Hin und her - Dialoge in Museen zur Alltagskultur: Aktuelle Positionen zur Besucherpartizipation [1. Aufl.] 9783839427613

How can visitors become actively involved in a museum's work? Which experiences and perception patterns play a role

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German Pages 144 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Hin und Her
Wahrnehmungen und Haltungen
Das Museum der Alltagskultur – dialogisch besehen
Dinge und Emotionen
Die Sprache der Dinge
Dinge und Erinnerungen
Authentisch, und deshalb…?!
„So who do you think you are?”
Räume und Medien
Das Museum als komplexer Erfahrungsraum
Komposition und Publikum
Vom Nutzen psychologischer Forschung für das Kunstmuseum
All these (museum-)communities
Autorinnen und Autoren
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Hin und her - Dialoge in Museen zur Alltagskultur: Aktuelle Positionen zur Besucherpartizipation [1. Aufl.]
 9783839427613

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Leo von Stieglitz, Thomas Brune (Hg.) Hin und her – Dialoge in Museen zur Alltagskultur

Edition Museum | Band 9

Leo von Stieglitz, Thomas Brune (Hg.)

Hin und her – Dialoge in Museen zur Alltagskultur Aktuelle Positionen zur Besucherpartizipation

Herausgeben im Auftrag der Kommission Sachkulturforschung und Museum in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde: Beiträge zur 20. Tagung in Waldenbuch vom 29. November bis 1. Dezember 2012.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Lektorat & Satz: Helen-Sophie Ahner und Leo von Stieglitz Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2761-9 PDF-ISBN 978-3-8394-2761-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Hin und Her – Eine Einführung

Leo von Stieglitz | 7

W AHRNEHMUNG UND HALTUNG Das Museum der Alltagskultur – dialogisch besehen Erneuerungsperspektiven aus einer revidierten Haltung

Thomas Brune | 19

DINGE UND EMOTIONEN Die Sprache der Dinge Museumsobjekte zwischen Zeichen und Erscheinung

Thomas Thiemeyer | 41 Dinge und Erinnerungen Sybilles Jugendzimmer im Museum der Alltagskultur – ein Werkstattbericht

Nina Hofmann | 55 Authentisch, und deshalb...?! Konzept & Bedeutung der Authentizität im Museum

Yannick Opalla | 65 „So, who do you think you are?“ Besucher im Dilemma

Lars K. Christensen | 73

RÄUME UND MEDIEN Das Museum als komplexer Erfahrungsraum Warum Museum Szenografie braucht

Uwe R. Brückner/Linda Greci | 87 Komposition und Publikum Die Ausstellung „Berge versetzen“ im Alpinen Museum der Schweiz

Barbara Keller | 105 Vom Nutzen psychologischer Forschung für das Kunstmuseum Das multimediale Besucherinformationssystem EyeVisit

Peter Gerjets | 113 All these (museum-)communities Facebook / Twitter / Blogs

Nina Gorgus | 125

Autorinnen und Autoren | 139

Hin und Her Eine Einführung L EO VON S TIEGLITZ

Im Oktober 1992 fand in Waldenbuch eine Tagung der Arbeitsgruppe ‚Kulturhistorische Museen‘ in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde statt mit dem Titel: „Alltagskultur passé?“. Anlass war das zwei Jahre zuvor eröffnete Museum für Volkskultur in Württemberg. Sie war, wie es im Untertitel hieß, den „Positionen und Perspektiven volkskundlicher Museumsarbeit“ gewidmet1. Fast genau 20 Jahre danach, vom 29. November bis 1. Dezember 2012, konnte hier nun wieder eine Tagung stattfinden. Nun im 2009 umbenannten Museum der Alltagskultur, veranstaltet von der Kommission ‚Sachkulturforschung und Museum‘. Anlass war wiederum eine Neueinrichtung, diesmal als Erneuerung der in die Jahre gekommenen Ausstellung, die in mehreren Abschnitten erfolgt und von der bis Ende 2012 die ersten Teile eröffnet waren.2 Die Tagung „Hin und Her“ zu den „Grundfragen des Dialogischen an Museen zur Alltagskultur“, nahm Themen auf, die seit einiger Zeit diskutiert werden: Besuchereinbindung, Wahrnehmungsverhalten, Dingbedeutungen... Ganz speziell ging es hierbei um die Alltagskultur-Museen, denen sich diese Fragen in ganz besonderer Weise stel1

Gottfried Korff (Hg.): Alltagskultur passé? Positionen und Perspektiven volkskundlicher Museumsarbeit. (Studien und Materialien 11). Tübingen 1993.

2

Dazu der Beitrag von Thomas Brune. Seit Mai 2014 ist mit dem Abschnitt „Wohnbedürfnisse“ die gesamte große Abteilung der „Wohnwelten“ (auf ca. 1.000 qm) eröffnet.

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len: Stadt- und Heimatmuseen, Freilichtmuseen wie große Museen mit volkskundlichen Sparten. Diese zwanzig Jahre, eher ein Zufall der Ereignisse, bieten einen Anlass für einen kurzen Rückblick auf einige Ideen und Realisierungen – freilich in einiger Unvollkommenheit und mitunter subjektiv.

H ORIZONTE Der zur Museumtagung 1992 gewählte und provokant gemeinte Titel „Alltagskultur passé?“ beschrieb einen zu dieser Zeit absehbaren Umschwung in der Museumslandschaft, speziell bei denjenigen Museen, in denen sich die Volkskunde und ihre Nachfolgedisziplinen (Europäische Ethnologie u.a.) engagiert hatten. Die „goldenen Zeiten“ der 1970er und 1980er Jahre mit Themen zur Arbeiter- und Unterschichtskultur schienen vorbei und das Projekt der ‚Lernausstellung‘ geriet immer mehr auch innerhalb der volkskundlichen Fächer in die Kritik. Als ein mögliches zukunftweisendes Beispiel wurde die zur Tagung 1992 eröffnete Ausstellung „13 Dinge, Form Funktion Bedeutung“, kuratiert von Gottfried Korff, diskutiert. Korff schrieb dazu in der Einleitung des Katalogs: „Mit ihrer eigenwilligen Art (…) begibt sich die Ausstellung in Widerrede zu den seit einiger Zeit üblich gewordenen Museumsinstallationen zum Thema Volkskultur und Alltag. Bei diesen Themen hat sich nämlich zunehmend die Tendenz durchgesetzt, die Dinge allein unter dem Aspekt ihrer Funktion und ihres Gebrauchswertes zu zeigen.“3

Und weiter: „Die Darstellung der Alltagskultur unter einer nur zweckrationalen, funktionalistischen Perspektive hat nicht selten eine Einschränkung von Bedeutung- und Symbolaspekten zur Folge gehabt, die einer Depotenzierung von Kultur, vor allem auch der

3

Gottfried Korff: Einleitung – Notizen zur Dingbedeutsamkeit. In: 13 Dinge. Form-Funktion-Bedeutung. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Volkskultur in Württemberg, vom 3. Oktober 1992 bis 28.Februar 1993. Stuttgart 1992. S. 12f.

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Alltagskultur, gleichkam. Das ist ein Manko insofern, als Alltagsdinge gerade durch ihre Bedeutung und Symbolbotschaften das kleine Milieu in das Ganze der Kultur eingliedern.“4

Dieses Statement ist in der Folge viel gelobt worden. Die unbestreitbare Komplexität der Alltagskultur und ihrer Dinge bereitete jedoch bei der Umsetzung nicht geringe Probleme – auch die Absichten: Der ‚Sinn‘ der Ausstellung von den „13 Dingen“ blieb ohne den umfangreichen Katalog kaum vermittelt. Dennoch, Gottfried Korff hatte einen Stein ins Rollen gebracht, der sich noch bis heute bewegt, und die Gestaltung von Museen und Ausstellungen beeinflusst. Das zeigt sich nicht zuletzt in den Zusammenarbeiten von Korff mit den führenden Ausstellungsgestaltern HG Merz, Uwe Brückner und anderen. Um nur ein Beispiel herauszunehmen: Die 2011 eröffnete Ausstellung „Schauplatz Tirol“ im „Tirol Panorama“ in Innsbruck ist gegliedert in Bereiche wie Natur, Religion, Mythos Tirol… Jeder Bereich wird mit einer Ansammlung von verschiedensten Objekten gezeigt. Ohne viele Erklärungen sollen die Zusammenstellungen der Objekte das Thema vermitteln. Aber verstehen die Besucher was gemeint ist? Zunächst scheint das nicht so wichtig. In dem Aufsatz „Fremde (der, die, das) und das Museum“ schreibt Korff 1997 zusammenfassend: „Die physische Nähe des Objekts ist ebenso gegeben wie die psychische Fremdheit, als die Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag. Der Betrachter rückt dicht an den musealen Gegenstand – trotz einer mentalen, psychischen, kulturellen oder wie auch immer qualifizierenden Differenz. Aus diesem Spannungsverhältnis, das im räumlich nahen, aber mental fernen Ding seinen Grund hat, leiten sich Staunen und Neugierde her (...).“5

Diesem Staunen und der Neugierde, so kann man schließen, folgt das Erkenntnis-Interesse. An dieser Stelle böte sich ein ‚Namedropping‘ von einer Reihe von Kulturphilosophen an, vor allem Peter Sloterdijk und André

4

Ebd.

5

Gottfried Korff: Museumsdinge. Hrsg. von Martina Eberspacher u.a. 2. Erg. Auflage. Köln 2007, S. 147

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Malraux.6 Die Quintessenz: Die Vermittlung von Erkenntnissen erfolgt zuallererst durch die Dinge selbst. Diese philosophischen Erkenntnisse reichten für die alltägliche Museumsarbeit allerdings nicht aus. Und im Rückblick ist es nicht überraschend, dass vor rund 20 Jahren die Pädagogik die Museumbühne betrat. Der Bundesverband Museumspädagogik rekapituliert heute: „In den 1990er-Jahren wurde die Besucherorientierung immer wichtiger für Museen. Das Vermitteln gewann über das Ausstellen hinaus neben den musealen Kernaufgaben Sammeln, Forschen und Bewahren zunehmende Aufmerksamkeit.“7 Als eigener Wissenschaftszweig betätigte sich die Museumspädagogik zunächst im Bereich der Kunstmuseen. Kulturgeschichtliche, respektive volkskundliche Museen, blieben meist außen vor und die Museumspädagogen wurden erst dann eingeschaltet, wenn die Ausstellung fertig war, um nun ein Besucherprogramm zu entwickeln. Unausgesprochen, aber durchaus relevant, waren dabei auch beiderseitige Animositäten spürbar, die Kuratoren und Museumspädagogen getrennte Wege gehen ließen. Und in vielen, nicht unwichtigen Museen ist das noch heute der Fall. Für ein integriertes Vorgehen war – wie schon oft, wenn es um neue Überlegungen im Museumsbereich ging – das Historische Museum in Frankfurt am Main der Vorreiter. Schon 1972 war hier das erste Kindermuseum Deutschlands gegründet worden, das seither Wege aufzeigt, die Besucher am Museum teilhaben zu lassen und einzubinden. Viel zu wenig beachtet ging 1981 eine Ausstellung noch Schritte weiter: „Frauenalltag und Frauenbewegung in Frankfurt 1880 bis 1980“8. Im Rahmen einer Pilotausstellung waren Frauen in die Konzeption eingebunden, trugen reichlich Material bei und wurden als Erzählerinnen Teil der Ausstellung. Den Begriff ‚partizipatives Museum‘ gab es damals noch nicht, aber viel mehr ‚Partizipation‘ konnte es nicht geben.

6

Peter Sloterdijk: Museum. Schule des Befremdens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Magazin v. 17.3.1989. Grundlegend zu Malraux zuletzt Walter Grasskamp: André Malraux und das imaginäre Museum. München 2014.

7

http://www.museumspaedagogik.org/wir-ueber-uns/geschichte.html

8

Katalog von Victoria Schmidt-Linsenhoff. Dazu die Rezension von Ellen Spickernagel in: Kritische Berichte, Bd.9, Nr.6 (1981).

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In der Folge ist an zahlreichen kleineren Museen mit mehr oder weniger großen Erfolgen eine derartige Mitwirkung versucht worden, sei es über Volkshochschulen oder in sonstigen Arbeitskreisen. Vielerorts sind Ausstellungsteile unter Beteiligung von thematisch ‚Betroffenen‘ gestaltet worden. Einen Sonderweg schlugen die Kunstmuseen ein, wenn sie das Publikum zum Beispiel bei Perfomances einbezogen.9 Erst in den letzten Jahren wurde das Modell der Mitwirkung wieder deutlicher, wie zum Beispiel bei der Merhaba-Ausstellung am Lindenmuseum in Stuttgart 201110 und vor allem bei Neukonzeptionen von Museen – mit einer neuen Generation von Museumsmacherinnen in Frankfurt, Stuttgart und an anderen Orten.11 Auffällig ist: Es handelt sich dabei durchweg um Projekte, die die Gegenwart zum Thema und in den meisten Fällen ein umgrenztes Ansprechpublikum haben, seien es Migranten, Bewohner eines Stadtteils oder einer ganzen Stadt. Und: die allermeisten Partizipationsprojekte dienen der Vorbereitung von Museen, die noch nicht eröffnet sind. Wie sieht es aber mit der Partizipation aus, wenn sie nicht eine definierte Gruppe ansprechen soll? Keine lokale Begrenzung kennt? Integraler Bestandteil einer Dauerausstellung sein will? Statt des Begriffs der Partizipation wählte die Tagung hierfür den des ‚Dialogs‘ – nicht als Alternativbegriff, sondern um die besondere Situation derjenigen Museen ins Auge zu fassen, die auf ein extrem heterogenes Publikum treffen und auf möglichst Viele partizipativ eingehen wollen. Dialog meint so aktive Auseinandersetzung des Museums mit den Besuchern, meint die diversen Beziehungsebenen, die sich zwischen den Besuchern und dem Präsentierten entwickeln können: durch Angebote sich zu beteiligen, durch Aufforderungen, den eigenen Gedanken Raum zu geben – um damit jene Freiräume zu schaffen, die die Besucher ernst nehmen. Christian

9

Zur Partizipation in Kunstmuseen ausführlich Maren Ziese: Kuratoren und Besucher. Modelle kuratorischer Praxis in Kunstausstellungen. Bielefeld 2010.

10 Annette Krämer: Merhaba Stuttgart. Ein partizipatives Projekt am LindenMuseum Stuttgart. In: Rheinform. Informationen für die rheinischen Museen 1/2012, S. 13-18. 11 Susanne Gesser u.a. (Hg.): Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Böhlau 2012.

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Hirte hat dies bei einer Tagung in Lenzburg 2011 auf den Punkt gebracht: „Den Besucher als musealen Pfadfinder zu akzeptieren heißt (…) ihn in einer ihm spezifischen Kompetenz ernst zu nehmen, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, ihn als konstitutives Element des Systems Museums zu akzeptieren. In der Praxis sind wir davon weit entfernt.“12 Letzterem mag man, wenn man einzelne der hier wiedergegebenen Vorträge liest, nun widersprechen. Denn es gibt durchaus Ansätze, bei denen die Besucher ernst genommen werden. Dabei geht es altbekannt wiederum um die Dinge, deren Wahrnehmung und Bedeutung, die Mitwirkung bei der Ausstellung – nun aber neu überlegt, auch neu realisiert. Das Hin und Her meint somit nicht nur dialogische Beziehungen im Museumerlebnis der Besucher, sondern auch den Dialog zwischen den Museen.

D IE V ORTRÄGE In der Auseinandersetzung mit der Partizipation scheint es notwendig, einmal die grundsätzliche Frage zu stellen, was nehmen die Besucher überhaupt wahr vom Museumsgebäude, der Einrichtung, den Dingen, usw., was können sie, was wollen sie…? Da es sich hierbei nicht nur um kognitive Vorgänge handelt, bot sich ein Referent an, der sich in der WalldorfPädagogik einen Namen gemacht hat: Rainer Patzlaff von der AlanusHochschule in Alfter. An Schautafeln und mit praktischen Übungen vermittelte Patzlaff ein Modell der verschiedenen Wahrnehmungsformen, in denen er aktuelle neurophysiologische Forschungsergebnisse vor dem Hintergrund der Sinneslehre Rudolf Steiners interpretierte, der sich seinerseits auf die Überlegungen von Johann Wolfgang von Goethe bezieht. Diese Art des Vortrags brachte es mit sich, dass kein Manuskript vorlag und hier nur in der Einführung kurz darauf eingegangen werden kann. Ausgehend von den fünf klassischen Sinnen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten fügte Steiner sieben weitere hinzu: die Sinne der Bewegung, des Gleichgewichts, des Lebens, der Wärme sowie später den Sprachsinn, den Gedankensinn und den Ichsinn. All diese Wahrnehmungs-

12 Ebenda im Vorwort, S. 15 und in Ebenda: Plädoyer. Mal frech werden auf Augenhöhe? Im Zweifelsfall findet die Partizipation ohne uns statt. S. 288.

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formen konnten in dem zeitlich begrenzten Vortrag freilich nur angerissen werden und sind in der einschlägigen Literatur nachlesbar. In der Diskussion wurde nun deutlich, dass in kulturhistorischen Kreisen die Walldorfpädagogik nicht eben viel gilt und gleichzeitig aber festgestellt werden konnte, dass die gängige Forschung zur Wahrnehmung längst eine ganze Reihe der Steinerschen Sinne ebenfalls ‚auflistet‘. Patzlaff, der zu den profiliertesten Vertretern der Walldorfpädagogik gehört, bemühte sich um eine ideologiefreie Vermittlung der Modelle, ging es ihm doch zuallererst darum, das Mehr an sinnlichen Wahrnehmungen zu skizzieren, über das sich auch Museumsmacher bewusst sein sollten. Wahrnehmung ist auch das Stichwort für Thomas Brune. Die Neueinrichtung des Museums der Alltagskultur beruht – jenseits aller theoretischen Gebäude – auf einer ganz persönlichen Wahrnehmung des „Unbehagens“ und der Notwendigkeit der Veränderungen. Dieser subjektiven Haltung folgt die Erkenntnis, die Subjektivität in der Neueinrichtung offen zu legen: in Wort und Bild. Dazu gehört Mut, auch Mut zu Unvollständigkeiten, Unausgewogenem. Spiegelbildlich bedeutet das für die Besucher: Sie sind auch subjektive Menschen, sie können, sollen sich eigene Gedanken machen – zum Beispiel und vor allem bei den in das Museum der Alltagskultur eingesetzten, zum Teil pointierten „Zeitsprüngen“. Um die Wahrnehmung der Dinge geht es letztlich auch Thomas Thiemeyer. Mit der zunehmenden Entwicklung der virtuellen Medien geraten – so seine Theses – die ‚real-haptischen‘ Dinge auch und gerade in Museen in den Hintergrund. Thiemeyer beschreibt die Diskussionen über die Erkenntnisse zu den Funktionen und Wirkungen des Dinglichen, sowie deren Umsetzungen in Museen und Gestaltungen. Stichworte sind Kontextualisierung, Szenografie, Relevanz – und der bleibende ‚Wert‘ der Dinge für die Museen. Welche Werte Dinge im Museum und im Dialog mit ihren vormaligen Besitzern haben können, zeigt das Beispiel von Nina Hofmann: Zur Neueinrichtung im Waldenbucher Museum zählt im Bereich der „Wohnwirklichkeiten“ jetzt auch die Installation eines Jugendzimmers aus den 1970er Jahren. Hofmann hat dies gemeinsam mit der Stifterin des Zimmers konzipiert: Gemeinsam ist jedes Stück an seinem damaligen Platz gelandet, gemeinsam wurden Objekte wieder beschafft. Das Ergebnis ist ein typisches

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Mädchenzimmer der Zeit aber eben auch ein ganz eigenes, persönliches, authentisches. Authentisch und deshalb … ? nennt Yannick Opalla den folgenden Beitrag. Authentiziät gehört wie die Identität oder Originalität zu den beliebten ‚Schaufensterbegriffen‘, mit denen Museen sich gerne schmücken. Opalla führt vor, was mit dem Begriff ‚authentisch‘ alles angestellt werden kann: die Hervorhebung des Relikts, die mehr oder weniger kunstvolle Zusammenstellung von authentischen Objekten – oft nur als Worthülse, die in der Welt der Museums-Verlautbarungen nicht unüblich ist. Lars K. Christensen kommt bemerkenswerter Weise in seinem Vortrag ganz ohne Worthülsen und ohne Fußnoten aus. Er braucht keine ‚Rückversicherung‘. Die Vorstellung der seit 2011 angebotenen interaktiven Installationen im Brede Works – Museum der Industriekultur in Dänemark spricht für sich. Diese interaktiven Stationen verbinden eine Ausstellungsführung mit einer Besucherbefragung und einem daraus entwickelten Charakterbild des Nutzers. Letzteres lässt sich hinterfragen und korrigieren – was einen spielerischen aber auch ernsthaften Lerneffekt hervorbringt. Auf verblüffend einfache Weise entspricht dies dem Motto der Tagung „Hin und Her“. So einfach scheint es mit dem Vortrag von Uwe R. Brückner nicht zu sein. Der weltweit agierende Ausstellungsmacher führte aus der Fülle seiner „Szenografien“ Beispiele vor, die allein schon ästhetisch höchst beeindrucken. Aber Brückner geht es um weit mehr als um Ästhetik. Brückners Credo ist die Schaffung von sinnlichen Erfahrungs- und Erkenntnisräumen. Räume, wie er sagt, die Betroffenheit herstellen – „im positiven Sinne: es betrifft mich, mich geht das Ausgestellte etwas an, ich bin gemeint!“. Das wird im Wesentlichen erreicht durch ‚Storytelling‘, das den Besucher in den Mittelpunkt stellt und seinen „Bedürfnissen“ an Sinnlichem und Erkenntnis-Interesse entgegenkommt. Das ist ein Dialog, der auch Risikos birgt und den Mut verlangt, dezidierte Haltungen einzunehmen. Diesen Mut wünscht man Ausstellungen, auch wenn sie nicht auf einer Expo gezeigt werden. Ebenfalls mutig war die Idee in Bern beim Alpinen Museum der Schweiz. Barbara Keller berichtet: Die Besucher selbst lieferten Objekte für eine zukünftige Ausstellung. Ausgelegt nach Funktion, Form, Farbe präsentierte das Museum dann seinen ‚Speicher alpiner Dinge‘. Eine zweite Plattform oberhalb dieser Installation fragte: „Wozu das Museum“? Das Ergebnis war ein Dialog, so Keller, zwischen Museumsmachern und Besu-

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chern – mit differenzierten Antworten und Haltungen – die in die geplante ständige Ausstellung einfließen sollen. Auswahl gibt ein Stichwort für den Beitrag von Peter Gerjets: EyeVisit ist ein 2011 gestartetes und noch nicht abgeschlossenes Projekt, das die Begleitinformationen in Kunstmuseen digital bündelt und über Tablets oder Multi-Touch-Tische anbietet. Sinn ist einmal, die Informationen vereinfacht gesagt zu ‚verpacken‘, um damit die Ausstellung nicht zu belasten und zweitens, wichtiger, den Besuchern frei zu stellen, welche Informationen sie abrufen. Dazu wurden und werden umfangreiche Studien angestellt über das Besucherverhalten generell, wie auch über die Akzeptanz und die Informationsdichte bei Medien – speziell in Museen. Psychologie, Informatik und Kunstgeschichte gehen hier einen Weg, der selbstverständlich auch für Geschichtsmuseen und Museen der Alltagskultur interessant ist. Kein Zukunftsprojekt, sondern inzwischen fast gängige Praxis, ist die Präsenz von Museen in den Social Media. Nina Gorgus berichtet darüber, wie Facebook, Twitter, Vimeo usw. für die Neueinrichtung des historischen Museums in Frankfurt genutzt werden. Seit 2010 ist das Museum im Umbau, wird schrittweise erneuert und soll 2017 wieder komplett sein. Es geht also auch um eine anhaltende Präsenz des Museums in der Öffentlichkeit. Mit der Neueinrichtung will sich das Museum aber vor allem, wie es heißt, „neu erfinden“. Dazu ist der Kontakt zur Bevölkerung ein wesentliches Element: die Nutzung der Kompetenzen in den publizierenden Stadtlaboren, der Austausch von Meinungen in den Blogs. Wie dynamisch diese Medienpräsenz ist, zeigt, dass schon wenige Monate nach dem Vortrag Nachträge notwendig geworden sind. Festzustellen ist, dass das Frankfurter Museum über ein äußerst umfangreiches digitales öffentliches Netzwerk verfügt, das wohl einmalig in Deutschland ist. „Dialoge brauchen Nachhaltigkeit“ lautet eine Überschrift von Gorgus, und das ist für alle vorgestellten Projekte entscheidendes Moment.

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D ANK Der erste Dank geht an die Autorinnen und Autoren, die mit so viel Geduld auf die Drucklegung warten mussten. Das gilt auch für den Verlag, der mit viel Langmut die Verzögerungen ertrug. Dank gilt allen Mitarbeitern der Arbeitstagung: Lukas Bosch und dem Waldenbucher Team: Gertrud Buder, Reinhard Faul, Marcus Knöll und Hasan Toprak; Den Moderatorinnen und dem Moderator: Brigitte Heck, Dr. Anja Schöne und Prof. Dr. Joachim Kallinich; Prof. Dr. Cornelia Ewigleben, Dr. Monika Kania-Schütz und Dr. Anja Schöne für die einleitenden Worte; An die Arbeitsgruppe Sachkulturforschung und Museum in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, die der Fachabteilung Volkskunde des Landesmuseum Württemberg das Vertrauen zur Ausrichtung der Tagung gab. Und schließlich geht ein herzlicher Dank für die umfangreiche Hilfe bei der Herstellung des Tagungsbands an Helen Sophie Ahner.

Wahrnehmungen und Haltungen

Das Museum der Alltagskultur – dialogisch besehen Erneuerungsperspektiven aus einer revidierten Haltung T HOMAS B RUNE

Ich könnte über die Museen zur Alltagskultur als Gattung sprechen und über das ihnen grundsätzlich enthaltene Dialogische. Doch halte ich es für fruchtbarer, weil anschaulicher, am besonderen Exempel des Museums der Alltagskultur im Schloss Waldenbuch skizzenhaft aufzureißen, wie Museen zur historischen Alltagskultur auf unterschiedlichen Ebenen dem Dialogischen Gestalt geben können. Dieser Vortrag versteht sich als Bericht aus einer Museumswerkstatt, wie sich das Hin und Her von Bildern, Botschaften und Empfindungen in Konzepten entwickelte und schließlich umgesetzt wurde. Vorausschicken möchte ich schon jetzt, dass wir für das Fest des Museumsdialogischen weder viel interaktiven Medieneinsatz noch soziokulturelle Partizipation bemühen. Vielmehr setzen wir nachhaltig und konservativ auf unsere Sammlungsschätze, auf jedes einzelne Ding in seiner Stärke, Präsenz, Informationswucht, Schönheit und Bizarrerie und auf die Beziehungen, die wir zwischen den Dingen herstellen, räumlich, bühnenhaft, szenisch. Dazu nehmen wir nicht nur die Gestalter1 als ‚Bühnenbildner‘ mit 1

Gestaltungspartner des Museums der Alltagskultur Schloss Waldenbuch sind Franziska Schmidt und Korkut Demirag, demirag-architekten Stuttgart

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dramaturgischer Kompetenz in Pflicht und Partnerschaft. Wir tun dies auch mit der Sprache, mit den Wörtern, jenen museografisch schwächsten und doch so wirkmächtigen Mitspielern auf der Museumsbühne.2 Dieser Bericht konzentriert sich vor allem auf die Eingangssequenzen des neu zu erfindenden Hauses, weil wir dort sehr viel Raum für ein komplexes Vorspiel im Dialogischen geben. Wir sehen darin die Chance für ein stärkeres und also nachhaltigeres Erlebnis in der Begegnung mit der eigenen Alltagskultur in der vergangenen Alltagskultur.3

V ORSPIEL Das Museum der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch wurde 1989/90 als Außenstelle des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart unter dem Namen „Museum für Volkskultur in Württemberg“ in zwei Abschnitten auf 2.500 qm eröffnet. Es war „in die Jahre gekommen“4 und Zeit genug vergangen, um es zu erneuern. 2009 benannten wir es um in „Museum der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch“. Die jetzt laufende Erneuerung begann 2010, ermöglicht durch jahrweise Sonderzuweisungen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden Württemberg – in allerdings sehr(!) überschaubaren Dimensionen. Der erste Abschnitt der Erneuerung im Erdgeschoss mit dem „Café Alltag“ und den Abteilungen „Mein Stück Alltag“, den „ZeitSprüngen“ und einer kleineren Abteilung zu vorindustriellen Arbeitswelten, wurde im Mai 2011 eröffnet, der zweite Abschnitt folgte im November 2011 mit der Abteilung „Wohnwirklichkeiten“ im 1. Obergeschosses. Außerdem gehörte zu diesem Abschnitt die kleine aber

2

Geholfen haben uns dabei Workshops mit dem Kommunikationsbüro Bütefisch.

3

Als nächster Abschnitt der Erneuerung des Museums der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch ist für 2014 die Fertigstellung des bisher schon größten Ausstellungsteils unter dem Titel „Wohnwelten“ geplant. Ihm folgen 2015 und 2016 die Abschnitte „Arbeitswelten“, „Körperwelten“, „Bilderwelten“.

4

siehe Thomas Brune: Auf halbem Weg – zwischen Tübingen und Stuttgart. Zur Lage des Museums für Volkskultur. In: Monika Kania-Schütz (Hg.): In die Jahre gekommen? Chancen und Potentiale kulturhistorischer Museen. Münster/ New York/München/Berlin 2009, S. 137-148.

