konnte die der Zopharrede ähnliche Aussage des vielleicht quellenhaften Abschnittes deswegen Verwendung finden, weil sich Hiob und die Freunde ja zunächst nur über die Person Hiobs im Uneinen sind, nicht aber darüber, was den Frevler erwartet und was er verdient hat. Damit dürfte Hi 27,13–23 als Abschnitt über das Ergehen des Frevlers innerhalb der Hiobrede einerseits dokumentieren, dass Hiob den Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht grundsätzlich bestreitet, und andererseits darauf abzielen, dass Hiob sich, von seiner Gerechtigkeit überzeugt, von Gott ungerecht behandelt sieht. Indirekt werden nun am Ende des Dialogs die Freunde mit Vgl. Bergman/von Soden/Ackroyd, , ThWAT III, 447ff, und Newsom, Job, 524. Zur Wortbedeutung vgl. Witte, Notizen, 159. 511 „For Job, the direct evidence of eyes and ears is the basis for speaking truth (see 13:11)“ (Newsom, Job, 524). 512 Fohrer, Hiob, 386, (vgl. ebd., 376ff) zieht den Vers nach Emendation der V. 11f mit zum vorangehenden Passus, da die Formulierung in 20,29 (er führt zusätzlich Hi 18,21 an) einen Zusammenhang abschließt. 513 Vgl. Reventlow, Tradition, 289. 514 Vgl. Newsom, Job, 524. 515 Reventlow, Tradition, 291, sieht darin „die Technik des Komponisten, der sein Material in raffiniert planvoller Weise zusammengeordnet hat“. Die scheinbaren Widersprüche der sowohl auf der Seite der Freunde als auch auf Seiten Hiobs vertretenen Themen lösen sich s.E. auf, wenn man die unterschiedliche Stellung der Äußerungen im Kontext beachtet. Gradl, Ijob, 240, vermutet, dass ähnliche Positionen den Stillstand des Dialoges signalisieren. 509 510

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 27

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den Frevlern in eine Verbindung gebracht, weil sie Hiob angefeindet haben.516 Die zehnte Hiobrede setzt noch einmal mit der Anrede der Freunde ein. Diesen wird vorgeworfen, als Frevler gegen Hiob gehandelt zu haben. Entsprechend wird ihnen in einer Fluchformulierung indirekt Strafe angekündigt. Eine Verwandtschaft zeigt sich zwischen Hi 27,5 und den Abschlussformulierungen auf der Erzählebene des Prologs (1,22; 2,10b). Die Thematisierung des Geschicks der Frevler in Hi 27,7–10.13–23 zeigt sich durch die direkte Anrede der Freunde in 27,5.11f als Teil der gegen diese gerichteten Kommunikation. Hiob wird hier auf der einen Seite indirekt als gerecht erwiesen wie auf der anderen Seite die Freunde als Frevler. Gleichzeitig bestätigt Hiob die grundsätzliche Gültigkeit traditioneller Deutungsmuster, sieht sich aber gerade angesichts dessen ungerecht behandelt. s) Stellung und Funktion von Hi 28 innerhalb des Hiobbuches Das „Lied der Weisheit“ wird momentan sehr intensiv diskutiert.517 Oft wird geäußert, dass das Kapitel außerhalb der Handlung des Buches steht: „Since its abstract, reflective tone does not match well any of the speakers, it is taken to be a piece that stands outside the dialogue. Its function as a bridge between the dialogue and the groups of speeches that are coming.“518 Zumindest gegen die Schlussfolgerung, dass der Abschnitt außerhalb des Dialoges stehe, spricht allerdings das Fehlen einer eigenen Überschrift. Dies zeigt, dass dieses Kapitel noch zu Kapitel 27 hinzugehört und somit Teil der letzten Hiobrede sein soll, die an die Freunde gerichtet ist.519 Dennoch wird der Sondercharakter von Hi 28 nahezu durchgängig in der Literatur anerkannt.520 Dass es sich um einen fremden Text handelt, der in den Ablauf der 516 Dass gerade der letzte Abschnitt konkret auf die Freunde zielt, wird man aber nicht sagen können. Vordergründig dienen die konkreten Aussagen der Zurückweisung der gegen Hiob gerichteten Vorwürfe. Die Ankündigung des Todes der Kinder, der Wegnahme des Wohlstandes und der Vertreibung lassen sich noch schlechter auf die Freunde beziehen, von denen wir keinerlei Nebeninformationen haben, als auf Hiob. Insgesamt handelt es sich wohl um Elemente, die einer Quelle entstammen. 517 Einen Überblick bietet, Newsom, Re-considering Job, 161ff. Eine knappe Übersicht über die wesentlichen Thesen bietet Müllner, Ort, 62f. 518 Hartley, Job, 373; ähnlich Newsom, Polyphonic Text, 94, die meint, es sei „a distinctive voice that serves to critique the preceding dialogue“. Knauf, Ijobs multikulturelle Heimat, 66, hat zuletzt vorgeschlagen, es als „Chorlied“ anzusehen. Vgl. Ebach, Hiob II, 70. 519 Vgl. Hesse, Hiob, 157. 520 Vgl. Pfeiffer, Introduction, 672; Kuhl, Literarkritik 281. Dass „das Kapitel [sich] in das Hiobbuch problemlos ein[fügt]“, meint Zimmermann, Homo sapiens, 97. Er sieht formale und inhaltliche Verbindungen. Doch kann man dem inhaltlich aufgrund der allge-

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Dichtung eingefügt worden ist, steht in den meisten Untersuchungen außer Frage.521 Dem entsprechen auch die beiden zuletzt geäußerten Thesen, dass das Lied der Weisheit ursprünglich zur Elihudichtung gehört habe und entweder mit einer bestimmten redaktionellen Absicht an seine jetzige Stelle umgestellt worden sei522 oder aber, dass es dort stehen geblieben ist, während die übrige Elihudichtung einen neuen Ort bekommen hat.523 Letztlich lässt es sich nicht beweisen, ob Hi 28 am Ende der Elihureden gestanden hat, denn es reicht nicht, dort einen passenden Zusammenhang aufzuzeigen, man muss auch zeigen, dass die Elihureden ohne Hi 28 unvollständig sind. Im übrigen sprechen der besondere Charakter des Liedes, die vollständig fehlende Kontextbindung des Textes und vor allem die Tatsache, dass es in Hi 28,28 eine eigenen Zielpunkt und offenbar eine paränetische Intention hat, die sich trotz einer gewissen Nähe zu Hi 1 nicht in die Kohärenzstruktur der Hiobdichtung oder der Elihureden einpassen lässt, dafür, dass es sich bei Hi 28 um einen eigenständigen Text mit eigenständiger Intention handelt. Dieser hat hier Verwendung gefunden, ohne dass er noch an den Kontext angepasst worden ist.524 Ob er dennoch einmal seinen Platz im Rahmen der Elihureden hatte, steht auf einem anderen Blatt, doch für einen solchen Kontext kann es ebensowenig geschaffen worden sein wie für seinen jetzigen. Dies weist m.E. darauf hin, dass das Lied der Weisheit vor der Verwendung in Hi 28 bereits bekannt gewesen ist. Man legt es Hiob sozusagen unkommentiert in den Mund. Anderseits liegt das Thema des Liedes natürlich vom Inhalt des Hiobbuches nicht so weit ab, dass eine theologische Verwandtschaft zu bestreiten wäre. Letzteres hat z.B. M.Witte dazu veranlasst, das Lied mit einer das Buch durchziehenden Redaktionsschicht in eine Verbindung zu bringen. Es (28,1–14.20–28) gehört s.E. zur sog. Majestätsredaktion und mit Hi 12,7–25; 13,1f; 26,1–14; 27,11–12 zusammen.525 S.E. bildeten die Verse Hi 27,11f die ursprüngliche Einleitung des Liedes.526 Später wurde meinen Feststellung, dass „es doch auch hier um die Rolle des Menschen, die Grenze seines Verstehens und Gottes Macht geht“ (ebd.), nicht folgen. 521 Siehe die Beurteilung von Fohrer, Einleitung, 359; Smend, Entstehung, 203; Kuhl, Literarkritik, 181; Müller, Hiobproblem, 129ff. 522 So Greenstein, Poem, 269–275. 523 Vgl. Clines, Putting Elihu; ders., The Fear of the Lord. 524 Dafür spricht auch die Verwandtschaft zu Spr 8,22ff. Weitere zwischentestamentarische Texte sind mit Hi 28 verwandt. Sie zeigen, dass das Lied in eine eigenständige, vom Hiobbuch unabhängige Traditionsgeschichte hineingehört. Vgl. dazu Witte, Vom Leiden, 206ff. 525 Vgl. Witte, Vom Leiden, 181f. 526 Vgl. ebd., 161f.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 28

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die alte Einleitung von zwei Elementen einer weiteren Redaktion umschlossen (27,7–10.13–23).527 Wie bereits erwähnt528 scheitert die Argumention an der ursprünglichen Eröffnung, da diese auf ein machtvolles Handeln und damit auf den direkten Kontext, nicht aber auf die verborgene Weisheit verweist. Auch wage ich zu bezweifeln, dass z.B. der Abschnitt 12,7–25 eine mit Hi 28 vergleichbare Intention hat. Denn in Hi 12,7–25 wie in 13,1f wird die traditionelle Weisheit der eigenen Einsicht des Sprechers gegenübergestellt. Eine solche schließt das Lied der Weisheit aber gerade aus, wenn es die Gottesfurcht und das Meiden des Bösen mit der für den Menschen bestimmten Weisheit identifiziert.529 Wie dem auch sei, spricht schon der Sondercharakter des Liedes der Weisheit dagegen, dass dieses erst im Zuge einer Redaktion entstanden sein soll. Auch der sprunghafte Übergang zwischen 27,23 und 28,1 spricht dagegen,530 dass hier planmäßig ein Übergang geschaffen worden ist. In 28,1 beginnt ein eigenständiger Text, der letztlich auf 28,28 zielt. Dabei handelt es sich wohl um einen vorgegebenen Text, der mehr oder weniger vollständig an seiner jetzigen Stelle eingefügt worden ist.531 Wie bereits festgestellt zielt das Lied letztlich auf den Schlussvers Hi 28,28. Es liegt daher die Schlussfolgerung nahe, dass dieser Schlussvers auch für die Aufnahme des Liedes von entscheidender Bedeutung gewesen ist. Beachtet man, dass der Vers mit den ersten Versen des Prologes in einer besonderen Beziehung steht,532 dann ergeben sich Hinweise auf die hinter der Einfügung des Liedes stehende Intention. Clines sieht die Beziehung als eine 527

Vgl. Witte, Vom Leiden, 165. Vgl. oben, 149. 529 Gegen Witte, Vom Leiden, 181f, und van Oorschot, Entstehung, 117f, die den Text mit Hi 28 verbinden. 530 Wenn Hi 27,13–23 Teil einer „tertiären“ Redaktion wäre (so Witte, Vom Leiden, 165), warum hat sie diesen sprunghaften Wechsel zwischen den beiden Texten erst geschaffen? 531 Van Oorschot, Entstehung, 176–179, ist der Ansicht, dass Hi 28 zu einer Redaktion gehört, die auch für die Rahmung des Hiobbuches verantwortlich ist. S.E. setzen die Elihureden die Existenz von Hi 28 voraus: „Hiob 28 hätte mit seiner These von der Unzugänglichkeit der Weisheit Gottes nur schwer formuliert werden können, als gleichzeitig schon die Lehre der göttlichen Inspiration menschlicher Weisheit vorlag“ (ebd., 180; vgl. ders., Hiob 28, 198). Dies setzt voraus, dass das Lied tatsächlich für den Kontext geschaffen worden ist. Vgl. dazu die gesamte ältere Forschung zusammenfassend: Smend, Entstehung, 203; Fohrer, Einleitung, 359. Dagegen spricht neben dem besonderen Stil die Tatsache, dass das Lied sich mit den Texten der sog. „Gottesfurcht-Redaktion“ (vgl. ebd., 177) nicht zu einer einheitlichen Redaktionsschicht verbinden lässt. Hi 12,7–13,2 bietet eine andere Vorstellung von der Weisheit als Hi 28. Außerdem verbleibend Differenzen zwischen dem Rahmen und Hi 28. 532 Vgl. Clines, The Fear of the Lord, 84. 528

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Ironisierung an, da es sich bei der Gottesfurcht und beim Meiden des Bösen um genau das handle, was Hiob ja bisher gelebt hat. „If fearing God and turning aside from evil is what has got Job into this unhappy condition, the value of this prescription for life is seriously undermined.“533 Doch kann es tatsächlich intendiert sein, mit dem Lied – sozusagen mit einem Federstrich – so zu tun, als gäbe es die Suchbewegung in der Dichtung nicht? Soll damit die Aussage des Buches wirklich wieder zurückgeschraubt werden auf das Maß vor Beginn der Dichtung: „In brief, if 28:28 affirms that fearing God is the wise thing to do, the Book of Job may be read as responding, It is indeed – if you are looking for a wise thing to do.“534 M.E. muss man in die Erwägung einbeziehen, dass das Lied – gleichgültig, von wem es eingefügt worden ist – Hiobs letztes Wort an die Freunde ist, bevor seine direkte Auseinandersetzung mit Gott beginnt. Das Lied leugnet daher nicht die kontextuelle Notwendigkeit von Hiobs Anklage und ihren Erfolg, der in der Antwort Gottes Hi 38–41 deutlich wird. Das Lied soll so allenfalls seine Streitreden mit den Freunden mit dem höchsten Lob der Weisheit schließen und damit zu guter Letzt nach allem Streit Hiobs Weisheit wie seine Orthodoxie den Freunden gegenüber bezeugen.535 Dabei ist gerade für Hi 28,28 die Beziehung zum Prolog unbestreitbar. Doch die beiden Attribute   und   , die mit Hi 28,28 in einer Beziehung stehen, kommen nicht nur in Hi 1,1 in der Charakterisierung Hiobs auf der Erzählebene vor. Die beiden Begriffe werden von Gott als eine Beurteilung Hiobs in den beiden Himmelsszenen vorgetragen (Hi 1,8; 2,3). Hiob bekennt sich letztlich in seinem letzten Wort zu der von Gott vorgetragenen Beurteilung. Nur in dieser Beziehung lässt sich Hi 28 richtig erfassen. Da diese Beziehung intendiert ist, muss auch eine Verbindung zwischen Hi 28 und der abschließenden Beurteilung Hiobs durch Gott in Hi 42,7f bestehen. Hiob hat anders als die Freunde richtig gesprochen. Auch wenn dies dort im Rückblick auf die Dichtung zuerst meint, dass Hiobs Reden anders als jenes der Freunde auf Gott hin ausgerichtet war, so kann man den Rückbezug von Hi 28,28 auf Hi 1,8; 2,3 nur so verstehen, dass man hier Hiob quasi als letztes Wort gegen die Freunde noch einmal ein von vornherein richtiges Wort in den Mund legen wollte. Wenn dem so ist, können Hi 28 und Hi 28,28 im Kontext des Hiobbuches nicht ironisch gemeint sein. Natürlich scheint die Klage Hiobs in Hi 533

Clines, The Fear of the Lord, 84. Ebd., 85. 535 Letztlich entscheidet das Lied den in der Dichtung immer wieder eskalierenden Streit zwischen Hiob und den Freunden um den Besitz der Weisheit zu Gunsten Hiobs. Vgl. Hartley, Job, 384. 534

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28,28 nicht beachtet zu sein, sein Kampf um Gott und um dessen Fürsorge spielt hier ebensowenig eine Rolle wie sein Beharren auf den Besitz der Weisheit, den er mit Elementen der Listenweisheit oder mit dem Preisen des Schöpfungshandelns Gottes unterstreicht. Doch die kontextuelle Stellung zeigt, dass man Hiob lediglich zusätzlich dieses Lied als Bekenntnis der Weisheit im Sinne von Hi 1,8; 2,3 mit auf den Weg geben will, das Gottes Urteil in Hi 42,7f vollständig rechtfertigt. Dieser spannungsvolle Bezug zur Dichtung und nur partiell zum Buchganzen spricht m.E. dafür, dass das Lied der Weisheit nicht vor der Rahmung in die Dichtung gelangt ist. Dass es aber zugleich mit der Rahmung hineingelangt sein soll, 536 dagegen spricht doch, dass der Epilog mehr als das Statement in 28,28 auf die Ausrichtung seiner Rede auf Gott hin orientiert ist, dass für den Epilog Hiobs Gottesbegegnung und Hiobs Antwort auf Gott in 42,2–6 entscheidend ist. Damit ist die plausibelste Erklärung des Liedes an seiner Stelle im Hiobbuch, dass das Lied der Weisheit das fertig gerahmte Buch voraussetzt und eine letzte im Buch enthaltene Interpretation des Buches darstellt. Für den jetzigen Kontext gewählt wurde das Lied wegen der beiden Stichworte    und    in Hi 28,28.537 Dass es zwei theologische Begriffe enthält, die den Prolog bestimmen, ist sicher darauf zurückzuführen, dass das Lied den gleichen theologischen Kreisen entstammt, die auch die Rahmung hervorgebracht haben – weisheitliche Theologen, die die deuteronomisch/deuteromistische Schuld-Strafe-Theologie kritisch reflektierten. t) Hi 29–31 – Hiobs Herausforderungsreden (Hiobs elfte Rede) In der Literatur wird bei Hi 29–31 oft im Plural von den Herausforderungsreden gesprochen. Dem soll hier gefolgt werden. Dennoch ist zu beachten, dass formal nur eine Überschrift in 29,1 über den drei Kapiteln steht. Die Eröffnungsformulierung       (Hi 29,1) ist identisch mit jener in 27,1. Davor findet sich in 26,1 die in den Dialogen übliche Überschrift      mit der zunächst die Antwort auf die Rede Bildads eingeleitet wird. Die beiden mit  deutlich anknüpfenden Überschriften haben vielleicht eine zweite Funktion. Sie wollen möglicherweise durch den Verzicht auf den Gebrauch des Verbums  bereits in der äußeren Struktur der Dichtung darauf verweisen, dass der Bezug zu den Gesprächspartnern hier aufgegeben ist, dass der eigentliche Dialog beendet ist 536

Vgl. oben, Anm. 531. Der Gebrauch von    ist ein Hinweis darauf, dass der Hymnus ursprünglich den Gottesnamen verwendete, er also für den religiösen Gebrauch in Israel bestimmt war und nicht nur für den Kontext der Hiobdichtung, die den Gottesnamen konsequent vermeidet, geschaffen worden ist. 537

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und Hiob nun auch formal nicht mehr an die Freunde gewendet spricht.538 Die Überschriften in 27,1; 29,1 bezeichnen also den stärker monologischen Charakter der nachfolgenden Reden. Entsprechend ist zumindest von der Konzeption der Überschrift in Hi 27,1 her keine Antwort der Freunde mehr zu erwarten.539 Dass es einen inhaltlichen Zusammenhang zum vorangehenden Text (Kap. 26) geben kann, ist damit nicht ausgeschlossen und nach der Zwischenüberschrift auch nicht unwahrscheinlich. Trotz einer nochmaligen direkten Anrede der Freunde in Hi 27,11f überwiegt in Kap. 27 aber die allgemeine Thematisierung des Geschicks des Frevlers. Nach der Überschrift über den Herausforderungsreden in Kap. 29,1 gibt es keinerlei direkte Anrede der Freunde mehr. In manchen Formulierungen kann man zwar noch eine gewisse Polemik gegen Hiobs Vorredner erkennen, doch läuft der dreigeteilte Zusammenhang der Reden von Kap. 29; 30; 31 auf die explizite Herausforderung Gottes zum Dialog mit Hiob hinaus.540 Betrachtet man von hier ausgehend noch einmal den Gesamtzusammenhang von Hi 26–31, so zeigt sich eine den Reden Hiobs in Hi 6f (Hiob II), Hi 12–14 (Hiob IV) und Hiob 16f (Hiob V) parallele Struktur. An eine kontextgebundene Auseinandersetzung Hiobs mit den Freunden schloss sich dort jeweils auch die direkte Anrede Gottes an.541 Diese enthielt oft bereits eine Vorwegnahme der Herausforderung Gottes. Damit ist der Gesamtzusammenhang von 26–31 zwar durch die Zwischenüberschriften 27,1 und 29,1 und vor allem durch die sekundäre Einbindung542 des Liedes der Weisheit stärker strukturiert als die anderen Hiobreden im vorangehenden Dialogteil, doch ist die ähnliche Grundstruktur auffällig. Sie lässt m.E. auf eine formal-inhaltliche Gesamtanlage der Hiobdichtung schließen, die auf den abschließenden Dialog zwischen Jhwh und Hiob abzielt. Die Auseinandersetzung mit den anwesenden Freunden stellt also eine inhaltliche Hinfüh setzt einen Kommunikationszusammenhang voraus. Vgl. dazu auch oben, 31ff, und 39. 539 Fohrer zieht 27,2–6.11–12 mit zur vorangehenden Antwort an Bildad, doch ist die Begründung, die V. 27,2–6 könnten an die vorangehende Rede „ohne weiteres angeschlossen haben“ (Fohrer, Hiob, 377) arbiträr. Fohrer streicht dafür die Überschrift in 27,1 und geht auf die Konzeption des Ganzen nicht ein. 540 Nach de Wilde, Hiob, 285, wendet sich Hiob in 29–31 nicht mehr den Freunden, sondern Gott zu, worin sich ein Übergang zu den Gottesreden zeigt. Vgl. z.B. Kuhl, Literarkritik, 292. 541 Ähnlich deutet den stärker monologischen Charakter des Abschnittes auch Köhlmoos, Auge Gottes, 303: „Auch in Hi 27–31* liegt nur insofern ein Monolog vor, als Hiob in diesem großen Textabschnitt allein spricht und die Anredeformen kontinuierlich abnehmen.“ 542 Siehe oben, 151ff. 538

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rung auf die Anrede Gottes dar, die dann den Dialog mit Gott (Hi 38–42) nach sich zieht.543 In den sog. Herausforderungsreden selbst stehen die beiden Kap. 29 und 30 einander kontrastierend gegenüber.544 An ihrem Anfang erfolgt ein Rückgriff auf die Zuwendung Gottes (V. 2–4). Danach wird der aus der Zuwendung Gottes resultierende Segen beschrieben (V. 5–11). Vieles verbleibt hier im Metaphorischen und Allgemeinen. Das ist aber kein Grund, gerade in Hi 29f auf Überlegungen nach einem Zusammenhang dieser Kapitel mit der Hiobfigur und ihrem vorausgesetzten Geschick zu verzichten, wie H. Strauß vorschlägt, der es als „einigermaßen textfremd [ansieht], hier zumindest unmittelbare Auskünfte über eine tatsächliche historisch-soziologische Stellung und soziale Lebensumstände Hiobs [...] entnehmen zu wollen“545. Natürlich sind ‚unmittelbare Auskünfte‘ für eine literarische Gestalt nicht zu erreichen, doch haben die Kap. 29–31 unmittelbar die Funktion, die direkte Auseinandersetzung zwischen der Figur Hiob und Gott einzuleiten, so dass die Verse für die Erhebung der in der Dichtung vorausgesetzten Vorstellung von der Hiobfigur unerlässlich sind, auch wenn darin viel Metaphorik enthalten sein sollte. Dabei wird in Hi 29,5 die Gottesgemeinschaft mit der Gemeinschaft des Klagenden und seiner Kinder parallelisiert. Hiob verwendet dabei in Bezug auf seine Kinder den Plural  , der auch in Hi 1,19 benutzt wird.546 Da V. 5b voraussetzt, dass Hiob die Kinder nicht mehr um sich hat, könnte an dieser Stelle der Tod der Kinder vorausgesetzt sein.547 Der Passus könnte aber auch allgemein auf die Desozialisierung Hiobs abzielen. Beklagt wäre dann, dass die frühere Nähe zwischen Hiob und seinen   nicht mehr besteht. Danach spielt die auch polemisch auf den vorangehenden Dialog insgesamt bezogene Darstellung von Hiobs weiser Rede (V. 7–11.21–25) und gerechtem Handeln (V. 12–17) eine besondere Rolle. G. Fohrer und F. Crüsemann haben konkrete Vorschläge gemacht, wie diese Aussagen zu verstehen sind. Sie sehen in Hiob einen einflussreichen Aristokraten.548 Aber auch die Einschätzung von A. Caquot, dass Hi 29 das Bild eines Königs (vgl. z.B. Hi 19,9) zugrundeliegen könnte,549 hat einiges für sich. Allerdings spricht gegen 543

Zur Funktion der Freundesreden vgl. unten, 187ff. Ebach, Hiob II, 70, spricht davon, dass die beiden Kapitel „kontrapunktisch aufeinander bezogen“ sind, wobei der soziale Aspekt dominiere. 545 Strauß, Hiob, 176f. 546 Vgl. Fohrer, Hiob, 405. 547 Es ergibt sich dann eine eigentümliche Spannung zu Hi 19,17; vgl. die Analyse der Stelle oben, 117, und die zusammenfassende Erörterung unten, 350ff. 548 Vgl. Fohrer, Hiob, 406ff; Crüsemann, Hiob, 387. So auch schon Duhm, Hiob, 138f. 549 Vgl. Caquot, Traits royaux, 32–45; Knauf, Heimat, 73. 544

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diese Vermutung, dass Hiobs Autorität gerade auch gegenüber solchen, die in Hierarchie und Einfluss über ihm stehen, betont wird (vgl. Hi 29,9f). Entsprechend könnte die Einschätzung von H. Lamparter, der die königliche Stilisierung für Metaphorik hält,550 dieses Problem erklären helfen. Dennoch lässt sich der Sachverhalt bei der Zusammenschau der Motive noch etwas klarer fassen: In 29,8 stehen Hiob die Jungen und die Alten gegenüber, in 29,9f sind es Amtsinhaber und Aristokraten, die ihm gegenüber verstummen. Positiv drückt 29,11–13 Hiobs Funktion im Tor aus. Man rühmt ihn, weil er für die Armen eintritt (V. 12f). In seinem Eintreten für die Armen, Waisen und Witwen liegt eine Affinität zur dtn Sozialgesetzgebung vor. Da Hiobs Autorität nicht aufgrund seines Alters oder seiner Herkunft (Aristokratie) begründet ist, dürfte er in einer Verbindung zu einer Institution im juristischen Bereich gesehen werden. In diese Sicht lässt sich Hi 29,14 gut integrieren, wo von Gerechtigkeit ( ) und Recht () quasi als Amtskleidung Hiobs gesprochen wird. Bei Hiob dürfte damit an einen Richter gedacht sein, wobei diese Stilisierung wahrscheinlich im breiten Horizont von Überlieferungen über die Richter in der hebräischen Bibel steht, angefangen bei der Zeichnung Moses als Richter, der die Streitfälle seines Volkes schlichtet, bis hin zu der Stilisierung der Richterzeit im Richter- und im ersten Samuelbuch. Dies erklärt auch die Affinitäten zur dtn Sozialgesetzgebung und auch zu den Ämtergesetzen des Deuteronomiums. Von hier dürften sich wahrscheinlich die Affinitäten auch zum Königtum verstehen lassen; denn die Könige werden im Alten Orient oft als ideale Richter stilisiert.551 Sollte in der Dichtung Hiob als (ehemals) idealer Richter vorgestellt sein, so erklärt dies auch den häufigen Gebrauch von juristischen Termini und von Gattungen des Rechtslebens.552 Gleichzeitig ist die Hiobgestalt als (herausgehobener) Weiser im weisheitlichen Streitgespräch damit in besonderer Weise charakterisiert. Hi 29,7ff sind entsprechend auch transparent für die zurückliegende Auseinandersetzung mit den Freunden.

550 Lamparter, Hiob, 175: „In der Tat – wie ein König inmitten seiner Heerscharen, dem von allen, über die er befehligt, höchste Verehrung, größter Respekt entgegengebracht wird, so thronte Hiob inmitten dieser glanzvollen Versammlung. Dabei ist besonders zu würdigen, daß ihm diese Ehrenstellung nicht ‚von Amtes‘ wegen zugefallen war. [...] Sein Ansehen beruhte einzig und allein auf dem Gewicht seiner Persönlichkeit.“ Vgl. Fohrer, Hiob, 404. 551 Vgl. Strauß, Hiob, 177. 552 Letzteres hatte Richter, Studien, dazu bewogen die Hiobdichtung insgesamt als Rechtsstreit zu interpretieren. Ähnlich auch Engljähringer, Theologie. Verwunderlicherweise zieht Richter, Studien, 104ff, bei der Analyse der Herausforderungsreden die Stilisierung der Hiobgestalt in Hi 29,7ff nicht heran. Vgl. zuletzt Magdalene, Scales of Righteousness, 263–265 (zusammenfassend).

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In Hi 29,21–23 zeigt sich dies ein weiteres Mal. Denn hier werden noch einmal Aussagen über die früheren Reaktionen auf Hiobs Reden gemacht. Darin deutet sich eine Beziehung zur Dichtung an: Denn der mit „Mir hörten sie zu und verstummten ...“ (V. 21a) eröffnete Abschnitt scheint sich indirekt auch auf das Gegenüber in den Reden des Dialogteils zu beziehen. Was hier auf die frühere Stellung Hiobs im weisheitlichen Streitgespräch bezogen ist, wiederholt sich ja in den Reden zwischen Hiob und den Freunden. Denn Hiob dominiert den Dialogteil. Umgekehrt könnte das abwechselnde Auftreten der Freunde von Hi 29,21 her als Ausdruck eines stummen Abwartens zu interpretieren sein. In jedem Falle dürfte Hi 29,21–23 ein Hinweis auf die Priorität Hiobs gegenüber den Freunden sein. Wenn man in dieser Weise eine Verbindung herstellt, dann könnte auch 29,22, wo markiert wird, dass Hiob sozusagen das letzte Wort blieb, zumindest indirekt einen Hinweis auf die Redesituation darstellen. Denn wir befinden uns in Hi 29 sozusagen an der Stelle, an der nach Hiobs Worten von den Freunden niemand mehr redet.553 Sieht man diese Affinitäten zwischen dem Verweis auf Hiobs frühere Priorität im weisheitlichen Streitgespräch (Hi 29,21–23) zu der vorangehenden Dichtung, dann gibt sich diese zu erkennen als der lange Gesprächsgang, in dem der Weise Hiob sich sein Recht gegenüber den Freunden ‚erkämpft‘.554 Dazwischen findet sich in 29,18–20 ein Abschnitt, der sich von seinem Kontext dadurch abhebt, dass hier eine vergangene Rede Hiobs wiedergegeben wird. Mit der Redeeinleitung  eingeleitet, drücken die Imperfektformen, die für sich eigentlich die Zuversicht auf die Dauerhaftigkeit des Segens ausdrücken, in dem vorliegenden Kontext Resignation aus. Der Übergang von dem Rückblick auf die Zeit des Heils zur Reflexion des Unheils vollzieht sich mit  in Hi 30,1. Dieses erscheint in 30,9.16 noch zwei Mal und scheint damit ein gemeinsames Strukturmerkmal des Kapitels zu sein. Allerdings hat  in 30,9 eine stärker kontextuelle Funktion, während in 30,16 mit einer ausgeführten Klage ein neues Thema beinnt. Entsprechend lässt sich der Abschnitt in zwei Unterabschnitte gliedern. 30,1–15 thematisiert die Verachtung und die Angriffe, die Hiob von anderen, früher unter ihm stehenden, Jüngeren und als verachtet beschriebenen Leuten erfährt.555 Besonders in 30,9–15, eingeleitet mit  , das hier expli553

Vgl. dazu zusammenfassend unten, 204ff. Magdalene, Scales of Righteousness, 199ff, sieht umgekehrt die Freunde als Verteidiger Gottes. 555 Problematisch erscheint innerhalb des Abschnittes, dass über sie als Bewohner der Einöde im vorliegenden Kontext negative Äußerungen gemacht werden, während sie in Hi 24,5–8 noch als elend beklagt wurden. Das Problem, das häufig auf literarische Überarbeitungen hin ausgedeutet wird, könnte aber mit der Quellenhaftigkeit der Texte und z.B. in 554

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zit auf die derzeitige Situation weist, meint man implizit einen Hinweis auf das Verhalten der Freunde zu finden.556 Hier dürfte polemisch auf die vorangehenden Freundesreden Bezug genommen sein. Dagegen heben die V. 16–31 Desozialisation, Schmerz und Leiden Hiobs hervor. Zentral ist darin der Vorwurf des Klagenden gegen die Gottheit, ihn angesichts der Schmerzen und des Leides nicht anzuhören und ihm stattdessen feindlich gegenüberzutreten (Hi 30,20–23).557 Es schließt sich in der rhetorischen Frage des V. 24 eine verzweifelte Rechtfertigung der Klage an,558 die angesichts des Vorwurfes von 30,20–23 zu einer Spannung führt, die aber bereits auch an anderen Stellen spürbar war: Gott, der verantwortlich ist für das Leid, ist gleichzeitig Adressat für den Schrei um Hilfe (559 ).560 Ansonsten finden sich innerhalb von 30,16–31 verschiedene Aussagen über die Krankheit des Leidenden. Man meint in Hi 30,30 (    ) eine Anspielung auf den Aussatz Hiobs zu finden. Doch ist jenes „schwarz“ eher ein unspezifischer Ausdruck. An dunkle Haut wird man bei den Beschreibungen des Aussatzes in Lev 13,2ff eher nicht zu denken haben. Sieht man im zweiten Halbvers einen Bezug zu einer fieberhaften Erkrankung, dann könnte man eher an eine Entzündungskrankheit denken. Unter den verschiedenen allgemein auf das Leid bezogenen Aussagen in dem Abschnitt ist Hi 30,26 interessant, da Licht und Finsternis, Gut und Böse als Gegensatzpaare zur Bezeichnung von Hiobs Heil und Unheil erscheinen. Die Formulierung unterscheidet sich inhaltlich darin von den beiden verwandten Aussagen im Prolog (Hi 1,21b; 2,10a), dass Hiob dort Geben und Nehmen, Gutes und Böses insgesamt widerspruchslos annimmt, während er in 30,26 beklagt, dass an die Stelle des Guten das Böse, anstelle des Lichtes die Finsternis getreten sei. Der sog. Reinigungseid Hiobs (Kap. 31) stellt die eigentliche Herausforderung Gottes dar.561 Der Abschnitt ist in Gliederung und Bestand umstritten. Hi 30,4 auch mit in der Polemik verwendeten Stereotypen zu begründen sein. In diesem Sinne weist Ebach, Hiob II, 76, mit ausführlicher Begründung die Emendation von Hi 30,2–8 zurück. 556 Vgl. Fohrer, Hiob, 417. 557 Darin wird in V. 22 vielleicht auf Hiobs vormaligen Segen durch Gott und seinen anschließenden Fall angespielt. Vgl. Newsom, Job, 546. 558 Vgl. Fohrer, Hiob, 421. 559 Siehe HAL, 1340. 560 Vgl. dazu die folgenden Abschnitte. Die Aussage, dass Gott selbst für das Leid verantwortlich ist, muss vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Monotheismus verstanden werden. Gleichzeitig ist sie auch ein Mittel, eine Reaktion Gottes zu erzwingen. 561 Vgl. Fohrer, Hiob, 427.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 29–31

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Da es die Frage ist, in welcher Weise Hi 31 der Herausforderung dient, sei der Text zunächst gegliedert und übersetzt. Die mit  eingeleiteten Schwurformeln bilden die Grundstruktur des Kapitels (Einrückung ersten Grades). Den -Sätzen schließt sich oft eine Angabe der jeweiligen Folge (Einrückung zweiten Grades) an ([Hi 31,56]562.78.910.1314.2122.26f 28a.3940a). Bei der Folge handelt es sich meistens um eine der Übertretung entsprechende Strafe (anders: V. 6.14.22.28). Mitunter fehlt die Angabe der Folge, die aber aufgrund der Schwurformel impliziert ist (nach V. 16–18. 19.20.24.25.29f.31f.33f.38). An die Folge kann sich eine mehr oder weniger ausführliche Begründung anschließen (11f.15.23.28b) (Einrückung dritten Grades). Aus der klaren Struktur fallen die V. 1–4 und die V. 35–37 heraus (nicht eingerückt).    1 Ich hatte einen Bund gemacht mit meinen      Augen, (dass ich) mich (nicht) in irgendeiner Weise563 umgeschaut habe nach einer Jungfrau.           2 Was wäre das Teil Gottes von oben und (was) das Geschick des Allmächtige aus der Höhe?564         3 Wäre es nicht Verderben für einen Ungerechten und Schrecken565 für die Täter von Übel?            4 Sieht er nicht meine Wege, und zählt alle meine Schritte? Wenn ich gewandelt bin mit Falsch         5 heit, oder meinen Fuß auf Betrug ge  setzt habe,      6 möge er mich mit der Waage der Gerechtigkeit wiegen.     Und Gott wird wissen um meine Integrität566! 562

Zur inhaltlichen Besonderheit von 31,4f siehe die nachfolgende Argumentation. Es handelt sich um eine rhetorische Frage, die inhaltlich parallel zu den mit  eingeleiteten Beteuerungen steht. Daher wird  „in irgendeiner Weise“ negiert wiedergegeben. Die wenigen LXX-Hss, die die Stelle unter Asteriskus bieten, interpretieren in diesem Sinne, wenn sie Á¸ĖÇĤ oder Á¸ĖÇĤÄü lesen. Die in der BHS vorgeschlagene Konjektur ( ) müsste um die Kopula ergänzt werden, da die griechischen Hss die Kopula bezeugen. Dann könnte den griechischen Hss durchaus auch die konjizierte Lesart zugrundeliegen. 564   ist von der Grundbedeutung des Verbs  „erben“ zusammen mit  allgemein auf das Gott gewirkte „Geschick“ zu beziehen. Vgl. Gesenius18, 360f.801–804. Der nachfolgende Kontext zeigt, dass dies hier die intendierte Semantik ist. 565 Die Grundbedeutung von  ist „fremd“. Daher hier: „Befremden, Erschrecken“. 566 Zur Bedeutung von   bzw.  siehe unten, 229f. 563

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Wenn mein Schritt abgewichen ist567 vom Wege, und mein Herz meinen Augen nachgegangen ist, und etwas hängen geblieben ist an meinen Händen, so werde ich säen, ein anderer aber soll es essen, und was mir gesprossen ist568, soll entwurzelt werden. Wenn sich mein Herz verführen lassen hat wegen einer Frau, und ich an der Tür meines Freundes gelauert habe, so soll meine Frau für einen anderen mahlen, und über sie sollen sich andere beugen. Denn das ist eine Schandtat und eine Schuld, die vor Richter569 gehört. Ja, sie ist ein Feuer, das bis in die Vernichtung frisst, und sie würde all meine Habe vollständig vernichten570. Wenn ich missachtet habe das Recht meines Knechts oder meiner Magd in ihrem Streit mit mir, was wollte ich tun, wenn Gott sich erhebt; und wenn er nachforscht, was würde ich antworten?571 Ist nicht der, der mich gemacht hat, auch der, der ihn gemacht hat im Mutterleib? Hat er nicht uns im Mutterschoß bereitet?

Das Imperfekt ist hier wie oft in den nachfolgenden Versen iterativ gebraucht und kann daher mit einem Vergangenheitstempus wiedergegeben werden. 568 Von  „Sprösslinge“. 569 Es ist auch möglich,   als Nomen in der Bedeutung „verantwortlich, haftbar“ zu sehen. Dadurch verändert sich die Interpretation nicht. Vgl. Berlin, Meaning, 347. 570  „entwurzeln“ daher „vollständig vernichten“. 571 Hier liegt keine explizite Folge vor, sondern ähnlich wie bei V. 6 wird das Nachforschen Gottes thematisiert. Doch dürfte ein solches, wie auch in V. 5f beim Wägevorgang die Bestrafung im Falle des Falscheides implizieren.

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Wenn ich den Bedürftigen ihr Begehren versagt habe und die Augen der Witwe verschmachten lassen habe, ich meinen Bissen allein gegessen habe und nicht die Waise auch davon gegessen hat, sondern ich sie (nicht) von Jugend auf gehalten wie ein Vater, und ich sie (nicht) von Mutterleib an geleitet habe, wenn ich zugesehen habe, wie jemand ohne Kleid zugrunde gegangen ist, und den Armen ohne Decke, wenn mich nicht gesegnet haben seine Lenden572, und er sich nicht mit der Wolle meiner Lämmer erwärmt hat, wenn ich meine Hand über einer Waise geschwungen habe, weil ich sah, dass im Tor mein Helfer war, so falle meine Schulter von der Schulter, und mein Arm werde aus dem Gelenk gebrochen! Denn ein Schrecken wäre auf mich hin das Verderben Gottes573, und sein Erheben vermochte ich nicht (zu erlangen).574 Wenn ich das Gold zu meiner Stärke575 gemacht und zum Feingold gesagt habe „meine Sicherheit,

572 Dem Qere ist aufgrund der Verbform zu folgen.  steht sozusagen pars pro toto für den ganzen Menschen, indem derjenige Körperteil, der erwärmt worden ist, für den Segen steht. Offensichtlich ist damit ausgedrückt, dass die Wohltat selbst schon den Segen hervorruft. 573 Zu Konjekturvorschlägen vgl. Fohrer, Hiob, 426. 574 Der Halbvers ist schwierig zu erfassen, da das Nomen  – verwandt mit der Wurzel  „erheben, tragen“ – nur sehr selten vorkommt. Es ist m.E. am besten von der Verbbedeutung her ohne eine Zuspitzung auf die „Hoheit“ Gottes zu verstehen. Da  in der Regel positiv konnotiert ist und für eine auferlegte Last eher das Nomen  zu erwarten wäre, ist der LXX, die Á¸ĖÒÈġÌÇıÂûÄĸÌÇ˸ĤÌÇıÇĤÏĨÈÇĕÊÑ „und von seiner Last werde ich nicht(s) ertragen“ interpretiert, nicht zu folgen. 575 Das Gegenüber  legt für  eher „Stärke, Kraft“ als Verständnis von der Grundbedeutung (vgl. Gesenius18, 561) her nahe.

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wenn ich mich gefreut habe, dass mein Reichtum576 groß war und meine Hand so viel in Besitz genommen577 hat, ... Wenn ich das Licht angesehen habe, als es aufging, und den Mond, als er herrlich dahinging, und mein Herz (mich) im Versteck verführte und meine Hand meinen Mund zum Kuss berührte, auch das wäre eine Sünde, die vor einen Richter gehört; denn (damit) verleugnete ich Gott in der Höhe. Wenn ich mich gefreut habe am Verderben578 meines Feindes, und mich erhoben habe, weil Böses ihn heimgesucht hat, ... Und nicht habe ich meinen Gaumen579 sündigen lassen, seine Seele durch eine Verwünschung zu fordern.580 Wenn nicht die Männer in meinem Zelt gesagt haben „wen gibt es581, der nicht satt geworden ist, von seinem Fleisch?“, ... Kein Fremder übernachtete draußen. Meine Türen tat ich dem Gast auf.

576 Hier könnte sich wiederum die Bedeutung „Stärke“ anbieten, da  nicht neutral auf den Besitz weist, sondern gleichzeitig auch auf dessen Gebrauch. 577 Der Gebrauch von  könnte auf die Zufälligkeit des Besitzes hinweisen. 578 Vgl. Gesenius18, 1049. 579 Vgl. Gesenius18, 348 580 An dieser Stelle (V. 29f) und im nachfolgenden Bekenntnis (31f) wird in der Übersetzung neu angesetzt, da im Hebräischen mit einer Verneinung fortgefahren wird. Der Zusammenhang ist aber inhaltlich sehr eng, was erkennbar wird, wenn man probehalber die wörtliche Wiedergabe der Schwursätze aufgibt und den Schwursatz mit „Niemals habe ich mich gefreut ..., und nicht habe ich meinen Gaumen sündigen lassen ...“ wiedergibt. 581 In dem mit   eröffneten Satz, stellt  das Objekt dar. Die unpersönliche Eröffnung der rhetorischen Frage ermöglicht die Wiedergabe mit „wen gibt es, ...“.

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Wenn ich meine Übertretungen wie irgendjemand zugedeckt, um an meiner Brust582 meine Sünde zu verbergen, weil ich fürchtete die große Menge, und die Verachtung der Sippen mich erschreckt hätte, und ich (daher) schwieg, indem ich nicht zur Tür ausging, ... Wen gibt es für mich, der mich anhört?583 Hier ist meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! Aber die Schrift, die mein Prozessgegner geschrieben hat, wahrlich, auf meine Schulter will ich sie nehmen und wie eine Krone tragen. Die Zahl meiner Schritte werde ich ihm berichten, (und) wie ein Fürst werde ich mich ihm nähern. Wenn mein Erdboden gegen mich geschrien hat, und miteinander seine Furchen geweint haben, wenn ich seine Früchte ohne Geld gegessen und ich die Seele seiner Besitzer584 seufzen ließ, anstelle von Weizen sollen Dornen aufgehen und anstelle von Gerste Lolch. Beendet sind die Reden Hiobs.

Der Abschnitt wird im MT in Hi 31,1 mit der Formulierung    eröffnet. Die unter Asteriskus gelisteten Verse Hi 31,1–4 fehlen in der vorhexaplarische LXX.585 Damit fehlt ursprünglich in LXX die erste formal von den nachfolgenden Bekenntnissen verschiedene Aussage. Wenn man aller582

Vgl. Gesenius18, 316. Wörtlich wie in V. 31: „Wer gibt mir (jemanden), der mich anhört?“ Es handelt sich um eine rhetorische Frage. Die unpersönliche Eröffnung der rhetorischen Frage ermöglicht auch hier die Wiedergabe mit „Wen gibt es ...“. 584 Es könnte sein, dass auf Landpächter verwiesen ist. 585 Zur Diskussion der älteren Forschung, ob der kürzere LXX Text einen älteren Text der Dichtung repräsentiert als MT, vgl. schon König, Hiob, 6; Kuhl, Literarkritik, 176–178; Fohrer, Hiob, 55f; das Problem und die neuere Forschung sowie die Textzeugen stellt Witte, Greek Book, 33–35, vor. Zur Diskussion der literarhistorischen Fragen vgl. ebd., 36ff. Während Marcos, Septuagint Reading, 263–266, in LXX vor allem Kürzungen gegenüber MT sieht, hat Siegert, Einführung, 70f, das Problem der Ursprünglichkeit der 583

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dings von der Eröffnung mit    absieht, hat der Abschnitt einen mit den übrigen Bekenntnissen vergleichbaren Aufbau. Denn es schließt sich auch in 31,2f an 31,1b die negative Folge des „Meineides“ an. V. 4 ist ebenfalls als Frage formuliert. Hiob thematisiert sich darin selbst. Sie formuliert ganz allgemein die Zuversicht, dass Gott (die 3. Sg. mask. bezieht sich zurück auf V. 3) Hiobs Tun kennt, wobei der nachfolgende Schwursatz vorweggenommen wird. Ausgehend von den V. 2f besteht also die Funktion von V. 4 darin, zu dem nachfolgenden -Satz überzuleiten. Dieser wird dadurch aber zu einem von V. 4 abhängigen Satz. Dies hat zur Folge, dass die in V. 6 entsprechend der durchgängigen Struktur der Schwursätze in Hi 31 anschließende Folge („er möge mich wiegen ...“) von V. 5 abgetrennt und so die Schwursatzstruktur des ersten Bekenntnisses aufgehoben wird. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Verse 1–4 gegenüber dem übrigen Text eine literarische Ergänzung darstellen.586 Man kann überlegen, ob wie in V. 9 () hier auch dem Ganzen sexuelle Verfehlungen gegen eine Jungfrau ( ) vorangestellt werden sollten, um den Aspekt der illegitimen Sexualität zu ergänzen und zu verschärfen. Doch hat dies auch zu dem inhaltlichen Problem geführt, dass die beiden Verse (V. 5f) mit übergreifender Bedeutung und daher ursprünglicher Überschriftsfunktion nun formal nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das Problem am Schluss des Kapitels besteht darin, dass V. 35–37 bereits das Ende zu markieren scheinen, dann aber in den V. 38–40a noch zwei Bekenntnisse folgen (Acker, Früchte unbezahlt gegessen). Hier wird in der Regel umgestellt und emendiert.587 M.E. sprechen Form und Inhalt dieser abschließenden Bekenntnisse nicht gegen ihre Ursprünglichkeit. Da sie die normale Form der Schwurformeln im vorangehenden Text haben, und die Abschlussformulierung V. 40b sich nun einmal an V. 40a anschließt, wird ein interessantes Licht auf die vorangehenden Verse (35–37) geworfen. Diese Vorlage der LXX (LXX-V) erneut aufgeworfen. Er zeigt die Problematik der seit Dillmann, Textkritisches, einflussreichen Kürzungshypothese auf. 586 Als sekundär vorangestellt sieht auch Strauß, Hiob, 213, die Verse an, doch als Einleitung des Textes kann man die Verse nicht recht verstehen. Allgemein gehalten und daher für eine Einleitung logischer wirken die V. 5f. Witte, Vom Leiden, 184, sieht in 31,1–3 und 38–40 sekundäre Hinzufügungen, die die äußere Rahmung des Kapitels durch die V. 4 und 37 sowie den inneren Rahmen der V. 5f und 35f verwischen. Dies setzt voraus, dass ein solcher Rahmen intendiert war, kann aber nicht erklären, warum man gerade in V. 38–40 den Text nach dem Rahmen mit einem weiteren Schwur ergänzt hat. Witte geht nicht darauf ein, dass V. 4 die Struktur des nachfolgenden Schwursatzes aufhebt. 587 Vgl. Hölscher, Hiob, 79 (stellt um und emendiert); Fohrer, Hiob, 424–426 (stellt um); Strauß, Hiob, 235 (emendiert). Anders Newsom, Job, 555: „With vv. 35–37, he [Job, R.H.] returns to complete his oath of clearance with a final double oath concerning land ethics.“ Die vorangehenden Verse 31,35–37 sieht sie in einer engen Beziehung zu 31,33f, weswegen die Abfolge unterbrochen ist. Vgl. ebd.

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markieren dann zunächst einmal nicht den Abschluss der gesamten Reihe, auch wenn man die Aufforderung an Gott, Hiob zu antworten, natürlich aus kontextuellen Gründen gerne am Ende von Kap. 31 und direkt vor den Gottesreden sähe. Direkt vor den V. 35–37 steht aber in V. 33f der Schwur, der summarisch die verborgenen Übertretungen thematisiert. Da aber gerade dieser Passus keine Folge der Übertretung benennt, liegt es vor Emendationen und Textumstellungen näher, die V. 35–37 im direkten Zusammenhang damit zu sehen.588 Es ergibt sich für die V. 33–37 folgender Sinn: Hiob bekennt, dass er keine Übertretungen verborgen hat. Dies wird in V. 35 gegen einen hypothetisch angenommenen Einspruch Gottes selbst (   ) oder gegen eine Klageschrift eines Prozessgegners bekräftigt.589 Stattdessen werde Hiob eine solche Klageschrift wie eine Krone tragen (V. 36) und ihm, dem Prozessgegner, gegenübertreten. Diesem gegenüber könnte er die Zahl der Schritte nennen, um so jeden Zweifel an seiner Unschuld auszuräumen und sich ihm wie ein Fürst zu nahen, nämlich unangefochten. Damit sind die inhaltlichen Besonderheiten der aus der formalen Struktur herausfallenden Bestandteile geklärt, und man kann sich im Folgenden der Bestimmung der Funktion des Reinigungseides zuwenden: Auch wenn man die V. 1–4 nicht – wie hier vorgeschlagen – für eine literarisch spätere Voranstellung hält, so bildet doch der Zusammenhang von V. 5f einen inhaltlich bedeutsamen Einschnitt im Kap. 31. Dies wird daran deutlich, dass V. 5 keine einzelne Sünde benennt, sondern mit dem Bekenntnis, dass Hiob nicht in   und auf  „gegangen“ ist, eher allgemein formuliert. Die Metaphorik des „Gehens“ für den Lebensweg kommt in der Hebräischen Bibel häufig vor.590 Die beiden Begriffe, die das Gehen charakterisieren, werden oft gebraucht, um die Falschheit von Aussagen, das Falschschwören und das Lügen zu bezeichnen.591 Im vorliegenden Kontext – am Anfang des Reinigungseides – weist ihr Gebrauch in dieser offenen Formulierung mit   darauf, dass die V. 5f die Richtigkeit der nachfolgenden Bekenntnisse bekräftigen. Die besondere Bedeutung von Hi 31,5f wird aber durch den an den Schwursatz angeschlossenen V. 6 deutlich. „... möge er mich mit der Waage der Gerechtigkeit wiegen. Und Gott wird wissen um meine Frömmigkeit!“ Inhaltlich scheint diese Folge des Schwursatzes aus dem Rahmen der nach588 Ähnlich Newsom, Job, 555, die allerdings keinen direkten Zusammenhang zum vorangehenden Schwur sieht, sondern zur gesamten vorangehenden Reihe. 589 Vgl. Oeming, Ethik der Spätzeit, 166. 590 Vgl. Strauß, Hiob, 216; grundsätzlich Zehnder, Wegmetaphorik, 473ff. 591 Zwar meint Strauß, Hiob, 216, dass   eher „Unwesentliches, Sinnloses, Nichtiges“ bezeichne, doch ist zu beachten, dass es neben  von  (Pi.) „betrügen“ doch radikaler konnotiert ist. Außerdem gibt es radikale Verwendungen von   bekanntlich im Dekalog Ex 20,7; Dtn 5,11; Dtn 5,20 (parallel zu  in Ex 20,16); vgl. Ex 23,1.

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folgenden Bekenntnisse herauszufallen, da die Formulierung positiv darauf zielt, dass Gott die Integrität, also die Frömmigkeit Hiobs, erkennen wird. Hier ist das Verständnis der Waage entscheidend. Diese stellt einen integralen Bestandteil der Metaphorik des Jenseitsgerichtes in Ägypten dar, an das auch die Schwurformeln des negativen Bekenntnisses Hiobs erinnern. Auf den Bezug von Hi 31 zur ägyptischen Vorstellung vom Totengericht weist schon G. Hölscher hin: „In feierlicher Form beteuert er die Untadeligkeit seines Lebenswandels. Das erinnert an das ägyptische Totenbuch und das Bekenntnis des Verstorbenen vor Osiris und den 42 Totenrichtern: ehe der Tote ‚die Halle der Wahrheit‘, in der jene thronen und in der das Herz des Neuangekommenen auf einer Waage gewogen wird (cf 31,6), betritt, muß er feierlich versichern, daß er sich von allen Sünden, die in langer Aufzählung genannt werden, frei wisse. Dasselbe tut Hiob hier, und zwar in Form feierlichsten Schwurs, wie dies dem Reinigungseid vor Gericht entspricht (cf Ex 22,9f Lv 5,22f).“592 Der überschriftartigen, aber formal dennoch der Form der Fortsetzung des Reinigungseides entsprechenden Formulierung der V. 5f kommt ein Signalcharakter für das Verständnis der nachfolgenden Schwursätze zu. Diese bilden als Gesamtgröße einen dem ägyptischen Jenseitsgericht entsprechenden Bekenntniszusammenhang. Dieser Bezug macht den existentiellen Charakter des Bekenntnisses deutlich, denn für Hiob geht es hier um Leben und Tod.593 Möglicherweise soll damit dem Leser die Beziehung zu den ägyptischen Vorstellungen deutlich vor Augen geführt werden. Sollte in den vorangehenden Versen Hi 31,1–4 tatsächlich eine sekundäre Voranstellung vorliegen, dann könnte sie diesen Bezug bewusst mit der Eröffnung   zu relativieren (oder stärker an andere Vorstellungen anzupassen) versucht haben. 592 Hölscher, Hiob, 79. Auf die Beziehungen weisen ebenfalls hin Humbert, Recherches, 91–96; Kuhl, Literarkritik, 292f.296; Leveque, Job I, 71–75; Müller, Hiobproblem, 91f; Hartley, Job, 407; Kunz, Mensch. Vgl. Fohrer, Hiob, 429, der die Szenerie durch die „Weisheitslehre vermittelt“ ansieht. Zum Totengericht und seiner Affinität zur Gerichtsszenerie siehe Assmann, Tod und Jenseits, 106f. Siehe jetzt auch den ausführlichen Vergleich zwischen Hi 31 und dem Totenbuch bei Kunz-Lübcke, Hiob. A. Kunz-Lübcke bietet in seinem Beitrag eine Übersicht über die inhaltliche Struktur (ebd., 263f). Außerdem sieht er anders als Fohrer, Hiob, 427f, und Hölscher, Hiob, 79, nicht 12 bzw. 14 Sünden aufgezählt, sondern „42 Beteuerungen“ (ebd. 267) und erkennt hierin eine Parallele zu den Anrufungen der 42 Totenrichter im Totenbuch (vgl. ebd., 272). Allerdings zählt Kunz-Lübcke (ebd., 267–269) eine ganze Reihe von Parallelismen und strophischen Doppelaussagen, um zu der hohen Zahl in Hi 31 zu gelangen, so dass die Parallelität, die ja inhaltlich ihre Grenzen hat, auch formal nicht überzeugen kann. 593 Vgl. Oeming, Begegnung mit Gott, 95. Oeming bezieht sich speziell auf Hi 31,35, doch gilt die Einschätzung für das gesamte Kapitel, dem das Bild von der Waage der Gerechtigkeit vorangestellt ist.

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Die Formulierung könnte deswegen bewusst unter Rückgriff auf Bundesschlussvorstellungen des Pentateuchs gebraucht worden sein.594 Das Kapitel folgt der an den -Sätzen ausgerichteten formalen Struktur. Insgesamt thematisiert es entsprechend die Integrität Hiobs unter der überschriftartigen Formulierung der V. 5f. Die konkreten Bekenntnisse des Reinigungseides V. 7–40a lassen sich in folgender Weise inhaltlich gliedern: Die V. 7f sind allgemein auf die Begehrlichkeit ausgerichtet. Es schließt sich V. 9–12 das Thema des Ehebruches an, das ausführlich mit Angaben zur Folge und einer Begründung versehen ist. In den V. 13–23 werden eventuelle Vorwürfe von sozialen Vergehen zurückgewiesen. Zunächst wird bekannt, dass die Rechte des Sklaven und der Magd nicht missachtet worden sind (V. 13–15). Es schließen sich (V. 16–18.19.20.21–23) vier Bekenntnisse an, die thematisch ineinander übergehen,595 und das Handeln für die personae miserae betreffen. In zwei Bekenntnissen (V. 24f) wird das Vertrauen auf den Reichtum thematisiert. In V. 26–28 wird bekannt, dass keine kultische Handlung für Sonne und Mond vollzogen worden ist. V. 28a bezeichnet hier das Ansehen des Lichtes (V. 26), also wohl der Sonne parallel zum Mond, und das Vollziehen einer Art von kultischer Verehrung (V. 27) 596 parallel zu V. 9ff597 als eine Sünde, die vor einen Richter gehört. Die Eröffnung der Rechtsfolge mit    stellt eine Verbindung zu V. 11b her (11b: 598      , 28a:       ), die inhaltlich in der Parallelität der Verführung des Herzens in beiden Kontexten begründet ist (9a:   ; 27a:    ).599 Dass die Gerichtswürdigkeit des Vergehens von Hi 31,26f in 28b zusätzlich begründet wird, liegt daran, dass eine solche religiöse Praxis (vielleicht im Bereich der persönlichen Religiosität) nicht unüblich gewe594 Fohrer, Hiob, 423, übersetzt „eine Abmachung traf ich mit meinen Augen“. Ein Bundesschluss zwischen Hiob und seinen Augen erscheint freilich inhaltlich als schwierige Konstruktion. Fohrer legt die Verwendung der Präposition auf einen Bund hin aus, den Hiob seinen Augen auferlegt. Eher hat man die Formulierung als Ausdruck einer Verpflichtung Hiobs, die dieser in Bezug auf seine Augen eingegangen ist, zu verstehen. Ähnlich sieht es auch Tur Sinai, Job, 435: „‚I made a covenant‘ here refers to a vow, not an oath.“ Dies spricht im Übrigen auch dafür, dass es sich bei V. 1–4 um eine Sondergröße handelt. 595 Hi 31,19.20 sind parallel und könnten gerade in dieser Parallelität auf Dtn 24,10–13 fußen. Man kann auch überlegen, ob V. 20 durch die Eröffnung mit   formal nicht eigenständig ist, sondern mit dem Vorangehenden formal stärker zusammengehört. Die Zuweisung der beiden Verse zu unterschiedlichen inhaltlichen Blöcken, wie sie Fohrer, Hiob, 436f, vornimmt, widerspricht der inhaltlichen Zusammengehörigkeit. 596 Vgl. Newsom, Job, 554. Zur Bedeutung des Verses siehe oben die Übersetzung. 597 Auffällig ist, dass   hier wie dort gebraucht wird. 598 So das Qere. 599 Kunz-Lübcke, Hiob, 269, sieht dagegen keinen expliziten Zusammenhang zwischen Hi 31,28 und dem vorangehenden Kontext.

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sen sein dürfte. Die Hiobdichtung befindet sich eindeutig auf „monotheistischem Boden“ und sieht ganz im dtr Sinne eine solche Handlung als Leugnung der Gottesbeziehung.600 „It is a betrayal of God and so deserving of punishment (cf. Josh 24:27; Deut 17,2–7).“601 Damit wird mit dem ausgeführten Bekenntnis V. 26–28 in Hi 31 auch der religiöse Bereich thematisiert. Nach Fohrer besteht zwischen V. 24f und 26–28 ein Zusammenhang. Hiob bekenne, dass er kein falsches Vertrauen in Reichtum und Aberglauben gesetzt habe.602 M.E. ist es nicht nötig, größere thematische Abschnitte über das hinaus, was offensichtlich zusammengehört, zusammenzustellen, da in Hi 31 ähnlich wie bei der Anordnung der Einzelgesetze in einem Gesetzeskorpus wohl jedes Bekenntnis seinen Eigenwert hat, die Stellung aber nicht immer kontextuell, sondern mitunter nur assoziativ begründet ist, wie z.B. im hinteren Teil des dtn Gesetzes. V. 29f thematisieren, dass Hiob sich nicht über das schlechte Ergehen seines Feindes gefreut hat und gegen ihn keinen Fluch (wörtlich: „zu fordern seine Seele durch eine Verwünschung“) gerichtet hat. V. 30 ist insofern interessant, als dies auch als Sünde des Gaumens ( steht dabei für den Mund) bezeichnet wird. Hier liegt eine thematische Beziehung zur Rahmenerzählung vor (Hi 1,22; 2,10b; 42,7f), wo ähnliches auf der Erzählebene über Hiob ausgesagt wird. Freilich geht es in Hi 31,29f um das Handeln dem Feind gegenüber, während die Rahmenverse Hiobs korrektes Sprechhandeln (bzw. sein Nicht-Fluchen) Gott gegenüber betreffen. Danach thematisiert Hi 31,31f in zwei parallelen Versen die Gastfreundlichkeit Hiobs. Daran schließt sich mit V. 33ff der bereits erwähnte Zusammenhang der verborgenen Sünden an. Dieser ist für die Gesamtinterpretation von Hi 31 relevant. Denn Hi 31,33 setzt, indem verheimlichte Schuld thematisiert wird, die Möglichkeit voraus, dass Hiob, die eine oder andere Verfehlung, die durch das vorangehende Bekenntnis nicht gedeckt ist, begangen haben könnte. Das Verbergen von Schuld wäre aber eine schwere Verfehlung, die sich Hiob in seinem vorangehenden Leben nicht zu Schulden kommen ließ. Es ist m.E. daher nicht sachgemäß, an dieser Stelle vorschnell den Konjunktiv für die Übersetzung zu wählen, „daß er seine Sünden nicht verheimlicht hätte, wenn er solche begangen hätte.“603 Denn gerade die Beziehung von Hi 31 zu der ägyptischen Vorstellung vom Jenseitsgericht macht deutlich, dass sich auch der fromme Beter Hiob an diesem Punkt nicht von anderen Menschen unterscheidet: Nach J. Assmann handelt es sich bei den 82 Verboten Vgl. zur Semantik von   (Pi.) Gesenius18, 538. Newsom, Job, 554. 602 Vgl. Fohrer, Hiob, 437. 603 Fohrer, Hiob, 441. 600 601

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des Totenbuches um eine Art Leitfaden für die Lebensführung.604 Im Totengericht selbst handelt es sich bei der Rezitation des Bekenntnisses um eine Reinigung: „Mit der Rezitation dieser Listen von Negationen – ‚Ich tat nicht x, ich tat nicht y‘ – reinigte sich der Tote von allen Belastungen, die ‚moralische Schadstoffe‘ darstellen und seine endgültige Vernichtung bewirken könnten. So betrat er die andere Welt in einem Zustand unvergänglicher Reinheit. Der Spruch im Totenbuch ist überschrieben: NN von allem Bösen reinigen, das er getan hat. Das Angesicht der Götter schauen. Da ist keine Rede von Unschuld und Reinheit. Niemand ist unschuldig. Worauf es ankommt, ist, ob jemand in der Lage ist, sich von seinen Sünden zu reinigen oder nicht.“605 Das Bekennen der Abwesenheit verborgener Sünden (Hi 31,33f) ist in der Bekenntnisreihe von besonderer Bedeutung. Denn in Bezug auf verborgene Sünden gibt es keine Beweise. Deshalb sind sie für Wohl und Wehe dessen, der hier unter den Reinigungseid gestellt wird, entscheidend. Dies scheint der Grund zu sein, dass die V. 35–37 an dieses Bekenntnis angeheftet werden. Dass es keine verborgenen Sünden gibt, kann Hiob nur selbst bekräftigen (  ). Da sich Hiob im Recht weiß, kann er Gott dazu auffordern, ihm auf seine Bekräftigung hin zu erwidern (   ), was bereits auf die Gottesreden vorausweist, wo diese Formulierung sowohl in der ersten Gottesrede als auch in der Antwort Hiobs darauf aufgegriffen wird (40,2:      , 40,5:      ), auch wenn es sich in Hi 31,35 noch nicht um das Schlusswort Hiobs handelt.606 Die Frage ist, wie die sich daran anschließende Formulierung     (V. 35b) zu verstehen ist:    35 Hier ist meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir!     Aber die Schrift, die mein Prozessgegner     geschrieben hat,   36 wahrlich, auf meine Schulter will ich sie nehmen         und wie eine Krone tragen.

Es gibt drei Möglichkeiten, den Zusammenhang zu verstehen. Es könnte sich erstens um eine parenthetisch durch den Satz     durchbrochene 604 Vgl. Assmann, Tod und Jenseits, 107f. Zur Konzeption der Ethik des Kapitels vgl. Oeming, Ethik der Spätzeit, 160–167. 605 Assmann, Tod und Jenseits, 106 (Hervorhebung im Original). 606 Der Aufforderung steht auch die formale Eröffnung der ersten (und zweiten) Gottesrede (vgl. auch Hi 40,1) mit  ...        gegenüber. Vgl. Oeming, Die Begegnung mit Gott, 98. Die Angabe des Gegenübers, an das sich die Jhwh-Rede richtet, stellt eine Besonderheit des Gottesredenkapitels gegenüber allen vorangehenden Reden dar.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

aphrastische Gegenüberstellung von Hiobs Bekräftigung mit einer Klageschrift handeln ( ...    „Siehe mein Zeichen und eine Schrift, ...“). Dies würde aber voraussetzen, dass Hiob Gott sozusagen beides gleichermaßen entgegen hält. Da Hiob nur Zugriff auf die eigenen Worte hat und Gott hier als Entscheidungsinstanz im Blick ist, ist dies unwahrscheinlich. Möglich wäre zweitens, dass eine stärkere Trennung zwischen    und dem Fortgang intendiert ist. Hier würde Gott aufgefordert, entweder auf ihn, Hiob, zu reagieren   oder auf jenen  hin, den ein Prozessgegner ( ) verfasst hat. Allerdings hätte  dann die Bedeutung „entscheiden“, und man müsste bei dem waw alternativen Sinn annehmen, was „Der Allmächtige erwidere mir, oder (der) Schrift, die mein Prozessgegner geschrieben hat!“ ergäbe. Die semantischen Probleme umgeht man drittens mit der Deutung, die F. Stier vorgeschlagen hat. Er fasst     als eine Pendenskonstruktion auf, die zu V. 36 gehört, und versteht die Kopula adversativ,607 was der Aussage des Ausdruckes und der Stellung im Kontext entspricht.608 Das Bekenntnis, keine Übertretungen verborgen zu haben, die mit Hiobs Beteuerung unterstrichen wird (  ), steht also in 31,35b einer möglichen Anklageschrift eines Prozessgegners gegenüber ( ). Entscheidend für das Verständnis dieser Anklageschrift und des möglichen Prozessgegners ist m.E., dass sie Hiobs Beteuerung (  ) und der an Gott gerichteten Aufforderung, ihr zu widersprechen (   ), direkt gegenübergestellt wird. Da Hiob im Hauptsatz (V. 36) darlegt, wie er mit der Klageschrift verfahren werde, geht es, auch wenn es sich um eine fiktive Klageschrift handeln mag, um konkrete Anschuldigungen,609 die entsprechend Hiobs Zeugnis nicht zutreffend sind. Da die Formulierung    am ehes607

Vgl. GK §154a, 506f. Vgl. Stier, Hiob, 329. Ebd., 153: „Doch die Schrift, die schriebe mein Kläger: Fürwahr, ich höb auf die Schulter sie mir, ich wände als Kranz sie mir um.“ 609 Anders Kunz-Lübcke, Hiob, 280, der jetzt vermutet, dass   sich auf einen Rechtsgegner bezieht, den es nicht gibt. Doch kann es auch Anschuldigungen geben, wenn eine Schuld nicht erkennbar ist (vgl. Hi 22,5–9.11–18). In dem Vers wird die Nichtexistenz des  nicht ausgesagt, wie Kunz-Lübcke annimmt. Man muss die ganze Schlussfolgerung also eher umkehren. Nicht „Der  existiert nicht, weil der   nicht existiert“ (ebd.), sondern da zumindest der  als mögliche Größe thematisiert wird, wird auch die Existenz des   in der Formulierung nicht bestritten. Auch wäre der Fortgang der Formulierung sinnlos, wenn tatsächlich die Nichtexistenz sowohl des  wie auch des   die eigentliche Intention wäre. Während man von einer möglichen, fiktiven Schrift aussagen kann, dass man sie sich um den Kopf winden würde, ist eine solche Aussage sinnlos, wenn man zuvor ihre Nichtexistenz thematisiert hat. Zuvor sah Kunz, Mensch, 239, in der Weise eine Beziehung zu den Vorstellungen im Totenbuch, als im Jenseitsgericht gegen den Verstorbenen „ein zu Lebzeiten ausgefochtener Rechtsstreit, der seine Schuld erweisen könnte, jetzt wieder aufgerollt werden würde“. – Dass es die Anklage608

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 29–31

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ten darauf weist, dass Hiob hier tatsächlich seine Worte schriftlich mit seinem Zeichen (das Taw findet sich inschriftlich oft zur Kennzeichnung des Eigentums610) bekräftigt,611 ist also schon an die schriftliche Aufzeichnung von Hiobs Worten gedacht. Hier scheint also die Fiktion einer Durchbrechung der direkten Kommunikation des Dialoges vorzuliegen, indem davon die Rede ist, dass Hiob seine soeben geäußerten Worte unterzeichnet. Dies war in ähnlicher Weise in Hi 19,23f der Fall, wo Hiob eine mögliche Verschriftung seiner Worte thematisiert hatte. Die fiktive Durchbrechung der Redesituation durch    stellt nun einen Zusammenhang zu dem  her, für den ausgesagt wird, dass er bereits geschrieben worden ist: Wir befinden uns mit Hi 31,35f am äußersten Ende der Dialogdichtung, in der zuvor von Hiobs Freunden immer konkretere Anschuldigungen gegen ihn vorgebracht worden sind. Wenn Hiob sich hier auf die eigenen Worte wie auf bereits Geschriebenes bezieht, liegt es nahe, dass er auch die vorangehenden Reden seiner Freunde in ähnlicher Weise thematisiert. Die Reden von Hiobs Freunden (= Gegnern) werden also hier als mögliche Klageschrift rezipiert.612 Die Freundesreden und darunter konkret die letzte Eliphasrede613 mit ihren Vorwürfen, die z.T. ein Pendant in den Bekenntnissen von Hi 31 haben, könnten also im Blick sein. Wenn sich Hi 31,35f konkret auf die Reihe in Hi 22,6–10 bezieht, dann dürften diese vor allem sozialrechtlichen Vorwürfe als im Sinne von Hi 31,33f verborgene Schuld in den Blick genommen sein. So wird deutlich, warum Hiob in V. 37 darauf abzielt, dem Prozessgegner die Zahl seiner Schritte, also wohl sein gesamtes Handeln, darzulegen. schrift Gottes ist (so vermuten z.B. Weiser, Hiob, 216; Fohrer, Hiob, 443), ist aufgrund des Nebeneinanders von     und des     nicht möglich. 610 Vgl. Fohrer, Hiob, 443. 611 Vgl. Stier, Hiob, 328; vgl. dazu weiter die Darstellung der Deutungsversuche bei Witte, Hiobs Zeichen, 723ff. Witte selbst schlägt vor, dass das  sich in Hi 31,35 auf ein Amulett mit Worten der Tora bezieht (vgl. ebd., 732) und vermutet von daher eine weiterreichende Intertextualität mit der Tora. Vgl. ebd., 742. Dafür verweist er neben Ez 9,4.6 und Gen 4,15 auf die Damaskusschrift (CD XIX 12), wo von einem „Zeichen der Zugehörigkeit zu Jahwe“ (ebd., 728) die Rede ist. Doch heißt es in Hi 31,35 eben   „mein Zeichen“. Hier liegt ein Bezug auf Hiob vor und nicht auf Gott. Es ist zu fragen, wie sich die Vorstellung eines Phylakterions und ein derartiger Bezug auf die Tora mit dem für die Hiobdichtung vorgestellten heidnischen Hiob vertragen soll. So auch Rechenmacher, taw, 175. Wittes These fußt auf der Annahme, dass Hi 31 den Dekalog als Referenztext habe (vgl. Witte, Hiobs Zeichen, 734ff). Zur Kritik siehe Rechenmacher, taw, 175–178. Die These der Abhängigkeit des Reinigungseides vom Dekalog geht auf Oeming, Hiob 31, bes. Übersicht: 367; Hiobs Monolog, 66ff, zurück. 612 Oeming, Ethik der Spätzeit, 166, sieht ebenfalls die Affinität zur Schriftlichkeit. 613 Dies erklärt das singularische  , das aber indeterminiert auch für die Angriffe der Freunde stehen kann.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Gott gegenüber muss er dies nicht. Gott steht der Reihe der Schwursätze insgesamt gegenüber. Er ist die Instanz, deren Entscheidung erwartet wird, und er wird hier auch schon zu einer Erwiderung auf Hiobs Bekräftigung aufgefordert. Dass an dieser Stelle die Form des Reinigungseides vorübergehend durchbrochen wird, hängt mit der Bedeutung des Themas der verborgenen Schuld zusammen. Gerade bei dem Thema von Anschuldigungen angesichts fehlender Beweise, ist das Eingreifen der Gottheit in besonderer Weise erforderlich. Der oft umgestellte Abschnitt Hi 31,38–40a thematisiert abschließend Vergehen beim Feldbau. Darauf folgt die Schlussformulierung    , mit der die Ebene der Hiobrede verlassen wird. Dieser formale Schlussstrich unter Hi 31 betont u.a. die inhaltliche Bedeutung des Kapitels.614 In der Nennung der Folge bei Falscheid im Falle des letzten Bekenntnisses V. 40a (Unkraut, Disteln), wie vorher auch schon in V. 8 (ein anderer soll ernten), V. 10 (die Frau soll einem anderen angehören) und letztlich auch mit der Ankündigung der körperlichen Leiden (Bruch von Schulter und Armgelenk; V. 20) zeigt sich, dass in Hi 31 eine andere Szenerie vorgestellt ist als im Rahmen, was aber durch die Verarbeitung einer Vorlage in Hi 31 zustande gekommen sein kann. Die Schlüsselfunktion der Herausforderungsrede wird darin deutlich, dass sie sich an eine ausführliche Kontrastierung von Hiobs einstigem Glück mit seinem Leid (Hi 29f) anschließt. Sie wird außerdem durch die Eröffnung mit dem Bild von der „Waage der Gerechtigkeit“ (V. 6) angezeigt. Die rhetorischen Fragen in Hi 31 versetzen Hiob in die Situation, Gott gegenübertreten zu können. Sie haben die Funktion, angesichts der Tatsache, dass Hiob sich keine schweren Sünden zu Schulden kommen lassen hat, Gott eine Erwiderung unmöglich zu machen. Eine persönliche Schuld Hiobs wird hier wie in den Freundesreden nicht gänzlich ausgeschlossen. Deren Relevanz aber für das Ergehen Hiobs wird durch das negative Schuldbekenntnis zurückgewiesen. Dabei soll Hi 31 vielleicht tatsächlich als Äquivalent zum ägyptischen Jenseitsgericht verstanden werden, nämlich als ein Akt, in dem sich Hiob „von allem Bösen reinig[t], das er getan hat“615. Sein Bekenntnis befähigt ihn, in die direkte Auseinandersetzung mit Gott zu gelangen. Damit hat Hi 31 eine ganz ähnliche Funktion wie das negative Bekenntnis im ägyptischen Jenseitsgericht, für das im Totenbuch als Zweck angegeben ist, den Verstorbenen zu befähigen, „das Angesicht der Götter 614 Oeming, Ethik der Spätzeit, überlegt aufgrund lexematischer Bezüge zwischen der Formulierung und der Herausforderungsrede, ob Hi 31,40b inhaltlich zu Kap. 31 gehört. 615 So die Überschrift im Totenbuch über den Bekenntnissen. Siehe dazu den Text in Anm. 616.

3. Die Kohärenzstruktur des Dialogteils – Hi 29–31

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[zu] schauen“616. Die Richtigkeit dieser Interpretation zeigt sich in der zweiten Antwort Hiobs, wo Hiob feststellt, dass er Gott mit seinem Auge gesehen hat (Hi 42,5b). Doch auch in der Dialogdichtung wird auf diesen Zusammenhang von Reinigung und Gottesbegegnung verwiesen. Denn es wird in den Klagen Hi 9,28 (     – „ich weiß, dass du mich nicht reinigen wirst“) und 10,13f eine nötige Reinigung Hiobs deutlich, und sein durchgängiges Beharren auf seiner Integrität wie in Hi 9,21 zielt über Hi 31 hinweg auf die Begegnung mit Gott. Es geht also auch in Kap. 31 wie in der Hiobdichtung vorher nicht um eine Sündlosigkeit Hiobs.617 Sündlosigkeit ist ein christliches Theologumenon, das biblisch und im Bereich des Judentums so nicht aufgeworfen und – wie sich zeigen wird – auch in der Rahmenerzählung nicht so vertreten wird. Doch offensichtlich ist es wie bei der Funktion des Totenbuches für die Gottesbeziehung relevant, dass sich das Leben Hiobs in Übereinstimmung mit einem der Gottesbeziehung entsprechenden Handeln befindet. Der Fromme führt ein integeres Leben. Kap. 31 hat Anteil an der Metaphorik des Totengerichts, wo diese Integrität ( ) auf der Waage gemessen wird. Hiob ist sich dem Ausgang dieses Wägevorganges bewusst, bei dem es nicht um den „Erweis der Unschuld“618 Hiobs, sondern darum geht, dass dieser sich in einer nicht durch schwere Sünden gefährdeten Gottesbeziehung befindet. In den Herausforderungsreden (Hi 29–31) ist die direkte Kontextbindung an die Freundesreden aufgegeben, wobei die Polemik gegen die Freunde implizit z.T. noch vorhanden ist. Formal besteht ein Zusammenhang zu den vorangehenden Abschnitten Hi 26 und 27f. Insgesamt handelt es sich um eine Rede, die von der Anrede und Auseinandersetzung mit den Freunden über einen Monolog hinweg in die direkte Anrede Gottes mündet. Die Dreiteilung der Herausforderungsreden fasst letztlich die Thematik der Hiobreden zusammen: Das einstige Glück und die einstige geachtete Stellung Hiobs (Hi 29) werden mit seinem Leid konfrontiert (Hi 30). Danach wendet sich Hiob in einem an das ägyptische Jenseitsgericht erinnernden Eid in der Zuversicht, dass seine Aussagen auf der Waage der Gerechtig616

Assmann, Tod und Jenseits, 106. Vgl. Sternberg-el Hotabi/Kammerzell/Ockinga, Totentexte, TUAT II, 512, „1Das, was zu sagen ist, wenn (man) in die Halle der vollständigen Wahrheit gelangt, gereinigt wird 2von allem Bösen, das man getan hat, und das Angesicht der Götter schaut.“ 617 Gegen Kunz-Lübcke, Hiob, 263, der von der „absolute[n] Sündlosigkeit“ Hiobs spricht. Vgl. ebd, 291. Dafür spricht auch nicht die theologiegeschichtlich relevante Tatsache, dass sich in Hi 31 eine Radikalisierung des Dekalogs nachvollziehen lässt. So Oeming, Hiob 31, 364–366. 618 U.a. gegen Fohrer, Hiob, 427.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

keit Bestand haben werden (Hi 31,6), direkt dem ihm bislang nicht antwortenden Gott zu. Der sog. Reinigungseid bekräftigt die Verweigerung Hiobs gegenüber den Freunden, auf dem Wege eines Schuldanerkenntnisses seine Situation im Gegenüber zur Gottheit wieder in Ordnung zu bringen und damit eine Erneuerung des Heilszustandes (Hi 29) zu erwirken. Die Reinigungsreden bilden die explizite Herausforderung Gottes, auf die nur der Tod Hiobs oder aber die Antwort Gottes folgen kann. Eine Beziehung zur Rahmenhandlung ergibt sich aufgrund von Hi 30,16–31 nicht. Überhaupt ergeben die Klagen in ihrer Allgemeinheit mit den im Rahmen erzählten Ereignissen keinen Zusammenhang. Auch ist das Milieu Hi 29–31 klar ein städtisches. Nirgends ist das deutlicher sichtbar als in Hi 29–31; Der Abschluss von Kap. 31 hat zwar die Landwirtschaft im Blick, doch tritt auch hier eine massive Diskrepanz zur Rahmenerzählung vor Augen. In Hi 31,35–37 wird beim Thema der verborgenen Sünden die Szenerie der Dialogdichtung durchbrochen. Wir sehen Hiob hier seinen Eid bereits im Gegenüber zu den schriftlich vorliegenden Anklagen der Freunde (oder eines Freundes) vielleicht mit besonderem Bezug auf Hi 22 formulieren. Auch dies zeigt, dass nicht nur eine andere Szenerie für die Hiobdichtung im Blick ist, als sie vom Rahmen vorgegeben wird, sondern dass schon ihre Abfassung sich auf einen längeren literarischen Diskussionsprozess bezieht.

4. Die kommunikative Struktur im Dialogteil In der Forschung wird in einer Reihe von Untersuchungen Kap. 3 nicht als eigentlicher Teil des Dialoges angesehen, da dies der formalen Struktur widerspreche, nach der immer eine Hiobrede auf eine Freundesrede folge.619 Dafür scheint zu sprechen, dass die vierte Hiobrede (Hi 12–14) vom Umfang, von der Struktur, aber auch vom Inhalt her eine deutliche Zäsur darstellt.620 Sie markiert das Ende des ersten Gesprächsganges, der zweite Gesprächsgang beginnt jedoch anders als der erste mit einer Eliphasrede. Das Fehlen einer Anrede in der ersten Hiobrede (Hi 3) auf der einen und der inhaltliche Rückbezug der ersten Eliphasrede (Hi 4f) auf Hi 3 auf der anderen Seite621 lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass zur Strukturierung des Dialogteils in Redegängen als Ausgangspunkt die eher monologische Hiobrede 619

Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 144f (Lit.). Siehe oben, 83. 621 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 145. Zum Rückbezug von Hi 4f siehe oben, 55. Ähnlich schätzt dies Hermisson, Notizen, 126, ein. Nach ihm hat die Klage Kap. 3 „ihr eigentliches Gegenstück in den Gottesreden“. 620

4. Die kommunikative Struktur im Dialogteil

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(Hi 3) hinzukommt.622 Offensichtlich lässt sich für die Struktur des Dialogteils nur folgendes festhalten: 1. Die Reden Hiobs und seiner Freunde wechseln einander ab, bis sich in Hi 27,1 eine weitere Hiobrede an Hiobs vorangehende Erwiderung auf die dritte Bildadrede anschließt, als würde nur die Zopharrede fehlen.623 2. Es lässt sich die übergreifende Tendenz feststellen, dass eine Hiobrede sich auf eine oder mehrere vorangehende Freundesreden bezieht, während sich eine Freundesrede jeweils auf eine oder mehrere vorangehende Hiobreden bezieht. Die beiden Punkte machen von vornherein deutlich, dass die inhaltliche Struktur nicht in der formalen Struktur aufgeht. So ist spürbar, dass die inhaltlichen Konnexionen der Reden weniger klar sind und auch nicht durchgängig vorliegen, wie die durch das Überschriftensystem formal vorgegebene Struktur dies erwarten lassen könnte.624 Bei einzelnen Reden fehlt der Bezug auf ein Gegenüber völlig, und es finden sich auch Kontextbindungen, die dem sonst üblichen Redefluss nicht entsprechen.625 Dem soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei steht die inhaltliche Ausrichtung der Reden auf die jeweiligen vorausgesetzten Gesprächspartner626 und ihre Anbindung an die jeweils vorangehenden Reden im Mittelpunkt. Dass die Reden im vorliegenden Text in der Regel aufeinander bezogen sind, hat J.E. Course anhand der Einführungsformulierungen der Reden nachgewiesen.627 Die vor allem auf der Basis einer lexematischen Untersuchung argumentierende Studie soll hier um den inhaltlichen Aspekt der Anredestruktur ergänzt werden. Ein wichtiger Aspekt der Verbindung zwischen den Reden stellen stereotype polemische Bezugnahmen dar. Diese sollen im Überblick dargestellt werden. In der folgenden Tabelle wird die generelle Ausrichtung der Reden dokumentiert. Besonders vermerkt werden die Polemik, die auf vorangehendes Reden des/der Sprecher(s) bezogen ist, und der Vorwurf einer angeblichen Unwissenheit der Vorredner. Nur auf Seiten Hiobs findet sich der ste622

Die formale Gliederung darf also nicht den inhaltlichen Zusammenhang in den Hintergrund drängen. Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 145. 623 Vgl. dazu die Übersicht über die formale Struktur oben, 31ff. 624 Vgl. oben, 31ff. 625 So fehlt in der achten Hiobrede (Hi 23f) ein Bezug auf die Freunde und auf Gott. Die zweite Bildadrede ist im Plural an eine gegnerische Partei gerichtet. 626 In der zweiten Spalte wird den formalen Merkmalen nachgegangen. Hier wird der Gebrauch der 2. Sg./Pl. (Perfekt, Imperfekt etc.), des Imperativs und der Interjektionen in kommunikativer Funktion aufgeführt. Bei letzterem gibt es mitunter Ermessensspielräume. In den Hiobreden findet sich mitunter ein rhetorischer Gebrauch von , der aber nicht direkt auf den Gesprächspartner ausgerichtet sein muss. Vgl. 9,11f. Zu beachten ist, dass die Zahl der Verse sich dadurch erhöht, dass mitunter die Anrede des Gegenübers auch für einen größeren Zusammenhang gilt. Vgl. Hi 9,30f. 627 Vgl. Course, Speech.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

reotype Vorwurf fehlender Barmherzigkeit bei den Gesprächspartnern und bei Gott, der hier ebenfalls vermerkt ist. Rede Hiob (1) – Hi 3 Eliphas (1) – Hi 4f Hiob (2) – Hi 6f

Bildad (1) – Hi 8 Hiob (3) – Hi 9f Zophar (1) – Hi 11 Hiob (4) – Hi 12–14

Eliphas (2) – Hi 15

Kontextbindung (Stellen)  Hiob: Hi 4,2–7.18; 5,1.17.19–27  Freunde: Hi 6,21–29  Gott: 7,7f.12.14.16–21    

Hiob: Hi 8,2.4–9.10.19–22 Gott: 9,28.31; 10,4–18.20 Hiob: Hi 11,3–8.13–19 Freunde: Hi 12,2–5.7f; 13,2. 4–13.17f  Gott: 13,21–27; 14,3.5f.13. 15–20  Hiob: Hi 15,4–13.15.17

Hiob (5) – Hi 16f

 

Bildad (2) – Hi 18



Hiob (6) – Hi 19

 

Zophar (2) – Hi 20 Hiob (7) – Hi 21

 

Eliphas (3) – Hi 22  Hiob (8) – Hi 23f Bildad (3) – Hi 25 Hiob (9) – Hi 26 Hiob (10) Hi 27

polemische Bezugnahme – vorheriges Reden: Hi 4,2 (?); 5,1 – fehlende Barmherzigkeit: Hi 6,14ff – vorheriges Reden: 6,25 – Aufforderung zum Reden: 6,24–27 – vorheriges Reden: Hi 8,2

– vorheriges Reden: Hi 11,2–7 – Kenntnisse der Vorredner: Hi 12,2f; indirekt: 12,12f (?) – vorheriges Reden: 12,4; 13,4f.12f – Kenntnisse der Vorredner: 13,2 – vorheriges Reden: Hi 15,2f.5f.12f – Kenntnisse des Vorredners: 15,9; indirekt: 15,10 Freunde: Hi 16,2–5; 17,10 – fehlende Barmherzigkeit: Hi Gott: 17,3f 16,2.20; indirekt: 16,10 – vorheriges Reden: 16,3; 17,2 – Kenntnisse der Vorredner: 17,10 gegnerische Partei (im Plu- – vorheriges Reden: Hi 18,2 ral): Hi 18,2f Hiob: 18,3f Freunde: Hi 19,2f.5–7. – vorheriges Reden: Hi 19,2f.28 21f.28f – fehlendes Erbarmen: 19,21f Hiob: Hi 20,4 – vorheriges Reden: Hi 20,2f Freunde: Hi 21,2f.5. – vorheriges Reden: Hi 21,2f.27 27–29.34 – fehlendes Erbarmen: 21,2.34 Hiob: Hi 22,3–7.9–13.15.21–30

 Hiob: Hi 25,5 (?)  Freund (Sg.!): Hi 26,2–4.14 – fehlendes Erbarmen: Hi 26,2  Freunde: Hi 27,5.11.12 – vorheriges Reden: Hi 27,5

Der Überblick führt die durchgängige Beobachtung der Analysen vor Augen, dass die Freundesreden in der Regel stärker auf ihr Gegenüber ausgerichtet sind als die Hiobreden. In der Regel wird Hiob von den Freunden am Anfang der jeweiligen Rede und meist auch am Ende direkt angesprochen. Mitunter wird die Anrede durchgängig beibehalten, wie bei der ersten Bildadrede (Hi 8), der ersten Zopharrede (Hi 11), der zweiten Eliphasrede (Hi 15) und der dritten Eliphasrede (Hi 22). Ausnahmen bilden die zweite

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und dritte Bildadrede. Bei Bildads zweiter Rede (Hi 18) findet sich in der Eröffnung das Problem einer pluralischen Kontextualisierung, die hinter Hiob eine Partei vermuten lässt und womöglich darauf zurückgeht, dass die Rede oder Teile von ihr einer Quelle entnommen sind. 628 In der dritten Bildadrede (Hi 25) fehlt eine Anrede vollständig. Das Problem könnte mit den literarischen Problemen des dritten Gesprächsganges überhaupt zusammenhängen.629 Die Hiobreden sind dagegen weniger auf die anwesenden Freunde ausgerichtet. Häufig sind sie am Anfang durch einen Bezug auf die Vorredner kontextualisiert. Dabei kommt es mitunter zu einer inhaltlichen Bezugnahme auf die vorangehende(n) Rede(n), ohne dass der/die Vorredner angesprochen ist/sind. Schon in der zweiten Hiobrede (Hi 6f) erfolgt eine Anrede der Freunde erst in Hi 6,21–29. Danach kommt es in der Rede in Hi 7,7–21 durchgängig zu einer zweiten Kontextualisierung, die von nun an die Reden Hiobs bestimmt. In den genannten Versen wird Gott direkt angesprochen.630 In der dritten Hiobrede Hi 9f fehlt eine direkte Anrede der Freunde überhaupt. Auch ein allgemeiner Rückbezug auf die vorangehende Rede findet sich in dieser Rede nicht. Demgegenüber richtet sie sich durchgängig an Gott. Die vierte Hiobrede (Hi 12–14) beginnt dann aber wieder mit einer direkten Anrede der Freunde (12,2f), in der deren Weisheit zurückgewiesen wird. Das Gleiche wiederholt sich in Kap. 13. Am Anfang werden die Freunde direkt angegriffen (13,1–17). Danach wechselt die Anrede zu Gott, der bis zum Ende von Kap. 14 angesprochen wird. In der fünften Hiobrede (Hi 16f) verhält es sich ebenfalls so, dass am Anfang noch die Freunde die Gesprächspartner Hiobs sind, danach folgt in Kap. 17 die Anrede Gottes. In den nachfolgenden Hiobreden fehlt sie aber wieder. So ist die sechste Hiobrede (Hi 19) ganz mit der Zurückweisung der Freundesreden beschäftigt, was in gleicher Weise in der siebten Rede (Hi 21) der Fall ist. In der achten Hiobrede (Hi 23f) fehlt – ähnlich wie in der ersten Rede – die direkte Anrede. Die neunte (Hi 26) ist nur am Anfang auf die Freunde bezogen. Die zehnte Hiobrede (Hi 27) richtet sich sporadisch an die Freun-

628 In dem Kapitel (Hi 18) wird Hiob im Plural angesprochen. Es ist die Frage, ob in der veränderten Anrede und der in dieser Rede ebenfalls generell schwächeren Kontextbindung eine andere kommunikative Funktion deutlich wird, die in die Vorgeschichte der Hiobdichtung führt. 629 Der Vergleich mit den anderen Bildadreden bringt Witte, Vom Leiden, 65, zu der Einschätzung, dass Hi 25 eine „Sondergröße“ ist. Denn Hi 8 und 18 hätten „eine eindeutige Eröffnung als Rede und einen eindeutigen Redeabschluß“. 630 So schon Jepsen, Hiob, 15: „Es ist ja rein formal für die Hiobreden bezeichnend, daß sie zumeist mit einer Anrede an die Freunde beginnen, aber dann oft übergehen in eine Anrede an Gott.“

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de, während eine direkte Anrede Gottes von der achten bis zehnten Rede fehlt.631 Eine polemische Bezugnahme durch Infragestellung der Autorität der Gesprächspartner (Kenntnisse) findet sich häufig in den Freundesreden, seltener in den Hiobreden. Auffällig ist, dass außer Hi 26 die Hiobreden immer an ein pluralisches Gegenüber und damit an die Freunde insgesamt gerichtet sind. Dies ist besonders in Hi 6f auffällig, da dort vorher nur Eliphas geredet hatte. Hier bestätigt sich die im Gegenüber von Hi 3 und Hi 12–14 gemachte Beobachtung, dass man den Inhalt des Dialogteils nicht schematisch anhand der Überschriften messen darf.632 Insgesamt intendieren die polemischen Bezugnahmen, die in Hi 8,2; 18,2; 19,2 mit der Frage erfolgen, wie lange das Reden der gegnerischen Partei noch zu hören sein werde, den Triumph der einen über die andere Partei, also Hiobs oder der Freunde. Dieser Aspekt ist im Auge zu behalten, denn er hat sein Pendant in der Struktur am Ende des dritten Gesprächsganges, und dies wird auch so in den Elihureden aufgegriffen.633 Der inhaltliche Befund entspricht dem formalen: Die Freundesreden sind häufig direkt an die vorangehende Hiobrede gebunden. Sie stellen explizite Erwiderungen dar. Dieser Eindruck drängt sich fast durchgehend bei den Freundesreden auf und zwar selbst dann, wenn das Thema mitunter – unbewusst oder, wie sich gezeigt hat, bewusst – nicht der eigentlichen Intention entsprechend getroffen wird. Die Hiobreden argumentieren demgegenüber thematisch freier. Ihre zweite Ausrichtung – auf Gott hin –, die aber mitunter auch fehlen kann, zeigt, dass es über die Auseinandersetzung mit den Freunden hinaus einen größeren Kommunikationszusammenhang gibt, in dem diese Reden stehen. Die Hiobreden zeigen sich so als Teil einer übergeordneten dialogischen Struktur. Die festgestellte Diskrepanz in der Position Hiobs Gott gegenüber, die zwischen Anklage und ausgedrückter Hoffnung schwankt, hat man als Teil dieser dialogischen Struktur aufzufassen. Dass 631 Die Abnahme expliziter kommunikativer Aussagen im Verlauf des Textes muss kein Hinweis auf eine sekundäre Abfassung bestimmter Teile sein. Denn bei einer durchgehenden Stilisierung ist dies in der Sache begründet, da der Leser/Hörer durch die vorangehenden Reden ja bereits über deren Ausrichtung unterrichtet ist. Dies begegnet ganz ähnlich im Drama. Z.B. sagt in Shakespeares Julius Caesar (1. Akt, 2. Szene), bei ihrer ersten Begegnung Caesar zu Antonius: „Come on my right hand, for this ear is deaf, And tell me truly what thou think’st of him“ (diese Anregung stammt von Frau Dr. S. Boden). Solche Aussagen werden am Anfang zwischen den Dialogpartnern gemacht, obwohl sie in einer realen Kommunikation überflüssig wären. An späterer Stelle der Handlung sind sie ebenfalls nicht mehr nötig. 632 Vgl. zur Zurückweisung der Argumente gegen die Ursprünglichkeit von Hi 3 Köhlmoos, Auge Gottes, 144f. Vgl. oben, 38.83. 633 Siehe dazu unten, 445ff.

4. Die kommunikative Struktur im Dialogteil

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Hiob von der Klage über Gott in die Anklage, aber auch in die artikulierte Hoffnung auf Gott wechselt, zeigt den übergreifenden Kommunikationszusammenhang, unter dem das Ganze steht.634 Dieser Befund zeigt, dass die Reden inhaltlich letztlich auf eine Auseinandersetzung mit der Gottheit zielen. Dem ordnen sich die Klageabschnitte zu, die nicht als Anrede Gottes formuliert sind: Sie sind oft indirekt auf die Gottheit bezogen (3. Sg. mask.), insbesondere wenn die Verlassenheit des Klagenden von der Gottheit thematisiert ist oder das Leid als direkter Angriff der Gottheit verstanden wird.

5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31) Die Hiobdichtung setzt mit einer Klage ein, in der der Todeswunsch des Leidenden breit ausformuliert wird. Der Grund dafür bleibt zunächst offen. Erst am Ende des dritten Kapitels werden einige Aspekte des Leidens genauer beschrieben. Wie bereits erwähnt, ist bei der Eröffnungsklage das Fehlen jeglicher Anrede auffällig. Dieses Faktum macht es schwierig, hier im formgeschichtlichen Sinne von einer Klage zu sprechen. Aus diesem Grunde resümiert J. Ebach, dass in dem Kapitel die Klage ins Leere gehe. 635 Das Fehlen der Anrede Gottes verwundert dabei freilich aus inhaltlichen Gründen nicht. Sie hängt mit der Betonung des Todeswunsches zusammen.636 In der Todesgefahr wäre die selbstverständliche637 Reaktion eine an die Gottheit gerichtete Bitte um Errettung.638 Diese wird ihr aber vorenthalten und stattdessen dezidiert der Wunsch nach dem Tode geäußert. Da die Klage eine Fülle von Formelementen aus Klageliedern enthält, dürfte die fehlende Anrede Gottes für den antiken Rezipienten allerdings auch Signalcharakter besessen haben. Wenn es in Hi 3 um den Vorwurf Hiobs geht, die Welt sei vom Chaos beherrscht,639 so hängt das formale Fehlen eines Gottesbezuges dort unmittelbar damit zusammen. 634 Kubina, Gottesreden, 146, weist darauf hin, „dass Gott als Gesprächspartner bereits in dem voraufgehenden Rededuell anwesend war“ (mit Verweis auf C. Westermann und G.v. Rad). Vgl. zuletzt Janowski, Gerechtigkeit, 9. 635 Vgl. Ebach, Hiob I, 49. 636 Vgl. Hermisson, Notizen, 127f.; Köhlmoos, Auge Gottes, 125. 637 Gunkel, Einleitung, 218, schreibt: „Das bedeutendste Stück der Klagelieder ist die Bitte. Sie ist das Herzstück der Gattung, begreiflich, da es das Bestreben des Beters ist, etwas von seinem Gott zu erlangen.“ Vgl. auch Schmidt, Glaube, 396f. 638 Diese Bitte wird auch später in der Dichtung nirgends direkt an die Gottheit gerichtet. Stattdessen führt die Argumentation direkt von der Klage zum Reinigungseid (Hi 31). Vgl. Hartley, From Lament, 97f.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Das Fehlen des Bezuges auf die anwesenden Freunde ergibt sich daraus, dass es sich bei Kap. 3 um die Eröffnungsklage handelt. In den späteren Hiobreden artikuliert Hiob immer wieder sein Recht zur Klage gegenüber den Freunden. Weiterhin sind die Freundesreden durchgängig stärker kontextuell auf die Hiobrede bezogen, so dass eine fehlende Kontextanbindung in Hi 3 auch formal keine Auffälligkeit darstellt. Die Überschrift in Hi 3,2 zeigt allerdings schon so viel, dass die Rede als Teil einer umfangreicheren Kommunikation gedacht ist,640 als Rede nämlich, die von Zuhörern gehört wird. Dies wird inhaltlich dadurch bestätigt, dass im Anschluss in der Eliphasrede auf sie reagiert wird. Die relative Kontextlosigkeit der ersten Rede und die pauschal gegen die Gottheit vorgetragenen Angriffe dienen dabei gleichzeitig dazu, die Pauschalität des Leidens, das im Zusammenhang mit der Person Hiobs dargestellt wird, abzubilden. Sie zeigen den paradigmatischen Charakter der in der Dichtung entfalteten Thematik in besonderer Weise. Die in Kap. 3 verwendete Motivsprache macht deutlich, dass die Hiobklage in individueller Perspektive (Tag der Zeugung/Geburt) die Schöpfung ablehnt, da sie vom Chaos bestimmt sei. Was die eigentliche Intention der Eröffnungsklage ist, wird im Zusammenhang von Hi 3 dort in besonderer Weise deutlich, wo die Gottheit genannt und damit für das beklagte Leiden verantwortlich gemacht wird. Die rhetorische Frage nach dem Sinn des Lebens angesichts des Leidens weist darauf hin, dass die Gottheit den an sie gerichteten Erwartungen nicht entspricht. Den Äußerungen des Leides – Hiobs Klage – wie er seine Rede selbst mehrfach (Hi 9,27; 21,4; 23,2: ; Hi 30,31:  und    im Gegenüber zu   und  ) bezeichnet, treten die Freunde mit einem besonderen Erklärungsmuster gegenüber: Gerechtigkeit bei den Menschen ist nicht Gerechtigkeit vor Gott. Es gibt eine Perspektivität der Gerechtigkeit, die in der Begrenztheit des Menschen begründet ist. Der Mensch kann nicht rein und gerecht sein.641 Bei dieser Erwiderung handelt es sich in der Tat um den Versuch, das Leid aus der Perspektive Gottes zu begründen. Die Freunde bieten dafür auch eine Lösung an: Wenn Hiob seine Schuld (sei es nun die in der Perspektivität der Gerechtigkeit begründete oder die konkrete Schuld) eingesteht, wird Gott Hiobs leidvolles Dasein in Heil wandeln. Die Freunde nehmen damit die vermeintliche Position Gottes ein und versuchen, für ihn zu argumentieren.642 Sie stehen sozusagen vor Gott und anstelle Gottes, der in den Dialogen immer wieder als verborgen bezeichnet wird, und suchen 639 Vgl. im Folgenden unten, 200, und die Auslegung des Gottesredenabschnittes unten, 189ff. 640 Vgl. zum Gebrauch der Wurzel  oben, 39f. 641 Siehe Hi 4,17; 15,14ff; 25,4–6 und die betreffenden Abschnitte der Analyse.

5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31)

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Hiob gegenüber das von Gott ausgehende Leid zu rechtfertigen. Auch interpretieren sie seinen Todeswunsch als Furcht vor dem Tod643 und suchen ihm durch die Zusage von Errettung bei Anerkenntnis seines im Allgemeinen Menschsein begründeten Schuldigseins Hoffnung zu machen. Damit zeigt sich unter der Hand, dass auch in den Dialogen ein vermeintlicher Diskurs zwischen Gott und Hiob stattfindet, – oder besser gesagt – dass ein Diskurs zwischen Hiob und einer bestimmten „Theologie“, die von den Freunden vertreten wird, stattfindet. Im Verlauf des ersten Gesprächsganges wird der implizite Vorwurf, dass die Gottheit für das Chaos verantwortlich ist, von Hiob insbesondere durch die von den Freunden aufgeworfene Perspektivproblematik, die Hiob rezipiert, zugespitzt. Der Gottheit wird dieses einerseits als Versagen andererseits als Unbarmherzigkeit entgegengehalten. Andererseits wird die Gottheit für das aus der Perspektivität für den Frommen resultierende Leid verantwortlich gemacht und direkt als Ursache des Bösen benannt. Gottes Handeln in der Welt erscheint Hiob nicht als planvoll, sondern als willkürlich, als würden der Gerechte und der Sünder gleichermaßen von Gott umgebracht werden. Der Fromme erfährt sich als von seinem Gott verlassen. Dieses Motiv zieht sich durch den gesamten Dialog hindurch. So beklagt Hiob, dass die Gottheit nicht hört und ihm nicht antwortet (Hi 9,16; 19,7; 23,3; 24,12; 30,20), oder die Gottheit wird aufgefordert, endlich zu antworten (13,22; 14,14; 31,35). Hiob beklagt, dass Gott ihm nicht gegenübertritt (Hi 9,11), hofft aber andererseits darauf, ihn zu sehen (19,27). Gleichzeitig wird beklagt, dass Gott auf Hiobs Sünde achtet und ihm, dem Frommen, diese nicht vergibt (7,17–21; 10,13–17; 13,23–28; 14,1–6). Gerade der letzte Punkt zeigt, dass die Verlassenheit durch die Gottheit und der zweite Vorwurf, dass die Gottheit direkt für das Unheil verantwortlich ist, in engem Zusammenhang miteinander stehen. In diesen Zusammenhang gehört der Vorwurf, dass Gott dem Leidenden den Tod vorenthält (3,20–26). Hiob empfindet Gott dabei als seinen Feind (16,7ff), der ihn krank und müde gemacht hat. Hierher gehört auch die häufig anzutreffende Kriegsmetaphorik wie z.B. in Hi 19,12. Hiob beschreibt sich als von Gott tödlich getroffen (6,4; 16,12; 19,21f). Der Mensch ist wie ein mythologisches Tier, gegen das Gott ankämpft (7,12). Der Gottlose wie der Frevler werden von ihm gleichermaßen vernichtet (9,22.29–31).

642 Ähnlich: van Hecke, Ich aber will, 388: „Die Freunde sprechen unrechtmäßigerweise an Gottes Stelle, sie vertreten Gottes Sache (13,7), während Ijob in unmittelbarer und unvermittelter Weise mit Gott sprechen und Gott selbst für sich sprechen lassen will.“ 643 Siehe oben, 48.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Der Todeswunsch644 des Klagenden begleitet die Zuspitzung des Vorwurfes, von der Gottheit verlassen zu sein (im Zusammenhang des Perspektivproblems). Er durchzieht nach dem dritten Kapitel den gesamten ersten Gesprächsgang.645 In Kap. 7 wird der Todeswunsch ausformuliert geäußert, so dass die Intention dieses Motivs besonders deutlich wird: Der Klagende weiß sich dem Tode nahe (7,7.16); er wünscht sich den Tod zwar auch als Ende der Schmerzen (7,15), vor allem aber richtet er den Tod als Ende seiner Existenz argumentativ gegen die Gottheit: Eine Reaktion auf die Klage werde nach Hiobs Tod zu spät kommen: 7,8b    „deine Augen (sind) auf mich (gerichtet), und ich bin nicht (mehr).“646 Verbunden wird dies mit der Erwartung einer Sündenvergebung. Wenn Gott dies nicht leistet, wird der Klagende gestorben und dann auch für die Gottheit nicht mehr erreichbar sein: „Und warum vergibst du mir nicht meine Verfehlung und lässt dahingehen meine Sünde, denn nun werde ich mich in den Staub legen, und wenn du mich suchst, werde ich nicht (mehr) sein.“ (Hi 7,21) Die Argumentation mit dem Tod des Leidenden zeigt, dass es sich bei der Reaktion Gottes, bei seiner Vergebung und Hilfe um so etwas wie eine Verpflichtung dem Frommen gegenüber handelt.647 Auf der Seite der Freunde tritt die Thematisierung des Perspektivproblems ab der ersten Rede des Zophar (Hi 11) zugunsten einer immer direkter werdenden Beschuldigung Hiobs, Verfehlungen auf sich geladen zu haben, zurück. Hiob wird nun dazu aufgefordert, seine Schuld einzugestehen. Dies wird besonders deutlich am Anfang des zweiten Redeganges. Hier verweist Eliphas (vielleicht im Rückgriff auf Hi 7,21648) darauf, dass Hiobs Reden Ausdruck seiner Sünde sei (     „denn deine Sünde lehrt deinen Mund“ – Hi 15,5a). Der Ton spitzt sich angesichts dessen weiter zu. 644

Auf die besondere Bedeutung des Todeswunsches in Hi 3–14 weist Köhlmoos, Auge Gottes, 125f, hin. Sie sieht ihn als mehrfach variiert an. Vgl. zum Motiv weiter Grimm, Leben. 645 Die Eliphasrede (Hi 4f) setzt sich mit Hiobs Todeswunsch auseinander. Danach begegnet er vor allem in 6,8–10; 7,15; 9,21; 10,1.18f. 646 Ebenfalls in diese Richtung geht jetzt auch Frevel, Todeswunsch, 39: „In diesem Kontext einer weisheitlichen Pragmatik ist auch der Todeswunsch Ijobs einzuordnen. [...] Der Wunsch nach dem Tod ist irreal und die Argumentation zielt gerade nicht auf eine dauerhafte Trennung Ijobs von Gott.“ Dies ergibt sich daraus, dass der Tod als gegenwärtig („Damoklesschwert“) gedacht ist (ebd., 26) und daraus, dass in dem Hiobbuch zugrundeliegenden Weltbild, Gott keinen Zugriff auf die Unterwelt hat. Vgl. ebd., 39f. Frevel resümiert: „Der Todeswunsch ist so rhetorisches Mittel im Kampf um das Leben und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit“ (ebd., 40). 647 Diese Funktionalisierung des Todeswunsches erklärt, warum daneben oft die Hoffnung auf das Leben artikuliert wird. So Crouch, Death and Closure, 158f. Vgl. Frevel, Todeswunsch, 39. 648 Vgl. oben, 95.

5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31)

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Alle Gesprächspartner weisen auf das Geschick des Sünders und auf den Zusammenhang von Leid und Sünde hin, während Hiob immer stärker auf seiner Schuldlosigkeit beharrt, bis dann im dritten Gesprächsgang – wiederum von Eliphas – konkrete Vorwürfe gegen Hiob laut werden (Hi 22). Die von Hiob festgehaltene Schuldlosigkeit darf dabei m.E. nicht absolut gesetzt werden. Ein Kohärenzproblem besteht nicht. Der Klagende ist sich des Perspektivproblems durchgängig bewusst, lediglich der immer radikaler werdende Vorwurf von Schuld lässt ihn auf seiner Position, die aus seiner Perspektive richtig ist, beharren. Dass die Perspektivität der Gerechtigkeit im Fortgang zunächst keine Rolle mehr spielt, hängt damit zusammen, dass die Freunde, aber auch Hiob das Problem des Leides nur noch aus jeweils der eigenen Perspektive in den Blick nehmen. Die Freunde argumentieren ausschließlich aus der vermeintlichen Perspektive Gottes, während Hiob aus der Perspektive des Leidenden ebenfalls zu immer vehementeren Aussagen kommt. Das Perspektivproblem wird dann am Ende des Dialoges (in Hi 25) wieder aufgegriffen, dort aber, um den Vorwurf Hiobs, der Zusammenhang von Frevel und Bestrafung sei für den Frommen nicht nachvollziehbar, abzuweisen.649 Der Zielpunkt dieser inhaltlichen Linie ist die Aussage Hiobs, dass die Freunde letztlich wie Gott dem Klagenden den Trost und die Hilfe vorenthalten.650 An dieser Stelle bestätigt sich ein weiteres Mal, dass die Freunde in der Auseinandersetzung mit Hiob innerhalb des Dialoges Gott vertreten, denn es sind die gleichen Vorwürfe, die den Freunden und Gott gemacht werden. Dem Klagenden gegenüber sind Angriffe eine falsche Reaktion. Hiob würde in der umgekehrten Situation tröstende Worte finden (Hi 16,5). Die Argumentation der Freunde wird dabei als falsche Parteinahme abqualifiziert (13,7–10).651 Hier deutet sich die im zweiten Redegang spürbare Wendung auf Seiten Hiobs bereits an. Hiob klagt Gott an, sieht ihn aber dennoch als Ziel seiner Bitten und hält den Freunden nun entgegen, dass Gott ihre falsche Parteinahme und Unbarmherzigkeit bestrafen werde. Diese Position erhält Hiob gegenüber den vehementer werdenden Angriffen der Freunde im zweiten Gesprächsgang aufrecht. Einerseits beklagt er sein Leid 649

Siehe oben, 144. Siehe oben, 60.100.125f.130.145. 651 An dieser Stelle findet sich innerhalb der Dichtung das Gleiche, was im Rahmen in Hi 42,7ff auch bei der Bewertung Hiobs und der Freunde von Seiten Gottes zum Ausdruck kommt. Denn dort ist die Sprechrichtung der Maßstab zur Bewertung der Reden im Dialogteil. Vgl. Oeming, Ziel, 135ff (ebd. 138f: „Gott lobt vielmehr die Sprechrichtung Hiobs, die innere Haltung, das Wissen darum, wohin und woher er zu denken hat: eine Rede zu Gott. Die Freunde werden umgekehrt nicht für das getadelt, was sie gesagt haben, sondern ihre Attitüde zu Gott ihre distanzierte ‚Pose‘ erregt Gottes Zorn“). 650

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

als ursächlich auf Gott zurückgehend, andererseits richtet er seine Hoffnung auch in der Auseinandersetzung mit den Freunden auf Gott. Man kann hier auf Hi 16 verweisen, wo in 16,6ff Hiobs Leiden direkt auf Gott zurückgeführt, dieser aber dann als gerechter Richter gegen seine Widersacher angesprochen wird (Hi 16,20f). Die Angriffe gegen die Gottheit werden dabei nicht schwächer, wenn der ihm nahe Tod, der aus der fehlenden Gottesnähe resultiert, mit Beziehungsmotiven (17,13f) untermalt wird, die z.T. auch für die Gottesbeziehung gebraucht werden:          (V. 14). Ähnliches findet sich in Hi 19 im Gegenüber von Aussagen über Gott als Angreifer (19,6ff) und in dem Verweis auf ihn als Erlöser (19,25), wobei die Zuversicht, dass Hiob Gott am Ende sehen werde (19,26), auf die Gottesreden verweist und die weitere Richtung der inhaltlichen Struktur in der Dichtung aufzeigt. In ähnlicher Weise kann man den letzten Gesprächsgang auslegen. Hier wird in Hi 23 von Hiob noch einmal das Perspektivproblem der Gerechtigkeit aus der Perspektive des Klagenden formuliert. Kein Gebot hat er übertreten, und doch muss er sich mit der Verurteilung durch Gott abfinden (23,12ff). Dennoch richtet er seine Hoffnung gleichzeitig auf Gott, der am Ende (24,23f) doch für die Bestrafung der Frevler (27,7–10.13–23) sorgen werde. Das Gegenüber Gottes, der Hiobs Leiden ignoriert und ihm als Feind begegnet, der aber zugleich auch als Retter, Beschützer und Rächer gegenüber seinen Widersachern angerufen wird, kann man als inneren Dialog innerhalb der Hiobreden beschreiben.652 Dem korrespondiert, dass der Leidende sich aufgrund des beklagten Perspektivproblems sowohl als gerecht, als aufrichtig und fromm, aber gleichzeitig auch als schuldig und der Vergebung bedürftig versteht. Man hat diese Entwicklung innerhalb der Reden als eine fortschreitende Hinwendung Hiobs zu Gott interpretiert.653 In der Tat wird in den Hiobreden ab dem zweiten Gesprächsgang Gott immer wieder zu einer Reaktion herausgefordert, oder er wird um eine Reaktion oder wenigstens um Benennung der Schuld gebeten.654 Entsprechend findet sich ab dem zweiten Gesprächsgang die Äußerung des Todeswunsches nicht mehr, was dessen gegen die Gottheit gerichtete Funktion deutlich unterstreicht. In den Herausforderungsreden Hiobs werden noch einmal früheres Glück und die Klage über sein gegenwärtiges Unglück einander gegenübergestellt. Der daran angebundene Reinigungseid unterstreicht, dass Hiob sich 652 Vgl. Hermisson, Notizen, 136, der klar darauf hinweist, dass „die Lösung nicht allein in den Hiobreden gefunden werden“ kann. 653 Vgl. Müller, Hiobs Freunde, 31ff; Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 337. 654 Siehe oben, 90. Vgl. Hermisson, Weisheit, 213.

5. Die inhaltliche Struktur und Intention des Dialogteils (Hi 3–31)

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keiner Schuld bewusst ist. Dies schließt aber nicht aus, sondern ein, dass er als Mensch nicht frei von Sünde sein kann. An diesem Punkt widerspricht Hiob nicht (wie auch nirgends vorher) der Argumentation der Freunde. Doch akzeptiert er das Vorhandensein irgendeiner Sünde, derer er sich nicht bewusst ist, nicht als angemessene Erklärung seines Leidens, sondern er hält der Gottheit seine Frömmigkeit, die einen integeren Lebenswandel einschließt, entgegen. Somit stellen die Bekenntnisse des Reinigungseides die Aufforderung an die Gottheit dar, ihn mit der Waage der Gerechtigkeit zu messen und wenn dies geschehen ist, ihm auf die laut gewordenen Vorwürfe zu antworten. Nach O. Keel sind es zwei konkrete Vorwürfe, die gegen Gott gerichtet werden, welche in den Gottesreden eine Beantwortung finden655: Gott lässt erstens das Chaos zu. Die Schöpfung ist daher durch und durch durchdrungen vom Chaos. Zweitens werde die Welt von Gott selbst angefeindet, Gott sei ein Frevler, der Gute und Böse gleichermaßen umbringt. Diese Vorwürfe werden aber im Zusammenhang der Extremposition des leidenden Frommen diskutiert. Dabei erfährt der Fromme den für sein Leiden verantwortlichen Gott als jemanden, der sich nicht greifen lässt und der ihm die Barmherzigkeit verweigert, und gleichzeitig als einen Angreifer, der ihn als Teil der von ihm angefeindeten Welt leiden lässt. Dennoch wird durch die Dialogdichtung hindurch von Hiob an der Beziehung zu Gott festgehalten, wobei in dem Streit mit den Freunden der Wunsch nach einer direkten Auseinandersetzung mit Gott entsteht.

6. Die Funktion der Freundesreden Wie festgestellt werden konnte, wird in den Freundesreden stärker kontextbezogen argumentiert als in den Hiobreden. Gleichzeitig sind die Freundesreden nicht so stark miteinander verzahnt wie die Hiobreden, die eine übergreifende Kohärenzstruktur bieten, die zur Herausforderung Gottes (Hi 31) führt. Die Freundesreden haben also eine auf die Hiobreden bezogene, rhetorische Funktion und befinden sich in einer starken Auseinandersetzung mit Hiob, was umgekehrt nicht in demselben Maße der Fall ist. Auffällig ist dabei, dass die Freundesreden keine grundsätzlich anderen Positionen vertreten, als dies in den Hiobreden der Fall ist. So propagieren sowohl die Hiobreden als auch die Freundesreden durchaus den traditionellen Zusammenhang von Tun und Ergehen (vgl. Hi 15,20ff; 18,5ff; 20,5ff mit Hi 27,8–10.13ff; 28,18ff). Auch in anderen Bereichen, wie beim Rückgriff auf die Schöpfungstheologie finden sich vergleichbare Positionen. Interessanter655

Vgl. zu den Belegen das Kapitel zu den Gottesreden unten, 189ff.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

weise wird mit der Darlegung der Perspektivität der Gerechtigkeit Gottes, dass das, was in Relation der Menschen zueinander als gerecht gilt, nicht gerecht vor Gott ist, ein wesentlicher Aspekt der Argumentation Hiobs ebenfalls erstmals in den Freundesreden vorgetragen. Das Perspektivproblem wird von den Freunden im ersten Redegang den Klagen Hiobs entgegengehalten, von Hiob dann aber nicht einfach zurückgewiesen, sondern selbst aufgegriffen und vertreten. Das Thema dient aus der Position der Freunde heraus dazu, Hiobs Unrecht zu beweisen. In den Hiobreden bildet es demgegenüber den Hintergrund für die Resignation des Klagenden. Die gleichen Argumente sind also in unterschiedlichen Situationen nicht nur von unterschiedlichem Gewicht, sie haben auch ein unterschiedliches Recht. Dem Leidenden und seinen Äußerungen gegenüber ist eine Argumentation mit der Perspektivität der Gerechtigkeit ebensowenig angebracht, wie die Unterstellung einer verborgenen Schuld. Diese Problematik wendet Hiob sowohl gegen die Freunde als auch gegen Gott. Gegenüber dem Leidenden ist allein der Trost und die Unterstützung angebracht, die ihm aber sowohl von den Freunden als auch von Gott versagt werden. Hier zeigt sich eine wesentliche Funktion der Freundesreden; denn diese nehmen als Widersacher Hiobs die vermeintliche Position Gottes ein. Dass ähnliche Positionen auf Seiten Hiobs wie auf Seiten der Freunde vorgetragen werden, kann man als Pendant zu dem in den Hiobreden festgestellten inneren Dialog auffassen: Die Freundesreden dienen damit der Retardierung und der Strukturierung der auf die Herausforderung Gottes zulaufenden Handlung, aber auch dazu, die Argumentation des Leidenden zu konturieren. Der Leidende hat ein besonderes Rederecht, ein Recht zur Argumentation, die Klage eine außerordentliche Berechtigung durch das Leid. Daneben werden die hinter den Freundesreden vorgestellten Freunde sukzessive zu Gegnern stilisiert, bleiben dabei aber gleichzeitig das Publikum für die Klage, Anklage und Herausforderung Gottes, was sie von Anfang an (ab Hi 3) waren.656 Dieser Aspekt steht in einem Zusammenhang mit einem überraschenden Vorwurf, den Hiob den Freunden macht. In Hi 13,7f wird ihnen Parteilichkeit zu Gunsten Gottes vorgeworfen. Faktisch handelt es sich dabei um eine zutreffende Beurteilung der Reden der Freunde. Dass Gott selbst zum Anwalt gegen eine solche „Parteilichkeit“ der Freunde für ihn gemacht wird, erscheint paradox, zeigt aber, dass es sich in Hi 3–31 um das Recht bestimmter theologischer Positionen in der Situation des Leidens handelt.657 Die Auseinandersetzung zwischen den Freunden und Hiob verleiht dem Dialog zugleich in besonderer Weise den Charakter einer 656

Vgl. z.B. Hi 13,17.

6. Die Funktion der Freundesreden

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Gerichtsrede.658 Denn die Freunde bringen stellvertretend für Gott gegen Hiob immer härtere Anklagen vor,659 während dieser sich zu verteidigen trachtet und Gott als Anwalt anruft. Alle diese Punkte zeigen, dass die Freundesreden eine ganz spezifische Funktion haben. Sie dienen der Profilierung einer Position, bei der es sich vermeintlich um die Position Gottes handelt, die Hiob zunächst selbst akzeptiert, sie dann aber aus einer anderen theologischen Position heraus beklagt und anklagt. So vertreten die Freunde Gott und beschuldigen Hiob anstelle Gottes, aber sie werden umgekehrt von Hiob ebenso angeklagt wie Gott für seine fehlende Barmherzigkeit und seinen fehlenden Trost. Es handelt sich bei dem Dialog mit ihnen also um eine stellvertretende Auseinandersetzung zwischen Hiob und Gott mit teilweise gerichtlichen Zügen.

7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob und Hiobs Reaktion auf sie (Hi 38,1–42,6) Im Folgenden kann die Diskussion um die Gottesreden nur angerissen werden. Im Mittelpunkt stehen aus ihnen diejenigen Aspekte, die für die Gesamtaussage der Hiobdichtung relevant sind. Die Herausforderungsreden660 Hiobs Hi 29–31 stehen sozusagen an der Schlüsselstelle zwischen den Dialogen und den durch die sekundäre Einfügung der Elihureden etwas nach hinten verschobenen Gottesreden. Die Elihureden (Hi 32–37) bilden dabei einen formalen und inhaltlichen (theologischen) Zusammenhang mit den Gottesreden.661 Im Prinzip leiten sie in der vorliegenden Struktur der Hiobdichtung zur Eröffnung des Dialoges zwischen Jhwh und Hiob über, der in Hi 38,1–42,6 vorliegt. Wie bereits festgestellt, kann nach der Herausforderung Gottes in Hi 31 eigentlich nur noch Gott selbst Hiob gegenübertreten.662 Die einzige Alternative, die auch Hiob erwogen hat (13,15), wäre sein Tod. Es ist nun oft darüber spekuliert worden, ob das, was Gott Hiob in den Gottesreden als Antworten gibt, eigentlich treffend auf die von Hiob erhobenen Vorwürfe reagiert. Mitunter wird eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen der Er657

Köhlmoos, Auge Gottes, 256f, sieht in der Dichtung die Akteure bestimmte Positionen vertreten, d.h. hinter der narrativen Struktur des persönlichen Konflikts wird die Diskrepanz theologischer Entwürfe als diskursive Struktur erkennbar. 658 Vgl. grundsätzlich Magdalene, Scales of Righteousness, 199ff. 659 Vgl. dazu oben, 182f. Magdalene, Scales of Righteousness, ebd., sieht Gott als Beklagten und die Freunde als seine Zeugen an. Vgl. zur Diskussion dieser These unten, 208f. 660 Zur Wahl der Definition vgl. Fohrer, Einleitung, 357. 661 So Fohrer, Einleitung, 357. 662 Vgl. oben, 174.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

wartung und dem Inhalt der Gottesrede festgestellt.663 Hier stellt sich die Frage, wie eigentlich eine suffiziente Antwort aussehen sollte, die Hiob gegeben werden könnte. Muss nicht das Hiobproblem im Prinzip für den Leidenden letztlich offen bleiben? Die einzige individuell-existentielle Antwort auf diese Frage wird im Dialogteil von Hiob zurückgewiesen: Es handelt sich um eine persönliche Schuld.664 Hiob lehnt eine persönliche Verantwortung für sein Ergehen mit einem entsprechenden Schuldanerkenntnis kategorisch ab, obwohl er mögliche Verfehlungen einräumt. Die Alternative dazu würde in einem Schuldeingeständnis der Gottheit bestehen, doch dürfte dies angesichts dessen, dass die Dichtung keinen Zweifel am Bestand und an der Realität der Gottesbeziehung lässt, bei der Abfassung nicht im Assoziationshorizont gestanden haben. Für die Frage, auf welche Problemlösung der Dialogteil hinausläuft, ist erstens entscheidend, dass der Gedankenfortschritt im Dialogteil auf die direkte Begegnung Hiobs mit Gott abzielt. So vollzieht sich in den Dialogen parallel zu der zunehmenden Entfremdung Hiobs von seinen Freunden und trotz seiner Vorwürfe gegen Gott eine wachsende Hinwendung zu ihm.665 Zweitens konnte festgestellt werden, dass im Dialogteil de facto schon ein – freilich vermeintlicher – Dialog zwischen Hiob und Gott geführt wird. Nach der Herausforderung Gottes durch Hiob in Hi 31 dürfte daher im Gottesredenabschnitt der „echte“ Dialog zwischen Hiob und Gott der inhaltliche Zielpunkt der Dialogdichtung sein, auf den alles ausgerichtet ist. Dies entspricht dem immer wieder von Hiob vorgebrachten Wunsch nach einer direkten Begegnung mit Gott. Im Gottesredenteil schließt sich damit ein inhaltlicher Bogen, der mit der persönlichen Erwartung des Leidenden zusammenhängt. Hiob, der leidende Fromme, bringt im Dialogteil den Vorwurf gegen die Gottheit vor, von dieser vernachlässigt zu werden; dabei wird aus seiner Sicht die Erwartung von Fürsorge, Schutz und Trost nicht erfüllt. Die Erwartung impliziert ein spezifisches Gottesbild, nach dem der Fromme aufgrund der Gottesbeziehung geradezu ein Anrecht auf das fürsorgende Handeln seines Gottes hat.666 663 Blenkinsopp, Sage, 54, drückt das folgendermaßen aus: „The answers do not, however, correspond to the expectations of either Job or the reader; in other words, there is nothing in the answers that has not already been said in the course of debate. There is no theoretical solution, only a demonstration of the Creator God, which confirms the existence of the problem rather than solving it.“ Vgl. dazu weiter die Diskussion über die moderne Sicht des Gottesredenabschnittes bei Oeming, Begegnung mit Gott, 100ff. 664 Vgl. oben, 174. 665 Vgl. Müller, Hiobs Freunde, 31ff; Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 337. 666 Vgl. die Diskussion des Zusammenhangs der Hiobdichtung mit der altorientalischen Vorwurfsdichtung unten, 204ff.

7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob

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Die Gottesreden stellen also zuallererst die Antwort Gottes auf die Aufforderung Hiobs dar, ihm gegenüberzutreten.667 Dieser Aspekt ist von großem Gewicht, denn auf die Hinwendung des Frommen zu Gott im Dialog und in den Herausforderungsreden668 reagieren die Gottesreden mit einer Akzeptanz der Forderung nach der Gottesbegegnung669 und drücken in eine kaum zu überbietende Gottesnähe aus.670 Konkret übertrifft das Gottesredenkapitel eine Fülle von Theophanieerzählungen in der Hebräischen Bibel, da sich Gott dem zuvor Klagenden und Anklagenden nicht nur nähert, er nicht nur überhaupt zu ihm spricht, sondern sich mit ihm in eine echte Auseinandersetzung begibt.671 Das wird am Anfang der Gottesrede deutlich.     (38,3a; 40,7a) dürfte dort eine Floskel sein, die den Ausgangspunkt eines Zweikampfes markiert. Es ist als Metapher verwendet, um deutlich zu machen, dass es im Folgenden zumindest formal um eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe geht.672 Es geht also um ein gleichberechtigtes Streitgespräch, zu dem Hiob in 38,3 und 40,7 aufgefordert wird. 673 Des Weiteren geht Gott in seinen Reden durchaus auf die Vorwürfe des Klagenden ein. Besonders wichtig ist, dass sich eine bleibende Kommunikation zwischen dem Frommen und Gott in Hi 42,4 andeutet,674 so dass in der 667

So auch Schifferdecker, Whirlwind, 122. In der Tendenz so schon Baumgärtel, Hiobdialog, 187f. 669 Dass es sich um eine Theophanie handelt, führt Engljähringer, Theologie, 161, aus. 670 So auch Illman, Did God Answer Job?, 283f. 671 Dem widerspricht die schöpfungstheologische Thematik der Gottesreden nicht, auch wenn diese scheinbar „unique in the Bible in its radical non-anthropocentricity“ (Schifferdecker, Whirlwind, 123) ist. Es handelt sich nicht um eine Abhandlung über die Schöpfung, sondern die Schöpfung wird konkret dem Leidenden präsentiert. Der Antwortcharakter liegt nicht jenseits des dialogischen Charakters der Gottesreden und des Hiobbuches insgesamt. Die Leiden sollen daher nicht einfach relativiert werden. Der Leidende soll sich nicht einfach als Kreatur „alongside the other creatures in the natural world“ (ebd.) ansehen. Der dialogische Charakter lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass Gottes Schöpfungsmacht wie auf die Schöpfung so auf Hiob konkret bezogen ist. Und Gottes ordnende Macht ist wie gegen das Chaos auch gegen Hiobs Leiden gerichtet. Daher kann sich Hiob auch als getröstet verstehen. 672 Vgl. Hartley, Job, 492; Kaiser/Mathys, Hiob, 87. Anders Köhlmoos, Auge Gottes, 334, die der Ansicht ist, dass Hiob hier seine Würde zurückerhalte: „Hiob soll Jhwh in voller Bekleidung entgegentreten, als Mann (), nicht als schwacher Mensch.“ Doch geht es in der Metapher nicht um die Bekleidung, sondern um die Rüstung zum Kampf. Vgl. Hamp,  , ThWAT II, 1009f. 673 Vgl. Engljähringer, Theologie, 164; Fischer, Spuren des Schöpfers, 164. 674 Nach van Oorschot, Gott, 191, setzt 42,4a die Kenntnis der Elihureden voraus.           (Hi 33,31),           (Hi 42,4). Doch die Aufforderung, der folgenden Rede (weiter) zuzuhören, dürfte zu den Konventionen im Streitgespräch gehören. Man muss hier nur Ps 50,7 und Spr 8,6 vergleichen. 668

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Aufforderung           „Höre, und ich werde reden, ich werde fragen, und du wirst mir Auskunft geben!“ die Szenerie der Hiobdichtung am Ende gerade nicht abgeschlossen ist, sondern Hiobs Gottesbegegnung die Hiobdichtung transzendiert. Freilich lässt die Struktur der „Antworten“ Gottes keinen Zweifel daran, dass ein Gefälle zwischen Gott und Hiob besteht. Denn es handelt sich um rhetorische Fragen, die Gott stellt, und „sowenig Ijob auf die Fragen antworten kann, sowenig vermag er die Imperative zu befolgen.“675 Diese Ironie zeigt ihm, dass er als Mensch in die Schranken der Schöpfung gewiesen ist, und führt ihm Gottes Macht vor Augen.676 Dennoch, dass Gott sich mit den Gottesreden in die Begegnung mit Hiob begibt und sich überhaupt auf seine Argumentation einlässt, zeigt, dass er die Fürsorgeforderung Hiobs akzeptiert. Er gibt sich so als der von Hiob angesprochene persönliche Gott zu erkennen. Die Reaktion Gottes dürfte daher auch ein Ende von Hiobs Leiden implizieren. Hiob selbst stellt ja in der Dialogdichtung die These auf, dass ihm die Gottesbegegnung zum Heil gereichen würde.677 Umgekehrt bestätigt sich dies in der Art und Weise, wie Gott in den Gottesreden reagiert: Er beschuldigt Hiob nicht, 678 er weist – anders als die Freunde – nicht auf das Perspektivproblem als Antwort auf Hiobs Fragen hin, beharrt also gegenüber dem Machtlosen nicht auf seiner Macht und Größe, sondern er verweist auf seinen tatsächlichen Umgang mit der Welt und seine Stellung zum Bösen. Damit wird durch Gott selbst die Art und Weise, wie die Freunde quasi stellvertretend für Gott argumentierten, konterkariert. Dabei bleibt weiter das Problem zu diskutieren, wie die Gottesreden sich inhaltlich überhaupt als Problemlösung verstehen lassen. Dazu ist es nötig, ihrer Argumentationsstruktur nachzugehen. Zunächst aber ist eine spezielle literarkritische Frage zu diskutieren.679 Eine literarische Beziehung liegt stattdessen zum Anfang der ersten und zweiten Gottesrede (38,3b; 40,7b) vor. Die Aufforderung Hi 42,4a reagiert auf Gottes Aufforderungen und eröffnet nun eine neue Kommunikationssituation. – Dagegen kommt Hi 33,31–33 auf die Aufforderungen Elihus an Hiob zurück, seiner Rede zuzuhören. Vgl. Newsom, Job, 571. – Gleichgültig, ob man 42,3f für sekundär hält oder nicht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Hi 33,31 auf Hi 42,4 Bezug nimmt, größer als umgekehrt. Dies ergibt sich daraus, dass die Elihureden (vgl. Hi 37,14ff) die Gottesreden nachahmen. Vgl. dazu Newsom, Job, 591. 675 Fischer, Heilendes Gespräch, 193f. 676 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 335. 677 Siehe Hi 13,15f; 19,25ff und oben, 88f.119. 678 „Auch Gott konfrontiert Ijob, allerdings – darin liegt der große Unterschied – nicht mit unberechtigten Vorwürfen“ (Fischer, Heilendes Gespräch, 193). 679 Die Arbeit kann die Literargeschichte der Gottesreden nur soweit diskutieren, wie es für die letzte Phase der Buchwerdung des Hiobbuches relevant ist.

7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob

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Die Auslegung des Gottesredenabschnitts (Hi 38,1–42,6) wird tangiert von der Frage, ob es sich ursprünglich nur um eine Rede gehandelt hat, oder ob die vorliegende Struktur ursprünglich ist. In der vorliegenden Form weist die Hiobdichtung zwei Gottesreden auf. Ansatzpunkt für die Thesen, die von einem literarischen Wachstum der Gottesreden ausgehen, ist ein literarisches Problem in Hiob 40,1ff.680 Dort folgen drei Redeeinleitungen aufeinander. Die in 40,1 eingeleitete Jhwh-Rede besteht nur aus dem Vers Hi 40,2, dem Parallelismus             „Will etwa mit dem Allmächtigen (der) Tadler streiten, der Gott zurechtweist, möge antworten!“ (V. 2). Dieses Problem könnte die LXX erkannt und daher die V. 1f getilgt haben, um den Übergang von der ersten zur zweiten Gottesrede zu vereinfachen.681 Es ist freilich die Frage, ob die dichte Aufeinanderfolge der Redeeinleitungen tatsächlich ein Kohärenzproblem darstellt.682 Zunächst ist in der Tat auffällig, dass sich Hi 40,1 von den beiden anderen Redeeinleitungen der Gottesreden in Hi 38,1 und 40,6 dadurch unterscheidet, dass die Adverbialbestimmung    fehlt.683 Beachtet man dies und blickt auf die Elihureden, wo ja in 34,1 und 35,1 auch mit der stereotypen Formulierung       Rede an Rede gefügt ist, aber am Anfang des Abschnittes in Hi 32,6 eine ausführlichere Redeeinleitung steht, so wird deutlich, dass gegenüber Hi 38,1 die Überschrift 40,1 als eine untergeordnete Redeeinleitung gedacht ist.684 Aufschluss über ihre Intention bietet der Inhalt der „Erwiderung“ Hiobs in Hi 40,4f:

680

Vgl. dazu zusammenfassend van Oorschot, Gott, 12f. So zuletzt Witte, Greek Book, 48. Fohrer, Hiob, 494, hält die beiden Verse für sekundär in MT eingefügt. S.E. ist 40,1 eine „redaktionelle Glosse“, während 40,2 „Hiob von Vorwürfen [...] entlasten“ solle. – Möglich wäre auch, dass es sich in MT um eine Hinzufügung handelt, die die Aufmerksamkeit für die nachfolgende Hiobrede erhöhen soll. Eine Klärung dieser Frage kann nur unter Berücksichtigung aller in der LXX des Buches Hiob sekundären Stellen erfolgen und hätte jeweils die Kontexte literarkritisch zu befragen. In Bezug auf Hi 31,1–4 ist dies geschehen. Siehe dazu oben, 165f (mit den Anm. 585 und 586). An der vorliegenden Stelle lässt sich die Sonderform der Redeeinleitung Hi 40,1 aufgrund einer besonderen Signalfunktion erklären. Bei 40,2 handelt es sich um die Aufforderung an Hiob, Gott zu erwidern, auf die Hiob in Hi 40,4f explizit verzichtet. Der Zusammenhang von 40,2.4f enthält keine Kohärenzprobleme, wie im Folgenden dargestellt wird. Er kann allerdings auch sekundär durch die Einfügung von 40,1f in Blick auf Hi 40,3–5 entstanden sein, doch gibt es dafür aufgrund des Kontextes von Hi 40,1ff allein keine Anhaltspunkte. Sollte sich MT an sehr vielen Stellen gegenüber LXX als sekundär erweisen und sich dort ähnliche inhaltliche Zuspitzungen ergeben, wäre im Rückschluss die sekundäre Abfassung von Hi 40,1f zu erwägen. 682 Van Oorschot, Gott, 10, sieht schon in der Grobgliederung des Gottesredenanschlusses „Fragen bezüglich seiner Integrität aufkommen“. 683 Van Oorschot, Gott, 12, spricht vom Fehlen „eines Verweis[es] auf eine Theophanie“. 684 Vgl. oben, 31. 681

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Siehe, ich bin gering. Was soll ich dir erwidern. Meine Hand habe ich auf meinen Mund gelegt. Einmal habe ich geredet, aber nicht werde ich erwidern und ein zweites Mal werde ich nicht hinzufügen.

In dieser Reaktion auf die Gottesrede drückt Hiob seinen Entschluss aus, seine Erwiderungen gegen Gott einzustellen. Dies zeigt der Gebrauch der Verben   (Hif.) und  . Hiob wird nicht (noch einmal – 5b  [Hif.])685 etwas entgegnen.686 Beachtet man dies und blickt von hier aus auf V. 2, so wird ein Zusammenhang offenkundig. Denn in Hi 40,2 reagiert Gott seinerseits auf Hiobs letzte Aufforderung in Hi 31,35. Gott fordert also sozusagen als Abschluss seiner ersten Rede Hiob seinerseits auf, ihm etwas zu entgegnen. Auf diese Aufforderung reagiert Hiob in 40,3–5, wobei er Bezug nimmt auf die Gottesrede und auf sein vorangehendes Reden. Beachtet man diese inhaltlichen Bezüge, stellt sich für die Redeeinleitung in 40,1 eine besondere Funktion heraus: Durch ihre gegenüber 38,1 reduzierte Form als geringere Zäsur erkennbar macht sie dem Leser deutlich, dass der nachfolgenden rhetorischen Frage und der Aufforderung Gottes an Hiob, seine Rede zu erwidern (V. 2), auf die ebenfalls keine Entgegnung mehr erwartet wird, eine Schlüsselfunktion innerhalb dem Gottesredenabschnitt zukommt. So wird dem Leser der direkte Zusammenhang zwischen 40,2 und 40,4f leichter erkennbar, gleichzeitig wird von Hi 40,2 der zusammenfassende Charakter in Bezug auf 38,1–39,30 herausgestellt.687 Der Zusammenhang von Hi 40,1f und Hi 40,4f zeigt also, dass Hi 40,1 ein literarisches Mittel ist, an dessen 685 Es ist m.E. signifikant, dass  (Hif.) neben den beiden Verben steht, die auf eine Kommunikation verweisen ( und  ). Immerhin werden mit der Formel       am Ende des Dialogteiles die Abschnitte Kap. 27f und Kap. 29–31 eröffnet. 686 Nach Köhlmoos, Auge Gottes, 69, widersprechen sich die beiden Antworten Hiobs: „In 40,5 kündigt Hiob sein Schweigen an; in 42,2–6 dagegen spricht er erneut.“ Diese Feststellung stimmt nur formal, nicht inhaltlich. Denn Hi 40,5 bezieht sich auf die Aufforderung Gottes in 40,2 („der Gott zurechtweist, möge antworten“), auf die hin Hiob sein gegen Gott gerichtetes Reden einstellt und nicht mehr weiter Erwiderungen vorträgt. Das heißt nicht, dass er im Folgenden nicht mehr reden wird. Außerdem ist im Sinne von 40,4f die letzte Rede Hiobs 42,2–6 ja gerade keine Erwiderung, sondern explizit ein Anerkennung Gottes. 687 Für das Verständnis von V. 2 ist der Bezug des Suffixes in 40,2b entscheidend. Für dieses lässt sich im direkten vorangehenden Kontext kein Bezugsnomen ausfindig machen. Daher dürfte es sich auf den gesamten vorangehenden Zusammenhang der Gottesrede beziehen. (Vgl. GK, §135p, 461.) In ähnlicher Weise findet sich dieses Phänomen mit  in Hab 2,11b (    ). Auch hier steht kein Bezugsnomen für das Suff. 3. Sg. fem., wohl aber liegt ein Bezug auf das Nomen  vor, auf das in der Formulierung     (Hab 2,10a) angespielt wird. 2,11b bezieht sich auf die vorangehenden Vorwürfe zurück. Wenn sich Hi 40,2 auf die vorangehende Gottesrede bezieht, kommt zusätzlich der Anfang der Gottesrede in den Blick. Diese wird in Hi 38,2 mit der Frage           eröffnet. Die ganze erste Gottesrede ist daher letztlich als Ausführung jener von Hiob verdunkelten  gedacht und kommt daher zusätzlich als Bezug für das Suffix 3. Sg. fem. in Hi 40,2b (     ) in Frage. Den Zusammenhang betonen Driver/ Gray, Job, 347: „Very effectively the speech closes as it opened (382f.) with a challenge“.

