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German Pages 649 [652] Year 2012
Johann Rist / Johann Schop Himmlische Lieder
Johann Rist / Johann Schop
Himmlische Lieder (1641/42) Kritisch herausgegeben und kommentiert von Johann Anselm Steiger Kritische Edition des Notentextes von Konrad Küster Mit einer Einführung von Inge Mager
Akademie Verlag
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Inhalt Himmlische Lieder Das Erste Zehen . . . . . . Das Ander Zehn . . . . . . Das Dritte Zehn . . . . . . Das Vierdte Zehn . . . . . Das Fünffte und letzte Zehn
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7 89 175 257 355
Die neuen Vorreden zur Ausgabe 1652 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rists Lieder und ihre literarischen Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . .
457 473
Anhang I
Anhang II Die der Edition zugrunde gelegten Drucke und deren Siglen . . . . . Liste der Emendationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synopse I: Himmlische Lieder 1641/42 und 1652 – Aufbau . . . . . . Synopse II: Himmlische Lieder 1641/42 und 1652 – Überschriften . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johann Rists ‚Himmlische Lieder‘. Eine Einführung (von Inge Mager) Editorischer Bericht zur Textedition (von Johann Anselm Steiger) . . Kritischer Bericht zur Notenedition (von Konrad Küster) . . . . . .
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547 549 552 554 563 567 577 580
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623 632 634 643 645 649
Register und Verzeichnisse Quellen- und Literaturverzeichnis Register der Liedanfänge . . . . . Register der Bibelstellen . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . Personenverzeichnis . . . . . . . . Dank . . . . . . . . . . . . . . . .
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Johann: Risten H. P.1
Himlischer Lieder Mit sehr anmuhtigen/ mehreren 5
theils von Herrn Johann: Schopen ge= setzten Melodeyen.
Das Erste Zehen. Lüneburg / Bey Johann vnd Heinrich Sternen2. 10
ANNO M. DC. XLI. |
1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Johann Stern (1582–1656) war seit 1611 im Verlag seines Vaters Hans Stern tätig, übernahm nach dessen Tod (1614) die Leitung des Betriebes, die er seit 1616 mit seinem Bruder Heinrich Stern (1592–1665) teilte. Benzing, S. 304. Reske, S. 570.
fol. A 1r
Dem Hochwürdigen in Gott/ vnd HochEdlen Herrn/
Herrn Hanß Heinrich von Haselhorst1/ Herrn von dem Hause/ Erwehlten vnd bestätigten Abten zu S. Michaël in Lüneburg/ Fürstl. Braunsch. Lüneb. vornehmsten LandRath/ Erb= herrn der Häuser Hermansburg vnd Oldendorff/ Meinem gnädigen Herrna.
H 5
10
Ochwürdiger in Gott/ Gnädiger Herr/ Es ist aus den Himlischen
Büchern/ so wol Alten als Newen Testaments/ Gottliebenden Christen sehr wol bekandt/ daß die Heiligen Gottes/ wenn ihnen viel grosse Wolthaten von dem Allerhöhesten wiederfahren/ jhre schüldige Danckbarkeit in deme/ daß sie herrliche schöne Lieder vnd LobPsalmen dem Geber alles Guten zu Ehren getichtet vnd gesungen/ haben erwiesen/ sehen vnd spüren lassen. Da Moyses/ ein Fürste in Jsrael das Volck Gottes durch das rohte Meer geführet/ vnd gleichsam dem grimmigen Tode aus dem Rachen gerissen/ dagegen aber die erschreckliche Straffe an den b Tyrannen Pharao vnd seinen Egyptern gesehen hatte 2/ da sprach er bald: Jch wil dem HErrn singen/ denn er
hat eine herrliche That gethan/ Rosse vnd Wagen hat er ins Meer gestürtzet 3.c
Da die großmühtige Jsraelitische Heldin die Debora mit des Cananitischen Königes Feld=Häuptmann dem Sissera hatte gestritten/ vnd einen herrlichen