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feine Ausstellung zu „Hirschen, Fürsten, Waldgeschichten“ – als Reverenz an das Gebäude als ehemaliges Jagdschloss, die sich nicht als Abteilung zur Alltagskultur versteht (Abbildung 1). Abbildung 1: Waldgeschichten

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Ohne in eine ausführliche Kritik des vor bald 25 Jahren eröffneten Museums für Volkskultur in Württemberg einzusteigen – diese lieferte Anja Schöne in ihrer klugen Arbeit über das Museum5 –, ist es aber dennoch nötig, die Folie zu benennen, vor der die revidierte Haltung Kontur gewinnt. Aus sehr persönlicher Sicht: Ich war in den 1970er Jahren Student von Martin Scharfe mit seinen ‚Lernausstellungen‘ und vom sich gerade dem Musealen zuwendenden Gottfried Korff. Ich staunte – allerdings eher freudlos – über Frankfurts neues Historisches Museum, begeisterte mich aber an Peter Schirmbecks neuem Rüsselsheimer Stadtmuseum. An dem Museum für Volkskultur in Württemberg wirkte ich als Volontär Ende der 1970er Jahre kurzzeitig in der ersten Konzeptphase mit, als es darum ging, Themen und Sammlungen auf Zettelchen zu schreiben und Räumen zuzu-

5

Anja Schöne: Alltagskultur im Museum. Zwischen Anspruch und Realität. Münster/New York/München/Berlin 1998, S. 172-190.

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ordnen. Ich erinnere, dass es immer mehr Zettel auf den Grundrissplänen wurden und die Räume in meiner Vorstellung immer kleiner. Als ich das Museum dann im fertigen Zustand sah, erkannte ich die Mühe, die Fantasie auch, vor allem aber den informationellen Impetus, die hineingesteckt worden waren von den Mitarbeitern unter der Leitung meines Vorgängers Hans Ulrich Roller. Ihm gegenüber komme ich mir jetzt zeitweilig ein wenig wie ein Vatermörder vor, weil ich sein Werk verwandelnd, notwendigerweise auch zerstöre. Die volkskundliche Museumswelt setzte damals hohe Erwartungen in das neue Museum und konnte es loben.6 Ich muss gestehen: Ich empfand es immer auch als etwas anstrengend. Anja Schöne befand einen gewissen Akademismus. Aber es gab ja schließlich auch so viel mitzuteilen aus der nun museal zu schreibenden Geschichte der Volkskultur.7 Die Lesezeit errechnete sich – ohne Objektbeschriftungen – auf mehr als sechs Stunden. Objekte in dichten Zusammenstellungen von zum Teil schwer erschließbarer Komplexität bei zugleich schwacher Dramaturgie in Themenfolgen und Auftritt. Es war die Zeit der Botschaften, der Aufklärung des Volkes über sich selbst, eine One-Way-Veranstaltung. Lernen war Programm, die Freude der Besucher an den reichen und ärmlichen Objekten zwar nicht wirklich ungern gesehen – allerdings zumeist nur dann, wenn sie sich nicht am notgeboren Ärmlichen entzündete.8

6

Gottfried Korff / Hans-Ulrich Roller (Hg.): Alltagskultur passé? Positionen und

7

Das erste Museumsplakat spiegelte den Charakter des Museums ziemlich tref-

Perspektiven volkskundlicher Museumsarbeit. Tübingen 1993. fend mit einer flächenfüllenden Wortreihung und wenigen eingesprenkelten kleinen Objektabbildungen. 8

Diese Kritik trifft sicher stärker auf den ersten, 1989 eröffneten Abschnitt im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zu, als auf den 1990 eröffneten Museumteil im 2. Obergeschoss, zu dessen Gestaltung man auch den Gestalter gewechselt hatte.

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Abbildung 2: Alte Ausstellung, Regionalprofile – Möbelgesichter

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Abbildung 3: Alte Ausstellung, Handwerkerkultur

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

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Einschub: Meine Leidenschaft im Museum-Machen speist sich aus einer gelegentlich und zugegeben vorfreudig-naiven Neugier auf die Dinge und die erkundende Lust mit ihnen. Sie gründet zugleich in meiner ebenfalls neugierigen Zuneigung zu deren heutigen Betrachtern, Besuchern, Fans in ihren Lebenswirklichkeiten, die ich ja – auf meine ganz eigene Lebensweise – zumindest sektoral mit ihnen teile. Und da gibt es noch die Liebe zum Leben im Gespräch, im Dialog, im Hin und Her auf seinen vielen Feldern. Wie gut, Kollegen zu haben, die neugierig und teilhabend solche Lebenseinstellungen und -praxen mit Spaß teilen.9 Deutlicher gesagt: Nur wer das heutige Leben in seinen Widersprüchlichkeiten liebt, kann Museum für ein Heute machen.

„S PRICH MIT

MIR !“, SAGT DAS

M USEUMSDING

Was können uns heute Objekte sagen? Wie können wir die Dinge zum Sprechen bringen? So und ähnlich die Fragen, die sich Museumsmacher seit Jahrzehnten immer aufs Neue stellen. Denn sie wollen ja, dass ihre Ausstellungen für die Besucher wichtig, also von Bedeutung werden. Doch ist das die richtige Frage? Ich zweifele daran, denn die Frage fußt auf dem Bild von der Einweg-, von der Einbahnkommunikation. Museumsmacher sammeln, analysieren, interpretieren, präsentieren und weisen den Dingen durch Auswahl und in Beschriftungen Bedeutungen zu. Was aber, wenn den Betrachter das alles nicht schert, vor allem gerade nicht die am Ende hoheitlich-musealen Handelns stehenden Bedeutungszuweisungen? Was, wenn es dem Besucher in der Abteilung Kochgeschirr und Lebensmittelzubereitung völlig egal ist, ob Marmelade oder Linsensuppe in dem Topf gekocht, verwahrt oder serviert wurde, sondern ihn viel mehr oder allein der Schimmer des Kupfers interessiert, das derbe Blumenmuster der Emaillierung, die spannungsvolle Eleganz des keramischen Henkels oder nur die Vorstellung vom Geschmack der Speisen. Ist solches Denken und Assoziieren im Museum erlaubt? Ist es statthaft oder ein Störfall im Museumsgeschehen, wenn der Besucher seinen ganz eigenen Dialog mit den Dingen spinnt?

9

Das Team: Dagmar Bayer, Andrea Goletz, Nina Hofmann, Frank Lang, Peter Ostritsch, Leo von Stieglitz.

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Doch wohl kaum, wenn sich die Inszenatoren des Museumsgeschehens als Zeitgenossen der Menschen verstehen, auf deren (Steuer-)Kosten, aber auch für deren Gewinn, sie Museum machen. Dann profitieren die Museumsmacher von den sehr eigenen Dialogen der Besucher mit den Dingen– auch und gerade wegen ihrer Eigenart des Nicht-Planbaren, des Anarchischen gar. Erkennen wir doch an: Der Besucher hat nicht nur ein Recht darauf, er kann gar nicht anders! Also: Warum darf er nicht? Ich rede hier nicht der Beliebigkeit das Wort. Im Gegenteil: Ich sage, dass es gut und richtig und wichtig ist, vor dem Hintergrund von und aus gesellschaftsanalytischen Erkenntnissen zu heutigen Lebenswirklichkeiten Themen und Aspekte vergangener Lebenswelten zu identifizieren und daraus abgeleitet museal darzustellen. Denn nur so kann es gelingen, Vergangenes als lebenswichtig für das Heute zu erkennen und museal zu erschließen. Dennoch sollten wir den Besucher zu allererst dazu anregen, sich aus der Haltung des Information und Unterhaltung Rezipierenden herauszulösen und das Eigene wahrzunehmen, sich selbst in Beziehungen hineinzubegeben. Dann und nur dann wird ihm das im Museum Gesehene, Bestaunte, Erlebte im eigenen Alltag draußen auch wieder begegnen. Könnte es etwa sein, dass solche Dialoge in der musealen Präsentation eine größere Rolle spielen sollten, damit aus der Einbahnstraßenkommunikation ein Dialog wird, in dem der Besucher sich nicht mehr nur als belehrter oder bespaßter Konsument erlebt? Soll er wissen, dass seine Ansichten und Assoziationen als die eines ernst genommenen Teilnehmers am Museumsgeschehen geschätzt sind? Dazu gehörte allerdings die weiß Gott nicht revolutionäre, aber dennoch kaum je anzutreffende Begrüßung des Besuchers als Gast, als Mensch, an dem das Museum interessiert ist, mit dem es gern in einen Dialog treten will. Diese Haltung gilt es – davon bin ich überzeugt – zu allererst zu zeigen. Deshalb heißt es im kurzen Willkommenstext des Museums der Alltagskultur: „Lassen Sie sich auf die Alltagsdinge im Museum ein – und entdecken Sie Ihren eigenen Alltag neu.“ In der Kürze liest sich das sicher ein wenig platt. Doch macht es vielleicht neugierig, verführt zu einer aktiven Grundhaltung – und warum auch nicht: zu einer Anspruchshaltung.

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Denn eine Behauptung steht im Raum: dass die Alltagsdinge im Museum einen Bezug zum Alltag im wirklichen Leben der Besucher haben. Die ersten Räume im Museum der Alltagskultur dienen vor allem dieser Öffnung von Dialogfeldern, auf denen sich Gegenwart und Geschichte, Dinge und Menschen, Museumsmacher und Museumsbesucher treffen.

D IALOGFELD 1: „C AFÉ ALLTAG “ Das ist zuerst und en passant einladend das „Cafè Alltag“ (Abbildung 4). Es lockt in heiterer Grundstimmung von Vintagelokalitäten mit historischem Mobiliar, unbeschrankt, sich zur Benutzung darbietend für den Genuss von Getränken und kleinen Süßigkeiten. Irritation ist beabsichtigt, allerdings nur bei wenigen scheint sie tatsächlich einzutreten. Deshalb an der Wand die Tafel mit der Frage: „Kaffeetrinken auf musealen Objekten? Das geht doch nicht!“ und folgendem Text: „Sind die Möbel im „Café Alltag“ wirklich Museumsobjekte? Nein und Ja! Nein, weil sie nur für das „Café Alltag“ angeschafft wurden – für Sie zum Benutzen! Und das geht mit Museumsobjekten eben nicht, weil wir sie ja für die Zukunft bewahren wollen. Aber sie könnten dennoch Museumsdinge sein, denn es gibt solche oder ähnliche tatsächlich schon in den Sammlungen des Museums der Alltagskultur. Einigen von ihnen werden Sie in der Ausstellung wieder begegnen.“

An der Wand Silhouetten einer Auswahl von Sitzmöbelklassikern aus dem „Café Alltag“ samt kulturhistorisch-informationellen Kommentierungen. Die alten Bekannten aus dem Wohnzimmer der Oma, der Küche der Tante, der eigenen Wohnung sind dem Besucher ganz nah, werden so aber zugleich in Ihrer Potentialität als Museumsobjekte vorgestellt. Das „Café Alltag“ als Schnittstelle zwischen dem wirklichen und dem musealen Alltag. Möglicher Schluss im Kopf: Meine Sachen sind betrachtungswürdig. Mein Alltag ist einer Thematisierung wert.

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Abbildung 4: „Café Alltag“

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

D IALOGFELD 2: „M EIN S TÜCK ALLTAG “ Im breiten Flur hinter dem „Café Alltag“ eine Reihe von kristallin wirkenden Kleinvitrinen, in ihnen hell illuminiert, kostbar präsentiert, eine Reihe von mehr oder minder vertrauten Alltagsdinge der letzten ca. 80 Jahre (Abbildung 5 und 6). Die Objektbeschriftungen auf angeklammerten Kärtchen weisen sich im Unterschied zu den sonstigen Text- und Objektbeschriftungsträgern als temporär aus. Auf ihnen fett(!) die persönliche Geschichte des ehemaligen oder aktuellen Nutzers von Quirl, Esbit-Kocher, Wasserschäpfle und Sonnenbrille. Die vorangestellte Infotafel an der Wand benennt, worum es geht: um „Mein Stück Alltag“, denn: „Ihr Alltag interessiert uns – aber nicht nur uns! Deshalb: Bringen Sie ein Stück, das Sie eine Weile im Alltag begleitet hat, mit dem Sie etwas ganz „Alltägliches“ oder etwas ganz Besonderes verbindet! Stellen Sie es aus, und erzählen Sie ihre Geschichte dazu! Unser Museum ist Ihr Museum! Wie das geht? Fragen Sie an der Kasse.“

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Abbildung 5: Vitrinen „Mein Stück Alltag“

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

„Mein Stück Alltag“ will Besucher auf dem halben Weg ins Museum ermuntern, sich in eine Beziehung zu trauen. Das Museum formuliert für sich und für den Besucher ein gemeinsames Interessensfeld, kennzeichnet abermals und nun ganz auf das Biografische zielend die Dinge der Leute als interessant genug für eine öffentliche Zurschaustellung in einem Museum. Die unter der persönlichen Geschichte zugefügte kulturhistorische Kommentierung, mit namentlicher Ausweisung des verantwortlichen Kurators steht für einen ersten, kurzen Dialog von Besucher und Wissenschaftler. Und weil Objekte mit persönlichem Statement Andere zu eigenen persönlichen Kommentierungen anregen, bahnen sich zugleich Dialoge auf einer weiteren Ebene an. Anzumerken bliebe, das sie immer noch singulär ist in unserer Museumswelt: die Infotafel mit Nennung der Autoren des Museums und ihrer Zuständigkeiten – und Visitenkarten zur erleichterten Anbahnung eines persönlichen Kontakts.

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Abbildung 6: Einzelvitrine „Mein Stück Alltag“

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Geht es hier um Partizipation? Ja und nein: Obwohl die neuen Ansätze zur Partizipation im Museum gerade Hochkonjunktur haben, zumindest auf einschlägigen Tagungen wie der des Historischen Museum Frankfurt 201010 oder auf der Tagung des Deutschen Museumsbundes 201211 – nicht zufällig im Zusammenhang des Themas Stadtmuseen und Migration. Doch wie ich bereits zu zeigen versuchte, geht es uns nicht vordergründig um Partizipation am Museum. Das sicherlich auch deshalb, weil für ein Landesmuseum eine interessierte und dann auch potentiell aktive Community schwer zu greifen ist, oder andersherum, sich eine Besucherschaft an Landesmuseen anders bildet als zum Beispiel bei Stadtmuseen mit umschriebenem Wirkungsfeld. Das Museum der Alltagskultur ist wegen seiner Lage und begrenzter infrastruktureller Anbindung in erster Linie ein Ausflugsmuseum. Wir haben uns deshalb entschieden, die Veränderung im Grund10 Das partizipative Museum. Zwischen Kooperation und user generated content – eine Arbeitstagung zur gegenwartsorientierten und partizipativen Ausrichtung der Museumsarbeit. 18. und 19. November 2010, historisches museum frankfurt. 11 Alle Welt im Museum? Museen in der pluralen Gesellschaft – Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes vom 6. bis 9. Mai 2012 in Stuttgart.

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sätzlichen zu suchen, und das nicht nur in Sonderausstellungen sondern nachhaltig in der permanenten Exposition.

D IALOGMEDIUM W ORT Es lohnt ungemein, sich liebevoll und leidenschaftlich dem Finden der Wörter fürs Museum hinzugeben. Wörter sind zwar das museal schwächste, aber doch in ihrer Wirkung am besten abschätzbare Medium im Spiel der vielen Medien des musealen Gesamtereignisses – ob nun informationell oder dialogisch gedacht. Um das Bezügliche zwischen Besuchern und Museum zu begründen, haben wir – nicht originell – den Sprachduktus an ausgewählten Stellen dezent personalisiert; das wurde in den vorangegangenen Schilderungen schon deutlich. Hier geht es mir, um eine einbeziehende Personalisierung, die aber die distanzlose IKEA-Family-Diktion vermeidet. Da gibt es zum einen das „Wir“ als das „Wir“ der Verallgemeinerung aller Menschen eines Raums im Heute und in unserem speziellen Fall als implizite Feststellung, dass nicht nur Museumsbesucher sondern auch Museumsmacher gesellschaftliche Wesen dieser Zeit und dieses Raumes sind. Und dieses „Wir“ meint: Wir alle haben mit dem hier ausgestellten Vergangenen zu tun, bzw. dieses mit uns allen. Ein Beispiel dafür: Der Leittext zur kleinen Installation eines TVWohnzimmers in der Abteilung „Wohnwirklichkeiten“ der 1950er Jahre, beginnt mit: „Das Wohnzimmer, wie wir es heute kennen, ...“. Im Bereichstext, der nächsten Textebene, wird dieser Duktus aufgenommen und verstärkt im Wechsel mit der persönlichen Ansprache zur Behauptung einer gemeinsamen Wirklichkeit. So heißt es zum Fernseher im „geheiligten Eck“ (Bausinger): „Das kommt Ihnen bekannt vor? Diese Wohnzimmerstruktur haben wir noch heute.“

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D IALOGFELD 3: „Z EIT S PRÜNGE “ Der zentrale Info-Text zu den „ZeitSprüngen“ in der Dürnitzhalle, dem 3. Intro des Museums (Abbildung 7), startet mit einem Wir-Satz über das, was alle Menschen gemein haben: „Alles was wir sehen, verknüpfen wir mit unseren eigenen Erfahrungen, Erlebnissen, aktuellen Einstellungen. Was dabei meist unbewusst in unserem Kopf passiert, nennen wir hier „ZeitSprünge“.“ Und weiter: „In dieser Halle inszenieren wir 19 von uns ausgedachte „ZeitSprünge“. Alte Dinge konfrontieren wir mit Gegenwärtigem. Wörter wie „Prestige“, „Netzwerk“ „Infrastruktur“ oder „Durst“ bieten Verknüpfungen an.“ In diesem Wir-Satz treten die Museumsmacher selbst auf und geben sich im „Wir“ des Tuns zu erkennen. Zum Abschluss die Frage, die direkte Ansprache: „Sehen Sie andere (Verknüpfungen)? Gut möglich!“ gefolgt von der Ermunterung: „Machen Sie ‚ZeitSprünge‘ – im ganzen Museum! Achtung: Sie laufen Gefahr, Ihr Heute danach etwas anders zu sehen!“ Kurz zur Genese der „Zeitsprung“-Dürnitz: Wir hatten seit Beginn der Planungen im Sinn, Vergangenheit und Gegenwart unter ausgewählten Gesichtspunkten und über das ganze Haus verteilt immer wieder einmal gegeneinander zu schneiden, damit in der Begegnung mit den Dingen das befördert wird, was in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Alltagskultur legitimierendes Programm ist: den aktuellen Alltag in der Begegnung mit anderen vergangenen Alltagen zur Diskussion zu stellen. Es waren unsere Gestalter, die diese Idee so packend fanden und uns davon überzeugten, diese Art von Gegenschnitten in einer vollen Breitseite gleich zu Beginn des Rundganges dem Publikum zur Ermunterung und dem Haus zur Profilierung zu bieten. Wir nahmen diesen Ball auf, der so gut zu unserem Spielkonzept der Dialoge passt!

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Abbildung 7: Zeitsprünge in der Dürnitzhalle

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Was fällt zum Beispiel der jungen Media-Designerin im Anblick eines zerschlissenen und geflickten Bettbezugs von früher ein, wenn sie daneben die teure D&G-Jeans zu 256,00 € sieht, die sie konfektioniert, stonewashed, zerrissen und geflickt, vielleicht gerade selbst gekauft hat oder gerne gekauft hätte? Schaut der Bürokaufmann auf Geräte einer vergangenen Landwirtschaft, die sich mühte, die Mäuler einer immer mehr wachsenden Bevölkerung zu stopfen, und denkt dabei vielleicht daran, dass es in der Landwirtschaft heute offenbar weniger um die Erzeugung von Lebensmitteln geht als vielmehr um die Produktion von „Biogas frisch vom Feld“ für die Stromgewinnung? Ein Dialog beginnt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, der vom Objekt angeregt durch und im Besucher zum Leben kommt und damit Objekt und Geschichte überhaupt erst wichtig werden lässt. Wir wählten 19 Objekte zu den voraussichtlichen Ausstellungsthemen des zu erneuernden Hauses in dem es um Wohnwelten, Arbeitswelten, Körperwelten und Kopfwelten gehen soll: ein Sammelalbum mit Liebig-Bildchen, ein Zunftzeichen, ein Wismutkästchen, weil wir in ihnen (unter anderen!) Bedeutungsaspekte erkannten, die Entsprechungen in heutigen Begriffen

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und Schlagwörtern haben: „Kundenbindung“, „Netzwerk“, „Vortäuschung“ (Fake). Wir stellten zu ihnen: Hanuta-Sammelbilder, einen online-Zugang zu Facebook, und ein billiges Louis-Vuitton-Handtaschen-Imitat (Abbildung 8). Wir wählten zur vergoldeten Radfelge eines Schwarzwälder Autoteile-Herstellers unter dem Gesichtspunkt des Prestiges eine ‚goldene‘ Radhaube des 18.Jahrhundets aus Oberschwaben, zur Fritzbox mit Verweis auf Erwartungen an Infrastrukturen einen frühen Wasserhahn, zur ViagraTablette den gerahmten Schlafzimmer-Öldruck mit potent röhrendem Hirsch. Und so weiter. Das machte uns und verschafft heute offensichtlich den Besuchern Spaß. Abbildung 8: „Zeitsprung“: Vortäuschung (Fake)

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Reaktionen: Die Presse war einigermaßen begeistert, setzte sich sogar inhaltlich mit dem Konzept auseinander – was selten genug geschieht, wenn’s ums Museum geht – und titelte „Die Volkskunde als Trampolin“. Und die Besucher? Wir haben noch keine Untersuchung, wollen aber eine solche in den nächsten Jahren angehen, weniger als Fragebogenaktion, die sich meist eher dürftig in ihrer analytischen Tiefe erweist. Wir möchten qualitativ vorgehen, Besucher beobachten und mit Ihnen sprechen. Was unsere Aufsichten eher irritiert berichten: Zusätzlich zu den gewohnten Be-

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suchergruppen geselle sich ein neues, jüngeres Besucherklientel. Und: Es sei jetzt so laut geworden im Haus, die Leute würden so viel reden – und auch noch lachen(!).

D IALOGFELD 4: „W OHNWIRKLICHKEITEN “ Derzeit stehen wir in der Ausarbeitung der Abteilung „Wohnwelten“, die ab Frühjahr 2014 als wichtigste Abteilung auch im zukünftigen Museum der Alltagskultur mit ca. 1000 qm den größten Raum im Schloss einnehmen wird. Dem im Herbst 2012 eröffneten Abschnitt „Wohnwirklichkeiten“ soll im Frühjahr 2015 der wesentlich größere zu den „Wohnbedürfnissen“ folgen. Im Zentrum der „Wohnwirklichkeiten“ stehen die drei bisher schon gezeigten authentisch-dokumentarisch überlieferten Wohnräume der Familie Gayer (Abbildung 10) und neu: ein Jugendzimmer der 1970er Jahre, ebenfalls ein in seiner Einrichtung durch einen Glücksfall fast komplett erhaltener Objektekosmos. Vor den „Wohnwirklichkeiten“ galt es aber den Blick mit einer Bildergalerie zu schärfen (Abbildung 9): Im Initialtext wird einleitend einfach der Befund konstatiert, dass nicht nur Wohnkataloge, sondern auch kulturhistorische Bildbände geschlossene, stilistisch stimmige Wohneinrichtungsstile für bestimmte Epochen vorstellen, seien das nun die historistischen Wohnensembles des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder solch heute kultige wie die der Fifties, Sixties, Seventies. Mit den 90 ausgestellten Fotos von Wohnräumen der 1890er bis 1980er Jahren zeigen wir dann: Die Wohnwirklichkeiten der meisten Menschen waren immer ein Mix unterschiedlicher Zeit- und Möbelstile und stellen sich aus vielen Gründen für die meisten Menschen ganz anders dar als diese konfektionierten, katalogisierten Wohnwelten. Und hier abermals begegnen sich die Besucher selbst, weil sie zumindest einen Teil der verschiedenen Wohnwirklichkeiten kennen – aus den eigenen vier Wänden oder denen von Verwandten, Vorfahren und Freunden.

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Abbildung 9: Bildergalerie „Wohnwirklichkeiten“

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Im Zusammenhang mit diesen authentischen Wohnensembles an dieser Stelle der nur kurze Hinweis auf einen weiteren Aspekt des potentiell Dialogischen an Museen zur Alltagskultur, nämlich dem auf der Ebene der Objekte- und Informationsgewinnung, die sich in besonderen Fällen ebenfalls als ein spannendes Hin und Her erleben und beschreiben lässt. Ich erinnere mich noch deutlich an meine Gespräche mit den Menschen, die als Kinder in der Wohnung der Familie Gayer groß geworden waren. Im Angesicht der Dinge ihrer ehemaligen Lebenswelt, aus der historischen Distanz und auf die Frage des jungen neugierigen Museumsvolkskundler hin, setzte ein mich oftmals bewegender Prozess der Erinnerung bei meinen sogenannten ‚Gewährsleuten‘ ein, verbunden mit Emotionalisierungen, die ihre Kraft aus diesen dinggestützten Begegnung zogen. Ähnliches erlebte meine Kollegin Nina Hofmann in der letztjährigen Erinnerungsarbeit mit der heute ca. 60 jährigen Sibylle Weiß. Im Angesicht der glücklicherweise aufbewahrten Einrichtungsstücke ihres Jugendzimmers war Erinnerung nicht nur für sie auf besondere Weise möglich. Sie wurde fruchtbar auch für uns. Denn die an den Dingen haftenden Erinnerungen generierten weitere Erinnerungen auch an vergessene Objekte, nach

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denen dann zum Glück sehr oft erfolgreich auf Dachböden und im Keller gesucht werden konnte.12 Abbildung 10: Wohnküche der Familie Gayer

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

V ORSCHAU Für den umfangreicheren Darstellungsbereich der Wohnbedürfnisse im fast doppelt so großen zweiten Flügel des Schlosses, denken wir übrigens, dass uns ein kulturgeschichtlich-anthropologischer Ansatz helfen wird, die Besucher zu ermuntern, die eigene, heutige Lebenswelt ins Verhältnis zu jenen der Vergangenheit zu setzen. Wir erkennen einen inhaltlichen und gestalterischen Ansatz, der für das komplexe Thema ‚Wohnen‘ nach existentiellen Grundbedürfnissen fragt, nach denen von Schutz, Wärme, Licht, Sauberkeit, Zusammenleben und Allein-Sein, nach Überleben und Gegenwelten.

12 Dazu auch der Beitrag von Nina Hofmann in diesem Band.

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Mit einem Gedankenspiel zum Thema des Gegenweltlichen in den Wohnwelten sei knapp angedeutet, woraus sich in der Abteilung zu den Wohnbedürfnissen eine Aktualisierung des Vergangenen für die Gegenwart herausarbeiten ließe: Wir wollen dort Teile einer Wohnungsausstattung aus der Zeit des Historismus zeigen, also aus jener Zeit, als es sich die Menschen im Stil einer entfernten Vergangenheit – Neogotik, Neorenaissance, Neobarock – wohnlich machen, in einer Zeit also, in der zugleich die Dampfmaschinen immer mehr und immer komplexere stählerne Maschinerien antreiben, die Arbeiter in Massen an sich binden und Mietskasernen entstehen, in der Züge immer schneller über Schienenstränge rasen und schließlich Autos durch die Straßen, Zeppeline in der Luft schweben, sich soziale und politische Antagonismen auf der Straße formieren – und bald ein Weltkrieg ausbricht. Der Museumsmacher stellt also ein historistisches Wohnensemble hin. Doch so er gesellschaftsanalytisch um das Ganze weiß, schneidet er Objekte des Wilhelminismus vielleicht gegen solche heutiger Weltfluchten. Denn er fragt sich: Was könnte dem Betrachter dazu einfallen? Sein eigenes Heim ist zwar ganz anders eingerichtet. Aber gibt es da möglicherweise nicht auch eine kuschelige Puppen-Ecke auf der Sofalehne, Fantasy-Elfen und Mittelerde-Helden auf dem Sideboard? Zeichen dafür, dass wir uns auch heute vor der Außenwelt in eine sehr private, geschützte, kuschelige Wohnwelt flüchten (müssen)? Zu Zeitsprüngen in den Besucherseelen könnte hier angestiftet werden. Treten in so gedachten und umgesetzten Installation und „ZeitSprüngen“ die Objekte aus dem Damals mit denen des Heute in einen Dialog? Natürlich nicht! Denn der Dialog findet, wenn, dann im Kopf statt: Sprich mit mir! Sagt das Museumsding.

Dinge und Emotionen

Die Sprache der Dinge Museumsobjekte zwischen Zeichen und Erscheinung* T HOMAS T HIEMEYER

Wer von „der Sprache der Dinge“ redet, meint nicht ihr verbales Äußerungsvermögen, sondern ihre Fähigkeit, Signale aussenden zu können. Denn recht besehen sprechen Dinge nicht, sie zeigen sich.1 Wie dieses Zeigen funktioniert, wie geplant es abläuft oder wie unbeabsichtigt es passiert, diese Frage ist für das Museum fundamental und Anlass zahlreicher Theorien. Insbesondere Kunstwissenschaft und Volkskunde haben früh und ausdauernd den Status der Werke und Objekte im Museum (und außerhalb des Museums) untersucht und Anleihen bei der Philosophie genommen.2 Wel*

Dieser Text entstand im Rahmen des Forschungsprojekts wissen&museum: Archiv – Exponat – Evidenz, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Kennzeichen 01UB0909 gefördert wurde. Er ist zuerst online erschienen in: Museen für Geschichte (Hg.): Online-Publikation der Konferenz „Geschichtsbilder im Museum“ im Deutschen Historischen Museum Berlin 2011. URL: http://www.museenfuergeschichte.de/downloads/news/Thomas_Thiemeyer-Die_ Sprache_der_Dinge.pdf. Für Anregungen danke ich Kira Eghbal-Azar, Felicitas Hartmann, Anke te Heesen, Gottfried Korff und Yvonne Schweizer.

1

Vgl. dazu ausführlich Dieter Mersch: Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Er-

2

Vgl. u. a. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Re-

eignis. München 2002. produzierbarkeit: In: Ders.: Gesammelte Schriften I.2. Frankfurt 1974, S. 471-

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che Sprache die Dinge heute noch im Museum sprechen (können) und welche Ideen von den Dingen die museale Praxis der Gegenwart bestimmen, danach fragt der folgende Beitrag. Kern ist die Analyse von drei Konfliktlinien, entlang derer die Ansichten über die Wirkung der Museumsdinge, der Exponate, auseinander gehen können (Der Status der Dinge). Zuvor erfolgt eine knappe Verortung der Dinge in Philosophie und heutiger Museumstheorie (Die Sprache der Dinge), bevor im dritten Teil nach der Relevanz der Dinge für das Museum heute gefragt wird. Die Argumentation läuft auf die These hinaus, dass die vielfältigen Veränderungen, die Museen durch den Einsatz multimedialer Mittel und wachsende Erlebnisorientierung erfahren, das originale Objekt als Mittelpunkt des kulturhistorischen Museums infrage stellen und es heute nicht mehr selbstverständlich ist, die Ausstellung vom Objekt her zu denken.