7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob

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Stelle in der direkten Kommunikation oder im mündlichen Vortrag ein Tonwechsel oder eine andersartige Hervorhebung des V. 2 treten könnte.688 Die Funktion von 40,2 ist es also, die vorangehende Gottesrede zusammenzufassen und eine Reaktion Hiobs zu evozieren (40,4f).689 Von J. van Oorschot wird nun allerdings an dem Zusammenhang zwischen Hi 38,2f und 40,2 problematisiert, dass in Hi 40,2 „mit der Frage nach Hiobs Herausforderung zum Rechtsstreit ein [...] neuer Aspekt ein[geführt]“ 690 werde. Dies zielt s.E. auf Hi 40,8–14,691 als ursprünglichen Schluss der einen ursprünglichen Gottesrede. Bei Hi 40,1.4f handle es sich um Hinzufügungen, die der Abfassung der zweiten Gottesrede geschuldet sind.692 Die Frage ist, ob der juridische Aspekt innerhalb von Hi 40,2 die literarkritische Umsetzung und Abtrennung von seinem jetzigen Kontext rechtfertigt. Zunächst ist zu beachten, dass der sog. juridische Aspekt in den Hiobreden immer wieder vorkam. Zu verweisen ist hier u.a. auf Hi 9,3; 13,3.6.15; 23,6f; 31,35, wo  und  in gleicher Konnotation wie in Hi 40,2 begegnen.693 In Hi 40,2 wird offenbar dieser Aspekt der Dialogdichtung rezipiert, indem in der Gottesrede Hiob als     bezeichnet wird. Hier wird also nicht ein neuer Aspekt eingeführt, sondern auf eine Information aus der vorangehenden Dichtung zurückgegriffen. Ist es also verwunderlich, dass am Ende der ersten Gottesrede, nachdem Gott seine  (Hi 38,2) aufgezeigt hat, unter Rückgriff auf Hiobs Forderung nach einer Auseinandersetzung mit Gott, jener nun noch einmal zur Erwiderung aufgefordert wird? Dass 40,2 dabei in der Tat nicht anders als der Abschluss einer Rede zu verstehen ist, zeigt die rhetorische Frage 40,2a. Denn eine Erwiderung Hiobs ist nach den Worten „Will etwa mit dem Allmächtigen (der) Tadler streiten?“ nicht zu erwarten, allerdings sehr wohl eine Hiobrede, denn Hiob wird in 40,2b explizit zum Reden aufgefordert. Entsprechend handelt es sich bei der kurzen Rede Hiobs in Hi 40,3–5 um die logische Entsprechung zu Hi 40,2, wenn Hiob hier – wie von ihm erwartet – auf eine Entgegnung verzichtet. Dass in Hi 40,8–14 wiederum juridische Terminologie verwendet wird, stellt kein Problem dar. Allerdings ist die Intention von Hi 40,8ff eine völlig andere als in Hi 40,2, so dass auch eine Umstellung von Hi 40,2 vor Hi 40,8–11 als nicht plausibel erscheint.694 Dies zeigt sich bereits daran, dass in Hi 40,8–14 das Vokabular, das in 40,2 und 40,4f vorkommt, gerade nicht verwendet wird. Hiob wird zum Antworten aufgefordert (V. 2). Darauf reagiert er in 40,4f mit der Aussage, dass er sich nicht weiter Gott widersetzen werde (  Hif.,  ). Hi 40,4f ist also zusammen mit Hi 40,2 eine Schlussmarkierung, die einen Bogen auf die Dichtung zurück schlägt. Hi 40,8–14 thematisiert demgegenüber gerade nicht das Erwidern Hiobs und damit die Attitüde, die seine Reden in der Dichtung prägte, sondern einen konkreten Vorwurf, den dieser gegen Gott vorgebracht hatte. Hiob habe Got-

688 Entsprechend könnte der Vers auch eine Hinzufügung sein, wie dies von O. Keel vorgeschlagen wird. Doch ist diese Annahme nicht notwendig, da dem Vers eine plausible rhetorische Funktion im Kontext zukommt. Vgl. Keel, Entgegnung, 40f. 689 So auch van Oorschot, Gott, 154. 690 Ebd., 154. 691 Vgl. ebd., 155. 692 Vgl. ebd., 157.180ff. 693 Newsom, Job, 613, sieht den Rückbezug auch und betont die Beziehung zu Hi 31,35–37. 694 Gegen van Oorschot, Gott, 157.

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tes  angegriffen und ihn selbst beschuldigt (  Hif.).695 Während in 40,2.4f Hiobs Aufforderung an Gott zu einer persönlichen Auseinandersetzung thematisiert wird, geht es in 40,8ff um die konkreten Vorwürfe gegen Gottes Handeln. Dieser Themenwechsel setzt aber Hiobs Reaktion in Hi 40,4f auf die erste Gottesrede voraus. Damit ist die Umstellung von V. 2 vor Hi 40,8ff ebensowenig gerechtfertigt wie die Emendation von Hiobs Verzichtserklärung, Gott zu widersprechen (40,4f). Für die Bestreitung des Gegenübers zweier Gottesreden mit je einer Reaktion Hiobs gibt es im Kontext von Hi 40,1ff keine plausiblen Gründe. Vielmehr scheint das Gegenüber zweier Gottesreden ein Grundprinzip des Gottesredenabschnittes zu sein, das dem dialogischen Charakter der Hiobdichtung insgesamt geschuldet sein dürfte.696

Die Gottesreden sind nicht nur mit einer stereotypen Eröffnungsformulierung überschrieben, die auch die anderen Reden aufweisen, sondern darüber hinaus auch mit einer Angabe des Gegenübers, wie dies auch bei den Antworten Hiobs auf die Gottesreden der Fall ist, und außerdem mit der Adverbialbestimmung   , mit der angegeben wird, woher die Gottesrede sich an Hiob richtet. Dadurch wird gleich in der Überschrift klargestellt, dass Jhwh seine Rede nicht an eine offene Hörerschaft richtet, 697 sondern dass sich Jhwh, der hier (abgesehen vom Prolog698) im Hiobbuch das erste Mal mit seinem Namen erwähnt wird, auf eine Antwort auf Hiob einlässt. Andererseits wird durch die Adverbialbestimmung eine Beziehung zu anderen Theophanieerzählungen hergestellt699 und auch auf Formulierungen im Dialogteil Bezug genommen, wo die Gottesbegegnung als Gefahr für Hiob erwähnt wurde (Hi 9,17; 13,15).700 Dieser Theophaniecharakter der Gottesreden wird an ihrem Ende in der zweiten Antwort Hiobs bestätigt, wo Hiob in Hi 42,5 mit    ausdrücklich deutlich macht, dass er Gott begegnet ist. Dass an dieser Stelle die Szenerie des Rahmens verlassen ist, ist offenkundig. Auch wenn Hi 31,35 mit der Aufforderung     die Herausforderungsreden nicht formal abschließt, bildet Hi 38,1 sozusagen das Pendant zu dieser Aufforderung,701 die in einer Reihe steht mit anderen an Gott gerichteten Forderungen, sich zu äußern: mit den Klagen über den sich nicht offenbaren wollenden Gott (Hi 9,16; 13,22; 14,15; 19,7; 30,20) und letztlich auch mit der Verweigerung der Bitte um Errettung (bes. Kap. 3) sowie mit der Weigerung, eine Schuld einzugstehen (passim). Auf der anderen Seite 695

Insbesondere für Hi 40,8 hat O. Keel plausibel gemacht, dass damit ein Bezug zu Hi 9,24 hergestellt werden soll, der von nun an die gesamte zweite Gottesrede prägt. 696 Vgl. unten, 204f. 697 Vgl. dazu auch Fohrer, Hiob, 498. 698 In 12,9 liegt aufgrund des verarbeiteten Materials oder einer Nähe zu Texten, in denen    vorkommt (bes. Jes 41,20), eine Ausnahme vor. Vgl. oben, 85. 699 Vgl. Fohrer, Hiob, 498. 700 Vgl. oben, 70f.88f. 701 Vgl. Oeming, Die Begegnung mit Gott, 98.

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scheint trotz der Resignation in den Reden Hiobs die Hoffnung durch, in deren Hintergrund frühere andere Gotteserfahrungen des Frommen stehen, was Hiob in Hi 12,4 als einstige Erhörung eines Gebetes oder einer Anrede an Gott formuliert. Gerade auch letztere Stelle wird in Hi 38,1 inhaltlich aufgegriffen. Die Gottesreden ordnen sich hier in eine Geschichte Hiobs mit seinem Gott ein, die durch das erfahrene Leid gebrochen, aber nicht zerbrochen ist. Die erste Gottesrede Hi 38,1–40,2702 beginnt mit einer durchaus ähnlich wie in der Dialogdichtung als polemisch anzusehenden Bezugnahme (38,2f), die aber die Polemik von Hi 13,19 aufgreift. Diese polemische Frage (     ) von Hiob dürfte im Hintergrund der rhetorischen Fragen der Gottesreden überhaupt stehen, was zu einer Ironisierung von Hiobs vorangehenden Angriffen führt.703 Dennoch ist die Polemik von Hi 38,2f in ihrer Intensität nicht mit den radikalen Aussagen, die in der Dialogdichtung gegen die Weisheit und gegen die Aussagen der gegnerischen Reden vorgebracht wurden, vergleichbar. Hiob hat den Plan Gottes704 ( ) mit Worten der Unwissenheit (  ) verdunkelt. Der Hauptteil wird mit V. 3 eingeleitet. Wie bereits festgestellt leitet V. 3a eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe ein. Danach folgt in V. 3b      die eigentliche Eröffnung, die die Form von erster Gottesrede und Hiobs Antwort vorwegnimmt.705 Hiob soll nach den Fragen Gottes seinerseits Gott belehren. Gott gibt damit die Möglichkeit zu einer erneuten Auseinandersetzung, deren Grundlage aber nun der ‚Input‘ der Gottesrede ist. Da es sich dabei allerdings um rhetorische Fragen und um Aufforderungen handelt, die Hiob nicht zu erfüllen imstande ist, kann Hiob nur mit der Entscheidung zu schweigen (Hi 40,4f) reagieren. Die vorgegebene Struktur macht noch einmal die Funktion von Hi 40,1f deutlich.706 Dem Leser wird hier noch einmal die anfängliche Aufforderung deutlich gemacht, damit er die Reaktion Hiobs im richtigen Licht sieht.

702

Zur Abgrenzung der beiden Gottesreden siehe oben, 193–195. Die Fragen billigen scheinbar Hiobs an Gott gerichtete Aufforderung zu antworten. Die rhetorischen Fragen fordern demgegenüber Hiob scheinbar wiederum zu einer Antwort heraus, machen eine solche aber gerade unmöglich. Insofern handelt es sich um Ironie, denn die Gottesreden bringen einen verdeckten Spott über Hiobs Herausforderungen vor. Zu den Formen der Ironie vgl. Willmes, Menschliches Schicksal, 22–30. 704 Hier vor der Eröffnung der schöpfungstheologischen Aussagen kann sich das Nomen nur im Sinne wie Spr 19,21 auf den Plan Gottes beziehen. Vgl. Fohrer, Hiob, 499. 705 Zur inhaltlichen Struktur siehe die Analyse von Oeming, Die Begegnung mit Gott, 98f. 706 Siehe oben, 193–195. 703

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Inhaltlich führt der Hauptteil der ersten Gottesrede mit seinen rhetorischen Fragen Hiob durch die Schöpfung (Hi 38,4–38).707 Dann wendet sich die Rede dem Wirken Gottes unter den Wildtieren zu (Hi 38,39–39,30). Hiobs Antwort (Hi 40,3–5), dass ihm keine Erwiderung mehr möglich ist und er offenbar angesichts der (rhetorischen) Fragen Gottes nur noch schweigen kann, macht deutlich, dass in der ersten Gottesrede durchaus eine suffiziente Antwort intendiert ist und alle modernen Deutungen, die diese Antwort als an der Frage vorbeigehend ansehen,708 die Intention des Textes nicht treffen können. In der zweiten Gottesrede ist das Konzept der rhetorischen Fragen stärker von Naturbeschreibungen durchbrochen. Nach der Thematisierung der Wildtiere in Hi 38,39ff werden jetzt Behemot und Leviatan sozusagen als Ziel und betonter Abschluss der Beschreibungen der Tierwelt dargestellt. Auch auf die zweite Gottesrede reagiert Hiob nur mit einer kurzen Antwort. Hatte er in Hi 40,3–5 seine Angriffe gegen Gott eingestellt und keine Erwiderung mehr vorgebracht, so konzediert er nun in Unkenntnis begründetes falsches Reden (40,3:            ).709 Der im Kontext nicht leicht verständliche V. 4 scheint ein Zitat aus dem Anfang der beiden Gottesreden zu enthalten.710 Doch unterscheidet sich die vorliegende Stelle dadurch, dass anstelle der die Auseinandersetzung eröffnenden Metapher nun die Bitte Hiobs steht, ihm zunächst zuzuhören. (Hi 38,3; 40,7)          (42,4)          

In Hi 42,4 fehlt die Konfrontation. Nach dem Eingeständnis des vorangehenden Verses kann es sich nur um eine Bitte Hiobs handeln. Was sich hier andeutet, ist eine weitere Kommunikation zwischen Hiob und seinem Gott, der ihm im Wettersturm begegnet ist. Die Richtigkeit dieser Interpretation zeigt sich im Fortgang. Hiob redet, indem er nun die ihm widerfahrene Gottesbegegnung lobt (40,5:        ). Der abschließende Vers (Hi 42,6) (      ) kann aufgrund der Konjunktion  „daher, darum“ in diesem Kontext nur als Schlusswort gelesen werden. Zu dem Vers hat zuletzt T. Krüger eine ausführliche semantische Analyse vorgelegt. Aufgrund einer Diskussion aller Belege der Wurzel   im Hiobbuch kommt er zu dem Ergebnis, dass Hiob mit   ausdrückt, dass er sich als getröstet empfindet.711 Entsprechend inter707

Vgl. Fischer, Spuren des Schöpfers, 163ff. Vgl. zu diesen Versuchen Oeming, Die Begegnung mit Gott, 101f. 709 Vgl. Müller, Altes und Neues, 302. 710 Vgl. Habel, Job, 578f. Hartley, Job, 536, ist der Ansicht, dass die Formulierung nur das Nachfolgende betonen wolle. 708

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pretiert Krüger den Abschluss   als einen Verweis auf Hiobs Leid, über das er sich als getröstet empfindet.712 Problematischer ist das Verständnis des ersten Halbverses (V. 6a), da  im Hiobbuch in unterschiedlichen Bedeutungen vorkommt.713 Krüger tendiert dazu, hierin Hiobs unmittelbar bevorstehendes Ende angekündigt zu sehen: „Therefore I will waste away, but I am comforted over dust and ashes“714 Er geht soweit, dass Hiob hier seinen Tod als Resultat der Gottesbegegnung sieht. „Job obviously shares the widespread opinion that a direct encounter with God (v. 5) will result in the death of a human being.“715 Diese Deutung scheint mir, obwohl Hiob eine solche Befürchtung an anderen Stellen äußert, nicht zutreffend zu sein. Denn in den Hiobreden dominiert die Hoffnung auf die Gottesbegegnung und die Erwartung dieser als Heilshandeln für Hiob. Es kommt hinzu, dass im vorangehenden Kontext die Erwartung seines Todes gerade nicht gedeckt ist und die dafür mit  gewählte Metapher zu schwach ist.716 M.E. muss es in V. 6a einen Zusammenhang mit dem zweiten Halbvers, aber auch mit dem vorangehenden Kontext geben. Wenn Hiob die Gottesreden als Tröstung angesichts seiner Situation versteht, ist das indirekt eine Aussage über seine Klagen und Vorwürfe. Diese sind nun gegenstandslos. In diese Richtung geht schon V. 3. Freilich wurde dort nur Hiobs begrenzter Verstand thematisiert. Wenn sich Hiob als getröstet empfindet, er die Konfrontation mit Gott einstellt und zugleich eine dauerhafte Kommmunikation mit Gott erbittet, dann fehlt am Schluss noch ein Widerruf, mit dem er sich von seinen Vorwürfen distanziert.   kann im Rückbezug auf die Gottesbegegnung und die Einsichten, die sie Hiob gebracht hat (  [!]), nur mit „daher verwerfe ich/gebe ich auf“ zu interpretieren sein.717 711

„I am comforted (or consoled)“ (Krüger, Did Job Repent?, 224). So auch schon van Wolde, Job 42,1–6, 249: „In all these cases [Stellen von   mit Personen als Subjekt, R.H]   points to a context in which one comforts oneself after a period of mourning. Therefore one can draw the conclusion that in 42,6   indicates that Job closes his period of mourning.“ 712 „‚[D]ust and ashes‘ do not refer to the place where job finds consolation, but to his misery for which he finds consolation“ (Krüger, Did Job Repent?, 224). 713 Vgl. ebd., 224f. 714 Ebd., 225. 715 Ebd. 716 Im Übrigen würde man eine umgekehrte Abfolge der Aspekte erwarten, dass Hiob sich als getröstet empfindet und nun in Ruhe sterben kann. 717 So auch Janowski, Gerechtigkeit Gottes, 13: „Darum habe ich (nun) kein Interesse (mehr daran) [...].“ In ähnlicher Bedeutung kommt das Verb im Qal übrigens in Hi 10,3 vor. In den Elihureden enthält Hi 34,33 eine ähnliche Aussage und dürfte Hi 42,2–6 im Blick haben. Der Vers ist als Erstauslegung ein Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt van Wolde, Job 42,1–6, 250. S.E. markiert der Vers

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Die Schlussbemerkung   erinnert damit zwar an die Schlussszene des Prologs, wo sich der aussätzige Hiob in der Asche befindet (      – Hi 2,8b). Doch meint sie im vorliegenden Kontext wohl nicht den Aufenthaltsort in der Asche, sondern ist als Metapher für Hiobs Leiden insgesamt zu verstehen. Im Rahmen befindet sich Hiob durch den Aussatz im Bereich des Todes, so dass eine als nicht möglich erscheint.718 Insgesamt lässt sich sagen, dass auch von der zweiten Hiobantwort her die Gottesreden inhaltlich als suffiziente Antwort auf Hiobs Fragen und als tröstliche Antwort auf seine Vorwürfe verstanden werden sollen. Hiob konzediert, dass die Gottesbegegnung ihn dazu gebracht hat, sich von seiner Position zu distanzieren und sich als getröstet zu verstehen. Wir hatten bereits festgestellt, dass die Gottesreden schon dadurch, dass – und wie – sie im Anschluss an die Dialogdichtung zustande kommen, auf der Beziehungsebene auf den Vorwurf gegen die Gottheit reagieren, den Frommen in Stich gelassen zu haben. O. Keel hat gezeigt, dass sie auch inhaltlich mit den materialen Anfragen Hiobs verbunden sind und Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Leides darstellen. Entsprechend ist sowohl die Einheit des Gottesredenabschnittes wie seine Doppelstruktur, die auch in sich als schlüssig angesehen werden kann,719 inhaltlich plausibel mit dem Dialogteil verbunden. O. Keel hat dabei nachgewiesen, dass es in der ersten Gottesrede primär um eine Abweisung von Hiobs Vorwurf geht, dass „die Welt von chaotischen Elementen durchsetzt“720 sei, gegen den der „Kosmos schaffende Gott (Ijob 38,4–38)“ und das Bild „vom ‚Herrn der Tiere‘“ gesetzt wird. Keel hat klargestellt, dass es sich um eine anachronistische Annahme handelt, wenn man erwartet, in den Gottesreden ein Bild von einer heil geschaffenen Welt vorzufinden. Stattdessen ist in der ersten Gottesrede die Herrschaft Gottes über die Schöpfung als dynamisch vorgestellt, als „Herrschaft über eine vitale, widerspenstige, wild sich wehrende Welt“. Die zweite Gottesrede richtet sich gegen den vehementen Angriff Hiobs in Hi 9,24.721 Dort geht es darum, dass Gott im Prinzip selbst ein Frevler einen Wechsel von einer alten zu einer neuen Haltung: „By  Job indicates that he turns away from the old and by   that he turns toward a new futur.“ Vgl. auch Habel, Job, 578: „I withdraw my case“. 718 Mitunter wird dies vermutet. Vgl. Muenchow, Dust and Dirt, 610; Kutsch, Trauerriten. Auch dies ließe sich nicht mit dem Rahmen verbinden, wo sich Hiob ja schon aussätzig in der Asche als Bereich des Todes befindet. 719 Vgl. Oeming, Begegnung, 97. 720 Keel, Entgegnung, 156 (ebenso die folgenden Zitate). 721 Vgl. ebd., 157.

7. Gottes Antworten auf die Herausforderung durch Hiob

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sei.722 Gott wird an dieser Stelle und an anderen Stellen die positive Haltung gegenüber der Schöpfung abgesprochen, so dass es als sachgemäß erscheint, dass sich die zweite Gottesrede gegen die Anklage richtet, „Jahwe sei böse“723. Die Rezeption der Bilder vom Nilpferd und Krokodil zeigen, dass Jhwh in der Rolle des Horus vorgestellt ist, der „unablässig das Böse vernichtet, das sich u.a. in Nilpferd und Krokodil verkörpert, die immer wieder überwunden werden, aber doch nie endgültig besiegt sind“724. Während es also in der ersten Gottesrede um die Beherrschung der Welt durch Gott geht,725 handelt die zweite Gottesrede von der Vernichtung des Bösen in der Welt.726 Damit argumentieren die beiden Gottesreden jeweils nach einem Denkmuster, das in der Umwelt Israels verbreitet ist. Interessant ist dabei, dass der Vorwurf, dass das Böse von Gott kommt, wohl aus der sich auf die Alleinverehrung Jhwhs zuspitzenden Religion Israels resultieren dürfte.727 Im Hintergrund des von Hiob vorgebrachten Vorwurfes steht eine Vorstellung, die wir explizit in Jes 45,7,728 aber z.B. auch in Hi 2,10 finden.729 Der Vorwurf wird damit entkräftet, dass dem Bösen Jhwh gegenüber eine begrenzte Macht und Realität in der Welt zugestanden wird. Die Antworten Hiobs auf die Reden Gottes signalisieren, dass sie für Hiob akzeptabel sind. In erster Linie aber dokumentieren sie die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und Hiob. Sie argumentieren also vor allem auf der Beziehungsebene; denn sie reagieren nicht mehr mit Argumenten, sondern nehmen die von Gott hergestellte Begegnung auf und halten an ihr fest. Schon auf die erste Gottesrede erwidert Hiob Gott nichts mehr: Er stellt nach der abschließenden als „rhetorisch“ anzusehenden Frage (Will etwa mit dem Allmächtigen [der] Tadler streiten“) und der Aufforderung, Gott noch einmal zu antworten („der Gott zurechtweist möge antworten“ [Hi 40,2]), seine Angriffe gegen Gott ein. Dies hat aber die Antwort Gottes nicht als solche bewirkt, sondern nur im Zusammenhang mit der 722

Siehe oben, 74. Keel, Entgegnung, 157. 724 Ebd. 725 Vgl. ebd., 156. 726 Vgl. ebd., 157. 727 Von Dietrich/Link, Die dunklen Seiten, 94 (vgl. ebd., 302ff), wird auf dieses grundsätzliche Problem des Monotheismus hingewiesen. M.E. muss an diesem Punkt O. Keels Einschätzung, dass „Ijobs Vorstellung“, „Gutes und Böses komme unmittelbar aus der Hand Jahwes (2 Sam 16,11; Ijob 2,10)“, „ein altes israelitisches Denkmodell darstellt“ (Keel, Entgegnung, 157), das von den Gottesreden abgelehnt werde, revidiert werden. 728 Auf das dahinter stehende Gottesbild, das auch in Jes 45,7 vorliegt, hat Oeming, Dialoge, 37, hingewiesen. 729 Keel, Entgegnung, 157, verweist neben Hi 2,10 (siehe unten, 216ff) auch auf 2 Sam 16,11. 723

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direkten Gottesbegegnung, die vielleicht von vornherein schon die Wiederherstellung Hiobs impliziert.730 Mögen die Antworten auch aus moderner Sicht defizitär sein,731 Hiob stellt dennoch seinen Widerspruch ein und akzeptiert sie. M.E. ist es kein Zufall, dass bei den Hiobreden unter Abzug der Äußerung, in der explizit festgestellt wird, dass sie keine „Erwiderung“ ist (   ), aber einschließlich Hiobs Schlussrede (Hi 42,1–6), in der er sich von seinem Reden distanziert und sich als getröstet empfindet, die Zwölfzahl seiner Reden erreicht wird. Die letzte Rede ist somit der Höhepunkt und Abschluss des Dialoges zwischen Gott und Hiob, wo sich die Veränderung, die die Gottesreden bei Hiob bewirkt haben, zeigen.732 In der zweiten Gottesrede wird der zweite Vorwurf Hiobs thematisiert, dass Gott für das Böse aktiv verantwortlich ist. Hiob antwortet auf diese Rede nicht mit einem Anerkenntnis von Schuld: Weder akzeptiert er, dass er wie jeder Mensch vor Gott schuldig ist (Perspektivität der Gerechtigkeit), noch bekennt er eine konkrete Schuld. Doch er nimmt hier auch ganz konkret den Vorwurf gegen Gott zurück, für das Böse direkt verantwortlich zu sein. Denn ganz parallel zu den Bildern vom Bösen, das Gott gegenübersteht, muss sich Hiob nun als jemand erkennen, der sich Gott aus Unkenntnis (V. 3) widersetzt hat. Dass Hiob diesen Vorwurf zurückzieht, muss wiederum als Hinweis darauf aufgefasst werden, dass der Verfasser auch den Zusammenhang der zweiten Gottesrede als plausible Antwort gegenüber dem Vorwurf, „Gott sei böse“, angesehen haben will. Auch damit ist die Ursache von Hiobs Leiden nicht geklärt. Dennoch macht die zweite Gottesrede deutlich, dass dieses Leiden nicht endlos sein kann, sondern dass Gott auch dem Leiden gegenüber letztlich das letzte Wort haben wird. Dies ist umso mehr die Aussage und der Zielpunkt der Dichtung, als in der Gestalt Hiobs ja kein Einzelschicksal, sondern ein auf die Spitze getriebenes Exempel figuriert ist, anhand dessen das Verhältnis der Gottheit zum Frommen grundsätzlich geklärt werden soll. 730 Dafür spricht der Zusammenhang mit der Löservorstellung in Hi 19,25ff. Vgl. Kessler, Ich weiß, 157f. Hiob ist sich in Hi 19,25–27 sicher, dass er Gott sehen werde. Da er dies mit der Hoffnung auf ihn als seinen Löser eröffnet, dürfte der Passus zunächst auf die Gottesreden zielen, die entsprechend die Wiederherstellung Hiobs bereits implizieren. Zwar sieht Kessler, Ich weiß, 154f, auch Bezüge zum Epilog, doch ist dessen Entsprechung zu Hi 19,25ff deutlich umgekehrt. Hi 19,25–27 zielt auf das Sehen Gottes als Endpunkt der Gottesbegegnung, und dies ist mit Hi 42,5b (!) erreicht. 731 Dies zeigt sich daran, dass die schöpfungstheologischen Argumentationen in den Freundesreden von Hiob zurückgewiesen werden. 732 Vgl. van Wolde, Job 42,1–6, 248ff. Ähnlich auch Kaiser, Leid und Gott, 61: „Daher hat sich Hiob schuldig gemacht, sich durch die hybride Rede der Freunde seinerseits zur Hybris verleiten lassen“.

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In den Gottesreden findet der Dialog zwischen Gott und Hiob statt, der in der Herausforderung durch Hiob vorbereitet wurde. Gleichzeitig stellen sie eine Antwort auf die Angriffe Hiobs gegen Gott dar. Ausgehend von dieser doppelten Zielposition der Gottesreden erweist sich die in der Dialogdichtung vorangehende Zurückweisung der Freundesreden durch Hiob als ein implizites „theologisches“ Urteil über deren Argumentation. Denn die Freunde finden nicht nur keine Erwähnung in den Gottesreden, sie werden in den Überschriften dezidiert von der Kommunikation zwischen Hiob und Gott ausgeschlossen. Dagegen, dass es sich in der dargestellten Weise um eine suffiziente Antwort handelt, hat K. Schmid Kritik vorgebracht. S.E. erscheinen die Gottesreden vom Prolog her gelesen in einem eigentümlichen Licht. „Das seitens Gottes vorgetragene Gefüge rhetorischer Fragen führt zwar eindrucksvoll dessen Souveränität vor Augen, doch es bleibt der bittere Nachgeschmack: Kann es sich diese Souveränität Gottes nicht leisten, Hiob den wahren Grund seines Leidens kundzutun?“733 Für Schmid zeigt sich in diesem Gegenüber der theologiekritische Ansatz des nach ihm am ehesten als einheitlich zu verstehenden Hiobbuches.734 „Man gewinnt den Eindruck, dass das Hiobbuch, vom Prolog her gelesen, wesentliche Merkmale einer negativen Theologie trägt. [...] Was oder wer Gott ist, das bleibt laut Hiobbuch den Menschen entzogen.“735 Für die Gottesreden würde eine solche Sicht es Buches bedeuten, dass die hier geschehene Theophanie nur ironisch verstanden werden soll. Doch da Gott sich mit ihm auf ‚Augenhöhe‘ trifft und sich Hiob hernach als getröstet versteht und die gegebenen Antworten als suffizient auffasst, kann das nicht deren Intention sein. Die Relecture der Gottesreden im Lichte des Prologes ist daher nur zu verstehen als ein gewichtiges Kohärenzproblem, das zwischen Rahmen und Dichtung existiert. Und letztlich lässt sich der Prolog auch im Einzelnen nicht mit den Gottesreden verbinden. Deren Manifestation von Gottes Souveränität über seine Schöpfung schließt ein Eingeständnis Gottes wie Hi 2,3b¹ ebenso aus wie einen himmlischen Hofstaat und ein Abgeben von Macht an den Satan. Eine vom Prolog her gelesene Parodie Gottes in Hi 38ff ist eine moderne Sicht, die die verbleibenden Kohärenzprobleme in einem literarisch gewachsenen Werk mit einer einheitlichen Intention erklären will. Mit dem Beginn der Kommunikation zwischen Hiob und Gott, die durch Gott eröffnet wird, markiert der Gottesredenabschnitt in erster Linie die Wiederherstellung der gestörten Beziehung zwischen Gott und Hiob. Die 733

Schmid, Hiobproblem, 26. Vgl. ebd. 735 Ebd., 31f. 734

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Anklage, die Hiob gegen Gott gerichtet hatte, dass dieser ihn im Stich lasse und nicht beachte, wird damit von Gott akzeptiert und auf der Beziehungsebene positiv beantwortet. Die beiden Gottesreden stellen gleichzeitig inhaltlich zwei Antworten dar, die auf die grundsätzlichen Vorwürfe Hiobs reagieren, erstens den Vorwurf, dass die Schöpfung vom Chaos bestimmt sei und Gott den Frommen in diesem Chaos leiden lasse, dass Gott also das Böse geschehen lasse – und zweitens den Vorwurf, dass Gott selbst aktiv für das Böse verantwortlich sei, dass er selbst gegen den Frommen angetreten sei, also der Gegner, bzw. der Feind des Frommen und daher selbst ein Frevler sei. Diese aus der mythologischen Argumentation der Gottesreden von O. Keel erhobenen Aussagen stehen mit einer Fülle von Texten im Dialogteil in einer Verbindung, wie oben bereits skizziert worden ist. Zentral sind für die Gottesreden dabei die Rückbezüge auf Hi 3 und Hi 9,24. Im Zusammenhang des Antwortcharakters der Gottesreden, der sich daran zeigt, dass Gott Hiob nicht beschuldigt, sondern sich als im Kampfe gegen das Böse befindlich darstellt, verstummt Hiob in seiner ersten Antwort. Da Gott die Absicht äußert, das Böse zu besiegen und zu vernichten, und bei alledem keine Beschuldigung und Infragestellung von Hiobs Frömmigkeit vorbringt, gesteht Hiob sein falsches Reden in seiner zweiten Antwort ein, distanziert sich davon und sieht sich als getröstet an.

8. Die Kohärenz der Dichtung Die Dichtung setzt mit Hiobs Klage ein. Danach wechseln die Freundesreden und die Antworten Hiobs einander ab. Daher bezeichnet man den ersten Teil der Dichtung sachgemäß als Dialog. Im letzten Teil der Dichtung stehen die beiden Gottesreden jeweils einer Antwort Hiobs gegenüber. In den sog. Herausforderungsreden (Hi 29–31) (und auch in den Elihureden) wechseln die Sprecher nicht ab. Oft werden diese Texte wie auch das Kap. 3 als Monologe bezeichnet. Dennoch ist den Herausforderungsreden (Hi 29–31) ein dialogisches Moment zu eigen. Sie stehen in einer direkten Beziehung zu den Gottesreden, indem sie die Reaktion Gottes herausfordern. Sie sind also Teil des übergreifenden dialogischen Konzeptes, dem der Dialog zwischen Hiob und Jhwh in den Gottesreden zugrundeliegt.736 736 Ähnlich verhält es sich bei den Elihureden. Ihnen ist ein dialogisches Moment zu eigen, da sie durchgängig auf die Hiobreden bezogen sind, sie aus ihnen zitieren und Hiob direkt ansprechen und ihn sogar zur Reaktion auffordern. Dass keine Reaktion Hiobs erfolgt, ergibt sich aus der speziellen Intention der Elihureden und der Absicht derer, die sie

8. Die Kohärenz der Dichtung

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In dieses dialogische Konzept fügt sich auch Hiobs Eröffnungsklage (Hi 3) nahtlos ein. Dieser Text ist direkt auf das Gegenüber der Gottheit bezogen. Auch wenn Gott hier nicht direkt angesprochen ist, erscheint er aufgrund der Leiderfahrung Hiobs als angeklagt. Das Publikum – die anwesenden Freunde – vertreten im folgenden Dialogteil die vermeintliche Position des angeklagten Gottes, daher ist der Dialogteil sachgemäß auch als stellvertretender Dialog zwischen Jhwh und Hiob zu bezeichnen. Dass am Ende Hiob allein redet, leitet über in den „echten“ Dialog zwischen Hiob und Gott. Die gesamte Hiobdichtung ist also von einem dialogischen Konzept geprägt.737 Alles läuft auf die Begegnung und direkte Kommunikation zwischen Jhwh und Hiob in Hi 38,1–42,6 zu. Dieses Faktum hat Gewicht für die geistesgeschichtliche Verortung der Hiobdichtung. Denn der durchgängig dialogische Stil, der immer auf die Gottheit ausgerichtet ist, zeigt, dass wir es mit einem Dokument von ausgeprägtem diskursiven Charakter zu tun haben. Im Hintergrund der Hiobdichtung dürfte also eine Kultur des theologischen Diskurses stehen. Doch was ist der konkrete Gegenstand dieses theologischen Diskurses? Welche Problematik verbindet die Teile der Hiobdichtung? Es handelt sich dabei nicht um das Problem der Gültigkeit des sog. Tun-Ergehen-Zusammenhanges, obwohl dieser selbst ein wesentliches Argument in der Auseinandersetzung mit den Freunden darstellt. Es handelt sich auch nicht um das theoretische Problem unschuldigen Leides und dahinter auch nicht allgemein um das Theodizeeproblem. Wie festgestellt werden konnte, bringt Hiob verschiedene Vorwürfe gegen Gott vor. Gleichzeitig wirft er ihm die Vernachlässigung seiner Person, eines Frommen, vor, gegen den Gott zur Fürsorge verpflichtet ist. Dabei wird eine intensive persönliche Gottesbeziehung deutlich, in der Hiob vorgestellt ist. Die Gottesreden bringen in beiderlei Hinsicht eine Klärung. Einerseits tritt der persönliche Gott in eine direkte Kommunikation mit dem klagenden und anklagenden Hiob ein und nimmt damit seine eingeklagte Rolle dem frommen Hiob gegenüber (wieder) ein, für den dies offenbar Heil bedeutet. Andererseits werden in diesem Zusammenhang Antworten gegeben, die Hiob dazu bewegen, seine Vorwürfe fallen zu lassen. direkt vor den Gottesreden in das Buch integriert haben. Vgl. dazu das Kapitel zur Einfügung der Elihureden unten, 445ff. Den Elihureden ist allerdings konzeptionell ebenfalls der dialogische Charakter zu eigen, indem in ihnen permanent ein „aktives“ Schweigen Hiobs vorausgesetzt ist. 737 Schon Newsom, Book, 17, stellt fest, dass in der Dichtung alle Teile der „dialogic nature of the composition“ folgen.

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Entsprechend bildet die Eröffnungsklage (Hi 3) und die zweite Reaktion Hiobs auf die Gottesreden Hi 42,1–6 eine Klammer um die gesamte Dichtung. Ausgehend von Hi 3 wird die Gottheit immer wieder mit dem Todeswunsch des Leidenden konfrontiert. Hier drückt sich das entscheidende Problem, mit dem sich die Hiobdichtung auseinandersetzt, in seiner Radikalität aus, indem deutlich gemacht wird, dass sich der Leidende von der Gottheit derart verlassen fühlt, dass er ihr die Anrufung mit der Bitte um Errettung versagt. Der persönliche Gott ist für den Leidenden nicht greifbar, die Beziehung zu ihm nicht real spürbar. Die Gottheit hat die in der Gottesbeziehung begründeten Erwartungen des Frommen nicht erfüllt. Am Ende kommt es dann doch zu der direkten Kommunikation zwischen der Gottheit und dem Leidenden. Die Gottheit lässt sich auf eine direkte Kommunikation ein, ohne den Frommen aufgrund seines Ansinnens zu beschuldigen. Einher geht diese Begegnung zwischen Hiob und Gott mit der Klärung der beiden Hauptvorwürfe, die der Fromme gegen Gott gerichtet hat.738 Daraufhin distanziert sich Hiob in Hi 42,1–6 von seinen Vorwürfen und erklärt sich als getröstet.739 Erst jetzt sind seine Klage und sein Aufbegehren zu ihrem Ziel gekommen. Denn er akzeptiert die Gottesbegegnung und die Gottesreden als Antwort.740 Gleichzeitig wird aber deutlich, dass Hiob nicht genötigt ist, die Antwort zu geben, die ihm von Seiten der Freunde permanent vorgegeben wurde: Denn er musste nicht um Gnade flehen, Gott gegenüber keine Schuld seines zurückliegenden Lebensweges bekennen (Hi 22,21ff). Dies ist nicht als Zeichen misszuverstehen, dass Hiob tatsächlich als schuldlos in die Kommunikation mit Gott eintritt. Nach der Konzeption der Dichtung ist er nicht sündlos. Die Dichtung ist stattdessen von einer Ambivalenz bei der Frage geprägt, ob Hiob irgendeiner Sünde schuldig ist oder nicht. So ist Hiob aufgrund der Perspektivität der Gerechtigkeit „schuldig“ wie jeder Mensch vor Gott schuldig sein muss, andererseits räumt Hiob in seinen Reden mehrfach eine mögliche konkrete Schuld ein. Doch dem Frommen steht im Rahmen der Fürsorge des persönlichen Gottes auch die Vergebung möglicher geringer Verfehlungen zu. Indem Gott sich auf die direkte Kommunikation mit Hiob einlässt, der ihn angeklagt hatte, akzeptiert er die Behaftung bei seiner Fürsorgepflicht durch Hiob. Gott ist für den Frommen aufgrund der Gottesbeziehung verantwortlich. Die letzte Hiobrede (42,1–6) macht dabei deutlich, dass die erreichte direkte Kommunikation zwischen Gott und Hiob, die dessen Position bestätigt, nicht zum Erliegen kommt, sondern weiter Bestand hat (Hi 42,4). 738

Vgl. oben, 200f. Vgl. oben, 202. 740 So z.B. auch Gibson, Evil, 414. 739

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Gleichzeitig wird das durch die Weisheit vermittelte Bild, das Hiob vorher von den Freunden vorgehalten wurde und das er selbst vertreten hatte, durch seine Gottesbegegnung relativiert (   ). Es ergibt sich die große inhaltliche Klammer, dass der Todeswunsch und die Weigerung Hiobs, die Gottheit um Rettung anzuflehen, der Gottesbegegnung und der dauerhaften Kommunikation Hiobs, also offenbar der bleibenden Gottesgemeinschaft gegenüberstehen. Es sind die beiden Antworten auf die aufgeworfenen Probleme, die Hiob letztlich überzeugen und zu einer Zurücknahme seines Vorwurfes bringen. So hatte Hiob ausgehend von Kap. 3 den radikalen Vorwurf gegen die Gottheit gerichtet, dass die Welt dem Chaos unterworfen sei und Gott nicht dagegen vorgehe. Die Freunde erwidern Hiob darauf mit einem Verweis auf die Perspektivität der Gerechtigkeit, was dieser zurückweist, indem er ihr Argument gegen die Gottheit richtet. Die immer härter werdenden Vorwürfe seitens der Freunde, dass Hiob selbst Schuld auf sich geladen haben müsse, beantwortet er mit dem Vorwurf, dass Gott selbst direkt schuldig am Zustand der Welt sei, indem er ihn als Frevler bezeichnet. Außerdem reagiert Hiob auf die weiterhin sich verschärfenden Vorwürfe der Freunde mit der Beteuerung seiner Unschuld und Frömmigkeit bis hin zum Reinigungseid von Kap. 31 und stellt den Freunden seinerseits eine Bestrafung in Aussicht. Auch der Grundvorwurf, dass die Gottheit ihre Fürsorge verweigert, wird im Dialogteil stellvertretend zwischen Hiob und den Freunden behandelt. Diese nehmen dort die vermeintliche Position Gottes ein und argumentieren aus dessen Perspektive. Der dialogische Charakter dient hier der Konturierung des Themas, zeigt aber zugleich auf, dass in der Situation des Leids und dem Leidenden gegenüber ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, was aber von den Freunden nicht geleistet wird.741 Im Hintergrund dürfte dabei die Diskussion um das Recht einer bestimmten Art von Theologie stehen, die im Leid gerade nicht eine Antwort Gottes auf eine Schuld sieht.742 Zugleich wird als Antwort auf das Leid die Klage und Anklage für legitim gehalten, ohne dass vom Leidenden ein Schuldanerkenntnis verlangt wird. Die in diesem Zusammenhang in der Dichtung aufgeworfenen Argumente und die in der Auseinandersetzung mit Hiob vorgebrachten Themen werden dabei nicht negiert. Hiob rezipiert die Argumentation der Freundesreden an zentraler Stelle. So vertritt er ebenfalls das Perspektivproblem der 741 Ähnliches vermutet Newsom, Job, 547, bei der Kommentierung von Hi 29: „[I]t appears that Job states a general moral principle that one does not answer a person in distress with violence.“ 742 Vgl. dazu unten, 212ff.

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Gerechtigkeit und die Position, dass die intakte Gottesbeziehung Heilsbedeutung für den Frommen hat, auch wenn er beides gegen Gott wendet und Gott Grausamkeit und Unbarmherzigkeit dem Leidenden gegenüber vorwirft. Letztendlich führt Hiob zwar gegen Gott ins Feld, dass dieser den Zusammenhang von Tun und Ergehen umgekehrt habe; dennoch hofft er – ja besteht er – auf der Gültigkeit dieses Prinzips.743 Dem Frommen gebührt von Seiten der Gottheit wie von Seiten der Menschen Barmherzigkeit und Unterstützung. Da es dabei um theologische Themen geht, wird einer bestimmten theologischen Argumentation in einer bestimmten Situation das Recht entzogen – der Erklärung des Leides aufgrund einer Schuld des Leidenden.

9. Juridische Metaphorik, Bezug zum Deuteronomismus und die Struktur der Hiobdichtung Bei der Untersuchung der Dichtung sind immer wieder Begriffe und Vorstellungen aufgetaucht, die in den juridischen Bereich gehören. Dies hatte H. Richter dazu bewogen, die Hiobdichtung vor dem Hintergrund des „israelitischen Rechtslebens“ zu sehen.744 Dabei setzte er die Dichtung deutlich vom Rahmen ab und sah den Ausgangspunkt in Hi 3. 745 Die Freundesreden verstand Richter als Schlichtungsversuche. Den ersten Gesprächsgang interpretierte er als außergerichtliche und die nachfolgenden Reden als gerichtliche Schlichtungen. Einen Höhepunkt stellt in seiner Sicht Eliphas’ Anklage dar (Hi 22).746 Überraschend sah Richter schon in Hi 27 Hiobs Beweisführung gegen die Beschuldigung.747 Eine Retardierung stellt Kap. 31 mit dem Reinigungseid dar, der einerseits ein weiteres Mal den Beweis für Hiobs Un743 Hier bestätigt sich, was Reventlow, Tradition, 291, bei der Analyse des dritten Gesprächsganges festgestellt hat. Hiob und die Freunde vertreten die gleiche Theologie aus unterschiedlichen Positionen. „Denn Hiob verkörpert die Idealgestalt des frommen Beters, der im Klagelied sein Grundanliegen vor Gott bringt. Dieses Grundanliegen basiert auf den gleichen Voraussetzungen, die auch von den Weisheitslehrern vertreten werden: daß nämlich dem Gerechten ein seinem Verhalten entsprechendes Wohlergehen im Leben zustehe. Die Klage aber wird laut aus der Differenzerfahrung heraus: daß die Wirklichkeit anders aussieht“ (ebd., 291f). 744 Vgl. Richter, Studien, 31–58, wo Richter die relevanten Aspekte des israelitischen Gerichtswesens aus den biblischen Quellen systematisiert. Dies wurde mit dem Argument zurückgewiesen, dass sich die Elemente der Hiobdichtung nicht auf eine Gattung reduzieren lassen. Vgl. dazu Fohrer, Form, 76f.; Köhlmoos, Auge Gottes, 18ff. 745 Vgl. Richter, Studien, 60. 746 Vgl. ebd., 95ff. 747 Vgl. ebd., 101ff.

9. Juridische Metaphorik und die Struktur der Hiobdichtung

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schuld liefert und zugleich ein Gottesurteilsverfahren einleitet, das dann unterbrochen durch die Retardierung der Elihureden in den Gottesreden folgt. In ihrer sehr aufschlussreichen Studie hat nun unlängst F.R. Magdalene auf einem anderen Weg als zuvor Richter einen juridischen Hintergrund für das Hiobbuch wahrscheinlich gemacht.748 Magdalene arbeitet zunächst die Struktur des neubabylonischen Gerichtswesens auf,749 verweist auf die wahrscheinliche Verflechtung des israelitischen und jüdischen Rechts mit dem neubabylonischen bis in die persische Zeit750 und ermöglicht so ein besseres Verständnis der gerichtlichen Metaphern im Hiobbuch. Insbesondere sieht Magdalene eine Nähe zwischen dem neubabylonischen Prozessrecht (Trial Law) und der Struktur des Hiobbuches.751 Dieser Bezug kann helfen, den diskursiven Charakter des Hiobbuches besser zu verstehen. Ihrer Meinung nach ahmt das Buch Hiob die altorientalische Rechtspraxis nach.752 Sie sieht ausgehend vom Rahmen eine doppelte gerichtliche Auseinandersetzung, in der Gott stehe, einerseits mit dem Satan und andererseits mit Hiob. Hiob verstehe sich als angeklagt, er gehe aber zugleich in den Gegenangriff gegen Gott über.753 Doch handelt es sich hierbei um eine äußert komplexe gerichtliche Situation, die sich mit dem klaren Schema der neubabylonischen Rechtstexte nur schwer verbinden lässt. Ein Problem besteht bereits beim Ausgangspunkt, wo Magdalene behauptet, im Prolog liege „a clear legal conflict [...] within the Divine council“754 vor. Diesen kann ich nicht sehen. Auch wird vom Satan nicht behauptet, Hiob besitze einen „guilty mind of a blasphemer“755. Stattdessen geht es im Prolog ausschließlich um die Gottesbeziehung und um die Beweggründe für ihre Aufrechterhaltung.756 Gerade der Prolog durchkreuzt alle Versuche, das Hiobproblem juridisch durchzubuchstabieren. Insgesamt kann man gerade das Auftreten des Satans in einer vermeintlichen himmlischen Gerichtsverhandlung allenfalls als eine Karikatur von juridischen Vorstellungen im Bereich der Gottesbeziehung ansehen. Denn Hiob hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und soll dort in einer Prüfungssituation durch den Fluch gegen Gott zur Beendigung der Gottesbeziehung gebracht werden. Ebenso lässt sich 748

Vgl. Magdalene, Scales of Righteousness. Vgl. ebd., 55ff. 750 Vgl. ebd., 33ff. 751 Vgl. ebd., 263–265 (zusammenfassend). 752 „[T]he Book of Job mimics to an important degree ancient Near Eastern legal documents of practice“ (ebd., 264). 753 Vgl. Magdalene, Scales of Righteousness, 264f. 754 Ebd., 125. 755 Ebd. 756 Siehe dazu unten, 321. 749

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Jhwhs Umgang mit Hiob und den Freunden im Epilog nicht mit dem juridischen Konzept verbinden. Aber auch die Hiobdichtung realisiert die juridische Metaphorik in literarischer Form, wie selbst Magdalene festhält.757 Die weit gehende Parallelität des Hiobbuches mit den von Magdalene herausgearbeiteten Aspekten des Gerichtsverfahrens758 lässt sich daher zumindest nicht dadurch behaupten, dass die unterschiedlichen Parteien und Zeugen in einer Verhandlung ‚Geschichten erzählen‘.759 Dort ist der konkrete Bezugsgrund, der externe Bezug eines Gerichtsverfahrens entscheidend, während im Hintergrund eines literarischen Werkes wie der Hiobdichtung, auch wenn es in der Struktur einem juridischen Schema folgt, eine literarische Intention steht.760 Dennoch ist die Verwandtschaft mit dem neubabylonischen Prozessrecht nicht von der Hand zu weisen, wenngleich die Berührungen wohl auch mit der Zugehörigkeit der israelitisch/jüdischen zur altorientalischen Kultur insgesamt zusammenhängen, wie der Rückblick auf die Arbeit von H. Richter zeigt. Erhellend ist der von Magdalene herausgearbeitete Zusammenhang von Krankheit und Leiden als Manifestation von Schuld, die auf den Einfluss einer Gottheit zurückgehen.761 Dies im Blick ist m.E. die Eröffnungsklage (Hi 3) umso besser verständlich als Ausgangspunkt der Auseinandersetzung zwischen Hiob und den Freunden im Dialogteil. Für Hiob wie für die Freunde, vor allem aber für die Rezipienten ist vor dem Hintergrund des von Magdalene herausgearbeiteten Zusammenhangs eine von außen objektiv erkennbare Schuld Hiobs treibende Kraft der Auseinandersetzung. Für den antiken Leser ist der Zusammenhang von Tun und Ergehen in der Klage Hiobs noch nicht erschüttert. Dies leisten erst die Auseinandersetzungen und das Beharren Hiobs auf seinem Standpunkt. In der Tat kann man diese Auseinandersetzung als einen vermeintlichen Prozess zwischen Gott und Hiob verstehen, denn Hiob verteidigt sich gegen eine Fülle möglicher Anklagen,762 während die Freunde als Gottes Fürsprecher, die durch einen langen Prozess der Vermittlung hindurch versuchen, Hiob davon zu überzeu757

Vgl. Magdalene, Scales of Righteousness, 49f. Vgl. ebd., 66. 759 „It may seem odd, at first glance, to investigate the literary structure of trial records, because we typically do not think of trials as narratives. Yet all trials are narratives and contain narratives because all trials involve stories. Parties and witnesses tell stories at trial“ (Magdalene, Scales of Righteousness, 47). 760 Hinzu kommt, dass in der Hiobdichtung ideale Figuren mit bestimmten Positionen einander gegenüberstehen, während in den Gesetzestexten Fälle für eine konkrete Anwendung formuliert werden. 761 Vgl. Magdalene, Scales of Righteousness, 13ff. 762 Vgl. ebd., 198. 758

9. Juridische Metaphorik und die Struktur der Hiobdichtung

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gen, dass er eine oder mehr Sünden auf sich geladen hat. 763 Doch danach wird das juridische Prinzip innerhalb der Hiobdichtung dadurch durchbrochen, dass es in den Gottesreden weder zu einer Diskussion einer möglichen Schuld Hiobs noch zu einer Thematisierung seiner Vorwürfe kommt.764 Hier hilft m.E. der oben herausgearbeitete Bezug von Hi 31 zum ägyptischen Totenbuch. Dieser verweist darauf, dass Hiob als gereinigt in die Gottesbegegnung geht.765 Wie hat man nun die über weite Strecken einen altorientalischen Prozess nachahmende Form der Hiobdichtung zu verstehen? Ist es einfach die Tatsache, dass das Recht so bedeutsam war, dass es zu einer Formulierung der Weisheit in rechtlicher Terminologie kam, wie W.G. Lambert vermutet? 766 M.E. kann man diesen Prozess nicht von der fortschreitenden Theologisierung des Rechtes in Israel abtrennen, die sich mit der sukzessiven Abfassung und Kanonisierung des Pentateuchs vollzieht, was nachweislich nicht nur die Weisheit, sondern auch die Theologie der Prophetenbücher beeinflusst hat. M.E. legt es sich von daher nahe, einen Zusammenhang zwischen der juridischen Metaphorik, der einen Prozess nachahmenden Struktur des Dialoges und den Bezügen, die sich die Hiobdichtung zum Deuteronomium aufbaute, zu vermuten. Die Bezüge in der Hiobdichtung waren zwar nicht eindeutig identifizierbar. Das liegt daran, dass es sich nicht um Zitate handelt. Doch sind Bezüge zur dtn Sozialgesetzgebung an mehreren Stellen nicht von der Hand zu weisen (Hi 20; 23f). 767 Wenn Hiob in Dtn 23,11–13 seine Rechtschaffenheit mit der Motivkombination Gebotserfüllung – Bewahren-des-Weges beschreibt und dies zudem mit Gott als dem Einen verbindet, wird von der Hiobdichtung unzweifelhaft ein Zusammenhang zum Zentrum des Deuteronomismus hergestellt. Doch zeigt der Kontext, dass die Hiobdichtung sich ganz und gar nicht auf der Linie des Deuteronomismus befindet, da Hiob diese theologischen Prämissen in die Resignation führen. Auf der gleichen Linie liegt es, wenn Hiob gerade von einem Freund (Zophar) mit Anspielungen auf die Flüche des Deuteronomiums gedroht wird (Hi 20,18–20.24f.26).768 Auch im Ganzen lässt sich die Hiobdichtung, die eine Anwendung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges zur alleinigen Erklärung von Leid destruiert, nicht mit dem Deuteronomismus verbinden. Vielmehr hat Hiob durch die Herausforderungsreden hindurch in der Gottesbegegnung an allen möglichen juristischen Lösungen vorbei Erfolg mit seiner 763

Vgl. ebd., 223. So auch Magdalene, 262. 765 Vgl. oben, 160ff. 766 Siehe das entsprechende Zitat bei Magdalene, Scales of Righteousness, 13. 767 Vgl. oben, 123.143.158. 768 Vgl. oben, 122. 764

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Weigerung, eine persönliche Schuld als Grund für sein Leiden zu akzeptieren. Auch wenn das Ganze dann in der Gottesbegegnung auf einen „Vergleich“ hinausläuft, kann man m.E. den Gebrauch von juridischen Formulierungen und die von F.R. Magdalene herausgearbeitete Strukturanalogie am ehesten als eine kritische Reflexion einer juridischen Lösung des Theodizeeproblems ansehen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass es die Freunde als Gegner Hiobs sind, die vermeintlich als zusätzliche Ankläger auf Seiten Gottes agieren. Denn deren Argumente müssen am Ende ebenso verstummen wie sie selbst, wenn beides von Gott in den Gottesreden mit keiner Silbe mehr erwähnt wird.

10. Die Hiobdichtung und das altorientalische Motiv des „Vorwurfes gegen Gott“ Die Aspekte der Behaftung der Gottheit bei einer Fürsorgepflicht im Rahmen der persönlichen Gottesbeziehung und einer Anklage der Gottheit durch den Leidenden verbindet die Hiobdichtung mit einer Reihe von Texten aus Ägypten769 und Mesopotamien, die durch ein allen gemeinsames Motiv inhaltlich verbunden sind. Es handelt sich dabei um die Verbalisierung einer Kritik an einer Gottheit.770 Texte aus Ägypten wie der Sargtextspruch 1130, die Lehre für Merikare, die Klagen des Ipuwer, die Worte aus Heliopolis, sowie der sog. sumerische Hiob, der Text AO 4462, Ludlul bl nmeqi und die sog. Babylonische Theodizee richten dabei direkte Anklagen und allgemein formulierte indirekte Vorwürfe an eine Gottheit. Die genannten Texte verbindet entsprechend einer Untersuchung von D. Sitzler als gemeinsames Motiv der „Vorwurf gegen Gott“.771 Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei den Texten, die mit dem Theodizeeproblem verbunden sind, und die deshalb oft mit dem Hiobbuch verglichen 769 Blumenthal, Rez. Sitzler, 893, weist auf weitere literarische Zusammenhänge hin, die zeigen, dass es die Vorwurfsgattung in Ägypten länger und umfassender gegeben haben muss. Vgl. auch Assmann, Der leidende Gerechte, und zuletzt Schellenberg, Hiob und Ipuwer (mit Verweis auf Sitzler). Erstmals rezipiert hat, soweit ich sehe, van Oorschot, Gottes Gerechtigkeit, 203, den Ansatz von D. Sitzler, freilich vor dem Hintergrund des Gerechtigkeitsbegriffes. Zuletzt zog er ihre Arbeit für die Frage nach der Textgestalt der Hiobdichtung heran. Vgl. van Oorschot, Entstehung, 173. Zuletzt empfahl Uehlinger, Hiob, 107, die Ergebnisse von Sitzlers Analyse in die ‚Hiob-Exegese einzuspeisen‘. Ein Referat von Sitzlers Arbeit findet sich ebd., 106f. 770 In diese Richtung geht schon die Vermutung von Kaiser, Einleitung, 392, der überlegt, ob „das Werk nach dem Vorbild der Ägyptologie zur Gattung der Auseinandersetzungsliteratur zu rechnen ist“. 771 Sitzler, Vorwurf gegen Gott.

10. Die Hiobdichtung und der „Vorwurf gegen Gott“

213

werden,772 nicht so sehr die Rechtfertigung der Gottheit im Mittelpunkt steht, als vielmehr eine spezifische Form der Religiosität. Betont wird in allen untersuchten Texten die persönliche Gottesbeziehung. Zwischen einem Frommen auf der einen Seite und einer bestimmten Gottheit auf der anderen Seite wird eine enge Beziehung vorausgesetzt.773 Interessanterweise wird in den genannten Texten die persönliche Gottesbeziehung jeweils in einer Extremsituation problematisiert, in der ein Kläger, der zwar aufgrund einer Notsituation in besonderer Weise auf die Unterstützung und Führung durch die Gottheit angewiesen ist, gerade diese Unterstützung aber von ihr nicht erfährt. Der Kläger beklagt sich über dieses Defizit, das er von Seiten der Gottheit verursacht sieht.774 Was die Texte in besonderer Weise mit der untersuchten Hiobdichtung verbindet, ist die Tatsache, dass ein Weiser sich angesichts der Notsituation von der Gottheit als verlassen und ungerecht behandelt empfindet. Der Weise ist dabei ähnlich wie in der Hiobdichtung gerade kein „leidender Gerechter“,775 sondern ein Frommer, der trotz der Vorwürfe gegen seinen Gott an der Beziehung zu ihm festhält. Betrachtet man aus dieser Perspektive die Hiobdichtung, erklärt sich die Thematisierung des Perspektivproblems in der spezifischen Weise, in der es von Hiob gegen die Gottheit gerichtet wird. Gleichzeitig wird auch das neben dem Beharren auf seiner Integrität an einigen Stellen begegnende Eingeständnis einer möglichen Schuld gegenüber der Gottheit verständlich. Ähnlich wie in der Hiobdichtung wird in den von Sitzler bearbeiteten Texten eine mögliche Schuld nicht ausgeschlossen, gleichzeitig aber eine konkrete Schuld nirgendwo von der Seite des Leidenden thematisiert. „[N]irgends wird die Sünde wirklich benannt und vor allem nicht als schwerwiegend bezeichnet. So ist es auch verständlich, daß der Kläger – trotz gewissem Schuldeingeständnis – auf seinem vorbildlichen Lebenswandel beharrt. Diese Haltung ergibt nur einen Sinn, wenn es bei der Gottheit nicht üblich ist, wegen einer kleinen Verfehlung sofort und radikal alle Brücken zu dem Menschen abzubrechen.“776 Dass eine mögliche Schuld in der Hiobdichtung eingeräumt wird, sie aber nicht benannt wird, ist also auch hier nicht auf eine grundsätzliche Un772

Vgl. dazu z.B. Müller, Hiobproblem, 49ff. Vgl. Sitzler, Vorwurf, 188. 774 Vgl. ebd., 195ff. 775 „Dem ‚Gerechten‘ in der Babylonischen Theodizee ergeht es damit ähnlich wie dem Weisen bei Ipuwer. Dieser spricht nicht über die ‚Gerechten‘, sondern nur über ‚Gottferne‘. Der Sumerische Hiob stellt fest, daß es keinen Sündlosen geben kann und auch AO 4462 und Ludlul bl nmeqi nennen keine ‚Gerechten‘ [...]. Der Kläger selbst nennt sich an keiner Stelle einen ‚Gerechten‘ und wird auch an keiner Stelle so bezeichnet“ (Sitzler, Vorwurf, 182). 776 Sitzler, Vorwurf, 183. 773

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

schuld des Klägers misszuverstehen. Es ergibt sich in diesem Punkt in der Hiobdichtung bis hin zur Herausforderungsrede Hiobs in Hi 31 eine Kohärenzlinie. Hiob bekennt sich nach einem Katalog grober Sünden für unschuldig und richtet am Ende bedingte Selbstverfluchungen gegen sich, in denen besonders schwere Vergehen thematisiert werden. Dass er ‚völlig sündlos‘ ist, wird damit nicht gesagt, sondern im Dialogteil aufgrund der Jugend (Hi 13,26b) oder auch aufgrund der Perspektivität der Gerechtigkeit, wonach vor Gott kein Mensch sündlos ist, durchaus eingeräumt. Dennoch wird Gott von Hiob bei seiner Fürsorgepflicht behaftet, was in der Hiobdichtung777 wie in den von Sitzler angeführten Texten778 mit einer Vorbildlichkeit seines Lebenswandels begründet wird. Zu der Fürsorgepflicht Gottes gehört auch im Hiobbuch explizit der Anspruch des Frommen auf eine Vergebung möglicher Schuld durch die Gottheit. Diese besonders in Hi 7,21, aber auch in Hi 9,28f gegenüber Gott artikulierte Erwartung dokumentiert, dass es auch in der für das Hiobbuch vorausgesetzten Frömmigkeit in ähnlicher Weise wie in den von Sitzler untersuchten Texten nicht üblich ist, dass wegen einer kleinen Übertretung die Gottesbeziehung in Frage gestellt ist. Paradoxerweise dokumentieren dies auch die Freundesreden. Denn in ihnen wird mit dem Hiob immer wieder vorgeschlagenen Anerkenntnis von Schuld gegenüber Gott eine bedingte Heilszusage verbunden (siehe Hi 5,17–26; 11,14–16; 22,21ff). Gerade in dem zuletzt genannten Abschnitt in der dritten Eliphasrede drückt 22,29 explizit aus, dass derjenige, der sich demütigt, gerettet wird.779 Dieser Lösungsvorschlag der Freunde dürfte in einer direkten Beziehung zu der in der Hebräischen Bibel sehr einflussreichen theologischen Position des Deuteronomismus stehen, die sich in der Verarbeitung der Unheilserfahrung des Exils entwickelt hat.780 Ohne die grundsätzliche Gültigkeit zu negieren, weist Hiob diesen Lösungsvorschlag für seine Person jedoch zurück und versteht sich von den Freunden durch ihr Drängen auf ein demütiges Anerkenntnis eigener Schuld vom richtigen Wege abgebracht (Hi 27,6a), obwohl er dabei eine mögliche Schuld nicht grundsätzlich leugnet und ihre Existenz z.T. einräumt. Stärker wiegt in Hiobs Argumentation jedoch wie in den von Sitzler bearbeiteten Texten die von Gott geforderte Fürsorgepflicht, die Hiob bei diesem einklagt und aufgrund der er die vermeintliche Position Gottes in den Entgegnungen der Freunde für unbarmherzig erklärt. Dass die Hiobdichtung eine kritische Reflexion einer aus dem Deuteronomismus herrührenden theologischen Po777

Siehe besonders Hi 31. Vgl. Sitzler, Vorwurf, 183. 779 Zu vergleichen sind auch Aussagen wie jene von Bildad in 8,13.20, der darauf verweist, dass nur die Gottesbeziehung letztlich von Heilsbedeutung ist. 780 Vgl. dazu oben, 211. 778

10. Die Hiobdichtung und der „Vorwurf gegen Gott“

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sition darstellt, zeigt, dass sie in einem gewissen zeitlichen Abstand von der Entstehungssituation des Deuteronomismus stehen dürfte. Dies und die Bedeutung der persönlichen Gottesbeziehung auf der anderen Seite lässt den Schluss zu, dass es sich wohl um ein Produkt der Zeit nach dem Babylonischen Exil handeln dürfte. Auch dies trifft sich mit den Beobachtungen von Sitzler. Diese hatte geltend gemacht, dass es sich bei der von ihr untersuchten Literatur durchgängig gerade nicht um Krisenliteratur handelt. „Sie [die Texte, R.H.] stammen eher aus restaurativen Zeiten, die oft verbunden sind mit einer literarischen Blüte.“781 Allerdings ist ein Thema der Texte jeweils die Krisenzeit, so dass sich der „Vorwurf gegen Gott“ wohl in einem gewissen zeitlichen Abstand zu den Krisen thematisch mit ihnen und ihren theologischen Folgen auseinandersetzt.782 An einem weiteren Punkt zeigt sich die Zugehörigkeit der Hiobdichtung zu der von Sitzler untersuchten Literatur. Diese ist nicht Ausdruck einer „Krise der Weisheit“.783 Eine solche ist auch im Hiobbuch nicht im Blick, denn es geht dort nicht um die grundsätzliche Infragestellung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges. Sowohl die Freunde als auch Hiob vertreten ihn, 784 wenn auch mit einer auf das Gegenüber der Gottheit bezogenen entgegengesetzten Konsequenz.785 Was die Hiobdichtung wie die Vorwurfsdichtung überhaupt bearbeitet, ist stattdessen eine „Krise“ der persönlichen Frömmigkeit. Das Problem in ihrem Hintergrund ist, wie ein weisheitliches Leben ohne Anerkennung durch Gott möglich ist.786 Dies bildet das verbindende Thema im Handlungsverlauf der Hiobdichtung: Hiob erfährt in seinem Leid ein Defizit an Anerkennung sowohl von Seiten der Freunde als auch von Gott. Deshalb kann Hiob in besonderer Weise die Gottheit dafür anklagen, dass diese die Anerkennung gerade in dem Moment versagt, in dem er sie in besonderer Weise benötigt, was den klagenden Hiob auf der einen Seite dazu bringt, die bittende Hinwendung zu Gott vollständig aufzugeben, und auf der anderen Seite zu seinem ebenfalls gegen die Gottheit gerichteten Wunsch nach dem Tod führt. Dass die 781

Sitzler, Vorwurf, 114. Vgl. ebd., 114f. 783 Vgl. ebd., 192. K. van der Toorn kommt unabhängig von Sitzler bei der Diskussion des Hiobbuches im Zusammenhang zweier anderer altorientalischer Dialoge (des „Lebensmüden“ und der Babylonischen Theodizee) zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Texten um Dokumente handelt, die eine kritische Reflexion traditioneller Werte und Glaubensinhalte anstreben: „Professional scholars writing for an intellectual élite, their authors use the dialogue as an literary instrument to question the established views of their time“ (van der Toorn, Dialogue, 75). 784 Vgl. allgemein Ebach, Hiob/Hiobbuch, TRE 15, 366f. 785 In diesem Sinne interpretiert auch Reventlow, Tradition, 292 das Hiobbuch. 786 Vgl. Sitzler, Vorwurf, 193. 782

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

Gottesbegegnung am Ende des Hiobbuches steht, bestätigt die Dominanz dieses Themas. Die Gottheit akzeptiert im Hiobbuch wie häufig in den Texten der Vorwurfsdichtung durch Gottesreden und Offenbarungen787 Hiobs Forderung nach einer Manifestation der Partnerschaft von Seiten der Gottheit, was – wie festgestellt – auch788 in der Hiobdichtung indirekt die Wiederherstellung Hiobs bedeuten dürfte.789 Am Rande sei erwähnt, dass die Hiobdichtung nicht der einzige Textzusammenhang in der Hebräischen Bibel ist, den man mit der Vorwurfsdichtung in einen Zusammenhang bringen kann. Einzelelemente finden sich in vielen poetischen Texten (Pss, Klgl). Ein Beispiel, das darin der Hiobdichtung sehr nahe ist, sei aber erwähnt: Die Erzählung von Hiskijas Krankheit (Jes 38,1–8; par.: 2 Kön 20,1–11) ist zwar sehr viel kürzer als die Hiobdichtung, doch entspricht sie der Struktur der Vorwurfsdichtung exakt.790 Ein vom Propheten Jesaja wegen Hiskijas Erkrankung eingeholtes Orakel teilt diesem mit, dass er sterben müsse. Daraufhin richtet der König ein Gebet an Jhwh und hält ihm seine Frömmigkeit entgegen. Dies führt zu einem neuerlichen Gotteswort, in dem Gott den gegen ihn gerichteten Vorwurf akzeptiert und Hiskija weitere 15 Jahre Lebenszeit und die Errettung der Stadt Jerusalem zusichert. Die Existenz dieses Textes zeigt, dass die Vorwurfsdichtung in Israel schon vor der Entstehung des Deuteronomismus verankert gewesen sein muss.

11. Das Leid des Frommen als Problem für den entstehenden Monotheismus D. Sitzler kommt in ihrer Arbeit zu der Einschätzung, dass der Vorwurfsdichtung tendenziell eine Affinität zur Entstehung des Monotheismus innewohnt. „Der ‚Vorwurf gegen Gott‘ erscheint als Parallelphänomen zur Entstehung des Monotheismus und der Staatsreligion.“791 Diese Einschätzung dürfte allerdings für die große Palette der geographisch, aber vor allem zeitlich weit voneinander entfernten Texte sicher zu pauschal sein. Daher ist für die genannten Texte vielleicht einzuschränken, dass es die besondere Bedeutung der persönlichen Gottesbeziehung ist, die die Texte verbindet. E. Blumenthal schlägt daher als Hintergrund die Entstehung eines monolatrischen Gottesbildes vor.792 Deutlich ist, dass sich die Hiobdichtung mit diesem Modell der Relevanz der persönlichen Gottesbeziehung mit der Motivik der altorientalischen Vorwurfsdichtung verbinden lässt. Was dabei für die altorientalischen Texte von E. Blumenthal zu Recht kritisiert wird, ist aber für das Hiobbuch durchaus zutreffend. Denn die Hiobdichtung repräsentiert 787

Vgl. Sitzler, Vorwurf, 192. Vgl. auch Sitzler, Vorwurf, 192. 789 Vgl. dazu schon die Überlegungen zu Hi 13,22 oben, 90. 790 Vgl. zur Analyse und zur zeitlichen Einordnung des Textes Heckl, Errettung. 791 Sitzler, Vorwurf, 231. 792 Vgl. Blumenthal, Rez. Sitzler, 892. 788

11. Das Leid des Frommen als Problem für den entstehenden Monotheismus

217

insgesamt eine fortgeschrittene Entwicklung in der Religionsgeschichte Israels auf dem Wege zum Monotheismus. 793 Diese Aussage lässt sich trotz einer Fülle von Hinweisen auf mythologische Konzepte festhalten, denn nirgendwo lässt sich in der Dichtung auch nur die Möglichkeit erkennen, dass es neben Gott als Ziel der Anklagen und der Hoffnung noch ein weiteres Prinzip gibt. Auch die in der Dichtung verwendeten sog. ‚Gottesnamen‘ lassen eine andere Deutung gerade nicht zu.794 Positiv spricht die Tatsache, dass die Hiobdichtung bezogen auf den Deuteronomismus argumentiert, für die Annahme eines monotheistischen Hintergrundes der Hiobdichtung.795 Auf der anderen Seite wird die in der Dichtung angesprochene oder angeklagte Gottheit mit allen denkbaren Bereichen in eine Verbindung gebracht: mit dem Ursprung der Welt, mit der Natur- und Menschenschöpfung und der Zuständigkeit des sozialen Miteinanders. Eine Ausnahme stellt in der Hiobdichtung der Unterweltsbereich dar. Hier sieht man im Zusammenhang des von Hiob geäußerten Todeswunsches bei der  eine Vorstellung von einem Ort im Hintergrund stehen, an dem Gott den dann toten Hiob weder mit seinen Angriffen, noch mit seiner Hilfe erreichen kann. Dass der in der Dichtung angesprochene Gott bereits auf dem Wege ist, Einfluss auf den Unterweltsbereich zu nehmen, kann man aus der vieldiskutierten Formulierung Hi 19,25 nicht schließen.796 Allenfalls bei Hi 14,13, wo die  als möglicher Aufenthaltsort, an dem Gott den Klagenden vor seinem Zorn selbst vorübergehend verstecken soll, wird der Unterweltsbereich in Bezug auf Gott funktionalisiert. Hier deutet sich vielleicht der religionsgeschichtliche Weg an, auf dem der Gott Israels letztlich auch das Totenreich für sich besetzen wird. In Hi 14,13 wird dies freilich noch klar irreal formuliert.797 Es ist weiter festzuhalten, dass sich in der Dichtung keine religionsgeschichtliche Vorstufe erkennen lässt, in der eine polytheistische oder auch 793 Schon Hermisson, Weisheit, 212, weist darauf hin, dass „[d]ie Situation [...] des leidenden Gerechten [...] auch außerhalb Israels bekannt [ist]; sie ist aber in Israel dadurch verschärft, daß die Klage über die durch unschuldiges Leiden gestörte Weltordnung nur einem Gott gelten kann“. 794 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 362; Uehlinger, Hiob, 100. Janzen, Place, 529f, sieht hierin schon Deuterojesaja rezipiert. Köhlmoos, Auge Gottes, 362, weist auf den Unterschied des Monotheismus bei Hiob und DtJes hin: „Nicht JHWH ist Gott, sondern Gott ist Jhwh.“ U.a. gegen Eerdmans, Conception, 15f. Vgl. auch schon Kuhl, Literarkritik, 189f. 795 Vgl. oben, 211f. 796 Anders z.B. Habel, Job, 293: „I know that my redeemer can restore life/health, And that my guarantor can raise from the dust [= of the netherworld].“ Vgl. dagegen Kessler, Ich weiß, 157f, der die Formulierung auf die Wiederherstellung Hiobs bezieht. 797 Stärker wichtet Strauß, Tod, 248f, die Stelle, der die Tatsächlichkeit des Wunsches betont.

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Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

nur monolatrische Konzeption der Religion noch eine Rolle spielt. Wir befinden uns also mit der Hiobdichtung im Rahmen des sich entwickelnden Monotheismus.798 Möglicherweise ist das Problem der persönlichen Gottesbeziehung in der extremen Situation des Leidens des Frommen gerade auf diesem Hintergrund von besonderem Interesse. Denn der entstehende Monotheismus in Israel dürfte neben der Reduktion mythologischer Konzepte eine Reihe von Konsequenzen für die Frömmigkeit gehabt haben. 799 Jhwh war nun schlicht für alle Bereiche der Weltdeutung zuständig.800 So ist es im Konzept des Monotheismus z.B. nicht vorgesehen, dass wie in dem Sargtextspruch 1130 eine andere Gottheit wie Apophis für das Böse verantwortlich ist. In der Hiobdichtung wird die Gottheit dem monotheistischen Konzept entsprechend von Hiob mehrfach für das Schlechte verantwortlich gemacht.801 Gleichzeitig stehen damit die Lösungsversuche der Freunde für das Problem von Hiobs Leiden in einem direkten Zusammenhang (Hiob sei aufgrund der Perspektivität der Gerechtigkeit schuldig, weil kein Mensch vor Gott sündlos ist; Hiob habe konkrete Schuld auf sich geladen). Doch gerade diese Antwortmöglichkeiten der Freunde werden in der Hiobdichtung vor dem Hintergrund des Motivs des Vorwurfes gegen Gott zurückgewiesen. Der Fromme leidet nicht aufgrund einer versteckten Schuld, sondern aufgrund der Vernachlässigung der Fürsorgepflicht durch den persönlichen Gott. Dies hat die paradoxe Folge, dass Gott gegen sich selbst als Fürsprecher und Bürge angerufen wird. Wenn der sich entwickelnde Monotheismus im Hintergrund der von der Hiobdichtung entfalteten Problematik steht,802 dann vollzieht sich die Klage unzweifelhaft gleichzeitig auch vor dem Hintergrund des Deuteronomismus. Dessen ausschließliche Anwendung des Schuld-Strafe-Zusammenhangs 798 Dass der sich entwickelnde Monotheismus vergleichbar mit Entwicklungen im Bereich der persönlichen Gottesbeziehung bei den Nachbarkulturen ist, bietet im Übrigen auch Aufschlüsse für den Ursprung des Monotheismus in Israel selbst. Vgl. dazu Heckl, Gottesbeziehung. Unstrittig ist dabei, dass die Entstehung des Monotheismus gleichzeitig mit einer Solarisierung der Jhwh-Religion in einem Zusammenhang steht. Vgl. dazu Keel, Sturmgott-Sonnengott-Einziger; Albani, Der eine Gott, 263ff. 799 Dass die Programmatik monolatrisch und später monotheistisch geprägter Texte in der Hebräischen Bibel nur allmählich Einfluss auf die breite Religiosität gewinnen konnten, zeigen spätere Auseinandersetzungen darüber, wie sie in Jer 7,18; 44,15ff bezeugt sind, und die Zeugnisse von der Religiosität der Juden in Elephantine. 800 Vgl. de Wilde, Hiob, 30. 801 Auf diese Konsequenz des Monotheismus machen Dietrich/Link, Die dunklen Seiten, 94, aufmerksam. Ihre gesamtbiblische und philosophische Problemreflexion führt letztlich zu einer Diskussion der Kreuzestheologie. Vgl. ebd., 301ff. 802 „Die Spannung im Buch Hiob rührt von der theologischen Anschauung her, dass ein einziger Gott hinter allem Geschehen steht“ (de Wilde, Hiob, 30).

11. Das Leid des Frommen als Problem für den entstehenden Monotheismus

219

gerade auch für die Erklärung des Leides dürfte angegriffen sein. 803 Dabei wird die Pauschalität der Antwort des Deuteronomismus, dass das Böse vom Menschen verursacht ist (Hi 5,5ff; 22,2ff; vgl. Dtn 4,25ff; 1 Kön 8,33f u.ö.), zurückgewiesen. Eine Antwort wie die Abkehr vom Monotheismus durch einen – zeitgeschichtlich durchaus vorstellbaren – Dualismus wird jedoch nicht gegeben.804 Doch werden bei Problementfaltung und Klärung traditionelle theologische Konzepte rezipiert. So akzeptiert die Gottheit den Anspruch des Frommen auf Zuwendung, wobei ein offenbar traditionelles Konzept aus dem Bereich der persönlichen Gottesbeziehung verwendet wird. Außerdem wird in der Hiobdichtung mit den beiden Antworten der Gottesreden, die den Umgang der Gottheit mit dem Bösen darstellen, zu seiner Erklärung auf ein traditionelles mythologisches Erklärungsmodell (aber nicht auf konkrete Inhalte) zurückgegriffen.805 Dies geschieht nicht erst in den Gottesreden, sondern schon vorher. Es geht nicht um die Frage nach der Ursache des Bösen. Dieses wird als Realität in der Welt angesehen. Die Gottesreden antworten entsprechend, dass das Böse zwar seinen Platz in einer dynamisch verstandenen Welt hat, dass Gott ihm gegenüber aber parteiisch ist und dass er das Böse letztlich vernichten wird. Diese Antwort für Hiob ist verwoben mit der anderen Botschaft, dass Gott den Frommen hört und ihm antwortet, dass der Fromme letztlich Gottes Reaktion durch seine Anklage zu bewirken vermag. Dabei wird beim Zurückgreifen auf dieses traditionelle Modell aber nicht hinter die Grundlage der alleinigen Verehrung des einen Gottes zurückgegangen.

803 Siehe dazu die Diskussion der juridischen Metaphorik in der Hiobdichtung oben, 208ff. Schmid, Schriftdiskussion, 249–251, sieht die Hiobdichtung über Hi 23,13 und Dtn 6,4 hinaus aufgrund weiterer Querbeziehungen in einer Beziehung zum Deuteronomismus. Diese Berührungen bestätigen, dass bereits die Dichtung auf die dtr Theologie reagiert. Schmid zeigt, dass darüber hinaus zumindest eine traditionsgeschichtliche Beziehung auch zu Texten aus den Prophetenbüchern besteht. Vgl. ebd., 253ff. 804 In der Perserzeit sind dualistische Konzepte aufgekommen. Vgl. Berlejung [in: Gertz, Grundinformation], Geschichte, 171f; auch de Wilde, Hiob, 30. 805 Entsprechend schlussfolgert Assmann, Der leidende Gerechte, 209: „An die Stelle der monistischen Engführung, die alles Geschehen, Gutes und Böses, dem Willen Gottes entspringen lässt, tritt [in den Gottesreden, R.H.] eine dualistische Sicht, die dem Bösen und Chaotischen in der Welt eine gewisse Eigenmacht einräumt. An die Stelle einer avancierten monotheistischen Position, so könnte man argumentieren, tritt eine Lehre, die sich einen guten Schritt zurück in die traditionellen Anschauungen der polytheistischen Hochkulturen und ihr Wissen vom Chaos bewegt“ (Hervorhebungen: R.H.).

220

Kap. 2: Kohärenz, Intention und Funktion der Dichtung

12. Zur Kommunikationssituation der Dichtung Beim Durchgang durch die Kohärenzstruktur der Dichtung konnte anhand einer Reihe von Anhaltspunkten erfasst werden, wie die Kommunikationssituation im Hintergrund des Dialoges zwischen Hiob und seinen Freunden vorgestellt ist. Diese ist als wesentlich komplexer und von anderer Natur gedacht, als der Rahmen voraussetzt, bzw. als vom Rahmen aus für die Dichtung vorgegeben wird. Da das Problem für das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung von entscheidender Relevanz ist, wird hier auf die zusammenfassende Diskussion dieser Hinweise zunächst verzichtet. Sie wird nach der Analyse der Rahmenerzählung im Kapitel über die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung diskutiert.806

806

Siehe unten, 341ff.

Kapitel 3

Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung 1. Vorbemerkung Im Folgenden soll der erzählerische Rahmen des Hiobbuches behandelt werden. Erste Anhaltspunkte für das Verständnis des Verhältnisses von Rahmen und Dichtung konnten dem Nachgehen der Probleme zwischen Form und Inhalt entnommen werden.1 Weitere Anhaltspunkte haben sich bei der Analyse der Dichtung ergeben. Dort zeigten sich keine konkreten Bezüge zur Rahmenerzählung und es stellte sich stattdessen eine Reihe von Diskrepanzen im Milieu und bei der Figurierung Hiobs sowie seiner Freunde heraus. Nach der Analyse der Rahmenerzählung ist diesen Diskrepanzen weiter nachzugehen.2

2. Hi 1,1–5 Das Hiobbuch wird mit einer unbestimmten Einführung der Hauptperson eröffnet ( ). Mit der noch ungenannten Person ist die Nennung eines Ortes durch die Adverbialbestimmung   verbunden. Eine Zeit, in der sich die nachfolgende Geschichte abspielt, wird nicht erwähnt. Die Perfektform  rekurriert aufgrund des abgeschlossenen Aspektes auf zurückliegendes Geschehen. Dadurch wird für die nachfolgende Handlung auch ohne explizite Zeitangabe eine zeitliche Bezugsebene vorgegeben. Das Fehlen einer konkreten Zeitangabe im Zusammenhang dieses Rückverweises führt dazu, dass bereits der Anfang der Geschichte sagenhafte Züge erhält. 3 1

Siehe oben, 17ff. Siehe unten, 341ff. 3 Dies ist für die Frage relevant, welche Zeit als die erzählte Zeit intendiert ist. Dabei dürfen Anhaltspunkte, die auf Anachronismen des Autors zurückgehen, nicht mit den Signalen verwechselt werden, die den Leser zu Schlüssen auf die erzählte Zeit bringen sollen. Anders Knauf, Ijobs multikulturelle Heimat, 64: „Indem Ijob 6,19 noch von den Karawanen der Sabäer und Temäer spricht (und noch nicht von Dedan und den Minäern), setzt der Ijob-Autor die 140+x Jahre seines Helden (Ijob 42,16) zwischen 553 und ca. 400 v.Chr. 2

222

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Die Einführung einer Person, die Nennung ihres Ortes, die nachgeschobene Erwähnung des Namens der Person und die durch  vorgegebene (wenn auch nicht für den Standort des Lesers fixierte) Zeitstufe stellen dennoch klare Signale für den Beginn eines Textes dar, indem dadurch die flankierenden Referenzbereiche (Person, Ort, Zeit) einer Handlung vorgegeben werden.4 Auf der Person liegt aufgrund der Wortfolge   das ganze Gewicht. Die unpersönlich mit  eingeführte Person ist Subjekt des ersten Satzes. Der Rückbezug mit der Namensnennung im nachfolgenden Nominalsatz    durch Suffix auf  verstärkt das Gewicht der eingeführten Person noch.5 Außerdem ist die Wortfolge des Eröffnungssatzes auffällig und in der Hebräischen Bibel so (MT6) singulär. An anderen Stellen werden Erzählungen mit   eröffnet (Ri 13,2; 17,1; 19,1b; 1 Sam 1,1 [MT]; 9,1). Die Satzgliedfolge x-qatal und der Gebrauch des Perfekt anstelle möglichen waw-Imperfekts spricht aber nicht für eine besonders späte Entstehung der Formulierung.7 Daher dient die Voranstellung von  einer zusätzlichen an.“ (So auch ausführlicher Knauf, Hiobs Heimat, 68f; vgl. zuletzt Knauf, la patrie, 14f). Der von E.A. Knauf angeführte Anhaltspunkt führt zur Zeit der Abfassung, nicht zur erzählten Zeit der Fiktion des Hiobbuches. Gegen Knaufs Annahme sprechen überlieferungsgeschichtliche Argumente, wie die Erwähnung einer Hiobüberlieferung in Ez 14 (vgl. dazu schon Fohrer, Hiob, 31), aber (für den Rahmen) besonders auch die 140+x Jahre, die eindeutig neben dem im Rahmen stilisierten Milieu in die Zeit der Erzeltern weisen. Vgl. dazu unten, 476ff. Damit ist auch Knaufs Einschränkung einer eigenen früheren These hinfällig, dass Hi 6,19 nur zeige, dass der Autor „gebildet genug war, keinen Anachronismus geschrieben“ zu haben. Da das Buch Hiob in eine frühere Zeit führen soll, handelt es sich natürlich um Anachronismen. – Der Anachronismus in 6,19 dürfte durch die Verlagerung der Szenerie in die Erzelternzeit verursacht sein, was die Rahmenerzählung bewirkt. – Wenn man nicht zusätzlich mit einer fiktiven Abfassungszeit argumentieren will, dann zeigen Knaufs Beobachtungen, aber auch die Beobachtungen zu Sprache (vgl. Hurwitz, Date) und religionsgeschichtlichen Querbeziehungen sicher, dass wir uns bei der Abfassungszeit in der von Knauf generell vorgeschlagenen Epoche befinden. Vgl. Crenshaw, Job, ABD III, 863f (zusammenfassend). Dass die Anachronismen in 6,19 gegenüber dem Rahmen wohl unbewusster Natur sind, zeigt sich z.B. daran, dass in Hi 42,11 das in Gen 33,19 (vgl. Jos 24,32) verwendete Zahlungsmittel erwähnt wird. Vgl. Crenshaw, Job, ABD III, 858. 4 Vgl. zu den inhaltlichen Kriterien für den Beginn eines literarischen Textes Heckl, Moses Vermächtnis, 14f. 5 So auch Weiss, Story, 19f (mit weiteren Beispielen). 6 Die hebräische Vorlage der LXX (im Folgenden immer: LXX-V) von 1 Sam 1,1 beginnt wie das Hiobbuch mit den Worten  . Vgl. dazu unten, 400f. Auf die besondere Nähe von Hi 1,1a mit 1 Sam 1,1 weist auch Weiss, Story, 17, hin. 7 Zwar tritt das Perfekt im späten biblischen Hebräisch generell als Vergangenheitstempus auf, doch die zu erwartende Wortfolge Subjekt  Perfekt ist außer in wenigen Ausnahmen (die auch in Abhängigkeit von Vorlagen sind) nicht belegt. Vgl. Eskhult, Studies, 110.

2. Hi 1,1–5

223

Betonung der Hauptfigur. Dies erhöht das Gewicht der mit dieser Person verbundenen Aussagen und macht dadurch auf Besonderheiten, die im Zusammenhang der Einführung der Person festzustellen sind, aufmerksam. Der Vergleich mit einer anderen Texteröffnung macht deutlich, wie zentral die Betonung der Person Hiobs für das Hiobbuch ist. So wird das Rutbuch mit einer temporalen Anbindung an das Richterbuch eröffnet. Dies geschieht nicht nur mit     , sondern gleichzeitig mit dem Hinweis, dass eine Familie aus Bethlehem auszieht, um in Moab zu überleben. Denn der letzte größere Zusammenhang im Richterbuch ab Ri 19 hat ebenfalls mit Reisen nach und von Bethlehem zu tun. In Rut 1 steht also die Anbindung des Geschehens an das Richterbuch im Vordergrund. Die Person des Elimelech ist nicht hervorgehoben, sondern er wird von Anfang an nur im Zusammenhang seiner Familie erwähnt. Entsprechend spielt er eine Nebenrolle in der Handlung des Buches Rut. Dieses selbst zielt bekanntlich auf die Geburt des ersten Sohnes der Rut, der am Ende als Großvater Davids mit den Samuelisbüchern verbunden wird.

Auffällig ist im Vergleich zu Einführungen von Personen in anderen Texten auch die Lokalisierung  . Bei den namentlich erwähnten Handlungsträgern im Hiobbuch, den drei Freunden und Elihu, wird jeweils durch ein Gentilizium bzw. Patronym8 eine genealogisch-geographische Einordnung bewirkt. Die Lokalangabe bei Hiob ist demgegenüber betont offen. Dies ist insbesondere deswegen auffällig, weil  als Personenname in Gen 10,23; 22,21; 36,28; 1 Chr 1,17.42 vorkommt. In Jer 25,20 und Klgl 4,21 wird ein Land Uz erwähnt. Eine Identifikation des Landes Uz mit Edom findet sich in Klgl 4,21.9 In Gen 10,23 wird ein Uz als Sohn Arams erwähnt, in Gen 22,21 findet sich ein Uz als Sohn Nahors und Milkas und in Gen 36,28 der Horiter Uz im edomitischen Gebiet. Allein aufgrund der Bezeichnung des Landes lässt sich die Geschichte also nicht lokalisieren.10 Auch der direkte Vatersname11 fehlt bei Hiob, so dass die Lokalbestimmung als einzige Angabe zur Herkunft zusätzlich ins Auge fällt.12 Im vorliegenden Fall hätte theoretisch wie bei den anderen Handlungsträgern im Hiobbuch ein Patronym   als Apposition zum Eigennamen   verwendet werden können. Dass dies nicht der Fall ist, muss als erster Hinweis darauf gewertet werden, dass die Eröffnung des Hiobbuches eine direkte Verbindung der Genealogie mit der Geographie ausschließen will. Die Aus-

8 Im Folgenden wird immer der Begriff Patronym verwendet. Zur Problematik der Begrifflichkeit und zu der Entscheidung dafür siehe oben, Anm. 4. 9 Nach Knauf, Uz, ABD 6, 770, ist die Glosse in Jer 25,20 auf Klgl 4,21 zurückzuführen und weist auch auf Edom. 10 Knauf, Uz, ABD 6 (Lit.), 770f, versucht eine Lokalisierung von Uz in NW-Arabien. Dafür könnte sprechen, dass sich für Eliphas eine Beziehung zu Edom nahelegt. 11 Vgl. dagegen Hi 32,2a.6a. 12 Das Fehlen resümiert z.B. Horst, Hiob, 7.

224

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

sage   sagt also nur vage etwas über den Aufenthaltsort aus.13 Da es nur hier auf der Erzählebene vorkommt, lässt sich anhand von  über die Genealogien der Genesis auch kein Anhaltspunkt für die erzählte Zeit gewinnen. Der Vergleich mit den Patronymia der Freunde macht deutlich, dass für Hiob gerade keine genealogische Herkunftsangabe gemacht werden soll. Eine ähnliche Funktion hat die Angabe  in Bezug auf die geographische Einordnung. Hiobs Aufenthaltsort bleibt vage auf eine Gegend bezogen; ein spezieller Ort kommt nicht in den Blick. Weder ist also mit der Eröffnung des Hiobbuches eine genealogische, zeitliche noch eine geographische Fixierung der Story intendiert.14 Im nachfolgenden asyndetisch angeschlossenen Nominalsatz    ist der Eigenname betont, wobei  durch das Suffix an den vorangehenden Satz angebunden ist. Obwohl dies auch in anderen Teilen der Hebräischen Bibel so begegnet, zeigt der Vergleich mit der umgekehrten Wortfolge wie z.B. bei    (1 Sam 1,1) und      (Rut 1,2), dass der Name der Hauptperson des Hiobbuches in der Argumentation von V. 1 hervorgehoben werden soll. Ein solches Verfahren in der Eröffnung eines größeren Textzusammenhanges noch vor dem Beginn der Handlung legt eine besondere Relevanz der Namensbedeutung des Protagonisten nahe. Dies wird dadurch gestützt, dass der Name   (abgesehen von Ez 14,14.20) nur im Hiobbuch vorkommt, und in der Hebräischen Bibel nur zur Bezeichnung dieser einen Figur gebraucht wird. Für die Bedeutung des Namens wird üblicherweise auf einen etymologischen Zusammenhang zu dem Nomen  und den verschiedentlich westsemitisch bezeugten Namen a-iabu „wo ist der Vater“ verwiesen. Diese Möglichkeit wird in der Literatur immer wieder gegenüber einer möglichen Ableitung des Namens von der Wurzel  präferiert.15 In dieser zurückgewiesenen Möglichkeit wäre parallel zu 9: ! die Passivform „Angefeindeter“ oder die aktive Form nach der Nominalbildung qi¬¬ l „Feind“ zu sehen.16

13

Vielleicht stehen die nachexilischen Aversionen gegen die Edomiter im Hintergrund, weswegen Edom auch in Jer 25,20; Klgl 4,21 in Anlehnung an Gen 36,28 nach  bezeichnet wird. 14 Vgl. Newsom, Job, 344. Knauf, Uz, NEB III, 987f, vermutet, dass die Nennung eines Sohnes Uz in Gen 10,23; 22,21, „schriftgelehrte Konstruktion“ sei. Wie sich die Angelegenheit bei den Genesis-Stellen auch verhalten mag, so ist doch aus der Konstruktion     deutlich, dass hier alles andere als eine exakte temporale und geographische Fixierung intendiert ist. Man spielt auf Bekanntes an, hält die Anspielungen aber bewusst offen. Dass man keine exakte geographische Einordnung will, zeigt im Übrigen auch Hi 1,3b. In die gleiche Richtung weist auch schon der Eigenname. So Newsom, ebd.: „[T]he name ‚Job‘ would have had a foreign and archaic ring to it.“ 15 Vgl. z.B. Horst, Hiob, 7f; Wagner, Leiderfahrung, 191. 16 Vgl. zu den beiden Möglichkeiten Horst, Hiob, 7. Diese Interpretation liegt schon in bNid 52a/b vor (vgl. Goldschmidt, Talmud XII, 518).

2. Hi 1,1–5

225

Man hat dabei versucht, beide Möglichkeiten inhaltlich mit dem Hiobbuch zu verbinden, wobei sich die zweite der genannten Möglichkeiten eher mit Aussagen des Buches verbinden lässt als die erste.17 Dieses offensichtliche Missverhältnis in der Diskussion um die Bedeutung des Namens ist m.E. in einem Anachronismus begründet. Man neigt in der Forschung der Verbindung des Namens mit den mittelbronzezeitlichen Bezeugungen in den Nachbarkulturen zu, obwohl für den Gebrauch des Namens im sicher viel späteren Hiobbuch und überhaupt in Israel (wenn man Ez 14 als zusätzlichen Beleg werten will) überhaupt nicht erwiesen ist, ob man dabei in unserem Sinne etymologisch gedacht hat.18 Es ist also zu fragen, ob die beiden Alternativen und eventuelle weitere Möglichkeiten, den Eigennamen zu verstehen, als gleichwertig betrachtet wurden und ob der Satzname „Wo ist der Vater?“ für den hebräisch schreibenden Autor (bzw. die hebräisch schreibenden Autoren) überhaupt erkennbar bzw. für hebräische Rezipienten nachvollziehbar war.19 Es gibt in der Hebräischen Bibel eine Fülle von Namensätiologien, die die Etymologie nicht berücksichtigen oder sie auch bewusst zu ignorieren scheinen. Dies macht es möglich, dass für die Interpretation des Hiobbuches eine Deutung des Namens auf rein etymologischem Wege (insbesondere auf der Grundlage des Sprachvergleichs mit den Nachbarsprachen) an der Intention der Verfasser vorbeigeht. Ein in einem Text der Hebräischen Bibel gebrauchter Eigenname dient nicht nur der Bezeichnung der jeweiligen Person oder des Ortes, sondern er wird in erzählerischen Kontexten häufig dazu genutzt, Aussagen über den Charakter einer Person oder eines Ortes etc. zu machen. Dass dies von den biblischen Autoren bewusst so intendiert ist, zeigt die häufig gebrauchte Formel ...    (z.B. Gen 25,30).20 Daher soll im Folgenden solchen Zusammenhängen im Hiobbuch nachgegangen werden, die buchintern als mögliche Namensdeutung erkennbar sind. Freilich besteht hier ein weiteres Problem. Wenn man das Hiobbuch für eine literarisch gewachsene Einheit hält, kann sich auf den verschiedenen literarischen Ebenen des Buches jeweils eine unterschiedliche Sicht der Bedeutung des Namens und seines Zusammenhanges zur Handlung zeigen. Gleichzeitig ist es möglich, dass der gleiche Autor unterschiedliche Deutungen vorgenommen hat.21  – Hi 13,24; 33,10 Zunächst liegt im Hebräischen die Möglichkeit einer Verbindung des Namens mit dem Verb  auf der Hand. Denn von diesem Verb kommt in der Hebräischen Bibel sehr oft das Partizip   vor, das mit dem Namen   in der Schreibung einen identischen Konsonantenbestand aufweist. Den Zusammenhang mit zu Recht von Jhwh zugefügtem Leid, das in der Bezeichnung    in Jer 30,14 vorliegt, illustriert      17

Vgl. im Folgenden (unten, 226) die Deutung von N.H. Tur-Sinai. Skeptisch ist in dieser Hinsicht auch Ebach, Hiob I, 5. 19 Darauf, dass die andere Namensdeutung von hebr.   „Feind“ und arab. ’awab „büßend“ „für das Verständnis des Buches Assoziationsflächen [eröffnen], die bereits von den ältesten Tradenten der Hiob-Überlieferung beabsichtigt sein dürften“, weist demgegenüber Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 422. 20 Vgl. dazu Zimmermann, Folk Etymology, 311ff. 21 Man muss an dieser Stelle auch in Erwägung ziehen, dass der Hiobname im Hiobbuch nicht explizit gedeutet wird. Andererseits ist es umstritten, ob Eigennamen überhaupt von sich aus eine Bedeutung haben. Vgl. Bußmann, Eigenname, Lexikon der Sprachwissenschaft, 204. 18

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   (Hi 13,24),22 die Stelle, an der sich Hiob in der Dichtung von Gott als Feind behandelt empfindet: [...]        8           10         11              12            13 8 Du hast geredet in meine Ohren, und die Stimme von Worten höre ich. [...] 10 Siehe, Anfeindungen findet er gegen mich, er bezeichnet mich als Feind für sich. 11 Er legt in den Block meine Füße (und) achtet auf alle meine Wege. 12 Siehe das, was ich höre, ist nicht richtig; denn mehr ist Gott als ein Mensch. 13 Warum streitest du gegen ihn, weil er mit seinen Worten nicht antwortet? Interessant an dieser Stelle ist, dass sie in den Elihureden zitiert (Hi 33,10) und mit dem gleichem Vorwurf (Hi 33,13) interpretiert, aber gleichzeitig in der Deutung des Namens ergänzt wird. Die Elihureden spitzen den in der Rede Hiobs in      enthaltenen Vorwurf mit      zu und werfen ihn auf Hiob      zurück. Dass dabei die Deutung der Namensform   eine Rolle spielt, legt sich nahe. Sowohl Hi 13,24 als auch Hi 33,10 dürften den Namen (jeweils in unterschiedlicher Weise) am ehesten als aktive Form interpretiert haben. Inhaltliche Voraussetzung für die Annahme der passivischen Namensdeutung wäre der Vorwurf, dass Gott von Hiob als Feind angesehen wird. Dies lässt sich in Hi 13 nicht erkennen, wohl aber in Hi 33,10a, denn aufgrund des Gebrauchs von   „Feindschaft“ im Parallelismus mit   erscheint Hiob hier in der Tat als der von Gott Angefeindete. Hi 33,10 bietet damit eine Art Wortspiel mit den beiden Deutungsmöglichkeiten des Eigennamens von der Wurzel  her.   „bereuen“ Eine Deutung die einen Anhalt auch in der Deutung des Hiobnamens vom Arabischen her vornimmt und sich auf das Buch als Gesamtgröße bezieht,23 hat N.H. Tur-Sinai vorgeschlagen.24 Der Name könne eine Deutung der Dichtung darstellen, dass ein vormals frommer Mann gegen Gott rebelliere und am Ende bereue und seine Treue erneuere. Deshalb könne der Name von awwâb, ayyâb „the repentant one“ bezeichnen. Hier vermisst man allerdings an der Stelle, an der Hiobs Buße festgemacht wird (Hi 42,6), einen konkreten Hinweis auf seinen Namen. Die Stelle selbst dürfte keine Reue im Blick haben.25     – Hi 29,16 Eine mögliche Deutung, die mit dem Nomen  verbunden ist, zeigt sich in Hi 29,16:           „Ein Vater war ich für die Elenden, und den Streit eines, den ich nicht kannte, untersuchte ich.“ Der erste Halbvers stellt ein Wortspiel von  und   dar, wobei   und der Bezug auf Hiob durch  es als möglich erscheinen lassen, dass hier eine Verbindung zum  22

Vgl. Ebach, Hiob I, 5. Vgl. allgemein Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 422. 24 Vgl. Tur-Sinai, Job, LXXIIf; vgl. schon Budde, Hiob, XVIf. 25 Vgl. oben, 199. 23

2. Hi 1,1–5

227

Namen gesehen werden soll. Inhaltlich verbunden ist die Aussage mit dem Bekenntnis Hiobs (in Hi 31,16ff), nicht gegen die personae miserae gehandelt zu haben.  – Hi 17,14; 38,28 Da im Hiobbuch das Interrogativpronomen  „wer, welcher“ mehrfach vorkommt (Hi 2,2; 28,12.20; 38,19.24), ist auch die Möglichkeit, dass die Verfasser   als Satznamen „Wer ist der Vater?“ verstanden haben, gegeben. Doch steht  an keiner Stelle mit  zusammen. Es finden sich aber Stellen, an denen das Nomen  mit der Person Hiobs verbunden wird. An erster Stelle ist hier Hi 17,14 zu nennen, wo Hiob das Grab als seinen Vater bezeichnet. Der herbeigewünschte Tod wird im Hiobbuch oft gegen den angeklagten Gott gerichtet, so dass die Formulierung auch hier gegen die Missachtung durch seinen Gott gerichtet ist. Eine andere Stelle, die man in Anschlag bringen kann, ist Hi 38,28. Hier wird wie im direkten Kontext überhaupt in rhetorischen Fragen auf die Schöpfermacht Gottes verwiesen, wobei die Formulierung           erscheint. Freilich erscheint die Vaterbezeichnung in diesem Kontext nur einmal; eine Beziehung zur Person Hiobs besteht indirekt darin, dass der Text der Gottesrede mehrfach in der 2. Sg. an Hiob gerichtet ist wie im Kontext dann wieder in 38,31 (       

  – „Verbindest du die Bänder des Siebengestirn; oder löst du die Fesseln des Orion?“). Damit zeigen sich mehrere Deutungsmöglichkeiten für den Hiobnamen bereits in der Dichtung. Am ehesten scheinen in den Selbstaussagen Hiobs Erklärungsversuche des Namens vorzuliegen. Ob eine Deutung des Namens mit dem Nomen  und dem Verständnis des Namens als Fragesatz intendiert ist (Hi 17,14; 38,28), bleibt spekulativ, besonders da es unsicher ist, ob den Verfassern diese Herleitung des Namens überhaupt bewusst gewesen ist. Die anderen Stellen, an denen der Name gedeutet wird und diejenigen, an denen die Person Hiobs in Anspielung auf seinen Namen (   ) charakterisiert wird, deuten den Namen mit einer bestimmten Intention, ohne dabei Rücksicht auf die Etymologie des Namens zu nehmen.26 Im Rahmen scheint zunächst keine der Namensdeutungen, die in der Dichtung begegnen, vorzuliegen. Es findet sich außer in Hi 42,15 an keiner Stelle des Rahmens das Nomen . Auch das Verbum  kommt im Rahmen nicht vor. Dieser negative Befund verblüfft angesichts der auf die Nennung des Namens zugespitzten Einführung der Gestalt Hiobs in Hi 1,1. Der Inhalt des Rahmens ist die Geschichte einer unschuldig leidenden Person. Von den Himmelsszenen her wird im Rahmen deutlich, dass die Anläufe, Hiob zu prüfen, direkte Angriffe gegen ihn sind, auch wenn er dies nicht erkennen kann. Um solche Anfeindungen und Angriffe auszudrücken, kann man unterschiedliche Lexeme verwenden. Ein wichtiges Lexem ist  (Verb und Nomen), das in der Gestalt des Satans an prominenter Stelle im Prolog vorkommt. Letztlich sind die Prüfungen Anläufe, in denen der Satan Hiob als Feind gegenübertritt.27 Relevant für diese Deutung ist die Einschätzung Jhwhs in der zweiten Himmelsszene:     – „Du hast mich aufgehetzt, ihn umsonst zu verderben.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Hiob sich im Rahmen überhaupt nicht gegen Gott wehrt und die Anfeindungen duldsam hinnimmt. Lässt sich damit der Rahmen im Ganzen als eine indirekte Deutung des Hiobnamens als passive Form 26

Eine weitere Bezugnahme auf den Hiobnamen sieht Fohrer, Hiob, 494, im Gebrauch des Hapaxleg. 9 ! „wegen des Anklangs an den Namen Hiob“. 27 Zur Bedeutung von  vgl. unten, 238, mit Anm. 77.

228

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

„Angefeindeter“ erklären, fehlen andere Deutungen hier. Zwar wird am Anfang und am Ende des Rahmens die Vaterschaft Hiobs erwähnt, doch stellen die Kinder letztlich einen Teil seines Segens dar, der ihm im Prolog genommen und im Epilog wieder gegeben wird. Es ergeben sich also mehrere Ansatzpunkte für die Deutung des Namens im Hiobbuch. Während in der Dichtung verschiedene Deutungen parallel anzutreffen sind, könnte in der Gegenüberstellung Hiobs mit der Gestalt des Satans im Prolog der Versuch vorliegen, Hiob sozusagen als Angefeindeten im Gegenüber eines Gegners darzustellen. Der Name wird aber nicht explizit gedeutet, und die Benennung geht der erzählerischen Entfaltung wie den Deutungen in der Dichtung voraus. Am Ende der Arbeit ist nach Klärung des literarischen Verhältnisses von Dichtung und Prosarahmen auch noch einmal auf Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Namensdeutungen zurückzukommen.

Der Exkurs macht deutlich, dass der Rahmen eine erzählerische Entfaltung des Hiobnamens vorzunehmen scheint,28 während man in der Dichtung verschiedene Deutungsversuche unterscheiden kann, ohne dass es sich jeweils um explizite Erklärungen handelt. Dabei wird das erzählte oder vorausgesetzte Geschick Hiobs mit seinem Namen in einen Zusammenhang gebracht. Die unterschiedlichen Versuche dokumentieren die Erklärungsbedürftigkeit des für die Autoren wohl fremdartigen Namens.29 Über die Herkunft des Stoffes sagt die Fremdartigkeit des Namens aber ebensowenig aus wie der Gebrauch der Gottesnamen und die Ortsangaben.30 Denn die angeführten Deutungen des Namens erfolgen auf dem Boden des Hebräischen für ein Publikum, das Hebräisch versteht. Lediglich die Handlung ist mindestens teilweise in einem außer- bzw. vorisraelitischen Milieu angesiedelt. Dass keine etymologische bzw. quasi-etymologische (Ätiologie) Herleitung des Namens im Hiobbuch trotz seiner Fremdartigkeit vorgenommen wird, könnte dafür sprechen, dass man ihn ad hoc verstanden hat oder zu verstehen meinte. Es folgt in V. 1b durch determinierte Wiederaufnahme (mit Demonstrativum) des indeterminierten  vom Anfang eine ausführliche Charakterisierung Hiobs mit            . Dieser Satz ist außerdem durch die Wiederholung der Verbform mit waw-Kopulativum an den vorangehenden Kontext angebunden, steht diesem also mit zusätzlichen Aussagen zu dem  aus 1,1a gegenüber.

28

Schon Kuhl, Entstehung, 262, vermutet, dass „dieser Name [...] so etwas wie ein Programm bedeutet haben [muß]“. Vgl. auch Kuhl, Literarkritik, 195. 29 Vgl. Newsom, Job, 344. 30 Gegen Kaiser, Einleitung, 386. Eher ist der Einschätzung von Newsom, Job, 345, recht zu geben: „Job’s archaic name and foreign homeland help to establish a sense of narrative distance, which facilitates the presentation of Job as a paradigmatic figure.“

2. Hi 1,1–5

229

Die vier Attribute (, ,    und  ) werden immer als Charakterisierung Hiobs als des idealen Gerechten angesehen. Die Vierzahl hat dabei sicher eine besondere rhetorische Funktion.31 Dass sich zwei Zweiergruppen von Attributen ergeben, ist ebenso deutlich.32 Die Reihe dient der besonderen Hervorhebung der Hauptperson. Gegenüber einer rein lexikographischen Bestimmung der Semantik33 und ihrer Interpretation in Hi 1f ist aufgrund der mehrfachen Verwendung der Formel im Erzählverlauf die referenzsemantische Konnotation entscheidend: Eine besondere Bedeutung kommt dem ersten Attribut  zu, da es mit dem im Hiobbuch und Hiobprolog noch mehrmals vorkommenden   zusammenzusehen ist, so dass man über die auf den Halbvers beschränkten Beobachtungen zu weiteren Aussagen kommen kann.  für sich bezeichnet zunächst einmal allgemein die „Vollkommenheit“ Hiobs. Nichts deutet an dieser Stelle auf eine theologische Konnotation des Begriffes, der auch Hiobs „physical wholeness“34 bezeichnen kann. Das gleiche gilt für das Attribut  und die Phrase  . Der letzte Begriff   bezeichnet allgemein noch stärker als  das ethische Handeln und führt wohl am ehesten in den Bereich der Weisheit.35 Die einzige eindeutig theologisch konnotierte Aussage in der Reihe ist   , und die Spitzenstellung von  und seine Grundbedeutung „unversehrt“ zeigt, dass schon dieser erste Begriff von besonderem Gewicht ist.36 31

Newsom, Job, 345, hebt die Vierzahl in besonderer Weise hervor. Vgl. Fohrer, Hiob, 73. Fohrer weist auch auf die Belegstellen in der Weisheitsliteratur hin. Newsom, Job, 345, sieht zwei Parallelaussagen von „general moral and religious terms“. Ähnlich Iwanski, Dynamics, 71ff. 33 Die Semantik der einzelnen Attribute hat Iwanski, Dynamics, 71–107, jüngst ausführlich ausgewertet. Zur Semantik der einzelnen Begriffe und der Querbezüge vgl. ebd. Bei der Interpretation der Reihe geht er so vor, dass er die vier Attribute einander ebenfalls in zwei Zweiergruppen einander zuordnet.  und  sind für ihn ethisch,    und   religiös konnotiert. Damit wird aber die Spitzenstellung von  in der Reihe und seine etymologische Verwandtschaft mit dem Nomen   nicht ausreichend gewürdigt. Für die Bedeutung der Phrase   ist es andererseits irrelevant, ob es viele Parallelstellen gibt, an denen dies theologisch konnotiert ist. Gerade die Nähe zu Formulierungen aus dem Bereich der Weisheit, die vom rechten Weg und falschen Weg sprechen (Spr 16,17; 22,6), zeigt, dass es sich um einen Allgemeinbegriff handelt, der nicht von sich aus theologisch, sondern ethisch konnotiert ist. Gegen die vorschnelle theologische Überfrachtung von Iwanski, Dynamics, 106: „Thus, ‚turning away from evil‘ would be a practical human attitude, which avoids the slightest contact with evil or evildoers (wicked) and focuses rather on implementing positive norms. It is also an expression of man’s respect and intimate relationship with God, the source of all good.“ Die theologische Qualifikation des Begriffes  ergibt sich durch seine Zusammenstellung u.a. mit    und dadurch, dass die Attributreihe in der Jhwh-Rede (Hi 1,8; 2,3) zur Beurteilung Hiobs gebraucht wird. Bei  gilt das Gleiche wie bei  . Dieses wird zwar im Deuteronomismus oft theologisch konnotiert gebraucht (und das insgesamt öfter als  , was Iwanski, Dynamics, 79–87, vernachlässigt). Es bezeichnet aber wie z.B. in 1 Sam 29,6 zunächst eine ethische Qualität. 34 Forrest, Two Faces, 389. 35 Vgl. Ps 34,15; 37,27; Spr 3,7; 4,27 u.ö. 36 Es steht allgemein für die Bezeichnung einer „Vollkommenheit“ und wird für die Integrität von Opfertieren gebraucht. Vgl. HAL, 1604. Vgl. auch Fohrer, Hiob, 73. 32

230

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

In 1,8 wird die Attributreihe in der Jhwh-Rede gebraucht. Jhwh charakterisiert Hiob damit als einzigartig auf der Erde. Damit werden die gebrauchten Begriffe theologisch konnotiert, da sie aus der Perspektive der Gottheit auf Hiob angewendet werden. In 1,9b ergibt sich für    eine Akzentverschiebung. Denn dort wird diese Phrase interessanterweise von Seiten des Satans zusammenfassend auf Hiobs Frömmigkeit angewendet.37 Es ist signifikant, dass es von allen vier Begriffen jener ist, der von vornherein und nicht erst durch den Gebrauch in der Jhwh-Rede theologisch konnotiert ist. Die Phrase ist in der Form  /   neben den Psalmen in besonderer Weise in der dtn/dtr Literatur beheimatet und kommt an zentralen Stellen vor (z.B. Dtn 6,2; 6,24; 13,5; 1 Sam 12,14), wobei „eine enge Beziehung von ‚Jahwe fürchten‘ und Gesetzesbeobachtung“ 38 vorausgesetzt ist. In der zweiten Himmelsszene (in Hi 2,3) vollzieht sich eine weitere Akzentverschiebung. Dort wird die ganze Attributreihe (2,3a) in der Jhwh-Rede mit dem Abstraktbegriff   zusammengefasst. Thematisiert wird im Dialog zwischen Jhwh und dem Satan die Integrität von Hiobs Gottesbeziehung. Beachtet man die Konnotation im Hiobprolog, wo „sündigen“ zugespitzt nur den Gottesfluch und damit die Aufkündigung der Gottesbeziehung meint,39 dann dürfte, wie Horst das für  annimmt, an dieser Stelle markiert sein, dass auch das Attribut  auf die „Ganzheit der Gottesbeziehung“40 zu beziehen ist und somit allgemein die Frömmigkeit bezeichnet.41 Spätestens mit dieser zusammenfassenden Aussage durch   wird die besondere Bedeutung von  in der Attributreihe deutlich, was seiner Spitzenstellung in der Aufzählung entspricht. Umgekehrt stehen von diesem Punkt in der Handlung die anderen Begriffe im Schatten des Attributes . Das gilt insbesondere für die an dritter Stelle gebrauchte – eher theologisch konnotierte – Phrase   . Diese hat  gegenüber eine untergeordnete Bedeutung, was sich im summierenden Gebrauch in der ersten Rede des Satans widerspiegelt, wobei Letzteres auf eine besondere Intention ihres Gebrauchs weist. Betrachtet man nun die am Ende der zweiten Himmelsszene intendierte Bedeutung der Gesamtformulierung, so ergibt sich, dass sich in   und      zwei Aussagengruppen gegenüberstehen, wobei jeweils ein theologisches Attribut mit einem eher ethischen Attribut verbunden ist. Da   in Hi 2,3 aus der Perspektive Jhwhs die Attributreihe zusammenfasst, kommt dem eröffnenden  eine besondere Rolle zu. Außerdem ist es für die weitere Analyse relevant, dass das Eröffnungsattribut der zweiten Reihe (  ) vom Satan benutzt wird.42

Der Fokus wird durch die Attributierung noch einmal auf die eingeführte Person gerichtet. Hiob steht damit als Thema des Textes fest, auch wenn ein (Erst-)Leser das Ziel der Erzählung natürlich noch nicht erschließen kann. 37 Vgl. Klopfenstein,  , 287. Er bringt die Beobachtung mit dem Gebrauch des Adverbs  in der Jhwh-Rede und der Rede des Satans zusammen. Dass der Gebrauch verschiedener Attribute durch den Satan und durch Jhwh auch referenzsemantische Konsequenzen hat, wird dabei aber nicht weiter untersucht. 38 Stähli, , THAT I, 774. 39 Vgl. dazu unten, 248, und zu Hi 2,9 bes. 269. 40 Horst, Hiob, 23. 41 Vgl. Newsom, Job, 345, die in gleicher Weise die inhaltliche Dominanz von  betont. 42 Vgl. den Fortgang der Analyse unten, 241.260.

2. Hi 1,1–5

231

Die Betonung seiner Frömmigkeit und Rechtschaffenheit bietet aber durch die knappe, auf Gestalt und Namen der Hauptperson zugespitzte Einführung einen ersten Anhaltspunkt zur Deutung des Namens, der im vorausgehenden Nominalsatz betont an erster Stelle steht. Einem antiken Leser dürfte sich ein Zusammenhang des Namens mit dem Verb  am ehesten nahegelegt haben. Die positive Charakterisierung könnte im Sinn haben, eine solche Deutung in eine geeignete Bahn zu lenken. Aufgrund der Attributierung ist Hiob im Buch nicht mehr als ein wie auch immer gearteter Feind eines anderen zu erwarten. Möglich erscheint nur noch, dass Hiob angefeindet wird.43 Der vom Passiv von  her deutbare Namen, die Fixierung auf die Person und die ihr zugewiesenen Attribute mit z.T. theologischer Konnotation, lassen sich begreifen als eine thematische Eröffnung des Prologs, in der es um die Anfeindung des frommen Hiob geht.44 Diese Zuspitzung auf die Person Hiobs noch vor der eigentlichen Handlung setzt sich in den folgenden V. 2f ungebrochen fort, indem nun das Umfeld der Hauptperson beschrieben wird. V. 2 berichtet zunächst, dass Hiob Kinder, sieben Söhne und drei Töchter, geboren wurden. Der Gebrauch des Passiv  (  Nif.) erscheint nur für den modernen, wohl aber nicht für den antiken Leser überraschend.45 Es schließt sich in V. 3a eine Aufzählung seines großen Besitzes an. In 3b folgt eine zusammenfassende Bewertung          . Dieser Fortgang zeigt, dass auch die Kinder in einer Linie mit dem Besitz, der Hiob gehört, gesehen werden.46 Mit der Zusammenfassung der Aussagen über seinen Besitz      tritt eine zweite Charakterisierung neben die erste in Hi 1,1b. Das Nebeneinander dieser beiden Charakterisierungen (außerordentliche Rechtschaffenheit und herausragender Reichtum) verbunden mit der Abfolge der Themen (besondere Frömmigkeit  „Kinderreichtum“  großer Besitz) muss als Signal gewertet werden. Der Leser soll die Themen in ein kausales Verhältnis bringen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Rechtschaffenheit und Frömmigkeit auf der einen und Wohlstand auf der anderen Seite. 47 Dass dies in der Tat von vornherein impliziert ist, wird spätestens in der ersten Himmelsszene (1,9–11) deutlich. Die Verbindung von Frömmigkeit und Wohlergehen in der Exposition des Buches erzeugt beim Leser die Erwartung einer Gefährdung. Natürlich ist an diesem Punkt noch nicht klar, wie eine solche aussehen könnte. Doch zwei Aspekte sind bereits angelegt

43

Vgl. Ebach, Hiob I, 5. Vgl. zur Namensdeutung oben, 224ff. 45 Vgl. z.B. Gen 4,18; Gen 10,1; 2 Sam 14,27 u.ö. 46 Dies bestätigt sich spätestens nach der ersten Himmelsszene. Vgl. Newsom, Job, 350. 47 Vgl. z.B. Ebach, Hiob I, 7. 44

232

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

und daher denkbar: die Gefährdung des Wohlstandes oder die Gefährdung von Hiobs Frömmigkeit. Möglich wäre auch Gefährdung von beidem. Die erste Zuspitzung der Handlung in V. 4 geht scheinbar einen anderen Weg, indem zunächst überhaupt keine Handlung Hiobs erwähnt wird, sondern stattdessen Hiobs Kinder zum Thema gemacht werden. Von diesen wird berichtet, dass sie regelmäßig eine Reihe von Gelagen abhalten, wobei die Söhne ihre Schwestern jeweils hinzuladen – wörtlich „rufen“ (      ). Dass damit eine Reihe von sieben Gelagen gemeint ist,48 ergibt sich aus der Formulierung     und aus der Anzahl der Söhne. Dies erweckt den Anschein, als handle es sich um eine wöchentliche Reihe von Festen, auch wenn der Zusammenhang nicht vollständig aufgedeckt wird. Diese Interpretation wird durch die Eröffnung von Hiobs Reaktion auf das Handeln seiner Kinder in Hi 1,5 mit      unterstützt. Denn am Ende jeder siebentägigen Folge wird Hiob aktiv. Hiobs Reaktion auf die „Festzeit“ wird zweigliedrig berichtet: 1.      „Und Hiob schickte und heiligte sie.“ 2.       „Und er opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl.“

Das „Schicken“ nach den Kindern und das „Heiligen“ scheint der Vorbereitung der Opferhandlungen zu dienen.49 Dies legt der Gebrauch von   (Pi.) in anderen kultischen Zusammenhängen nahe.50 Erwogen wird aber auch, ob die Heiligung durch das stellvertretende Opfer erfolgt. 51 Da es sich aber, geschieden durch den Satz   , eindeutig um drei Handlungen handelt (Schicken, Heiligen und dann erst am nächsten Tag das Op48

Horst, Hiob, 10f, weist zu Unrecht die ältere Auslegung, die in diese Richtung geht, zurück. Newsom, Job, 345, vermutet, dass die Feste am Geburtstag stattfinden. Dazu verweist sie auf Hi 3,1, wo Hiobs Geburtstag erwähnt wird. Möglich ist diese Deutung aber nur in Hi 1,4; schon 1,5 weist auf eine Reihe von Feiertagen, und 1,13 zeigt, dass nach Hiobs Handlung sofort ein neuer Zyklus von Feiern bei dem Erstgeborenen beginnt. In der Antike hat im Übrigen schon Tg. Hiob mit         die Siebenzahl der Söhne auf eine enge zeitliche Konzeption hin ausgelegt, und    in 1,13 als Wochenauftakt gewertet. Insgesamt ist es plausibler, dass sich der Plural   nicht auf eine zusätzlich zu erschließende längere Dauer der Feste, sondern auf die Mehrzahl der Söhne bezieht (Hi 1,5a¸դ       ). Die dichte Ereignisfolge im Prolog, die durch das Nebeneinander von   in 1,5b und    in 1,6a angedeutet ist, bestätigt diese Deutung indirekt. Tur Sinai, Job, 8, denkt an ein Jahresabschlussfest. 49 In dieser Allgemeinheit Horst, Hiob, 12; Fohrer, Hiob, 78. Tur Sinai, Job, 8, sieht eine Aufforderung Hiobs an die Kinder: „He sent and ordered them to sanctify themselves for the sacrifice.“ Newsom, Job, 346, versteht   (Pi.) als zweiten Ausdruck für das Rufen. So schon Jacob, Erklärung, 278f, der allerdings auf ein zusätzliches Fest im Hause des Vaters schließt. 50 Vgl. Kornfeld/Ringgren,  , ThWAT VI, 1185. 51 So Groß, Ijob, 13f. Vgl. Kornfeld/Ringgren,  , ThWAT VI, 1200; Clines, Job I, 17; vgl. Hoffer, Illusion, 91, die darin eine Verstärkungsfunktion sieht.

2. Hi 1,1–5

233

fern), ist diese Deutung weniger plausibel. Auch ist abgesehen davon, dass es sich um die Voraussetzung zum Opfer selbst handelt, nicht ausgedrückt, worin die Heiligung der Kinder durch Hiob eigentlich besteht.52 Die Formulierung       lässt demgegenüber keinen Zweifel, dass es um ein stellvertretendes Opfer Hiobs geht. Hiob ist dabei „Opferherr“ wie in den Erzelternerzählungen.53 Welcher Art das Opfer ist, wird in MT nicht klar ausgedrückt.54 Die LXX erwähnt mit Á¸ĖÈÉÇÊñμɼŠȼÉĖ¸ĤÌľÅ¿ÍÊĕ¸ËÁ¸ÌÛÌġÅÒÉÀ¿ÄġŸĤÌľÅÁ¸ĖÄĠÊÏÇÅïŸȼÉĖÖĸÉÌĕ¸Ë ȼÉĖÌľÅÐÍÏľÅ¸ÍÌľÅzusätzlich ein Sündopfer, legt die Brandopfer in MT damit nicht als solche aus. Die an dieser Stelle beim Opfer eher unpräzise Aussage von MT darf man daher durchaus zum Anlass nehmen, die Handlungsfolge        nicht zu präzise mit einer bestimmten kultischen Vorstellung zu verbinden. Vielmehr erscheint das Opfer im Kontext von Hiobs Charakterisierung (1,1b) zunächst als Ausdruck seiner Frömmigkeit.55 Opfer waren in der Antike ja sichtbare Zeichen einer Gottesbeziehung.56 Im Text ist also intendiert, dass Hiob stellvertretend für die Kinder handelnd deren Gottesbeziehung zu sichern sucht: „Die Brandopfer Hiobs für seine Söhne dienen der Aufrechterhaltung und Pflege des gegenseitigen Segensgeflechtes zwischen Jhwh und der Familie Hiobs.“57 Dies dürfte für den antiken Menschen leicht nachvollziehbar gewesen sein, denn eine stellvertretende Teilnahme am Kult beispielsweise durch Beterstatuetten etc. ist eine Praxis, die es seit früher Zeit gibt. Die institutionalisierte Priesterschaft auf der anderen Seite agiert anstelle des Volkes und für das Volk, und auch die Erwartung einer Fürbitte von Hiob für die Freunde am

52 Die unklare Formulierung führt zu einer Fülle von Vermutungen. Vgl. dazu Clines, Job I, 16f; Driver/Gray, Job, 8. I.E. handelt es sich am ehesten um kultische Waschungen, die die Teilnahme am Kult des nachfolgenden Tages vorbereiten. 53 Vgl. Groß, Ijob, 14. 54 Da in 1,5 die Wurzel  in der Begründung erscheint, scheint sich ein Bezug zum  nahezulegen. Da dieses Opfer aber nach Lev 4,2 nur für versehentliche Sünden gilt (vgl. Lux, Der leidende Gerechte, 48f), muss m.E. das Fehlen des Terminus technicus als Hinweis gewertet werden, dass der Verfasser dies ganz bewusst offen lassen wollte. Überhaupt wird nicht ausdrücklich auf eine Sühnewirkung angespielt. Dass hier die „priesterliche Opfertheologie […] in dialektischer Weise bedacht“ werde (Schmid, Schriftdiskussion, 248), kann man an diesen eher vagen Bezügen m.E. nicht festmachen. 55 Es wäre voreilig hier bereits eine Art Sühnehandlung in den Text einzutragen. Die Sühnewirkung eines Opfers wird hier nicht thematisiert. Dies könnte damit zusammenhängen, dass der Hiobrahmen der Wirkung von Opfern eher reserviert gegenübersteht. Vgl. dazu unten, 419. 56 Vgl. Kratz, Kult, 30; auch Horst, Hiob, 12, der an eine Verbundenheit schaffende Kraft der Gabe denkt. 57 Lux, Der leidende Gerechte, 49.

234

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Ende des Hiobbuches hängt mit solchen Vorstellungen zusammen (Hi 42,8aº). Aufgrund des intendierten Zusammenhanges von Frömmigkeit und Wohlergehen in 1,1–3, legt es sich bei V. 4f nahe, dass auch hier derselbe Zusammenhang intendiert ist. Freilich sagt diese aufgrund der Textabfolge intendierte Schlussfolgerung noch nichts darüber, wie (und ob) für die Person Hiobs tatsächlich ein Handeln für das Wohlergehen seiner Kinder Einfluss auf sein eigenes Wohlergehen hat.58 Diese Überlegungen gewinnen an Evidenz, wenn man sich die Abfolge der Formulierung anschaut. Zunächst wird Hiob ja mit   „und er heiligt sie“ an den Kindern tätig, führt bei diesen einen für die Opferung nötigen Zustand herbei – oder intendiert das zumindest, woran sich das stellvertretende Opfer zur Bekräftigung der Gottesbeziehung anschließt. Es folgt eine Begründung, die Hiob in direkter Rede selbst gibt. Diese legt seine Strategie offen:          „Vielleicht haben meine Söhne gesündigt und haben Gott in ihrem Herz geflucht.“ Der Euphemismus in  ist zunächst in der Technik der Antiphrasis gebildet, d.h. „daß der äußere, scheinbare Sinn einer Aussage diametral entgegengesetzt zu ihrem inneren, tatsächlichen Sinn steht“59. Für die Bestimmung der Semantik des Euphemismus innerhalb des Hiobprologs ist es entscheidend, dass  mehrfach auf eine verbale Äußerung bezogen ist (Hi 1,11a; 2,5b –   ; Hi 1,22 –       ; Hi 2,9b –    ; Hi 2,10b –       ). Kontrastierend zeigt      (Hi 1,21b), dass an eine verbale Schmähung gedacht ist. Inhaltlich muss es sich um eine verbale Äußerung handeln, die für geeignet gehalten wird, die Gottesbeziehung zu beenden.60 Als entsprechende Antonyme kommen  und  in Frage, wobei  mit der Grundbedeutung 58 So allerdings Ebach, Hiobs Töchter, 71: „Hiob opfert (sich auf) für seine Söhne. Sie sollen es gut haben! Er will ihnen die Freude nicht vergällen und trägt Sorge, daß ihnen nichts Böses widerfährt. [...] Hiob will sich und die Seinen versichern. Das Opfer fungiert als Risiko-Kapital-Versicherung. Im Schadensfall (‚vielleicht‘) kompensiert es den Verlust, tritt der Schadensfall nicht ein, erwirtschaftet Hiob ein religiöses ‚plus‘.“ Diese Einschätzung kann nur als ein Eindruck aus dem Zusammenhang der V. 1–5 gelten. Wie sich später zeigt, widerspricht die Intention des Prologs insgesamt dieser Deutung. Denn der Prolog läuft auf die Widerlegung der Unterstellung des Satans hinaus, dass Hiob aus dem Kalkül heraus fromm sei, damit es ihm gut gehe. Im Blick auf den ganzen Prolog scheidet also Ebachs Interpretation aus. Es geht in Hi 1f um die grundsätzliche Erhaltung der Gottesbeziehung trotz des widerfahrenen Leides. Was für Hiob im Fortgang gilt, muss aber auch für die paradigmatische Voranstellung seiner Kinder gelten, wenn nichts anderes ausdrücklich erwähnt ist. Hiob sorgt sich also doch wohl am ehesten uneigennützig um die Gottesbeziehung seiner Kinder. 59 Schorch, Euphemismen, 235. 60 Dies wird im Folgenden weiter ausgeführt. Vgl. dazu unten, 269.

2. Hi 1,1–5

235

„gering machen“ eine größere Bedeutungsbreite hat. Da es aber offensichtlich in Hi 3,1 in Aufnahme des euphemistischen Gebrauchs von  über die Selbstverwünschung Hiobs in Hi 3,3ff gestellt ist, dürfte hinter dem euphemistischen  in Hi 1f die Wurzel  stehen.61 Da es keinen Grund gibt, Hi 3,1 literarkritisch von der Rahmenerzählung abzutrennen, hat man     in dem Vers als Zielpunkt der Euphemismen mit    in Hi 1f zu sehen. Aufgrund der vorausgesetzten Wirkung (Tod 62) ist in Hi 1f wohl an eine gegen die Gottheit gerichtete Schmähung gedacht. Dieses mögliche radikale Vergehen gegen die Gottheit wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass vom Fluchen   „in ihrem Herzen“ die Rede ist und damit ein expliziter Fluch ausgeschlossen ist.63 Dass daneben bei den Kindern ein anderes Vergehen von vornherein ausgeschlossen ist, kann man nicht sagen.64 Wahrscheinlich ist indessen eher, dass es sich beim „Sündigen im Herzen“ um ein Vergehen handelt, das Hiob auszugleichen im Stande ist.65 An dem Nebeneinander von  und    in 1,5aº ist grammatisch nicht zu erkennen, ob hier allgemein an ein Sündigen der Kinder gedacht ist oder zusätzlich auch an ein Fluchen Gottes. Allerdings ist zumindest bei Beachtung des Fortganges des Hiobprologs der erstmalige Gebrauch von , das hier euphemistisch gebraucht ist, 66 ein Signal (s. 1,11; 2,5.9), das vorausweist. Da aus dem Kontext nicht erkennbar ist, auf welche Verfehlung das allgemeinere Verb  „sündigen“ zu beziehen ist, dürfte sich  auf das nachfolgende    beziehen. Beide Formulierungen sind also inhaltlich zu verbinden und im Kontext zu interpretieren: „Vielleicht haben meine Kinder gesündigt, indem sie Gott im Herzen geflucht haben.“67 Im Blick dürfte aufgrund der Intertextualität zu Dtn 28 auch  sein, obwohl  niemals gegen die Gottheit gerichtet wird. Vgl. Scharbert, , ThWAT VII, 43. Diese Konvention zeigt sich auch in Ex 22,27, wo sich im Parallelismus  und  gegenüberstehen.  zielt hier ebenfalls auf Gott,  auf den  ab. Dennoch ist der terminologische Zusammenhang unverkennbar. Vgl. dazu z.B. auch das Gegenüber von  und  in Num 22,12. Allerdings zeigt gerade der Kontext der Bileamgeschichte, dass bei der Fluchthematik immer auch weitere Synonyme im Blick sind. (z.B. Num 22,11 – ). Die Überlegung zeigt, dass der Gebrauch des Euphemismus nicht nur einen Begriff vermeidet, sondern auch eine ganze Palette von Begriffen aufruft, auch wenn in Hi 3,1 nur  genannt wird. 62 Dies erschließt sich erst im Verlaufe des Prologes. Vgl. dazu die weitere Analyse. 63 Vgl. dazu unten, 245. 64 Gegen Fohrer, Hiob, 77. Der Fluch gegen Gott im Herzen ist ein Vergehen, auf das Hiob noch einwirken kann. Nach Newsom, Job, 346, können die Kinder auch sündlos sein. 65 Dies ergibt sich aus der Radikalität der Formulierung Hi 2,9b. 66 Zur Formulierung vgl. Schorch, Euphemismen, 101. 67 Den Zusammenhang sieht auch Lux, Der leidende Gerechte, 44. 61

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Diese Identifikation von „sündigen“ und „Gott fluchen“ wird in der Hiobrede unvermittelt gegeben. Dadurch trägt sie Signalcharakter. Aufgrund der nicht selbstverständlichen Identifikation erwartet man eine weitere Entfaltung dieser Thematik. Diese vollzieht sich in der Fortsetzung der Handlung des Prologs, wo das Thema des Gottesfluches zum bestimmenden Thema wird. Grundsätzlich ist in Hi 1,1–5 deutlich, dass sehr summarisch berichtet wird. Wir befinden uns bis V. 5 in der Exposition. Hiobs stellvertretendes Handeln gehört noch zu seiner Charakterisierung hinzu. Gleichzeitig hat der summarische Charakter zur Folge, dass wesentliche Einzelheiten von den Lesern erschlossen werden müssen. Aus der Befürchtung Hiobs, dass die Kinder im Herzen Gott geflucht haben könnten, ist entsprechend zu schließen, dass es sich um Feste handelt, die aus der Sicht Hiobs negativ zu beurteilen sind. Aus der Tatsache, dass Hiob überhaupt stellvertretend handelnd tätig wird, muss geschlossen werden, dass Hiob in irgendeiner Weise von diesen Feierlichkeiten und ihren möglichen Implikationen Kenntnis erlangt hat.

3. Hi 1,6–12 Mit    beginnt ein neuer Abschnitt der Handlung. Es stellt sich die Frage, wie die Determination von   aufzufassen ist. Nach Gesenius/ Kautzsch drückt die Formulierung eine unbestimmte Zeitangabe aus, also „eines gewissen Tages“68. Beachtet man, dass im vorangehenden Vers auf eine regelmäßig wiederkehrende Handlung verwiesen wird, lässt sich die Determination an dieser Stelle plausibler auf das vorangehende        beziehen. Für die Determination ist also keine Spezialbedeutung anzunehmen. Es liegt der ganz normale Gebrauch des Artikels vor: An einem bestimmten Tag der vorangestellten allgemein bezeichneten Gesamtheit   findet die erste Himmelsszene statt.69 Besteht auf diese Weise eine textsyntaktische Verbindung, so ist ein inhaltlicher Zusammenhang trotz des Szenenwechsels schon aus der Abfolge heraus evident. Hiob agiert permanent in der vorher erwähnten Weise stellvertretend für seine Kinder. An einem jener Tage, an denen Hiob opfert, kommt es zu der in V. 6 folgenden Himmelsszene. Dadurch wird die nachfolgende Szene mit dem vorangehenden Abschnitt zeitlich und inhaltlich verbunden, auch wenn sich eine unvermittelte Veränderung der Akteure vollzieht, die ja auch einen Ortswechsel impliziert. 68 69

Vgl. GK §126s, 426f. Vgl. Newsom, Job, 347.

3. Hi 1,6–12

237

Denn es wird in V. 6a¹º berichtet, dass die    vor Jhwh treten. Die indirekte Ortsangabe wird an zweierlei erkennbar: Einerseits impliziert    eine Thronszene,70 andererseits ist die grundsätzliche lokale Unterschiedenheit der Szenerie durch die Anwesenheit Jhwhs und der   71 evident; denn die Unterscheidung einer göttlichen von der menschlichen Sphäre ist für den Orient selbstverständlich.72 Woran bei den    genau gedacht ist, gibt der Text nicht zu erkennen. Es scheint eine Art „himmlischer Ratsversammlung“ vorausgesetzt zu sein,73 in der aber neben Jhwh nur die Gestalt des Satans genauer hervortritt:       (Hi 1,6b). Das Adverb  zeigt, dass er in einer Reihe mit den    gesehen wird. Diese Zuordnung impliziert bereits das in den beiden Begegnungen bestehende Verhältnis zwischen Jhwh und Satan, in denen Jhwh die Redeführerschaft hat. Dies wird sachlich an der Thronszene und theologisch an dem mit    vorausgesetzten inferioren Status des Satan deutlich.74 In Hi 1,6b klärt sich für den Leser, warum die Szenerie so abrupt wechselt. Zwar wird der Satan in keiner Weise charakterisiert; doch zeigt seine determinierte Einführung im Kreise der   ,75 dass die Kenntnis dieser Figur bei den Lesern vorausgesetzt ist. An diesem Punkt deutet sich ein Zusammenhang mit der Einführung Hiobs und der Betonung seines Namens an. Die Gestalt des Satans wird in der Himmelsszene aus dem Kreis der    dezidiert herausgehoben.76 Aufgrund dessen trägt die Be70 In bestimmten Konstellationen bezeichnet  die Stellung der Dienerschaft gegenüber einem sitzenden Herrn (vgl. Ex 18,14; 1 Sam 22,6). Dies setzt eine Art Thronszenerie, hier Jhwhs, voraus. Vgl. Newsom, Job, 347; allgemein zum Thronrat Mullen, Assembly, ABD II, 214ff. 71 Die sog. „Gottessöhne“ kommen in gleicher Terminologie neben Hi 2,1 in Gen 6,2.4 vor (vgl. Hi 38,7). Sie begegnen in der Form    in Ps 29,1; 89,7. Wahrscheinlich ist in Hi 1f eine Szenerie wie jene in 1 Kön 22,19 vorgestellt (dort   ). Zur religionsgeschichtlichen Herkunft dieser Vorstellung (bes. zu Ps 29,1) vgl. Albani, Der eine Gott, 151f; Newsom, Job, 347. 72 Dass es sich um einen von der Erde unterschiedenen Ort handelt, wird in dem betonten Bezug auf die Erde im Dialog zwischen Jhwh und Satan ( – vgl. Hi 1,7.8.10; dann wieder 2,2.3) deutlich. Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 93. 73 Vgl. dazu Newsom, Job, 347; Hesse, Hiob, 27. 74 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 93, die hier bereits inhaltliche Konsequenzen zieht. Dass der „Satan [...] von sich aus nichts vorzubringen [hat]“ (ebd.), kann man allerdings daraus nicht entscheiden. 75 Vgl. Hirth, Gottes Boten, 81. Hirth weist darauf hin, dass der Satan hier nicht als „Außenseiter“ vorkommt, sondern er nur aufgrund seiner besonderen Rolle ausdrücklich erwähnt wird. 76 Zur Satansgestalt und den damit verbundenen theologischen Implikationen siehe Spieckermann, Satanisierung, 435ff.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

zeichnung  Signalcharakter. 77 ist dabei nicht als sprechender Name zu verstehen, was sich an der Determination des Nomens zeigt;78 vielmehr handelt es sich dabei um eine Art Titel, der auf eine ganz bestimmte Funktion seiner Gestalt weist, die mit der Grundbedeutung des Verbs  „anfeinden“ zusammenhängt.79 Für den Leser wird dadurch deutlich, dass die mit dem Hiobnamen erwartete Anfeindung mit der Gestalt des Satans zusammenhängt. Der Einführung des Satans in V. 6b folgt die Eröffnung des Dialoges durch die Frage Jhwhs, woher der Satan käme. Die Antwort des Satans darauf erfolgt lapidar:       (Hi 1,7b¹). Doch der Gebrauch der Wurzel   lässt von parallelen Belegstellen her auf ein zielgerichtetes und beabsichtigtes Durchstreifen schließen.80 Allerdings geht eine enge Interpretation, wie sie durch G. Fohrer vorgeschlagen wird – „Er hat die Frömmigkeit der Menschen beobachtet, ob sie wie üblich eigennützigen Gedanken entspringt und dient.“81 – an dieser Stelle zu weit, selbst wenn hier ein Wortspiel  –   vorliegt.82 Einerseits hat das Verb die Funktion eines kataphorischen Textsignales, das die Aufmerksamkeit auf den Fort77 Gershenson, Satan, 443–445, ist demgegenüber der Ansicht, dass die Bezeichnung  griechischen Ursprungs und von „Titan“ herzuleiten sei. Er verweist dabei auf die Parallelität von ĕÌÍÉÇË (griech.) und Satyros (Lat.). Das Griechische habe die Bezeichnung aus dem Sumerischen übernommen. Freilich kann dies das dem Hebräischen im Griechischen nachgebildete ¸Ì¸ÅÜË nicht erklären, so dass allenfalls eine unabhängige Herkunft von  und Titan vom Sumerischen über eine nicht mehr existente semitische Brücke möglich wäre. Die Abhängigkeit vom Griechischen erscheint für das biblische Nomen zudem nicht als möglich, da eine solche Übernahme erst in der hellenistischen Zeit wahrscheinlich ist. Es kommt hinzu, dass das Äquivalent für die Titanen der griechischen Mythologie in der biblischen Überlieferung nie mit  bezeichnet wird, sondern mit den pl. Nomina  ,  (Dtn 2,20ff u.a.) und   (Gen 6,4). Die Bedeutung des sumerischen TI.TA.AN ist der Bedeutung des hebr.  darüber hinaus näher als dem griech. „Titan“. Vgl. demgegenüber Bremmer, Titanen, DNP 12/1, 623f, der die Herkunft der Titanenvorstellung und event. auch des Namens in Nordsyrien lokalisiert. Görg, Satan, 10f, sieht eine Entsprechung auf der lautlichen Ebene nach äg. ňdnj und findet die Bezeichnung in Darstellungen des thronenden Osiris bezogen auf ein Glied des Hofstaates. Vgl. allgemein Haag, Vor dem Bösen, 73ff; Newsom, Job, 347f (Lit.). 78 Als Eigenname taucht  biblisch das erste Mal in 1 Chr 21,1 auf. 79 Vgl. Fohrer, Hiob, 83. Zur Diskussion darüber, ob  Funktionsbezeichnung ist vgl. auch Nielsen, , ThWAT VII, 748–750. Newsom, Job, 347, denkt bei  an „the accuser“. Zwar sind wir im Hiobbuch noch weit vom späteren Verständnis des Satans entfernt, doch legt der Hiobname nahe, dass der Satan als „Feind“ freilich nicht per se, sondern in diesem Fall Hiobs im Blick ist. 80 Siehe dazu die Überlegungen bei Fohrer, Hiob, 84. 81 Fohrer, Hiob, 84. 82  $ steht semantisch auch  & nahe, was die Nähe zum Nomen  noch unterstreicht. Vgl. HAL, 1223.