a In C findet sich eine neue Widmungsvorrede (vgl. u. Textanhang, S. 457–465). b den] B statt dessen: dem c Marginal: Ex. 15. 1 Johann Heinrich von Haselhorst (1582–1642), 1596–1603 Besuch der Schule des Michaelisklosters zu Lüneburg, anschließend Studium in Wittenberg, Helmstedt und Leipzig, 1613 Kammerjunker des Grafen von Oldenburg, 1618 Eintritt in den Konvent des Lüneburger Michaelisklosters, seit 1623 Ausreuter (vgl. S. 457, Anm. 4), seit 1629 Abt ebd. Vgl. Gebhardi, S. 29 f. sowie von WeyheEimke, S. 220–240 und zur Geschichte des Klosters überdies Faust, S. 325–348. 2 Vgl. Ex 14,5–31 3 Ex 15,1
fol. A 2r
10 fol. A 2v
Das Erste Zehen
Sieg erhalten 4/ da sang sie aus frewdigem vnd | danckbarem Hertzen: Lobet
15
Der vnerschrockene Kämpffer David/ der Mann nach dem Hertzen vnd Willen Gottes/ als jhn der HErr errettet hatte von der Hand Sauls vnd aller seiner Feinde6/ da ließ er bald diß schöne Lob= vnd DanckLied erklingen: Der
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den HErrn/ daß Jsrael wieder frey ist worden/ vnd das Volck willig dazu gewesen ist 5.d
HErr ist mein Felß/ meine Burg vnd mein Erretter 7.e
Da der fromme König Hißkias sehr kranck darnieder gelegen/ vnd der Herr jhn aus so grosser Schwachheit hatte errettet8/ da sang er frölich: HErr
hilff mir/ so wollen wir meine Lieder singen so lange wir leben im Hause des HErrn9.f
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klinget jhm mit Cimbeln/ Singet jhm ein newes Lied/ seyd frölich/ vnd ruffet an seinen Namen11.g
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Da die tappffere Fürstinne Judith dem Holofernes das Häupt abgerissen/ vnd dadurch jhr hochbedrängetes Volck aus der allergrössesten Gefahr hatte erlöset10/ da sang sie mit Frewden: Spielet dem HErrn mit Paucken/ vnd
fol. A 3r
Vnd wer ist wol in heiliger Schrifft so gar vnbewandert/ der nicht wisse/ mit was herrlichen Liedern die gottesfürchtige Hanna/ des Samuels Mutter12/ die drey Männer im FewerOfen13/ der fromme Tobias14/ der Priester Zacharias15/ der alte Simeon16/ die Mutter Gottes selber17/ vnd vieleh andere heilige Leute/ soi Weiber als Männer den Allerhöhesten für seine grosse Gutthaten gepriesen/ vnd seinen heiligsten Namen herrlich gerühmet haben? Eine über alle massen fröliche Zeit muß gleichwol dazumal seyn gewesen/ als der trefflichste vnter den | Jsraelitischen Königen/ der David/ vnd nach jhm sein Sohn Salomon in Jsrael das Regiment geführet/ da wir vnter andern grossen Glückseligkeiten selbiger Regierung auch die überaus schöne Music zu betrachten haben/ welche sie durch jre in der Singekunst hocherfahrne Meister anfänglich in der Hütten des Stifftes/ hernach aber in dem allerheiligsten vnd kostbarsten Tempel zu Lobe des allerhöhesten Gottes haben anstellen/ vnd mit des gantzen Volckes hertzlicher Begnügung18/ Frolocken vnd Wolgefallen/ ins Werck richten lassen. O wie mag doch manchem Gottliebenden Menschen das Hertz für Frewden gesprungen vnd gelachet haben/ wenn die kunstreiche Königliche Capellmeid Marginal: dic. 5. B statt dessen: Jud. 5. e Marginal: 2. Sam. 22. B statt dessen: 1. Sam. 22. (Erratum) f Marginal: {E}sa. 38. g Marginal: Judith. 16. B statt dessen: Jud. 16. h viele] B statt dessen: viel i B zusätzlich: wol 4 Vgl. Ri 5,1–31 5 Ri 5,2 6 1Sam 13,14; 2Sam 22,1 7 2Sam 22,2 8 Vgl. Jes 38,1–8 9 Jes 38,20 10 Vgl. Jdth 13,1–10 11 Jdth 16,2 12 Vgl. 1Sam 2,1–10 13 Vgl. StDan 3,27–66 14 Vgl. Tob 13,1–22 15 Vgl. Lk 1,68–79 16 Vgl. Lk 2,29–32 17 Vgl. Lk 1,46–55 18 Begnügung] Vergnügen. In dieser Bedeutung nicht bei Grimm, DWb 1, Sp. 1303.