1. D IE S PRACHE

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Es gab eine Zeit, in der die Dinge sprachen. Lange, bis ins 17. Jahrhundert, waren die Menschen überzeugt, dass Gott die Zeichen, also die Bedeutungen, in die Dinge eingeschrieben habe, damit die Menschen durch sie die Welt erkennen. Die Dinge hatten also die Fähigkeit, selbst zu sprechen. Die Frage war nur, ob der Mensch sie verstand. Im 17. Jahrhundert kamen dann Zweifel auf, ob die Dinge wirklich von sich aus sprechen oder vielmehr dem Betrachter nur antworten können. Als einer der Ersten hat René Descartes erkannt, dass es die menschliche Wahrnehmung ist, die die Zeichen der Dinge erst erzeugt. „Das Zeichen wartet nicht schweigsam das Kommen desjenigen ab, der es erkennen kann: es bildet sich stets nur durch den Akt der Erkenntnis.“3 Die Bedeutung der Dinge offenbart sich nicht länger,

508; Gottfried Korff: Museumsdinge. Deponieren – exponieren, hg. v. Martina Eberspächer/Gudrun Marlene König/Bernhard Tschofen. Köln/Weimar/Wien 2. Auflage 2007; Günter Figal: Erscheinungsdinge. Ästhetik als Phänomenologie. Tübingen 2010; Jens Soentgen: Das Ding in der Philosophie der Neuzeit. In: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken 2002/2003, Baiersbronn 2002, S. 357-376. 3

Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt 1974, S. 93.

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sie wird vom Rezipienten erst erzeugt. Der Glaube an eine göttliche Sprache in allen Dingen wurde zugunsten einer rationalen Erkenntnistheorie verabschiedet, die in der radikalen Ausprägung des mathematischen Naturbegriffs, den Descartes erfand, alles Sinnliche am Ding für trügerisch hielt und statt der Sinne allein den Geist als für die Erkenntnis zuständig erklärte. Die res cogitans (also die Ideen) benutzten die res extensa (die Dinge) nur noch.4 Erst einige Jahrhunderte nach Descartes erkannten die Philosophen – allen voran die Phänomenologen –, dass die Sprache der Dinge eben nicht restlos ein intellektuelles Konstrukt ist, sondern dass die Dinge durchaus einen sinnlichen Überschuss besitzen, der sich nur wahrnehmen, nicht aber intellektuell herleiten lässt.5 Nach dieser kurzen Vorbemerkung verlassen wir die Vergangenheit und kommen in die Gegenwart. Zweck des kurzen Rückblicks war es, zwei Wendepunkte zu benennen, die unser Verständnis von den Dingen bis heute prägen und insbesondere für das Museum relevant sind: die Erkenntnis, dass die Botschaft der Dinge wesentlich vom Rezipienten erzeugt wird und dass die Dinge dennoch eine ganz eigene Ausstrahlung besitzen, die unnachahmlich und deshalb für die menschliche Erkenntnis fundamental ist. Diese beiden Annahmen sind grundlegend für unsere Idee des kulturhistorischen Museums als einem Ort, an dem Wissen durch die Ordnung der Dinge in einem räumlichen Arrangement entsteht und verstehbar wird. Dieser Erkenntnisort zeichnet sich dadurch aus, dass er den Status der Dinge verändert, weil er sie in neue Kontexte einbettet. Aus Archivalien werden Quellen und Anschauungsobjekte.6 Die Ausstellung macht Objekte ein-

4

So schon die Kritik von Friedrich Jacobi (1743–1819) an Kants Dingtheorie 1799; vgl. Soentgen 2002/2003, S.366. Diese Fixierung auf den Logos geht auf Platon zurück. Vgl. dazu Platon: Der Staat. Stuttgart 1973, S. 325–357 (Zehntes Buch).

5

Soentgen 2002/2003, S. 357-371. Zu den frühen volkskundlichen Theorien zum Ding vgl. Gudrun König: Dinge. Stacheldraht: Die Analyse materieller Kultur und das Prinzip der Dingbedeutsamkeit (2004). In: Reinhard Johler/Bernhard Tschofen (Hg.): Empirische Kulturwissenschaft. Eine Tübinger Enzyklopädie. Tübingen 2008, S. 117–138.

6

In der Archivalie ist Vergangenheit präsent, aber stumm. Erst wenn sie durch Befragung zu Quellen werden, beginnen Archivalien zu sprechen. Ihre materiel-

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zigartig, die einst nur eine Sache unter vielen waren, enthebt die Dinge ihrer Gebrauchsfunktion, um sie als Gegenstände der Reflexion zu nutzen, und überführt die Objekte vom privaten, kommunikativen ins öffentliche, kulturelle Gedächtnis.7 Im Zusammenhang mit dem Museum hat es eine Reihe von Theorien zur Wirkung der Dinge gegeben.8 Eine in Deutschland lange Zeit einflussreiche Theorie zum Museum und seinen Dingen hat der Philosoph Hermann Lübbe 1981 formuliert. Sein Kompensationsmodell sieht im Museum „eine Rettungsanstalt kultureller Reste aus Zerstörungsprozessen“. Der Museumsboom ist für Lübbe eine Folge der erhöhten kulturellen Zerstörungsrate der Gegenwart. Je mehr Vertrautes aus dem direkten Lebensumfeld verschwinde, desto stärker erodiere das eigene Selbstbild. Diesen Erosionsprozess, den er „Vertrautheitsschwund“ nennt, könne historisches Bewusstsein in Teilen kompensieren, indem es Vertrautes aufbewahrt und damit stabile

le Substanz bleibt davon aber unberührt. „Durch keinen Gebrauch kann sie [die Quelle, TT] [...] verunreinigt werden. Obwohl also Archiv und Quelle in ihrem materiellen Substrat dasselbe sind, ändert sich wissenschaftstheoretisch ihr Status, je nachdem ob es mit allen Künsten der Erhaltung im Regal oder im Kasten oder im Panzerschrank gelagert wird - oder ob es herausgeholt, auf den Tisch gelegt, in die Hand genommen, untersucht und befragt wird.“ Zit. nach Reinhart Koselleck: Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Carsten Dutt, Berlin 2010, S. 74. 7

Hilde Hein: The museum in transition. A philosophical perspective, London/NY 2000, S. 55; Korff 2007, S. 146–154; Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992, S. 51ff.

8

Vgl. dazu Gottfried Korff: Vom Verlangen, Bedeutung zu sehen. In: Borsdorf u. a. (Hg.): Die Aneignung der Vergangenheit. Musealisierung und Geschichte. Bielefeld 2004, S. 81–104, S. 90 ff. Korff legt hier vier Interpretationsansätze frei, die Dinge als Kompensatoren, Mediatoren, Semiophoren oder Generatoren betrachten. Vgl. auch Anke te Heesen/Petra Lutz (Hg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort. Köln/Weimar/Wien 2005.

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Orientierung biete.9 Die Kritik an dieser Theorie ließ nicht lange auf sich warten.10 Das Anliegen vieler Museen, so lautet der wichtigste Einwand, sei seit jeher zukunftsgerichtet und nicht rückwärtsgewandt gewesen, mehr politisch denn psychologisch.11 So versuchte beispielsweise das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg nach der gescheiterten Revolution von 1848 die Bildung eines deutschen Nationalstaats vorzubereiten, indem es eine Sammlung zusammentrug, die das Gemeinsame der deutschen Kulturnation betonte. Einflussreicher als Lübbes Kompensationstheorie ist in der aktuellen Diskussion um das Museumsding Krzysztof Pomians Semiophorentheorie. Semiophor bedeutet Zeichenträger. Das sind Objekte ohne Gebrauchswert (Nützlichkeit), die allein symbolisch von Bedeutung sind. Semiophoren verbinden die sichtbare Welt der Gegenwart mit der unsichtbaren Welt der Vergangenheit und ermöglichen die Kommunikation zwischen beiden Welten. Sie sind räumlich nah und zeitlich fern und haben eine semiotische und materielle Kommunikationsebene, also Bedeutung und Anmutungsqualität.12 Diese Dualität des Dings zwischen Sinnstifter und „Reizobjekt“ (Gottfried Korff) ist nicht unproblematisch und führt mich zu einer ersten Konfliktlinie.

9

Hermann Lübbe: Der Fortschritt und das Museum. Über den Grund unseres Vergnügens an historischen Gegenständen. The 1981 Bithell Memorial Lecture. Leeds 1982, Zitate S. 14 und S. 18.

10 Vgl. u.a. Theo Grütter: Die Präsentation der Vergangenheit. Zur Darstellung von Geschichte in historischen Museen und Ausstellungen. In: Klaus Füßmann u. a. (Hg.): Historische Faszination. Geschichtskultur heute. Weimar/Köln/Wien 1994, S. 173–187, S. 175f. 11 Vgl. Olaf Hartung: Kleine deutsche Museumsgeschichte. Von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2010, S. 3ff. 12 Krzysztof Pomian: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln. Berlin 1998, insb. S. 38–54, S. 84. Der Begriff des Semiophors ist griffig und viel gebraucht, verengt die Dinge aber semantisch auf ihre Zeichenfunktion („Zeichenträger“) und unterschlägt ihre materielle, räumliche Wirkung, obwohl Pomian diese explizit mit im Blick hat.

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2. D ER S TATUS

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Dokument und Reizobjekt Museumsdinge haben eine rationale und eine emotionale Seite: Sie speichern Wissen und berühren die Sinne. Die Dinge sind also nicht allein Dokumente, Informationsträger, sondern besitzen eine spezifische Anmutungsqualität. Stephen Greenblatt hat diese doppelte Potenz der Museumdinge „resonance and wonder“ genannt. „Wonder“ bezeichnet das Staunen des Rezipienten und bezieht sich auf die emotionale Wirkung eines Objekts. „Resonance“ kennzeichnet das Objekt als Repräsentanten einer fernen Kultur oder Zeit, als Spur in die Fremde oder Vergangenheit, in die es den Besucher hineinzieht und ihm so neue Erkenntnisse ermöglicht.13 Museumsdinge sind also mehr als bloß materielle Belege eines vergangenen Zustands. In einer Ausstellung repräsentieren sie nicht nur Vergangenheit, sondern produzieren ein bestimmtes Verhältnis der Besucher zur Vergangenheit. Sie wirken performativ, machen etwas durch ihre bloße Anwesenheit. Der Philosoph Gernot Böhme spricht in diesem Zusammenhang von „Ekstasen der Dinge“ und bezeichnet damit ihre raumgreifende Wirkung. Dinge, so Böhme, erzeugten durch ihre wahrnehmbaren materiellen Eigenschaften Atmosphären, wirkten in den Raum und seien nicht auf sich selbst beschränkt. Atmosphären definiert er als „etwas räumlich Ergossenes“, „räumliche Träger von Stimmungen“.14 Folgerichtig erzeugen Dinge für Böhme Erlebnisse, statt nur Informationen zu transportieren. Dieser Ansatz wendet sich gegen ein semiotisches Verständnis von Kultur, das die Wirkung der Dinge auf die Kategorien „Sinn“ und „Bedeutung“ beschränkt.15 Hier scheint nicht nur die alte Dichotomie zwischen res cogitans

13 Stephen Greenblatt: Resonance and wonder. In: Bettina Carbonell (Hg.): Museum studies. An anthology of contexts. Oxford 2004, S. 541–555. 14 Gernot Böhme: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik. Frankfurt 1995, S. 27– 32, Zitate S. 27, 29. 15 Dies in Abgrenzung von der „verstehenden Soziologie“ (Peter Berger und Thomas Luckmann), die alle soziale Wirklichkeit als gesellschaftliche Konstruktion ansieht, ergo als bedeutungsgeladen bei jeder Handlung. Dies auch gegen Clifford Geertz Methode der dichten Beschreibung, die den Menschen als Wesen versteht, das in „selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist“. Vgl. auch

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und res extensa – zwischen Ideen und Objekten – durch, die seit Descartes besteht, die Konfliktlinie zwischen dem Ding als Dokument und Reizobjekt hält sich vielmehr bis heute.16 Um den Kern dieser Auseinandersetzung zu verstehen, scheint mir eine Anleihe bei dem Kunsthistoriker Dagobert Frey nützlich, der in den 70er Jahren einen Konflikt zwischen wissenschaftlicher Formalisierung und Autonomie der Kunst konstatiert hat. Verwissenschaftlichung, so Frey, bedeute die Übersetzung von Formen (also sinnlich wahrnehmbaren Attributen) in Gesetze (ins Begrifflich-Logische). Bei dieser Transformation nehmen die Wissenschaften den Verlust an Sinnlichkeit zugunsten der Exaktheit ihrer Aussagen in Kauf. Für die Kunst hingegen gelte, dass sie das Sinnliche immer mitdenken muss und sich nicht in ein System pressen lässt, weil jedes Kunstwerk „sein eigenes Ordnungssystem in sich“ trage, autonom sei.17 Das kulturhistorische Museum als Ort wissenschaftlicher Erkenntnis mit ästhetischen Mitteln kombiniert beide Seiten – die sinnliche und die wissenschaftliche – zu einer einzigartigen Erfahrungswelt, kann aber umgekehrt keiner Seite vollständig gerecht werden. Auf der einen Seite verändert es den Prozess der Verwissenschaftlichung, weil es als sinnliches Medium wissenschaftliche Aussagen nicht (primär) in der diskursiven Logik

Carsten Lenk: Kultur als Text. Überlegungen zu einer Interpretationsfigur. In: Renate Glaser/Matthias Luserke (Hg.): Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven. Opladen 1996, S. 116–128, S. 117f. 16 In den 70er und 80er Jahren wurde sie erregt im Zuge der Neueröffnung des Historischen Museums Frankfurt (1972), des Römisch-Germanischen Museums Köln (1974) und der Gründungsideen für das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (1994) sowie für das Deutschen Historische Museum in Berlin (Eröffnung der Dauerausstellung 2006) geführt, und Historiker, Pädagogen, Kunst- und Kulturwissenschaftler diskutierten in der Folge intensiv über den Lehr-, Bildungs- und Bebilderungsauftrag des Museums. Vgl. dazu Ellen Spickernagel/Brigitte Walbe (Hg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel. Gießen 1976; Gottfried Korff: Bildwelt Ausstellung. Die Darstellung von Geschichte im Museum. In: Ulrich Borsdorf u. a. (Hg.): Orte der Erinnerung. Denkmal, Gedenkstätte, Museum. Frankfurt/NY 1999, S. 319–335. 17 Dagobert Frey: Bausteine zu einer Philosophie der Kunst, hg. v. Gerhard Frey. Darmstadt 1976, S. 236–238, Zitat S. 238.

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der Begründung weitergibt, sondern im visuellen Modus der Evidenz, der sichtbaren Einsicht.18 Es lässt immer einen mehr oder weniger großen Interpretationsspielraum, weil es auf ästhetischer Wirkung seiner Objekte aufbaut und so die Kontrolle über seinen Gegenstand mit dem Betrachter teilt. Das mehrdeutige Bild ersetzt den vermeintlich eindeutigen Text.19 Auf der anderen Seite lässt kaum eine kulturhistorische Ausstellung die Dinge autonom wirken, weil sie sie mit anderen Dingen in Beziehung setzt oder als Beleg für eine Geschichte nutzt.

Kunst und Kontext Damit sind wir bei einer zweiten Konfliktlinie, die sich in der Kurzformel „Kunst oder Kontext“ ausdrückt. Diese Alternative, die vor allem ethnologische Museen umtreibt, markiert unterschiedliche Erkenntnisinteressen und einen je anders gelagerten Status der Objekte. Wer historische, wissenschaftliche oder gesellschaftliche Kontexte darstellen will, benötigt Dinge als Verweise, das heißt als Stellvertreter für etwas Abwesendes. Diese kann er zu neuen Raumbildern kombinieren, um einen Zusammenhang sichtbar bzw. sinnlich wahrnehmbar zu machen.20 Wer Objekte hingegen als Kunstwerke begreift, hat mit der freizügigen Rekontextualisierung der Dinge ein Problem – zumindest dann, wenn diese nur als Versatzstücke für neue Bilder (für Raumbilder) und zur Illustration von Informationen genutzt werden: „Disziplinierung der Objekte durch ihre Musealisierung“, nennt das der Kunsthistoriker Michael Fehr und fürchtet

18 Dazu ausführlich Dieter Mersch: Das Bild als Argument. Visualisierungsstrategie in der Naturwissenschaft. URL: http://www.dieter-mersch.de/download/mersch.bild.als.argument.pdf. 19 Zur Kritik an der vermeintlichen Eindeutigkeit des Textes vgl. v.a. Jacques Derrida: Grammatologie. Frankfurt 1983. 20 Lambert Wiesing: Zeigen, Verweisen und Präsentieren. In: Karen van den Berg/ Hans Ulrich Gumbrecht (Hg.): Politik des Zeigens. München 2010, S. 17–28.

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die „Reduktion ihres jeweiligen Charakters auf einen bestimmten Reizwert“.21 Diese Kritik ist aus der Annahme formuliert, dass Kunstwerke einen sinnlichen Überschuss besitzen. Dieser sinnliche Überschuss ist nicht kontrollierbar – genau darin besteht sein Sinn als Fantasie- und Gefühlsanreger. „Läßt man sich auf Kunstwerke ein“, schreibt der Philosoph Günter Figal, „wird man nicht informiert, sondern auf ursprüngliche Weise angerührt und in den Zustand einer elementaren Offenheit versetzt: Die Kunst läßt erstaunen [...] Mit jedem Werk erfährt man etwas, das man so vorher nicht kannte und das so, wie es mit diesem Werk erfahrbar wird, nicht antizipierbar war; ein Kunstwerk ist unerwartbar, und zwar nicht nur bei der ersten Erfahrung, sondern immer wieder aufs neue.“22 Durch Inszenierungen aber, die das einzelne Werk mit anderen zu einem vorab definierten Erkenntniszweck zusammenspannen, würde diese „wilde Semiose“23, wie Aleida Assmann das genannt hat, gezähmt und damit ihrer wichtigsten Funktion beraubt. Dann ist nicht mehr das einzelne Exponat das Werk, das ein in sich geschlossenes Rezeptionsangebot enthält und seine einzigartige Wirkung entfaltet, sondern die Ausstellung als neues Gesamtbild. Man könnte noch weitergehen und sagen, dass Kunstwerke einen didaktischen Schutzraum benötigen, damit nichts von ihrer Erscheinung ablenkt und sie nicht von vornherein auf inhaltliche Informationen festgelegt werden. Der wesentliche Unterschied liegt hier im Status der Objekte: Werke der bildenden Kunst, die für die Betrachtung gemacht wurden, und andere Objekte. Ob sich die Kunstwerk-Theorie deshalb auf lebensweltliche Dinge

21 Michael Fehr: Das Museum als Ort der Beobachtung zweiter Ordnung,. In: Rosmarie Beier (Hg.): Geschichtskultur in der Zweiten Moderne. Frankfurt/NY 2000, S. 149–166, Zitate S. 151. 22 Figal 2010, S. 10. Der Kunstgenuss muss dabei freilich dem Erkenntnisgewinn nicht entgegenstehen, sondern kann diesen ermöglichen. Er kann aber mit ihm konkurrieren, wenn das eine zulasten des anderen unterdrückt oder exponiert wird. 23 Aleida Assmann: Die Sprache der Dinge. Der lange Blick und die wilde Semiose. In: Hans Ulrich Gumbrecht/Ludwig Pfeiffer (Hg.): Materialität der Kommunikation. Frankfurt 1988, S. 237–251.

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übertragen lässt, wie es im Rekurs auf Walter Benjamin und seinen Begriff der Aura geschehen ist, darüber wird bis heute gestritten. Es geht, schlicht gesagt, um die Frage, ob Dinge, die nicht wie Gemälde oder Skulpturen für die Rezeption gemacht wurden, als Reizobjekte im Museum aus sich heraus funktionieren, oder ob ihr einziger Daseinszweck in ihrer historischen Zeugenschaft, also in ihrer Funktion als Verweis oder Beleg, besteht. Das heißt, ob diese Dinge für sich alleine etwas ausstrahlen können, oder ob sie überhaupt erst durch museale Inszenierung und Kontextualisierung bedeutsam und attraktiv werden?24

Ding und Raum Die zweite Frage nach der Wirkung des Objekts im Raum und danach, wo diese Wirkung entsteht, markiert eine dritte Konfliktlinie. Die deutsche Sachkultur-Forschung und die angloamerikanische Forschung zur materiellen Kultur, die Material Culture Studies, haben darauf lange Zeit unterschiedliche Antworten gegeben. Die Sachkulturforschung ging traditionell von den Objekten, „ihrer Materialität, Funktion und Temporalität, d. h. ihrer physikalischen Präsenz in Raum und Zeit“ aus und vernachlässigte darüber lange Zeit die Beziehung zu Mensch und Umwelt, bevor sie unter dem Stichwort „Umgang mit Sachen“ diese Relation seit den 70er Jahren stärker berücksichtigte.25 Die Material Culture Studies hingegen, die der britischen und amerikanischen Anthropologie verhaftet sind, analysierten Artefakte seit jeher als Teil einer Kultur, schauen primär auf die Wechselwirkung zwischen Objekt und Kontext. Die Aura des Exponats resultiert in dieser Wahrnehmung nicht aus einer Qualität des Objekts, die im Ding selbst zu finden ist (selbstreferenziell), sondern sie ist ein performativer Akt, für den primär die Umgebung, man könnte sagen, die Inszenierung des Objekts, verantwortlich ist. Nicht das Objekt, sondern die Rezeptionssitua-

24 Dies zumal, da die Wahrnehmung der Dinge entscheidend von der Kenntnis kultureller Codes abhängt, die etwa ein Material als wertvoll, unkonventionell oder neu einstufen. 25 Vgl. dazu Konrad Köstlin/Hermann Bausinger (Hg.): Umgang mit Sachen. Zur Kulturgeschichte des Dinggebrauchs. Regensburg 1983.

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tion ist auratisch.26 Der museale Raum und seine Atmosphäre machen die Dinge erst besonders, und nicht umgekehrt die Dinge den musealen Raum. Exemplarisch für eine solche Einschätzung ist die Definition von Szenographie, die Heiner Wilharm und Ralf Bohn formuliert haben (allerdings allgemein und nicht speziell für das Museum): „Die Artikulation als ‚Szenografie‘ signalisiert dabei den Wunsch nach einer integrativen, von der Bindung an überkommene Gattungsgrenzen relativ freien Design- und Gestaltungshandlung rund um die Produktion von Ereignissen und Erlebnissen im öffentlichen Raum. Welche Veränderungen und Erweiterungen finden statt, wenn man sich dem Raum nicht mehr auf der Ebene von Dingen und Objekten nähert, sondern auf der Ebene von Ereignissen?“27

3. D IE R ELEVANZ DER D INGE Es stellt sich die Frage, ob das Museum so gesehen seine Dinge noch braucht? Einerseits ja, denn der Raum und die Dinge sind die Alleinstellungsmerkmale des Museums. Ohne Dinge verliert es seinen Status als Ort der materiellen Begegnung mit dem Fremden und zeitlich Fernen und beraubt sich seiner ureigenen Attraktion. Für das Museum als Institution, die

26 Andrea Hauser: Sachkultur oder materielle Kultur? Resümee und Ausblick. In: Gudrun König (Hg.): Alltagsdinge. Erkundungen der materiellen Kultur. Tübingen 2005, S. 139–150, S. 148; Korff 2007, S. XVIIf. Vgl. exemplarisch für die amerikanische Position Hilde Hein: „Existentially and as subsistent mental entities, objects inhabit systematic frameworks that relate them both to subjects that construct meanings and to other objects that are part of meaning systems.” Nicht die Objekte per se seien authentisch, sondern das historische Konzept, für das sie stehen. Das gelte insbesondere für Massenprodukte, die nie einzigartig waren und deshalb v. a. als Repräsentanten einer fernen Wirklichkeit interessant seien. „Their truth is embodied in the general rather than in idiopathic instances.” Zit. nach Hein 2000, S. 55–62. 27 Zit. nach Heiner Wilharm/Ralf Bohn: Einführung. In: Dies. (Hg.): Inszenierung und Ereignis. Beiträge zur Theorie und Praxis der Szenografie. Bielefeld 2009, S. 9–43, S. 9. Vgl. zum Begriff der Szenografie Thomas Thiemeyer: Inszenierung und Szenografie. Auf den Spuren eines Grundbegriffs des Museums und seines Herausforderers. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (2012), S. 199-214.

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sich über das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen seiner Objekte definiert, bleiben die Originale die raison d’être. In dem Maße freilich, wie das Erlebnis in Ausstellungen die Evokation von Wissen und von Präsenzeffekten mithilfe materieller Relikte zurückdrängt, wird das Objekt entbehrlich. Versteht sich das Museum zunehmend als „manufacturer of experience“, als Erlebnisfabrik, die durch suggestive Arrangements historische Ereignisse als Erlebnis oder Erfahrung vermitteln will,28 dann kann es auf die „Erinnerungsveranlassungsleistung“29 der Dinge vertrauen, ihre Fähigkeit also, Erinnerungen an längst vergangene Ereignisse und damit verbundene Gefühle auszulösen. Allerdings, und das ist das Entscheidende, ist das Objekt für ein Museum, das dem Besucher vor allem ein Erlebnis bzw. eine besondere Erfahrung bieten will, entbehrlich. Die Perspektive ändert sich vom Objekt zum Subjekt, von den echten Dingen zu den authentischen subjektiven Erlebnissen.30 Nicht die Originalität, also die Einzigartigkeit und ursprüngliche materielle Substanz des Objekts ist dann entscheidend, sondern seine Fähigkeit, als „authentisch“ wahrgenommene Erlebnisse zu erzeugen – mit oder ohne Exponate. Entsprechend ist es nicht mehr erste Aufgabe, möglichst viele materielle Überreste der Geschichte vor dem Betrachter auszubreiten, wenn diese keinen Wert an sich darstellen. War es einst einziger Zweck des Museums, Objekte zu sammeln und auszustellen, so ist das Exponat heute bestenfalls eines von mehreren Mitteln, mit denen ein Museum sein Publikum erreichen kann.31 Mehr noch: Ausstellungen, die sich weitgehend von den Depotbeständen der Museen freispielen, vereinzeln ihre Objekte, statt diese in der historisch begründeten Systematik der Sammlungen auszustellen. Mit dieser Verschiebung weg vom Sammlungszusammenhang hin zum Einzelstück (zum Highlight) wird das einzelne Exemplar illustrativ und erklärungsbedürftig,

28 Hein 2000, S. 63-66., Zitat S. 65. 29 Korff 2007, S. 143. 30 Hein 2000, S. 79. 31 Stephen Weil: Collecting then, collecting today. What’s the difference? In: Gail Anderson (Hg.): Reinventing the Museum. Historical and Contemporary Perspectives on the Paradigm Shift. Oxford/NY u. a. 2004, S. 284–291.

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weil es sich nicht mehr aus dem Sammlungskontext erklärt, sondern inszenatorisch eingebettet werden muss, um verständlich zu bleiben.32 Steht es um die Dinge also wirklich so schlimm? Bei aller Skepsis glaube ich das nicht. Denn das emotionale und epistemische Potenzial der originalen Dinge ist vielfach verbürgt. Das Museum als Ort der Begegnung mit dem materiellen kulturellen Erbe tut gut daran, sich auf die Sammlung als seinen Kern zu besinnen. In dem Maße, in dem das Primat der Dinge infrage steht, ist eine neue Hinwendung zahlreicher Museen zu den Objekten und Sammlungen bemerkbar, wie sie Schaudepots oder jene Ausstellungen kennzeichnet, die ganz bewusst das Entdecken am Objekt einfordern.33 Diese Haltung ist heute allerdings nicht mehr selbstverständlich und benötigt mehr denn je gute Argumente, die die Wirkung der Originale plausibel machen. Die Krux liegt nur darin, dass wir diese Wirkung, das Ungezähmte und Unkontrollierbare, die „Aura“ des Originals, wenn man so will, nicht auf den Begriff bringen können, weil wir uns „am Rande des Sagbaren auf[halten], in einem Gebiet, das nurmehr Andeutungen, Metaphern und Katachresen zulässt [...]“.34 Argumentativ lässt sich über die Ausstrahlung der Objekte, der Originale zumal, kaum streiten. Aber darin liegt zugleich die große Chance des Museums: Von der Wirkung seiner Dinge kann man schlecht berichten, man muss sie selbst erleben – und sich deshalb an jenen Ort begeben, an dem die Dinge noch sprechen dürfen.

32 Vgl. dazu Michael Fehr: Wissenschaftliche und künstlerische Taxonomien. Überlegungen zum Verhältnis von Schausammlung und Schaudepot. In: Tobias Natter/Michael Fehr/ Bettina Habsburg-Lothringen (Hg.): Das Schaudepot. Zwischen offenem Magazin und Inszenierung. Bielefeld 2010, S. 13-30, S. 2022. 33 Vgl. Anke te Heesen/Petra Lutz: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort. Köln/Weimar/Wien 2005, S. 11-24, 14f. 34 Mersch 2002, S. 9.

Dinge und Erinnerungen Sybilles Jugendzimmer im Museum der Alltagskultur – ein Werkstattbericht N INA H OFMANN

1. E INLEITUNG Seit November 2012 stellen wir im Museum der Alltagskultur ein authentisches Jugendzimmer aus. Es ist die Rekonstruktion des Zimmers von Sybille1, die es im Alter von 12 bis 18 Jahren zwischen 1970 und 1975 bewohnte. Zu Beginn hatten wir lediglich drei Möbelstücke, die Sybille dem Museum geschenkt hatte: Eine Bettcouch, ein Sessel und ein Beistelltisch. Wie daraus die Ausstellung eines nahezu kompletten Zimmers entstanden ist, welche methodischen Vorgehensweisen dabei zum Einsatz kamen, welche inhaltlichen Überlegungen dahinter stehen, welche Geschichte wie vermittelt wird und welche Überlegungen zur Authentizität sowie Besucher- und Medienresonanz damit verknüpft sind, werde ich hier kurz darstellen.