3. Hi 1,6–12

239

gang des Gespräches zwischen Jhwh und Satan lenkt. Andererseits ruft das Durchstreifen der Erde83 inhaltlich gerade keine individuellen Bezüge auf; der Satan steht der ganzen Erde gegenüber wie Jhwh. Die kataphorische Funktion der ersten Frage und Antwort wird in der zweiten Frage Jhwhs deutlich, die mit       (V. 8aƞ) auf Hiob fokussiert ist. In der Jhwh-Rede wird nach der Thematisierung „der ganzen Erde“ das Augenmerk sofort auf eine einzelne Person gerichtet. Diese Fokussierung geht mit einer eindeutigen Parteinahme Jhwhs für die Person Hiobs einher. Denn dieser wird von ihm als   „mein Knecht“ bezeichnet.84 Das Nomen  mit dem Possessivsuffix zielt auf eine besondere Beziehung zwischen Jhwh und Hiob. Gleichzeitig stellt   in den Jhwh-Reden der Rahmenerzählung ein Pendant zum Fehlen des Patronyms85 beim Hiobnamen und seinen Ersatz dar; denn an der Stelle, wo bei den Freunden das Patronym steht, findet sich in den Jhwh-Reden   (vgl.    mit     und    ). Diese Hervorhebung Hiobs in der Jhwh-Rede setzt sich mit dem nachfolgenden Begründungssatz V. 8b fort, der seine Integrität betont. Die Jhwh-Rede behauptet damit in den V. 7f eine exklusive Frömmigkeit Hiobs und damit umgekehrt eine demgegenüber defizitäre Frömmigkeit bei allen übrigen Menschen, was     „denn es ist keiner wie er auf der Erde“ deutlich macht. Allerdings sagt auch dies nichts darüber aus, ob die Überwachung der Menschen als Aufgabe des Satans gedacht ist.86 In der Erzählung wird von Jhwh das Thema lediglich auf Hiob gelenkt. Das Durchstreifen der Erde könnte demnach einfach ein Mittel sein, um den Blick vom himmlischen Thronrat auf die Erde überwechseln zu lassen. Demgegenüber weist der Themenwechsel auf die Anfeindung Hiobs durch den Satan voraus. Die Formulierung -  /   begegnet nur an wenigen Stellen. Als Unvergleichlichkeitsaussage stellt sie eine absolute Besonderheit heraus.87 Die Unvergleichlichkeit kann auch in der Frageform ausgedrückt werden wie z.B. in Ex 15,11 und Dtn 3,24. Diese rhetorischen Fragen haben dieselbe Intention. 83 Fohrer, Hiob, 84, ist der Ansicht, dass es sich bei  um „die Gegend [handelt], in der auch Hiob lebt; ‚auf der Erde‘ meint offensichtlich nur irgendein Gebiet auf ihr.“ Hiergegen ist festzuhalten, dass die Thronratsszene das Gegenüber von Himmel und Erde impliziert. Nichts spricht dafür, dass hier nur an die Gegend – womöglich nur das Land Uz – gedacht sein sollte. Die Unvergleichlichkeitsaussage 1,8b¸ unterstreicht dies dadurch, dass hier auf konkrete hymnische Formulierungen angespielt wird. 84 Zu möglichen Konnotationen von  vgl. Fohrer, Hiob, 84; Ringgren/Rüterswörden/Simian-Yofre,  , 1000–1010. 85 Zur Verwendung des Begriffes „Patronym“ siehe oben, 32, Anm. 4. 86 Gegen Fohrer, Hiob, 84. 87 Vgl. als Übersicht über die Aussagen Ringgren,  , ThWAT I, 302–304.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Eine angefügte Adverbialbestimmung kann den Bezugsrahmen angeben, für den die Aussage gilt. In diesem Sinne kann sie z.B. der Bezeichnung der herausragenden Körpergröße Sauls (1 Sam 10,24), der Charakterisierung von Goliaths Schwert (1 Sam 21,10) oder der Bezeichnung eines Unglückstages (Jer 30,7) dienen. Ansonsten kommt die Formulierung üblicherweise in hymnischen Texten vor, in denen die Größe und Macht Gottes gerühmt wird.88 Konstruiert wird sie in der Anrede Gottes mit Suff. 2. Sg. mask. (2 Sam 7,22; 1 Kön 8,33; Jer 10,6f; ; Ps 86,8; 1 Chr 17,20; 2 Chr 6,14) oder mit dem Gottesnamen bzw. mit einer Gottesbezeichnung (Ex 8,6; Dtn 33,6). In 1 Sam 2,2 treten Attribute dazu (    ,      ). In Dtn 4,31ff werden zusätzlich zur Unvergleichlichkeitsaussage über den Gott Israels auch Aussagen über Israel gemacht (4,33.34). Aufgrund der Ortsbezeichnung in Hi 1,8; 2,3 wird ein Zusammenhang zu Texten hergestellt, an denen Gottes Unvergleichlichkeit in ähnlicher Weise gepriesen wird. In 1 Kön 8,23 (// 2 Chr 6,14) wird Jhwh als unvergleichlich im Himmel und auf Erden bezeichnet. Intendiert ist dabei Vollständigkeit.89 In Ex 9,16 bezeichnet sich Gott selbst als unvergleichlich  . An dieser Stelle ist die Erde als Gesamtgröße im Blick.

Dass Jhwh Hiobs Unvergleichlichkeit vor dem Satan lobt, stellt eine Verbindung her zu Texten, an denen Jhwhs Unvergleichlichkeit gepriesen wird.90 Dies zeigt, dass eine besonders enge Beziehung zwischen Jhwh und Hiob intendiert ist. Die Begründung von Hiobs Unvergleichbarkeit schlägt einen Bogen zurück zu der Charakterisierung Hiobs auf der Erzählebene in Hi 1,1b.91 Diese (        ) wird hier faktisch im Munde Jhwhs zitiert. Für den Leser stellt dies aber nicht nur eine Wiederholung dar; man weiß ja außerdem schon von Hiobs aktivem Bemühen um die Integrität der Gottesbeziehung seiner Kinder. Nun wird Hiob in Hi 1,8 nach seiner Einführung als Hauptperson des Buches und nach seiner Charakterisierung in Hi 1,1b mit der Voranstellung der Unvergleichlichkeitsaussage (  ) durch Gott zum Frommen par excellence stilisiert, was ein Gegenüber in der Formulierung    in der Rede des Satans hat. Beides weist auf eine paradigmatische Bedeutung der Szenerie.92 Die Form der an den Satan gerichteten Frage problematisiert die Charakterisierung Hiobs im Munde Jhwhs bereits. Es geht in der Fortsetzung des Dialoges also um die Integrität von Hiobs Gottesbeziehung, die Jhwh hier behauptet, die auf der Erzählebene bereits dokumentiert wurde. Die Hauptperson des Buches wird zum Gegenstand einer verbalen Auseinander88

Vgl. Clines, Job I, 24. Vgl. Ps 86,8. 90 Eine Verbindung zu der Aussage 1,3b besteht nur formal. Denn dort liegt ja ein Bezug zu 1,3a und damit nur ein Vergleich im Bereich des Besitzes vor. Gegen Newsom, Job, 349: „God’s praise is even more hyperbolic than the narrator’s“. 91 Auf die Verbindung weist auch Clines, Job I, 24, hin. Er relativiert allerdings die Unvergleichlichkeitsaussage von der Reihe der Attribute her: „This claim that there is none to compare with Job in point of piety is at bottom no more than what the narrator has already made out in his account of Job in the first scene.“ 92 Gegen Clines, Job, ebd. 89

3. Hi 1,6–12

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setzung zwischen Jhwh und dem Satan. Der Satan reagiert dann seinerseits mit einer Infragestellung der Feststellung Jhwhs, was wiederum in Frageform vorgetragen wird.93 Die Frage lautet:        „Fürchtet Hiob Gott (etwa) umsonst94?“ Sie (V. 9b) ironisiert damit den in 1,1–5 angedeuteten Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen. Auffällig ist, dass der Satan mit      auf den zweiten Begriff aus der Attributreihe zur Bezeichnung der Frömmigkeit zurückgreift und nicht auf den ersten ().95 Der Einwand impliziert ein Ideal, das aber in der rhetorischen Frage ironisiert wird. Umsonst müsse Gott verehrt (gefürchtet) werden, wobei umsonst sich auf einen grundsätzlichen Ausschluss eines Lohngedankens bezieht.96 Die Ironisierung von Seiten des Satans zeigt, dass von ihm die Unmöglichkeit der Existenz einer solchen Frömmigkeit unterstellt wird, was die Hervorhebung Hiobs durch Jhwh indirekt noch einmal betont. Die Fortsetzung (V.10) – weiter in Frageform – zeigt, dass in V. 1–3 tatsächlich ein kausaler Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen Hiobs intendiert ist. Die Frage weist jedenfalls Jhwh eindeutig als Ursprung für Hiobs Wohlergehen – den Segen Jhwhs (V. 10b¸     ) – aus. Diese Formulierung scheint dtn Sprachgebrauch entlehnt zu sein. 97 Doch erst der Fortgang mit der Aufforderung (V. 11) zeigt, was hier unterstellt wird:              „Aber strecke deine Hand aus und rühre an alles, was ihm gehört, ob er nicht auf dein Angesicht (hin) dich verflucht.“

Es wird an Jhwh die Aufforderung gerichtet, den Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen aufzukündigen, wobei das „anrühren“ (Imp. Qal von ). dabei die Bestreitung von Hiobs Besitz und damit des von Jhwh gewährten Segens meint.98

93 Es handelt sich um eine rhetorische Frage, die das Gegenteil von Jhwhs Behauptung als Selbstverständlichkeit annimmt: „Selbstverständlich fürchtet Hiob Gott nicht ohne Entschädigung!“ (Fohrer, Hiob, 85). 94 Zur Semantik vgl. Ebach, Hiob I, 13f; ders., Ist es ‚umsonst‘. 95 Dass dies nicht nur konventionelle Gründe hat, zeigt der Fortgang des Textes in Hi 2,1ff. Vgl. unten, 260. 96 Vgl. Ebach, Hiob I, 14; ders., Ist es ‚umsonst‘, 19. Ebach (ebd., 17f) betont den Zusammenhang zu Hiobs stellvertretendem Opferhandeln in Hi 1,5. Der Satan problematisiere Hiobs Handeln aus der Exposition und werfe Lohnfrömmigkeit vor. 97 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 95. 98 Vgl. Preuß, , ThWAT V, 222f.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Intendiert ist dabei nicht, dass Hiob fromm ist, weil es ihm gut geht. 99 Das wäre modern gedacht und unter Absehung der Intention des Hiobrahmens interpretiert. Vielmehr geht es um mögliche Beweggründe für die Frömmigkeit.100 Der Satan unterstellt Hiob, dass er Gott fürchte, dass er also fromm sei, damit es ihm gut gehe. Dies führt im Zusammenhang von V. 10b¸(    ) zu den Heilszusagen, die im Deuteronomium wie z.B. in Dtn 14,29b (               )101 an verschiedene Vorschriften geheftet sind. Der Zusammenhang bildet also eine implizite Kritik an der theologischen Konzeption des Deuteronomismus.102 Damit wird der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen, dem bereits in der Exposition und mehr noch dann im Epilog in der Restitution des Hiob erzählerisch Gestalt gegeben wird, nicht infrage gestellt. Doch er wird als Beweggrund für die Frömmigkeit ausgeschlossen. Dadurch wird das Thema der Gottesbeziehung auf eine theoretische Spitze getrieben: Die Gottesbeziehung ist – so setzt die Himmelsszene voraus – um ihrer selbst willen da, Frömmigkeit hat gegenüber Gott zweckfrei zu sein. Beachtenswert ist die Form jener an Jhwh gerichteten Aufforderung in V. 11. Sie läuft auf den Schwursatz     (wörtlich: „Wenn er dich nicht in dein Angesicht segnet, ...“) zu. Diese elliptische Formulierung103 stellt bekanntlich eine bedingte Selbstverfluchung dar.104 Hiob wird also unbedingt – so die Behauptung – Gott fluchen, seine Frömmigkeit und damit die Gottesbeziehung aufgeben, wenn der erwartete Segen ausbleibt. Hier ist der gleiche Euphemismus –  steht für  – gebraucht wie in 99 So Köhlmoos, Auge Gottes, 96, die schreibt: „Er hat also allen Anlaß, gottesfürchtig zu sein, es gibt für ihn gar keine Alternative. Gott macht ihm die Gottesfurcht nicht leicht, er ermöglicht sie ihm.“ M. Köhlmoos kommt zu diesem Ergebnis nach folgender Interpretation von Hi 1,10: „Der Satan weist darauf hin, daß die Beziehung zwischen Gott und Hiob in der Tat verläßlich ist, denn JHWH hat Hiobs kleine Welt schützend umzäunt. Hiob kann dem Bösen fernbleiben, weil Gott das Böse von ihm fernhält, JHWH stellt den Raum zur Verfügung, in dem Gottesfurcht erst möglich ist“ (Köhlmoos, Auge Gottes, 95). Ähnlich Syring, Hiob, 71. Beachtet man jedoch Hi 1,9b (      ) kann davon, dass hier vom Raum, der der Gottesfurcht bereitet wird, nicht mehr die Rede sein. Vielmehr geht es um Schutz und Segen als Folgen (!) der Gottesfurcht, die ja dann auch in Frage gestellt werden, während Hiobs Frömmigkeit als konstant beschrieben wird. 100 So auch Fohrer, Hiob, 85: „Hiob werde Gott offen verfluchen [...] und sich von ihm lossagen, wenn seine Frömmigkeit sich nicht mehr bezahlt macht.“ 101 Dass Jhwh sich im Werk der Hände segnend erweist, kommt unter Gebrauch der Nomina   und  neben Hi 1,10 ausschließlich im Deuteronomium vor. 102 Diese Kritik sieht freilich ab von der theologischen Konzeption des Deuteronomiums. Dem Bezug zum Deuteronomismus wird an späterer Stelle ausführlich nachgegangen. Siehe unten, 381ff. 103 Vgl. Brockelmann, Syntax, §170c, 162. 104 Dieser Aspekt ist insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Satan ja gegenüber Jhwh mit seiner Behauptung scheitert, theologisch nicht irrelevant.

3. Hi 1,6–12

243

1,5aº, wo Hiob seine Sorge ausdrückt, seine Kinder könnten sündigen, indem sie im Herzen Gott segneten (i. e. fluchten).105 Von einem tatsächlich geschehenen bzw. intendierten Fluch gegen die Gottheit wie in Hi 1f wird in der Hebräischen Bibel sehr selten gesprochen. In 1 Kön 21,10.13 geht es um einen solchen, wo Nabot von den zwei gegen ihn aufgestellten Falschzeugen der Fluch gegen die Gottheit und den König unterstellt wird (10aº –     , 13aº –       . Eine literarische Beziehung zum Bundesbuch (Ex 22,27) ist in der Erzählung nicht auszuschließen.106 Es ist jedoch in jedem Falle auffällig, dass anders als bei den beiden entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, die auch die Todesstrafe gegen dieses Vergehen vorsehen,107 wie in Hi 1f ein Euphemismus gebraucht ist. Nach S. Schorch liegt der Grund der unterschiedlichen Redeweise in dem unterschiedlichen Sitz im Leben der Äußerungen. „Während im Bundesbuch als Rechtstext das Vergehen in unverhüllte Worte gefaßt ist, bedient sich die ausdrücklich als mündliche Rede apostrophierte Anzeige des entsprechenden konkreten Falles eines antiphrastischen Euphemismus. [...] Der Eindeutigkeit verpflichtete und in der schriftlichen Form wohl auch nur für ein begrenztes Publikum bestimmte juristische Texte dürften von anderen Sprachformen geprägt gewesen sein als die Umgangssprache.“108 Neben dem Erzähltext 1 Kön 21 und dem Bezugstext im Bundesbuch (Ex 22,27) ist Lev 24,15 relevant. Eingeführt durch einen kurzen Erzählzusammenhang (Lev 24,10–12), wird die Rechtssprechung des Fluches gegen die Gottheit entwickelt. Zwei Vorschriften werden gegeben. Zunächst geht es um den Fall des gegen die Gottheit gerichteten Fluches, dann um die Schmähung des Namens Gottes. Letzteres führt in V. 14 zum Todesurteil. Das Fluchen Gottes aber wird in V. 15b mit der Formulierung   belegt. Es mutet aufgrund der Schwere des Vergehens und aufgrund des Faktums, dass das leichtere Vergehen ja mit dem Tode bestraft wird, eigentümlich an, wenn hier die Rechtsfolge offen gelassen wird.109 Wahrscheinlich aber wird durch die Formulierung an der vorliegenden Stelle wie an anderen Stellen, an denen die Formel begegnet, ausgedrückt, dass die Schuld so groß ist, dass keine entsprechende Strafe existiert. Zu vermuten ist, dass gleichfalls die Todesstrafe die Folge ist.110 Eine für das Verständnis von Hi 1f ebenfalls relevante Stelle ist Jes 8,21 vor. Der Vers gehört zu dem wohl redaktionellen111 Epilog (8,19–9,6) der Denkschrift. Hier ist der gegen die Gottheit und den König gerichtete Fluch als Folge der Not gedacht. 112 Dass dies direkt mit dem Tode bestraft wird, ergibt sich nicht aus dem Zusammenhang, wohl aber zeigt der Fortgang der Perikope, dass dies weiter in das Verhängnis führt.113

105

Zum Euphemismus siehe die Analyse von Hi 1,5 oben, 234. Schorch, Euphemismen, 251, spricht von einem „Rekurs“ auf den Bundesbuchtext. 107 In Lev 24 wird der Sachverhalt ausführlich ausgeführt. 108 Schorch, Euphemismen, 251. 109 Dies vermutet Gerstenberger, Leviticus, 333. 110 Vgl. Freedman/Willoughby/Fabry, , 634f. 111 Vgl. Beuken, Jesaja, 238. 112 Vgl. Beuken, Jesaja, 243. 113 Beuken, Jesaja, 243, schreibt: „Wer das Band mit Gott und König zerbricht, der findet nirgends mehr einen Halt in der Welt.“ 106

244

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Weiterhin ist Ps 10,3 zu nennen, wo die Formulierung      „der Habgierige segnet – schmäht Jhwh“ begegnet. Hier steht in MT die Schmähung Gottes durch den Habgierigen im Parallelismus dem Selbstlob des Frevlers gegenüber.114 Eine weitere Stelle kommt indirekt in den Blick. Es handelt sich um 1 Sam 3,13. Hier werden die Söhne Elis, deren Verfehlungen zuvor erzählerisch entfaltet werden, in einer Offenbarung an Samuel zusammenfassend negativ bewertet. Zwar findet sich im masoretischen Text lediglich die das Urteil über die Eliden begründende Aussage     , doch handelt es sich bei dieser Formulierung um eines der achtzehn von den Rabbinen gezählten Tiqqunej Sopherim.115 Die LXX bietet den unkorrigierten Text: ĞÌÀ Á¸ÁÇÂǺÇıÅ̼ËŘ¼ġÅÍĎÇĖ¸ĤÌÇıբÁ¸ĖÇĤÁëÅÇÍŘñ̼À¸ĤÌÇİË. Daraus lässt sich die hebräische Vorlage       rekonstruieren.116 An der Stelle liegt die Begrifflichkeit vor, in der Sache ist freilich in dem Text ein kultisches Vergehen im Blick 117 und keine verbale Schmähung der Gottheit.118 Dennoch hat die Stelle für die Auslegung von Hi 1f erhebliches Gewicht, da das als    zusammengefasste Fehlverhalten der Elisöhne deren Vernichtungsurteil begründet.119

Durch die Wiederaufnahme von    in V. 11 wird ein Zusammenhang zu Hi 1,5 hergestellt, was dort den Hintergrund für Hiobs Handlung in 1,5 beleuchtet. In dem Dialog zwischen Jhwh und Satan ist an das Fluchen Gottes (1,11) als Handlung gedacht, die die Gottesbeziehung von Seiten Hiobs aufkündigen würde. Für 1,5 bedeutet dies nachträglich, dass Hiob mit dem stellvertretenden Opfer seine Kinder vor einem unbedachten Verlassen der Gottesbeziehung bewahren will.120 Letztlich zeigt dies auch, warum in 1,5 „sündigen“ und „Gott fluchen“ miteinander identifiziert wer114 Freilich gibt es bei dem Vers große textkritische Probleme. Vgl. Kraus, Psalmen I, 76, der Ehrlich, Randglossen, folgt. Siehe auch Dahood, Psalms I, 62. 115 Vgl. McCarthy, Tiqqune Sopherim, 77f; Blank, Curse, 83, listet die Stelle aus gleichem Grund unter Blasphemie. 116 Der Artikel fehlt vor Ř¼ġÅ. Möglich ist erstens ein verbaler Gebrauch des Ptz.   wäre dann als Objekt aufzufassen (   ). Es könnte zweitens nominaler Gebrauch des Ptz. vorgelegen haben. Das Ganze müsste auf eine Konstruktusverbindung zurückgehen (   ). Das Problem klärt sich bei Beachtung des Kontextes. ĞÌÀ geht auf  zurück wie in MT. Nach ëÅÒ»ÀÁĕ¸ÀËÍĎľÅ¸ĤÌÇı (    ) ist es am wahrscheinlichsten, dass  einen Objektsatz einleitet, so dass das Ptz. von  verbalen Charakter tragen müsste. Dem trägt Shelly,    , 47, durch eine Umstellung zu       Rechnung. Textkritisch kommt der LXX eindeutig die Priorität zu. Die Verbesserung aufgrund der Anstößigkeit des Ausdrucks ist eindeutig erkennbar    ergibt keinen sinnvollen Text. So Dietrich, Samuel, 161. 117 Nach Dietrich, Samuel, 183, ist  auf den Kultfrevel der Elisöhne zu beziehen, was sich an der Querbeziehung zu 1 Sam 2,30 zeige. Dietrich, Samuel, 159, übersetzt entsprechend „dass seine Söhne Gott verächtlich behandelten ...“. 118 Freilich hat man die Stelle so interpretiert, wie die Existenz des Tiqqun deutlich zeigt. 119 Vgl. unten, 392ff. 120 Das einschränkende  erklärt sich möglicherweise von hier. In Bezug auf den nicht ausdrücklichen Fluch kann Hiob stellvertretend tätig werden.

3. Hi 1,6–12

245

den: Dem Hiobprolog geht es vordergründig nicht um die Rechtschaffenheit und Untadeligkeit eines Einzelnen, sondern um das Sein in der Gottesbeziehung überhaupt. Dem dienen auch die ausführliche Charakterisierung Hiobs in 1,1b und deren Wiederaufnahme in Hi 1,8b¹im Zusammenhang der Unvergleichlichkeitsaussage     1,8b¸. Der einzigartige Fromme wird zu einem Exempel für die rechte Frömmigkeit. Der Unterschied von 1,5a¹ und 1,11b besteht darin, dass die Aussage, „Gott zu fluchen“, im Schwursatz des Satans auf die Spitze getrieben wird. Denn  „auf dein Angesicht hin“ meint explizit einen offenen Fluch121, während in 1,5a¹ mit   ein „Fluchen im Herzen“, also ein unausgesprochenes Fluchen intendiert ist. Damit ist deutlich, dass Hiob mit seinem Opfer präventiv ein „Vergehen“ auszugleichen sucht, das an das vom Satan intendierte nicht heranreicht. Gleichzeitig wird deutlich, dass jenes Fluchen im Herzen durch Hiobs kultische Handlung stellvertretend gesühnt werden kann. Für den Fluch, den der Satan von Hiob erwartet, dürfte dagegen keine Sühne im Blick sein.122 Der Gebrauch der Wurzel  in der Rede des Satans in 1,10.11 (V. 10b¸:     ; V. 11b:    ) unterstreicht den unterstellten Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen: Hiob sei fromm, damit er Segen empfängt; empfängt er ihn nicht mehr, so wird er Jhwh ins Angesicht fluchen, wobei die gleiche Wurzel  jetzt euphemistisch gebraucht ist.123 Der Entzug des Segens, so wird unterstellt, würde zu einer Aufkündigung der Gottesbeziehung von Seiten Hiobs führen. Es folgt in V. 12 die Reaktion Jhwhs auf die Aufforderung des Satans. Der Satan erhält die Verfügungsgewalt über alles, was Hiob gehört (  ), um die gegensätzlichen Positionen Jhwhs und Satans zur Frömmigkeit Hiobs zu prüfen. Dabei hat die frühere exegetische Forschung 124 durchaus sachgemäß von einer Wette gesprochen, denn es stehen sich zwei Positionen unterschiedlicher Protagonisten einander gegenüber, von denen sich nur 121

Vgl. Fohrer, Hiob, 85. Diese Interpretation geht M. Köhlmoos nicht weit genug. Sie ist der Ansicht, dass hier eine „direkte personale Konfrontation mit Jhwh“ (Köhlmoos, Auge Gottes, 96) intendiert sei, doch ist zu fragen, wie eine solche wohlgemerkt negative Konfrontation von Seiten Hiobs vorgestellt sein könnte. Vielmehr geht es um die Aufkündigung der Gottesbeziehung durch Hiob, die sich in einem solchen offenen Fluch ausdrückt. 122 Dies bestätigt sich im Fortgang des Textes in Hi 2,9b. Vgl. unten, 267f. 123 Vgl. Spieckermann, Satanisierung, 435: „Weiterhin läßt die Novelle den Satan die religiöse Rechnung aufmachen, nach der Hiob sein Verhalten gegenüber Gott angeblich kalkuliert. Da sei nichts Hnm, „umsonst“, so der Satan. Bezahlung gegen Leistung, brk als Teil des religiösen Tausches und folglich, bei Störung der Geschäftsbeziehung, brk als Fluch, Gott von seinem aus Berechnung treuen Diener ins Angesicht geschleudert. So die Kalkulation des Satan.“ 124 Vgl. z.B. Duhm, Hiob, 13.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

eine als die richtige herausstellen wird. 125 Es ist eine wesentliche Intention der Himmelsszenen, dass dort über das Geschick Hiobs in einer erschreckenden Leichtigkeit bestimmt wird.126 Der Fortgang der Handlung ist nicht völlig offen. Denn Hiob wird im Prolog auf der Erzählebene bereits vorab als fromm und gottesfürchtig charakterisiert, was von Gott ausdrücklich bestätigt und mit der Unvergleichlichkeitsaussage unterstrichen wird. Es ist daher einerseits auszuschließen, dass im Blick auf die intendierten Adressaten die Position des Satans in gleicher Weise erfolgversprechend anzusehen ist wie die Position Jhwhs. Andererseits realisiert sich die im Hiobnamen angedeutete Anfeindung in der Gegnerschaft des Satans, indem Hiob als Beweggrund seiner Frömmigkeit die Sicherung des Wohlergehens unterstellt wird. Wenn der Satan recht behielte, könnte von Hiob nicht mehr von einem Angefeindeten die Rede sein, da das vom Satan aufgeworfene Ideal der Gottesbeziehung auch von Jhwh vertreten wird. Hinzu kommt, dass die Verfügungsgewalt des Satans eingeschränkt wird.127 In Hi 1,12 erhält er Gewalt ausschließlich über das, was Hiob gehört.             „Siehe alles, was ihm gehört ist in deiner Hand, nur nach ihm sollst du nicht die Hand ausstrecken“ (V. 12b¹º»). Diese Beschränkung ist von erheblichem theologischen Gewicht: Denn hier wird die gleiche Formulierung wie in V. 11a¸ gebraucht, der gesamte Besitz, also der Segen, wird dem Satan übergeben, aber gleichzeitig die Integrität der Person Hiobs geschützt. Im Gegenüber der beiden Formulierungen hat H. Spieckermann seine These von der im Handeln manifesten Identität Jhwhs und Satans entwickelt: „Satan rät Gott, seine Hand gegen Hiob auszustrecken. Gott gibt Hiob in die Hand des Satan [...]. Beide arbeiten Hand in Hand, weil es sich um dieselbe Hand handelt.“128 Doch lässt der 125 Köhlmoos, Auge Gottes, 97, schließt das im Rückgriff auf Maag, Hiob, 43, kategorisch aus. Die Bezeichnung hängt jedoch nicht (so ebd.) an einer Eigenständigkeit des Satans. Warum sollte die Überprüfung der unterschiedlichen Beurteilungen der Person Hiobs durch einen zum Hofstaat gehörenden Satan und Jhwh nicht als „Wette“ zu bezeichnen sein? Kritik an der Bezeichnung der Szene als Wette hat auch schon Horst, Hiob I, 16, geübt. 126 Es geht am Ziel vorbei, wenn man hier eine Ernsthaftigkeit der Szene sähe. So Köhlmoos, Auge Gottes, 97. Die „Ernsthaftigkeit“ der gesamten Szenerie der Rahmenhandlung wird von Dell, Book, in einem Gesamtkonzept des Buches ausgelegt. Überhaupt ist es nicht angemessen in der Himmelsszene Konzeptionen einer allgemeinen Gotteslehre ausfindig zu machen. Hier gilt das Votum von Driver/Gray, Job, 14: „That He does allow him to be tested, and, though righteous, to suffer, is simply the unexplained fact of life, as the author observed it, but which the current theory denied.“ 127 Dies setzt sich in 2,6b fort. 128 Spieckermann, Satanisierung, 435 (Hervorhebung dort).

3. Hi 1,6–12

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absolute Schutz der Integrität von Hiobs Person bei einer solchen Deutung etwas Vorsicht angebracht sein. Sie ist im Folgenden zu konkretisieren.129 Das Hand-in-Hand-Arbeiten von Jhwh und Satan in Hi 1f erinnert an Zusammenhänge, in denen das strafende und vernichtende Handeln Jhwhs von diesem abgetrennt wird (vgl. z.B. Ex 12,23; 2 Sam 24,16; 2 Kön 19,35 u.ö.), während der uneingeschränkte Schutz der Person Jhwh selbst zugeschrieben wird (V. 12b»).130 Die Abschnitte 1,1–5 (als Eröffnung von Thema und Buch) und 1,6–12 (als erste Entfaltung des Themas) sind von der Thematisierung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges geprägt. Rede und Gegenrede zwischen Jhwh und Satan greifen auf den am Anfang des Buches (1,1–3) angedeuteten Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen, von Tun und Ergehen zurück.131 Angefragt wird hier allerdings nicht der traditionelle Tun-Ergehen-Zusammenhang selbst. Vielmehr wird die Motivation zur Frömmigkeit als Problem aufgeworfen.132 Hiob wird vom Satan unterstellt, er sichere durch Frömmigkeit und Rechtschaffenheit sein Wohlergehen. Vielleicht handelt es sich bei dieser Position auch um eine populäre Sicht bzw. Kritik am Tun-Ergehen-Zusammenhang.133 Primär zielt das Ganze aber, wie an den Anspielungen deutlich wird, auf eine Kritik an den bedingten Heilszusagen aus dem Bereich des Deuteronomismus. Im Hintergrund des Ganzen steht dabei eine ideale Vorstellung vom Eigenwert der Gottesbeziehung. Das vom Satan aufgeworfene Ideal wird unhinterfragt dem weiteren Geschehen zugrundegelegt, dass nämlich die Gottesbeziehung und damit auch ein ethisch nach dieser ausgerichtetes Leben ein von sich aus erstrebenswertes Gut völlig unabhängig von dem Zusammenhang von Tun und Ergehen ist. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Mensch sich frei und ohne weiter gehende Absichten für die Gottesbeziehung entscheiden soll.134 129

Dies wiederholt sich ja dann in der zweiten Himmelsszene. Vgl. unten, 262.306. Ähnlich formuliert Weiss, Story, 39: „In Zachariah and in Job, Satan is indeed a hypostasis – not of actual opposition to God, however, but of one of the contradictory, ambivalent traits of God Himself.“ 131 Syring, Hiob, 63, formuliert zu Hiob 1,1–5 demgegenüber: „Menge und Art der Attribute zeigen Hiob als exemplarischen Weisen [...], dessen Tun und Ergehen einander in vollkommener Weise entspricht, ohne daß ein Zusammenhang behauptet würde.“ Er weist eine Betonung des Folgecharakters durch Berg, Gott, 210, von 1,2 zurück. Doch ist gegen Syring außerdem die einfache Erzählabfolge zu beachten. Der Text setzt damit ein, dass Hiob fromm und rechtschaffen ist. Dann geht er zu seinem Besitz und zu seiner Familie über. Intendiert scheint also ein kausaler Zusammenhang zu sein, wie ja auch in der ersten Himmelsszene vorausgesetzt ist. 132 Dies vermutet auch Schmidt, De Deo, 181f. 133 Vgl. z.B. auch Pred 2,24–26 (bes. 26). Ähnlich Driver/Gray, Job, 14. 134 Vgl. Groß, Ijob, 15. 130

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Für die theologische Intention des Hiobrahmens ist dies deswegen besonders wichtig, weil Jhwh (wie der Satan) in seinen Handlungen unhinterfragt an dieser Prämisse orientiert ist. In der Himmelsszene nimmt eine narrative Entfaltung dieser Thematik zwischen den Extrempositionen – dem Festhalten Hiobs an der idealen Frömmigkeit sowie dem Fluchen Gottes und damit der Aufkündigung der Gottesbeziehung – ihren Anfang. Auf dem Prüfstand stehen die Frömmigkeit und die Gottesbeziehung überhaupt. Denn es wird angefragt, ob ein Mensch überhaupt an der Gottesbeziehung festhalten kann und wird, wenn er von Leid heimgesucht wird.135

4. Hi 1,13–22 Der Abschnitt beginnt mit der gleichen Formulierung (   ) wie in 1,6a¸ der vorangehende Abschnitt. Rein formal markiert das determinierte   in 1,13a¸, dass das nun Folgende am gleichen Tag geschieht wie das Vorangehende.136 Die gleiche Formulierung und der temporale Rückbezug markieren einen direkten Zusammenhang der Ereignisse. Um die Intention des Zusammenhanges und der Ereignisfolge zu erheben, müssen die inhaltlichen Konnotationen beachtet werden. Zunächst einmal bezieht sich   in 1,13a¸ wie in 1,6a¸ auf 1,5b zurück. Dort wurde zusammenfassend bemerkt, dass Hiob sein stellvertretendes Opfer für seine Kinder immer (V. 5b:       ) am Ende einer Folge von Festmahlen (V. 5a¸:      ) vollzog. Auf jenes   in V. 5b bezieht sich   in V.6a¸, indem aus dem sich wiederholenden Ablauf von Hiobs Handeln ein Tag herausgegriffen wird. Der parallele Rückgriff auf 1,5b manifestiert sich in V. 13a¸ zusätzlich dadurch, dass hier die Festmahle der Kinder erneut erwähnt werden. Direkt im Anschluss an eine Opferhandlung Hiobs ereignete sich also die erste Himmelsszene und direkt im Anschluss an diese kommen die Kinder erneut zu einem Festmahl zusammen. Dass dies intendiert ist, ergibt sich aus den impliziten Zeitangaben. In 1,5aº (  ) wird deutlich, dass am Morgen nach dem letzten Festmahl seiner Söhne das Opfer dargebracht wird. In V. 13b wird berichtet, dass die Kinder im Hause des ErstgeDiese Zielrichtung ist erkennbar am Gebrauch der Wurzel  in den Worten des Satans in V. 11a¹. Die Wurzel ist teilweise synonym mit  und darüber hinaus auch lautlich ähnlich. Vgl. Delcor, , THAT II, 37. Möglicherweise zielt der Gebrauch des eher polysemen  textintern schon auf 2,7 (    ). Vgl. Jes 53,4, wo die beiden Wurzeln synonym verwendet werden. 136 Siehe zur Analyse der Phrase oben, 236f. 135

4. Hi 1,13–22

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borenen (    ) zum Essen und zum Trinken von Wein zusammenkamen. Die Betonung des Erstgeborenen kann hier nur dazu dienen, den Beginn einer neuen Folge von Festmahlen zu markieren. Gleichzeitig wird das neuerliche Festmahl durch die Erwähnung von Wein negativ charakterisiert.137 Damit erfolgt das neue Gelage wahrscheinlich noch an dem Tage, an dessen Morgen Hiobs Opfer stattgefunden hat.138 Die Erwähnung des sofort wieder beginnenden neuen Festmahlzyklus’ und des Weines sollen also ein schlechtes Licht auf die Kinder werfen. Andererseits wird durch diese Bemerkung der dann berichtete Tod der Kinder von dem Ersatzopfer des Vaters unabhängig gemacht, das sich ja auf den vorangehenden Zyklus zurückbezogen hatte. Es bleibt aber letztlich dem Leser überlassen, sich auszumalen, ob und wie Hiobs Kinder bei der neuerlichen Feier (oder bereits vorher?) Schuld auf sich geladen haben mögen, die dann im Folgenden zu deren Vernichtung führt.139 Klar ist, dass die Feste und der Weingenuss von Hiobs Kindern in gewissem Sinne einen Kontrast zu Hiobs Integrität darstellen. Doch an keiner Stelle im Rahmen wird explizit, dass (und in welcher Weise) eine Schuld der Kinder vorliegt. Weder wird eine Schuldlosigkeit der Kinder behauptet, noch ihre Sündhaftigkeit über die genannten Anspielungen hinaus hervorgehoben. Die Aufeinanderfolge der drei Ereignisse stellvertretendes Opfer, Himmelsszene, neuer Festmahlzyklus ist also kunstvoll gestaltet; intendiert ist ein enger Zusammenhang der drei Episoden. In der exegetischen Literatur wird nun immer wieder auf ein Problem in Hi 1,13b mit weit reichenden literarkritischen Konsequenzen hingewiesen.140 Dort findet sich der Satz            . Als Problem wird der Bezug der Suffixe 3. Sg. mask. bei   auf Hiob angesehen, da diese sehr weit von dessen Erwähnung entfernt stehen. An dieser Stelle soll noch nicht der literarkritischen Argumentation in dieser Frage nachgegangen werden, sondern vielmehr die inhaltliche Stellung der Phrase in ihrem Kontext beleuchtet werden: Für die Diskussion des Rückbezuges ist es zunächst erforderlich, sich den Charakter von V. 12 zu vergegenwärtigen. In V. 12a¸ übergibt Jhwh Hi137 Immerhin wird gerade in der weisheitlichen Literatur vor den Folgen des Weingenusses gewarnt. Vgl. Spr 20,1; 21,17; 23,20 u.ö. 138 Tg. Hiob interpretiert mit         „und es geschah am Anfang der Woche ...“ den Zusammenhang als den Auftakt einer neuen Woche und schließt damit aus der Siebenzahl der Söhne, dass Woche für Woche derselbe Zyklus der Festmahle stattgefunden hat. 139 Newsom, Job, 351, weist zusätzlich darauf hin, dass die Betonung des Festes auch schon der Vorbereitung des Unheils dienen dürfte. 140 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 5. Anders Weimar, Ijobnovelle, 74. Zur Literarkritik siehe unten, 328ff.

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ob förmlich dem Satan und sorgt dabei zugleich dafür, dass dieser nicht seine Hand gegen ihn selbst ausstreckt (12a¹). V. 12b beendet die Himmelsszene mit dem Abtreten des Satans von der Szene. Damit schließt sich gleichzeitig ein Bogen mit V. 6b, wo das Eintreten des Satans bei Jhwh berichtet wurde. Für den Fortgang der Handlung ist nach der Himmelsszene eine weitere Handlung im Zusammenhang der Person Hiobs zu erwarten. Bereits der abgeschlossene Charakter der Himmelsszene macht deutlich, dass nun wieder Ereignisse auf der Erde folgen müssen, die mit der dem Satan übertragenen Verfügungsgewalt über Hiobs Besitz (eingeschlossen ebenso Hiobs Kinder) im Zusammenhang stehen. V. 13a greift nun wie 1,6a¸ auf 1,5b zurück. Alle drei Szenen sind durch die zeitliche Referenz eng miteinander verzahnt. Der identische Anfang von 1,6a¸ und 1,13a bewirkt, dass die erste Himmelsszene von den Ereignissen auf der Erde trotz ihrer zeitlichen Verbindung abgehoben wird. Sie erhält dadurch einen parenthetischen Charakter. So gesehen setzt 1,13a inhaltlich genau dort an, wo auch die Himmelsszene ansetzt, nämlich bei 1,5. Die Literarkritik moniert aber genau diesen offenbar intendierten Charakter der Himmelsszene.141 Soll die Himmelsszene von der Handlung auf der Erde abgehoben, aber dennoch in einen inhaltlichen Zusammenhang mit ihr gebracht werden, dann stellt sich die Frage, ob der weite Abstand zwischen den Suffixen und der letzten Erwähnung Hiobs überhaupt stereotyp als literarkritisches Argument angewendet werden darf. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass der Inhalt trotzdem klarstellt, um wessen Kinder es sich handeln muss. Theoretisch wäre ein Rückbezug der Suffixe nicht nur auf Hiob, sondern auch auf Jhwh bzw. den Satan möglich. Söhne und Töchter des Satans freilich dürften nach 1,6–12 von keinem Leser aus der Formulierung in 1,13b herauszulesen sein. Anders sieht es mit einem Bezug auf Jhwh aus. Denn in 1,6 wird ja die himmlische Szenerie mit dem Eintreten der    eröffnet. Aufgrund des Lexems  käme also ein Rückbezug in Frage. Dieser ist jedoch sachlich ausgeschlossen, da die    von Jhwh terminologisch unterschieden sind.   ist aufgrund der Determination gerade kein Eigenname. Die terminologische Trennung von Jhwh und den    liegt einerseits sicher daran, dass die    eine feste Größe sind, deren Bekanntheit vorausgesetzt ist,142 andererseits dürften damit wohl weiter gehende mythische Vorstellungen ausgeschlossen sein. Der Bezug zwischen Jhwh und den    ist also aus141

Siehe z.B. die Argumentation von Kaiser, Einleitung, 385 (Hervorhebung: R.H.), der vermutet, dass 1,6–12 ein Zusatz ist. „Die Tatsache, daß 1,13 nahtlos an 1,5 anknüpft und in 1,1–5 und 13–22 mit der einen Ausnahme in 21a¹b von Gott statt von Jahwe die Rede ist, während die Bearbeitung primär den Gottesnamen verwendet, bestätigt diese Vermutung [...].“ 142 Der Rückbezug   auf die    könnte dies dokumentieren.

4. Hi 1,13–22

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schließlich im Rahmen der Thronszenerie gegeben, wo Jhwh als Herrscher einem Hofstaat gegenüber dargestellt wird. Der Pl. von  hat damit in 1,6a¹ eine andere Bedeutung als jener in 1,13b. Bis 1,13 kann also nur von Töchtern und Söhnen Hiobs die Rede sein, so dass eine Mehrdeutigkeit des Ausdrucks   nicht gegeben ist.143 Weiterhin stellt die Phrase   gerade keinen Rückbezug auf Hiob selbst dar. Bei „seine Söhne und seine Töchter“ handelt es sich um einen Verweis auf die Kinder Hiobs, von denen in 1,4f berichtet wird. Während in 1,6–12 ein inhaltlicher Rückbezug auf Hiob selbst vorliegt, ist 1,13 eine inhaltliche Wiederaufnahme der Handlung von Hiobs Kindern (Hi 1,4f). Genauso gut könnte ein Rückbezug auf Hiob auch ganz fehlen, ohne dass der Leser dies als Problem empfinden müsste. Dass aber die Beziehung zwischen Hiob und seinen Kindern hier durch das Suffix angedeutet ist, dürfte mit der Bedeutung des neuerlichen Gelages für die Person Hiobs in der weiteren Handlung zusammenhängen und damit eine kataphorische Funktion haben. Nachdem deutlich geworden ist, dass die weite Entfernung der Suffixe in V. 13b von der Erwähnung Hiobs in der Eröffnung des Hiobbuches nicht als Argument für die Annahme eines Kohärenzproblems angesehen werden muss,144 ist zu beachten, dass die monierte Entfernung in der Sache nicht besteht: Denn Hiob wird in der vorangehenden Himmelsszene zweimal mit Namen genannt (1,8f) und dieser dort auch durch Suff. 3. Sg. mask. substituiert (siehe 1,8b¸.10[5x].11.a¹.12[2x]).145 Die monierte Entfernung verringert sich also bis 1,12a. Danach finden bis Hi 1,13 nur Jhwh und der Satan Erwähnung, bei denen keine „Söhne und Töchter“ zu erwarten sind. Es kommt aber noch ein in den literarkritischen Analysen übersehenes inhaltliches Argument hinzu, das gegen die Annahme eines Kohärenzproblems spricht. Die Übereignung Hiobs an den Satan erfolgt mit den Worten            . Da sich   auch auf Hiobs 143 Zusätzlich stellt sich die Frage, ob durchgängige Eindeutigkeit eine Forderung ist, die einem literarischen Text angemessen ist. 144 Man fragt sich außerdem, womit die Suche nach einem „eindeutigen“ Rückbezug eigentlich begründet ist. Die Abfassung von Texten und Sprache überhaupt funktioniert nicht nach Kriterien formaler Logik. Gegen Syring, Hiob, 74: „Ein eindeutiger Rückbezug läßt sich erst zu 1,1–5 herstellen, da Hiob hier die einzige im Erzähltext genannte 3. Pers. Sg. darstellt.“ 145 Dass im direkt vorangehenden Kontext (1,12b) Hiob nicht erwähnt wird und auch kein Verweis auf ihn begegnet, ist kein Argument; für den Rückbezug in V. 13 ist auch 1,12a nicht weit entfernt. Außerdem wurde vorher mit Suff. 3. Sg. mask. ausschließlich er bezeichnet und die Erwähnung von Söhnen und Töchtern machen für den Leser eine andere Identifikation des Suff. unmöglich.

252

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Kinder bezieht, verbindet der Leser   sofort mit dem Schluss der Himmelsszene. Da der Inhalt klarstellt, um wessen Kinder es sich handelt, außerdem ein inhaltlicher Bezug zu der Übereignung von Hiobs Eigentum an den Satan in 1,12a vorliegt, ist der Rückbezug auf Hiob für jeden Leser nachvollziehbar,146 so dass das Suffix kein Kohärenzproblem darstellt. Außerdem dient der Rückverweis mit Suffix der Beschleunigung der Szenerie und dazu, einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen 1,13ff und 1,4f deutlich zu machen. Der nachfolgende Zusammenhang thematisiert Hiobs Kinder zunächst nicht weiter. Dies ist überraschend, da der Rückgriff auf die Gelage der Kinder ja auch die Funktion hat, einen Zusammenhang der drei Abschnitte 1,1–5; 1,6–12 und 1,13–19 zu markieren. Es schließt sich in Hi 1,14–19 eine Viererfolge von Unheilsbotschaften an, die jeweils parallel aufgebaut sind. Die zweite, dritte und vierte Botschaft folgen jeweils mit    147   (V.16.17.18). Alle vier Reden schließen mit den Worten des Boten         . Die vier Reden sind damit als eine Kette ununterbrochen aufeinander folgender Ereignisse stilisiert. In ihr wird Hiob der Verlust von allem, was er hat, mitgeteilt: Die Rinder und Esel sind weggeführt, die Knechte sind erschlagen (V. 14f), die Herden mit den Hirten sind verbrannt (V. 16), die Kamelkarawane(n) ist (sind) gestohlen und deren Knechte erschlagen worden (V. 17). Und zuletzt noch folgt die Nachricht über den Tod der Kinder, über denen das Haus eingestürzt ist (V. 18f), womit sich ein Bogen mit Hi 1,13 schließt. Die vier Botschaften stellen insgesamt einen Rückverweis auf die Erwähnung von Hiobs Besitz in Hi 1,2f dar. Dabei wird der Besitz nicht in der gleichen summarischen Weise wie in 1,2f wiederaufgenommen, sondern in dem Kontext dargestellt, in dem sich das Unheil vollzieht. Daher werden die Rinder (1,14f), die eben zum Pflügen der Felder gebraucht werden, getrennt von den Kleinviehherden (1,16) thematisiert. Die Kamele, die dem Handel dienen, erscheinen getrennt vom übrigen Vieh in 1,17, wobei wahrscheinlich ein Überfall auf eine Karawane im Blick ist. Gleichzeitig kommen mehrmals die Knechte Hiobs in den Blick, die in 1,3 ebenfalls nur summarisch genannt waren (     ). Sie kommen jeweils am Ende der ersten drei Botschaften mit dem pl. Nomen   vor, das auch in der vierten Botschaft beim Bericht vom Tod der Kinder Hiobs gebraucht

146 147

So schon Sarna, Epic Substratum, 23. Jede dieser Substitutionen durch das Demonstrativum  nimmt   aus 1,14a auf.

4. Hi 1,13–22

253

wird.148 Dadurch macht die Szenerie in ihrer Struktur einen überaus geschlossenen Eindruck. Dass die Unheilsnachricht vom Tod der Kinder Hiobs in 1,18 an letzter Stelle steht, zeigt einerseits, dass sie – wie in 1,2f bereits erkennbar – Besitz und damit nach 1,10b erworbener „Segen“ sind. Freilich sind sie von besonderem Gewicht, weswegen sie in 1,2f am Anfang genannt werden, während ihr Tod in 1,14–18 an letzter Stelle den Höhepunkt des Unheils markiert.149 Dass die Feier der Kinder zusätzlich in 1,13 vor dem Unheil erwähnt wird, deutet an, dass die Handlung der Kinder mit dem folgenden Unheil in einem Zusammenhang steht. Ein Anhaltspunkt dafür ist, dass die Kinder im Hause ihres ältesten Bruders Wein trinken. Wie bereits festgestellt, wird durch die Erwähnung von Wein in 1,13 das neuerliche Gelage gegenüber den vorangehenden negativ hervorgehoben, wobei die negative Wertung wegen des weisheitlichen Hintergrundes des Hiobbuches wahrscheinlich ist.150 Der Rückgriff auf 1,4f lässt den Schluss zu, dass die Kinder unter den Folgen (?) ihres Weingenusses die Übertretung begangen haben, die Hiob in V. 5 üblicherweise auszugleichen suchte, dass sie nämlich in ihrem Herzen Gott geflucht haben. Ein eigenartiges Licht wirft die Formulierung        (Hi 1,16a) in der zweiten Unheilsbotschaft auf die Szenerie. Aus der vorangehenden Himmelsszene geht ja hervor, dass Hiobs Geschick der Hand des Satans ausgeliefert wird; hier nun wird vom Feuer Gottes gesprochen. Welches Naturereignis auch immer damit im Blick sein mag,151 so ist doch deutlich, dass auf der Ebene der Figuren des Textes ein Zusammenhang zwischen dem Unheil und Gott hergestellt wird.152 Die Phrase    (vgl. 2 Kön 1,12) und    (vgl. Num 11,1.3; 1 Kön 18,38; Jes 66,13) impliziert den Gotteszorn (vgl. auch Dtn 4,24; 5,23ff; 9,3 u.ö.).153 Obwohl bei den Figuren des Textes natürlich nicht die Kenntnis der Himmelsszene vorausgesetzt ist, wird durch diesen Bezug das Handeln Jhwhs und des Satans aneinander angenähert, was der Konstruktion der Himmelsszene, in der Jhwh dem Satan Macht über Hiob gibt und gleichzeitig sein Leben schützt, entspricht.154 148

Nach Newsom, Job, 351, werde hier mit der Ambiguität des Nomens gespielt. Der Gebrauch des pl. Nomens   hängt mit der verarbeiteten Vorlage zusammen. Vgl. unten, 346f. 149 Vgl. Weiss, Story, 54. 150 Vgl. die oben, 249, Anm. 137, genannten Belegstellen. 151 Fohrer, Hiob, 60, denkt, dass sich die Formulierung auf einen Blitzschlag bezieht. 152 So auch Weiss, Story, 52. 153 Vgl. Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 347, der die Formulierung auf das Gerichtshandeln Gottes bezieht.

254

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Bei Hiobs Reaktion auf das Unheil (1,20a) handelt es sich um die bei Todesfällen und Schreckensnachrichten übliche. Hiob zerreißt seine Kleider (passim) und schert sich die Haare ab (vgl. Jer 7,29; Mi 1,16). Danach fällt er nieder und betet (V. 20b). Mit der Formulierung    wird die nachfolgende direkte Rede als Gebet eingeführt. Es ist signifikant, dass trotz der vielen Klageformulierungen und auch hymnischen Elemente in der Dichtung die beiden Verben für das Beten (  Hitpal. und  Hit.) nur im Prosarahmen gebraucht werden. Eigentümlich ist in dem Gebet die Formulierung     . Der Satz wird in den Übersetzungen meist mit „und nackt werde ich dorthin zurückkehren“ wiedergegeben.  bezieht sich allerdings auf die gleiche Größe wie vorher die Adverbialbestimmung  . Es wird entsprechend der vorher abgesteckten Grenze zum Vorher der Existenz nun eine Grenze zu ihrem Danach abgesteckt, wohin der Mensch mit dem Tode zurückkehrt. Die Aussage des Satzes bezieht sich dabei aber gerade nicht auf eine mögliche Existenz außerhalb dieser Grenzen. Denn es heißt ja in der ersten Formulierung   „vom Mutterleib ...“.155 Die sich anschließende Formulierung       „Jhwh hat (es) gegeben, und Jhwh hat (es) genommen“ zeigt, dass Hiob seinen Besitz wie seine Kinder als von Jhwh gegeben ansieht und er Jhwh ebenfalls als verantwortlich für deren Verlust begreift. Dies unterstreicht den in 1,1–3 angedeuteten und in der ersten Himmelsszene in V. 9b aufgegriffenen kausalen Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen für die zurückliegende Zeit. 154 Dies wird auch durch ihre Bezogenheit auf Hiob und dadurch, dass Hiob sie prompt auf Gott zurückführt, ausgedrückt. So Clines, Job I, 33. 155 Anders Fohrer, Hiob, 93, der Anspielungen auf bestimmte Vorstellungen sieht. S.E. klinge u.a. der „Gedanke an Mutter Erde insofern ein wenig mit“ an, „als sich das Grab in der Erde befindet und der Staub von ihr genommen ist.“ Vgl. z.B. Ps 22,11, wo die Gottesbeziehung ebenfalls erst vom „Mutterleib“ an besteht. Nach Fuchs, Mythos, 68, liegt hier das gleiche „Mythologem“ wie in Hi 3,10 vor: „Hier [in 1,21] spricht sich der alte Volksglaube aus, daß zur Erde zurückkehren muß, was aus ihr gekommen ist. Dabei setzen aber die ‚Tore meines Mutterleibes‘ in V. 10 [3,10] eine fortschrittlichere Vorstellung von einem unterirdischen stadtähnlichen Reich voraus, eine ‚urbane‘ Unterwelt, entsprechend dem ebenfalls bezeugten Gedanken, daß der Ort, an dem die Menschen gezeugt werden, zugleich das Totenreich ist.“ Es ist also wahrscheinlich, dass  für die Schattenexistenz im Totenreich stehen kann, über die in wenigen atl. Texten in positiver Weise reflektiert wird (vgl. auch Hesse, Hiob, 35). In Hi 1,21 ist aber offensichtlich kein positiver Bezug auf entsprechende Vorstellungen intendiert. Das entspricht der Dichtung, wo der Unterweltsbereich bis auf die eine Ausnahme Hi 14,13 nicht mit Jhwh in Verbindung gebracht wird. Vgl. dazu oben, 217. Vgl. zur Interpretation der Textstelle auch Vall, Enigma, der die Formulierung von Parallelstellen her noch stärker mit der Vorstellung der Erde als „Mutter“ verbindet. Meier, Reflection, 189, vermutet einen Zusammenhang mit Gen 3,19.

4. Hi 1,13–22

255

Das Gebet impliziert insbesondere in der lapidaren Formulierung von V. 21aº», dass Hiob sich gegenüber Jhwh nun nach dessen „Nehmen“ nicht anders als vorher verhalten wird. Die Erzählung ist damit an einem ersten Höhepunkt angelangt. Es folgt die fast wie ein Stoßgebet wirkende Benediktion Hiobs      – „Der Name Jhwhs sei gesegnet“. Hier ist es die im Munde Hiobs zitierte Psalmensprache (vgl. bes. Ps 113,2), die neben der Einführung mit   klarstellt, dass es sich um ein tatsächliches Lob der Gottheit handelt; denn im vorangehenden Text wurde die Wurzel  zweimal euphemistisch für den Fluch der Gottheit verwendet. Gleichzeitig wird die Hiobrede durch ihre Einführung und die zitierte Psalmsprache als Gebet und damit als auf Gott hin ausgerichtete Rede charakterisiert. Insgesamt zeigt sich Hi 1,21 mit seinem dreimaligen Gebrauch des Gottesnamens als durchdachte Komposition. In ihr wird eine die ganze Existenz des Menschen umgreifende theologische Prämisse mit einem Lobpreis des Gottesnamens verbunden.156 Der Rückgriff auf eine geprägte Formulierung drückt im Zusammenhang mit den vorangehenden Sätzen V. 21aº» die Hiob durchaus schwer fallende, aber dennoch widerspruchslose Annahme der Umkehrung des Segens in Leid aus. Die Benediktion hat aber noch eine weitere Funktion: Sie markiert mit der Aufnahme des Verbs  aus der Rede des Satans in Hi 1,11b (  – „Auf dein Angesicht hin wird er dich verfluchen.“) dessen Scheitern und bezeugt ein Festhalten Hiobs an seiner Haltung, wie er in 1,1b eingeführt wurde. Der Versuch des Satans, Hiob durch die Umkehrung des Zusammenhangs von Frömmigkeit und Wohlergehen von seiner Frömmigkeit abzubringen, hatte also keinen Erfolg, und die Gefährdung ist damit abgewehrt. Dieser implizite Rückbezug auf die Himmelsszene und darin auf den Schwursatz des Satans zeigt, dass die Ereignisse in der Himmelsszene (also der himmlischen Sphäre) und in der Welt Hiobs (also der irdischen Sphäre) in engem Zusammenhang gedacht sind, den die Formulierung    (Hi 1,6.13) im temporalen Referenzbereich formal markiert. Dieser Zusammenhang ist bei der Interpretation des Fortgangs der Handlung zu berücksichtigen. Mit dem nachfolgenden Vers (Hi 1,22) wechselt der Text zurück auf die Erzählebene, wo Hiobs Handeln abschließend mit             bestätigt wird.   bezieht sich zusammenfassend auf das vorangehende Geschehen zurück. Die Formulierung fasst die vier Unheilsbotschaften, also das gesamte Unheil, das Hiob getroffen hat, zusammen. Da ein Kontrast zwischen Handeln und erfahrenem Leid intendiert 156

Vgl. Weiser, Hiob, 32.

256

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

ist, muss die Präposition  adversativ aufgefasst werden,157 was zu der Bedeutung „trotz alledem“158 führt. Die vom Satan vorgeschlagene Prüfung hat also nicht zu dem von ihm erwarteten Ergebnis geführt. Der Ausdruck   („er sündigte nicht“) weist explizit darauf, dass Hiob seine fromme und rechtschaffene Haltung, die in 1,1.8 mit der Attributreihe        ausgedrückt wurde, beibehalten hat. Im Gegenüber zu Hi 1,5a.11b zeigt sich, dass Hiob keinen Fluch gegen Jhwh gerichtet hat. Angesichts der Parallelität der Konstruktion in 1,22 und 1,5a dürften hier wie in 1,5a, wo  und    aufeinander zu beziehen waren, „Sündigen“ und „Gott Ungehöriges geben“ ebenfalls miteinander zu identifizieren sein. (1,5a)     (1,22)  

    

     

   

Angesichts der Sorge Hiobs für die Gottesbeziehung seiner Kinder und im Blick auf die Himmelsszene unterstreicht   , dass Hiob trotz des Verlustes des Segens, seines Besitzes und seiner Kinder in der Gottesbeziehung verblieben ist. Hatte der Satan „gewettet“, Hiob werde Gott ins Angesicht fluchen (V. 11b), wird für den Leser hier bestätigt, dass Hiob als Reaktion nichts „Ungehöriges“159 vorgebracht hat. Die Parallelität mit 1,5a zeigt, dass   + ! wohl ebenfalls euphemistisch für das gegen Gott gerichtete Fluchen steht.160 Dabei dürfte auf das im Konsonantenbestand identische   ! 2+ angespielt sein. Damit zeigt sich in der formalen Parallelität von 1,5a und 1,22 eine inhaltliche Beziehung. Es wird in der Schlussformulierung noch einmal auf ein Fluchen Gottes angespielt.161 Dass hier nicht ein weiteres Mal das euphemistische  steht, lässt sich leicht damit erklären, dass von Hiob ja im vorangehenden Vers (1,21b) berichtet wird, dass er den Namen Jhwhs gesegnet habe. Offensichtlich wollte man das direkte Nebeneinander des eigentlichen Gebrauchs und des euphemistischen Gebrauchs der Wurzel  im direkten Kontext und mit gleichem Subjekt vermeiden. 157 Gegen Syring, Hiob, 78, der   wie eine Lokalbestimmung übersetzt „In [diesem Ganzen =] all dem ...“ 158 So auch Jenni, Beth, 359. 159 Zur Semantik vgl. Horst, Hiob, 20; Duhm, Hiob, 15. 160 Fohrer, Hiob, 71, weist darauf hin, dass die Rahmenerzählung „eine Reihe von anstößige[n] Ausdrücke[n] durch mildernde ersetzt (vgl.   1,22;   42,7f;   42,8)“. Vgl. Schorch, Euphemismen, 101, Anm. 122. Anders Ebach, Hiob I, 31, der vermutet, dass die Formulierung       bedeute, Hiob habe „Gott keinen Vorwurf gemacht“. 161 Newsom, Job, 353, sieht den Ausdruck als „most modest form of cursing god“. Vgl. Clines, Job I, 40. Vgl. auch oben, 140.

4. Hi 1,13–22

257

Durch die Feststellung, Hiob habe nicht gesündigt (mit Anspielung auf den vom Satan intendierten Gottesfluch) wird am Ende des Abschnittes das in Hiobs Benediktion implizit ausgedrückte Scheitern des Satans expliziert. Der dritte Abschnitt des Prologs (Hi 1,13–22) führt das in Hi 1,1–5 aufgeworfene Thema der Frömmigkeit Hiobs einem ersten Ziel zu. Dessen Beweggründe für die Frömmigkeit werden durch den Satan in Zweifel gezogen, wobei ein Ideal der Gottesbeziehung formuliert wird, wonach diese als zweckfrei und als ein Wert an sich zu gelten hat. Nach der Himmelsszene werden Hiobs Beweggründe auf die Probe gestellt. Das Kalkül des Satans ist es, dass – da Hiob nur fromm sei, damit es ihm gut gehe – der Entzug des Segens zu seinem Abfall führt und er die Gottesbeziehung aufgibt, indem er Gott flucht. Der Abschnitt wird dabei durch eine Wiederholung und Verschärfung (durch die Erwähnung von  erscheinen die Feiern der Kinder in negativem Licht) der Szenerie der feiernden Kinder gerahmt. Mit ihnen wird der Abschnitt eröffnet. Dann erfährt Hiob sukzessive, dass er all seinen Besitz verloren hat, und auch seine Kinder während ihres Gelages ums Leben gekommen sind. Das vom Satan intendierte Ziel der „Hiobsbotschaften“ ist es, Hiob zum Fluchen Gottes zu bewegen. Diese prognostizierte Tat steht also in dem Abschnitt als einzige mögliche Sünde der Frömmigkeit Hiobs gegenüber. Diese Zuspitzung erklärt m.E. die Rahmung des Abschnittes mit der Kinderthematik. Offensichtlich wird ja mit der Erwähnung des Weines und des für die zurückliegenden Feste vollzogenen, aber für den neuen Festzyklus noch nicht vollzogenen Opfers in hintergründiger Weise ein mögliches Vergehen der Kinder angedeutet. Sodann ist es wichtig, dass Hiobs Opfer sich gerade auf ein mögliches „Fluchen Gottes im Herzen“ durch seine Kinder bezog (        ). Damit steht schon das in 1,5a befürchtete Vergehen der Kinder indirekt in einem Zusammenhang mit deren Tod. Durch die Klammerung des Abschnittes der Unheilsbotschaften durch das Thema der Kinder in 1,13.18f wird der Tod der Kinder gleichzeitig auch mit allem anderen Unheil, das Hiob trifft, in einen Zusammenhang gebracht. Dieser bewirkt eine Anspielung auf eine mögliche Ursache für das Unheil. Eine mögliche Sünde der Kinder, ihr Fluchen im Herzen, oder gar ein offenes Fluchen Gottes könnte auch Hiob getroffen haben. Allerdings wird dieser Zusammenhang im Text bewusst ebenso offen gehalten wie die Frage, ob die Kinder tatsächlich gesündigt haben oder nicht. Es stellt sich die Frage, was mit dieser Hintergründigkeit bezweckt ist und wie sie zu erklären ist. Gleichzeitig scheint ein möglicher Zusammenhang zwischen einem Vergehen von Hiobs Kindern

258

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

und seinem Ergehen die eigentliche Intention des Textes abzuschwächen. Diese zielt auf eine Prüfung Hiobs durch den Verlust seines Segens. Eine mögliche Sünde der Kinder verunklart den direkten Bezug zwischen Unheils und Prüfungssituation. Doch ist es aufgrund der inhaltlichen Linie, die von der Himmelsszene ausgeht, gleichzeitig unmöglich, anzunehmen, dass Hiobs Verlust von Besitz und Kindern insgesamt auf die Sünde der Kinder zurückzuführen ist, wobei dennoch die Betonung des Kinderthemas erklärungsbedürftig bleibt. Denn Hiobs Unheil wird vom Kinderthema umklammert.162 Bei alledem macht der so hergestellte Rückbezug aber deutlich, dass die Kinder interessanterweise nun ein zweites Mal nach 1,4f mit einer Gefährdung Hiobs in einem Zusammenhang stehen.163 Nach dem Verlust von allem, was ihm gehört, seines Wohlstandes und seiner Kinder wird deutlich, dass Hiob nicht dem Kalkül des Satans entsprechend handelt und er stattdessen an seiner Gottesbeziehung festhält. In 1,21a drückt er das selbst so aus, dass er Gott die volle Entscheidungsfreiheit über Geben und Nehmen zugesteht, auch wenn ihn Unheil trifft.164 Das Festhalten an seiner Gottesbeziehung unterstreicht er in 1,21b mit einer Benediktion. Die „Wette“ zwischen Jhwh und dem Satan ist damit entschieden. Hiob hält an seiner Frömmigkeit fest, auch wenn dies sich nicht auszahlt. Er hält nicht nur an seiner Frömmigkeit d.h. an seiner Gottesbeziehung fest, damit es ihm gut geht. Freilich wird in Kap. 1 der Zusammenhang von Sünde und Strafe insofern beibehalten, als trotz der Abmachung in der ersten Himmelsszene eine mögliche Verfehlung der Kinder Hiobs als Ursache für das Unheil im Blick ist.

5. Hi 2,1–6 Nach der abschließenden Charakterisierung von Hiobs Verhalten auf der Erzählebene in 1,22 folgt eine zweite Himmelsszene. Diese wird wiederum mit der Formulierung    eröffnet und damit ebenfalls in einen direkten zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den vorangehenden Geschehnissen gestellt. Es handelt sich um die gleiche Szenerie wie bei der ersten Himmelsszene; auch der Wortlaut ist nahezu identisch. Dabei bringt auch die neuerliche Thronratsszene keinen weiteren Aufschluss über dessen

162 Vgl. zu dieser offenen Frage unten, 322ff. Das Problem klärt sich aufgrund einer literarischen Querbeziehung. Vgl. unten, 392ff. 163 1,4f kann als eine erste (permanente) Gefährdung aufgefasst werden, die Hiob in der in 1,5 deutlichen Weise abzuwehren sucht. 164 Vgl. Hoffman, Prologue, 163 („God owes him nothing“).

259

5. Hi 2,1–6

Beschaffenheit. Beide Himmelsszenen thematisieren ausschließlich Hiobs Frömmigkeit. Hi 1,6–12a    6                   7                     8                          9               10                   11             12a            

Hi 2,1–6    1        165 (...)           2                     3                                   4                5                6       

Die erste größere Veränderung gegenüber 1,6ff findet sich in 2,3b. Ab dieser Stelle bleiben die beiden Himmelsszenen zwar parallel, allerdings nimmt der Dialog nun stärker den Fortgang der Handlung in den Blick, so dass die wörtlichen Entsprechungen abnehmen. Der umformulierte Teil der Jhwh-Rede         „und noch hält er fest an seiner Frömmigkeit, aber du hast mich gegen ihn aufgehetzt166, ihn umsonst zu verderben167“ (Hi 2,3b) zeigt, dass ein direkter inhaltlicher Zusammenhang mit der vorausgehenden Himmelsszene intendiert ist und daher bei dem ersten Versuch des Satans, Hiob durch Entzug des Segens zum Abfall zu bewegen, angeknüpft wird. Die zweite Himmelsszene bildet also die Fortsetzung und damit – genau genommen – keine Parallele der ersten. Es handelt sich daher auch nicht um 165

441. 166 167

Zur textkritischen Entscheidung auf Grundlage der LXX vgl. unten, 330, und Anm. Zur Semantik von   (Hif.) siehe Gesenius18, 880. Zur Semantik von  (Pi.) siehe Gesenius18, 153f.

260

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

eine Doppelung im literarkritischen Sinne.168 In der Jhwh-Rede wird nun für Hiobs Integrität das Nomen   verwendet (2,3b¸). Es fasst die wiederum in 2,3a gebrauchte Attributreihe (vgl. Hi 1,1b.8b) zusammen169 und steht für die Intaktheit von Hiobs Gottesbeziehung. Damit wird – wie bereits erwähnt – auf , das erste Attribut in der Jhwh-Rede zur Bezeichnung von Hiobs Frömmigkeit, zurückgegriffen, während der Satan in der ersten Himmelsszene dazu    verwendet hatte.170 Die zweite Himmelsszene setzt damit ganz bewusst bei dem Erfolg Jhwhs in der Wette mit dem Satan ein, wobei das abschließende  in     (V. 3b) auf die rhetorische Frage des Satans zurückverweist und dessen Scheitern hervorhebt. Die Formulierung macht aber – theologisch hochinteressant – gleichzeitig deutlich, dass Jhwh sich gegenüber Hiob insofern im Unrecht befindet, als er die Verantwortung für das Handeln des Satans trägt.171 Freilich zeigt der identische Beginn der zweiten Himmelsszene und damit auch die gleiche Eröffnung des Dialoges zwischen Jhwh und dem Satan, dass nun eine weitere Gefährdung von Hiobs Frömmigkeit (  – der Intaktheit172 seiner Gottesbeziehung), bevorsteht, was sich auch schon durch den Gebrauch von in     (V. 2,3b¸) andeutet. Denn das Adverb „noch“ hat eine kataphorische Funktion und weist im vorliegenden Kontext auf ein mögliches Ende von Hiobs Frömmigkeit. Dementsprechend läuft die Handlung mit der neuerlichen Erwiderung des Satans auf einen neuen Höhepunkt (V. 4bf) zu. Die Eröffnung der Rede des Satans          (Hi 2,4b) ist gegenüber der ersten Himmelsszene neu formuliert. Im Vergleich wird deutlich, dass diese Worte der rhetorischen Frage des Satans        (Hi 1,9b) aus der ersten Himmelsszene und dem an Jhwh gerichteten Vorwurf, er habe Hiobs Besitz beschützt (Hi 1,10), gegenübersteht. Über die Formulierung    wird viel gerätselt. Es wird oft vorgeschlagen, hierin einen Ausdruck aus dem Bereich des Handels zu sehen.173 V. Maag weist darauf hin, dass die Handlung außerhalb der Himmelsszene 168

Vgl. dazu auch die literarkritischen Erwägungen unten, 328ff. Vgl. oben, 229f. 170 Vgl. oben, 241. 171 Syntaktisch und inhaltlich ähnlich ist der Gebrauch von  in Hi 9,17. Vgl. oben, 71. Zum Zusammenhang der beiden Stellen siehe unten, 371. – Syring, Hiob 84, vermutet einen Zusammenhang mit den Dialogen, der deutlich mache, „daß Hiob sich nicht nur nichts zuschulden kommen ließ, sondern daß er Gott gegenüber sein Recht auch zu Recht einfordern kann“. 172 Vgl. zur Bedeutung von  auch oben, 229. 173 Vgl. Hölscher, Hiob, 12; Fohrer, Hiob, 96; ähnlich Ebach, Hiob I, 34; ders., Ist es ‚umsonst‘, 19. 169

261

5. Hi 2,1–6

dieser Unterstellung des Satans nicht entspräche. S.E. sei diese Dissonanz aber gewollt. Sie zeige die „Fadenscheinigkeit der vom Satan vorgetragenen Begründung“174. Doch ist Maags Interpretation schwer vorstellbar, da das Nomen  im Hiobbuch immer in Bezug auf Hiob vorkommt und Hiob in 2,7 am Aussatz erkrankt. Die Gesamtformulierung bietet demgegenüber einen Anhaltspunkt für eine plausiblere Interpretation.       steht    gegenüber. Formal handelt es sich um einen Parallelismus: 







 

  

Inhaltlich bedeutet das, dass das erste  metaphorisch für den Besitz des Menschen steht. Es kann also nur die Kleidung als letzter Besitz des Menschen gemeint sein. Das zweite  steht parallel zu , weist also auf das Leben an sich. Im Blick dürfte damit also die Haut des Menschen als Synonym für das Leben sein.175 Eine vergleichbare Vorstellung findet sich in den Vasallenverträgen Asarhaddons (VTE §47, 450).176 Es ist allerdings zu vermuten, dass    vor allem deswegen gebraucht wird, weil Hiob im Folgenden mit Aussatz geschlagen wird. Denn in Bezug auf eine Krankheit kommt  auch in den Dialogen vor (vgl. Hi 7,5; 19,20.26; 30,30). Die Metapher könnte also ad hoc177 gebildet sein und findet sich deswegen nicht in anderen Textbereichen der Hebräischen Bibel oder in außerbiblischen Texten. V. 4b stellt also eine Zusammenfassung der sog. Hiobsbotschaften aus der Perspektive des Satans dar, wobei ein neuer Vorwurf erhoben wird: Alles gebe der Mensch, um sein Leben zu schützen. Aus dieser Perspektive gewinnt das Gegenüber zu der Formulierung in 1,9b an Bedeutung. Hiob wird jetzt der Vorwurf eines neuen Kalküls gemacht. Er sei fromm und verbleibe in der Gottesbeziehung aus Furcht um das eigene Leben.178 Hiob habe den Entzug des Segens nur hingenommen, weil er um sein Leben fürchte. Todesfurcht sei der Beweggrund für Hiobs Gottesbeziehung. An dieser Stelle zeigt sich, warum vom Satan    (in 1,9b) zur Bezeichnung von Hiobs Frömmigkeit verwendet wird, während Jhwh mit  auf das Attribut  zurückgreift. In den Aussagen des Satans wird der Begriff 174

Maag, Hiob, 28.  steht z.B. in Ex 22,26 für den Körper; in Mi 3,2f wird es übertragen für das Leben verwendet. 176 Siehe Borger, Vertrag, TUAT I, 171. 177 Der Rückgriff auf ein Sprichwort muss nicht vorliegen. Gegen Fohrer, Hiob, 96f. 178 Ebach, Ist es ‚umsonst‘, 19, spricht von der „Sicherung des nackten Lebens“. 175

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

der Gottesfurcht ironisiert.179 Es kann kein Zufall sein, dass gerade diese in besonderer Weise mit dem dtn/dtr Sprachgebrauch180 zusammenhängende Bezeichnung für die Frömmigkeit (  ) vom Satan karikiert wird. Vergleicht man angesichts dessen den Vorwurf noch einmal mit demjenigen aus der ersten Himmelsszene, dann zeigt sich ein starker Konnex. Während in Hi 1,6ff Hiob vorgeworfen wird, er sei fromm, damit es ihm gut ergehe, wird ihm in Hi 2,1ff vorgeworfen, er sei fromm, um Unheil von seiner Person fernzuhalten. Der Zusammenhang mit den paränetischen Heilszusagen in Hi 1 legt es daher nahe, dass sich auch der Vorwurf in Hi 2 auf die Paränese des Dtn bezieht, in diesem Fall auf die Androhung von Unheil bei Übertretungen. Es folgt wie in der ersten Himmelsszene mit   „aber“ eingeleitet eine weitere Aufforderung an Jhwh.181 Das Neue in Hi 2,5a¹ und die Steigerung gegenüber 1,11a¹ bestehen darin, dass Jhwh jetzt aufgefordert wird, Hiobs Gebein und Fleisch ( und ) anzutasten.182 Die Zusammenstellung der beiden Begriffe bezeichnet die Ganzheit der Person Hiobs183– wie im Deutschen die Zusammenstellung von „Fleisch“ und „Blut“ – und steht der seinen Besitz betreffenden Formulierung   (V. 1,11) gegenüber. Daran schließt sich mit 2,5b die gleiche Erwartung wie in 1,11b an, die wiederum als Schwursatz formuliert ist: Hiob werde, wenn mit der Infragestellung seiner körperlichen Integrität offenbar auch sein Leben bedroht ist, den gegen Gott gerichteten Fluch aussprechen. Im Hintergrund steht der veränderte Vorwurf des Satans, dass Hiob die Gottesbeziehung aus Furcht um sein Leben aufrechterhalte. Nicht Gottesfurcht, sondern die Furcht vor Gott stehe hinter Hiobs Frömmigkeit. Der Abschnitt schließt wieder mit Jhwhs Zustimmung, enthält aber gleichzeitig die Einschränkung des Vorschlags des Satans, was ebenfalls der ersten Himmelsszene parallel gestaltet ist. Jhwh und der Satan schließen die Abmachung, dass Hiob zwar ein weiteres Mal in die Hände des Satans ausgeliefert wird, Jhwh aber nun dafür sorgt, dass Hiobs Leben dabei verschont bleibt (2,6:       ).

179

Interessanterweise interpretiert der Talmud (bSota 31a) Hiobs Frömmigkeit in diesem Sinne. Vgl. dazu Müller, Hiob und seine Freunde, 29. 180 Vgl. oben, 229f. 181 Vgl. weiter die Gegenüberstellung oben, 259. 182 Zur Semantik von  vgl. oben, 241. 183 Vgl. z.B. Gen 2,23; 29,14; Ri 9,2 u.ö.

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6. Hi 2,7–10

6. Hi 2,7–10 Der nachfolgende Zusammenhang (2,7–10) ist formal nicht so deutlich wie der auf die erste Himmelsszene folgende Abschnitt (dort    ) als Neuanfang markiert. Inhaltlich ist der Szenenwechsel durch den Ortswechsel des Satans allerdings angezeigt. Vergleicht man den Übergang der Szenerie in 2,7 mit 1,13, so zeigt sich eine Gemeinsamkeit. Die Eröffnung mit    markiert de facto den gleichen direkten zeitlichen Zusammenhang, der auch durch den fließenden Übergang in 2,7 mit       markiert ist. Die klarere formale Abgrenzung von 1,13ff von der vorangehenden Himmelsszene dürfte demnach der speziellen Problematik von Hiobs Kindern geschuldet sein, die 1,13–19 klammert.184 Inhaltlich fällt bei Hi 2,7ff gegenüber 1,13ff auf, dass der Satan nun direkt mit dem Leid Hiobs in Verbindung gebracht wird. In 1,13ff stand er ‚hinter‘ den Ereignissen, ohne dass die Kausalität aufgedeckt wurde. Die unterschiedlich bestimmte Aktivität des Satans wird oft als Kohärenzproblem zwischen den beiden Himmelsszenen gewertet.185 Doch lässt sich diese Veränderung gegenüber 1,13ff mit der Besonderheit des Unheils, das Hiob in 2,7ff trifft, erklären. Denn es handelt sich um ein Unheil mit radikalen Folgen, und es handelt sich dabei um ein an anderen biblischen Stellen mit der Gottheit in direktem Zusammenhang stehendes Leid.186 Der ganze Körper Hiobs wird von Aussatz betroffen. Ein ebenfalls mit    bezeichneter Aussatz wird in Lev 3,18–23 thematisiert. In 2 Kön 0,7 (= Jes 38,21) wird von der Heilung dieser Krankheit gesprochen. Mit   wird in Ex 9,9ff eine Plage der Ägypter bezeichnet. In Dtn 28,27 heißt es      , wobei    an der ersten Stelle vor anderen unheilbaren Hautkrankheiten steht. Mit dieser Stelle in einem Zusammenhang steht Dtn 28,35, wo sich die Bezeichnung   ebenfalls findet.187 Nur in Hi 2,7 und Dtn 28,35 wird dem Nomen   das Attribut  beigegeben. Aber der Vers ist insgesamt eine Parallele zu Hi 2,7b:       (Dtn 28,35)    188   (Hi 2,7b) 184

         

  

      

Zu diesem Problem siehe unten, 323.392ff. Vgl. Fohrer, Hiob, 100. 186 Vgl. dazu unten, 271 und 381. Dabei scheint es sich um ein verbindendes Merkmal des altorientalischen Kulturraumes zu handeln. Vgl. dazu Magdalene, Scales of Righteousness, 13ff, und oben, 210. 187 Vgl. Schmid, Schriftdiskussion, 250. 188 Die masoretische Lesetradition (Qere) betont den Bezug auf Dtn 28,35 mit . 185

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Die Konstruktion mit dem Verb , die Attributierung mit  und die identische Bestimmung der Erstreckung der Krankheit     spricht für eine direkte literarische Beziehung zwischen den beiden Stellen. Als Zitation ist eine Übernahme in Hi 2,7b aus Dtn 28,35 am plausibelsten. Was sollte die Verwendung eines Zitates aus einem Erzählzusammenhang demgegenüber in Dtn 28 für einen Sinn haben? Außerdem dürfte der Grundbestand von Dtn 28 schon früh ein autoritativer Text gewesen sein.189 Da bereits in Hi 1 ein Verweis auf das Dtn ausgemacht werden konnte,190 ist nur ein Bezug des Hiobprologs auf das Dtn und nicht umgekehrt denkbar. Die Zitation dürfte bei der Bedeutung, die Dtn 28 im Kontext des Deuteronomiums und darüber hinaus hat, für den Leser Signalcharakter gehabt haben. Dass sich Hi 2,7 formal und inhaltlich von 1,13–19 unterscheidet, hängt einerseits damit zusammen, dass das Dtn-Zitat eine Verweisfunktion hat. Die Tatsache, dass es sich um ein Zitat handelt, hat dabei die Kürze nicht nur notwendig gemacht, sondern sie zugleich auch ermöglicht. Andererseits haben die Unterschiede auch mit dem zu tun, was jeweils konkret vom Unheil betroffen ist. In Hi 1,13–18 handelt es sich um ‚alles, was ihm gehört‘, in Hi 2,7 um die eigene Person. Da Hiob in Hi 1 noch nicht mit der eigenen Person betroffen ist, das Unheil aber den gesamten Bereich seines Besitzes umfasst,191 sind die Boten als Zwischeninstanz erforderlich. Demgegenüber trifft ihn in Hi 2,7 persönlich ein extremes Unheil, weswegen ein Bericht auf der Erzählebene ausreicht. In Hi 1,13–18 ist der Umweg über die Figurenperspektive also inhaltlich begründet, während in 2,7ff auf der Erzählebene der direkte Zusammenhang zwischen dem Unheil und dem Wirken des Satans unmittelbar ausgedrückt werden kann. Die ebenfalls monierte Mehrgliedrigkeit (in 1,13ff) gegenüber der Eingliedrigkeit und Kürze der Unheilsschilderung in 2,7ff ist ebenfalls inhaltlich begründet. Während in Hi 1,13ff versucht wird, den ganzen in Hi 1,2f genannten Besitz zu thematisieren, geht es in 2,7b um die Infragestellung von Hiobs körperlicher Integrität. Die Stereotypie der Unheilsbotschaften stellt andererseits eine Parallele zur Kürze des Berichtes in 2,7ff dar. Die Beschränkung auf den Aussatz als ein Unheil in 2,7 hängt aber zugleich auch damit zusammen, dass man diese Krankheit als eine radikale Infragestellung Hiobs ansah, die den Betroffenen der Sphäre des Todes ausliefert.192 189 Die Vergeblichkeitsflüche gehören nach Steymans, Deuteronomium 28, 377ff; Otto, Deuteronomium, 377, zum Grundbestand des Deuteronomiums. So auch Schmid, Schriftdiskussion, 250. 190 Vgl. oben, 241f. 191 Hiob könnte auch unmöglich selbst Zeuge allen beschriebenen Unheils werden. 192 Ebach, Hiob I, 35: „Wer krank, einsam, angefeindet, von Menschen und Gott verlassen ist, ist in der Sphäre des Todes, ist schon tot.“ Vgl. zur besonderen Bedeutung des

6. Hi 2,7–10

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Die Beziehung zum Deuteronomium deutet die Fluchhaftigkeit des Leides an. Da es sich bei Hi 2,7b zweifellos um eine Formulierung aus dem Deuteronomium handelt, dürfte die auffällige Erwähnung des Satans mit diesem Bezug zusammenhängen. Der Leser soll über die Parallelität der Formulierung auf die Unterschiede zwischen den beiden Formulierungen aufmerksam gemacht werden: Im Blick ist in erster Linie das unterschiedliche Subjekt. Während in Hi 2,7b der Satan Subjekt des Schlagens ist, ist es in Dtn 28,35 Jhwh selbst, der mit Aussatz straft. Hier hilft die konstruierte Alternative einer unpersönlichen Formulierung von 2,7b weiter. Bei einer solchen Formulierung (      > ?@ " ) würde der Leser die Nähe zum Deuteronomium ebenfalls erkennen; er würde sie aber als ein Passivum divinum interpretieren! Daher muss die Einsetzung des Satans in 2,7b in der Intention des Verses von entscheidender Bedeutung sein: Es ist also gerade nicht Jhwh, der sich entsprechend der Fluchreihe im Deuteronomium auf eine Übertretung seiner Gebote bezieht,193 sondern der Satan, der entsprechend der Abmachung in der zweiten Himmelsszene Hiob von der Integrität seiner Gottesbeziehung abbringen will. Damit wird auf der einen Seite vermieden, dass von Jhwh ein ‚ungerechtfertigtes‘ Strafhandeln berichtet wird, andererseits wird nach der zweiten Himmelsszene ausgeschlossen, dass der Leser die Formulierung im Zusammenhang des Deuteronomiums auf ein mögliches Vergehen Hiobs hin auslegt.194 Diese Überlegungen haben Relevanz für die Erzählebene. Der Leser weiß nun, dass Hiob nicht für ein Vergehen bestraft worden ist und dass es nicht Jhwh selbst war, der Hiob mit dem Aussatz geschlagen hat. Für die Figuren des Textes dagegen, also für Hiob wie dann auch für dessen Frau und später auch die Freunde, bleibt ein mögliches Vergehen, das eine Strafe entsprechend Dtn 28 nach sich zieht, die naheliegende Annahme.195 Der Aussatzes in dieser Hinsicht die freilich negativ gewertete Reaktion der Freunde in Hi 2,11–13 und das als Vergleichstext interessante Beispiel von Mirjams Aussatz. In Num 12,12 wird Jhwh darum gebeten, die Aussätzige nicht in der Sphäre des Todes zu belassen. 193 Dies setzt Syring, Hiob, 86, voraus, der der Ansicht ist, dass der Verweis dazu dient, „daß Hiobs Erkrankung nach ihrer äußeren Erscheinung auf Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes zurückgeführt werden muß.“ 194 Gegen Syring, Hiob, 86. 195 Natürlich besteht hier das Problem, dass bei den Figuren des Textes die Kenntnis des Deuteronomium und also des Zitates nicht vorausgesetzt werden kann. M.E. ist an dieser Stelle bei der Abfassung bewusst ein Anachronismus in Kauf genommen worden. Den Adressaten dürfte die Beziehung zum Deuteronomium offenkundig gewesen sein. Auch an anderen Stellen werden ähnliche Anachronismen erzeugt. So gebraucht Hiob den Gottesnamen, obwohl er (angesichts seines Alters) mindestens eine Generation vor Abraham gehört. Die Anachronismen sind wohl dem paradigmatischen und – wie sich zeigen

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Text scheint darauf abzuzielen, dass Hiob sich als unter dem Gottesfluch stehend erkennen und sich dieser Situation entsprechend bewähren soll. Der Gebrauch einer der Flüche aus Dtn 28 bei der Prüfung Hiobs durch den Satan stellt implizit das dtn Schema von Schuld und Strafe in Frage, wonach diese Flüche Folge der Gebotsübertretung sind. Daher tut sich ein Zusammenhang zu der in Hi 1 festgestellten Polemik gegen die Heilszusagen des Dtn auf, gegen die sich der Hiobprolog offensichtlich insgesamt wendet.196 Der Bezug auf das in dieser Hinsicht zentrale Kapitel Dtn 28 zeigt, dass sich der Hiobprolog umfassend in Opposition zur Konzeption des Deuteronomiums befindet.197 Des Weiteren ist eine inhaltliche Beziehung interessant, die sich durch die Aussage ergibt, dass Hiobs ganzer Körper (    ) von dem Aussatz betroffen ist. Von hier wird die Formulierung    (Hi 2,4b¸) nachträglich in einen Zusammenhang mit der Hautkrankheit gebracht. Aufgrund des Aussatzes steht nun das zweite  , also Hiobs eigene Haut zur Disposition. Nach dem knapp berichtenden V. 7 wird Hiob in V. 8 als bereits massiv von den Folgen der Krankheit betroffen gezeichnet. V. 8 schließt sich ohne nochmalige Nennung des Hiobnamens direkt an V. 7 an. Dort wird umgekehrt, von seinen Leiden ausgehend (8a), der nun veränderte Ort des Geschehens nachgetragen (8b). Hiob schabt198 sich mit einer Scherbe, wobei er in der Asche (  ) sitzt. Bei der „Asche“ wird wahrscheinlich auf einen Platz abseits von den Wohnungen der Menschen angespielt.199 Zeit muss also vergangen sein,200 mindestens die Zeit zwischen Erkrankung und Auszug aus seinem Haus. Die Zeitraffung zeigt, dass es dem Erzähler nicht wird – dem repräsentativen Charakter der Hioberzählung und der Hiobgestalt geschuldet. Vgl. dazu zusammenfassend unten, 438ff. 196 Vgl. oben, 242. 197 Vgl. zu diesem Aspekt weiter und zusammenfassend unten, 381ff. 198 Die Wurzel  ist Hapaxleg. Die Bedeutung ist aufgrund des Akk., aber auch aufgrund der alten Übersetzungen und des Kontextes gesichert. 199 Maag, Hiob, 29f, denkt mit der Erweiterung der LXX (ìÆÑÌýËÈĠ¼ÑË) an einen Ort, an dem sich die Aussätzigen aufhalten. Dafür, dass es sich um einen Ort außerhalb des Hauses handelt, sprechen auch die Vorstellungen vom Umgang mit Aussatz in Lev 13,46 (vgl. Num 12,14), aber auch das Kommen der Freunde in Hi 2,11–13, bei dem eine Ankunft im bzw. beim Haus nicht thematisiert wird. 200 Da vorausgesetzt wird, dass Zeit vergangen ist, ist die Annahme von Clines, Job I, 49, dass sich Hiobs Aufenthaltsort von Hi 1,20 nicht verändert habe, unwahrscheinlich. In Hi 1,20 ist weder von Staub noch von Asche die Rede, so dass das Argument „Ashes appear to have the same ritual significance as dust“ für die Annahme, dass sich Hiob in 2,8 noch dort befindet, wo er sich in 1,20 aufhielt, nichts austrägt. Eher ist der Vollzug der Trauerriten in 1,20 als spontane Reaktion gedacht, während in 2,8 wohl ein bestimmter Ort abseits des Hauses im Blick ist. Die Fortsetzung der Handlung mit dem Vorwurf der

6. Hi 2,7–10

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so sehr auf die Darstellung von Hiobs Leiden ankommt, als vielmehr auf seine Reaktion auf diese. Dies zeigt sich weiter daran, dass sich direkt an die Angabe des vorausgesetzten Wechsels von Hiobs Aufenthaltsort die Einleitung der Rede seiner Frau anschließt. Der Nebenrolle entsprechend wird ihr Auftreten nicht vorbereitet; und sie bleibt auch anonym.201 Ihre Funktion besteht darin, Hiob in Bezug auf seine Frömmigkeit ( 202) einen Vorwurf zu machen:         „Noch hältst du fest an deiner Frömmigkeit. Fluche Gott und stirb!“ (Hi 2,9a¹b). Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich bei     um eine Frage oder einen Aussagesatz handelt. Aufgrund des Kontextes muss die Formulierung einen Vorwurf enthalten.203 Dies ergibt sich aus der Reaktion Hiobs, der seine Frau mit harten Worten zurechtweist (2,10a¸¹). Dadurch ist     (9a¹) nur als kritische Bezugnahme auf sein Verhalten zu verstehen und gleichzeitig für     (9b) nur eine Interpretation als Euphemismus möglich.204     nimmt dabei die Worte Jhwhs aus der zweiten Himmelsszene auf,205 die dieser dem Satan entgegengebracht hatte. Damit wird (in diesem Fall außerhalb der Himmelsszene) ein weiteres Mal resümiert, dass der Satan bei seinem Versuch, Hiob zur Abkehr von seiner Integrität206 zu bewegen, gescheitert ist. Was in Hi 1,5 (nach 1,1b) noch nicht auffällig ist, dass Hiob dort den Gottesnamen nicht gebraucht (        ), das fällt in Hi 2,9b ins Auge, nachdem er ihn vorher mehrmals benutzt hat: Auch in 1,5 hatte Hiob Gott mit   bezeichnet, und nun ist es hier im Gegenüber zu seiner Frau scheinbar ebenso. Da der Gebrauch des Gottesnamens entspechend der Erzählstrategie der Hiobfigur vorbehalten ist, dürfte sein Nichtgebrauch in Hi 2,10a von der vorangehenden Äußerung seiner Frau (2,9b) erzwungen worden sein, auf die Hiob reagiert. Für die Formulierung in Hi 1,5a» ergibt sich daraus, dass    für den Verfasser und für die impliziten Adressaten eine konventionelle Formulierung darstellt. Auffällig ist aber im Vergleich dazu die Determination von   in Hi 2,10.207 Hinzu kommt, dass die Determination in Hi 2,10 in der Phrase    beFrau bestätigt dies. Deren Reaktion setzt voraus, dass die Krankheit sich Hiobs bereits vollständig bemächtigt hat. 201 Vgl. Weiss, Story, 70. 202 Vgl. oben, 260, und 229ff. 203 Vgl. auch Syring, Hiob, 87. 204 Vgl. Newsom, Job, 556. 205 Vgl. Schroer, Ijob, 76. 206 Wie in der Himmelsszene bezeichnet   Hiobs Frömmigkeit, also die Integrität seiner Gottesbeziehung. 207 Es handelt sich um die einzige Stelle mit determiniertem   im Hiobbuch. Vgl. Rendtorff, ’El, 20. In einer Reihe von Stellen wird im Alten Testament   ge-

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

sonders betont ist.208 Angesichts der Parallelstellung von Hi 2,10aº»¼ mit Hi 1,21aº»b und der Tatsache, dass Hiob in 1,21 seine Rede als Gebet an Gott richtet, während in Hi 2,10 seine Frau angesprochen ist, dürfte das determinierte   den Gebrauch des Gottesnamens in Hi 1,21 substituieren. Der Versuch der Frau, Hiob zu dem gewünschten Fluch209 gegen Gott zu drängen, wurde denn auch schon immer als weiterer Versuch des Satans gewertet, Hiob zum Beenden der Gottesbeziehung zu bewegen. Die Frau wird deshalb seit Augustin als adjutrix diaboli verstanden.210 Die Aufeinanderfolge der beiden Imperative     „Fluche Gott und stirb!“ wird in der Forschung auf drei Wegen interpretiert: Man nimmt zum einen kausalen Zusammenhang an und sieht in der Verfluchung Gottes das Mittel, um zu sterben.211 Dies hat V. Maag mit Lev 24,16 in Verbindung gebracht. Hiob würde also mit dem Fluch die Strafe der Steinigung auf sich ziehen.212 Oder man sieht zweitens einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Gottesfluch und Tod. Der Fluch gegen Gott diene dazu, das unmittelbar bevorstehende Sterben zu erleichtern.213 Als dritte braucht, um den Gott Israels aus der Perspektive von Nichtisraeliten zu bezeichnen (Gen 42,18; Ex 1,17.21; Num 23,27; Ri 7,14; 1 Sam 4,8). Vgl. ebd., 15f. 208 Dies zeigt sich besonders wenn man die in 1 Chr 5,22; 2 Chr 25,20 bezeugte Formulierung   vergleicht. 209  in Bezug auf Jhwh kam vorher in der direkten Rede des Satans vor. Zum euphemistischen Verständnis dieser Formulierung vgl. den vorangehenden Abschnitt und Schorch, Euphemismen, 101. 210 Zu dieser Auslegungstradition vgl. Newsom, Job, 355. Zuletzt formulierte das Syring, Hiob, 90, Hiobs Frau handle „gewissermaßen als verlängerter, irdischer Arm des Satans“. 211 Duhm, Hiob, 14, schreibt: „Das Weib aber meint, der augenblickliche Tod, der die Folge der Gotteslästerung sein würde, wäre nicht so schlimm, wie dies langsame qualvolle Sterben.“ Weiser, Hiob, 36, sieht darin die Verzweiflung der Frau: „Es ist der Ausdruck völliger Hoffnungslosigkeit, wenn sie ihrem Manne, den sie von Gott und den Menschen verlassen und verstoßen sieht, nur noch den Rat geben kann, in dem Mitleid und Verzweiflung miteinander ringen, Gott zu fluchen und dadurch vielleicht um so schneller den unvermeidlichen Tod herbeizuführen (oder sollte hier gar an Selbstmord gedacht sein?).“ Ähnlich, aber etwas zurückhaltender Hesse, Hiob, 40. – Groß, Ijob, 17f: „Ijob ist vergänglich und bereits vergangen. Darauf tritt seine Frau auf den Plan, nach T ist es Dina, die Tochter Jakobs. Sie fällt in die Worte Satans ein und greift sie auf; denn für sie ist der Fall ihres Mannes hoffnungslos. Oder ist es Mitleid, das sie bewegt, damit Ijob durch Selbstverfluchung schneller stirbt und von seinem Leid erlöst wird?“ Vgl. Maag, Hiob, 30. 212 Vgl. Maag, Hiob, 30. Dies intendiert auch wieder Syring, Hiob, 88, was der von ihm angeführte Levitikusbeleg zeigt. 213 Hölscher, Hiob, 15, interpretiert demgegenüber: „Der Satz drückt schwerlich eine kausale Folge aus (schneller Tod als Strafe für das Fluchen), sondern einfach eine zeitliche Folge: erleichtere dir nur dein Herz durch Fluchen, ehe du stirbst! Diese Aufforderung soll nicht eigentliche Gottlosigkeit des Weibes bedeuten, sondern nur ihre bittere Hoffnungslosigkeit kennzeichnen.“ Pope, Job, 22, führt diese Auslegung psychologisierend weiter:

6. Hi 2,7–10

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Möglichkeit wird vorgeschlagen, keinen engeren Zusammenhang der beiden Aufforderungen zu sehen. Sie sind dann nur ein doppelter Ausdruck der Resignation von Hiobs Frau.214 Der Blick auf den Kontext lässt allerdings eine plausible Deutung zu: Mit     nimmt Hiobs Frau die Worte Jhwhs aus der zweiten Himmelsszene auf, wirft damit aber Hiob sein Festhalten an der Gottesbeziehung vor. Die Aufforderung    zieht daraus die Konsequenz. Ein gegen Gott gerichteter Fluch wird sein Festhalten an der Frömmigkeit beenden.215 Für den sich daran anschließenden Imperativ  ergibt sich ebenfalls im Blick auf die Himmelsszene ein direkter Zusammenhang zu der Aufforderung, einen Fluch gegen Gott zu richten: Denn Gott hatte ja trotz des Angriffes des Satans auf die körperliche Integrität Hiobs dessen Leben durch     (2,6b) gesichert und so die Verfügbarkeit Hiobs für die Prüfung eingeschränkt. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Bestehen der Gottesbeziehung und der Bewahrung von Hiobs Leben besteht. Diesen Zusammenhang setzt die Rede von Hiobs Frau voraus, indem sie ihm vorwirft, dass er immer noch an der Frömmigkeit festhalte, und ihn stattdessen auffordert, die Gottesbeziehung durch den Fluch zu beenden. Da sowohl die Himmelsszene als auch die Rede der Frau auf die Beendigung der Gottesbeziehung zielen, kann mit der Aufforderung  nur die direkte Folge des Fluches gemeint sein. Impliziert ist also, dass Hiobs Frau, obwohl sie als Figur des Textes nicht den Inhalt der zweiten Himmelsszene kennt, sich dennoch des Zusammenhanges zwischen Hiobs Festhalten an seiner Frömmigkeit und der Tatsache, dass er trotz seines beklagenswerten Zustandes nicht stirbt, bewusst ist. Ihre doppelte Aufforderung impliziert den Vorwurf, Hiob habe die Dauerhaftigkeit seines Zustandes durch sein Festhalten an der Gottesbe„Death is not necessarily the immediate consequence of cursing God. His wife, perhaps, meant to suggest that since he was not long for this world, he might as well give vent to his feelings, or hers, and curse God.“ 214 Horst, Hiob, 28, fasst die Diskussion zusammen und stellt ihr die folgende Deutung entgegen: „Die Kopplung der beiden Imperative, Gott abzusagen und zu sterben, wird vielfach als finale Abfolge verstanden; der Fluch gegen Gott ziehe den Tod als Rache Gottes nach sich, doch solcher Tod sei besser als qualvolles Hinsiechen (Duhm, Budde, Szczygiel u.a.). Eher aber spricht der zweite Imperativ nach der resignierten Absage an Gott den ebenso resignierten Wunsch aus, es möge sich nun auch das einzige ereignen, was sich für dieses lebensunwert gewordene Leben noch ereignen könne, eben das Sterben (ähnlich Hertzberg). Keineswegs aber soll sich Hiob, bevor er stirbt, das Herz durch Fluchen erleichtern (Hölscher); so denkt ein antiker Mensch nicht.“ 215 An Hiobs Zurückweisung der Worte der Frau zeigt sich, dass es sich bei ihnen um die Aufforderung zum Fluch handeln muss und nicht, wie Schroer, Buch Ijob, 76, meint, um den Vorschlag, „Gott noch einmal zu segnen, solange er noch festhält oder -halten kann an seiner Frömmigkeit, und nach diesem Abschied in Frieden mit Gott zu sterben“.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

ziehung selbst verursacht.216 Aus der Perspektive seiner Frau muss die Beziehung zu Gott, die in seiner „Frömmigkeit“ besteht, von Hiobs Seite aufgehoben werden, um ihn so aus seiner Situation zu befreien.217 Allerdings stellt sich die Frage, wie der kausale Zusammenhang zwischen Fluch und Tod konkret gedacht ist. Hierfür bieten Hiobs Bemühen um die Sicherung der Gottesbeziehung seiner Kinder in 1,5a¹ (         ) und der plötzliche Tod der Kinder am Anfang einer erneuten Runde von Festgelagen einen Anhaltspunkt. Der durch Jhwh bzw. den Satan bewirkte Tod folgt auf die Gelage.218 In direkter Beziehung zu diesem inhaltlichen Geflecht um das Thema Fluch Gottes und Todesfolge, die im Hiobprolog seit Hi 1,5 angelegt ist und auch in den Himmelsszenen vom Satan zweimal intendiert war, steht die Abwehr der Worte seiner Frau durch Hiob. Den schweren Vorwurf gegen sie muss man daher in diesem Spannungsfeld interpretieren:         – „Wie eine der Törinnen redest du“ (Hi 2,10a¹). Einem Toren in diesem Sinne wird häufig das „unaufrichtige, niederträchtige Reden“ vorgeworfen; dieses „schmäht nicht nur Menschen (Ps 39,9), sondern auch Gott (Ps 74,18.22) und bringt in das Verhältnis zu Gott Unsicherheit und Entfremdung (Jes 32,6b).“219 Danach lässt Hiob in gleicher Weise wie die Frau in Frageform das Prinzip seiner Duldsamkeit folgen:             – „Das Gute nehmen wir von Gott an und das Schlechte sollen wir nicht annehmen?“ (Hi 2,10aº»¼֖ե Die Rede ist, wie der Gebrauch der 1. Pl. zeigt, paränetisch an Hiobs Frau gerichtet. Damit zeigt sich hier in dieser Hiobrede eine theologische Grundaussage der Rahmenerzählung. Die so formulierte Zurückweisung der Aufforderung seiner Frau fasst Hiobs Verhalten von seiner Seite ein weiteres Mal zusammen. Die Äußerung steht in einer Beziehung zu 1,21 und ist dieser insofern inhaltlich parallel, als ein weiteres Mal – nach  in 1,21a, jetzt mit  – auf den Geschenkcharakter des früheren Segens durch Jhwh hingewiesen wird.

216 Sie ist dabei nicht die adjutrix diaboli (Augustin) oder ein „verlängerter [...] Arm des Satans“, wie Syring, Hiob, 90, schreibt. Obwohl ihre Aufforderung auf das gleiche Resultat abzielt wie in der Himmelsszene die Worte des Satans, ist sie, da sie nur die Konsequenz aus der leidvollen Existenz Hiobs zieht, vielmehr der beklagenswerte Spiegel von dessen Leid. Dies ist der Ansatzpunkt für die aggadische Ergänzung durch die LXX. 217 Albertz, Mensch II, TRE 22, 471, sieht den Zusammenhang umgekehrt: „Wo dagegen dieser Lebenswille abstirbt, erstirbt auch die Gottesbeziehung (Hi 2,9: ‚Fluche Gott und stirb!‘).“ Doch geht das an den Implikationen des Kontextes vorbei. 218 Der Zusammenhang von Fluch und Tod scheint daher in dem Text ein Faktum zu sein, das unhinterfragt hinter den Geschehnissen steht. Vgl. dazu unten, 392ff. 219 Horst, Hiob I, 29.

6. Hi 2,7–10

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Der Abschnitt wird parallel zu 1,22 mit einer weiteren positiven Würdigung Hiobs auf der Erzählebene abgeschlossen:        „In diesem allen sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen“ (2,10b). Die adversative Konjunktion   substituiert wie in 1,22 das vorangehende Unheil und könnte sich hier zugleich auf Kap. 1 wie auf Kap. 2 zurückbeziehen.220 Gleichzeitig dürfte sich die Formulierung sowohl auf das Unheil der Krankheit, als auch auf den Versuch von Hiobs Frau, ihn von seiner Frömmigkeit abzubringen, beziehen. Die Formulierung   hat man wiederum wie  221 in 1,22b als euphemistische Formulierung222 aufzufassen. Sie steht ebenso für das nicht erfolgte Fluchen Gottes durch Hiob und zeigt, dass auch der zweite Versuch des Satans, Hiob von seiner Frömmigkeit abzubringen, gescheitert ist. Am Ende des Prologs wird damit deutlich, dass  dort offenbar durchgängig (ausgehend von 1,5a) synonym zu    gedacht ist.223 Die Intention des Satans erscheint nach 2,10 ein weiteres Mal als gescheitert. Hiobs Frömmigkeit, die am Anfang in 1,1 hervorgehoben und dann zweimal in den Himmelsszenen dem Satan entgegengehalten wurde, wird bestätigt. Denn Hiobs Gottesbeziehung hat Bestand bewiesen, als ihm nach seinem Besitz nun auch die körperliche Integrität geraubt wurde. Der Satan hatte mit der Infragestellung von Hiobs Beweggründen für dessen Gottesbeziehung keinen Erfolg; Hiobs Frömmigkeit zielt weder auf die Sicherung seines Segens ab, noch verbleibt er lediglich aus Furcht um sein Leben und um seine körperliche Integrität in der Gottesbeziehung. Damit wird er als Mensch in der idealen Gottesbeziehung ausgewiesen, wie sie im Hintergrund der Dialoge zwischen Jhwh und dem Satan steht, einer Gottesbeziehung, an der trotz des Verlustes des Segens und der persönlichen Integrität festgehalten wird, sogar dann, wenn den Menschen scheinbar der Fluch der Gottheit (Dtn 28,35) trifft. Dieser literarische Bezug zeigt zugleich indirekt, dass ein sich vom Dtn her aufdrängender Zusammenhang für Hiob nicht besteht: Unheil und Leiden sind nicht als eine ihn treffende Strafe aufzufas220

Vgl. oben, 255. Vgl. oben, 256. 222 Der Satz umschreibt den vermiedenen Begriff. Nach Schorch, Euphemismen, 243, handelt es sich bei dieser Art des Euphemismus um eine „satzhafte Periphrase“. 223 Wenn dem nicht so wäre, müsste   als eine Überbietung zu einfachem  aufgefasst werden. Vom Sündigen durch ein Sprachhandeln ist in wenigen Texten der Hebräischen Bibel die Rede. Man kann hier auf Falschaussagen vor Gericht (z.B. Dtn 19,15 oder Ex 20,16 [par. Dtn 5,20]) verweisen. Texte wie Ex 22,27; Lev 19,14; 24,15, wo es um den Fluch geht, kommen ebenfalls in den Blick. Besonders zu vergleichen sind Texte wie Ps 39,2; Pred 5,5, die das Reden allgemein thematisieren. 221

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

sen. An diesem Punkt entwickelt der Hiobprolog eine theologische Gegenposition zum Dtn anhand der Gestalt Hiobs, des leidenden Frommen224. Mit den letzten Worten Hiobs (V. 10a¹º»¼), die als Antwort auf die Aufforderungen seiner Frau geäußert werden, wird seine Haltung unterstrichen.225 Auffällig ist der paränetische Charakter dieser Worte, mit denen sich Hiob für seine Frömmigkeit werbend an seine Frau richtet. Auf der Erzählebene wird Hiobs Haltung nach 1,22 ein weiteres Mal zusammenfassend gewürdigt. Für die Interpretation im Gesamtkontext bedeutet dies, dass auch die Unvergleichlichkeitsaussage Jhwhs über Hiob und seine Charakterisierung, dass es sonst keinen wie ihn auf der Erde gibt (1,8b¸; 2,3aº), mit all den theologischen Konnotationen, die das mit sich bringt, Bestand hat.226 Zu beachten ist, dass Jhwh trotz der Einführung des Satans, der ihm die Prüfung Hiobs vorschlägt, zwar immer noch hinter dem Geschehen steht, dass er allerdings unmissverständlich als Herr über das Leben und dabei als Bewahrer von Hiobs Leben gilt. Auch scheint die Gültigkeit des sog. TunErgehen-Zusammenhanges nicht grundsätzlich in Frage gestellt zu sein. Denn dieser begegnet in einer zugespitzten Form, indem die Todesfolge für den Gottesfluch vorausgesetzt wird. Andererseits ergibt sich aus der Erzählung bis zu diesem Punkt, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang als Wirklichkeitsdeutung ausscheidet. Die Geschichte des leidenden frommen Hiob zeigt, dass Unheil und Leiden ihre Ursache außerhalb des Leidenden selbst haben können, dass sie also nicht auf eine persönliche Schuld zurückgeführt werden müssen. Die Quintessenz der bisherigen Hioberzählung lautet also, dass die Beendigung der Gottesbeziehung durch den Fluch gegen Gott zwar den Tod zur Folge hat, dass Leiden aber nicht die Folge von Schuld sein muss. Diese Konstellation dient nicht einer grundsätzlichen Abweisung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges. Sie stellt auch die Möglichkeit, dass Leiden auch aus einem Vergehen resultieren können, nicht grundsätzlich in Frage. Allerdings dient sie der Kritik an der Paränese des Deuteronomismus, wo mit Segen und Wohlergehen für die Einhaltung der Gebote als die dtn/dtr Form der Gottesbeziehung geworben wird.

224

Auf die Bezeichnung „Gerechter“ ist m.E. zu verzichten, weil der Begriff im Rahmen des Hiobbuches nicht verwendet wird. 225 Anders Vogels, Slogans, der die Stellung von Hiobs Äußerungen im größeren Kontext ignoriert und insbesondere den Zusammenhang mit Hi 42,7f übersieht. 226 Zur Unvergleichlichkeitsaussage siehe oben, 239; zu den theologischen Konsequenzen für die Interpretation des Hiobbuches zusammenfassend unten, 438ff.

7. Hi 2,11–3,1

273

7. Hi 2,11–3,1 Der Abschnitt wird oft als sekundäre Überleitung zur Dialogdichtung angesehen.227 Dass ein neuer Abschnitt vorliegt, ergibt sich aus der Einführung neuer Figuren, die aber zunächst nicht mit ihren Namen genannt werden, sondern zusammenfassend als       bezeichnet und so in eine Beziehung zu Hiob gebracht werden. Die Formulierung setzt die Kenntnis der drei Personen als fest umrissener Gruppe bei den intendierten Adressaten wahrscheinlich voraus.228 Die Namen der Freunde werden erst in 2,11a¼ nachgetragen und jeweils mit einem Patronym229, d.h. mit einer genealogisch-geographischen Herkunftsangabe, genauer bestimmt. Name und Patronym sind in die Bestimmung der „Identität“ der Freunde einzubeziehen. Relevant ist die Frage, was im Deutungshorizont des Textes liegt. Da das Hiobbuch eine Reihe von Querbeziehungen zu anderen biblischen Büchern aufweist, hätte eine mögliche innerbiblische Beziehung großes Gewicht. Doch nur der erste Name, Eliphas, kommt in der Hebräischen Bibel außerhalb des Hiobbuches vor (Gen 36,4.10–12.15f; 1 Chr 1,35.36). Es handelt sich dort um einen Sohn Esaus aus der Verbindung mit der Kanaanäerin Ada. Da in Gen 36,11 ein Sohn dieses Eliphas mit Namen  erwähnt wird, hat also zusätzlich auch die Herkunftsbezeichnung des in Hi 2,11 erstmals erwähnten Eliphas einen Anhaltspunkt in dieser Genealogie. Entsprechend wird er in der Literatur häufig mit den Edomitern in eine Verbindung gebracht.230 Da die genealogische Folge bei    jener in Gen 36,11 aber genau entgegengesetzt ist, liegt allenfalls eine Anspielung vor. Die beiden anderen Namen kommen wie  231 (dieser noch in Ez 14) nur im Hiobbuch vor. Aufgrund der Etymologie der Herkunftsangaben wird bei Bildad mitunter eine Beziehung zu dem akk. SûXu am mittleren Euphrat vermutet.232 Noch schwieriger ist die Sachlage bei Zophar, dessen Namen man mit einem Ortsnamen im Libanongebirge verbunden hat.233 Damit bleiben direkte Querbeziehungen zu biblischen Texten aufgrund der Namen der drei Freunde schwierig. Freilich ist die genealogisch-geographische Bezeichnung  zumindest als Hinweis auf eine Herkunft aus dem Süden anzusehen. Lässt sich Bildad am mittleren Euphrat und Eliphas 227

Vgl. van Oorschot, Tendenzen (Lit.), 357; Kaiser, Grundriß, 79; van Oorschot, Entstehung (Lit.), 171. 228 Die Erwähnung der Freunde und ihre Bezeichnung als   weist auf die Dichtung voraus: auf Hi 16,20f; 19,21 (vgl. Hi 32,3; 35,4) – anders: 6,15. 229 Zur Begriffswahl siehe oben, 4. 230 Vgl. Horst, Hiob, 32f (Lit.). 231 Zum Hiobnamen vgl. oben, 224f. 232 Vgl. Horst, Hiob, 33. 233 Vgl. Fohrer, Hiob, 106 (Lit.).

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aufgrund des Patronyms  im Nordwesten der arabischen Halbinsel vermuten, und weist Na‘ama auf den Süden,234 dann kommen die drei Freunde „aus praktisch allen Himmelsrichtungen herbei“235. Gleichzeitig macht dies zusammen mit der Fremdheit der Namen deutlich, dass bei den Freunden an Nichtisraeliten gedacht ist.236 Dies hat die LXX, die Eliphas und Zophar als Könige, Bildad als Fürsten (ÌįɸÅÅÇË) bezeichnet, ebenso interpretiert. Auf der Handlungsebene bildet in Hi 2,11a¸ der Anschluss mit waw-Imperfekt von  einen nahtlosen Übergang von den Ereignissen um Hiob zu der Erwähnung der drei Freunde. Dies ist auch grammatisch gegeben. Auf das Perfekt im vorangehenden Satz folgt jetzt waw-Imperfekt. Es wird kein neuer Ort erwähnt, so dass für die neue Szene weiter der Ort vorausgesetzt ist, an dem sich der aussätzige Hiob beim Gespräch mit seiner Frau befand. Hi 2,11 schließt sich daher logisch an den vorangehenden Text an. Von einem Kohärenzproblem kann, wie oft behauptet wird,237 zwischen 2,10 und 2,11ff keine Rede sein.238 Im Gegenteil: Hi 2,11 nimmt die Kohärenzlinie des vorangehenden Textes nicht nur auf der personalen und lokalen Ebene, sondern auch im Handlungsbereich auf. Das Hören des Bösen   durch die Freunde bezieht sich zurück auf die Hiobrede in Hi 2,10a, speziell auf die Formulierung     (Hi 2,10a¼), mit der Hiob sein Unheil zusammenfasst. Da   in Hi 2,11 daher in der Verknüpfung mit 2,10 den Ausgangspunkt der Szene darstellt, ist sein Nebeneinander mit dem Pl. constr. von A" * „Freund“ auffällig. Der nachfolgende Satz    (2,11aº) drückt die Reaktion der Freunde auf das Hören „des Bösen“ aus. Auffällig ist dabei die weitere Satzfolge:

  –      

            . Der Entschluss zu kommen und zu trösten ist der Mitteilung über die Ankunft der Freunde nachgestellt.239 Üblicherweise sieht man in dem Kommen der Freunde und ihren ersten Handlungen noch kein 234

Vgl. Knauf, Multikulturelle Heimat, 65. So Fohrer, Hiob, 106; Newsom, Job, 357, schließt (im Anschluss an Dhorme, Knight und Clines) von Eliphas her darauf, dass es sich bei allen drei Freunden um Edomiter handle. 236 Vgl. Görg, Ijob, 12. Newsom, Job, 357, ist der Meinung, dass auch Hiob zu den Edomitern zu rechnen sei; vgl. Knauf, Heimat, 68. 237 Vgl. dazu unten, 333ff. 238 Vgl. Weiss, Story, 75. 239 In ähnlicher Weise wird der chronologische Ablauf der Handlung auch in Hi 2,8 durchbrochen. Dort wird zuerst die Handlung Hiobs berichtet und erst danach sein (veränderter) Aufenthaltsort thematisiert. Es handelt es sich hierbei um ein besonderes Mittel der Erzählung, das die Handlung der Hauptpersonen betont, um trotz vorausgesetzter Zeitraffung den Eindruck einer geschlossenen Ereignisfolge zu erwecken. 235

7. Hi 2,11–3,1

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Problem. Beachtet man aber die genaue Wortwahl und die Wortfolge, könnte sich ein Zusammenhang mit der auffällig dichten Aufeinanderfolge der Formulierungen       und ...    zeigen: Die Freunde Hiobs (   ) hätten von dem Bösen, das über diesen gekommen war, gehört, und sind gekommen ... (                ). Es läge dann ein Wortspiel240 zwischen   „Böses, Unheil“ und A" * „Freund“ vor. Von ‚kommendem‘ bzw. ‚gekommenem‘ Unheil wie hier in der Formulierung    ist unpersönlich in der Hebräischen Bibel nur selten die Rede.241 Im vorliegenden Kontext hängt die unpersönliche Formulierung von der inhaltlichen Konzeption ab. In den Himmelsszenen wird für die Leser deutlich gemacht, dass Jhwh zwar für das Unheil verantwortlich ist, es aber nicht direkt auf ihn zurückgeführt werden kann. Wenn im direkten Anschluss an die Himmelsszenen so formuliert würde wie in Hi 42,11 (    ), würde das nach     ...   (Hi 2,7), wo ausdrücklich der Satan der Verursacher des Bösen ist, als Kohärenzstörung empfunden.242 Durch die unpersönliche Formulierung über das gekommene Böse in 2,11a wird also ein enger Anschluss an die vorangehende Handlung hergestellt, wobei die Unpersönlichkeit der Formulierung das hohe Maß an Kohärenz deutlich macht, das zwischen V. 10 und V. 11 vorliegt. Hi 2,11b trägt die Absicht der Freunde nach, die diese mit ihrem Kommen verbinden: Sie wollen Hiob trösten. M.E. zeigt sich an dieser Stelle der zweite Grund für die eigentümliche Satzfolge. Während 2,11a versucht, über das gekommene Böse einen Zusammenhang mit der vorangehenden Thematisierung des Bösen herzustellen, geht es in den nachfolgenden Versen Hi 2,12f um die tatsächlichen Handlungen der Freunde. Die Äußerung der beabsichtigten Handlung und der Bericht der tatsächlichen Handlung folgen direkt aufeinander und bilden einen Zusammenhang. Die vorangestellte Absicht muss in dieser Konstellation als literarisches Mittel gedeutet werden, den Vergleich von eigentlicher Handlung und Absicht der Freunde zu ermöglichen. Hiob selbst bleibt, wo er sich schon nach 2,8–10 befunden hatte, nämlich inmitten der Asche, während die Freunde nun gekommen sind, um aktiv an ihm und für ihn zu handeln. Beklagen und Trösten ( ,  ) dürften sich bei der kontextuellen Stellung der Verse auf die nachfolgenden Dialoge be240

Dasselbe Wortspiel findet sich in Ps 15,3; 28,3; Spr 3,29; Sach 8,17. Die Vermutung, dass ein Wortspiel intendiert ist, bestätigt sich in Hi 42,7. Siehe weiter unten, 285ff.288. 241 Vgl. z.B. auch Ri 20,34.41: ; Jer 1,14:  (Nif.). Stattdessen findet sich oft   (Hif.): Jer 19,15; 32,42; 35,17; 44,2; Hi 42,11; Dan 9,14. Ähnlich formuliert wie Hi 2,11 ist Dan 9,13. Der Vers bezieht sich auf die Flüche des Deuteronomiums. 242 Siehe unten, 306.

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ziehen. Dies bringt aber ein erstes Problem mit sich, denn die Freundesreden sind in abnehmendem Maße tröstend,243 während sie aus Hiobs Sicht von Anfang an nicht als Trost gewertet werden. Schon diese Differenz dürfte kaum zufällig sein.244 Die Freunde haben sich mit einer bestimmten Absicht zusammengefunden (

  ).245 Diese Formulierung wird bereits vom Targum und vom Midrasch aus inhaltlichen Gründen als problematisch angesehen, da die drei Freunde aus völlig unterschiedlichen Gegenden stammen.246 Doch darf man der konstruierten Szenerie nicht zu viel an Logik abverlangen. Es ist möglich, dass einfach eine längere Zeit zwischen der Erkrankung Hiobs und der Ankunft der Freunde vorausgesetzt ist, so dass auch eine wie auch immer vorgestellte Übereinkunft nicht ausgeschlossen ist.247 Die Absicht der Freunde, Hiob zu trösten, wird mit den beiden teilweise synonymen Wurzeln   (Pi.) und  (Qal) ausgedrückt.248 In 2,12a wird berichtet, dass die Freunde aus der Ferne ihre Augen erheben und ihn nicht erkennen und darauf ihre Stimme erheben und weinen. Es ist die Frage, worauf 2,12a¸(        ) abzielt. Dass es einfach nur bedeutet, dass sich die Freunde Hiobs noch auf dem Wege befinden und ihn von Ferne nicht erkennen, wird oft vermutet,249 ist aber eine problematische Annahme. Da sich üblicherweise das Bild schärft, je näher man einer Person oder einem Gegenstand kommt, wäre die Aussage, dass die Freunde Hiob bei „ihrer Ankunft“, also aus der Entfernung, nicht erkennen, ein Allgemeinplatz. Eher ließe sich sagen, dass es sich bei der Aussage, die Freunde hätten ihn nicht erkannt, um eine Phrase handelt, die deren Bestürzung ausdrückt.250 Allerdings erklärt diese Deutung den Gebrauch der Adverbialbestimmung   nicht. Wenn man beachtet, dass es sich bei  in der Formulierung      („Und sie hoben 243

Vgl. oben, 95f. Vgl. die Zusammenfassung zur ersten Eliphasrede oben, 55f, und die Zusammenfassung von Hiobs Reaktion auf sie oben, 65. 245 Die unterschiedliche Herkunft der Freunde und der Infinitiv   nach

  zeigen, dass für  (Nif.) wie von Gesenius18, 474, vorgeschlagen die Bedeutung „sich verabreden“ anzunehmen ist. 246 Vgl. dazu Horst, Hiob I, 33. 247 Eine zunächst ausgeschlossen scheinende Interpretationsmöglichkeit besteht darin, dass Nif. von  auch ein feindliches Zusammenkommen bezeichnen kann. Vgl. Num 27,3; Jos 11,5; Neh 6,2.10; Ps 48,5. Freilich schließt sich die Absicht der Übereinkunft an      an, die ja eindeutig positiv ist. 248 Vgl. vor allem den Parallelismus in Ps 69,21; Jes 51,19 (mit  ). 249 Vgl. Fohrer, Hiob, 106; Weiser, Hiob, 37; Horst, Hiob I, 33f; Syring, Hiob, 98. 250 So Newsom, Job, 358, die darauf verweist, dass die Formulierung die Entstellung unterstreicht; ähnlich Driver/Gray, Job, 27. Clines, Job, 61, vermutet, dass es sich um „a ritual or customary refusal to recognize what is before their eyes“ handelt. 244

7. Hi 2,11–3,1

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ihre Augen von weitem.“) gerade nicht um ein Bewegungsverb handelt, sich im ganzen V. 12 kein einziges Bewegungsverb findet und es in V. 13 dann stattdessen heißt, dass die Freunde bei ihm auf der Erde saßen, dann ergibt sich ein zusätzlicher Aspekt.251 Die Bewegung ist in V. 11 mit    bereits als abgeschlossen gedacht. Wenn dem so ist, kann mit   nur intendiert sein, dass die Freunde nach ihrer Ankunft aufgrund von Hiobs Krankheit einen Abstand wahren.   bezieht sich also auf den wegen des Aussatzes nötigen Abstand, und das resümierte „Nichterkennen“ durch die Freunde drückt den entstellenden Charakter der Krankheit aus 252 und hat nichts mit der Entfernung zu tun. Zwar besitzen wir über den Umgang mit Aussatz keine genauere Kenntnis, jedoch geht aus Lev 14 und Num 12,14 hervor, dass ein Aussätziger sich außerhalb der Gemeinschaft (dort des Lagers) aufzuhalten hatte.253 Bei Mirjams Aussatz wird ausdrücklich eine anschließende Wiedereingliederung in die Gemeinschaft erwähnt (   Num 12,14b¹;   12,15b¹). Daraus lässt sich für Hi 2,12 schließen, dass auch hier die ankommenden Freunde einen direkten Kontakt mit dem Aussätzigen vermeiden.   könnte einer solchen Konvention im Umgang mit Aussätzigen entsprechen.254 Zu dieser Interpretation passt gut, dass sich in 2,12a¹Ӽdie Trauerriten der Freunde direkt ohne eine weitere Ankunftsmitteilung anschließen und danach in 2,13a ohne die Mitteilung einer Bewegung das siebentägige schweigende Verweilen berichtet wird. Für    bedeutet dies, dass sich die Freunde zwar (wörtlich) bei ihm auf die Erde setzen, sich dabei aber in der nötigen Entfernung aufhielten. Dies erklärt auch, dass der Sitzplatz der Freunde mit determiniertem  bezeichnet wird, während der Aufenthaltsort Hiobs nach Hi 2,8b weiter „die Asche“ ist (      ). 251 Die Problematik zeigt die Interpretation bei Fohrer, Hiob, 106: „Als die Freunde von fern herannahen, bekommen sie Hiob in Sicht. Als sie nahe genug sind, um sein Aussehen erkennen zu können, finden sie ihn durch die Krankheit völlig verändert.“ Fohrer liest also aus der Formulierung      heraus, dass sie sich auf dem Wege befinden, und dann bei   , dass sie nahe genug gekommen sind, ihn aber dennoch nicht erkennen. 252 Mit Newsom, Job, 358; Driver/Gray, Job, 27; Clines, Job, 60. Ähnlich auch Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 6, die feststellen, Hi 2,12 setze die „Erkrankung Ijobs [...] voraus“. 253 Vgl. allgemein Horst, Hiob I, 25ff. 254 Der Gebrauch von   in Hi 2,12a¸ entspricht dann seinem Gebrauch in Ps 38,12, wo eine ganz ähnliche Szenerie vorliegt. In Ps 38,12 wird das Sich-Fernhalten von Freunden und Verwandten in einer Situation der Krankheit beklagt. Das Akrostichon stellt zunächst die Krankheit dar (38,2–11), woran sich die Reaktionen anderer auf die Krankheit anschließen (38,12–19). Vgl. Dahood, Psalms I, 234.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Die Ausführlichkeit der Liste von Trauerriten in Hi 2,12 stellt eine Besonderheit dar.255 Bei der üblichen Auslegung der Trauerriten als Zeichen der Anteilnahme zeigen sich Kohärenzprobleme, die in der Regel literarkritisch mit der Ausscheidung von Hi 2,11–13 gelöst werden: So scheint die Verurteilung der Freunde durch Jhwh in Hi 42,7ff in einem Widerspruch zu „ihrer unvergleichlich solidarischen Haltung in 2,11ff“256 zu stehen. Die Dichtung thematisiert die Konfrontation Hiobs mit den Freunden, wobei Hiob die Freunde als „leidige Tröster“ (Hi 16,2) kritisiert.257 Andererseits folgt auf das Schweigen der Freunde direkt die Rede, in der Hiob die eigene Existenz verwünscht.258 Doch es stellt sich m.E. zunächst die grundsätzliche Frage, worauf die von den Freunden berichteten Trauerrituale abzielen. Grundsätzlich handelt es sich bei ihnen zwar um einen Ausdruck der Anteilnahme.259 Doch drücken sie dabei primär die Todesverfallenheit Hiobs aus. Aufschlussreich ist hier ein Lobgesang auf die Heilkunst Marduks (RS 25.460)260, der eine parallele Situation schildert: Versammelt war meine Familie, um (mich) vor der Zeit einzureiben, der Nahestehende (meiner) Verwandtschaft stand trauernd da. 11Meine Brüder badeten sich wie Ekstatiker in ihrem Blut, 12meine Schwestern besprengten mich mit Kelteröl. IV13Bis der Herr mein Haupt anhob, 14mich, den Todgeweihten, ins Leben zurückrief – 15 bis Marduk, der Herr, mein Haupt anhob, 16mich, den Todgeweihten, ins Leben zurückrief. III 9 10

Ganz ähnlich wie in diesem Loblied dürften die Trauerrituale in Hi 2,12f dazu dienen, anzuzeigen, dass Hiob bereits der Todessphäre angehört. Dem entspricht, dass mit dem Aussatz eine radikale Erkrankung Hiobs vorausgesetzt wird, die auch in Num 12,12 dazu führt, dass man Mirjam als dem Tode verfallen ansieht. Für die Beurteilung der Trauerrituale der Freunde sind m.E. außerdem zwei Aspekte relevant. Einerseits werden die Selbstminderungsrituale und 255 Zu den einzelnen Begriffen und den Kontexten, in denen sie begegnen, vgl. Clines, Job, 61–63 (Lit.); Fohrer, Hiob, 106. Schwierig ist das Verständnis des Werfens von Staub. Vgl. die von Clines, Job, 63, aufgeführten Auslegungsversuche. Newsom, Job, 358, nimmt an, dass es sich um eine Glosse handelt. 256 Ebach, Hiob I, 41. 257 „Zu trösten sind sie eigentlich gekommen, doch sie überhäufen ihn mit bitteren Vorwürfen; sie zeihen ihn sogar der Unredlichkeit und Lüge; sie werfen ihm wenigstens geheime Sünde vor Gott vor“ (Groß, Ijob, 19). 258 Newsom, Job, 358: „Ironically, the space created by the friends’ silent presence is what finally provokes Job to a curse, moving the story out of the safe confines of the simple tale.“ 259 Zu den Trauerritualen vgl. Lang/Hentschel, Trauerbräuche, NBL III, 918f. 260 Dietrich/Loretz, Lieder und Gebete, TUAT II, 823–826.

7. Hi 2,11–3,1

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die Schweigephase stark betont, andererseits wirkt die Betonung der Rituale durch das in Hi 2,11b vorangestellte Vorhaben der Freunde, Hiob zu trösten,261 wie ein intendierter Kontrast. Dieser dient dazu, die tatsächlichen Handlungen zu bewerten. Denn betont ist, dass die Handlungen nicht der Absicht entsprechen. Textintern gibt der Blick auf Hi 42,11 Aufschluss. Denn dort wird über die Verwandten und Freunde berichtet, dass Hiob von ihnen getröstet wird. Dieser Trost scheint mit der zu Hi 2,11b parallelen Formulierung             (Hi 42,11aº»¼) ein kommunikatives Geschehen im Rahmen eines Gemeinschaftsmahls im Blick zu haben, während in Hi 2,13 nicht nur vom Schweigen der Freunde die Rede ist, sondern sogar dass sie zu ihm kein Wort sagten (     ). Die Freunde vollziehen Hiob gegenüber Trauerriten,262 obwohl dieser nicht tot ist und dokumentieren somit seine Todesverfallenheit,263 was im Widerspruch zu ihrem ursprünglichen Vorhaben steht, und anstatt ihn zu trösten, sprechen sie nicht zu ihm. Wie man sich den Umgang mit dem Aussätzigen vorgestellt haben mag, dokumentiert der Vergleich mit der Erzählung von Mirjams Aussatz (Num 12,10–15): Dort wird zunächst deutlich, dass der Aussatz, der Mirjam trifft, dazu führt, dass sie quasi als tot gilt (       „wie [einer], der tot [war] beim Herausgehen aus dem Mutterleib“ Num 12,12). Ohne eine literarische Abhängigkeit behaupten zu wollen, zeigt die inhaltliche Parallelität mit Num 12,12, aber auch mit RS 25.460, dass das Verhalten der Freunde vielleicht eine zu erwartende Reaktion ist. Sie entspricht aber eindeutig nicht der vorher genannten Absicht, Hiob zu trösten.264 261  bezeichnet eine entsprechende Geste. Vgl. Ebach, Hiob I, 40 („zunicken“). Zur formelhaften Wendung vgl. Newsom, Job, 357f  und   kommen in Jes 51,19 im Parallelismus vor und intendieren jeweils das Trösten. Newsom, ebd., verweist darüber hinaus auf Ps 69,21 und Nah 3,7. 262 Das Problem wird verwischt, wenn man die Handlungen als „conventional expressions of mourning and distress“ (Newsom, Job, 358) bezeichnet. 263 Das Motiv begegnet auch in RS 25.460 (vgl. Dietrich/Loretz, Lieder und Gebete, TUAT II, 823–826), wo die Verwandten und Freunde die Totenrituale vorbereiten, obwohl der Todkranke noch nicht verstorben ist. Der Text ist der Hiobdichtung ähnlich und wurde mit dem Hiobbuch in eine Verbindung gebracht, steht aber auch mit akkadischen Texten in einer (traditionsgeschichtlichen) Beziehung. 264 So auch Weiss, Story, 78: „To consider the silence of Job’s friends as simply a social convention observed when visiting the sick or the mourner, would be to ignore what the verse says and to disregard the dialectic and dynamics of the story. Such a view would prevent the reader from perceiving the tragic irony in Job’s misunderstanding of his friends’ behaviour, and without this perception, neither the role of this irony nor of the last scene as a whole can be grasped, and the storyteller’s artistic skill and psychological insight go unappreciated.“

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Diese Zuspitzung bildet einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem vorangehenden Kontext. Denn dort war von Hiobs Frau der Zusammenhang zwischen Hiobs andauerndem Leiden und dem Festhalten an der Gottesbeziehung problematisiert worden. Die Quintessenz des Dialoges zwischen Hiob und seiner Frau ist, dass Hiob lebt, weil er an seiner Gottesbeziehung festhält. Während die Argumentation von Hiobs Frau darauf abzielt, sein Leben und damit sein Leiden zu beenden und zu sterben, behandeln die Freunde den Leidenden so, als wäre er bereits tot. Die Freunde akzeptieren, dass er sich als Aussätziger in der Sphäre des Todes befindet. Das Gebet des Mose in Num 12,12 bietet eine mögliche Alternative im Umgang mit dem Aussätzigen. Denn dort tritt Mose für Mirjam ein, damit sie so der Todessphäre wieder entrissen wird. Dass Hiob im Anschluss an die Trauerrituale und das Schweigen der Freunde nach der Auskunft von Hi 3,1 (auf der Erzählebene) seine Existenz verflucht, dürfte mit den Trauerritualen in einem kausalen Zusammenhang stehen. Hiob verwünscht als (noch) Lebender (!) seine Existenz, nachdem er zuvor bereits als Toter behandelt worden ist und nicht, wie von den Freunden beabsichtigt, getröstet worden ist. Durch die Trauerrituale, die von der vorher angegebenen Absicht der Freunde kontrastiert werden und danach zu der Klage Hiobs führen, werden die Freunde also in ihren Handlungen negativ charakterisiert. Die Richtigkeit dieser Interpretation zeigt der bereits nachgewiesene Zusammenhang mit Hi 42,11, der aufgrund der Stichwortbeziehungen als klar intendiert anzusehen ist. Hi 2,11–13 und 42,11 sind nicht nur inhaltlich, sondern auch formal aufeinander bezogen. Von den Verwandten Hiobs wird nicht berichtet, dass sie ihn trösten wollen, sondern dass sie ihn tatsächlich trösten, und in Hi 42,11 werden keine Trauerrituale, sondern Gemeinschaftsrituale vollzogen.265 An dieser Stelle wird deutlich, dass das vermutete Wortspiel von den    , die zu Hiob kommen ( ), wegen des Bösen  , das auf ihn gekommen ist ( ), keinem Zufall entspringen dürfte. Die Freunde werden in 2,11–13 – überspitzt ausgedrückt – als das eingeführt, wozu sie in der Dichtung für Hiob sukzessive werden, als Teil des Bösen, das Hiob trifft. Allerdings werden die Freunde trotz der nicht erfüllten Erwartung nicht generell abgewertet; ihre Handlung wird erklärt:266 Die Freunde waren übereingekommen, Hiob zu trösten; nun handeln sie entgegen ihrer vorher auf der Erzählebene angegebenen Absicht. Sie reden nicht, „weil der Schmerz so groß ist“. Offenbar finden sie keine tröstenden Worte, vollziehen Trauerri265

Vgl. den ausführlichen Vergleich unten, 304ff. Interessanterweise war auch die Reaktion der Frau Hiobs auf dessen Leid durchaus verständlich. 266

7. Hi 2,11–3,1

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ten und schweigen.267 Sie scheitern also bereits in der ersten Begegnung mit dem Leiden. Hiob, der alles verloren hat, verliert hier letzten Endes auch noch den zu erwartenden Trost. Damit liegt auch in der Ankunft der Freunde ein weiterer, nun aber knapper formulierter Angriff gegen Hiob vor. War ihm vorher der Tod durch die Aufgabe der Gottesbeziehung nahegelegt worden, wird der noch Lebende nun wie ein Toter behandelt, wobei wie bei Hi 2,9 auch in 2,12f eine Beziehung nach 2,6b (   ) deutlich ist. Das siebentägige Schweigen wird im nachfolgenden Vers (3,1) von Hiob selbst durchbrochen.268 Der Satz schließt sich mit    an den engeren vorangehenden Kontext an.269 Nach dem Schweigen öffnet Hiob nun seinen Mund. Die Metapher des Öffnens des Mundes führt eine Rede Hiobs ein. Diese folgt zunächst aber nicht als direkte Rede. Stattdessen wird auf der Erzählebene in einem weiteren Verbalsatz mit waw-Imperfekt von seiner Rede berichtet (3,1º). Damit wird der Inhalt der direkten Rede vor dessen Mitteilung charakterisiert und zusammengefasst: Er verflucht ‚seinen Tag‘.270 Ähnlich wie verschiedene andere Verbalsatzfügungen im Prolog271 bildet der Satz     einen Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz. Da kein Handlungsprogress spürbar ist, könnte man koordinierend „Er öffnete seinen Mund, indem er seinen Tag verfluchte“ übersetzen.  hat zwar die Grundbedeutung „leicht sein“. Aufgrund der Verbindung mit der Handlung der Kap. 1f ist auch hinsichtlich der Wortbedeutung von ei-

267

Auf das Problem, dass es sich um Trauerriten handelt, ist bereits Lohfink, Klageriten, 265, gestoßen. Auch wenn er überlegt, ob es sich um einen Ritus dem Kranken gegenüber handelt, so ist doch die eigentümliche Sonderstellung von Hi 2,11–13 im Kontext der Vergleichsstellen, die von Lohfink angeführt werden, deutlich. Außerdem ist signifikant, dass der von Lohfink herausgestellte Begriff für das Schweigen in der Klage ( ) im Kontext nicht begegnet, sondern mit      nur eine Information über ihr Nichthandeln steht. Im Übrigen zeigt die „Schweigephase“ von sieben Tagen, dass in Hi 2,13 die Intention eindeutig auf einer anderen Ebene liegt. Das Schweigen bildet einen Kontrast zum nachfolgenden ununterbrochenen Reden. 268 Zur Szenerie und ihrer Nähe zu Riten, die am Anfang des 20. Jahrhunderts von den Arabern berichtet werden, vgl. Fohrer, Hiob, 106f. 269 Darauf, dass    als ein Verbindungselement aufzufassen ist, hat bereits Clines, Job 78, hingewiesen. Das nachfolgend erzählte Ereignis wird mit vorangehenden Ereignissen durch die Phrase in einen temporalen Zusammenhang gebracht. Mit    wird damit zwar eine neue Szene eingeführt, doch steht diese in einer literarischen Beziehung zum vorangehenden Text. 270 Natürlich handelt es sich um eine vorwegnehmende Zusammenfassung der nachfolgenden Hiobrede (so Fohrer, Hiob, 114.), doch ist die Konnotation der Einführung genau zu beachten. 271 Vgl. Hi 1,5a; 2,9.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

ner semantischen Beziehung zum vorangehenden Text auszugehen.272 Dafür spricht auch, dass wir uns weiter im Prosatext und noch vor der Einleitung der Hiobrede durch      befinden. In     erscheint jetzt die bereits mit  ,   und mehrfach mit der Wurzel  angespielte Wurzel . Doch auch jetzt richtet Hiob keinen Fluch gegen Gott; vielmehr wird in 3,1 notiert, dass er den Fluch lediglich gegen die eigene von Leiden geprägte Existenz wendet. Wie bereits festgestellt, dürfte dies indirekt mit der vorangehenden Reaktion der Freunde auf sein Leiden zusammenhängen; denn diese behandeln ihn, als wäre er bereits tot. Er beklagt nun seine Existenz und verflucht273 insbesondere den Tag seiner Geburt (  ), doch zeigt er mit dieser Reaktion klar, dass er lebt, und macht mit der gegen sich selbst gerichteten Verwünschung indirekt deutlich, dass er weiter an der Gottesbeziehung festhält, indem er den vom Satan intendierten Fluch gegen Gott wiederum vermeidet. Es folgt in Hi 3,2 – von 3,1 durch die masoretische Textgliederung getrennt – die Einleitung der ersten Hiobrede der Dichtung (     ). Dabei weist das Fehlen des Aktanten für den Redeinhalt bei  darauf hin, dass nun direkte Rede folgt. Erst diese Redeeinleitung und die nachfolgende wörtliche Rede selbst machen deutlich, dass sich 3,1 auf die Rede in 3,3ff bezieht. Hi 3,1 ist nun erkennbar als zusätzliche der eigentlichen Eröffnung vorangestellte Redeeinleitung. Hi 3,2 selbst hat den gleichen Wortlaut wie die folgenden Redeeröffnungen der Hiobreden (so 6,1; 9,1; 12,1; 16,1; 19,1; 21,1; 23,1; 26,1). Überhaupt fällt die Stereotypie der Einleitungen der Reden (auch die der Freunde) in den Dialogen auf, die bis in die masoretische Zeichensetzung hinein besteht. Zudem unterscheidet die masoretische Tradition nicht nur zwei Verse (3,1 und 3,2) voneinander, sondern sie setzt zwischen beide auffälligerweise die Petucha. Sie sieht also 3,2 als dem Dialogteil zugehörig, während 3,1 als zum Prosateil gehörend angesehen wird, und trennt damit Prosa und Dichtung klar voneinander.274 Es schließt sich in 3,3ff der am parallelisierenden Stil und am speziellen Wortschatz erkennbare Dialogteil an, der bereits separat analysiert worden ist.275

272 Gegen Ha, Frage und Antwort, 63f, der darin ausgehend von der Grundbedeutung des Verbs eine Zusammenfassung von Hiobs Frage „nach dem Sinn seines Lebens“ (ebd., 64) sieht. 273 3,1 läuft auf die nachfolgende Rede Hiobs zu und nimmt auf sie Bezug. Zur Diskrepanz zwischen der Einleitung 3,1 und dem Inhalt von 3,3ff vgl. im Folgenden die Literarkritik unten, 335ff. 274 Gegen de Wilde, Hiob, 95, der die V. 1f zusammenzieht. 275 Vgl. oben, 38ff.