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Widmungsvorrede
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ster/ als der Assaph/ Heman j vnd Jedithun19/ so viel tausend heiliger Priester vnd Leviten/ auff Harffen/ Cimbeln/ Posaunen/ Psaltern/ Paucken vnd Drommeten20 haben spielen vnd blasen21/ die andern aber so wunderschöne himlische Lieder vnd außerlesene Psalmen mit lauter vnd frölicher Stimme/ in die/ theils frewdige/ theils liebliche Jnstrumenten singen lassen! Ja/ was wird es künfftig k eine vnaußsprechliche/ ja vnaußdenckliche Frewde vnd Herrligkeit seyn/ wenn wir im andern vnd ewigen Leben/ bey der Gesellschafft so vieler tausend himlischer Singer der lieben heiligen Engel vnd Außerwehlten Gottes vnsere gantz vollkommene Stimmen erheben/ vnd die allerheiligste Dreyfaltigkeit ohne Auffhören werden loben vnd preisen. Jn Erwegung dieses alles/ Gnädiger Herr/ habe auch ich etliche himlische Lieder/ theils durch Creutz vnd Leiden/ theils durch innerliche Frewde (welche beyde Stücke in diesem müheseligen Leben bey rechten Christen jhre stetige Vmb= | wechselung22 halten) angereitzet vnd getrieben/ nach recht Poetischer Art auffsetzen/ vnd zu Erweckung Christlicher Andacht nur allein für mich vnd in geheim gebrauchen wollen. Nach dem aber etliche gedachter Lieder anderen/ vnd zwar hohen Personen/ vnter welchen auch des Herrn Mißlicks/ Freyherrn von Hirschhof23 Gnade ohn gefehr24 in die Hände gerathen; Als haben selbige meine vielgeneigte Herren vnd Freunde/ insonderheit25 aber hochgedachter mein gnädiger Herr Mißlick (dessen treffliche Eigenschafften dermassen weit vnd breit berühmet/ daß auch der gifftige Neid26 selber jhn anzutasten/ oder zu meistern sich gäntzlich muß enthalten) gnädig/ gönstig vnd freundlich begehret/ daß selbige Christliche Poetische Arbeit auch andern gottseligen Hertzen durch offenen Druck möchte mitgetheiletl/ vnd Gottes Lob auch dißfalls27 jmmer weiter vnd mehr außgebreitet vnd vermehret werden. Diesem billichem28/ ja Christlichemm Begehren zu folge/ Gnädiger Herr/ habe ich zu diesem mal Das Erste Zehen/ vielgedachter Lieder/ mit jhren anmuhtigen Melodeyen (welche ein trefflicher/ vnd dieser Zeit in der Singekunst hochberühmter Mann/ auff etliche deroselben gesetzet/) für erstn dem Allerhöhesten zu Ehren/ denn auch allen Gott= Kunst= vnd Musicliebenden/ zu gönstigem vnd freundlichem Gefalleno/ heraus geben/ vnd hertzlich gern mittheilen wollen. j Heman] Emendiert aus: Hemath B statt dessen: Hemar (Erratum) k B zusätzlich: für l mitgetheilet] B statt dessen: außgetheilet m Christlichem] B statt dessen: Christlichen n für erst] B statt dessen: fürs erste o Gefallen] B statt dessen: G fallen (Erratum) 19 1Chr 25,1 20 Drommeten] Trompeten. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1432. 21 Vgl. 1Chr 16,42 22 Vmbwechselung] Abwechslung. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 1255. 23 Zu Johann Brzetislaw Mislik von Hirschhoff, dem Widmungsempfänger des zweiten Teils der ‚Himmlischen Lieder‘, vgl. u. S. 91, Anm. 1. 24 ohn gefehr] zufällig. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 2070. 25 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 26 Sap 6,25 27 dißfalls] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 28 billichem] gerechtfertigtem. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 27.