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Name wurde aus Gründen der Anonymisierung geändert.

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2. D ATENERHEBUNG UND O BJEKTBESCHAFFUNG Im Frühjahr 2011 übernahm ich die Aufgabe, Informationen über die drei erwähnten Möbel einzuholen, um diese zu inventarisieren. Dass das Objekte-Ensemble Teil des erneuerten Bereichs „Wohnwirklichkeiten“ werden soll, war damals schon klar, ein Konzept gab es jedoch noch nicht. In dieser Abteilung stehen jedenfalls die Geschichten von ‚echtem‘ Wohnen im Vordergrund – die Dokumentation von Räumen, die tatsächlich einmal bewohnt wurden. Gewünscht waren also nicht nur Daten über Herstellungszeit und -ort, sondern die persönlichen Geschichten, die zu diesen Objekten gehören. Ich arbeitete den Leitfaden für ein Interview mit der ehemaligen Besitzerin der Möbel aus. Mein Ziel war, nicht nur mehr über diese zukünftigen Exponate zu erfahren, sondern vor allem auch darüber, welche Möbel, Geräte, Accessoires außerdem zum Zimmer gehörten, wie Sybille dort ihre Zeit verbrachte, wie viel Freiraum sie hatte, wie der familiäre und soziale Hintergrund aussah, und was sie in dieser Zeit beschäftigte. Im Interview ging ich folgendermaßen vor: • •



Zunächst stellte ich Fragen zum Wohnkontext, zum familiären und sozialen Hintergrund. Im nächsten Block stellte ich Fragen zu den Möbeln, die das Museum als Schenkung bekommen hatte: Wo kam das Sofa her? Wer hat es neu bezogen? Wo kam der Stoff für den neuen Überzug her? Wie kam der Kratzer auf die Tischplatte? Durch konkrete Fragen zu den Objekten hat sich Sybille an sehr viele Geschichten erinnert. Anschließend fragte ich nach weiteren, möglicherweise im Zimmer benutzten, Möbeln und Dingen. Hilfsmittel war eine Liste mit Gegenständen, die ich im Rahmen der Vorabrecherche angefertigt hatte. Als Quellen diente diverse Literatur aus den 1970ern und über die 1970er Jahre: Ausstellungskataloge, Zeitschriften etc., Filmmaterial und Gespräche mit Zeitzeugen. Ich fragte Sybille zum Beispiel ob sie einen Plattenspieler hatte. Dann wollte ich wissen, was für einer das war, ob er neu oder gebraucht war, wo er im Zimmer benutzt und aufbewahrt wurde. Selbst wenn eine Frage nach bestimmten Dingen verneint wurde, hat sie uns weiter ge-

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führt. Beispiel: „Hatten Sie Bilder an den Wänden?“ „Nein, aber Poster und Ausschnitte. Ich hatte mir vom Taschengeld manchmal die Zeitschrift ‚Theater Heute‘ gekauft und daraus Bilder ausgeschnitten.“2 Nach dem Abfragen von Gegenständen bin ich dazu übergegangen, nach Tätigkeiten im Zimmer und nach Hobbys zu fragen. Sybille erzählte, sie hätte damals schon fotografiert und Alben angelegt. Die Kamera hätte sie im Zimmer aufbewahrt, die Alben nur teilweise. Sie erinnerte sich auch gut daran, dass sie dort „heftig für die Schule gebüffelt“ hat und dass die Schulbücher und auch Wörterbücher und Lexika im Regal standen. So sind wir über die Tätigkeiten auf weitere dem Zimmer zugehörige Gegenstände gekommen. Anschließend habe ich Sybille Bücher mit Abbildungen von Möbeln, Kleidung, Gebrauchsgegenständen, Accessoires und Nippes aus den 1960ern und 70ern gezeigt. Dabei sind ihr noch etliche Dinge eingefallen, die sie damals auch hatte oder die so ähnlich waren, wobei sie mir genau sagen konnte, welche Details an ihren Stücken anders waren. Schließlich habe ich nach Sybilles Angaben einen Grundriss inklusive Dachschräge, Türen und Möbeln angefertigt, den wir später mit dem Bauplan des Hauses abgeglichen haben. Einige Details wusste sie nicht, zum Beispiel wann das Haus gebaut wurde oder wann die Eltern die Couch angeschafft hatten, die sie später für ihr Jugendzimmer bekam. Solche Angaben hat die ältere Schwester später ergänzt.

Das Gespräch dauerte dank Sybilles Erzählfreude ungefähr vier Stunden. Vor dem Interview war noch nicht abzusehen, wie eine spätere Ausstellung aussehen könnte. Im Hinblick auf eine mögliche Audiostation, an der sich Besucher Geschichten über die Möbel mit Sybilles eigener Stimme würden anhören können, empfahl sich eine hochwertige digitale Aufnahme des Interviews. Bereits währenddessen wurde, genau genommen eher beiläufig, klar, dass sehr viele der Gegenstände, über die wir geredet hatten, immer

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Alle Zitate der Aufzählung in Kapitel 2 stammen aus dem Interview vom 30.05.2011.

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noch in Sybilles Besitz waren und als Schenkungen oder Leihgaben für eine Ausstellung in Frage kommen würden. Einige Tage später stand der Beschluss fest, dass wir eine möglichst vollständige Rekonstruktion des gesamten Zimmers angehen würden. Ich transkribierte das Interview und arbeitete anschließend mit dem Text. Weiter arbeitete ich eine Liste mit allen erwähnten und allen logischen Gegenständen aus (z.B. wurde der Vorhang beschrieben, daraus folgt, dass es auch eine Vorhangbefestigung gab) und holte weitere Informationen darüber persönlich, telefonisch und per Email ein. Im Laufe der Zeit fand Sybille zuhause immer mehr Jugendzimmer-Dinge. Was sie nicht mehr hatte oder nicht bereitstellen wollte, wurde anderweitig käuflich erworben – auf der Grundlage ihrer Angaben. Dies waren zum Beispiel der Flokati-Teppich, einige Bücher und die Vorhangschiene.

3. I NHALTLICHE Ü BERLEGUNGEN Das Zimmer zu rekonstruieren, herauszufinden, was sich darin befand und wie die Sachen positioniert waren oder wie die Wände und der Boden ersetzt werden sollten – das sind Fragen nach den Dingen. Doch primäres Ziel war ja nicht, beliebige Jugendzimmer-Sachen der 1970er Jahre zusammen zu tragen. Dann hätte die Ausstellung komplett anders ausgesehen, nämlich wie in der Zeitschrift „Schöner Wohnen“. Was ich dort unter „Junges Wohnen“ in den Ausgaben zwischen 1970 und 1975 gefunden habe, sieht übrigens wirklich vollkommen anders aus als unsere Ausstellung: Das auffälligste sind die neuen, offenbar unbenutzten Möbel und die extrem poppigen Farben – alles perfekt arrangiert und aufeinander abgestimmt. Im Gegensatz dazu sieht man Sybilles Dingen an, dass sie schon einiges erlebt haben. Solche „Erlebnisse“ und Geschichten zu entdecken, herauszuziehen und wiederzugeben, war die Herausforderung. Gleichzeitig musste berücksichtigt werden, in welchem Kontext alles zu sehen ist. Folgende Überlegungen liegen dem Ergebnis zugrunde:

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Die Jugend Die Jugend ist Zeit des Umbruchs, eine Zeit des Übergangs vom Kindsein zum Erwachsensein. Die Suche nach der eigenen Identität regt zum Experimentieren an, verlockt zum Identifizieren mit sympathischen Gruppen und führt zur Abgrenzung gegenüber Personen und Dingen, zu denen man explizit nicht gehören will. Es findet eine kontinuierliche Ablösung von den Eltern statt und gleichzeitig eröffnet sich durch zunehmende Eigenständigkeit, Wissen und gelockerte Ausgeherlaubnis allmählich eine neue Welt. Um diese (Erwachsenen-)Welt zu erforschen und sich in ihr zu positionieren, bedarf es Neugier, Mut, Ausdauer und die Fähigkeit, Rückschläge einzustecken. Gleichzeitig ist die Unterstützung der Eltern nötig, sowohl geistig, als auch materiell und finanziell. Die Jugendjahre sind also mit ihren wechselnden kindlichen und erwachsenen Phasen, die oftmals miteinander im Konflikt stehen und auch zu Konflikten mit der Außenwelt führen, im wahrsten Sinne des Wortes eine spannende Zeit. Jugend zwischen 1969 und 1975 (Sybille ist zwischen 12 und 18 Jahre alt) Wer wie Sybille im Jahre 1956 geboren wurde, hat zwar den Krieg nicht erlebt, die Nachwehen in der Kindheit aber sicher noch gespürt. Der Wohnraum war beengt, der wirtschaftliche Aufschwung kam erst noch. Man wuchs auf in einer Zeit, in der krasse Gegensätze gleichzeitig, ganz eng nebeneinander existierten: moderne Hochglanzküchen, ausgestattet mit allen möglichen technischen Raffinessen neben der einfachen Küche mit Vorkriegsausstattung und Geräten im Handbetrieb. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen waren in dieser Zeit enorm. Die Jugendlichen erlebten Jahre, die von Impulsen der 68er, Kaltem Krieg und Terrorismus geprägt waren. Aufgewachsen in einer Zeit, in der noch nach Geschlechtern getrennte Schulen üblich waren und sich Jungen und Mädchen nur beim Tanzkurs kennen lernen konnten, erlebte man einige Jahre später die Umstellung auf Koedukation und die Gründung erster Kommunen.

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Jugendzimmer in den 1970ern Ein eigenes Jugendzimmer zu haben, war in den 70er Jahren noch keine Selbstverständlichkeit. Mindestens ein Viertel der Teenager gehörte nicht zu den Glücklichen, die ihr eigenes Reich hatten. Und selbst wenn, dann waren es oftmals die Eltern, die die Einrichtung bestimmten.3 Wer ein eigenes Zimmer hatte und die Freiheit genoss, in einem gewissen Rahmen, darin selbstbestimmt zu wohnen, hatte somit die Möglichkeit, sich auszuprobieren, vielleicht auch Grenzen auszutesten mit Statements mittels Plakaten an der Außenseite der Zimmertür oder durch Musik jenseits der Zimmerlautstärke. Gleichzeitig konnten selbst Grenzen an der Zimmertür deutlich gemacht werden durch den Hinweis „Bitte klopfen“. Es war die Gelegenheit, sich auszudrücken, zu experimentieren, liebgewonnene Dinge aus der Kindheit noch in Greifnähe zu haben und gleichzeitig mit neuen Stilen zu spielen, auf dem Weg zur Ausbildung des eigenen Geschmacks, des eigenen Lebensstils.

4. D IE G ESCHICHTE

VON

S YBILLES J UGENDZIMMER

Als Sybille 12 Jahre alt war, bekam sie die Gelegenheit, das Zimmer der um einige Jahre älteren Schwester nach deren Hochzeit zu übernehmen. Sie nutzte ihr altes Kinderzimmer weiter zum Schlafen und Ankleiden und richtete sich das Neue als reines „Luxus“4-Wohnzimmer zusätzlich ein. Zur Hochzeitsfeier der Schwester wurde das Haus auf Vordermann gebracht. Dadurch fiel für Sybille die Wohnzimmer-Bettcouch im 30er Jahre Design ab und auch die alten Vorhänge, die noch aus den 50er Jahren stammten, wurden ausrangiert. Zusätzlich bekam sie zwei Familienerbstücke: Einen kleinen runden dunkelbraunen Tisch im Stil der 1930er und einen 50er Jahre Sessel. Sybille lackierte die für sie altmodischen Möbel in poppigen 70er Jahre Farben, überzog die Polster von Couch und Sessel mit dem alten, jedoch farblich dazu passenden Vorhang und sägte dem Tisch die Beine ein gutes Stück ab. Die Möbel hatten für sie eine gewisse „Emotionalität“.

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Wolf Ruede-Wissmann: Wohnen und Wahrnehmen. Eine Untersuchung über Wohnerfahrung von Jugendlichen. Berlin 1979.

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Alle Zitate in Kapitel 4 stammen aus dem Interview vom 30.05.2011.

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Auch wenn sie optisch völlig verändert waren, so stellten sie doch einen Bezug zu der Erb-Tante her und pflegten somit die Erinnerung an sie. Die Couch hatte einen ähnlich hohen Stellenwert: Auf liebgewonnen Fotos sitzt sie als Baby auf der Couch und lässt sich vom Großvater die Halsfalten kitzeln. Es war ihr Raum für „Müßiggang, Rumsitzen, Musikhören und Quatschen mit Freundinnen, aber auch für heftiges Büffeln und die ersten Kuschelmomente“. Der kleine Kofferplattenspieler stand meistens aufgeklappt und griffbereit irgendwo auf dem Boden, die Wände waren voll mit den aktuellen Lieblingsstars. Roy Black und Thomas Fritsch wurden allmählich abgelöst von den Rolling Stones und diese wiederum von Reinhard Mey und Leonard Cohen. Die Übergänge waren fließend. Kindsein und Erwachsensein prägten das Zimmer: Die alten Kinderbücher standen noch im Regal, in zweiter Reihe hinter historischen Romanen und klassischen Theaterstücken. Eine große Stoffpuppe hatte ihren Stammplatz auf dem Sessel; vor ihr stand ein Aschenbecher. Abbildung 1: Sybilles Jugendzimmer im Museum der Alltagskultur

Quelle: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

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Sybilles Jugendphase fällt in eine Zeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Die beengten Nachkriegsverhältnisse sind weitgehend überstanden – das Mädchen erfährt den Luxus eines Zweitzimmers. Investiert wird jedoch nicht viel: Der „scheußliche“ graue Teppichboden wird mit einem Flokati aufgepeppt, Altes wird neu gemacht und bleibt mit neuem Anstrich erhalten. Angestoßen von der 68er-Bewegung versucht man, sich von der Anpassung an gesellschaftliche Normen zu lösen und sich der Kontrolle durch Autoritäten zu entziehen – Sybille liest trotz des Verbots der Mutter heimlich BRAVO, sie überstreicht zum Entsetzen des Vaters das gute alte Familienerbstück und sägt auch noch die Beine ab. Doch es ist keine radikale Befreiung, noch keine wirkliche Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Es ist ein fließender Übergang, ein Sammelsurium von Neu und Alt, das Ergebnis von Kompromissen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. Es ist ein Platz für Experimente und zum Rückzug unter von außen festgelegten Bedingungen und Auflagen. Und dennoch ist es ein Raum für die Entwicklung von Geschmack und Lebensstil.

5. E RZÄHLEBENEN

UND

M EDIEN

DER

AUSSTELLUNG

Die oben dargestellten Inhalte mussten für die Ausstellung extrem gekürzt werden. Folgendermaßen werden diese vermittelt: Folgt man dem Rundgang, liest man als erstes das Zitat: „Mein eigenes Luxuszimmer!“. Anschließend führt ein kurzer Text allgemein in das Thema „Jugendzimmer“ ein. Nun betritt man den Bereich, von dem aus man in das Zimmer hinein sehen kann. Optional können Besucher/-innen auf weitere Angebote zugreifen: •

• •

Ein kurzer Text über Sybilles Zimmer mit Informationen zu einigen Objekten. Hier wird auch darauf hingewiesen, dass ein geringer Teil keine Originale sind. Hands-on: Ein Infoblatt zu familiärem und sozialem Hintergrund Hands-on: Eine reproduzierte BRAVO (das Original hatte Sybille kurzfristig zur Verfügung gestellt) mit knappen Infotexten über BRAVO und über den Bezug zu Sybilles Zimmer

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• • •

Hands-on: Eine reproduzierte BUNTE mit knappen Infotexten zu BUNTE und zu Sybilles Zimmer Hands-on: Eine offene, duftende Packung Räucherstäbchen mit kurzem Infotext über den Bezug zu Sybilles Zimmer Audio-Station: Hörbeispiele aus Sybilles Lieblingsmusik zwischen 1970 und 1975 von Roy Black, ABBA, Leonard Cohen und aus der Zauberflöte und Interviewsequenzen mit Sybilles Originalton und neu eingesprochenen Einleitungen zu den Themen „Jugend und politische Orientierung“, „Möbel als Erinnerungsauslöser“ und „Georgette Heyer Romane mit ‚Mutti‘“

6. Ü BERLEGUNGEN ZU AUTHENTIZITÄT UND T RANSPARENZ DER AUSSTELLUNG Ich habe bereits erwähnt, dass bestimmte Objekte in die Ausstellung integriert sind, die jedoch keine Originale sind. Originale in dem Sinn, dass sie zwar aus der Zeit, aber nicht aus Sybilles früherem Zimmer stammen. Diese Tatsache hat bei der Tagung zu Diskussionen geführt. Kolleginnen aus einem anderen Museum propagierten ihren eigenen Ansatz, fehlende Teile in Wohn-Ensembles nicht zu ersetzen, die Stellen aber zu kennzeichnen. Wir hatten solche Möglichkeiten ebenfalls erwogen, uns dann aber dagegen entschieden. Es ist zwar richtig, dass das Zimmer somit an Authentizität verliert, uns war jedoch wichtig, dass das Gesamtbild, beziehungsweise die Stimmung des Zimmers passt und nicht zum Beispiel durch eingestreute Hinweise gestört wird. Um den Besucherinnen und Besuchern gegenüber jedoch transparent zu sein, wird, wie oben bereits erwähnt, in einem Text darauf hingewiesen, dass Teile von uns hinzu gekauft wurden. Was den Aufbau der Ausstellung betrifft: Ich hatte die Großobjekte bereits eingebracht und dann Sybille hinzu gebeten. Sie hat dann selbst alles Weitere eingeräumt und platziert, Poster und Ausschnitte an den Wänden angebracht. Erst als für sie alles stimmig war, war der Aufbau abgeschlossen. Ich denke, viel näher kann man der Wirklichkeit im Rahmen einer Ausstellung nicht kommen.

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7. S CHLUSSBEMERKUNGEN : B ESUCHER -R EAKTIONEN UND M EDIENRESONANZ  Die Rekonstruierung eines komplett eingerichteten Zimmers von 1975 nach knapp 30 Jahren hat sicherlich deshalb so gut funktioniert, weil Sybille eine sehr starke Bindung an ihre Sachen hat. Zu fast jedem einzelnen Stück kann sie eine Geschichte erzählen, die Geschichte des Objekts und ihrer Beziehung zu ihm. Hätte sie die Gegenstände nicht so stark mit den Geschichten verknüpft, hätten ihr diese nach 30 Jahren nicht mehr so viel erzählen können. Bei der Rekonstruierung haben wir also von dem profitiert, was zwischen Sybille und ihren Sachen passiert – von diesem besonderen Hin und Her, wenn man so will. Das Jugendzimmer im Museum der Alltagskultur stößt bei Medien und Besucher/-innen auf erhöhtes Interesse. Vielleicht ist es das Besondere, das jeder Mensch mit der eigenen Jugend verbindet, welches das Thema so spannend macht. Vielleicht sind es aber auch die Klassiker wie Flokati, String-Regal und Plattenspieler. Fakt ist jedenfalls, dass regelmäßig Besucher/-innen vor dem Jugendzimmer stehen und sich austauschen: Sie nehmen beispielsweise die BRAVO in die Hand und erzählen sich gegenseitig ihre persönlichen BRAVO-Geschichten – ein Dialog entsteht.

Authentisch, und deshalb…?! Konzept & Bedeutung der Authentizität im Museum Y ANNICK O PALLA

Hinter dem Attribut ‚authentisch‘ verbergen sich viele Vorstellungen, angenommene Qualitäten und vielleicht sogar Hoffnungen. Authentizität – so scheint es – ist besonders für Museen höchst erstrebenswert. In meiner Masterarbeit am Ludwig Uhland Institut für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen habe ich mich mit Konzepten und Bedeutungen der Authentizität im Museum beschäftigt. Dazu habe ich zwei kulturhistorische Museen untersucht und mit den Ausstellungsleitern gesprochen. Der Titel dieses Beitrags umschreibt gleichzeitig auch die Leitfrage meiner Arbeit: Authentisch, und deshalb...!? – Authentisch und deshalb was eigentlich? Spricht man etwa von einem originalen Objekt im Museum, so meint dies meist ein Objekt, das aus einer bestimmten Zeit stammt, das aufbewahrt wurde und meist ‚unverändert‘ ausgestellt wird. Spricht man hingegen von einem authentischen Objekt, so geht dies über den Begriff der Originalität hinaus. Das Attribut ‚authentisch‘ wird mit ganz unterschiedlichen Qualitäten und Wirkungen assoziiert. Etwa mit einer besonderen emotionalen Wirkung, einer besonderen Erfahrung, die der Besucher im Kontakt mit dem Objekt erlebt, oder ähnlichem. Das authentische Objekt wird dadurch vor allem für die Ausstellung in einem Museum zu einer besonderen und wichtigen Kategorie. Ein Objekt ist nicht nur authentisch PUNKT. Es ist authentisch, UND DESHALB... kann es dies

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und das erreichen, kann es diese Wirkung erzielen, hat es diese oder jene Qualität. Für den ersten Teil meiner Arbeit habe ich versucht die Voraussetzungen der Authentizität im Museum zu erforschen. Welche Objekte können ‚authentisch‘ sein? Wie kann Authentizität erzeugt und beeinflusst werden? Welche Rolle spielt dabei die Inszenierung? Welche Rolle spielt die Institution Museum selbst?

D IE R OLLE

DER

O BJEKTE

Als Voraussetzung für ein authentisches Objekt gilt immer das originale Objekt. Authentisch wird das originale Objekt, durch den Kontext, in dem es ausgestellt wird. Verknüpft dieser es mit einer bestimmten historischen Begebenheit oder einer bestimmten historischen Person, so erhält es das Attribut ‚authentisch‘. Abbildung 1: Vitrine zum Gefecht von Dossenbach

Quelle:Yannick Opalla, Haus der Geschichte, Stuttgart

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Beispielhaft hierfür ist das Ensemble zum Gefecht von Dossenbach im Haus der Geschichte (Abbildung 1). Das Gemälde zeigt die Schlacht, die im Zuge der Badischen Revolution bei Dossenbach entbrannte. Umrahmt wird es von Sensen, die den Bauern als Waffen dienten und von einem Gewehr des Militärs. ‚Original‘ wäre hierbei jede Sense, die zu dieser Zeit in Deutschland benutzt wurde. ‚Authentisch‘ aber, werden die Objekte erst, durch ihre tatsächliche Beteiligung an ebendiesem Gefecht am 27. April 1848 bei Dossenbach. Dieser Unterschied verdeutlicht sich allein im Kontext. Es ist hier so, dass sich das Objekt selbst authentifiziert (durch seine Erscheinung, sein Material oder seine Form), sondern der Ausstellungskontext und die Geschichte zum Objekt (die nicht durch das Objekt selbst vermittelt wird) stellen ein authentisches Objekt erst her. Liegt die Authentizität jedoch nicht im Objekt selbst, so lässt sich eigentlich nicht plausibel erklären, warum es denn nun ein Original sein muss. Wenn es doch die Geschichte, die Inszenierung ist, die das Objekt authentifiziert, warum muss es sich dann um ein Originalobjekt handeln?

D IE R OLLE

DER I NSZENIERUNG

Inszenierungen darunter möchte ich Objektbeschriftungen, Objektzusammenstellungen, Beleuchtung, Hängung etc. fassen. Ganz besonders betonen möchte ich die Rolle der Objektbeschriftung, denn auch diese gehört nicht zum Objekt an sich, sondern ist wichtiger Teil der Inszenierung. Die Inszenierung leistet einen großen Beitrag zur Authentifizierung des Objekts, wird aber selbst dabei von den Ausstellungsmachern nicht als authentisch verstanden. Abbildung 2 zeigt Objekte, wie sie banaler kaum sein könnten: Steine. In einem Kästchen arrangiert, mit einer kleinen Notiz dazu. Es ist diese Notiz, die Beschriftung, welche die Steine ihrer Banalität entreißt und sie zu authentischen Ausstellungsobjekten macht: Mit ihnen wurde der Priester Johannes Baptista Sproll, der sich öffentlich gegen den Nationalsozialismus aussprach, beworfen. Die Steine für sich, vermögen es nicht, diese Geschichte zu vermitteln, erst die Inszenierung – die Fotos und die Beschriftung – verleiht ihnen Authentizität und macht sie zu Anknüpfpunkten möglicher Emotionen der Betrachter.

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Abbildung 2: Vitrine zu Priester Johanne Baptista Sproll

Quelle:Yannick Opalla, Haus der Geschichte, Stuttgart

D IE R OLLE

DER I NSTITUTION

Die Institution Museum selbst bietet den Rahmen in dem Inszenierungen dann wiederum Objekte authentifizieren können. Die Institution bürgt sozusagen dafür, dass die Informationen, Geschichten und Objekte im Museum ‚glaubhaft‘ sind. Weil sie im Museum, vom Museum präsentiert werden und weil der Institution Museum von den Besuchern Vertrauenswürdigkeit und Seriosität zugeschrieben wird, werden Beschriftungen und Inszenierungen für bare Münze genommen und als authentisch anerkannt. Es gilt: Wenn das Museum sagt, es ist authentisch, dann wird das geglaubt. So entsteht Authentizität aus einem Zusammenspiel von Objekt, Inszenierung und Institution, wobei die letzteren zwei einen größeren Anteil zur Authentifizierung des Objekts leisten. Sie legen den Besuchern das Objekt als Anknüpfungspunkt für Emotionen und Informationen dar und machen eine Verbindung von Objekt und Geschichte erst möglich.

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W ARUM AUTHENTIZITÄT ? Die Relevanz der Authentizität scheint für Museen unbestritten. Auch die hierum kreisenden Diskussionen werden schon lange geführt. Hier sollen nun einige Positionen und Stellungsnahmen exemplarisch aufgezeigt werden – verstanden als Illustrationen der Diskussion um Authentizität in den letzten 30 Jahren, aber vielleicht auch als Denkanstöße. Im Jahr 1983 hat das Forum für Geschichte und Gegenwart in Bonn über die Chancen und Möglichkeiten eines „Museums für deutsche Geschichte“ bzw. ein „Deutsches historisches Museum“ in Bonn diskutiert. Streitpunkte aus der damaligen Diskussion kreisten oft um ‚AuthentizitätsFragen‘. Einige Zitatschnipsel können einen kleinen Überblick über die variantenreiche Diskussion über Authentizität im Museum zeigen. „Ein interessantes, im besten Sinne des Wortes spannendes Museum kann aber nur dort entstehen, wo die Aussteller auf das eigentümliche Prinzip dieses Mediums vertrauen und entschieden von ihm ausgehen: nämlich von dem authentischen Relikt. Es ist die Faszination des Authentischen, das den entschiedenen Reiz des historischen Museums ausmacht“

so plädiert Hagen Schulze für das Authentische. Jürgen Kocka steht diesem etwas kritischer gegenüber: „Objekte sind aus dem Zusammenhang herausgebrochene Stücke, die völlig fehlleiten können in dem Schauer [ihrer Authentizität d.V.], den sie möglicherweise dem Besucher über den Rücken laufen lassen“ Desweiteren wirft er die Frage auf, „wie notwendig dazu Originalexponate sind.“ Gänzlich gegen Replike und für authentische Originale spricht sich Hartmut Bookman aus: „Spuren der Arbeit am Pflug“, seien als Replik nicht nur „ästhetisch unerträglich“ sondern auch „verlogen“. Dementgegen steht Stephen Waetzoldt, der sich gegen den „Echtheitsfetischismus“ ausspricht. Für Waetzoldt sind „Informationsmedien“, Replikate, Kopien und Nachbildungen „insbesondere in einem Geschichtsmuseum unabdingbar, denn den begründeten Forderungen und Erwartungen der Museumsbesucher, besser, der Museumsbenutzer, kann offenbar nur durch den Einsatz nicht originaler, verschleiß- und ersetzbarer Objekte und Medien entsprochen werden“.

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Während Heiko Steuer beobachtet, dass es die authentischen Ausstellungsstücke sind, die die Besucher besonders faszinieren: „Wenn man in Washington in das Air-and-Space Museum geht und einen Tag lang beobachtet, wo die Leute hingehen, erkennt man, dass sie dort hingehen, wo die Raketen und Satelliten stehen, die tatsächlich geflogen, die tatsächlich bemannt gewesen sind. [...] Warum reist man zur Wartburg? Die Antwort ist einfach: weil Luther dort gewesen ist. Das Original [...] bewegt und lockt die Menschen sehr viel stärker an als jede Art noch so perfekter Kopie“

Warum also Authentizität? Die Antwort kann in drei Punkten formuliert werden. Auch in den Diskussionen finden sich drei Begründungen wieder, die für die Relevanz des Authentischen herangezogen werden. Erstens: Authentizität wird verstanden als besondere Qualität des originalen Objekts. Sie ist es, die den außergewöhnlichen Wert erst ausmacht. Das Problem hierbei: Authentizität ist schwer nachweisbar. Gerade in der Museumsforschung gestalten sich Studien zur Wirkung authentischer Objekte schwierig, denn die Besucherforschung zur Authentizität muss über die Materialität der Objekte hinausgehen. Zweitens: Authentizität ist ein Wunsch der Besucher, dem das Museum nachgeht. Mit dem Museumsbesuch bzw. mit der Institution ‚Museum‘ sind bestimmte Erwartungen verknüpft, dazu zählt auch das Treffen auf authentische Objekte. Wie der Museumsblick, ist auch das ehrfurchtsvolle Staunen gegenüber ‚wertvollen‘, ‚personifizierten‘, ‚einmaligen‘ Objekten antrainiert. Diese wecken das Interesse der Besucher – Heiko Steuer zieht hier den treffenden Vergleich zu Pilgerstätten wie der Wartburg. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit es im Interesse der Museen ist und zu ihrem Selbstverständnis passt, zum ‚Pilgerort‘ zu werden. Nicht zuletzt ist Authentizität in diesem Zusammenhang auch ein wirtschaftlicher Faktor, denn gerade das Authentische zeigt sich als Besuchermagnet. Authentizität im Museum kann also durchaus auch als Marketing-Strategie verstanden werden. Drittens: Originale, authentische Objekte sind schließlich per Definition Grundvoraussetzung des Museums. Das Sammeln, Forschen, Bewahren

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und Ausstellen originaler Objekte, aber auch das Sammeln, Erforschen, Bewahren und Ausstellen deren Kontexts gehören zu den konstitutiven Aufgaben des Museums. Dass das Authentische zum Grundlegenden des Museum gehört, bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass das authentische Objekt eine größere ‚Wirkmächtigkeit‘, didaktisches Potenzial oder Ästhetik besitzt. Es bedeutet lediglich, dass der Umgang mit dem Authentischen zu den Aufgaben des Museums gehört. In diesem Umgang, vor allem mit dem Begriff ‚Authentizität‘, spiegelt sich eine Unsicherheit bezüglich dem Wirken der Objekte im Museum. Warum genau und wie entfalten Ausstellungsstücke ihre Wirkung auf Besucher? – An die Leerstelle der Antwort auf diese Frage rückt oft das Wort ‚Authentizität‘. Das Konzept ‚Authentizität‘ ist auch ein Kaschierungsversuch: Die Unsicherheit hinsichtlich des Wirkens der Objekte wird durch den Begriff ‚authentisch‘ kompensiert und umgangen. Was meint nun aber das Konzept ‚Authentizität‘? Einen Kaschierungsversuch? Ein Marketingkalkül? Ein Resultat aus dem Zusammenwirken von Objekt, Inszenierung und Institution? Ist es womöglich unnötig oder doch grundlegend fürs Museum? So mannigfaltig wie die Fragen, die das Konzept aufwirft, sind auch seine Erscheinungs- und Verwendungsformen. Deswegen plädiere ich für Authentizität im Plural gedacht. Jedes Museum, jeder Besucher hat seine eigene Vorstellung vom Authentischen. All diese Vorstellungen haben ihre Daseinsberechtigung und sind als Forschungsgegenstände zu betrachten und befragen.