7. Hi 2,11–3,1

283

Der Abschnitt 2,11–3,1 schließt sich stringent an die vorangehende Handlung an. Die Freunde Hiobs, die in der Dichtung mit Hiob in einem Dialog stehen, werden vorab wertend eingeführt. Gleichzeitig läuft der Schluss des Prologs auf die Zäsur zwischen Prosaerzählung und Dichtung zu. Diese Zäsur wird durch eine enorme Zeitraffung vorbereitet, indem ein siebentägiges Schweigen resümiert wird, das Hiob dann mit seiner durch 3,1f eingeleiteten Klage 3,3ff durchbricht. Das Gegenüber dieser Zeitraffung und der sich anschließenden direkten Rede in den Dialogen ist auch deswegen auffällig, weil die Reden trotz ihrer beachtlichen Textmenge im Vergleich zu der Zeit des Schweigens der Freunde und Hiobs nur eine sehr begrenzte Zeit (es mögen ca. vier Stunden sein) beanspruchen. Die vorweggenommene Wertung der Freunde durch die nicht erfüllte Erwartung an sie lässt sich sehr gut als eine Interpretation der Gesprächskonstellation der Dialoge sehen. Mit dem Schweigen und dem entsprechend ausbleibenden Trost wird freilich nur ein negativer Aspekt aus den Dialogen aufgegriffen. Eine von der Dichtung her eigentlich nötige differenzierte Betrachtung des Gegenübers von Hiob und den Freunden, deren Versuche, Lösungswege aufzuzeigen, die deutliche Übereinstimmung Hiobs und der Freunde in der Argumentation etc. werden in 2,11–3,1276 nicht rezipiert. Der Leser der Dialoge erwartet nach 2,11–3,1, nachdem die Freunde sieben Tage nicht ihrem Vorhaben entsprochen haben, dass sie sich nun auch in den Dialogen weiter nicht so verhalten, wie von ihnen nach 2,11 erwartet wird. Neben dem Stilwechsel zwischen 3,1 und 3,2ff, wobei 3,2 die gleiche Eröffnung hat wie die weiteren Hiobreden im Dialogteil,277 besteht ein Kohärenzproblem zwischen 3,1 und 3,2ff, das deutlich macht, dass der Prosarahmen in 3,1 die erste Klage in der Dichtung sekundär mit einer Überschrift versieht, die aufgrund des Gebrauchs der Wurzel  in einer engen Beziehung zur vorangehenden Handlung steht, wo Hiob zum Fluchen Gottes bewegt werden sollte. Bei der Analyse von Hi 3 ist deutlich geworden, dass sich die Argumentation des Kapitels immer weiter von der Überschrift entfernt und dass es nicht möglich ist, die erste Rede Hiobs als Entfaltung der Überschrift zu verstehen.278 Aus diesen Gründen war festgestellt worden, dass die Rede, die eigentlich die Intention hat, als Klage über die Existenz des Leidenden und Ausdruck seines Todeswunsches den Dialog zu eröffnen, vom Verfasser des Rahmens als „Verfluchung des Geburtstages“ interpretiert worden ist. Die Überschrift 3,1 scheint aus der Perspektive von 1,1–2,13 und zur Verbindung mit 3,2ff verfasst worden zu sein. Damit ordnet sie die erste Rede, aber auch die Dialoge insgesamt der Kohärenzstruk276

Vgl. zur Auswertung des Vergleichs der Dichtung mit dem Rahmen unten, 341ff. Vgl. zur formalen Struktur der Redeeröffnungen oben, 31ff. 278 Vgl. oben, 44f. 277

284

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

tur des Prologs zu. Diesen kann man als eine Abfolge von Gefährdungen der Gottesbeziehung Hiobs verstehen. Die erste Gefährdung ergibt sich aufgrund der Festzyklen der Kinder. Die zweite stellt die Zerstörung von Hiobs gesegneter Existenz dar. Eine dritte Gefährdung ergibt sich durch die Verletzung von Hiobs körperlicher Integrität. Hiob, der sich nun in einer leidenden Existenz befindet, wird dann noch einmal durch die von seiner Frau vorgebrachte Aufforderung, die Leiden durch ein Verlassen der Gottesbeziehung zu beenden und so den Tod zu verursachen, ein viertes Mal in seiner Gottesbeziehung gefährdet. Die Rolle der Frau zeigt sich insbesondere daran, dass sich in ihrer Rede zentrale Aussagen sowohl der Jhwh-Rede (    rezipiert 2,3b¸) als auch der Rede des Satans (    rezipiert 1,11b; 2,5b) verbinden. Es schließt sich als fünfte Gefährdung das Auftreten der Freunde an, die, anstelle Hiob zu trösten, ihn wie einen Toten behandeln und im Abstand zu ihm sieben Tage lang schweigen. Wenn Hiob in 3,1 (in vorwegnehmender Wertung von 3,2ff) lediglich seine Existenz verflucht und nicht Gott, dann zeigt dies, dass Hiob auch diese fünfte Gefährdung bestanden hat. Blickt man nun von hier aus auf die Dialoge, so ist trotz aller Disparatheit deutlich, dass Hiob konsequent gegen die auf Anerkenntnis von Schuld ausgerichteten Angriffe der Freunde ausdrücklich an der Gottesbeziehung festhält. Damit sind die Freundesreden aus der Sicht des Prologs weitere Gefährdungen,279 was allerdings erst ab dem zweiten Gesprächsgang einleuchtet, wo die radikalen Aussagen und Vorwürfe gegen Hiob zunehmen.280 Es ergibt sich eine Struktur von Infragestellung und Bewährung der Gottesbeziehung Hiobs, in die auch der Dialogteil aus der Perspektive des Prologs einbezogen ist: Die thematischen Abläufe von Infragestellung und Bewährung lassen sich als die Kohärenzstruktur des Hiobprologes wie folgt skizzieren: a b c d

Einführung von Person, Kindern, Besitz (1,1–3) Erste Gefährdung durch die Festzyklen der Kinder  Reaktion: stellvertretendes Opfer, um die Gottesbeziehung der Kinder zu sichern Zweite Gefährdung durch Verlust von Hiobs Wohlstand  Reaktion: Festhalten an der eigenen Gottesbeziehung Dritte Gefährdung durch Verletzung von Hiobs körperlicher Integrität  Reaktion: (implizites281) Festhalten an der eigenen Gottesbeziehung 279

Dies vermutet schon Buhl, Vorgeschichte, 61, als übergreifendes Interesse von Rahmen und Dichtung. 280 Vgl. zur Struktur der Auseinandersetzung in den Dialogen oben, 176ff. 281 Zwischen der Erkrankung und dem Dialog mit Hiobs Frau ist ein zeitlicher Abstand vorausgesetzt. Hiobs Frau setzt in ihrer Rede das Festhalten Hiobs an seiner Frömmigkeit voraus.

7. Hi 2,11–3,1 e

f g

285

Vierte Gefährdung durch Auftun des Zusammenhangs zwischen der Andauer des Leidens und der Gottesbeziehung durch Hiobs Frau  Reaktion: Festhalten an der eigenen Gottesbeziehung Fünfte Gefährdung durch Behandlung Hiobs wie einen Toten  Reaktion: Verfluchung der eigenen Existenz, (implizites) Festhalten an der Gottesbeziehung Sechste Gefährdung durch die Reden der Freunde  Reaktion: permanente Zurückweisung der Freundesreden

Diese Struktur hat aber ihre Grenze darin, dass die beiden Himmelsszenen mit dem expliziten Vorhaben, Hiobs Frömmigkeit zu testen, eben nur innerhalb von Hi 1,6–2,10 vorliegen und hier gleichzeitig zweimal auf der Erzählebene festgehalten wird, dass Hiob den vom Satan intendierten Fluch nicht vollzogen hat. Nach dem Vorwurf Jhwhs in 2,3b¹, der Satan habe ihn umsonst aufgehetzt, Hiob zu verderben, erwartet man eigentlich eine positive Wendung zu Gunsten Hiobs. In diese Struktur wird die Dichtung mit ihrer eigenen Kohärenzstruktur integriert. Letztlich ist das Gegenüber dieser beiden sich überlagernden Strukturen dafür verantwortlich, dass man in Hi 2,11–13 oft eine sekundäre Hinzufügung sieht.282

8. Hi 42,7–17 Mit Hi 42,7 befinden wir uns nach dem Dialogteil wieder im Bereich der Prosaerzählung. Der Übergang wird, wie dies auch in anderen Erzählzusammenhängen der Fall ist,283 mit    hergestellt. Die kontextuelle Stellung der Formulierung stellt eine inhaltliche Verbindung zu dem unmittelbar vorausgehend mitgeteilten Ereignis her. Es wird also bei der Dichtung angeknüpft und nicht beim Prolog. Dabei wird auf Dinge Bezug genommen, die Jhwh zu Hiob geredet hat. In dieser Verknüpfung (             ) wird als literarisches Problem angesehen, dass sich 42,7 gerade nicht an eine Gottesrede, sondern an die letzte Rede Hiobs anschließt.284 Das ist auffällig und bedarf einer Erklärung, auch wenn es auf eine literarische Überarbeitung zurückzuführen sein sollte. Zunächst ist zu beachten, dass     nicht nur einen Verweis auf eine Rede als eine Mehrzahl von Worten ( ) darstellen dürfte. Denn  als Referenzbegriff kann bei deutlichem Bezug auf das zugrundeliegen282

Vgl. dazu unten, 333ff. Siehe z.B. Gen 22,1; 39,7; 40,1; 1 Kön 17,17; 21,1. 284 Vgl. Strauß, Hiob, 395. Fohrer, Hiob, 359, sieht in der Formulierung einen Hinweis auf eine in der Rahmenerzählung weggefallene Gottesrede an Hiob. Die Gottesrede an Eliphas wäre dann einmal auf eine andere Gottesrede gefolgt. Maag, Hiob, 119f, sieht Hi 42,7a als Hinweis, dafür, dass die vorangehende Hiobantwort sekundär ist. 283

286

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

de Verbum dicendi auch auf einen größeren Redezusammenhang verweisen,285 was oft in dieser Weise der Fall ist.286 Wenn aber die Anknüpfung von 42,7 bewusst nicht nur an eine, sondern mit dem Pl. wohl an die beiden Gottesreden geheftet ist, dann erklärt dies, warum kein Bezug auf die vorangehende Rede Hiobs vorliegt. In Hi 42,7 geht es darum, dass Jhwh zunächst zweimal (daher der Pl.  ) mit Hiob geredet hat, und dann zu Eliphas redet, während die Hiobreden in Hi 40,3–5; 42,1–6 nicht im Interesse von Hi 42,7f sind.287 Dem entspricht, dass sie inhaltlich primär nur eine Bestätigung der jeweils vorangehenden Jhwh-Reden beisteuern. Hinzu kommt, dass es sich bei den kurzen Hiobreden im Gottesredenzyklus um subordinierte Stücke handelt.288 Damit erweist sich der Beginn des Prosatextes nicht als Teil eines fließenden Übergangs vom Gottesredenkapitel zum Epilog, sondern als eine reflektierte Bezugnahme auf die vorangehende(n) Rede(n) Gottes an Hiob, was m.E. ein erstes Indiz dafür ist, dass der Erzähltext in Hi 42,7ff die Dichtung literarisch voraussetzt.289 Für den Fortgang der Analyse ist den Implikationen dieses Anschlusses an die Jhwh-Reden weiter nachzugehen. Für die Klärung dieser Frage ist es entscheidend, dass in 42,7b das Reden der Freunde ausdrücklich kritisiert, das Reden Hiobs aber als   „Richtiges“290 bezeichnet wird. Es besteht ein deutlicher Widerspruch zwischen 42,7b und der Einschätzung des Redens Hiobs in 38,2,291 aber auch zu Hiobs eigener Einschätzung seines Redens in Hi 42,3. Daher könnte man geneigt sein, die positive Bewertung Hiobs speziell auf seine Antworten auf die Gottesreden zu beziehen. Allerdings richtet sich die Jhwh-Rede in Hi Vgl. Gerleman,  , THAT I, 437f. Man vergleiche als Beispiel nur Jer 10,1 oder als Äquivalent zu unserem Text die Eröffnung des Deuteronomiums mit       , was auf mehrere Reden des Buches vorausverweist; weiter Gen 15,1; 1 Kön 11,41; 14,29; 15,23; Est 2,23 u.a. 287 Vgl. Wagner, Leiderfahrung, 208. 288 Vgl. oben, 36. 289 Demgegenüber ist es weniger plausibel, hieraus eine Jhwh-Rede in einer zugrundeliegenden Hioblegende zu konstruieren. Dies ist eine von der postulierten Literargeschichte abhängige ad-hoc Hypothese, die aufgrund der vorausgesetzten komplexen Wachstumsprozesse weniger Wahrscheinlichkeit hat als die Annahme, dass die Prosaerzählung an dieser Stelle und mit dieser Formulierung schlicht auf die fertige Dichtung bezogen worden ist. Gegen Fohrer, Einleitung, 357. 290 Wagner, Versuch, 218, sieht in   eine Einschätzung des Redeinhaltes: „Die Bedeutungsbreite von nekonah umfaßt die deutschen Äquivalente Wahrhaftiges, Begründetes, Zuverlässiges und Rechtes. Mit dieser Behauptung ist nichts Geringeres ausgesprochen, als daß die Freunde über Gott Unwahres und Unziemliches geredet hätten, Ijob dagegen Wahres und Bestandhabendes.“ 291 Vgl. Newsom, Job, 634. Allerdings handelt es sich dabei um eine Ironisierung von Hiobs Reden, nicht um eine massive Kritik. Vgl. oben, 197f. 285 286

8. Hi 42,7–17

287

42,7 auch an Eliphas. Die enthaltene Kritik Jhwhs bezieht sich auf die Reden der Freunde im Dialogteil. Daher ist in Hi 42,7f eine Gegenüberstellung der Freunde und Hiobs aufgrund ihres jeweiligen Redens im Blick. Da die Freunde im Gottesredenabschnitt gar keine Gelegenheit zu sprechen hatten und die Gottesreden dort explizit an Hiob gerichtet waren (      ), kann sich auch die Beurteilung Hiobs (42,7b¹) nur auf den Dialogteil beziehen,292 während die Gottesreden an Hiob selbst bereits als positive Antwort Gottes Hiob gegenüber aufgefasst sein dürften. Es geht also in der Beurteilung der Freunde wie Hiobs (Hi 42,7f) um deren Auseinandersetzung im Dialogteil und dabei um das Verhältnis ihres Redens zu Gott. Wenn dem aber so ist, handelt es sich bei der Formulierung              um eine inhaltliche Bezugnahme und nicht nur um ein formales Gliederungselement. Dem Verfasser von Hi 42,7 war ein Bezug zu Hiobs Verhalten im Dialog mit den Freunden wichtig, was ja mit            thematisiert wird. Deshalb werden in dem Vers, der die Rede Jhwhs an Eliphas einführt, nicht Hiobs Antworten auf die Gottesreden erwähnt, obwohl vorausgesetzt wird, dass Gott mehrmals (   ) zu Hiob gesprochen hat. Die in Hi 42,7ab¸ eingeleitete Jhwh-Rede an Eliphas wird also ganz bewusst den an Hiob gerichteten Gottesreden gegenübergestellt. In der Gegenüberstellung spielen die Antworten Hiobs auf die Gottesreden u.a. vielleicht deswegen keine Rolle, weil von der Rahmenerzählung auch die Kritik der Gottesreden an Hiob ignoriert wird. Die Gottesreden werden in der Perspektive von Hi 42,7 offenbar als positive Antwort auf Hiobs Reden in den Dialogen verstanden, was so aber ihrer eigentlichen Intention nicht entspricht. Hi 42,7a leitet demgegenüber die negative „Antwort“ Jhwhs an die Freunde ein. Damit ist Hi 42,7a zu begreifen als ein literarisches Bindeglied, das mit einer bestimmten Intention und durch eine ganz bestimmte Interpretation mit dem vorangehenden Text verbunden ist. Das hat Probleme im engeren Kontext mit sich gebracht, lässt aber keine Rückschlüsse auf die Form der Gottesreden zu.293 Zu einer Aussage, in welche Richtung beim Verhältnis von Prosa und Dichtung die Literargeschichte verläuft, kann die Form der anderen Kontaktstellen zwischen Prosa und Dichtung einen Beitrag leisten. Übergänge zwischen Prosa und Dichtung liegen in Hi 3,1f, in Hi 31,40b–32,6a und in Hi 42,7a vor. Hi 3,2; 31,40b und 32,6a sind formelhafte Wendungen, die zur Dichtung gehören und sich auf diese beziehen. An die genannten Formulierungen heftet sich zusätzlich eine Prosaformulierung, die ebenfalls auf die Dichtung bezogen ist, wobei eine vollständige formale und inhaltliche Integration mit dem poetischen Text aber jeweils nicht erreicht wird. So kommt es in Hi 3,1f zu einer Doppelung der Redeeinleitung. 3,1 bringt ein Kohärenzproblem mit sich, da der Vers versucht, den nachfol292 293

Zu dem Bezug auf die Dialogdichtung vgl. Oeming, Ziel, 126f. Vgl. zur Literarkritik unten, 337ff.

288

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

genden Text in die vorangehende Struktur einzubinden; die kurze Schlussnotiz am Ende der Herausforderungsreden (31,40b) wird durch den nachfolgenden Vers 32,1 dominiert, um eine Erklärung für dieses Ende des Dialogteils zu bieten, die im Inhalt des Dialogs nicht angelegt ist; in Hi 32,5f findet sich wiederum der Versuch (V. 5), den nachfolgenden Zusammenhang vom Prosatext her zu erklären. Auch wenn in Hi 42,6 keine formelhafte Wendung vorliegt, die man integrieren konnte, sucht 42,7a doch Anschluss zu gewinnen an die vorangehende Dichtung. Und auch hier ist eine Integration letztlich nicht nahtlos möglich gewesen. Nimmt man alle diese Stellen zusammen, so deutet sich an, dass man bei der Abfassung den Text der Dichtung in den Prosatext zu integrieren versucht hat.

Mit der negativen Bewertung der Freundesreden in der Jhwh-Rede schließt sich auch ein Bogen zu 2,11–3,1, wo bereits auf ein ihren Absichten und den Erwartungen zuwiderlaufendes Verhalten der Freunde angespielt war und im Zusammenhang damit auch im Wortspiel A" *    ihr Verhalten in den Dialogen vorwegnehmend negativ beurteilt wurde.294 Worauf richten sich nun aber die positive Bewertung der Jhwh-Rede von Hiobs Reden und der Zorn Jhwhs und seine Kritik an den Reden der Freunde konkret? Da sich die Einschätzung nur auf die Dialoge und nicht auf Hiobs Antworten auf die Gottesreden beziehen kann,295 muss es um die Konfrontation zwischen Hiob und den Freunden gehen. M. Oeming hat als plausible Deutung des Rückgriffes von Hi 42,7 auf die Dialogdichtung vorgeschlagen, dass es nicht um den Inhalt der jeweiligen Reden gehe, sondern um ihre Sprechrichtung. Ausgehend von dem Faktum der direkten Kommunikation zwischen Jhwh und Hiob in den Gottesreden und der Anrede des Eliphas, deren Ausrichtung jeweils mit der Präposition  markiert wird, stellt Oeming fest, dass Gott mit            „die Sprechrichtung Hiobs [lobt], die innere Haltung, das Wissen darum, wohin und woher er zu denken hat: eine Rede zu Gott“296. Auch wenn sich der 294 Das Urteil über die Freunde widerspricht also nicht Hi 2,11–13. Gegen Wagner, Versuch, 219. 295 Gegen Strauß, Hiob, 397, der wie vorher schon Fohrer, Hiob, 539, eine enge Beziehung zu Hi 42,1–6 annimmt. Porter, Message, 303, sieht eine bleibende Ambiguität des Bezuges von V. 7b, da nicht ausgedrückt wird, welche der Aussagen Hiobs korrekt sind. Dies ermögliche dem Leser die paradoxe Schlussfolgerung, „that all of what Job has said is correct“. 296 Oeming, Ziel, 138; auch Oeming, Gottes Schlusswort, 114. – Die Kritik bei Strauß, Hiob, 397, ist nicht nachvollziehbar. Wenn er moniert, dass Oeming  „im späteren, eher zufälligen Sprachgebrauch“ (ebd.) auslegt, übersieht er, dass  im direkten Kontext immer in der gleichen Bedeutung zusammen mit Verba dicendi gebraucht wird. – Anders O’Connor, Cunning Hand, 24, der auf den Kontext verweist. Oemings Deutung sucht auch I. Kottsieper zurückzuweisen. Er begründet dies mit der Annahme, dass sich   auf die Behauptungen Hiobs und der Freunde beziehe: „Es verhält sich nicht so, wie sie behaupten, sondern so, wie Hiob es sagt: Er leidet unschuldig“ (Kottsieper, Thema verfehlt, 780). Hier fragt man sich, wieso bei einer angeblich so speziellen Bedeutung

8. Hi 42,7–17

289

konkrete Gottesbezug von Hiobs Reden im Folgenden noch genauer fassen lässt, ruft ein anderes Verständnis der Formulierung Probleme hervor, da die Freunde ja in der Tat durchaus korrekte Inhalte von sich gegeben haben.297 Auf der anderen Seite fand sich bei der Analyse der Freundesreden nicht eine einzige Passage, die sich direkt an Gott richtet und als Gebet, Klage oder gar als Fürbitte zu interpretieren wäre.298 Während Hiob sich also an Gott gewendet hat, haben die Freunde über Gott gesprochen. Diese Deutung ist möglich, weil die besondere Integrität von Hiobs Gottesbeziehung im Prolog vorausgesetzt ist und damit die besondere Beziehung zwischen Hiob und Jhwh überhaupt. Diese wird in 42,7b mit dem Knechtstitel auch wieder betont. Hiobs Gottesbeziehung wird also in Hi 42,7f mit einer besonderen Ausrichtung seiner Reden (im Dialogteil) auf Gott hin in Verbindung gebracht. Hiobs Klagen und radikale Anklagen gegen Gott dokumentieren aus der Sicht von Hi 42,7 trotzdem die Integrität von Hiobs Gottesbeziehung, die sich bereits im Prolog bestätigt hatte. Hier zeigt sich, dass Hi 42,7b einen wesentlichen Aspekt aus der Dichtung herausgreift, aber zugleich auch wesentliche Aspekte ausblendet. Denn auch Hiobs Reden in der Dialogdichtung ist nicht durchgängig auf Gott hin ausvon      dies nicht auch ausgedrückt wird. Außerdem wird ja die Frage, ob Hiob unschuldig leidet, im Epilog überhaupt nicht thematisiert. Im Prolog ist dies nicht der Fall, da Hiob dort ja von vornherein als unschuldig gedacht ist, und in Hi 42,11 trifft ihn „das Böse, das Gott über ihn gebracht hat“!). Kottsieper übersieht in seiner redaktionsgeschichtlich argumentierenden Studie die Verbindung der Formulierung mit den Bewertungen von Hiobs Reden im Prolog (1,22; 2,10b). Aber auch die von ihm gegen die These von Oeming angeführten Parallelbelege (vgl. ebd., 779f) führen nicht weiter. Denn in Dtn 13,15; 17,4 (    ) handelt es sich um eine geprägte Wendung. In Hi 42,7f liegt anders als bei den Dtn-Stellen ein adverbieller Gebrauch von   vor. Nam, Talking About God, 187ff, übernimmt in seiner Untersuchung zum Gottesbild im Hiobbuch die Deutung von Oeming. Auf den Inhalt der Reden zielt s.E. allerdings  . (ebd., 23; „constructively“). – Zuletzt hat Iwanski, Dynamics, 175 (zusammenfassend) die Phrase ebenfalls auf den Inhalt der Reden bezogen. S.E. besteht die Sünde der Freunde in „not speaking the truth concerning Yahweh“ (ebd.). Er gesteht aber Oemings Interpretation dennoch eine gewisse Berechtigung zu. An der Stelle liege „a play on its meaning“ (Iwanski, Dynamics, 181) vor. Doch gibt es bei  nicht gleichzeitig mehrere Bedeutungsmöglichkeiten, da der Kontext  bestimmt. Gegen Iwanski, Dynamics, 182. An späterer Stelle schließt er sich dann auch der These von Fohrer, Hiob, 539, an, dass Hiob in Hi 42,1–6 ‚das Richtige‘ in Bezug auf Gott gesagt habe. Vgl. Iwanski, Dynamics, 254. Daneben sieht er mit   auf weitere Texte angespielt. M.E. überfrachtet all dies die Phrase. 297 Vgl. z.B. die Bemerkung von Wagner, Versuch, 218: „Dieses Urteil [das Reden der Freunde sei nicht nekonah im Gegensatz zu Hiobs Reden, R.H.] nimmt sich merkwürdig aus angesichts der heftigen Klagen und Anklagen gegen Gott von Seiten Ijobs im Redenteil, die an Blasphemie gemahnen.“ 298 Vgl. oben, 176ff. Ähnlich sah bereits Stier, Hiob, 251, das Gegenüber der Freunde und Hiobs.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

gerichtet. Der von Hiob geäußerte Todeswunsch ist ein Kennzeichen dafür, dass er in der Dichtung der Gottheit das versagt, was diese eigentlich zu erwarten hätte: die Bitte um Errettung. Der radikale Vorwurf gegen Gott, dass er seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Frommen nicht nachkommt, kann aber in Hi 42,7b ignoriert werden, da Gott am Ende dem Leidenden wie gefordert gegenübertritt und Hiob darauf seine Angriffe einstellt. Auf der anderen Seite hatten die Freunde Hiob ja dazu aufgefordert, sich mit einem Schuldanerkenntnis an Gott zu wenden. Dies wird hier ebenso nicht verfolgt. Offensichtlich geht es der Beurteilung in Hi 42,7f ausschließlich darum, ob die Reden Hiobs und der Freunde Ausdruck der Gottesbeziehung sind, und dies wird daran festgemacht, ob das Reden auf Gott ausgerichtet war oder nicht. Die Art und Weise, wie Hi 42,7f die Dichtung in den Blick nimmt, erweist sich so als ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Dichtung bei der Abfassung jener Verse (und ihres Fortganges) als eigenständige Gesamtgröße vorgelegen hat; denn 42,7f nehmen die Dichtung nicht entsprechend ihrer eigentlichen Intention und auch nicht in ihrer komplexen Kohärenzstruktur wahr, sondern quasi en bloc und nur auf bestimmte inhaltliche Aspekt begrenzt, während nicht integrierbare Dinge ausgeblendet werden. Diesen perspektivischen Bezug auf die Freundesreden durch Hi 42,7f bestätigen zwei Querbeziehungen zum Prolog. Diese lassen es zu, die von Oeming vorgeschlagene Deutung von Hi 42,7 genauer zu fassen: Erstens ist die Parallelität der Formulierungen 42,7bº (           ) und Hi 2,13b¸ (     ) auffällig. Von den Freunden wäre angesichts von Hiobs Leiden ihrem eigenen Vorsatz nach Trost und Unterstützung zu erwarten gewesen. Sie aber haben nicht nur geschwiegen, sondern ihr Wort nicht auf Hiob ausgerichtet! Die Unterstützung hätte in erster Linie durch ein an Gott gerichtetes Gebet geschehen müssen (wie sich im Fortgang in Hi 42,8f zeigt), was aber nicht geschieht. – Zweitens muss für die gelobte Sprechhaltung Hiobs nicht nur auf die Dichtung verwiesen werden. Denn theologisch zentral steht in Hi 1,21b als Abschluss von Hiobs radikaler Aussage über Gottes Handeln (Hi 1,21a¹º) der Lobpreis des Gottesnamens. Obwohl die Freunde in ihren Reden „stets die Belange Gottes vertreten“299 wollen, werden sie also kritisiert. Letztlich werden die Reden aus299 Wagner, Versuch, 218. Gegen die Auslegung von Hi 42,7 durch Iwanski, Dynamics, 162: „First, it is obvious that God found the friends guilty of a sin and His anger is His reaction to it. Second, it cannot be considered only a rhetorical figure of speech. It is ‚a grim reality‘ which, if not ceased, can bring about disaster on the sinners. Third, God’s anger is not something uncontrolled, a lust for vengeance and destruction. It is to ring the guilty to a new quality of life with God.“ ist einzuwenden, dass sie die Einschätzung mit dem Sündenbegriff aus der christlichen Theologie überfrachtet. Gleichzeitig wird die Bedeutung des Gotteszornes mit der Einschätzung „lust for vengeance and destruction“ ver-

8. Hi 42,7–17

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schließlich daran gemessen, ob sie Ausdruck einer intakten Gottesbeziehung sind oder nicht. Dies weist paradoxerweise zurück auf die Himmelsszenen. Dort wurde Hiobs Gottesbeziehung auf die Initiative des Satans hin auf die Probe gestellt. Da der Satan und Jhwh in ihrer Grundhaltung darin übereinstimmen, dass die Gottesbeziehung (von Hiob) nicht verwendet werden dürfe, um sein Wohlergehen abzusichern, bzw. um Unheil als Folge für ihr Verlassen zu vermeiden, 300 und Jhwh dem Satan ausdrücklich Macht über Hiob zugesteht, liegt eine enge Beziehung zwischen dem Satan und Jhwh vor. Dennoch klingt bereits in der zweiten Himmelsszene in 2,3b¹ eine Kritik am Vorgehen des Satans an, wenn es heißt, dass dieser Jhwh aufgehetzt habe, um Hiob zu verderben. Diese Kritik ist angesichts des Prüfungscharakters, der Auslieferung Hiobs in die Hände des Satans und letztlich auch der Sorge Jhwhs um Hiobs körperliche Integrität allein (Hi 1,12a) paradox. Ähnlich verhält es sich mit der Kritik der Freunde in Hi 42,7b. Die Freunde hatten Richtiges gesagt, stimmten z.T. mit Hiob in theologischen Grundfragen überein. Aber sie hatten (wie der Satan) u.a. mit dem Vorwurf einer verborgenen Schuld Hiobs Gottesbeziehung in Frage gestellt.301 Hatte Hiob z.B. in Hi 16,5 verkündet, dass er an Stelle der Freunde für diese eingetreten wäre, so hatten sie sich gerade nicht für Hiob an Gott gewendet und stattdessen Hiobs Klage und seine Anklage, die in 42,7b als Ausdruck von dessen Gottesbeziehung gewürdigt werden, nicht akzeptiert und deshalb versucht, sein Reden zu unterbinden. Bedenkt man, dass die Dialoge durch Hi 2,11–3,1 als Fortsetzung des Hiob heimsuchenden Leides eingeführt werden, so dürfte die Kritik an den Freunden auch die Erwiderung der Freunde gegen Hiob im Blick haben. Damit wird Hi 42,7b inhaltlich in eine Reihe mit den wertenden Versen in Hi 1,22 und Hi 2,10b gestellt. Faktisch drückt Hi 42,7 in gleicher Weise aus, dass Hiob bei der Auseinandersetzung mit den Freunden in seiner intakten Gottesbeziehung verblieben ist: (Hi 1,22)             (Hi 2,10b)        (Hi 42,7bº֖            

In den beiden Abschlussformulierungen des Prologs wurde ein Bezug zum Ansinnen des Satans hergestellt, Hiob zum Fluch gegen Gott und damit zum Verlassen der Gottesbeziehung zu bewegen. In den beiden Formuliezerrt. Die Überbetonung des Sündenbegriffs deutet sich bei Iwanski schon in seiner Interpretation von Hiobs Attributierung im Prolog an. Siehe oben, 229f. 300 Vgl. oben, 242. 301 Der Satan stellt Hiobs Gottesbeziehung in Frage, da er Hiob unterstellt, seine Gottesbeziehung sei von der Sorge um sein Wohlergehen bestimmt. Die Freunde unterstellen, dass die Gottesbeziehung nicht intakt ist und schließen dies aus seinem Leiden.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

rungen werden diese Versuche des Satans als gescheitert markiert. Da die Dialoge aus der Sicht des Prologs als neuerliche Prüfung Hiobs zu interpretieren sind, muss in der Formulierung            in Hi 42,7b in ähnlicher Weise vorausgesetzt sein, dass Hiob trotz seines Geschickes und trotz der Anläufe der Freunde gegen ihn in der Gottesbeziehung verblieben ist und an seiner Frömmigkeit festgehalten hat, indem er weiterhin als Ausdruck der intakten Gottesbeziehung zu Gott gesprochen hat. Damit wird der in Hi 1,1–3,1 den Prolog übergreifende inhaltliche Bogen der Gefährdungen Hiobs mit der Jhwh-Rede Hi 42,7f geschlossen.302 Hi 42,7b bezieht sich also inhaltlich direkt auf Hi 1,22; 2,10b zurück. Als Kohärenzproblem ergeben sich, dass Dialog und Epilog die Kohärenzstruktur der Dichtung und deren Aufbau nicht beachten und dass mit       die Dialogdichtung nicht in ihrer Komplexität, sondern nur in einer bestimmten Perspektive rezipiert wird. Dass die Bewertung der Freunde und Hiobs jetzt in der Gottesrede erfolgt, markiert in mehrfacher Hinsicht den Schlusspunkt der Handlung und damit der Gefährdungen Hiobs. Abhängig ist die Form der Gottesrede dabei von dem vorangehenden Gottesredenabschnitt. Aus der Sicht von Hi 42,7f hat Hiob ja nach dem Dialogteil mit der Gottesbegegnung des Gottesredenabschnittes schon die prinzipiell positive Würdigung seiner Reden erfahren.303 Nun werden demgegenüber die Freunde, die in den Gottesreden explizit aus der Kommunikation zwischen Hiob und Jhwh (siehe die Überschriften Hi 38,1; 40,1.6) ausgeschlossen waren, kritisiert, weil sie eben nicht aus ihrer Gottesbeziehung heraus auf die Gottheit ausgerichtet gesprochen haben, wie dies bei Hiob der Fall war. Der inhaltliche Zusammenhang mit den Bewertungen Hiobs in Hi 1,22; 2,10b lässt eine Zuspitzung der Interpretation von Hi 42,7b zu: War in 1,22; 2,10 negativ ausgedrückt worden, dass Hiob in seiner Rede den Gottesfluch nicht gegen Jhwh gerichtet hatte, so handelt es sich in Hi 42,7b entsprechend der Auslegung von M. Oeming bei Hiobs Reden um den Ausdruck seiner intakten Gottesbeziehung. Wie bereits vermutet, werden die Reden der Freunde deswegen in die Nähe des Gottesfluches gerückt, weil sie sich gegen die (aus der Sicht des Rahmens intakte) Gottesbeziehung Hiobs richten.304 Vielleicht sind hier auch einige konkrete Aussagen der Hiobreden im Blick, wo Hiob das Reden der Freunde in Bezug auf Gott kritisiert. Besondere Beachtung verdient Hiobs gegen die Freunde gerichteter Vorwurf der

302

Vgl. oben, 284f. Zur Funktion von Hi 38,2 vgl. oben, 197f. 304 Endgültig bestätigt werden kann diese Interpretation nur aufgrund des Bezuges der Rahmenerzählung zu 1 Sam 1–4. Vgl. dazu unten, 392ff. 303

8. Hi 42,7–17

293

betrügerischen Rede in Bezug auf Gott in Hi 13,9f,305 der zusätzlich noch mit der Androhung von Konsequenzen von Gottes Seite verbunden wird. In 13,10b wird auch der Vorwurf der Parteilichkeit gegen die Freunde gerichtet, was mit der Aussage, Gott werde der Position Hiobs entsprechend entscheiden, in einem eigentümlichen Verhältnis steht. Bei der an Eliphas gerichteten Jhwh-Rede in Hi 42,7f handelt es sich um ein Wortgeschehen. Neben der ausdrücklichen Ausrichtung der Rede auf Eliphas (       ) zeigt die implizierte Weitergabe des Redeinhaltes an die beiden anderen Freunde, dass sie als exklusiv gedacht ist. Daraus ergibt sich, dass Hiob, der aufgrund der nicht veränderten Szenerie eigentlich anwesend ist, ebenfalls nicht als Zeuge der nur an Eliphas gerichteten Jhwh-Rede vorgestellt ist. Aus der Perspektive von Hi 42,7a muss es sich bei den Gottesreden also ebenfalls um exklusiv an Hiob gerichtete Reden handeln, was scheinbar eine Bestätigung in der Angabe    in den Überschriften der Gottesreden findet. Doch dem entspricht die Szenerie dort nicht, weil die Gottesreden als Naturschauspiel eingeführt werden (   – Hi 38,1; 40,6) und auf sie in Hi 42,5 mit   als eine Theophanie verwiesen wird.306 Es liegt also eine Unstimmigkeit bei den Umständen der aufeinander folgenden Reden vor. Während aus der Perspektive von Hi 42,7 die Rede Jhwhs an Eliphas auf derselben Ebene liegt wie die an Hiob gerichteten Gottesreden, sind letztere aus der Perspektive der Gottesreden und ihres Charakters als Naturschauspiel von der Rede Jhwhs an Eliphas in Hi 42,7 grundsätzlich verschieden. Es ist zu vermuten, dass die Überschriften in Hi 38,1; 40,6 lediglich für den Leser verdeutlichen, dass es sich um eine direkte Kommunikation zwischen Jhwh und Hiob handelt, die Freunde aber als Zeugen dieses Geschehens im Wettersturm vorausgesetzt sind,307 während Hi 42,7 sämtliche Jhwh-Reden als exklusive „Selbstmitteilungen“ ansieht.308 Damit stellt sich nun aber die Frage, warum Jhwh Eliphas, indem er sich ihm gegenüber äußert, zu einem Mittler zwischen sich und den anderen beiden Freunden macht. Der Verfasser hätte auch bereits in 42,7 die drei Freunde gemeinsam in den Blick nehmen können. Als Grund wird erwogen, dass Eliphas in der Aufzählung Hi 2,11 an erster Stelle steht und dass er in den Redegängen jeweils als erster spricht.309 Doch erklärt dies die be305 Pope, Job, 350, versteht Hi 42,7f als eine Bestätigung gerade auch dieser Vorwürfe Hiobs gegen die Freunde. 306 Vgl. oben, 196. 307 Vgl. die Überlegungen zur Literarkritik unten, 337f, und zur Szenerie unten, 357ff. 308 Grundsätzlich ist es auch denkbar, dass die Freunde als vollständig von der Handlung abgetreten vorgestellt sind. 309 So schon Ewald, Ijob, 309. Pope, Job, 350, ist der Ansicht, dass Eliphas der Älteste der drei Freunde ist. Er führt dafür Hi 15,10 an, doch sagt der dort vorliegende Verweis

294

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

sondere Ausrichtung der Rede nicht zureichend. Man kann auch danach Ausschau halten, was Eliphas gegenüber seinen Freunden auszeichnet: Er ist der Einzige, der einen – wenn auch gebrochenen Bezug – zu biblischen Gestalten besitzt, da sein Name in Gen 36,4–16 (1 Chr 1,35f) als einziger von den drei Freunden außerhalb des Hiobbuches belegt ist.310 Außerdem ergibt sich eine Erklärung aufgrund der ersten Rede des Eliphas, auf die M. Köhlmoos hingewiesen hat: In Hi 4,17ff wird deutlich, dass Eliphas eine gegenüber den Freunden besondere Gottesbeziehung aufzuweisen hat. Eliphas war bereits einmal Zeuge einer Offenbarung. Aufgrund dieser werde Eliphas in Hi 42,7f zum Adressaten und Vermittler einer Jhwh-Rede an seine Freunde.311 Freilich ist gegen diese Begründung auf der Grundlage eines (nicht ausgeführten!) inhaltlichen Bezuges einzuwenden, dass in den Hiobreden die Reden Eliphas’ in keiner Weise besonders behandelt werden. Außerdem reflektiert Eliphas im Kontext von Hi 4,17 den Ursprung seiner Offenbarung in keiner Weise. Letztlich zeigt der in Hi 42,7f gegen alle drei Freunde gleichermaßen gerichtete Zorn Jhwhs, dass man keine Überbewertung der von Eliphas in Hi 4 wiedergegebenen Gottesrede vornehmen darf.312 Wahrscheinlich ist für die Erklärung der Exklusivität der Jhwh-Rede an Eliphas die Suche nach Besonderheiten Eliphas’ gegenüber den anderen Freunden – sei es nun aufgrund seines Namens oder seiner vermeintlichen Herkunft, sei es aufgrund der Konstellation oder des Inhaltes seiner Reden – nicht zielführend. Für seine Hervorhebung dürften stattdessen der direkte Kontext und die Intention von Hi 42,7f entscheidend sein: Die Betonung der Exklusivität der Jhwh-Rede ist erforderlich, um dem Leser zu signalisieren, dass Hiob die an Eliphas gerichtete Aufforderung nicht mithört. Der Leser soll schließen, dass in der Perspektive von Hi 42,7f auch die Gottesreden an Hiob sowie Hiobs Antworten einen exklusiven Charakter tragen und von den Freunden nicht mitgehört werden. auf das Alter von Hiobs Vater über das Alter von Hiobs Gesprächspartnern nichts aus. Allenfalls könnte man aus der Reihenfolge der Redner indirekt den Schluss auf das Alter ziehen. Eine Priorität des Alters im weisheitlichen Diskurs setzt der Anfang der Elihureden voraus. Dort wird aber die Jugend des Sprechers gegenüber dem Alter der Vorredner, nicht aber der genaue Altersabstand betont. 310 Vgl. oben, 273. 311 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 349. 312 Köhlmoos, Auge Gottes, 349f, hebt m.E. Eliphas’ Bedeutung und die Bedeutung der an ihn gerichteten Gottesrede so sehr heraus, dass Jhwhs Zorn auf die beiden anderen Freunde in Hi 42,7f mit Eliphas nicht mehr auf eine Linie zu bringen ist. Eine andere Lösung des Problems schlägt Schmidt, De Deo, 172, vor. S.E. werden die Freunde entsprechend 42,7–10 bereits als an ihre Orte zurückgekehrt gedacht. Dass die Freunde danach wieder zu Hiob zurückkehren, sieht Schmidt als ein Indiz für den sekundären Charakter der Verse an.

8. Hi 42,7–17

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In 42,8 setzt sich die Jhwh-Rede an Eliphas fort. In diesem Vers wird nun deutlich, warum Hiob gegenüber den Freunden gelobt wird. Er bekommt nämlich eine Funktion. Die direkte Rede (42,7b.8) bedarf genauerer Beachtung:                                                                           

7b¸ 7b¹ 7bº 8a¸ 8a¹ 8aº 8b¸ 8b¹

In der direkten Rede ist die Wiederkehr der Begründung             (V. 7bº.8b¹) auffällig. Diese steht einmal nach dem allgemein ausgedrückten Zorn Jhwhs als dessen Begründung, das zweite Mal nach        als Verweis auf den Grund für Opfer und Fürbitte, die die Folge des Zorns verhüten sollen.313 Die Wiederholung drückt die hohe Bedeutung der Aussage aus, aber auch die Radikalität der Zornesaussage und der mit dem Zorn verbundenen Folge. Dem Ausdruck des Zornes und seiner möglichen Folge steht die Aufforderung an die Freunde gegenüber, Opfertiere zu nehmen und zu Hiob zu gehen. Dass sich dann freilich in V. 8a¹ die Aufforderung anschließt, die Opfer als Brandopfer für sich zu opfern, mutet eigenartig an. Man erwartet nach der Aufforderung, zu Hiob zu gehen, dass Hiob nun das Opfer für die Freunde vollziehen werde, wie er in 1,4f das Opfer für seine Kinder dargebracht hat.314 Dass die Opfer in diesem Fall nicht von ihm selbst vollzogen werden, könnte mit seinem Aussatz zusammenhängen, doch wird auch dies nicht explizit ausgedrückt. Andererseits wird in Hi 42,7f Hiob permanent von Jhwh als sein Knecht bezeichnet, und die Brandopfer werden ja bei ihm dargebracht, so dass der Aussatz als Erklärung eher ausscheidet. 315 Von der Erzähllogik her stellt es zunächst kein Problem dar, dass die Freunde als Nichtisraeliten die Opfer darbringen. Denn im Pentateuch gibt es ja mitunter auch Brandopfer von Nichtisraeliten (Gen 8,20; Ex 18,12). Eine Darbringung von Opfern ohne Kultpersonal etc. ist dem Erzelternmilieu geschuldet. Der Bedeutung von   geht Iwanski, Dynamics, 163ff, ausführlich nach. Doch ist zu beachten, dass das Nomen sonst nirgends in Bezug auf Gottes Handeln gebraucht wird. Vgl. Marböck, , ThWAT V, 184. 314 Gegen Ha, Frage und Antwort, 42: „Hiob soll ein Brandopfer darbringen“. 315 Vgl. aber die am Schluss der Analysen dargestellte Lösung des Problems unten, 419ff. 313

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Die Opfer haben dabei eine symbolische Zahl: zwei Mal sieben. Man vergleiche hier die Opfer Bileams in Num 23,1.14.29.316 In Ez 45,23 wird für das Passa dieselbe Zahl an Opfern vorgeschrieben. Die beiden Stellen werfen indirekt ein Licht auf die Szenerie von Hi 42,7ff. Denn es ist von ihnen her damit zu rechnen, dass die Symbolzahl aus ähnlichen Gründen gewählt ist. Das Verbindende ist die besondere Bedeutung der Opfer. Während es sich in Ez 45,22 um Opfer beim Fest handelt, sucht Bileam (Num 23) einen Erfolg seiner Verwünschung mit den Opfern herbeizuführen. Die Opfer dürften also die besondere Dringlichkeit der Situation der Freunde unterstreichen.

Die Opfer werden in Hiobs Anwesenheit vollzogen. Es ist wahrscheinlich, dass die Opfer aufgrund seiner besonderen Gottesbeziehung, die Jhwh durch den zweimaligen Gebrauch des Prädikats   „mein Knecht“ gegenüber Eliphas dokumentiert, bei ihm dargebracht werden müssen. Demgegenüber ist dann freilich wieder die nachfolgende Aussage,       (V. 8aº), bei der es sich nun nicht mehr um eine Aufforderung handelt, überraschend. Auf der einen Seite sollen die Freunde ein gewaltiges Opfer für sich selbst darbringen und auf der anderen Seite wird Hiob über sie beten.317  bezieht sich dabei auf den Inhalt des Gebetes. Die Freunde sollen in Hiobs Gebet thematisiert werden; dieses wird daher zu Recht als Fürbitte bezeichnet,318 wobei natürlich paradox ist, dass Jhwh den Freunden selbst das Mittel benennt, das zu ihrer Errettung vor seinem Zorn erforderlich ist.319 Da Hiob nicht als Zeuge der Jhwh-Rede an Eliphas vorgestellt ist, muss man den Zusammenhang so fassen, dass Hiob nach der Darbringung der Opfer von selbst aktiv werden soll.320 Das Nacheinander von Opfer und Fürbitte hält an der traditionellen Vorstellung vom Kult als Ort des Gebetes fest. Allerdings vollzieht sich in dem nachfolgenden Begründungssatz 316

Vgl. Fohrer, Hiob, 539.  (Hit.) ist nur eines von mehreren Synonymen, die das Gebet und darunter auch die Fürbitte bezeichnen können ( ,  ,  ). Dabei erscheint die Fürbitte als eine Ausprägung einer gottesdienstlichen Gebetspraxis. Sie ist nicht die Urform des Gebetes. Vgl. zur Abweisung eines älteren Ansatzes der Deutung der Wurzel Gerstenberger, , ThWAT VI, 612f, der auf den späten Charakter der Stilisierung der Fürbittergestalten hinweist. 318 Vgl. z.B. Strauß, Hiob, 398. 319 Dies ist m.E. ein Zeichen für die Konstruiertheit der Szenerie, hinter der eine bestimmte theologische Konzeption steht. 320 Nach Iwanski, Dynamics, 298, steht im Hintergrund von  (Hit.) ein juridisches Verständnis im Sinne, dass „one who decides to intercede for an accused person in a way identifies with that person“. Dabei rezipiert Iwanski, Dynamics, 293ff, die Untersuchung von Berlin, Meaning, die sich auf die Nicht-Hitpael-Formen beschränkt. Über ihre juridische Erklärung der Form  in 1 Sam 2,25 als Ausnahme, die sie mit  im gleichen Vers verbindet, übernimmt Iwanski die juridische Deutung gleich allgemein für die Hitpael-Formen. Dabei übersieht er die textlichen Probleme in 1 Sam 2,25. In die Diskussion ist 4Q51 und die Rekonstruktion der LXX-V einzubeziehen. Vgl. dazu unten, 394f. 317

8. Hi 42,7–17

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(   ) eine signifikante Gewichtsverlagerung. Der Satz muss sich wegen des Suff. 3. Sg. mask. auf die Handlung Hiobs beziehen. Die ganze Effizienz bei der Vermittlung der Besänftigung Jhwhs liegt also auf Hiobs Fürbitte. Ob und wie der Zusammenhang von Opfer und Fürbitte intendiert ist, bleibt ungeklärt. Dass die Opfer im Prinzip keine Funktion haben, könnte zunächst der Betonung der Effizienz von Hiobs Fürbitte dienen. Auffällig ist, dass die Opfer der Freunde allein ebensowenig wie die Opfer Hiobs in 1,4f erfolgreich wären. Mit   wird auf eine im Hiobbuch mehrfach vorkommende Formulierung zurückgegriffen, die dort mit dem Gerichtswesen in einer Verbindung steht und zum Teil polemisch gebraucht ist. Üblicherweise sieht man in   in Hi 42,8f einen Ausdruck dafür, dass „Gott Rücksicht auf Ijob“321 nimmt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Kontext nicht ähnlich wie in Hi 13,8.10; 22,8; 32,21; 34,19 auf den juridischen Bereich verweist.322 Die Formulierung   hat bei transitiver Verwendung die Bedeutung „jemandem günstig gesinnt sein, willfahren“323. Es geht bei dem Ausdruck also allgemein darum, dass jemand sich für einen anderen einsetzt bzw. in seinem Sinne aktiv wird. Von diesem Gebrauch ausgehend erklärt sich die Verwendung in Rechtszusammenhängen, wo sie meist polemisch für unerlaubtes Parteiergreifen stehen kann.324 Interessanterweise gibt es in Gen 19,19–21 einen anderen Fürbittzusammenhang, in dem die Formel vorkommt und wo es stärker noch als in Hi 42,8f um die Abwendung eines Urteils geht. In Gen 19,19f schlägt der sich auf der Flucht aus Sodom befindliche Lot den ihn begleitenden Engeln vor, in eine kleine Stadt zu fliehen, damit diese errettet wird. In 19,21 heißt es daraufhin:             – „Siehe, ich habe dein Angesicht erhoben (d.h. ‚in deinem Sinne entschieden‘) auch in dieser Angelegenheit, die Stadt nicht zu zerstören.“325 Der größere Kontext zeigt klar, dass die Formulierung hier im juridischen Sinne gebraucht ist. Es geht um ein Unheil aufgrund einer Sünde ( , Gen 19,13–15). Daher drückt die Formel in Gen 19,21 aus, dass aufgrund von Lots Fürbitte der vorher getroffene Vernichtungsbeschluss revidiert wird, und die Stadt Zoar so gerettet wird. Die Parallelität der Formulierung in Hi 42,8f (        ) und das Faktum, dass auch ein durch Hiob abzuwendendes Strafhandeln impliziert ist, spricht dafür, dass der juridische Sinn auch hier vorausgesetzt ist. Deswegen ist als möglicher Hintergrund angesichts der Bezüge auf das Dtn der auf Gott bezogene Gebrauch der Formel in juridischem Sinne zu erwägen, wie er u.a. in Dtn 10,17b begegnet. Dort wird mit der Formulierung Freedman/Willoughby/Fabry, , ThWAT V, 640; vgl. Pope, Job, 350; Ebach, Hiob II, 165. 322 Anders in Hi 11,15; 22,26; dort als Zeichen der Gnade. Vgl. dazu Freedman/Willoughby/Fabry, , ThWAT V, 640. 323 Stolz, , THAT II, 112. 324 Vgl. Stolz, , THAT II, 112f; Freedman/Willoughby/Fabry, , ThWAT V, 641. 325 Im Sinne des implizit (in der Aussage      ) enthaltenen Wunsches nach Errettung der Stadt wird von Gott entschieden. Vgl. Westermann, Genesis II, 372. 321

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Gottes Unparteilichkeit ausgedrückt, was noch mit der Bekräftigung, dass Gott auch kein Bestechungsgeld nehme, unterstrichen wird. Anders allerdings als in Dtn 10,17, aber ähnlich wie in Gen 19,21 intendiert Hi 42,8f damit wohl, dass Gott ‚die Person Hiobs ansieht‘ und so mit Blick auf ihn handelt. Die juridische Terminologie dient also dazu, das Handeln Gottes unabhängig von juridischen Vorstellungen zu beschreiben.

Es dürfte also in Hi 42,8f um die Vermittlung einer Zornesbesänftigung Jhwhs, um die Verhinderung von Unheil durch Hiob gehen, die bis zum Parteiergreifen unter Außerachtlassung rechtlicher Aspekte reicht. Dies zeigt, dass die Auslegung von Hi 42,7ff von juridischen Kategorien her gerade nicht im Blick ist. Die Fürbitte ist kein gerichtlich zu verstehender Akt, derart dass ein sündloser Hiob nun für die sündigen Freunde eintritt. 326 Denn es geht in der vorliegenden Stelle darum, dass Jhwh im Sinne Hiobs entscheidet. Jhwhs Zorn darüber, dass die Freunde nicht   auf ihn hin gesprochen haben, vermag Hiob entgegenzuwirken und zu besänftigen. Hiob tritt nicht nur für die Freunde bei Gott ein, sondern er vermag ihn auch positiv zu beeinflussen. Wenn man nun Hi 42,8f z.B. mit Dtn 10,17 vergleicht,327 wo die Formulierung des Nichtansehens der Person auf Jhwh bezogen ist, wird die theologische Besonderheit der Konzeption von Hi 42,8f deutlich. Hiob erscheint in seiner Fürbitte als Vermittler von Gottes Barmherzigkeit für die Freunde – und dies gegen eine von Seiten des Rechts her geforderte Unparteilichkeit. Eine Veränderung in der Haltung der Freunde wird nicht thematisiert. Möglich wäre sogar, dass die Freunde dauerhaft von Hiobs Fürbitte abhängig bleiben. Die Effizienz von Hiobs Fürbitte muss im Zusammenhang mit den Aussagen Jhwhs über Hiob in den Himmelsszenen beurteilt werden, wo Hiob ja von Jhwh auch schon als „mein Knecht“ charakterisiert wurde. Hier im Epilog wird nun deutlich, worauf die Bezeichnung „mein Knecht“ schon vorher abzielte. Hiob steht in einer besonderen Beziehung zu Gott und ist daher auch in besonderer Weise fähig, sich im Gebet für andere einzusetzen. Deshalb ist er in der Lage, Gott positiv zu beeinflussen.328 Mit dem Thema „Fürbitte“ im Zusammenhang der Bezeichnung Hiobs als „mein Knecht“ kommt eine Reihe von Vergleichstexten in den Blick, in denen besondere Einzelpersonen bei Gott eine Abkehr von beschlossenem Unheil bewirken. 326

Gegen Iwanski, Dynamics, 295. Der juristische Grundsatz wird hier ausdrücklich in Bezug auf Jhwh ausgesagt (Dtn 10,17b¹:

      ). 328 Eine Einschätzung wie jene von Habel, Verdict, 37: „There is no hint of God’s compassion or mercy. The verdict of God at the end of Job is, in turn, a verdict on God – a God of power, wisdom and elusive justice, but without compassion“ trifft also für die Rahmenerzählung gerade nicht zu. 327

8. Hi 42,7–17

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Meist handelt es sich bei den Fürbittern um prophetische Gestalten.329 Besonders exponiert ist Abraham, der in Gen 18,17ff für Sodom und Gomorra, in Gen 20 (wo er in V. 7 als Prophet bezeichnet wird) für Abimelech eintritt. Besonders hervorgehoben wird auch Mose in seiner Fürbitte für das Volk (Ex 5,22ff; Ex 32,11ff; Num 11,1–3 u.ö.) und für Mirjam (Num 12,11ff). Des Weiteren ist Samuel exemplarischer Fürbitter (1 Sam 7,5 u.ö.). In besonderer Weise wird auch Jeremia, dem wiederholt von Jhwh verboten wird, für das Volk zu bitten, als Fürbitter gezeichnet, was womöglich mit dessen Mosestilisierung zu tun hat (vgl. Jer 7,16; 11,14; 14,11). In späten Texten begegnet Daniel (Dan 9,3ff) als Fürbitter, wobei das Tempelweihgebet (bes. 1 Kön 8,47) rezipiert wird. In den genannten Texten ist es immer die herausragende Gottesbeziehung einer einzelnen Person, die die Möglichkeit eröffnet, dass für andere erfolgreich Fürbitte geleistet wird.330 Dies gilt für Abraham, Mose, Samuel, Jeremia und Daniel. Weiterhin ist auf einen Text zu verweisen, der die Frage nach der Fürbitte mit einer Unterscheidung von Schuld gegen Menschen und gegen Gott verbindet. Es handelt sich um 1 Sam 2,25a. Dort hält Eli seinen Söhnen deren kultisches Vergehen als Sünde gegen Gott vor. Die rhetorische Frage zielt darauf, dass es keinen Fürbitter in Bezug auf ein Freveln gegen Jhwh gibt:331                (  )  „Wenn ein Mann gegen einen Mann sündigt, (dann) werden sie für ihn zu Jhwh beten. Aber wenn er gegen Jhwh sündigt, wer wird für ihn beten?“ (ëÛÅÖĸÉÌÚÅÑÅÖÄÚÉÌþÒÅüɼĊËÓŻɸբÁ¸ĖÈÉÇʼįÆÇÅ̸ÀĨÈòɸĤÌÇıÈÉġËÁįÉÀÇÅжÁ¸ĖëÛÅ ÌŊÁÍÉĕĿÖÄÚÉÌþ֙ÓÅ¿ÉÑÈÇË֚բÌĕËÈÉÇʼįƼ̸ÀĨÈòɸĤÌÇıм) In dem Abschnitt wird mit einer rhetorischen Frage die Möglichkeit einer Fürbitte bei kultischen Vergehen, die hier als Sündigen ( ) gegen Jhwh bezeichnet werden, grundsätzlich ausgeschlossen,332 während beim Sündigen zwischen Menschen eine Fürbitte als möglich und angebracht gilt. Der Text macht also deutlich, für wie begrenzt man zumindest in diesem dtr Zusammenhang die Möglichkeiten zur Fürbitte ansah.333 329

Zu den genannten und weiteren Stellen, ihren literarischen Problemen und ihrer Interpretation vgl. Gerstenberger, , ThWAT VI, 612f; Reventlow, Gebet, 229–264; Iwanski, Dynamics, 300–348. 330 So auch Iwanski, Dynamics, 345. 331 Da dem „schwierigen“, aber offenbar fehlerhaften masoretischen Text ein klarerer Text in der LXX gegenübersteht, kann man diese zur Rekonstruktion des MT heranziehen. Ob die Grundlage des masoretischen Textes so wie die LXX auch die Figura etymologica enthalten hat, lässt sich letztlich nicht sicher sagen. Da MT insgesamt eine fehlerhafte Kurzfassung zu sein scheint, wird auch der Inf. Abs. aus LXX-V übernommen, aber eingeklammert angeführt, da man hier nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den ursprünglichen Text gelangen kann. Zu den Einzelheiten der Rekonstruktion siehe unten, 394ff. 332 Houtman, Zu I Samuel 2,25, 417, denkt an Fürbitter wie Abraham und Mose, die aber im Kontext von 1 Sam 2,25 nicht greifbar seien. Er sieht die Aussage als eng auf den Kontext bezogen an und vermutet, dass es keinen Fürbitter gibt, weil „in jener Zeit [...] Samuel noch nicht erwachsen [war]“ (ebd., 415). 333 Zur Bedeutung dieses Textes für die Auslegung des Hiobrahmens siehe unten, 392ff.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Nach der Thematisierung der Rolle Hiobs in 42,7f ist auf die übergreifenden inhaltlichen Aspekte einzugehen. Denn es tut sich damit ein Zusammenhang mit dem stellvertretenden Opfer Hiobs für seine Kinder in Hi 1,4f auf. Dort wird Hiob für den Erhalt der Gottesbeziehung seiner Kinder aktiv. Die beiden Stellen verbindet, dass er auf mögliche negative Konsequenzen des Fehlverhaltens anderer der Gottheit gegenüber einwirkt. Die Parallelität mit Hi 42,7f hat ihre Grenze darin, dass Hiob in 1,4f nicht Fürbitte leistet, sondern die Kinder vor dem (und für das? 334) Opfer heiligt, wobei offen bleiben muss, um welchen konkreten Vorgang es sich dabei handelt. Demgegenüber bringt Hiob in 42,7f kein Opfer dar, sondern leistet Fürbitte für die Freunde. Dass er die Opfer nicht selbst vollzieht, spricht eher dafür, dass der Verfasser mehr Gewicht auf die Fürbitte legen will, und nicht, dass er sich scheut, den aussätzigen Hiob als Opferherr zu zeichnen. Da die Opfer aber dennoch bei Hiob dargebracht werden, hängt der Unterschied eher mit der Gesamtintention der Rahmenerzählung und der Bedeutung der Konstellation Hiobs und der Freunde im Epilog zusammen.335 Hinter dem wesentlichen Unterschied zwischen 1,4f und 42,7ff könnte ein übergreifendes Konzept stehen: Während Hiobs stellvertretendes Handeln für seine Söhne keinen Erfolg hat, ist Hiobs Fürbitte erfolgreich. Somit stehen sich im Gesamtkonzept der Rahmenerzählung die besonders betonte, erfolgreiche Fürbitte Hiobs und eine skeptische Beurteilung der Sühnewirkung von Opfern einander gegenüber.336 Weitere Unterschiede fallen auf: Während im Prolog auf ein Vergehen der Kinder nur angespielt ist, wird in Hi 42,7f der Zorn Jhwhs über die Freunde in einer Jhwh-Rede mitgeteilt. Dass die Opfer ineffizient waren, wird in 1,4f vage deutlich. Der Erfolg von Hiobs Fürbitte wird in Hi 42,9b explizit resümiert. Zudem wurde der Erfolg schon in der Jhwh-Rede angekündigt:           . Der Unterschied zwischen Prolog und Epilog in Bezug auf Hiobs Effizienz im Eintreten für andere kann nur mit der besonderen Beurteilung Hiobs durch Jhwh in Hi 42,7 zu tun haben. Danach hat Hiob seine Frömmigkeit in den Dialogen dadurch unter Beweis gestellt, dass er trotz seines Leidens in der Gottesbeziehung bleibt. Daher hängt die erfolgreiche Intervention Hiobs von der Bewertung Hiobs im Prolog und der Bewertung seiner Haltung gegenüber Gott in den Dialogen ab. Der Zusammenhang zwischen den Bewertungen Hiobs auf der Erzählebene in Hi 1,22; Hi 2,10b und Hi 42,7b zeigt dabei vom hinteren Rahmenteil her, dass die Dialoge wie vorher die Reaktion auf das Leid als Bewältigungen der Prüfungen des 334

Siehe oben, 232f. Vgl. oben, 295. 336 Vgl. dazu unten, 419f. 335

8. Hi 42,7–17

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Satans gesehen werden sollen. Damit ist es der Hiob, der im Leid an der Gottesbeziehung festgehalten hat, der zu einer erfolgreichen Fürbitte bei Jhwh fähig ist. Mit 42,9a wird ohne die Thematisierung der Vermittlung des Befehls aus der Jhwh-Rede an Eliphas der Gehorsam der Freunde berichtet. In ähnlich geraffter Weise wird in 42,9b (       ) berichtet, dass Jhwh das Angesicht Hiobs gehoben habe. Diese kurze Notiz zeigt, dass Hiob, wie in 42,8 von Jhwh in Aussicht gestellt wurde, für die Freunde Fürbitte geleistet hat.337 Es wird resümiert, dass Jhwh im Sinne Hiobs entschieden hat, dass er also von seinem Zorn gegen die Freunde abgerückt ist. Hiob hat für sie das Einlenken Jhwhs bewirkt. Mit dem nachfolgenden Satz (Hi 42,10a) wird wie zuvor eine Handlung Jhwhs berichtet. Nun aber betrifft Jhwhs Handeln Hiob selbst (     ). Abhängig vom Verständnis des Nomens  ist die Frage, wie man das Verb, das hier (zumindest dem Anschein nach) ein Objekt regiert, zu verstehen hat. Für die paronomastische Wendung    wird üblicherweise die Bedeutung „das Geschick wenden“338 angenommen. Für die Interpretation der vorliegenden Stelle ist es relevant, dass in der nachexilischen Literatur und hier insbesondere in dtr Texten mit der Formel ein Bezug auf das Exil hergestellt wird.339 Dies betonen in besonderer Weise Z. Ben-Yashar/M.A. Zipor. Sie interpretieren die Stellen allerdings durchweg als eine Rückkehr Jhwhs340 und legen dies auch für Hi 42,10 nahe: „Anfangs hatte JHWH Ijob dem Satan ausgeliefert (2,6), jetzt wird dies rückgängig gemacht: JHWH kehrt zu Ijob zurück.“341 Während sich an den meisten Stellen, an denen die Formulierung vorkommt, der Kontext gerade nicht auf eine Rückkehr Jhwhs, sondern vielmehr eine Rückkehr Israels aus dem Exil bezieht, wird im Hiobbuch im nachfolgenden Satz mitgeteilt, dass Hiob den Segen zurückerhält, der ihm genommen worden ist.342 Es geht also, wie I. Willi-Plein festgestellt hat, um „ein von Gott vorgenommenes ‚Zurückkommen‘, das alle an menschlichen Wahrscheinlichkeiten orientierten Erwägungen 337

11QTgJob interpretiert die Stelle im Sinne einer durch Hiob vermittelten Sündenvergebung              [ ]  „Und G[o]tt hörte auf die Stimme Hiobs und vergab ihnen ihre Sünden um seinetwillen.“ (Text und Übersetzung: Janowski, Sündenvergebung, 255; vgl. auch Martínez/Tigchelaar, Dead Sea Scrolls II, 1201). Dass dort die Fürbitte nicht mehr explizit erwähnt sei (so Iwanski, Dynamics, 279), wird man gerade nicht sagen können, denn    verweist explizit auf sie. 338 So Soggin,  , 885. Zu den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten vgl. HAL, 1289f. 339 Vgl. Kiefer, Exil, 160. 340 Vgl. Ben-Yashar/Zipor, / , 959ff. 341 Ben-Yashar/Zipor, / , 961. 342 „Jhwh kommt auf Ijobs Angelegenheiten zurück, aber nicht, indem er es sich anders überlegte, nunmehr anderen Sinnes würde, sondern indem er sozusagen alles bisher Eingetretene zurückdreht [...]“ (Willi-Plein, Wiedererwägung, 201).

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

sprengt und neues setzt“343 im Sinne einer „Wendung zum Heil“344 und nicht um eine Rückkehr Jhwhs. Abgesehen von der strittigen Ursprungsbedeutung der Formel ist der Sachverhalt entscheidend, dass „die meisten „šûb šebût-Stellen mit qal [...] sich auf die Exil-Situationen Israels [beziehen]“ und dabei mit der einzigen Ausnahme von Hi 42,10 auf „nationale Katastrophen“345, also auf die Wendung von kollektivem Unheil rekurrieren.346 Für Hi 42,10 ist die Kenntnis dieses Gebrauchs anzunehmen, da der Rahmen des Hiobbuches das Dtn und die dtr Theologie kritisch reflektiert. Hier tut sich u.U. eine Beziehung zu Dtn 30,3 ( ...             ) auf. Die Formel wird hier syntaktisch ganz ähnlich verwendet. Die Stelle zeigt auch die Richtigkeit der Interpretation von I. Willi-Plein, da das zweite  die Handlung einführt, die zur Wiedereinsetzung in den einstmaligen Zustand führt („und Jhwh wird dir gnädig dein Geschick wenden und sich deiner erbarmen; er wird sich umwenden, indem er dich aus allen Völkern sammelt“).

Wenn sich die Formulierung – selbst wenn dies etymologisch nicht greifbar ist – in der nachexilischen Zeit, in die der Rahmen des Hiobbuches aufgrund der bereits festgestellten kritischen Bezugnahmen zum Deuteronomium und zur dtr Theologie in jedem Falle gehört, mit Bezug auf das Exil solcher Verbreitung erfreute, dann kann die Verwendung an dieser Schlüsselstelle des Hiobbuches nicht zufällig sein. Hinzu kommt, dass am Anfang des Hiobbuches und an seinem Ende (Hi 1,10; 42,15) Verweise auf den Landbesitz zu verzeichnen sind, die sich mit dem Gebrauch der Formel    verbinden lassen.347 Wenn man weiterhin bedenkt, dass Hi 42,10 die einzige Stelle in der Hebräischen Bibel ist, an der die Formulierung individuell gebraucht wird, dann ist am ehesten daran zu denken, dass das Geschick Hiobs von dem üblichen nachexilischen Gebrauch der Formel her interpretiert werden soll. Die Betonung, die die Hiobgestalt dadurch erfährt, ist bemerkenswert, und die Formel besitzt daher auch für das Verständnis der Handlung insgesamt einen Signalcharakter.348 Die Wendung von Hiobs Geschick steht nicht nur im direkten Kontext mit der Erwähnung seiner erfolgreichen Intervention durch die Fürbitte, sie 343

Willi-Plein, Wiedererwägung, 208. Ebd., 207. 345 Ben-Yashar/Zipor, / , 961. Schon Dietrich,    , 36f, sieht zwar in den biblischen Belegen, die die Formel auf das Exilsende hin ausdeuten, ein Missverständnis. Für die Interpretation der einzigen Stelle (Hi 42,10), an der die Formel (scheinbar) nicht diesem Sinne verwendet wird, ist dies aber nicht relevant, sondern nur wie die Formel im zeitlichen Umfeld des Hiobbuches verstanden wurde. 346 Zum Verständnis der Formel vgl. weiter Soggin,  , 884–891, sowie die Kommentare und die dort angegebene Literatur. 347 Vgl. Brueggemann, Theodicy, 14. 348 An dieser Stelle wird deutlich, dass die Thematisierung der Theodizeefrage im Zusammenhang von Landverlust und Wiederherstellung in nachexilischer Zeit steht. So Brueggemann, Theodicy, 14. 344

8. Hi 42,7–17

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wird darüber hinaus ein zweites Mal durch     (V. 10aº) direkt mit seiner Fürbitte verbunden.  wird häufig temporal verstanden. G. Fohrer übersetzt „als er für seine Freunde Fürbitte getan hatte“349. Sollte die Form rein temporal gemeint sein, fragt man sich, warum sie dort überhaupt steht; denn Hi 42,10a folgt unmittelbar auf die Feststellung, dass Hiobs Fürbitte erfolgreich war. Der temporale Aspekt ist also schon am direkten Kontext der Aussagen erkennbar. Daher liegt es näher, dass die Formulierung einen Zusammenhang andeuten soll,350 der über den zeitlichen Aspekt hinausgeht. Wenn man entsprechend der Struktur der Erzählung die Gegenprobe macht, wird das deutlicher: Wäre Hiobs Geschick entsprechend der Struktur der Erzählung gewendet worden, wenn er nicht für die Freunde Fürbitte geleistet hätte? Nach der Betonung der Fürbitte in Hi 42,7–9 muss dies verneint werden. Daher geht es vielleicht zu weit, die Formulierung instrumental wiederzugeben. Ein kausaler Zusammenhang liegt aber in jedem Fall vor.351 Da vorher schon die positive Reaktion Jhwhs auf Hiobs Fürbitte erwähnt ist, setzt V. 10 noch einmal an und beschreibt die Folge, die Hiobs Bitte nun auch unmittelbar für ihn selbst hat. Die Abkehr Jhwhs von seinem Zorn gegenüber den Freunden und die Wendung von Hiobs Geschick durch Jhwh hängen zusammen. Beides aber ist abhängig davon, dass sich durch das erfahrene Leid, bzw. aufgrund seines Festhaltens an der Gottesbeziehung im Leiden etwas für Hiob ereignet hat. So ergibt sich aus Hi 42,10a, dass Hiob nicht nur in der Lage ist, für andere effektiv einzutreten, sondern dass er dann selbst aufgrund seines Eintretens in seine ursprüngliche Situation und damit in den vormaligen gesegneten Zustand zurückversetzt wird. Die formelhafte Mitteilung, dass Jhwh Hiobs Geschick gewendet hat (10a), mündet in die Darstellung (10b), wie die Wiederherstellung seines Zustandes sich vollzieht: „Gott fügte all das ihm Gehörende zum Doppelten hinzu.“ Damit wird die Metapher expliziert. Es zeigt sich – wie bereits festgestellt –, dass es in 10a nicht um eine Rückkehr Jhwhs zu Hiob geht, sondern um seine Wiederherstellung. Dass Hiob das Doppelte von Jhwh erhält ( ), signalisiert, dass sich für Hiob eine vollständige Restitution 352 er349

Fohrer, Hiob, 540. Gegen Strauß, Hiob, 399, und Iwanski, Dynamics, 285f. 351 Gegen Iwanski, Dynamics, 286, der von der überwiegend vorkommenden Bedeutung der Präposition  auf eine rein temporale Bedeutung der Formulierung schließt und den Kontext dabei außer Acht lässt. Temporal versteht auch Jenni, Beth, 323f, die Formulierung. 352 Doppelheiten drücken in der Hebräischen Bibel oft Ganzheiten aus. Vgl. Gese, Dekalog, 79. Gese verweist auf den Parallelismus Membrorum und andere Doppelstrukturen sowie auf Jes 40,2. Fohrer, Hiob, 543, spricht dagegen von einer „überreichlich“ erfolgten Wiederherstellung. 350

304

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

eignet. Die Formulierung zeigt außerdem, dass es sich nicht um eine Kompensation handelt, denn die Lösung ist nicht juridischer Natur, auch wenn im Text juridische Termini vorkommen.353 Gott soll im Epilog also wohl auch nicht indirekt ins Unrecht gesetzt werden. Mit dem nachfolgenden Vers (Hi 42,11) wechselt die Szenerie. Die Freunde Hiobs erscheinen nicht weiter. Dennoch wird inhaltlich eine Brücke zurück zum Ende des Prologs und dem ersten Auftreten der Freunde geschlagen:                              

        

11a¸ 11a¹ 11aº 11a» 11a¼ 11b

Wie in Hi 2,11 kommen nun wieder Personen zu Hiob. Das dort gebrauchte Wort A" * fällt in Hi 42,11 nicht mehr. Stattdessen ist von Brüdern und Schwestern die Rede, sowie von allen, die ihn vorher kannten (     ). Mit diesem Ausdruck wird das synonyme A" * vermieden. Dieser Unterschied ist oft moniert und als Anhaltspunkt für die Rekonstruktion unterschiedlicher literarischer Schichten im Hiobbuch ausgewertet worden. In der Tat ist der Unterschied erklärungsbedürftig. Zunächst kann nach 42,11a¸ nur gesagt werden, dass Hiob wie zuletzt in 2,11 Besuch bekommt. Hi 42,11a¹ stellt dann allerdings klar, dass sich inzwischen Hiobs Aufenthaltsort verändert hat, denn man isst mit ihm Brot in seinem Hause und vollzieht damit offenbar Gemeinschaftsriten. Damit ist der enge zeitliche Zusammenhang, der ja durch den ständigen Wechsel direkter Reden in der Dichtung vorausgesetzt war, verlassen. Das Verschwinden der Freunde muss angesichts der vorausgesetzten Zeitraffung nicht weiter erklärt werden. Der Wechsel des Aufenthaltsortes und das gemeinsame Essen beziehen sich allerdings direkt auf die in 42,10 voranstehende Mitteilung, dass Jhwh Hiobs Geschick gewendet hat, zurück. Dies erklärt den Ortswechsel wie die vorausgesetzte Zeitraffung. Wenn Hiob sich wieder in seinem Hause befindet, muss er in seiner körperlichen Integrität wiederhergestellt sein. Die nachfolgenden beiden Sätze machen nun den Bezug nach 2,11 explizit, was sich folgendermaßen graphisch verdeutlichen lässt:

353

Gegen Strauß, Hiob, 399.

305

8. Hi 42,7–17 Hi 2,11                   

       

      

Hi 42,11a                                  

   

Die lexematischen Beziehungen zeigen, dass ein Zusammenhang der beiden Abschnitte intendiert ist. An den Unterschieden ist erkennbar, dass die Intention von Hi 42,11 derjenigen von 2,11–13 entgegengesetzt ist: In 2,11–13 kontrastieren die Handlungen der Freunde deren Vorhaben. In Hi 42,11 wird dann von den Verwandten und Bekannten berichtet, dass sie das tun (...        ), was die Freunde Hiobs in 2,11b lediglich zu tun vorhatten (     

  ). Auch wenn das in 42,11 nicht explizit gesagt wird, so dürfte doch an die verbale Vermittlung von Trost gedacht sein. Die symbolischen Geschenke unterstreichen dies ebenso wie das gemeinsame Essen. Damit stehen in Hi 42,11 an der Stelle, an der in Hi 2,11–13 in Hiobs Anwesenheit Trauerrituale vollzogen werden, Gemeinschaftsrituale und verbaler Trost, wobei es sich signifikanterweise um das handelt, was Hiob u.a. in der Dichtung gegenüber den Freunden sowie gegenüber Gott immer eingefordert hatte.354 Das gemeinsame Essen zeigt, dass die Gäste Hiob nahe sind, was ebenfalls einen Kontrast zu dem räumlichen Abstand der Freunde bei deren Trauerriten darstellt (Hi 2,12a).355 Die Formulierung     meint zwar letztlich das gleiche wie der Plural von A" * , doch von „Freunden“ kann hier wohl deswegen nicht mehr gesprochen werden, weil ja die mit       bezeichnete Gruppe schon im Prolog und dann abschließend in 42,7f diskreditiert ist.356 Letztlich erhält Hiob mit dem Trost an dieser Stelle das, was ihm nach allen Verlusten im Prolog noch vorenthalten geblieben ist. 354

Im Übrigen ist explizit eine andere Personengruppe gemeint, so dass das Gegenüber der beiden Abschnitte (Hi 2,11–13; 42,11) nicht als literarkritisches Argument dienen kann. Vgl. unten, 331ff. 355 Siehe oben, 276f. 356 Vgl. dazu die Diskussion der literarischen Bezüge zwischen Rahmenerzählung und Dichtung unten, 350ff.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Die Erwähnung des gemeinsamen Essens in Hiobs Haus (Hi 42,11) bildet also einen Zusammenhang mit dem Ende des Prologs und schließt zugleich logisch an die summarische Aussage über die Wiederherstellung Hiobs an.357 Im Übrigen ist der Verlust, den Hiob erlitten hat, noch nicht überwunden. Es ist selbstverständlich, dass nach 42,10 auch von einem antiken Leser angesichts der Tatsache, dass Hiob alle seine Kinder verloren hat, Trost weiterhin als notwendig erachtet worden ist. Das gemeinsame Essen in Hiobs Haus – um diesen Punkt noch einmal zu betonen – dokumentiert aber zumindest, dass Hiob nicht mehr unter dem Aussatz leidet. Ein Unterschied fällt ins Auge, der überraschend ist. Gegenüber dem unpersönlichen      (Hi 2,11a¹) wird das Unheil in Hi 42,11 nun mit der Formulierung         direkt auf Jhwh zurückgeführt. Dies stellt nur dann ein Problem dar, wenn man in der unpersönlichen Formulierung in 2,11 einen direkten Hinweis auf ein vom Satan ausgehendes Unheil sieht. Doch ist ein solches Verständnis ausgeschlossen, da in den Himmelsszenen, deren Inhalte den Figuren der irdischen Rahmenhandlung ja verborgen sind, Jhwh trotz des Auftretens des Satans als für das Unheil verantwortlich gesehen wird:         – „und noch hält er fest an seiner Frömmigkeit und du hast mich aufgehetzt, ihn umsonst zu verderben“ (Hi 2,3b). So setzt die Rahmenerzählung also einerseits Gott als Urheber des Unheils voraus, sieht ihn aber andererseits zugleich auch gegenüber dem Satan, der letztlich das Unheil verwirklicht, als Bürgen für Hiobs Leben. So gesehen steht hinter der Formulierung 2,11 wie hinter jener in 42,11 Jhwh als Ursache des Bösen. Dass dies in Hi 2,11 anders formuliert wurde, mag damit zusammenhängen, dass man dem Leser im direkten Kontext der Himmelsszenen Irritationen ersparen wollte.358 Die unpersönliche Formulierung in 2,11a stellt demgegenüber kein Kohärenzproblem dar. Man hat diese allenfalls als einen stilistischen Tribut an den Kontext der Himmelsszenen zu werten. Nach den Gottesreden, auf die sich 42,7–10 zurückbezieht, und angesichts der nun einsetzenden Wiederherstellung Hiobs, die mit Hiobs Handlung für die Freunde in einem direkten Zusammenhang steht, kann in Hi 42,12 das Böse auch wieder explizit mit Jhwh in einen Zusammenhang gebracht werden. Die Formulierung dieses Zusammenhangs auf der Erzählebene im Rahmen des Evaluationsteils und die Mitteilung des Trostes durch die Besucher signalisieren, dass hierin eine wesentliche Intention der Rahmenerzählung liegt. Gott ist verantwortlich für das Leiden, aber er sorgt nun für einen Neuanfang, und an erster Stelle wird entsprechend erwähnt, 357

Dass das gemeinsame Essen in Hiobs Haus deplatziert sei (so Fohrer, Hiob, 543.), wird man daher gerade nicht sagen können. 358 Vgl. oben, 275.

8. Hi 42,7–17

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dass Hiob von Verwandten und Bekannten getröstet wird. Auf die alternative Position der Freunde in der Dialogdichtung wird nicht explizit rekurriert. Die Erklärung des Bösen als von Jhwh herrührend und der offenbar immer noch nötige Trost werden aber an die vorangehende Funktionsbestimmung des Leidens in Hi 42,7–10 kohärent angeschlossen. Ein Problem stellt das Verständnis von       

  (Hi 42,11b) dar. Die Darbringung von Geschenken dürfte jedenfalls nicht nur „zur Linderung der ersten Not“359 dienen, sondern hier eher symbolischen Charakter haben. Die Form der Geschenke – Ring und Qesita – führt in das Milieu der Genesis.360 A.M. van Dijk hat vorgeschlagen, dass es sich um Zeichen der Unterwerfung handelt.361 Diese Bedeutung kommt jedoch nicht in Frage, da die Überbringer keine Personen sind, die im vorangehenden Text thematisiert werden, so dass eine Unterwerfungsgeste sich nicht in die Handlung einfügen würde. Eher handelt es sich um die Bezeugung von Gunst (vgl. z.B. Ex 11,3a). Ebenso wichtig ist, dass die Gabe als symbolischer Ausgangspunkt für den weiteren Segen gedacht ist.362 Es ergibt sich eine textinterne Beziehung zur Dichtung, die für die Gestaltung des Gegenübers von Hi 2,11–13 und 42,11 ebenfalls bedeutsam gewesen sein könnte: In Hi 6,22, in der Erwiderung Hiobs auf die Rede Eliphas’ (Hi 4f), findet sich die rhetorische Frage, ob Hiob sein Gegenüber etwa gebeten hätte, ihm etwas zu geben ( 

       – „Habe ich etwa gesagt: ‚Gebt mir, und aus eurem Besitz bezahlt für mich Lösegeld?‘“).363 Die Formulierung kritisiert dort die Angriffe der Freunde in den Dialogen. Im Hintergrund steht die Klage darüber, dass die Freunde sich ihm, dem Leidenden gegenüber, nicht der Situation entsprechend verhalten (vgl. Hi 6,21.26). Es ist vorstellbar, dass Hi 42,11 mit der ungebetenen Beschenkung Hiobs durch Verwandte und Freunde die rhetorische Frage Hi 6,22 im Blick hat. Gleichzeitig könnte auch eine Beziehung zu 19,13f vorliegen, wo sich eine Gegenüberstellung von Brüdern und Bekannten findet. Für die Einschätzung des Kommens der Verwandten und Bekannten in Hi 42,11 ist es m.E. entscheidend, dass sie zu Beginn und nicht nach der vollzogenen Restitution Hiobs auftauchen und dass sie gemeinsam mit Hiob in seinem Hause Brot essen. So gesehen markiert ihr Kommen in Blick auf eine Klage wie in Hi 19,13f, dass die Entfremdung von der Familie nicht 359

Fohrer, Hiob, 543. Vgl. Fohrer, Hiob, 544, der eine literarische Abhängigkeit von der Genesis sieht. 361 Vgl. van Dijk, La découverte, 15f. 362 Newsom, Job, 635: „From these shared gifts, God’s blessing would create the enormous fortune Job enjoyed in the latter part of his life (v. 12; cf Gen 30:30).“ Dass intendiert ist, „ihren [der Besucher, R.H.] Beistand auch materiell-symbolisch darzustellen“, vermutet dagegen Ebach, Hiob II, 167. 363 Vgl. oben, 61, und Anm. 128. 360

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

mehr besteht. Die durchgängig positive Szenerie364 in Hi 42,11 und die Tatsache, dass die Restitution noch nicht abgeschlossen ist, lassen es jedoch nicht zu, in Hi 42,11 eine hintergründige Kritik anzunehmen.365 Dagegen spricht im Übrigen auch, dass eine Desozialisierung aufgrund von Aussatz für die intendierten Adressaten die gebotene Normalität dargestellt haben dürfte, was die Formulierungen    (Hi 2,8b) und   (V. 12a) andeuten. 42,11 zielt allein darauf, dass die Desozialisierung und damit wohl auch der Aussatz beendet ist, und impliziert daher keine weitere Kritik an den Gästen. Mit der Ankunft der Verwandten und Bekannten (Hi 42,11) wird Hiob wieder in sein persönliches Umfeld integriert. Das gemeinsame Essen, der Trost und die Geschenke kontrastieren Hiobs Situation als mit Aussatz Geschlagenen und von den Menschen Getrennten, die von der Schlussszene des Prologes (2,8ff) bis zu Hiobs Wiederherstellung (42,10) reicht. 42,10 markiert also einen Wendepunkt für Hiob. Von hier an vollzieht sich in den V. 11ff die Wiederherstellung Hiobs, wobei die Bemerkung aus Hi 42,10a sukzessive entfaltet wird.366 Hi 42,12a setzt temporal mit x-qatal neu ein, was eine Zäsur in der wawImperfekt-Kette markiert. Der Satz ist zudem generalisierend formuliert, was auch daran erkennbar ist, dass Hiobs vormaliger Zustand und Jhwhs nachmaliges Segenshandeln miteinander verglichen werden. Das Verb  führt zurück zum Prolog. Im eigentlichen Sinne als „segnen“ kam es dort in der Benediktion Hiobs in Hi 1,21 und vorher in der ersten Himmelsszene (Hi 1,10b¸) im Vorwurf des Satans:      ...    – „Hast du (nicht) das Werk seiner Hände gesegnet?“ vor, mit dem die Infragestellung von Hiobs Segen ihren Ausgangspunkt nimmt. Zu dieser Szene wird mit 42,12a eine inhaltliche Beziehung hergestellt, was die Restitution seines Wohlstandes (42,12b) und seiner Familie (42,13) eindeutig zeigt. Damit vollzieht sich im Epilog, ausgehend von 42,10, gegenüber dem Unheil nun ein Prozess der Wiederherstellung in umgekehrter Reihenfolge (von der körperlichen Restitution, über seine soziale Reintegration367 und die Wiedererlangung seines Besitzes zu der ‚Wiederherstellung‘ seiner Familie). Der Epilog 364 Die Szenerie wird in den Kommentaren meist positiv beurteilt; vgl. z.B. Budde, Hiob, 273; Ebach, Hiob II, 167; Newsom, Job, 635; Strauß, Hiob, 400. 365 Fohrer, Hiob, 543, sieht das Kommen als verspätet an. Hölscher, Hiob, 101, empfindet einen humorvollen Unterton. Pope, Job, 351, legt den Vers in Blick auf Hi 19,13f kritisch aus: „His prosperity again attracted his relatives and fair-weather friends; cf. xix 13.“ Diese Deutung vernachlässigt, dass sich die wirtschaftliche Wiederherstellung erst später vollzieht (V. 12), und vermag nicht zu erklären, warum die Freunde Geschenke machen, wenn sie von dem erneuten Wohlstand Hiobs angezogen wurden. 366 So schon Dietrich,    , 13. 367 Vgl. Brueggemann, Theodicy, 18f.

8. Hi 42,7–17

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zeigt sich in Hi 42,10–13 als inhaltlich kunstvoll auf den Prolog bezogen, wobei der temporale Neueinsatz in 42,12a mit    einerseits in der Sache begründet ist, da für die Wiederherstellung des Besitzes gegenüber dem vorangehenden Kontext eine erhebliche Zeitraffung vorauszusetzen ist – die Formulierung  in Hi 42,12b.13a setzt eine sich allmählich vollziehende Segnung voraus –, andererseits markiert 42,12a eine Zäsur zwischen dem Bezug auf die zweite Himmelsszene (42,10f) und dem Bezug auf die erste Himmelsszene (42,12f).368 Am Ende dieses Prozesses befindet sich Hiob wieder in dem Zustand des Segens, bei dem das Buch Hiob seinen Anfang nimmt (Hi 1,1–3), der noch durch die doppelte Wiederherstellung von Hiobs Besitz überboten wird. Damit zeigen sich innerhalb von 42,7–13 und insbesondere im Gegenüber von 42,10b und 42,12a keine Kohärenzprobleme, da jede der Aussagen ihre Bedeutung aus dem Zusammenhang mit dem Prolog hat.369 Die erste mit  (Hi 42,12b) eingeführte Aussage bezieht sich auf den Viehbesitz Hiobs. Im Vergleich zum Prolog ist deutlich, dass sich die Anzahl des Viehs verdoppelt hat, was Hi 42,10b entspricht. Im Blick ist mit der expliziten Verdopplung – wie bereits erwähnt – auch die vollständige Wiederherstellung von Hiobs Besitz. Dass anders als in Hi 1,3 in Hi 42,12f nicht von den Knechten Hiobs (dort:     ) die Rede ist, dürfte direkt mit der Ankündigung der Verdopplung des Besitzes in Hi 42,10b zusammenhängen: Was zuvor nicht zahlenmäßig angegeben war, kann auch jetzt nicht verdoppelt angegeben werden. So ist in Hi 42,12 die Hi 2,3 entsprechende Wiederherstellung der zahlreichen Dienerschaft Hiobs vorausgesetzt. Anschließend werden – wiederum mit  (Hi 42,13a) eingeleitet – Hiobs Kinder thematisiert. Auffällig ist, dass sich die Zahl der Kinder anders als die Größe des Viehbesitzes gegenüber Hi 1,2 nicht verändert. Diese Auffälligkeit wird damit erklärt, dass Kinder nicht zum Besitz gehören: „Mit den Menschen verhält es sich anders als mit dem Besitz; ihr Verlust wird nicht doppelt ersetzt.“370 Angesichts der Betonung der in Hi 42,10b angekündigten und dann in 43,12b notierten exakten Verdoppelung und angesichts der Tatsache, dass die Kinder im Prolog Hiobs als Ausdruck seines Segens mit unter den Besitz subsumiert werden, ist in Hi 42,13 die Erwähnung der gleichen (runden) Zahl an Kindern wie in Hi 1,2 auffällig. Verblüffend sind die nachfolgenden zwei Verse, deren Intention wahrscheinlich nicht vollständig zu ergründen ist. Einerseits (Hi 42,14) werden 368 Damit ist die Wiederherstellung von Hiobs Gesundheit nicht nur impliziert (so u.a. Rowley, Job, 268), sondern in der Struktur der Bezüge explizit zum Ausdruck gebracht. 369 Vgl. unten, 331ff. 370 Fohrer, Hiob, 544; vgl. Syring, Hiob, 120.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

nur die Töchter Hiobs namentlich erwähnt. Ihre Namen kommen nur im Hiobbuch vor. Möglicherweise sollen sie als „sprechende Namen“ die nachfolgende Feststellung über die Schönheit der Töchter vorwegnehmen. 371 Der Versuch, über lexematische Bezüge zum Ugaritischen einen mythologischen Hintergrund auszumachen,372 dürfte nicht zielführend sein, wenn es sich um vom Autor verliehene Namen handelt. Handelt es sich dagegen um Namen aus einer älteren Überlieferung, ist ein solcher Hintergrund möglich. Es stellt sich dabei freilich die Frage, ob dieser für die Intention des Hiobrahmens noch von Relevanz gewesen sein kann. Andererseits wird nach der Hervorhebung der Schönheit der Frauen (42,15a) mitgeteilt, dass die Töchter Erbbesitz von ihrem Vater in der Mitte ihrer Brüder erhalten (42,15b).373 Schon immer ist die Einzigartigkeit dieser Aussage im Alten Testament, aber auch im Vergleich zu Zeugnissen aus Nachbarkulturen374 aufgefallen. So war es offenbar in Israel die Regel, dass Töchter nicht erbberechtigt waren, wenn es Söhne gab. Hier ist auf die anhand des Beispiels der Töchter Zelofhads (Num 27,1–7) entfaltete Regelung Num 27,8–11 zu verweisen.375 Hi 42,15b stellt demgegenüber einen Sonderfall dar, was der Grund dafür ist, dass das Thema des Erbrechtes der Töchter hier überhaupt erwähnt wird.376 Zu Recht wird in Hi 42,15 eine Überbietung377 von Num 27,1ff gesehen.378 Resümierend wird zu sagen sein, dass die neue Stellung der Töchter die Veränderungen dokumentiert, die sich bei Hiob vollzogen haben.379 Doch ist in Blick auf Hiob zu fragen, ob es in der Tat „um einen neuen Blick auf sein Leben geht“380, oder ob die nun erbberechtigten Töchter zunächst nur für die Vergrößerung des ihm zuteil werdenden Segens stehen.381 371

Vgl. Fohrer, Hiob, 544. So Fohrer, Hiob, 544. 373 Zu beachten ist hier der Rückbezug auf die Töchter mit Suff. 3. Pl. mask. Vgl. dazu die Erklärung bei GK §135o, 461; vgl. auch Strauß, Hiob, 392. 374 Allerdings gibt es vereinzelt Zeugnisse für Sonderregeln in Mesopotamien, Ugarit und Ägypten. Vgl. Ngwa, Hermeneutics, 114f. Einmal ist für Ugarit bezeugt, dass in der Königsfamilie die Aufteilung des Erbes auch zugunsten der Frau und der Töchter des Verstorbenen geschah. Vgl. dazu ebd., 114; auch Fohrer, Hiob, 545 (Lit.). 375 Vgl. dazu die Ausführungen von Ngwa, Hermeneutics, 115–117. 376 Vgl. Newsom, Job, 635. 377 Vgl. König, Hiob, 458. Strauß, Hiob, 401, sieht die Aussage als Zeichen für eine späte Stufe der Entwicklung im Erbrecht und damit indirekt als Hinweis auf eine sehr späte Abfassung der Rahmenerzählung. 378 Ebach, Hiobs Töchter, 72, hält den utopischen Charakter der Aussage fest. 379 Vgl. Ebach, Hiob II, 168; ders., Hiobs Töchter, 68. 380 Ebach, Hiobs Töchter, 68. 381 Vgl. z.B. Fechter, Familie, 271f. 372

311

8. Hi 42,7–17

Mit Hi 42,16 gelangen wir an das „Ende“ Hiobs: Nach der Geburt seiner Kinder (  ) ist ihm noch eine Zeit von 140 Jahren beschieden, ohne dass die genaue Zeit seines Lebens genannt wird. Freilich führt ein Lebensalter von mehr als 140 Jahren ein weiteres Mal in die Erzelternzeit.382 Denn vorausgesetzt – wenn auch nicht explizit genannt – ist ein Alter, das demjenigen Abrahams entspricht. Bedenkt man, dass    die Mitteilung über Hiobs Kinder substituiert,383 dann führt uns die Struktur der Formulierung zu den Genealogien Gen 5,1ff und Gen 11,10ff, wo jeweils die zusätzlichen Lebensjahre an die für den Fortgang der Genealogie relevante Person geheftet werden: Hi 42,13–16                                                                

Gen 11,24f           

                  

Aufgrund der parallelen Struktur drängt sich ein Zusammenhang auf. Der Vergleich enthüllt zudem die Intention der abschließenden Formulierung Hi 42,16b           .384 Mit dieser Aussage wird der fortschreitende Segen für Hiob verdeutlicht. Sie steht indirekt für die Einlösung der Ankündigung einer Verdopplung dessen, was Hiob vorher gehörte – auch im Bezug auf die Nachkommenschaft.385 Eine Inkohärenz 382

Für Sara (Gen 23,1) werden 127 Jahre, für Abraham (Gen 25,7) 175 Jahre, für Isaak (Gen 35,28) 180 Jahre und für Jakob (Gen 47,28) 147 Jahre genannt. Im Vergleich dazu beträgt das Alter Josefs nur noch 110 Jahre. 383 Der Sg. darf nicht nivelliert werden. Dieser zeigt, dass sich der Bezug auf die direkt vorangehende Äußerung bezieht. Gegen Strauß, Hiob, 402, der    als Ersatz von        sehen möchte. 384 Hi 42,16b.17 fehlen ursprünglich in der LXX. 385 Diese Idee stammt von R. Lux (mündlich). Es stellt sich die Frage, warum der Autor diesen Kunstgriff anwendet. Vielleicht handelt es sich um den Versuch, die Hiobrahmenerzählung mit der zugrundeliegenden Hiobüberlieferung kompatibel zu machen, die wahrscheinlich nur von einer bestimmten Anzahl von Kindern Hiobs wusste; vgl. Hi 8,4; 19,17f; Ez 14(?). In dieser Arbeit kann den überlieferungsgeschichtlichen Implikationen nicht weiter nachgegangen werden. – Möglicherweise bietet das Fehlen von V. 16b.17 in der LXX einen Anhaltspunkt für weiter gehende Überlegungen in diese Richtung. Ein Nachtrag in MT könnte mit der Formulierung den dargestellten Ausgleich zwischen der vorgegebenen Zahl der Kinder und der Verdoppelung des Segens bewirkt haben, hätte also ein ursprünglich vorliegendes Kohärenzproblem beseitigt. Dem Problem in der LXX kann in

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

zwischen der Nennung der vier Generationen und dem vorangehenden Satz       zu sehen,386 stellt eine Überinterpretation dar. Eine Korrektur der Formulierung zu einer Aussage über zwei oder drei Generationen wäre leicht möglich gewesen, ist aber in keiner Version erfolgt. 387 Bedenkt man, dass die Alternative zu       , die dann auf vier Generationen verweisen würde,                lauten müsste, dann wird deutlich, dass mit der Wendung   schlicht im Sinne des deutschen Begriffes „Kindeskinder“ auf die vier Generationen abgezielt wird. Im Übrigen dürfte in der Angabe von 140 Jahren bereits ein Hinweis auf die vier Generationen vorliegen, so dass auszuschließen ist, dass sich diese Angabe auch auf die Generation Hiobs oder gar auf die seines Vaters388 bezieht. Bei den Nachkommen wird damit die Verdoppelung zwar nicht zahlenmäßig erwähnt, aber dennoch intendiert. Denn im Hintergrund von Hiobs „Sehen“ der Nachkommenschaft steht ja die Tatsache, dass die Kindeskinder als Segen, den Hiob als Familienoberhaupt persönlich erfährt, betrachtet werden sollen. M.E. ist von hier aus auch die „Landgabe“ an die Töchter zu verstehen. Dass sie unter ( ) ihren Brüdern Erbteil erhalten, könnte damit zusammenhängen, dass der gesamte Segen, einschließlich Kindeskindern (der Töchter wie der Söhne) und Landbesitz, weiter auf Hiob bezogen bleiben soll. Die Vervielfachung von Hiobs Nachkommenschaft zeigt mit ihrem Rückbezug auf  in Hi 42,10b ein weiteres Mal, dass das Herstellen von tiefgründigen Bezügen ein Charakteristikum der Rahmenerzählung des Hiobbuches ist. Außerdem wurde die Kenntnis von literarischen Querbeziehungen zur Genesis, aber auch zum Deuteronomium und zu anderen Bereichen der Hebräischen Bibel für das Verständnis des Werkes vorausgesetzt.389 Das Hiobbuch endet mit       . Die Formulierung bringt die Angabe der Lebensjahre zu einem Abschluss. Ein Tod am Ende eines langen erfüllten Lebens gilt als Ausdruck des Segens. Gleichzeitig führt die Formulierung wiederum in den Bereich der Erzelternerzählungen dieser Arbeit ebenfalls nicht weiter nachgegangen werden. Vgl. aber zum gleichen Problem in Hi 31,1–4 oben, 165f (mit den Anm. 585 und 586). 386 So schon zusammenfassend König, Hiob, 459, der vorschlägt, in der Formulierung den Verweis auf eine zweifache Generation von Kindern zu sehen. 387 Fohrer, Hiob, 545, erwägt, ob sich die vierte Generation auf die gestorbenen Kinder bezieht. Dagegen sprechen allerdings    und der Bezug auf die Genealogien der Urgeschichte. 388 Ein Vater Hiobs wird nicht nur nicht erwähnt, sondern nicht einmal bei seiner Benennung in 1,1 vorausgesetzt. Vgl. die Diskussion der älteren Forschung dazu bei König, Hiob, 459. Zur Erwähnung seines Vaters in der Dichtung vgl. unten, 353. 389 Vgl. dazu unten, 377ff.

8. Hi 42,7–17

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zurück, wo sich bei Abraham (Gen 25,8) eine vergleichbare Aussage findet. Indem der in besonderer Weise charakterisierte Mann nun in hohem Alter nach einem satten Leben ( ) den Tod findet, wird der Bogen zu Hi 1,1 geschlossen. Freilich zeigt sich am Ende des Hiobbuches noch einmal deutlich, dass es in der Erzählung offenbar auch bewusst gesetzte Leerstellen gibt. So werden die Namen der Töchter erwähnt, die Namen der Söhne aber verschwiegen. Hiobs Genealogie liegt also trotz der Angabe einer Nachkommenschaft von     im Dunklen. Über Hiob wird berichtet, dass er ein langes Leben hatte – nach der Geburt seiner Kinder lebte er so lange, wie dies nach den Erzeltern von keiner Person mehr berichtet wird –, doch wird sein genaues Lebensalter nicht erwähnt. Auch mit diesen Leerstellen am Ende des Buches schließt sich ein Bogen zum Anfang des Buches Hiob. Denn dort werden weder Vater noch Mutter von Hiob erwähnt. Selbst seine Frau hat im kanonischen Hiobbuch keinen Namen. Besonders auffällig ist, dass die Identität Hiobs sogar verglichen mit der seiner Freunde vage bleibt. Denn von ihnen werden mit der Angabe des Patronyms Herkunft und Abkunft erwähnt, während bei Hiob nur die Wohngegend   und nicht einmal der genaue Aufenthaltsort genannt wird.390

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung a) Handlungsverlauf Bei der folgenden Zusammenfassung des Handlungsverlaufes werden auch Teile der Dichtung aufgeführt, die von der Rahmenerzählung vorausgesetzt sind. Da es sich dabei aber lediglich um erschlossene Bezüge handelt, sind im Folgenden die Angaben zu Kapiteln und Versen in der Dichtung in eckige Klammern gesetzt. Inhaltlich ist das Buch Hiob ausgehend von der Rahmenerzählung in folgende Abschnitte zu gliedern: 1,1–5 1,6–12 1,13–22 2,1–6 2,7–10 2,11–13 3,1 [3,2–26 [4,1–31,40

Exposition mit Einführung des Themas Erste Himmelsszene Hiobsbotschaften und Hiobs Reaktion Zweite Himmelsszene Hiobs Leiden und Reaktion Die Ankunft der Freunde Hiobs Reaktion auf die Freunde Hiobs Eröffnungsklage] Anläufe der Freunde gegen Hiob]

390 Besonders der zuletzt genannte Punkt hat von der frühjüdischen Literatur bis zur modernen Exegese Spekulationen über die Heimat Hiobs verursacht. Es ist deutlich, dass seine Anonymität intendiert ist und eine bestimmte Funktion hat, der weiter nachzugehen ist.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

[38,1–42,6 Die Begegnung Hiobs mit Gott] 42,7–9 Der Gotteszorn gegen die Freunde Hiobs 42,10–17 Restitution Hiobs und Schluss

In der Exposition (Hi 1,1–5) werden die Hauptfigur und das Problem des Buches vorgestellt. Dabei wird ein Zusammenhang von besonderer Rechtschaffenheit und Frömmigkeit der Hauptfigur auf der einen und Wohlergehen auf der anderen Seite postuliert. Die Eröffnung deutet die Problematisierung des Zusammenhangs von Tun und Ergehen bereits an. Obwohl die Hauptfigur in außerordentlicher Weise aus dem Kreise der anderen Menschen herausgehoben wird, bleibt ihre genealogische und zeitliche Einordnung offen. Bis auf die Angabe   in 1,1a fehlt eine geographische Verortung. Dies ist umso auffälliger, als für alle anderen namentlich erwähnten Handlungsträger im Buch genealogische Zuordnungen erfolgen. Diese Offenheit in Bezug auf die Hauptperson, aber auch die unpersönliche Eröffnung des Buches weisen darauf hin, dass die Hauptfigur den Lesern als eine unbekannte Größe vor Augen gestellt werden soll. Im zweiten Teil der Exposition (1,4f) wird nach der Klärung des Problemzusammenhangs und der Vorstellung der Hauptfigur das Thema des Prologs eingeführt. Hiob sucht durch ein stellvertretendes Opfer, die Sicherung der Gottesbeziehung seiner Kinder zu erreichen, die bei ihren Feiern Gott womöglich im Herzen geflucht haben könnten (1,5b). Sündigen und Gott Fluchen werden verknüpft und bilden das Thema des Prologs. In der ersten Himmelsszene (Hi 1,6–12) wird eine Parallelwelt zur Welt Hiobs – der irdischen Welt – entworfen. Hiob ist den beiden Akteuren Jhwh und Satan bekannt. Einziges Thema des Dialoges zwischen diesen ist die Person Hiob. Jhwh stellt ihn als das Beispiel eines perfekten Frommen dar, wobei er die Bewertung Hiobs, die auf der Erzählebene in der Exposition gegeben wird (1,1b), selbst vorträgt und sie mit der Unvergleichlichkeitsaussage    verbindet. Durch diese Wiederholung und Zuspitzung wird die Charakterisierung Hiobs aus 1,1b generalisiert und nachträglich zu einem Superlativ. Vom Satan wird die durch Jhwh gegebene Charakterisierung Hiobs mit dem Verweis auf den bereits in der Exposition intendierten Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen zurückgewiesen. Im Hintergrund steht dabei das Ideal, dass die Gottesbeziehung einen Eigenwert darstellt und aufrechtzuerhalten ist ohne Blick auf einen aus ihr resultierenden Segen. Hiob wird demgegenüber ein Kalkül unterstellt, wonach ihm die Frömmigkeit und damit die Gottesbeziehung dazu diene, sein Wohlergehen abzusichern. Der vom Satan eingebrachte und von Jhwh akzeptierte Vorschlag, Hiob den Segen zu entreißen, zielt auf die Bloßstellung von Hiobs auf den Segensempfang ausgerichteter Frömmigkeit: Wenn ihm der Segen genommen

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung

315

werde, werde er Gott ins Angesicht fluchen, was aus der Sicht der Rahmenerzählung die Gottesbeziehung beenden würde. Die Abmachung legt den gesamten Besitz Hiobs in die Hand des Satans, stellt aber die Integrität seiner Person sicher (1,12aº). Interessanterweise wird mit der Zuspitzung auf den Gottesfluch der Fokus auf die Integrität der Gottesbeziehung gerichtet. Dies entspricht der Tendenz der Exposition, wo „Gott fluchen“ und „sündigen“ inhaltlich zusammenfallen. Die sogenannten Hiobsbotschaften und Hiobs Reaktion auf sie (Hi 1,13–22) stellen das „irdische“ Pendant zur ersten Himmelsszene dar. Die Verwirklichung der Beschlüsse des ‚Handels‘ zwischen Jhwh und dem Satan ist mit dem Handeln der Kinder in der Exposition verbunden. Deren Geschick umklammert im Rückgriff auf 1,4f den gesamten Abschnitt 1,13–19. Dadurch wird beim Leser der Eindruck erweckt, als stünde ein möglicher Gottesfluch von Hiobs Kindern im Hintergrund des Unheils, das Hiob in Form des Kinder- und Besitzverlustes trifft. Hiob vollzieht daraufhin Trauerriten. Seine verbale Reaktion ist zugleich die Widerlegung des Vorwurfes des Satans. Hiob gesteht Gott gleichermaßen Geben und Nehmen von Segen zu, wodurch seine Gottesbeziehung als unabhängig von dem vom Satan unterstellten Kalkül erwiesen wird. Durch die Benediktion, die Hiob ausspricht (Hi 1,21b), wird sein Handeln an die Himmelsszene und an die Exposition zurückgebunden und das Scheitern des Satans durch den Gebrauch der Wurzel  (im eigentlichen Sinne) erwiesen. Die Szene schließt mit einer Wertung Hiobs auf der Erzählebene (1,22), wobei in    wiederum die vom Satan mit dem Fluch Gottes angestrebte Aufkündigung der Gottesbeziehung in den Blick kommt. Zugespitzt geht es damit im Prolog um ein bestimmtes verbales Vergehen gegen Gott – oder anders ausgedrückt: Es geht um die eine Handlung, die die Gottesbeziehung beenden würde, die Hiob aber nicht vollzieht. Die zweite – der ersten parallel gestaltete – Himmelsszene (Hi 2,1–6) setzt im Dialog zwischen Jhwh und dem Satan bei den Ergebnissen der vorangehenden Prüfung an. Jhwh weist auf seinen Erfolg in der ‚Wette‘ mit dem Satan hin (2,3b), der daraufhin mit einem weiter gehenden Vorwurf reagiert: Der Mensch verzichte zugunsten seiner körperlichen Integrität auf alles, was er habe. Die Furcht um das eigene Leben stehe also im Hintergrund von Hiobs Festhalten an der Gottesbeziehung. Bei diesem neuerlichen Vorwurf handelt es sich um ein Pendant zu dem ersten Vorwurf, denn beide haben ihre Entsprechung in der Paränese des Deuteronomiums, das besonders in Dtn 28,15(ff) auf die negativen Folgen der Nichteinhaltung der dtn Gesetze verweist. An dieser Stelle klärt sich auch, warum der Satan Hiobs Frömmigkeit mit dem zweiten theologischen Begriff aus der Attributreihe

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

bezeichnet hatte (mit   ), während Jhwh mit  auf  zurückgreift. Die Gefährdung der Person Hiobs selbst werde diesen Zusammenhang, so die Behauptung des Satans, zutage fördern. Würde Hiob selbst zur Disposition gestellt, werde dieser die Gottesbeziehung durch den gewünschten Fluch beenden. Die entsprechende Abmachung zwischen Jhwh und dem Satan liefert Hiob ein zweites Mal dessen Händen aus, wobei Jhwh entsprechend Hi 1,12aº für den Schutz von Hiobs Leben sorgt. Hiobs Krankheit und die Reaktion auf sie (Hi 2,7–10) ist formal weniger stark vom Kontext abgegrenzt, als der Zusammenhang von erster Himmelsszene und den sogenannten Hiobsbotschaften. Entsprechend wird nur sehr kurz berichtet, dass der Satan Hiob mit Aussatz geschlagen habe (2,7b). Am Ende einer gerafften Handlung begegnet Hiob abseits von den Menschen in der Asche sitzend. Hiobs Frau übernimmt hier als temporäre Dialogpartnerin Hiobs die Rolle, Hiob zur Aufgabe der Gottesbeziehung zu bewegen. Dabei sieht sie den Zusammenhang zwischen Hiobs Gottesbeziehung und der Dauerhaftigkeit seines Leidens und fordert ihn zur Aufkündigung der Gottesbeziehung auf, um so den erlösenden Tod herbeizuführen. Dies zeigen die Anknüpfung an die Jhwh-Rede in 2,3b¸ in der Formulierung     (2,9a¹) in ihrer Rede und ihre anschließende Aufforderung, Gott zu fluchen und zu sterben (2,9b). Der potentielle Fluch gegen Gott und der dafür zu erwartende Tod bilden also für Hiob einen unmittelbaren Zusammenhang, wie auch die Gottesbeziehung und die Bewahrung des Lebens durch Jhwh (2,6b). Das Schicksal von Hiobs Kindern führt vor Augen, wie der Zusammenhang von Fluch und Tod zu denken ist, auch wenn eine entsprechende Schuld der Kinder offen bleibt. Hiob weist die Aufforderung der Frau zurück, wobei durch 2,10a (            – „Auch das Gute haben wir angenommen von Gott und das Böse sollten wir nicht annehmen?“) die Aussage in 1,21aº» (      ) deutlich überboten wird. Damit gesteht er Gott nicht nur das Geben und Nehmen von Segen zu, sondern akzeptiert innerhalb der Gottesbeziehung auch das Böse, das er auf Gott zurückführt. Die Behauptung des Satans, dass Hiob lediglich aus Furcht um sein Leben auf den Segen zugunsten seiner körperlichen Integrität verzichte, ist damit widerlegt. Hiob hat trotz der radikalen Infragestellung seiner körperlichen Integrität, die ihn in den Bereich des Todes gebracht hat, die Gottesbeziehung nicht verlassen. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass es sich in Hi 2,7b bei dem Bericht darüber, dass der Satan Hiob mit Aussatz schlägt, um ein abgewandeltes Zitat aus Dtn 28,35 handelt. Der Zusammenhang von Segen und Fluch (Dtn 28) wird so aufgerufen. Im Hintergrund steht, dass sich Hiob als unter dem Fluch Gottes stehend begreifen

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung

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soll.391 Doch er antwortet auf diesen vermeintlichen Fluch Jhwhs nicht mit dem Fluch gegen Jhwh! Entsprechend folgt in 2,10b parallel zu 1,22 auf der Erzählebene die zusammenfassende Wertung von Hiobs Haltung, wonach er mit seinen Lippen nicht gesündigt habe, was wiederum auf der Erzählebene explizit das Scheitern des Satans resümiert. Die Ankunft der Freunde (2,11–13) wird sehr kurz berichtet. In 2,11 werden die drei Freunde Hiobs namentlich und mit ihrem Patronym392 eingeführt. Es wird über sie mitgeteilt, sie seien übereingekommen, Hiob zu trösten. Die Betonung der genealogischen Einordnung der Freunde fällt besonders ins Auge, wenn man im Gegensatz dazu die unbestimmte Herkunft Hiobs bedenkt. In 2,12 spitzt sich mit der Ankunft der Freunde die Handlung zu; denn die Freunde vollziehen nun Trauerriten. Obwohl sie zum Trösten gekommen waren, schweigen sie sieben Tage (V. 13) lang. Dass die Freunde der auf der Erzählebene – durch ihren Vorsatz – genährten Erwartung und damit wohl auch der Erwartung des Leidenden nicht entsprechen, wird in Hi 42,11 explizit, wo bei der Ankunft der Bekannten und Verwandten mit gleicher Terminologie und damit im Rückbezug auf Hi 2,11–13 ausdrücklich der Trost des Leidenden erfolgt. Hiobs Reaktion auf die Freunde Hi 3,1 (3,2ff) wird durch den zur Prosaerzählung gehörenden Vers 1 eingeführt und gewertet. Hiob durchbricht das siebentägige Schweigen, indem er seinen Tag verflucht (3,1). Diese Szene steht in engem Zusammenhang mit den vorangehenden Trauerriten der Freunde einerseits, auf die hin Hiob nun zu sprechen beginnt. Andererseits wird nun das erste Mal im Prolog das immer euphemistisch umschriebene Verb  gebraucht, wobei seine Verwendung (der Fluch seines Tages) ein weiteres Mal aufzeigt, dass sich die Unterstellung des Satans nicht bestätigt. Der Zusammenhang zwischen 3,1 und der nachfolgenden Redeeinleitung (3,2), die die Form der stereotypen Einleitungen der Dialoge hat, macht deutlich, dass 3,1 der nachfolgenden ersten Hiobrede in der Dichtung vorangestellt worden ist, um sie vom Prolog her zu charakterisieren. In Kap. 3 selbst steht am Anfang der Rede der Todeswunsch Hiobs. Doch dieser kann nicht – wie angekündigt – als Verfluchung seines Tages gewertet werden. Die Anläufe der Freunde gegen Hiob und dessen Reaktion(en) (4,1–31,40) können im Prolog nur aufgrund ihrer Charakterisierung in 2,11–13 erahnt werden. Die Dialogdichtung wird vom Rahmen her als weitere Konfrontation Hiobs mit den Freunden und damit als eine Fortsetzung der Anläufe 391 392

Siehe dazu oben, 265 und Anm. 195. Zur Begriffswahl siehe oben 32, Anm. 4.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

des Satans auf anderer Ebene gegen Hiob verstanden. Die Einführung der Freunde nimmt sozusagen die Konstellation der Gesprächspartner in den Dialogen vorweg.393 Im Epilog, namentlich in 42,7b.8b, wird auf die Dialoge Bezug genommen, indem zusammenfassend Hiobs Haltung Jhwh gegenüber mit  , die Haltung der Freunde aber mit    beurteilt wird. Damit ist in erster Linie die Sprechhaltung gemeint, was sich daran ablesen lässt, dass sich in den Freundesreden, anders als in den Reden Hiobs, keinerlei direkte Anrede Gottes findet. Die Rahmenerzählung bezieht sich weder auf die Elihureden (Hi 32,6–37,24) noch auf deren Prosaeinführung (Hi 32,1–5).

Auf die Begegnung Hiobs mit Gott (Hi 38,1–42,6) wird in Hi 42,7a verwiesen. In diesem Halbvers dürfte sich     auf eine Mehrzahl von Reden und damit wohl auf die vorliegende Komposition zweier Gottesreden beziehen. Dass Jhwh in Hi 42,7b in seiner an Eliphas gerichteten Rede die Freunde zusammenfassend vehement kritisiert, lässt den Schluss zu, dass die an Hiob gerichteten Gottesreden, auf die direkt Bezug genommen wird, als Äquivalent zu der Jhwh-Rede an Eliphas gedacht sind. Während damit der (positive) Charakter der Gottesreden als Antwort auf die Anklage gegen Gott rezipiert wird, wird vom Rahmen die sogenannte Schuldigerklärung Hiobs (Hi 42,1–6) genauso ignoriert wie sein Entschluss zur Einstellung seines Widerspruches gegen Gott in Hi 40,4f.394 Beides wird angesichts der im Blick auf Hiob rein positiven Bezugnahme auf die Dialogdichtung nicht berücksichtigt. Dass dieses Verfahren in der Intention des Rahmens begründet liegt, zeigt sich im Prolog in den zusammenfassenden Wertungen von Hiobs Verhalten auf der Erzählebene (Hi 1,21; 2,10b). Diese thematisieren ausschließlich negativ, Hiob habe nicht mit dem Munde gesündigt, gehen aber ebenfalls nicht positiv auf den Inhalt der vorangehenden kurzen Redestücke ein. Wie im Prolog nur Hiobs Reden als Ausdruck seiner intakten Gottesbeziehung thematisiert wird, ist nach der Intention des Textes auch in Hi 42,7 nur ein pauschaler Hinweis auf den Charakter seiner Reden erforderlich. Entsprechend dürften die Gottesreden als nachträgliche Bestätigung der Hiobreden aufgefasst worden sein. 393 Dies entspricht aber nicht der Intention der Dialoge selbst, bei denen am Anfang durchaus eine Tendenz dazu besteht, Hiob Auswege aus seiner Situation zu eröffnen. Gegen Fohrer, Vorgeschichte, 33, der der Meinung ist, bei den Dialogen handle es sich generell um „nichts anders als eine solche Versuchung, die aber gefährlicher [sei] als die plumpere Verleitung zur Gottesleugnung und -absage“. 394 Das Problem wird häufig literarkritisch zu lösen versucht. Vgl. z.B. Berges, Ijobrahmen, 242; Maag, Hiob, 119f; Fohrer, Hiob, 539.

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung

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Um den Gotteszorn gegen die Freunde Hiobs und dessen Fürbitte (42,7–9) geht es im ersten Abschnitt des Epilogs. Diesen teilt Jhwh in einer direkten Rede Eliphas mit. Die Thematisierung von Eliphas und den beiden anderen Freunden in V. 7 greift auf die Dialoge zurück. Sieht man diesen Bezug auf die Dichtung, ergibt sich eine einleuchtende Interpretation von Hi 42,7bº.8b (           ). Es konnte ein Zusammenhang dieser vergleichenden Wertung Hiobs und der Freunde mit den Bewertungen Hiobs in Hi 1,22b; 2,10b auf der Erzählebene festgestellt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die inhaltliche Verbindung zwischen Hi 2,3b¸ (Jhwh-Rede) und 1,22b (Erzähltext) einerseits und der positiven Hervorhebung Hiobs in Hi 1,8b; 2,3aº» (Jhwh-Rede) und Hi 1,1b (Erzähltext) andererseits auch auf einen Zusammenhang von Hi 2,10b (Erzähltext) und Hi 42,7b (Jhwh-Rede) weist. Daher lässt sich die im Anschluss an die Interpretation von M. Oeming zu Hi 42,7 gewonnene Einsicht,395 dass Hiobs Reden in 42,7bº.8b als Ausdruck der Intaktheit seiner Gottesbeziehung angesehen wird, als Grundaussage der Rahmenerzählung festhalten. Dieser Zusammenhang zeigt sich auch darin, dass der Knechtstitel in der Gottesrede 42,7f immer zusammen mit dem Hiobnamen gebraucht wird. Die Konnexionen der Gottesrede in Hi 42,7f mit jenen im Gottesredenabschnitt machen deutlich, dass die in Hi 42,7f abschließend charakterisierte Dialogdichtung als Darstellung einer Gefährdung gilt, in der sich Hiob bewährt. Dadurch aber, dass nun Hiob nicht nur gelobt wird, sondern die Freunde aufgrund ihrer Reden von Gott auch massiv angeklagt werden, werden deren Reden letztlich in die Nähe zu dem vom Satan angestrebten Fluch gegen Gott gerückt. Wenn die Dichtung zu dieser Bewertung der Freundesreden inhaltlich beigetragen hat, dann ist dies vielleicht auf Hiobs Kritik an jenen insbesondere auf seinen Vorwurf der betrügerischen Rede gegen Gott (Hi 13,9f) zurückzuführen. Hiob droht dort gar Konsequenzen von Gottes Seite an. Der gegen die Freunde gerichtete Vorwurf der Parteilichkeit (in 13,10b) könnte mit Hi 42,8b¸ in einem interessanten Zusammenhang stehen; denn nach der Verurteilung der Freunde wird im Kontrast dazu ausdrücklich notiert, dass Gott zugunsten der Freunde um Hiobs willen parteiisch urteilen werde. Hängt die Beurteilung der Freunde durch Gott in Hi 42,7f mit Hiobs Kritik an den Freunden in der Dichtung zusammen, so dürften zuletzt auch die Erklärungen für sein Leiden durch die Freunde, die von Hiob kritisiert werden, im Hintergrund stehen. Hiob hatte die Existenz einer verborgenen Schuld zurückgewiesen und die Perspektivität der Gerechtigkeit, wonach kein Mensch vor Gott schuldlos ist, dem Leidenden gegenüber für inadäquat erklärt. Dies entspricht dem Prolog, wo massiv gegen eine im 395

Vgl. oben, 288.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

dtn/dtr Sinne am Tun-Ergehen-Zusammenhang ausgerichtete Gottesbeziehung polemisiert wird, von wo aus die Erklärungsversuche der Freunde von vornherein als gescheitert erscheinen. Dass die Freunde die an sie gerichtete Aufforderung Jhwhs in Hi 42,9 befolgen, erscheint folgerichtig; es entspricht auch der von Anfang an hervorgehobenen Gottesbeziehung Hiobs, wenn er die an ihn gerichtete Erwartung mit der gewünschte Fürbitte für die Freunde erfüllt und damit die Versöhnung Jhwhs bewirkt. Dass dies explizit mitgeteilt und daran zudem im Folgenden auch die Restitution Hiobs geknüpft wird, zeigt, dass es sich hier um den Zielpunkt der Handlung handelt. Die erfolgreiche Fürbitte Hiobs für die Freunde schlägt zugleich einen Bogen zurück zur Exposition des Buches, wo Hiob stellvertretend für seine Kinder handelt. Das Geschehen dort und jenes bei Hiobs Fürbitte für die Freunde unterscheiden sich aber. Einerseits opfert Hiob in 42,7f nicht, und dem Opfer geht hier auch keine vorbereitende Handlung voraus. Andererseits scheitert Hiobs Absicht im Prolog, da die Kinder sterben, während er im Epilog erfolgreich ist. Weil diese Unterschiede nicht hervorgehoben werden, spiegelt sich in beiden Berichten zunächst das der Gottesbeziehung konforme Handeln Hiobs wider. Der Erfolg seiner Fürbitte für die Freunde, der danach resümiert wird, ist entsprechend in der im Leiden aufrechterhaltenen Gottesbeziehung begründet. Doch damit liegt gleichzeitig ein Verweis zu den beiden Prüfungsszenen im Prolog vor. Dort und darüber hinaus in den Dialogen hat sich also Hiobs Stellung gegenüber Gott verändert. Seine ideale Gottesbeziehung, die von Jhwh hervorgehoben, aber vom Satan erst in ihrer Bestreitung ausformuliert worden war, ist nun erwiesen. Hiob hat trotz den Verlust des Segens und der Infragestellung seiner persönlichen Integrität an der Gottesbeziehung festgehalten und diese dadurch als einen Wert an sich erwiesen. Hiob wird durch die aufrechterhaltene Gottesbeziehung befähigt, effektiv für andere einzutreten, deren Gottesbeziehung in Frage steht. Hiob wird zum Heilsmittler für die Freunde. Die Restitution Hiobs (Hi 42,10–17) ist angebunden an 42,7–9 durch Hiobs erfolgreiche Fürbitte für die Freunde, die in 42,10a genauso wie die Freunde selbst ein letztes Mal erwähnt wird. Hiobs Restitution geschieht in umgekehrter Reihenfolge als seine „Destitution“ im Prolog. Der Vers 42,10 hat dabei einerseits eine überschriftartige Funktion für den nachfolgenden Text, indem er der Wiederherstellung Hiobs (V. 10a) die Wiedererlangung seines Segens (V. 10b) gegenüberstellt. Die nachfolgenden V. 11ff entfalten dies, indem sie mit der Wiederherstellung seines sozialen Status’ (42,11) und damit mit der Erlangung von Trost und der Wiederherstellung von Hiobs Integrität einsetzen und sodann seinen Besitz sowie die Geburt von wiederum zehn Kindern erwähnen. Die Restitution läuft auf die V. 16f zu, in de-

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung

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nen einerseits mit der Bemerkung, dass Hiob Kinder und Kindeskinder bis in die vierte Generation gesehen habe, die in V. 10 erwähnte doppelte Wiederherstellung Hiobs also noch übertroffen wird, andererseits mit seinem hohen Alter in Wohlstand ein Bogen zur Exposition geschlagen wird. Ein weiterer Zusammenhang mit der Exposition besteht darin, dass Hiob am Ende zwar wieder als überaus gesegnete Person erscheint und er ein hohes Alter erreicht, das an jenes der Erzeltern heranreicht. Doch wird sein genaues Alter ebensowenig genannt, wie die genealogische oder nationale und die zeitliche Zuordnung seiner Person vorgenommen werden. Dass nur die Kunstnamen der Töchter Erwähnung finden, unterstreicht diese Unbestimmtheit. Denn ihre Namen lassen eine Zuordnung ebensowenig zu wie der Name Hiobs selbst. So unterscheidet sich Hiob als die Hauptfigur des Hiobbuches massiv von allen anderen im Hiobbuch namentlich erwähnten Figuren. b) Resümee Bei der Rahmenerzählung handelt es sich dem Handlungsverlauf nach nicht um eine eigenständige Erzählung. Der eigentliche Höhepunkt der Handlung scheint innerhalb des Prologs erreicht zu sein. Da es sich aber bei Hi 2,11–13 ebenso um integrale Bestandteile der Rahmenerzählung handelt wie bei Hi 42,7ff, wird vom Rahmen aus explizit Bezug auf die Dichtung genommen; sie wird zwischen den beiden Erzählteilen platziert und in die Kohärenzstruktur des Rahmens integriert. Der Prolog ist dabei auf die umfangreiche Dichtung ausgerichtet; er dient dazu, sie zu integrieren, rezipiert dabei aber weder die Intention des ersten Textes (Hi 3,2ff) noch die Dichtung insgesamt ihrer eigenen Intention und Kohärenzstruktur entsprechend. Stattdessen werden in Hi 2,11–13 die Freunde Hiobs schon vorab negativ bewertet und die eigentliche Intention der Freundesreden ausgeblendet. Ähnliche Diskrepanzen zwischen Rahmen und Dichtung zeigen sich auch im Epilog, wo die Konfrontation Hiobs mit den Freunden zwar vorausgesetzt wird, mit der Ausrichtung der Reden auf Gott aber nur ein Aspekt der Dialogdichtung für die Charakterisierung der Dichtung herangezogen wird. Das Verhältnis zwischen Rahmen und Dichtung legt eine Sicht nahe, nach der der Rahmen eine interpretierende Auslegung der in sein eigenes Konzept integrierten Dichtung darstellt. Trotz dieser nur partiellen und perspektivischen Rezeption der Dichtung durch die Rahmenerzählung ergibt sich für diese dennoch eine suffiziente Kohärenzstruktur. In der Rahmenerzählung wird durchgehend das Problem der Beweggründe für die Frömmigkeit thematisiert, um vor dem Hintergrund einer konstruierten Extremsituation den Sinn der Gottesbeziehung zu definieren. Gleichzeitig wird von einem Ideal der Frömmigkeit ausgegangen, für die

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

der Tun-Ergehen-Zusammenhang keine Rolle spielt: Der Fromme soll – so das Ideal – ohne Aussicht auf Segen und auch im Leid bis hin zur Infragestellung der körperlichen Integrität an seiner Gottesbeziehung festhalten. Dazu wird das Beispiel des als einzigartig hervorgehobenen frommen Hiob gewählt, der in eine Abfolge von Prüfungen geführt wird, in denen er den Bestand seiner Gottesbeziehung erweisen soll. Interessanterweise wird dies nicht anhand der Einhaltung von Geboten oder dergleichen expliziert. Stattdessen wird  „sündigen“ auf das grundsätzliche Verlassen der Gottesbeziehung durch das Fluchen Gottes hin ausgelegt. Dazu soll Hiob bewegt werden, was aber weder durch den Entzug des Segens noch durch die Infragestellung seiner körperlichen Integrität und auch nicht durch die Angriffe der Freunde gelingt. Der Epilog greift die Themen des Prologs auf und würdigt Hiobs Standhaftigkeit. Er weist dem Frommen, der seine Gottesbeziehung durch die leidvollen Prüfungen hindurch bewahrt hat, die Funktion eines erfolgreichen Fürbitters zu. Angebunden an den Erfolg seiner Fürbitte kommt es zu seiner Restitution. Dem Leiden und Verlust des Segens steht eine vollständige Wiederherstellung gegenüber. Diese inhaltliche Linie enthält ein theologisches Paradoxon. Gott wird trotz der Einführung des Satans als Prüfungsinstanz als Verursacher des Leidens gesehen. Gleichzeitig beurteilt Gott das Hiob widerfahrende Unheil als ungerechtfertigt (grundlos) und sichert das Leben des Leidenden im Unheil ab, d.h. er liefert Hiob dem Satan also nicht vollständig aus. Im Epilog wird nicht sofort von der Beendigung des Leidens und der Restitution berichtet. Beides folgt erst, nachdem Hiob die Fürbitte für die Freunde geleistet hat. Dem Leid wird somit von Seiten Gottes ein Sinn über die Prüfungssituation hinaus zugewiesen, indem der Leidende dazu befähigt wird, gegen Gott selbst vorzugehen und ihn zu beeinflussen. Gott handelt in Hiobs Sinne parteiisch. M.E. hängt diese paradoxe Zuspitzung der Handlung mit der Intention des Hiobbuches insgesamt zusammen. Wie an mehreren Bezugnahmen auf diese vom Rahmen aus erkennbar war, wird in Zielrichtung gegen die dtn/dtr Schuld-Strafe-Theologie eine alternative Deutung von Hiobs Leiden entfaltet: Dieses befähigt den Frommen zum erfolgreichen Handeln für andere, was dann auch ein Ende des Leides selbst mit sich bringen wird.396 c) Offene Fragen Der Hiobprolog führt das Thema der Gottesbeziehung mittels des Zusammenhanges von Sündigen und Gottesfluch ein. Dazu wird der Gottesfluch mit dem Verbum  gleichgesetzt, so dass  zu einem Synonym des eu396

Siehe unten, 372ff.

9. Die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung

323

phemistisch verwendeten  wird. Am Gegenüber von eigentlicher und euphemistischer Verwendung von  besonders in 1,21b nach 1,11b zeigt sich, dass der Fokus auf der Gottesbeziehung an sich liegt. Während das Segnen des Jhwh-Namens ein Ausdruck der intakten Gottesbeziehung ist, beendet das Fluchen ( im Sinne von ) die Gottesbeziehung. Zeigt sich hierin das theologische Grundkonzept des Hiobbuches, so ist dieses Verständnis von  (euphem.) singulär in der Hebräischen Bibel. Denn  bezieht sich in der Regel auf konkrete Übertretungen, ist also bezogen auf das Halten der Gebote. Eine Zuspitzung der Vorstellung vom Sündigen in Bezug auf die Gottesbeziehung erwartet man daher eher im Zusammenhang einer Thematisierung des ersten Gebots, auf das sich der Rahmen jedoch an keiner Stelle bezieht. Obwohl in den Bezugnahmen auf das Deuteronomium und in den Hiob zugewiesenen Attributen die Frage nach der Erfüllung individueller Gebote anzuklingen scheint, wird Hiobs Gottesbeziehung nur allgemein thematisiert. Zwar wird also für Hiob möglicherweise die Einhaltung von Geboten vorausgesetzt, doch spielt das in der Handlung in keiner Weise eine Rolle. Bei der generellen Thematisierung von Hiobs Gottesbeziehung ist vorausgesetzt, dass das Fluchen gegen Gott für Hiob den Tod mit sich bringen würde. Unklar ist, wie der Zusammenhang von Gottesfluch und Tod konkret gemeint ist. Die Kritik an den Freunden und das Lob Hiobs durch Jhwh in Hi 42,7f stehen in einem Zusammenhang. Der Zorn Gottes bezieht sich auf ihre Reden. Im Blick ist, dass die Freunde nicht ausgerichtet auf Gott hin geredet haben. Der Zusammenhang mit dem Prolog macht deutlich, dass ihr Reden als Ausdruck einer gestörten Gottesbeziehung angesehen wird und sie daher in die Nähe des im Prolog von Hiob erwarteten Fluches gegen Gott gerückt werden. Unklar ist, wieso die Reden der Freunde vom Rahmen derart zugespitzt interpretiert werden. Ein weiteres Problem stellen Hiobs Kinder dar. Diese werden in der Eröffnung der Novelle mit großem Gewicht eingeführt, indem die durch sie bestehende Gefährdung Hiobs berichtet wird.397 Das Thema könnte damit erledigt sein, doch wird von den Gelagen der Kinder in 1,13 noch einmal berichtet, was allein damit, dass dann in der vierten Hiobsbotschaft der Tod der Kinder thematisiert wird, nicht erklärbar ist. Denn die Herden und Karawanen werden vor ihrem Verlust auch nicht ein zweites Mal erwähnt. Die Hervorhebung der Kinder ist auch deswegen so auffällig, da jene am An397

Die besondere Hervorhebung der Kinder resümiert auch Coogan, Job’s Children, 147. Er sieht darin ein Verbindungselement zwischen Prolog und Epilog, doch kann dies die besondere Hervorhebung im Prolog nicht erklären.

324

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

fang mit dem zentralen Thema „Gott fluchen“ in einer Verbindung stehen, ohne dass der Grund dafür genannt wird. Dabei ist unklar, inwiefern die Kinder mit ihrer etwaigen Sünde für Hiob überhaupt ein Problem darstellen und, wie sich die Gefährdung durch die Kinder398 zu den folgenden Gefährdungen durch die Infragestellung von Hiobs Gütern und seines Lebens verhält. Von 1,5 an und später in der ersten Himmelsszene in 1,11 steht hinter dem Geschehen von 1,13ff das Thema des Gottesfluches. Wenn ein möglicher Gottesfluch der Kinder mit dem Unheil, das Hiob trifft, in einen Zusammenhang gebracht werden soll, dann stellt sich doch die Frage, wieso die Kinder mit ihrem Gottesfluch Hiob so umfänglich gefährlich werden. Hätte der Verweis auf eine Sünde der Kinder, die den Vater um die Kinder gebracht hätte, dies nicht ausreichend ausgedrückt? Das andere Unheil stellt zumindest eine Überspitzung dar, die dem Grundsatz      (Dtn 24,16b) widerspricht.399 Hat der mögliche Gottesfluch der Kinder dagegen nichts mit dem anderen Unheil zu tun, stellt sich die Frage, warum dieses Thema so betont den Unheilsbotschaften vorangestellt ist (Hi 1,13). Ebenfalls erklärungsbedürftig ist die Rolle der Opfer in der Rahmenerzählung. Sie werden einerseits als selbstverständlicher Bestandteil der Gottesbeziehung Hiobs genannt, verfehlen aber in Hi 1,1–5 zumindest in Bezug auf Hiobs Kinder ihre Wirkung, während in Hi 42,7ff mit ihnen keine Wirkung verbunden wird. Damit scheint eine gewisse Reserviertheit der Hiobrahmenerzählung gegenüber einer Sühnewirkung von Opfern vorzuliegen, die aber nicht aufgeklärt wird.

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung In der Literarkritik zum Hiobrahmen stehen sich zwei Grundpositionen gegenüber. Einerseits werden massive literarische Wachstumsprozesse angenommen;400 andererseits wird von einer weitgehenden literarischen Einheitlichkeit der Erzählung ausgegangen.401 Eine Mittelposition versucht H. Strauß, indem er auf die Problematik einer Rekonstruktion von Zusät398

Dies ergibt sich daraus, dass die Kinder selbst als Teil von Hiobs Segen betrachtet werden. 399 Vgl. Ez 18,19f; 2 Kön 14,6. 400 Hier sind zuletzt die Positionen von Köhlmoos, Auge Gottes, bes. 48–55; Preuß, Einführung, 83; van Oorschot, Entstehung, 175ff; Syring, Hiob, 151–168; Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 429f, zu nennen. Da sich alle diese Arbeiten mittelbar oder unmittelbar auf den ausführlichen literarkritischen Lösungsversuch Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, beziehen, wird dieser im Folgenden in besonderer Weise diskutiert.