fol. A 3v
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fol. A 4 r
fol. A 4v
Das Erste Zehen
Daß ich mich aber ferner erkühnen dürffen/ solches/ dem eusserlichen Ansehende p nach/ gar geringschätziges 29 Wercklein/ E. Gnaden durch diese kurtze Schrifft zuzueignen/ vnd eine so schlechte 30 Gabe einer so hohen Person in Vnterthänigkeit darzubieten/ solches werden sie mir/ Zweifels ohn/ gnädig zu gute halten. Wir/ die wir vns heut zu Tage von | vns vnd vnsern Schrifften tausendterley Vrtheil zu fällen/ der jetzigen bößhafftigen vnd verkehrten Welt vnerschrocken darstellen/ sehen billich31 dahin/ daß wir vnsere Bücher nur solchen Personen übergeben/ die von Gott mit einem hohen Verstande erleuchtet/ mit sonderbaren32 Gaben des Gemühtes weit über den Pöbel erhoben/ vnd durch grosse Wissenschafft/ fleissiges Nachsinnen/ vnd lange Erfahrung trefflich geschicket seyn/ von allerhand Schriften vernünfftig zu vrtheilen. Wie hätte aber ich vnter der Sonnen eine hohe Person können finden oder antreffen/ welche es in diesen Stücken allen E. Gnaden entweder zuvor/ oder auch nur gleich thäte? Jch suchete einen weitberühmten Herrn geistliches Standes/ einen der wahren Christlichen Religion zugethanen fürnehmen Praelaten in Teutschland: Jch habe warlich viel ein mehrers gefunden/ als ich gesuchet. Jch bemühete mich/ wie ich doch ein Gott= vnd sein Wort liebendes Gemüthe/ (welches von aller Eitelkeit weit abgekehret/ sich zu Tag vnd Nacht übete/ in der Furcht Gottes jmmer mehr vnd mehr zu wachsen vnd zuzunehmen) möchte antreffen: Jch suchete hie benebenst33 einen herrlichen Verstand/ ich wündschete eine treffliche Wissenschafft in mancherley Künsten vnd Sprachen/ Ja ich suchte eine solche edle Seele/ welche die Gerechtigkeit/ Aufrichtigkeit/ Trewe vnd Warheit über alles lieb hätte: Warlich ich habe nicht vergeblich gesuchet/ besondern34 vielmehr dieses alles in gemein35/ vnd zwar ein jedes insonderheit 36/ an E. Gnaden überflüssig gefunden/ vnd wündsche mir selber mit Frewden Glück/ daß mir mein Vornehmen so trefflich q wol gelungen. Wil demnach E. Gnade r ich hiemit in Vnterthänigkeit gebeten haben/ sie wolle s jhr belieben | lassen37/ dieses Erste Zehn meiner himlischen Lieder mit gnädigen Augen vnd Händen auff vnd anzunehmen von dem jenigen/ der den Allerhöhesten von Grund seiner Seelen täglich ersuchet/ daß er E. Gnade/ als einen recht Christlichen Herrn vnd hochlöblichen Praelaten noch viel Jahre bey gewündschetem Wolstande erhalten/ für allem Vnfalle38 Leibes vnd der Seelen p Ansehende] B statt dessen: Ansehen (das Nomen ,Ansehende‘ wird von Rist öfter verwendet) q trefflich] Fehlt B r Gnade] B statt dessen: Gn. s wolle] B statt dessen: wollen 29 geringschätziges] gering zu schätzendes. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 30 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 31 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 32 sonderbaren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 33 benebenst] außerdem. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 34 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 35 in gemein] insgesamt. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3220. 36 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 37 jhr belieben lassen] Gefallen daran finden. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 38 Vnfalle] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524.
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Widmungsvorrede
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mächtiglich behüten/ mit tausendterley Segen vnd Wolthaten reichlich überschütten/ vnd denn auch mir/ dem Allerweinigsten39 vnter denen/ die Gottes Ehre zu befördern jnen trewlich angelegen seyn lassen/ gnädig gönnen vnd verleyhen wolle/ daß ich würdig möge erfunden werden zu leben vnd zu sterben/ Gnädiger Herr/ Ewer Gnaden Vnterthäniger/ Gehorsamer Diener
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Gegeben zu Wedel an der Elbe/ Am Tage S. Annen40/ Jm Jahre nach Christi Geburt/ 1641. |
Johannes Rist.