„So who do you think you are?” Besucher im Dilemma L ARS K. C HRISTENSEN

Abbildung 1: Philips TV Set

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Abbildung 1 zeigt ein Ausstellungsobjekt: offensichtlich ein TV-Set. Auf den ersten Blick vielleicht nicht das glamouröseste Objekt, aber wenn man ein wenig tiefer gräbt, ist eine faszinierende Geschichte damit verbunden: Das TV-Set stammt aus dem Jahr 1956, von der niederländischen Firma

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Philips – produziert wurde es allerdings in Dänemark. Philips betrieb seit den 1930er Jahren eine Radiofabrik in Kopenhagen, die in den 1950er Jahren auch Fernsehgeräte herstellte – in einer neuen, großen und modernen Produktionsstätte. In den späten 1950er Jahren begann die Wirtschaft endlich sich vom Krieg zu erholen. Der Lebensstandard stieg. Das Fernsehen wurde ein Symbol des Fortschritts und der guten, neuen Zeit. Allerdings hatte der materielle Wohlstand seinen Preis. Die Belegschaft in der Philips-Fabrik in Kopenhagen war beispielsweise einem enormen Druck ausgesetzt, immer mehr und immer schneller zu produzieren. Die Arbeiter, die nicht mithalten konnten, fanden manchmal einen Hinweis an ihrem Platz am Fließband, wenn sie am Morgen mit der Arbeit begannen: „Heute sind die Augen auf Sie gerichtet! Wir haben diesen oder jenen Schwachpunkt bei Ihrer Arbeit bemerkt. Bitte achten Sie darauf, diese Art von Fehler in Zukunft zu vermeiden." (Abbildung 2) Im Jahr 1954 kam es schließlich zu einem Streik als Protest gegen die untragbaren Arbeitsbedingungen. Abbildung 2: Mahnzettel aus den Philips-Werken

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

An diesem Punkt eine provokante Aussage: „Kein Unternehmen kann ohne stetiges Wachstum der Produktivität überleben. Folglich ist die Rationali-

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sierung auch im Interesse der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter müssen akzeptieren, dass das Unternehmen sich entwickeln muss.“ Stimmen Sie dem zu oder sind Sie mit einer solchen Aussage eher nicht einverstanden? Beziehen Sie Stellung! So oder so ähnlich funktionieren die sogenannten ‚Dilemma-Fragen‘, die an die Besucher des Museum of Industrial Culture in Brede (Dänemark) gestellt werden. Die Besucher – oder Benutzer, wie sie in Brede genannt werden – sehen sich mit einem echten Dilemma konfrontiert. Es handelt sich um ein Dilemma, denn es gibt nicht nur eine richtige Antwort, sondern die Beantwortung erfordert eine persönliche Stellungnahme und Entscheidung. Wie solche Dilemma-Fragen im Museum eingesetzt werden können beziehungsweise, wie sie im Museum of Industrial Culture in Brede eingesetzt werden, darum soll es im Folgenden gehen. Zunächst allerdings einige Worte über das Brede Works – Museum of Industrial Culture.

B REDE W ORKS – M USEUM

OF I NDUSTRIAL

C ULTURE

Das Brede Works – Museum of Industrial Culture ist Teil des dänischen Nationalmuseums. Es öffnete im Jahr 2009 in einer ehemaligen Textilfabrik, nördlich von Kopenhagen (Abbildung 3). Der Teil des Museums, den man als ‚Allgemeinen Ausstellung‘ bezeichnen könnte, bietet einen Überblick über die Industrialisierung und ihre Auswirkungen auf den Alltag mit dem Fokus auf fünf Themenbereiche: die Bedeutung der Industrie, die Fabrik, die Menschen, die Industriegesellschaft und die Zukunft. Ein weiterer Teil des Museums ist die Fabrikhalle mit Maschinen aus der Textilproduktion. In dieser Halle können Benutzer interaktiv zwischen sechs verschiedenen Charakteren wählen, von dem jungen Spinnerei-Mädchen bis zum Direktor, um dann vom ausgewählten Charakter anhand von Filmprojektionen durch die Ausstellung begleitet zu werden. In einem dritten Teil werden die Benutzer selbst zu Arbeitern. An zwei Montagelinien konkurrieren sie um die höchste Produktivität, um damit den Anforderungen des Weltmarktes Genüge zu tun (Abbildung 4).

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Abbildung 3: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Abbildung 4: Wetteifern an den Montagelinien

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

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Weitere Elemente des Museums sind eine Ausstellung über Kleider und Kostüme, eine rekonstruierte Arbeiterwohnung, eine Ausstellung über die Geschichte von Brede als Wiege der Industrie – und, natürlich, die historische Atmosphäre des Ortes selbst, der für sich wirkt.

D ILEMMA F RAGEN Zurück zu den Dilemma-Fragen – der einfachste Weg ihr Funktion zu erklären, ist ein Beispiel: Der Benutzer registriert sich in der Eingangshalle, mit Hilfe einer ‚aktiven Eintrittskarte‘ – das ist eine kleine Plastikkarte mit einem Barcode (Abbildung 5). ‚Eintrittskarte‘ ist hierbei ein relativer Begriff, denn der Eintritt ist kostenlos. Die aktive Eintrittskarte dient unterschiedlichen interaktiven Zwecken im gesamten Museum – hier geht es nun aber um die Dilemma-Fragen. Abbildung 5: Aktive Eintrittskarte

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Die Dilemma-Fragen sind Teil der allgemeinen Ausstellung. In den ersten vier der fünf Themenräumen wurden vier Objekte in jedem Zimmer für Dilemma-Fragen ausgewählt. Der Benutzer geht zu einem Terminal mit einem großen Touchscreen und identifiziert sich selbst, mit seiner aktiven Eintrittskarte. Nun hat er die Wahl zwischen vier Objekten und entscheidet

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sich für eines, über das er mehr erfahren möchte – zum Beispiel für das Philips TV-Set. Ihm werden nun drei verschiedene Hintergrund-Geschichten zur Auswahl angeboten. Mit Filmen oder Bildsequenzen werden diese auf dem Bildschirm entfaltet – entscheiden sich Benutzter beispielsweise für die Geschichte über Zeit und Geschwindigkeit, sehen sie Bilder von der Fließbandarbeit bei Philips, lauschen den Erzählungen einer Arbeiterin über ihre Erfahrungen in der Fabrik und werden dabei mit ebenjener DilemmaFrage zur Rationalisierung konfrontiert. Auf dem Bildschirm können sie nun mithilfe eines Schiebereglers den Grad ihrer Übereinstimmung markieren. Auf der Grundlage ihrer Antwort werden sie verschiedenen Persönlichkeits-Typen zugeordnet. Wer mit der Aussage über Rationalität eher einverstanden ist, wird als ‚Unternehmer‘ eingestuft. ‚Unternehmer‘ möchten am liebsten ihr eigener Herr sein und verteidigen ihre persönliche Freiheit; sie glauben auch, dass man mehr arbeiten muss um mehr zu gewinnen. Wer der Aussage eher kritisch gegenüber steht, wird den ‚leidenschaftlichen Seelen‘ zugeordnet. ‚Leidenschaftliche Seelen‘ schätzen kreative Herausforderungen, persönliche Integrität und die Möglichkeit, ihre eigene Wahl zu treffen. Sie glauben auch, dass der Inhalt der Arbeit von primärer Bedeutung ist. Sie arbeiten wahrscheinlich in der Produktentwicklung oder in der kreativen Wirtschaft. Bei jeder weiteren Dilemma-Frage wird die Antwort der Benutzer im Bezug auf sechs verschiedene Charaktertypen registriert. Diese sechs Charaktere sind, aus dem Dänischen etwas unvollkommen ins Deutsche übersetzt: • Der Familienmensch • Die Freizeit-Typ • Der Unternehmer (Abbildung 6) • Der Traditionalist • Die leidenschaftliche Seele • Der Karriere-Mensch

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Abbildung 6: Persönlichkeits-Typ ‚der Unternehmer‘

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Jeder dieser Typen repräsentiert unterschiedliche Haltungen und Werte zur Arbeit, Technologie und Gesellschaft. Nach jeder gegebenen Antwort sehen die Benutzer mit welchem Charaktertyp sie die höchste Übereinstimmung haben. Völliger Nonsens? Banale Spielerei auf Facebook-Niveau? – Sicher, die Klassifizierung der Benutzer ist zunächst einmal ein nettes Gimmick, inspiriert von beliebten Internet-Tests. Trotzdem beinhaltet diese Spielerei auch einen ernsteren Aspekt: Die Benutzer, die sich mit ihrer eigenen Einstufung auseinandersetzen, sollen an den Punkt kommen, an dem sie denken: „Das ist doch total falsch!“. Oder umgekehrt: „Das ist ja eigentlich richtig“. In jedem Fall werden sie aufgefordert ihre eigenen Einstellungen und Überzeugungen zu reflektieren und wenn sie durch die Ausstellung als Paar oder in einer Gruppe gehen, kann sich gut eine Diskussion über die Eigenschaften entfachen. Es geht nicht darum, ein Identifikationsangebot mit normierten Charaktertypen zu machen, sondern Positionen – nicht zuletzt die eigene – zur Diskussion zu stellen. Der letzte Themenraum bleibt frei von Dilemma-Fragen. Warum? Weil es hier um die Zukunft geht. Es geht um die Ideen und Bestrebungen der Benutzer. Die Kuratoren treten in den Hintergrund, die Autorität soll an die

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Benutzer übergehen, ihnen wird lediglich Inspirationsmaterial angeboten. An den Wänden gibt es schlichte Informationen über aktuelle Themen wie Globalisierung, Umwelt-Fragen oder die Herausforderungen des Sozialstaats. Außerdem haben zeitgenössische Künstler ihre Vorstellung von der Zukunft buchstäblich auf die Erde gemalt (Abbildung 7). Weiter gibt es ein digitales Rednerpult – eine „Speakers Corner“ – wo die Benutzer aufgefordert sind, ihre eigene Meinung abzugeben, auch über den engen Rahmen der Dilemma-Fragen hinaus. Die Fragen sollen nachklingen. Auch zuhause – so können die Benutzer dort mit der aktiven Eintrittskarte über die Museums-Website auf ihr Profil zugreifen. Sie können ihre bisherigen Antworten auf die Dilemma-Fragen ansehen und sich darüber hinaus einige andere Details ihres Besuchs erneut vor Augen führen, wie zum Beispiel ihre Leistung an der Montagelinie.

Abbildung 7: Themenraum mit Zukunftsvisionen

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

P RAXISERFAHRUNGEN Nachdem nun deutlich wurde, welchen Platz und welche Rolle die Dilemma-Fragen im Museum einnehmen, soll nun noch der Blick auf die praktischen Erfahrungen mit dem Konzept gerichtet werden.

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Die digitalen und interaktiven Elemente sind sowohl Anforderung des breiten Publikums als auch eine Aufforderung für dieses. Im Brede Werk gibt es die Möglichkeit, von verschiedenen Arten des Lernens und Erlebens zu profitieren, sowohl auf intellektuelle, emotionale und sogar auf taktile Art und Weise. Auf einer solchen, allgemeinen Ebene ist die Verwendung von interaktiven Installationen und digitalen Medien zweifellos ein Erfolg. Das zeigen auch die Rückmeldungen der Besucher. Blickt man resümierend konkret auf die Dilemma-Fragen, kann festgestellt werden, dass diese Installation die Attraktivität der allgemeinen Ausstellung erhöht hat. Zur Eröffnung 2009 war der interaktive Teil der allgemeinen Ausstellung noch nicht fertig gestellt. Damals war dieser Teil beim jüngeren Publikum nicht ganz so beliebt, wie die anderen. Seit der Installation der interaktiven Elemente aber, wird auch die allgemeine Ausstellung zunehmend von Jüngeren besucht. Zu den Besucherzahlen: Aus wirtschaftlichen Gründen ist das Museum etwa 5 Monate im Jahr, von Mai bis September, geöffnet. Im Jahr 2012 hatte es fast genau 30.000 Benutzer. Während dieser Zeit haben sich etwa 7.800 Benutzer mit der aktiven Eintrittskarte registriert. Man darf diese Anzahl jedoch nicht zu total sehen. Aus mehreren Gründen ist die tatsächliche Zahl der Benutzer weitaus höher – es ist bekannt, dass sich ganz viele Paare oder Familien eine Eintrittskarte teilen. Dies steht zwar im Widerspruch zur Idee eines persönlichen Profils, bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass über Erfahrungen und Fragen gesprochen wird – das wiederum entspricht den Zielen des Konzepts (Abbildung 8). Trotzdem gibt es natürlich Benutzer, die nicht in die allgemeine Ausstellung gehen sondern in die anderen Teile des Museums. Die tatsächliche Anzahl der Benutzer der DilemmaInstallation ist so nicht eindeutig und letztgültig ermittelbar – sie liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen 8.000 und 10.000 Benutzern im Jahr 2012. Was sicher ist, ist, dass die Fragen mehr als 11,000 Mal beantwortet wurden – das macht zwischen ein bis zwei Fragen pro Benutzer. Auf den ersten Blick mag das relativ wenig erscheinen, aber es handelt sich natürlich um einen Durchschnittswert. Auch kann man beobachten, dass es Benutzer gibt, die nur eine Frage beantworten, oder die Dilemma-Fragen gänzlich ignorieren, aber dennoch durch ganz viele der HintergrundGeschichten gehen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die alle Fra-

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gen in einer systematischen Weise beantworten, ohne die Hintergrundgeschichten groß zu beachten. Abbildung 8: Besucher besprechen sich an interaktiven Stationen

Quelle: Brede Works – Museum of Industrial Culture

Es ist nicht ein Kriterium für den Erfolg der Dilemma-Fragen, ob und wie gründlich die Benutzer alle Fragen beantworten. Die Fragen sind ein Mittel, um das Interesse und die Selbstreflexion der Benutzer zu erhöhen, nicht ein Ziel in sich selbst. In dieser Hinsicht, kann resümiert werden, erfüllen sie ihre Funktion voll und ganz. Eine kritische Selbstreflektion auf Seiten der Kuratoren, darf allerdings auch die Schwachstellen einer Ausstellung nicht außer Acht lassen. Eine Sache, die nicht optimal funktioniert, ist die digitale „Speakers Corner“ im letzten Raum. Die ursprüngliche Idee war, dass das digitale Rednerpult eine Art Endstation der Dilemma-Fragen sein sollte, bei der man sich mit dem entstandenen Profil auf der aktiven Eintrittskarte auseinandersetzt, aber nun endlich frei ist, seine eigene ganz persönlichen Aussagen zu machen. Aus Mangel an Zeit und Ressourcen, wurde dies nie realisiert, und die Installation ist nur ein einfaches, digitales Whiteboard – nicht sehr attraktiv. Neben der unansprechenden Gestaltung, gibt es ein weiteres Problem: Die Ausstellung in diesem Raum bietet zu wenig Anregungen und Anreize für die Benutzer. Die künstlerischen Versionen der Zukunft unserer Erde,

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sind vom ästhetischen Standpunkt schön, aber ihre Botschaft ist viel zu abstrakt, um eine Diskussion über die Zukunft zu initiieren. Hier gibt es also einiges zu überarbeiten. Dieser Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass keine guten digitalen Interaktionen in einer Ausstellung passieren können, wenn diese nicht dafür geeignet ist und die nötigen Anreize dazu bietet.

M EINUNG

INS

M USEUM

BRINGEN

Man kann daraus etwas ganz grundsätzliches lernen: Museumsleute sind Mitglieder einer akademischen Mittelklasse und als solche haben sie normalerweise keine Probleme ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern, manchmal ist das sogar ihr Job. Allzu oft halten sie es für selbstverständlich, dass andere Menschen die gleichen Erfahrungen haben. Aber es gibt unter den Besuchern viele Menschen, die niemals ihre eigene Meinung in öffentlichen Räumen geäußert haben. Aus persönlichen, kulturellen und sozialen Gründen erheben sehr viele Menschen ihre Stimme nur in geschlossenen Kreisen, wie in der Familie oder unter Kollegen. Es gibt sogar welche, die ihre Meinung nur vor dem Spiegel im Badezimmer äußern, hinter verschlossener Tür. Nun ist das Museum ein öffentlicher Ort. Es ist eine Institution, von der die Benutzer gelernt haben, Erkenntnisse, Bildung - und vielleicht sogar Unterhaltung zu erwarten. Das ist, wofür sie gekommen sind. Was die meisten nicht erwarten, ist eine Einladung selbst zu sprechen – und sie werden nicht unbedingt damit anfangen, nur weil ihnen die Gelegenheit dazu geboten wird. Es muss für die Benutzern nicht nur die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu sagen, sondern auch einen Grund, dies zu tun. Wie kann das gelingen? Mit Ausstellungen, die mindestens drei Bedingungen erfüllen: Sie sind verständlich, relevant und anregend. Museen wurden als professionelle, öffentliche Einrichtungen im Europa des 19. Jahrhunderts entwickelt. Ihr vordergründiger Zweck war natürlich die Pflege des kulturellen Erbes. Aber es gab auch andere, implizite Ziele: In ihnen sollten Menschen zu Bürgern der Nationalstaaten erzogen werden. Die Museen waren genauso Orte der Vergangenheit, wie Orte der Zukunft. Das gilt auch heute noch. Aber natürlich haben sich die Ansichten über die Bürgerschaft in den letzten 200 Jahren stark verändert. Demokratie zum Beispiel bedeutet heute nicht nur Mitbestimmung – es bedeutet mitmachen.

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Darum muss ein Museum, das immer noch relevant sein will, nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart und die Zukunft, diese historische Entwicklung reflektieren. Das Museum muss ein Ort für Aufklärung über die Vergangenheit, über verschiedenen Kulturen und Gesellschaften sein. Aber es muss auch ein Ort sein, der Reflexionen und Diskussionen anregt. Es muss seinen Benutzern Wissen bereit stellen und deren Fähigkeiten und Bereitschaft unterstützen, eigene Meinungen auszuarbeiten – und, wenn nötig, laut zu äußern.

Räume und Medien

Das Museum als komplexer Erfahrungsraum Warum Museum Szenografie braucht U WE R. B RÜCKNER /L INDA G RECI

  P ROLOG Die Zukunft des Museums wird meist am Exponat, an der Sammlung verhandelt – immer häufiger aber auch am Raum, an der Architektur, die manchmal von sich behauptet, sie käme auch ohne Exponat aus. So sind wir also wieder einmal oder immer noch im Widerstreit zwischen traditioneller und zeitgemäßer Interpretation des Museums und seiner Dinge verhaftet? Dabei geht es um viel mehr, nicht nur um das Ding und den Ort, die Hülle für seine Aufbewahrung, sondern auch um die Provenienz des Dinges und die Geschichten dahinter. Ich sehe hier eine Parallele zu einem meiner Lieblingsfilme, nämlich zu „Endstation Sehnsucht“ bzw. „A Streetcar Named Desire“, so der Originaltitel der Verfilmung des Dramas von Tennessee Williams, die 1951 mit Marlon Brando und Vivien Leigh in die Kinos kam. Dort wird eine große Umbruch-Geschichte erzählt, ähnlich wie wir sie auch aus zeitgleichen James Dean Filmen bis Ende der 1960er Jahre kennen. Bei „Endstation Sehnsucht“ geht es um das Missverständliche der verschiedenen Generationen, es geht um tatsächliche und erträumte Realitäten. In einer ähnlichen Situation befindet sich das Format Museum heute. So wie der Film vom Über-

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gang und Wandel des alten Amerika (Untergang des Südstaaten Geldadels, verkörpert durch die verarmte Blanche) hin zu einem modernen Amerika (Aufstieg der durch Einwanderer geprägten Industrienation, verkörpert durch den Automechaniker Stanley) erzählt und sich der narrative Nukleus aus dem Missverhältnis von tatsächlicher und erträumter Realität speist, so befindet sich auch das kulturgeschichtliche Format Museum in einer Phase des Übergangs und der Umgestaltung. Das Museum des 21. Jahrhunderts muss neuen Anforderungen gerecht werden, die sich deutlich unterscheiden vom Museum als Schatz- und Wunderkammer im 18. Jahrhundert, den Musentempeln des 19. Jahrhunderts und den nationalen Blockbustermuseen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Und bei all den anstehenden Überlegungen darf ein Parameter nicht außer Acht gelassen werden: der Rezipient. Er spielt eine zentrale Rolle. Will das Museum den Herausforderungen der Zukunft, wie dem demographischen Wandel oder dem veränderten Rezeptionsverhalten der Besucher gerecht werden, müssen sich Kuratoren, Gestalter, Kulturmanager und Künstler, alle Museumsmacher an einen Tisch setzen, um gemeinsam das bestmögliche Ergebnis im Sinne eines ‚Gesamtkunstwerkes‘ zu erreichen. Dieser Begriff ‚Gesamtkunstwerk‘, der bereits im 19. Jahrhundert von Richard Wagner geprägt wurde, beschreibt am besten die Aufgabe, die vor uns liegt. Es geht um den sinnlichen Erfahrungs- und Erkenntnisraum, den das Museum dem Rezipienten anbietet. Es geht nicht nur darum, was das Exponat an visueller Präsenz zeigt, an auratischem Potential besitzt, sondern auch darum, was es uns erzählen kann. Es gilt, Betroffenheit herzustellen – im positiven Sinne: Es betrifft mich, mich geht das Ausgestellte etwas an, ich bin gemeint!

M USEUM ALS S INNLICHER E RFAHRUNGS E RKENNTNISRAUM

UND

Konstatieren wir die Aussage ‚Museum im Wandel‘, so haben wir bei den zukünftigen Herausforderungen eine komplexe Konstellation zu be- und verhandeln, nämlich das Kräfteverhältnis zwischen Exponat und seiner Geschichte, zwischen Raum und seiner Atmosphäre und der Wahrnehmung dieser Konstellation durch den Besucher. Und man fragt sich: Wenn das ge-

M USEUM

ALS KOMPLEXER

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lingt, ist das genug, um auch in Zukunft Sehnsucht nach Museum auszulösen? – Ich denke ja. Das Museum birgt die Sehnsucht nach dem authentischen Erlebnis und den faszinierenden Geschichten hinter den Objekten. Das Format Museum lässt sich als Medium begreifen, das Einblick in die Metawelt (dahinter) gewährt. Als Ort sinnlicher Erfahrung wird das Museum zum Sehnsuchtsort mit Erkenntnisgewinn. Dabei geht es weniger um einen pädagogischen Diskurs, als um einen Dialog auf Augenhöhe. Auf der Suche nach einem authentischen Erlebnis, einem digital nicht delegierbaren Erleben, wird das Museum zum Sehnsuchtsort der Erkenntnis. Ein Blick auf aktuelle Ausstellungen großer Häuser in jüngerer Zeit bekräftigt diese These. Es geht nicht nur darum, was das Exponat an visueller Präsenz zeigt, sondern auch darum, was es uns erzählen kann. Dabei unterstützt Szenografie das ‚Storytelling‘, indem sie den Rezipienten in den Mittelpunkt stellt und spezifische narrative Mittel und Techniken bei der Ausstellungskonzeption miteinbezieht. ‚Storytelling‘ als Kommunikationstechnik vermittelt explizites und vor allem implizites Wissen in Form von Metaphern, Gebärden, Gesten und Bildern. Es bietet Inspiration zur Assoziation und Imagination. Große Ausstellungshäuser haben zuletzt mit spektakulären Kunstinstallationen auf sich aufmerksam gemacht und Menschenmassen angezogen, so zum Beispiel „Leviathan“ von Anish Kapoor im Grand Palais in Paris, 2011. Der Besucher betrat dort einen multisinnlichen Erfahrungsraum, in dem es darum ging, auch die eigene Rezeptionsfähigkeit auszuloten. Auf eine vergleichbar eindrückliche Raumerfahrung konnte man sich beim Besuch der Installation von Tomás Saraceno im Hamburger Bahnhof in Berlin 2011 einlassen: Der Wissenschaftler, Künstler und Architekt Saraceno hatte riesige Kugeln aus Plastikfolie an Wände und Decken vertäut und zwischen Gespinsten aus Gummi aufgespannt – ein Teil dieser fragil erscheinenden Installation war sogar begehbar. Leichtigkeit und Fragilität der Konstruktion erfuhr der Besucher am eigenen Leib. Kunstinstallationen dieser Art sind präzise auf den Ort hin konzipierte Interventionen. Sie funktionieren auch in öffentlichen Räumen, wie man das beispielsweise an der Arbeit von Peter Kogler für eine U-Bahnstation in Istanbul, für die Haltestelle Dirimart, sieht – ebenfalls aus dem Jahr 2011. Die Gestaltung erzeugt, ganz ohne digitale Medien, nur mit Printmitteln ei-

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nen sinnlichen Erlebnisraum, einen Raum der sich in der Wahrnehmung von seiner physischen Begrenzung löst und zum Imaginationsraum wird. Man fragt sich, braucht ein Museumsbetrieb spektakuläre Gesten, Kunstinstallationen, um Besucher anzulocken? Oder sind es andere Ausstellungsformate, die das Vorbild stellen? Etwas ketzerisch könnte man fragen: Brauchen wir überhaupt (noch) ein Museum, um dem Besucher neue visuelle und räumliche Erfahrung und Erkenntnis zu vermitteln oder sind es tatsächlich die Expos, bei denen es die Chance gibt ein breites Publikum anzusprechen, das Entertainment sucht, aber Education erhält. Anders gefragt: Ist das leicht inflationäre Edutainment immer noch als relevantes Inszenierungsformat interessant, um eine andere, breitere Öffentlichkeit herzustellen – quasi Museum goes Expo…? Abbildung 1: Magic Box, State Grid Pavillon, EXPO Shanghai 2010

Quelle: Roland Halbe, ATELIER BRÜCKNER

Auf der Expo Shanghai hat ATELIER BRÜCKNER beispielsweise für den chinesischen Energiekonzern State Grid einen immersiven Raum mit Erzählqualität entwickelt. Über einen 720-Grad-Film – eine neue Entwicklung, die hier erstmals zum Einsatz kam – taucht der Besucher in eine Erfahrungswelt ein. Erzählt wird der Energietransport vom Westen Chinas bis in die Megastädte im Osten des Landes. Eine Art Zeitrafferreise elektri-

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ALS KOMPLEXER

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scher Energie über 4000 Kilometer hinweg von den Bergen des Himalaya, über die Weiten Zentralchinas, die Chinesische Mauer, den Great Dam bis in die Städte an der Ostküste in einem abstrakten, zum Teil surrealen Raumfilm, der die Grenzen des physischen Raumes komplett auflöst und an seine Stelle den imaginären oder besser: den imaginierten Raum stellt, der allein von der Narration, von der dynamischen Erzählstruktur generiert wird. Für uns, die wir an das Museum per se glauben, stellt sich die Frage: wie kann die Vermittlung von Botschaften im Museum gelingen? Warum gelingt es uns nicht, in unseren kulturwissenschaftlichen Museen, Menschen dazu zu bringen, stundenlang eine künstliche Sonne anzubeten, wie bei Olafur Eliassons Weather Project in der Tate Modern, 2003/2004 in London? Bedarf es dazu der Kunst, die als unabhängiges Format ohne museologische Vermittlungsparameter anzusehen ist, oder kann dies nicht auch durch das konsistente Inszenieren komplexer Inhalte gelingen? – durch eine Szenografie, die von den Inhalten ausgeht, in diesen begründet ist und sich diesen konsequent widmet – die Form, die Geste, den Ausdruck aus dem Content generiert. Ein Beispiel einer solchen inhaltkonsistenten Gestaltung ist ein Wettbewerbsbeitrag, den ATELIER BRÜCKNER für eine Ausstellung im Martin Gropius Bau in Berlin entwickelt hat. Hier ging es um die wissenschaftliche Rekonstruktion eines bedeutenden archäologischen Fundes, einer gesunkenen chinesischen Dschunke samt Frachtinhalt. Die raumfüllende Installation „Santa Cruz“ aus medial bespielten, miteinander verwobenen horizontalen und vertikalen Projektionsflächen macht den Raum in verschiedenen Aggregatzuständen erlebbar. Der Besucher wird Teil der Entdeckung, Bergung und Rekonstruktion des um 1490 gesunkenen Schiffes, das aufgrund seiner reichen, gut konservierten Fracht enorme Bedeutung hat. Der Besucher kann sich frei durch verschiedene Atmosphären bewegen: Er taucht ein in einen blau-violett illuminierten „Unterwasserraum“, wo alsbald Taucher erscheinen und mit der Bergung des Wracks beginnen, das sich sukzessive in ein 3D-Gittermodell verwandelt. Entsprechend den wissenschaftlichen Rekonstruktionsplänen materialisiert sich die Dschunke allmählich. Die 3D-Projektion lässt das Schiff schließlich wiedererstehen, in Originalgröße (18 Meter lang, 12 Meter hoch) einschließlich Rigg und Fracht; es

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nimmt den gesamten Innenhof des Martin-Gropius-Baus ein, setzt die Segel und sticht in See. Die wissenschaftliche Rekonstruktion hat hier das Raumbild evoziert. Abbildung 2: Santa Cruz, Wettbewerbsentwurf, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 2007

Quelle: jangled nerves, ATELIER BRÜCKNER

Diese Inszenierung, bei der die Nähe zwischen inhaltlicher Intention und Aussage auf begehbare Weise erlebbar wird, fußt auf der engen Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern. Generell lässt sich sagen: Um ein zeitgemäßes oder gar ein Museum des 21. Jahrhunderts zu bespielen, bedarf es couragierter Kuratoren wie inhaltsaffiner Gestalter – und das als Team, in enger Zusammenarbeit so früh als möglich! Ohne kollegiale Akzeptanz und gegenseitiges Verständnis gibt es keine konsistenten Inszenierungen. Sie brauchen Mut und Risikobereitschaft – Mut zum Statement, zur zeitgemäßen Interpretation. Das fängt schon bei der Auswahl der Exponate an.