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

325

zen hinweist, literarische Überarbeitungen und auch das Zugrundeliegen einer alten Hioblegende aber weiter für wahrscheinlich hält.402 Im Folgenden sollen die Argumente für oft vorgeschlagene literarkritische Entscheidungen in der Rahmenerzählung einer nochmaligen Prüfung unterzogen werden.403 Man sieht erstens bei der Exposition das Problem, dass die Beurteilung Hiobs in 1,1b, in Hi 1,8b¹; 2,3a¹ wiederkehrt.404 Aufgrund von „Breite und Ausführlichkeit“405 von 1,4f (gegenüber 1,1–3) und dessen Abhängigkeit von 1,1b406 hält man zweitens diesen Teil der Exposition für literarkritisch auffällig.407 Ein wesentliches Problem im Prolog sieht man drittens im Rückbezug der Suffixe bei   in Hi 1,13b¸,408 aufgrund dessen man die Ursprünglichkeit der beiden Himmelsszenen in Zweifel zieht. Sodann wird viertens auf Spannungen zwischen Hi 1,1–2,10 und Hi 2,11–13 hingewiesen.409 Hinzu kommt fünftens, dass man das Gegenüber des Besuchs der drei Freunde (2,11–13) und der Geschwister und Bekannten Hiobs (42,11) als Dublette literarkritisch auswerten zu müssen meint.410 Den sogenannten Brückentext 42,7–10 hält man sechstens aufgrund seiner Abhängigkeit von den Dialogen ebenfalls für sekundär.411 Man sieht aber siebtens außerdem ein literarkritisches Problem zwischen dem Vers Hi 42,7, der sich inhaltlich „in einer Linie mit dem frommen Hiob in 1,21 und 2,10“412 befinde, aber der „Schuldigerklärung“ Hiobs in 42,3.6 widerspreche. Sodann sei achtens „in 42,11–17 die in 2,1–10 berichtete Krankheit Hiobs nicht [bekannt]“413 und 42,12f konkurriere mit 42,10b.414

401

Vgl. Schmid, Wesen, 174; Spieckermann, Satanisierung, 433f. Diese Ansätze sehen die Rahmenerzählung abgesehen von den sog. Brückenversen 2,11–13; 42,7–10 als einheitlich an. 402 Vgl. Strauß, Bemerkungen zur Literargeschichte, 565. 403 Die Ansätze sollen auch dort noch einmal diskutiert werden, wo die Kohärenzanalyse dieser Arbeit die literarische Integrität des Textes sicherstellen konnte. Vgl. zu den folgenden Problemen auch die Literaturübersicht bei van Oorschot, Tendenzen, 356f, und die beispielhafte Vorführung der damit verbundenen Argumentation durch van Oorschot, Entstehung. 404 Vgl. Syring, Hiob, 102f. 405 Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 7. 406 Vgl. Syring, Hiob, 103. 407 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 7. 408 Vgl. ebd., 5; Syring, Hiob, 101. 409 Vgl. Maag, Hiob, 16f. 410 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 6. 411 Vgl. ebd., 12f. 412 Van Oorschot, Tendenzen, 356. 413 Ebd. 414 Vgl. ebd.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

a) Literarische Probleme in Hi 1,1–5 Die Exposition hat sich in der Textanalyse als kunstvoll auf die Person des Protagonisten Hiob zugespitzte Einleitung der Rahmenerzählung erwiesen. Die Wiederholung der Charakterisierung Hiobs in 1,1b in den an den Satan gerichteten direkten Reden Jhwhs (Hi 1,8b; 2,3) kann als Argument gegen 1,1b nicht herhalten. Sie hat an allen drei Stellen eine wichtige Funktion. Während sie in 1,1b auf der Erzählebene der grundsätzlichen Einstimmung des Lesers auf die Thematik des exemplarisch frommen Hiob dient, eröffnet sie in den Himmelsszenen die Auseinandersetzung zwischen Jhwh und dem Satan. Andererseits wird die Charakterisierung durch die Unvergleichlichkeitsaussage ergänzt, und sie erhält durch die Wiedergabe in der JhwhRede zusätzliches Gewicht. Die Entscheidung gegen 1b fällt freilich aufgrund des Zusammenhanges mit den Himmelsszenen: „Weitere kurze Abschnitte sind mit den Gesprächen im Himmel verbunden.“415 Als Problem bleiben der „beurteilende[...] Charakter dieses Satzes“416 und die im zweiten Halbvers begegnende Syntax zu diskutieren.417 Syring ist der Frage der Syntax mit einer statistischen Untersuchung nachgegangen. Er stellt fest, dass der Gebrauch von waw-Perf. in 1,1–5 gegenüber der von W. Schneider418 aufgestellten allgemeinen Statistik „erheblich von den [bei jenem, R.H.] genannten Durchschnittswerten ab[weicht]: in den erzählenden Texten fünf und in den poetischen Texten drei statt der angegebenen zwanzig Prozent.“419 Das Zitat zeigt die Problematik statistischer Untersuchungen selbst; denn eine Abweichung in diesem Bereich kann überhaupt nicht literarkritisch aussagekräftig sein, da sie eher Ausdruck stilistischer oder inhaltlicher Bedingungen ist.420 Das gilt auch für das seltenere waw-Perf. in der Hiobdichtung (Hi 3–42). Sodann stellt sich natürlich die Frage, ob es sich bei den waw-Perfektformen überhaupt um Formen im Sinne des Schneiderschen Systems handelt. Dies hat H. Spieckermann in einem Exkurs bestritten. Er verweist darauf, dass sich viele der Formen als Perfektformen mit waw-Kop. begreifen lassen. Spieckermann warnt außerdem vor einer voreiligen literarkritischen Anwendung dieses Phänomens, da Perfekt mit waw-Kop. aufgrund des Einflusses des Aramäischen bereits vorexilisch an die Stelle des waw-Imperfekts treten kann.421 Tatsächlich liegt in 1,1 kein waw-Perfekt vor. Syring konstatiert hier gegen die Annahme eines waw-Kop. durch Spieckermann zwar, es handle sich um den Gebrauch von waw-Perfekt „als stativische Aussage über die gerade nach Herkunft und Name vorge415

Syring, Hiob, 102. Ebd., 103. 417 Hierbei handelt es sich um das Hauptargument gegen die Ursprünglichkeit von Hi 1,1b auch bei Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 8. 418 Siehe Schneider, Grammatik, 182f (§48.1). 419 Syring, Hiob, 66. Schneider, Grammatik, 182, macht selbst nur ungefähre statistische Angaben, ohne deren Grundlage zu belegen. Auf dieser Grundlage ist eine literarkritische Argumentation sehr fragwürdig. 420 Gegen Syring, Hiob, 69. 421 Spieckermann, Juda, 130. 416

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

327

stellte Person“422. Bei dem Beleg ist zu fragen, was die Verbform bei dieser Annahme inhaltlich von einem Perfekt mit vorangestelltem waw-Kop. unterscheidet, bezeichnet doch das Perfekt die Abgeschlossenheit von Handlungen und kann daher wie in anderen semitischen Sprachen im Hebräischen stativische Aussagen ausdrücken. Dass es sich um ein Perfekt mit waw-Kop. handelt, zeigt die Parallelität von 1,1b zu 1,1a. Der Satz in 1,1b wird mit Kopula (!) an den Einführungssatz zurückgebunden.423 In den V. 4f verhält es sich dagegen etwas anders. Hier liegt zwar waw-Perfekt vor, dies aber aus gutem Grund: Denn es betont hier die Abgeschlossenheit der ausgedrückten Handlung und gleichzeitig deren permanenten Vollzug. So stehen die waw-Perfektformen hier dem Gebrauch eines iterativen Imperfektes in der fortschreitenden Erzählung gegenüber und betonen, dass die Handlung in der Vergangenheit bereits zum Abschluss gekommen ist. Dabei handelt es sich um den normalen Gebrauch dieser Verbform, für den es kein Äquivalent gibt. Das waw-Perfekt dient hier „als tempus frequentativum zum Ausdruck vergangener, resp. in der Vergangenheit wiederholt beendigter Handlungen“424. Diese grammatikalische Einordnung der Formen trifft sich inhaltlich damit, dass in Hi 1,4f mit den waw-Perfekt-Formen die Charakterisierung Hiobs aus V. 1b fortgesetzt wird. Die in der Vergangenheit abgeschlossene Handlung des stellvertretenden Opferns kommt also als zusätzlicher Aspekt (zum Hintergrund) der nachfolgenden Handlung hinzu. Denn alle zum Hintergrund gehörenden Handlungen, nämlich die Vorbereitung des Mahles, die Einladung der Schwestern, das Aufstehen und Opfern werden mit den Perfektformen ausgedrückt, während der mit      eingeleitete Zwischenabschnitt, der auf eine konkrete Handlung zielt, mit waw-Imperfekt beginnt. Da das Ganze in der Exposition der Hiobgeschichte der eigentlichen Handlung voransteht, ist der Gebrauch der Verbformen am ehesten als Stilmittel zu erklären. Im Übrigen kann der Gebrauch von Perfekt gegenüber waw-Imperfekt ein Hinweis auf die spätere Sprachstruktur des Hebräischen im Prosarahmen sein, ohne dass eine sekundäre Abfassung der Verse angenommen werden muss. 425 Auch wenn somit eine alternative Sicht möglich ist, die an späterer Stelle durch eine Beweisführung auf Grundlage einer literarischen Querbeziehung zu ergänzen ist,426 ist der Gebrauch des waw-Perf. an den genannten Stellen als literarkritisches Argument noch nicht restlos widerlegt. Dies ist aber mit einem Seitenblick auf die literarkritische Argumentation selbst möglich: Denn es ist zu beachten, dass auch innerhalb der von Schwienhorst-Schönberger/Steins und Syring herausgearbeiteten Überarbeitungsschichten das Phänomen auf die V. 1b.4f beschränkt ist.427 Die diskutierte Literarkritik hat damit nur ein syntaktisches Problem oder ein besonderes Stilelement von einer Schicht in die nächste verlagert, ohne es zu erklären. Da das Phänomen in der vermeintlichen Schicht nicht weiter begegnet, handelt es sich nicht um ein Kriterium für diese Schicht.

422

Syring, Hiob, 67. Vgl. dazu oben, 228. 424 GK §112e, 344. 425 Vgl. Hurwitz, Date, 28; Kropat, Syntax, 22. Der Hiobrahmen ist schon aufgrund der literarischen Querbezüge eindeutig ein nachexilischer Text. Vgl. auch Spieckermann, Juda, 130, der ebenfalls keine Veranlassung sieht, das Auftauchen der Formen literarkritisch auszuwerten. 426 Der Gebrauch der Verbformen in der Exposition kommt aufgrund der literarischen Abhängigkeit von Hi 1,1–5 von 1 Sam 1,1–7 zustande. Siehe unten, 398ff. 427 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 13; Syring, Hiob, 104. 423

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Gegen die Ursprünglichkeit der V. 4f wird neben einem ‚breiteren Stil‘ weiter angeführt, dass hier, anders als in Hi 1,13b.18b, nicht von Wein bei den Gelagen der Hiobkinder die Rede sei, obwohl „dem Verfasser von 1,4 doch offensichtlich besonders an Ausführlichkeit gelegen war“428. Dies könnte eigentlich als Argument für eine Abfassung in umgekehrter Richtung dienen. Hi 1,13b.18b hätten dann auf 1,4 zurückgegriffen und die Erwähnung von Wein ergänzt. Doch gegen alle diese Möglichkeiten spricht die Tatsache, dass es sich bei dem Wein um ein hintergründiges Argument für die Begründung des Todes von Hiobs Kindern handelt,429 weswegen er nur in 1,13.18, nicht aber schon in 1,4f erwähnt wird. Dass der Stil in 1,4f breiter ist und sich „den knappen, von Substantiven geprägten Formulierungen in 1,1–3 in den VV. 4f eine dichte Abfolge von Verbalsätzen gegenübersteht“430, hängt damit zusammen, dass am Anfang einer Erzählung zunächst notwendigerweise Vorinformationen gegeben werden müssen, bevor die Handlungen dann beginnen können. b) Die literarischen Probleme von Hi 1,6–12; 2,1ff In der Forschung wird der Anschluss von Hi 1,13 an den vorangehenden Text problematisiert. In der Textanalyse ist ausführlich dargelegt worden, dass es sich dabei nicht um ein Kohärenzproblem handelt.431 Außerdem wird festgestellt, dass die „erste Himmelsszene (1,6–12)“ „nur lose mit der ersten Prüfungsszene (1,13–22) verbunden“432 sei. Zunächst fragt man sich, wie eine Verbindung nach vorne eigentlich anders aussehen sollte, als so, 428

Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 8. Siehe oben, 249. 430 Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 7. 431 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 4f, und Syring, Hiob, 74f (Lit.). Vgl. die Diskussion der inhaltlichen Struktur oben, 249. Gleichwohl stellt die Variante der LXX und der Peschitta eine kohäsivere Fassung dar. Die LXX mit ÇĎÍĎÇĖ ѹ Á¸Ė¸Ď¿Íº¸Ìñɼ˸ĤÌÇı scheint die hebräische Alternative      zu bezeugen, während Peschitta vielleicht den gleichen ungebräuchlichen Constr. mit          auflöst. Syring, Hiob, 74, sieht hierin eine sekundäre Problemlösung: „Mit dieser Wiedergabe [der LXX und der Peschitta, R.H.] wird das Problem umgangen, daß die beiden auf Hiob hinweisenden Suffixe der 3. Pers. sing. (   ) sich weder auf den in 1,12 genannten Satan beziehen, noch über diesen hinweg einen Bezug zu dem nur im Gespräch zwischen Jahwe und dem Satan genannten Hiob (1,8f) herstellen können.“ Allerdings ist es m.E. fraglich, ob ein solcher literarischer Eingriff ohne weiteres als Glättung zu verstehen ist. Plausibler wäre es, wenn man annehmen würde, dass eine ursprüngliche Erwähnung aufgrund von  in 1,4 hier ausgefallen ist, was grammatisch eine Vereinfachung darstellen würde, da die Zusammenstellung von Söhnen und Töchtern in der Hebräischen Bibel sonst immer mit äquivalentem Rückbezug erfolgt (siehe nur Hi 1,18b¸!). Allerdings ist dies aufgrund des nur schwachen Zeugnisses der antiken Übersetzungen letztlich nicht beweisbar. 429

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

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dass sukzessive erzählt wird. Dann ist wichtig, dass die Abschnitte wegen der anderen Personen und des anderen Ortes voneinander relativ separiert sein müssen. Denn die Figuren des Textes, also Hiob und die Boten, anders als der Leser des Textes, wissen ja nichts von der Himmelsszene. Gleichwohl sind die Abschnitte durch die zeitliche Parallelisierung mit    , durch den kausalen Zusammenhang der Ereignisse und durch eine Anspielung auf die Himmelsszene in        verbunden.433 Da kein Kohärenzproblem vorliegt und die erste Himmelsszene, da sie das eigentliche Problem erst aufwirft – die Prüfung Hiobs begründet dessen Restitution am Ende –, einen integralen Bestandteil der Erzählung darstellt, ist ihre Streichung nicht gerechtfertigt.434 Mit der Abweisung einer Streichung der ersten Himmelsszene fällt auch ein zusätzliches Argument gegen die Ursprünglichkeit der V. 4f weg. Gegen diese wird in der Regel (nach der Ausscheidung von Hi 1,6–12) angeführt, dass eine Doppelung von V. 4f und V. 13.18 undenkbar sei.435 Nebenbei sei bemerkt, dass mit der Streichung der V. 4f der Rückbezug der Suffixe in Hi 1,13 wiederum nicht im direkten Anschluss, sondern über Hi 1,2f weg, erst in Hi 1,1a vorliegt. Direkt vor 1,13 mit  käme    zu stehen (               ). Ein zusätzliches Problem stellt die direkte Aufeinanderfolge von  mit unterschiedlicher Bedeutung dar. Hinzu kommt, dass ohne Hi 1,5b die Eröffnung von Hi 1,13 mit    in der Luft hängt und die Determination von   unverständlich wäre.436 Des Weiteren fragt man sich bei Hi 1,13b, warum hier vom Erstgeborenen die Rede ist, wenn vorher nicht von den sukzessive stattfindenden Festen gesprochen wurde. Diese Überlegungen zeigen, dass die Streichung der V. 4–12 größere Probleme bereitet, als sie löst und einen inkohärenten Text hinterlässt. Mit größerem Recht, da in diesem Falle ein geringerer Umfang einer Überarbeitung angenommen werden müsste, könnte man theoretisch „nur“ V. 12b emendieren und den Halbvers als eine nachträgliche Angleichung an 2,7a ansehen, was dann auch die stilistischen Unterschiede am Ende der beiden Himmelsszenen erklären würde. Doch auch dies stellt eine nicht beweisba432 Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 4f, greifen dabei auf die Argumentation von L. Schmidt und J. Vermeylen zurück. Während Schmidt, Grundschicht, 166, formuliert, dass „in 13–19 bei der Schilderung der verschiedenen Unglücke, die Hiob treffen, nie der Satan als Urheber auf[tritt]“, weist Vermeylen, Job, 7, auf die gute Fügung zwischen 1,5 und 1,13 auf der einen sowie von 1,22 und 2,7b auf der anderen Seite hin. 433 Vgl. dazu oben, 253. 434 So schon Schmid, Wesen, 174, der vom Satan als „problembegründender Figur“ spricht. 435 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 7f. 436 Vgl. oben, 236.

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

re, da ausschließlich in dem als unproblematisch erwiesenen Rückbezug der Suff. in Hi 1,13a begründete Annahme dar.437 Die Literarkritik im Hiobprolog bestreitet weiterhin, dass Hi 2,1–10 ursprünglich auf Hi 1,13–22 gefolgt ist. Als Hauptargument wird angeführt, dass Hi 2,1ff mit dem auszuscheidenden Abschnitt Hi 1,6–12 zusammengehöre.438 Die zweite Himmelsszene sei als Steigerung der ersten aufzufassen.439 Die Emendation von Hi 2,1ff ist damit eine Sekundärhypothese zur Ausscheidung von Hi 1,6–12. Ihr kommt daher von vornherein noch geringere Plausibilität als der Literarkritik zu Hi 1,6ff zu. P. Weimar geht in seiner Untersuchung anders vor. Er resümiert zwar, dass die Doppelung ein Stilmittel sein kann, nutzt sie aber in der Hiobrahmenerzählung, um die s.E. „zu vermutende ältere Fassung der Ijobnovelle“ zu rekonstruieren. Weimar führt „den schwerfälligen Stil in der zweiten Himmelsszene“ als Argument für ihre Ausscheidung an. Dies kann nicht überzeugen, da er gleichzeitig darauf hinweist, dass die beiden Szenen „nicht nur genau parallel strukturiert [sind], sondern [...] auf weite Strecken hin auch wörtliche Übereinstimmungen auf[weisen]“440. Die monierte Doppelung der Phrase    in 2,1 muss man auf einen Textfehler in MT zurückführen.441 Bei dem ebenfalls monierten Unterschied des Fragewortes (/ ) stellt sich die Frage, wer eigentlich entscheidet, welches Fragewort ein antiker Autor zu verwenden hat. Das Argument, dass V. 3 umfangreicher sei als das Äquivalent in der ersten Himmelsszene, erklärt sich schlicht aus dem Rückbezug auf jene.442 Die literarkritische Argumentation bei Schwienhorst-Schönberger/Steins gewinnt aus dem Gegenüber der Prüfungsszenen 1,13ff und 2,7b.8 ein weiteres Argument. Bei beiden würden sich die stilistischen Unterschiede nicht allein aufgrund der „thematischen Verschiedenheit erklären lassen“443. Jedoch kann man den Entzug des Segens Jhwhs, der in großem Wohlstand und großer Nachkommenschaft Hiobs bestand, leichter als Folge mehrerer Ereignisse beschreiben als den Angriff auf die körperliche Integrität Hiobs durch den Aussatz. Der Unterschied zwischen den Schlägen in 1,13–22 – die im Übrigen durch die Erwähnung der Kinder in 1,13 und 18 sowie die Formulierungen der Boten zu einem Ereignis werden – und dem einen Schlag 437

Vgl. dazu die Analyse oben, 249f. Vgl. Syring, Hiob, 103. 439 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 5. 440 Weimar, Ijobnovelle, 73. 441 In der LXX ist der Passus nur in der Rezension des Origenes unter Asteriskus eingefügt. Damit dürfte die ursprüngliche LXX auf eine hebräische Lesart ohne die Dittographie zurückgehen. Siehe den Apparat bei Ziegler, LXX, 215. Vgl. auch Fohrer, Hiob, 95. 442 Zur Argumentation vgl. Weimar, Ijobnovelle, 73f. 443 Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 5. 438

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

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in 2,7a.8 kann die literarkritische Operation jedenfalls nicht plausibel begründen.444 Die nachfolgenden Verse Hi 2,9f werden aufgrund ihrer Abhängigkeit von den vorangehenden Versen ebenfalls für sekundär erklärt. Hier erübrigt sich eine Diskussion, da wir uns bei 2,1ff bereits im Rahmen einer abgewiesenen Subhypothese zu einer vorgeschlagenen Emendation von 1,6–12 befinden. Als letztes Argument gegen die Zugehörigkeit von Hi 2,1–10 wird von Schwienhorst-Schönberger/Steins angeführt, dass im Epilog die Restitution der Gesundheit Hiobs nicht ausdrücklich erwähnt werde, nachdem es sich bei dem Aussatz in 2,1ff um einen gegenüber 1,13ff gleichbedeutenden Einschnitt handele.445 Hier ist auf die Textanalyse zu verweisen, die gezeigt hat, dass die Restitution von Hiobs sozialer Einbindung das Ende seiner Krankheit voraussetzt.446 c) Zwei Fassungen des Hiobschlusses? Innerhalb des Hiobschlusses sieht man oft zwischen 42,7–10 und V. 11ff einen Bruch. Der für jünger gehaltene Abschnitt 42,7–10 wird in Abhängigkeit von den Dialogen gesehen.447 Der verbleibende Abschnitt konkurriere mit dem vorangehenden, da die Restitution Hiobs in 42,10 vor 42,12 zu früh komme. Außerdem kenne 42,11ff die Krankheit Hiobs nicht, woraus sich erschließen lasse, dass dieser Abschnitt älter sei als Hi 2,1ff. Demgegenüber wurde in der Textanalyse festgestellt, dass kein Bruch zwischen Hi 42,10 und V. 11 zu konstatieren ist. Stattdessen setzen der Ortswechsel und die Wiederherstellung der sozialen Einbindung Hiobs auch die Wiederherstellung seiner körperlichen Integrität voraus. Die V. 11ff verstehen sich als sukzessive Explikation der vorangestellten Bemerkung über die Wendung von Hiobs Geschick (42,10a), die sich in umgekehrter Reihenfolge zu der Infragestellung Hiobs in Hi 1f vollzieht.448 Als Dublette wird das Gegenüber von Hi 42,10 und V. 12 angesehen:449

444

Gegen Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 5. Gegen ebd., 5f. 446 Vgl. oben, 308. 447 Vgl. z.B. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 12f. Zur Kritik vgl. grundsätzlich Schmid, Hiobproblem, 15. 448 Siehe oben, 308f. 449 So schon Alt, Vorgeschichte, 265, der die Parallelität der Aussagen zum gewendeten „Geschick“ Hiobs in V. 10 und V. 12ff anführt („Zweimal ist am Schluß des Buches Hiob davon die Rede, wie Jahwe den bewährten Dulder in seine frühere Lebenslage zurückversetzt“). Alt zieht daraus die Konsequenz, dass sich hier zwei unabhängige Schlüsse einander gegenüberstehen. Vgl. ebd., 266. 445

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Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung          12

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V. 12 muss mit V. 13 zusammen gesehen werden. Zunächst ist deutlich, dass eine inhaltliche Verbindung zwischen V. 10 und V. 12 in der Größe des Viehbesitzes liegt, wenn man hierzu Hi 1,3 vergleicht. Denn dieser ist tatsächlich doppelt so groß wie der in Hi 1,3 angegebene. Dass dann die Zahl der Kinder der angekündigten Verdoppelung nicht entspreche, was immer hervorgehoben wird,450 sei ein Hinweis auf den redaktionellen Charakter von V. 10 (bzw. der V. 7–10).451 Doch vernachlässigt dies den Fortgang des Textes in Hi 42,16b. Denn nach der Geburt der Kinder erlebt Hiob als Familienoberhaupt vier Generationen von Kindern und Kindeskindern.452 Bereits A. Alt sah im Gegenüber von Hiobs Freunden (42,7–10) und seinen Verwandten (42,11ff) eine jeweils unterschiedliche Beziehung zu dem vorangehenden Text. S.E. ist das Fehlen der Freunde in Hi 42,11ff auf eine Fassung der Erzählung zurückzuführen, in der diese noch keine Rolle spielten, und demzufolge auch die Dichtung noch nicht integriert war.453 Da zudem in Hi 42,11ff keine Rede von Hiobs Krankheit ist, gehöre dieser Schluss auf eine Stufe nur mit Hi 1.454 Wie demgegenüber in der Textanalyse festgestellt werden konnte, steht das Auftreten der Verwandten in Hi 42,11 in deutlichem Kontrast zu Ankunft und Verhalten der Freunde Hiobs in Hi 2,11–13 und deswegen auch in einer engen Beziehung mit Hi 42,7–10.455 Daher und aufgrund des Überschriftcharakters von 42,10 in Bezug auf die folgende Erzählung kann von zwei eigenständigen Schlüssen nicht die Rede sein. Wenn man den Zusammenhang von 42,7–17 nicht zerreißt, kann man den Epilog auch nicht für eine literarkritische Option im Prolog auswerten. Dass in 42,12a eine Zäsur hinsichtlich des vorangehenden Textes spürbar ist, liegt daran, dass hier – die Exposition (Hi 1,1–5) aufnehmend – zu den Schlussformulierungen des Hiobbuches übergegangen wird, so dass der Schluss des Buches der Einführung Hiobs in Hi 1,2f gegenübersteht.

450 Vgl. zuletzt Ha, Frage und Antwort, 43, und die in der Textanalyse angegebenen Erklärungsversuche oben, 311f. 451 Mende, Ijob II, 294; Mende, Durch Leiden, 308f. 452 Siehe oben, 311f. 453 Vgl. Alt, Vorgeschichte, 267. 454 Vgl. ebd., 267f. 455 Siehe oben, 304f.

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

333

d) Das Verhältnis von Hi 2,11–13 und 42,7–10 zur Rahmenerzählung Neben verschiedenen Einheitshypothesen werden zur Zeit vor allem zwei Hypothesen zum Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung vertreten. Es handelt sich einerseits um die Annahme, dass vom Dichter von Hi 3,1–42,6 eine ursprünglich selbstständige Erzählung als Ausgangspunkt genutzt wurde bzw. der Dichter unter Rezeption einer älteren Erzählung den Rahmen selbst gestaltet habe. Andererseits vermutet man, es sei erst nachträglich zu einer Verknüpfung von Dichtung und Prosaerzählung als ursprünglich unabhängiger Größen gekommen.456 In beiden Modellen ist die Annahme, dass die Abschnitte 2,11–13; 42,7–10 gegenüber der Rahmenerzählung ergänzt worden sind, essentiell. Besonders im zweiten Modell wird relativ unhinterfragt angenommen, dass an der Schnittstelle zwischen der Rahmenerzählung und der Dichtung literarische Zusätze vorliegen, die der sekundären Einbindung der Dichtung in eine schon bestehende ältere Erzählung dienen.457 Die literarkritische These der sekundären Verklammerungen geht in ihren unterschiedlichen Ausprägungen von der Grundannahme aus, dass es sich bei der Erzählung um einen unabhängig von der Dichtung bestehenden Abschnitt handelt. Dies versucht Maag damit zu beweisen, dass in Hi 1,1–2,10 „ein im Aramäerland beheimateter Hiob“ vorausgesetzt sei, während in 2,11–13 „edomitische Freunde“ eingeführt würden. Freilich hängt dieses Argument an äußerst hypothetischen Überlegungen zu den Lokalan456 Vgl. dazu van Oorschot, Tendenzen, 355–358; Kaiser, Grundriß, 78f; vgl. Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 426f; zuletzt Köhlmoos, Auge Gottes, 51f. 457 Vgl. bes. Vermeylen, Job, 27; Berg, Gott, 206. Ein Teil der Forscher nimmt an, dass die Übergangsverse ursprünglicher Bestandteil der Hiobdichtung gewesen sind und erst später mit dem Rahmen zusammengeführt wurden. Vgl. z.B. Maag, Hiob, 18. An dieser Stelle ist auch noch einmal an die ältere Forschung zu erinnern, die zwei unabhängige erzählerische Rahmen vermutete (Hi 1,1–2,10; 42,10ff und Hi 2,11–13; 42,7–9). Vgl. Kuhl, Literarkritik, 201 (Lit.). Ausführlich begründet Schmidt, De Deo, 173ff, den sekundären Charakter sowohl von Hi 2,11–13 als auch von 42,7–10. Ansatzpunkt ist eine unterschiedliche Bewertung Hiobs in der älteren Hioberzählung und der Hiobdichtung. Zunächst sei vom Dichter Hi 2,11–13 geschaffen worden, um die Dichtung mit der Erzählung zu verbinden. In Hi 42,7–10 habe sich demgegenüber die dominante Rolle der Bewertungen Hiobs in Hi 1f durch Jhwh sekundär durchgesetzt. Vgl. ebd., 177. Als Hauptargument innerhalb von 42,7ff führt er (ebd., 172) an, dass die Jhwh-Rede an Eliphas in Hi 42,7f impliziere, dass die Freunde schon an ihre Orte zurückgekehrt seien. Doch ist dies problematisch, da in 42,9 der gemeinsame Gehorsam eine direkte Kommunikation zwischen den Freunden voraussetzt und auch das Opfer ja bei Hiob dargebracht werden soll. Dem Autor war hier primär die Exklusivität der Jhwh-Reden wichtig. Siehe dazu oben, 294f. Die Freunde werden aus der Sicht des Rahmens ebensowenig Zeugen der Gottesreden (Hi 38– 42) wie Hiob Zeuge der Jhwh-Rede an Eliphas wird. Mit ähnlichen Argumenten verbindet Weimar, Literarkritisches, 64, Hi 42,7–10 mit der Prosaeröffnung der Elihureden.

334

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

gaben, von denen nur diejenige des Eliphas überhaupt nachvollziebar ist.458 Seit A. Alt wird als literarkritisches Argument gegen die Ursprünglichkeit der Abschnitte angeführt, dass „das eine Mal [...] die drei Freunde Hiobs auf[treten], das andere Mal der größere Kreis seiner Verwandten und Bekannten“ und dass das, „was jene und diese tun [...] durchaus nicht das gleiche [ist]“459. S.E. wird dies durch die Einfügung der Freunde in die Handlung der Hioberzählung bewirkt,460 die mit 42,7–10 im Epilog zur Schaffung eines neuen Schlusses für die traditionelle Erzählung geführt hat. „[D]aß deren Schluß erhalten blieb, obwohl [er] in der jüngeren Form 42,7–10 allein an seine Stelle hätte treten sollen, ist einer der Kompromisse, mit denen die Geschichte so oft Altes und Neues nebeneinander festzuhalten sucht, auch wo sie im Grunde nicht auszugleichen sind.“461 Diese Hypothese wird meist ohne die Annahme einer weiteren literargeschichtlichen Zwischenstufe rezipiert.462 Die Einfügung von 42,7–10 wird dabei in der Regel auch für die Einfügung der Dichtung verantwortlich gemacht.463 Gegen sie spricht einerseits, dass dann in 42,11 unvermittelt davon die Rede wäre, dass die Verwandten und Bekannten zu Hiob kommen. Beschränkt man die literarische Einfügung auf Hi 42,7–9 und rechnet Hi 42,10 zum ursprünglichen Bestand, muss man zumindest die Formulierung     im ersten Halbvers ausscheiden,464 wobei es für alle diese Operationen keine Hinweise in der Oberflächen- und Kohärenzstruktur des Textes gibt. Stattdessen bildet die Ankunft der Brüder und Schwestern und Bekannten die logische Folge von Hiobs Wiederherstellung als Reintegration des Aussätzigen in sein soziales Umfeld.465 Da es keine Kohärenzprobleme zwischen 2,11–13 und dem übrigen Prolog sowie zwischen 42,7–10 und dem übrigen Epilog gibt,466 sondern die Verse bruchlos der Einbindung der Dichtung in die Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung dienen,467 muss der zirkulär argumentieren458 Maag schreibt selbst, dass „für Suah und Na‘ama aramäische Lokalisationen zur Not möglich wären“ (Maag, Hiob, 16 – Hervorhebung: R.H.). Zu den Herkunftsangaben der Freunde vgl. oben, 273f. 459 Alt, Vorgeschichte, 266. 460 Nach Alt, Vorgeschichte, 267, ist eine ursprüngliche Streitrede zwischen Hiob und den Freunden, die Gott in 42,7–10 zugunsten Hiobs entscheide, durch die spätere Einfügung der Dichtung weggebrochen. 461 Alt, Vorgeschichte, 268. 462 Vgl. aber die Probleme, die Fohrer, Hiob, 539, und Wagner, Versuch, 218, in der Anbindung von 42,7–10 an die vorangehende Dichtung sehen. 463 Vgl. van Oorschot, Tendenzen, 358. 464 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Ijob-Erzählung, 12f. 465 Vgl. oben, 308. 466 Vgl. die entsprechenden Abschnitte in der Analyse. 467 Vgl. zur Kohärenzstruktur der Rahmenerzählung oben, 313ff.

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

335

de Versuch der Abtrennung der sog. Übergangsverse von der übrigen Rahmenerzählung als unbegründet angesehen werden. e) Das Kohärenzproblem im Übergang zwischen Hi 2,11–3,1 und 3,2ff Nachdem sich die Annahme der sekundären Abfassung der Übergangsverse zwischen der Prosaerzählung und der Dichtung (2,11–13) nicht halten lässt, da diese in einer unmittelbaren Beziehung zu den Kohärenzstrukturen der Prosaerzählung stehen, bleibt die Frage, wie sich der direkte Kontext der Übergangsverse zur Dichtung verhält, bestehen. Ich war oben bereits mehrfach auf Kohärenzprobleme zwischen der Überschrift Hi 3,1 und der nachfolgenden Hiobrede gestoßen.468 Die Klage in Hi 3,2ff ist Ausgangspunkt einer anderen Kohärenzstruktur, die auf die Gottesreden und auch auf eine Antwort Hiobs (vgl. Hi 42,1–6) abzielt. Hi 3,1 interpretiert aber die nachfolgende Klage von der Problematik des Hiobprologes her. Einerseits wird mit    zeitlich direkt auf die vorangehende Einheit Bezug genommen, und das Brechen von Hiobs Schweigen schließt sich inhaltlich direkt an die Ankunft der Freunde an. Andererseits stellt 3,1 eine Redeeinleitung dar, die den folgenden parallelisierenden Stil nachzuahmen sucht. Gleichzeitig folgt in 3,2ff eine erste Rede Hiobs, die inhaltlich durch die Überschrift 3,1 zunächst zutreffend charakterisiert erscheint.469 Betrachtet man den gesamten Dialogteil, fällt freilich der besondere Charakter von 3,1 ins Auge;470 denn außer der Hinführung auf die Reden Elihus (Hi 32,1–5)471 gibt es keine solchen zusammenfassenden Vorwegnahmen im Hiobbuch. Genauer betrachtet zeigt sich allerdings weiter, dass die Überschrift in 3,1 nur zu den ersten Versen von 468

Siehe oben, 42 und 282ff. Fohrer, Hiob, 115, meint, der Abschnitt komme „einem Fluch so nahe [...] daß wenigstens von einem Fluchwunsch oder einer Verwünschung zu sprechen ist“. Er weist dazu auf die inhaltliche und formale Parallelität zu Jer 20,14–18 hin, doch ist auch dort zu fragen, ob bei diesem Text von einem wirklichen Fluch die Rede sein kann, da ja das Ereignis, auf das er gerichtet ist, längst vergangen ist. In diesem Sinne ließe sich die Formulierung     auf die zurückliegende Realität beziehen: Die Geburt eines Kindes liegt zurück und gilt als Ausdruck des Segens. Dem entspricht auch der im Alten Orient sonst übliche Gebrauch von Flüchen, bei denen man präventive und punitive unterscheidet. Vgl. Steymans, Deuteronomium 28, 28f (Lit.); Steymans, Segen und Fluch II, RGG4 7, 1132–1134. Vgl. demgegenüber die Ausleger von Jer 20: Weiser, Jeremia, 180 („Selbstverfluchung“); Wanke, Jeremia, 187; Lundbom, Jeremiah, 869. Für den vorliegenden Text fällt der Unterschied zwischen Hi 3,3ff und Jer 20,14ff ins Gewicht, denn in Hi 3,3ff wird der Imperativ   vermieden. Schmid, Schriftdiskussion, 253, sieht eine kritische Rezeption von Jer 20 in Hi 3. Wenn dem so ist, erklärt sich der terminologische Unterschied aufgrund der Intention von Hi 3, die die Kenntnis von Jer 20 voraussetzt. 470 Vgl. oben, 31ff. 471 Vgl. dazu unten, 445ff. 469

336

Kap. 3: Kohärenz, Intention und Funktion der Rahmenerzählung

Hiobs erster Rede zu passen scheint, aber das eigentliche Thema der Klage nicht trifft. Denn die Imperfekte in den Formulierungen in 3,3–7 sind nicht als wirklicher Fluch aufzufassen, vielmehr handelt es sich bei ihnen im modalen Sinne um irreale Formulierungen und damit um Formulierungen der Klage.472 Das Nebeneinander zweier Redeeinleitungen bringt weitere Kohärenzprobleme mit sich. Hi 3,1 bindet den nachfolgenden Text mit dem vorangehenden zusammen und stellt in Aussicht, dass Hiob nun den Fluch gegen die eigene Existenz richtet, den er nicht gegen Gott gerichtet hatte. Nach der Redeeinleitung Hi 3,2 stellt sich der nachfolgende Kontext als Teil eines größeren Kommunikationszusammenhanges dar. Denn Hi 3,2 ist äquivalent zu den nachfolgenden Redeeröffnungen aufgebaut, was die Masoreten dazu bewogen hat, zwischen 3,1 und 3,2 eine Textgrenze zu markieren. Angesichts dessen bildet 3,2 eher eine Zäsur zur Rahmenerzählung. Für 3,2 scheint zusätzlich das Problem zu bestehen, dass  hier nicht die gleiche Bedeutung hat wie bei allen anderen Reden des Hiobbuches.473 Das Problem zwischen den V. 1 und 2 ist von den Übersetzern der LXX und vielleicht auch schon in ihrer Vorlage gesehen worden. Deswegen wurde die Redeeinleitung angepasst, indem die Eröffnung von 3,2 ausgelassen wurde bzw. unübersetzt blieb: ¼ÌÛÌÇıÌÇôÅÇÀƼÅ ѹÌġÊÌĠĸ¸ĤÌÇıÁ¸ĖÁ¸Ì¾ÉÚʸÌÇÌüÅ ÷ÄñɸŸĤÌÇıÂñºÑÅ. Der Satz schließt konsequenterweise mit ÂñºÑÅբ474 was dazu dient, den nachfolgenden Text klar als direkte Rede zu markieren. Es ist deutlich, dass das von der LXX ausgeglichene Problem dadurch zustande kommt, dass in 3,1 eine neue Überschrift über einen bereits existierenden Text mit eigener Einleitung gestellt wurde, die die nachfolgende Rede Hiobs im Sinne des Prologs interpretiert. 3,2 ist dabei offenbar unangetastet geblieben, was auch für den nachfolgenden Text zu vermuten ist. Für die Bestimmung der Richtung der literarischen Abhängigkeit ist es entscheidend, dass Hi 3,1 im direkten inhaltlichen Zusammenhang des Prologs steht und die nachfolgende Klage in dessen Konzept zu integrieren sucht. Es ergibt sich eine inhaltliche Linie, die vom Prolog über Hi 3,1 auf die Eröffnung der Klage in 3,3ff zielt. Doch dabei wird die eigentliche Intention der Klage verkannt; denn es handelt sich weder im Gesamttext von Hi 3,3–26 noch in Teilstücken um einen Fluch gegen die eigene Existenz. Hi 1,1–3,1 muss also mindestens auf Kap. 3 zugeschrieben worden sein. Für weitere literarische Stufen innerhalb des Prologs gibt es keine plausiblen Hinweise. Der Übergang, an dem sich eine literarische Überarbeitung fest472

Siehe ausführlich oben, 41f. Vgl. zum Gebrauch von  oben, 39f. 474 Die Zusätze u.a. bei Origenes und im Cod. Alexandrinus gehen auf Versuche einer stärkeren Angleichung an den MT zurück (vgl. die LXX zu Hi 4,1; 6,1 etc.). 473

10. Zur Literarkritik der Rahmenerzählung

337

stellen lässt, liegt damit exakt zwischen 3,1 und 3,2, also zwischen Rahmenerzählung und Dichtung. f) Hi 42,1–6 und 42,7ff Zwischen Hi 42,1–6 und dem nachfolgenden Text liegt aufgrund formaler Kriterien eine Zäsur vor; denn Hi 42,1–6 wird noch eingeführt mit der in der Dichtung üblichen Eröffnung         . Bis V. 6 liegt poetischer Text vor, während sich in Hi 42,7ff Prosatext anschließt. Der Unterschied zeigt sich besonders markant in 42,7b, wo eine weitere direkte Rede Jhwhs eingeleitet wird, in der aber der poetische Stil nicht mehr vorliegt. Parallel dazu ergibt sich zwischen Hi 42,7 und dem vorangehenden Zusammenhang ein Kohärenzproblem; denn die Redeeinleitung der Jhwh-Rede an Eliphas wird mit         an eine vorangehende Rede Jhwhs an Hiob angeschlossen. Daraus hat z.B. G. Fohrer gefolgert, dass sich Hi 42,7 ursprünglich auf eine Gottesrede in der Hioblegende bezogen hat. 475 E. Kutsch schließt, dass vor 42,7ff eine ältere Dichtung gestanden habe.476 Sonst wird dieses Problem kaum zur Kenntnis genommen, da man 42,7ff für eine Ergänzung zur Rahmenerzählung hält. In der Textanalyse wurde demgegenüber festgestellt, dass mit     bewusst nicht nur an eine einzelne Gottesrede angeknüpft wird, sondern an beide Gottesreden, was als Zeichen dafür aufzufassen ist, dass dem Verfasser beide Reden als Reaktion Jhwhs auf Hiob wichtig waren.477 Deshalb stellt der Verfasser von Hi 42,7ff diese Information dem Bericht von Jhwhs Reaktion auf Eliphas (und die beiden anderen Freunde) voran. Diese inhaltliche Prämisse verursacht im direkten Kontext jedoch trotzdem ein Kohärenzproblem, da dem Leser natürlich die direkt vorangehende Äußerung Hiobs präsent ist. M.E. erklärt sich das Problem am einfachsten durch die Annahme einer sekundären Anbindung von 42,7ff an die zugrundeliegende Dichtung. Der Verfasser von 42,7ff rezipiert die Dichtung aus seiner Perspektive und entsprechend dem Fortgang seines Textes, wodurch das Problem, das sich formal im Gegenüber von Dichtung und Prosa widerspiegelt, entstanden ist.

475

Fohrer, Hiob, 539. Vgl. Kutsch, Hiob und seine Freunde, 82. 477 Siehe oben, 285ff. 476

Kapitel 4

Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung 1. Vorbemerkung Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die literarische Bezüge der Hiobrahmenerzählung zum Inhalt haben.1 Daneben werden auch viele Bezüge der Hiobdichtung zu anderen Texten vermutet.2 Die Bezüge der Hiobdichtung sind unspezifischer, entweder durch den Gebrauch von häufig in der poetischen Literatur verwendeten Formulierungen bestimmt, oder generell durch den Gebrauch bestimmter Gattungen gegeben. Vergleicht man sie mit den Elihureden, so wird die Besonderheit ebenfalls deutlich. Anders als diese zitieren die Reden im Dialogteil nämlich auch nicht aus den vorangehenden Reden, auf die sie sich direkt beziehen. Da dies offenbar eine Eigenart der ursprünglichen Hiobdichtung im Umgang mit vorgegebener Literatur ist, lassen sich Bezüge schwerer als anderswo identifizieren.3 Bei der Rah1

Zur Methodik siehe oben, 12ff. In diesen Bereich gehört auch die viel diskutierte Beziehung des Hiobbuches zu altorientalischen Texten. Hier wurden in der älteren Forschung, die noch unter dem Einfluss der religionsgeschichtlichen Schule stand, direkte literarische Bezüge vermutet. Dies wurde aber in der neueren Forschung eher skeptisch beurteilt. Vgl. Eißfeldt, Einleitung, 635; Müller, Hiobproblem, 67–69.110–158. Da die inhaltlichen Bezüge zwischen dem Hiobbuch und diesen Texten vage bleiben, soll hier nicht der Versuch unternommen werden, direkte literarische Beziehungen zu rekonstruieren. Zuletzt vermuteten solche Uehlinger, Hiob, 162 (für Ludlul bl nmeqi und Babylonische Theodizee), und Kunz-Lübcke, Hiob, 290 (für das ägypt. Totenbuch). Allerdings kann nach der Arbeit von D. Sitzler (Sitzler, Vorwurf gegen Gott) davon ausgegangen werden, dass die Hiobdichtung Anteil hat an dem im Alten Orient weit verbreiten Motiv des „Vorwurfes gegen Gott“. – Auch könnte die Vermutung einer Beziehung der Hiobdichtung nach Ugarit (vgl. de Moor, Ugarit, 255f) darauf weisen, dass die uns vorliegende Hiobdichtung die literarisch im Zusammenhang des nachexilischen Monotheismus umformulierte Version einer älteren Dichtung ist, womit sich einige Anhaltspunkte für die Überlieferungskritik in der Hiobdichtung gut verbinden ließen. Eine Rekonstruktion der Vorlage ist bei dem vorausgesetzten religionsgeschichtlichen Umbruch m.E. jedoch kaum plausibilisierbar. Vgl. dazu methodisch Heckl, Religionsgeschichte. 3 Mettinger, Intertextuality, vermutet Bezüge zwischen Hi 7 und Ps 8 (vgl. dazu auch Köhlmoos, Auge Gottes, 171f), zwischen Hi 16,7–17; 19,6–12 und Klgl 3 und eine Reihe von Psalmen; vgl. grundsätzlich Mettinger, Enigma, 5ff. Vgl. jetzt weiter die Linien, die 2

1. Vorbemerkung

339

menerzählung hat man es hier leichter. In ihr sind die Bezüge besser identifizierbar. Dass man hier mehr aufdecken kann als in anderen Bereichen der Hebräischen Bibel, so dass das Traditionsgeflecht erkennbar wird, in dem der Hiobrahmen steht, hängt maßgeblich damit zusammen, dass die Abfassung des Hiobrahmens im Vergleich zu anderen biblischen Texten relativ spät anzusetzen ist.4 Für die Hiobrahmenerzählung muss daher zwar nicht angenommen werden, dass sie sich stärker auf andere Texte bezieht als vergleichbare biblische Texte. Doch sind diese Bezüge leichter offenzulegen, weil sie zumindest zu einem großen Teil zu dem schon bestehenden und bekannten Kern der israelitisch/jüdischen Traditionsliteratur führen, der in den Kanon der Hebräischen Bibel mündet. Dabei handelt es sich im Fall des Hiobrahmens wohl mindestens um den Pentateuch und zum Teil auch den Prophetenkanon. Bei der Analyse der Rahmenerzählung sind einige dieser literarischen Beziehungen schon deutlich geworden.5 Es zeigten sich konkrete Aufnahmen und Zusammenhänge, die im klassischen Sinne traditionsgeschichtlicher Natur waren, bei denen die Feststellung eines eindeutigen Textbezuges nicht möglich war, weil ein bestimmtes Phänomen sehr häufig vorkommt oder unspezifisch ist. Es konnten daneben Texte ausfindig gemacht werden, die in ganz besonderer Weise im Hintergrund der Hiobrahmenerzählung gestanden haben. Freilich stellt sich mit der häufigen Vermutung von literarischen Bezügen auch ein methodisches Problem ein. Die relativ späte Abfassung und die Tatsache, dass sich die Hiobrahmenerzählung literarisch im Kontext einer Fülle von Literatur befindet, muss nicht unbedingt zur Folge haben, dass diese Bezüge auch allesamt tatsächlich intendiert sind. Außerdem kann ihre Verarbeitung auch rein punktueller Natur sein wie manche möglichen Bezüge, die sich bei der Analyse der Hiobdichtung zeigten. Dennoch ist auch die Feststellung einer solchen begrenzten Übernahme von literarischen Motiven und Traditionen für die Auslegung relevant, weswegen sie in der Textanalyse bereits genannt und zum Teil ausgewertet worden sind. nach Schmid, Schriftdiskussion, in unterschiedliche Bereiche der Hebräischen Bibel führen. 4 Auch wenn man nicht ganz so weit wie Veijola, Abraham, 142f, wird gehen können, der an das 4. und 3. Jh. v.Chr. denkt, so weist die Rezeption des Pentateuchs und die Rezeption der Samuelis-/Königebücher (vgl. dazu unten, 392ff) auf die späte Perserzeit. 5 In der Dichtung konnten demgegenüber kaum konkrete Berührungspunkte ausfindig gemacht werden, obwohl es eine Reihe von Anhaltspunkten dafür gab, dass auch hier Literatur verarbeitet worden ist. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass es sich bei der Hiobdichtung um ein etwas älteres literarisches Werk handelt, es also vielleicht aus der frühen Perserzeit stammt, in der die ersten autoritativen Texte Israels noch im Entstehen begriffen waren.

340

Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Der Schwerpunkt liegt im Folgenden darauf, dass eine literarische Verarbeitung von literarischen Texten plausibel aufgezeigt werden kann.6 Dabei leisten a) Zitate bzw. zitatartige Formulierungen große Hilfe, denn auf ihrer Grundlage lassen sich weiter gehende literarische Beziehungen zu dem Textzusammenhang, aus dem sie stammen, wahrscheinlich machen. Sodann sind b) Motivkombinationen Hinweise, die zu bestimmten literarischen Texten führen. Wenn sich c) in zwei Texten spezielle strukturelle oder formale Eigenheiten zeigen, wenn zugleich inhaltliche Beziehungen erkennbar sind, lässt sich eine literarische Rezeption ebenfalls absichern. Die Analyse der literarischen Bezugnahmen wird im Folgenden ihren Ausgangspunkt bei der Bestimmung der Beziehung zwischen Hiobrahmen und Hiobdichtung nehmen. Hier ist natürlich die Annahme einer Bezugnahme am wenigsten hypothetisch, da die Texte im literarischen Zusammenhang überliefert sind. Die Richtung der literarischen Beziehung ist im Rahmen der Kohärenzanalysen und der Literarkritik bereits deutlich geworden. Anhand des Vergleiches der inhaltlichen Bezüge ist allerdings die Verarbeitung der Hiobdichtung durch den Verfasser des Rahmens noch einmal zu prüfen und ihre Intention zu bestimmen. Danach soll in einem weiteren Schritt dem in der Hiobrahmenerzählung aufgegriffenen Milieu der Erzelternerzählungen und den dabei vorausgesetzten Textbezügen nachgegangen werden. Anschließend wird den (kritischen) Bezugnahmen zum Deuteronomium und dem Deuteronomismus nachgegangen. Dieser Schritt leitet über zu der Bearbeitung einer für die gesamte Rahmenerzählung relevanten Textbeziehung7, die noch einmal zur Bezugnahme auf den Deuteronomismus zurückführt. Am Ende soll es um das Epitheton   gehen. Diese auffällige Bezeichnung für Hiob ist unlängst von M. Rohde für eine literarische Beziehung in Anschlag gebracht worden.8 Da es sich nur um ein einzelnes, aber häufig belegtes Motiv handelt, ist der Nachweis konkreter literarischer Querbeziehungen nicht möglich. Dennoch deckt ein Vergleich mit dem theologischen Gebrauch von

 in der Hebräischen Bibel das traditionsgeschichtliche Umfeld auf, in dem die Hiobrahmenerzählung steht.

6 So lässt sich beispielsweise bei der von Hoffmann, Parallele, 120–132, angenommenen Parallele der Hiobrahmenerzählung 1 Chr 7,20–29 (oder umgekehrt) keine Intention der Rezeption feststellen. Allein der Bericht vom Tod der Kinder einer Person, der Trost durch Verwandte und die Geburt eines anderen Sohns sind zu unspezifisch und rechtfertigen nicht die Annahme einer literarischen Rezeption. 7 Vgl. unten, 392ff. 8 Vgl. Rohde, Knecht.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

341

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung Für ein einheitlich konzipiertes Werk ist zu erwarten, dass die Themen, die im Zentrum verhandelt werden, im Rahmen nicht nur vorkommen, sondern dort (im Prolog) in geeigneter Weise eingeführt werden und (im Epilog) eine geeignete Ausleitung erfahren. In der Tat wird gegen eine Separierung von Rahmen und Dichtung im Hiobbuch vorgebracht, dass weder die Dichtung noch der Rahmen für sich als selbstständig gelten könnten.9 Auch wenn man die aufgrund des Gegenübers von Außen- und Innenperspektive in Erzählung und Dichtung zu erwartenden Unterschiede einrechnet, tun sich bei der Prüfung des Ineinanders von Rahmen und Dichtung dennoch entscheidende Probleme auf, die der Annahme, dass dem Ganzen ein einheitlicher Gestaltungswille zugrundeliegt, entgegensteht. So ist bei der Prüfung des Rahmens auffällig, dass die Dichtung nur partiell bzw. perspektivisch verzerrt rezipiert wird. Das Gleiche ist bekanntlich immer schon im Bezug auf die Elihureden festgestellt worden und stellt ein entscheidendes Argument für deren redaktionellen Charakter dar.10 Im Folgenden soll der thematischen Integration von Dichtung und Rahmenerzählung nachgegangen werden. Dabei wird noch einmal speziell die Realisierung der Nahtstelle zwischen beiden zu beachten sein. Es gibt weitere inhaltliche Entsprechungen und signifikante Differenzen, bei denen nicht die Absicht einer Integration im Vordergrund steht. 11 Dennoch ist auch der Vergleich von hinter bestimmten Stellen deutlich werdenden Konzepten für die Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung und überhaupt für die literarhistorische Fragestellung beim Hiobbuch relevant. Die Diskussion des literarischen Verhältnisses von Rahmen und Dichtung ist im Folgenden thematisch aufgeschlüsselt. Ausgehend von der personalen Ebene werden Hiob und die anderen Figuren in ihren vorausgesetzten Milieus diskutiert. Danach sollen allgemeine Überlegungen über die Gestaltung der Szenerie im Hiobbuch angestellt werden. Im Anschluss daran werden bestimmte thematische Schwerpunkte und die jeweilige Kohärenzstruktur miteinander verglichen. a) Die Hiobfigur In der neuesten Literatur findet sich als Argument für die literarische Einheitlichkeit des Hiobbuches, dass in ihm eine durchgängige Hioborientie9

Vgl. Schmid, Hiobproblem, 14; van Oorschot, Tendenzen, 374ff. Vgl. dazu unten, 445ff. 11 Mitunter werden sich mögliche Rezeptionen zeigen, doch sind die Überlegungen bei der Rezeption von bestimmten Stellen und Formulierungen natürlich sehr hypothetisch. 10

342

Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

rung anzutreffen sei.12 Doch ist auch für das Hiobbuch als redaktionelle Einheit eine durchgehende Hioborientierung durchaus verständlich, so dass das einfache Vorkommen Hiobs im Rahmen, in der Dialogdichtung und in den Gottesreden überhaupt kein Argument gegen die Annahme von literarhistorischen Prozessen darstellt. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass die Bilder, die die verschiedenen Teile des Buches von der Person Hiobs entwickeln, miteinander verglichen werden. Entsprechend der Erkenntnisse der Soziologie stellt die „Persönlichkeit die Nahtstelle zwischen Individuum, Gesellschaft und Kultur“13 dar. Daher ist das Bild von einer Person untrennbar verbunden mit der materialen, sozialen und kulturellen Umgebung, in der diese Person existiert. Mehr noch: die Person wird im Zusammenspiel zwischen ihrer Individualität und dem sie umgebenden Umfeld erst hervorgebracht. Bei einem literarischen Werk verhält es sich ähnlich, wobei freilich aufgrund der literarischen Fiktionalität der dargestellten Figuren deren Personalität konkret in einer Gestaltungsabsicht entwickelt wird. Auf der anderen Seite ist es aber möglich, dass die Figur eines literarischen Werkes in ein anderes Milieu versetzt wird.14 Für die biblische Traditionsliteratur muss man bei dem Punkt der „literarischen Fiktionalität“ freilich Abstriche machen. Denn viele der biblischen Texte stehen in einem direkten Zusammenhang mit (literarischen und nichtliterarischen) Traditionen, in denen die Figuren eines Textes bereits fest mit bestimmten Milieus, mit einer bestimmten Zeit und mit bestimmten inhaltlichen Kontexten verbunden sind, und haben dabei durchaus den Anspruch, „Mitteilungsliteratur“15 zu sein. Dies hat in den biblischen Texten zur Folge, dass die Figuren nicht neu geschaffen werden, sondern manchen zentralen Figuren in der Überlieferung Eigenheiten zuwachsen und sie z.T. in unterschiedlichen Funktionen und Milieus verankert sind.16 Dieser Charakter der biblischen Traditionsliteratur ist im Folgenden bei dem Vergleich von Rahmenerzählung und Dichtung im Auge zu behalten.

12 In dieser Weise begründet Iwanski, Dynamics, 69, in seinem Kapitel „Unity of the Book and Integrity of Job“ die Einheit des Buches Hiob. 13 Hartfiel/Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, 579. 14 Ein bekannter literarischer Text, der mit dem Milieuwechsel arbeitet, ist „The Prince and the Pauper“ von Mark Twain. 15 Blum, Notwendigkeit, 30. Die Texte sind Zeugen theologischer Diskurse, deren Beachtung für die Exegese wesentlich ist. Vgl. Heckl, Religionsgeschichte, 200f. 16 Als Beispiele kann man auf die Gestalt des Mose, der als Wundertäter, Gesetzgeber, Richter, Kriegsherr etc. gezeichnet wird, oder auch auf die z.T. disparaten Erzähltraditionen über David verweisen.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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1. Vergleicht man die Gestaltung der Hiobfigur im Rahmen und in der Dichtung, so fällt eine unterschiedliche Charakterisierung auf. Im Rahmen wird Hiobs Integrität sowohl im Erzähltext als auch in den Jhwh-Reden in besonderer Weise hervorgehoben, was durch die Unvergleichlichkeitsaussage (Hi 1,8; 2,3) noch überhöht wird. Allerdings steht dieser positiven Charakterisierung Hiobs negativ nur das auf die Beendigung der Gottesbeziehung hin zugespitzte potentielle „Sündigen“ ( ) durch den Fluch gegen Gott gegenüber, auf das die Himmelsszenen und die Prüfungssituationen abzielen. An einer konkreten Schuld Hiobs scheint die Rahmenhandlung also nicht interessiert zu sein; nach der Charakterisierung Hiobs erscheint diese freilich implizit als ausgeschlossen. Demgegenüber ist die Hiobfigur in der Dichtung in einer gewissen Ambivalenz dargestellt. Einerseits beharrt Hiob hier auf seiner Gerechtigkeit und akzeptiert die Forderung der Freunde nicht, seine Schuld einzugestehen, um von Gott Vergebung empfangen zu können. Andererseits lassen seine Reden an vielen Stellen eine eventuelle Schuld offen, oder sie sprechen sogar von einer nötigen Vergebung durch Gott.17 Dem entspricht, dass Hiob die von den Freunden als Lösungsweg angebotene Perspektivität der Gerechtigkeit, wonach ein Mensch vor Gott grundsätzlich nicht schuldlos ist, akzeptiert, dies aber für die Erklärung seiner Situation oder auch als Trost für ungeeignet hält. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, dass der Hiob der Dichtung sein Leiden als Gefahr für die Integrität der eigenen Gottesbeziehung ansieht (Hi 6,10). Man könnte nun einwenden, dass sich die Beurteilung auf der Erzählebene oder aus der Perspektive einer anderen Figur (Jhwhs) in der Rahmenerzählung durchaus von der eigenen Einschätzung durch Hiob in dessen Reden unterscheiden kann. Doch ergibt sich im Rahmen auf Grundlage der kurzen Äußerungen Hiobs (Hi 1,21; 2,10a) ein Bild von Hiob, das seiner auf der Erzählebene vorangestellten (1,1b) und der in den Jhwh-Reden aufgegriffenen (1,8b; 2,3a) sowie von der Frau angespielten (2,9a) Charakterisierung (Hi 1,1b) entspricht. Der Rahmen bietet demnach auf der Erzähl- und auf der Figurenebene ein konsistentes Hiobbild. In dieses lassen sich nun aber die Hiobreden der Dichtung trotz deren Bewertung in Hi 42,7f nicht vollständig integrieren. Das ist bereits in Kap. 3 der Fall, wo Hiob sich ins Nicht-Sein zurückwünscht, was der in Hi 2,10a artikulierten widerspruchslosen Annahme des Bösen aus der Hand Gottes widerspricht.18 Die Vorwürfe und Anklagen gegen Gott,19 die auch in den 17

Vgl. z.B. oben, 64.90.92f.160ff.204ff. Ein Widerspruch besteht auch zwischen der Einschätzung der Hiobreden in den Gottesreden und deren genereller Wertung in Hi 42,7f. Vgl. Wagner, Versuch, 218. 19 Vgl. die Kohärenzstruktur der Dichtung oben, 204ff. 18

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Gottesreden als solche benannt werden (38,2) wie auch die Erkenntnis Hiobs, dass er mit seinen Vorwürfen das Wesen Gottes nicht getroffen hat (Hi 42,2–6), entsprechen ebenfalls nicht der Charakterisierung des Prologs und auch nicht dem Neueinsatz im Epilog. Damit steht einem mit Superlativen bezeichneten exemplarischen Frommen im erzählerischen Rahmen in der Dichtung ein rebellierender Frommer, der eine eventuelle Schuld zwar einräumt, aber an seinem Recht gegenüber der Gottheit festhält, gegenüber. Das Beispiel eines perfekten Frommen, dessen Handeln auf dem Prüfstand steht, und das Aufbegehren eines frommen Weisen gegen seinen Gott stehen sich gegenüber. Die Integration dieser beiden Aspekte kann man sich m.E. nur so vorstellen, dass vom Rahmen her die aus der Perspektive Hiobs in der Dichtung trotz allen Protests von Hiob festgehaltene Gottesbeziehung zum hermeneutischen Schlüssel der Integration der Dichtung wurde. Das Ideal der Frömmigkeit, das die Rahmenerzählung bestimmt, wird gespeist aus der verzweifelten Hinwendung Hiobs zu seinem Gott, was in Hi 42,7f auch entsprechend gewertet wird ( ). Anders lassen sich die Anklagen und Vorwürfe und deren Akzeptanz in den Gottesreden mit den kurzen Äußerungen Hiobs im Prolog nicht verbinden. 2. Nach der Charakterisierung Hiobs ist nun nach dem Bild der Person in ihrem Milieu zu fragen. Es ist schon lange gesehen worden, dass Hiob in der Rahmenerzählung „nach dem Vorbild der Patriarchen Israels gezeichnet“20 wird. Dafür spricht zunächst natürlich das hohe Alter (140 Jahre nach der Geburt der Kinder in Hi 42,16). Dies führt nicht nur in die Zeit der Erzeltern, sondern sogar in die Zeit vor Abraham zurück. Für die Erzelternzeit sprechen auch die Charakterisierung seines Wohlstandes mit dem Viehbesitz und der vorausgesetzte Feldbau. Interessant ist, dass die Hiobrahmenerzählung dabei in ähnlicher Weise wie die Erzelternerzählungen das nomadische Milieu durch Aspekte der Sesshaftigkeit anreichert, zu denen nicht nur die Häuser der Kinder und der schon erwähnte Feldbau, sondern auch ein Anachronismus21 wie die Nutzung des Kamels (Hi 1,3.17; vgl. Gen 12,16; 24[passim]; 30,43; 31,17; 32,8.16) für den Fernhandel gehört. Letztlich ist die vage Angabe für den Aufenthaltsort Hiobs ( ) u.a. ein Hinweis darauf, dass nicht an eine Stadt oder feste Siedlung gedacht ist, sondern an das offene Land.

20

Ebach, Hiob I, 3. Ein weiterer Anachronismus ist die Erwähnung der Sabäer und Chaldäer (Hi 1,15.17), was Ereignisse aus der Mitte des 6. Jh. v.Chr. reflektieren dürfte. Vgl. Knauf, Multikulturelle Heimat, 64. 21

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In die gleiche Richtung weist die Begrenzung des sozialen Bezugsrahmens in der Hioberzählung, der aus dem Kreis der Familie sowie engen Freunden und Bekannten besteht. Dies ist im Prolog der Fall und ähnlich auch im Epilog, wo in Hi 42,11 beim Besuch der Familie (Brüder und Schwestern) und der summarischen Nennung der Bekannten, bei der     bewusst im Kontrast zu den Freunden     (Hi 2,11; vgl. Hi 42,7.10) formuliert ist.22 Personen, die nicht zum Umfeld Hiobs gehören, werden nicht erwähnt. Dass dann faktisch (mit Ausnahme der drei Freunde) alle Figuren gemeinsam essen, entspricht ebenfalls dem engen sozialen Bezugsrahmen der Genesis, der dort nur in wenigen Geschichten durchbrochen wird. In die Zeit der Erzeltern führt auch zurück, dass Hiob als „Opferherr“ begegnet,23 wobei aber die konkreten kultischen Handlungen bewusst vage formuliert sind, wodurch Anachronismen vermieden werden. Was in der Konzeption der Erzelterngeschichten möglicherweise überlieferungsgeschichtliche Ursachen hat, dürfte im Hiobrahmen dem bewussten Anschluss an jene dienen.24 Bei alledem ist in der Hiobrahmenerzählung die Tendenz bestimmend, Hiob weder in einer konkreten Zeit, noch in einer konkreten genealogischen Konzeption, aber auch nicht an einem Ort fest zu verankern. Hiobs Identität wird im Rahmen bewusst in der Schwebe gehalten.25 Während die Freunde (auch im Rahmen) immer mit Patronym26 bezeichnet werden, erscheint für Hiob die vage Aussage     (Hi 1,1). Hiob wird stattdessen von Anfang an u.a. durch die Bezeichnung als  in den JhwhReden in eine exklusive Beziehung mit Jhwh gebracht. Natürlich ist angesichts der in der Vorabrahamzeit angesiedelten Handlung der Rahmenerzählung Hiob ein Nichtisraelit. Doch kann man bei einer solch einfachen Aussage – „Hiob aber ist Nichtisraelit“27 –, die in der Literatur permanent wiederholt wird, nicht stehenbleiben. Denn es ist davon auszugehen, dass die Hiobrahmenerzählung nicht umsonst eine leicht mögliche, konkrete Identifikation der Hauptfigur des Buches nicht vornimmt. Sie lässt es, angesichts der besonderen Gottesbeziehung, in der Hiob gezeichnet wird, bewusst offen, ob Hiob Israelit oder Nichtisraelit ist. Ein bewusst gesetzter Anachronismus dürfte auch der Gebrauch des Gottesna-

22

Vgl. oben, 305. Vgl. Fohrer, Hiob, 78; Lux, Der leidende Gerechte, 48. 24 Vgl. unten, 377ff. 25 Vgl. oben, 313. 26 Zur Begrifflichkeit vgl. oben, 32, Anm. 4. 27 Ebach, Hiob I, 3. 23

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mens durch Hiob sein. Dieser steht aber in einem Zusammenhang zu der als exklusiv angesehenen Gottesbeziehung.28 In der Dichtung besteht die besondere Affinität Hiobs zum Nomadentum nicht. Von dem großen Viehbesitz, den er verloren hat, ist keine Rede. Es fehlt die Thematisierung der Rinderherden, der Kamele. Lediglich von Kleinvieh und Hunden ist im Rückblick die Rede (30,1). Der Verlust des (gesamten) Viehbesitzes wird nicht thematisiert. Dass Hiob Landwirtschaft betrieben hat, findet sich zum Beispiel in Hi 31,38–40, doch entspricht die Art und Weise ihrer Thematisierung nicht der von der Rahmenerzählung vorgegebenen Situation, nach der Hiob ja bereits alles verloren hat.29 Dabei wird Hiob als wohlhabend und Herr von Mägden, Knechten (19,16; 31,13) und Unfreien (19,1530) gesehen. Der unterschiedliche Sprachgebrauch weist daraufhin, unter welcher inhaltlichen Prämisse die Dichtung mit dem Rahmen versehen wurde: So werden die Knechte Hiobs in der Rahmenerzählung mit dem Nomen   bezeichnet, obwohl zusammenfassend in 1,3 von    die Rede ist, während das Nomen  selbst nicht für die Dienerschaft gebraucht wird. Dadurch ergibt sich in Kap. 1 eine gewisse Ambivalenz. Denn auch die Söhne Hiobs werden als   bezeichnet. In der Dichtung (Hi 19,16 und 31,13) wird das Nomen  für Hiobs Dienerschaft verwendet, in der Rahmenerzählung kommt es demgegenüber nur in Bezug auf Hiob vor. Der Gebrauch der Lexeme hängt also von der Titulierung Hiobs als Knecht Jhwhs ab. Um Hiob als einzige Figur des Rahmens als Knecht bezeichnen zu können, ging man bewusst die lexematische Ambivalenz zwischen den Knechten und den Kindern Hiobs durch die Verwendung von   ein.31 Das Nebeneinander von Mägden, Knechten und Unfreien, aber auch das Anspielen auf ein mögliches Vergehen Hiobs (bzw. dessen Zurückweisung) gegen Witwen, Waisen (Hi 22,9; [24,3.932]; 29,12f; 31,16f.21) und Arme (29,16), steht in der Dichtung in einem Zusammenhang mit der dtn Sozialgesetzgebung33 und setzt dabei eine Stadtkultur voraus. Es ist letztlich nicht 28 Gegen König, Hiob, 38, der meint, „daß der Dichter den für sein Gemälde gewählten [außerisraelitischen Hintergrund, R.H.] nicht ganz konsequent im Auge behalten hat“. 29 Hi 31,40 stellt die an das vorangehende Bekenntnis (V. 38f) geknüpfte Folge dar. Sie impliziert, dass Hiob noch über seinen Besitz verfügt. Vgl. oben, 174. Einen Zusammenhang auch von Hi 29,6 zur Landwirtschaft nimmt Knauf, Multikulturelle Heimat, 66, an. Er vermutet von ihr her eine Abfassung des Hiobbuches in Jerusalem. 30 Vgl. oben, 116. 31 Gegen Newsom, Job, 351, die bei der Ambiguität von einem „strategic shift“ spricht, der dazu dient, zu verdeutlichen, dass „the destruction is complete“. 32 Hier wird ein anderer Textzusammenhang zitiert. Vgl. dazu oben die Analyse und Fohrer, Hiob, 370f. 33 Die Abfassungszeit des Textes dürfte also mindestens auch nachdtn sein.

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endgültig klärbar, wie die Stellung Hiobs vorgestellt ist. Dass er aber zu den einflussreichen Bürgern seiner Stadt gehören soll und als weise (Hi 4,3f; 15,2) und rechtschaffen (4,6f; 31passim) gilt, wird mehrmals von Seiten der Freunde thematisiert. Auffällig ist in der Hiobdichtung die durchgehende Gerichtsmetaphorik.34 Eine einlinige Festlegung des Hiobbuches auf das Thema Gericht oder auf eine Gattung „Rechtsstreit“ kann die inhaltliche Komplexität des Buches dennoch nicht erfassen.35 Allerdings bezeichnet Hiob seinen Vorwurf gegen Gott tatsächlich als Rechtsstreit und bezichtigt die Freunde einer falschen Parteinahme zugunsten Gottes (Hi 13,8–10). Diese formalen und inhaltlichen Aspekte könnten mit der Figuration der Hiobgestalt in der Dichtung zusammenhängen. In Hi 29,7ff findet sich in der Reflexion über Hiobs vergangene Heilszeit ein Passus, in dem Hiob als unparteiischer Richter einem Publikum gegenüber dargestellt wird. Hiob erscheint in dem Kapitel als ein der Sozialgesetzgebung des Dtn entsprechener idealer Richter. Seine Autorität übersteigt die Autorität des Alters (29,8) und jene von Amtsinhabern bzw. Angehörigen der Aristokratie ( 29,9;   29,10).36 Letzterer Punkt spricht m.E. dagegen, dass Hiob als König in richterlicher Funktion gedacht ist, was man in Blick auf Hi 9,9 vermuten könnte.37 Damit scheint in Rahmen und Dichtung nicht nur ein unterschiedliches Milieu vorgestellt zu sein, auch die Persönlichkeit Hiobs im Rahmen unterscheidet sich von jener in der Dichtung. M.E. sind die Unterschiede nur von einer auf die Dichtung bezogenen späteren Abfassung der Rahmenerzählung her erklärbar: Dadurch, dass im Rahmen die Szenerie der Erzelternzeit gewählt ist, entsteht im Gegenüber zur älteren Dichtung ein Anachronismus. Der seminomadische Herdenbesitzer Hiob erscheint als Ortsrichter, der im Tor seiner Stadt Gericht hält. Zwar finden wir ja ähnliche ‚Anachronismen‘ z.B. auch bei der Mosegestalt (vgl. Ex 18,13ff), für das Hiobbuch insgesamt scheint der Anachronismus aber (anders als z.B. in Ex 18,13ff) nur in Kauf genommen worden zu sein; denn es wird weder in Hi 34 Das Vokabular und die dahinter stehenden Rechtsvorstellungen kommen sowohl in den Freundes- als auch in den Hiobreden vor.   / : Hi 6,25f; 9,33; 13,3.6.10.15; 15,3; 16,21; 19,5; 22,4; 23,4.7; 40,2; : Hi 8,3; 9,19.32; 13,18; 14,3; 19,7; 22,4; 23,4; 27,2; 29,14; 31,13; 40,8;  / : Hi 4,17; 6,29; 8,3.6; 9,2.15.20; 10,15; 11,2; 13,18; 15,14; 22,3; 25,4; 27,5f; 29,14; 31,6; 40,8; : Hi 9,3; 10,2; 13,6.8.19; 23,6; 29,16; 31,13.35; 40,2. 35 Vgl. zu den Positionen von H. Richter und F.R. Magdalene oben, 208ff. 36 Vgl. oben, 157ff. 37 Letztlich handelt es sich um eine Ermessensfrage, wo man die Grenze zwischen der Metaphorik und konkreten Vorstellungen sieht. Sollte an einen Richter im Sinne des dtn/ dtr Ideals gedacht sein, dann tut sich umgekehrt der Richter-Herrscher-Zusammenhang erneut auf. Die Metaphorik von Hi 19,9 könnte daher auch von einer unspezifischen Herrschervorstellung her zu verstehen sein.

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29 noch sonst in der Hiobdichtung auf Hiob konkret das Verb  angewendet. Hätte ein Buchautor den Herdenbesitzer des Rahmens in der Dichtung als Richter stilisieren wollen, müsste dies in der Dichtung ausgeführt und begründet werden. Damit dürfte ein in der Dichtung implizit vorliegendes Hiobbild durch die Voranstellung des Prologs auf die dort anzutreffende explizite Charakterisierung Hiobs zugespitzt worden sein. 3. Die Rahmenerzählung ist auch in der Thematisierung des Leides, das Hiob getroffen hat, eindeutiger als die Dichtung. Wie bereits festgestellt, wird Hiob im Rahmen alles genommen, was er besitzt, darunter auch seine zehn Kinder. Er selbst erscheint mit der Aussätzigkeit als dem Bereich des Todes ausgesetzt. Damit ist in der Reflexion des Rahmens mit wenigen Federstrichen ein Extremzustand materieller, sozialer und körperlicher Desintegration dargestellt, der nur noch die Alternativen des baldigen (vorzeitigen) Todes oder der Errettung Hiobs zulässt. Demgegenüber findet sich in der Dichtung ein differenzierteres Bild von Hiobs Leid. Dort gibt es viele Aussagen, die sehr allgemein das Leiden und ihre Wirkung auf den Leidenden thematisieren (Hi 3,25f; 6,2–7.10–12; 9,18; 30,16). Hiob hält an seiner Integrität fest (6,29; 9,29),38 obwohl immer neues Leid auf ihn trifft (3,25f; 30,26f).39 In seinem Leiden ist eine Dynamik spürbar, die mit der abrupten Veränderung der Lage Hiobs, wie sie durch den Prolog dargestellt wird, nicht kompatibel ist. Entsprechend zeigt sich in der Dichtung auch ein sehr differenziertes Bild von Hiobs Krankheit. Eher indirekt steht die Thematisierung seines baldigen Todes (vgl. u.a. 7,8.16; 17,1) mit der Krankheit in einer Verbindung. Hiob beklagt, dass seine Tage schnell vergehen (7,6f; 9,25f; 16,22). Dieses Dahinschwinden der Lebenszeit und die Kürze des Lebens (10,20; 17,11–16) stellen im Rahmen in keiner Weise ein Problem dar. Die Aussagen in der Exposition von Hiobs Besitz und Hiobs Kindern widersprechen dem. Wiederholt ist in der Dichtung von Schmerzen die Rede. Diese weisen aber auf andere Krankheiten als auf den im Rahmen erwähnten Aussatz. So hat Hiob Schmerzen beim Essen (Hi 3,24) und Schlafen (Hi 7,4f; 30,17). Die Schmerzen werden in Hi 7,15 als so stark beschrieben, dass er den Tod herbeiwünscht, ein Aspekt, der in Hi 3 ebenfalls eine Rolle spielt (vgl. auch Hi 9,28). Die Stärke der Schmerzen wird auch in Hi 16,6 erwähnt. Sie hätten ihn müde gemacht, was vielleicht ähnlich wie in Hi 7,15 im Zusammenhang des Todeswunsches steht. Andere Stellen (wie Hi 7,5b; 19,26; 30,30) scheinen näher bei dem Aussatz zu sein, wie er in Hi 2 thematisiert ist, doch lassen sich diese Stellen 38 39

Vgl. oben, 61 und 76. Vgl. oben, 45.

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nicht auf eine Linie bringen und treffen die Beschreibung des Aussatzes ( ) von Hi 2,7 nicht exakt. Ein allgemeiner Verfall Hiobs scheint in 16,8 (  „Magerkeit, Siechtum“) vorausgesetzt zu sein. Ähnlich wird dies in Hi 17,7; 19,20.26 ausgedrückt, während Hi 30,17a auf Gelenkschmerzen anspielt.40 Von Wunden allgemein spricht Hi 9,17, wobei die Formulierung in der Pauschalität, wie sie an Jhwh gerichtet ist, auf der Grenze zur Metaphorik steht. In dem erwähnten Vers Hi 7,5 ist dagegen eine parasitäre Erkrankung im Blick. Doch auch wenn in V. 5b die Haut ausdrücklich erwähnt ist, so entspricht die Beschreibung gerade nicht jener, die sich an anderer Stelle (Lev 13,2ff) für den Aussatz findet. Das gleiche Problem liegt in Hi 30,30 vor. Hier scheint eine Entzündungskrankheit im Blick zu sein, worauf das Fieber weist (   ); Fieber wird auch in Hi 7,13–15 genannt. Damit zeigt sich, dass bei Hiobs Krankheit in der Dichtung nicht einlinig an nur eine bestimmte (Haut-)Krankheit gedacht ist. An vielen Stellen scheint es eine fieberhafte Erkrankung zu sein, die Hiob am Schlafen und am Essen hindert und einen langsamen Verfall bewirkt. Hierbei handelt es sich um eine Tendenz, die den Unterschied zum Rahmen zeigt. Wenn man die Anspielungen auf die Krankheit in der Dichtung zusammennimmt, so zeigt sich darüber hinaus ein grundsätzlicher Unterschied zum Rahmen darin, dass die Krankheit Hiob in der Dichtung Betrübnis, Angst (Hi 7,11; 10,1) und Schrecken (Hi 23,16) bereitet, während er sie am Ende des Prologs (Hi 2,10) akzeptiert. Interessant ist auch das Faktum, dass sich zwischen Hi 30,19 und 42,6 ein inhaltlicher Zusammenhang auftut. Doch weder die Rede von Hiobs Existenz in Staub und Asche (30,19) noch die Aussage, dass er „über Staub und Asche“ getröstet ist (42,6),41 lässt einen Zusammenhang zu seinem Aufenthaltsort (  ) im Zustand des Aussatzes (Hi 2,8) erkennen. Während Hiob nach Hi 30,18 von anderen „in den Staub geworfen“ wurde, handelt es sich bei der Formel   in Hi 42,6b am ehesten um einen Verweis auf Hiobs Leiden insgesamt.42 Dass Hiob sich der (auch physischen) Gewalt anderer ausgeliefert sieht (vgl. Hi 6,23; 16,10f; 17,6b; 30,18f), geht in eine ähnliche Richtung. Eine solche ist im Rahmen nicht im Blick. Der Zusammenhang zwischen Rahmen und Dichtung in Bezug auf Hiobs Leiden lässt sich damit folgendermaßen fassen: Während der Verlust des Besitzes und der Kinder gegenüber ihrer Bedeutung im Rahmen in der Dichtung unterrepräsentiert erscheint, bietet sich in den Hiobreden ein dif40 Fohrer, Hiob, 419, denkt an „heftige[n] Gliederschmerz [...], der mit fieberhaften Erscheinungen verbunden sein kann und nachts besonders quält.“ 41 Siehe oben, 200. 42 Siehe ebd.

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ferenziertes Bild von Hiobs Leiden. Dies ist in besonderer Weise bei der vorausgesetzten Krankheit, doch auch bei Hiobs Desozialisierung der Fall. Dabei finden sich Phänomene, die im Rahmen nicht vorausgesetzt sind. Während der Rahmen zweimal die Vollständigkeit von Hiobs ‚Vernichtung‘ darstellt, geht Hiobs Leiden in der Dichtung in unterschiedliche Richtungen. Dem entspricht die Aussage in Hi 17,6a, wonach Hiob in seinem Leiden zum Exempel geworden sei, was bei der Stilisierung der Extremsituation im Rahmen gerade nicht intendiert sein dürfte. Diese Diskrepanz mag z.T. damit zusammenhängen, dass in der Dichtung aus der Innenperspektive heraus formuliert wird, wobei in dem teilweise metaphorischen Charakter der Hiobreden immer zugleich auch die Bedeutung der Krankheit für ihn mit ausgedrückt wird. Dennoch zeigen sich in diesem Punkt zwei divergierende Kohärenzstrukturen im Hiobbuch: Im Rahmen wird zur Zuspitzung und Generalisierung des Krankheitsthemas die eine extreme Krankheit des Aussatzes gewählt, um eine Verbindung zum Gottesfluch (Dtn 28) herzustellen und Hiob als bereits im Bereich des Todes befindlich darzustellen. In der Dichtung stehen die Leidensaussagen dagegen in einem direkten Zusammenhang mit dem Vorwurf gegen Gott, dass dieser seiner Verpflichtung gegenüber dem Frommen nicht nachkommt, und sind Teil des Appells, den Hiob an Gott richtet, ihm zu antworten. Weil der Rahmen hier generalisiert und Hiobs Geschick auf eine extreme Erkrankung hin zuspitzt, lässt sich der Zusammenhang der beiden Hauptteile nur so verstehen, dass dem Rahmen die Dichtung vorgelegen hat. Die disparate Thematisierung von Hiobs Leiden, seiner Krankheit und seiner Klage über den nahen Tod sowie seines Todeswunsches wird vom Rahmen rezipiert. Er greift auf die verschiedenen Aspekte aus der Dichtung zurück und fasst sie im Bild vom aussätzigen Hiob zusammen. b) Das Umfeld Hiobs 1. Besonders betont wird im Prolog Hiobs Verlust aller seiner Kinder. Im Epilog wird berichtet, dass ihm wieder zehn Kinder geboren werden und er außerdem noch Kindeskinder sieht (MT). Von seiner Verwandtschaft begegnet im Prolog einzig seine Frau (Hi 2,9f), die versucht, Hiob zur Aufgabe seiner Gottesbeziehung zu bewegen. Im Epilog lesen wir von dem Besuch der Brüder und Schwestern sowie weiterer Bekannter. Mit letzterem scheint sich zu fügen, dass in der Dichtung (Hi 19,13) davon die Rede ist, dass sich die Brüder ( ) und die Bekannten ( ) von Hiob entfernt haben. Doch der Fortgang (V. 14) dieser Klage geht darüber hinaus, so dass Rahmen und Dichtung an diesem Punkt nicht exakt zusammenpassen: Die Verwandten ( ) und Bekannten ( ) haben ihn vergessen, und den Fremdlingen und Mägden gilt er als Fremder. Sein Sklave (  ) reagiert nicht auf ihn

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(V. 16). Die Desozialisierung betrifft auch das Verhältnis zu seiner Frau und seinen Kindern (V. 17)43 und auch die Minderjährigen (V. 18). Hi 19,19 zeigt zusammenfassend die Vollständigkeit der Desozialisierung! Doch gerade dies zeigt, dass die genannten Personen noch existieren und für Hiob anders als im Rahmen noch greifbar sind. Weiterhin scheint dieser Text deutlich zu machen, dass Hiob in seinem nächsten Umfeld und in seinem Hause im Angesicht seiner Familie den Autoritätsverlust und die Desozialisierung erdulden muss. Von einem besonderen Aufenthaltsort abseits des Hauses aufgrund einer Krankheit ist keine Rede.44 Ein besonderes Problem ist, dass in Hi 19,17b mit   auf noch lebende Kinder Hiobs Bezug genommen wird.45 Zwei Stellen finden sich demgegenüber in der Dichtung, die vom Tode von Kindern Hiobs sprechen. Es handelt sich um Hi 8,4 in der ersten Bildadrede und um Hi 29,5 in den Herausforderungsreden. In Hi 8,4 wird der Tod der Söhne als Beweis für deren Schuld angeführt. In Hi 29,5 beklagt Hiob, dass seine   nicht mehr um ihn sind wie früher.46 M.E. ist es nicht erforderlich, die Aussage in Hi 19,17b auf andere Verwandtschaftsverhältnisse hin umzubiegen, denn aus den drei Stellen lässt sich auch so ein kohärentes Bild zusammenfügen.47 Wenn es sich bei den   in Hi 29,5 um dem Kleinkindalter entwachsene Nachkommen handelt,48 dann könnte ein direkter Zusammenhang zu Hi 8,4 vorliegen. Dort wird zwar mit  ein anderes Lexem verwendet, doch wenn vom Sündigen der Söhne und einer Verstoßung aufgrund der Sünde die Rede ist, dürfte auch mit ihnen auf erwachsene Kinder verwiesen sein. 49 43

In Hi 19,17f wird der innerste soziale Bereich thematisiert. Siehe dazu oben, 116f. Das Verlassen des Hauses wird durch Hi 2,8 und 2,12f vorausgesetzt. 45 Das Problem formuliert Ebach, Hiob I, 157, folgendermaßen: „Spräche Hiob in 19, [1]7 von seinen Söhnen, so stünde diese Aussage im Widerspruch zu Kap. 1, das den Tod der Kinder berichtet. Dieser Widerspruch kann auf zwei Ebenen gelöst werden. Einmal könnte man darin ein Indiz für die ursprüngliche Selbstständigkeit der ‚(Rahmen-)Erzählung‘ gegenüber den ‚Dialogen‘ sehen. Aber wäre das nicht auch denen aufgefallen, die beide Textkomplexe zusammenfügten, bzw. war nicht für sie der Text in 19,17 ‚sinnvoll‘? Oder man sieht in 19,17 eine geprägte, sprichwortartige Wendung, die nicht auf den konkreten ‚Familienstand‘ des Redners bezogen werden muß.“ 46 Diese Aussage kann aber auch mit den anderen Aussagen seiner Desozialisierung zusammenhängen. 47 Vgl. oben, 117. 48 Das Nomen   ist an sich mehrdeutig. Es kann den Knecht und den Familienangehörigen ohne eigenen Hausstand bezeichnen, es kann sich aber auch als relative Altersangabe auf das männliche Kind, den Jugendlichen und den jungen Mann beziehen. Vgl. Fuhs,  , ThWAT V, 512ff. Im direkten Kontext von Hi 29,5 begegnet in Hi 29,9 die Gegenüberstellung von Greisen und Jungen (  und ). Daher kann   in Hi 29,5 nur jugendliche oder erwachsene Söhne Hiobs meinen. 49 Stellen wie Dtn 1,39 und Jes 5,20, aber auch Hi 13,26 verweisen darauf, dass im Alten Israel eine Schuldfähigkeit von kleinen Kindern nicht im Blick ist. 44

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Nimmt man die beiden Stellen zusammen, ergibt sich, dass erwachsene Kinder Hiobs aufgrund einer Sünde (aus der Sicht Bildads) ihr Leben verloren haben. Dem ordnet sich nun Hi 19,17f folgendermaßen zu: Dort wird das gesamte Umfeld Hiobs thematisiert und zu dem gehören außer Hiobs Verwandten und Bekannten und dem Gesinde auch Hiobs Frau und alle seine Kinder (  ist determiniert), wobei ausdrücklich auch auf die kleinen Kinder Bezug genommen wird (V. 18). Die Dichtung dürfte entsprechend voraussetzen, dass Hiob erwachsene Kinder verloren hat. Doch setzt die Dichtung darüber hinaus eine noch umfangreichere Familie voraus, die sich von ihm entfernt hat. Der Prolog fügt sich mit diesen komplexen Verhältnissen in der Dichtung nicht zusammen. Zwar setzt auch der Prolog (Hi 1,4f.13.18f) voraus, dass die Söhne (und Töchter) Hiobs erwachsen sind, doch handelt es sich dabei nach der Auskunft von Hi 1,2 im Gegensatz zu Hi 19,17f sicher um alle Kinder Hiobs.50 Dieses Gegenüber lässt sich nur so verstehen, dass auch der in der Dichtung thematisierte Tod von Hiobs Kindern im Rahmen generalisiert worden ist. 2. Das in Hi 42,11 thematisierte Kommen der Brüder, Schwestern und Bekannten zu Hiob könnte mit Hi 19,13 zusammenzuhängen. Dort wird von der Entfremdung Hiobs von seiner Verwandtschaft gesprochen. Der Rahmen scheint dies allerdings wiederum am ehesten generalisierend aufzunehmen. Dass in Hi 42,11 anders als in 19,13 zusätzlich die Schwestern erwähnt werden, könnte damit zusammenhängen, dass im Rahmen eine Tendenz existiert, die Frauen in ihrer Bedeutung stärker hervorzuheben. So werden beispielsweise Hiobs Töchter in Hi 1,4b (vgl. 1,13.18) mit den Söhnen erwähnt und analog findet sich in Hi 42,13–15 eine besondere Erwähnung der Töchter und die Zuweisung eines Erbteils an sie. Entsprechend könnte in Hi 42,11 auch auf die Notiz, dass sich die Desozialisierung Hiobs auch auf seine Brüder und Bekannten (Hi 19,13) erstreckt hat, zurückgegriffen sein, so dass nun die Schwestern ausdrücklich mit erwähnt werden. Deutlich ist darüber hinaus, dass die Dichtung bei der Desozialisierung Hiobs ein anderes Bild zeichnet und ein anderes Ausmaß voraussetzt. Sie hängt anders als im Rahmen nicht einlinig mit einer Krankheit zusammen, sondern mit einem Autoritätsverlust. 3. Ich hatte bereits festgestellt, dass im Rahmen ein Interesse daran besteht, Hiobs Identität offenzuhalten. Man will ihn genealogisch nicht greifbar machen,51 betont demgegenüber aber seine exklusive Beziehung zu Jhwh. Dies Auffällig ist allerdings, dass in Hi 1,19a betont wird, dass das Haus auf die   gestürzt ist. 51 Vgl. oben, 345. 50

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ist – wie bereits festgestellt – besonders im Gegenüber zum Gebrauch des Patronyms bei den Freunden auffällig. Möglicherweise steht mit der Geheimhaltung von Hiobs Identität auch das Fehlen der Namen seiner Kinder (Prolog), Brüder und Schwestern in einem Zusammenhang.52 Dass die Namen der Töchter im Epilog genannt werden, ist ein Kunstgriff. Es handelt sich um Kunstnamen, die die Schönheit der Töchter ausdrücken. In der Dichtung findet sich demgegenüber zwar auch keine genauere Angabe über Hiob, doch kann anhand der Eröffnung der Elihureden vermutet werden, dass es einmal eine solche gegeben hat. 53 Auch wird in der Dichtung Hiobs Vater von den Freunden in einer Weise erwähnt (siehe Hi 15,1054), als werde dessen Kenntnis bei den intendierten Adressaten der Hiobdichtung vorausgesetzt. Parallel dazu wird Hi 30,1 wohl die Väter der Freunde im Blick haben, was dann die Differenz der Szenerie der Dichtung gegenüber jener des Rahmens unterstreichen würde. Auch wissen die Freunde um eine frühere Funktion Hiobs (Hi 4,3ff) und haben Einsicht in das Geschick seiner erwachsenen Söhne (Hi 8,4ff). 4. Probleme birgt der Vergleich, wie Dichtung und Rahmen die Freunde Hiobs darstellen. Denn der Rahmen thematisiert ja nur an seinen Rändern die Freunde.55 Es hat sich aber in den Analysen herausgestellt, dass in Hi 2,11–13 und 42,7–10 die Freunde charakterisiert werden. Damit wird aber der Dichtung eine Wertung der Kontrahenten Hiobs voran- und nachgestellt, die den eigenen Implikationen der Dichtung nicht entspricht. Wie bereits festgestellt, steht die vorangestellte Charakterisierung der Freunde (2,11–13), die ihrer eigentlichen Absicht nicht entsprechen und bei Hiob, anstatt ihn zu trösten, Trauerriten vollziehen, in einem Zusammenhang mit dem Auftreten der Verwandten und Bekannten (Hi 42,11). Die Freunde erfüllen die an sie gerichtete Erwartung des Trostes und der Unterstützung dem Leidenden gegenüber nicht. Daher sollen ausgehend von 2,11–13 die Freundesreden als Angriffe gegen Hiob verstanden werden.56 Dies trifft sich 52 M.E. ist die Tendenz im Hiobrahmen, Hiobs Identität offenzuhalten, am besten erklärbar, wenn die von ihr verarbeitete Dichtung ihn ursprünglich wie die Freunde als heidnische Figur geführt hatte. Die offene Formulierung im Rahmen lässt so einerseits den Schluss zu, dass Hiob Präisraelit ist, andererseits widerspricht sie nicht explizit den verarbeiteten Überlieferungen. 53 Vgl. unten, 465ff. 54 Hi 15,10 setzt voraus, dass Hiobs Vater gestorben ist und im Vergleich zu anderen nicht besonders alt war. Vgl. zur Stelle oben, 96. 55 Vgl. zur Abweisung dessen als Argument für die Literarkritik, oben 333ff. 56 Nur aus der Perspektive des Rahmens (also von Hi 2,11–13 und Hi 42,7f) ist die Sicht von Fohrer, Vorgeschichte, 33, richtig, dass die Freundesreden insgesamt als Angriffe zu verstehen sind.

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mit der Intention der Texte insofern nicht, als die Konfrontation zwischen Hiob und den Freunden sich erst im Verlaufe der Dichtung ergibt und zuspitzt.57 Insbesondere im ersten Redegang ist von Seiten der Freunde das deutliche Bestreben spürbar, Hiob zu trösten, auch wenn die vorgebrachten Argumente von Hiob nicht als Trost aufgefasst werden.58 Der Ton verschärft sich erst im Verlaufe der Dichtung, und parallel dazu verschärft sich allmählich der Ton zwischen den beiden Parteien. Hiob bringt gegen die Freunde harte Anklagen vor, deren Massivität von den Freunden ebenfalls mit einer harten Polemik beantwortet wird (vgl. Hi 6,21ff; 8,2ff; 11,2ff). Moderat gehen aber noch die ersten Reden Eliphas’ (Hi 4f) und Bildads (Hi 8) mit Hiob um. Dort schließen sich zunächst noch Heilszusagen an die Ratschläge für Hiob an (Hi 5,19ff; 8,20f; 11,15ff), während für Hiob die Freundesreden bald schon Angriffe auf seine Gerechtigkeit sind (siehe Hi 13,7–13; vgl. 12,3–5). Erst ab dem zweiten Gesprächsgang entwickeln sich die Freunde für Hiob allmählich zu Gegnern.59 Doch auch als Vorgriff auf diese spätere Konstellation trifft die vorangestellte Bewertung der Freunde (2,11–13) die Intention der Dichtung nicht. Die Freunde richten ihre Reden dort ausschließlich gegen Hiob aus, wobei sie freilich vermeintlich die Position Gottes einnehmen. Dass Hiob in Hi 42,7f dann aber positiv hervorgehoben wird, während die Freunde pauschal abgewertet werden, weil diese in ihren Reden anders als Hiob nicht zu Gott geredet haben, berücksichtigt weder die Gesamtanlage der Dichtung noch die Intention der Freundesreden, sondern greift nur einen äußeren Aspekt der Dialogdichtung heraus. Obwohl die Dynamik in der Dichtung bei der Bewertung der Freunde durch die Rahmenerzählung nicht rezipiert wird, gibt es Affinitäten zwischen der Bewertung des Rahmens und Hiobs Aussagen über die Freunde. In der harschen Zurückweisung der vorangehenden Freundesrede (Hi 6,21–29) findet sich in V. 22f die Aussage, dass Hiob nicht darum gebeten habe, dass die Freunde ihm etwas schenken, oder für ihn mit ihrem Geld gegenüber anderen einträten. Was dort eine übliche Erwartung in bestimmten Situationen des Leides darstellt, könnte im Epilog teilweise als Vorbild für Hi 42,11 gedient haben. Dabei werden vom Rahmen nur die in Hi 6,22 genannten Geschenke, nicht aber die Zahlung einer Kaution (Hi 6,23), die für Hiob erwähnt wird, rezipiert.

57

Vgl. Müller, Hiob und seine Freunde, 55. Einen Kreis frommer Weiser sieht Strauß, Freunde, 72ff, im Hintergrund der Hiobdichtung und denkt dabei an Mitglieder von Weisheitsschulen, die u.a. auch hinter Jesus Sirach stehen (vgl. ebd. 76). 59 Vgl. dazu oben, 95. 58

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Eine Schlüsselstelle in der Bewertung der Freunde durch Hiob ist Hi 16,2–5:       2 Ich habe solches viele (Male) gehört.      Tröster mit Elend seid ihr alle.

   3 Ist ein Ende für leere Worte,       oder was reizt dich, dass du widersprichst?      4 Auch ich könnte wie ihr reden, wenn ihr an meiner Stelle stehen würdet.      Ich könnte über euch mit Worten (etwas)      sammeln.      Und ich könnte über euch den Kopf schütteln.    5 (Aber) ich würde euch mit meinem Mund stärken.     Und die Bewegung meiner Lippen würde (euch) schonen.

Hier wird nicht nur Hiobs Vorwurf, dass die Freunde ihn nicht bzw. nicht in geeigneter Weise trösten, breit entfaltet, sondern gleichzeitig auch ausgedrückt, wie Hiob sich an ihrer Stelle verhalten würde. Angesichts der z.T. auch terminologisch gesicherten Querbezüge, und da die Rahmenerzählung offenbar die Bewertung der Freunde in Hi 2,11–13 der Dichtung vorangestellt hat, ist es wahrscheinlich, dass Hi 16,2–5 bei der Gestaltung des Rahmens Pate gestanden hat. Möglich ist, dass das Nichttrösten der Freunde und im Gegenüber dazu der Trost durch die Verwandten und Bekannten (Hi 42,11) von Hi 16,2ff her entwickelt worden sind. Ähnlich könnte auch das Thema der Fürbitte Hiobs, auf die die Rahmenerzählung in Hi 42,7ff zielt, von Hi 16,2ff angeregt worden sein. Eine verwandte Stelle ist auch Hi 13,7–9. Der hier ausgedrückte Vorwurf scheint Hi 42,7f inhaltlich zu entsprechen.60 Der Zusammenhang ist noch klarer, wenn man die eigentliche Intention von Hi 42,7f beachtet, wo es ja gar nicht um die Inhalte der Hiob- und Freundesreden geht, sondern primär um die Sprechhaltung. Faktisch wird in Hi 13,7–9 kritisiert, dass die Freunde mit ihrer Rede Gott verfehlen, was man in der Perspektive von Hi 42,7f als Kritik der Sprechhaltung verstehen kann. Die Charakterisierung der Handlungen der angekommenen Freunde in Hi 2,11–13 durch das Voranstellen ihrer Absicht ist aber noch in anderer Weise auf den Inhalt der Dichtung bezogen. So dokumentieren die Trauerriten und das siebentägige Schweigen sowie der eingenommene räumliche Abstand, dass Hiob sich bereits in der Sphäre des Todes befindet. Dies dürfte angeregt sein durch die Thematisierung von Hiobs Todeswunsch 60 So Müller, Hiob und seine Freunde, 56, der die falsche Rede über Gott als Verbindungsglied zwischen den Texten sieht.

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und seiner Klage über den nahen Tod in der Dichtung. Dass Hiob in dem von der Rahmenerzählung her formulierten Vers Hi 3,1 selbst dieses Schweigen durchbricht, kontrastiert die Handlung der Freunde ein weiteres Mal. Die Verwünschung seiner Existenz (3,1) signalisiert, dass Hiob noch lebt. Hi 2,11–3,1 ist also eine zugespitzte Charakterisierung Hiobs und seiner Freunde aus der Perspektive der Rahmenerzählung. Der Abschnitt bietet eine Reihe von Vorinformationen vor Beginn der Dialogdichtung, die den Leser lenken sollen. Das Scheitern der Freunde, die ihn nicht trösten, sondern den noch Lebenden betrauern, lässt sie vor den anschließenden Dialogen in einem schlechten Licht erscheinen und soll eine unvoreingenommene Lektüre verhindern. Dass es sich bei der vorangestellten Charakterisierung der Freunde um eine übergreifende Intention der Rahmenerzählung handelt, zeigt sich implizit an der Kritik Jhwhs am Reden der Freunde (Hi 42,7f), explizit aber an dem dem Handeln der Freunde diametral entgegengesetzten Handeln von Hiobs Verwandten und Bekannten bei der Reintegration Hiobs in sein soziales Umfeld in Hi 42,11. Die beiden Stellen konkurrieren nicht miteinander,61 sondern das Gegenüber von Hi 42,11 und Hi 2,11–13 dient der Bewertung der Freunde. Rezipiert dürfte dafür das in der Dichtung anzutreffende negative Urteil Hiobs über seine Gesprächspartner sein, wo  „Freund“ auch häufig negativ verwendet wird (Hi 6,27; 12,4; 16,20f; [anders Hi 19,21]). Vielleicht ist also deswegen in Hi 42,11 von Hiobs Bekannten (  ) die Rede, um diese auch im Blick auf Hi 2,11–13 von den Freunden Hiobs (   ) abzuheben.62 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bild, das im Rahmen von den Freunden entworfen wird, nicht mit dem differenzierten Bild, das die Dialoge von ihnen abgeben und den Veränderungen im Verhältnis zwischen Hiob und den Freunden, die sich im Dialogteil vollziehen, konvergiert. Somit ist in Hi 2,11–13 (3,1) die Dichtung schon im Ganzen, aber eben gerade nicht in ihrer Differenziertheit und Dynamik integriert worden. Der „hermeneutische Schlüssel“ für die Rezeption der Dichtung ist Hiobs eigenes Urteil über die Freunde in der Dichtung. Dieses wird aus der Sicht des Rahmens von Gott in Hi 42,7f bestätigt. Hi 2,11–3,1 hat den Nebeneffekt, dass der nachfolgenden Dichtung die Spannung geraubt wird, wobei das Verfahren einer wertenden Vorbereitung der Handlung durchaus dem Stil der Rahmenerzählung entspricht.63

61

Vgl. oben, 331ff. Vgl. oben, 304ff, die Analyse von Hi 42,11. 63 Hier ist auf die Exposition (Hi 1,1–5) zu verweisen, in der die Richtung der Handlung bereits angedeutet wird. 62

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c) Unterschiede in der Szenerie Nachdem Hiob im Rahmen und in der Dichtung in je unterschiedlichen Milieus erscheint und auch die Charakteristik der Hauptfiguren im Rahmen und in der Dichtung sich massiv unterscheidet, soll im Folgenden noch einmal die Szenerie insgesamt beleuchtet werden. Die Rahmenerzählung orientiert sich am Lebensalter der Hauptperson. Diese wird zunächst eingeführt. Anschließend werden in der Exposition in geraffter Handlungsabfolge der Erwerb von Besitz, die Geburt von Kindern sowie die ständige kultische Fürsorge für die Gottesbeziehung der Kinder berichtet. Danach ergeben sich in dichter Folge Ereignisse, die am Ende zu seiner Krankheit und zur vollständigen sozialen Desintegration führen. Nach einer neuerlichen Zeitraffung findet sich Hiob außerhalb seines Hauses wieder, wo seine Frau mit ihm spricht. Vorausgesetzt ist eine längere Zeitspanne zwischen der Erkrankung und dem Verlassen des Hauses. Die nächste Zeitraffung liegt in Hi 2,11 mit der Ankunft der Freunde Hiobs vor. Diese haben von dem Unglück gehört und sich zum Kommen verständigt, wofür wiederum eine längere Zeitdauer vorauszusetzen ist. Die nächste Zeitraffung folgt mit der Notiz, dass die Freunde sieben Tage nicht zu Hiob redeten. Ähnliches geschieht im Epilog: Nach der Jhwh-Rede an Eliphas ist vorausgesetzt, dass die Freunde die befohlenen Opfer dargebracht haben (42,9a). Impliziert ist, dass Hiob für die Freunde Fürbitte geleistet hat, denn es wird auf der Erzählebene mitgeteilt, dass Jhwh in Hiobs Sinne entschieden hat (42,9b). Damit liegt eine Zeitraffung von mindestens einigen Stunden, wenn nicht Tagen, vor. Hi 42,10 setzt mit der Notiz, dass sich Hiobs Geschick gewendet hat, eine längere Zeitspanne voraus. Im Hintergrund dürfte hier zunächst das Ende der Krankheit stehen, für die zumindest eine Karenzzeit von mehreren Tagen64 anzunehmen ist. Danach vollzieht sich zunächst die soziale Reintegration Hiobs (Hi 42,11), die Rückkehr seines Segens (Hi 42,12) sowie die Geburt seiner Kinder (Hi 42,13). Die Restitution setzt wiederum eine erhebliche Zeitraffung voraus, die in Hi 42,16 noch einmal verstärkt wird, wenn seine weitere Lebenszeit mit 140 Jahren angegeben wird und mitgeteilt wird, dass er noch vier Generationen von Kindeskindern gesehen habe. Aus diesem Durchgang ist deutlich, dass aus Sicht der Rahmenerzählung die Dichtung nicht nur als eine zeitlich, sondern auch als inhaltlich abgeschlossene Episode verstanden wird. Die Dichtung selbst ist konzipiert als eine bzw. als zwei Redesituationen (Dialog und Gottesreden) mit einer ununterbrochenen Aufeinanderfolge von direkten Reden, die ca. vier Stunden in Anspruch nehmen. Dadurch ergibt sich ein massives Ungleichgewicht 64

Vgl. z.B. Lev 13,21.

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zwischen Textmenge und erzählter Zeit. Die Dichtung dominiert den Rahmen aufgrund der Textmenge, was den vom Rahmen suggerierten Episodencharakter durchbricht. Gleichzeitig stellt die Dichtung selbst einen engen diskursiven Zusammenhang dar, der sich in Abfolge und Struktur sowie aufgrund der Problemlösung innerhalb der Dichtung (Gottesreden) vom Rahmen massiv unterscheidet. Sie macht außerdem den Eindruck, als sei sie für einen Vortrag bestimmt. Ihre andere Szenerie wird beispielsweise in Hi 15,10 deutlich. Hier ist eine größere Gruppe im Blick, die Hiob gegenübersteht (siehe auch Hi 17,10). Die Rede von Hiob als Spottlied65 (Hi 30,9) setzt ebenfalls eine größere Gruppe voraus (vgl. auch den Kontext dieser Stelle). Umgekehrt macht Hi 18 den Eindruck, als stehe auch hinter Hiob eine Gruppe, aus deren Rahmen heraus die Hiobreden geäußert sind. Ein erhebliches Problem aber besteht darin, dass die Dichtung vom Rahmen her eine personal abgeschlossene Episode ist, während die Dichtung selbst eher einen unabgeschlossenen Eindruck erweckt.66 So werden in 2,11–13 die drei Freunde Hiobs als Gesprächspartner ein- und in 42,7ff ausgeführt. Doch in der Dichtung gibt es hier schon am Anfang bei der Ausrichtung der Reden Unsicherheiten: Die zweite Rede Hiobs könnte sich zurückbeziehen auf mehrere Reden der Freunde, obwohl vorher nur Eliphas geredet hat.67 In der Rede Bildads (Hi 18,2f) scheint eine gegnerische Gruppe angesprochen zu sein,68 und in Hi 23f (siehe Hi 23,2) scheint der Dialog auch temporal nicht abgeschlossen zu sein, da plötzlich das Verstreichen längerer Zeiträume vorausgesetzt ist.69 Diese Einzelbeobachtungen lassen erkennen, dass in den Dialogpartnern ganz bewusst Gruppenpositionen durchbuchstabiert werden, was bei der Abfassung der Elihureden entsprechend aufgefasst worden ist.70 Mit dem vorgegebenen Episodencharakter der Dichtung lässt sich die Abschlussrede Hiobs Hi 42,1–6 ebenfalls nicht verbinden. Denn der Gottesredenabschnitt mündet hier in eine dauerhafte Kommunikation zwischen Hiob und Jhwh und ihre bleibende Gemeinschaft.71 Doch dem entspricht die im Rahmen im direkten Anschluss an die Hiobrede platzierte Jhwh-Rede an Eliphas nicht. Denn diese setzt die Abgeschlossenheit des Gottesre65 Die negative Konnotation von  ergibt sich aus dem zweiten Halbvers (  hier „Gerede“) und dem Kontext. 66 Siehe Hi 23,2 und oben, 133. 67 Siehe oben, 60. 68 Siehe oben, 110ff. 69 Siehe oben, 133. 70 Auch die Elihureden setzten die Offenheit der Szenerie voraus, indem ein größerer Personenkreis als aktives Publikum vorausgesetzt wird, aus dem die Gestalt des Elihu heraustritt. 71 Siehe oben, 191.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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denabschnittes voraus und sieht in den Gottesreden an Hiob lediglich ein (positives) Äquivalent zur Jhwh- Rede an Eliphas. Ein weiterer auffälliger Aspekt in der vorgestellten Szenerie findet sich bei der Verbindung der Gottesreden mit dem Erzähltext. Nachdem Jhwh mit Hiob aus dem „Wettersturm“ gesprochen hat, wird dieses besondere Phänomen aus der Sicht des Rahmens nicht mehr beachtet. Dabei ist auf den Wettersturm als bedrohliches Ereignis innerhalb der Dichtung bereits voraus verwiesen worden (Hi 9,17).72 Hier scheint vom Rahmen aus dem vorangehenden Text lediglich das Faktum von Jhwhs Reden mit Hiob rezipiert zu werden, eine Tatsache, die unterstreicht, dass die Dichtung vom Rahmen als vorgegebene Literatur verarbeitet wird. Insgesamt zeigt sich, dass der Rahmen andere Vorstellungen von der Selbstmitteilung Gottes hat, und letztlich unterscheidet sich die Vorstellung vom Wettersturm auch von der im Prolog ausgestalteten Thronratsszene und dem in ihrem Hintergrund stehenden theologischen Konzept. d) Das thematische Neben- und Ineinander von Dichtung und Rahmen Oben konnte festgestellt werden, dass die Hiobdichtung durchgängig von einem dialogischen Prinzip73 geprägt ist. Im ersten Teil der Dichtung spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen Hiob und den Freunden immer weiter zu. Die Aussagen werden immer radikaler, bis schließlich nur noch Hiob redet und er Gott zu seiner Antwort herausfordert. Dieser dialogische Charakter wird in der Rahmenerzählung kaum beachtet. Lediglich das Faktum, dass Hiob und die Freunde überhaupt geredet haben, wird (in 42,7f) vorausgesetzt, so wie es implizit im Schweigen der Gesprächspartner in Hi 2,11–13 angelegt ist. Über das Reden Hiobs und seiner Freunde wird im Epilog (42,7f) das Urteil gesprochen:        „denn nicht habt ihr zu mir richtig geredet.“ In der Formulierung wird primär die Ausrichtung des Redens auf Gott thematisiert, nicht aber der Redeinhalt, und so spielen weder der Inhalt noch die Intention der Hiobdichtung überhaupt in der Rahmenerzählung eine Rolle. Die positive Beurteilung von Hiobs Reden in Hi 42,7f steht mit den Wertungen von Hiobs Reden auf der Erzählebene im Prolog (1,21; 2,10b) in einem Zusammenhang.74 Dabei werden freilich entsprechend der jeweiligen kontextuellen Stellung zwei unterschiedliche Wege beschritten. In Hi 1,22; 2,10b wird entsprechend der Thematik des Prologs 72

Eine Verbindung zu dem Sturm aus Hi 1,19 besteht gerade nicht, da es sich ja um das (von Jhwh freigegebene) Handeln des Satans handelt und weil dort mit         anders als in 1,16 (  ) offenbar ein direkter Bezug zu Gott nicht gesucht wird. Gegen Hartley, Job, 174. 73 Vgl. dazu oben, 204ff. 74 Siehe oben, 291.

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negativ formuliert, dass Hiob nicht verbal gesündigt hat, womit die durch den Gottesfluch verursachte Beendigung der Gottesbeziehung bezeichnet ist. Im Epilog – nach der Dichtung – wird positiv formuliert. Nicht der bestimmende Dialog zwischen Hiob und den Freunden und sein Inhalt, ob das Reden zu Gott bzw. auf Gott hin ausgerichtet war, wird in den Blick genommen und ist Ausdruck für die Integrität der Gottesbeziehung. Während Hiob in den Dialogen die Integrität seiner Gottesbeziehung unter Beweis gestellt hat, sind die Freunde daran gescheitert. Diese Sicht des Rahmens auf die Dichtung ist nicht unzutreffend, doch handelt es sich dabei um eine vereinfachte Perspektive. Denn die Hiobreden sind gerade nicht durchgängig an Gott gerichtet. Auch ist die Artikulation des Todeswunsches durch Hiob Ausdruck dafür, dass er der Gottheit die Bitte um Errettung versagt. Demgegenüber haben die Freunde sich durchaus positiv auf Gott bezogen. Auch wenn sie bei ihrem Parteiergreifen für die Gottheit letztlich scheitern, enthalten ihre Reden zutreffende theologische Aussagen, die z.T. auch in den Hiobreden selbst rezipiert werden. Allerdings richten die Freunde tatsächlich an keiner Stelle ihre Rede an Gott. Hierbei handelt es sich um den von der Rahmenerzählung rezipierten Aspekt der Hiobdichtung. Er wird von der Rahmenhandlung aufgegriffen und gleichzeitig mit Hiobs Fürbitte für die Freunde kontrastiert. Die fehlende Anrede Gottes durch die Freunde erhält zugleich in deren dezidiertem Schweigen bei der Ankunft (Hi 2,13:      ) ein Pendant. Diese partielle Rezeption der Hiobdichtung macht dabei die Richtung der literarischen Abhängigkeit deutlich. Bei der Abfassung des Rahmens wird der umfangreiche Dichtungsteil rezipiert, indem aus ihm zwar ein wesentlicher, aber singulärer Aspekt selektiert wird. Die Differenz zwischen Prolog und Epilog lässt sich nur als sekundäre Rahmung der älteren Dichtung durch die Rahmenerzählung begreifen.75 Während die Rahmenerzählung primär die Ausrichtung der Reden des Dialogteils aus der Dichtung rezipiert, scheinen auf der anderen Seite zentrale inhaltliche Themen der Dichtung wie die Klärung der Frage nach dem Chaos in der Welt und dem Ursprung des Bösen sowie die Thematisierung des Motives „Vorwurf gegen Gott“ nicht rezipiert zu werden. Stattdessen scheint sich die Handlung bei der Charakterisierung Hiobs in Hi 2,10b im Prinzip inhaltlich schon an dem Punkt zu befinden, wo der Epilog in Hi 42,7 wieder einsetzt.76 Hi 42,7 setzt dort allerdings voraus, dass Hiob die Gottesbegegnung hatte, was im Kontrast zur Thematisierung der Freunde in Hi 42,7b Hiobs intakte Gottesbeziehung aus der Perspektive Gottes sig75 Letztlich sind die Versuche, die Übergänge für literarisch sekundär zu erklären, auf die gleichen Textbeobachtungen zurückzuführen. Vgl. oben, 333ff. 76 So schon Gese, Lehre, 71, der der Ansicht ist, dass der Prolog einen vollständigen Spannungsbogen darstellt.

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nalisiert. Dies zeigt, dass der Epilog eindeutig auf die Dichtung bezogen ist, dass dabei aber kein nahtloser inhaltlicher Anschluss erreicht worden ist. Die begleitenden formalen Probleme im Übergang weisen darauf, dass zwischen Hi 42,6 und 7 die literarhistorische Grenze liegt, an der die Rahmenhandlung sekundär an die vorliegende Dichtung angeheftet worden ist. Nach der partiellen Anknüpfung an die Dichtung wechselt die Thematik. Einerseits wird ausgedrückt, dass die Reden der Freunde den Zorn Gottes verursacht haben, den Hiob besänftigen muss. Andererseits wird deutlich, dass die Effizienz von Hiobs Fürbitte für die Freunde in seiner durch das Leiden hindurch aufrechterhaltenen Gottesbeziehung gründet. Die beiden Aspekte sind in unterschiedlicher Weise mit der Dichtung verbunden. Während sich das Festhalten Hiobs an seiner Gottesbeziehung auf seine in der Dialogdichtung durchgehaltene Anrede Gottes bezieht, gibt es für den Zorn Gottes außer in der Kritik Hiobs kaum einen Anhaltspunkt. Daher ergibt sich, dass die Anknüpfung von Hi 42,7f aus der Dichtung nicht nur die Ausrichtung der Reden Hiobs und der Freunde zu deren Beurteilung rezipiert, sondern, dass der Rahmen mit der Verurteilung der Freunde in der Jhwh-Rede über die Intention der Dichtung hinausgeht. Einen anderen Weg als denjenigen einer nur partiellen und teilweise anders gearteten Anknüpfung an die Dialogdichtung haben die Elihureden beschritten.77 Diese haben zwar auch eine eigene Intention, sie suchen aber umgekehrt mit der veränderten Intention Anschluss an die Kohärenzstruktur der Dichtung zu gewinnen und rezipieren die Dichtung in ihrer Struktur stärker, als die übrige Dichtung vom Rahmen in ihrer Kohärenzstruktur rezipiert wird: Elihu kritisiert Hiob und die Freunde, indem er inhaltlich bei deren Reden und Argumenten ansetzt. Er zeigt Hiob einen gegenüber den Vorschlägen der Freunde abgewandelten Lösungsweg auf. Die Elihureden stellen damit eine Kritik an Hiobs Vorwurf gegen Gott dar. Sie sind zugleich mit der Intention der Dichtung konform, da hier die Argumente des Dialoges noch einmal diskutiert werden. Sie haben mit ihren Vorwegnahmen aus den Gottesreden das Ziel, diese weniger als Akzeptanz von Hiobs Person erscheinen zu lassen. Sie intendieren eine Korrektur der ursprünglichen Hiobdichtung. Dass sich die Elihureden in dieser Weise auf die Kohärenzstruktur der ursprünglichen Dichtung beziehen, ist m.E. ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass sie deren von der Rahmenerzählung unabhängige Existenz voraussetzen.

Die festgestellte partielle und teilweise differente Rezeption der Dichtung durch den Rahmen macht die Richtung der literarischen Abhängigkeit zwischen Rahmen und Dichtung deutlich. Denn es handelt sich um ein Kennzeichen der „Literatur auf zweiter Stufe“, dass eine literarische Vorlage bei deren Rezeption nicht in Gänze und entsprechend der eigenen Intention rezipiert wird. Stattdessen wird bei der Verarbeitung zunächst ein Modell ent77 Hier muss vorausgesetzt werden, dass die Elihureden einen sekundären Bestandteil darstellen. Siehe dazu unten, 445ff.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

worfen und dieses entsprechend der aktuellen Intention verwendet.78 Die Verbindung von Rahmen und Dichtung ist in umgekehrter Richtung nur schwer vorstellbar. So macht es die Intention der Rahmenerzählung erforderlich, Hiobs „Vorwurf gegen Gott“ in der Bewertung seiner Reden in Hi 42,7 zu ignorieren. Hält man die Dichtung für literarisch nachträglich für die Rahmenerzählung geschaffen, so kann man bspw. nicht erklären, wieso nach den Äußerungen Hiobs in Hi 1,21 und 2,10b und deren Würdigung auf der Erzählebene der „Vorwurf gegen Gott“ bis hin zur Gottesbegegnung und der letzten Hiobrede (Hi 42,1–6) folgt. Der Vergleich der zentralen Themen von Rahmenerzählung und Dichtung bestätigt diese Beobachtung. Im Rahmen wird die Integrität von Hiobs Gottesbeziehung im Leiden thematisiert. In der Dichtung geht es um das Problem des Leidens des Frommen überhaupt und um sein artikuliertes Recht auf die Klage. Dabei geht es ausdrücklich auch darum, dass der Fromme ein Recht auf Unterstützung von seinem Gott hat und er dies auch einfordern kann. Dieses wird dem Frommen dann in den Gottesreden ausdrücklich zugestanden und durch die direkte Gottesbegegnung eingelöst. Der Rahmen schreibt den Leiden zumindest in Bezug auf die Hiobfigur einen Sinn zu. Demgegenüber haben die Leiden nach der Konzeption der Dichtung nur einen Platz in der Schöpfung, ohne dass sie eine besondere Funktion haben. Stattdessen positioniert sich die Gottheit dem Leid und dem Bösen gegenüber in der Weise, dass Gott sich mit dem Bösen in einer dynamisch verstandenen Welt in einer Auseinandersetzung befindet. Dieses besonders in den Gottesreden erkennbare Konzept lässt sich weder mit dem Prolog noch mit dem Epilog in Einklang bringen. Denn dort wird das Böse durchgängig ursächlich auf Jhwh zurückgeführt. Diese Aussage gilt auch für das in den Himmelsszenen dargestellte Gegenüber von Jhwh und dem Satan, das letztlich die Ursächlichkeit auch des Bösen aus der Hand Jhwhs nur vermitteln will, dabei aber keinen Zweifel an der Verantwortlichkeit Jhwhs für Hiobs Leiden lässt (siehe Hi 2,3b).79 Im Hintergrund steht eine theologische Konzeption, die aufgrund des Monotheismus keine Ursache des Bösen außerhalb Jhwhs mehr sieht.80 Dies wird in Hiobs Reden im Prolog (Hi 1,21; 2,10b) und auf der Erzählebene im Epilog in Hi 42,11 explizit ausgedrückt. An der zuletzt genannten Stelle heißt es, dass die Verwandten und Bekannten Hiobs kamen, um Hiob zu trösten über „all das Böse, das Jhwh über ihn gebracht hatte“ (Hi 42,11aº»). Zwischen den Konzepten des Rahmens und der Dichtung besteht nicht nur ein Kohärenzproblem im Sinne eines stringenten Erzählverlaufs, son78

Vgl. Genette, Palimpseste, 16. Vgl. zum Thema Spieckermann, Satanisierung, und oben, z.St. 80 Siehe dazu oben, 367ff. 79

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dern eine grundsätzliche theologische Diskrepanz, die nicht nur mit einer Erzählintention erklärbar ist. Doch auch die Systematisierung von Rahmen und Dialog als uneigentliche und eigentliche Rede81 kann das Gegenüber nicht erklären: Denn der Epilog beginnt nicht mit einer klaren Unterscheidung der Szenerie der Dichtung und des Rahmens, sondern bei allen Unterschieden mit dem Versuch der Koordination. Hier werden im Epilog die Jhwh-Rede an Eliphas auf eine Ebene mit den vorangehenden Gottesreden gebracht. Was für Hi 42,7 gilt, muss für den gesamten Rahmen gelten, so dass eine Trennung in unterschiedliche Modi der Darstellung von Dichtung und Rahmen nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass wir uns bei der zusammenfassenden Feststellung in Hi 42,11aº» auf der Erzählebene und somit auf einer Metaebene im Hiobbuch befinden, auf der die Szenerie des Prologs mit der differenzierten Sicht des Handelns Jhwhs, wie es die Himmelsszene geboten hatte, zurückgelassen ist und demgegenüber die Position der reflektierenden Betrachtung – wenn man so will des allwissenden Erzählers – wieder eingenommen wird. Die Himmelsszenen stellen sich so dar als eine erzählerische Abstraktion der Aussage in Hi 42,11aº»ե Dies ermöglicht es, die Prüfung der Gottesbeziehung Hiobs durch Jhwh mit der Garantie Jhwhs für die körperliche Integrität des Frommen (Kap. 1) und dessen Leben (Kap. 2) zusammenzudenken.82 Obwohl der Hiobprolog dabei durchaus „märchenhafte Züge“83 trägt, entspricht er doch der in Hi 42,11, aber auch schon der in den Reden Hiobs Hi 1,21; 2,10aº»¼ deutlich werdenden Erzählintention des Rahmens insgesamt. Wenn man die Intention der Hauptteile und ihre inhaltlichen Querbezüge beachtet, erscheint es allein plausibel, dass der Rahmen die vorgegebene Dichtung rezipiert und in ein neues inhaltliches Konzept aufgenommen hat. Dies wird durch die im Übergang zwischen Prosarahmen und Dichtung anzutreffenden Kohärenzprobleme unterstrichen.84 Es ergibt sich, dass zwischen 1,1–3,1 und 3,2ff auf der einen und 42,1–6 und 42,7ff auf der anderen Seite die literarhistorische Trennlinie liegt. e) Die Vorwürfe des Satans und Hiobs Vorwurf gegen Gott Wie oben festgestellt werden konnte, sind es zwei Vorwürfe, die der Satan in den beiden Himmelsszenen gegen Hiob vorbringt: Erstens (Hi 1) hält der Satan Gott in der Person Hiobs den Zusammenhang von Frömmigkeit und Wohlergehen vor. In Bezug auf diesen formuliert der Satan das Ideal, 81 Vgl. zu dieser Position die bei van Oorschot, Tendenzen, 377f, dargestellten Ansätze von W. Whedbee, R.E. Murphy und D. Cox. 82 Vgl. zu den „Rollen“ Jhwhs und des Satans im Prolog oben, 247. 83 Schmid, Hiobproblem, 31. 84 Vgl. oben, 335ff.

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dass die Gottesbeziehung einen Eigenwert darstellen sollte und ohne Blick auf den aus ihr resultierenden Segen aufrechtzuerhalten ist. Damit zielt die Himmelsszene auf eine Kritik an der dtn/dtr Theologie, wie die Zitation aus dem Bereich des Deuteronomiums deutlich macht.85 Das Ideal der Gottesbeziehung als Eigenwert triumphiert über die ironisierte dtn/dtr Theologie, indem Hiob sich der vorangehenden Attributierung seiner Person und des Lobes durch Jhwh als „würdig“ erweist und er trotz seines Leidens an seiner Gottesbeziehung festhält.86 Zweitens wird ausgehend von der zweiten Himmelsszene die Infragestellung Hiobs verschärft. Der Satan unterstellt, Hiob halte nur aus Furcht um sein Leben an der Gottesbeziehung fest.87 Dieser neuerliche Vorwurf des Satans bildet sozusagen das Pendant zu dem ersten Vorwurf, indem unterstellt wird, die Gottesbeziehung werde aufrechterhalten, um Schaden fernzuhalten. Der zuletzt genannte Punkt scheint wiederum kritisch auf die dtn Paränese bezogen zu sein. Doch auch dieser Versuch, Hiob zur Beendigung der Gottesbeziehung zu bewegen, scheitert, obwohl Hiob eine totale Infragestellung seiner körperlichen Integrität und ebenso die soziale Desintegration erleidet.88 Hiob verbleibt in seiner idealen Gottesbeziehung. Von diesem Ideal ist in der Dichtung jedoch nichts zu spüren. Dies hängt mit der anderen inhaltlichen Ausrichtung der Dichtung zusammen. In ihr geht es nicht darum, ob Hiob sich einer idealen Vorstellung von der Gottesbeziehung als würdig erweist, sondern darum, ob der Fromme in seiner Klage und Anklage den radikalen Vorwurf gegen die Gottheit vorbringen kann, der dann in den Gottesreden akzeptiert wird. In der Dichtung erweist sich Gott quasi der Frömmigkeit des Frommen als würdig, während in der Rahmenerzählung Hiobs Übereinstimmung mit dem in den Himmelsszenen aufgeworfenen Ideal nachgewiesen wird. In der Dichtung wird also gerade das, was in den Himmelsszenen als Beweggrund für das Bleiben in der Gottesbeziehung abgelehnt wird, bei der Gottheit eingefordert. Denn der Fromme hat nach der Dichtung ein Anrecht darauf, von der Gottheit bewahrt zu werden. Dennoch wird die Dichtung und ihre spezielle Sicht von der Rahmenerzählung integriert. Denn dadurch, dass die Rahmenerzählung den Aspekt des an die Gottheit gerichteten Appells als Festhalten an der Gottesbeziehung und Hiobs Reden zugleich als an Gott gerichtete Rede interpretiert und entsprechend positiv wertet, wird aus ihrer Sicht der leidende Hiob der Dichtung zu einem Zeugen für das Ideal der Zweckfreiheit der Gottesbeziehung. Dieser partiel85

Vgl. oben, 242, und unten, 381ff. Zu der besonderen Bedeutung von Hi 1,21 siehe im Folgenden, 367ff. 87 Vgl. dazu und zur Rezeption der Phrase    darin oben, 261f. 88 Zu der besonderen Bedeutung von Hi 1,21 siehe unten, 367f. 86

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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le Rückgriff der Rahmenerzählung auf die Dichtung bewirkt eine Verzerrung und Abwandlung ihrer ursprünglichen Intention.89 Das bei der Integration der Dichtung angewandte literarische Verfahren ist folgendermaßen zu beschreiben: Hiob wird als einzigartig fromm eingeführt, das Ideal der Gottesbeziehung dargestellt und Hiob entsprechend auf die Probe gestellt. Da dies vor den Dialogen angeordnet ist, wird so die Wahrnehmung der Dichtung vorab in eine bestimmte Bahn gelenkt. Hiobs Appell an Gott soll nach seinem zweimaligen erfolgreichen Bestehen der „Prüfung“ nur noch im Sinne des vorangestellten Ideals wahrgenommen werden: Der im Sinne des Prologs ideale Fromme besteht in den „Freundesreden“ weitere Anfeindungen, indem er auch hier die Gottesbeziehung nicht beendet, was aus der Sicht des Rahmens in den Gottesreden bestätigt wird. Der Vorwurf gegen Gott in der Dichtung wird so in der Rahmengeschichte neutralisiert. f) Textpragmatische und inhaltliche Erwägungen zum Gebrauch des Tetragramms im Hiobbuch Ein Thema, dem hier zwar nicht ausführlich nachgegangen werden kann, das aber zumindest in einem Aspekt beleuchtet werden soll, ist der Gebrauch der sog. Gottesnamen und -bezeichnungen.90 Das Tetragramm kommt innerhalb der Dichtung nur in den Überschriften zu den Gottesreden und zu Hiobs Antworten vor. In der Dichtung selbst wird sein Gebrauch durchgängig vermieden.91 Dies geschieht auch in den Hiobreden, obwohl Hiob den Gottesnamen im Prolog wie selbstverständlich (Hi 1,21 [3x]) verwendet.92 Die Unterschiede in seiner Benutzung können nicht zufällig sein. Der Gebrauch des Jhwh-Namens in den Überschriften der Gottesreden und den Hiobantworten steht zunächst einmal im Zusammenhang der in Hi 38,1 mit den Gottesreden neu eröffneten Kommunikationssituation. Hi89

Einige Einzelbeobachtungen zeigen das Kohärenzproblem: In Hi 9,34f findet sich ein Hinweis darauf, dass Hiob sich vor Gott fürchtet. In Hi 4f und auch anderen Stellen interpretieren die Freunde Hiobs Todeswunsch als Ausdruck seiner Todesangst. Hiobs Klage, verbunden mit der Feststellung seines nahen Todes, stellt eine gegenüber Hi 2 entgegengesetzte Reaktion Hiobs auf das Leid dar. Auch stellt der nahe Tod die Gottesbeziehung Hiobs in der Dichtung massiv in Frage. Vgl. Hi 6,29; 9,22ff. 90 An den Gebrauch der Gottesnamen hat Eerdmans die These geheftet, dass die ältere Dichtung sekundär mit der Rahmenerzählung versehen worden sei. Vgl. Eerdmans, Conception, 15f. Eerdmans argumentiert religionsgeschichtlich, doch kann seiner Unterscheidung von verschiedenen Gottheiten in den verschiedenen Gottesnamen nicht gefolgt werden. Zur Problematik von Eerdmans These siehe auch oben, 7, Anm. 29. 91 Zur Ausnahme Hi 12,9 siehe oben, 85, Anm. 226. 92 Zu den Versuchen den Gebrauch des Gottesnamens im Prolog literarkritisch zu erklären vgl. Schmidt, De Deo, 165f.

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ob steht nun nicht mehr den Freunden, sondern Gott selbst direkt gegenüber, der ihm antwortet. Dass das Tetragramm aber nur in den Überschriften – dort aber durchgängig – gebraucht wird, kann nur den einen Sinn haben, für die Leser die Identität des in den Gottesreden sprechenden Gottes klar zu stellen. Im Gegenüber zu Hi 31,35 ( 93) und weiteren Stellen im Dialogteil, wo Hiob Gott noch mit dem Epitheton   angesprochen hatte, bedeutet dies, dass er mit den Gottesreden nun die Antwort von Jhwh erhält und mit diesem in eine direkte Kommunikation eintritt (Hi 38,1; 40,1.3.6; 42,1). Dass Hiob aber bis zu seiner letzten Rede mit der in ihr deutlich werdenden Dauerhaftigkeit der Gottesbeziehung dennoch den Gottesnamen nicht gebraucht, soll signalisieren, dass der Hiob der Dichtung den Namen seines Gegenübers nicht kennt. Doch den impliziten Adressaten wird dessen Identität durch Nennung des Gottesnamens in den Überschriften der Gottesreden mitgeteilt.94 Dieser Unterschied zwischen dem Gottesverhältnis der impliziten Adressaten und dem Zeugnis der Hiobreden weist Hiob als jemanden aus, als der er üblicherweise 95 in der Auslegung der Dichtung (aber auch im Rahmen) angesehen wird – als einen Nichtisraeliten wie seine Freunde Eliphas, Bildad und Zophar. Von dieser Überlegung erscheint Hi 42,1–6 in einem interessanten Licht. Hiob resümiert in Hi 42,5 die Gottesreden als eine aufgrund der Theophanie all seine frühere Kenntnis von Gott transzendierende Erkenntnis. Dieses Resümee der letzten Hiobrede zeigt deutlich, dass die Vermeidung des Tetragramms und sein Auftauchen in den Überschriften der Gottesreden und Hiobantworten ein zentraler inhaltlicher Aspekt der Hiobdichtung ist. Dort wird ein nichtisraelitischer leidender Weiser in die Begegnung mit dem Gott Israels geführt.96 Dem entspricht, dass die Dichtung durchaus ein monotheistisches Gottesbild vertritt, obwohl sie unterschiedliche Namen und Bezeichnungen für den einen Gott gebraucht.97 Für die Figur Hiobs geht die Erkenntnis Jhwhs freilich nicht soweit, dass ihm der Name mitge93

Die Formulierung hat dort zwar eine kontextuell begrenzte Funktion. Diese weist aber, da sie an das Bekenntnis, keine Sünden verborgen zu haben, angeschlossen ist, darüber hinaus und hat somit in den Einführungen der Gottesreden mit     ihr Äquivalent. Vgl. oben, 167ff. 94 So auch Willi-Plein, Frage, 157. 95 Vgl. zu dieser Sicht und ihren Ursachen unten, 465ff. 96 Nach Köhlmoos, Auge Gottes, 362, wird „der ,   und   der Dialogdichtung in 38,1 mit Jhwh identifiziert“. Diese Identifikation scheint ganz im Dienste der Veränderung in Hiobs Gottesbeziehung zu stehen. In eine ähnliche Richtung ging die Interpretation von Tur Sinai, Job, LXXIII, der der Hiobgeschichte deshalb eine ‚missionarische‘ Aufgabe in der babylonischen Diaspora zuschreibt: „this version of the book was written especially for non-Jews, for the purpose of bringing them closer to the Jewish faith.“ 97 Vgl. Köhlmoos, Auge Gottes, 362.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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teilt wird. Dennoch unterwirft Hiob sich in Hi 42,6 angesichts der ihm zuteil gewordenen direkten Gottesoffenbarung. Die intendierten Adressaten bleiben Hiob in Bezug auf die Gotteserkenntnis einen entscheidenden Schritt voraus, da sie durch den in den Überschriften der Gottesreden genannten Gottesnamen ihren Gott erkennen. Mit dieser inhaltlichen Linie lässt sich insbesondere Hi 1,21 nicht bruchfrei verbinden, und es reicht auch nicht, Hi 1,21 als eine Prolepse dieses Zieles der Dichtung zu verstehen und Hiobs Weg zum Monotheismus vorskizziert zu sehen.98 Denn Hi 1,21 geht mit dem Gebrauch des Namens explizit über das Ziel der Dichtung hinaus, indem Hiob sein gesamtes Geschick mit diesem Gott in eine Verbindung bringt, nämlich Segen und Leid (  

   ), (im Zusammenhang von 2,10a) das Gute ( ) und das Böse (   ). Die Akzeptanz dessen geht bei ihm so weit, dass er darauf in der Benediktion Hi 1,21b (    ) den Namen Jhwhs preist. Wie kann man die Radikalität dieser Aussagen im Zusammenhang der Dichtung, die ja andere Wege geht, verstehen? M.E. ist ein unterschiedlicher Gestaltungswille spürbar. Man kann den Zusammenhang nur so erklären, dass bei der Gestaltung des Rahmens das Thema der Erkenntnis Jhwhs durch Hiob aus der Dichtung weitergeführt wird. Dabei werden im Gebrauch des Tetragramms durch Hiob und in der in den Jhwh-Reden des Rahmens ausgedrückten Exklusivität von Hiobs Gottesbeziehung (   ,   ) grundsätzliche Veränderungen von Hiobs Identität gegenüber der Dichtung vollzogen. Der Abstand, der in Hi 42,1–6 zwischen den intendierten Adressaten und Hiob besteht, wird dadurch aufgehoben; Hiob wird von den heidnischen Freunden abgerückt (siehe Hi 42,7ff) und steht ganz auf Seiten der israelitisch/jüdischen99 Leser. Aus dem heidnischen Hiob der Dichtung, der sich Jhwh unterwirft, wird in der Rahmenerzählung von Anfang an ein „wirklicher“ Jhwh-Verehrer, der zudem in einer idealen Gottesbeziehung steht. g) Gott und das Böse Wie im vorangehenden Abschnitt bereits angesprochen handelt es sich bei den Formulierungen in Hi 1,21 (      ) und 2,10a (           ) um radikale Aussagen in Bezug auf Gott. Die Akzeptanz des Bösen wie des Guten, von Nehmen wie von Geben impliziert entsprechend ein „ganzheitliches“ Gottes- und Weltbild. Determiniert kommt  als Bezeichnung von Gottes Handeln oder „Gabe“ von Gott an keiner weiteren Stelle in der Hebräischen Bibel vor. Die Aussa98

Vgl. Mies, L’espérance, 590f. So muss man schon den Gebrauch des Gottesnamens über den Gottesreden und Hiobs Antworten als Hinweis auf die Adressatenschaft interpretieren. 99

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ge hat aber eine Affinität zu Jes 45,7 (vgl. Jes 41,23; Am 3,6). Doch dort fehlt die Determination, auch wenn in den Gegensatzpaaren (  und  ,   und ) ähnlich wie in der determinierten Form  Vollständigkeit impliziert ist.100 Eigentümlich an den Formulierungen in Hi 1,21; 2,10 ist die Tatsache, dass es sich beim „Bösen“ ja um eines der Themen handelt, die von der Hiobdichtung ausführlich diskutiert werden. Zentral ist in der Dichtung der Vorwurf gegen Gott. Dieser sei verantwortlich für das Übel, da er sich nicht um das Geschick des Frommen kümmere (bes. Kap. 3). Eine Spitzenaussage findet sich in Hi 9,24, wo Gott nun selbst von Hiob als Frevler und damit als Ursprung des Bösen bezeichnet wird.101 Beide Vorwürfe kommen auch an anderen Stellen in der Dichtung vor. Besonders interessant ist im Zusammenhang von Hi 1,21; 2,10 aber Hi 30,26, wo die Gegensätze von Licht und Dunkel, Gutem und Bösen einander in unterschiedlicher Weise zugeordnet werden. Die allgemein formulierte Klage in Hi 30 konvergiert ebenfalls nicht mit der widerspruchslosen Akzeptanz des Unheils aus der Hand Gottes, die im Prolog spürbar ist. Denn im Kontext wie besonders in Hi 30,21 (    ) wird das Unheil konkret auch auf Gott zurückgeführt. Diese radikalen Anklagen in Bezug auf Gott wären mit Hi 1,21; 2,10a nur kompatibel, wenn Hiob in der Dichtung seine Aussagen aus dem Rahmen widerriefe. Doch dies ist insbesondere im Blick auf Hi 42,7f nicht denkbar. In den Hiobreden akzeptiert Hiob gerade nicht, dass Gott gleichermaßen gut und böse ist. Er klagt an, dass Gott das Böse tue bzw. auf der Seite des Bösen stehe. Dies widerspricht dem Rahmen grundsätzlich. Damit gehen die Hiobreden der Dichtung in eine andere Richtung als vorher die Hiobreden im Prolog, und auch die Problemlösung in den Gottesreden entspricht dem Rahmen nicht. Dort wird Hiob darauf hingewiesen, dass Gott nicht auf der Seite des Bösen steht und er nicht böse ist. Das Böse wird hier als eine von Gott getrennte Realität verstanden. Traditionelle Motive aus dem Rahmen mythologischer Vorstellungen werden aufgerufen, ohne dass damit die monotheistische Tendenz der Hiobdichtung aufgegeben wird. Das Böse ist Teil einer dynamisch verstandenen Welt, und Gott steht dem Bösen gegenüber, indem er im Kampf gegen das Böse steht (am Anfang und permanent) und in der Welt für die Ordnung verantwortlich ist. Gleichzeitig mit der Entfaltung dieses Konzepts in den Gottesreden wird Hiobs Vorwurf, Gott vernachlässige seine Fürsorgepflicht, durch die direkte Gottesbegegnung entkräftet. 100

Die radikale Aussage in Hi 2,10a ist vergleichbar mit Jes 45,7 (vgl. Jes 41,23; Am 3,6); vgl. dazu Elliger, Deuterojesaja, 500. 101 Vgl. oben, 189ff.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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Von den mythologischen Implikationen der Gottesreden ist in den radikalen Formulierungen Hiobs im Prolog jedoch nichts spürbar. Gott ist dort gut und böse. Die Position im Zusammenhang des Monotheismus wird damit gegenüber der Dichtung radikalisiert. Gott ist nicht nur ‚all-zuständig‘ und allmächtig, sondern ‚all-verantwortlich‘. Dass der Mensch auch das Böse aus der Hand Gottes empfängt (2,10), widerspricht aber dem Zielpunkt der Dichtung, die das Böse als eine Realität im Gegenüber Gottes ansieht. Selbst der Satan durchbricht das monistische Konzept der Rahmenerzählung nicht. Dieser hat dort anders als die freien mythologischen Chaosmächte in den Gottesreden eine klar zugewiesene Position und Aufgabe in Jhwhs Hofstaat.102 Man könnte natürlich einwenden, dass die Aussagen von Hi 1,21; 2,10b nicht der Intention des Autors entsprechen und die Hiobfigur in 2,10 noch nicht über das Wissen verfügt, was ihr erst in Hi 38–41 mitgeteilt wird. Auch kommt ja Hiob erst in seinen radikalen Anklagen auf einem langen Weg der Diskussionen dazu, Gott quasi als Frevler zu bezeichnen, was er ja auch in Hi 9,24 gerade nicht in ganzer Radikalität formuliert. Doch in der Formulierung     ([die] Erde ist gegeben in die Hand eines Frevlers) im Zusammenhang von        „Wenn es nun nicht (so) ist, wer ist er?“ steckt implizit der an Gott gerichtete Appell, dieser Aussage zu widersprechen. Hinzu kommt, dass Gott ja gleichzeitig die Instanz bleibt, an die Hiob sich in seiner Hoffnung wendet. Entsprechend der dialogischen Gesamtstruktur wird dieser Vorwurf zurückgewiesen, was Hiob akzeptiert. Dass Hiob aber nach seinen Äußerungen (Hi 1,21; 2,10a) jeweils (Hi 1,22; 2,10b) auf der Erzählebene positiv gewürdigt wird, zeigt, dass Hiob in seinen Äußerungen nach dem Ideal des Erzähltextes agiert hat. Dies bestätigt die Inkompatibilität der Konzepte der Dichtung und des Rahmens bei der Frage nach dem Ursprung des Bösen. Der Zusammenhang von Prolog und Dichtung würde synchron betrachtet gegenüber den grundsätzlichen Aussagen von Hi 1,21; 2,10 einen Rückschritt bedeuten. Hiobs Aussagen erschienen als abgeschwächt. Doch ist eine solche Dynamik im Epilog Hi 42,7f nicht mehr spürbar, denn dort wird ja Hiob wieder ausdrücklich positiv beurteilt, und Jhwh erscheint als unberechenbarer, zorniger Gott, der von Hiob besänftigt werden muss.103 Außerdem stellt die Aussage        aus Hi 42,11a auf 102

Vgl. dazu unten, 370. Auch widerspricht die enorme Wirkung des Rahmens der Annahme, dass ein solcher Wechsel der theologischen Positionen bei Hiob einem einheitlichen Gestaltungswillen entspringt. Denn der Rahmen überdeckt mit seiner Position nicht konforme Aspekte der Dichtung. 103

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

der Erzählebene einen Schlussstrich unter die Thematisierung des „Bösen“ dar. Damit wird Hi 1,21; 2,10 rezipiert, aber gerade nicht die anders geartete Problemlösung der Dichtung. Damit ist der Zusammenhang von Rahmen und Dichtung nur so erklärbar, dass bei der Erklärung des Bösen im Rahmen die Dichtung rezipiert, zugleich aber über sie hinausgegangen worden ist. Der Monotheismus entfernt sich im Rahmen gegenüber der Dichtung von mythologischen Erklärungsmodellen und wird dabei verschärft. Freilich bleibt die Rahmenerzählung bei der Radikalität dieser Aussage nicht stehen. Die Rahmenerzählung enthält eine Reihe von Aussagen, die dazu dienen, die Radikalität des vertretenen theologischen Konzeptes zu vermitteln: Hier ist an erster Stelle die Thematik von Hiobs Kindern zu erwähnen, die für Hiob von Anfang an ein Problem darstellen. M.E. lässt sich die Anspielung auf eine mögliche Schuld der Kinder in Hi 1,13 zunächst einmal als der Versuch, den Tod der Kinder zu vermitteln, verstehen. Dass für die Adressaten auf eine mögliche Schuld der Kinder Hiobs angespielt wird, dient letztlich der „Entschuldigung“ Jhwhs, der entsprechend für deren Tod nicht (oder zumindest nicht dem ersten Anschein nach) verantwortlich zu sein scheint. Damit wird an dieser Stelle des Textes bei aller Radikalität, die dann von Hiob in Worte gefasst wird (1,21), der einfache Schluss verhindert, Jhwh sei willkürlich und grausam. Durch die Himmelsszenen, die integrale Bestandteile der Hiobrahmenerzählung sind, wird die Radikalität in anderer Weise abgeschwächt. Der Kunstgriff der Anspielung auf eine mögliche Schuld von Hiobs Kindern macht deutlich, dass das unschuldige Leiden nur in Bezug auf die Person Hiobs thematisiert wird, da dessen Frömmigkeit und ihre Prüfung ausschließliches Thema der Himmelsszenen ist. Wie bereits oben festgestellt werden konnte, wird zwar das Handeln des Satans im Zusammenhang der Himmelsszenen letztlich ursächlich auf Jhwh zurückgeführt (     – Hi 2,3b¹),104 doch ist hier die Rollenverteilung zu beachten. Jhwh steht trotz seiner Verantwortlichkeit für das Unheil für die körperliche Integrität Hiobs (Kap. 1) und für den Schutz seines Lebens (Kap. 2) ein, während das Unheil auf das direkte Wirken des Satans zurückgeführt wird. In dieser Rollenverteilung deutet sich ein Zusammenhang zu den religionsgeschichtlichen Wurzeln des biblischen Monotheismus an. Jhwh ist als Nationalgott Israels und persönlicher Gott primär mit dem Heil verbunden gewesen. Dieses Faktum dürfte letztlich auch dafür verantwortlich sein, dass die Hiobdichtung von der in den Aussagen über das Böse und das Leid viel radikaleren Rahmenerzählung rezipiert wird. Die Rollenverteilung zwi104

Vgl. die Diskussion der These von Spieckermann, Satanisierung, oben, 246.