39 Allerweinigsten] allerwenigsten. Zu ‚weinig‘ vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. nen] Das ist der 26. Juli.
40 Am Tage S. An-
An den Christlichen Leser.a,b
fol. A 5 r
F
Reundlicher vnd in Gott geliebter Leser/ ich übergebe dir hiemit das erste Zehen meiner ohnlängst1 versprochenen himlischen Lieder c/ von wel-
chen ich verhoffen wil/ daß sie dir nicht vnangenehm seyn werden/ nicht allein darumb/ daß sie lauter himlische/ göttliche/ ja solche Dinge in sich begreiffen/ die dein mattes Hertz2 auch in der allerhöhesten Noth können erquicken/ vnd deine bekümmerte Seele in jren schweren Anfechtungen trösten vnd erfrewen; besondern3 auch/ weil der in der Singekunst hoch vnd weitberühmter Herr Johannes Schop 4/ dero löblichen Stadt Hamburg wolbestalter5 Capellmeister/ mein hochgeehrter sehr werther lieber Herr vnd Freund/ auff etliche dieser Lieder sehr schöne/ vnd sich nach Gelegenheit der Worte trefflichd wol schickende Melodeyen (wiewol nur auff der Eile6) hat gesetzet/ vnd doch also/ daß dieselbe fast nach Art dero heut zu Tage üblichen Concerten/ mit zweyen Stimmen/ als einen Baß vnd Discant/ in eine Orgel/ Regal/ Clavicymbel/ Lautee vnd derogleichen Jnstrumente zu Lobe Gottes vnd Auffmunterung des inwendigen Menschen mit hertzlicher Lust vnd Andacht können gesungen werden. Betreffend die Art zu reden/ derer ich mich in gegenwertigen meinen Himlischen Liedern zu diesem mal gebrauchet habe/ auch durch die Gnade Gottes künfftiger Zeit gebrauchen werde/ so ist dieselbe mehrentheils aus dreyer hocherleuchteten vnd schier 7 durch die gantze Christenheit f sehr berühmter/ nunmehr aber in Gott ruhender Männer/ als Herrn Johann Arndts8/ weyland 9 des hochlöblichen Fürstenthumbs Lüneburg G e n e ra l - S u p e r i n t e n d e n t en Paraa In C findet sich eine neue Vorrede an den Leser (vgl. u. Textanhang, S. 466–472). b Kolumnentitel fol. A 5r – 6r: Vorrede. c Lieder] B statt dessen: Liedern d trefflich] B statt dessen: treffliche e Laute] B statt dessen: Lauten f Christenheit] Gemäß B emendiert aus: Christensteit
1 ohnlängst] unlängst. Nicht bei Grimm, DWb. 2 Vgl. Jes 1,5 3 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 4 Johann Schop (ca. 1590–1667), 1615 Mitglied der Hofkapelle zu Wolfenbüttel, im selben Jahr Aufnahme in die Hofkapelle des dänischen Königs Christian IV. in Kopenhagen, seit 1621 Leiter der Ratsmusik in Hamburg, daneben 1630–1642 Kantor am Dom zu Hamburg. Mit Rist verband Schop eine enge Freundschaft. Vgl. Grapenthin. 5 wolbestalter] angesehener, mit einer guten (amtlichen) Bestallung versehener. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1100. 6 auff der Eile] eilig. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 106. 7 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 8 Johann Arndt (1555–1621), 1575–1581 Studium der artes liberales, der (v.a. paracelsischen) Medizin und der Theologie (ohne Abschluß) in Helmstedt, Wittenberg (fraglich), Basel und Straßburg, 1583 Pfarrer in Ballenstedt, 1584 in Badeborn, 1590 in Quedlinburg, 1599 in Braunschweig, 1609 in Eisleben, seit 1611 Generalsuperintendent des Fürstentums Braunschweig-Lüneburg in Celle. Vgl. H. Schneider, in: RGG 4 1 (1998), Sp. 788 f. 9 weyland] vormals. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 783.