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D AS WIRKMÄCHTIGE R AUMBILD – W IE MAN R ÄUME ZUM SPRECHEN BRINGT Um Inhalte im Raum zum sprechen zu bringen, nutzen wir die Mittel der Szenografie. Aus den Botschaften heraus werden Räume generiert. Indem die Szenografie Inhalte und Botschaften in den Raum übersetzt, generiert sie wirkmächtige, narrative Raumbilder. Diese Raumbilder bieten einen immersiven Zugang zu den Inhalten. Sie bringen den Rezipienten dazu, sich mit Themen zu beschäftigen, die vermeintlich uninteressant oder zu komplex erscheinen. Das Raumbild ist keine Illustration oder Dekoration von Inhalten. Es bildet ein begehbares Milieu, das Sujet für all das, was informativ oder emotional transportiert werden soll. Ein konsistentes Raumbild sucht und ermöglicht den Dialog zwischen Raum und Inhalt, zwischen Artefakt und Rezipient. Es ermöglicht dem Besucher Partizipation und erlaubt ihm – und das im Gegensatz zum Theater – Teil der Inszenierung zu werden. Als Beispiel möchte ich hier das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt am Main anfügen. Hier wird Film begreifbar, in einem begehbaren Raumbild erlebbar, ohne dass dabei das Exponat obsolet wird. Im Gegenteil, das Raumbild verstärkt die Wirkung der Exponate; es setzt diese ‚wirkmächtig‘ in Szene. Die hochwertig bestückte Dauerausstellung entfaltet sich auf zwei Etagen mit insgesamt rund 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Kompakte Inszenierung, die mit den Mitteln des Films arbeiten und diese reflektieren, bieten dramaturgisch durchdachte Raumbilder, die den Besucher in die Welt des Films eintauchen lassen. Der gestalterische Nenner beider Etagen sind dunkel gehaltene Räume und sensitiv eingesetztes, pointiertes Licht – in Analogie zur Ausleuchtung im Film. Im ersten Obergeschoss geht es um das „Filmische Sehen“. Den Besuchern wird eine Reise durch ein kaleidoskopartiges Raumbild geboten, das den technischen Entdeckungen und Erfindungen vornehmlich des 19. Jahrhunderts gewidmet ist. Die frühen Formen der Schaulust spiegeln sich in teils skurrilen Apparaten, die anhand von Nachbildungen neu entdeckt werden können. Die Gestaltungssprache der akzentuierten, raumbildprägenden Vitrinen erinnert an Filmtrommel und Filmband.

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Abbildung 3: Filmisches Sehen, Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main, 2011

Quelle: Uwe Dettmar, ATELIER BRÜCKNER

Die Ausstellungseinheit „Filmisches Erzählen” im zweiten Obergeschoss führt den Besucher zu den heutigen Möglichkeiten des Films. Der Fokus liegt auf der Gestaltung von Filmbildern und deren emotionaler Wirkung. Hier soll die Wahrnehmungssensibilität für das Medium Film geschärft werden. In einem studioähnlichen Raumbild blickt der Besucher hinter die Kulissen der Filmproduktion und wird animiert, aktiv an den filmtechnischen Prozessen teilzunehmen. Die content-generierte Szenografie fördert den Dialog zwischen Raum und Inhalt, zwischen Exponat und Betrachter. Ein vergleichbares Beispiel bietet das traditionsreiche niederländische Schifffahrtsmuseum in Amsterdam (Het Scheepvaartmuseum). Es besitzt eine außergewöhnliche, umfangreiche Sammlung. Um deren Qualität und Bedeutung gerecht zu werden, lag ein besonderer Fokus bei der Neugestaltung der Galerien auf der Erschließung ihres künstlerischen und ästhetischen Wertes. Darüber hinaus sollten die maritimen Sammlungen, deren Exponate nolens volens Sinnbilder der Bewegung und des Aufbruchs sind, so dynamisch und lebendig wie möglich inszeniert werden – eigentlich ein Widerspruch in sich.

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Um die Exponate und ihre Geschichten für den Besucher zu beleben und zugänglich zu machen, haben wir atmosphärisch dichte Raumbilder konzipiert: Für jedes der sieben Objektgruppen ein individuelles Raumbild, wobei die Exponate Ausgangspunkt und integrativer Bestandteil dieser Raumbilder zugleich sind. Diese inhaltsgeprägten Raumbilder des Museums erlauben dem Besucher den unmittelbaren Zugang zu den komplexen historischen und wissenschaftlichen Sachverhalten. Neben den wertvollen, einmaligen Globen und der bedeutenden Sammlung an Navigationsinstrumenten sind es Schiffsmodelle, maritime Gemälde, Schiffsornamente, Fotoalben und kunsthandwerkliche Objekte aus Glas, Silber und Porzellan, die auf einer Ausstellungsfläche von rund 1200 Quadratmetern in Szene gesetzt sind. Blicken wir hier auf die Gemäldegalerie im zweiten Obergeschoss des Museums, die flächenmäßig bedeutendste Galerie des Schifffahrtsmuseums; sie weist vier miteinander verbundene Räume auf, deren Raumbild durch die Gemälde selbst geprägt wird. Ihre Hängehöhe folgt dem dargestellten Horizont, meint: der Horizont, der auf allen Bildern auszumachen ist, zieht sich als gemeinsamer Nenner durch den gesamten Raum. Der Besucher betritt die Gemäldegalerie über einen Steg, der gleichsam ‚über dem Wasser schwebt‘. Der Steg führt den Besucher durch die Ausstellung; er kann sich zum Plateau verbreitern, um dann wiederum zur schmalen Brücke zu werden. Begleitet wird der Steg von einer durchgängigen Reling im Wandabstand von rund 1,5 Metern. Sie ist mit einem subtilen, interaktiven Informationssystem ausgestattet. Bei Berührung wird die Exponatbeschriftung eingespielt. Auch Sekundärmaterial kann eingebunden werden, wie zum Beispiel Skizzen, die der Maler während der Seeschlacht in seinem Beiboot anfertigte und nach welchen er dann das Gemälde an Land fertig stellte. Neben der unmittelbaren und emotionalen Ansprache auf Augenhöhe war es uns wichtig, verschiedene Informationsebenen zu schaffen, die auf Anfrage, also als Information on Demand, abrufbar sind. Dieser Grundsatz spiegelt sich auch in den anderen Galerien, zum Beispiel in der Galerie der Globen. Um diesen faszinierenden Schatz zugänglich zu machen und die Besucher an der Geschichte der Navigation teilhaben zu lassen, wurde ein interaktiver Globus entwickelt, der Globen und Seekarten aus vier Jahrhunderten raumfüllend erlebbar macht. Der Globus dient als Interface, das in alle Richtung drehbar ist. Durch das Morphen wird die Entwicklung der Kartographie auf ganz neue Weise erlebbar.

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Veränderungen im historischen Kartenmaterial können mittels der Überlagerungen durch die Zeit hinweg verfolgt werden.

Abbildung 4: Het Scheepvaartmuseum – Object Gallery, Amsterdam,

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Quelle: Michael Jungblut, ATELIER BRÜCKNER

D AS

AURATISCHE O BJEKT – WIE MAN O BJEKTE ZUM SPRECHEN BRINGT In den meisten Fällen musealer Präsentation häufen sich die Objekte in vitrinöser Distanz; nur selten ist es den Gestaltern und Kuratoren erlaubt, einem Exponat einen eigenen Raum zu widmen, einen gleichsam assoziativen Raum, der einen intravenösen Zugang zur Aura und Beredsamkeit des Objektes bietet. Bei der Ausstellung „Titanic“, die 1997 in Hamburg zu sehen war, ist uns dies gelungen. Dort wurden sechs Champagnerflaschen der ersten Klasse dialektisch einem Arbeitsschuh der dritten Klasse (oder der Mannschaft) gleichwertig gegenübergestellt. Diese Art der maximal reduzierten (!) Inszenierung und der Provokation der Zuschauer zur eigenen Interpretation in einer kulturhistorischen Ausstellung war damals noch nicht gelernt, in ihrer Konsequenz nur aus Kunstausstellungen oder Bühnenbil-

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dern bekannt, und hat wohl gerade auf diese Weise das Publikum begeistert – ein inszenatorisches Statement, das nur möglich war im mutigen Zusammenspiel von Auftraggebern, Kuratoren und Gestaltern; eine eindeutig exponatorientierte, szenografisch inszenierte Ausstellung, kein gegen das Objekt gerichtetes Konzept, sondern eines mit dem Ziel, die Aura der (scheinbar) alltäglichen Gegenstände auf unerwartete Weise sich entfalten zu lassen. Ihr Wirkungsgrad wurde geradezu potenziert. Abbildung 5: Champagnerraum, Expedition Titanic, Hamburg, 1997

Quelle: Uwe Ditz, ATELIER BRÜCKNER

Bei einem anderen Projekt, einem unserer ambitioniertesten, ging es darum, Objekte in Szene zu setzen, die zwar per se von großer Bedeutung und Wert sind, deren Potential und Charisma jedoch nur von Experten, Kriti-

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kern oder Musikern wirklich erkannt werden kann. In der Ausstellung „That´s Opera – 200 Years of Italian Music“, die 2008/09 im Brüsseler Tour & Taxis zu sehen war, wurden erstmals wertvolle Unikate wie Autographe aus dem Archivio Ricordi gezeigt. Die originalen handbeschriebenen Notenblätter von Bellini, Donizetti, Puccini und Verdi inszenierten wir in einer schallgedämmten Schatzkammer extrem reduziert und objektzentrisch beleuchtet. Wir haben einen Raum der Stille geschaffen, im Raumsujet eines abgedunkelten Tonstudios, das automatisch beim Besucher ein Gefühl der Demut und Transzendenz erzeugte und das Klingen des Papiers geradezu evozierte. Abbildung 6: Orchestergraben, That’s Opera – 200 Years of Italian Music, Brüssel, 2008

Quelle: A.T. Schaefer, ATELIER BRÜCKNER

Im darauf folgenden Raum, einem begehbaren Orchestergraben, konnten Experten, aber besonders auch interessierte Laien, die Einspielung von fünf Opernausschnitten akustisch und visuell auf medialen Partiturauszügen nachvollziehen. Am interaktiven Dirigentenpult folgten die Besucher dem Notenbild sowohl in der originalen Handschrift wie in der Druckversion, und beim Gang durch den Raum konnten die einzelnen Instrumentenstimmen isoliert und konzentriert über Richtlautsprecher aus dem Gesamtklang

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herausgehört werden. Der begehbare Orchestergraben wurde zu einem der beliebtesten Raumbilder der 1600 Quadratmeter großen Ausstellung. Hier wurden die ausgestellten, originalen Exponate von Weltniveau erst lesbar und rezipierbar. Ein Beispiel für eine ähnlich anspruchsvolle Aufgabe stellte das Konzept für das Staatliche Textil- und Industriemuseum in Augsburg dar. Es galt, eine hochkarätige Sammlung von Musterbüchern mit Textildruckmustern, die aus konservatorischen Gründen nur bedingt gezeigt werden kann, einem breiten Publikum zugänglich zu machen und dabei zugleich dessen internationale Bedeutung und Faszination zu transportieren. Dementsprechend zentral haben wir den Kern des Museumsbestandes, die historische Stoffmustersammlung der Neuen Augsburger Kattunfabrik (NAK), als Anziehungspunkt des Museums inszeniert: Drei überlebensgroße, medial bespielte Figurinen schweben drehend über einen roten Teppich im Mittelshed des Museumsgebäudes. Sie präsentieren, eingebunden in eine begehbare Rauminszenierung, Drucktechniken, Schnittmuster und Haptik der wertvollen Stoffmuster, die aus drei Jahrhunderten stammen. Abbildung 7: Musterbucharchiv, Staatliches Textil- und Industriemuseum, Augsburg, 2010

Quelle: ATELIER BRÜCKNER

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Die unendliche Vielfalt, die sich unter den Buchdeckeln der 550 historischen Musterbücher verbirgt, wird erlebbar. An einem Medientisch wird sie – zumindest partiell – sogar interaktiv zugänglich. Der Besucher wählt hier aus verschiedenen Mustern aus, kann sie selbst bearbeiten, verändern, kombinieren und dem Schnittmuster(bogen) – aus dem die Figurinen erstellt sind – anpassen, um sie dann in Realzeit auf die Grazie „Thalia“ zu projizieren. Besonders bei jungen Designern ist diese Kreativstation sehr beliebt, erlaubt sie doch mit dem Interface als Schnittmusterbogen die Anregungen historischer Patterns gestalterisch neu zu interpretieren.

S TAGING C ONTENT – DAS U NAUSSTELLBARE

AUSSTELLBAR MACHEN

Bücher gelten – bis auf wenige Ausnahmen – als langweilige Objekte und werden deshalb oft entsprechend inspirationslos in Buchkrippen abgelegt, während ein kondensierter Kurztext den (vermeintlichen) Inhalt als etwas Exzeptionelles beschreibt. Dabei ist es höchst unbefriedigend, wie ich meine, nur eine Doppelseite sehen zu können und den Rest der 400 Seiten in einem fünfzeiligen Abstract präsentiert zu bekommen. Abbildung 8: Pflanzenbuch, Ausstellung Gartenkunst, Schloss Dyck, 2003

Quelle: Harry Vetter, ATELIER BRÜCKNER

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In Schloss Dyck haben wir einen ganzen Raum einem einzigen Buch gewidmet, das hier lesend begehbar wird: Das Pflanzenbuch des Fürsten liegt in der Raummitte, gut versorgt in einer Klimavitrine, während sich dessen Inhalt als hinterleuchtete, transluzente Faksimile auf allen Wänden entfalten kann. So wird das Lesen an sich zum Vergnügen – ganz analog, ohne digitale Medien. Scheinbar Unausstellbares konnte auf diese Weise zugänglich gemacht werden. Die Besucher lieben diesen Raum. Unausstellbar auf ganz andere Weise erschien uns zunächst auch ein ungleich größerer, hochkomplexer Auftrag, den wir über einen international ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatten: Ein Informationszentrum für das Europäische Parlament. Es ging darum, das EU-Parlament, seine Genese und sein Wirken den EU-Bürgern zu erklären, näher zu bringen und nebenbei die Geschichte der EU zu erzählen sowie Funktion und Arbeitsweise des Europäischen Parlaments zu vermitteln – das Ganze in insgesamt 28 Sprachen (24 gesprochene Sprachen, vier Zeichensprachen und zusätzlich Braille)! Auf rund 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche über drei Etagen hinweg haben wir einen abwechslungsreichen Parcours angelegt, den der Besucher begleitet von seinem PMG (Personal Media Guide) individuell erlebt, indem er entsprechend seiner Interessen, Medieninstallationen in seiner Sprache aufschließt und Inhalte abruft – über 30.000 Inhaltspakete haben wir hier in gustierbaren Dosen verpackt. Auch Raumtexte werden in der vorab gewählten Sprache eingeblendet. Ein 60 Meter langer Zeittunnel führt durch die 60 Jahre Integrationsgeschichte Europas; zwei hemisphärenartige Rundräume lassen den Besucher in filmische 360-Grad Panoramainszenierungen eintauchen. Sie vermitteln auf eindrucksvolle Weise, wie das Europäische Parlament arbeitet und wie vielgestaltig sich dessen Wirken auf das alltägliche Leben auf diesem kulturreichen Kontinent Europa darstellt, einem Kontinent auf dem sich 500 Millionen EU-Bürger zu Hause fühlen. Das Herzstück der Ausstellung ist der Raum „United in Diversity“. Raumbildprägend breitet sich eine begehbare Bodenkarte vor dem Besucher aus. Sie zeigt ein Europa ohne Grenzen. Der Besucher erkundet dieses Europa mittels mobiler ‚Ground-of-Stories-Scanner‘; an so genannten ‚Hot Spots‘ kann er in die Tiefe der Karte tauchen. Interaktiv erhält er Informationen über Ereignisse, die das Europäische Parlament zu europaweit gültigen Vorschriften veranlassten. Ein Beispiel sind die Seveso-Richtlinien, die

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nach dem Dioxin-Unfall im norditalienischen Seveso 1976 verabschiedet wurden. Europa präsentiert sich geeint und gleichzeitig so vielfältig wie nirgendwo sonst auf der Welt auf ähnlicher Fläche. Abbildung 9: „United in Diversity“, Parlamentarium, Brüssel, 2011

Quelle: Rainer Rehfeld, ATELIER BRÜCKNER

Die darüber schwebende Lichtinstallation, der „Sky of Opinions“, spiegelt die durchaus unterschiedliche Auffassung der Europäer hinsichtlich einzelner sozialer, kultureller, ökonomischer und auch gesellschaftlicher Fragen wider. Gentechnisch veränderte Lebensmittel finden beispielsweise in den einzelnen Ländern unterschiedlich viel Zustimmung. Die Lichtkarte repräsentiert dies dreidimensional, indem mehr oder weniger LED-Kugeln aufleuchten. Es wird deutlich, wie viel Meinungsvielfalt innerhalb eines geeinten Europas möglich ist.

E PILOG : M USEUM – (E ND -)S TATION S EH ( N ) SUCHT Stellen wir uns abschließend die Frage: Wie wird das Museum des 21. Jahrhunderts zu einem Erfahrungsraum, zu einem Sehnsuchtsraum, einem Raum, der Sehnsucht auslöst? Was kann ein Museum unserer medial ge-

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prägten Gesellschaft bieten? Wie kann ein Museum in seiner kulturgeschichtlichen und gesellschaftlichen Relevanz weiterhin bestehen? Und wie muss das Museum zukünftig von einer zunehmend von Migration beeinflussten Gesellschaft aussehen, um eine fremde Kultur zur eigenen und eine eigene nicht zur fremden werden zu lassen? Ich glaube das zeitgemäße Museum ist mehr als nur Sammeln und Bewahren – Museum muss ein museologischer Experimentierraum bleiben(!). Versuche das Museum in seiner kulturhistorischen und gesellschaftlichen Relevanz zu bestärken sind so alt wie die Institution selbst. Es wurde sowohl mit dem Inhalt als auch mit der Form experimentiert. Ich denke hier an Experimente wie zum Beispiel die Arbeit „Gekippter Raum“ aus dem Jahr 1960 von Daniel Spoerri im Sprengel Museum. Ihm ging es darum Inhalt und Raum in eine synästhetische Einheit zu überführen. Ebenfalls im Sprengel Museum ist die Rekonstruktion des Merzbaus von Kurt Schwitters zu sehen, entstanden im Hannover der 1920er Jahre im Dunstkreis Alexander Dorners. An diesen Beispielen kommt man schwerlich vorbei, wenn es um Erfahrungsräume geht. Beide sind Experimente mit dem musealen Raum, seiner Wahrnehmung und unserer Interpretation der Objekte, die wir sehen; subkutan auch der Intention der Autoren. Das Museum sollte, so Alexander Dorner, als ein „Stammbaum unserer gegenwärtigen visuellen Sprache“ fungieren. Das ist bemerkenswert und immer noch brandaktuell. Eine souveräne kuratorische Haltung und eine konsistente szenografische Handschrift formulieren diese „gegenwärtige visuelle Sprache“ und machen damit ein Museum zum zeitgemäßen Museum – das ist konsequenterweise ein inszeniertes Museum. Die Szenografie ist die logische Antwort auf die Anforderungen eines durch dynamische Medien veränderten Rezeptionsverhaltens der jüngeren Besucher – auf jeden Fall aller Unter-30Jährigen. Sie bietet Zugang und Rezeptionsmöglichkeiten auch jenseits von inhaltskomplexen oder fremdsprachlichen Barrieren. Objektorientiertes Gestalten und inszenatorisches Gestalten sind dabei kein Widerspruch; die eingeforderte Authentizität des Erlebens ist eine Sache der zeitgemäßen Übersetzung, der Wahl der Inszenierungsmittel und deren inhaltskonsistenter Dosierung. Als ein zum Raum gewordenes Selbstverständnis wirkt Szenografie identitätsbildend und -bewahrend.

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Szenografie ist eine synchron-disziplinäre Gestaltungsphilosophie; sie verblüfft, begeistert, entführt und verführt. Sie lässt Vergessenes wiederentdecken, belichtet Bekanntes neu, bietet Perspektivwechsel, erzeugt Neugierde und provoziert Betroffenheit im Sinne einer kollektiven Relevanz und individuellen Begeisterung. Schauen wir zum Schluss noch einmal auf Blanche, die Filmprotagonistin von ‚Endstation Sehnsucht‘, die letztlich am Missverhältnis von tatsächlicher und erträumter Realität scheitert: „I don‫ތ‬t want realism. I want magic! Yes, yes, magic. I try to give that to people. I do misrepresent things. I don‫ތ‬t tell truths. I tell what ought to be truth.“ Anders als im Film kann die ∗ Wirklichkeit beides: Ein zeitgemäßes Museum vereint Logik und Magie.



Anmerkung des Herausgebers: Zur Szenografie auch Uwe R. Brückner: (End-) Station Sehnsucht – Warum Museum Szenografie braucht. In: magazin.museum.de Nr. 7, 2011, S. 85-90. Und: Scenography – Making Spaces Talk. Hg. von Atelier Brückner, Stuttgart 2010.

Komposition und Publikum Die Ausstellung „Berge versetzen“ im Alpinen Museum der Schweiz B ARBARA K ELLER

Die Sonderausstellung „Berge versetzen“ hat die Diskussion um die Zukunft des Alpinen Museum der Schweiz mit dem Publikum geführt. Das Haus wurde am 29. März 2012 nach einem Direktorenwechsel und einem halbjährigen Umbau mit dieser Ausstellung wieder eröffnet. Sie hatte das Ziel, das Haus als Ort für Gegenwartsfragen zu lancieren. Die Ausstellung war bis am 26. August 2012 im Alpinen Museum der Schweiz, am Helvetiaplatz in Bern zu sehen. Sie ist also nun abgebaut, dennoch sind die Debatten, Ergebnisse und Lernprozesse daraus für unsere weitere Arbeit – wie auch für das Thema der Tagung Hin und Her – von Bedeutung. „Berge versetzen“ hat das Alpine Museum als Plattform für Gegenwartsfragen zum Thema Berge und Menschen positioniert. Die Ausstellung hat gezeigt, dass das Museum an einem Dialog mit dem Publikum interessiert ist und dass uns die Meinungen und Interessen des Publikums wichtig sind. Hin und Her – zwischen Institution und Publikum. Doch die Ausstellung ist noch aus einem anderen Grund ein passender Gast dieser Tagung. In „Berge versetzen“ waren 1200 Objekte auf 800 Quadratmetern ausgebreitet. Die Exponate waren alle keine hoch versicherte Preziosen, sondern Alltagsgegenstände. Sie waren oft jahrelang in Gebrauch, wurden liebevoll gehegt und gepflegt, auf Gipfel hochgeschleppt, wiesen folglich auch Gebrauchsspuren auf und erzählten Geschichten zu ihren früheren Besitzern.

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Das Alpine Museum definiert sich zwar nicht in erster Linie als Alltagsmuseum, sondern als Themenhaus. Dennoch stellen sich im Umgang mit den Objekten der Sammlung wohl vergleichbare Fragen wie den Verantwortlichen in Museen zur Alltagskultur auch.

V IRTUELLER AUSSTELLUNGSRUNDGANG Die Eröffnungsausstellung holte 1200 Sammlungsobjekte aus dem Keller ans Tageslicht. „Berge versetzen“ breitete die Objekte auf dem Fussboden aus. Hüttenmodelle, Wanderkarten, Kletterhaken, Seile, Expeditionsschuhe, Ski, ausgestopfte Tiere, Souvenirs, Ölgemälde, Tourenbücher, Rucksäcke, Steigeisen, Feldflaschen und vieles mehr. Die Objekte bestachen nicht durch ihre Einzigartigkeit, sondern durch die emotionale Bedeutung, die sie für viele BesucherInnen haben. Dadurch, dass viele der Objekte dem Publikum unmittelbar vertraut waren, schafften sie eine sinnliche Verbindung zur Erfahrungswelt des Publikums. Im Museum geben wir den BesucherInnen die Möglichkeit, den vertrauten Alltagsdingen außerhalb ihres üblichen Umfeldes zu begegnen – also nicht in den Bergen, sondern in den Museumsräumen in der Stadt. Diese Funktion eines Museums beschreibt die australische Museologin Andrea Witcomb als Herausheben und Hervorheben: „The everyday is, in a sense, lifted out and up, and made into the extraordinary.“ Das Alltägliche, in einem ungewohnten Kontext, im Museum, weckt Interesse. Die Ausstellung Berge versetzen will Interesse für das Haus und seine Themen wecken: Was hat es mit diesem Museum auf sich, das sich mitten in der Hauptstadt den Bergen und den Beziehungen der Menschen zu den Bergen widmet?

K OMPOSITION UND P UBLIKUM

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Abbildung 1: Stege führen über die Ausstellung

Quelle: Alpines Museum der Schweiz

Als eine mögliche Antwort auf diese Frage bot die Ausstellung elf Thementouren durch die Auslegeordnung. Beim Ausstellungseingang konnten sich die Besucherinnen und Besucher für eine von elf Thementouren entscheiden, u.a. für die Tier-Tour, die SAC-Tour, die Gender-Tour, die KlimaTour oder die Risk-Tour. Der Themenfächer entsprach der Agenda des neuen Museums: Identität, Alpinismus, Tourismus, Klimawandel, Gesellschafts- und Geschlechtergeschichte sind Themenfelder, die uns weiter beschäftigen werden. Die Objektgeschichten einer Tour ergaben ein Panoptikum zum Tourenthema. Die einzelnen Objekte waren durch Nummern identifizierbar. Einzelne Objekte kamen in verschiedenen Touren vor; die unterschiedlichen Touren-Texte ermöglichten unterschiedliche Perspektiven.

N EUE P ERSPEKTIVE Zwar thematisierte das Alpine Museum in „Berge versetzen“ die Gegenwart und Zukunft des Hauses mit Hilfe der über Jahre bestehenden Sammlung, die Perspektive auf die Objekte war jedoch neu, ungewohnt und zeitgemäß: Die Exponate standen nicht in Vitrinen oder in Glaskästen sondern waren fein säuberlich in Reih und Glied auf dem Boden ausgelegt. Die Be-

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sucherinnen und Besucher bewegten sich in der Ausstellung über einen Steg und nahmen eine Vogelperspektive auf die Topografie der Dinge ein. Die Objekte sind in ihren Objektgruppen ausgestellt... 26 Feldflaschen bildeten eine Reihe, 16 Rucksäcke lagen als Gruppe nebeneinander, 23 Bergstöcke waren aufgereiht, die Spitzen in dieselbe Richtung schauend. So entstand ein starkes Raumbild. Das Nebeneinander ermöglicht den Vergleich, spiegelt eine Entwicklung und erzeugte oftmals auch Kontraste. Bei der Anordnung spielen nicht inhaltliche, sondern vielmehr ästhetische Überlegungen eine Rolle. Groß neben klein, Metall neben Holz, rot neben grün, alt neben neu, wertvoll neben billig. Abbildung 2: Objektauswahl

Quelle: Alpines Museum der Schweiz

Die gewählte Präsentationsweise der Objekte – die Umkehr von Oben und Unten – provoziert Brüche in der gewohnten Sehweise. Sie steht im Gegensatz zu bisherigen gestalterischen Konzepten dieses Hauses. Durch das unmittelbare Nebeneinander der Objekte und durch die Nähe verschiedener Objektgruppen entstehen Verbindungen von scheinbar Unzusammenhängendem. Mit der Auslegeordnung haben wir zur Auseinandersetzung mit dem Gezeigten herausgefordert.

K OMPOSITION

D IE AUSSTELLUNG

ALS

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K OMPOSITION

Zur kurzen Reflexion der räumlichen Gestaltung, der Anordnung der Objekte im Raum, die wir gewählt haben, dienen zwei theoretische Konzepte von Jana Scholze (2004), Theoretikerin und Kuratorin am Victoria & Albert Museum. Ihre Gedanken zu Komposition und Ästhetik helfen, die Wirkung der Objekte auf die Besucherinnen und Besucher in der Szenografie von „Berge versetzen“ zu erfassen. 1) Die Auslegeordnung ist eine Komposition. Als Komposition bezeichnet Scholze das In-Beziehung-Setzen von Ausstellungsobjekten und Ausstellungsraum zu einem räumlichen, sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck. Die Komposition ermöglicht den Besuchern und Besucherinnen eine Annäherung an eine Thematik über ihre Sinne. Sie dient dem Betrachtenden als Assoziationsraum für eigene Erinnerungen, Erfahrungen und Wahrnehmungen.1 2) Auch die Ästhetik spielt eine zentrale Rolle in Berge versetzen. Mit dem Ästhetisierungsprozess in Ausstellungen meint Scholze nicht die Erzeugung von Schönheit oder Harmonie, sondern die Ausnutzung der sinnlichen und poetischen Qualitäten von Inszenierungen. Ästhetik schafft Aufmerksamkeit und Genuss. Und Aufmerksamkeit und Genuss wiederum helfen dem Publikum, Aufgeschlossenheit gegenüber den Objekten zu entwickeln.2 In beiden Prozessen, in der Komposition und der Ästhetisierung, kommt den 1200 Exponaten und dem Raum gleichermaßen eine wichtige Rolle zu. Sie schaffen in ihrem Zusammenspiel die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und involvieren das Publikum in das Gezeigte.