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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schen dem Satan und Jhwh erlaubt es trotz des dem Monotheismus geschuldeten Monismus, an traditionellen Rollenmustern Jhwhs wie der Bewahrung und des Heils zumindest in Bezug auf die Hauptfigur des Hiobbuches festzuhalten und damit gleichzeitig der Aussage, dass auch das Böse von Gott herkommt, zu entsprechen. Auch wenn es vielleicht zu weit geht, mit H. Spieckermann von einer Satanisierung Gottes zu sprechen, so ist doch deutlich, dass hier Handlungen aus dem Bereich Gottes abgetrennt werden, indem das Gute direkt auf ihn zurückgeführt wird, während der Satan quasi als Vermittler des Bösen fungiert. Wenn man an diesem Punkt noch einmal textpragmatisch fragt, so ergibt sich, dass die aus der Perspektive der Hiobfigur klare Aussage, die ja am Ende des Hiobbuches (42,11) auch auf der Erzählebene wiederholt wird, in der Himmelsszene differenziert dargestellt wird. Offensichtlich wollte man eine unvermittelte Radikalität von Aussagen wie Hi 1,21; 2,10 nicht für sich allein hinstellen, so dass man die Konzeption der Himmelsszenen als hermeneutisches Mittel gewählt hat. Wie konkret die literarische Anknüpfung an die Dichtung durch die Rahmenerzählung an diesem Punkt ausgesehen hat, zeigen einige mögliche literarische Querbeziehungen: Eine solche literarische Beziehung findet sich zwischen dem in der zweiten Himmelsszene an den Satan gerichteten Satz     (Hi 2,3b¹) und Hiobs radikalem Vorwurf in Hi 9,17. Beide Stellen zielen auf den gleichen Sachverhalt, dass Gott Hiob ohne Grund mit dem Bösen heimgesucht habe. Dabei steht die Aussage Hi 9,17 aber im Zusammenhang von Hiobs Vorwurf, dass Gott ihm, dem Frommen, als Übeltäter gegenübertritt.105 Der Vorwurf ist dabei im Kontext von Hi 9,15ff auf „die Stimmigkeit der Welt im ganzen“106 bezogen. Blickt man von Hi 9,15ff auf Hi 2,3, dann scheint Jhwh dort den Vorwurf Hiobs einzugestehen. Auffällig ist aber, dass Jhwh dabei zugleich entschuldigt wird. Der Satan habe ihn grundlos aufgehetzt (  [Hif.]), Hiob zu verderben. Die Verantwortung liegt zwar bei ihm, er sei aber nicht die Ursache. Doch der entscheidende Unterschied zwischen Hi 9,15ff und dem Prolog besteht darin, dass durch die Fokussierung auf die Hiobfigur in den Himmelsszenen das Thema Leid ausschließlich im Bezug auf diese eine Person thematisiert wird, während in Hi 9,15ff zwar auch von Aussagen zum konkreten Leiden des Sprechers ausgegangen wird, dabei aber am Ende in äußerster Radikalität allgemeine Aussagen über das Verhältnis der Gottheit zum Bösen gemacht werden:       „den Frommen wie den Frevler bringt er um“. M.E. kann man den literarischen Zusammenhang zwischen den beiden Stellen nur so be105 106

Vgl. oben, 71. Ebach, Ist es ‚umsonst‘, 20.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

schreiben, dass der Rahmen das in der Dichtung anhand der Hiobfigur allgemein thematisierte Problem des Bösen und des Leidens auf Hiob fokussiert. Es bleibt festzuhalten, dass das zentrale Problem des Ursprungs des Bösen in der Rahmenerzählung anders dargestellt und gelöst wird als in der Dichtung. Die Aussage der Dichtung und die Selbstaussage Gottes in den Gottesreden wird nicht nur ergänzt, sondern im Munde Hiobs korrigiert. Die Himmelsszenen bieten dem Leser einen Einblick in eine Realität, die den Figuren nicht sichtbar ist. Die Rollendifferenzierung zwischen Jhwh und dem Satan dient der Vermittlung der radikalen Konsequenz aus dem Monotheismus, dass Gott letztlich gleichermaßen Ursprung des Guten und des Bösen ist.107 Es wird damit letztlich mit einem Paradoxon argumentiert, indem der Einblick in die Himmelsszene dem Leser das Geheimnis enthüllt, dass Gott zumindest für das Leben des frommen Hiob einsteht. In der Kohärenzstruktur haben die Himmelsszenen freilich eine wichtige Funktion, denn nur in ihrem Zusammenhang kann dem Leiden am Ende eine Funktion und ein Sinn zugeschrieben werden.108 Und so stellen die Himmelsszenen in dieser Konstruktion unmissverständlich klar, wie Gott trotzdem für Hiob sorgt und auf seiner Seite steht, was dann in Hi 42,7f und Hi 42,10ff noch einmal abschließend betont wird. h) Die Parteilichkeit Gottes im Epilog Eines der Hauptthemen der Rahmenerzählung des Hiobbuches ist Hiobs ideale Gottesbeziehung. Diese wird von Hiob durch radikale Aussagen formuliert (1,21; 2,10a) und zugleich auf der Erzählebene bestätigt (1,22; 2,10b; 42,7f). Die besondere Gottesbeziehung besteht aber auch von Seiten Jhwhs. So bestätigt der Blick auf Hi 42,8f, was vorher bei der Rede vom   in den Jhwh-Reden (1,8; 2,3; 42,7f) schon anklingt, dass die Beziehung zwischen Hiob und Gott exklusiv ist. Hiob kommt eine Sonderrolle in Bezug auf Gott zu, womit seine besondere Thematisierung in den Himmelsszenen untrennbar zusammenhängt. In Hi 42,8 heißt es nun, dass die Fürbitte Hiobs effektiv eine Veränderung bei Gott bewirkt. Die Formulierung            ist im juristischen Sprachgebrauch beheimatet und bedeutet hier, dass Gott in Bezug auf Hiobs Fürbitte parteiisch urteilen wird, was dann entsprechend V. 9b (       ) auch so geschieht.109 Zwar wird ja 107 Das Problem des Ursprungs des Bösen begleitet den Monotheismus dauerhaft. Das rabbinische Judentum greift dabei interessanterweise ebenfalls wieder auf mythologische Konzepte zurück. Vgl. Zunbroich, Mythos. 108 Vgl. oben, 298ff. 109 Vgl. oben, 298ff.

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auch in anderen Texten der Hebräischen Bibel vorausgesetzt, dass Jhwh sich durch die Fürbitte bestimmter Fürbitter umstimmen lässt und Gnade vor Recht ergehen lässt. Doch die Formulierung ist vor allem angesichts der in der Hiobdichtung anzutreffenden Vorstellungen vom Rechtsstreit zwischen Hiob und Gott überraschend. Besonders der Vergleich mit Hi 13,7–10 ist signifikant. Der Abschnitt stellt eine zentrale Aussage in der Argumentation Hiobs gegen die Freunde dar. Diesen, die vermeintlich aus der Perspektive Gottes heraus argumentieren, wirft er vor, in seiner Auseinandersetzung mit Gott und in Bezug auf seinen Vorwurf gegen Gott fälschlicherweise Partei für Gott zu ergreifen. Der Abschnitt impliziert, dass Gott Parteilichkeit in der Auseinandersetzung selbst dann nicht tolerieren wird, wenn es sich (vermeintlich) um die Position Gottes handelt. Im Hintergrund steht, dass Gott sogar sich selbst gegenüber neutral und unbeeinflusst von außen entscheiden wird. Dabei entspricht die in Hi 13,8 (vgl. V. 10) verwendete Frage (  ) interessanterweise der Formulierung, die dann auch im Epilog in Hi 42,9b erscheint. Will man das Gegenüber der beiden Formulierungen und Zusammenhänge nicht als hintergründige Ironie des Verfassers verstehen, so muss man in Hi 42,9b die Korrektur einer mit juridischen Kategorien beschriebenen Gottesvorstellung sehen. Es ist deutlich, dass der Rahmen sich wiederum als der rezipierende, die Dichtung aber als der gebende Teil erweist. Die Formulierung zeigt, dass man im Rahmen in Bezug auf die Gottesbeziehung die absolute Neutralität Gottes im Rechtsstreit nicht mehr für ein adäquates Ausdrucksmittel hält. Anstelle der Thematisierung des Rechtes des Frommen auf Unterstützung durch seinen Gott in der Dichtung wird dem leidenden Frommen aufgrund seiner durch das Leid aufrechterhaltenen Gottesbeziehung ein Einfluss auf die Gottheit für andere zugestanden. Das Thema verlagert sich von Gott zu dem Menschen Hiob. Im Prinzip tritt eine Soteriologie an die Stelle des „Vorwurfes gegen Gott“. Abhängig ist diese von der bereits in den Himmelsszenen thematisierten Exklusivität Hiobs. Ein Einfluss auf Gott ist damit auf die Hiobgeschichte und die Person Hiobs beschränkt. i) Resümee Es hat sich in diesem Kapitel gezeigt, dass die Rahmenerzählung zwar darauf abzielt, die Strukturen der Dichtung zu integrieren und eine übergreifende Kohärenzstruktur zu erreichen, doch ergeben die Querbeziehungen und Verflechtungen zwischen der Rahmenerzählung und der Hiobdichtung keine einheitliche Kohärenzstruktur. Denn vom Rahmen aus werden die Eigenheiten der Dichtung und ihre eigenständige Struktur nur zum Teil berücksichtigt. Es zeigten sich im Zusammenspiel eine Fülle von Kohärenzproblemen, die durchgängig bestätigen, dass der Rahmen auf die Dichtung

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

zu bzw. von der Dichtung her abgefasst worden ist. Dabei wurde die Dichtung als eigenständige Größe (zumindest an den Rändern) allerdings nicht angetastet.110 Diese Aussage über die Literarhistorie ließ sich an den Teilaspekten, die in diesem Kapitel behandelt wurden, aufzeigen: Für die Hiobfigur ergab sich zunächst eine unterschiedliche Charakterisierung in Rahmenerzählung und Dichtung. Der im Rahmen mit Superlativen ausgestattete Fromme, der von Jhwh selbst mit der Unvergleichlichkeitsaussage    versehen wird, steht in der Dichtung einem frommen Weisen gegenüber, der eine mögliche Schuld eingesteht. Während die Hiobfigur des Rahmens widerspruchslos das Leid aus Gottes Hand akzeptiert, richtet der Hiob der Dichtung den radikalen Vorwurf gegen Gott, dass dieser seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber vernachlässige. Doch auch das Milieu, in dem die Hiobfigur angesiedelt wird, ist in Rahmen und Dichtung unterschiedlich. Während Hiob im Rahmen dem Milieu der Erzelternzeit zugeordnet wird, liegt in der Dichtung ein städtisches Milieu vor. Ist Hiob im Rahmen der Patriarch einer nomadisierenden (?) Großfamilie, so ist er in der Dichtung vorgestellt im weisheitlichen Streitgespräch als ein Weisheitslehrer, der vielleicht früher die Funktion eines Ortsrichters innehatte. Ein wesentlicher Punkt, dem noch weiter nachgegangen werden muss, ist es, dass Hiobs konkrete Identität – seine Herkunft und Genealogie – in der Rahmenerzählung ganz bewusst im Dunklen gelassen wird. Während eine differenzierte Familie und auch ein Vorfahre Hiobs in der Dichtung vorausgesetzt sind, liegen im Rahmen klar umrissene familiäre Verhältnisse vor; von einem möglichen Vorfahren fehlt jede Spur. Stattdessen wird Hiob in einer exklusiven Gottesbeziehung gezeichnet. Anstelle des Patronyms bei den Namen der Freunde (z.B.   ) steht bei dem Hiobnamen in den Jhwh-Reden als Epitheton immer   (    , Hi 1,8a; 2,3a; 42,7b.8[3x]).111 Dadurch wird in der Rahmenerzählung gegenüber der Dichtung eine Veränderung im Verhältnis zwischen Hiob und Jhwh (Gott) vollzogen. In der Dichtung ist Hiob ein frommer nichtisraelitischer Weiser, der mit seinem persönlichen Gott rechtet.112 Ein auf der Ebene der impliziten Adressaten deutlicher Kunstgriff ist es, dass Hiob die Kenntnis des Namens dieses Gottes, der sich ihm offenbart, nicht bekannt ist. Demgegenüber wird Hiob in der Rahmenerzählung zu einem Jhwh-Verehrer, der in einer aus der Jhwh-Perspektive exklusiven Gottesbeziehung steht. Die Versetzung Hiobs in ein anderes Milieu und die Veränderung seiner Identität gegenüber der Dichtung gehen einher mit Veränderungen, die sein 110

Dies zeigte sich an den Übergängen zwischen der Prosa und der Dichtung. Vgl. unten, 430ff. 112 Vgl. dazu die Erwägungen zum Gebrauch des Tetragramms oben, 365ff. 111

2. Das Verhältnis von Rahmenerzählung und Dichtung

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Leiden und sein Umfeld betreffen. Werden für Hiobs Krankheit sehr unterschiedliche Beschreibungen mit ganz verschiedenen Auswirkungen gewählt, so ist in der Rahmenerzählung nur von der einen extremen Krankheit des Aussatzes die Rede, die ihn in den Bereich des Todes versetzt. Doch auch die Desozialisation wird in unterschiedlicher Weise beschrieben: Hiob scheint in der Dichtung neben dem Verlust der   noch weitere Kinder zu haben, die sich aber von ihm abgewendet haben. Im Hintergrund der Desozialisierung steht anders als in der Rahmenerzählung ein massiver Autoritätsverlust, der in keinem Zusammenhang zu der Krankheit steht. Bei der Integration der Hiobdichtung in die Rahmenerzählung konnte zwar auf die Bewertung der Freunde in den Hiobreden des Dialogteils zurückgegriffen werden, doch kommt diese Bewertung erst allmählich im Verlaufe der Dichtung zustande. Dennoch werden die Freunde bereits vorab in der Rahmenerzählung (2,11–13) dadurch negativ charakterisiert, dass ihr Vorhaben, Hiob zu trösten, nicht ihren Handlungen entspricht. Damit greift die Rahmenerzählung auf ein sich erst in der Dichtung entwickelndes Bild von den Freunden zurück, nutzt es aber zu deren pauschaler Beurteilung. Thematisch fügen sich Rahmen und Dichtung so zusammen, dass bestimmte Aspekte der Dichtung rezipiert werden, die Kohärenzstruktur der Dichtung insgesamt aber gerade nicht: im Gegenteil, der Rahmen dient dazu, dass die Dichtung unter einem ganz bestimmten Fokus gelesen wird, was zur Folge hat, dass ihre ursprüngliche Intention abgewandelt wird. Während die Dichtung das Recht des Leidenden zur Klage verficht und den Anspruch des Frommen auf Fürsorge durch seinen Gott vertritt, wird in der Rahmenerzählung nur die Rederichtung der Dialoge ernst genommen und positiv (bei Hiob) bzw. negativ (bei den Freunden) gewertet (Hi 42,7f). Die Hiobreden sind aber nicht durchgängig an Gott gerichtet und ihr Inhalt lässt sich auch nicht bruchfrei mit dieser Einschätzung des Rahmens verbinden. Grundsätzlich stehen sich die Thematisierung des Bösen in der Dichtung und in der Rahmenerzählung gegenüber. Während die Dichtung die Frage nach dem Ursprung und Gottes Stellung zum Bösen diskutiert, zielt die Rahmenerzählung darauf, dass das Leiden Hiobs eine Funktion hat. Auch wird das Böse hier (trotz aller Vermittlung durch die Figur des Satans) wie das Gute auf Gott zurückgeführt.113 Eine wichtige Rolle bei der thematischen Verbindung von Rahmen und Dichtung stellt das vom Satan aufgeworfene Ideal der Gottesbeziehung dar. Dieses ist in der Dichtung nicht nur nicht anzutreffen, sondern Hiob fordert von der Gottheit gerade Zuwendung aufgrund seiner Frömmigkeit ein, 113

Vgl. dazu oben, 367ff.

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was der Satan im Rahmen unterstellt. Da der Rahmen ausschließlich Wert auf Hiobs Festhalten an der Gottesbeziehung im Leid legt, indem er diesen Aspekt der Dichtung rezipiert, wird für die Hiobrahmengeschichte die Auseinandersetzung Hiobs zu einem Zeugnis seiner Frömmigkeit, was sie für sich betrachtet nicht ist. Doch auch das Gottesbild wird in der Rahmenerzählung gegenüber der Dichtung deutlich verändert. War Gott in den Gottesreden zwar als allmächtig und grundsätzlich zuständig im Kampf gegen das Böse und das Chaos verantwortlich gesehen worden, so wird in der Rahmenerzählung auch das Böse auf ihn direkt zurückgeführt. Die in der Dichtung vorherrschenden juristischen Aussagen über Gott und über die Auseinandersetzung Hiobs mit Gott werden vom Rahmen her umgewendet, indem dort von Gott ausgesagt wird, dass er parteiisch im Sinne Hiobs auf dessen Fürbitte reagieren werde. In diesen letztgenannten Punkten zeigt sich im Rahmen bei aller gebotenen Vorsicht gegenüber der Dichtung eine fortgeschrittene Stufe des Monotheismus, die nicht mehr auf mythologische Vorstellungen einer dynamischen Welt, in der Gott gegen das Böse kämpft, zurückgreift. Das Verfahren ist bei den besprochenen inhaltlichen Bezügen durchgängig ähnlich geartet. Die Rezeption der Inhalte ist generalisierend (z.B. Verlust aller Kinder und des gesamten Besitzes, die Desozialisierung geht bis zum Verlassen seines Hauses, eine extreme Krankheit). Thematisch wird in eklektischer Weise ein Aspekt herausgenommen (z.B. Sprechrichtung zu Jhwh, Verlassen der Gottesbeziehung durch den Fluch wird allein als „sündigen“ thematisiert). Das Verhältnis aller dieser Aspekte in Dichtung und Rahmen, aber auch die Kohärenzprobleme114 an den Übergangsbereichen haben deutlich gemacht, dass bei der Abfassung der Rahmenerzählung die Dichtung bereits vorgelegen hat und literarisch verarbeitet worden ist. Nur diese Richtung der literarischen Abhängigkeit kann die Bezüge auf der einen Seite und die Diskrepanzen auf der anderen Seite plausibel erklären.

114 Die Kohärenzprobleme werden von Brenner, Job the Pious?, 48f, als gewollt angesehen. Der Wechsel des Stils weise auf die unterschiedliche Funktion der Teile und so soll der Rahmen den Leser dazu bringen, „that probing is preferable to blind acceptance“ (ebd., 47). Die Wirkungsgeschichte, in der der Rahmen immer das Maß war, an dem die Dichtung gemessen wurde, zeigt allerdings, dass dies kaum die Intention des Autors gewesen sein kann, abgesehen davon, dass eine solch ironische Inszenierung von Jhwh-Reden in der Rahmenerzählung für das antike Israel kaum denkbar ist.

3. Die Erzelternerzählungen als literarischer Bezug der Rahmenerzählung

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3. Die Erzelternerzählungen als literarischer Bezug der Rahmenerzählung Ich hatte beim Vergleich zwischen den Milieus der Dichtung und der Rahmenerzählung festgestellt, dass Hiob im Rahmen einem den Erzelternerzählungen ähnlichen Milieu zugeordnet wird.115 In der Textanalyse war eine Nähe zwischen Hi 42,13–16 und den Genealogien Gen 5,1ff und Gen 11,10ff in der Urgeschichte aufgewiesen worden (vgl. bes. Gen 11,24f).116 Die Angabe des Lebensalters und der Bericht von Hiobs Tod ist formal und inhaltlich mit den Geschichten vom Tode der Erzväter verwandt. So findet sich die Rede von dem „satten Lebensalter“ (Hi 42,17) auch bei Abraham (     – Gen 25,8) und Isaak (   – Gen 35,19). Durch diese Bezüge und durch die Angabe des Lebensalters von mehr als 140 Jahren, die die Lebenszeit Abrahams übersteigt, zeigt sich, dass Hiob am Anfang bzw. vor der Erzelternzeit positioniert werden soll.117 Das ohne die genaue Angabe118 hohe Lebensalter Hiobs ist so signifikant, dass man – weil man voraussetzen kann, dass das Hiobbuch aus dem nachexilischen Israel stammt – einen literarischen Zusammenhang annehmen muss. Die Vorabrahamzeit ergibt sich daraus, dass die Lebensalter in der Genesis kontinuierlich abnehmen. Andererseits wird die Mitteilung eines satten Lebens nur bei Abraham und Isaak gemacht, während Jakob (bei seiner Begegnung mit dem Pharao) bekanntlich die Selbstaussage trifft, dass seine Lebenszeit nicht an diejenige seiner Väter heranreiche (Gen 47,9). Wenn wir mit der Hiobrahmenerzählung auf die Vorabrahamzeit gewiesen sind, dann dürfte die Angabe, Hiob sei der Größte von den Ostleuten, auf die Zeit vor Abrahams Auszug aus Ur zielen. Doch kommen wir an diesem Punkt nicht über Spekulationen hinaus. Denn der Verfasser wollte offenbar gerade keine genaue Einordnung. Er hätte für seine Geschichte und für die Hiobfigur problemlos eine zeitliche, lokale und genealogische Fixierung erreichen können. Dennoch zeigen die genannten Bezüge, dass die Hioberzählung vermutlich durchaus den schon abgeschlossenen Text der Erzelternerzählungen rezipiert haben dürfte.

115 Vgl. hier vor allem auch Japhet, Trial, 153–157, die die thematischen und lexematischen Affinitäten en détail aufführt. 116 Vgl. dazu oben, 311f. 117 So auch Schmid, Schriftdiskussion, 250. An anderer Stelle (ders., Authors, 146f) folgt K. Schmid eher E.A. Knauf (vgl. dazu oben, 221, Anm. 3) und verortet die Handlung in der Nabonidzeit. 118 Die LXX gibt ein Gesamtalter von 240 bzw. 248 Jahren an. Diese Ergänzung zeigt, dass die fehlende Angabe auch in der Antike schon auffällig war.

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Über diese Bezüge zur Erzelternüberlieferung hinaus hat S. Meier ausgehend von der Lokalisierung Hiobs im Lande Uz eine weiter gehende Vermutung über einen Zusammenhang zwischen Hi 1f und Gen 1–3 angestellt. Er vermutet eine typologische Gegenüberstellung Hiobs mit Adam. Doch das Ganze ist nicht wirklich miteinander vergleichbar: Während Adam der erste Mensch ist, gibt es außer Hiob keinen in einer perfekten Gottesbeziehung. Die Gegenüberstellung erscheint in Meiers Deutung maßgeblich von einer christlichen Deutung des Sündenfalls geprägt. Andere Gegenüberstellungen sind demgegenüber rein lexematischer Natur, so diejenige der Fülle an Vieh als Ausdruck des Segens Hiobs mit dem Segen, den Gott mit der Mehrungsaussage (Gen 1,22.28) verbindet,119 oder auch das Gegenüber des Heiligens der Kinder mit der Heiligung des siebenten Tages.120 Inhaltlich lassen sich diese Aussagen auch nicht typologisch verbinden. Besonders problematisch ist der Vergleich der Rolle von Hiobs Frau mit der Rolle Evas.121

Die Zuordnung Hiobs zur Erzelternüberlieferung hat Auswirkungen auch auf einen oft diskutierten literarischen Zusammenhang zwischen der Hiobrahmenerzählung und der Aqeda-Geschichte (Gen 22).122 S. Japhet sieht trotz der ihrer Meinung nach vorhandenen123 Bezüge zur Abrahamgeschichte zwischen den beiden Texten keinen literarischen Zusammenhang.124 H. Strauß hält beide Geschichten für eigenständig.125 Demgegenüber nimmt A. Michel zumindest an, dass eine spätere Redaktion der Hiobrahmengeschichte die Bezüge zu Gen 22 hergestellt hat. 126 Nach T. Veijola steht die Aussage der Hiobnovelle von Anfang an in einer Verbindung mit Gen 22.127 M.E. sind die Beobachtungen von S. Japhet mit der Tatsache, dass Hiob zeitlich vor Abraham angeordnet wird, zu verbinden. Das Hiobgeschick ist weder eine weitere Prüfung,128 noch ist sie ein Zeichen dafür, „daß Gott da119

Vgl. Meier, Reflection, 186. Vgl. Meier, Reflection, 187f. 121 Zum angeblichen Gegenüber von Hi 1,21 und Gen 3,19 siehe oben, 254, Anm. 155. 122 Vgl. zuletzt Japhet, Trial; Veijola, Abraham und Hiob; van Ruiten, Abraham; Michel, Ijob; Strauß, Gen 22. 123 Vgl. Japhet, Trial, 154–158. 124 Japhet, Trial, 160ff, stellt die Unterschiede heraus. Einerseits sei die Szenerie stark unterschieden (Himmelsszene mit Prüfung durch den Satan, Trennung von himmlischer und irdischer Welt, Gott prüft, Engel spricht vom Himmel [161f]). Die Natur der Prüfung sei unterschiedlich. Hiobs Prüfung sei schwieriger als die Abrahams, da er alles verliere und auch noch existentiell getroffen wird [163f]. Dennoch werde meist daran festgehalten, dass Abrahams Test größer sei als Hiobs. Abrahams Prüfung stehe aber auf einer völlig anderen Stufe, da von ihm selbst die Tat gefordert werde [169]. Ein wichtiger Unterschied sei auch, dass Gott sich im Zuge der Aqeda-Geschichte verändere, während er in der Hiobgeschichte bleibe, wie er ist [170f]. 125 Strauß stellt die Unterschiede heraus, und sieht keine spezifischen Übereinstimmungen zwischen den Geschichten. Vgl. Strauß, Gen 22, 382f. 126 Vgl. Michel, Ijob, 91ff. 127 Vgl. Veijola, Abraham, 142–144. 128 Veijola, Abraham, 142, bezieht sich auf Spiegel, der die Aqeda als „the last Trial“ bezeichnet. 120

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mals nicht aufgehört hat, die von ihm gesegneten und ihn fürchtenden Menschen (1,1) aller Völker ubi et quando visum est ei zu testen.“129 Nimmt man die Vorordnung ernst, so kann nur intendiert sein, dass man Abrahams Prüfung im Lichte von Hiobs Geschick verstehen soll. Beachtet man dies, dann ist im Hiobprolog trotz einer möglichen Kenntnis von Gen 22 ein expliziter Bezug nicht zu erwarten und ein direkter Vergleich ist wohl auch nicht intendiert, da bei Hiob von einer Prüfung nicht explizit die Rede ist.130 Mit Hiob wird dann in dessen Leiden das eingeforderte Ideal der Gottesbeziehung das erste Mal prototypisch erwiesen, an der man als Rezipient beider Texte dann Abraham mit allen Aussagen über ihn (wie z.B. auch Gen 15,6) messen soll. Dass es dennoch terminologische und inhaltliche Berührungen gibt (Brandopfer, Ausstrecken der Hand, früh am Morgen aufstehen, Überleitungsformel        , das Sehen von Weitem131), zeigt, dass der Verfasser von der Aqeda-Geschichte durchaus beeinflusst gewesen ist. Gerade die von Michel aufgeführten Bezüge sind aber nicht so spezifisch, dass eine konkrete Beziehung intendiert sein könnte: Weder ist das Opfer Hiobs mit der Nichtopferung Isaaks auf eine Linie zu bringen, noch hat das Handausstrecken des Satans (1,12) mit dem konkreten Handausstrecken Abrahams (Gen 22,12) etwas zu tun. Die Überleitungsformel kommt, wie Michel selbst feststellt, oft vor, und das Sehen von Weitem wird in der Hiobgeschichte von den Freunden als neu eingeführten Figuren ausgesagt und nicht von Hiob. Die Hiobgeschichte hat damit eine eigene und von Gen 22 unabhängige Intention. Hiob wird quasi als Präpatriarch einem schrecklichen Leiden ausgesetzt, unter dem er seine Gottesbeziehung (wie später Abraham in der Aqeda-Geschichte) unter Beweis stellt.132 Darüber hinaus kann Abraham allerdings als Vorbild für die Figurierung Hiobs als Fürbitter gedient haben, denn Abraham wendet sich mit seiner Fürbitte wie Hiob an Gott. Dies wird in den Abrahamgeschichten in einem längeren Zusammenhang in Gen 18,22–33 formuliert. Die bekannte Episode zeigt Abraham in einer Verhandlung mit Gott. Abraham überzeugt Gott davon, nicht die Gerechten mit den Frevlern umzubringen. Um der Zahl von zehn Gerechten willen wird Gott die ganze Stadt nicht vernichten (Gen 18,32b). Das Ganze zielt offenbar auf den Fortgang des Textes mit der 129

Veijola, Abraham, 142. So auch van Ruiten, Abraham, 84. 131 Siehe Michel, Ijob, 89–91. 132 Explizit als Zeitgenosse Abrahams wird Hiob im Testament Abrahams erwähnt, wobei bereits die in der späteren rabb. Literatur übliche Abwertung Hiobs gegenüber Abraham deutlich ist. Vgl. Janssen, Testament Abrahams, 241. Vgl. zu der Erwähnung auch Allison, Job, 131ff. 130

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Flucht Lots aus Sodom vor dessen Vernichtung.133 Abrahams Fürbitte enthält die gebetsartigen Redeeinleitungen in 18,25.30.31.32. Die Akzeptanz seiner Bitten erweist ihn als effektiven Fürbitter. Vergleicht man Abrahams Rolle mit derjenigen Hiobs, so wird deutlich, dass die Effektivität von Hiobs Fürbitte durch seine durch das Leiden hindurch aufrechterhaltene Gottesbeziehung begründet ist. Er selbst ist der Fromme, um dessentwillen andere nun vor dem göttlichen Zorn errettet werden, während in der Bitte Abrahams die Errettung einer Anzahl von Gerechten die Errettung der Frevler nach sich zieht. Einzelne können nach dem Konzept von Gen 18f die Errettung der Frevler gerade nicht bewirken.134 Dies ist aber im Hiobbuch in signifikanter Weise möglich! Beachtet man angesichts dessen die unterschiedlichen Intentionen in Bezug auf die Fürbitte zwischen Hiobrahmen und Gen 18f, so zeigt sich ein weiteres Mal, dass Hiob der Erzelterngeschichte in Bezug auf die Fürbitte paradigmatisch vorangestellt worden sein könnte. Seine im Leiden begründete Fürbitte übertrifft jene Abrahams. Umgekehrt könnte die Erzelterngeschichte Abrahams und Lots Fürbitte (Gen 19,18–22) vom Hiobepilog her als eine Geschichte erfolgreichen Fürbittens zu lesen sein. Dass eine Rezeption auf Gen 18f durch Hi 42,7f vorliegen könnte, zeigt sich im Übrigen an dem nur resümierenden Charakter von Hi 42,7f. Der Verfasser setzte die Kenntnis anderer Texte (vielleicht eine Kenntnis der Genesistexte), in denen entsprechend Fürbitte geleistet wird, voraus, weswegen er keine direkte Rede einführen muss. Damit ist deutlich, dass die möglichen Bezüge nach Gen 22 und auch nach Gen 18 zu einer generellen Verarbeitung der Erzelterngeschichte gehören. Ein direkter Zusammenhang mit der Prüfung Abrahams und mit Abraham als Fürbitter liegt aber nur insofern vor, als Hiob den Erzelterngeschichten sozusagen paradigmatisch vorangestellt werden soll. Im Zusammenhang mit der Tendenz, Hiobs Identität zu verbergen, dem deutlichen Interesse des Rahmens, ihn zu einem Jhwh-Verehrer zu machen, dürfte im Bezug zu den Erzeltern eine Generalisierung intendiert sein. Hiob – ähnlich wie die Figuren der Genesis – wird zu einer paradigmatischen Figur.135 Diese stehen qua persona für Kollektive, und Abraham, Isaak und Jakob stehen 133

„The ‚solution‘ offered in Genesis 19 is that the Judge of the whole earth does not eradicate the wicked and the righteous together. The answer at this stage of the tradition is that YHWH will allow the individual righteous person and his family to escape“ (Noorth, For the Sake of the Righteousness, 15). 134 Vgl. Noorth, For the Sake of the Righteousness. 135 Diese Funktion der Erzeltern ist Teil eines weit verbreiteten Konzeptes, wonach individuelle und kollektive Aspekte in der Hebräischen Bibel stark miteinander verzahnt sind. Vgl. dazu die Untersuchung von de Fraine, Adam und seine Nachkommen, 225ff (zusammenfassend). Zu der Funktion der Erzeltern vgl. ebd., 54f.81–83.99.

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somit für das spätere Volk Israel. Die Geschichte der Erzeltern nimmt entsprechend auch Teile der späteren Volksgeschichte Israels und seiner Nachbarn vorweg. Bei aller Nähe und einer möglichen Rezeption ist bei Hiob die Differenz zur konkreten Figur Abrahams entscheidend. Intendiert dürfte sein, dass der ‚bekannten‘ „Geschichte Israels“, die ihren Anfang bei Abraham nimmt, in Hiob eine weitere Repräsentanzfigur vorangestellt werden soll.136 Diese wird im Gegenüber zu Abraham besonders hervorgehoben. Damit ist in Hiob exemplarisch ein idealer Uranfang Israels intendiert. Blickt man von hier auf die Fürbitte Hiobs für die Freunde, so kann als Gegenüber Hiobs nicht mehr (wie in den Erzelterngeschichten) das Miteinander Israels im Reigen seiner Nachbarvölker im Blick sein, sondern das Gegenüber von Israel und der heidnischen Welt.137 Dabei steht Hiob für ein Israel, das in einer idealen Gottesbeziehung begriffen wird. Die heidnische Welt in der Gestalt der Freunde, die der Fürbitte bedürfen, 138 ist das Gegenüber. Dies zeigt, dass wir mit dem (vom Rahmen her abgeschlossenen) Hiobbuch Diasporaliteratur oder zumindest Literatur, die das Diasporaschicksal des Volkes reflektiert, vor uns haben müssen.139

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen – Eine fundamentale Kritik am Deuteronomismus a) Der Horizont der literarischen Beziehung In der Textanalyse konnte festgestellt werden, dass im Hiobprolog sowohl in Hi 1 als auch in Hi 2 durch Zitationen ein Zusammenhang zum Deuteronomium hergestellt wird.140 Diese Verbindung zeigt sich dort außerdem daran, dass zwei von den Attributen, die Hiob auf der Erzählebene und in der 136 Am Rande sei erwähnt, dass eine vergleichbare Tendenz, theologisch vor diesen Anfang zurückzugehen, sich auch in Gen 11,27–32; Jos 24,2ff findet. 137 Hier wird eine Nähe zum theologischen Topos der „Stellvertretung“ deutlich, wobei sich wiederum eine inhaltliche Nähe zu Jes 53 zeigt. Grundsätzlich zum Thema siehe Janowski, Ecce homo, 1–86. 138 Eine verwandte Vorstellung findet sich in Jer 29,7:              „... betet für sie zu Jhwh, denn durch ihr Wohlergehen wird euch Wohlergehen geschehen!“ 139 Dies nimmt Terrien, Yahweh Speeches, 508f, für das Buch insgesamt an. S.E. handelt es sich bei der Dichtung um „a para-cultic drama for the celebrating of the New Year festival among the Jews of the exile“ (ebd., 509). Zu einem ähnlichen Schluss kommt Strauß, , 100f, aufgrund des Gebrauchs der Gottesbezeichnungen. 140 Siehe oben, 242.263. Im Sinne von G. Genette handelt es sich bei solchen Zitationen um das Phänomen der „Intertextualität“, die einen expliziten Zusammenhang zu einem verarbeiteten Text eröffnen will. Vgl. dazu oben, 12ff.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Himmelsszene von Gott selbst beigelegt werden, nämlich    und , fest im Deuteronomismus verankert sind.141 Sie bezeichnen die korrekte Gottesbeziehung. Für die Intention dieser literarischen Bezugnahme ist es wesentlich, dass sie im Sprechen und Handeln des Satans hergestellt wird. Die genaue Übernahme der Formulierungen      (Hi 1,10b¹) und            (Hi 2,7b) aus dem Dtn und die Anspielung auf die im Deuteronomium sehr häufig gebrauchte Bezeichnung für die Frömmigkeit mit    in        (Hi 1,9b¹; siehe auch: Hi 1,1b¹.8b¹; 2,3a») weisen darauf, dass es nicht um die Rezeption von Einzelstellen geht. Es geht mit der Segensaussage und der Formel    um dtn Vorstellungen von der Gottesbeziehung, und der Aussatz ruft den Gesamtbereich von Segen und Fluch (Dtn 28) auf. Damit zeigt sich, dass der Hiobrahmen sich nicht auf isolierte Einzeltexte des Dtn, sondern auf sein literarisches Gesamtkonzept bezieht. b) Die Rezeption der Konzeption von Segen und Fluch In Hi 1,10 und 2,7 werden damit zwei zentrale dtn/dtr Aussagen aufgegriffen. Es handelt sich bei Hi 1,10 um einen Aspekt der Paränese, der im Rahmen des Deuteronomiums mit dem Tun der Tora insgesamt, aber auch mit dem Tun ihrer Einzelvorschriften verbunden ist. Letzteres findet sich dann auch im Bereich des dtn Gesetzes häufig in paränetischen Zusammenhängen. Es gibt darunter ‚geschichtlich‘ argumentierende Formulierungen wie Dtn 15,15; 16,12; 24,18.22 (vgl. 5,15), in denen das jeweilige Sozial-(Gesetz) mit dem Sklavenschicksal Israels in Ägypten begründet wird. Es gibt die Begründung mit der Erwähnung „denn du bist auch Sklave gewesen in Ägypten“ (Dtn 15,15), und es wird mit der Erwählung argumentiert (wie in Dtn 14,2).142 Daneben ist das dtn Gesetz von Finalsätzen bzw. von Sätzen mit finalem Charakter geprägt, die die Folge der Gebotserfüllung im jeweiligen Zusammenhang umreißen. Es kann allgemein ein Wohlergehen (Dtn 12,25.28; 22,7 – daneben auch Dtn 4,40; 5,16 u.ö.) oder ein langes Leben Dtn 22,7; 25,15 (17,20 – für den König) ausgedrückt sein. In den Bereich, der speziell vom Hiobbuch rezipiert wird, gehören die Zusagen des Segens (Dtn 14,29; 15,10.18; 23,21; 24,19).143 Daneben gibt es die Zusage eines Endes des 141 / und    begegnen demgegenüber stärker in der weisheitlichen Literatur. Vgl. oben, 229f. 142 Vgl. auch    (Dtn 14,2; 26,18);    (Dtn 14,2). 143 In Dtn 16,15 wird mit der Formulierung ...       die vorangehende Aufforderung zur Wallfahrt begründet. Der Segen ist hier sozusagen die Voraussetzung für eine weiter gehende Forderung. Ähnlich verhält sich der Gebrauch der Segensformel in Dtn 2,7, wo es das Verbot, die Edomiter zu bekämpfen und die Aufforderung, das Nötige von ihnen zu kaufen (Dtn 2,4–6), begründet.

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen

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Zornes Gottes, was möglicherweise bereits geschichtstheologisch ausgerichtet ist (Dtn 13,18). Es gibt aber auch die Aussage, dass man durch die Einhaltung (wie z.B. des Zehntengesetzes) die Gottesfurcht lerne (Dtn 14,23), was z.B. in Bezug auf das Lernen der Tora durch den König (Dtn 17,19) ausgesagt wird. Ein konkreter Zusammenhang von Segen und Gerechtigkeit vor Gott wird beim Gesetz der Rückgabe des Mantels am Abend eröffnet, wo der Segen des Armen Gerechtigkeit bei Gott bewirkt (Dtn 24,13). Ein Pendant zu diesen positiven Aussagen, das mit dem prophetischen Bereich zusammenzuhängen scheint,144 stellt nach C. Westermann145 die Warnung vor der Übertretung dar (Dtn 12,19; 15,9 u.ö.). Ein anderes Pendant zu den positiven finalen Formulierungen ist die    -Formel in Dtn 13,6; 17,7.12; 19,19; 21,21.22.24; 24,7. Diese Formel schließt sich an die Thematisierung von Verfehlungen an. Die Einhaltung dieser Gesetze zielt damit darauf, die Integrität des Gottesvolkes nach einer Verfehlung wieder herzustellen. Die positiven und negativen paränetischen Formulierungen an Einzelgesetzen werden einerseits in den Kapiteln (Dtn 4–11) in den Dienst der vorbereitenden Paränese gestellt, andererseits kulminieren sie synchron in Kap. 28, im Abschnitt über Segen und Fluch, der einen Zielpunkt des dtn Gesetzes darstellt.146 Insgesamt wirbt die Paränese um die Einhaltung der Vorschriften.147 Nicht alle diese Aspekte müssen notwendig exilisch-nachexilisch sein.148 Nach der Errettungserfahrung von 701 dürfte es zu einem religiösen Impe144

Vgl. Rüterswörden, Prophet. Vgl. Westermann, Geschichtsbücher, 138. 146 Es ist für die Frage nicht entscheidend, ob das Deuteronomium von den neuassyrischen Vasallenverträgen her zu verstehen ist und Dtn 28 von dieser literarischen Beziehung her ursprünglich zum Dtn gehört (so zusammenfassend Otto, Deuteronomium, RGG4 2, 694), oder erst später hinzugekommen ist. Zu den Zweifeln an der Ursprünglichkeit von Dtn 28 vgl. Koch, Bund, 312ff. Im paränetisch gerahmten (dtr) Deuteronomium bilden die paränetischen Formulierungen ein Pendant zu dem ursprünglichen Fluchabschnitt des dtn Gesetzes. Das Gegenüber von Paränese im Rahmen und an den Einzelgesetzen auf der einen und dem Fluch- und Segenskapitel auf der anderen Seite ist ein Grundcharakteristikum des Deuteronomiums. Es ist signifikant, dass im Bundesbuch die paränetische   Formulierung (noch) nicht vorkommt und auch im Heiligkeitsgesetz nicht (mehr) gebraucht wird, obwohl das Heiligkeitsgesetz am Ende auch mit Segen und Fluch schließt. 147 Vgl. Westermann, Geschichtsbücher, 142. 148 Gegen die Annahme von Westermann, dass eine „paränetische Einkleidung [...] zur Zeit des Erlasses unnötig [war], weil es Gesetz des Königs in einem noch bestehenden Staat war.“ (Westermann, Geschichtsbücher, 142). In die gleiche Richtung ging insgesamt schon Hölscher, Komposition. Warum sollte ein utopisches Gesetz nicht aus einer Zeit stammen, in der es ein (wohlgemerkt) schwaches Königtum gab, wie in der Spätzeit des Südreiches? 145

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

tus zur theologischen Theoriebildung wie auch zur Literaturproduktion gekommen sein.149 Das Deuteronomium, das vielleicht auf eine vorexilische Vorstufe zurückgeht, bildete exilisch-nachexilisch die Grundlage für die Entstehung der deuteronomistischen Geschichtsdeutung.150 Dtn 28 hat darin eine entscheidende Rolle gespielt. Die Verbindung der Gebotserfüllung mit Segen und Fluch wird die Grundlage der dtr Schuld-Strafe-Theologie. Schon in Dtn 28 wird – vielleicht literargeschichtlich nachgetragen – der Fluch des Exils als vaticinium ex eventu für die Nichteinhaltung des dtn Gesetzes angekündigt.151 So diente das hier entfaltete dtr Geschichtsbild in den Büchern der Vorderen Propheten, aber auch im dtr weiter fortgeschriebenen Deuteronomium selbst der Erklärung des Unheils und damit letzten Endes der Theodizee. Denn das Unheil wird auf das Verfehlen des Volkes zurückgeführt.152 Was der Bewältigung der Katastrophe diente, hatte für die Frömmigkeit erhebliche Konsequenzen, indem der individuellen Einhaltung der Einzelvorschriften des Deuteronomiums ja durch Fluch und Segen in Dtn 28 Konsequenzen für das Volk als Gesamtheit zugeschrieben werden.153 In der Folge diente die Tora der religiösen Restitution des Volkes. Nach dem Verlust des Landbesitzes konnte die Tora (ausgehend vom dtn Gesetz) 149 Die Frage, ob die Literaturentstehung in Israel primär im und nach dem babylonischen Exil erfolgt ist, bedarf weiterer Diskussion. Vgl. dazu zuletzt Keel, Jerusalem I, 749f. 150 „Da Dtr im Schatten der Katastrophen von 721 und 587 geschrieben hat, will dieses Werk zunächst einmal als ein umfassendes Schuldbekenntnis Israels verstanden werden.“ (von Rad, Theologie I, 349f) „[E]r [der Dtr] hat sich die Aufgabe gestellt, das Ausmünden der Heilsgeschichte in den Katastrophen von 721 und 587 auch theologisch detailliert zu erklären. Er sah sich dazu imstande, weil er die Geschichte des Gottesvolkes von dem schöpferischen Wort Jahwes her verstand. Es waren die Drohungen und die Flüche des Deuteronomiums, die in den Katastrophen der beiden Reiche sich erfüllt hatten“ (ebd., 355). Vgl. dazu einführend Dietrich, Deuteronomistisches Geschichtswerk, RGG4 2, 691f. „In erster Linie freilich will das DtrG eine Erklärung für die Exilskatastrophe bieten. Gott trägt nicht die Schuld daran, er ist nicht unzuverlässig, ist im Gegenteil zuverlässig im Helfen wie im Strafen“ (Zit.: ebd., 691); vgl. z.B. auch Herrmann, Theologie, 159, der noch einmal die Vorstufen dieser Geschichtsaufarbeitung in der prophetischen Kritik würdigt. 151 Nach E. Otto stellt der Fluchabschnitt Dtn 28,20–44* den Schluss des „dtn Reformprogrammes“ dar. „Das dtn Reformprogramm konnte so zu seinem Schlüsseltext für die Erklärung des Leidens der Exilszeit werden“ (Otto, Deuteromium, 377). S.E. ist das Fluchkapitel in der Exilszeit fortgeschrieben worden. Zum Nachtragscharakter von Dtn 28,62–68 vgl. Smend, Entstehung, 75; Otto, Deuteronomium im Pentateuch, 119. 152 „[A]n Jahwe hat’s nicht gelegen; Israel hat allein durch seine eigene Schuld sein Heil verwirkt. Jahwes Urteil in der Geschichte war gerecht“ (von Rad, Theologie I, 354). 153 Dieser Aspekt liegt auch schon in der singularischen Stilisierung des Gesetzes vor. Jeder Einzelne und das Volk als Ganzes stehen unter dem Anspruch des durch die Figur des Mose vermittelten Gesetzes.

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen

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zum neuen Mittelpunkt des Volkes Israel und sukzessive zur religiösen Bezugsgröße werden.154 Der Hiobprolog rezipiert aber nicht nur in Hi 1,11 die mit einer Heilszusage argumentierende Paränese und stellt auch nicht nur durch die Rezeption von Dtn 28,35 einen Bezug zu den Flüchen des Dtn her,155 sondern in der zweiten Himmelsszene wird Hiob unterstellt, er sichere mit seiner Frömmigkeit, mit seinem Verbleiben in der Gottesbeziehung lediglich die Existenz seines Lebens. Dieser Vorwurf entspricht der Intention der negativen paränetischen Formulierungen und des Fluchabschnittes in Dtn 28,15ff insgesamt, wo mit Unheil im Falle der Gebotsübertretung gedroht wird, um letztlich zur dtn/dtr Form der Gottesbeziehung zu motivieren. c) Die Intention der Anknüpfung an das Dtn Dass der Hiobprolog in Hi 1,10 und 2,7 auf Paränese, Segen und Fluch im Deuteronomium zurückgreift, weist darauf, dass einerseits der Zusammenhang von Frömmigkeit (im Sinne der Gebotserfüllung) und Segen, andererseits der Schuld-Strafe-Zusammenhang aufgerufen werden soll.156 Dabei dient Hi 1,10 mit seiner Kritik an den Beweggründen der Frömmigkeit der Aufstellung eines gegenüber dem Deuteronomium neuen Ideals. Es darf außerhalb der Gottesbeziehung keine Beweggründe für ihre Aufrechterhaltung geben. Die Gottesbeziehung darf nicht der Absicherung eines gesegneten Lebens und auch nicht der Sicherung des Lebens selbst dienen.157 Anhand der Gestalt Hiobs wird dieses Ideal exemplarisch vorgeführt. 154

Assmann, Gedächtnis, 213. Schmid, Schriftdiskussion, 249f, vermutet soeben aufgrund einer Reihe von Beziehungen zwischen Hi 16 und Klgl 3, dass das Hiobbuch die Zerstörung Jerusalems aufgreife und dieses „Zentraldatum deuteronomistischer Theologie“ individualisiere und „es fiktiv in die Vorzeit der Patriarchen“ ansetze. „Hiob erscheint als das individualisierte und protologisierte Paradigma des deuteronomistischen Gerichts an Israel und Juda.“ 156 Nach Wolfers, Deep Things, 111, ist dieser Aspekt eher zufällig. Doch m.E. kann der Zitation der sicher bekannten Segensformel im Munde des Satans keine vom Dtn unabhängige Intention zugesprochen werden. Wolfers sieht im Fortgang (ebd., 112ff) eine ganze Palette von inhaltlichen Bezügen zwischen dem Dtn und dem Hiobbuch. Darin weist er auch auf den Bezug zwischen Hi 2,7 und 28,35 hin. Doch wird die besondere Bedeutung dieser Zitation durch eine Reihe eher schwacher oder nicht nachvollziehbarer Bezüge verdeckt und kein dahinterstehendes Konzept ausfindig gemacht. Wolfers sieht u.a. eine Verbindung zwischen dem Fluch mit Schlagens durch Dunkelheit (Dtn 28,29) mit Hi 12,25 und die Heilszusage Dtn 15,6 bringt er mit Hi 17,6 zusammen, wobei er  „Gleichnis“ über eine andere Vokalisation mit „ruler“ übersetzen muss. Allerdings ist Wolfers Recht zu geben, dass, wenn nur ein Teil der Bezüge in Rahmen und Dichtung tatsächlich intendiert sind, beide Teile des Hiobbuches sicher im Blick auf das Deuteronomium entstanden sind. Vgl. ebd., 114. 157 Vgl. oben, 247f. 155

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Denn der vormals gesegnete Hiob hält auch trotz des Segensverlustes (Kap. 1) und trotz der Infragestellung seiner Existenz (Kap. 2) an der Gottesbeziehung fest. Für ihn gilt, dass die Frömmigkeit nicht im Sinne des Deuteronomiums (wie der Hiobprolog es versteht) Werkzeug für das Wohlergehen sein darf. Die Zitation des Deuteronomiums im Munde des Satans macht die polemische Ausrichtung des Zusammenhanges deutlich. Indem der Satan Hiob durch den Entzug des Segens zur Aufgabe der Gottesbeziehung bewegen will, wird für die Person Hiobs das dtn/dtr Verständnis des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in Frage gestellt: Die Polemik ist zunächst an der Unterstellung des Satans gegenüber Gott erkennbar, Gott habe dem Kalkül Hiobs entsprochen, indem er „jedes Werk von dessen Händen“ als Reaktion auf dessen Frömmigkeit „gesegnet habe“.158 Die Aufforderung an Jhwh, Hiob den Segen zu nehmen, die offenlegen werde, dass Hiob seine Frömmigkeit nur zur Sicherung seines Wohlergehens praktiziert habe, dreht entsprechend den dtn/dtr Zusammenhang um, nach dem Unheil die Folge der Nichteinhaltung des dtn Gesetzes bzw. des Abfalls von Jhwh ist. In der Polemik der Rede des Satans entspricht das Handeln nach der dtn/dtr Paränese gerade dem Hiob unterstellten Kalkül. Damit ist impliziert, dass die Paränese des Deuteronomiums, die freilich mit den Heilszusagen nur zum Tun der dtn Gesetze motivieren will, gerade nicht dem Ideal der Gottesbeziehung entspricht, das im Hintergrund des Hiobprologes steht. Außerhalb des Gesetzeskorpus findet sich in Dtn 28 und damit in der Nachbarschaft der Zitation des Deuteronomiums in Hi 2,7 eine Formulierung, die Hi 1,10 neben dem Auftauchen der Segensformulierung inhaltlich nahe ist.159 Es handelt sich um Dtn 28,12a¹: Dtn 28,12                                

Hi 1,10                   

In der Segensformulierung Dtn 28 liegt wie in Hi 1,10 kein instrumentaler Gebrauch der Formulierung vor. Stattdessen ist    an beiden Stellen Objekt des Segens. Sodann ist auffällig, dass die Segensformulierung in bei158

Dieser an Gott gerichtete Vorwurf ist für die Bezugnahme auf das Dtn zusätzlich deshalb interessant, weil es letztlich die dtn/dtr Theologie auf den Kopf stellt, die das Unheil des Exils mit der Schuld des Volkes erklären will. Der Satan unterstellt, dass Hiob der vom Dtn geforderten Frömmigkeit entspricht. Der gehorsame Hiob wird hier als Gegenbild zum ungehorsamen Israel des Deuteronomismus hingestellt. 159 Vgl. Wolfers, Deep Things, 112.

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen

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den Zusammenhängen die konkreten Formulierungen des Kontextes transzendiert. Dabei ist in beiden Texten eine Affinität zur Landwirtschaft gegeben, wobei in Hiob 1,10 der Schwerpunkt aufgrund des Erzelternmilieus auf dem Viehbesitz liegt. Die Formulierung in Dtn 28,12a¹ steht dabei im Rahmen einer grundsätzlichen Konditionalisierung der Gebotserfüllung mit Heil und Unheil (Dtn 28). Entsprechend wird an die Erfüllung der Gebote (Dtn 28,1) der Segen des Werkes der Hände (28,12) geheftet,160 während bei Übertretung der Gebote (28,15) in den Flüchen eine ganze Reihe von Vergeblichkeitsaussagen161 in Aussicht gestellt werden, die der Zusage des Segens gegenüberstehen. In Dtn 28,35 findet sich auch der Fluch mit dem Aussatz, der in Hi 2,7b auf der Erzählebene zitatartig verarbeitet wird, seinen Ort.162 Das Gegenüber von erster und zweiter Prüfung Hiobs durch den Satan lässt sich damit insgesamt mit Dtn 28 verbinden. Diese Beobachtung bedeutet nicht nur, dass das vom Hiobrahmen rezipierte Deuteronomium Segen und Fluch enthalten hat. Zugleich wird vom Verfasser der Rahmenerzählung des Hiobbuches das Deuteronomium von Dtn 28 her verstanden und der Verweis auf die Paränese ist insgesamt vom Kontext von Segen und Fluch her zu verstehen. Ist mit der Zitation von Dtn 28,35 die Verwirklichung einer radikalen Aussage aus dem Fluchabschnitt vorausgesetzt, so ist eine Affinität zu Dtn 28,15ff auch in den sog. Hiobsbotschaften zu vermuten. Der Fluch Dtn 28,15ff umreißt die Zerstörung der gesamten Existenz bis hin zum Verlust der Kinder. Ein möglicher Zusammenhang besteht auch mit Ez 14,12–23. Dort wird von vier Strafen gesprochen, die das Land treffen (Schwert, Hunger, wilde Tiere und Pest –  ,  ,  ,  ) und vor denen auch Noah, Daniel und Hiob durch ihre Gerechtigkeit weder Söhne noch Töchter retten könnten (Ez 14,13–20). Anders wird dies dann in 14,21–23 in Bezug auf Jerusalem ausgedrückt, wo von anderen besonderen Frommen die Rede ist, die Söhne und Töchter retten würden.163 Einerseits eröffnet sich über Hi 2,7b ein Zusammenhang 160 Nach Veijola, Deuteronomium, 308, gehören die finalen Heilszusagen wie der Grundtext des Segensabschnittes (vgl. den Vorgriff auf die Kommentierung von Dtn 28 ebd., Anm. 1084) in den Rahmen einer bundestheologischen Redaktion (DtrB) des Deuteronomiums. Es stellt sich die Frage, ob der „paränetische Ton“ der Formulierungen ausreicht, sie von ihrem Kontext zu trennen. Denn allein schon die „wenn du“-Formulierung der Einzelgebote drückt den paränetischen Charakter des Dtn aus, an die sich die finale Heilszusage jeweils logisch anschließt. 161 Die Vergeblichkeitsflüche gehören nach Steymans, Deuteronomium 28, 377ff, und Otto, Deuteronomium, 377, zum Grundbestand des Deuteronomiums. 162 Vgl. die Gegenüberstellung von Dtn 28,35 und Hi 2,7 oben, 263. 163 Das Gegenüber der V. 12–20 und 21–23 wurde wiederholt literarhistorisch erklärt. Vgl. Zimmerli, Ezechiel, 317. Nach Greenberg, Ezekiel, 261f, sprechen die einheitliche Struktur und die durchgehenden Bezüge zwischen den Teilen für die Einheitlichkeit des

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

nach Dtn 28,35 und gerade nicht nach Ez 14 (vgl. Ez 5,17), andererseits sind die Angaben über Hiob bzw. die Verbindung mit Daniel und Noah so unspezifisch, dass sich die Frage ob Hi 1f; 42 auf Ez 14 fußt oder umgekehrt Ez 14 vom fertigen Hiobbuch abhängig ist, nicht klären lässt.

Mit Dtn 28,35 wird in Hi 2,7b konkret einer der existentiellen Flüche aufgegriffen. In der Textanalyse konnte festgestellt werden, dass Hiob damit der Todessphäre zugerechnet wird.164 Was nun in Dtn 28,35 auf der Ebene der Moserede eine Aussage über Gott ist, das wird in der Rezeption des Hiobrahmens in Hi 2,7b über den Satan ausgesagt! Nach dem Konzept des Hiobprologes stellt dies keinen Widerspruch zum Dtn dar; denn der Satan tritt hier nur als Vermittler für die negativen Handlungen Jhwhs auf, für die aber Jhwh grundsätzlich verantwortlich bleibt.165 Während für die Erzählebene nach den Himmelsszenen die Thematisierung einer konkreten Schuld Hiobs außer Frage steht, dürfte der Rückgriff auf eine Formulierung aus Dtn 28 in der Erwähnung des Aussatzes für die Figurenebene ein Signal darstellen, dass Hiob durch eine konkrete Gebotsübertretung den Gottesfluch auf sich geladen hat (wobei dies natürlich einen Anachronismus darstellt, da es das Deuteronomium in der stilisierten Situation der Erzelternzeit noch gar nicht gibt). Doch ist dies bei der ersten Person, die auf Hiobs Aussatz reagiert, bei Hiobs Frau, nicht der Fall. Obwohl sie als Figur des Textes nichts von den Himmelsszenen weiß, setzt ihr Vorwurf, dass Hiob immer noch an seiner Gottesbeziehung festhalte, das Wissen darüber voraus, dass Hiob entsprechend der Charakterisierung von Hi 1,1 untadelig ist. In ähnlicher Weise verfährt der leidende Hiob selbst. Er reagiert nicht, wie bei einer möglichen Schuld zu erwarten, mit einem Schuldbekenntnis, sondern mit unhinterfragter Akzeptanz des Bösen aus Gottes Hand. Diese Wendung ist im Rahmen der Kohärenzstruktur des Hiobprologes, die Hiobs Frömmigkeit voraussetzt, nicht verwunderlich. Vielmehr markiert sie sein weiterhin ungebrochenes Festhalten an der Gottesbeziehung und gleichzeitig das Scheitern des Satans. Bei Rückgriff auf die Fluchformel Dtn 28,35 muss man die Aussage, dass von Gott das Gute und das Böse angenommen werden müsse (Hi 2,10a), als Kritik am Konzept des Deuteronomiums verstehen. Denn dem Geschehen wird durch das Zitat eine konkrete Fluchhaftigkeit zugeschrieben; doch auf der Ebene der Figuren (Hi 2,9a) wird Hiobs Leiden nicht mit einer Schuld verbunden, sondern Hiobs Integrität parallel zur Charakterisierung auf der Erzählebene (Hi 1,1b) unhinterfragt vorausgesetzt. Der Fluch des Deuteronomiums Textes. S.E. bezieht sich das Überleben einiger Jerusalemer und ihrer Kinder auf die Exilierten. 164 Vgl. oben, 278f. 165 Siehe dazu oben, 367ff.

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen

389

trifft einen Unschuldigen. Wesentlich ist an diesem Punkt die Pragmatik. Die impliziten Adressaten sollen anhand der Zitation und im Gegenüber zu dem vom Satan erwarteten Fluch Hiobs gegen Gott die Schlussfolgerung ziehen, dass auf Hiob nun umgekehrt der Gottesfluch von Dtn 28 lastet. Damit zeigt sich mit der (wahrscheinlichen) Rezeption von Dtn 28,12 und 28,35 ein inhaltlicher Zusammenhang, der den Deuteronomismus zur Folie macht, vor der sich die Handlungen an und mit dem frommen Hiob vollziehen. Intendiert ist, dass von Hi 2,7b her auch das Unheil von Hi 1,13ff im Lichte von Dtn 28,15ff zu verstehen ist. Was bedeutet das Gegenüber zum Dtn und zur dtr Theologie für den Hiobprolog? Erstens handelt es sich bei der temporalen und personalen Außerkraftsetzung des Tun-Ergehen-Zusammenhanges um eine Infragestellung der Gültigkeit des Deuteronomismus. Dieser ist für die Figur Hiobs im Prolog (zunächst) nicht mehr wirksam. Zweitens wissen die Figuren des Textes nicht um die Temporalität der Aufhebung dieses Zusammenhanges und Hiob müsste sich von daher in aller Radikalität unter dem Fluch Jhwhs verstehen, obwohl seine Integrität nicht in Zweifel steht. Bedenkt man dies, ergibt sich aufgrund des literarischen Zusammenhanges zum Deuteronomium ein eigener Spannungsbogen. Wird der Hiob, der sich unter dem Fluch Gottes versteht, seinerseits mit dem Fluch gegen Jhwh antworten? Möglicherweise ist hier impliziert, dass Hiob den vermeintlichen Fluch Gottes als Aufkündigung der Gottesbeziehung von Gottes Seite begreifen soll, weswegen seine Antwort mit dem Fluch gegen Gott zu erwarten ist. Hier zeigt sich, wie einer der wesentlichen Unterschiede in der Intention von Rahmen und Dichtung zustande gekommen ist. Denn der Rahmen setzt ausdrücklich voraus, dass Hiob selbst nicht gesündigt hat – nach der Charakterisierung im Sinne des Dtn mit  und    kann Hiob kein Gebot des Dtn übertreten haben, auch wenn dies an keiner Stelle explizit gesagt wird. Zwar könnte man die im Prolog vorausgesetzte Integrität Hiobs als vorausgehende Charakterisierung der unterschiedlichen Vorwürfe einer Schuld Hiobs durch die Freunde (in der Dichtung) verstehen, doch lässt sich beides nicht bruchfrei verbinden. Denn das Thema der idealen Gottesbeziehung, wie es von den Himmelsszenen thematisiert wird, ist an keiner Stelle in der Dichtung anzutreffen. Dort geht es um die Verhältnismäßigkeit von Hiobs Leiden. Dieser gesteht dort auch eine mögliche Schuld ein und akzeptiert die Perspektivität der Gerechtigkeit, wonach kein Mensch vor Gott gerecht ist.166

Die Zitation aus Dtn 28,35 und die Anspielung auf das dtn Konzept des Gottesfluches, der bei Gebotsübertretung angedroht wird, durch den Vorwurf des Satans, Hiob halte nur aus Furcht um sein Leben an der Gottesbeziehung fest, geht einher mit der Ironisierung eines Grundbegriffes der Gottesfurcht für die Frömmigkeit aus dem Bereich des Deuteronomismus. Der Satan unterstellt, die Gottesfurcht würde aus Furcht um das Leben prakti166

Siehe dazu oben, 343f.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

ziert. Es legte sich nahe, dass der Satan beim Rückgriff auf die Attribute in Hi 1,9b deswegen den Begriff    gebraucht. Um dies zu erweisen, belegt er Hiob sozusagen mit dem seine Existenz bedrohenden Fluch Gottes (Dtn 28,35) und liefert ihn einer radikalen Strafe aus, die ihn in den Todesbereich versetzt. Erwartet wird, dass er Gott nun fluchen und die Gottesbeziehung aufgeben werde. Grundsätzlich wird dabei das Problem aufgeworfen, dass jemand, der alles verloren hat, (im Sinne des Deuteronomismus) offenbar aus Furcht vor dem Zorn Gottes, an der Gottesbeziehung festhält. Dies soll an der Person des einzigartig frommen Hiob erwiesen werden. Denn (sogar167) dieser werde die Gottesbeziehung, wenn er persönlich mit diesem Fluch getroffen ist, durch den Fluch gegen Gott beenden. Es ist deutlich, dass damit wohl Probleme der Frömmigkeit in extremen Situationen im Blickfeld der Betrachtung stehen. Die oben getroffene Einschätzung, dass Handeln und Argumentation des Satans eine Ironisierung des Deuteronomismus darstellen, ist entsprechend zu korrigieren. Wenn sich die Argumentation auf konkrete Leidenserfahrungen bezieht, dann kann man nur von einer an Sarkasmus grenzenden Rezeption des Deuteronomismus sprechen. Da im Hintergrund keine etwaige Sünde Hiobs steht, handelt es sich in jedem Fall um eine radikale Kritik am Erklärungsmuster des Deuteronomismus. Für die Person Hiob wird das Theodizeekonzept des Deuteronomismus ausgehebelt. Die vermeintliche Strafe des Dtn trifft einen Unschuldigen. Der Leser wird die vom Satan erwartete Handlung Hiobs (den Fluch gegen Gott) eigentlich notwendig von Hiob erwarten, wenn Hiob ein herkömmlicher Frommer – d.h. wohl bei der Dominanz dtn/dtr Begriffe und nach Kap. 1 im Sinne des dtn/dtr Schuld-Strafe-Konzeptes – wäre. Doch Hiob besteht auch diesen zweiten Angriff, indem er das Gute wie das Böse als aus der Hand Jhwhs kommend akzeptiert. Damit wird zumindest für die Figur Hiobs beim Leser die dtn/dtr Schuld-Strafe-Theologie als unzureichend erwiesen und von Hiob ad absurdum geführt. Der Literaturbezug zum Dtn zeigt, dass sich der Hiobprolog auf dem Wege eines Weiterdenkens der dtr Theologie befindet. Es wird die Frage aufgeworfen, ob das, was darin für die Deutung der Vergangenheit und für die Konstruktion der Geschichte dienlich war, auch für das Leben in einer Zeit nach der Katastrophe adäquat ist. Um es in der Metaphorik des Hiobrahmens auszudrücken: Wenn man alles verloren hat, so dass man sich vom Gottesfluch getroffen begreift, was motiviert dann eigentlich noch zu einem Verbleiben in der Gottesbeziehung? Die paradoxe Antwort auf diese eigentlich rhetorische Frage, die dem Rezipienten aufgegeben ist, gibt Hiob mit 167 Dass es sich um einen allgemeinen Vorwurf des Satans handelt, konnte an der Formulierung Hi 2,4b festgestellt werden.

4. Der Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen

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seinem ungebrochenen Festhalten an der Gottesbeziehung: Eigentlich nichts! Aber die Gottesbeziehung hat für den frommen Hiob dennoch Priorität; hier wird keine Antwort mehr auf die Frage nach der Motivation gegeben, da eine solche ausgeschlossen ist. Hiob erweist seine Gottesbeziehung als dem vom Satan und Jhwh aufgeworfenen Ideal entsprechend. d) Resümee Ist in den beiden Zitationen die Zielrichtung des Hiobprologes deutlich, so ist es naheliegend, auch innerhalb von Hi 1,1–3 einen Zusammenhang mit der dtn Konzeption der Heilszusagen zu sehen. Denn hier wird Hiob nach der Thematisierung seiner Frömmigkeit als gesegnet mit Nachkommenschaft und Viehbesitz (vgl. z.B. Dtn 28,4.11) und zugleich als der größte aller Leute des Ostens (Hi 1,3b) gezeichnet, worin sich eine Affinität zur Eröffnung der Segensreihe in Dtn 28,1b auftut (           ).168 Interessanterweise wird Hiob im Epilog ausdrücklich wiederhergestellt und über das Maß des einstigen hinaus mit Wohlstand, Lebenszeit und Nachkommenschaft gesegnet. Daher wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang im Hiobrahmen also nicht endgültig in Frage gestellt, sondern nur vorübergehend für die Gestalt Hiobs suspendiert, und er erfährt am Ende – sozusagen auf einer anderen Ebene – eine Erneuerung. Mit dem Leid des Frommen wird vom Hiobrahmen aus nicht nur die durch das Leid hindurch aufrechterhaltene Gottesbeziehung als Ideal stilisiert, sondern dieses Leid erfährt am Ende von Gott besondere Qualifikation, indem die Gottesnähe den leidenden Frommen in ein neues Verhältnis zu Gott setzt und ihn zur Beeinflussung Gottes selbst durch die Fürbitte befähigt. Der leidende Hiob (und damit sein Leiden) erhält mit seiner effektiven Fürbitte eine Funktion. Damit wird am Ende in einem größeren Rahmen ein neuer kausaler Zusammenhang von Frömmigkeit und Segen eröffnet.169 Das Leid des Frommen erhält einen Sinn, indem dem Frommen durch seine selbstlose „unmotivierte“ Gottesbeziehung ohne Hoffnung auf Segen eine Funktion für andere zuwächst. 168

Vgl. Wolfers, Deep Things, 112. Dabei bleibt allerdings das Problem bestehen, dass Hiobs Leid trotz des Sehens der vier Generationen nicht wirklich vollständig kompensiert ist, da Hiobs Kinder tatsächlich gestorben waren (siehe Hi 42,11). Gegen Clines, Ijobs Gott, 414: „Ijob ist ein frommer Mann, und Ijob ist am Ende das, was er am Anfang war, nämlich ein wohlhabender und auch in jeder anderen Hinsicht glücklicher Mann.“ Clines, Why, 132, weist darauf hin, dass die Veränderungen zwischen den Polen „reich“ – „arm“ – „reich“ sich so üblicherweise nicht vollziehen. Beide Probleme sind bedeutsam im Zusammenhang des Bezuges der Hiobgeschichte zur Geschichtstheologie, was im folgenden Abschnitt herausgearbeitet werden soll. 169

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Damit zeigt sich, dass der Hiobrahmen sich in einer Auseinandersetzung mit dem Deuteronomismus bzw. mit einem bestimmten Bild vom Deuteronomismus befindet. Ihm wird ein anderes Modell zur Erklärung des Leidens gegenübergestellt, indem das dtr Modell des Tun-Ergehen-Zusammenhangs zeitlich und personell in der Gestalt des Hiob suspendiert wird und dem Leiden eine Funktion zuerkannt wird. Die Restitution Hiobs scheint dabei den Tun-Ergehen-Zusammenhang auf einer neuen Ebene wieder aufzurichten. Ob dabei ein konkretes theologisches Konzept im Hintergrund steht, oder ob die Restitution nicht etwa nur ein märchenhafter aber disparater Schluss ist, kann im Folgenden anhand des konkreten Textbezuges zu einem weiteren deuteronomistischen Text geklärt werden.

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch (Hiob und 1 Sam 1–4) Aufgrund des Vorkommens von zwei parallelen Motiven war ich in der Textanalyse der Rahmenerzählung auf die Kindheitsgeschichte von Samuel (1 Sam 1–3) gestoßen. Es handelte sich einmal um Elis Belehrung seiner Kinder über die (Un-)Möglichkeit der Fürbitte für jemanden, der gegen Gott gesündigt hat (1 Sam 2,25a)170 und um das Thema des Fluchens gegen Gott, das in 1 Sam 3,13 vorkommt.171 Letzteres war mit einer in der Analyse der Rahmenerzählung offen gebliebenen Frage verbunden, wo ein Zusammenhang zwischen dem Thema „Gott fluchen“ und dem Tod von Hiobs Kindern angedeutet, dieser aber weder begründet, noch am Ende aufgedeckt wurde.172 Das Motiv des Fluchens gegen Gott stellt das Leitmotiv im Hiobprolog dar. Er zielt darauf ab, dass Hiob von seiner Seite die Gottesbeziehung nicht – wie von ihm von Seiten des Satans erwartet – durch einen gegen Gott gerichteten Fluch beendet. Dabei wird das Verb  euphemistisch gebraucht. Im eigentlichen Sinne gebrauchte Hiob das Verb nur im Lobpreis des Namens Jhwhs in Hi 1,21b. Es konnte festgestellt werden, dass die Überschrift über die Eröffnungsklage (Hi 3) Hi 3,1 in die Kohärenzstruktur des Gott-Fluchens hineingehört, denn von der Überschrift aus wird dem Leser die Interpretation der nachfolgenden Rede nahegelegt: dass Hiob an dieser Stelle die eigene Existenz verflucht hätte.173 Hiob hat also nach der Konzeption des Rahmens im eigentlichen Sinne den Namen Jhwhs gesegnet und die eigene Existenz (sc. „den eigenen Tag“) verflucht. Der Gebrauch von 170

Siehe oben, 299. Siehe oben, 244. 172 Siehe oben, 323. 171

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch

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 in Hi 3,1 weist daher darauf, dass der Euphemismus  in Hi 1f ebenfalls für  steht. Zwar kommt 1 Sam 1–3 schon aufgrund des Vorkommens des Motivs „Gottesfluch“ (und seine Verbindung mit dem Fürbittmotiv) für eine Prüfung der literarischen Querbeziehung in Frage. Beide Motive werden innerbiblisch in sehr begrenztem Maße gebraucht. Der Fluch gegen Gott kommt dabei besonders selten vor.174 Doch unter den o.g. Stellen nimmt 1 Sam 3,13 eine Sonderrolle ein, da hier das Verbum  gebraucht ist. Die Stelle gebraucht keinen Euphemismus, sondern in der aus der LXX zu rekonstruierenden hebräischen Vorlage der LXX175 ist die noch nicht aufgrund der Anstößigkeit korrigierte (Tik. Sof.) Formulierung    als Grundtext vorauszusetzen. Im Vergleich von Hi 2,9b mit Hi 1,5a» konnte in der Textanalyse festgestellt werden, dass die Verwendung von    im Hiobprolog eine Konvention o.ä. vermuten lässt.176 Zu dieser Affinität kommt hinzu, dass in beiden Texten als direkte Folge des Gottesfluches der Tod, der durch die Gottheit verursacht wird, im Blick ist. Zwar bezieht sich die Formulierung des „Fluches gegen Gott“ in 1 Sam 1–4 auf die kultische Verfehlung gegen die Gottheit, doch wird das Todesurteil dort direkt von der Gottheit ausgesprochen. Und vorher lesen wir schon in 1 Sam 2,25b, dass die Söhne sich durch ihren Vater nicht vom Sündigen gegen Gott abbringen ließen, da Jhwh schon die Absicht hatte, sie zu töten (         – „aber sie hörten177 nicht auf die Stimme ihres Vaters, denn Jhwh wollte sie töten.“). Der ganze Zusammenhang, der durch die Formulierung    in den Blick der Untersuchung geraten ist, läuft interessanterweise auf den Tod der beiden Söhne und den Tod Elis selbst zu. Bei dem zweiten Motiv, das von Hi 1f; 42 zu 1 Sam 1–4 führt, handelt es sich um die Fürbitte Hiobs für die Freunde in Hi 42,7–10. Das Thema begegnet in diesem Textbereich zweimal: In 42,8¹º stellt Jhwh in seiner Rede gegenüber Eliphas fest, Hiob werde für die Freunde beten (       ). Nach der Feststellung, dass Hiob dieser Erwartung entsprochen hat (42,9), wird in 42,10a¹ mit der Infinitivkonstruktion     die Restitution Hiobs an seine erfolgreiche Fürbitte angeschlossen. In 1 Sam 2,25a findet sich in der Scheltrede Elis eine theoretische Klärung, wie und 173 Es konnte weiter festgestellt werden, dass Hi 3,2ff dieser Interpretation nicht entspricht. Hi 3,1 sucht den zugrundeliegenden Text von Hi 3 in die Struktur von Hi 1f einzubinden. Vgl. oben, 335ff. 174 Vgl. oben, 243ff. 175 Im Folgenden immer: LXX-V. 176 Vgl. oben, 267. 177 Der Imperf. bezieht sich auf die Permanenz des Ungehorsams der Söhne gegen ihren Vater.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

in welchen Fällen Fürbitte wirksam ist. Auffälligerweise scheint der Hiobtext der LXX-V von 1 Sam 2,25 näher zu stehen als MT.178 Am ehesten kann man letzteren als die korrumpierte Kurzfassung eines zugrundeliegenden älteren Textes ansehen.179 Im Folgenden soll zunächst dem Text von 1 Sam 2,25a nachgegangen und eine Rekonstruktion der LXX-V versucht werden.180 MT und LXX stehen sich folgendermaßen gegenüber:  

MT

     

  

 

  

LXX ëÛÅÖĸÉÌÚÅÑÅÖÄÚÉÌþÒÅüɼĊËÓŻɸբÁ¸ĖÈÉÇʼįÆÇÅ̸ÀĨÈòɸĤÌÇıÈÉġËÁįÉÀÇÅжÁ¸ĖëÛÅ ÌŊÁÍÉĕĿÖÄÚÉÌþ֕ÓÅ¿ÉÑÈÇË181֖բÌĕËÈÉÇʼįƼ̸ÀĨÈòɸĤÌÇıм Wenn ein Mann gegen einen Mann sündigt, (dann) werden sie für ihn zum Herrn beten. Aber wenn er gegen den Herrn sündigt, wer wird dann für ihn beten? d

a

b c

  f(

)     

e

  e d c 

b

  a    a 

Die Formulierung in der LXX geht eindeutig auf die Figura etymologica zurück. Diese wird auch von 4Q51 bezeugt.182 Ob sie auch in der Vorlage von MT gestanden hat und aufgrund der gleichen fehlerhaften Textreproduktion verloren gegangen ist, in dem die anderen Probleme entstanden sind, lässt sich nicht sagen. Die Bezeugung in 4Q51 könnte ihr hohes Alter bestätigen.  ist verschiedentlich als Vorlage von ¼ĊËÓŻɸ bezeugt. Á¸ĖÈÉÇʼįÆÇÅ̸À (Fut., 3. Pl.) lässt auf waw-Perfekt (siehe z.B. 1 Kön 8,35.42.44.48) oder Imperfekt mit waw-Kopulativum schließen (siehe z.B. Gen 20,7; 1 Sam 7,5). Es wird hier für waw-Perfekt votiert, da dieses im direkten Kontext in ähnlicher Kon-

Shelly,    , 46, bietet folgende Rekonstruktion:            B  B   . Vgl. zur Präferenz der LXX-V für den Bezug des Hiobrahmens auf 1 Sam 1ff auch unten, 398ff. 179 Schenker, Textgeschichte, 187f, resümiert bei den Königebüchern den umgekehrten Zusammenhang und vermutet diesen auch für die Samuelisbücher. Auch wenn dies in dieser Arbeit nicht geprüft werden kann, so ist doch deutlich, dass wir bei den Unterschieden zwischen der LXX-V und MT zwei Stufen der Literargeschichte vor uns haben, so dass selbst dann, wenn sich Schenkers Vermutung nicht bestätigt, die LXX-V genauso gut wie der (dann natürlich prä-)masoretische Text rezipiert worden sein kann. 180 Eine Rückübersetzung der LXX in das Hebräische ist hypothetisch. Doch gibt es im Zeugnis der Qumrantexte auf der einen und bei vergleichbaren Formulierungen innerhalb der Samuelisbücher auf der anderen Seite doch eine Reihe von Anhaltspunkten, um die Formulierungen wiederherzustellen. Für die Samuelisbücher ist die Rekonstruktion trotz ihres hypothetischen Charakters vielversprechend, da für sie in der LXX das generelle Bestreben spürbar ist, eine sehr wörtliche Übersetzung der Vorlage zu bieten. 181 Hier bezeugen die Hss der lukianischen Rezension zusätzliches ÓÅ¿ÉÑÈÇË. Auffällig ist die Differenz zu ÒÅüÉ im selben Vers. Daher dürfte eine Korrektur auf Grundlage einer anderen hebräischen Hs vorliegen, die hier mit MT und 4Q51 und gegen die LXX-V geht. Zu 4Q51 vgl. Cross/Parry/Saley/Ulrich, 1–2 Samuel, 39. 182 Vgl. Cross/Parry/Saley/Ulrich, 1–2 Samuel, 39. 178

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch

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struktion auch im Anschluss an ein Imperfekt (mit durat. Bedeutung) gebraucht ist (1 Sam 2,19). d ĨÈòɸĤÌÇı stellt ein besonderes Problem dar. ÈÉÇʼįÏÇĸÀ‫ ׉‬ĨÈñÉ kommt nur sehr selten vor. Neben 1 Sam 2,25(2x) findet es sich noch in 12,19. Dort steht ĨÈñÉ für . ĨÈñÉ+ Genitiv steht andererseits häufig mit . So rekonstruiert auch Shelly den Text der LXX-V. Freilich könnte die LXX umgekehrt für aus idiomatischen Gründen zumindest das häufig dafür stehende Personalpronomen im Dativ nicht verwenden, da dies instrumental verstanden werden könnte. Leider hilft hier auch 4Q51 nicht weiter. Wahrscheinlich ist, dass – wie in LXX bezeugt –    in der Hs gestanden hat. Für  scheint der Platz nicht auszureichen. Der Oberstrich gehört eindeutig zu einem . Danach fehlt eigentlich sogar der Raum für das und den Zwischenraum. 4Q51 bezeugt somit eher die Verbalphrase aus MT. Da sich aber die Entstehung der masor. Kurzformulierung am ehesten als Verschreibung aus     erklären lässt und der LXX-V beim zweiten ĨÈòɸĤÌÇı nichts anderes zugrundegelegen haben dürfte als beim ersten, ist es am wahrscheinlichsten, dass beide Male stand.183 Womöglich zeigt die präpositionale Konstruktion in MT (und wohl auch in 4Q51), dass frühzeitig in der Textüberlieferung ein fehlerhafter Text tradiert wurde. Ungewöhnlich bleibt die Verwendung von  mit . Denn außer Hi 42,10 (dort ) findet sich ausschließlich . Doch wird  in 1 Sam 1,6; 4,18; 7,5.9 von der LXX jeweils anders wiedergegeben, an der letztgenannten Stelle in ähnlichem Kontext mit ȼÉĕ. Im mischnischen Hebräisch ist für die Ausrichtung der Fürbitte dominant.184 e-e Die LXX könnte hier    als Vorlage gehabt haben, was von 4Q51 bezeugt wird. Es bleibt die Frage, wo die Textgeschichte ihren Ausgangspunkt genommen hat. Die Veränderung selbst lässt sich leicht aufgrund einer Verschreibung erklären.185 Der Gesamtkontext spricht am ehesten dafür, dass am Anfang der Gottesname gestanden hat. Denn in der parallelisierten Konstruktion stehen sich das Gebet zu Jhwh im Falle des Sündigens zwischen Menschen ( ) und das Sündigen gegen Jhwh einander gegenüber.186

183

Der Versuch der Rekonstruktion, die Fincke, Samuel Scroll, aufgrund der Textmaße vorgenommen hat, muss grundsätzlich als gescheitert gelten. Denn die Rückübersetzung der LXX hat für die Rekonstruktion des exakten Wortlautes von 4Q51f keinerlei Evidenz über den direkten Kontext der von 4Q51 bezeugten Stellen hinaus und ist auch dort natürlich sehr hypothetisch. Aber auch als Rückübersetzung der LXX ist Finckes Arbeit ungeeignet, da von ihm im Einzelfall ohne plausible textkritische Begründungen wahllos auf MT oder die LXX zurückgegriffen wird. Als Beispiel braucht man sich nur in 1 Sam 1,1 die von Fincke, Samuel Scroll, 8, vorgenomme Transkription  (von LXX) vor Augen halten. Die LXX-V greift hier auf den aus 1 Chr 2,9 u.ö. ¼É¼Ä¼¾ÂӼӿԅannten Namen   zurück, was bereits Shelly,    , 45, entsprechend rekonstruiert hat (vgl. auch dessen textkritischen Kommentar Shelly,    , 158). Auf Finckes Versuch, durch eine unkritische Harmonie von LXX und MT eine Rekonstruktion von 4Q51 und 4Q52 herzustellen, wird daher im Folgenden nicht weiter zurückgegriffen. 184 Siehe mBer 5,5; mTaan 3,8; mMak 2,6; Awot de-Rabbi Natan 37,12; Sof 18,11 u.ö. steht in mQid 4,14. – Damit könnte sich indirekt ein Hinweis ergeben, dass das Hebräisch der Rahmenerzählung gegenüber 1 Sam jung ist. 185 Vgl. Cross/Parry/Saley/Ulrich, 1–2 Samuel, 39.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung Hier fehlt in der LXX ein Äquivalent gegenüber  (MT) z.B. ÒÅûÉ. Der lukianische Text (oben in Klammern) ist eindeutig eine Korrektur. Die Lesart des MT (hier par. auch 4Q51) lässt sich als Homoioteleuton verstehen. Vgl. auch Anm. 181.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die LXX gegenüber MT einen ausführlicheren und klareren Text repräsentiert. Dies muss nicht heißen, dass MT hier die Grundlage ist. Eher spricht die problematische Formulierung in 1 Sam 2,25a¸ dafür, dass MT den Versuch darstellt, einen korrumpierten Text zu verbessern. Aus gleichem Grunde fehlt in MT möglicherweise auch die Figura etymologica     , die auch von 4Q51 bezeugt ist.

In 1 Sam 2,25a wird in einer rhetorischen Frage die Unmöglichkeit thematisiert, Fürbitte für jemanden zu leisten, der gegen Gott gesündigt hat. Durch den Zusammenhang mit der im nachfolgenden Halbvers sich anschließenden Feststellung, dass die Elisöhne nicht auf ihren Vater hörten und Jhwh sie töten wollte, ergibt sich eine Motivkombination, die für eine Verarbeitung von 1 Sam 1–4 in Hi 1f; 42 spricht. Zu den genannten Motiven kommt das Opfer, das für die Sünde eine mögliche Sühnung schaffen soll, hinzu: Der Hiobprolog wird damit eröffnet, dass Hiob als „Opferherr“187 stellvertretend für seine Kinder Opfer darbringt, wobei allerdings eine Sühneterminologie vermieden wird. Das Unheil, das dann seine Kinder trifft, wird indirekt mit einer möglichen Verfehlung der Kinder begründet. Auf der anderen Seite erweist sich Hiobs stellvertretendes Opfer als unwirksam, ein Unheil zu vermeiden. Interessanterweise findet sich nun in 1 Sam 1–4 die Aussage, dass auch Opfer die Schuld der Elisöhne nicht zu sühnen vermögen (1 Sam 3,14):               – „Daher habe ich geschworen dem Hause Elis, dass niemals gesühnt wird die Schuld des Hauses Elis durch Schlacht- und Speiseopfer bis in Ewigkeit.“ Mit dem JhwhSchwur wird wiederum die Strafandrohung gegen die Eliden und deren Unwiderruflichkeit (siehe 1 Sam 3,13) begründet. Es findet sich somit in der Argumentation des Hiobrahmens die Kombination einer ganzen Reihe von Motiven, die aus 1 Sam 1–4 stammen und dort innerhalb der Kohärenzlinie, die zum Tode der Eliden 1 Sam 4,11.17f führt, zentral stehen. Sie machen es wahrscheinlich, dass bei der Abfassung des Hiobrahmens 1 Sam 1–4 (literarisch) verarbeitet worden ist. Der folgende Einzelvergleich wird darüber hinaus weitere Affinitäten, aber auch formale Bezüge aufdecken, die die anhand der Motivkombination wahrscheinliche literarische Beziehung bestätigen. Dabei muss zugleich auch das Ausmaß der literarischen Abhängigkeit bestimmt werden. Ähnlich 186 Damit sind Überlegungen, auf was sich   (außer auf „Gott“) beziehen kann, nicht nötig. Vgl. Houtman, Zu I Samuel 2,25, der die verschiedenen Möglichkeiten (Gott, Schutzgott, guter Geist, außerordentliche Menschen, Fürbittgestalten) abwägt und für „außerordentliche Menschen“ (417) plädiert. 187 Zur Terminologie und zur Problematik vgl. Lux, Der leidende Gerechte, 41–57.

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wie bei der Rezeption aus dem Deuteronomium stellt sich hier die Frage, inwieweit der Hiobrahmen 1 Sam 1–4 konzeptionell verarbeitet hat. Nach der Verhältnisbestimmung von Hiobrahmen und Deuteronomismus im vorangehenden Kapitel, in dem Ersterer eindeutig als eine kritische Verarbeitung von Letzterem erwiesen werden konnte, ist es bereits wahrscheinlich, dass der Anfang der Samuelisbücher bei der Abfassung vorgelegen hat. Dennoch soll auch diese Frage anhand inhaltlicher und formaler Kriterien abschließend beantwortet werden. a) Die inhaltliche Struktur von 1 Sam 1–4 und das Verhältnis der Motive Fürbitte, Gottesfluch, Todesurteil und Opfer zur Hauptkohärenzlinie 1 Sam 1–4 eröffnet eine inhaltliche Linie, die über die Erwählung Sauls hinaus auf dessen Ablösung durch David zielt. Die Erwählung Sauls wird bereits in dem Vatersnamen Elkana   und in   (LXX-V: ) vorweggenommen, denn bekanntlich treffen Samuel und Saul nach 1 Sam 9,5 im Gebiet von   erstmalig aufeinander. M.E. stellt die den Samuelis-/Königebüchern vorangestellte Verwerfungsgeschichte der Eliden nicht nur die Weichen für die Erwählung einer neuen Priesterschaft unter David,188 sondern darüber hinaus für den Fortgang des gesamten Korpus der Samuelis-/Königebücher. Denn hier wird paradigmatisch deutlich gemacht, was bei Ungehorsam geschieht und damit der Untergang des Nordreiches und parallel dazu die Errettung Jerusalems genauso vorweggenommen wie am Ende auch der Untergang des Südreiches. Dass weder der Aufstieg Samuels das Pendant zum Untergang der Eliden ist, noch in der Erwählung Sauls der endgültige Zielpunkt der Samuelgeschichte erreicht ist, macht dies deutlich. Der paradigmatische Charakter des Textes zeigt sich aber auch daran, dass sich bei der Abfassung Konflikte mit dem Niedergang Sauls einerseits und der Erhaltung des Elinachfahren Abjatar in untergeordneter Stellung bei David andererseits ergaben. Entsprechend liegt dem Gesamttext 1 Sam 1–4 das Schema Verwerfung  Erwählung zugrunde. In dem Text, dessen Schwerpunkt mit der Kindheitsgeschichte Samuels auf dessen Erwählung liegt, deutet sich seit dem Beginn die Verwerfung der Eliden an (siehe 1 Sam 2,12–17.22–25), der jeweils positive Aussagen über Samuels Beauftragung parallelgehen. So folgt auf die erste Abwertung der Elisöhne 2,12–17 in 2,18 die Mitteilung, dass Samuel den Priesterschurz trägt; auf die zweite Charakterisierung 2,22–25 folgt in 2,26, dass Samuels Ansehen im Volk wächst. An die erste Verwerfung durch einen Gottesmann 2,27–32 schließt sich in 3,1ff die Thematisierung der Verwerfung des Hauses Eli in der an Samuel ergangenen Offenbarung an. Kap. 4, das den ersten Teil der Ladegeschichte darstellt, bildet 188

So Dietrich, Samuel, 3.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

insofern einen Zusammenhang mit 1 Sam 1–3, als hier parallel zum Bericht vom Verlust der Lade der in 1 Sam 2,34 angekündigte Tod der Elisöhne und auch Elis Tod selbst berichtet wird. Dieser Zusammenhang zwischen 1 Sam 1–3 und 4 durch die Thematik der Eliden, die Abgeschlossenheit von 1 Sam 1–3 durch die Thematik von Samuels Kindheit und Erwählung macht deutlich, dass 1 Sam 1–4 kein abgegrenztes Thema zugrundeliegt. Auch wenn die Thematisierung der Eliden über 1 Sam 1–3 hinausgeht, so ist doch die Person Samuels zentral in dem Text. Das Elidenthema bildet innerhalb der Kap. 1–3 die negative Folie für die Geschichte Samuels. In Kap. 4 wird Samuel aber zunächst nicht weiter erwähnt; doch nach der Einführung von Samuel und dem Ende der Eliden erwartet der Leser seine Wiederaufnahme, die in seiner Namensgebung (1 Sam 1,20b) anklingt.189 Die beiden inhaltlichen Linien in 1 Sam 1–4 werden im Hiobrahmen in die Hauptlinie übertragen. Doch am Anfang des Hiobbuches finden sich signifikanterweise inhaltliche und formale Übereinstimmungen, die die Verarbeitung von 1 Sam 1–4 als Quelle bestätigen. Dies ist in besonderer Weise in der Eröffnung der Bücher der Fall. Die hier eindeutig feststellbare literarische Rezeption lässt Rückschlüsse auch auf andere Bereiche zu. b) Das Gegenüber der Expositionen 1 Sam 1,1–7 und Hi 1,1–5 Auch wenn die Eröffnung von 1 Sam 1ff zielstrebig auf die Handlung Hannas und die Geburt Samuels zuläuft, so ist es doch Elkana, der zunächst eingeführt wird und der zunächst im Gegenüber seiner zwei Frauen erscheint. Dabei zielt die Eröffnung von Anfang an auf die Kinderlosigkeit Hannas, das eigentliche Problem der Handlung (1 Sam 1,2b). Dennoch kann man inhaltlich einen Umschwung von der Einführung der Familie und dem, was sich alljährlich ereignete, als Exposition zur eigentlichen Handlung, die auf Hannas Gebet zuläuft, erkennen. Eine erste Zäsur liegt zwischen 1 Sam 1,3 und 1,4. Denn in 1 Sam 1,4 wird mit    (!) von den allgemeinen Äußerungen im vorangehenden Text nun das Augenmerk auf die Opferfeier selbst gerichtet. Eine zweite Zäsur liegt mit 1 Sam 1,7 vor. Hier wird das jährliche Geschehen bei der Opferfeier zusammengefasst. Die Imperfektformen zeigen noch einmal, dass sich das Leiden Hannas und ihr Weinen jährlich wiederholt.190 Es fehlt aber nach der Formulierung    189

Die Gestalt Sauls dürfte dem antiken Erstleser bekannt gewesen sein. Daher liegt der Vorverweis auf der Hand. Ein weiterer Vorverweis auf Saul liegt im Schluss des Liedes der Hanna mit    vor, wobei die Formulierung sicher einer der Gründe für die Integration des Psalmes war. 190 Es ist schwierig, eine Grenze innerhalb von V. 7 zu ziehen. Stattdessen hat man die Imperfektformen ernst zu nehmen und die Wiederaufnahme von Hannas alljährlichem

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  eine Markierung im Oberflächentext (wie in 1 Sam 1,4 mit   ), die anzeigen könnte, dass es im Fortgang nur um die eine Feier geht. Vielmehr scheint sich die Handlung in 1 Sam 1,8 einfach fortzusetzen. Geschickt gleitet die Erzählung von der regelmäßig traurigen Erfahrung an den Pilgerfesten zum ersten Erzählteil „wie Hanna zu ihrem ersten Kind, Samuel, kam“ hinüber. Der Text wechselt also ohne weitere Einführung zu Hannas Gebet und ihrem Gelübde über. Lediglich der Wechsel von den Imperfektformen zu den Narrativen kann als formaler Hinweis auf die Strukturierung aufgefasst werden. So sind es vor allem inhaltliche Gründe, die beim Rezipienten zu einer ungefähren Unterscheidung von Exposition und Haupthandlung führen. Auch die Frage Elkanas in 1 Sam 1,8, auf die Hanna keine Antwort gibt, ließe sich noch als die immer wiederkehrende „Kommunikation“ der Partner auf der Opferfeier angesichts von Hannas Kinderlosigkeit begreifen und man könnte dies theoretisch auch noch für Gebet und Gelübde Hannas im Heiligtum annehmen. Hanna hätte dann ihr Gelübde sozusagen alljährlich erneuert. Doch beim Dialog zwischen Eli und Hanna ist die Permanenz der Handlung auszuschließen. Denn einerseits müsste sich jener bei einer Wiederholung an die Frau erinnern, andererseits bezieht sich der Fortgang des Textes (1,26–28) auf jenes eine Gespräch zurück. An dieser Stelle erlangt der Leser allerletzte Klarheit darüber, dass sich bei einem der Opferfeste der Dialog zwischen Hanna und Elkana, Hannas Gebet im Tempel und der Dialog zwischen Eli und Hanna zugetragen haben. Hanna hat – so wird dem Leser deutlich – nach einer Reihe von Jahren einmal die Initiative ergriffen, die dann zum Erfolg führt. Damit ist 1 Sam 1,1–7 als Exposition der Geburtsgeschichte Samuels ausgegrenzt. Innerhalb dieser stellt V. 4 eine Zäsur dar, indem mit    von der Mitteilung der Wallfahrt Elkanas zu den eigentlichen Ereignissen der Opferfeier übergegangen wird. Die oft als unvermittelt angesehene Mitteilung über die Priesterschaft der Elisöhne Hofni und Pinhas in 1,3b191 schließt diesen ersten Abschnitt inhaltlich ab. Beim Durchgang durch 1 Sam 1,1–7 sind bereits einige Affinitäten zur Hiobexposition aufgefallen. Die beiden Expositionen sollen nun in einer Gegenüberstellung betrachtet werden; aus formalen Gründen wird der deutlichere Übergang in Hi 1,6a¸ vollständig aufgeführt. Da sich bereits aufWeinen in V. 8 in der direkten Rede, die in die Erzählebene eingebettet ist ( ...  ) als Einsatz des ersten Erzählteils zu sehen. Vgl. dagegen Dietrich, Samuel, 22, der eine Zäsur zwischen 7a und 7b postuliert. Doch besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Halbversen, da die Kränkung durch Peninna Hannas Weinen und die Verweigerung der Nahrungsaufnahme nach sich zieht. 191 Vgl. Dietrich, Samuel, 17, der sich für die klarere Lesart der LXX-V und gegen MT entscheidet. Doch kann man auch die kürzere Lesart von MT als ursprünglich ansehen.

400

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grund der Verarbeitung der Motive Hinweise ergeben haben, dass Hi 1f; 42 auf die Vorlage der LXX zurückgegriffen hat, wird in der Tabelle auf S. 401 bei inhaltlichen Abweichungen die rekonstruierte Lesart der LXX in Klammern jeweils extra aufgeführt.192 Die Gegenüberstellung macht zunächst eine Parallelität im Aufbau deutlich. Formal auffällig ist natürlich die in der LXX-V identische Eröffnung der beiden Bücher   mit der nachfolgenden Namensnennung (in der Tabelle einfach unterstrichen). Sodann ist der Gebrauch des waw-Perfekts (doppelt unterstrichen) jeweils in den Expositionen auffällig. Er kann aus Gründen der Konvention parallel sein, da es sich um ein Mittel handelt, um in Expositionen Vorinformationen zu geben, es kann aber auch durch die Verarbeitung der Vorlage beeinflusst worden sein. W. Dietrich hat den Gebrauch der Perfektformen und das Fehlen echter Narrative in 1 Sam 1,1–7 als Stilmittel in der Exposition angesehen.193 Demgegenüber wurde der Gebrauch des waw-Perfekts in der Exposition des Hiobbuches von W.-D. Syring und vorher von G. Steins und L. Schwienhorst-Schönberger194 als literarkritisches Kriterium angesehen. In der Textanalyse195 konnten die Perfektformen wie auch die waw-Perfektformen in der Exposition als Mittel erwiesen werden, die dem Aufbau des Hintergrundes dienen und so für den Fortgang der Handlung entscheidend sind. Dennoch ist die parallele Verwendung auffällig. Eine weitere auffällige formale Parallelität liegt in der strukturierenden Funktion der Formulierung    (1 Sam 1,4a¸; Hi 1,6a¸) vor. Die Formel, die in dieser Form ausschließlich im Hiobprolog und in den Samuelis-/ Königebüchern (1 Sam 1,4; 14,1; 2 Kön 4,8.11.18) vorkommt, hat in den einander gegenübergestellten Expositionen die gleiche Funktion, indem sie sich mit der Determination jeweils auf die im vorangehenden Text unbestimmte Anzahl von Tagen zurückbezieht (1 Sam 1,3a¸  ; Hi 1,5b  ). Zwar wird Eli in 1 Sam 1,9 als Priester bezeichnet, doch erscheint er in 1 Sam 2 nicht im Priesterdienst und wird in 1 Sam 4,15ff als sehr alt beschrieben. In MT könnten also die beiden Elisöhne in Vorgriff auf den sie betreffenden Handlungsstrang in der Exposition platziert und von Eli unterschieden worden sein. Das Problem der unvermittelten Einführung hätte die LXX dann ausgeglichen, indem sie den Elisöhnen Eli selbst vorangestellt hat. Freilich hat dies wiederum zur Folge, dass die Söhne Elis und jener stärker zusammengeführt werden, als dies im Fortgang vorausgesetzt wird. Daher könnte man mit Dietrich auch überlegen, ob MT gegenüber der LXX-V hier einen „Hieb [...] gegen eine von vornherein in Unordnung befindliche Priesterfamilie“ (ebd.) führt. 192 Die Rekonstruktion folgt Shelly,    , 45ff, wenn nicht auf eine eigene Rekonstruktion verwiesen wird. 193 Vgl. Dietrich, Samuel, 22. 194 Vgl. Schwienhorst-Schönberger/Steins, Entstehung, 13. 195 Vgl. oben, 326.

401

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch 1 Sam 1,1–3.4–7    

   (    )        (  )       ()  ()                     

                    (    )     (  )                         (     )            (        ) ()      (196 )     (     )                         

Hi 1,1–5.6a¸                                                  

                                                              

         

Das hebr. Verb   (Qal) dürfte wie im Kontext hinter ó¿İļÀ stehen. Es dürfte auf ein waw-Imperfekt   oder auf waw-Perfekt   (bzw. Perf. + waw-Kop.) zurückgehen. Ein Wechsel des Genus ist unwahrscheinlich. Bei der 3. Sg. mask. im waw-Imperf. hätte die LXX wohl ein Personalpronomen gebraucht. Die Perfektform hätte sie (beim Maskulinum) möglicherweise (wie die Masoreten bei  ) gar nicht als finite Verbform aufgefasst. – Vergleicht man den Text mit MT, ergibt sich eine weitere Möglichkeit. Denn Á¸ĕ muss nicht ausschließlich das Präfix beim waw-Imperfekt bezeichnen, sondern könnte auch wie in MT auf  zurückgehen (dann:   ). Wir befinden uns innerhalb von 1 Sam 1–3 nicht in einem Á¸À-º¼-Abschnitt und auch in 2,15 und 2,26 dürfte für  Á¸ĕste196

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Hinzu kommt die Parallelität der Abschlussformulierung, die noch einmal deutlich macht, dass es sich um ein regelmäßiges Geschehen handelt, von dem in der Exposition die Rede ist (1 Sam 1,7a:      ; Hi 1,5b:       ). Die Unterschiede zwischen den beiden Texten hängen mit den verschiedenen Inhalten zusammen. Die Grenze zwischen 1 Sam 1,1–7 und 8ff ist nicht so klar gezogen wie im Hiobbuch, weil die Szenerie in 1 Sam nicht so radikal wechselt wie im Hiobprolog. Innerhalb von 1 Sam 1,1–7 dient die Formel    zur Fokussierung auf eine Wallfahrt, obwohl das Ende der Exposition noch nicht erreicht ist. Zwischen Hi 1,1–5 und 1,6ff markiert    den Beginn der eigentlichen Handlung. Die Phrase wird danach weiter verwendet, um die folgenden Szenen miteinander zu verbinden (Hi 1,6.13; 2,1). Der stringentere und außerdem ausgebaute Gebrauch der Phrase    ist ein deutlicher Hinweis auf die Richtung der Abhängigkeit. Damit ist deutlich, dass der Verfasser des Hiobrahmens die Formel aus der Vorlage (1 Sam 1) aufgegriffen und für seine Zwecke verwendet haben muss; daneben hat er den inhaltlichen Abschluss der Exposition zusätzlich mit einer parallelen Abschlussformulierung markiert, wie dies in 1 Sam 1,7 der Fall ist. Auffällig ist ebenfalls die Parallelität der Themenfolge am Anfang der Expositionen: Nach der parallelen Einführung der Person und der Namensnennung steht die Erwähnung des Kinderreichtums bei Hiob die Erwähnung der Frauen in 1 Sam 1,2, die sofort mit der Kinderproblematik verbunden werden, gegenüber. Es folgt in 1 Sam 1,3 das regelmäßige Opfer von Elkana. Auf ein solches läuft – freilich abgewandelt entsprechend der Hiobthematik – auch der Hiobprolog zu. Ebenfalls parallel steht der Bericht von den Festgelagen von Hiobs Kindern (Hi 1,4) der Erwähnung von Hofni und Pinhas in 1 Sam 1,3b gegenüber, die die inhaltliche Linie eröffnet, die zum Tode der Eliden führt. Bedenkt man, dass auch in Hi 1 im Hinter-

hen. Vgl. 1 Sam 1,28. Die Vorlage der LXX (LXX-V) hätte damit an dieser Stelle einen ähnlichen syntaktischen Charakter besessen wie MT. – Inhaltlich könnte  dann einen Subjektwechsel darstellen: Subjekt wäre jetzt  aus der vorangehenden Phrase. Man müsste dann aber annehmen, dass hier (anders als in 1 Sam 1,7) in der Vorlage von LXX ein Piel gestanden hat: „Auch reizte sie (sie) damit, dass Jhwh ihren Mutterleib verschlossen hatte, ihr kein Kind zu geben.“ Im größeren Kontext spricht für diese Interpretation, dass die beiden Frauen auch in der LXX einander gegenübergestellt werden und Hanna von der Gemeinschaft der anderen abgesetzt wird. Im engeren Kontext ist m.E. nur so die Doppelung in der LXX von Á¸ĖÁįÉÀÇËÒÈñÁ¼ÀʼŠÌÛȼÉĖÌüÅÄûÌɸŸĤÌýËжĞÌÀÇĤÁ ì»ÑÁ¼Å¸ĤÌĉÁįÉÀÇËȸÀ»ĕÇÅեեե(1 Sam 1,5f) mit ĞÌÀÊÍÅñÁ¼ÀʼÅÁįÉÀÇËÌÛȼÉĖÌüÅÄûÌɸŠ¸ĤÌýËÌÇıÄü»ÇıŸÀ¸ĤÌĉȸÀ»ĕÇÅե (1 Sam 1,6) plausibel erklärbar. Während der erste Passus zur Beschreibung des seelischen Zustandes der Hanna dient, drückt der zweite Passus aus, dass Hanna von Pennina wegen ihres Unglücks weiter gereizt wird.

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grund eine eventuelle Verfehlung der Kinder Hiobs steht, dann hat die Erwähnung jener „zusätzlichen“ Personen eine ähnliche Funktion. Die Parallelität und die formalen Bezüge lassen erkennen, dass bei der Gestaltung der Exposition der Hiobrahmenerzählung 1 Sam 1,1ff zugrundegelegen hat. Daher ist es im Folgenden möglich, die Intention der Quellenverarbeitung zu bestimmen, die in den Unterschieden zwischen 1 Sam 1,1–7 und Hi 1,1–5 deutlich wird: So ist angesichts der in besonderer Weise197 ausgeführten Genealogie Elkanas das Fehlen einer solchen bei der Person Hiobs auffällig. Das Gegenüber unterstreicht die Beobachtung aus dem Bereich der Textanalyse, dass die ausgeführte Charakterisierung anstelle einer Genealogie oder eines Patronyms steht.198 Wie ebenfalls in der Textanalyse herausgestellt worden ist, wird in Hi 1,1a der Name durch seine Voranstellung (   ) betont, was in 1 Sam 1,1b (   ) nicht der Fall ist. Zwar sprechen die unterschiedlichen Deutungen des Hiobnamens im Hiobbuch eher nicht dafür, dass dieser vom Verfasser erst als Kunstname gebildet worden ist,199 doch kann man im Gegenüber der Namen   und   durchaus einen Anhaltspunkt für die Namensdeutung erkennen, die im Hiobrahmen angelegt zu sein scheint. So hat der Verfasser des Rahmens den Namen Hiob möglicherweise als Passivform und damit im Sinne von „der Angefeindete“ verstanden. Zwar führt der Name   natürlich als Zusammensetzung aus  und  zu der Bedeutung „Gott schuf“,200 doch steht ein Verständnis des Namens als eine Kombination von  und  „ein eifernder Gott“ aufgrund der parallelen Aussprache im direkten Assoziationshorizont der antiken Verfasser wie Rezipienten. 201  und  können am Wortende bekanntlich ihren Konsonantenwert zugunsten des vorangehenden langen Vokals verlieren.202 Während für 1 Sam 1f nicht ausgeschlossen ist, dass hier mit dem Gegenüber der möglichen Namensdeutung „ein eifernder Gott“ zum Namen  gespielt wird, dürfte der Elkananame für die Rezeption der Rahmenerzählung des Hiobbuches zum Zentrum der dtn/dtr Schuld-Strafe-Theologie geführt haben, die das Gerichtshandeln Jhwhs mit dessen Zorn begründet.203 War im Rahmen der Textanalyse ein Zusam197 Darauf verweist z.B. Dietrich, Samuel, 35: „Der ‚eine Mann‘ aus Ramatajim, um den es im Folgenden (angeblich) geht, wird mit seinem Namen und einer vierfachen Ahnenkette vorgestellt. Das ist selten in der Hebräischen Bibel (1 Sam 9,1; Zef, 1,1) und signalisiert Bedeutung und Würde.“ 198 Vgl. oben, 239. 199 Vgl. zum Hiobnamen oben, 224f. 200 Vgl. Noth, Personennamen, 172; Dietrich, Samuel, 35; Stoebe, Samuel, 89. 201 Weitere Überlegungen zum Verständnis des Namens erübrigen sich für die Auslegung von 1 Sam 1,1, wenn er diesem Text aus der Tradition vorgegeben gewesen ist (so Dietrich, Samuel, 35). Für die Rezeption von 1 Sam 1–4 durch das Hiobbuch ist jedoch weder relevant, was bei der Abfassung jenes Textes vorgegeben war, noch die grammatische Etymologie des Namens, sondern was darunter verstanden werden konnte und entsprechend inhaltlich in die Bezugnahme einfließt. 202 Vgl. GK §23, 83f. 203 Vgl. Ex 20,5; 34,14; Dtn 4,24; 5,9; 6,15.

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menhang mit der Gestalt des Satans und dessen Anfeindung gesehen worden, 204 könnte das Gegenüber von   und   dafür sprechen, dass der Verfasser des Rahmens Hiob auch als den von Gott Angefeindeten verstanden wissen will, was sich ja in dieser Weise innerhalb der Dichtung ausformuliert findet. Immerhin steht Gott im Prosarahmen hinter dem Handeln des Satans, während auf der Handlungsebene der Figuren das Handeln des Satans nicht erkennbar ist und dieser auch im Epilog nicht mehr erwähnt wird.

c) Die Rolle der Kinder und das Wirken des Vaters im Hiobrahmen und in 1 Sam 1–4 Im Folgenden soll der weitere Bereich der Handlung in den beiden Texten verglichen werden. Vor einer Bestimmung der Intention der literarischen Verarbeitung sollen zunächst die formalen und inhaltlichen Übereinstimmungen aufgezeigt werden: Sowohl in Hi 1f als auch in 1 Sam 1–4 liegt eine Ambiguität in der Bezeichnung der Söhne und der zugehörigen Knechte vor. Beide Größen werden mit dem Nomen   bezeichnet. Was oft zum Nachweis einer Abhängigkeit von Gen 22 herangezogen wird, ist beim Vergleich zwischen Hi 1f und 1 Sam 1ff insofern auffällig, als in beiden Texten  „Sklave, Knecht“ nicht für die Dienerschaft verwendet wird. Es konnte oben festgestellt werden, dass das Nomen  in der Hiobrahmenerzählung offenbar zur Bezeichnung der Gottesbeziehung Hiobs (in den Jhwh-Reden der Rahmenhandlung) reserviert war, was zu der Ambiguität beim Gebrauch des Nomens   geführt hat. Ähnlich – wenn auch nicht so auffällig – verhält es sich in 1 Sam 1ff. Hier kommt das Nomen  nur in 1 Sam 3,9f vor und wird dort ebenfalls für die Gottesbeziehung verwendet. Zum Vergleich: In den Erzelterngeschichten wird  zwar auch für die Gottesbeziehung gebraucht, und Abraham wird im Rückblick auch von Jhwh als   „mein Knecht“ (Gen 26,24; Ps 105,6.42; vgl. Ex 32,13; Dtn 9,27) bezeichnet, doch kommt  bzw. der Plural   auch zur Bezeichnung der Knechte Abrahams vor. Da die Hiobrahmenerzählung die Erzelterngeschichten zwar rezipiert, dabei aber nicht in besonderer Weise eine Beziehung zu Gen 22 herstellen will, wie es zwischen 1 Sam 1,1ff und der parallelen Exposition Hi 1,1ff der Fall ist, ist es m.E. plausibel, dass der Verfasser von Hi 1f sich in seinem Sprachgebrauch an das Gegenüber von  und   in 1 Sam 1–3 angelehnt hat. Eine zweite formale Auffälligkeit, mit der zu den parallelen Inhalten übergeleitet werden soll, liegt in der doppelten Thematisierung der Verfehlungen der Söhne Elis vor. Dies geschieht in 1 Sam 2,12–17 und 22–25. Diese Doppelung, die in 1 Sam 2 möglicherweise literarhistorisch zu erklären ist, nennt zunächst (V. 12–17) das kultische Vergehen der Elisöhne an den Op204

Vgl. oben, 224f und 238.

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fern. Die Opfer werden durch die Priester für deren eigenen Gebrauch missbraucht. In den V. 22–25 wird dieses vorher auf der Erzählebene problematisierte Thema dann als vor den Vater gedrungene Kunde (V. 22b: ...        ) wiederholt. Die zweite Thematisierung zielt auf die Reaktion Elis ab, wobei sein Misserfolg bereits mit seinem sehr hohen Alter (V. 22a) begründet wird. Zu dem Rückverweis mit    auf die auf der Erzählebene thematisierte Verfehlung kommt hinzu, dass den Elisöhnen zusätzlich nun noch vorgeworfen wird, dass sie mit den Frauen schliefen, die am Eingang der Stiftshütte „Dienst taten“.205 Auffällig ist außerdem, dass die Thematisierung der Verfehlung mit einem Einwirken des Vaters auf die Kinder verbunden ist. Die inhaltliche Parallelität zwischen Hi 1f und 1 Sam 1ff ist schon dadurch gegeben, dass die Verfehlungen der Elisöhne zu ihrem Tod durch ein direktes Einwirken der Gottheit führen. Dies ist zwar in der Hiobrahmengeschichte nicht ungebrochen der Fall, doch zeigen sich deutliche Affinitäten, die wiederum die literarische Rezeption von 1 Sam 1ff durch Hi 1f sicherstellen. Zunächst sind sich die in den beiden Erzählungen gegebenen Charakterisierungen der Kinder nahe. In einem knappen Bericht Hi 1,4 und dann in der ersten Wiederholung Hi 1,13 werden für die Hiobkinder Festgelage vorausgesetzt. In Hi 1,13 (und dann auch in 1,18) wird auch der Genuss von Wein erwähnt, so dass auf ausschweifende Gelage angespielt wird. Gleiches ist bei den Elisöhnen vorauszusetzen. Diese verwenden das Fleisch der Opfer für sich selbst (1 Sam 2,14–16), was in 1 Sam 2,16a mit der Formulierung       ausdrücklich als ein (vielleicht nach Dtn 12,15.20f) profaner Gebrauch angesehen wird. Das Problem besteht nicht im Gebrauch des Fleisches, sondern darin, dass gegen die Opferbestimmungen verstoßen wird, da das Fleisch noch vor der Darbringung des Fettes als Opfer für den profanen Gebrauch verwendet wird. Zwar ist von Festgelagen nicht explizit die Rede, doch ergibt sich ein ausschweifendes Handeln der Eliden aus der Notiz 1 Sam 2,22bº», vor allem aber aus der Bezeichnung der Elisöhne als    in 1 Sam 2,12a. Obwohl mit dieser Charakterisierung in der Hebräischen Bibel auf eine Fülle von unterschiedlichen Vergehen Bezug genommen wird, findet sich die Bezeichnung in 1 Sam 1–3 doch noch ein weiteres Mal, in 1 Sam 1,16: Die Selbstaussage Hannas         (1 Sam 1,16a) bezieht sich hier auf Elis Vorwurf (      ). Eli hatte aufgrund von Hannas Gebärden angenommen, dass sie betrunken sei. Die Rezeption der Szenerie aus 1 Sam 1ff in der Hiobrahmenerzählung hatte also einen deutlichen Anknüpfungs205

An dieser Stelle kann den Implikationen dieser Formulierung, die offensichtlich auf einen bei den Adressaten bekannten Zusammenhang verweist, nicht weiter eingegangen werden. Deutlich ist, dass hier ein zweiter Vorwurf an den ersten geheftet wird.

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punkt dafür, dass der anstößige Umgang der Elisöhne mit den Opfern auch von dem in der Weisheit abgelehnten Trinken von Wein begleitet war. Die genannten Aspekte sind bei der Rezeption von 1 Sam 1ff durch die Hiobrahmenerzählung zu einer einheitlichen Szenerie verbunden worden, und so wurde von dort ausgehend die zyklische Abhaltung von Trinkgelagen bei den Hiobsöhnen in Szene gesetzt. Auffällig ist, dass die Ausschweifungen der Söhne mit der Formulierung    verbunden sind. So werden in 1 Sam 3,13 (LXX-V) mit der Formulierung       die mit den Ausschweifungen der Eliden verbundenen kultischen Vergehen gewertet. In Hi 1,5aº» bringt Hiob die Ausschweifungen seiner Kinder mit einem möglichen Fluch gegen die Gottheit in Verbindung. Rezipiert wurde dabei auch der in 1 Sam 1ff vorausgesetzte direkte Zusammenhang der Sünde der Elisöhne mit deren Tod (1 Sam 2,25b.30f; 3,12f; [4,11.17]). Auch wenn mit der Formulierung in 1 Sam 3,13 nicht explizit ein Fluch gegen Gott intendiert ist, sondern die kultischen Vergehen der Eliden im Blick sind, zeigt doch die Korrektur des masoretischen Textes (Tiq. Sof.),206 dass sich das Verständnis der Formulierung als Bezeichnung des Gottesfluches aufgedrängt haben muss. Letztlich hat die Hiobrahmenerzählung den Aspekt des „Gott-Fluchens“ in zugespitzter Weise übernommen und den Zusammenhang von Fluch und Tod (Hi 2,9b207) in 1 Sam 1ff als Paradigma für den Hiobprolog rezipiert. Lässt sich der Hauptzusammenhang von Gottesfluch und Tod durch die Rahmenerzählung des Hiobbuches aus der Rezeption von 1 Sam 1ff verstehen, ergibt sich auch ein Ansatz zum Verständnis einiger Einzelaspekte: a) Eine Sünde der Söhne Hiobs wird nicht explizit erwähnt. Der antike Leser kann lediglich aus dem in der Weisheit negativ bewerteten Genuss von Wein einen Hinweis darauf erkennen, dass von den Hiobkindern ein Vergehen zu vermuten ist. Da mit der parallelen Eröffnung des Hiobbuches und des 1. Samuelisbuches ein Zusammenhang signalisiert werden soll, wird dies durch die Parallelstellung der Söhne Hiobs und der Söhne Elis unterstrichen, ohne dass sich der Erzähler festlegen muss.208 b) Hiobs stellvertretendes Handeln für seine Kinder wird bereits in der Exposition thematisiert und deutlich summarisch abgehandelt. Dazu gehörte, dass die Schlussfolgerung beim Leser impliziert wird, dass Hiob bei den vorausgesetzten Ausschweifungen der Gelage eine konkrete Übertretung 206

Vgl. oben, 244. Siehe zur Interpretation der Stelle oben, 248.269.322f. 208 Diese Zurückhaltung dürfte mit der kritischen Rezeption der dtr Schuld-StrafeTheologie zusammenhängen. Vielleicht steht sie auch schon mit der gegenüber dem Deuteronomismus völlig anders gearteten Geschichtssicht des Hiobrahmens in einer Verbindung. Vgl. dazu das nachfolgende Kapitel. 207

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seiner Kinder befürchtete und er darauf reagiert.209 Da das Thema der Anspielung auf eine Sünde der Kinder gegen Gott aber aus 1 Sam 1ff rezipiert wird, stellt sich die Frage, wieso es aus dem Hauptteil der Handlung betont in die Exposition übernommen wird. Dies lässt sich einerseits damit erklären, dass Hiob von Eli, der für seinen Umgang mit seinen Söhnen kritisiert wird (siehe 1 Sam 3,13b¹), abgehoben werden soll. Andererseits bildet das Thema des Todes von Hiobs Kindern den Zielpunkt der Handlung von Hi 1, anders als in 1 Sam 1–4, wo der Verlust der Lade als Zielpunkt gewählt ist. c) Bei der Analyse der Rahmenerzählung war offen geblieben, was mit der Formulierung   in Hi 1,5a¸ gemeint ist. Deutlich wurde an der Abfolge der Handlungen, dass es um eine die Opfer vorbereitende Handlung gehen muss. Die sowohl in 1 Sam 1ff als auch in Hi 1f vorausgesetzte Ineffektivität der Opfer in Bezug auf das (für Hi 1 mögliche) Vergehen der Kinder zeigt einen Zusammenhang auf, der die Intention der Formulierung erhellt. Die Szenerie ist zwar formal nicht zu vergleichen, da die Kinder Hiobs trotz des stellvertretenden Opfers sterben und in 1 Sam nicht von solch einem Opfer für die Elisöhne berichtet wird. Doch findet sich in der Gerichtsankündigung über die Eliden (1 Sam 3,11–14) eine ausführliche Thematisierung der Ineffektivität von Opfern zur Sühnung der Sünde der Eliden. Der Zusammenhang des an Eli selbst gerichteten Vorwurfes, seine Söhne nicht gehindert/zurechtgewiesen210 zu haben und die Aussage über die Opfer ist auffällig:211          ( )             13  212             14 „13Und ich habe ihm kundgetan, dass ich sein Haus bis in Ewigkeit richte wegen der Sünden seiner Söhne, dass seine Söhne Gott schmähen und er sie nicht zurechtgewiesen hat. 14Und daher habe ich dem Hause Elis geschworen, dass (nicht) gesühnt wird die Sünde des Hauses Eli mit einem Schlachtopfer und mit Speiseopfern bis in Ewigkeit.“

Die Gerichtsansage impliziert, dass eine sühnende Wirkung von Opfern an eine vorherige Zurechtweisung Elis gebunden gewesen wäre. Da eine solche fehlte, wird eine sühnende Wirkung der Opfer ausgeschlossen. Diesem aus209

Vgl. oben, 236f. Nach Gesenius18, 529, hat 2 (Pi.) die Bedeutung „jem.en zurechtweisen, jem.em wehren“. Nach Dietrich, Samuel, 183, liegt eine Beziehung zu 1 Sam 3,2 vor: „[D]er Mann also, dessen Augen am ‚Verlöschen‘ sind, hat die Bosheit seiner Söhne nicht ‚zum Verlöschen‘ gebracht.“ Die LXX gibt  mit ÅÇÍ¿¼Ì¼ėÅ „mahnen, zurechtweisen“ wieder. 211 Da in 3,13b der LXX-V die Priorität zukommt (vgl. dazu oben, 244f), wird hier ebenfalls die Rekonstruktion der LXX-V aufgeführt. Zur Rekonstruktion vgl. Shelly,    , 47. 212 Der Plural scheint in der LXX-V mit Á¸ĖëÅŘÍÊĕ¸ÀË vorausgesetzt zu sein. 210

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bleibenden Handeln Elis an seinen Kindern steht ein vorbereitendes Handeln Hiobs vor dem stellvertretenden Opfer gegenüber. Natürlich weist   (Pi.) in Hi 1,5 zunächst auf eine Verbindung mit dem Kultus, und ein direkter Zusammenhang zwischen Hiobs Heiligung seiner Kinder und der fehlenden Zurechtweisung der Elisöhne durch Eli ist nicht zu beweisen. Dennoch ist zu beachten, dass das Heiligen mit Hiobs Opfer nicht direkt etwas zu tun hat: Es handelt sich um eine zusätzliche, dem Opfer vorangestellte Handlung Hiobs an den Kindern. Dadurch stehen sich die nur schlaglichtartige Bemerkung   (Hi 1,5a¸) und die fehlende Zurechtweisung seiner Söhne durch Eli (1 Sam 3,13) gegenüber. Da Hiobs Schicksal sich von dem Elis unterscheidet, ist es wahrscheinlich, dass die Rede von der fehlenden Zurechtweisung der Söhne Elis die Voranstellung einer die Opfer vorbereitenden Heiligung der Söhne Hiobs beeinflusst hat. Die Rede vom Heiligen (  [Pi.]) soll deutlich machen, dass Hiobs Handeln in Bezug auf seine Kinder anders als bei Eli kein Defizit enthält und insofern keinen Einfluss auf sein Ergehen hatte. Vielleicht hat bei der Wortwahl in Hi 1,5 (  ) die aus dem Wortspiel mit   (1 Sam 3,3) resultierende semantische Problematik bei    in 1 Sam 3,13bº eine Rolle gespielt. d) Die theoretische „Erörterung“ über die Effektivität der Fürbitte (1 Sam 2,25a) wird im Hiobepilog (Hi 42,8a.9) wieder im Zusammenhang eines Opfers verarbeitet. Die rhetorische Frage Elis im Kontext von 1 Sam         (1 Sam 2,25a¹º), mit welcher dieser seine Kinder zum Einlenken bewegen will, wird nicht nur in Hi 42,8–10 rezipiert. Sie wird inhaltlich in der Hiobrahmenerzählung insgesamt verarbeitet. Sie steht mit dem Leitmotiv des Prologs „Fluchen gegen Gott“ in einer Beziehung. Außerdem hatte sich in der Textanalyse ergeben, dass Hiobs Festhalten an seiner Gottesbeziehung durch das Leiden hindurch diesen befähigt hat, für Andere einzutreten, so dass seine Fürbitte Gott beeinflussen kann. Das ganze Hiobbuch zielt aus der Sicht des Rahmens auf diesen Schluss. Die Hiobgestalt der Rahmenerzählung des Buches Hiob ist damit als Antwort auf die rhetorische Frage Elis an seine Söhne gedacht. Wenn Hiob im Sinne von 1 Sam 2,25 für die Freunde eintreten und so Gottes Zorn von ihnen abwenden kann, dann muss auch eine Verbindung zwischen der Zurechtweisung der Freunde durch Gott in Hi 42,7f und der Ankündigung des Urteils über die Eliden in 1 Sam 3,11–14 bestehen. Wenn aber die Figurierung der Freunde in der Hiobrahmenerzählung mit dem Urteil über die Eliden in einer Verbindung steht, dann bestätigt sich die Annahme, dass in ihrer Verurteilung (Hi 42,7f) eine Beziehung zu den Bewertungen Hiobs in Hi 1,22; 2,10b vorlag und ihr Reden so in die Nähe des von

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Hiob gewünschten Gottesfluches gerückt werden.213 Immerhin wird die Verwerfung der Eliden ausdrücklich mit der Formulierung       (1 Sam 3,13b¹) begründet. Letztlich wird mit 1 Sam 1ff auf einen Text zurückgegriffen, der die Ineffektivität des Gebetes (1 Sam 2,25) und die Realisierung des Zornes Gottes (1 Sam 2–4) erörtert. Dabei werden in der Hiobgestalt zwei zentrale Figuren aus 1 Sam 1–4 verbunden. Es handelt sich einmal um Eli mit seinem gescheiterten Versuch, seine Söhne zurechtzuweisen und von der Sünde gegen Jhwh abzubringen, wobei ihm der Misserfolg dann letztlich auch das Leben kostet. Eli konnte dabei als Vorbild für die ideale Gottesbeziehung Hiobs dienen, denn er akzeptiert in 1 Sam 3,18b sein Urteil ohne Widerspruch (        ). Hi 2,10a steht dieser Formulierung und der Situation durchaus nahe (            ). Gleichzeitig wird die in 1 Sam 1–3 mehrfach ausdrücklich hervorgehobene und durch Hannas Gelübde „als Gabe Gottes“214 gekennzeichnete Gestalt Samuels rezipiert, die in einer idealen Gottesbeziehung gedacht ist, sich selbst als  Jhwhs bezeichnet (1 Sam 3,9f215) und später dann als Fürbitter für das Volk (1 Sam 7[siehe bes. V. 5]) auftritt. Hiob übertrifft dabei Eli, indem er weder wegen einer eigenen Sünde noch wegen der Sünde seiner Kinder ums Leben kommt und die Effektivität seiner Fürbitte Zentrum und Zielpunkt der Thematik der Hiobgeschichte ist; er übertrifft auch Samuel, da von ihm synchron betrachtet in 1 Sam 8,1–4 ein ähnliches Problem mit seinen Kindern erwähnt wird.216 Außerdem wird Hiob von Jhwh selbst mit der Unvergleichlichkeitsaussage bezeichnet, die die positiven Aussagen über Samuel in 1 Sam 2f überbietet (1 Sam 2,[18].26; 3,20f). Umgekehrt dienen die Söhne Elis als Leitbild bei der Figurierung der Kinder Hiobs und der Andeutung einer möglichen Sünde und Hiobs Reaktion auf sie und gleichzeitig als Modell für die Bewertung der Freunde Hiobs in der Rahmenerzählung. d) Das Thema „Beten“ in Hi 1f; 42 und in 1 Sam 1f Die Verarbeitung des Themas Fürbitte (1 Sam 2,25) in der Rahmenerzählung des Hiobbuches dient der Betonung der Effektivität der Fürbitte Hi213

Siehe dazu die Textanalyse oben, 292f. Vgl. Tita, Gelübde, 70. 215 In V. 9 wird es in der Aufforderung Elis gebraucht. 216 Da die nachgewiesene literarische Verarbeitung von 1 Sam 1–4 deutlich macht, dass die Samuelis-/Königebücher insgesamt zum literarischen Horizont der Hiobrahmenerzählung gehören, dürfte in der Rezeption der Samuelgestalt der zur Eliproblematik parallele Abschnitt 1 Sam 8,1–4 über die Kinder Samuels dessen Bedeutung von vornherein Grenzen gesetzt haben. 214

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obs. Es ist daher auch wahrscheinlich, dass die Thematik des Betens überhaupt, die in 1 Sam 1f in besonderer Weise begegnet, bei der Gestaltung der Hiobrahmenerzählung eine Rolle gespielt hat. Neben der Geschichte von Hannas ist es das ihr in den Mund gelegte Gebet (1 Sam 2,1–10), was zu beachten ist. Neben 1 Sam 1f gibt es in der Hebräischen Bibel kaum217 andere Texte, in denen das Thema Gebet ähnlich intensiv behandelt wird. 218 Dabei steht Hannas Gottesbeziehung, die an ihrer Flucht in den Tempel und ins Gebet deutlich wird, der Hiobsproblematik, des durch das Leid hindurch an seiner Gottesbeziehung festhaltenden Frommen, gegenüber. Bezeichnend ist beim Vergleich der beiden Figuren, dass sie jeweils im Leid auf ihre Gottesbeziehung zurückgeworfen sind. Dies hat eine ähnliche Stellung der anderen Figuren zu den beiden Hauptakteuren (Hiob und Hanna) zur Folge. Elkana und dessen andere Frau Pennina begegnen Hanna, wie die Frau und die Freunde Hiob begegnen: Die anderen Figuren trösten die Leidenden nicht oder vermögen sie nicht zu trösten; außerdem vermisst man in beiden Geschichten trotz der jeweils theologisch aufgeladenen Szenerie (stellvertretende Opfer durch Hiob, Wallfahrt, Anbetung und Opfer Elkanas) das Eintreten dieser Nebenfiguren für die Leidenden bei Gott. Es könnte sein, dass sowohl das feindliche Gegenüber der Pennina als auch das Verhalten Elkanas in die Gestaltung Hiobs, von seinen Freunden und seiner Frau eingeflossen sind. In 1 Sam 1 ist das Gegenüber von Elkanas Worten und seiner Bevorzugung Hannas auf der einen Seite und Hannas Handeln in ihrem eigenen Gebet auf der anderen Seite auffällig.219 Es fällt auch deswegen so sehr ins Auge, weil von Elkana in 1,3 ausdrücklich erwähnt worden war, dass er alljährlich nach Schilo hinaufzieht, um „anzubeten und zu opfern“ (    ). Auch wenn dieser Kontrast vielleicht nicht die zentrale Intention von 1 Sam 1 ist, so dürfte die Frage, warum Elkana nicht vor der Gottheit für Hanna eingetreten ist, im Assoziationshorizont des antiken Lesers gestanden haben. Aus der Perspektive dieser Überlegungen ist es naheliegend, dass Hannas Beten auch formal und inhaltlich nicht ohne Einfluss auf die Formulierung der Hiobrahmenerzählung gewesen ist. In 1 Sam 1,10f wird auf zwei Sprechakte verwiesen. Während in V. 11 der Inhalt von Hannas Gelübde wortwörtlich wiedergegeben wird,220 verweist V. 10            auf ein Gebet, das uns wörtlich mitgeteilt 217 Man kann allenfalls 2 Kön 19f (Jes 37f) und den anders gearteten Text 1 Kön 8 (2 Chr 6) nennen. 218 So wird innerhalb von 1 Sam 1f sieben Mal das Verbum  verwendet. Hinzu treten synonym verwendete und verwandte Begriffe (   ,  , ,   [Hitpal.]). 219 Seine Rolle ist für Hanna trotz ihrer Bevorzugung nicht hilfreich (vgl. Cartledge, Vows, 187), so dass er am Anfang eine ähnliche Stellung wie die anderen Figuren ihr gegenüber hat und sie als auf sich allein gestellt erscheint.

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wird, das aber durch die Erwähnung ihres Gemütszustandes charakterisiert ist. In Ez 27,31f findet sich eine zu 1 Sam 1,10 ähnliche Charakterisierung (V. 31:  ) für das Klagelied () über Tyrus (V. 32). Doch auch ohne diese Charakterisierung der Gattung  ist in 1 Sam 1,10 und durch die Selbstdeutung von Hannas Gebet in 1,15f deutlich, dass an eine Klage gedacht ist. Dem entspricht auch der völlig andere Charakter des Liedes der Hanna in 1 Sam 2,1–10 nach der Geburt Samuels. Dass Hanna Eli gegenüber das Gelübde (V. 11) nicht mit erwähnt (V. 15f), sondern nur auf ihre Klage verweist, und er daraufhin indirekt zusichert, dass sie das „Erbetene“ erhalten möge, zeigt – auch angesichts der Dominanz des Vokabulars, das im gesamten Kontext auf das Gebet weist –, dass das Gewicht auf ihrem nicht zitierten Gebet liegt.221 Dass dabei an ein Klagegebet gedacht ist, eröffnet eine Beziehung zwischen 1 Sam 1ff und der in der Rahmenerzählung rezipierten Hiobdichtung, wo ja in besonderer Weise die Legitimität der Klage verhandelt wird und dies aus der Sicht des Rahmens als Anrede an Gott (Hi 42,7f) positiv beurteilt wird. Legen diese inhaltlichen Affinitäten eine Rezeption des Betens der Hanna nahe, wäre es verwunderlich, wenn das Lied der Hanna keinen Einfluss auf die Hiobrahmenerzählung ausgeübt hätte. Formal stehen die Aussagen des „Liedes der Hanna“ zumindest der Schlussaussage (Hi 1,21b) bei Hiobs erster Reaktion auf das Leid nahe. Denn Hiob gebraucht ein Element eines Lobpsalmes und das Lied der Hanna stellt insgesamt ein Loblied dar. Aber es gibt auch Entsprechungen zwischen einzelnen Elementen des Liedes und der Rahmenerzählung: 220 Vgl. dazu konkret Cartledge, Vows, 185–193; Tita, Gelübde, 60ff. Zur Form des Gelübdes und der dahinter stehenden Vorstellung vgl. allgemein Kötting/Kaiser, Gelübde, und Cartledge, Vows. Nach Tita, Gelübde, 64.218, handelt es sich um ein „Bittgelübde“, das „im Hinblick auf den Inhalt des Versprechens [...] als Weihegelübde bezeichnet werden“ (ebd., 218) muss. 221 Dass das Gelübde nicht ausgesprochen wird (gegen Stoebe, 1. Samuel, 96) – es wird ja auch von Hanna explizit nicht laut ausgesprochen (!) –, liegt sicher daran, dass eine Frau nicht unabhängig von ihrem Mann ein gültiges Gelübde ablegen konnte. Man muss dazu keine literarische Beziehung zwischen 1 Sam 1 und Num 30 postulieren, wo u.a. die Rolle des Mannes für die Gültigkeit des Gelübdes der Frau geklärt wird, bzw. zu Dtn 23,22–24, wo bereits das laute Aussprechen als Bedingung genannt wird (so auch Rapp, Kompendium, 64), denn eine solche Verfahrensweise dürfte auch in der vorpriesterlichen Zeit üblich gewesen sein. (Gegen Levine, Numbers 21–36, 435, der in 1 Sam 1,23a keinen Zustimmungsakt Elkanas zum Gelübde Hannas sieht.) Anders auch Tita, Gelübde, 66, der in dem Dialog zwischen Hanna und Elkana die Betonung auf dem Aufschub des Gelübdes durch Hanna und die Zustimmung Elkanas dazu mit seinem Wunsch verbunden sieht, dass Jhwh sein Verheißungswort realisieren möge. Diese Interpretation ist problematisch, weil Elkana von Hannas Gelübde erst in dem Dialog 1 Sam 1,22f erfährt. Zur Praxis und zur Rolle der Frau bei Gelübden allgemein vgl. Cartledge, Vows, 12ff.