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An den Christlichen Leser
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dißgarten10/ Herrn Johann Gerhardts11/ hochverdienten D o c t o ren vnd P r o f e s s o ren bey der hohen Schuel zu Jena/ geistlichen Andachten12/ Herrn D. Josua Stegmans13 sehr geistreichen vnd hochgelahrten P r o f e s s o r n bey der hohen Schuel zu Rinteln/ Fest=Andachten14 genommen/ vnd in diese vnterschiedene15 Art der Versse versetzet/ welches denn/ freundlicher lieber Leser/ dir ümme16 so viel besser wird gefallen/ so viel du diese treffliche Männer wegen jhrer himlischen vnd göttlichen Gaben weit | über andere setzest/ vnd jhre hochnützliche Arbeit aus schüldiger Danckbarkeit liebest/ lobest/ rühmest vnd preisest. Diesem nach werde ich/ geliebt17 es Gott/ das ander Zehen meiner himlischen Lieder (begreiffende die vornehmsten Lob=Psalmen vnd Triumph= Gesänge der Heiligen Gottes/ so im Alten vnd Newen Testamente gefunden werden) ehist18 heraus vnd an den Tag geben/ vnd solten zwar dieselbe jnnerhalb Monathsfrist (da Gott Leben vnd Gesundheit verleihen würde) gewißlich folgen/ ich befürchte aber/ daß ein ander Werck/ betreffend die Rettung vnserer edlen Deutschen Sprache19 mich etwas daran werde g verhindern/ vnd selbiges mein Vornehmen ein wenig auffhalten. g daran werde] B statt dessen: werde daran 10 Johann Arndt: Paradiß Gärtlein/ Voller Christlicher Tugenden/ wie dieselbige in die Seele zu pflantzen/ Durch Andächtige/ lehrhaffte vnd tröstliche Gebet/ zu ernewerung des Bildes Gottes/ zur vbung des wahren lebendigen Christenthumbs/ zu erweckung des newen Geistlichen Lebens/ zur dancksagung für allerley Wolthaten Gottes/ zum Trost in Creutz vnd Trübsall/ zur heyligung/ lob vnd preys des Namens Gottes . O.O. 1612. Arndts Gebetbuch wurde außerordentlich häufig gedruckt. Eine detaillierte Bibliographie fehlt bislang. 11 Johann Gerhard (1582–1637), seit 1599 Studium der Theologie und zeitweise auch der Medizin in Wittenberg, von 1603 an in Jena, 1606 Superintendent in Heldburg sowie Promotion zum Dr. theol. in Jena, 1615 Generalsuperintendent in Coburg, seit 1616 Theologie-Professor in Jena. Vgl. J.A. Steiger (2005). 12 Johann Gerhards ‚Meditationes Sacrae‘ erschienen erstmals im Jahre 1606: Quinquaginta MEDITATIONES SACRAE AD VERAM pietatem excitandam & interioris hominis profectum promovendum accommodatae . Jena 1606 (kritische Edition 2000). Bereits im Jahr darauf wurden zwei deutschsprachige Versionen publiziert. Zu den mannigfachen Übersetzungen dieses Klassikers lutherischer Meditationsliteratur vgl. Bibliographia Gerhardina. 13 Josua Stegmann (1588–1632), lutherischer Theologe, geistlicher Dichter und Verfasser von Meditationsliteratur, 1617 Promotion zum Dr. theol. in Leipzig, seit 1618 (auf Empfehlung Johann Gerhards) Superintendent in Stadthagen und Professor am dortigen akademischen Gymnasium, das 1621 Universitätsrang erhielt und nach Rinteln verlegt wurde. Der Einfall der Truppen Christians von Halberstadt in die neutrale Grafschaft Schaumburg wegen des Weserüberganges in Rinteln zwang Stegmann 1623 zur Flucht. Nach seiner Rückkehr fungierte er als Ephorus der Grafschaft Schaumburg. Vgl. Steiger, in: RGG 4 7 (2004), Sp. 1698. 14 Josua Stegmann: SchwanenGesang: Zur Vbung der wahren Gottseligkeit auff die hohen Feste durchs gantze Jahr gerichtet . Lüneburg 1633. 15 vnterschiedene] unterschiedliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 16 ümme] um. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 761. 17 geliebt] gefällt. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3020. 18 ehist] in Kürze. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 52. 19 Vgl. [Johann Rist:] Rettung der Edlen Teütschen Hauptsprache/ Wider alle deroselben muhtwillige Verderber und alamodesirende Auffschneider/ Jn unterschiedenen Briefen/ allen dieser prächtigsten und vollenkommensten Sprache auffrichtigen teütschen Liebhaberen für die Augen gestellet. Hamburg 1642.