1

Jana Scholze: Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltungen in Oxford, Leipzig, Amsterdam und Berlin. Bielefeld 2004, S. 264f.

2

Ebd., S. 274ff.

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P ARTIZIPATION Im zweiten Teil der Ausstellung zeigte „Berge versetzen“ rund 80 Bergreliefs aus der Sammlung. Inmitten dieser Gipfel forderten wir das Publikum zur Auseinandersetzung mit dem Museum auf und stellten ihnen die Gretchenfrage: Wozu ein Alpines Museum? Neben dem bereits erwähnten Gegenwartsbezug ist auch der Einbezug der Besucherinnen und Besucher eine Zielsetzung der Ausstellung. Wir wollen die Interessen, Erfahrungen und Kompetenzen des Publikums nutzen und diese sichtbar machen. Für „Berge versetzen“ hieß das, in der Ausstellung nicht nur unsere Antworten auf die Frage „Wozu ein Alpines Museum?“ zu präsentieren, sondern die Frage auch an das Publikum weiterzugeben. Auf einem iPad wurden den Besucherinnen und Besuchern 14 der ausgelegten Objekte nochmals präsentiert mit der Frage: ausstellen oder entsorgen? Sie werden aufgefordert, eines der Objekte mit der Fingerspitze in die Vitrine oder in die Mulde zu verschieben. In einem Textfeld konnten sie ihre Wahl begründen bevor sie das Objekt abschicken und ihre Meinung in das ‚Objektranking‘ auf den zwei gegenüberliegenden Screens einfloss. Hinter der Befragung steckt ein großes Interessen an der Meinung der Besucherinnen und Besucher zu den ausgelegten Objekten. Denn die Ausstellung ist museumsintern auch die Initialzündung für die Sammlungsverantwortlichen eine Sammlungskonzept zu erstellen. Was bedeutet der Gegenwartsbezug für die Sammlung? Welche Sammlungsbereiche sollen ausgebaut, welche ‚abgeschafft‘ werden? Und welche Synergien mit anderen Sammlungsinstitutionen sind für uns wichtig und interessant? So war die interaktive Plattform zu den Objekten einerseits eine Offenlegung der Fragen, die uns Museumsmittarbeitenden im Moment beschäftigen. Anderseits haben wir in diesem Ausstellungsteil die Meinungen des Publikums eingefangen und in der Ausstellung sichtbar gemacht. Diese Inputs haben wiederum die Debatten im Museum befruchtet. Diese Zielsetzung macht deutlich: Unter Partizipation verstehen wir hier nicht die multimediale Aktivierung der Besucherinnen und Besucher, sondern das ernstgemeinte Interesse an ihren Ideen und Meinungen. Die Auswertung der Beiträge des Publikums war interessant. Sie hat beispielsweise ergeben, dass die Objekte polarisierten und die Besucher und Besu-

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cherinnen sich keineswegs einig über Gefallen, Wichtigkeit und Relevanz der Objekte waren. Die Gletscherabdeckung beispielsweise haben 378 Personen in die Vitrine verschoben und fast gleich viele (391) haben sie in die Mulde verschoben. Es fanden sich Stimmen, die sagen, „das ist doch nur ein dreckiges Stück Textil“ während andere in dieser Abdeckung zum Beispiel „eine spannende aktuelle Debatte über Sinn und Unsinn der Bekämpfung des Klimawandels“ gesehen haben oder das Objekt in die Vitrine gestellt haben, weil es „so schön nach Gletscher riecht“. Ein Besucher oder eine Besucherin sah die Gletscherabdeckung in der Ausstellung gar als Inspiration: „ich denke dass an diesen Entwicklungen weitergearbeitet werden muss. Vielleicht kommt ein Besucher dadurch auf eine neue Idee.“ Auch war interessant zu sehen, dass die Besucherinnen und Besucher – wie wir im Museum ja auch – lieber ausstellen als entsorgen. Vier Fünftel der Personen haben ein Objekt ausgewählt, das sie in die Vitrine stellen möchten und nur ein Fünftel hat ein Objekt in die Mulde verschoben. Selbstverständlich hatten wir bei dieser interaktiven Plattform auch mit einem Problem zu kämpfen, das zu vielen partizipativen Ausstellungsprojekten gehört. Einige der eingegebenen Texte sind nur mit viel Phantasie als Antwort auf die gestellte Frage „Ausstellen oder entsorgen?“ zu deuten. So musste die Ausstellungsassistenz jede Woche einmal die wüsten Beiträge löschen. An einer weiteren Station, die analog funktionierte, wurden die thematischen Interessen des Publikums zur Diskussion gestellt. 15 Assoziationswörter wie beispielsweise CO2, Alpenglühen, Zweitwohnungen, Jodel, Gipfelkreuz... waren auf Hefte aufgedruckt mit der Aufforderung uns mitzuteilen, was die Besucherinnen und Besucher an diesem Themenbereich interessiert. Ihre Kommentare und Beiträge spannen die Themenagenda des Alpinen Museums ab und erweitern sie um persönliche Meinungen und Erinnerungen.

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Abbildung 3: Besucherplattform

Quelle: Alpines Museum der Schweiz

Dass diese beiden Plattformen, auf denen wir in der Ausstellung den Dialog mit dem Publikum gesucht haben, so gut funktioniert haben, ist bestimmt unter anderem der Komposition und der Positionierung innerhalb der Ausstellung zu verdanken. Die Besucherinnen und Besucher hatten bereits zahlreiche Objekte gesehen, sich Geschichten und eigene Erlebnisse dazu erzählt und sind von der Auslegeordnung zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Gezeigten herausgefordert worden. Auf den Plattformen schließlich war die Zeit reif, ihre Meinungen auch öffentlich zu machen. Die Ausstellung „Berge versetzen“ hat so zu einem Hin und Her, einem Dialog, zwischen Museumsinstitution und Publikum geführt. Aber auch zu einem Dialog zwischen unterschiedlichen Bereichen des Museums, zwischen Sammeln und Ausstellen. 

Vom Nutzen psychologischer Forschung für das Kunstmuseum Das multimediale Besucherinformationssystem EyeVisit P ETER G ERJETS

Die Rolle von Begleitinformationen zu Werken in Kunstmuseen und Kunstausstellungen wird immer wieder kontrovers diskutiert. Wird einerseits der mögliche Nutzen für das tiefere Verstehen der Werke bejaht, wird andererseits eine Beeinträchtigung des ästhetischen Genusses befürchtet. Ziel des Projekts EyeVisit1 ist es, basierend auf Forschungsergebnissen zum multimedialen Lernen eine digitale Lösung für dieses Dilemma zu

1

In the project EyeVisit, the Knowledge Media Research Center (KMRC) in Tuebingen and the Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig are developing a new visitor information system. The main idea of this project is to combine a large, collaboratively usable multitouchtable with smartphones and tablets, which can be used individually. The aim is to design this combination in a way that visitors can retrieve specified information according to their interests before, during or after visiting the exhibition. The project EyeVisit combines psychological research methods and findings in the fields of Psychology, Art History and Computer Science, including visitor studies in a newly developed “living lab”, an art gallery designed for research studies. EyeVisit investigates what kind of information a museum visitor wants, and when and how this information should be made available.

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entwickeln, bei der jeder Besucher individuell bestimmen kann, wie viele und welche Informationen er zu den Kunstwerken einer Ausstellung erhält. Untersuchungen belegen, dass sich Besucher in Museen und Ausstellungen generell Informationen zu den Exponaten wünschen. Zusätzliche Erklärungen werden nicht als Konkurrenz oder Widerspruch zum ästhetischen Erlebnis empfunden, sondern vielmehr als hilfreich.2 Allerdings wünschen sich Besucher unterschiedlich ausführliche und differenzierte Informationen. Das Museumspublikum will selbst entscheiden, zu welchem Werk oder Thema es vertiefende Erklärungen bekommt und wie ausführlich diese Erklärungen sein sollen. Dieser Informationsbedarf wird auf unterschiedliche Weise gedeckt: durch Führungen, durch Texttafeln am Exponat, durch Audio-Guides und seit geraumer Zeit auch durch digitale Informationstechnologien. Die Sorge um die Ausschließlichkeit der Exponate oder die Angst vor einer Verselbstständigung der digitalen Medien im Museum scheint dabei zunehmend der Vergangenheit anzugehören.3 Wie aber kann ein digitales Besucherinformationssystem aussehen, das beispielsweise in einem Kunstmuseum die vielfältigen Informationsbedürfnisse der Besucher befriedigt? Das sogar den unterschiedlichen Kenntnisstand und auch die soziale und räumliche Situation in Rechnung stellt? Hat ein einzelner Besucher nicht möglicherweise andere Informationsbedürfnisse als eine Schülergruppe? Interessieren direkt vor dem Kunstwerk nicht andere Dinge als im Foyer vor oder nach dem Ausstellungsbesuch? Und wie kann die nötige Informationsvielfalt in eine digitale Form gegossen werden, die den Besucher nicht mit schwer verständlichen Bedienelementen und Auswahlmöglichkeiten überfordert oder gar verärgert? Diese und ähnliche Fragen werden in einem von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Kooperationsprojekt thematisiert, in dem das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen, das Institut für Informatik der Universität Tübingen und das Herzog Anton Ulrich-Museum (HAUM) in Braun-

2

J. Elbert Temme: Amount and kind of information in museums: Its effects on visitors satisfaction and appreciation of art. In: Visual Arts Research, 18 (2), 1992, S. 74–81, hier S. 74.

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Anja Wohlfromm: Museum als Medium. Neue Medien in Museen. Überlegungen zu Strategien kultureller Repräsentation und ihre Beeinflussung durch digitale Medien. Köln 2005.

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schweig eng zusammenarbeiten. Ziel des Projektes ist die Entwicklung des niederschwelligen Besucherinformationssystems EyeVisit, das es den Besuchern erlauben soll, mittels gestischer Steuerung auf einfache und intuitive Weise multimediale Informationen zu den ausgestellten Kunstwerken abzurufen. Das IWM untersucht als ein außeruniversitäres Forschungsinstitut den Wissenserwerb und die Wissenskommunikation mit digitalen Medien aus einer psychologischen Perspektive und entwickelt zusammen mit dem Institut für Informatik der Universität Tübingen innovative Interaktionsformen für digitale Informationsangebote. Das Braunschweiger Museum gehört mit seinen rund 190 000 Werken aus über 3000 Jahren auf den Gebieten Gemälde, Skulptur, Grafik und Angewandte Kunst zu den renommiertesten Sammlungen seiner Art in Deutschland und zu den ältesten Museen Europas. Eine mehrjährige Generalsanierung des Hauptgebäudes wird genutzt, um im Rahmen des EyeVisit-Projekts ein neuartiges Besucherinformationssystem zu entwickeln und einzuführen.

D AS B ESUCHERINFORMATIONSSYSTEM E YE V ISIT Im Zentrum von EyeVisit steht der Einsatz aktueller digitaler Technologien wie Smartphones, Tablets und Multi-Touch-Tische für Zwecke der Besucherinformationen. Durch ihre berührungssensitiven Bildschirme können sie mittels Gesten bedient und gesteuert werden. Die Geräte stehen dabei nicht für sich allein, sondern können auch miteinander vernetzt werden, z.B. indem man ein Smartphone auf einen Multi-Touch-Tisch legt und sich so Informationen von diesem Tisch lädt. Das Herzstück von EyeVisit bildet ein Multi-Touch-Tisch, der sowohl von Einzelbesuchern als auch von Besuchergruppen nutzbar ist. An dem Tisch können zu Beginn oder am Ende eines Ausstellungsbesuchs vertiefende Informationen zu den Ausstellungsinhalten und Exponaten abgerufen werden. Diese multimedialen Materialien – Texte, Abbildungen, Videos – können vom Besucher durch einfache und intuitive Steuergesten wie Drehen, Schieben oder Großziehen erkundet werden. Um die Bedienung möglichst einfach zu gestalten und eine digitale Überfrachtung zu vermeiden, wurde die Anzahl von Schaltflächen und Informationsebenen drastisch be-

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schränkt. Fast alle Funktionalitäten sind über Steuergesten aufrufbar, so dass eine komplexe Menüstruktur überflüssig ist. Abbildung 1: EyeVisit

Quelle: Institut für Wissensmedien, Tübingen

Jedes Exponat erscheint auf dem Tisch als vergrößerbares Bild, das umgedreht werden kann. Auf dessen Rückseite befinden sich Themenkarten mit vertiefenden Erläuterungen und Veranschaulichungen zu einer Reihe von Inhalten. Sie reichen von Künstlerbiografien über historische Vorbilder bis hin zum Umgang mit Licht und Komposition: Keine langen linearen Texte, vielmehr medienadäquat aufbereitete kurze Textpassagen angereichert durch zusätzliches Bild-, Karten- und Filmmaterial liefern den schnellen Zugriff zur gewünschten Information. Fachvokabular wird auf Wunsch mit ‚Pop-Ups‘ (eingeblendeten Sprechblasen) erklärt, mittels grafischer Überblendungen werden wichtige Bildelemente und Kompositionsprinzipien veranschaulicht. Zudem lassen sich bedeutsame Details von Kunstwerken per Berührung vergrößern und kommentieren. Neben geschriebenem Text enthält das System auch Audioelemente, Animationen und dreidimensionale Darstellungen, die wirklichkeitsnahe und erlebnisorientierte Erfahrungen erlauben.

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Abbildung 2: Themenkarten

Quelle: Institut für Wissensmedien, Tübingen

Insgesamt unterscheidet sich das System deutlich von herkömmlichen Computerterminals. Es erinnert in Aufmachung und Bedienung an das Stöbern in vielfältigen Materialien, die auf einem großen Bibliothekstisch ausgelegt sind. Ähnlich wie bei echten Tischen lässt auch der Multi-TouchTisch eine gleichzeitige Nutzung durch mehrere Personen zu. Der Multi-Touch-Tisch kann zusammen mit mobilen Endgeräten auf zwei Arten genutzt werden: Vor dem Ausstellungsbesuch kann sich der Besucher mit der Anwendung EyeGuide eine individuelle Führung zusammenstellen, die er anschließend auf ein mobiles Gerät (z.B. ein Smartphone oder Tablet) lädt, das ihn auf seinem Rundgang durch die Ausstellung begleitet. Nach der Besichtigung beantwortet der Tisch Fragen zu den Exponaten. Dazu sammelt der Besucher in der Anwendung Fundstücke interessierende Kunstwerke bei seinem Gang durch die Ausstellung mit Hilfe seines mobilen Gerätes per Knopfdruck ein. Darüber hinaus ist der Tisch auch in zwei museumspädagogische Anwendungen eingebunden, die auf eine gemeinsame Erschließung von Ausstellungsinhalten durch Besuchergruppen (vor allem Schüler) abzielen. In einer der Anwendungen werden (Schüler-)Gruppen dazu angeregt, verschiedene Kunstwerke der Ausstellung in angeleiteter Weise miteinander zu vergleichen. In der zweiten Anwendung können an dem Tisch gemein-

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schaftlich Videos über die Ausstellung erstellt und bearbeitet werden, die beispielsweise im Unterricht für Referate verwendet werden können.

K UNSTGESCHICHTE , I NFORMATIK – UND P SYCHOLOGIE ! Was zeichnet das EyeVisit-Projekt gegenüber ähnlichen Vorhaben aus, die interaktive Tische und mobile Multimediageräte im Museum einsetzen? Ein wesentliches Merkmal besteht darin, dass hier nicht nur Fachleute aus Kunstgeschichte und Informatik zusammenarbeiten, sondern vor allem auch ein intensiver Einbezug von Forschungsergebnissen und Methoden aus der Psychologie stattfindet. Worin könnte dieser psychologische Mehrwert bestehen? Einige konkrete Beispiele aus dem EyeVisit-Projekt sollen diesen erläutern.

Analyse von Informationsbedürfnissen: Was vermitteln? Welche Informationen sollen in welchem Umfang und Format in das Besucherinformationssystem aufgenommen werden? Voraussetzung für die Akzeptanz und Effektivität von Besucherinformationssystemen ist es, dass sie auf Wissensbedürfnisse und Vorwissen der verschiedenen Nutzergruppen zugeschnitten sind. Ein Teilprojekt von EyeVisit konzentriert sich daher auf die Besucherforschung: die Erhebung und Analyse des ausstellungsbezogenen Informationsbedarfs relevanter Zielgruppen (z.B. Schulklassen, interessierte Laien, Fachexperten) zu verschiedenen Zeitpunkten (vor / während / nach dem Ausstellungsbesuch). Diese Analysen von Zielgruppen und Kontexten der Informationspräsentation bilden die Grundlage für die Festlegung der Inhalte, die auf dem Multi-Touch-Tisch und auf den mobilen Endgeräten verfügbar gemacht werden. Methodisch nutzt das Teilprojekt eine Kombination von systematischen Beobachtungen, Interviews und Fragebögen zur Erhebung von Informationsbedürfnissen. So wurde eine Besucherbefragung im Herzog Anton Ulrich-Museum durchgeführt, an der 300 Besucherinnen und Besucher teilnahmen. Sie wurden zu ihren individuellen Wünschen im Hinblick auf Thema, Zeitpunkt und Umfang der Zusatzinformationen zu den jeweiligen

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Exponaten befragt und um die Selbsteinschätzung von Kunstinteresse und Kunstexpertise, die Auflistung ihrer fünf beliebtesten Exponate und etliches mehr gebeten. Anhand der gewonnenen Daten war es möglich, ein Interessensprofil der Ausstellung zu erstellen, das abbildet, welche Werke bei wem auf besonderes Interesse stießen und welche Erläuterungen zu diesen Werken gewünscht wurden. Die Interessenlage erwies sich als sehr heterogen: Besucher wünschten sich unterschiedlichste Informationen zu unterschiedlichen Kunstwerken. Interessanterweise äußerten Menschen, die bereits über ein umfassendes Kunstwissen verfügten, einen größeren Informationsbedarf als solche, die nur wenige Vorkenntnisse hatten. Viele bevorzugten Informationen während des Museumsbesuchs direkt am Kunstwerk.

Analyse von Vermittlungsmedien: Womit vermitteln? Ein zweiter Forschungsbereich betrifft mögliche Vermittlungsmedien und Präsentationsformen. Wir haben uns hier zunächst auf den Wunsch nach Informationen direkt am Kunstwerk konzentriert. Zusammen mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum wurde am IWM eine Experimentalausstellung als ‚Living Lab‘ konzipiert. Hier werden unter realistischen Bedingungen empirische Studien durchgeführt, sodass die in Museen häufig unsystematischen und episodenhaften Beobachtungen zum Besucherverhalten konkretisiert und analysiert werden können. Derzeit untersuchen wir, welchen Einfluss die Art der Erläuterung am Kunstwerk (Texttafel – Audio-Guide – iPad) auf den Wissenserwerb und das ästhetische Urteil über die Kunstwerke hat. Bevorzugen die Teilnehmer statt einer Informationstafel neben dem Exponat einen Audio-Guide, da so der Blick während der Erläuterung auf dem Gemälde verweilen kann? Welchen Einfluss hat die Benutzung eines mobilen iPads auf den Wissenserwerb? Wirkt die selbstgesteuerte Exploration verstehensförderlich, oder lenkt die Technik vom Kunstgenuss ab? Die Umfrage am HAUM belegt, dass intuitiv bedienbare mobile Multimedia-Guides, die unterschiedlich umfangreiche Informationen anbieten und in die Ausstellung mitgenommen werden können, eine sinnvolle Komponente eines umfassenden Besucherinformationssystems darstellen. Aber

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welche Art von mobilem Endgerät und welcher Informationsumfang sind dabei optimal? Für eine entsprechende Besucherstudie am HAUM haben wir einen eigenständigen Multimedia-Guide für die aktuelle Sonderausstellung „Epochal“ konzipiert, und zwar sowohl für ein Tablet (iPad) als auf für ein Smartphone (iPhone). Die „Epochal“-App kann im Apple iTunes-Store kostenlos bezogen werden. Sie enthält neben 120 Texten und hochauflösenden Abbildungen aus dem Katalog ca. 40 Audiosequenzen, ein Video und zwei Rundumansichten. Die Navigation erfolgt über eine Übersichtsdarstellung, eine Zeitleiste und einen Lageplan der Ausstellung. Um die Konzeption und die Benutzerfreundlichkeit zu überprüfen, wurden die aktuellen Designentwürfe für die beiden verschiedenen Multimedia-Guides in einer Studie in der „Epochal“-Ausstellung in Braunschweig genauer untersucht. Die Besucher hatten die Wahl, ob sie eine kostenlose Informationsbroschüre oder eines der beiden mobilen Endgeräte mit ins Museum nehmen. Von den knapp hundert Teilnehmern der Studie entschieden sich etwa 90 Prozent für ein mobiles Endgerät mit Zusatzinformationen. Unabhängig von Geschlecht und Alter der Besucher wurde das Tablet doppelt so oft ausgewählt wie das Smartphone. Beide Geräte wurden von den Besuchern überwiegend als verständnisfördernd, leicht bedienbar und nicht störend empfunden. Bezüglich Handlichkeit und möglicher Ablenkungspotenziale wurde das (kleinere) Smartphone tendenziell besser bewertet. Die Besucher zeigten ein breites Interesse an den Zusatzinformationen, die durch die mobilen Endgeräte direkt in der Ausstellung bereitgestellt werden. Die Studie zeigte auch, dass die Besucher beim Einsatz und der Nutzung mobiler Endgeräte kaum technische Schwierigkeiten haben.

Kognitives und motivationales Design: Wie vermitteln? Wie müssen digitale Informationsangebote aufbereitet werden, damit sie Interesse wecken und verstanden werden? Im EyeVisit-Projekt verwenden wir psychologische Theorien der Kognition und Motivation, um gezielt im Sinne des Besuchers die Besonderheiten digitaler Medien einzusetzen: von nichtlinearer Verknüpfung über Multimedialität bis hin zu Interaktivität. Dadurch soll die Nutzung vereinfacht, Interesse unterstützt und ein lernförderlicher Prozess angeregt werden.

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Das Theorienspektrum reicht dabei von Modellen zum Textverstehen über Ansätze des Multimediadesigns bis hin zu Theorien vernetzter Informationsangebote. Sie dienen uns dazu, geeignete Text-Bild-Kombinationen und Informationsverknüpfungen festzulegen, die ein tieferes Verstehen ermöglichen, ohne dass Besucher sich im Informationsdickicht verlieren4. Besucherstudien im Museum und im Labor dienen dazu, verbale und visuelle Inhalte und Darstellungsformen in ihrer Gestaltung so auf den Erfahrungshorizont von Besuchern abzustimmen, dass Überforderungen vermieden werden und eine durchgehende Erfahrung eines intuitiven und niederschwelligen Zugangs entsteht. Für informelle Lernsituationen wie Museen und Ausstellungen ist zudem wichtig, dass ein Informationsangebot nicht nur von der Verstehbarkeit, sondern auch von seinen motivationalen Eigenschaften her an Besuchervoraussetzungen angepasst ist. Wir orientieren uns hier an dem klassischen ARCS-Modell (Attention – Relevance – Confidence – Satisfaction) des motivationalen Designs,5 nach dem ein Informationsangebot in verschiedenen Rezeptionsphasen unterschiedliche Motivationsaspekte unterstützen sollte: So müssen Informationen zunächst einmal die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich ziehen. In EyeVisit dienen verbale und visuelle ‚Teaser‘ und Fragen diesem Zweck. Im nächsten Schritt müssen Besucher die Inhalte als für sich bedeutsam wahrnehmen. Dies wird von EyeVisit unterstützt, indem die Inhalte mit aktuellen oder persönlich relevanten Themen verbunden werden. Hierfür nutzen wir eine inhaltlich breite Palette von Themenkarten auf den Bildrückseiten. Im Zuge der weiteren Verarbeitung ist es wichtig, dass Besucher zuversichtlich bleiben, sich die Inhalte auch wirklich kompetent aneignen zu können. Dies wird in EyeVisit durch verständlich und kohärent formulierte Texte, durch Pop-Ups für Fachvokabular und durch zusätzliche visuelle Erschließungshilfen gewährleistet. Ein letzter motivationaler Aspekt ist das Gefühl der Zufriedenheit mit der verstandenen Information. Wir versuchen in EyeVisit daher, nur solche Informationen aufzunehmen, die für den Besucher einen ‚Sinn‘ haben könnten,

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Richard E. Mayer (Hg.): The Cambridge handbook of multimedia learning.

5

John M. Keller / T.W. Kopp: An application of ARCS model of motivational

Cambridge 2005. design. In: Charles M. Reigeluth (Hg.): Instructional theories in action. Lessons illustrating selected theories and models. Hillsdale 1987, S. 289-320.

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indem sie ihm neue Erkenntnisse, Sichtweisen oder Zusammenhänge vermitteln.

I NTERAKTIONSDESIGN : N ÜTZT U MGANG MIT I NFORMATION ?

KÖRPERLICHER

Interaktive Oberflächen wie Multi-Touch-Tische, Tablets und Smartphones werden nicht über Maus und Tastatur, sondern direkt mit den Händen gesteuert – über Berührungen und Gesten. Deshalb ist es für uns von Interesse, welche Rolle ein direkter und unvermittelter körperlicher Umgang mit visuellen Informationsmaterialien für eine niederschwellige Erschließung von Kunstwerken und deren vertiefte Verarbeitung spielen könnte. Derartige Fragen werden gegenwärtig in der psychologischen Forschung zu verkörperlichtem Denken (Embodied Cognition) untersucht. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bereits einfache Gesten einen nachhaltigen Einfluss auf Denken und Verstehen haben können. Abbildung 3: Menschen am Multi-Touch-Tisch

Quelle: Institut für Wissensmedien, Tübingen

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In einer experimentellen Studie mit Kunstwerken aus Barock und Renaissance haben wir untersucht, ob die Verwendung unterschiedlicher Steuergesten auf dem Multi-Touch-Tisch einen Einfluss auf das Verständnis für unterschiedliche Kunstepochen hat. Versuchspersonen sollten in einer Klassifikationsaufgabe auf dem Multi-Touch-Tisch Fotos von Gemälden den beiden Epochen zuordnen. Dabei wurden die Fotos beim Klassifizieren von den Lernenden entweder durch kontinuierliches Schieben des Kunstwerks in einen dafür vorgesehenen Bereich auf dem Tisch oder durch direktes Antippen des Bereichs in die jeweilige Kategorie eingeordnet. Es zeigten sich deutlich bessere Lernergebnisse für die Einordnung durch eine Schiebegeste. Diese Geste entspricht nicht nur der aus dem vordigitalen Alltag vertrauten Geste des Sortierens von Objekten auf Stapel, sondern sie bewirkt auch eine ‚handnahe‘ Verarbeitung des Kunstwerks, wohingegen das Tippen auf den Bereich der Kategorie eine räumliche Distanz zwischen der Hand des Lernenden und dem zu verarbeitenden Kunstwerk schafft. Dieses Ergebnis stimmt mit Befunden aus der psychologischen Grundlagenforschung überein, denen zufolge eine ‚handnahe‘ Verarbeitung visuellräumlicher Informationen mit einer besseren Aufmerksamkeit und Verarbeitungsintensität einhergeht als eine handferne Verarbeitung.6 Derartige Erkenntnisse können auf digitalen interaktiven Oberflächen leicht umgesetzt werden und zeigen das Potenzial einer ‚psychologischen Brille‘ für die Gestaltung von Besucherinformationssystemen im Kunstmuseum.

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AND BEYOND

Ein wichtiger Aspekt des EyeVisit-Projektes ist neben dem interdisziplinären Austausch von Kunstgeschichte, Informatik und Psychologie auch der Austausch mit anderen Museen über sinnvolle Einsatzformen digitaler Medien in Dauer- wie Sonderausstellungen. Dazu hat das IWM einen Workshop zur Rolle von digitalen Medien in Museen ausgerichtet, zu dem Museumspädagogen, Kuratoren, Szenografen und Architekten führender deutscher Museen eingeladen waren. Diskutiert

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James R. Brockmole / Christopher C. Davoli / Richard A. Abrams / Jessica K. Witt: The world within reach: Effects of hand posture and tool-use on visual cognition. In: Current Directions in Psychological Science, 22, 2013, S. 38-44.

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wurden museumspädagogische und museumspsychologische Konzepte sowie die Akzeptanz digitaler Medien in Museen und ihre Wirkung auf Besucher. Deutlich wurden die Vielfältigkeit und Bandbreite der Absichten des Medieneinsatzes. Medien werden genutzt als Informationslieferant, sind aber genauso Teil einer Inszenierung, werden als spielerisches oder interaktives Element eingesetzt, oder unterstützen das Objekt bei der Rekontextualisierung. Kontrovers wurde diskutiert, wie unterhaltend Informationen aufbereitet werden sollten, wie viel Komplexität den Benutzern zugemutet werden kann, wie stark ein sozialer Austausch möglich sein sollte, und ob nicht durch Medien ein hohes Maß an Ästhetisierung und Nivellierung stattfindet. Durchgängig wurde eine hohe Akzeptanz von Medien im Museum beobachtet, allerdings zumeist auf Basis unsystematischer Beobachtungen. Für eine psychologische Perspektive auf digitale Medien im Museum lässt sich aus den Ergebnissen des Workshops einerseits schlussfolgern, dass neben der in EyeVisit adressierten Besucherinformation auch noch ganz andere Absichten des Medieneinsatzes im Museum einer psychologisch-theoretischen Aufarbeitung harren. Andererseits wird das hohe zukünftige Potenzial psychologischer Methoden der Besucherforschung im Bereich der Akzeptanz und Wirkung digitaler Medien im Museum deutlich. Die Allianz von Kunstgeschichte, Informatik und Psychologie sieht damit aus unserer Sicht einer ebenso interessanten wie vielfältigen Zukunft entgegen.