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1 Sam 2,1: Der Psalm wird eröffnet mit dem Triumph des Beters über seine Feinde:      – „Weit ist mein Mund über meine Feinde (V. 1b¸).“ Hier tut sich eine Verbindung auf zu dem bei der Analyse des Prologs herausgearbeiteten Aspekt der Deutung des Hiobnamens.222 Da Hi 1,21b (    ) wortwörtlich mit Ps 113,2 übereinstimmt und Hi 1,21b wie eine repräsentative Zitation eines längeren Textes wirkt, Ps 113 außerdem literargeschichtlich mit 1 Sam 2,1–10 verwandt ist, könnte Ps 113 zusätzlich verarbeitet sein, oder aber die Auslegung von 1 Sam 2,1–10 im Hiobprolog rezipiert bereits die Literargeschichte von Ps 113.223 1 Sam 2,2f: Neben dem möglichen Bezug zwischen   und dem Hiobnamen in der Überschrift des Liedes der Hanna fällt eine inhaltliche Affinität zwischen dem Hiobprolog und 1 Sam 2,2 ins Auge: In 1 Sam 2,2f (MT und LXX-V) haben wir einige der radikalsten monotheistischen Formulierungen in der Hebräischen Bibel vor uns. Dem entspricht, dass im Hintergrund der Hiobrahmenerzählung ebenfalls ein radikaler, wenn auch kein polemischer Monotheismus steht: Einerseits werden in den Hiobreden Hi 1,21; 2,10a Aussagen über Gott getroffen, die dem Monotheismus DtJes nahe stehen.224 Andererseits wird „sündigen“ im Prolog ausschließlich auf den Gottesfluch, der die Gottesbeziehung beendet, angewendet. Dabei wurde entsprechend der durchgehenden monotheistischen Tendenz nicht auf eine Thematisierung des Ersten Gebotes zurückgegriffen.225 Eine Erklärung dafür könnte die Rezeption von 1 Sam 2 sein. Aufgrund der vielen -Aussagen über Jhwh dürfte für die Hiobrahmenerzählung ein Verweis auf das monolatrische Zeugnis des Ersten Gebotes nicht möglich gewesen sein. Ein weitere Affinität besteht in dem Gegenüber der -Aussagen und der Unvergleichlichkeitsaussage, die in den Himmelsszenen von Jhwh über Hiob gemacht wird. Zwar kommen parallele Formulierungen über Jhwh in 222

Vgl. oben, 224f. Das Lied der Hanna ist in vielen Aussagen mit Ps 113 verwandt und über weite Strecken parallel formuliert (vgl. Dietrich, Samuel, 87), doch fehlen dort einige der Aussagen, die sich mit der Handlung der Hiobrahmengeschichte verbinden lassen. LXX-V zeigt, dass der Wortlaut des Psalms sehr variabel war, so dass man darüber hinaus eine noch komplexere literarische Bezugnahme vermuten könnte. Sollte Ps 113 älter und ursprünglich gegenüber 1 Sam 2,1–10 eigenständig sein, wäre es möglich, dass dem Verfasser von Hi 1f die Nähe der beiden Texte bewusst war. Der gemeinsamen Literargeschichte von Ps 113 und 1 Sam 2,1–10 kann hier nicht weiter nachgegangen werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Die beiden verwandten Texte werden auch in der Rezeption oft in einen Zusammenhang gebracht. Vgl. dazu Grohmann, Psalm 113, 152ff. Zur Intertextualität der beiden Texte insgesamt ebd., 142ff. 224 Vgl. oben, 367ff. 225 Vgl. oben, 322. 223

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vielen Texten vor.226 Wenn allerdings hier in diesem Kapitel, das zusammen mit 1 Sam 1–4 im Hintergrund von Hi 1f steht, eine solche Formulierung zu finden ist, dann liegt es nahe, dass die Formulierung in der Himmelsszene ganz konkret auf den Psalm der Hanna zurückgeht. 1 Sam 2,4f: Die antithetischen Parallelismen in 1 Sam 2,4f können zum Teil auf die Hannageschichte bezogen werden.227 Die Kinderproblematik (1 Sam 2,5b), die auch das verbindende Element zwischen Psalm 113 und der Hannageschichte ist, dürfte aus der Perspektive des Hiobrahmens ebenfalls der Anknüpfungspunkt gewesen sein. Denn der Verlust der Kinder sowie der Bericht von der reichen Nachkommenschaft am Ende des Buches stellt ein zentrales Motiv der Hiobrahmenerzählung dar. 1 Sam 2,6f: Die nachfolgenden Parallelismen 1 Sam 2,6f stehen inhaltlich dem zweiten Teil von Hiobs Reaktion auf das Unheil in Hi 1,21aº» nahe. Hier ist die antithetische Konzeption zugunsten eines Lobes von Jhwhs machtvollem Handeln aufgegeben: Jhwh tötet und macht lebendig (2,6a), er führt in die Scheol und herauf (2,6b),228 er macht arm und reich, erniedrigt und erhöht (2,7). Diese Aussagen könnten Hiobs Anerkenntnis von Jhwhs Handeln       in Hi 1,21aº» zugrundeliegen, und auch der abschließende Lobpreis kommt als Anhaltspunkt dafür in Frage, dass dieser Gedanke dem Lied der Hanna, das letztlich dieses komplementäre Handeln Jhwhs preist, entnommen ist. Doch die Parallelität zwischen der Hioberzählung und diesen Formulierungen geht noch darüber hinaus: Der Hiobrahmen baut die Szenerie des leidenden Frommen in der Weise auf, dass ihm alles genommen wird, er aber am Ende wieder restitutiert wird. Zu verweisen ist darauf, dass der Aussatz im Prolog als Signal dafür dient, dass Hiob sich bereits im Todesbereich befindet. 1 Sam 2,8: Die letzte Überlegung erfährt durch den nachfolgenden Vers (V. 8) eine Bestätigung. An dieser Stelle wird die Rede von der Komplementarität von Unheilswirken und Heilswirken Jhwhs aufgegeben. Es geht jetzt (1 Sam 2,8a) nur noch um das Geschick des Elenden. In einem neuen Parallelismus wird ausgesagt, dass dieser aus dem Staube erhöht und unter die Fürsten der Erde eingesetzt wird. Auch in dieser Konstellation könnte der 226

Vgl. oben, 239f. Vor allem 2,5b. In der LXX-V (nach der Rekonstruktion von Cross/Parry/Saley/ Ulrich, 1–2 Samuel, 38 parallel zu 4Q51) findet sich außerdem             (aus »À»Çİ˼ĤÏüÅÌŊ¼ĤÏÇÄñÅĿÁ¸Ė¼ĤÂĠº¾Ê¼Åì̾»ÀÁ¸ĕÇÍ), was eine zusätzliche Zuspitzung auf das Geschick der Hanna darstellt. 228 Ein Zusammenhang könnte auch zwischen dem Aussatz Hiobs, der ihn in den Bereich des Todes führt, und 1 Sam 2,6 bestehen. 227

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Verfasser einen Anhalt für die Strukturierung der Hiobgeschichte gefunden haben, nach der Hiob zunächst Heil und Unheil von Jhwh akzeptiert, der sich dabei im Staube befindet, er dann aber wieder erhöht wird. Zwar muss man vorsichtig sein, die Szenerie von Hi 1f zu sehr auf den Psalm zu beziehen, und nicht alle Affinitäten zwischen dem Psalm und der Rahmenerzählung müssen bei einer bewussten Rezeption eine Rolle gespielt haben. Doch werden gerade die Bezeichnungen und   für den Armen in der Hiobdichtung oft gebraucht (Hi 5,15f; 20,10.19; 24,4.14; 29,16; 31,16.19), so dass sich der Parallelismus auch als Interpretament für die Verarbeitung der Dichtung angeboten haben könnte. Außerdem zeigen sich Berührungen aufgrund eines gemeinsamen Wortfeldes: Hiob befindet sich in der Asche  (Hi 2,8b), und in 1 Sam 2,8a¸ ist vom Staub ( ) die Rede, wobei sich in der lautlichen Ähnlichkeit der beiden Worte ein bewusstes Wortspiel andeuten könnte,229 das letztlich im letzten Vers der rezipierten Hiobdichtung vorlag (Hi 42,6). Sodann finden wir im zweiten Stichos (1 Sam 2,8a¹) den Parallelismus    . Das Nomen  eröffnet mit der Bedeutung „Aschehaufen“230 als Synonym zu  einen klaren Anknüpfungspunkt zu Hi 2,8b und zu Hiobs Restitution in Hi 42,10a.231 Die Rezeption von 1 Sam 2,8 ist auch ein klarer Hinweis darauf, dass die Interpretation von Hi 2,8b richtig ist, wonach an einen bestimmten Ort abseits des Hauses für den Aufenthalt des aussätzigen Hiob gedacht ist.232 Die Weiterführung der „Restitution des Elenden“ in 1 Sam 2,8aº» könnte in der fortschreitenden Restitution Hiobs (Hi 42,10ff)233 rezipiert worden sein. Er setzt den Elenden unter die Fürsten und lässt sie234 den Thron der Ehre erben. Die Begründung (1 Sam 2,8b) zu der in 1 Sam 2,8a ausgedrückten Restitution, die vielleicht dem Hiobrahmen zugrundeliegt, hat im Rahmen des Hiobbuches keinen direkten Anhaltspunkt. Doch kommt in den Aussagen Hiobs Hi 1,21; 2,10a indirekt das Schöpfungshandeln Jhwhs in den Blick. Außerdem zeigt die Anknüpfung des Rahmens (Hi 42,7) an die Gottesreden, dass der Begründungszusammenhang der Restitution des Elenden in 1 Sam 2,8b der Rahmenerzählung nahe steht. Letzteres erbringt eine interessante Erklärung des „Hiobproblems“ aus der Sicht des Rahmens: Weil Jhwh im Sinne von Hi 38ff der Schöpfergott ist, der über Gutem und Bö229

Da dem Hiobrahmen wahrscheinlich auch Hiobs Schlussrede Hi 42,1–6 vorgelegen hat, dürfte hier eine Querbeziehung zu dem Satz       intendiert sein. 230 Vgl. Gesenius18, 110. 231 Die Wendung in 42,10a ist Hinweis auf den Beginn der Restitution Hiobs mit dessen körperlicher Wiederherstellung anzusehen. 232 Vgl. oben, 266, und Anm. 199. 233 Vgl. oben, 308ff. 234 Das Suff. 3. Pl. mask. bei   bezieht sich auf und   zurück.

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sem steht, kann er den Elenden nicht nur in sein Recht einsetzen, sondern ihn wieder in besonderer Weise emporheben.235 1 Sam 2,9f: Während sich die Verse 1 Sam 2,9f in MT von der Thematik des Hiobbuches zu entfernen scheinen, verhält es sich in der LXX-V anders. Hier fehlt zunächst der schöpfungstheologische Abschluss von 1 Sam 2,8b (MT) und auch zu 2,9a bietet LXX-V einen anderen Text, wobei dann in 2,9b wieder der Text von MT folgt. V. 10 bietet einen von Jer 9,22f her ergänzten Text, der das schöpfungstheologische Moment an späterer Stelle enthält. Da an dieser Stelle einige Affinitäten zur Hiobrahmenerzählung wieder in der LXX-V begegnen, wird sie im Folgenden in einer eigenen Rekonstruktion wiedergegeben. Am Anfang steht der griechische Text mit textkritischen Erläuterungen. Es folgt seine Übersetzung und daran anschließend eine Rekonstruktion seiner hebräischen Vorlage.236 Die LXX bezeugt gegenüber MT einen Langtext des Psalms, was – wie sein stärkerer Bezug auf die Hanna-Geschichte in der LXX-V gegenüber MT – zumindest für 1 Sam 2,1–10 dafür spricht, dass LXX-V eine literarische Fortschreibung von MT ist. я»À»Çİ˼ĤÏüÅÌŊ¼ĤÏÇÄñÅĿÁ¸Ė¼ĤÂĠº¾Ê¼Åì̾»ÀÁ¸ĕÇÍжĞÌÀÇĤÁëÅĊÊÏįÀ»ÍŸÌġËÒÅûÉբ Er gibt (das) Erbetene237 dem Betenden und er segnet die Jahre des Gerechten, denn nicht in Stärke ist ein Mann kräftig.      bc           ( ) a

Hier setzt sich eine Auslassung der LXX gegenüber MT aus V. 8 fort. Vermutet wird hier ein Homoioarkton (ein Schreiber wäre von    (V. 8b) zu   (V. 9b) abgeirrt). Doch bezeugt die LXX im Folgenden auch ein Plus gegenüber MT, das man als eine transformierende Wiedergabe von V. 9a (MT) (+  ) verstehen kann. b-b Für die Rekonstruktion des Passus gibt es kaum eine Alternative. Die Figura etymologica mit ¼ĤÏûund ¼ĥÏԉĸÀ steht in der Regel für    . Einerseits öffnet sich damit eine Beziehung zum Kontext von 1 Sam 1. Es ist wahrscheinlich, dass die LXX 1 Sam 1,11 und 2,9 konkordant übersetzt hat. Andererseits wird der Wortlaut größtenteils durch 4Q51 bestätigt, auch wenn die Abweichungen ansonsten relativ groß sind und eigener Diskussion bedürfen. c Die Determination bei ÌŊ¼ĤÏÇÄñÅĿ im ersten Stichos kann aufgrund des griechischen Stils vorgenommen worden sein. Die indeterminierte Wiedergabe des zweiten 235 Eine inhaltliche Nähe, wie sie zwischen den Aussagen in Hi 38,6 und 1 Sam 2,8 besteht, könnte zu einer derartigen Verarbeitung von 1 Sam 2 im Rahmen angeregt haben. Die lexematische Differenz zwischen Hi 38,6 und 1 Sam 2,8 zeigt andererseits, dass die Rezeption des Liedes der Hanna ausschließlich im Rahmen vollzogen wird, die Dichtung also als abgeschlossener Text vorgelegen haben muss. 236 Die Abweichungen in der LXX werden dort durch Unterstreichung markiert. 237 Siehe Lidell/Scott, Lexicon, 739.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung Stichos spricht dafür, dass der Vers in der Vorlage aufgrund des poetischen Stils indetermiert formuliert war.

чцÁįÉÀÇËÒÊŘ¼ÅýÈÇÀûʼÀÒÅÌĕ»ÀÁÇŸĤÌÇıբÁįÉÀÇË׺ÀÇËեÄüÁ¸ÍÏÚÊŘÑĝŞÉĠÅÀÄÇËëÅÌĉ ŞÉÇÅûʼÀ¸ĤÌÇıբÁ¸ĖÄüÁ¸ÍÏÚÊŘÑĝ»ÍŸÌġËëÅÌĉ»ÍÅÚļÀ¸ĤÌÇıբÁ¸ĖÄüÁ¸ÍÏÚÊŘÑĝ ÈÂÇįÊÀÇË  ëÅ  ÌŊ  ÈÂÇįÌĿ  ¸ĤÌÇıբ  ÒÂÂЏ  õ  ëÅ  ÌÇįÌĿ  Á¸ÍÏÚÊŘÑ  ĝ  Á¸ÍÏļļÅÇËբ  ÊÍÅĕ¼ÀÅ  Á¸Ė ºÀÅļÊÁ¼ÀÅÌġÅÁįÉÀÇÅÁ¸ĖÈÇÀ¼ėÅÁÉĕĸÁ¸Ė»ÀÁ¸ÀÇÊįžÅëÅÄñÊĿÌý˺ýËեÁįÉÀÇËÒÅñ¹¾¼ĊË ÇĤɸÅÇİËÁ¸Ėë¹ÉĠÅ̾ʼÅբ¸ĤÌġËÁÉÀżėÓÁɸºýËÁ¸Ė»ĕ»ÑÊÀÅĊÊÏİÅÌÇė˹¸ÊÀ¼ıÊÀÅ÷ÄľÅÁ¸Ė ĨÐļʼÀÁñɸËÏÉÀÊÌÇı¸ĤÌÇıե Der Herr wird seinen Widersacher schwach machen, der Herr ist heilig. Nicht rühme sich der Weise seiner Weisheit, und nicht rühme sich der Starke seiner Stärke, und nicht rühme sich der Reiche seines Reichtums, sondern darin rühme sich, wer sich rühmt, zu wissen und den Herrn zu kennen und zu tun Recht und Gerechtigkeit in der Mitte des Landes. Der Herr ist hinaufgegangen in die Himmel und hat gedonnert. Er selbst wird richten die Enden der Erde, und er wird unseren Königen Macht geben und wird erhöhen das Haupt seines Gesalbten.                                                                 a

b-b

c-c

d,e

f-f

g

Es ist wahrscheinlich, dass wie in 2,4 auch hier die Wurzel von  zugrundegelegen hat. Die Verbindung ÒÊŘ¼ÅýÈÇÀûʼÀ spricht allerdings für eine Hifil-Form. Damit unterscheidet sich die Vorlage von LXX an dieser Stelle wenig von MT. Wenn man davon ausgeht, dass die fehlende Determination auch auf eine fehlende Determination im Hebräischen hinweist, lässt sich die Phrase kaum anders übersetzen als hier vorgeschlagen. Eine vergleichbare Formulierung (mit Determination) liegt in Num 16,7 (     ) vor. Es handelt sich um einen Paralleltext zu Jer 9,22f mit dem Hauptunterschied, dass jene Stelle Gottesrede ist und hier von Jhwh in der dritten Person geredet wird. Die abweichende Wortwahl bei den Nomina im Griechischen spricht dafür, dass wir hier ebenfalls eine abweichende hebräische Vorlage vorauszusetzen haben und die Einfügung nicht erst im Rahmen der griechischen Textgeschichte erfolgt ist. In der LXX steht ÊÍÅĕ¾ÄÀ mitunter auch für . In Frage kommt aber vor allem  (Hif.) (siehe Dtn 29,8; 32,29; Jos 1,7.8 u.ö.). In Jer 9,23 stehen zwei Inf. abs. (   ) nebeneinander. Ich schließe mich bei der Wahl der Formen Jer 9,23 an, wo ein Inf. abs. vorliegt. Der Übergang von dem ausführlicheren Text zu den auch in MT bezeugten Formulierungen beginnt mit ÁįÉÀÇË, das auf den Gottesnamen schließen lässt. Danach bezeugt LXX (gegen MT) eine sing. Verbform. Am ehesten spricht der Aorist hier für hebr. Perfekt. Da der Satz mit dem Subjekt   einsetzt, ist kein zusammengesetztes Tempus möglich. Daher dürfte ÒÅñ¹¾ auf  (Perf, 3. Sg. mask.) zurückgehen. Das Problem von MT (Ketiv: , Qere:  ) könnte auf eine Verlesung dieses  zurückgehen. Immerhin sind sich he und waw in der althebräischen Schrift sehr ähnlich, auch könnte die Qere-Lesart mit  , für die es aber viele Hss-Bezeugungen gibt, durch eine Verlesung des he zu jod-waw zustande gekommen sein. Das selbstständige Personalpronomen, das hier im Griechischen vorangestellt ist, spricht für  . Die nachfolgende Verbform muss wiederum „einfach“ (also Imperfekt oder Perfekt) sein. Nach MT handelt es sich um Imperfekt.

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch h i

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Gegen MT scheint LXX die Determination von  in ihrer Vorlage zu bestätigen. Aufgrund des Parallelismus zu  im nachfolgenden Satz dürfte in der Vorlage der LXX eher   und nicht  , also ebenfalls der Singular gestanden haben, wie dies auch in DJD 17 rekonstruiert wird. 238 Es handelt sich möglicherweise um einen Lesefehler der LXX.

In der LXX-V folgt auf den Passus mit der Erhebung des Elenden auf den Thron der Ehre in 1 Sam 2,9 die Formulierung             – „Er erfüllt das Gelübde dem Gelobenden und er segnet das Jahr des Gerechten.“ Der Passus steht in direkter Beziehung zu Hannas Geschick. M.E. ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Psalm in der LXX-V eine Literargeschichte im Zusammenhang von 1 Sam 1–3 erfahren hat. Offenbar hat man den Psalm im Wortlaut stärker an seinen literarischen Kontext angepasst. Für die Rezeption ist der gesamte Parallelismus interessant, denn hier ist nach der Erhebung der Elenden aus der Asche nun davon die Rede, dass deren Bitten von Gott eingelöst werden, woran sich signifikanterweise die Rede von der Segnung der Jahre anschließt. Dies erinnert an den Zusammenhang der Gebetserhörung Hiobs und seiner anschließenden Restitution, die in ein langes gesegnetes Leben mündet, auch wenn hier nicht die Wurzel  gebraucht ist. Letzteres ist angesichts der engen inhaltlichen Berührungen als deutlicher Hinweis auf die Richtung der literarischen Abhängigkeit zu werten. Der nachfolgende Begründungssatz      dient im Kontext der LXX-V dem Anschluss des nachfolgenden Passus und dürfte assoziativ zur Einfügung des Passus aus Jer 9,22f beigetragen haben. Dieser enthält den Gedanken, dass ‚niemand durch Kraft stark ist‘, was auf die Weisheit und den Reichtum ausgedehnt und dadurch universalisiert wird. Zunächst freilich kehrt die LXX-V mit      „Jhwh wird seinen Widersacher schwächen“ zu einer MT ähnlichen Formulierung zurück. Im Kontext des Hiobbuches könnte man nun überlegen, ob der Verfasser des Hiobrahmens, wenn ihm  vorlag, darin einen Hinweis auf den Satan gefunden hat, doch würde diese Interpretation, die die thematische Abfolge verlassen muss und über den Rahmen hinausführt, das Maß der sinnvollen Interpretation sprengen, da vom Satan im Epilog nicht weiter die Rede ist.239 Die danach folgende Wendung zum Thema des Sich-Rühmens, das in V. 10 abgewiesen wird, ist im Prosarahmen des Hiobbuches nicht mehr angelegt. Doch steht das ganze Hiobbuch als weisheitlich geprägte Schrift im Horizont dieser Formulierung, deren Charakter auch im Kontext von Jer 238

Vgl. Cross/Parry/Saley/Ulrich, 1–2 Samuel, 37. Man könnte theoretisch auf die Versuche der älteren Forschung verweisen, einen Epilog zu eruieren, der den Satan enthält, doch dies wäre in noch höherem Maße spekulativ. 239

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

9,22f deutlich erkennbar ist,240 und auch das Lied der Weisheit in Hi 28 weist inhaltliche Affinitäten zu diesem Passus auf. Dass der Weise, der Starke und der Reiche sich rühmen sollen, Jhwh zu kennen und Recht und Gerechtigkeit im Lande zu üben, mündet nunmehr in ein Lob Jhwhs, was wieder dem, freilich an dieser Stelle als korrumpiert241 einzuschätzenden Text von MT entspricht. Die drei Sätze             („Jhwh ist hinaufgegangen in den Himmel; dort donnerte er. Er wird die Enden der Erde richten“) bilden dabei einen inhaltlichen Zusammenhang, der das Gegenüber Jhwhs zur Erde, seine „Vernehmbarkeit“ im Donner und seine Machtausübung ausdrückt. An dieser Stelle kann man überlegen, ob der Schluss des Psalms von der Rahmenerzählung des Hiobbuches möglicherweise auf den Schluss der Hiobdichtung bezogen wurde. Anfang und Ende des Psalms hätten dann eine besondere Rolle gespielt. Der abschließende Passus in der LXX-V unterscheidet sich inhaltlich nicht mehr von MT.242 Die Formulierung        „er wird Macht geben unserem König und erheben die Stärke243 seines Gesalbten“ zeigt, dass der Psalm einen König im Blick hat. Neben der Zeile mit der Wendung der Kinderlosigkeit (2,5) dürfte hierin der eigentliche Anknüpfungspunkt für die Einbindung des Psalms am Anfang der Samuelisbücher gelegen haben. So wurde die Formulierung der Machtzueignung an den König in Blick auf den bereits in 1 Sam 1 angespielten Saul und womöglich über diesen hinweg auf David bezogen. Es ist die Frage, wie man gerade die Fülle der Anspielungen und Anknüpfungen an 1 Sam 2,1–10 durch die Hiobrahmenerzählung inhaltlich zu verstehen hat. Da der Anfang mit   eine individuelle Rezeption möglich macht und auch der Schluss auf die Einzelgestalt des Königs bezogen ist, ist zu überlegen, ob der Verfasser des Hiobrahmens das Lied der Hanna (1 Sam 2,1–10, vielleicht eingedenk der Nähe zu Ps 113 [!]) als den Psalm Hiobs aufgefasst hat. Bei der weiteren Auslegung, die die nachgewiesene Rezeption von 1 Sam 1–4 im Horizont der Polemik gegen den Deuteronomismus zu reflektieren hat, wird sich ein weiterer Aspekt einer möglichen Rezeption von 1 Sam 2,10 zeigen.

240 Darauf, dass der Weisheitsspruch wie ein Fremdkörper in Jer 9,22f wirkt, hat zuletzt Schreiner, Jeremia 1–25,14, 72f, hingewiesen. 241 Dass die LXX-V (und mit ihr 4Q51) demgegenüber sekundär formuliert sind, spielt für diese Überlegung keine Rolle. Es ist überhaupt leicht verständlich, dass bei einer literarischen Bearbeitung ein korrumpiert überlieferter Text ausgeglichen wurde. 242 Der Pl. ÌÇė˹¸ÊÀ¼ıÊÀÅ dürfte auf einer Fehlinterpretation der LXX beruhen. Siehe dazu oben, 417. 243  muss im Parallismus als synonym zu  aufgefasst werden.

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch

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Damit hat der Vergleich mit dem Lied der Hanna eine Fülle von Affinitäten zum Hiobrahmen ergeben, die interessanterweise wiederum stärker zur Vorlage der LXX führen und die formalen Anhaltspunkte für die Verarbeitung der LXX-V bei der direkten literarischen Verarbeitung von Inhalten aus 1 Sam 1–4 unterstreichen. Zum Teil findet sich im Lied der Hanna die gleiche inhaltliche Abfolge, so dass die Verarbeitung des Psalms bei der Abfassung der Hiobrahmengeschichte vermutlich versweise geschehen ist. Andere Affinitäten wie der signifikante Anfang      (LXX-V) und der Schluss mit dem Verweis auf die eigentliche Ausrichtung der Weisheit einerseits und dem Donnern Jhwhs im Himmel andererseits zeigen die Assoziationsflächen zum Geschick Hiobs und zu den Gottesreden auf, die der Psalm für die literarische Verarbeitung mit dem Hiobstoff geboten hat. Der Psalm wurde damit durch seine Verarbeitung in der Hiobrahmenerzählung mit der ebenfalls literarisch vorliegenden Hiobdichtung verbunden und bot offenbar entscheidende Anregungen (Hiobs Sitzen in der Asche, die Effektivität seines Gebets etc.) für die Gestaltung der Rahmenerzählung. An dieser Stelle ist noch einmal zu betonen, dass sich der Psalm der Hanna mit der Hioberzählung deswegen evident verbinden lässt, weil aus den Rezeptionen des Prosatextes eine Verarbeitung von 1 Sam 1–4 eindeutig hervorgeht. Der Rückgriff auf einen Psalm durch einen Erzähltext liefert keine „Kopie“. Mehr als punktuelle inhaltliche Entsprechungen sind nicht zu erwarten;244 doch bieten die Parallelität der thematischen Abfolge und die Anknüpfungen an die Wortfelder des Psalms (z.T. auch Anspielungen auf die Wortwahl) ausreichende Plausibilität für die literarische Verarbeitung. e) Die Skepsis des Hiobrahmens die Effektivität der Opfer betreffend Dass Hanna ihr Gebet und ihr Gelübde im Tempel artikuliert, entspricht einer antiken Konvention, wobei die Gebetsrichtung im Judentum bis heute eine Verbindung von Tempel und Gebet bezeugt, denn „der Bereich des Kultes [ist] im engeren Sinne gewissermaßen der Brennpunkt, zu dem hin sich alle übrigen Lebensäußerungen orientieren. Dies drückt sich zeichenhaft auch darin aus, daß in der jüngeren Periode, vor allem in der jüdischen Diaspora, alle Gebete zum Ort des Tempels, nach Jerusalem hin, gesprochen wurden.“245 In dieser Tradition, die letztlich zu späten Aussagen wie z.B. in Tritojesaja hinführt, wo vom Tempel als einem „Gebetshaus für die Völker“ die Rede ist (Jes 56,7), steht auch 1 Sam 1f. Angesichts der literari244 Als Beispiele einer ähnlichen Anknüpfung eines Erzähltextes an einen poetischen Text kann man Ps 22 und die Passionsgeschichte, sowie den Jonapsalm und die Jonaerzählung nennen. Diese Anregung stammt von R. Lux (mündlich). 245 Reventlow, Gebet, 301.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

schen Verarbeitung von 1 Sam 1–4 im Hiobrahmen liegt auch eine Beziehung zu den Vorstellungen vom Kult in 1 Sam nahe. In der Tat zeigt die zweifache Erwähnung von Opfern (im Prolog und im Epilog), dass eine Beziehung an diesem Punkt anzunehmen ist. In 1 Sam 1f wird das Gebet und die Ablegung des Gelübdes durch Hanna im Zusammenhang der Wallfahrt am Heiligtum vollzogen. Auffällig ist, dass aber gerade kein direkter Bezug des Gebetes zur Wallfahrt und zur zugehörigen Familienfeier besteht und Hanna sich stattdessen von dem Festmahl der Familie in den Bereich des Tempels zurückzieht. Aber mit dem Kult wird ihr Gebet nicht in Verbindung gebracht. Vielmehr findet es nur in der Nähe des Kultes bzw. am Ort des Kultes statt. Dies entspricht in 1 Sam 1 der Intention des Textes, deren Schwerpunkt auf Hannas erfolgreichem Gebet einerseits und dann auf Hannas Dankgebet (1 Sam 2,1–10) andererseits liegt. Dass das Gebet in seiner Wirkung vom Kult unabhängig ist, kann man auch daran erkennen, dass in 1 Sam 1–3 massive Kritik an der Praxis des Kultvollzuges durch die Elisöhne erfolgt (siehe 1 Sam 2,13–17.29). Die Kritik gipfelt in der Unwirksamkeit der Opfer für die Sühnung der Schuld des Hauses Eli (1 Sam 3,14:               ). Das effektive Gebet Hannas konterkariert die fehlende Effektivität des Kultes, obwohl im Hintergrund von 1 Sam 3,14 durchaus das Ideal einer sühnenden Wirkung der Opfer steht. Beim Blick auf die Rahmenerzählung des Hiobbuches ergibt sich in Bezug auf die Opfer folgendes Bild: In der Exposition des Prologs wird Hiob als Opferherr eingeführt, der ein stellvertretendes Opfer für seine Kinder vollzieht. Dieses wird, wie die Begründung Hi 1,5aº zeigt, mit der Absicht, ein eventuelles Vergehen der Kinder zu sühnen, vollzogen. Im Epilog Hi 42,7ff werden dann Opfer und Gebet einander zugeordnet, freilich in der Weise, dass die Freunde bei Hiob ein Opfer darbringen und dieser für die Freunde Fürbitte leistet. Damit wird zwar eine Nähe von Opfer und Fürbitte hergestellt, durch die personale Trennung jedoch und die Erwähnung der Effektivität des Gebetes, stellt das Opfer aber nur einen Nebenaspekt dar. Blickt man von hier zurück auf den Prolog, fällt auf, dass dort von einer Fürbitte keine Rede ist246 und der Tod der Kinder nachträglich die Ineffektivität der Opfer erweist, wobei auf einen Zusammenhang zu einer möglichen Schuld nur angespielt ist. Angesichts des Zusammenhangs zu 1 Sam 1–4 wird die eigentümliche Rolle der Opfer im Hiobrahmen verständlich. Bei Hiob werden im Epilog 246

Hiobs Heiligen (  ) steht der fehlenden Unterweisung Elis (1 Sam 3,13bº) und seinem Versuch, die Söhne zu überzeugen (1 Sam 2,23–25), gegenüber. Siehe dazu oben, 407.

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Opfer dargebracht. Er ist also quasi Ort des Kultes (dies entspricht dem Milieu der Erzelternerzählungen, in denen für die Opfer kein bestimmtes Personal vorgesehen ist); er selbst steht dem Tempel als Ort des Opfers in 1 Sam 1ff gegenüber. Ein direkter Zusammenhang von Kult/Opfer und effektivem Gebet wird dabei nicht hergestellt. Es konnte dazu in der Textanalyse festgestellt werden, dass ein solcher Zusammenhang deswegen nicht zu erwarten ist, weil das gesamte Gewicht auf Hiobs Fürbitte liegt. Das bedeutet, dass die Opfer daneben keine unmittelbare Funktion haben. Analog dazu verfehlen die in der Exposition erwähnten stellvertretenden Brandopfer Hiobs für seine Kinder letztlich ihre erhoffte Wirkung. Man könnte die Opferthematik im Hiobbuch daher folgendermaßen zusammenfassen: Die Opfer sind zwar ein Kennzeichen der Gottesbeziehung, sie suchen im Prolog deren Intaktheit zu sichern, doch erfüllen sie nicht die erhoffte Funktion. Auch zur Wiederherstellung der Gottesbeziehung wird ihnen im Epilog keine eigenständige Wirkung zugeschrieben. Der Zusammenhang zwischen Hiob und 1 Sam 1–4 an diesem Punkt noch ist enger: In 1 Sam 3,14 wird den Opfern in Bezug auf die Verfehlung der Eliden ihre sühnende Wirkung ausdrücklich abgesprochen. Die Sünde Elis und der Eliden wird in 3,14 mit        247 beschrieben. Dies deckt sich terminologisch mit dem im Hiobprolog dominanten   , das ausdrücklich im Munde Hiobs auf dessen Kinder Bezug nimmt:         . Angesichts dieser Sachlage dürfte das negative Votum in der Gottesrede in 1 Sam 3,14 über die Unwirksamkeit der Opfer in die Abfassung des Hiobrahmens eingeflossen sein. Des Weiteren muss auf eine Differenz in der Terminologie eingegangen werden. Während in 1 Sam 2,29; 3,14 von  und   (Schlacht- und Speiseopfern248) die Rede ist, findet sich im Hiobrahmen ausschließlich das Brandopfer. Für den Zusammenhang der Samuelgeschichte ist die Erwähnung jener zwei Opferarten eindeutig auf den Kontext bezogen; denn es handelt sich um jene Opfer, an denen sich die Eliden „versündigt“ hatten. Dass demgegenüber im Hiobbuch von Brandopfern die Rede ist, kann mit der auch bei der Verarbeitung der Dichtung anzutreffenden Tendenz zur Zuspitzung zusammenhängen, was in Bezug auf die Eliden personal und auf bestimmte Opfer hin ausgedrückt wird.

247 248

Zum Text und zur Textrekonstruktion vgl. oben. 244. Vgl. Gesenius18, 697.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Obwohl das Opfer der Freunde als Brandopfer hervorgehoben wird,249 wird diesem ebensowenig wie dem Opfer Hiobs in Hi 1,4f eine konkrete sühnende Wirkung zugeschrieben. Diese Tendenz überrascht nicht, da man in der Weisheit Opfern traditionell eher reserviert gegenüberstand.250 In beiden Texten wird die Effektivität des Opfers gegenüber dem Gebet indirekt relativiert, wobei dies im Hiobbuch in Hi 42,7ff in einem Gesamtkonzept erscheint, während in 1 Sam 1–3 das effektive Gebet Hannas und die Uneffektivität der Opfer unverbunden nebeneinanderstehen. Auch anhand dieser Überlegung bestätigt sich die Richtung der literarischen Abhängigkeit der Hiobrahmenerzählung von 1 Sam 1–4. f) Die sog. Hiobsbotschaften und das Ende der Eliden (Hi 1,13–21 und 1 Sam 4,12–18) Wie oben in der Literarkritik zur Hiobrahmenerzählung dargestellt, wird der unterschiedlichen Charakter von Hi 1 und 2 oft als literarkritisches Kriterium angesehen.251 In der Tat besteht zwischen den beiden Kapiteln, die durch die Himmelsszenen weitgehend parallel eröffnet werden, der entscheidende Unterschied darin, dass Hiob in Hi 1,13ff ein vierfaches Unheil trifft, während er in Hi 2,7 direkt vom Satan mit nur einem Leid, dem Aussatz, geschlagen wird. In der Textanalyse konnte festgestellt werden, dass dieser Unterschied mit der Konzeption des Textes zusammenhängt. Das Schlagen mit dem Aussatz (2,7) eröffnet dem Leser die literarische Querbeziehung nach Dtn 28, während das Leid in 1,13ff durch die Stereotypie der Szenerie in einem Ereignis zusammenfällt, das Hiob um alle Aspekte seines Segens bringt, die ihm zuvor in der Exposition zugeordnet werden. Interessanterweise gibt es nun eine Parallelität im Bericht vom Tode der Söhne Hiobs und der Söhne Elis. Die beiden Texte verbindet, dass jeweils ein Entronnener (in Hi 1,13ff sukzessive mit  , in 1 Sam 4,17 mit  bezeichnet) dem Vater das Unheil überbringt.252 Sodann verbindet die Texte, 249 Zumindest wird beim Brandopfer vom Rind (Lev 1,3–9) der Sühneaspekt in besonderer Weise hervorgehoben (Lev 1,4b –    ). Vgl. Sedlmeier, Opfer, LThK 7, 1064. Grundsätzlich kommt dem Blut die sühnende Funktion zu, weswegen auch andere Opfer damit in Verbindung gebracht werden. Vgl. Maass, , THAT I, 850; Marx, Opfer, RGG4 6, 574. Es ist die Rede vom Brandopfer, das der Gottheit vollständig übereignet wurde. Es begegnet in den Opferlisten immer an erster Stelle, was seine besondere Bedeutung dokumentiert. Vgl. Marx, Opfer, RGG4 6, 573. Vielleicht wird es aufgrund seiner Charakteristik eines vollständigen Opfers nachexilisch in besonderer Weise mit der Sühne verbunden. 250 Vgl. Ernst, Kultkritik, 199ff. 251 Vgl. oben, 328ff. 252 In dem Zusammenhang haben MT und LXX-V einen mit wenigen Ausnahmen identischen Text. Zu der Dittographie von V. 14 in V. 16 in der LXX-V siehe im Folgenden.

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dass es sich um eine Folge von vier Nachrichten mit Unheil handelt, wobei der Tod der Söhne jeweils nur einen Aspekt darstellt. In Hi 1 bildet dieser den Höhepunkt der Unheilsnachrichten, während in 1 Sam 4 an letzter Stelle die Nachricht vom Verlust der Lade steht. Dort wird Eli von der Flucht des Volkes (I), der Niederlage in der Schlacht (253) (II), dem Tod seiner Söhne (III) und vom Verlust der Lade (IV) berichtet (1 Sam 4,16f). In Hi 1,13ff handelt es sich um den Verlust der Rinder und Esel (1,14f [I]), um die Vernichtung der Schafherden (1,16 [II]), um den Raub der Karawanen (1,17 [III]) und um den Tod der Kinder Hiobs (1,18f [IV]). Angesichts dieser Parallelität wird ersichtlich, wieso der Verlust des Besitzes in drei Hiobsbotschaften mitgeteilt wird. Dass der Bote in Hi 1,13ff jeweils mit   bezeichnet wird, dürfte mit dem Problem zusammenhängen, das auch die Übersetzung der LXX auszugleichen sucht, dass nämlich  in der Regel für die Überbringung positiver Nachrichten gebraucht wird.254 Die Klammerung mit dem Gelage der Kinder und das vierfache Auftreten der Boten in Hiob stellt demgegenüber eine Abwandlung bzw. Zuspitzung der Szenerie auf die Intention der Hiobrahmenerzählung dar. Einerseits soll darauf hingewiesen werden, dass die mögliche Schuld seiner Söhne Unheil für Hiob bewirkt, andererseits trifft es ihn aus unterschiedlichen ‚Richtungen‘ trifft. Das Nacheinander der Boten dürfte außerdem (bei Rückgriff der Rahmenerzählung des Hiobbuches auf die LXX-V von 1 Sam 4) durch das Nebeneinander von 1 Sam 4,14.16 angeregt sein. LXX-V255

MT       14                    15    

                     

16

                                                              

Weiterhin dürfte die LXX in V. 17 mit ÌġȸÀ»ÚÉÀÇÅ nicht auf   (gegen Shelly,    , 48) zurückgehen, sondern wie MT auf . Die LXX übersetzt das Wort zwar sonst immer mit ¼İ¸ºº¼ÂÀ½ĠļÅÇË, was der Kontext wohl unmöglich gemacht hat. Die Veränderung geht also wohl auf die Übersetzung zurück. 253 Siehe Gesenius18, 629. 254 Siehe Gesenius18, 183. 255 Die Rekonstruktion folgt Shelly,    , 48.

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           1       2    3

      4

In der vielleicht aufgrund einer bereits wieder literarisch überarbeiteten Dittographie entstandenen Lesart der LXX-V führt das zweimalige      , das durch die Altersangabe Elis unterbrochen ist, dazu, dass der Leser unter Umständen das Kommen zweier Boten annehmen könnte. Außerdem kann man drei Redeeinleitungen finden (unterstrichen), so dass die eigentümliche Struktur, aufgrund der P.K. McCarter annimmt, dass V. 15 literarisch sekundär ist,256 das signifikante dreimalige       in Hi 1,16.17.18 und überhaupt die schnelle Aufeinanderfolge der Szenen in Hi 1 angeregt haben. Des Weiteren sind sich Hi 1 und 1 Sam 4 in der ganzen Szenerie inhaltlich parallel. Eli und Hiob stehen den Unheilsboten gegenüber, wobei Hiob allerdings gerade nicht stirbt. Das Überleben Hiobs ist im Gegenüber zur verarbeiteten Textvorlage das Aussageziel von Hi 1, doch spielt Elis Tod auch im Fortgang der Handlung des Hiobprologs eine entscheidende Rolle. Denn Hiob wird dort durch die Krankheit des Aussatzes in den Bereich des Todes geführt. Er wird von seiner Frau aufgefordert, den Gottesfluch auszusprechen um zu sterben und wird von den ankommenden Freunden behandelt, als sei er bereits tot. Doch der Tod ist nicht nur in Kap. 2, sondern auch in Kap. 1 präsent. Dies unterstreichen die Selbstminderungsriten (Hi 1,20) des trauernden Hiob und die Formulierungen in Hiobs verbaler Reaktion (Hi 1,21). In Hi 1,21a¸¹, wo das in den nachfolgenden Sätzen 1,21aº» thematisierte Geben und Nehmen im Zusammenhang der Nichtexistenz vor der Geburt und nach dem Tode thematisiert wird, zeigt sich, dass Hiob den Segen wie die eigene Existenz Gott anheimstellt. Hierbei handelt es sich um eine Affinität zur Reaktion Elis auf die Nachricht über das ihn betreffende Todesurteil (1 Sam 3,18b), wie oben bereits festgestellt werden konnte.257 Bei der Aufarbeitung der Bezüge von Hi 1f zum Deuteronomium und zum Deuteronomismus zeigte sich, dass sich im Lichte von Hi 2,7 auch zwischen den vier Hiobsbotschaften und den Flüchen in Dtn 28,15ff eine Verbindung sehen lässt. Diese erhält durch eine Formulierung in 1 Sam 2,30b Unterstützung, wo es als Reaktion Jhwhs auf den Frevel ausdrücklich  „sie werden gering geachtet“ heißt, wobei die Wurzel  gebraucht wird. 256 257

Vgl. McCarter, 1 Samuel I, 111. Vgl. oben, 409.

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch

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Das Gegenüber zwischen Hi 1f und 1 Sam 4 macht noch einmal deutlich, dass bei der Abfassung der Hiobrahmenerzählung aus 1 Sam 1–4 die Thematik des auf den Gottesfluch folgenden Todes der Elisöhne und Elis selbst herausgelesen worden ist, wobei 1 Sam 4 wahrscheinlich die Szenerie der „Hiobsbotschaften“ in Hi 1,13ff und die Thematik von Hi 2 (Hiob im Todesbereich) geprägt hat. Hiob wird als eine Gegenfigur zu Eli stilisiert, der entgegen dem Kalkül des Satans in der Gottesbeziehung verbleibt und daher überlebt. An den Bericht von Elis eigenem Tod konnte sich die Verschärfung der Prüfung Hiobs in Hi 2 anschließen, die nun auf auch Hiobs Leben abzielt (siehe Hi 2,5) und seine körperliche Integrität betrifft (siehe Hi 2,7b). g) Resümee Neben den genannten inhaltlichen Bezügen fanden sich in den Expositionen auch formale Anhaltspunkte, die eine literarische Verarbeitung von 1 Sam 1–4 durch den Hiobrahmen sichern. Dies führte beim Vergleich zur Aufdeckung von weiteren Berührungspunkten. Es fanden sich über Motivkombinationen hinaus auch lexematische und inhaltliche Bezüge zwischen den Reden Hiobs und der Akzeptanz des Todesurteils durch Eli, vor allem aber zwischen dem Gebet der Hanna und der Szenerie der Rahmenerzählung und zwischen einigen Erzählzügen der Rahmenerzählung und einigen Zeilen des Liedes der Hanna, wobei letzterer Bezug vielleicht mit dem Querbezug zu Ps 113 zusammenhängt, hier aber wie überhaupt zwischen einem Erzähltext und einem poetischen Text in einem stärkeren Maße hypothetisch bleiben muss, als dies bei Bezügen zwischen den Erzählzusammenhängen der Fall ist. Es liegen eine ganze Reihe von Hinweisen vor, dass es sich bei der Verarbeitung von 1 Sam 1–4 um den Text der hebräischen Vorlage der LXX oder einen verwandten Text gehandelt haben dürfte. M.E. liegt darin der Hauptgrund, dass die Querbeziehung zwischen 1 Sam 1ff und Hi 1f; 42 bisher nicht aufgefallen ist: Frappierend ist die formale und inhaltliche Parallelität zwischen den Expositionen beider Texte ausgehend von der in der LXX-V identischen Bucheröffnung mit  , die so nur beim Hiobbuch und in 1 Sam 1,1 vorkommt.258 Neben den z.T. an Wörtlichkeit grenzenden Aufnahmen von Formulierungen aus 1 Sam 2,25; 3,13.18 bietet auch die Verarbeitung von 1 Sam 4 in den sog. vier Hiobsbotschaften einen formalen Anhaltspunkt. Auch wenn im Zentrum von 1 Sam 1–4 die Kindheitsgeschichte Samuels steht, der danach große Teile des Geschehens im ersten Samuelbuch be258   findet sich neben 1 Sam 1,1 (MT) auch in Ri 13,2; 17,1; 19,1; 1 Sam 9,1; 2 Sam 21,20; 1 Chr 20,6 am Anfang von Erzählungen.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

stimmt, wird vom Hiobrahmen die hier eingebettete Geschichte der Verwerfung des Hauses Eli, das im dtr Duktus die Reihe der Verwerfungen bis hin zum Untergang Judas einläutet, literarisch verarbeitet. Dabei wird im Lichte der Formulierung 1 Sam 3,13 die kultische Verfehlung, die der Grund für die zweifache Ankündigung der Verwerfung der Eliden mit Ansage des Todes von Hofni und Pinhas durch Gott (1 Sam 3,21) ist, als Fluch gegen Gott aufgefasst. Dieser wird im Hiobprolog als die Sünde, die die Gottesbeziehung beendet, rezipiert. Dabei steht der auf den Fluch folgende Tod (der Elisöhne und Elis selbst) im Hiobprolog im Hintergrund des Zusammenhanges von Fluch und Tod. Hiob und seine Kinder stehen Eli und dessen Söhnen als Kontrastparallele gegenüber. Die demütige Annahme des Todesurteils durch Eli ist dabei wohl in die Charakterisierung Hiobs eingeflossen. Wie bereits festgestellt, verbindet der Zusammenhang „Gottesfluch und Tod“ beide Texte. Auch wenn im Hintergrund der Formulierung    in 1 Sam 3,13 (LXX-V) kultische Vergehen stehen, wurde vom Hiobrahmen ausgehend von der Formulierung die Thematik des Gottesfluches, der dort auch mit  identifiziert wird, verarbeitet. Letztlich ist auch die Zuspitzung des Themas „Sündigen“ auf den Fluch von eben derselben Quelle angeregt. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema der Opfer, die im Hiobrahmen eigentümlich am Rande stehen. Dies erklärt sich einerseits aus der vergleichbaren Rolle der Opfer und des Kultes in 1 Sam 1–4, andererseits von der theoretischen Aussage her, dass Schlacht und Speiseopfer die Schuld des Hauses Eli nicht zu sühnen können (1 Sam 3,14). Verbunden mit dem Thema der Sünde gegen Gott, die in Hiob in Anlehnung an die Formulierung in 1 Sam 3,13 auf das Gott-Fluchen hin ausgelegt wird, lässt sich die rhetorische Frage Elis an seine Kinder (1 Sam 2,25) als eine dem Hiobbuch zugrundegelegte Leitfrage verstehen, wobei wieder die LXX-V vorgelegen haben dürfte.259        „... aber wenn (jemand) gegen Jhwh sündigt, wer wird für ihn beten?“

So ist das Thema der Fürbitte für Personen, die gegen Gott gesündigt haben, dieser rhetorischen Frage entnommen. Für die weitere Diskussion der Intention des Hiobrahmens ist es von entscheidender Bedeutung, dass Hiob sozusagen eine positive Antwort auf die rhetorische Frage Elis darstellt. Denn Hiob ist es, der aufgrund seiner durch das Leiden hindurch aufrechterhaltenen Gottesbeziehung am Ende der Hioberzählung für die Freunde wirksam eintreten kann, die gegen Gott gesündigt haben. Die Tendenz zur 259

Zur Textrekonstruktion siehe oben, 394f.

5. Sünde gegen Gott, Fürbitte und Gottesfluch

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Soteriologie, die oben festgestellt werden konnte,260 erhält durch die literarische Querbeziehung eine deutlichere Kontur. Sie wird dadurch gestützt, dass die Unvergleichlichkeitsaussage über Hiob (1,8b¸; 2,3aº֖ auf das Lob der Unvergleichlichkeit Jhwhs in 1 Sam 2,2 zurückgegriffen haben dürfte.261 Damit hat sich gezeigt, dass 1 Sam 1–4 (LXX-V) in weitem Umfang der Hiobrahmenerzählung als literarische Vorlage gedient hat. Seine Verarbeitung erklärt die Veränderungen in der Szenerie und eine Reihe von inhaltlichen Fragen, die sich bei der Analyse stellten. Verschiedene Aspekte von Einzelfiguren (Elkanas, Hannas, Elis und Samuels) fließen in der Hiobgestalt des Rahmens zusammen (zum Teil kontrastierend) und dienen der Figurierung ihrer Idealität. Dies zeigt eindeutig, dass das Hiobbuch die rezipierende Seite gewesen ist, was auch an der auf den Gottesfluch zugespitzten Rezeption der kultischen Vergehen der Eliden deutlich wird.

6. Die Samuelis-/Königebücher als Hypotext der Rahmenerzählung Drei literarische Bezüge sind für die Hiobrahmenerzählung neben dem Bezug auf die verarbeitete Dichtung bestimmend gewesen. Es handelt sich um die Aufnahme – der Erzelternüberlieferung, die dazu gedient hat, Hiob quasi als Präpatriarch zeitlich vor Abraham zu verorten, – von Bezügen zum Deuteronomium, insbesondere zu Dtn 28, in dem sich die theologische Ausrichtung der Hiobrahmenerzählung als eine Kritik und Weiterentwicklung des überlieferten Deuteronomismus erkennen lässt und – der Rezeption von 1 Sam 1–4 als literarischer Vorlage, die eine Reihe von Motiven geliefert und die inhaltliche Ausrichtung maßgeblich beeinflusst hat. Diese Bezüge zeigen, dass die Hioberzählung stark mit der biblischen Literatur verknüpft ist, und zugleich auch, wie die Intention des Hiobbuches im Zusammenhang dieser Literatur entwickelt wurde. Zitationen und direkte Anspielung dienen dabei offenbar dazu, diese literarischen Bezüge für die Rezipienten offen zu legen. Diese Absicht ist in besonderer Weise bei der Verarbeitung von 1 Sam 1–4 erkennbar. Mit der mit 1 Sam 1,1 (LXX-V) identischen Bucheröffnung und der formalen Anlehnung der Exposition des Hiobprologs an 1 Sam 1,1–7 dürfte für die impliziten Adressaten eine Si260 261

Siehe oben, 373. Siehe oben, 412.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

gnalwirkung angestrebt gewesen sein. Man sollte das Hiobbuch vor dem Hintergrund von 1 Sam 1–4 lesen.262 Da 1 Sam 1–4 nicht nur der Auftakt der Geschichte der Eliden, Samuels oder auch Sauls ist, sondern der Geschichte Israels von den Ursprüngen des Königtums bis zum Ende des Südreiches, liegt es nahe, dass der Signalcharakter des parallelen Anfangs nicht nur auf das Gegenüber von Hi 1 und 1 Sam 1–4 abzielt, sondern dass ein Zusammenhang zum Gesamttext der Samuelis-/Königebücher intendiert ist. Das entscheidende Signal für den antiken Leser, dass es um den großen Zusammenhang geht, ist der Gebrauch der Formel    in Hi 42,10a. Diese Formel wurde in der nachexilischen Literatur konsequent mit dem Exilsende verbunden,263 auf das ja auch das Ende des 2. Königebuches (2 Kön 25,28f) anspielt. Dieser Zusammenhang drängt sich auf, wenn man in Betracht zieht, dass die als Präpatriarch stilisierte Hiobgestalt als Repräsentanzfigur für Israel gedacht ist. Dies legt sich angesichts der Rezeption des Erzelterngeschichtszusammenhanges schon allein deswegen nahe, weil die Väter selbst als Repräsentanzfiguren für das spätere Israel stehen, während die Verwandten wie Lot, Esau und andere die Nachbarvölker Israels vertreten. Wesentlich für die Interpretation Hiobs als Repräsentanzfigur für Israel ist aber das Faktum, dass Hiobs Identität in der Rahmenerzählung bewusst nicht aufgedeckt wird.264 Anstelle eines Patronyms wird der Hiobname in den JhwhReden des Rahmens mit dem Epitheton   verbunden, womit die Exklusivität von Hiobs Gottesbeziehung genauso hervorgehoben wird, wie es durch die Unvergleichlichkeitsaussage, die in den Jhwh-Reden begegnet, geschieht. Stellt man angesichts dessen das Hiobbuch und die Samuelis-/Königebücher einander gegenüber, so erscheint es als evident, dass in der Geschichte der Hiobfigur die Geschichte des Königtums in Israel und Juda nachgeahmt wird. Dies wird daran erkennbar, dass die Samuelis-/Königebücher im großen Stil die Geschichte von Abfall, Schuld und Strafe Israels sind. Sie boten angesichts der theologischen Verarbeitung des Deuteronomismus eine konkrete literarische Vorlage, der die Hiobgeschichte in ihrer Deuteronomismuskritik sozusagen gegenübergestellt werden konnte: 262 Inwieweit dieser rezipiert werden konnte, hing natürlich von der Textkenntnis der verarbeiteten, angespielten bzw. zitierten Texte ab. Wahrscheinlich hat die in der Tradition doch zugrundeliegende konkrete (heidnische) Identität Hiobs der Identifikation der Querbezüge zu 1 Sam 1–4 ebenso im Wege gestanden wie das Faktum, dass der Bezug auf der LXX-V und nicht auf MT fußt. Auch versperrt schon der Tiqqun Sof. in 1 Sam 3,13 die Identifikation der wichtigsten Beziehung. 263 Zur Diskussion über die Semantik und zum Gebrauch siehe oben, 302. 264 Vgl. oben, 223f.312f.

6. Die Samuelis-/Königebücher als Hypotext der Rahmenerzählung

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Das Ende der Königszeit mit der Zerstörung Jerusalems bildet eine große Klammer mit dem Anfang des Geschickes der Eliden. Im Hintergrund steht die Schuld-Strafe-Theologie des Deuteronomismus, die in den Vorderen Propheten den Untergang Israels und Judas als Folge des Abfalls von Jhwh interpretiert. Die erhoffte Restitution, die im Bericht von der Begnadigung Jojachins (2 Kön 25,27–30) ihren Ausdruck findet, steht entsprechend von 1 Kön 8,33–36.50 u.ö. in einer Abhängigkeit von der Umkehr des Volkes und seiner Rückkehr zu Jhwh. Dem stellt das Hiobbuch ein eigenes Modell gegenüber. Ausgehend von der idealen Repräsentanzfigur Hiob wird ein idealer Anfang stilisiert. Die Existenz der Repräsentanzfigur im Leid formuliert eine Sicht, nach der es Jhwh gegenüber ein unschuldiges Leiden in der Geschichte gibt. Das Überleben der idealen Repräsentanzfigur, das seinerseits im Gegenüber zur Eligestalt figuriert ist, weist auf die Weiterexistenz Israels unter den verschiedenen Fremdherrschaften nach dem Ende der staatlichen Unabhängigkeit. Gleichzeitig wird aber diesem Leid eine theologische Funktion zugeschrieben. Denn dadurch, dass die in einer exklusiven Gottesbeziehung vorgestellte Repräsentanzfigur durch das Leiden hindurch an der Gottesbeziehung festhält, wird sie in die Lage versetzt, Gott durch ihre Fürbitte zu beeinflussen. Die Übernahme dieser Rolle und Funktion mündet in der Hiobrahmenerzählung in eine vollständige Wiederherstellung, wobei durch den Gebrauch der Formel    auf das Ende von Israels Exilsgeschick angespielt wird. Fußend auf die Rezeption von 1 Sam 1–4 hat die Hiobrahmenerzählung auch das Ende der Samuelis-/Königebücher im Blick. Denn die dtr Geschichte der Königszeit endet mit der Begnadigung Jojachins (2 Kön 25,27–30), womit eine Hoffnung auf ein Ende des Exils ausgedrückt wird. Da mit der Wendung von Hiobs Geschick ebenfalls auf das Exilsgeschick Bezug genommen wird und die „Geschichte Hiobs“ einen den Samuelis-/Königebüchern parallel gestalteten Anfang hat, handelt es sich also bei ihr um eine Übertragung der in den Samuelis-/Königebüchern dargestellten Geschichte Israels auf Hiob. Die Betonung der Frömmigkeit Hiobs und die auch im Einzelnen deutliche Polemik gegen den Deuteronomismus zeigt, dass in Hiobs Geschichte ein Gegenbild zur dtr Geschichte der Königszeit entworfen worden ist.265 Der paradigmatische Charakter wird unterstrichen, indem der in seiner Frömmigkeit unvergleichbare Hiob scheinbar vom Fluch des Deuteronomiums getroffen wird, was natürlich die Frage aufwirft, ob die Geschichtsdeu265 Vielleicht hat der Hiobrahmenerzähler dabei sogar eine Beziehung zum Ende des Liedes der Hanna gesehen, wo einerseits die Erhebung des Elenden thematisiert wird und andererseits davon die Rede ist, dass der König (unser König!) Macht erhält und das Haupt (die Krone ?) seines Gesalbten erhöht wird.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

tung der Strafgeschichte des Deuteronomismus in den Samuelis-/Königebüchern aus der Sicht des Hiobrahmens berechtigt ist. Da die „Geschichte“ der Repräsentanzfigur vom Uranfang Israels als Ideal ausgeht und auf die Wiederherstellung nach dem Exilsgeschick zielt, handelt es sich dabei um ein eschatologisches Schema mit Urzeit  Endzeit-Entsprechung, das sich kritisch mit dem dtr Schema der Geschichtsdeutung auseinandersetzt.266 Freilich umgeht es dabei auf geschickte Art und Weise einen direkten Konflikt mit den Implikationen des dtr Geschichtsschemas nicht nur durch die Repräsentanz in der Hiobgestalt, sondern auch dadurch, dass nur die Gottesbeziehung selbst thematisiert wird und eine etwaige Sünde Hiobs im Rahmen nicht im Blick ist und bei seinen Söhnen nur vage angedeutet wird.

7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung Im Folgenden soll es um das Umfeld der Bezeichnung  gehen, die auf Hiob angewendet wird. Es ist bereits deutlich geworden, dass im Rahmen der Erzelterngeschichten für Abraham ebenfalls das Epitheton  gebraucht wird. Innerhalb der Hiobgeschichte geht seine Bedeutung aber darüber hinaus, da es beim Hiobnamen das Patronym, das bei den Freunden angegeben ist, ersetzt. In der verwendeten Form  + Suff. 1. Sg. hebt es die exklusive Gottesbeziehung Hiobs hervor, die aufgrund der Determination (hier durch das Suffix267) vorliegt. Dabei liegt ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Unvergleichlichkeitsaussage und zu der Charakterisierung Hiobs vor, so dass die Bezeichnung Hiobs von Jhwh als „mein Knecht“ direkt mit der Intention der Rahmenerzählung zusammenhängt. Ähnliche Knechtsaussagen finden sich in Bezug auf Jhwh in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen bei verschiedenen Gestalten. Es stellt im Alten Orient eine Konvention dar, dass ein Mensch als Gottes Knecht bezeichnet werden kann.268 Entsprechend bildet das Nomen  den Teil der Gottesbeziehung ab, deren Pendant (ein) Gott als Herr ( ) darstellt.269 Deutlich ist, dass

 in diesem Sinne eine allgemeine Bezeichnung des Verehrenden ist, was sich zum Beispiel im Gebrauch des Nomens in den Psalmen zeigt.270 Dieser begegnet in Hi 4,18 auch in der Dichtung des Hiobbuches, wobei freilich 266 An eine eschatologische Ausrichtung des Hiobepilogs denkt auch Maag, Hiob, 90: „Die Hiob-Novelle verheißt einem monistischen Judentum das Endglück Hiobs“. 267 An vielen anderen Stellen begegnet in der Rede über Gott die Form    als Apposition zu einem Eigennamen. Diese ist ebenso durch den Eigennamen determiniert. 268 Vgl. Westermann,  , THAT II, 182. 269 Vgl. Westermann,  , THAT II, 191. 270 Siehe Ps 19,12.14; 27,9; 31,17 u.ö.

7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung

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der Parallelismus mit   zeigt, dass in dem Zusammenhang wahrscheinlich an himmlische Gottesverehrer gedacht ist. In spezifischer Weise begegnet die Rede vom Knecht Gottes bei bestimmten Personen. Kollektiv wird in dtr Texten von den Propheten als von Gottes Knechten gesprochen.271 Während schon der Beter mit der Bezeichnung   die eigene Gottesbeziehung hervorhebt (siehe Ps 31,17:    ), wird an anderen Stellen in der dritten Person, also aus allgemeiner Perspektive,272 oder aus der Perspektive Gottes das Nomen  exklusiv mit bestimmten Personen verbunden. Diese Hervorhebung hat ihre Entsprechung oft in einer besonderen Beauftragung.273 An erster Stelle steht in der biblischen Literatur bei so bezeichneten Personen Mose (40x) 274. Dies hat M. Rohde bewogen, die Überlieferungen über Mose mit dem Hiobbuch zu vergleichen. Rohde hat nicht den Anspruch, literarische Bezüge zu identifizieren und sie in die Auslegung des Hiobbuches einfließen zu lassen. Ihm geht es – angeregt durch eine allerdings weiterreichende Bemerkung von P. Guillaume und E.A. Knauf275 – um die Aufdeckung einer „hintergründige[n] Kommentierung von Teilen der Moseüberlieferung“.276 Damit ist implizit eine literarische Bezugnahme vorausgesetzt. Rohde macht sie zuallererst an der Formulierung   fest.277 Neben Bezügen auf Mose nennt er David, Abraham in Gen 26,24, die Nebukadnezar-Bezüge im Jeremiabuch, Serubbabel in Hag 2,23 sowie die Knechtsaussagen in DtJes. Etwas verzerrt ist der Zugriff auf diese Stellen natürlich schon deswegen, weil Rohde nur die  -Stellen mit Suff. 1. Sg. berücksichtigt. Denn   kann nur in Jhwh-Reden begegnen.278 Inhaltlich vergleichbar, wenn nicht z.T. sogar direkt auf einer Ebene mit diesen Stellen steht aber die häufig gebrauchte Formulierung    oder auch in der Kommunikation zwischen Gott Vgl. Westermann,  , THAT II, 193. Z.T. aus der Erzählperspektive. 273 In diesem Sinne ist es auch für die Propheten gebraucht. Vgl. Westermann,  , THAT II, 192. 274 Vgl. Westermann,  , THAT II, 193. 275 „Dans cette perspective, Jb peut se comprendre comme commentaire de la Torah. Il précise par exemple le rôle du chaos au sein de la création, et corrige l’exclusion des femmes de l’héritage (cf. également Nb 27). Job est également un ‚anti-Moïse‘, et sa vie rappelle celle d’Abraham telle qu’elle est présentée par le document sacerdotal (P) dans le livre de la Genèse“ (Guillaume/Knauf, Job, 509). Vgl. auch Knauf, Heimat, 80. Eine Beziehung zum Pentateuch vermutet aufgrund von Hi 31,35 Witte, Hiobs Zeichen, 742. Vgl. dazu oben, Anm. 611. 276 Rohde, Knecht, 177. In ähnlicher Weise sieht Schmid, Schriftdiskussion, allerdings in einem umfänglicheren Rahmen einen Zusammenhang des Hiobbuches zu anderen biblischen Büchern. 277 Vgl. Rohde, Knecht, 178. 278 In der Jhwh-Rede findet sich   auch bei Kaleb in Num 14,24. 271

272

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

und einem Menschen die Formulierung   (so Gen 18,3; [19,19]; Dtn 3,24; 1 Sam 3,9f sowie   im Gebet (Pss [passim]; Dan 9,17). Damit die Statistik nicht aufgrund der unterschiedlichen Textsorten verzerrt wird, muss man diese Formulierungen einbeziehen. Dies hat zur Folge, dass Mose der Knechtstitel mit Abstand am häufigsten beigelegt wird. Scheint diese Klarstellung dem besonderen Augenmerk auf Mose durch Rohde Recht zu geben, so zeigt das Auftauchen der Bezeichnung im Zusammenhang der Propheten, aber auch sein Gebrauch in den Psalmen, dass man mit einer zu klaren Zuweisung Vorsicht walten lassen muss.  bezeichnet zuallererst die exklusive Gottesbeziehung. Dies gilt auch für die Psalmen. Wenn ein Beter sich in der Anrede als  bezeichnet, dann sieht er sich im Vollzug des Psalms oder darüber hinaus in einer exklusiven Gottesbeziehung. Aus der Perspektive Gottes wird diese durch   ausgedrückt. Demgegenüber ist beim Gebrauch von  in Erzählzusammenhängen z.T. in gleicher Weise die Exklusivität vorausgesetzt. Das zeigt die parallele Bezeichnung von Mose als    wie der Gebrauch von   in Jhwh-Reden, aber auch der Blick auf die Rahmenerzählung des Hiobbuches, bei denen ein Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Knechtstitels in den Jhwh-Reden und der Charakterisierung Hiobs auf der Erzählebene besteht. Es liegt nahe, dass der Gebrauch des Knechtstitels für Hiob nicht völlig getrennt vom Gebrauch des Knechtstitels in den Mosegeschichten zur Anwendung gekommen ist. Dennoch scheint der Zugang, den Rohde wählt, problematisch zu sein: Zunächst weist Rohde darauf hin, dass Mose und Hiob „theologische Denkfiguren“ seien.279 Diese sehr allgemein gehaltene Einschätzung trifft im Prinzip auf jede zentrale biblische Gestalt zu, denn wir besitzen Kenntnis über die biblischen Gestalten nur aufgrund der biblischen Traditionsliteratur, die von vornherein einem theologischen Interesse dient und in der die dargestellten Figuren eine bestimmte Funktion haben. Außerdem erliegt Rohde bei dieser Annäherung einem Anachronismus. Denn Mose mag natürlich als Ergebnis der historisch-kritischen Exegese eine theologische Denkfigur sein. Richtig ist auch der Hinweis unter Rückgriff auf Assmanns Terminologie darauf, dass Mose eine „Figur der Erinnerung“ ist.280 Doch unterscheidet sich der antike Zugriff auf Mose von unserem Zugriff darin, dass man in Mose mit hoher Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Mittler der Gabe der Tora sah. Als solcher war Mose für den antiken Rezipienten eine Figur der eigenen Vergangenheit, und aufgrund

279 280

Vgl. Rohde, Knecht, 178f. Vgl. ebd., 181.

7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung

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dessen konnte man in Mose den Mittler und letztlich Verfasser der Tora sehen.281 Völlig anders verhält es sich aber bei der Hiobgestalt. Die unterschiedlichen Zuweisungen und Identifikationen Hiobs in der jüdischen und christlichen Rezeptionsgeschichte sind letztlich auch Ausdruck dafür,282 dass er in der Rahmengeschichte gerade nicht historisch fixiert werden soll. Hiob mag dabei auch in einer bestimmten Rolle gedacht sein. Zunächst einmal ist die Rahmenerzählung aber davon geprägt, dass man seine Identität bewusst offenhalten will. Hiob ist figuriert als eine ganz bewusst gebildete sagenhafte Gestalt, die keinerlei Anspruch auf eine historische Verortung erhebt. Dabei ist sie im Hiobbuch im Rahmen und in der Dichtung in je unterschiedlicher Weise auch eine theologische Denkfigur. Mit Mose aber, der für die Verfasser des Hiobbuches283 eine vorgegebene literarische Figur war, damit aber auch klar eine Gestalt der eigenen Geschichte, ist Hiob auf dieser Ebene gerade nicht vergleichbar. Hiob dürfte entsprechend auch nicht mit Samuel auf einer Ebene gesehen worden sein, obwohl 1 Sam 1–4 von der Hiobrahmenerzählung klar rezipiert worden ist. Hiob wird als eine fiktive Figur gestaltet. Dabei konnte sich der Verfasser an vorgegebene Figuren wie Abraham und Samuel, aber auch an Eli anlehnen. Entsprechend ist es zwar möglich, „die Hiobfigur von Mose her [zu] verstehen“ 284, doch ist dabei fraglich, ob das Hiobbuch in gleichem Sinne wie bei der Rezeption von 1 Sam 1–4 auch die Verbindung zu Mose voraussetzt. Die Verbindung zu Mose sieht Rohde durch drei Aspekte gegeben, durch eine Verbindung zu „den priesterlichen“ und „den prophetischen Aspekten in der Überlieferung von Mose“285, sodann durch die Rolle Moses als Beter.286 Schwer vergleichbar sind Mose und Hiob im priesterlichen Bereich. Denn, wie Rohde richtig feststellt, opfert Hiob als „pater familias für seine Söhne“287. Damit befindet sich Hiob schon in der Exposition in der Rolle der Erzväter in der Genesis. In ganz ähnlicher Weise stellt sich der Sachver281 Dies hat in der rabbinischen Tradition letztlich dazu geführt, dass man in Mose den Verfasser des Hiobbuches sah (        [bBB 14b; vgl. Goldschmidt, Talmud VIII, 56]), das man aufgrund des Milieus seines Rahmens in der Erzelternzeit verortete. Vgl. bBB 14b–15b (vgl. Goldschmidt, Talmud VIII, 55–58). 282 Dass Hiob dort oft als Heide angesehen wird, muss mit außerbiblischen Traditionen (wie vielleicht auch Ez 14) zusammenhängen. Vgl. dazu weiter unten, 465ff. 283 Auch die Dichtung dürfte zeitlich nach dem Exil abgefasst sein. Der fertige Pentateuch und mithin der literarische Zugriff auf Mose ist hier sicher ebenso vorausgesetzt wie im Rahmen. 284 Rohde, Knecht, 181f. 285 Ebd., 182. 286 Ebd., 215ff. 287 Ebd., 188.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

halt dann in Hi 42,7ff dar, wo die Freunde ihr Opfer selbst darbringen. Das Opfer hat aber weder im Prolog noch im Epilog eine besondere Funktion, da es weder den Tod von Hiobs Kindern zu verhindern vermag, noch der Sühnung der Schuld der Freunde dient.288 Ganz anders geartet ist der kultische Zusammenhang (Lev 8,14ff), den Rohde anführt. Hier wird in der Tat kultisch vermittelte Sühnung durch Mose thematisiert. So ist die allgemeine Aussage von Rohde „Mose bzw. Hiob erscheinen jeweils als unersetzbare Mittlerfiguren in kultischem Kontext“ zwar richtig, doch ist hier gerade der Unterschied entscheidend. Während Mose in Lev 8,14ff als Priester kultisch vermittelte Sühnung bewirkt, ist dies bei Hiob nicht der Fall. Weder ist er im Sinne von Lev 8 Priester, noch vermag er Sühnung zu bewirken. Vielmehr ist es allein seine Fürbitte, auf der das ganze inhaltliche Gewicht liegt. Wenn es also überhaupt einen Zusammenhang zwischen Hi 1f; 42 und Lev 8,14ff gibt, so liegt er nur darin, dass in Hiobs Handeln für seine Kinder und in Jhwhs Aufforderung an die Freunde das Opfer jeweils als konventionelle Praxis in der Gottesbeziehung gilt. Ebenfalls wenig aussagekräftig ist m.E. der Rückgriff auf den prophetischen Aspekt. Zwar findet sich im Reden von Angesicht zu Angesicht (in der Rezeption der Dichtung durch Hi 42,7) in der Tat eine Affinität zwischen Hiob und Mose,289 doch ist es als Charakteristikum des Mose nicht unabhängig von dessen Mittlerfunktion zu verstehen. Das Reden Jhwhs mit Mose    (Dtn 34,10; vgl. Ex 33,11) dient der Legitimierung der von Mose verkündigten Tora. Eine solche Funktion hat Hiob jedoch nicht. Hiobs Redehaltung wird stattdessen als Ausdruck seiner eigenen Gottesbeziehung gewertet, und die Freunde werden entsprechend abgewertet. Genaugenommen hat Hiob aus der Sicht des Hiobrahmens gegenüber den Freunden gerade keine mit Mose vergleichbare Sonderfunktion in dem Faktum seines Redens mit Gott, da Jhwh auch mit den Freunden bzw. stellvertretend für diese auch mit Eliphas redet. Mose wird als Urbild und größter der Propheten stilisiert, was auch eine gewisse Affinität zur Unvergleichlichkeitsaussage für Hiob (Hi 1,8b; 2,3a) darstellt. Doch ist die Aussage über Mose wiederum mit dessen Mittlerfunktion verbunden und auf diese bezogen, während die Unvergleichlichkeitsaussage bei Hiob dessen Charakterisierung dient. Auch ist die Unvergleichlichkeitsaussage direkt mit parallelen Formulierungen über Gott verbunden, so dass ein Vergleich mit Mose diesen zentralen Aspekt eher versperrt. Zuletzt ist Hiob mit Mose als Beter schwächer verbunden als beispielsweise mit Abraham. Zwar lassen sich in Moses Rolle als Beter klagende, für288 289

Im Epilog bringt Hiob das Opfer nicht dar. Vgl. dazu Rohde, Knecht, 195–199.

7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung

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bittende und anklagende Aspekte finden.290 Doch kann Rohde weder auf eine gemeinsame Verbindung der verschiedenen Aspekte verweisen, die auf einen Zusammenhang mit der Hiobgestalt schließen ließe,291 noch ist eine spezifische Intention einer Anknüpfung erkennbar. Auch bei dem Thema Hiob als Beter ist die Nähe zu Abraham durch das Erzelternmilieu größer. Damit lässt sich ein kommentarartiger Zusammenhang zwischen Hiob und Mose nicht sichern; die besondere Nähe, die die Figuren Mose und Hiob zu Gott haben, ihre Hervorhebung als Knecht, ihre Fürbitte für andere bieten Anhaltspunkte für die Verbindung der beiden Figuren durch die spätere Rezeption. Sollte bei der Figurierung von Hiob auch an Mose und an bestimmte Überlieferungen von Mose gedacht sein, so zeigt sich eben doch, dass dies nicht in gleicher Weise der Fall ist wie bei der Rezeption der Erzelternüberlieferung, die Hiobs Milieu prägt. Hinzu kommt der durch direkte Zitate abgesicherte Zusammenhang zum Deuteronomium und zu 1 Sam 1–4. Eine mögliche Verbindung zum Hiobbuch tut sich über die Motivkombination der Knechtsbezeichnung mit dem vorausgesetzten Leiden der so bezeichneten Figur im Deuterojesajabuch auf.292 In beiden Texten ist von einem leidenden Knecht die Rede. Das Spannende an dem Gegenüber ist, dass damit der klassische Tun-Ergehen-Zusammenhang, begrenzt auf die als Knecht bezeichnete Person, außer Kraft gesetzt ist.293 Ohne dass dabei an die Opferung zu denken ist,294 gewinnen die Leiden (und der Tod) des Knechtes (im vierten Gottesknechtslied) eine Bedeutung für andere.295 Wie in den Gottesknechtsliedern des Deuterojesajabuches wird im Hiobbuch ebenfalls eine Paradoxie verursacht, indem Hiob letztlich „leidet, weil er gerecht ist“296. Diese Paradoxie wird in der zweiten Himmelsszene von Gott selbst mit den Worten     „du hast mich gegen ihn 290

Vgl. Rohde, Knecht, 215–217. Nach Rohde, Knecht, 220, sind „[d]ie unterschiedlichen Funktionen Hiobs [...] in der Art eines Kaleidoskops zusammengefügt worden.“ 292 Vgl. Berges, Ijobrahmen, 244. 293 Zur Bedeutung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs im Alten Orient vgl. Assmann, Maat, 283ff; Koch, Vergeltungsdogma; Janowski, Tat. 294 Vgl. Janowski, Dramatik, 43. 295 „Er [JHWH] läßt einen fremden Tun-Ergehen-Zusammenhang so am Gottesknecht zur Auswirkung kommen, daß der eigentlich Schuldige, nämlich Israel, in die Position des Erretteten gelangt – während der Unschuldige daran zerbricht“ (Janowski, Dramatik, 44). 296 Janowski, Stellvertretung, 67. Die Paradoxie des leidenden Gerechten kommt nach B. Janowski dadurch zustande, dass die „reziproke Struktur des Handelns [...] außer Kraft gesetzt [ist] [...] Plausibel ist die Korrelation von Gerechtigkeit und Leiden also nur aus einem Kontext, in dem der traditionelle Zusammenhang von Tun und Ergehen zerbrochen ist.“ (ebd, 67f). 291

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

aufgehetzt, ihn umsonst zu verderben“ formuliert. Spätestens in der LXX (Hi 42,9) und in 11QTgJob wird das Leiden Hiobs konkret mit der Sündenvergebung verbunden, was in der Rezeption der beiden Texte eine direkte Verbindung zwischen dem vierten Gottesknechtslied und dem Hiobbuch schafft.297 Ein inhaltlicher Bezug zwischen dem Gottesknecht im Deuterojesajabuch und bei Hiob ergibt sich aber durch den Aspekt, dass der Gottesknecht für ein Kollektivum stehen kann. Dies ist bereits außerhalb der Gottesknechtslieder der Fall, wo Israel/Jakob als Knecht bezeichnet wird, daneben aber von einem individuellen Knecht die Rede ist, bei dem es sich wohl um den Propheten handelt.298 Innerhalb der Gottesknechtslieder „repräsentiert der prophetische Gottesknecht vom ersten EJL an das ‚wahre Israel‘“299. Eine individuelle Gestalt repräsentiert also die Rückkehr Israels zu Jhwh: „Der prophetische Gottesknecht vertritt JHWHs C $+ ! mit allen Konsequenzen vor den Völkern (EJL I–II) und vor Israel (EJL III)“. „[U]nd er führt den ‚Gottesknecht‘ Israel dadurch zurück zu Jhwh – was dies allerdings erst nachträglich erkennt (Jes 53,4–6, vgl. das Schlußorakel 53,11a¹–12).“300 Auch wenn eine direkte Beziehung zwischen Hiob und der Konzeption des eschatologischen Gottesknechtes in der Rahmenerzählung nicht beweisbar ist,301 so zeigt der DtJes-Text doch, dass das Denkmuster der Repräsentanz in der zeitlichen Nähe zur Rahmenerzählung des Hiobbuches gerade auch im Zusammenhang der Erklärung von unschuldigem Leiden vorkommt, wobei die erheblichen konzeptionellen Unterschiede der Annahme einer direkten literarischen Bezugnahme eher entgegenstehen.302 Weniger inhaltlich spektakulär, aber aufgrund der sehr breiten Bezeugung vielleicht nicht ohne einen Einfluss auf die Hiobrahmenerzählung ist die 297 Vgl. Janowski, Sündenvergebung „um Hiobs willen“, 253ff. Ådna, Gottesknecht, 153. Zum Textumfang von 11QTgJob vgl. auch Kutsch, Epilog. 298 Vgl. Janowski, Stellvertretung, 76. 299 Ebd. 300 Janowski, Stellvertretung, 77. 301 Ein Zitat aus Jes 41,20 könnte in Hi 12,9 vorliegen. Ein weiterer Anhaltspunkt ergibt sich dadurch, dass es in den Klagen Hiobs in Hi 16–19 einige Bezüge zum Deuterojesajabuch zu geben scheint. So findet Bastiaens, Language, 432, Verweise zwischen Hi 16,10 und Jes 50,6 und zwischen 16,17 und Jes 52,9 und vermutet aufgrund dessen weiter gehende Beziehungen. Eine Abhängigkeit des Rahmens von DtJes vermutet Berges, Hiobrahmen, 244f. 302 Die oft vermuteten Bezüge nach Deuterojesaja bestreitet Terrien, Affinités, 309f. S.E. hat Deuterojesaja stattdessen die Themen Hiobs in seiner Theologie umgesetzt: „Le Deutéro-Esaïe a transposé ce thème et l’a aplliqué à son interprétation de la mission d’Israel dans l’histoire“ (ebd., 310).

7. Hiob als Knecht Jhwhs in der Rahmenerzählung

437

(im vorangehenden Absatz schon erwähnte) kollektive Deutung Israels als Knecht Jhwhs im Deuterojesajabuch (Jes 41,8; 44,1f.21; 45,4; 48,20), im Jeremiabuch (Jer 30,10; 46,27f), aber auch im Ezechielbuch (Ez 28,25; 37,25). Interessant ist bei diesem kollektiven Gebrauch der Bezeichnung  oder gar   , dass es sehr oft mit der Repräsentanzfigur Jakob verbunden wird. Damit vollziehen diese Stellen den individuellen Knechtsgestalten wie Mose, den Propheten, David oder auch den Patriarchen gegenüber einen terminologischen Schritt hin zur Kollektivierung der Bezeichnung.303 Auch an den Stellen, wo vom Knecht in kollektiver Weise bei DtJes und Jer die Rede ist, geht es oft um das Leiden. Dabei wird auf das Exilsgeschick Israels verwiesen. Besonders zwischen Stellen im Jeremiabuch, an denen Jakob kollektiv für das gesamte Volk als Knecht Jhwhs bezeichnet wird, und Hi 42,10 besteht eine Affinität: So wird in Jer 30,10 von der Sammlung und Rückführung des Volkes aus der Gefangenschaft gesprochen. In Jer 46,27 wird dem Knecht Jakob zusätzlich eine Friedenszeit angekündigt. Im nachfolgenden Vers (Jer 46,28) wird die geschichtstheologische Konzeption deutlich. Hier wird einerseits den feindlichen Völkern das Ende prophezeit, andererseits aber an einer zeitlich begrenzten Bestrafung des Volkes Israel festgehalten. Israel als leidender Knecht ist also nach der Konzeption des Jeremiabuches nicht unschuldig, wohl aber wird ihm vergeben und es darf auf eine Restitution hoffen. Interessant ist, dass die Wendung des Geschickes des Knechtes in Jer 46,27 mit  explizit auf das Exil verweist und eine Rückkehr   angekündigt wird. Das erinnert an die Phrase    in Hi 42,10, die im Jeremiabuch oft (Jer 29,14; 30,3.18; 31,23; 32,44; 33,7.11.26; 48,47; 49,6.39) auf die Wendung des Exilsgeschicks bezogen gebraucht wird und die sich in Hi 42,10 an der einzigen Stelle in der Hebräischen Bibel überhaupt auf ein individuelles Geschick zu beziehen scheint. Aufgrund dieser Besonderheit der Belegstelle legt es sich nahe,304 dass mit dem Gebrauch der Formel in Hi 42,10 auf das Exilsgeschick Israels angespielt werden soll. Das Leiden des kollektiv als Knecht Jhwhs bezeichneten Israels und die Aussicht auf die Wendung seines Geschicks stehen damit durchaus dem Beginn der Restitution Hiobs in Hi 42,10 gegenüber, wobei der Unterschied darin besteht, dass im Jeremiabuch an der Bindung des Geschicks Israels an die dtr Vorstellung von Schuld und Strafe festgehalten wird, während dies im Hiobrahmen nicht der Fall ist. 303

Ihr steht möglicherweise auch eine parallele Individualisierung der Bezeichnung im nachexilischen Israel gegenüber. Während die Patriarchen, Mose und David exklusive Figuren der Geschichte sind, scheint die Bezeichnung an Textstellen wie Dan 6,21 bereits für den Frommen überhaupt anwendbar zu sein, wofür sie dann in ntl. Texten gebraucht wird (Tit 1,1; Jak 1,1; Heb 1,1). 304 Vgl. oben, 302.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

Damit haben wir im Jeremiabuch und bei DtJes die Kollektivierung der Knechtsvorstellung „Jakob/Israel als Knecht Gottes“. Im Deuterojesajabuch wird im prophetischen Knecht „das wahre Israel“ repräsentiert und durch ihn wird eschatologisch eine Wiederherstellung der Gottesbeziehung Israels bewirkt. Auch finden wir individuelles Leiden eines Knechtes bei DtJes,305 für den in ähnlicher Weise der Tun-Ergehen-Zusammenhang außer Kraft gesetzt ist, wie für Hiob. Dennoch finden sich keine konkreten Hinweise auf eine literarische Verarbeitung dieser Texte durch den Hiobrahmen. 306 Dafür fehlen terminologische und inhaltliche Bezüge. Festzuhalten bleibt, dass Jeremia eine ähnliche Vorstellung vom Leidensgeschick Israels voraussetzt, gegen die sich Hiob wendet (dtr Schuld-Strafe-Vorstellung) und dass bei DtJes wie bei Hiob der Versuch unternommen wird, die dtr Geschichtsdeutung weiterzudenken. Diese Affinitäten lassen trotzdem eine Kenntnis von Jeremia und DtJes beim Verfasser der Rahmenerzählung des Hiobbuches vermuten.

8. Resümee: Literarische Querbezüge In diesem Kapitel sind die literarischen Bezüge der Rahmenerzählung des Hiobbuches diskutiert worden. Die Diskussion des Zusammenhanges der Rahmenerzählung zur Dichtung, die am Anfang stand, bestätigte die aufgrund der formalen Unterscheidung von Dichtung und Erzähltext vermutete Priorität der Dichtung gegenüber der Rahmung. Der poetische Teil wurde durch die Rahmenerzählung zu einem Teil ihres Konzeptes gemacht und in ihre Struktur eingebunden, dabei aber unter einem ganz bestimmten Fokus rezipiert. Dabei wird gegenüber der Dichtung das Milieu verändert. Aus einem vornehmen Städter, der vormals vielleicht als Ortsrichter gedacht ist, wird eine Figur, die dem Erzelternmilieu, mit den Implikationen des nomadisch/landwirtschaftlichen Bereichs, wie sie auch für Gen 12ff bestimmend sind, zugerechnet wird. Aussagen über Hiobs Leid, Krankheit, über seine Desozialisierung, aber auch in Bezug auf seine Gerechtigkeit werden vom Rahmen absolut gesetzt oder verallgemeinert. All dies zeigte die Richtung der literarischen Bezugnahme, wobei sich an den Rändern zwischen Rahmen und Erzähltext deutliche Hinweise auf das Verfahren der Zusammenarbeitung ergeben haben. Die Rahmenerzählung ist im Prolog auf die intakt

305

Die Konfessionen Jeremias stehen dem gegenüber. Gegen den Optimismus von Knauf, Heimat, 80: „Unter der biblischen Literatur, die im Hiob-Buch rezipiert ist, sind Bezüge zu Jeremia und Deuterojesaja (d.h. das um die deuterojesajanischen Anhänge erweiterte Jesajabuch) leicht festzustellen.“ 306

8. Resümee: Literarische Querbezüge

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gelassene Dichtung zugeschrieben worden, der Epilog setzt in gleicher Weise bei der Dichtung an. Gegenüber früheren Versuchen, literarische Zusammenhänge aufzuzeigen (u.a. Gen 1–3; 22; 1 Chr 7,20ff), konnte für die Rahmengeschichte ein literarischer Bezugskomplex ausfindig gemacht werden, nämlich der Deuteronomismus. Die Hiobrahmenerzählung steht in einer Auseinandersetzung mit dem dtr Geschichtsbild, das Strafe als Folge der Schuld sieht. Während der Rückgriff auf die Erzelternüberlieferung dazu dient, Hiob als Repräsentanzfigur zu stilisieren, die (sozusagen vor der Geschichte des Volkes) für das Volk Israel steht, wird ausgehend von einer intensiven Verarbeitung von 1 Sam 1–4 der Gesamtzusammenhang der Samuelis-/Königebücher rezipiert und in der Geschichte Hiobs nachgeahmt. In Hiob, der Israel in einer intakten Gottesbeziehung repräsentiert, wird mit der Funktion des Fürbitters den Leiden Israels ein Sinn zugeschrieben, dessen Ziel in der Wiederherstellung liegt. Das Gegenüber zu den Samuelis-/Königebüchern auf der einen Seite und die Vorordnung Hiobs vor Abraham auf der anderen Seite zeigen, dass hier ein Urzeit – Endzeitkonzept entwickelt wird. Der Hiobrahmen zielt auf die eschatologische Wiederherstellung Israels, wenn dieses seine ihm in seinen Leiden zugewachsene Rolle übernommen hat. Dass die Opfer der Freunde Hiobs dabei auf die eschatologische Vorstellung der Darbringung von Opfern durch Heiden weisen, ist möglich.307 Doch ist die vage Verbindung zwischen den Opfern und der Fürbitte in Hi 42,8 nicht im Sinne einer grundsätzlichen Vorleistung der heidnischen Völker misszuverstehen.308 Denn die Gestalt der Opfer in Hi 1,4f und 42,8 ist letztlich abhängig vom Erzelternmilieu.309 Dennoch könnten natürlich angesichts der Bezüge zu den Samuelis-/Königebüchern die Opfer Hiobs in Hi 1,5 quasi typologisch für die Opfer Israels stehen, was deren zurückhaltende Bewertung erklären könnte. Doch bleibt das spekulativ. Die literarischen Bezüge, die zeigen, dass Hiob im Rahmen als Repräsentanzfigur Israel in seiner Geschichte verkörpert, sind für die exemplarische, verallgemeinernde und fokussierende Rezeption der Hiobdichtung verantwortlich. Diese ist verstanden als Äußerung einer intakten Gottesbeziehung ( ), in der aus Gottes Hand das Gute und das Böse entgegengenommen wird. Wahrscheinlich hat auch die kategorische Ablehnung des Schuld-Strafe-Zusammenhanges durch Hiob in den Dialogen die Deuteronomismuskritik im Rahmen angeregt. Eine Rolle hat mit hoher Wahrscheinlichkeit aber 307 In den Blick kommt z.B. Jes 56,6f, wo von Brandopfern und Schlachtopfern die Rede ist, die von Fremden aus den Völkern dargebracht werden. 308 Das ganze Gewicht liegt auf der Fürbitte Hiobs. Durch diese wird Jhwh dazu veranlasst, in Hiobs Sinne zu entscheiden. Siehe oben, 298. 309 Siehe oben, 295.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

auch gespielt, dass bereits die Dichtung eine kritische Position gegenüber dem Deuteronomium entwickelt, die aber nicht durch Zitate und Motivkombinationen manifestiert wurde.310 Letztlich wird die Dichtung bei der Abfassung des Rahmens aufgefasst worden sein als der große Dialog des leidenden Israels mit seinem Gott, dem dieser sich am Ende zuwendet. Der Rahmen ist damit in der Tendenz eine typologische Auslegung einer durchaus differenziert individuellen Auseinandersetzung mit dem Leid in der Dichtung. Damit steht das mit dem Erzählrahmen versehene Hiobbuch in der Nachbarschaft der exilisch-nachexilischen Konzepte des Jeremia- und des Deuterojesajabuches, in denen eine Wendung des Exilsgeschicks in Aussicht gestellt wird. Doch denkt es den Deuteronomismus weiter, indem es ein neues Ideal einer zweckfreien Gottesbeziehung aufstellt, dieser aber zugleich eine eschatologische Heilsbedeutung zuweist und dabei die Gebotserfüllung nicht als die exklusive Form der Gottesbeziehung thematisiert.

9. Eingrenzung der Abfassungszeit der Rahmenerzählung Die Auslegung der Dichtung ermöglichte bereits deren relative Zuordnung zur Literargeschichte der Hebräischen Bibel. Dabei waren zwei Aspekte entscheidend: Einerseits setzt die Dichtung einen ausgeprägten Monotheismus,311 andererseits auch den Deuteronomismus voraus. Gegenüber der einlinigen Erklärung des Bösen bzw. des Leides vom dtr Schuld-StrafeZusammenhang her greift die Dichtung allerdings auf traditionelle mythologische Motive bzw. auf Konzepte zurück, die auch in der Umwelt vielfach anzutreffen sind. Dabei wird dem Bösen eine begrenzte Realität in einer dynamisch verstandenen Welt zugewiesen.312 Die Infragestellung des Schuld-Strafe-Zusammenhanges unter Zuhilfenahme traditioneller mythologischer Konzepte in den Gottesreden könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Hiobdichtung sich dabei noch zeitlich am Anfang des Deuteronomismus befindet, an dem die Kenntnis traditioneller mythologischer Konzepte bei den Rezipienten noch vorausgesetzt werden 310

So gesehen tritt die erzählerisch gerahmte Hiobdichtung das Erbe der früheren Dichtung auch an diesem Punkt an, wobei die nun direkte Auseinandersetzung mit dem Deuteronomium auf dessen hohe Autorität hinweist. So mussten seine Inhalte nun im konkreten Gegenüber literarisch weitergedacht werden. 311 So auch jetzt Keel, Jerusalem, 1118ff. 312 Darüber hinaus weist Schmid, Schriftdiskussion, 244ff, auch auf Bezüge der Dichtung zum priesterlichen Pentateuch hin, denen in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden kann. Dies bestätigt aber grundsätzlich die hier vorgenommene Datierung sowohl der Dichtung als auch der Rahmenerzählung.

9. Eingrenzung der Abfassungszeit der Rahmenerzählung

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konnte. Doch wird man sich hüten müssen, den Text aufgrund seiner theologischen Implikationen zu eindeutig einer bestimmten Zeit zuzuweisen. Der Inhalt der Hiobdichtung steht in der Nachbarschaft zu anderen altorientalischen Vorwurfsdichtungen und möglicherweise ist die uns vorliegende Hiobdichtung auch von älteren Konzepten abhängig, wofür einige formale und inhaltliche Besonderheiten der Dichtung sprechen.313 Für die Rahmenerzählung verweist zunächst das späte Hebräisch auf eine Zuweisung zu den spätnachexilischen Texten wie Esr/Neh.314 Neben einer literarischen Rezeption der Erzelternüberlieferung in der Gestaltung des Milieus315 und der Aufnahme des Anfangs der Samuelis-/Königebücher aus der LXX-V in der Nachahmung der Samuelis-/Königebücher insgesamt, scheinen Hi 1f; 42 den Deuteronomismus anders als die Dichtung als literarisches Phänomen zu rezipieren. Sie ignorieren seine zeitbezogene Erklärungsfunktion und stellen dem polemisch aufgerufenen Frömmigkeitsbild des Deuteronomismus ein anderes Ideal der Gottesbeziehung gegenüber, in dem Hiob repräsentativ für ein frommes Israel steht. Dabei wird aber anders als in der Hiobdichtung Hiobs Leid und in den Hiobreden Hi 1,21; 2,10a generalisierend Gutes wie Böses als von Gott herkommend verstanden. Damit setzt der Hiobrahmen den Monotheismus radikaler als die Dichtung voraus. Einen Anhaltspunkt für die relative Abfassungszeit stellt das Motiv des gegen die Gottheit gerichteten Fluches dar, durch den Hiob die Gottesbeziehung aufkündigen soll. Dieses Motiv nimmt insofern eine Sonderrolle ein, als in älteren Texten ein Verlassen der Gottesbeziehung in der Regel mit einer Fremdgötterverehrung verbunden ist. Der Fluch gegen die Gottheit tritt im Hiobrahmen an die Stelle, an der in anderen literarischen Zusammenhängen ein Verstoß gegen das Erste Gebot zu finden ist. Eine Fremdgötterverehrung stellt daher aus der Sicht des Hiobrahmens auf der einen Seite keine reale Möglichkeit mehr dar. Der Hiobrahmen hat sich somit theologisch schon von der deuteronomistischen Fremdgötterpolemik entfernt. Auf der anderen Seite scheinen dabei die religiösen Auseinandersetzungen der hellenistischen Zeit, die erneut zu einer Betonung des ersten Gebotes führen, noch nicht im Blick zu sein. Dass dabei eine Fremdgötterverehrung auch für das vorisraelitische Milieu der Rahmenerzählung in Bezug auf die von weit her kommenden Freunde nicht als Realität gedacht ist, zeigt, dass die Hiobrahmenerzählung am ehesten im Horizont der persi313

Überlieferungskritischen Implikationen kann in der Arbeit nicht weiter nachgegangen werden. 2 Kön 20,1–11 stellt einen im Kern vorexilischen Text dar, der theologisch ähnlich ausgerichtet ist. Vgl. oben, 216. 314 Vgl. Kropat, Syntax, 22. 315 Dabei wird der priesterlich überarbeitete Pentateuch rezipiert. Dies zeigt die Altersangabe und der darin vorausgesetzte Bezug auf Gen 11,10ff.

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Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

schen Zeit und ihres ‚Universalismus‘ entstanden sein dürfte, wie er z.B. auch bei Tritojesaja (Vgl. z.B. Jes 56,3ff) anzutreffen ist. Dass der Rahmen die Dichtung punktuell oder generalisierend rezipiert, zeigt dabei innerhalb des Hiobbuches die literarische Eigenständigkeit der Dichtung und den zeitlichen Abstand zwischen der Abfassung des Rahmens und der Dichtung.316 Dass im Rahmen die Gebotserfüllung keine Rolle spielt, hängt zwar mit dem Grundkonzept des Rahmens zusammen. Denn eine Übertretung durch Hiob ist kategorisch ausgeschlossen, da sonst die Schuld-Strafe-Erklärung seines Leidens sich aufdrängen würde. Doch spricht die besondere Bedeutung der Intaktheit der Gottesbeziehung, mit der Betonung der rechten Rede zu Gott, womit wohl auf die Zuwendung zu Gott im Gebet abgezielt ist, dafür, dass wir es im Hiobrahmen mit einem Beispiel von Diasporaliteratur zu tun haben, bei der die Gottesbeziehung selbst im Mittelpunkt steht. Die konkrete Gebotserfüllung als integerer Lebenswandel ist dabei zwar impliziert, aber sie spielt nicht mehr die Rolle, die ihr im Deuteronomium und in der dtr Literatur zugewiesen wird, vielleicht auch deswegen, weil außerhalb Palästinas eine Fülle von Vorschriften nicht eingehalten werden konnten. An diesem Punkt geht der Rahmen auch über die Diskussion um ein mögliches Vergehen Hiobs im Rahmen hinaus, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass das Dtn als Literatur rezipiert wird, seine Entstehung aber schon weiter zurückliegt. In der zum Rahmen gehörenden Überschrift zur Einführungsklage (Hi 3,1) könnte die Pragmatik der Rahmengeschichte als Diasporaliteratur und ihre Interpretation der Dichtung in besonderer Weise durchscheinen. Denn die Klage Hiobs über sein Geschick (Hi 3,2ff) wird aus der Perspektive des Rahmens (3,1) als Verwünschung der eigenen leidvollen Existenz interpretiert. Der Rahmen könnte sich damit auf eine Resignation bei den impliziten Adressaten beziehen, deren Ursache vielleicht in der Nichterfüllung von weitgehenden Heilshoffnungen in der nachexilischen Zeit begründet ist. Ein Anhaltspunkt für die Abfassung des Hiobbuches, den E.A. Knauf aufführt,317 fügt sich gut in das differenzierte Bild von der Literargeschichte des Hiobbuches ein, wie es hier erhoben werden konnte. So hat Knauf darauf hingewiesen, dass die Nennung der Sabäer und Temäer in Hi 6,19 auf die Zeit zwischen 553 und 400 v.Chr. weise. Dies kann als ein ungefährer Hinweis auf die Abfassungszeit der Dichtung gelten, die noch nicht wie der 316

Knauf, Heimat, 67, war der Ansicht, dass die Teile des Buches entstehungsgeschichtlich einem so engen Zeitfenster entstammen, dass er daher für die Einheitlichkeit plädierte. Inzwischen gesteht Knauf, Multikulturelle Heimat, 64, ein, dass die Anhaltspunkte, die er für eine Einordnung angeführt hatte, lediglich Hinweise für den terminus a quo sind. 317 Vgl. Knauf, Hiobs Heimat, 73.

9. Eingrenzung der Abfassungszeit der Rahmenerzählung

443

Rahmen in der Fiktion der Erzelternüberlieferung stilisiert ist.318 Eher in die frühe Perserzeit weist für die Dichtung ebenfalls die Tatsache, dass in ihr an keiner Stelle eine Auferstehungshoffnung thematisiert ist. Jhwh hat in der Hiobdichtung den Unterweltsbereich noch nicht besetzt.319 Die irreal formulierte Hoffnung, Gott könnte Hiob in der Unterwelt vor seinem eigenen Zorn verbergen, ist noch weit von einer Vorstellung wie jener in Jes 26,19 entfernt. Ez 14 könnte das fertige Hiobbuch voraussetzen, was ebenfalls auf die Perserzeit weist. Die Textfunde von Qumran sind die ältesten Zeugen, sodann die frühjüdische Literatur (11QTgJob, die rabb. Targume und das Testament Hiobs320, die Bezug nehmen auf das Hiobbuch). Wichtiger Zeuge ist auch die jüdische Geschichte von Aristeas, aus der es ein Zitat aus Hi 42,17 bei Eusebius gibt.321 Als terminus ad quem ist wohl der Beginn der hellenistischen Zeit für die Abfassung anzunehmen.322 Dafür, dass das eschatologische Konzept der Rahmenerzählung erst in der hellenistischen Epoche verfasst worden ist, gibt es keine Hinweise, so dass man eher auf die Perserzeit gewiesen ist.323 Dafür spricht auch die Nähe der Himmelsszenen zu Sach 3, wo der Satan in ähnlicher Rolle ebenfalls begegnet, aber auch das dezidierte Beharren darauf, dass von Gott her Gutes und Böses sich in der Welt erklären, was eine Nähe zu der Konzeption DtJes darstellt und auf dualistische Vorstellungen seit der Perserzeit verweist. Dass  im Hiobrahmen eine Funktionsbezeichnung ist wie in Sach 3 und noch nicht wie in 1 Chr 21,1 als Eigenname verwendet wird, und er auch noch nicht als Teil eines dualis318 Zu einem Anachronismus werden die Angaben in der Dichtung erst durch die später verfasste Rahmenerzählung. Die Rahmenerzählung selbst enthält die gleichen Anachronismen wie die Erzelternerzählungen. 319 Vgl. dazu oben, 217. 320 Dieses wird gewöhnlich in seiner Entstehung relativ spät angesetzt. Schaller, Testament, 312, sieht es aufgrund der Sprache erst im Anfang oder in der Mitte des 2. Jh. n.Chr. entstanden. 321 Vgl. Fohrer, Hiob, 542. 322 An die spätnachexilische Zeit an der Grenze zum Hellenismus denkt für das Buch aus inhaltlichen Gründen auch schon Eißfeld, Einleitung, 636. 323 M.E. bringt der Ansatz, bei einer im Buch Hiob enthaltenen Parodie und Satire Hinweise auf Verbindungen zur griechischen Literatur zu sehen, keine klaren Anhaltspunkte für die Abfassungszeit. Gegen Dell, Book, 159f. Zwar ist es richtig, dass die literarischen Bezüge der Rahmenerzählung eine Fülle von parodistischen Elementen enthalten, doch warum sollte dies nicht schon der spätpersischen Zeit entstammen. Dass die im Hiobbuch literarisch verarbeiteten Texte um das Exil herum entstanden und unzweifelhaft theologisch mit dem Exil verbunden sind, dürfte eher für eine mittlere als eine zu späte Entstehungszeit sprechen. Schmid, Authors, weist auf die starke Verflechtung des Buches mit anderer biblischer Literatur hin und vermutet, „that scribal and scholarly activity, as seen in the Book of Job, can probably only have taken place at one location during the Persian and Hellenistic era, namely Jerusalem“ (ebd., 153).

444

Kap. 4: Die literarischen Querbezüge der Rahmenerzählung

tischen Konzeptes erscheint, zeigt ebenfalls, dass wir uns bei der Abfassung eher in der spätpersischen Zeit befinden. Sollte die Funktion des Satans betont gegen dualistische Tendenzen gerichtet sein, wäre dies ebenfalls als ein Argument für die perserzeitliche Abfassung der Rahmenerzählung aufzufassen. Dafür spricht ebenso die kollektive Verwendung des Knechtsbegriffes für das Volk Israel wie auch die Entwicklung eines eschatologischen Gegenkonzeptes zum Deuteronomismus, das noch keine apokalyptischen Tendenzen enthält und keine damit zu verbindenden religiösen Auseinandersetzungen erkennen lässt. Am ehesten ist also auch an die späte Perserzeit zu denken, in der zudem eine gewisse Skepsis dem Tempelkult gegenüber in der von der Diaspora geprägten Theologie zu vermuten ist.

Kapitel 5

Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches 1. Vorbemerkung Die Diskussion der Elihureden insgesamt ist nicht Thema dieser Untersuchung. Auf sie kann verzichtet werden, da die Elihureden zu einem späteren Zeitpunkt zur Hiobdichtung und zum Hiobbuch hinzugekommen sind.1 Gerade ihr sekundärer Charakter macht sie aber für die Frage nach der Entstehung des Hiobbuches aus drei Gründen interessant: Erstens sind die Elihureden mit der Dichtung literarisch eng verknüpft, so dass ihre Abhängigkeit von dieser offensichtlich ist. Zweitens zeichnen sich die Elihureden durch einen besonderen Aufbau aus, der sich an die Hiobdichtung anlehnt. Drittens verfügen die Elihureden wie das Hiobbuch insgesamt über eine Prosaeröffnung. Elihu und seine Reden werden von der Rahmenerzählung nicht erwähnt. Daher ist es naheliegend, dass die Elihureden erst später zum fertigen Hiobbuch hinzugekommen sind. Da die Elihureden allerdings die Rahmenerzählung ebenfalls nicht erwähnen und die ihnen zugrundeliegende Szenerie eher jener der Dialogdichtung entspricht, legt es sich auch umgekehrt nahe, dass die Elihureden zu einer Zeit entstanden sind, als das Buch noch nicht gerahmt war. Dass die Elihureden mit dem Rahmen weder in der einen noch in der anderen Richtung kohärent verbunden sind, macht sie auch angesichts ihrer stilistischen und inhaltlichen Besonderheiten zu einem wichtigen Zeugen für die Literargeschichte des Hiobbuches. Im folgenden Kapitel können anhand der Verhältnisbestimmung von Dichtung und Elihureden, von Prosaeinleitung (32,1–5) und Dichtung auf der einen Seite und der Selbstvorstellung Elihus (32,6ff) auf der anderen Seite, einige offene Fragen der Endphase der Literargeschichte des Hiobbuches geklärt werden. So enthalten die Elihureden Hinweise darauf, wie die der Rahmenerzählung zugrundeliegende Dichtung ausgesehen hat und inwiefern bei der Abfassung des Rahmens in deren Konzept eingegriffen worden ist. 1

Vgl. zur Argumentation unten, 446.

446

Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

Es hat sich in der Forschung weitgehend der Konsens herausgebildet, dass die Elihureden einer späteren literarischen Stufe des Hiobbuches angehören.2 Die Argumente für diese Annahme liegen auf unterschiedlichen Ebenen:3 So ist ihre Sprache vom Aramäischen beeinflusst, was man auch nicht dadurch nivellieren kann, dass man solche Aramaismen historisch für früher möglich hält.4 In den Elihureden ist anders als in den übrigen Reden und im Rahmen eine besonders ausgeprägte Angelologie spürbar.5 Außerdem stehen sie an der Überleitung zu den Gottesreden, nehmen dabei aber z.T. deren Inhalte vorweg.6 Es gehört zu den Eigenheiten der Elihureden, dass sie dabei auf die Dichtung zurückgreifen und aus ihr (mit expliziten Verweisen) zitieren.7 Da sich Vergleichbares innerhalb der vorangehenden Dichtung nicht findet und dort die einzelnen Abschnitte in anderer Weise inhaltlich aufeinander bezogen sind,8 stellt das Zitationsverfahren ein deutliches Argument dafür dar, dass den Elihureden bei ihrer Abfassung die vorangehenden Dialoge schon literarisch vorgelegen haben müssen.9 Die literarische Einheitlichkeit der Elihureden selbst 2 Vgl. Witte [in: Gertz, Grundinformation], Hiobbuch, 427f. Einen differenzierten Rückgriff auf die Forschungsgeschichte bietet auch Schwienhorst-Schönberger [in: Zenger, Einleitung], Ijob, 341f. Eine knappe Zusammenfassung der Argumente bietet Tate, Speeches, 487. Zur Forschungsgeschichte zu den Elihureden überhaupt siehe Wahl, Schöpfer, 1–32. Gegen die Annahme einer späteren literarischen Einfügung der Elihureden in das Hiobbuch wird durch einige Forscher versucht, die Unterschiede der Reden zum übrigen Hiobbuch inhaltlich zu begründen. Vgl. dazu zusammenfassend Kuhl, Literarkritik, 261–263; Fohrer, Hiob, 40f; van Oorschot, Tendenzen, 367f; zur Übersicht vgl. auch Newsom, Job, 558ff. 3 Vgl. die vollständige Auflistung bei Kuhl, Literarkritik, 259f. 4 So Habel, Job, 36 („The so-called late Aramaismus of the Elihu speeches can be interpreted on the basis of earlier Semitic linguistic usage“). Doch der Sprachunterschied bleibt auch so bestehen und wird damit nicht erklärt. 5 Vgl. zum Fürbittengel Janowski, Sühne als Heilsgeschehen, 149f.171ff. 6 Weitere formale Unterschiede führt Dell, Book, 196 (zusammenfassend), an. 7 Vgl. Fohrer, Hiob, 40; Wahl, Schöpfer, 172f. Nach Westermann, Aufbau, 134, „ist [dies] nicht mehr lebendiges Wechselgespräch, sondern literarische Polemik.“ 8 Vgl. oben, 176ff. 9 Vgl. Wahl, Schöpfer, 157–161, der nicht nur eine Abhängigkeit der Reden von den Freundesreden, sondern auch von den Gottesreden annimmt. Auf die Hiobreden gehen die Elihureden durch direkte Zitationen ein. Vgl. ebd., 158f. Als weiteres Argument führt Westermann, Aufbau, 133f, an, dass die eigene Begründung der Elihureden mit dem Nicht-mehr-reden-Können der Freunde nicht den Tatsachen entspricht. Westermann greift dabei auf die eigenen komplexen literarkritischen Überlegungen zum dritten Gesprächsgang zurück (vgl. ebd.). Auch wenn diese Einschätzung problematisch ist, da sie voraussetzt, dass nach der Einfügung der Elihureden noch eine komplexe Literargeschichte des dritten Gesprächsganges folgt, ist das Argument anwendbar. Denn faktisch wird den Freunden gar nicht noch einmal eine Gelegenheit gegeben zu antworten. Der Dialogteil bricht ab, wie die Schlussnotiz gut zeigt. Die Abfassung wie die Einfügung der Elihureden dürfte das schlicht und ergreifend reflektieren. Sie zielt nicht auf die Ergebnisse der bisherigen Diskussion, sondern hauptsächlich auf die formale Gestalt der vorangehenden Dichtung. Ähnlich drückt dies Weiser, Hiob, 221, aus: „Schon der erste Satz deutet die Gründe an, weshalb der Verfasser gerade an dieser Stelle mit seiner Kritik einsetzt: Die Freunde sind am Ende ihrer Weisheit und Hiob fußt auf seiner Selbstgerechtigkeit. In V. 3f sind

1. Vorbemerkung

447

wird zwar immer wieder in Frage gestellt.10 Aufgrund des einheitlichen Stils und Vokabulars sowie einer einheitlichen Bezugnahme zur übrigen Hiobdichtung dürfte die plausibelste Annahme aber doch ihre literarische Einheitlichkeit sein.11 Für die Frage nach dem Verhältnis von Dichtung und Prosa im Hiobbuch ist das auch dort vorliegende Gegenüber einer Prosaeinleitung zu den Elihureden selbst relevant. Denn es handelt sich um das gleiche Phänomen, wie es im Hiobbuch insgesamt begegnet, dass eine Prosaeinleitung die eigentliche(n) Rede(n) vorbereitet. Wenn die Elihureden sekundär zum Hiobbuch hinzugekommen sind, so zeigt ihre Prosaeröffnung, dass man die Reden an der Stelle, an der sie jetzt stehen, nicht ohne eine weitere Kommentierung hat einsetzen können oder wollen, was ein wesentliches Argument dafür ist, dass das Buch zu diesem Zeitpunkt fertig gerahmt war.12

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6 Beim Blick auf die Prosaeröffnung der Elihureden stellt sich die gleiche Frage wie beim Gegenüber von Rahmenerzählung und Dichtung im Hiobbuch, ob Hi 32,1–5 von Anfang an zu den Reden hinzugehört hat,13 oder ob dieser Abschnitt den Elihureden sekundär vorangestellt wurde.14 Die literarische Einheitlichkeit von Prosaeröffnung und Redeabschnitten wurde zuletzt von H.M. Wahl vertreten, der annimmt, dass es sich auch bei Hi 32,1–5 diese Gründe noch einmal wiederholt. Dabei zeigt es sich, daß der Verfasser den künstlerischen Aufbau der Hiobdichtung nicht beachtet, denn das Gespräch zwischen Hiob und seinen Freunden hat schon mit Kapitel 27 sein Ende gefunden, und die Kapitel 29–31 stehen in einer anderen Verbindung, die der Verfasser der Elihureden nicht berücksichtigen konnte, wenn er diese unmittelbar vor den Gottesreden einschieben wollte.“ 10 Siehe z.B. die Überblicke bei Kuhl, Literarkritik, 264f; Wahl, Schöpfer, 8ff. Zuletzt wurde die Einheitlichkeit in der Arbeit von Mende, Durch Leiden, 428ff, mit der Annahme dreier Redaktionsschichten bestritten. Mende ist der Ansicht, dass seit der zweiten Redaktionsschicht sukzessive das gesamte Hiobbuch einer Redaktion unter Einschluss der Elihureden unterworfen war (vgl. ebd., 429ff) 11 Vgl. zusammenfassend Wahl, Schöpfer, 172–175. 12 Diese Aussage sagt noch nichts über das literarhistorische Verhältnis von Prosaeröffnung und Redenabschnitt der Elihureden aus. Synchron betrachtet, bindet 32,1–5 die nachfolgenden Elihureden in den Zusammenhang des Buches ein. So z.B. Driver/Gray, Job, xl; Wahl, Schöpfer, 45. Freilich ist bereits das unvermittelte Auftauchen Elihus an dieser Stelle ein Zeichen dafür, dass die Reden erst später zu dem Zusammenhang hinzugekommen sind. Das Argument, das von den Vertretern literarischer Einheitlichkeit vorgebracht wird, dass Elihu erst dort auftaucht, wo er in die Handlung eingreift (so schon Budde, Hiob, 198), ist nur ein scheinbares, da nach 32,1–5 Elihu beim Reden der Freunde als anwesend vorausgesetzt ist und nun auf sein Schweigen verwiesen wird. 32,1–5 setzt also seine „schweigende“ Präsenz voraus. In 2,11–13 wird dies im Gegensatz zu Elihu nur von den Freunden ausgesagt, und auch in 42,7ff wird Elihu nicht erwähnt. 13 Vgl. Driver/Gray, Job, xl; Maag, Hiob, 205. 14 So u.a. Fohrer, Weisheit, 94; Westermann, Aufbau, 139.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

um das Werk des Verfassers der Elihureden handelt.15 Wahl erklärt die auffällige Doppelung der Vorstellung Elihus im Prosatext und in der nachfolgenden poetischen Selbstvorstellung damit, dass beide Texte „einer unterschiedlichen literarischen Ebene angehören“16. Doch bleibt damit das Problem der zweimaligen Einführung ungeklärt. Es muss sich für Hi 32,1–5 eine von der nachfolgenden poetischen Selbstvorstellung unterschiedene Intention bestimmen lassen. Nur in der Analyse des Zusammenspiels der beiden Einführungen lässt sich die Einheitlichkeit oder der sekundäre Charakter eines der Textabschnitte erweisen.17 Daher soll zunächst die Verbindung der Prosaverse zu ihrem Kontext analysiert und ihre Intention bestimmt werden:     40b Beendet sind die Reden Hiobs.             1 Da hörten diese drei Männer auf, Hiob zu erwidern,         obwohl18 er gerecht war in seinen Augen.              2 Da entbrannte der Zorn Elihus, des Sohnes Barachels des Busiters von der Familie des Ram.          Über Hiob entbrannte sein Zorn, weil er sich für gerechter hielt19 als Gott.       3 Und über seine drei Freunde entbrannte sein Zorn      darüber, dass sie keine Erwiderung gefun    den hatten,20 als sie Hiob beschuldigten. 15

So Wahl, Schöpfer, 45f. Faktisch wiederholen sich hier die Argumentationen wie zur Rahmenerzählung des Hiobbuches. 16 Wahl, Schöpfer, 45; es handelt sich um das einzige Argument für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von 32,1–5 und 6ff. 17 Die einfachste Annahme ist es, dass Hi 32,1–5 dazu dient, Nebeninformationen zur Charakterisierung der nachfolgenden Rede einzubringen. Einen Versuch, in diese Richtung zu gehen, hat Richter, Studien, 111, unternommen. S.E. markieren die Verse die Wiederaufnahme des „Rechtsstreites mit Hiob“. 18 Auch wenn man als Grundfunktion der Konjunktion  die Einleitung von Kausalsätzen annimmt, liegt hier aufgrund des Inhaltes das Gegenteil eines Kausalsatzes vor. Es handelt sich um einen Konzessivsatz. Vgl. Gesenius18, 540. Vgl. unten, 450f. 19 Der Satz ist eine polemische Wiedergabe von Hiobs Grundhaltung. Daher kann der Inf. von   hier sachgemäß mit „sich für gerecht halten“ wiedergegeben werden. 20 Perf. drückt die Abgeschlossenheit des Handelns der drei Freunde aus. Dagegen zeigt das waw-Imperfekt  eine im Gang befindliche Handlung. Der Verfasser wollte mit der Voranstellung von       und mit der Begründung      die Anbindung an den vorangegangenen Vers       deutlich machen, was ja auch die Eröffnung von V. 3 mit waw-Kop. zeigt.  steht zwar erst danach, blickt aber auf das zum Abschluss gekommene Sprachgeschehen zurück, so dass eine Anbindung mit Temporalsatz – wie in der Übersetzung vorgeschlagen – gerechtfertigt ist.

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6

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22

     21   4 Und Elihu hatte bei Hiob mit Worten gewartet,23      weil sie älter waren als er an Tagen.     5 Und als Elihu sah,         dass keine Antwort war im Munde der     drei Männer, da entbrannte sein Zorn.           6 Und Elihu, der Sohn des Barachel, des Busiters antwortete und sprach:

Die Notiz in 31,40b durchbricht die parallele Struktur des Verses. Bei dem Halbvers handelt es sich also im engeren Sinne nicht mehr um einen Bestandteil des poetischen Textes. Aus formalen Gründen muss die Abschlussnotiz daher im Zusammenhang der Prosaverse erörtert werden. Eine Nähe besteht zu Abschlussformulierungen wie    (Jer 51,64) und      (Ps 72,20).24 Hi 32,1 steht mit 31,40b über das gemeinsame Thema des Nicht-mehr-Redens in einer Beziehung, und auch die den Zusammenhang unterstreichende Wiedergabe durch die LXX zeigt, dass man 31,40b bei der Analyse von 32,1–5 nicht uninterpretiert lassen darf.25 Die meist als Unterschrift unter 31,40a angesehene Formulierung     nimmt Bezug auf eine Mehrzahl von Hiobreden. Da sich die Formulierung direkt an die dreigliedrige Struktur des vorangehenden Hiobredenabschnittes anschließt, die durch die Überschriften Hi 26,1; 27,1; 29,1 21 Die LXX scheint hier eine andere Wortstellung vorauszusetzen und anstelle oder zusätzlich von   eine Infinitivkonstruktion gelesen zu haben. Der Konjekturvorschlag, den Fohrer, Hiob, 446, mit  D+ " + macht, ist dadurch aber nicht gedeckt. Ähnlich Pope, Job, 242, der zusätzlich    emendiert. Die Konjektur ist aber nicht notwendig. Denn „4b [setzt] die Erwähnung der Freunde“ nicht „in 4a voraus“ (gegen Fohrer, ebd.), da von diesen ja in V. 3 die Rede ist. Da  ohne einen weiteren Inf. kein Objekt regieren kann, muss  Präposition sein. Elihu hat also bei Hiob gewartet, wie dies in Hi 2,13 von den anderen Freunden berichtet wird. 22 Wenn man auf eine weitgehende Konjektur verzichtet, ist der Bezug von   nicht eindeutig. Vgl. Newsom, Job, 562. Dass sich der Ausdruck auf die Worte der Freunde bezieht (so Gordis, Job, 367), gibt der übrige Satz (      ) und darin die Präposition  nicht her. Die indeterminierte Form von   lässt aber auch keinen Rückbezug auf    erkennen. Wenn man   als determiniert interpretieren würde, konkurrierte der Ausdruck mit    im gleichen Satz. Daher kann sich   nur auf Elihus eigene Worte beziehen. Als Bedeutung des Satzes ergibt sich „und Elihu hatte bei Hiob mit Worten gewartet“. So auch Newsom, Job, 562. 23 Zur Übersetzung siehe die Anmerkungen zum hebräischen Text. 24 Vgl. Wahl, Schöpfer, 37. 25 Dies hat schon Budde, Hiob, 197, zu einer zusammenhängenden Betrachtung von 31,40b; 32,1 bewogen. Doch darf das nicht über die formalen und inhaltlichen Probleme des Zusammenhangs hinwegtäuschen. Jedenfalls ist es nicht möglich, 32,1ff ohne die Beziehung zum vorangehenden Halbvers zu interpretieren.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

ohne Sprecherwechsel hergestellt wird, ist es wahrscheinlich, dass mindestens diese drei Reden mit     in den Blick genommen werden. Die unpersönliche Formulierung von 31,40b zeigt, dass sie zunächst eine Funktion an der Textoberfläche hat. Mit ihr soll ein Einschnitt markiert werden.26 31,40b hat also eine mit den Redeeröffnungen im Dialogteil vergleichbare Funktion. Demgegenüber bildet Hi 32,1 einen inhaltlichen Abschluss des vorangehenden Abschnittes der Dichtung, wobei gleichzeitig weiter ausgegriffen wird, indem der Fokus nun (anders als in 31,40b) auch auf die Freundesreden gerichtet wird. Im Gegenüber von 31,40b und 32,1 zeigt sich ein erstes Kohärenzproblem. Während das Sprechen bzw. das Ende des Sprechens der Hauptfigur Hiob nur mit einer kurzen Bemerkung resümiert wird, berichtet Hi 32,1a von einem Verstummen der Freunde. Dies wird als Handlung ausgedrückt, dass die Freunde aufhörten, Hiob zu widersprechen. Außerdem schließt sich daran noch ein -Satz an. Die Thematisierungen des Schweigens der Freunde und Hiobs sind also formal völlig unterschiedlich gestaltet. Inhaltlich sind die beiden Aussagen nicht verbunden. Sie stehen einander disparat gegenüber.27 Anders als Hi 31,40b dient Hi 32,1 mit dem Bericht, dass „diese drei Männer aufhörten, Hiob zu antworten“ und dem nachfolgenden -Satz dazu, die Reden Elihus zu motivieren. Der Sinn des -Satzes ist dabei entscheidend. Anders als in der LXX, die den -Satz begründend wiedergibt (öźÛÉ ѹ»ĕÁ¸ÀÇËëŸÅÌĕÇŸĤÌľÅ „denn er war gerechter als sie“) und Hiob damit indirekt einen Triumph über die Freunde zugesteht, liegt in MT keine Begründung vor. Eine erste Interpretationsmöglichkeit ist es, dass der -Satz sich als Objektsatz an    anschließt: „Diese drei Männer hörten auf, Hiob zu widersprechen, dass er gerecht war in seinen Augen.“ Eine solche, neutrale Bezugnahme in dem -Satz auf den zentralen Vorwurf der Freunde gegen Hiob ist aber nicht wahrscheinlich. Dagegen spricht der Fortgang des Prosatextes in Hi 32,2ff, in dem auch Elihus Zorn über das Schweigen der Freunde (V. 3) angesichts der von Hiob behaupteten Gerechtigkeit betont wird. Daher dürfte der -Satz konzessiven Sinn haben („obwohl er gerecht war ...“). Er beinhaltet so bereits eine gewisse Kritik an dem ungerechtfertigten Schweigen der Freunde. Der Vorzug dieser Deutung besteht darin, dass sie dem in Hi 31,40 erreichten status quo in der vorangehenden Dichtung entspricht: Gegen das Beharren Hiobs auf seiner Gerechtigkeit waren die Freunde von Anfang an eingeschritten, hatten aber keinen 26

Vgl. oben, 36, Anm. 16. Das Problem umschifft Syring, Hiob, 143, indem er 31,40b als Temporalsatz übersetzt, was zudem die Einfügung einer Zäsur durch die Masoreten ignoriert. 27

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6

451

Erfolg mit ihrer Erwiderung. Denn dieser hätte nur in einem Einlenken Hiobs bestehen können.28 In der Nominalphrase      in V. 1a stellt der Rückbezug des Demonstrativums ein stilistisches Problem dar.29 Eigentlich erwartet man im direkten Kontext eine Angabe, worauf es sich bezieht. Vom Inhalt her ist allerdings klar, dass nur die drei Freunde Hiobs in Frage kommen. Es stellt sich aber die Frage, warum in dieser Weise ein Bezug zu den drei Freunden hergestellt wird. Für die Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, was nach Hiobs Reden im Dialogteil eigentlich folgen müsste: Man erwartet eine Erwiderung der Freunde – bzw. genauer – eines der drei Freunde Hiobs. Da der dritte Gesprächsgang im Dialogteil gegenüber den vorangehenden Gesprächsgängen unvollständig ist (die dritte Bildadrede ist sehr kurz; eine dritte Zopharrede fehlt ganz), dürfte sich auch die Formulierung       ...  auf die eigentlich zu erwartende Erwiderung der Freunde bzw. Zophars beziehen.     stellt damit formal einen Rückgriff auf die übliche Eröffnungsformulierung  ...   dar. Hi 32,1a bezieht sich also auf die Unvollständigkeit des dritten Gesprächsganges zurück. Der eigentümliche Gebrauch des Demonstrativpronomens könnte damit in einem Zusammenhang stehen. Das Schweigen Zophars wird hier als Gesamtkonzept der Freundesreden aufgefasst und die drei Freunde werden insgesamt als schweigend charakterisiert. Zugleich leitet die Mitteilung vom Verstummen von drei Vorrednern indirekt zur Nennung eines neuen Sprechers über. Da die Vorredner nicht weiter Hiobs Behauptung, wie sie in dem Konzessivsatz 32,1b festgestellt wird, widersprechen, muss jetzt ein neuer Gesprächspartner zu Wort kommen. Anders als es bei einer Bezeichnung der Vorredner mit   oder       der Fall wäre, wird durch den Ausdruck      eine Koordinierung Elihus mit seinen Vorrednern ermöglicht.

28 Wahl interpretiert den -Satz als Begründungssatz und übersetzt „denn Hiob hielt sich für gerecht“ (Wahl, Schöpfer, 39). S.E. „begründet [der Satz] das endgültige Scheitern der bisherigen Auseinandersetzung“. Das von Wahl angeführte endgültig hat aber überhaupt keinen Anhalt in der Formulierung, so dass es sich eher um eine Zusammenfassung von Hiobs Grundposition und eben nicht um eine Begründung handeln dürfte. 29 Das Problem wird in der Literatur kaum zur Kenntnis genommen und oft durch harmonisierende Übersetzungen ausgeglichen. Vgl. Fohrer, Hiob, 446. Wahl schreibt: „Die   sind irgendwelche, fast möchte man sagen, beliebige Menschen“ (Wahl, Schöpfer, 39). Diese aus dem Gegenüber der Nominalphrase zu der sonst üblichen Bezeichnung als Freunde explizierte Einsicht widerspricht der üblichen Funktion des Demonstrativpronomens, das sich als Nahdeixis auf im direkten Kontext vorher Genanntes zurückbezieht. Siehe dazu GK §136a, 463.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

Noch einmal anders verhält es sich im Fortgang des Prosaabschnittes in Hi 32,3. Nachdem Elihu in die Szenerie eingeführt worden ist, kann er nun wieder von den drei Freunden abgegrenzt werden, weshalb dort     gebraucht wird. Da offenbar diese Formulierung das in 32,1a mögliche Äquivalent darstellt, ergäbe sich dort etwa folgende Konstruktion:  30         . Es ist erkennbar, dass in einem solchen Satz das Gewicht stärker auf Hiob verlagert würde, als es in der Konstruktion von MT der Fall ist. Denn die Freunde würden dann im Zusammenhang seiner Person thematisiert, was für den nachfolgend eingeführten Elihu sofort die Frage nach seinem Verhältnis zu Hiob aufwerfen würde. Damit wird deutlich, dass ...  sich einerseits auf die schon vorliegende Abschlussformulierung in Hi 31,40b bezieht, andererseits auf die im Dialogteil fehlende Erwiderung von Hiobs ersten Gesprächspartnern. Der Fortgang des Verses mit dem Konzessivsatz zeigt, dass die Art und Weise des Rückbezuges auf die Vorredner schon dazu dient, den neuen Redner einzuführen.31 Das formale Problem der unpersönlichen Formulierung der kurzen Abschlussnotiz (31,40b) und die überleitend gestaltete Formulierung von Hi 32,1 zeigen, dass 32,1 sekundär an einen vorher vorgegebenen Zusammenhang und eine vorgegebene Formulierung angeheftet worden ist.32 V. 2 führt eine neue Person gegenüber den in V. 1 summarisch genannten drei Personen, die Hiob „erwidert“ hatten, ein. Inhaltlich ist mit der Einführung der neuen Person und mit dem Einsatz bei dem Zorn dieser Person (!) eine Anknüpfung an den vorangehenden Vers intendiert. Die drei Männer hören auf zu erwidern (V. 1). Die Aussage (V. 2) über den Zorn der neuen Person stellt bereits eine Charakterisierung der nachfolgenden Rede dar. Ihre Einführung unterscheidet sich von jener aller anderen im Hiobbuch namentlich genannten Figuren. Zunächst wird der direkte Vatersname, dann das Gentilizium bzw. Patronym33  , dann die Sippe, zu der er gehört, aufgeführt:          . Der Name Elihu ist, anders als die Namen von Hiobs Freunden und auch anders als „Hiob“, ein in der Hebräischen Bibel für Israeliten gebrauchter Name. 34 Der VatersnaAnstelle des zweiten   wäre Substitution durch das Suff. notwendig geworden. Die Verbform  allein impliziert noch keine weitere Auseinandersetzung. Gegen Wahl, Schöpfer, 39. 32 Die Abschlussfunktion von 31,40b (vgl. dazu oben, 450) könnte vielleicht vor der Einfügung der Elihureden mit der nachfolgenden Eröffnung der Gottesreden in einem Zusammenhang gestanden haben. 33 Zur Problematik der Begrifflichkeit und zu der Entscheidung dafür vgl. oben, 32, Anm. 4. 34 Die Namensform differiert. In Hi 32,2.5.6; 34,1; 36,1 findet sich   , in Hi 32,4; 35,1 findet sich  . 30 31

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6

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me  kommt zwar sonst nicht vor, doch ist die Namensform hebräischen Satznamen ähnlich, wobei die parallele Namensform  mehrfach bezeugt ist. Die Kombination der verschiedenen Angaben lässt keine klare Identifikation mit einer biblisch bezeugten Gestalt zu. Einen Ansatzpunkt bietet lediglich die zusätzliche Angabe der Sippe (  ), die eine Verbindung zur Familie Davids andeuten könnte.35 Zu einer genaueren Einordnung der Person kommt man allerdings auch dadurch nicht.36 Ein Hinweis, der aber ebenfalls nicht zu einer exakten Einordnung führt, besteht darin, dass in Gen 22,21   als Bruder eines  erscheint. H.M. Wahl vermutet einen Bezug von Hi 32,2 auf den Genesistext.37 Doch wird Hiob in Hi 1,1 explizit nicht als „Uziter“ eingeführt, sondern nur seinem Aufenthaltsort nach als im Lande Uz ansässig. Dennoch könnte es sein, dass durch Hi 32,2 Hiob und Elihu hier aneinander angenähert werden sollen.38 Interessant ist, dass die Vorstellung des Elihu sofort mit der Information eröffnet wird, dass sein Zorn entbrannt ist. Der Zorn Elihus ist das bestimmende Thema in 32,1–5. Die Phrase   wird viermal gebraucht,39 so dass auf ihr besonderes inhaltliches Gewicht liegt. Zorn ist ein Affekt, dem eine zerstörerische Kraft innewohnt.40 Er wird daher in der Weisheit durchgängig abgelehnt.41 Auch wenn in Hi 19,11; 20,23 (    ) und 42,7 die Phrase in Bezug auf Gott gebraucht ist, so ist dennoch deutlich, dass sie auch dort einen negativ bewerteten Affekt bezeichnet. Denn gerade dort wird die zerstörerische Kraft des Zorns besonders deutlich.42 Weil die Weisheit Handeln aus Zorn ablehnt, ist die mehrfache Charakterisierung von Elihus Reden als Ausdruck seines Zorns von besonderer Bedeutung. 43 Er ist daher in den Vergleich von Hi 32,1–5 und 32,6ff einzubeziehen. 35

Der Name kommt als Bezeichnung eines Vorfahren Davids vor. Vgl. Mende, Durch Leiden, 23. Einen Überblick bietet Newsom, Job, 562. Die Verf.in überlegt, ob es sich um den Namen des Verfassers der Kapitel 32–37 handelt. Vgl. weiter den Vergleich von Hi 32,2 mit Hi 32,6 unten, 455. 36 Vgl. auch Newsom, Job, 562; Wahl, Schöpfer, 40ff. 37 Vgl. Wahl, Schöpfer, 41. 38 Vgl. Mende, Durch Leiden, 355f. Vgl. zu diesen Fragen unten, 465f. 39 Wahl, Schöpfer, 43, vermutet, dass das viermalige Auftreten der Formulierung etwas mit der Vierzahl der Gegner Elihus zu tun hat. Dies ist schwer nachvollziehbar, da der erste (32,2a) und der letzte Beleg (32,5) eine Klammer um den Ausdruck des Zorns über Hiob (32,2) und die Gesamtheit der Freunde (32,3) bilden. 40 Vgl. Freedmann/Lundbom,  , ThWAT III, 187f. 41 Siehe z.B. Ps 37,1.7; 124,3; Spr 14,17; 15,18; 19,11; 22,24; 24,19; 27,4; 29,9.22; 30,33, aber vgl. auch Gen 4,6f; Jon 4,4ff. Vgl. Freedmann/Lundbom,  , ThWAT III, 188. 42 Vgl. dazu die Texte, in denen eine Besänftigung des Gotteszorns beschrieben wird, und besonders die Formulierung im Hiobepilog Hi 42,7f (     ...     ).

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

V. 2 enthält zwei finite Verbformen. Es müssen also zwei Sätze vorliegen. Doch wo die Satzgrenze verläuft, ist erst am Beginn des nachfolgenden Verses (V. 3) erkennbar. Durch den Satz       zeigt sich, dass in V. 2 schon mit   ein neuer Satz anfängt. Es stehen sich also zwei parallele Formulierungen gegenüber, die sich an 32,2a anschließen. Beide Formulierungen enthalten jeweils eine Begründung für den Zorn gegen Hiob und seine Freunde: Die Begründung von Elihus Zorn gegen Hiob fügt sich kohärent mit der Aussage des Verstummens der Vorredner in 32,1 zusammen. Diese hatten es nicht vermocht, eine Erwiderung auf Hiobs Behauptung, er sei gerecht, zu finden (32,1b). Durch die Begründung von Elihus Zorn wird ein Zusammenhang zu dem von den Vorrednern angegriffenen Vorwurf hergestellt. Allerdings beinhaltet diese zugleich eine Steigerung. Die Aussage, Hiob habe sich für gerechter gehalten als Gott, stellt nicht mehr eine summierende Rezeption von Hiobs Argumentation dar, sondern greift aus den Hiobreden eine extreme Position heraus.43 Elihus Zorn auf die Freunde wird breiter ausgeführt: Die Freunde hätten aus ihrem Unvermögen heraus (    ) keine Antwort gegen Hiob gefunden, diesen (MT) aber dennoch zum Frevler gemacht (32,3b) (mit  Hif.).44 In V. 4f wird danach weiter begründet, warum Elihu erst zu diesem 43 Der negative Aspekt des Zornes wird in den Untersuchungen kaum thematisiert. Eine Ausnahme findet sich bei Fohrer, Weisheit, 94, der den Unterschied zwischen den Elihureden und 32,1–5 betont, wo „das Zornigsein offensichtlich als für die Haltung Elihus kennzeichnend“ hervorgehoben wird, während „sich Elihu [in seinen Reden] keineswegs als der zornige junge Mann [erweist]“. In seinem Kommentar (Fohrer, Hiob, 447) spricht er von einem „gerechten, heiligen Zorn“. Meist wird der Zorn entsprechend als gerechtfertigt angesehen: „Der ‚Zorn‘, d.h. die sittliche Entrüstung über das Versagen der Freunde und die Selbstgerechtigkeit des Hiob, wird hier als das Motiv des Eingriffs Elihus in die Debatte mit auffallender Betonung herausgestellt“ (Weiser, Hiob, 221); vgl. Mende, Durch Leiden, 357. 44 Die LXX liest hier Á¸Ė쿼ÅÌǸĤÌġżčŸÀÒʼ¹ý „Und sie machten ihn zu einem Unfrommen“. Ihr Text könnte in ihrer Vorlage auf die Formulierung    zurückgehen. Diese Formulierung bietet eine Erklärung des Rekurses der rabbinischen Literatur auf einen vermeintlichen Tiqqun Sopherim. Die Rabbinen meinen, dass hier ursprünglich nicht   , sondern    bzw.    gestanden habe. Vgl. dazu allgemein McCarthy, Tiqqune Sopherim, 115ff. Vergleicht man den vorgeschlagenen Tiqqun (    ) mit der mutmaßlichen Vorlage der LXX (LXX-V), zeigt sich eine Affinität in der Textgestalt. Der Tiqqun könnte auf einen Lesefehler der LXX-V von Hi 32,3 zurückgehen. Man hätte dann das Suff. 3. Sg. mask. an der Verbform als Abbreviatur des Gottesnamens oder von   missverstanden. Während der von LXX und MT bezeugte Text sich inhaltlich nahe sind, entfernt sich der Tiqqun von deren Aussage. Diese entspricht nicht dem engeren Kontext und auch nicht der Intention der Dichtung. Weiterhin würde Elihu hier über die Freunde eine Aussage machen, die Gott in Hi 40,8b in einer rhetorischen Frage an Hiob richtet. Zum gleichen Ergebnis aufgrund weiterer textkritischer Überlegungen

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6

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Zeitpunkt zu reden beginnt. V. 4 scheint dabei mit der Angabe der Begründung für Elihus Warten ein neues Thema anzureißen. Doch kommt V. 5 noch einmal darauf zurück, dass „keine Antwort in ihrem Munde gegen Hiob“ war, so dass sich eine inhaltliche Klammer zwischen 32,3a und 5 ergibt. Das hat nun allerdings inhaltlich ein eigentümliches Bild zur Folge, da das Warten aufgrund des Alters eigentlich eine Art ehrfürchtige Zurückhaltung darstellt, während die Betonung des Zornes in die entgegengesetzte Richtung weist. Es schließt sich in 32,6a (          ) direkt vor der poetischen Selbstvorstellung Elihus die eigentliche Einleitung von dessen Rede an, die in ihrer Stellung und Formulierung mit den Überschriften der Freundesreden und der Hiobreden vergleichbar ist. Auffällig ist aber, dass in V. 6a nach der Einführung Elihus in Hi 32,2a eine weitere ausführliche Vorstellung Elihus folgt und dies in einer gegenüber V. 2a parallelen, aber etwas kürzeren Form. Hierbei handelt es sich um ein stilistisches Problem, da sowohl Hi 32,1–5 als auch in Hi 32,6a zur Erzählebene gehören. Normalerweise ist es in Erzählzusammenhängen üblich, dass nach der ausführlichen Einführung einer Person auf diese nur noch durch Rekurrenz des Namen oder durch Substitution zurückverwiesen wird. Das Nebeneinander der beiden ausführlichen Einführungen in Hi 32,2 und 32,6a ist umso auffälliger, als in den dazwischen liegenden Versen 4f, die den Zusammenhang der V. 1f fortsetzen, zweimal – wie in Erzähltexten gebräuchlich – nur der Name wiederholt wird. Mit der stilistischen Auffälligkeit der zweifachen ausführlichen Einführung des Elihu geht ein inhaltliches Problem einher. Der Vergleich von Hi 32,2a und 6a zeigt, dass in 2a zusätzlich die Zugehörigkeit zur Sippe des Ram (  ) behauptet wird. Die plausibelste Erklärung dafür ist, dass man vor der eigentlichen Überschrift und also vor einer ursprünglich ersten Elihurede (in 32,6a) in der zur Prosaeinführung gehörigen Formulierung 32,2a die Herkunft Elihus durch die Angabe seiner Sippe noch genauer zu bestimmen suchte. Eine willkürliche zusätzliche Zuweisung des Sippennamens ist auszuschließen,45 da die Sippe keine obligatorische Angabe ist. Allerdings kommt man bei dem begrenzten Quellenzugriff nicht zu einer Identifikation mit einer biblisch oder außerbiblisch erwähnten Figur, da der Vatersname  in der Hebräischen Bibel sonst nicht vorkommt. Die genauere Bestimmung von Elihus Herkunft durch    könnte aber dem Problem, dass es in den biblischen Texten unter Einbeziehung der Targumim und der Vulgata kommt McCarthy, Tiqqune Sopherim, 119. Zur inhaltlichen Problematik des Tiqqun vgl. Stier, Hiob, 330. Der Tiqqun ist damit als eine in der rabbinischen Tradition erhalten gebliebene abweichende Lesart anzusehen. 45 Gegen Fohrer, Hiob, 447; Wahl, Schöpfer, 41f.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

keinen  gibt, Rechnung getragen haben. Patronym und Vatersname Elihus wollte man – oder konnte man – nicht mehr ändern. Da beides aber nicht für eine genealogische Fixierung geeignet war, versuchte man, durch    eine ungefähre Zuordnung Elihus zu erreichen. Intendiert könnte daher in V. 2a gegenüber V. 6a die Zugehörigkeit zum Stamm Juda in der Nachkommenschaft des Hezron sein (Ru 4,19). Denn es findet sich dann auch in 1 Chr 27,18 unter den Brüdern Davids ein Elihu (1 Sam 16,16; 17,13.28; 1 Chr 2,13; 2 Chr 11,18  ). Damit wird Elihu durch die Angabe der Sippe in V. 2a an eine judäische Tradition angebunden. Ob auf eine eventuelle Verwandtschaft zu David angespielt werden sollte, bleibt allerdings Spekulation. Doch könnte die offenbar sekundäre Zuweisung Elihus zum Stamm Juda auch die umgekehrte Absicht verfolgen: Wir hatten oben festgestellt, dass die Rahmenerzählung des Hiobbuches Hiob bewusst nicht genealogisch fixiert. Außerdem war deutlich geworden, dass ein eigentümlicher Zusammenhang zwischen Hiob und Elihu über Hiobs Wohngegend – das Land Uz – besteht, wo ein Bus und ein Uz als Nachkommen Nahors in Gen 22,21 erwähnt werden. Wenn Hi 32,2 gegenüber Hi 32,6 die Tendenz aufweist, Elihu stärker nach Juda hinzuziehen, bedeutet dies auch, dass er von einer (vielleicht mit Gen 22,21 in einer Verbindung stehenden) heidnischen Herkunft abgerückt werden soll. Damit könnte sich in einer solchen sekundären Veränderung der Herkunft Elihus eine ähnliche Tendenz wie in der Rahmenerzählung widerspiegeln, wo die genealogische Herkunft Hiobs verschleiert wird. Dies könnte ein interessantes Licht auf Hiob werfen Wenn bei Elihu ursprünglich von einem Busiter und Nachfahren Nahors die Rede gewesen ist, dann könnte auch bei Hiob eine Herkunftstradition im Hintergrund stehen, nach der dieser einmal als Uziter und ebenfalls als Nachfahr Nahors geführt wurde.46 Bei dem Durchgang durch die Prosaeinführung der Elihureden ist eine pointierte Intention derselben zutage getreten. Hi 32,1–5 soll das Auftreten Elihus zu eben diesem Zeitpunkt begründen und es mit dem vorangehenden Text in eine Verbindung bringen. Innerhalb von Hi 32,1–5 ließen sich keine Kohärenzprobleme feststellen, die für eine Überarbeitung sprechen. Allerdings sucht Hi 32,1 eine Verbindung zu der vorangehenden und schon bestehenden Dichtung mit der Abschlussmarkierung 31,40b herzustellen. Über Hi 32,2a deutet der Text durch die Ergänzung von    gegenüber 32,6 eine Verbindung Elihus nach Juda an. Diese Veränderung ist neben dem eigentümlichen Nebeneinander zweier ausführlicher Namensnennungen in 32,2 und 6a ein Hinweis darauf, dass Hi 32,1–5 insgesamt 46

Allerdings handelt es sich bei dieser Möglichkeit nicht um die einzige Zuweisung Hiobs zu einer heidnischen Herkunft, so dass man über Mutmaßungen nicht hinauskommt. Vgl. unten, 467f.

2. Der Prosatext in Hi 31,40b–32,6

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gegenüber 32,6ff sekundär ist. Dem Zusammenhang zwischen 32,1–5 und dem nachfolgenden Text ist im Folgenden weiter nachzugehen.