All these (museum-)communities Facebook / Twitter / Blogs… N INA G ORGUS

All these (museum)-communities - Der Titel hat so eine unterschwellige Konnotation von: auch das noch! Was sollen wir in den Museen noch alles tun, um auf uns aufmerksam zu machen? Und müssen wir denn jeden Trend mitmachen? Müssen wir uns um alles und jeden kümmern?1 Dem Internet werden oftmals Oberflächlichkeit, Redundanzen und Tunnelblicke vorgeworfen, sehen wir doch hier die Welt mit der auf uns abgestimmten Google-Brille. Der Daten- und Urheberschutz ist auch nicht immer gewährleistet. Und jetzt kommen auch noch die social media oder das sogenannte web 2.0 hinzu, die das Nutzerverhalten im Internet gravierend geändert haben. Die Anwendungen wie Facebook oder Twitter stehen für das Teilen von Inhalten wie Fotos, Videos oder Texten. Jede und jeder, der über den entsprechenden Zugang verfügt, kann aktiv mit gestalten, kommentieren und ergänzen – das in einem beeindruckenden Tempo. Und nun soll das auch noch mit dem Museum oder gar im Museum geschehen?

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Der Titel stammt aus organisatorischen Gründen von Thomas Brune und wurde gerne von mir übernommen. Die Vortragsform wurde weitgehend beibehalten, um Nachweise ergänzt und falls nötig, aktualisiert. Manches ist aber schon wieder überholt – das Feld der neuen Medien ist ein dynamisches!

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Vorbehalte gibt es einige: vor allem scheinen die virtuellen Möglichkeiten dem vermeintlich viel langsameren Tempo des Museums nicht zu entsprechen, da sie als zu oberflächlich oder zu wenig nachhaltig gelten. Die Vorbehalte kommen von vielen Seiten; eine Hauptkritik ist, und darauf weist Axel Vogelsang hin, dass die social media das „kontemplative Museumserlebnis verwässerten“2. Tun das die neuen Medien wirklich? Können sie nicht auch als Ergänzung oder Verlängerung des Museumserlebnisses dienen? Wie können die Inhalte, die so schön unter ‚user-generated content‘ firmieren, mit dem Museum eine fruchtbare Beziehung eingehen? Die eigentliche Frage lautet: Wie aktiv wollen wir im Museum eigentlich mit diesen sich stetig erweiternden Entwicklungen umgehen? In meinem Beitrag beleuchte ich, welches Potential diese neuen Formen des Dialogischen im Museum haben können. In meinen Ausführungen beziehe ich mich auf das historische museum frankfurt. Bei uns ist social media nicht allein eine Presse- oder Marketing-Angelegenheit, sondern ein kleiner Kreis von MuseumswissenschaftlerInnen kümmert sich darum.3 Ich möchte beschreiben, wie wir es mit wenigen Ressourcen dennoch schaffen, uns hier zu positionieren und warum wir es wichtig finden, dies über die eigentliche Arbeit hinaus auch noch zu erledigen.

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BRAUCHEN I NHALTE

Um kurz zu beschreiben, um was es sich bei den digital-basierten Kommunikationskanäle und Anwendungen eigentlich handelt, beziehe ich mich auf Wikipedia – nach eigener Beschreibung selbst ein „Kollektivprojekt“. Zu

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Axel Vogelsang: The Revolution will be Televised. Social Media und das partizipative Museum. In:Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli, Sibylle Lichtensteiger (Hg.): Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld 2012, S. 203-212, hier S. 207.

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Seit März 2013 gibt es im historischen museum frankfurt eine eigene Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, so dass sich die Lage etwas entschärft hat.

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den social media gehören „Blogs und Mikroblogs (z. B. Twitter), Content . Communities (z. B. YouTube), soziale Netzwerke (z. B. Facebook)“4 Social-media-Anwendungen sind nicht neu, haben sich aber vor allem in den letzten Jahren im Alltag rasant ausgebreitet. Einige, vor allem jüngere Generationen, begeistert das und goutieren die Entwicklungen vielleicht auch unkritisch, während andere noch damit hadern oder diese Kommunikationsformen schlichtweg ablehnen. Bei den web 2.0-Anwendungen geht es nicht allein um das Aussenden von Inhalten, sondern vielmehr um das Dialogische, um eine besondere Form der Kommunikation und Beziehungspflege. Mittlerweile nutzen viele Museen eines der web-2.0-Anwendungen wie Facebook, Twitter oder den Videokanal YouTube für eigene Zwecke. Museen im deutschsprachigen Raum liegen weit hinter englischen und amerikanischen Museen. Es gibt dazu keine verlässlichen Zahlen; in der eigenen Wahrnehmung entdecken immer mehr deutsche Museen die neuen Medien für sich. Galt bis vor einiger Zeit das olympische Motto „Dabei-Sein ist alles“, geht es heutzutage aber schon mehr um gezieltere Maßnahmen und um einen bewussteren Umgang. Mittlerweile erleichtern auch einige mehr oder weniger gute Leitfaden den Einstieg gerade auch für den Museumsbereich.5 Es stehen sich sozusagen zwei Strategien oder gar Schulen gegenüber: Die erste besagt, zuerst eine digitale Strategie für das ganze Haus zu entwickeln und dann je nach den Zielen auch social media einzusetzen. Das ist sinnvoll und wichtig, da es auch bei der Nutzung von social media darum geht, die Kommunikationsstrategie des jeweiligen Hauses zu spiegeln. Die zweite Strategie neigt sich eher dem Modell ‚learning by doing‘ zu: Wenn die Strukturen dafür vorhanden sind – und über einen Computer mit Internetzugang verfügt eigentlich jeder im Büro – kann man aufgrund der einfachen Zugangsmöglichkeiten einfach loslegen. Ein anderer Punkt ist nämlich viel wichtiger: jemand muss sich dafür interessieren und es umsetzen.

4

Wikipedia-Artikel: social media,

[URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Social

_Media] abgerufen am 15.3.2013. 5

Vgl. stellvertretend: Hochschule Luzern (Hg.): Social Media für Museen. Ein Leitfaden zum Einstieg in die Nutzung von Blog, Facebook, Twitter & Co. Luzern 2011.

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Was machen wir? – Facebook Im historischen museum frankfurt war es uns im Juni 2010 regelrecht ein Bedürfnis, bei Facebook vertreten zu sein. Wir wollten mit dabei sein, um die geplanten umfassenden Veränderungen auf möglichst vielen Ebenen begleiten zu können. Neue Communities und ein jüngeres Image sollten sich entwickeln. Mit Veränderungen ist nichts weniger als die komplette Neuerfindung des Hauses gemeint: der Abriss des Betongebäudes aus den 1970er Jahren, die mittlerweile abgeschlossene Sanierung der Altbauten und der Bau eines für 2016 projektierten neuen Ausstellungshauses mit insgesamt rund 6.000 qm Ausstellungsfläche.6 Auf Facebook möchten wir uns als aufmerksame Beobachter der Stadt darstellen: Wir verweisen auf interessante Veranstaltungen bei uns oder im Stadtraum, verlinken Artikel oder Beiträge, die sich mit museumsrelevanten Themen beschäftigen – manchmal schreiben wir aber auch einfach nur über den Weihnachtsmarkt, der jedes Jahr unser Nachbar auf dem Römerberg ist. Das Niveau des Dialogischen variiert also stark und wir wundern uns mittlerweile nicht mehr darüber, dass gerade so alltagsnahe Themen wie eben der Weihnachtsmarkt mehr Resonanz als museumsrelevantere Themen bringt. Was machen wir? – Flickr Auf der Fotoplattform Flickr sind wir seit Mai 2011 vertreten. Anlässlich der großen Abrissparty des Betongebäudes begannen wir, nicht nur selbst gemachte Fotografien öffentlich zu sammeln, sondern wir haben Interessierte dazu eingeladen, die Plattform gemeinsam zu füllen. In regelmäßigen Abständen gehen engagierte FotografInnen mit uns gemeinsam über die Baustelle oder es erfolgen Einladungen zu besonderen Ereignissen wie der Transport großer Stücke oder Einbringung von Vitrinen. Die Bilder werden dann auf Flickr in eine Fotogalerie gestellt. Die neuen Fotos werden auto-

6

Jan Gerchow: Stadtmuseen im Zeichen der Globalisierung. Positionen für die Neukonzeption des historischen museums frankfurt. In: Museumskunde Band 77 2/2012, S. 55-59.

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matisch auf dem Museumsblog des historischen museums gepostet und sollen auch in Ausstellungen präsentiert werden. Was machen wir? – Twitter Seit März 2012 nutzen wir Twitter. Beim Microblogging-Dienst Twitter kann man in aller Kürze – 140 Zeichen sind möglich – Informationen (auch Fotos oder Filme) austauschen. Twitter ist ein Bereich, der sehr stark wächst: 825.000 deutschsprachige Twitteraccounts wurden Ende 2012 gezählt7; mittlerweile dürften das schon wieder mehr sein. In Deutschland twittern derzeit etwa 120 Museen und Ausstellungshäuser. Was ich an Twitter so schätze, ist der unproblematische und formlose Austausch mit anderen. Es geht hier nicht nur um das Aussenden von Informationen – z.B. Hinweise auf Ausstellungen oder Veranstaltungen, sondern mehr noch um die Interaktion mit anderen TwitterInnen. Man ‚unterhält‘ sich sozusagen auf Twitter. Es handelt sich um ein schnelles Medium – das heißt es handelt sich nicht um ein Dauergespräch, sondern um einen prägnanten, öffentlichen Austausch, in den sich alle einschalten können. Diese ‚Gespräche‘ sind wenig nachhaltig: Sie verschwinden nach einiger Zeit von der Timeline, da Twitter bislang kein Archiv anbot. Was machen wir? – Vimeo Den Videokanal Vimeo haben wir anlässlich einer Ausstellung im Juli 2012 eingerichtet. Gerne würden wir hier mehr machen. An Ideen mangelt es nicht, aber an der Zeit und vor allem an den Möglichkeiten, schöne Filme zu produzieren. Wenn man kein Material hat, ist es vielleicht nicht so ratsam, sich dann so reduziert zu präsentieren.8 Ich plädiere deshalb eigentlich dafür, nicht jeden Trend mitzumachen, sondern nur das anzufangen, was man realistischerweise auch schaffen kann.

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Vgl. Bericht auf Blog, [URL: http://webevangelisten.de/825-000-twitteraccounts -auf-deutsch/] zuletzt abgerufen am 19.2.2013.

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Mittlerweile sind einige Filme in Produktion.

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Was machen wir – nicht? Wir leben also auch mit vielen Defiziten. Was wir aus Zeit- und Personalgründen im Moment nicht ausschöpfen können, sind die interaktiven Möglichkeiten, die die neuen Medien bieten und wie diese etwas andere Museen nutzen. Berühmt sind etwa die Montagsfrage des NRW-Forums in Düsseldorf auf Facebook9 oder die Aktionen des Kölnischen Stadtmuseums auf Facebook, Objekte erraten zu lassen. Durch die Regelmäßigkeit wird eine große Aufmerksamkeit erzielt. Ständig Objekte erraten zu lassen, ist auch eine charmante Art, en passant die Sammlung vorzustellen. Sehr schön ist auch die Aktion des Universalmuseums Joanneum in Graz, mit der FranCard (freier Eintritt für „Berichterstattung“ in Anwendungen der socialmedia) sich im social media-Bereich neue Communities zu erschließen. Mehr geht also immer!

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BRAUCHEN

N ACHHALTIGKEIT

Bei all den schnelllebigen Medien ist es auch sinnvoll, im Internet so etwas wie eine Basis zu haben. Natürlich haben wir eine Homepage, die zuverlässig und aktuell informiert, zu den Sammlungen und Ausstellungen Auskunft gibt und uns immer als Basis dient. Für die gewisse Nachhaltigkeit im social-media-Bereich nutzen wir unsere Blogs. Damit verfolgen wir mehrere Ziele. Präsenz Im Februar 2011 haben wir einen Museumsblog eingerichtet, als die komplette Schließung des Hauses, der Abriss des Betonbaus und die Sanierung der Altbauten anstanden. Wir wollten einen Einblick hinter die Kulissen geben, uns über die Schultern schauen lassen, zeigen, was hinter den ge-

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Das NRW-Forum ist der Vorreiter in Sachen social media in Deutschland. Sebastian Hartman hat die diversen Aktivitäten gut zusammengefasst: The Social Museum #1: Das NRW-Forum in Düsseldorf. [URL: http://dermuseumsheld. wordpress.com/2013/03/27/the-social-museum-1-das-nrw-forum-in-dusseldorf/] zuletzt abgerufen am 27.3.2013.

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schlossenen Türen passiert, und das aus der Sicht von möglichst vielen MitstreiterInnen. Auch PraktikantInnen können bei uns bloggen. Die Vielstimmigkeit gelingt freilich nicht immer: Viele der KollegInnen wollten gar nicht öffentlich auftreten und andere hielten ihre Tätigkeiten für gar nicht so relevant. Man muss schon viel Überzeugungsarbeit leisten. Auch wenn nicht alle mitmachen, läuft der Blog gut; wir veröffentlichen zwei bis drei Beiträge pro Woche. Auch Blogs können durch die Kommentarfunktion dialogische Formen annehmen – nur der Dialog erfolgt unserer Erfahrung nach nicht bzw. sind die Zahlen der Kommentare nicht überwältigend. Dafür kommen wirklich interessierte Nachfragen. Und wir sehen an der Statistik, dass der Blog immer mehr an Beliebtheit gewinnt.10 Archiv Die Blogbeiträge funktionieren auch wie ein großes Bild- und Textarchiv. Indem wir Einblicke in unsere Arbeit gewähren, dokumentieren wir die Tätigkeiten zugleich sichtbar und vor allem gut recherchierbar für uns selbst. Ein klassisches Beispiel sind die Objektrecherchen für die geplanten neuen Dauerausstellungen: Indem wir die von uns bearbeiteten Objekte vorstellen, legen wir sukzessive einen Fundus an, auf den wir selbst schnell zugreifen können. Plattform – Dialog Auch unser Ausstellungsformat „Stadtlabor unterwegs“ setzt Blogs zur Kommunikation ein. Im Stadtlabor werden Ausstellungen mit Gruppen und einzelnen Personen aus der Bevölkerung zu unterschiedlichen Themen umgesetzt. Parallel zu jeder Ausstellung wird ein Blog eingerichtet, in den sich

10 Wichtig ist auch die Verknüpfung der einzelnen Medien untereinander: unsere Blog-Besucherzahlen sind gestiegen, seit wir regelmäßig auf Facebook und auf Twitter auf die Blogbeiträge hinweisen. Ende des Jahres 2012 riefen wir zu einer Blogparade auf – mit einer großen Resonanz. Zum Thema Blogparaden vgl. Tanja Praske: 10 Tipps für die erfolgreiche Durchführung einer Kulturblogparade,

[URL:

http://www.tanjapraske.de/2013/03/12/10-tipps-fur-die-erfolg

reiche-durchfuhrung-einer-kultur-blogparade/] abgerufen zuletzt am 29.3.2013.

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jeder einbringen kann. Hier wird von uns dann auch über den aktuellen Stand informiert, da solche Projekte viele Menschen in unterschiedlichen Gesprächs- und Arbeitsformaten zusammen bringen. Die Beteiligung der teilnehmenden Co-KuratorInnen der Ausstellungen ist ganz unterschiedlich. Beim ersten Projekt Ostend/Ostanfang lief die Kommunikation über den Blog sehr rege; viele stellten viele Fotos in den Blog oder berichteten über ihre Planungen. Die Blogs bleiben auch über das Ausstellungsende hinaus im Internet zugänglich und bilden auf diese Weise ein mediales Archiv – neben der Dokumentation auf Papier.

3. D IALOGE

BRAUCHEN

R ÜCKBINDUNG

ANS

M USEUM

Anfang November 2012 konnte man im Feuilleton von „einer Hochkulturerfahrung im digitalen Zeitalter“11 lesen. Gemeint ist ein Treffen unter TwitterInnen im Museum; eine Veranstaltungsform, die unter Bezeichnungen wie TweetUp, MuseUp oder KultUp in diversen deutschen Institutionen stattfindet. Es handelt sich um eine Aktivität, die sich bei uns in Deutschland seit etwa einem Jahr von München aus verbreitet hat.12 Auch wir haben im Sommer 2012 eine Veranstaltung, die eine traditionelle Vermittlungsform des Museums mit einer social-media-Anwendung verknüpft, durchgeführt. Wir hatten über diverse Kanäle zu einer Preview in die neue Dauerausstellung Sammler und Stifter eingeladen. Teilnehmen konnte jeder, der über ein Smartphone oder ein Tablet verfügt und einen Twitter-Account besitzt. Von außen betrachtet, handelte es sich um eine ‚normale‘ Führung durch eine Kuratorin, näher betrachtet hatten alle Teilnehmenden ein Handy dabei und einen Aufkleber an Bluse oder Jacke, der den Twitternamen verriet. Vor Ort nahmen 13 TwitterInnen teil; insgesamt wurden knapp 400 Tweets,

11 Swantje Karich: Von Tweet zu Tweet. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.2012, Nr. 263, Z 4. 12 Vgl. Christian Gries: Twittern als kognitive Ressource im Museum. In: http://blog.iliou-melathron.de/index.php/2012/12/twittern-als-ressource/?utm_ source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+ilioumela thronde%2Ffeedrss2+%28iliou+melathron%29 19.2.2013.

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zum Teil mit Fotos, versendet und 55. 000 Accounts erreicht. Auch von weit weg konnte die Veranstaltung verfolgt werden, da sich die Tweets durch das Verwenden des Schlagwortes #Kultup gesammelt auf Twitter oder einer sogenannten Twitterwall darstellen lassen. Eine Twitterin aus München konnte so nicht nur alle Tweets verfolgen, sondern sich auch aktiv einschalten, Fragen stellen und kommentieren. Auf diese Weise entsteht eine Unterhaltung auf verschiedenen Ebenen. Wer meint, dass in den Tweets nur Belangloses steht, täuscht sich. Oft wird die Aussage der Kuratorin verkürzt wiedergegeben und mit einem Foto illustriert. Die Führung hatten wir nicht alleine organisiert, sondern mit Hilfe von zwei Beraterinnen, die das in München entwickelte Modell nach Frankfurt transferierten.13 Denn es ging nicht nur allein um die einmalige Führungssituation, sondern auch um öffentlich wirksame flankierende Maßnahmen vorher und nachher - wie eine Berichterstattung – auf Twitter selbst, auf diversen Blogs, auf Facebook, auch in den Printmedien und entsprechenden Tagungen. Im Vorfeld geht es darum, Personen zu mobilisieren und dann durch das Twitterevent miteinander zu vernetzen. Hinterher geht es darum, das ganze nochmals einzuordnen.14 Die Führung der besonderen Art war im August 2012 in Frankfurt noch einigermaßen neu – deshalb begleiteten uns auch eine Journalistin und ein Fotograf der Frankfurter Rundschau auf dem Rundgang. Als Fazit konnten wir feststellen, dass sich hier neue Medien und ein klassisches museales Vermittlungsformat sehr gut miteinander kombinieren ließen. Das Besondere im Unterschied zu einer ‚normalen‘ Führung ist die überregionale Beteiligungsmöglichkeit, die öffentlichkeitswirksame Vorund Nachbereitung. Es ist wohl eher so, dass zu einem TweetUp kulturaffine Menschen kommen, die vielleicht sowieso ins Museum gehen. Aber wären sie auch ohne den TweetUp zu uns gekommen? Die Twitter-Führung wirkte nicht nur nach Außen, sondern auch nach Innen: Twitter war bei vielen KollegInnen noch nicht richtig ‚angekommen‘. Der KultUp bewirkte, dass die KollegInnen sich aufgrund dieser Aktion nun auch dafür interessieren, was Twitter eigentlich ist und wie wir es im Museum nutzen.

13 Uns begleiteten Ulrike Schmid und Tanja Neumann, http://kultup.org/ 14 Vgl. dazu die verschiedenen Berichte auf unserem Blog: http://blog.historisches -museum-frankfurt.de/, besonders der Beitrag von Nina Gorgus: Rückschau #KultUp: was hat’s gebracht?

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Mittlerweile haben sich solche TweetUps in Museen als neue Veranstaltungsform regelrecht etabliert. Es scheint ein (städtisches) Publikum zu geben, das dieses Format der Führung schätzt und noch mehr: das sich gerne als Kommunikator für die jeweilige Institution betätigt. Hier ist noch viel Potential für die Museen vorhanden, das wir noch mehr nutzen sollten.

4. W ARUM SUCHEN DEN D IALOG ?

WIR AUF DIESE

W EISE

Wollen wir damit neue Zielgruppen erreichen, Communities bilden und pflegen, den Bekanntheitsgrad steigern und/oder das eigene Profil schärfen? Wir möchten von allem ein bisschen und natürlich noch viel mehr: Langfristig sind damit noch weitere Ziele verknüpft, die ganz konkret auch die ‚Neuerfindung‘ des Museum betreffen. Im „historischen museum“ sollte der Einstieg in die social mediaAnwendungen Teil eines Gesamtkonzepts sein; das sich auch Partizipation in der Museumsarbeit zu eigen macht: „In der Bevölkerung ist ein schier unerschöpfliches ‚Expertenwissen‘ über ihre Stadt vorhanden. Das Museum will diese individuelle Expertise abfragen und in die Museumsarbeit integrieren.“15 Das Expertenwissen fließt vor allem in die gegenwartsbezogenen Ausstellungen ein, die das Team rund um meine Kolleginnen Susanne Gesser und Angela Jannelli mit Co-KuratorInnen aus der Frankfurter Bevölkerung erarbeiten.16 Unter dem Namen „Stadtlabor unterwegs“ finden seit 2011 regelmäßig Ausstellungen an unterschiedlichen Orten Frankfurts statt. Später

15 Gerchow 2012, S.57. 16 2011 und 2012 fanden im historischem museum frankfurt und im Stapferhaus Lenzburg Tagungen zu Partizipation im Museum statt, die auch die verschiedenen Formen der Partizipation thematisiert. Vgl. den Tagungsband: Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli, Sibylle Lichtensteiger (Hg.): Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld 2012. Der Band ist auch deswegen interessant, weil die Formen der musealen Partizipation auch historisch beleuchtet .

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wird das Format in der Dauerausstellung „Frankfurt Jetzt!“ im neuen Ausstellungshaus des Museums beheimatet sein. Wie oben erwähnt, findet eine Form des Austausches unter den TeilnehmerInnen auf einem Blog statt. Für „Frankfurt Jetzt!“ sind einige Bereiche wie etwa ein großes Stadtmodell geplant, dessen Inhalte digital erschlossen werden kann. Zugleich ist jede/r eingeladen, die Inhalte selbst zu ergänzen. Damit folgen wir auch der amerikanischen Pionierin in Sachen partizipatorische Aktivitäten und social media im Museum, Nina Simon17 (2012), Leiterin des Santa Cruz Museum of Art & History in Kalifornien. Strategien im web 2.0 für das Museum zu nutzen, um BesucherInnen aktiv daran zu beteiligen, Inhalte zu generieren, scheint in amerikanischen Museen ganz gut zu funktionieren. Wir möchten solche Aktivitäten auch weiter entwickeln und das Museumswissen mehr im Internet teilen – etwa auch über eine Objektdatenbank, die direkte Kommentarfunktionen zulässt und einen Austausch zwischen den NutzerInnen ermöglicht. Hier sind wir in der Planung; Anregungen holen wir in erster Linie von englischen, australischen und amerikanischen Museen.

5. S CHLUSS Mir ging es darum, zu zeigen, wie neue Dialogformen im Museum auf der Basis von social-media-Anwendungen auch im kleineren Maßstab genutzt werden können. Ich hoffe, es wurde klar, dass ich mehr für Qualität und nicht für Quantität plädiere. Es geht nicht darum, möglichst viel in allen Kanälen auszusenden, sondern darum, gezielt zu kommunizieren und zu interagieren. Gerade social-media-Aktivitäten bieten sich auch für Museen an, die nicht über eine groß ausgeprägte personelle Struktur verfügen. Beispiele dafür sind das Heimatmuseum Neukölln mit der neuen Dauerausstel-

17 Nina Simon: Das partizipative Museum. In: Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli, Sibylle Lichtensteiger (Hg.): Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld, Transcript Verlag 2012, S. 95-108.

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lung 99 x Neukölln: alle Objekte der Ausstellung wurden ausführlich im Blog vorgestellt; das Altonaer Museum in Hamburg konnte etwa auf Facebook international gegen eine drohende Schließung Stimmung machen. Auch ein kleineres Museum wie das Alamannenmuseum in Ellwangen etwa ist durch die Aktivitäten im web 2.0 sehr präsent und über die Region hinaus bekannt. Oft verstehen Personen, die etwa auf Facebook oder Twitter viel unterwegs sind, dass wir aus dem Museum die neuen Medien generell so wenig nutzen. Häufig wird in den Museen argumentiert, dass es an Geld und Personal für bestimmte Projekte mangele und alles zu komplex sei.18 Das ist auch nicht von der Hand zu weisen, denn um die neuen Medien zu verstehen, muss man schon etwas Zeit aufbringen. Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass sich Nutzungsbestimmungen (etwa Bildrechte usw.) ändern können. Wenn man open-source-Anwendungen wie eine freie Blogsoftware nutzt, hat man hier sozusagen nicht automatisch das Hausrecht. Dennoch: die Entwicklungen sind im vollen Gange und die Museen sollten die Entwicklungen mehr für sich nutzen, um Sammlungen, Ausstellungen und andere Projekte vorzustellen. Als Ergänzung zu bestehenden Aktivitäten bieten näher betrachtet social media auch die Möglichkeiten, von denen die Museumsszene mindestens seit den 1970er Jahren schon redet: die Möglichkeit, viele zu erreichen, zu beteiligen, zu integrieren und das Museum für einen größeren Kreis zu öffnen. Vielleicht tun wir uns mit diesen Medien auch deshalb so schwer, da die Nutzung von social media auch für einen Wechsel steht: Sie lassen neue Kommunikationsformen, den Austausch und das Teilen von Wissen zu. Auf diese Weise geben wir im Prinzip Kompetenzen ab. Und das nicht nur nach Außen, sondern auch nach Innen, denn social-media-Aktivitäten erfordern auch besondere innere Strukturen in unseren Institutionen, wie flache Hierarchien, denn nicht jede Äußerung kann mit der Direktion abgestimmt werden.

18 Es sind aber mittlerweile viele BeraterInnen in Sachen social media unterwegs; ein fixe Größe in diesem Bereich bildet die seit 2001 stattfindende Museum and the Internet (MAI)-Tagung.

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Die Angst vor der „Verwässerung eines kontemplativen Museumserlebnis“ ist aber meines Erachtens unbegründet: Denn wenn wir den inhaltlichen Maßstab bestimmen, wie wir uns mitteilen, was wir teilen, also welche Dialoge wir führen wollen, geben wir ja die Marschroute vor.

Autorinnen und Autoren

Brückner, Uwe, Prof., Atelier Brückner, Krefelder Straße 32, 70376 Stuttgart Brune, Thomas, Museum der Alltagskultur, Schloss Waldenbuch, Außenstelle des Landesmuseum Württemberg, 71111 Waldenbuch Christensen, Lars K., Ph.D., Dänisches Nationalmuseum, Brede WorksMuseum der Industriekultur. I.C. Modewegsvej DK-2800 Kgs. Lyngby Gerjets, Peter, Prof. Dr., Leibniz-Institut für Wissensmedien, Schleichstraße 6, 72076 Tübingen Gorgus, Nina, Dr., Historisches Museum Frankfurt a. M., Fahrtor 2 (Römerberg), 60311 Frankfurt a.M. Hofmann, Nina, Museum der Alltagskultur, Schloss Waldenbuch, Außenstelle des Landesmuseum Württemberg, 71111 Waldenbuch Keller, Barbara, Alpines Museum der Schweiz, Helvetiaplatz 4, CH 3005 Bern Greci, Linda, Atelier Brückner, Krefelder Straße 32, 70376 Stuttgart Opalla, Yannick, Ludwig-Uhland-Institut Tübingen, Burgsteige 11 (Schloss), 72070 Tübingen

140 Ň HIN UND HER – DIALOGE IN M USEEN ZUR ALLTAGSKULTUR

Thiemeyer, Thomas, Prof. Dr., Ludwig-Uhland-Institut Tübingen, Burgsteige 11 (Schloss), 72070 Tübingen Von Stieglitz, Leo, Landesstelle für Volkskunde, Landesmuseum Württemberg, Schillerplatz 1, 70173 Stuttgart

Edition Museum Felix Ackermann, Anna Boroffka, Gregor H. Lersch (Hg.) Partizipative Erinnerungsräume Dialogische Wissensbildung in Museen und Ausstellungen 2013, 378 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-2361-1

Sophie Elpers, Anna Palm (Hg.) Die Musealisierung der Gegenwart Von Grenzen und Chancen des Sammelns in kulturhistorischen Museen März 2014, 218 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,99 €, ISBN 978-3-8376-2494-6

Katerina Kroucheva, Barbara Schaff (Hg.) Kafkas Gabel Überlegungen zum Ausstellen von Literatur 2013, 328 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2258-4

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Edition Museum Luise Reitstätter Die Ausstellung verhandeln Von Interaktionen im musealen Raum April 2015, ca. 250 Seiten, kart., farb. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2988-0

Ulli Seegers Ethik im Kunstmarkt Werte und Sorgfaltspflichten zwischen Diskretion und Transparenz Januar 2016, ca. 200 Seiten, kart., ca. 28,99 €, ISBN 978-3-8376-2625-4

Stapferhaus Lenzburg, Sibylle Lichtensteiger, Aline Minder, Detlef Vögeli (Hg.) Dramaturgie in der Ausstellung Begriffe und Konzepte für die Praxis Juli 2014, 134 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 19,99 €, ISBN 978-3-8376-2714-5

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Edition Museum Britta Hochkirchen, Elke Kollar (Hg.) Zwischen Materialität und Ereignis Literaturvermittlung in Ausstellungen, Museen und Archiven Februar 2015, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2762-6

Monika Kaiser Neubesetzungen des Kunst-Raumes Feministische Kunstausstellungen und ihre Räume, 1972-1987 2013, 298 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-2408-3

Museumsverband des Landes Brandenburg e.V. (Hg.) Entnazifizierte Zone? Zum Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus in ostdeutschen Stadt- und Regionalmuseen Februar 2015, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2706-0

Nadine Pippel Museen kultureller Vielfalt Diskussion und Repräsentation französischer Identität seit 1980 2013, 274 Seiten, kart., zahlr. Abb., 33,99 €, ISBN 978-3-8376-2549-3

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