3. Der Prosatext Hi 32,1–5 und die Selbstvorstellung Elihus Hi 32,6–21 Da der Prosatext und die poetische Selbstvorstellung Elihus inhaltlich erklären wollen, warum Elihu erst jetzt redet, sind Bezüge zwischen den beiden Textabschnitten in der Sache begründet. Freilich ist die inhaltliche Doppelung in Prosa und Dichtung insofern auffällig, als sie für den Leser, der ja die Prosa bereits wahrgenommen hat, eine Redundanz darstellt. 47 Dies allein ist zwar auch dann noch kein eindeutiges Kennzeichen dafür, dass hier eines von beiden Elementen sekundär ist, doch muss sich, wie bereits festgestellt, eine bestimmte Absicht der Doppelung zeigen. Es ist richtig, dass es sich um zwei unterschiedliche Kommunikationsebenen handelt: Was die Leser aus der Prosaeröffnung wissen, ist bei den „Zuhörern“ auf der Ebene der Elihureden, also bei Hiob und seinen drei Freunden, noch nicht als bekannt vorausgesetzt.48 Doch die Probleme lassen sich nicht mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Kommunikationsebenen lösen.49 Denn bereits die Doppelung der Einführung des Elihu zwischen 32,2 und 32,6a von Prosa und poetischer Selbstvorstellung spricht für eine sekundäre Verklammerung. Es ist nun zu prüfen, ob – und wenn ja – inwiefern sich eine Kohärenzlinie über die Grenze zwischen Erzähltext und poetischen Text hinweg feststellen lässt: Wie bereits erwähnt, ist der Zweck von Hi 32,1–5, zu den Reden überzuleiten und das späte Auftreten Elihus zu begründen. Dies wird mit Elihus Zorn über Hiob und seine Freunde begründet. Es ist nun in der Selbstvorstellung des Elihu diesem bereits innerhalb von 32,1–5 auffälligen Aspekt nachzugehen; denn eine Erwähnung dieser Emotion (des Zorns) auf der Erzählebene charakterisiert die nachfolgende Rede. Wenn es für Hi 32 ein ein47 Dass die Vorstellung Elihus in 32,1–5 angesichts der Selbstvorstellung nicht notwendig ist, wird von Syring, Hiob, 146f, angeführt. Anders H.M. Wahl, der auf die Zugehörigkeit zu „einer unterschiedlichen literarischen Ebene“ (Wahl, Schöpfer, 45) verweist. 48 Dies führt Wahl, Schöpfer, 45f, als Begründung für die Ursprünglichkeit an. Das Gleiche wird von Syring, Hiob, 145, als Hinweis auf die sekundäre Einfügung entsprechend der s.E. sekundären Verse 2,11–13, der „Satanszenen“ und 42,7–9 aufgefasst. Doch ist die Erzählperspektive „des allwissenden Erzählers“ ein Grundcharakteristikum der Prosaabschnitte und nicht nur einzelner Abschnitte daraus, so dass dies nicht als literarkritisches Kriterium geeignet ist. 49 Wahl, Schöpfer, 45, meint, dass die Texte „sich sogar wechselseitig in der Komposition [ergänzen]“.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

heitliches literarisches Konzept gibt, wenn es sich also um das einheitliche Werk desselben Verfassers handelt,50 müsste sich in 32,6ff erweisen, warum die Verse 32,1–5 vorangestellt worden sind und die Vorstellung Elihus sich mit seiner Selbstvorstellung doppelt. Die Selbstvorstellung setzt mit dem Altersunterschied zwischen Elihu und seinen Vorrednern ein (V. 6f). Die beiden Verse stehen damit Hi 32,4 aus der Prosaeinleitung gegenüber. Dort wurde allerdings Elihus geringeres Alter mit der Erwähnung seines Zornes verbunden. Doch während der Zorn den Prosaabschnitt zusammenhält und dessen Leitmotiv ist, wird in der Selbstvorstellung der Zorn nicht zur Sprache gebracht, und die Rede drückt einen solchen weder in Kap. 32 noch zu Beginn von Kap. 33 aus,51 wo sich Elihu direkt an Hiob wendet.52 Eine harte Polemik gegen die Freunde wird oft in V. 8–10 gesehen,53 was sich auch in vielen Übersetzungen widerspiegelt. Doch zeigt sich bei Lichte betrachtet, dass diese Verse dennoch gerade keinen Zorn Elihus ausdrücken: Zunächst wird noch in V. 6b von einer Furcht Elihus geredet, da er ja jünger ist als seine Vorredner. Die Verbindung von  mit 54 lässt auf eine aufgrund großer Achtung gebotene Zurückhaltung schließen, was sich auch direkt in den V. 11f zeigt. Elihu hatte die Vorredner bis zum Schluss ausreden lassen. Erst dann konnte er das Wort ergreifen.55 Damit ist  in V. 6b im Sinne von „verehren“ gebraucht. Nun ist die Form, in der Elihu sein Redeansinnen einführt, interessant. Zunächst wird in V. 7 noch einmal als Prämisse vorangestellt, dass das Alter zunächst zu sprechen habe. Die Perfektform  verweist dabei aus der direkten Rede, also aus der aktuellen Position, aus der Elihu spricht, auf die Zeit seines Wartens zurück. Auf sein Reden verweist Elihu in V. 8 mit der Aussage, dass der Verstand kein ‚ursprünglicher‘ Besitz des Menschen ist. Damit begründet Elihu indirekt, dass 50 Nebenbei sei bemerkt, dass auch die Annahme einer Abfassung des Textes durch denselben Verfasser zu einem späteren Zeitpunkt in seiner Biographie (so Habel, Job, 36), den Sachverhalt nicht verändert. 51 Vgl. Fohrer, Weisheit, 94. 52 Auch darüber hinaus findet sich kein Ausdruck des Zornes in den Elihureden. Die Polemik in Hi 34,7f; 34,34–37 ist gegen Hiob gerichtet und liegt auf einer anderen Linie. Siehe dazu unten, Anm. 68. 53 So Budde, Hiob, 201f; ähnlich Fohrer, Hiob, 451; Wahl, Schöpfer, 48. 54 Gesenius18, 298, interpretiert „darum habe ich mich verkrochen und gefürchtet“. Besser dürfte es sein mit Gesenius17, 196, eine zweite Wurzel  vom Altaramäischen her anzunehmen, die synonym zu  ist. Dafür spricht, dass im späteren Aramäisch eine parallele Wurzel bezeugt ist. Dieser Hinweis stammt von Herrn Dipl. theol. H. Samuel. 55 Überhaupt ist von hier aus zu fragen, wie es um die Kompatibilität zwischen der Zurückhaltung und dem Zorn, die in der Prosaeinführung zusammen erwähnt werden, bestellt ist.

3. Der Prosatext Hi 32,1–5 und die Selbstvorstellung Elihus Hi 32,6–21

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er selbst zu verständiger Rede imstande ist.56 Bei dem sich anschließenden V. 957 sieht man eine Polemik: „Da Elihu in Gottes Namen weise reden kann (V. 8), ist der überlieferte Grundsatz, daß vornehmlich das Alter einsichtig ist, aus den Angeln gehoben (V. 9).“58 Dieses Verständnis würde tatsächlich nicht nur gegen die Vorredner gerichtet sein, sondern die Aussage würde in solcher Allgemeinheit59 für die Antike insgesamt und für die Weisheit im Speziellen eine Ungeheuerlichkeit gegen das Alter darstellen.60 Gegen diese Interpretation spricht aber, dass Elihu sich an keiner Stelle sonst über geltende Konventionen erhebt.61 Beachtet man die genaue Wortfolge in dem Vers, zeigt sich, dass die u.a. von H.M. Wahl vorgeschlagene (und in den deutschen Übersetzungen vorausgesetzte62) Deutung von V. 9 nicht korrekt sein kann. Denn die Verneinung steht im ersten Halbvers gerade nicht vor der finiten Verbform, sondern vor der Nominalgruppe   – es heißt also      und nicht     . Außerdem ist von V. 9b her auf die Indetermination im ersten Halbvers zu schließen.63 Es geht also nicht um einen generellen Gegensatz zwischen Alten und Jungen. Durch die Verneinung der Nominalgruppe und elliptisch auch von  im zweiten Halbvers sowie durch die fehlende Determination soll also gerade die Alternative jener ungeheuerlichen Aussage gegen das Alter, die bei Negation des Verbums ausgedrückt werden würde, vermieden werden. Stattdessen wird hier lediglich gesagt, dass eben solche, die nicht reich sind an Tagen, weise sein können und auch Nicht-Greise imstande sind, das Recht zu verstehen, was den Älteren ihr Vorrecht belässt. Letztlich stellt der Vers damit nur die Konsequenz aus der vorangehenden Aussage des V. 8 dar, dass der Verstand eben von Gott geschenkt ist und der Jüngere ihn nun, da die Alten schweigen, auch äußern darf. Dies wird in V. 10 explizit ausgedrückt:           „Daher habe ich gesagt: ‚Höre auf mich, auch ich will mein Wissen kundtun.‘“ Das nachgeschobene   zeigt dabei die Richtigkeit der Interpretation von V. 9. Elihu setzt sich nicht 56

Vgl. Fohrer, Hiob, 450.  dürfte mit der LXX als    zu lesen sein. 58 Wahl, Schöpfer, 48. 59 Dass auch ein greiser Mensch mitunter töricht sein kann, wie dies z.B. in Pred 4,13 festgestellt wird, ist anders gelagert als die von Wahl favorisierte Auslegung von Hi 32,9. 60 Hölscher, Hiob, 85, versucht eine Mittelposition, indem er vermutet, dass darauf abgezielt sei, wahre Weisheit würde allein aus dem Geist Gottes kommen. 61 Vgl. unten, Anm. 68. 62 Vgl. Luther 84 und Einheitsübersetzung. Anders die New International Version (NIV): „It is not only the old who are wise, not only the aged who understand what is right.“ 63 Beides übersieht Wahl, Schöpfer, 46, in seiner Übersetzung: „Nicht die Bejahrten sind weise.“ 57

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

von vornherein von den Vorrednern ab, er stellt sich auch nicht über sie und spricht ihnen nicht ihre Weisheit ab, sondern er stellt sich dezent durch   in eine Reihe mit ihnen. Die Fortsetzung der Selbstvorstellung setzt sich dann dezidiert mit dem Scheitern der Vorredner auseinander. Damit verändert sich die Aussage. Zunächst begründet Elihu sein Reden damit, dass Hiob nicht das letzte Wort behalten soll. Dies wird in V. 12 deutlich, wo festgestellt wird, dass keiner der Vorredner Hiob zurechtgewiesen habe. Elihu springt entsprechend für die Freunde in die Bresche, damit jene sich nicht geschlagen geben müssen, indem sie Hiobs Bestrafung      „Gott möge ihn vernichten (wörtl. zerstreuen), kein Mensch“ Gott anheimstellen. V. 12 ist dabei im Zusammenhang von V. 13, dem Verweis auf eine potentielle Reaktion Gottes, ein Hinweis darauf, dass den Elihureden die Konzeption von Dialogdichtung und Gottesreden bereits vorgelegen haben muss.64 Dabei bezieht sich der Hinweis darauf, dass die Freunde keine Antwort finden, gleichzeitig auf die Unvollständigkeit des dritten Redeganges.65 Dies bestätigte bereits die Prosaeinführung, wo explizit ausgedrückt wird, dass die drei Freunde aufhörten zu sprechen (32,1), weil sie keine Antwort fanden (32,3.5). In den V. 15f wird der Entschluss zu sprechen artikuliert, der dann in V. 17 mit den Worten      einsetzt. In V. 18 wird dies noch einmal damit untermauert, dass der Sprecher bereits Worte gefunden habe, da der Geist in ihm drängt. In V. 19 wird dies zunächst noch einmal mit dem Drängen von jungem Wein verglichen; der nachfolgende Vers drückt dies noch einmal direkt aus (V. 20). Das ganze Kapitel aber läuft auf die V. 21f zu, die eine Charakterisierung der Rede Elihus enthalten, die über jene der drei Freunde hinausgeht. In V. 21 heißt es          . Da sich die Elihureden direkt in der Auseinandersetzung mit dem vorangehenden Text der Dialoge befinden, handelt es sich bei dem Verb  um eine Kritik an den Reden der Freunde. Das in der Hebräischen Bibel sehr seltene Verb kommt in Jes 44,5f in der Bedeutung „einen Ehrennamen beilegen“ vor. Im Parallelismus mit    in Hi 32,21 dürfte es am ehesten die Bedeutung „bevorzugen“ haben. In welcher Weise aber haben die Freunde mit ihren Reden Hiob bevorzugt? Da in Kap. 32 auch kein konkreter Vorwurf im Blick ist, kann sich die Bevorzugung nur auf die Gesamtkonzeption der Dialoge beziehen. Immerhin richtet Elihu in Kap. 33 sofort eine direkte Anrede an Hiob, in der dessen Vorwurf gegen Gott zurückgewiesen wird. Gleichzeitig wird das Schweigen der Freunde in der Selbstvorstellung Hi 32,6ff als Grund für das Auftreten Elihus angeführt. Es wird ihnen eine Bevorzugung 64 65

Vgl. Newsom, Job, 563. Das Gleiche wird im Übrigen indirekt auch in Hi 29,21–23 deutlich. Vgl. oben, 159f.

3. Der Prosatext Hi 32,1–5 und die Selbstvorstellung Elihus Hi 32,6–21

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vorgeworfen und vor einem „Triumph“ Hiobs als Konsequenz der Wortlosigkeit und des Schweigens in 32,13 ausdrücklich gewarnt. Damit dürfte sowohl der Vorwurf der Bevorzugung als auch der Parteilichkeit vor allem auf die Form der Reden zu beziehen sein, die zumindest im ersten, aber auch noch im zweiten Gesprächsgang durchaus moderat mit Hiob umgehen. Damit wird deutlich, dass zwischen der Prosaeinführung Hi 32,1–5(6a) und der Selbstvorstellung 32,6b–22 Kohärenzprobleme bestehen. In Hi 32,6bff geht es um die Beweggründe und die Form der Argumentation gegen Hiob. Elihu hebt hervor, dass er als Jüngerer auch Worte der Einsicht hat, um gegen Hiob zu argumentieren. Er kann es aufgrund des Verstummens der Vorredner. Die Situation der weisheitlichen Diskussion, die auch am Anfang der Dialogdichtung in der ersten Rede des Eliphas vorausgesetzt ist,66 wird hier nicht durchbrochen. Denn der Jüngere bestreitet in keinerlei Weise das Vorrecht der Älteren. Demgegenüber wird in Hi 32,1–5 das Auftreten Elihus zu einer Handlung stilisiert, die vom Affekt des Zornes herrührt. Von einem solchen ist aber in der Selbstvorstellung keine Rede.67 Die Selbstvorstellung lässt sich außerdem nicht als Ausdruck des Zornes verstehen.68 Im Gegenteil: Elihu beginnt seine Rede damit, dass er den Vorrednern aufgrund ihres Alters in gebührender Weise mit Ehrfurcht und Respekt gegenübertritt. Der Charakterisierung seiner Selbstvorstellung als Ausdruck des Zornes durch Hi 32,1–5 widerspricht gleichzeitig deren – besonders auch im Vergleich zu den Freundesreden des Dialogteils – unaffektive Charakter. Hinzu kommt, dass Elihu einen Ausbruch von Zorn auch selbst kritisiert (Hi 36,13.18), was mit der Voranstellung seines Zorns in 32,1–5 kollidiert.69 Dies bedeutet, dass die Verbindung des aufgrund seiner Jugend späten Redens mit einer Charakterisierung der Reden als Ausdruck seines Zorns eine Konstruktion ist, die einerseits die Selbstvorstellung Elihus und damit das erwähnte Scheitern der Freunde rezipiert, die Elihureden aber anderer66

Vgl. oben, 47. Vgl. Fohrer, Weisheit, 94. 68 Fohrer, Weisheit, 94, überlegt, ob 34,7f; 34,34–37, so verstanden werden können. Er weist aber darauf, dass „Elihu stets höflich und bescheiden [auftritt]“. „[Er] ist darauf bedacht, sich das Wohlwollen seiner Zuhörer, einschließlich Hiobs, zu erringen. Seine Reden sind voll von solchen typisch rhetorischen Bemühungen. Tatsächlich ist Elihu kein zorniger junger Mann, sondern erweist sich als ein gelehrter, zugleich etwas geschwätziger Theologe, der einige sorgsam aufgebaute Vorträge hält, in einer bestimmten Weise argumentiert und eine besondere Art von Weisheitstheologie vertritt.“ Die Abschnitte Hi 34,7f; 34,34–37 stellen eine etwas anders geartete Polemik Elihus gegen Hiob dar als sie in den Freundesreden anzutreffen ist. Es handelt sich dabei aber zugleich um den Zielpunkt von dessen Auseinandersetzung mit Hiob, weswegen diese Stellen nicht als Ausdruck seines Zornes misszuverstehen sind. 69 Vgl. Fohrer, Hiob, 477. 67

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

seits (von vornherein) in ein negatives Licht rückt. Möglicherweise wird dabei der oben diskutierte Passus 32,8–10 (bewusst?) als harte Polemik gegen die Freunde missverstanden. Sodann entspricht die Aussage von Hi 32,3 Elihus Selbstvorstellung nicht. Denn dort wird ausgesagt, dass die Freunde Hiob zum Frevler machten, obwohl sie ihm nicht erwidern konnten. In der Selbstvorstellung dagegen wird lediglich die schweigende Wortlosigkeit der Freunde thematisiert, die den Triumph Hiobs zur Folge haben könnte (Hi 32,13). Die Überlegungen machen deutlich, wozu die Doppelung von Prosaeröffnung und poetischer Selbstvorstellung dient. Hi 32,1–5 trägt aus der Sicht eines Rezipienten der Elihureden den Aspekt des Zornes nach, der in diesen nicht enthalten ist, um die Elihureden vorab negativ zu bewerten.70

4. Zur Abfassung der Elihureden und ihrer Einbindung in das Hiobbuch Die Elihureden insgesamt stellen damit ein Pendant zu dem Schluss des vorangehenden Dialogteils dar. Während die Freunde dort am Ende schweigen und Hiob Gott herausfordert, redet in den Elihureden nur noch Elihu, und Hiob schweigt trotz Elihus Aufforderung zu reden. Die Gottesreden werden dabei gleichzeitig in die zweite Reihe gedrängt. Im Zusammenhang der sie teilweise vorwegnehmenden Elihureden vermitteln sie weniger den Eindruck als erfahre Hiob in ihnen Bestätigung. Dass die Elihureden in der Selbstvorstellung das Milieu der Dialogdichtung voraussetzen,71 nicht aber die Szenerie der Rahmenerzählung, zeigt, dass die Abfassung der Elihureden vor der Abfassung des Rahmens erfolgt sein muss. Außerdem hätte der Verfasser der Elihureden bei seinem sonst praktizierten Umgang mit dem vorgegebenen Text des Dialogteils und der Gottesreden nicht auf eine Rezeption des Rahmens verzichtet. Ziel der Elihureden war es, das Ungleichgewicht zwischen den Freunden und Hiob zuungunsten Hiobs zu verändern. Dass dies überhaupt möglich ist, zeigt, dass die Hiobdichtung ohne die Rahmung und trotz der Gottesre70

In diese Richtung geht auch die Einschätzung von McCarthy, Tiqqune Sopherim, 118: „Without prejudice as to whether chapters 32–37 were include in the original draft of the book or not, the introductory verses of Ch. 32 cannot be said to form part of the original movement of the book in the same way as some of the more carefully articulated speeches, or even in comparison with the simple flow of the prose introduction and conclusion.“ 71 Vgl. Newsom, Job, 559. In Hi 15,10 ist die gleiche Situation des Streitgespräches erkennbar, wie sie in Hi 32,6ff vorausgesetzt ist. Dem Rahmen entspricht das freilich in keiner Weise.

4. Zur Abfassung der Elihureden und ihrer Einbindung in das Hiobbuch

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den hiobkritisch interpretiert werden konnte. Hier mag eine Rolle spielen, dass Hiob nach der ersten Gottesrede seinen Widerstand gegen Gott einstellt und er sich nach der zweiten Gottesrede scheinbar für schuldig erklärt.72 So dürften die Elihureden gegenüber dem unvollständigen dritten Redegang die Absicht gehabt haben, diesen durch die Reden einer weiteren Person zu vervollständigen. Diese Sicht des Verhältnisses der Elihureden zur älteren Hiobdichtung beinhaltet allerdings ein Problem. Denn sowenig die Elihureden sich auf die Rahmenerzählung beziehen und diese insbesondere in ihrer Einschätzung Hiobs auch nicht voraussetzen können, sowenig findet sich in der Rahmenerzählung von den Elihureden ein Hinweis.73 In Hi 2,11–13 wird eine ganz klar umrissene Redesituation entworfen, die dann in Hi 42,7ff wieder aufgerufen wird. Hätte die Hiobdichtung die Elihureden bei Abfassung der Rahmenerzählung schon enthalten, dann hätte Elihu nicht vernachlässigt werden können. Dieses Faktum kollidiert scheinbar mit dem Ergebnis der vorangehenden Analyse, dass die Prosaverse der Elihureden eine sekundäre Interpretation derselben darstellen, was die Kohärenzprobleme zwischen 32,1f und 32,6a auf der einen sowie zwischen 32,1–5 und 32,6ff auf der anderen Seite zeigen.74 Es ist aber die Frage, wie man sich die vom Rahmen rezipierte Hiobdichtung vorzustellen hat. Hier hilft wiederum ein Blick auf die Elihureden selbst weiter. Diese stellen eine kommentarartige Neudiskussion des Hiobproblems im Vorgriff auf die Gottesreden dar. Ihnen liegt die Hiobdichtung als ein abgeschlossener eigenständiger Text vor. Da noch das Testament Hiobs eine eigenständige Quelle für die Elihureden kennt,75 ist es wahrscheinlich, dass die Elihureden nicht für eine Einfügung in ein vorgegebenes literarisches Textkorpus abgefasst worden sind, sondern zu dessen literarischer Ergänzung als zusätzliches Werk. Die Elihureden wären also ursprünglich Teil einer umfangreicheren Hiobliteratur gewesen, was sich auch in ihrem kommentarartigen Verhältnis zur Hiobdichtung manifestiert. M.E. kann man die Abschlussnotiz in Hi 31,40b als einen Hinweis auf den ursprünglichen Charakter der Hiobdichtung werten. Diese bestand möglicherweise aus zwei aufeinander bezogenen, aber vielleicht literarisch nicht in einem Buch enthaltenen Stücken, der Dialogdichtung (Hi 3,2–31,40b) und den 72

Zur Interpretation von Hi 42,6 siehe oben, 199. So schon Sarna, Epic Substratum, 13. 74 Häufig wird angenommen, dass die Elihureden vor der Verbindung der Dichtung mit der Rahmenerzählung eingefügt worden sind. Vgl. Kaiser, Grundriß, 78. Doch spricht gegen diese Annahme einerseits, dass dann Hi 32,1–5 der erste Prosaabschnitt des Hiobbuches gewesen wäre, und andererseits, dass in Hi 42,7 nicht von Elihu die Rede ist. 75 Siehe TestHiob XLI,6 (Schaller, Testament, 362), wo als Quelle für die Elihureden die Denkwürdigkeiten des Eliphas erwähnt sind. 73

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

Gottesreden (Hi 38,1–42,6).76 Die Intention der Elihureden ist auf diese beiden Stücke bezogen. In ihnen kommt ein hiobkritischer Aspekt zum Ausdruck; auch haben die Elihureden für sich im Sinn, den unvollständigen letzten Gesprächsgang zu ergänzen und dem Übergewicht Hiobs an seinem Ende ein Gegengewicht entgegenzustellen. Bei der Abfassung des Rahmens aber wurden nur die offenbar älteren Teile der Hiobdichtung (Dialog und Gottesreden) berücksichtigt. Die Prosaverse der Elihureden sind demgegenüber eher elihukritisch geprägt. In ihnen wird deutlich gemacht, dass jener als weiterer Redner, angetrieben durch seinen Zorn, den Dialog zwischen Hiob und Gott aufhält. Die eher unaffektiven Reden Elihus werden in 32,1–5 als Äußerungen eines jugendlichen Zornes abgewertet und den in der Polemik durchaus affektiven Reden der Freunde an die Seite gestellt. Diese Abwertung der Elihureden liegt dabei auf einer Linie mit der negativen Bewertung der Freunde in Hi 42,7f. Dass Elihu dort nicht erwähnt wird, zeigt zwar, dass das gerahmte Buch bei der Abfassung von 32,1–5 und der Einfügung schon fertiggestellt war. Hi 32,1–5 bringen die Elihureden aber nachträglich auf eine Linie mit der Bewertung von Hiobs Freunden durch Gott.77 Dies entspricht der Bewertung Elihus in der jüdischen Tradition,78 in der aufgrund seines Zorns eine Abqualifizierung seiner Reden vorgenommen wird, so dass er unterhalb der Freunde rangiert und deswegen am Ende keine Rehabilitation bei Gott erfährt. Das Korpus der Elihureden ist also sekundär in das ansonsten schon fertiggestellte Buch aus Rahmen und Dichtung eingefügt worden. Da es die 76 Ebenfalls als Abschlussmarkierung am Ende der Dialogdichtung sieht den Halbvers Newsom, Job, 555. 77 Was die Annahme einer sekundären Einfügung der Elihureden in das Hiobbuch durch Hi 32,1–5 betrifft, stimme ich mit Syring, Hiob, 146, überein, der auch auf die Diskrepanzen zwischen 32,1–5 und 32,6ff hinweist. Doch seine Annahme (ebd., 145), dass eine übergreifende Redaktionsschicht zwischen Hi 32,1–5 und 42,7–9 existiert, erscheint m.E. schwer vorstellbar, dann wiederum nicht erklärlich ist, warum im Epilog von Elihu nicht die Rede ist. Aber auch vom Stil lässt sich m.E. der stringente Abschnitt Hi 42,7–9 mit der Redundanz des Übergangsabschnittes in Hi 32,1–5 nicht vergleichen. Gegen Syring, ebd. Auf den stilistischen Unterschied verweist auch McCarthy, Tiqqune Sopherim, 118. Zuletzt lässt sich zwischen dem Zorn Gottes in Hi 42,7f und dem Zorn Elihus keine inhaltliche Verbindung herstellen. Hierin liegt, wie Syring, ebd., selbst feststellt, nur eine „begriffliche[...] Beziehung“ vor. Inhaltlich lässt sich der Zorn Gottes über Eliphas und die beiden anderen Freunde nicht mit Elihus Zorn gegen Hiob und die drei Freunde auf eine Linie bringen, weswegen die Rede vom Zorn Elihus in 32,1–5 zwar die Bewertung der Freunde in Hi 42,7ff rezipiert, aber keinen kohärenzproblemfreien Zusammenhang mit dem Epilog ergibt. 78 Siehe TestHiob XLI,6; XLII,1; vgl. dazu Wahl, Elihu, Frevler oder Frommer, 10ff; vgl. zu der Bewertung Elihus im Frühjudentum weiter bErub 63a.

4. Zur Abfassung der Elihureden und ihrer Einbindung in das Hiobbuch

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Handlung nach Hi 32,1–5 nicht weiterführt, steht hinter der Einfügung des ursprünglich selbstständigen Textes vielleicht nur ein Streben nach Vollständigkeit.79 Gleichzeitig zeigt sich, dass das Buch literarisch in einem weit fortgeschrittenen Stadium war, denn es wurden weder der Prolog noch der Epilog in ihrer Szenerie der Einfügung der Elihureden angepasst. Die Funktion der Prosaeinführung der Elihureden (Hi 32,1–5) ist punktuell auf den engen Kontext bezogen. Die Diskrepanzen gegenüber Hi 2,11–13; 42,7ff, aber auch der Unterschied in der Szenerie, der durch Hi 32,1–5 nicht mehr ausgeglichen wird, beweisen den sekundären Charakter von Hi 32,1–5 und damit die sekundäre Einfügung der nachfolgenden Reden in den Kontext des Buches.80 Dass bei der Einfügung der Reden nur noch additiv – auf den engen Kontext begrenzt – gearbeitet wurde, zeigt vielleicht die bereits bestehende autoritative81 oder literarische Bedeutung des schon bestehenden Hiobbuches, die keine radikalen Veränderungen in der Gesamtszenerie mehr ermöglichte.82

5. Die ursprüngliche Gestalt der Dichtung und der Umgang der Rahmenerzählung mit ihr Die Entstehung der Elihureden als kommentierende Ergänzung zur Hiobdichtung und ihre nachträgliche Einfügung durch das Verbindungsstück Hi 32,1–5 ermöglicht weitere Rückschlüsse in Bezug auf die Literargeschichte des Hiobbuches. Wenn die Elihureden selbst bei der Dichtung anknüpften, sie die Rahmenerzählung aber noch nicht kannten, bezeugen sie so deren von der Rahmenerzählung verarbeitete Vorstufe. Dies ist an einigen inhaltlichen Aspekten erkennbar, die zur Dichtung, aber nicht zum Rahmen führen. So wird z.B. in Hi 33,19–22 auf eine andere Krankheit verwiesen als im Rahmen. In den Elihureden ist von einem Fürsprechengel die Rede, während der Satan nicht erwähnt wird. Elihu wird in 32,6ff als Teil einer Szenerie eingeführt, die sich nicht mit der abgeschlossenen Situation von 2,11–13 trifft. Es handelt sich stattdessen um die Situation, die mitunter in der 79 Diesen überlieferungskritischen Fragen und auch der eventuellen Literargeschichte der Elihureden nach ihrer Einfügung in das Hiobbuch kann in der vorliegenden Arbeit nicht nachgegangen werden. Die letzte Monographie zum Thema sieht sie als einheitlich an. Vgl. Wahl, Schöpfer, 175. 80 Die Annahme, dass die von Elihu gegebene Antwort die richtige gewesen sei, reicht für eine Erklärung der Diskrepanzen nicht aus. Gegen Eerdmans, Conception, 17. Dem widersprechen die Unterschiede in der Szenerie, vor allem aber die negative Bewertung der Elihurede innerhalb von 32,1–5 durch den Zorn Elihus. 81 Die Formulierung ist im Sinne einer sich entwickelnden Kanonizität zu verstehen. 82 Vgl. dazu Carr, Empirische Perspektiven, 6; Heckl, Religionsgeschichte, 203f.

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Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

Dichtung noch spürbar ist, wo die Redner Gruppeninteressen vertraten und man mitunter den Eindruck einer größeren Zuhörerschaft hatte. Aus jener „Zuhörerschaft“ tritt Elihu jetzt heraus. Die Elihureden setzen also das Streitgespräch zwischen Hiob und den Weisen fort. Von der Absicht der Freunde vor Beginn der Dichtung, Hiob zu trösten, findet sich keine Spur. Bestätigen die Elihureden also die Analysen der Dichtung, so eröffnen sie aber darüber hinausgehende Einblicke in die Gestalt und Funktion der Dichtung: Es konnte festgestellt werden, dass die Elihureden intendieren, dem Übergewicht Hiobs am Ende des Dialogteils entgegenzuwirken. Interessanterweise wird für ihre Struktur eine den Hiobreden des Dialogteils äquivalente Form gewählt. Denn auf die Selbstvorstellung des Elihu Hi 32,6ff folgen in Hi 34,1 und 35,1 (dort  ) zunächst zwei mit       eingeleitete Reden. In 36,1 findet sich wie in Hi 27,1 und 29,1 die Überleitungsformulierung, die mit  angefügt ist. Da sich die Elihureden auf den Dialogteil beziehen, bezeugen sie damit zugleich die entsprechende Überschriftsstruktur bei den Hiobreden. Dass sich 36,1 (     ) von 27,1; 29,1 (      ) darin unterscheidet, dass auf   verzichtet worden ist, spricht eher für den Versuch, die Elihureden an die Hiobreden anzuschließen, als dagegen. Offenbar hat man die Anschlussüberschrift gegenüber den mit  ...   gebildeten Überschriften vereinfachen wollen. Besonders auffällig ist, dass bei den Elihureden wie bei den Hiobreden und anders als bei den Freundesreden im Dialogteil das Patronym nicht angegeben ist, obwohl Elihu ein solches ( ) besitzt. Hier scheinen sich die Elihureden auch in diesem Aspekt an den Hiobreden zu orientieren. Diese Parallele wird aber durch die ausführliche Form der Redeeinleitung in Hi 32,6a (          ) durchbrochen. Diese stellt in den Elihureden den Bezugspunkt der nachfolgenden kurzen Redeeinleitungen dar und beinhaltet zusätzlich den Vatersnamen und das Patronym. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass eine ausführliche Überschrift, auf die die anderen Hiobredeeinleitungen sich einmal zurückbezogen haben, zugunsten der Rahmenerzählung ausgelassen worden ist, was der Tendenz der Rahmenerzählung entspricht, die Identität Hiobs verdeckt zu halten.83 Da die Elihureden anders als die Hiobdichtung eine Selbstvorstellung des Sprechers besitzen, ist außerdem zu vermuten, dass bei der Abfassung der Rahmenerzählung nicht nur eine ausführliche Überschrift am Anfang der Dichtung mit einer mutmaßlich außerisraelitischen Herkunftsangabe Hiobs, sondern vielleicht auch eine Selbstvorstellung Hiobs und eine Anga83 Siehe die Zusammenfassung der Analyse der Rahmenerzählung oben, 313ff. Zur Funktion dessen siehe die Diskussion der literarischen Bezüge oben, 12ff.

5. Die ursprüngliche Gestalt der Dichtung

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be bezüglich seines Problems weggelassen worden sind, um so die Identität Hiobs zu verdecken.84 Anders verhält es sich mit den Reden der Freunde. An Hiobs Gesprächspartnern bestand ein untergeordnetes Interesse, so dass sie von vornherein jeweils nur mit Patronym und ohne eigene Selbstvorstellung eingeführt wurden.85 Sie erhalten als Nichtisraeliten in der Rahmenerzählung eine neue Funktion und werden deshalb dezidiert mit ihren Patronymia in der Rahmenerzählung in Hi 2,11 eingeführt. Wie bereits festgestellt, versucht man in der sekundären Einbindung der Elihureden (Hi 32,1–5) Elihu durch die Hinzufügung der Angabe der Sippe    von seinem ursprünglichen heidnischen Hintergrund abzutrennen, der durch Namensnennung und Patronym in 32,6a im Blick war. Dies entspricht der inhaltlichen Ausrichtung der Rahmenerzählung, die Hiobs Identität bewusst verdeckt lässt, ihn aber gleichzeitig über die Nähe der Gottesbeziehung zu einem Israeliten stilisiert. Die Veränderung der Identität Elihus stellt sich damit als ein Reflex auf die Veränderung der Identität Hiobs durch die Abfassung der Rahmenerzählung dar. Hi 32,6a bezeugt, dass die Hiobdichtung ursprünglich einmal eine Überschrift (vielleicht auch eine Selbstvorstellung Hiobs) besessen hat, in der Hiob als Nichtisraelit geführt wurde. Dass das gesamte Hiobbuch ihn explizit an keiner Stelle als solchen bezeichnet, die antike jüdische Literatur angefangen bei der LXX bis hin zu den Rabbinen ihn aber als Heiden ansieht, beweist die Richtigkeit der hier vorgestellten Annahme. Es ist m.E. nicht plausibel, dass ein Verständnis Hiobs als Heide nur auf der Grundlage des kanonischen Hiobbuches entstanden sein sollte.86 Leider weisen die Anhaltspunkte, die wir über Hiobs nichtisraelitische Identität besitzen, in unterschiedliche Richtungen, so dass eine Rekonstruktion nicht gelingt. Es gibt zwei Aussagen, die ähnlich wahrscheinlich sind, die im Folgenden als Möglichkeiten einander gegenübergestellt werden sollen: Die erste Möglichkeit ergibt sich aufgrund der genealogischen Bestimmung Elihus.87 Elihu wird in Hi 32,6a als Busiter bezeichnet, was einen Zusammenhang zu der Herkunftsangabe  , die über Hiob gemacht wird, herstellt. Denn in Gen 22,21 sind u.a. die zwei Söhne Nahors Uz und Bus erwähnt. Eine Möglichkeit wäre es entsprechend, dass die Rahmenerzählung die Abstammung Hiobs von jenem Uz zu einer einfachen Herkunftsangabe umgestaltet hat, damit seine Identität verdeckt wird, um ihn so zur Repräsentanzfigur für Israel zu machen. 84

Vgl. dazu Kuhl, Literarkritik, 312–314. Die Freundesreden sind primär auf die Hiobreden bezogen. Siehe oben, 187ff. 86 Dass die rabbinische Überlieferung sich damit schwer tut, wäre verwunderlich, wenn sie nicht auch abhängig von außerbiblischen Traditionen wäre, die eine heidnische Identität Hiobs voraussetzen. 87 Vgl. oben, 453.456f. 85

468

Kap. 5: Zum Zeugnis der Elihureden für die Literargeschichte des Hiobbuches

Die zweite Möglichkeit hängt mit einer Notiz am Ende der LXX zusammen. Dort wird in exzerptartiger Weise auf den Inhalt eines angeblichen syrischen Hiobbuches Bezug genommen, in dem Hiob mit Jobab gleichgesetzt wurde.88 Zwar wird eine Identifikation von   und   auf der Basis des Hebräischen bzw. des Aramäischen oft mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass diese philologisch vor dem Hintergrund des Griechischen ( ѹ ֈ ѹ¸¹) einfacher zu verstehen sei,89 doch ist eine solche allein schon aufgrund des Klanges der Eigennamen im Hebräischen denkbar.90 Die relativ weite Verbreitung und die frühe Bezeugung der Identifikation spricht dafür, dass es sich um eine alte Tradition handelt.91 Da das Schweigen über die genealogische Identität Hiobs im Rahmen seine Zugehörigkeit zu Israel impliziert, könnte man die Vermutung von A.Y. Reed, dass die implizite Zuweisung Hiobs zu den Edomitern im Hiobbuch der LXX explizit gemacht werde,92 dahingehend wenden, dass der Abschnitt in der LXX wie die frühjüdischen Traditionen vom edomitischen Hiob auf Traditionen zurückgreifen, die auch schon der Hiobüberlieferung zugrundeliegen und die danach sicher parallel zur Hiobdichtung weiter existiert haben, oder von denen in der Antike zumindest eine Erinnerung bewahrt worden ist.93

88 Vgl. dazu auch Schmid, Schriftdiskussion, 241f, der auch auf die besondere Affinität zu Gen 36 nach der LXX und dem entsprechenden Text der Hiob-LXX hinweist. Ziegler, LXX, 412f, bietet folgenden Text (Hi 42,17b¸, c¸֖դ ÇīÌÇËîÉľżį¼Ì¸ÀëÁÌýËÍÉÀ¸ÁýË ¹ĕ¹ÂÇÍ  ëÅ  ÄòÅ  ºĉ  Á¸ÌÇÀÁľÅ  Ìĉ  ÍÊĕÌÀ»À  ëÈĖ  ÌÇėË  ĚÉĕÇÀË  ÌýË  »ÇÍĸĕ¸Ë  Á¸Ė  ɸ¹ĕ¸Ë ÈÉÇŨÈýÉϼÅ»ò¸ĤÌŊěÅÇĸ ѹ¸¹¸¹ĽÅ»òºÍŸėÁ¸ÉÚ¹ÀÊʸź¼ÅÅêÍĎĠÅŇěÅÇĸÅÅÑÅ ĂÅ»ò¸ĤÌġËȸÌÉġËÄòÅ ¸É¼ÌľÅ ʸÍÍĎľÅĨÀĠËľÌÉġË»òÇÊÇÉɸËĹÊ̼¼čŸÀ¸ĤÌġÅ ÈñÄÈÌÇÅÒÈġ¹É¸¸Ä– „Dieser wird wiedergegeben von dem syrischen Buch als einer, der im Lande Ausitis wohnte an den Grenzen Idumäas und Arabiens. Früher war sein Name Jobab, und er nahm sich eine arabische Frau und zeugte einen Sohn mit Namen Ennon. Sein Vater aber war Zare, einer der Söhne Esaus. (Seine) Mutter war Bozoras, so dass er der fünfte war nach Abraham.“ 89 So zuletzt Witte, Greek Book, 45. Witte bezieht sich auf Peters, Job, 503 („Die auch in dem apokryphen Testament Jobs anzutreffende Verwechslung Jobs mit Jobab [Gen 36,33] war im Hebräischen kaum möglich und wird erst im Griechischen erfolgt sein.“); Schaller, Testament, 325, spricht sogar von einer „nur im Griechischen mögliche[n] Namensverbindung“. 90 Man kann im Übrigen auch den Wechsel von  zu  in 1 Chr 2,12f vergleichen. Zu verweisen ist weiter auf Ibn Esra zu Hi 1,1, der vielleicht, die LXX rezipierend, Hiob ebenfalls mit Jobab gleichsetzt, ohne dies als ein Problem zu empfinden. 91 Reed, Job as Jobab 37f, weist nach, dass der Schluss der LXX auf der Basis des Griechischen zusammengestellt worden ist, hält es aber weiter für möglich, dass dabei auf eine aramäische Quelle zu Informationen über Hiob zurückgegriffen wurde. Siehe ebd., 37. Hiobs Herkunft reflektiert ja wie die LXX zu Hi 42,17 auch TestHiob. 92 „Together with its silence as to Job’s relation to the nation Israel, these seem to imply his Edomite origin – an implicit association that the LXX Job appendix would later make explicit. In a general sense, the non-Israelite identity of the book of Job’s protagonist may reflect the text’s original literary milieu: the ancient Near Eastern wisdom tradition, as shared by various cultures in the region. More specifically, Edom’s reputation for wisdom fits well with the book of Job’s portrayal of a universal human challenge to the justice of a universal God“ (Reed, Job as Jobab, 43f).

5. Die ursprüngliche Gestalt der Dichtung

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Da die Prosaverse 32,1–5 der sekundären Einbindung der Elihureden dienen, wird so indirekt die Existenz einer parallel zur Hiobdichtung existierenden Dichtung bestätigt (vgl. TestHiob XL,14; XLI,6). Gleichzeitig bezeugen die Elihureden die Existenz der Dichtung ohne den Rahmen als Zwischenstufe der Literargenese des Hiobbuches. Die Strukturparallelität der Redeeinleitungen der Hiob- und Elihureden spricht dafür, dass auch die Hiobdichtung (anstelle von Hi 3,2) einmal über eine ausführliche Redeeinleitung, vielleicht sogar über eine Selbstvorstellung Hiobs verfügt hat. Diese Überschrift dürfte die im Text implizite heidnische Herkunft Hiobs geklärt haben, was von den frühjüdischen Überlieferungen in unterschiedlicher Weise bezeugt wird.

93 Vgl. zu einer möglichen Herkunft Hiobs aus Edom zuletzt Day, How could Job be an Edomite?, der von einer Beziehung nach Gen 36 her argumentiert. Man könnte noch überlegen, ob die Erwähnung eines weiteren Werkes, der „Denkwürdigkeiten Eliphas“, im TestHiob XL,14; XLI,6 in die gleiche Richtung weist. Eine komplexere Hiobliteratur vermutet aus der Nähe von Hi 42,2–6 und Spr 30 auch Torczyner, Hiob, 334f.

Zusammenfassung 1. Die Hiobdichtung zwischen Innovation und Tradition Bei der Analyse der Hiobdichtung konnte festgestellt werden, dass Hi 3,2–31,40; 38,1–42,6 einen vollständigen Spannungsbogen darstellt. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Hiobdichtung ursprünglich ein eigenständiger Text ohne erzählerischen Rahmen war.94 Grundsätzlich ist sie von einem übergreifenden dialogischen Konzept geprägt, das ihre Dynamik in allen Hauptteilen bestimmt. Es handelt sich dabei um das Zwiegespräch Hiobs mit Gott, welches im Dialogteil in Hiobs Klage, Anklage und Vorwurf gegen Gott präsent ist und das in den Gottesreden in die direkte Kommunikation zwischen Gott und Hiob mündet.95 Dieses Zwiegespräch wird zunächst im Dialogteil zwischen Hiob und den Freunden geführt, wobei die Freunde vermeintlich die Position Gottes einnehmen96 und Hiobs Vorwürfe, Gott sei verantwortlich für das Böse in der Welt und er kümmere sich nicht um ihn, den leidenden Frommen, zurückweisen. Der auf unterschiedlichen Ebenen vorgetragene „Vorwurf gegen Gott“ und seine Bestreitung durch die Freunde stellt das übergreifende Thema des Dialogteils dar. Dadurch wird das Theodizeeproblem in der Dichtung aus einer ganz bestimmten Perspektive thematisiert, nämlich aus der Perspektive der persönlichen Gottesbeziehung heraus. Hiob wirft Gott vor, dass er ihn vernachlässigt habe und fordert seine Fürsorge ein. In den Augen Hiobs ist Gott zur Fürsorge verpflichtet. Hiob geht davon aus, dass sie ihm aufgrund der Gottesbeziehung regelrecht zustehe.97 Hiob ist also in der Hiobdichtung nicht der leidende Gerechte, der auf seine Sündlosigkeit pocht und sich aufgrund dieser von Gott ungerecht be94 Siehe oben, 204ff. Diese Vermutung äußert auch van Oorschot, Entstehung, 172–175, aufgrund der formalen Unterschiede und auf Grundlage des Vergleichs mit anderen gerahmten bzw. rahmenlosen poetischen Texten. Zu den formalen Aspekten bei der Scheidung von Rahmen und Dichtung vgl. oben, 17ff. Vgl. dazu schon Kuhl, Literarkritik, 194. 95 Siehe oben, 204f. 96 Siehe oben, 182. 97 Vgl. oben, 206ff.

1. Die Hiobdichtung zwischen Innovation und Tradition

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handelt fühlt. Diese Sicht dürfte aus christlicher Perspektive und von der Rahmenerzählung her über die Zeiten hinweg an die Hiobdichtung herangetragen worden sein. Zwar gesteht Hiob seine eventuelle Schuld nur indirekt ein, doch steht im Hintergrund der Hiobdichtung die Überzeugung, dass kein Mensch gegenüber der Gottheit als sündlos gedacht wird. 98 Dies erklärt, wieso Hiob das Modell der Freunde zur Erklärung seines Leidens überhaupt rezipieren kann.99 Es handelt sich um die Perspektivität der Gerechtigkeit: Dass nämlich das, was bei den Menschen als gerecht gilt, vor Gott nicht in gleicher Weise zutrifft. Er, Hiob, nimmt es grundsätzlich hin, hält es aber Gott zugleich als Grausamkeit und Unverhältnismäßigkeit gegen seine Person entgegen. Hi 31 hat in der Dichtung eine Schlüsselfunktion, da Hiob Gott hier herausfordert, indem er in einem negativen Schuldbekenntnis, äquivalent dem ägyptischen Jenseitsgericht, das Nichtvorhandensein von schweren Sünden bekräftigt und so von möglichen Sünden gereinigt der Gottheit gegenübertreten kann.100 Der Gottesredenabschnitt (Hi 38,1–42,6) drückt demgegenüber grundsätzlich die Akzeptanz von Hiobs Vorwurf der Vernachlässigung durch Gott aus.101 Wie in den verschiedenen altorientalischen Vorwurfsdichtungen102 akzeptiert Gott in seiner Offenbarung den gegen ihn gerichteten Vorwurf und lässt sich bei seiner Fürsorgepflicht behaften, indem er mit Hiob – wie gefordert – eine direkte Kommunikation eingeht. Daraufhin stellt Hiob seine Angriffe gegen Gott ein;103 gleichzeitig deutet sich eine bleibende Beziehung und Kommunikation zwischen Hiob und Gott an.104 Dabei greift die Hiobdichtung auf die Gattung der altorientalischen Vorwurfsdichtung zurück,105 die in Israel, wie z.B. 2 Kön 20,1–11 (par) zeigt,106 schon vorexilisch als bekannt vorauszusetzen ist. Die Hiobdichtung geht auf dem Boden des Monotheismus den Ursachen des Leidens nach.107 Die Antwort des Deuteronomismus, dass Leid immer Folge von Schuld ist, wird dabei nicht als generelle Lösung akzeptiert. Dem98

Vgl. Assmann, Tod und Jenseits, 106. Siehe oben, 206. 100 Vgl. oben, 160. 101 Vgl. oben, 206f. 102 Vgl. Sitzler, Vorwurf gegen Gott, 216.219.232. 103 Insofern ist mit Müllner, Erkenntnis, 180, zu sagen, „dass Ijob seine Weltsicht und seine Einstellung ändert“. 104 Ähnlich auch Muenchow, Dust and Dirt, 611: „...the experience of shame can have a therapeutic effect. It can, among other things, lead to a revitalizing of a relationship.“ 105 Vgl. oben, 212ff. 106 Vgl. oben, 216, und Heckl, Errettung. 107 Vgl. oben, 216ff. 99

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Zusammenfassung

gegenüber artikuliert die Hiobdichtung eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Leides, indem sie an die Vorwurfsdichtung anknüpft und so den Vorwurf, dass Gott für das Böse direkt verantwortlich ist, auf der Beziehungsebene (der persönlichen Gottesbeziehung) ausschließt.108 Als konkrete Antwort wird in den Gottesreden ausgedrückt, dass das Böse Teil einer dynamisch verstandenen Welt ist und Gott gegen das Böse ankämpft, wobei an traditionelle Konzepte zur Erklärung des Übels angeknüpft wird, ohne dabei aber hinter den Monotheismus zurückzugehen. Der Gebrauch des Gottesnamens in den Überschriften im Gottesredenabschnitt weist darauf hin, dass Hiob in der Dichtung als frommer, weiser Nichtisraelit vorgestellt ist, der auf dem Wege der Dialogdichtung in den Gottesreden zur Erkenntnis Jhwhs und zur Gemeinschaft mit ihm geführt wird.109 Für die Hiobdichtung zeigt der in ihrem Gegenüber entstandene Abschnitt der Elihureden, dass auch am Anfang der Hiobdichtung einmal wie dort eine genealogische Einordnung Hiobs gestanden haben muss (und vielleicht eine Selbstvorstellung Hiobs).110 Jene ist bei der Abfassung der Rahmenerzählung weggelassen worden, da in dieser Hiob von vornherein nicht mehr als ein frommer Heide, sondern als „Präisraelit“ und Jhwh-Anhänger figuriert ist. Das Fehlen einer genealogischen Einordnung Hiobs im Hiobbuch insgesamt spricht dagegen, dass die vielfältigen Einordnungen der Person Hiobs als eines Heiden in der außerbiblischen Literatur nur aufgrund des biblischen Buches aufgekommen sein könnten: Man hätte von dem durch Jhwh im Rahmen als einzigartigem Frommen gelobten Hiob nicht erzählt, dass es sich bei ihm um einen Nichtisraeliten handelt, wenn dies nicht vorher durch die noch nicht mit der Rahmenerzählung ergänzte Dichtung und parallel zu ihr durch andere Traditionen vorausgesetzt worden wäre.111

108

Vgl. oben, 212ff. Vgl. oben, 365ff. Vielleicht geht es für die Dichtung selbst zu weit, von einer Konversion Hiobs zu sprechen, wie Tur Sinai, Job, LXXIII, es tut. Der Rahmen dürfte das aber bei seiner Rezeption der Dichtung so verstanden haben. 110 Siehe oben, 465ff. 111 Siehe oben, 467. 109

2. Das Buch Hiob als Ergebnis einer Rahmung der vorgegebenen Dichtung

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2. Das Buch Hiob als Ergebnis einer erzählerischen Rahmung der vorgegebenen Dichtung Es konnte festgestellt werden, dass die Rahmenerzählung des Hiobbuches äquivalent zur Prophezeiung des Neferti und zu Achiqar112 gegenüber der darin eingebetteten Dichtung sekundär ist. Die Absicht dürfte darin bestehen, das traditionelle poetische Stück durch den Rahmen in einer neuen Form und damit in einem anderen Genre zu präsentieren. Dadurch entsteht ein Buch, das für eine (andere Art von) Leserschaft bestimmt ist,113 während die Dichtung vielleicht eine Art Lehrdichtung mit einer anderen Funktion gewesen sein dürfte.114 Die durch die Rahmung veränderte Intention zeigt, welches Publikum im Blick ist. Denn insbesondere in der Rezeption der Samuelis-/Königebücher115 in Form und Inhalt stellt sich heraus, dass für das Hiobbuch die gleichen Rezipienten wie für den rezipierten Text vorausgesetzt sein dürften. Es richtet sich an eine an der religiösen Deutung der Geschichte der Königszeit interessierte Leserschaft. Dieser soll eine kritische Sicht von der Geschichtsdeutung nach dem Schema von Schuld und Strafe präsentiert werden.116 Damit erweist sich die erste Alternative, die von K. Schmid in seiner Problemanzeige am ehesten als wahrscheinlich herausgestellt worden ist, als zutreffend: Bei der Rahmenerzählung handelt es sich um „eine sekundäre Interpretation der Dichtung“117. Dabei zeigt die literarische Integrität der Rahmenteile selbst und ihr spannungsvolles Verhältnis zur Dichtung, dass sie tatsächlich für die Dichtung und auf diese hin konzipiert und abgefasst worden ist.118 112

Vgl. zu diesen Beispielen oben, 28f, und zu den formalen Unterschieden zwischen Dichtung und Rahmen überhaupt oben, 17ff. 113 Vgl. Clines, Why, 123–136. 114 Vielleicht war die Dichtung ein Lehrtext, der wie das Sprüchebuch der Ausbildung der Eliten in der Schriftkundigkeit diente. Vgl. zu dieser Funktion von Literatur Carr, Writing, 112ff.126ff. 115 Vgl. oben, 427ff. 116 Vgl. zur Kritik der Rahmenerzählung am Deuteronomismus oben, 381ff. 117 Schmid, Hiobproblem, 19. Diese These ist in der Aufklärung von R. Simon (vgl. dazu Kuhl, Literarkritik, 194) und zuletzt von Eerdmans, Conception, 16, mit einem Verweis auf den Gebrauch der sog. Gottesnamen vertreten worden. Anders zuletzt Brenner, Job the Pious?, 48, wo erörtert wird, dass durch die Integration des neuen Materials der Dichtung die Aussage des Rahmens relativiert werden soll. 118 Die Vielschichtigkeit des Hiobbildes in der Dichtung und einige Eigenheiten der Rahmenerzählung sprechen dafür, dass diese ältere Hiobtraditionen verarbeitet hat. Innerhalb der Rahmenerzählung handelt es sich um die Anzahl von Hiobs Kindern und um den Hiobnamen selbst.

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Zusammenfassung

Vom Rahmen werden die Hiobreden der Dichtung als Äußerungen eines außerordentlichen Frommen rezipiert, dem eine direkte Gottesbegegnung widerfährt. Die Gottesreden dagegen werden von dort aus als eine grundsätzliche Bestätigung von Hiobs Anspruch, sich in einer intakten Gottesbeziehung zu befinden, interpretiert.119 So gesehen stellt der Ausgangspunkt bei der Bewertung Hiobs mit den vier Attributen in Hi 1,1 die Konsequenz aus der Antwort Gottes in Hi 38–42 dar. Diese einlinig positive Interpretation der Hiobreden durch den erzählerischen Rahmen, die der eigenen Kohärenzlinie der Dichtung nicht entspricht und auch in der Rezeption der Elihureden so nicht gesehen wurde,120 zeigt, dass Klage und Anklage Hiobs vom Rahmen als radikale121 Äußerungen auf dem Boden seiner idealen Gottesbeziehung aufgefasst werden. Denn während in der Dichtung die Freunde Hiob Sünde vorwerfen und auch Hiob die Existenz einer solchen für möglich hält, wird im Rahmen die Möglichkeit einer Sünde von vornherein (Hi 1,1) ausgeschlossen und der Dichtung eine entsprechende Charakterisierung der Hiobreden wie der Freundesreden vorangestellt.

3. Die Rahmenerzählung in der theologischen Auseinandersetzung mit der exilisch-nachexilischen Literatur und Theologie Die Rahmenerzählung folgt der Dichtung in deren Kritik am Deuteronomismus. Sie geht aber über sie hinaus und setzt neue Akzente. War in der Dichtung die theologische Prämisse des Deuteronomismus hinterfragt worden, dass Leiden immer in einer Schuld gegenüber Gott begründet ist, so wird in der Rahmenerzählung das theologische Konzept des Deuteronomismus insgesamt hinterfragt, wobei es als literarisches Phänomen rezipiert wird.122 Indem Hiob vorgeworfen wird, er sei entsprechend diesem dtn/dtr Konzept nur fromm, um sein Wohlergehen abzusichern, wird auf die im Hintergrund der paränetischen Gebotserweiterungen des Deuteronomiums stehenden Heilszusagen abgezielt. Hier wird ein neues Ideal der Gottesbeziehung deutlich, die unabhängig von der Aussicht auf Segen aufrechtzuerhalten ist. Hiob, der sich in einer ersten Prüfung dieses Ideals als würdig erweist, wird danach vorgehalten, er halte nur aus Furcht um sein Leben weiter an der Gottesbeziehung fest. Mit der zweiten Prüfung wird 119

Vgl. oben, 359ff. Vgl. oben, 462ff. 121 Man vgl. die Interpretation von Hi 3,2ff durch Hi 3,1. Vgl. dazu oben, 442. 122 Vgl. neben der Textanalyse des Prologs oben, 241f.263f die Darstellung zum Zusammenhang mit dem Deuteronomium oben, 381ff. 120

3. Die Rahmenerzählung in der theologischen Auseinandersetzung

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Hiob vermeintlich mit dem Gottesfluch (nach Dtn 28) geschlagen; doch antwortet Hiob auf diesen nicht mit dem von ihm erwarteten Fluch gegen die Gottheit, sondern akzeptiert gleichermaßen Gutes und Böses aus Gottes Hand. Der so als einzigartig fromm erwiesene Hiob wird durch die Integration der Dichtung in die Rahmenhandlung einer Reihe von Angriffen der Freunde ausgesetzt. Hiobs Festhalten an seiner Gottesbeziehung in der Dichtung ist der hermeneutische Schlüssel, der die Rezeption der Dichtung ermöglichte und zugleich die Formulierung des Ideals einer zweckfreien Frömmigkeit im Prolog angeregt hat.123 Im Epilog nach den als positive Antwort Gottes aufgefassten Gottesreden, erfolgt die Verurteilung der Reden der Freunde, die ihrer Absicht, Hiob zu trösten, nicht nachgekommen sind und auch nicht für Hiob bei Gott eingetreten sind. Hiob seinerseits vermag allerdings aufgrund seiner durch das Leiden hindurch aufrechterhaltenen Gottesbeziehung für die Freunde bei Gott einzutreten und diesen zugunsten der Freunde positiv zu beeinflussen. Das Leiden des frommen Hiob erhält dadurch eine Funktion für andere. Es geht in der Rahmenerzählung also nicht mehr wie in der Dichtung um die Frage nach dem Grund für das Leiden. Das Leid und das Böse kommt letztlich von Gott,124 was eine gegenüber der Dichtung deutlich zugespitzte Aussage im Zusammenhang des Monotheismus ist. Doch Hiobs Leiden speziell wird dabei anders als in der Dichtung ein Sinn zugeschrieben.125 123

Siehe oben, 344. Trotz einer klaren Rollenverteilung zwischen dem Satan und Jhwh, bei der Jhwh Bewahrer des Lebens ist und der Satan das negative Handeln Gottes vermittelt (vgl. dazu oben, 367ff), hat der Satan anders als in Sach 3,1f, wo er gescholten wird, weil er als Ankläger auftritt, und anders als in späteren Texten, in denen er allmählich wie in 1 Chr 21,1 (und im NT) zu einer Gegengestalt wird, eine genau definierte Funktion. Diese besteht darin, das Ideal der Gottesbeziehung, an dem Hiob gemessen werden soll, aufzustellen und seine Prüfung zu vollziehen. Es handelt sich dabei – auch angesichts der geschichtstheologischen Implikationen der Rahmenerzählung – um eine echte Prüfung, deren Ergebnis in Bezug auf Hiob offen gedacht ist. Anders Lux, Die Weisen, 107: „Gott gibt ihm seinen Knecht Hiob in die Hand, weil er mehr Vertrauen in Hiob als in den Teufel hat.“ Vgl. auch Lux, Das Böse, 36. Wäre die Handlung nicht offen und entspräche Hiobs Frömmigkeit aus der Sicht Jhwhs von vornherein dem Ideal, würde Hiobs Leiden in einer Auseinandersetzung Jhwhs mit dem Satan funktionalisiert. Der fromme Hiob wäre eine Marionette und das Problem einer grundlosen Grausamkeit Jhwhs würde sich noch einmal neu von der Rahmenerzählung her stellen, da Jhwh die Prüfung ja grundsätzlich zulässt. Eine solche Deutung lässt sich aber aufgrund von Hi 2,3b¹ nicht halten, da die Jhwh-Rede konstatiert, „daß Gott selbst Urheber des Unheils über Hiob ist“ (Ebach, Hiob I, 33). Was für ein Gottesbild sollte im Hintergrund dieser Äußerung stehen, wenn die Handlung nicht ergebnisoffen gedacht wäre? Würde Jhwh dann an dieser Stelle nicht zugeben, wider besseres Wissen vom Satan instrumentalisiert worden zu sein? 124

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Zusammenfassung

4. Hiob als Repräsentanzfigur für Israel Bereits im Talmud findet sich die (dort freilich abgelehnte) Ansicht, dass Hiob nie existiert habe und nicht geschaffen worden sei, sondern nur als ein Beispiel zu gelten habe.126 Diese Einschätzung resultiert aus einer sachgemäßen Auslegung des Textes: An erster Stelle ist die Figuration Hiobs in der Erzelternzeit entscheidend.127 Die Erzväter stehen innerbiblisch sozusagen als Individualgestalten pars pro toto für das gesamte spätere Volk. Aufgrund seines Lebensalters von 140 Jahren nach der Geburt seiner Kinder (Hi 42,13) soll Hiob nicht nur in die Erzelternzeit eingeordnet, sondern sogar Abraham vorgeordnet werden. Allerdings gibt die Rahmenerzählung an keiner Stelle die Identität Hiobs preis. Außer seinem Namen und dem Lande Uz, der Gegend, in der er lebt, wird nichts vermerkt, und auch Letzteres lässt eine genealogische Einordnung gerade nicht zu. So unterscheidet sich die Hiobgestalt massiv von den drei Freunden Eliphas, Bildad und Zophar und auch von Elihu.128 Die Anonymität ist ein literarisches Mittel, das einerseits auf die Abgeschlossenheit der Erzelternüberlieferung antwortet, andererseits auf die überindividuelle Bedeutung Hiobs verweist. So wird Hiob durch den dreimaligen Gebrauch des Gottesnamens in Hi 1,21 im Bekenntnis und im Lobpreis sowie durch die Unvergleichlichkeitsaussage in den Jhwh-Reden der Himmelsszenen von den Freunden abgehoben und erscheint anders als in der Dichtung von vornherein als exemplarischer Jhwh-Verehrer.129 Wenn man so will, rezipiert die Rahmenerzählung Hiob bereits im Prolog so, wie er eigentlich erst am Ende des Gottesredenabschnittes figuriert ist. Das Gleiche zeigt sich daran, dass Jhwh in der zweiten Himmelsszene die   „Integrität“ von Hiobs Frömmigkeit hervorhebt (Hi 2,3), die dieser mit dem Reinigungseid vor Gott erst unter Beweis stellt (Hi 31,6:         ). Damit ist bei Hiob nicht einfach an eine Beispielgestalt gedacht, sondern eher an eine konkrete Gestalt, doch diese wird der Erzelternzeit sozusagen vorangestellt. Man soll Hiob bei der Lektüre des Buches quasi als Präpatriarch Israels wahrnehmen. Die überindividuellen Züge seiner Person, seine exklusive Bewertung durch Jhwh (auch dass er in den Jhwh-Reden immer 125 Dies betonte zuletzt traditionell ontologisch sich an Clines, False Naivety, 135, anschließend Porter, Message, 303, Leiden habe bei den Menschen keinen Sinn, aber bei Gott. 126 Vgl. bBB 15a (vgl. Goldschmidt, Talmud VIII, 57f). 127 Vgl. neben der Analyse der Rahmenerzählung die Darstellung der Bezüge zu den Erzelterngeschichten oben, 377ff. 128 Zu letzterem siehe oben, 445ff. 129 Vgl. dazu oben, 365ff.

4. Hiob als Repräsentanzfigur für Israel

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mit dem Epitheton   erscheint, das sozusagen das bei den Freunden gebrauchte Patronym ersetzt) weisen darauf, dass er als Repräsentanzgröße für das Volk Israel verstanden werden soll.130

5. Die Geschichte Hiobs als Urzeit-Endzeit-Modell ausgerichtet auf eine eschatologische Wiederherstellung des Gottesvolkes Die Bedeutung dieser Repräsentanz für die Intention des Hiobbuches wird in ihrem ganzen Ausmaß erst durch eine strukturbestimmende literarische Beziehung der Rahmenerzählung zum Anfang der Samuelis-/Königebücher erkennbar. Die Hiobrahmenerzählung rezipiert formal und inhaltlich auf unterschiedlichen Ebenen 1 Sam 1–4.131 Doch zeigt sich in der Verarbeitung dieser vier Kapitel eine strukturbildende Verarbeitung der Samuelis-/Königebücher als Gesamtzusammenhang. So ist die Rahmenerzählung im Sinne 130 Diese These hat ansatzweise in einer kurzen Notiz Kellet, ‚Job‘: An Allegory?, 250f, vertreten. Er vermutet, dass es sich bei Hiob um eine Allegorie handle und im Geschick seiner Person auf das Exil angespielt sei. Er entnimmt dies den Unheilsbotschaften, die über Hiob hereinbrechen, was an die Ankündigungen der Propheten erinnere (ebd., 250). Dies erkläre, wieso in der Dichtung von seinem Aussatz im Rahmen auf vielfältige Leiden zu sprechen gekommen werde (ebd., 251). Ähnlich sieht jetzt Schmid, Schriftdiskussion, 250, „Hiob [...] als das individualisierte und protologisierte Paradigma des deuteronomistischen Gerichts an Israel und Juda.“ Außerhalb der atl. Exegese hatte die Literaturwissenschaftlerin und Dichterin Margarete Susman in einem Artikel über das Hiobproblem bei Kafka im Jahre 1929 „im Schicksal Hiobs [...] das ganze Leidensschicksal des Judentums [...] vorgezeichnet“ (zit. bei Langenhorst, Hiob unser Zeitgenosse, 121) gesehen. Was die Autorin zu diesem Zeitpunkt mit dem Bezug auf die Diasporaexistenz Israels noch biblisch begründet, mündet nach der Schoa in verschiedene Versuche einer Inbezugsetzung des Buches Hiob mit dem jüdischen Geschick bis zur Schoa ein. In besonderer Weise ist hier ihr Hauptwerk „Das Buch Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes“ zu nennen, wo sie die Erwählung, die Suche nach Gott, das Leiden und die Funktion für die Welt auf die Existenz des Judentums bezieht. Siehe hierzu die bei Langenhorst, Hiobs Schrei, 93–98, abgedruckte Textpassage (im Original Susman, Hiob, 71–77) und zu Margarete Susmans Werk und seiner Deutung insgesamt Langenhorst, Hiob unser Zeitgenosse, 120ff; Oberhänsli-Widmer, Hiob, 229ff. – Die These von Hiob als Repräsentanzfigur mit geschichtstheologischer Bedeutung erhält dadurch Unterstützung, dass eigentlich durch die untypische und außerordentliche Stilisierung der Szenerie und der Gestalt Hiobs das Buch insgesamt zu keiner Verallgemeinerung in Bezug auf das Leiden geeignet ist, sondern nur vermittelt durch Hiobs Geschick zu einer Reflexion über das Leid allgemein anleitet, wie Clines, Why, 143, es ausdrückt: „The book, however, persuades readers that they are reading about a universal human problem, when in reality they are reading about Job’s problem – a problem that is, by the logic of the narrative, no one else’s.“ Vgl. ebenfalls Clines, Does the Book of Job Suggest ...?, 109f. Clines wendet sich vehement gegen die Sicht der Rahmenerzählung als einer weisheitlichen Lehrerzählung, wie z.B. von Müller, Tun-Ergehen-Zusammenhang, 156ff vertreten.

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Zusammenfassung

von G. Genette zu verstehen als eine Nachahmung des Buchzusammenhanges von 1 Sam 1 – 2 Kön 25.132 Im Hintergrund der Kritik am Deuteronomismus steht also die literarische Beziehung zu diesem deuteronomistischen Buch und seinem geschichtstheologischen Konzept von Schuld und Strafe. Der Konzeption der mit dem Beispiel der Eliden beginnenden Geschichte der Königszeit, die in den Verlust der Staatlichkeit und in das Exil führt, wird die exemplarisch der Geschichte Israels vorangestellte Gestalt Hiobs gegenübergestellt. Hiob steht dabei gedanklich in einer idealen Gottesbeziehung, für die die konkrete Gebotserfüllung nicht das Maß der Dinge ist.133 Denn auffällig ist, dass „Sündigen“ und „der Gottesfluch“ im Prolog miteinander identifiziert werden und Hiobs Rechtschaffenheit – obwohl in den vier Attributen vorausgesetzt – nicht in Bezug auf die Gebotserfüllung konkretisiert wurde. Das Bleiben in der Gottesbeziehung überhaupt stellt das Ideal des Hiobbuches dar, das aus der Dichtung übernommen und im Rahmen paradigmatisch umgesetzt wird. Israel hält in der Gestalt Hiobs durch das Leiden hindurch an der Gottesbeziehung fest. Sein Leiden wird am Schluss im Gegenüber zu dem idealen Anfang durch eine umfassende Restitution kontrastiert. Hiob tritt mit und aufgrund seiner durch das Leid bewahrten Gottesbeziehung für andere ein, was heißt, dass Israel in seiner Diasporaexistenz stellvertretend handeln soll; dann, so drückt es der Hiobepilog in seinem eschatologisierten Gegenbild zum dtr Konzept der Samuelis-/Königebücher aus, wird sich das Exilsgeschick wenden und eine umfassende Wiederherstellung möglich sein. Pragmatisch dürfte das erzählerisch gerahmte Hiobbuch als Diasporaliteratur einerseits im Sinn haben, einer Resignation in den jüdischen Gemeinden entgegenzuwirken,134 die durch das Ausbleiben der Erfüllung der weitgehenden exilisch-/nachexilischen Heilshoffnungen (wie z.B. bei DtJes, Hag und Sach) hervorgerufen worden ist.135 Andererseits richtet sich das Ideal des frommen Hiob, der für das im Leid an seiner Gottesbeziehung festhaltende Israel steht, sicher auch gegen eine Preisgabe der Bindung an Jhwh unter den Angehörigen des nachexilischen Israel.

131 Vgl. oben, 392ff. Der Nachweis dieser literarischen Beziehung macht eine ganze Palette von literarkritischen Optionen für die Rahmenerzählung überflüssig und in der Konsequenz unmöglich. Vgl. die Diskussion der literarkritischen Thesen oben, 324ff. 132 Vgl. oben, 427ff. 133 Vgl. oben, 442. 134 Vgl. oben, 442. 135 Gegen ein ähnliches Problem richten sich z.B. die Argumentation in Mal 3,13f; Esr 9,7f.

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Stellenregister Altes Testament Genesis 1–3 1,1–2,4 1 1,22 1,28 2,23 3,15 3,17f 3,19 4,6f 4,10f 4,15 4,18 5,1ff 6,2 6,4 8,20 10,1 10,23 11,10ff 11,24f 11,27–32 12ff 12,16 15,1 15,6 18f 18,3 18,17ff 18,22–33 18,25 18,27 18,30 18,31

378, 439 41 41 378 378 262 71 55 254 453 103f 173 231 377 237 237f 295 231 223f 377, 441 311, 377 381 438 344 286 379 380 432 299 379 380 40 380 380

18,32 19 19,13–15 19,18–22 19,19–21 19,19f 19,19 19,21 20 20,7 22 22,1 22,12 22,21 23,1 24 25,7 25,8 26,24 27,37 27,39 29,14 30,43 31,17 31,31 31,36 31,43 32,8 32,16 33,19 35,19 35,28 36 36,4–16 36,4 36,10–12

379f 380 297 380 297 297 432 297f 299 299, 394 378–380, 404, 439 285 379 223f, 453, 456, 467 311 344 311 313, 377 404, 431 40 40 262 344 344 40 40 40 344 344 222 377 311 468f 294 273 273

500 36,11 36,15f 36,28 39,7 42,18 47,9 47,28

Stellenregister 273 273 223f 285 268 377 311

Exodus 1,17 1,21 4,1 4,13 5,2 5,22ff 8,6 9,9ff 9,16 11,1–3 11,3 12,23 15 15,11 18,12 18,13ff 18,14 20,5 20,7 20,16 22,8 22,9f 22,12 22,26 22,27 23,1 23,29 32,11ff 32,13 33,11 34,6f 34,14

268 268 40 66 127 299 240 263 240 299 307 247 27 239 295 347 237 403 167 167, 271 73 168 235 261 235, 243, 271 167 55 299 404 434 87 403

Levitikus 1,3–9 1,4 4,2 5,22f

422 422 233 168

8 8,14ff 13,2ff 13,18–23 13,21 13,46 14 19,14 24,15 24,16

434 434 160, 349 263 357 266 277 271 243, 271 268

Numeri 11,1 12,10–15 12,11ff 12,12 12,14 12,15 14,24 16,7 22–24 22,11 22,12 22,18 23,1 23,12 23,14 23,26 23,27 23,29 24,4 24,16 27,1ff 27,3 27,1–7 27,8–11 30

253 279 299 265, 278–280 266, 277 277 431 416 41 235 235 40 296 40 296 40 268 296 58 58 310 276 310 310 411

Deuteronomium 1–3 1,10 1,39 2,4–6 2,7 2,20ff 3,24 4–11

14 14 351 382 382 238 239, 432 383

501

Stellenregister 4,24 4,25ff 4,31ff 4,33f 4,40 5,9 5,11 5,15 5,16 5,20 5,23ff 6 6,2 6,4 6,15 6,24 7,13 8,2 8,6 9,3 9,27 10,17 11,22 12,15 12,19 12,20f 12,25 12,28 13,6 13,18 14,2 14,23 14,29 15,6 15,9 15,10 15,15 15,18 16,12 16,15 17,2–7 17,7 17,12 17,19 19,6 19,15 19,19 21,21

253, 403 219 240 240 382 403 167 382 382 167, 271 253 135 230 135, 219 403 230 117 135 135 253 404 297f 135 405 383 405 382 382 383 383 382 383 242, 382 385 383 382 382 382 382 382 170 383 383 383 135 271 383 383

21,22 21,24 22,7 23,11–13 23,21 24,7 24,10–13 24,13 24,16 24,18 24,19 24,22 26,18 28

28,1 28,4 28,9 28,11 28,12 28,15ff 28,15 28,18 28,20–44 28,27 28,29 28,30f 28,35 28,37 28,53 28,62–68 29,8 30,3 30,9 32,29 33,6 34,10

383 383 382 211 382 383 169 383 69 382 382 382 382 122, 125, 130, 235, 264–266, 350, 382–384, 386–389, 422, 427, 475 122, 387, 391 391 135 391 387, 389 123, 315, 387, 389, 424 387 117 384 263 122, 385 122 14, 263–265, 271, 385, 387–390 107 117 384 416 302 117 416 240 434

Josua 1,7 1,8 11,5 24,2ff 24,16 24,27

416 416 276 381 40 170

502 24,32

Stellenregister 222

Richter 7,14 9,2 13,2 17,1 19 19,1 20,34 20,41

268 262 222, 425 222, 425 223 222, 425 275 275

1. Samuel 1ff 1–4

1–3 1f 1 1,1ff 1,1–7 1,1–3 1,1 1,2 1,3 1,4–7 1,4 1,5f 1,5 1,6 1,7 1,8ff 1,8 1,9 1,10f 1,10 1,11 1,15f 1,16 1,20 1,21 1,22f 1,23 1,26–28

27, 405–407, 409, 411, 421, 425 292f, 396–398, 403f, 407, 409, 413, 418–422, 425–429, 433, 435, 477 392f, 398, 401, 405, 409, 420, 422 409f, 419 402, 410f, 420 404 327, 398–400, 402f, 427 401 222, 224, 395, 403, 425, 427 398, 402 398–400, 402, 410 401 398, 400, 402 402 400 121, 395 398, 402 402 399 400 410 411 410f 411 405 398 413 411 411 399

1,28 2–4 2f 2 2,1–10 2,1 2,2f 2,2 2,4f 2,4 2,5 2,6f 2,6 2,7 2,8 2,9f 2,9 2,10 2,12–17 2,13–17 2,14–16 2,15 2,16 2,18 2,22–25 2,22 2,23–25 2,25 2,26 2,29 2,30f 2,30 2,34 3,2 3,3 3,9f 3,11–14 3,12f 3,13 3,14 3,18 3,20f 3,21 4 4,8 4,11 4,14

402 409 409 26f, 400, 412, 415 410–412, 415, 418, 420 412 412 240, 412, 427 413 416 413, 418 413 413 413 413–415 415 27, 415, 417 415–418 397, 404 420 405 401 405 397, 409 397, 404 405 420 296, 299, 392–396, 406, 408f, 425f 397, 401, 409 420f 406 244, 424 398 407 408 409, 432 407f 406 392f, 406–409, 420, 425f, 428 396, 420f, 426 409, 424f 409 426 398, 423–425 268 406 423

503

Stellenregister 4,14–17 4,15ff 4,16f 4,16 4,17 4,18 7 7,5 7,9 8,1–4 9,1 9,5 10,24 12,14 12,19 14,1 16,16 17,13 17,28 21,10 22,6 29,6

423 400 423 423 406, 422 395 409 299, 394f, 409 395 409 222, 403, 425 397 240 230 395 400 456 456 456 240 237 229

2. Samuel 7,22 10,3 14,20 14,27 16,11 17,14 18,18 21,20 24,16

240 121 121 231 201 121 121 425 247

1. Könige 8 8,23 8,32 8,33–36 8,33f 8,33 8,35 8,42 8,44 8,47 8,48 8,50

410 240 73 429 219 240 394 394 394 299 394 429

9,7 11,41 14,29 15,23 17,17 18,38 19,12f 21 21,1 21,10 21,13

107 286 286 286 285 253 49 243 285 243 243

2. Könige 1,12 4,8 4,11 4,18 14,6 19f 19,35 20,1–11 20,7 25,27–30 25,28f

253 400 400 400 324 410 247 216, 441, 471 263 429 428

Jesaja 5,20 7,15 7,22 8,19–9,6 8,21 14,27 16,17 26,19 32,6 37f 38,1–8 38,21 40,2 41,8 41,20 41,23 43,13 44,1f 44,5f 44,21 44,24–28

351 123 123 243 243 135 436 443 270 410 216 263 80, 303 437 85, 196, 436 368 135 437 460 437 86

504 45,4 45,7 48,20 50,6 51,8 51,19 52,9 53 53,4–6 53,11f 56,3ff 56,6f 56,7 66,11 66,13

Stellenregister 437 201, 368 437 106, 436 91 276, 279 436 381 436 436 442 439 419 96 253

32,44 33,7 33,11 33,26 35,17 44,2 44,15ff 46,27f 46,27 46,28 48,47 49,6 49,39 51,64

437 437 437 437 275 275 218 437 437 437 437 437 437 449

Ezechiel Jeremia 1,14 2,24 7,16 7,18 7,29 9,22f 9,23 10,6f 11,14 14,11 18,23 19,15 20 20,14ff 20,14–18 23,19 24,9 25,20 29,3 29,7 29,14 30,3 30,7 30,10 30,14 30,18 30,23 30,24 31,23 32,42

275 135 299 218 254 415f, 418 416 240 299 299 93 275 335 335 335 71 107 223f 66 381 437 437 240 437 225 437 71 124 437 275

5,17 9,4 9,6 14 14,12ff 14,12–23 14,13–20 14,14 14,20 14,21–23 18,19f 27,31f 28,25 37,25 45,22 45,23

388 173 173 222, 225, 273, 311, 388, 433, 443 8, 69, 84 387 387 224 224 387 324 411 437 437 296 296

Hosea 4,1–3 5,12 9,16

141 91 117

Amos 1,14 3,6

71 368

Jona 1–3 2

419 419

505

Stellenregister 4,2 4,4ff

87 453

Micha 1,16 3,2f 6,7

254 261 117

Nahum 1,2–8 1,3 3,7

71 71 279

Habakuk 2,10 2,11 3,13

194 194 50

Zephania 1,1

403

Haggai 2,23

431

Sacharja 3 8,17

443 275

Maleachi 3,13f

478

Psalmen 1 8 8,5 8,6 10,3 15,3 22 22,6–8 22,11 28,3 29,1 31,9

108, 113 64, 338 64, 97 64 244 275 419 106 254 275 237 102

31,17 34,15 37 37,1 37,7 37,27 38,2–11 38,12–19 38,12 39,2 39,9 42,4 44,15 48,5 50,7 69,9–12 69,21 71,7 72,20 74,18 74,22 80,6 86,8 89,7 89,50f 94,19 94,23 99,6 102,10 105,6 105,42 107 107,11 113 113,2 113,9 119,69 124,3 126 132,11 139,5 139,11 140,9 144,3f

431 229 113 453 453 229 277 277 277 271 270 45 107 276 191 106 276, 279 107 449 270 270 45 240 237 106 96 96 84 45 404 404 86 58 412, 418, 425 255 27 93 453 68 117 134 71 102 64

Hiob 1,1–3,1

292, 336, 363

506 1f

1,1–2,13 1,1–2,10 1

1,1–5

1,1–3 1,1

1,2f 1,2 1,3 1,4–12 1,4f

1,4 1,5

1,6–2,10 1,6ff 1,6–12 1,6 1,7f 1,8f 1,8

1,9–11 1,9 1,10f 1,10

Stellenregister 35, 46, 56, 229, 235, 243f, 378, 388, 393, 396, 400, 404f, 409, 425, 434, 441 283 325, 333 42, 69, 117, 132, 264, 266, 346, 363, 370, 381, 386, 422, 424 221–236, 247, 250–252, 257, 313f, 324, 326f, 332, 356, 398, 401–404 6, 234, 241, 247, 254, 284, 325, 391 5, 10, 20, 51, 222, 227f, 233, 240, 245, 255f, 260, 267, 271, 314, 325–327, 343, 345, 382, 388, 403, 453, 468, 474 231, 252f, 264, 332 5, 231, 247, 309, 352 231, 240, 252, 309, 344, 346, 391 329 234, 251–253, 258, 295, 297, 300, 314, 325, 327–329, 352, 422, 439 42, 232, 300, 327f, 352 5, 20, 22, 69, 232f, 235f, 241, 243–245, 248, 250, 256,f, 267, 270f, 281, 314, 324, 329, 393, 402, 406, 408, 439 285 262, 330, 402 23, 132, 236–248, 250–252, 259, 313f, 328–331 236–238, 248, 250f, 399, 401f 20, 237–239 251, 328 10, 51, 154f, 229f, 237, 239f, 245, 251, 256, 260, 272, 319, 325f, 343, 372, 374, 382, 427, 434 231 20, 79, 127, 131, 241f, 254, 260f, 382, 390 20, 245 14, 20, 237, 241f, 251, 253, 260, 302, 308, 382, 385f

1,11 1,12 1,13ff 1,13–22 1,13–21 1,13–20 1,13–19 1,13–18 1,13

1,14–19 1,14–18 1,14f 1,15 1,16 1,17 1,18f 1,18 1,19 1,20 1,21f 1,21

1,22

2 2,1ff 2,1–13 2,1–10 2,1–6 2,1 2,2f 2,2 2,3

42, 234f, 241f, 244–246, 251, 255f, 262, 284, 323,f, 385 20, 74, 245–247, 249, 251f, 279, 291, 315f, 329 116, 252, 263f, 324, 330f, 389, 422f, 425 248–255, 257f, 313, 315, 328, 330 6 5 252, 263f, 315 264 232, 248, 250f, 253, 257, 263, 323–325, 328–330, 352, 370, 402, 405 252 253 252, 423 103 116, 252,f, 359, 423,f 103, 252, 344, 423f 69, 252, 257, 352 252f 328–330, 352, 405, 424 157, 352, 359 254, 266, 424 23 20, 22, 30, 160, 234, 250, 254–256, 258, 268, 270, 290, 308, 315f, 318, 323, 325, 343, 359, 362–365, 367–372, 392, 411–414, 424, 441, 476 21, 140, 148, 151, 170, 234, 255f, 258, 271f, 289, 291f, 300, 315, 317, 319, 329, 359, 369, 372, 408 42, 45f, 62, 348, 363, 365, 370, 381, 386, 422, 424f 241, 262, 328, 330f 23 325, 330f 259f, 262, 313, 315 237, 330, 402 20 20, 227 10, 71, 79, 154f, 203, 229f, 259f, 272, 284f, 291, 309, 315f, 319, 325f, 330, 343,

Stellenregister

2,4f 2,4 2,5 2,6 2,7ff 2,7–10 2,7f 2,7

2,8–10 2,8 2,9f 2,9

2,10

2,11–3,2 2,11–3,1 2,11ff 2,11–13

2,11

2,12f 2,12 2,13 3–42 3–31 3–28 3–14 3–7

362, 370–372, 374, 382, 427, 434, 475f 20 116, 260f, 266, 390 42, 234f, 262, 284, 425 20, 74, 246, 262, 269, 281, 301, 316, 413 263f 263–270, 272, 313, 316 330f 14, 261, 263–266, 316, 329, 349, 382, 385, 387–389, 422, 424f 275 200, 266, 274, 277, 308, 351, 414 331, 350 20, 42, 230, 234f, 245, 267, 270, 281, 316, 343, 388, 393, 406 20–22, 30, 45, 56, 148, 151, 160, 170, 201, 234, 267f, 270–272, 274f, 289, 291f, 300, 316–319, 325, 343, 349, 359f, 362f, 367–372, 388, 408f, 412, 414, 441 36 39, 273–284, 288, 291, 335, 356 274 2, 60, 62, 84, 96, 110, 126, 127, 130, 265f, 278, 280f, 283, 285, 288, 305, 307, 313, 317, 321, 325, 332–335, 353–356, 358f, 375, 447, 457, 463, 465 35, 62, 101, 273–275, 277, 279, 283, 293, 304–306, 317, 345, 357, 467 275, 278, 281, 351 276–278, 305, 317 30, 39f, 47, 277, 279, 281, 290, 317, 360, 449 31, 326, 333 23, 36f, 188, 463, 470 31 184 37

3

3,1ff 3,1f 3,1

3,2ff 3,2–26 3,2 3,3ff 3,3–26 3,3–10 3,3–7 3,4 3,8 3,10 3,11 3,11–19 3,14f 3,16 3,17 3,18f 3,20–26 3,20 3,21f 3,22 3,23 3,24–26 3,24f 3,24 3,25f 3,25 3,26 4–31 4f 4 4,1 4,2–7 4,2 4,3ff 4,3–6

507 8, 14, 30, 35, 38–48, 52, 55f, 59, 62f, 65, 78f, 126, 134, 143, 176–178, 180–182, 188, 196, 204, 206–208, 317, 335f, 343, 348, 392f 7 32f, 35, 39, 42, 283, 287 4, 35f, 39–44, 46, 232, 235, 280–284, 287, 313, 317, 335f, 356, 392f, 442, 474 4, 36, 42f, 46, 283f, 317, 321, 335, 363, 393, 442, 474 44, 313 22, 35, 39, 42, 43, 182, 282f, 287, 317, 336f, 469 41–43, 235, 282f, 335 336 43 41, 336 46 41 117, 254 43 43 43 43 43f, 72 43 183 43, 46 43 43 43, 46 45, 48 43 45f, 48, 348 348 45 43–45 313, 317 38, 46–56, 176, 178, 184, 307, 354, 365 53f, 56, 126, 294 33, 336 178 47f, 178 353 47

508 4,3f 4,4f 4,5f 4,5 4,6f 4,6 4,7–11 4,7 4,12ff 4,12–21 4,12–16 4,16 4,17ff 4,17–21 4,17–19 4,17 4,18ff 4,18–21 4,18 4,19 5 5,1 5,1–7 5,2–4 5,2f 5,2 5,3 5,5ff 5,6f 5,6 5,7 5,8 5,9–16 5,15f 5,17–26 5,17–21 5,17f 5,17 5,18–26 5,18 5,19ff 5,19–27 5,19 5,20ff 5,27 6 6,1

Stellenregister 47, 347 47, 56 47f 47f 347 48 48, 51 51, 55, 91 48 48 49 49 50, 97, 99, 294 48, 73, 97 49 49–52, 55, 69f, 98, 108, 111, 144, 182, 294, 347 49f 49–51 49f, 178, 430 50 52f, 55 46, 52–54, 178 53 53 52 52, 56 52f 219 53 62 53 52f 54 414 214 68 54 53, 55, 178 54f 54 354 178 54 55 46, 54, 56, 60 56, 60, 65 33, 282, 336

6,2–7 6,4 6,5ff 6,5–7 6,5f 6,8–10 6,8f 6,8 6,9 6,10–12 6,10 6,12 6,13 6,14ff 6,14 6,15 6,19 6,21ff 6,21–30 6,21–29 6,21 6,22f 6,22 6,23 6,24–30 6,24–27 6,25f 6,25 6,26 6,27 6,29f 6,29 6f 7 7,1ff 7,1–10 7,4f 7,5 7,6f 7,6 7,7–21 7,7–10 7,7f 7,7 7,8 7,11 7,11–21 7,12

57, 348 56f, 183 57 56 57 79, 184 58 58 58 348 58, 60, 343 58f 59f 56, 178 58–60 60, 273 221f, 442 65, 354 60 178f, 354 56, 307 60f, 107, 354 61f, 307, 354 61, 349, 354 61 178 347 61, 178 61, 307 61, 356 66 58, 61, 66, 347f, 365 56, 58–65, 78, 156, 178f 56, 63, 65, 184, 338 62 62f 348 62, 261, 348, 349 348 62 179 65, 63 62f, 178 62, 184 62, 65, 104, 184, 348 63, 76, 126, 349 63 41, 63, 178, 183

Stellenregister 7,13–15 7,13f 7,14 7,15 7,16–21 7,16 7,17ff 7,17–21 7,17–19 7,17f 7,20f 7,21 8 8,1 8,2ff 8,2 8,3 8,4ff 8,4–9 8,4 8,5–7 8,5f 8,5 8,6 8,8 8,10 8,11ff 8,13ff 8,13 8,19–22 8,20–22 8,20f 8,20 8,21 8,21f 8,22 9f 9 9,1 9,2 9,3–10 9,3 9,5–7 9,8ff 9,11–13 9,11f 9,11 9,12

349 63 63, 178 63, 79, 184, 348 178 63, 184, 348 97, 99 64, 183 64 64, 96f 64 64f, 67, 81, 95, 106, 184, 214 65–69, 80, 94, 178f, 354 33 354 65, 79, 178, 180 66, 69, 73, 347 353 178 67f, 117, 311, 351 67 67 38, 67f 347 65 178 67 67 89, 108, 214 178 68 354 67f, 214 68 68 68f, 72 69f, 72–79, 178f 69, 71, 76, 78 33, 282 51, 69f, 347 70 40, 195, 347 70 70 70 177 183 70, 135

9,13 9,14–35 9,14–16 9,14f 9,15ff 9,15 9,16–20 9,16 9,17 9,18 9,19f 9,19 9,20 9,21 9,22ff 9,22–24 9,22 9,23 9,24 9,25ff 9,25–31 9,25f 9,27f 9,27 9,28f 9,28 9,29–31 9,29 9,30f 9,31 9,32–34 9,32 9,33 9,34f 9,35 10 10,1f 10,1 10,2 10,3 10,4–18 10,4–6 10,4f 10,6 10,7 10,8 10,10–12

509 70 70 40 70 371 38, 71, 80, 347 70, 83 183, 196 70f, 79, 196, 260, 349, 359, 371 348 73 71, 347 71, 73, 80, 347 73, 79, 175, 184 365 74f 74f, 183 74f, 108 74f, 93, 200, 204, 368f 75 75 76, 348 75 182 214 75, 175, 178, 348 183 76, 348 76, 177 76, 178 76 40, 347 118, 347 365 76 76, 78 76f 184, 349 77, 347 59, 72, 77, 199 178 77 77 81 77, 79 77 77

510 10,13–17 10,13f 10,13 10,14 10,15–17 10,15 10,16 10,17 10,18–22 10,18f 10,19 10,20–22 10,20 11 11,1 11,2ff 11,2–7 11,2f 11,2 11,3–8 11,3 11,4 11,5f 11,6 11,8 11,9 11,10 11,11 11,12 11,13–19 11,13 11,14–16 11,14 11,15ff 11,15f 11,15 11,20 12–14 12,1 12,2–5 12,2f 12,2 12,3 12,3–5 12,4 12,5 12,6

Stellenregister 183 77, 175 139 77, 81 78 347 78 78 78 184 79 78, 82 178, 348 79–82, 178, 184 33 354 79, 178 79 40, 347 178 72, 83 79f 80 80f 82 82 82, 135 82 82 82, 178 81 214 82, 108 354 82 297 81f 83–94, 156, 176, 178–180 33, 282 178 83f, 178f 83, 87, 109f 83, 95 354 40, 83f, 108, 147, 178, 197, 356 84 84, 86

12,7–13,2 12,7ff 12,7–25 12,7–12 12,7–11 12,7f 12,7 12,9 12,11–13 12,11f 12,12ff 12,12–25 12,12f 12,13 12,14ff 12,14–25 12,14f 12,14 12,15 12,16 12,17–25 12,21–25 12,23 12,25 13 13,1–17 13,1f 13,1 13,2 13,3 13,4 13,4–13 13,4–16 13,4f 13,5 13,6 13,7–13 13,7–10 13,7–9 13,7f 13,8 13,8–10 13,9–11 13,9f 13,9 13,10 13,11 13,12f

153 86 152f 84 85 86, 178 85f 7, 85f, 196, 365, 436 86 85 86 85 178 85f 86 86 86 88 86 86 86 86 86 385 91, 179, 226 179 152f 86f 87, 95, 178 87, 195, 347 93 178 87 178 109 87, 195, 347 354 185, 373 355 87, 188 87, 297, 347, 373 347 105 293, 319 87 128, 293, 297, 319, 347, 373 150 88, 178

Stellenregister 13,13ff 13,13–17 13,13 13,14 13,15f 13,15 13,16 13,17f 13,17 13,18–28 13,18f 13,18 13,19 13,20ff 13,20 13,21 13,21–27 13,22 13,23–28 13,23–26 13,23 13,24 13,25 13,26 13,27 13,28 13,28–14,2 14 14,1–6 14,1 14,3 14,4 14,5f 14,6 14,7–12 14,12 14,13ff 14,13–17 14,13 14,14 14,15–20 14,15 14,17 14,18ff 14,22 15 15,1 15,2–16

98 91 88 88 192 88, 94, 189, 195f, 347 89, 94, 108, 147 178 89, 93, 188 89 89 89, 347 90, 197, 347 98 89 90 178 40, 90, 183, 196, 216 183 90 90, 94 90, 94, 225f 90 90, 214, 351 90, 91 91 91 94, 179 91, 183 96 91, 178, 347 91, 108, 111 178 91 92 92 94 92 92, 94, 178, 217, 254 183 178 40, 196 92f, 103 93 93 50, 95–99, 178 33 95

15,2–6 15,2f 15,2 15,3 15,4–13 15,4 15,5f 15,5 15,6 15,7f 15,8 15,9 15,10 15,11 15,12–16 15,12f 15,14ff 15,14–16 15,14 15,15 15,16 15,17–35 15,17 15,20ff 15,20–34 15,25 15,34 15,35 16–19 16f 16 16,1 16,1–5 16,2ff 16,2–6 16,2–5 16,2 16,3 16,4ff 16,4–6 16,4 16,5 16,6ff 16,6 16,7ff 16,7–17 16,7f 16,7

511 95 100, 178 40, 100, 120, 347 95, 347 178 95 178 95, 184 40, 95, 98 95 109 95, 178 96, 178, 293, 353, 358, 462 96, 98f, 125 96 96, 100, 178 50, 97, 182 50, 96,f 51, 96f, 347 97, 178 97 95 178 96, 98, 187 99 98 108 99 436 99–110, 156, 178f 109, 186, 385 33, 282 106 355 103 145, 178, 355 99, 125, 130, 178, 278 40, 100, 120, 178 99 100 100 100, 102, 185, 291 186 101, 121, 348 106, 183 102f, 338 102f 102

512 16,8 16,9–14 16,9 16,10f 16,10 16,11 16,12–14 16,12 16,15–17 16,15f 16,17 16,18–22 16,18f 16,20–17,1 16,20f 16,20 16,21 16,22 17 17,1 17,2ff 17,2 17,3f 17,3 17,5ff 17,5 17,6 17,7 17,8–10 17,10 17,11–16 17,13f 17,14 17,15 18f 18 18,1 18,2f 18,2 18,3f 18,3 18,4 18,5ff 18,5–22 18,5f 18,5 18,7–12 18,12

Stellenregister 40, 105, 349 103 102 349 102f, 105, 178, 436 72, 102 103 183 103 103 102f 103 104f 105 186, 273, 356 105f, 178 106, 347 105f, 348 110, 179 105f, 348 106 106, 178 106f, 178 106 107 107 107, 349, 350, 385 107, 349 107f 109f, 178, 358 109, 348 92, 186 186, 227 92, 109 119 108, 110–114, 178f, 358 33 110f, 114, 178, 358 65, 110f, 114, 178, 180 178 111, 113 110–114 112, 122, 128, 187 113 113, 129 72, 112f 113 129

18,13–16 18,13f 18,14 18,15 18,17–19 18,20f 18,21 19 19,1 19,2–6 19,2f 19,2 19,3 19,4 19,5–7 19,5 19,6ff 19,6–12 19,6 19,7ff 19,7 19,8–12 19,9 19,11 19,12 19,13–22 19,13f 19,13 19,14 19,15 19,16 19,17f 19,17 19,18 19,19 19,19–21 19,20 19,21f 19,21 19,22 19,23f 19,25ff 19,25–27 19,25 19,26 19,27 19,28f 19,28

113 113 113 113 113 113 150 114–120, 178f, 186 33, 282 114 178 66, 110, 114f, 180 115 115 178 115, 347 186 338 115, 119 115 40, 115f, 183, 196, 347 115 64, 157, 347 453 183 116 307f 350, 352 116, 350 116, 346 40, 116f, 346, 351 311, 351f 116f, 351 351f 117, 351 297 117, 261, 349 178, 183 118, 273, 356 116f, 147 118, 173 192, 202 118–120, 202 92, 116, 118, 147, 186, 217 186, 261, 348f 119, 183 116, 120, 128, 178 119, 178

Stellenregister 19,29 20 20,1 20,2f 20,2 20,3 20,4ff 20,4f 20,4 20,5ff 20,5–28 20,5 20,6–11 20,10 20,12–15 20,15 20,16 20,17 20,18–20 20,18 20,19 20,20 20,23–25 20,23 20,24f 20,26 20,27 20,28 20,29 21–28 21 21,1 21,2–6 21,2f 21,2 21,3 21,4–6 21,4 21,5f 21,5 21,6 21,7ff 21,7–16 21,7 21,14f 21,14 21,15

119 120, 122–125, 128–130, 150, 178, 211 33 120, 124, 178 121 40, 120f 121 34, 121, 124 121, 128, 178 187 122 72, 108, 122 122 122, 414 122 122 122 123 122, 211 123 123, 414 123 123 453 122, 211 122f, 211 123 124 124, 150 137 125–128, 130, 132, 178f 33, 282 125 125, 178 96, 125, 130, 178 125, 127 126 126, 134, 182 126 125–127, 178 126, 128 128 127 72, 127 128 127, 133 127

21,16f 21,16 21,17–26 21,17 21,18 21,19 21,20f 21,20 21,22–26 21,22 21,23–26 21,27ff 21,27–29 21,27 21,28 21,29–32 21,31 21,32 21,34 22 22,1 22,2ff 22,2–5 22,2–4 22,2f 22,2 22,3–7 22,3 22,4f 22,4 22,5–11 22,5–9 22,5 22,6–11 22,6–10 22,8 22,9 22,9–13 22,11–18 22,12–20 22,13f 22,15 22,17f 22,18f 22,18 22,19 22,21ff 22,21–30

513 72 121, 127f 127f 127, 129, 140 129 129 129 129 129 130 129 130 178 178 72, 130 130 131 116 130, 178 131–133, 176, 178, 185, 208 33 219 131 132 131 131f 178 131, 347 134 132, 347 133 172 132 132 173 297 346 178 172 131f 132 178 133 133 72, 121 72 206, 214 178

514 22,21 22,23 22,24 22,26 22,27 22,29 22,30 23f 23 23,1 23,2 23,3 23,4 23,5 23,6f 23,6 23,7 23,8f 23,10–12 23,10 23,12ff 23,12 23,13f 23,13 23,15f 23,16 23,17 24 24,1 24,2ff 24,2–4 24,3 24,4 24,5ff 24,5–12 24,5–8 24,5 24,9 24,12 24,13–17 24,13 24,14 24,17 24,18–24 24,18–21 24,18 24,19–24 24,19

Stellenregister 133 133 133 297 84 214 133 133–144, 177–179, 211, 358 14, 136, 139, 143, 186 34, 138, 282 14, 134, 182, 358 183 347 40 134, 195 347 74, 144, 347 134 135 134 186 144 134 135, 219 135f 135, 349 135 50, 136, 138–140, 142f 145 139f, 142 141 139 140, 346 140f 140 140 140, 159 140 346 140f, 183 141f 141 414 141f 141 141 141 142 141

24,20 24,21 24,22–24 24,22 24,23f 24,25 25 25,1 25,2f 25,2 25,3f 25,3 25,4–6 25,4 25,5 26–29 26f 26 26–31 26,1–14 26,1 26,2–4 26,2 26,3 26,4 26,5ff 26,5–15 26,5–14 26,6–14 26,14 27f 27 27–31 27,1 27,2–6 27,2–4 27,2 27,4 27,5f 27,5 27,6 27,7–10 27,7 27,8–10 27,8 27,9f

169 141 142f 141 186 75, 139, 142 143f, 178f, 185 34 145 143f 144 144 50, 144, 182 144, 347 141, 178 145 145f 144–147, 156, 175, 178–180 136, 156 152 34, 282, 449 178 144, 178 145 145 146 147 146 145 146f, 178 145, 175, 194 145, 147–151, 156, 178, 179, 208, 447 156 34, 40, 145, 155f, 177, 449, 466 156 147 347 147 149, 347 148, 151, 178 148f, 214 148–151, 153, 186 102, 148 187 108 84, 149

Stellenregister 27,9 27,10 27,11f 27,11 27,12 27,13ff 27,13–23 27,13 27,23 28 28,1–14 28,1 28,12 28,18ff 28,20–28 28,20 28,25f 28,28 28,35 29–31 29f 29 29,1 29,2–4 29,5–11 29,5 29,6 29,7ff 29,7–11 29,8 29,9f 29,9 29,10 29,11–13 29,12–17 29,12f 29,14 29,16 29,18–20 29,21–25 29,21–23 29,21 29,22 30 30,1–15 30,1 30,2–8

149 149 148–152, 156 149f, 178 149f, 178 187 148–151, 153, 186 150 153 2, 10, 145, 149, 151–155, 418 152 153 227, 386 187 152 227 149 152–155 316, 385 31, 38, 89, 138, 145, 155–176, 189, 194, 204 157, 174 157, 175f, 207, 348 34, 40, 145, 155f, 449, 466 157 157 157, 351 346 158, 347 157 158, 347 158 347, 351 347 158 157 158, 346 158, 347 226, 346, 347, 414 159 157 159, 460 159 159 157, 175, 368 159 159, 346, 353 160

30,4 30,9–15 30,9 30,16–31 30,16 30,17 30,18f 30,19 30,20–23 30,20 30,21 30,22 30,24 30,26f 30,26 30,30 30,31 31

31,1–6 31,1–4 31,1–3 31,1 31,2f 31,3 31,4 31,4–4 31,4f 31,5f 31,5 31,6 31,7–40 31,7–15 31,7f 31,7 31,8f 31,9ff 31,9–12 31,9 31,10 31,13–15 31,13 31,14 31,16–24 31,16–18 31,16f 31,16

515 160 159 159, 358 160, 176 159, 348 348f 349 102, 349 160 183, 196 368 160 160 348 160, 368 160, 261, 348f 182 36, 74, 133, 160f, 166–168, 170, 173–176, 181, 187, 189f, 207f, 211, 214, 347, 471 161 161, 165–168, 193, 312 166 165f 166 166 166 169 161 162, 166–169 161, 167 161f, 167, 176, 347, 476 169 162 169 121, 161 161 169 169 169 161, 174 169 161, 346f 135, 161 163 161, 169 346 414

516 31,19f 31,19 31,20 31,21–23 31,21 31,22 31,24f 31,24 31,25–32 31,25 31,26–28 31,26f 31,27 31,28 31,29f 31,30 31,31f 31,31 31,33ff 31,33–40 31,33–37 31,33f 31,33 31,35 31,35–37 31,35f 31,36 31,37 31,38–40 31,38 31,39 31,40

31,40–32,6 32 32–37 32,1ff 32,1–5

32,1f 32,1 32,2ff 32,2 32,3

Stellenregister 169 161, 169, 414 161, 169, 174 169 161, 346 161 169 161 164 161 169f 161, 169 169 161, 169 161, 164, 170 170 161, 164, 170 165 170 165 167 161, 166, 171, 173 170 167f, 171, 173, 183, 195f, 347, 366, 431 161, 166f, 171, 176, 195 166, 171, 173 167, 172 173 166, 174, 346 161 161 4, 22, 32, 34, 36, 161, 166, 174, 287f, 346, 449f, 452, 456, 463 32, 287, 447f 458, 460 2, 32, 138, 189, 453, 462 36, 449 10, 34, 36, 39, 138, 318, 335, 445, 447–449, 453f, 456–458, 461–465, 467, 469 463 4, 22, 288, 449–452, 454, 456, 460 450 32, 51, 223, 452–457 273, 452–455, 460, 462

32,4 32,5f 32,5 32,6ff 32,6–21 32,6–42,6 32,6f 32,6 32,7 32,8–10 32,8 32,9 32,10 32,11f 32,12 32,13 32,15–17 32,15f 32,17 32,19 32,20 32,21 33 33,10 33,13 33,19–22 33,23f 33,31–33 33,31 33,32f 34,1 34,7f 34,10 34,19 34,30 34,33 34,34–37 35,1 35,4 36,1 36,13 36,18 37,14ff 38–42 38–41

452, 455, 458 288 4, 452f, 455, 460 10, 96, 445, 448, 453, 457f, 460–466 457 23 4, 458 32, 34, 36f, 39, 193, 223, 287, 452f, 455–458, 463, 466f 458 462 458f 85, 459 79, 121, 459 458 39, 79, 460 460–462 39 137, 460 460 460 460 297, 460 458, 460 225f 226 465 104 138, 192 191f 34 34, 40, 193, 452, 466 458, 461 121 297 108 199 458, 461 34, 40, 193, 452, 466 273 34, 452, 466 108, 461 461 192 32, 90, 157, 189–205, 314, 318, 333, 414, 464, 470f, 474 154

Stellenregister 38–40 38,1

37, 166, 197 18, 32, 34, 36, 71, 85, 197, 292f, 365f 38,2f 195, 197 38,2 286, 292, 344 38,3 191f, 197f 38,4–38 198, 200 38,6 415 38,7 237 38,8–11 63 38,19 227 38,24 227 38,28 227 38,31 227 38,39–39,30 198 38,39ff 198 40,1ff 193, 196 40,1–4 7 40,1f 193, 197 40,1 7, 34, 36, 85, 193f, 292, 366 40,2 7, 36, 171, 193–196, 201, 347 40,3 7, 34, 36f, 85, 198, 366 40,3–5 194f, 198, 286 40,4f 136, 193–197, 318 40,5 171, 194, 198 40,6–42,6 37 40,6–14 2 40,6 18, 32, 34, 36, 71, 85, 193, 292f, 366 40,7 191f, 198 40,8ff 195f 40,8–14 195 40,8 196, 347, 454 40,13 50 40,12 72 42 393, 396, 400, 409, 425, 434, 441 42,1–6 4, 30, 56, 202, 206, 286, 288, 318, 335, 337, 358, 362f, 366f, 414 42,1 34, 36, 85, 366 42,2–6 155, 194, 199, 344, 469 42,3f 192 42,3 56f, 202, 286, 325 42,4 191f, 198, 206 42,5 175, 196, 199, 202, 293, 366 42,6 103, 119, 198f, 226, 288, 325, 349, 361, 367, 414, 463

42,7–17

42,7–13 42,7–11 42,7–9 42,7–10 42,7f

42,7

42,8–10 42,8f 42,8 42,9 42,10–17 42,10–13 42,10f 42,10

42,11

42,11–17 42,12f 42,12 42,13–16 42,13–15 42,13 42,14 42,15 42,16f 42,16 42,17

517 2, 4, 71, 84, 278, 285–291, 293, 295–313, 321, 324, 332f, 337, 358, 363, 367, 422, 434, 447, 463–465 309 23 2, 303, 314, 319, 320, 333, 457, 464 294, 306f7, 325, 331–334, 353, 393 20, 22, 30, 154f, 170, 256, 272, 286, 287, 290, 292–295, 300, 305, 318–320, 323, 343, 344, 353–356, 359, 361, 368f, 372, 374f, 380, 408, 411, 453, 464 32, 34, 36, 275, 285–293, 300, 318, 319, 325, 337, 345, 360–363, 414, 434, 453, 463 408 290, 297f, 372, 408 234, 256, 295f, 301, 319, 372, 393, 439 300, 301, 320, 333, 357, 372f, 436 314, 320, 333, 414 309 309 301–304, 306, 308f, 312, 320f, 325, 331f, 334, 345, 357, 393, 414, 428, 437 5f, 62, 222, 275, 279, 280, 289, 304–308, 317, 320, 325, 331, 345, 352–357, 362f, 369, 371, 391 320, 325, 331f 6, 309, 325 306, 308f, 331f, 357 311, 377 352 308f, 332, 357, 476 309 227, 302, 310 311, 320 221, 311, 332, 344, 357 9, 377, 443, 468

518

Stellenregister

Sprüche 3,7 3,29 4,27 5,22f 5,22 8,6 8,22ff 10,1ff 10,24 13,9 14,17 15,18 16,17 19,11 19,21 20,1 21,17 22,6 22,24 23,20 24,12 24,19 27,4 29,9 29,22 30 30,33

Ester 229 275 229 113 129 191 152 113 124 129 453 453 229 453 197 249 249 229 453 249 74 453 453 453 453 469 453

Ruth 1 1,2 4,19

223 224 456

Prediger 2,24–26 4,13 5,5

247 459 271

Klagelieder 3 4,21

338, 385 223f

2,23

286

Daniel 2,20–23 6,21 9,3ff 9,13 9,14 9,17

86 437 299 275 275 432

Esra 9,7f

478

Nehemia 3,37 6,2 6,10 9,17

93 276 276 87

1. Chronik 1,17 1,35f 1,42 2,9 2,13 5,22 7,20ff 7,20 13,5 17,20 20,6 21,1 27,18

223 273, 294 223 395 456 268 439 340 230 240 425 238, 443, 475 456

2. Chronik 6,14 11,18 25,20

240 456 268

519

Stellenregister

Apokryphen und Pseudepigraphen Sirach 23,14 23,19

Testament Hiobs 41 41

XL,14 XLI,6

469 469

Qumran CD XIX,12 173 27, 296, 394-396, 413, 415, 4QSama 418

4QSamb 11QTgJob

395 126, 301, 436, 443

Rabbinische Texte Mischna mBer 5,5 mTaan 3,8 mQid 4,14 mMak 2,6

Babylonischer Talmud 395 395 395 395

Awot de-Rabbi Natan 37,12

395

Soferim 18,11

bErub 63a bSota 31a bBB 14b–15b bBB 14b bBB 15a bNid 52a

Midrasch GenR 12,8

395

464 262 433 433 107, 476 224

143

Lexeme und Kontextformen  

58 198–200, 266, 277, 308, 349, 414 41, 234, 235     116f, 351f   35, 42, 234,f, 242, 245, 255f, 268, 282, 308, 315, 323, 392f    234f, 244, 256, 267–269, 271, 284, 421    452f, 455f, 466  67, 77, 89, 141, 233–235, 243, 256, 271, 299, 322f, 343, 426    271, 282, 291   79, 230, 260  257   229, 364, 389f  51, 55, 67, 229, 230, 382, 389 

423  

252, 422f  

14, 241f, 245, 308, 382, 386 

276f, 308  100f, 274–276, 279  96, 101, 198–200, 275f, 279   286, 288f, 291f, 298, 318, 344, 439  157, 252, 346, 351f, 375, 404, 423   3, 297  81   18, 32, 34, 36, 71, 193, 196, 293

  

154, 229f 49f, 53, 239, 287f, 290–292, 295f, 319, 340, 345f, 350, 367, 372, 374, 404, 409, 428, 430– 432, 437, 477    260f, 266  50, 198–200, 349, 414  232–234, 407f, 420   411  35f, 41f, 234f, 242, 244, 281– 283, 317, 323, 393, 424   244, 393, 406, 426  452f, 455f, 467   59f, 83, 273–275, 280, 288, 304f, 334, 345, 356, 393, 451f, 454   10, 263f, 275, 316, 367f  274f, 280, 288, 306    312f, 377   301f, 428f, 437  263, 265, 349  227, 237f, 443  10, 51, 68, 71, 73f, 161, 229f, 241, 260f1, 316, 382   230, 260f, 316, 382   96, 99, 125, 130     140, 234, 255f, 271, 282, 291, 315     140, 256

Sach- und Namensregister Abfassungszeit 3, 29, 222, 346, 440–443 Abimelech 299 Abraham 299, 311, 313, 344, 377–381, 404, 427, 430f, 433–435, 439, 476 Achiqar 3, 28f, 473 Affekt 136, 453, 461, 464 Ambiguität 253, 288, 346, 404 Anachronismus 200, 221f, 225, 265, 344f, 347, 388, 432, 443 Anfeindung 68, 102, 226f, 231, 238f, 246, 365, 404 Anklage 3, 56, 61, 65f, 70, 76, 78, 80, 92–94, 103f, 119, 133, 139, 143, 154, 172, 176, 180f, 188f, 191, 201, 204, 207f, 210, 212, 217, 219, 289, 291, 318, 343, 354, 364, 368f, 470, 474 Anspielung 11, 14, 64f, 83, 104, 135, 137, 140, 160, 211, 224, 227, 247, 249, 254, 257, 273, 329, 349, 370, 382, 389, 407, 418f, 427 Apophis 218 Appell 105, 115, 350, 364f, 369 Aqeda 378f Aussatz 45, 62, 160, 200, 261, 263–266, 274, 277–280, 295, 300, 306, 308, 316, 330f, 334, 348–350, 375, 382, 387f, 413f, 422, 424, 477 Ausschweifung 406 Autoritätsverlust 351f, 375 Barmherzigkeit 65f, 68, 99, 115, 118, 178, 183, 185, 187, 189, 208, 298 Beauftragung 397, 431 Benediktion 255, 257f, 308, 315, 367 Besitz 83, 116, 122f, 155, 164f, 231, 241, 246, 250, 252–254, 256–258, 260–262, 264, 271, 284, 307–309, 315, 320, 348f, 357, 376, 423, 458

Beten 254, 409–411, 415 Beter 170, 181, 208, 233, 412, 431–435 Bethlehem 223 Blasphemie 244, 289 Blutschuld 104f, 109 Bote 50f, 252, 264, 329f, 423f Brandopfer 232f, 295, 379, 421f Buße 68, 133, 226 Chaos 40f, 45, 115, 181–183, 187, 191, 204, 207, 219, 360, 369, 376 Daniel 69, 299, 387f David 117, 223, 397, 418, 431, 437, 453, 456 Desozialisierung 120, 157, 308, 348, 350–352, 357, 364, 375f, 438 Deuterojesaja 217, 412, 431, 435–438, 440, 443, 478 Deuteronomismus 9, 11f, 123, 135, 208, 211, 214–219, 242, 247, 266, 272, 340, 381f, 389f, 392, 397, 418, 424, 427–430, 439–441, 444, 471, 474, 478 Dialogpartner 38f, 47, 180, 316, 358 Dialogteil 8, 22, 30, 35–39, 42f, 103, 108, 114, 138, 143, 145, 150, 156, 159, 176f, 180f, 190, 196, 200, 204f, 207, 210, 214, 282–285, 287–289, 292, 335, 338, 356, 360, 366, 375, 450–452, 461f, 466, 470 Diaspora 366, 381, 419, 444, 477f Diasporaliteratur 381, 442, 478 Dichtung 1, 4–11, 17–26, 28–39, 59, 71, 84f, 89f, 94, 96, 99–102, 105, 107f, 110, 114, 116, 120, 126, 133, 135–138, 144f, 152, 154f, 157–159, 165, 181f, 185f, 189f, 195, 202–208, 217, 219–221, 226–228, 254, 273, 278, 280, 282–290, 292, 304f, 307, 312f, 317, 319, 321, 332–335,

522

Sach- und Namensregister

337–339, 341–344, 346–377, 381, 385, 389, 404, 414f, 421, 427, 430, 433f, 438–443, 445–447, 450, 454, 456f, 463–466, 469–478 Dienerschaft 237, 309, 346, 404 Dualismus 219, 443f Edom 223 Eigenname 123, 223–226, 250, 443, 468 Eli 244, 299, 392f, 396–399, 404–409, 411, 420–427, 433 Eliden 244, 396–398, 402, 405–409, 421f, 426–429, 478 Elihureden 6, 8–10, 25, 32–39, 72, 79, 137f, 152, 180, 189, 193, 204, 209, 226, 318, 338, 341, 353, 358, 361, 445–448, 456f, 460–467, 469, 472, 474 Elkana 397–399, 402f, 410f, 427 Emotion 120, 457 Epitheton 340, 366, 374, 428, 430, 477 Ersatzopfer 249 Erbrecht 310 Erlöser 118, 186 Errettung 59–61, 89, 119, 129, 181, 183, 196, 206, 216, 290, 296f, 348, 360, 380, 383, 397 Erstes Gebot 412, 441 Erzählstrategie 267 Erzähltext 5, 17f, 20–22, 24–26, 30, 32f, 37, 120, 127, 243, 251, 286, 319, 343, 359, 369, 419, 425, 438, 455, 457 Erzelternerzählungen 233, 312, 340, 344, 377, 421 Erzelternmilieu 47, 295, 387, 435, 438f Erzelternzeit 222, 311, 344, 347, 374, 377, 388, 476 Esau 273 Eschatologie 430, 438–440, 443f, 477f Etymologie 101, 225, 227, 273, 403 Euphemismus 35, 42, 74, 93, 116f, 122, 234f, 242f, 245, 255f, 267f, 271, 317, 322f, 392f Exil 214f, 301f, 384, 386, 388, 428–430, 433, 437, 440, 443, 477f Existenz 9, 43–45, 55, 62, 103, 127, 184, 214, 216, 241, 254f, 278, 280, 282–285, 319, 336, 349, 356, 361, 385–387, 390, 392, 424, 429, 442, 469, 474

Exposition 20, 231, 236, 242, 313–315, 320f, 325–327, 332, 348, 357, 398–400, 402–404, 406f, 420–422, 425, 427, 433 Falschaussage 271 Familie 307 Fehlverhalten 99, 115, 244, 300 Feind 42, 60f, 102f, 134, 148, 170, 183, 186, 204, 224–227, 231, 238, 412 Feindklage 42, 103, 149 Feldbau 174, 344 Festmahl 248f, 420 Figurenperspektive 264 Figurierung 2, 107, 221, 379, 408f, 427, 435 Fiktionalität 342 Fluch 28, 42, 45, 122, 151, 170, 209, 235, 243–245, 248, 255–257, 262, 265, 267–272, 282f, 285, 291, 297, 314–317, 319, 322f, 336, 343, 376, 380, 382–385, 387–390, 392f, 406, 410, 423, 426, 429, 441, 475 Frage, rhetorische 49, 51–53, 57, 59–61, 66, 69f, 73, 85, 90, 95, 97, 109, 121f, 126, 128–132, 147, 149, 160f, 164f, 174, 182, 192, 194f, 197f, 201, 203, 227, 239, 241, 260, 299, 307, 390, 396, 408, 426, 454 Fremdgötterverehrung 441 Frevler 27, 43, 67f, 72, 74–77, 79, 82, 84, 86, 95, 98f, 108, 112f, 121–124, 127–133, 139–143, 148–151, 156, 183, 186f, 200, 204, 207, 244, 368f, 371, 379f, 454, 462 Frommer 27, 55, 67f, 74f, 77, 83f, 108, 128, 131f, 135, 143, 175, 183–185, 187, 190f, 197, 200, 202, 204–206, 208, 213f, 216, 218f, 240, 245, 272, 290, 314, 322, 344, 350, 362–365, 368, 371, 373–375, 380, 387, 390f, 410, 413, 437, 464, 470, 472, 474 Frömmigkeit 22, 48, 53, 55, 58, 73, 83, 94, 127f, 131f, 167f, 187, 204, 207, 214–216, 218, 230–234, 238f, 241f, 245–248, 254f, 257–262, 267, 269–272, 285, 292, 300, 306, 314f, 321, 344, 363f, 370, 375f, 381f, 384–386, 388–391, 429, 441, 475f

Sach- und Namensregister Fürbitte 84, 233, 289, 295–303, 319f, 322, 355, 357, 360f, 372f, 376, 379–381, 391–397, 408f, 420f, 426, 429, 434f, 439 Fürsorgepflicht 206, 212, 214, 218, 290, 368, 374, 471 Fürsprecher 104–106, 108, 210, 218 Gebet 25f, 44, 94, 102f, 140, 197, 216, 254f, 268, 280, 289f, 296, 298, 395, 398f, 409–411, 417, 419–422, 425, 432, 442 Gebotserfüllung 135, 211, 382, 384f, 387, 440, 442, 478 Gebotsübertretung 266, 385, 388f Gebrauchsliteratur 15f Geburt 27, 40, 42, 45, 78, 117, 182, 223, 232, 282f, 311, 313, 320, 332, 335, 340, 344, 357, 398f, 411, 424, 476 Gefährdung 231f, 255, 258, 260, 284f, 292, 316, 319, 323f Gelage 232, 249, 251–253, 257, 270, 323, 328, 405f, 423 Gelübde 399, 409–411, 417, 419, 420 Gemeinschaftsritual 280, 304f Genealogie 223f, 273, 311, 313f, 317, 321, 345, 352, 374, 377, 403, 456, 467f, 472 Gentilizium 32, 223, 452 Geographie 35, 216, 223f, 273, 314 Gerechter 53, 68, 72, 78, 107f, 113, 133, 183, 213, 217, 229, 272, 379f, 415, 417, 435, 470 Gerechtigkeit 51f, 54f, 61, 64, 66, 70, 72–74, 76–78, 80, 82, 87, 91, 94, 97f, 108, 111, 119, 131, 133, 137f, 142–145, 148–150, 158, 161, 167f, 174f, 182, 184–188, 202, 206–208, 212, 214, 218, 319, 343, 354, 383, 387, 389, 416, 418, 435, 438, 450, 471 Gericht 3, 19, 73, 76, 82, 87, 89, 96, 106, 130, 132, 168f, 189, 208–210, 253, 271, 297, 347, 385, 403, 407, 477 Geschöpf 50, 64, 77 Gewalttat 102–104, 115, 141 Gottesbegegnung 89f, 119f, 136, 149, 155, 175, 191f, 196, 198–200, 202, 206f, 211f, 216, 292, 360, 362, 368, 474 Gottesbezeichnung 7, 240, s. auch -Name, Tetragramm

523

Gottesbeziehung 45f, 65, 67, 83f, 89, 94f, 109, 127f, 139, 148, 170, 175, 186, 190, 205f, 208f, 212–216, 218f, 230, 233f, 240, 242, 244–248, 256–258, 260–262, 265, 268–272, 280–282, 284f, 289–292, 294, 296, 299–301, 303, 314–316, 318–324, 343–346, 350, 357, 360–367, 372–376, 378–382, 385f, 388–392, 404, 408–410, 412, 421, 425f, 428–432, 434, 438–442, 467, 470, 472, 474f, 478 Gottesbild 17f, 190, 201, 216, 289, 366, 376, 475 Gottesfluch 230, 236, 257, 266, 268, 272, 292, 315, 322–324, 350, 360, 388–390, 392f, 397, 406, 409, 412, 424–427, 475, 478 Gottesfurcht 45, 48, 95, 132, 153f, 262, 383, 389, s. auch Tetragramm Gottesknechtslied 435f Gottesname 7, 85, 155, 217, 228, 240, 250, 255, 265, 267f, 290, 345, 365–367, 395, 416, 454, 472f, 476, s. auch Bezeichnung, Tetragramm Gottesreden 18, 30, 32, 36–39, 71, 83f, 89, 93, 119f, 126, 136–138, 145–147, 167, 171, 186f, 189–194, 196–206, 209, 211f, 216, 219, 286–288, 292–294, 306, 318f, 335, 337, 342, 344, 357–359, 361–369, 372, 376, 414, 419, 440, 446, 460, 462–464, 470–472, 474–476 Gottlosigkeit 268 Gruppenposition 54, 358 Hanna 26f, 398f, 405, 409–413, 415, 417–420, 422, 425, 427 Heil 53–56, 68, 82, 89, 94f, 105, 118f, 134, 159f, 176, 182, 192, 205, 208, 302, 320, 347, 370f, 384, 387, 413f, 440, 442, 474, 478 Heiligung 232f, 378, 408 Heilshandeln 199, 302 Heilszusage 14, 68, 82, 214, 242, 247, 262, 266, 354, 385–387, 391, 474 Himmelsszene 20, 71, 79, 132, 154, 227, 230f, 236f, 242, 246, 248–260, 262f, 265, 267, 269–271, 275, 285, 291, 298, 306, 308f, 313–316, 324–326, 328–330, 343,

524

Sach- und Namensregister

362–364, 370–373, 382, 385, 388f, 412f, 422, 435, 443, 476 Hiobdichtung 8, 10, 17–19, 25, 29, 39, 45, 64, 94, 97f, 130, 135–137, 144, 152, 156, 170, 175f, 181, 189, 192f, 196, 205f, 208, 210–219, 326, 338–340, 347f, 353, 359–361, 366, 368, 370, 373, 375, 411, 414, 418f, 439–441, 443, 445, 447, 462–472 Hiobname 226–228, 238f, 246, 266, 319, 374, 403, 412, 428, 430 Hiobnovelle 378 Hiobsbotschaft 257, 261, 313, 315f, 323, 387, 422–425 Hoffnungslosigkeit 92, 268 Hofni 399, 402, 426 Hofstaat 203, 251, 369 Horus 201 Hypertextualität 14–16 Hypotext 15f, 427 Integrität 65, 79f, 95, 161, 168f, 175, 213, 230, 239f, 246f, 249, 260, 262, 264f, 267, 269, 271, 284, 289, 291, 304, 315f, 320, 322, 330f, 343, 348, 360, 362–364, 370, 383, 388f, 425, 473, 476 Intertextualität 12–14, 16, 64, 173, 235, 338, 381, 412 Ironisierung 76, 83f, 154, 192, 197, 241, 286, 373, 389f Ipuwer 212 Jakob 377, 380, 436–438 Jenseitsgericht 168, 170–172, 174f, 471 Jeremia 299, 431, 437f, 440 Jerusalem 216, 346, 385, 387, 397, 419, 429, 443 Jobab 468 Juda 15, 91, 426, 428f, 456, 477 Kaddisch 143f Kaleb 431 Kanon 13, 79, 211, 339, 465 Kinder 43, 69, 107, 116f, 120, 122, 129, 157, 228, 231–236, 240, 243,f, 248–254, 256–258, 263, 270, 284f, 300, 306, 309, 311, 313–316, 320f, 323f, 328, 330, 332, 344, 346, 348–353, 357, 370, 375f, 378,

387, 392, 396, 398f, 402–409, 413f, 420f, 423, 426, 434, 476 Kindeskinder 312, 321, 332, 350, 357 Klage 19, 25, 42–46, 52, 54, 56, 59, 61–66, 73, 75f, 78f, 83f, 91–95, 99, 101–103, 106f, 109, 115, 118, 126, 132–135, 140, 143, 148, 154, 159f, 181f, 184, 186, 188, 204, 206f, 210, 218, 275, 280, 283, 289, 291, 307, 335f, 350, 356, 362, 364, 368, 375, 411, 442, 470, 474 Klageschrift 167, 172f Kleinvieh 252, 346 Knechte 117, 252, 309, 346, 404, 431, 435, 437f Knechtstitel 289, 319, 432 Kohärenzproblem 30f, 35, 42, 45, 143, 185, 193, 203, 251f, 263, 274, 278, 283, 287, 292, 306, 309, 328f, 334–337, 362f, 373, 376, 450, 456, 461, 463 Kohärenzstruktur 9, 11, 37, 152, 187, 220, 283–285, 290, 292, 313, 321, 334f, 341, 350, 361, 372f, 375, 388, 392 Kollektivierung 437f Kommunikation 17, 21, 38–40, 60, 87, 90, 106, 121, 136, 151, 156, 173, 180–182, 191f, 194f, 198, 203, 205–207, 220, 288, 292f, 333, 336, 358, 365f, 399, 431, 457, 470f König 15, 43, 157f, 216, 243, 274, 310, 347, 382f, 416, 418, 428f Königszeit 429, 473, 478 Krankheit 62, 107, 118, 160, 210, 216, 261, 263f, 266, 271, 277, 316, 325, 331f, 348–352, 357, 375f, 424, 438, 465 Landbesitz 123, 302, 312, 384 Landwirtschaft 176, 346, 387, 438 Lebenswandel 168, 187, 213f, 442 Lebenszeit 62, 96, 216, 348, 357, 377, 391 Leid 44, 46–48, 53, 56f, 61f, 67f, 74f, 91, 100, 106, 113, 128, 131f, 134, 141, 160, 174f, 181–183, 185, 188, 197, 199, 207, 211, 215f, 225, 248, 255, 263, 268, 270, 280, 300f, 303, 322, 348, 362, 365, 367, 370f, 373f, 376, 391, 410f, 422, 429, 438, 440f, 471, 475, 477f Leitmotiv 392, 408, 458

Sach- und Namensregister Literarkritik 1, 5, 8, 10, 32, 148, 250, 324, 327, 330, 340f, 361, 363, 422 Lobpreis 70, 86, 255, 290, 392, 413, 476 Merikare 212 Milieu 2f, 8, 18, 56, 176, 221f, 228, 307, 340–342, 344, 347, 357, 374, 377, 421, 433, 435, 438, 441, 462 Milieuwechsel 342 Mirjam 277–280, 299 Mitleid 101, 268 Mitteilungsliteratur 342 Mittlerfunktion 434 Monotheismus 7, 16, 105, 135, 160, 170, 201, 216–219, 299, 338, 362, 366–372, 376, 412, 440f, 471f, 475 Mose 158, 280, 299, 347, 388, 431–435, 437 Motivkombination 135, 211, 340, 396, 425, 435, 440 Mythologie 41, 53, 63, 92, 115, 117, 135, 141, 146, 183, 204, 217–219, 238, 250, 254, 310, 368–370, 372, 376, 440 Nachahmung 14f, 441, 478 Nachkommenschaft 117, 311–313, 330, 391, 413, 456 Nahor 223, 456, 467 Namensbedeutung 224–228, 231 Nationalgott 370 Neferti 28, 36, 473 Nichtisraelit 274, 295, 345, 366, 374, 467, 472 Noah 69, 387f Oberflächenstruktur 334, 399 Offenbarung 48–51, 55, 69, 97, 144, 216, 244, 294, 367, 397, 471 Opfer 232–234, 244f, 248f, 257, 284, 295–297, 300, 314, 320, 324, 327, 345, 357, 379, 396–399, 402, 404–408, 410, 419–422, 426, 434f, 439 Opfer, stellvertretendes 232f, 244, 248f, 284, 300 Opferherr 233, 300, 345, 396, 420 Ortsrichter 374, 438 Ortswechsel 236, 263, 304, 331 Osiris 168, 238

525

Paränese 14, 54, 95, 152, 262, 270, 272, 315, 364, 382f, 385–387, 474 Parodie 64, 97, 203, 443 Parteilichkeit 188, 293, 319, 372f, 461 Patronym 32, 34f, 223f, 239, 273f, 313, 317, 345, 353, 374, 403, 428, 430, 452, 456, 466f, 477 Pentateuch 169, 211, 295, 339, 431, 433, 440f Perspektivität 15, 45, 48, 52–56, 64, 67f, 70, 72–74, 76–78, 80, 82, 87f, 90f, 94f, 98f, 104, 108, 111, 127f, 133–135, 144f, 147, 182–186, 188, 192, 202, 206f, 213f, 218, 230, 319, 343f, 360, 371, 373f, 389, 410, 431f, 442, 470f Pinhas 399, 402, 426 Polemik 18, 24, 53, 62, 65, 79f, 82f, 86f, 89f, 93, 95f, 98, 100, 102, 109–111, 113–115, 120, 124f, 129–131, 133, 143, 145, 149, 156f, 160, 175, 177f, 180, 197, 266, 297, 320, 354, 386, 412, 418, 429, 441, 446, 448, 458f, 461f, 464 Pragmatik 15, 184, 389, 442 Präpatriarch 379, 427f, 476 Präsupposition 11, 16 Priesterschaft 233, 397, 399 Prophetenkanon 339 Prosa 1f, 4, 20–25, 28, 30–32, 34, 36f, 42, 137f, 228, 254, 282f, 285–288, 317f, 327, 333, 335, 337, 363, 404, 417, 419, 445, 447–450, 452, 455–458, 460–465, 469 Prozessgegner 165, 167, 171–173 Prozessrecht 3, 209, 210 Prüfung 26, 209, 227, 256, 258, 266, 269, 272, 291f, 300, 315, 320, 322, 328–330, 341, 343, 363, 365, 370, 378–380, 387, 393, 425, 474 Rache 103, 269 Rahmenerzählung 5–11, 17f, 24, 27, 29, 31, 35f, 38, 56, 60f, 68, 84, 110, 117, 131, 133, 170, 175f, 220–222, 235, 239, 256, 270, 285, 287, 292, 298, 300, 305f, 310, 312f, 315, 318f, 321, 324–326, 333–348, 354–357, 359–362, 364f, 367, 369–377, 387, 392, 395, 403, 406–409, 411, 414, 418–420, 423, 425, 427f, 430, 432f, 436,

526

Sach- und Namensregister

438, 440f, 443–445, 447f, 456, 462f, 465–467, 471–478 Ratsversammlung, himmlische s. Thronrat Recht 18, 61, 66, 69–74, 76, 106, 115, 118f, 133, 147f, 158f, 169, 171f, 182, 188, 207–209, 211, 225, 243, 260, 296–298, 344, 347, 373, 375, 415f, 418, 459 Rechtfertigung 56f, 59, 160, 213 Rechtschaffenheit 53, 135, 211, 231, 245, 247, 314, 478 Rechtsstreit 3, 89f, 95, 104, 134, 158, 172, 195, 347, 373, 448 Redeeinleitung 20, 22, 32f, 35f, 39f, 49, 159, 193f, 282, 287, 317, 335–337, 380, 424, 466, 469 Redesituation 18, 28f, 47, 95f, 110, 114, 159, 173, 357, 463 Referenzbereich 222, 255 Reinigung 77, 171, 175 Reinigungseid 90, 133, 160, 167–169, 171, 173f, 176, 181, 186f, 207f, 476 Reintegration 308, 331, 334, 356f Religionsgeschichte 217 Repräsentanzfigur 381, 428–430, 437, 439, 467, 476 Restitution 3, 55f, 68, 242, 303, 307f, 314, 320, 322, 329, 331, 357, 384, 392f, 414, 417, 429, 437, 478, s. auch Wiederherstellung Richter 74f, 88, 134, 158, 169, 186, 342, 347f, 374, 438 Sabäer 221, 442 Samuel 244, 299, 392, 397–399, 409, 433 Satan 20, 71, 128, 131f, 203, 209, 227f, 230, 237–242, 244–248, 250–253, 255–272, 275, 282, 284f, 291f, 301, 306, 308, 314–320, 322, 326, 362–364, 369–372, 375f, 379, 382, 386–392, 404, 417, 422, 425, 443, 444, 465 Satanisierung 371 Satzname 225, 227, 453 Scheol 92, 94, 413, s. auch Totenreich Schmähung 115, 234f, 243f Schöpfer 51, 64, 70, 78, 84, 146, 227, 414 Schöpfung 40, 45, 77f, 81, 147, 155, 182, 187, 191f, 198, 200f, 203f, 217, 362, 414

Schöpfungstheologie 40, 146, 187, 191, 197, 202, 415 Schuld 53, 55, 61f, 64, 67f, 73, 75, 77f, 81f, 89, 91, 94f, 98f, 102–104, 108, 111, 131–135, 138, 148f, 170, 172–174, 182, 184–188, 190, 196, 202, 206–214, 218, 243, 249, 266, 272, 290f, 299, 316, 318f, 322, 325, 343f, 351, 370, 374, 384, 386, 388f, 396, 420, 423, 426, 428, 434f, 437, 439, 471, 473f, 478 Schuld-Strafe-Theologie 155, 218, 322, 384f, 390, 403, 406, 429, 438–440, 442 Schuldanerkenntnis 53f, 61, 68, 98, 176, 183, 190, 202, 207, 214, 284, 290, 413 Schuldbekenntnis 174, 384, 388, 471 Schuldlosigkeit 103, 185, 249 Schweigen 30, 34, 37, 40, 46f, 60, 84, 88, 90, 101, 126f, 135f, 143, 194, 197f, 205, 277–281, 283f, 317, 335, 355f, 359f, 447, 450f, 459–462, 468 Schwursatz 166, 167, 242, 245, 255, 262 Segen 122, 133, 157, 159, 228, 233, 241f, 245f, 253, 255–259, 261, 270–272, 301, 307–312, 314–316, 320, 322, 330, 357, 364, 367, 378, 381–387, 391, 422, 424, 474 Selbstminderungsritual 278, 424 Selbstmitteilung 71, 293, 359 Selbstverfluchung 41f, 148, 214, 242, 268, 335 Selbstvorstellung 36, 85, 111, 137, 445, 448, 455, 457f, 460–462, 466f, 469, 472 Sesshaftigkeit 344 Sitz im Leben 15, 18, 23, 29, 243 Sodom 297, 299, 380 Soteriologie 373, 427 Sozialrecht 123, 158, 173, 211, 346f, 382 Sprechrichtung 185, 288, 376 Sprichwort 82, 107, 261 Staatsreligion 216 Stadtkultur 346 Stil 10, 19, 21, 23, 28, 62, 83, 91, 141, 146, 153, 205, 282, 327f, 330, 335, 337, 356, 376, 400, 415f, 447, 464 Stilwechsel 49, 283 Streitgespräch 84, 158f, 191, 374, 466 Streitrede 10, 19, 40, 154, 334

Sach- und Namensregister Struktur 3, 9, 18–20, 22f, 25, 29–32, 35, 37–39, 42, 49, 75, 100, 108, 112, 120, 126, 136f, 145, 155f, 159, 161, 166–169, 176f, 180, 186, 188f, 192f, 197, 208–212, 253, 283–285, 288, 303, 309, 311, 328, 358, 361, 373, 387, 393, 397, 399, 414, 424, 438, 449, 466, 469 Sühnung 300, 324, 396, 407, 420, 434 Sünde 45, 64, 66–69, 77f, 80–82, 89f, 92–94, 132f, 167–171, 174–176, 183f, 233, 278, 289–291, 301, 366 Sündenvergebung 184, 301, 436 Sünder 67, 69, 99, 132, 183, 185 Sündlosigkeit 90, 175, 470 Sündopfer 233 Szenerie 54, 56, 69, 93, 107, 109, 114, 116, 149, 174, 176, 192, 196, 222, 237, 240, 252f, 257f, 263, 276, 293, 296, 304, 308, 341, 347, 353, 357–359, 363, 402, 405–407, 410, 413f, 422–425, 427, 445, 452, 462, 465 Temäer 221, 442 Tempel 399, 410, 419–421, 444 Tetragramm 7, 365–367, s. auch Gottesname Textgeschichte 8, 395, 416 Textoberfläche 4, 450 Theodizee 29, 139, 205, 212, 302, 384, 390, 470 Theophanie 48, 191, 193, 196, 203, 293, 366 Thronrat 71, 237, 239, 258f Tod 30, 43–46, 50f, 58, 63, 65, 67, 69, 81f, 89, 91–94, 104, 109, 113, 118, 122f, 129, 136, 142, 151, 157, 168, 176, 181f, 184, 189, 199f, 235, 243, 249, 252–254, 257, 264f, 268–270, 272, 278–281, 284, 312f, 316, 323, 328, 340, 348, 350–352, 355, 365, 370, 377, 392f, 396, 398, 402, 405–407, 420, 422–426, 434f Tod, naher 48, 54, 63, 65, 76, 78, 91, 104–106, 109f, 118, 135f, 148, 184, 186, 199, 348, 350, 356, 365 Tod, vorzeitiger 52f, 55, 77, 113 Todesbereich 200, 316, 375, 390, 413, 425 Todesfolge 270, 272 Todesfurcht 54f, 261

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Todessphäre 109, 264f, 278, 280, 355, 388 Todesstrafe 243 Todesurteil 243, 393, 397, 424–426 Todesverfallenheit 94, 278f Todeswunsch 19, 43, 45–48, 52, 54f, 59, 61, 63, 65, 74, 78f, 82, 92, 94, 104, 136, 181, 183f, 186, 206f, 215, 217, 227, 283, 290, 317, 348, 350, 355, 360, 365 Tora 28, 173, 382–384, 431–434 Totenbuch 168, 171f, 174f, 211, 338 Totenreich 92f, 109, 217, 254, 443, s. auch Scheol Traditionsliteratur 14f, 339, 342, 432 Transformation 14f Transtextualität 13f Trauerritus 60, 126, 200, 266, 277–281, 305, 315, 317, 353, 355 Trost 19, 48, 54, 60, 62, 95f, 98, 100, 102, 125f, 130, 185, 188–190, 275f, 279–281, 283, 290, 305–308, 317, 320, 340, 343, 353–355 Tun-Ergehen-Zusammenhang 48, 53, 67, 72, 86f, 94, 113f, 127–132, 144, 148, 150, 205, 211, 215, 247, 272, 320, 322, 386, 389, 391f, 435, 438 Typologie 378, 439, 440 Überschrift 14, 25f, 32–36, 40–42, 44f, 85, 91, 114, 138, 145, 151, 155f, 166, 174, 177, 180, 182, 193, 196, 203, 283, 292f, 332, 335f, 365–367, 392, 412, 442, 449, 455, 466f, 469, 472 Übertretung 58, 66, 78, 90, 92, 98, 161, 167, 172, 214, 253, 262, 265f, 323, 383, 385, 387–389, 406, 442 Umkehr 58, 68, 98, 429 Unheil 45, 53, 55, 57, 62, 69f, 86, 88, 103, 105, 108, 113, 135, 159f, 183, 214, 252–255, 257f, 262–264, 271f, 274f, 291, 297f, 302, 306, 308, 315, 322, 324, 368, 370, 384–387, 389, 396, 413f, 422–424 Unheilsbotschaft 252f, 255, 257, 264, 324 Unrecht 58, 63f, 66, 73, 76, 87, 115, 131, 188, 260, 304 Unterwelt s. Totenreich Unterwerfung 94, 307

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Sach- und Namensregister

Unvergleichlichkeit 239f, 245f, 272, 314, 326, 343, 374, 409, 412, 427f, 430, 434, 476 Uz 223, 378, 453, 456, 467, 476 Verfehlung 59, 67, 77, 90, 129, 166, 170, 184, 190, 206, 213, 235, 244, 258, 383, 393, 396, 403–405, 421, 426 Vergebung 64, 66, 81, 94, 184, 186, 206, 214, 301, 343 Verheißung 55, 411 Verklammerung 5f, 333, 457 Verstummen 35, 126, 135, 450f, 454, 461 Verwünschung 40f, 45, 148f, 170, 282, 296, 335, 356, 442 Verzweiflung 44, 268 Viehbesitz 309, 332, 344, 346, 387, 391 Vollkommenheit 229 Vorbildfunktion 47 Vortragssituation 23, 24 Vorwurf (gegen Gott) 46, 57, 62f, 65f, 70, 72, 77, 79, 81, 86, 91, 103–105, 115, 129, 131f, 147, 160, 178, 183f, 190, 195, 200–202, 204, 207, 212, 215f, 218, 290, 350, 360–365, 368, 371, 373f, 441, 460, 470–472 Vorwurfsdichtung 190, 215f, 441, 471f Wallfahrt 382, 399, 402, 410, 420 Wein 103, 106, 140, 249, 253, 257, 328, 398, 405f, 460

Weisheit 19, 47, 52, 56, 72, 80–86, 93f, 109, 113, 129, 131, 138, 145, 151–156, 158f, 179, 184, 197, 207, 211, 215, 229, 249, 253, 294, 374, 382, 406, 416–419, 422, 453, 459–461, 477 Wette 245, 258, 260, 315 Wettersturm 70f, 147, 198, 293, 359 Widersacher 68, 96, 102–105, 149, 186, 188, 416, 417 Wiederaufnahme 82, 228, 244f, 251, 398 Wiederherstellung 2, 6, 184, 201–203, 216f, 302f, 306, 308f, 320–322, 331, 334, 414, 421, 429f, 438f, 477f, s. auch Restitution Wohlergehen 132, 208, 231, 234, 241, 245–247, 254f, 272, 291, 314, 363, 381f, 386, 474 Wohlstand 231f, 258, 284, 308, 321, 330, 344, 391 Zeitraffung 21, 266, 283, 304, 309, 357 Zeuge 78, 87, 94, 104–106, 119, 123, 189, 210, 264, 293f, 296, 333, 364 Zeugung 40, 42, 182 Zitation 11, 21, 51, 79, 86, 97, 124, 129, 137, 264, 364, 381, 385–387, 389, 391, 412, 427, 446 Zorn 43, 52, 70, 92, 102, 112, 124, 185, 217, 288, 294–296, 298, 300f, 303, 323, 361, 380, 383, 390, 403, 408f, 443, 448–450, 452–455, 457f, 461f, 464f