fol. A 5v
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fol. A 6 r
Das Erste Zehen
Jmmittelsth,20 erkläre ich mich/ gleich wie in denen andern/ als auch in dieser meiner Vorrede nochmalen dahin/ daß ich mich/ weder die offenbare21 Lügen noch auch die heimliche Verleumbdungen meiner Widersacher vnd Neider/ von dieser meiner wolgemeynten Arbeit gar nicht wil i abwendig22 machen/ noch mein Hertze deßwegen in einige Bekümmernisse j setzen lassen. Es fällt mir gleich jetzt wiederk ein/ was newlicher Tagen ein vornehmer vnd kluger Mann in seinem Schreiben an mich von diesen verkehrten Leuten erwehnete/ daß nemblich solche Schmähevögel23 nur für Seile vnd Stricke zu achten wären/ die vns desto mehr zur Tugend vnd Geschickligkeit ziehen. Vnd warlich/ ob schon solche Gesellen noch so gifftig/ wiewol hinterlistig vnd heimlich auff ehrliche Leute stechen/ so trage ich dennoch ein sehr grosses Mitleyden mit jhrem elenden vnd erbärmlichen Zustande/ in welchen sie durch jhren Neid vnd Mißgunst sich selber versetzet haben: Denn/ in deme sie so gar nichtes wissen noch verstehen/ vnd gleichwol aus gifftiger Boßheit jhrem NebenChristen die weinige24 Gaben/ so jhnen von dem Allerhöhesten sind verliehen25/ neidischer weise mißgönnen/ so werden sie aus vernünfftigen Menschen zu vnvernünfftigen Bestien/ garstigen Hunden/ ja zu leibhafften Teuffeln: Sie bellen/ sie beissen/ sie liegen26/ sie triegen27/ sie lästeren/ sie verleumbden/ sie schmähen nach Art jhres Hellischen Vaters des Teuffels28/ der ein Lügner vnd Mörder von Anfang ist gewesen29. Nach diesem hätte ich auch auff instendiges Ansuchen nicht weiniger30 sehr gelahrter Poeten vnd anderer berühmten | Männer l abermal von etlichen newen Lieder=macheren/ Versen=schinderen/ Sonnetten=schmiedenm vnd Reim =dichtern/ allhier etwas sonderbares31 zu erinnern; Es wil sich aber so wol wegen der kürtze/ die bey diesem Wercklein muß in acht genommen werden/ also auch anderer Vrsachen halber zu diesem mal nicht schicken/ jedoch sollen sie (da es Gott geliebet32) als muthwillige Verderber vnserern edlen reinen Deutschen Sprache vnd deroselben hochfliegenden Poesy nichtswürdige Hencker mit dem allerehisten33 derogestalt hergenommen/ vnd jhnen jhreo Grobheit/ Vermessenheit vnd Thorheit dermassen in die Nase gerieben werden/ daß ein jeder der es höret h Jmmittelst] B statt dessen: Jnmittelst i wil] B statt dessen: viel (Erratum) j Bekümmernisse] B statt dessen: Bekümmerniß k wieder] B statt dessen: weder (Erratum) l Männer] B statt dessen: Männern m Sonnetten=schmieden] B statt dessen: Sonnetten=Schmiedern n muthwillige Verderber vnserer] Emendiert aus: muth willige Verderbervnserer Recte: B o jhnen jhre] Emendiert aus: jhnenjhre Recte: B 20 Jmmittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 21 offenbare] öffentlichen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1172. 22 abwendig] abspenstig. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 151. 23 Schmähevögel] Verleumder. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 909. 24 weinige] wenigen. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. 25 Vgl. Jak 1,17 26 liegen] lügen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1017. 27 triegen] betrügen. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1263. 28 Vgl. Ps 74,18 29 Vgl. Joh 8,44 30 weiniger] weniger. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. 31 sonderbares] besonderes. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 32 geliebet] gefällt. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3020. 33 mit dem allerehisten] in Kürze. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 52.
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An den Christlichen Leser
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vnd lieset/ das Liecht vnd die Finsternis/ Gutes vnd Böses/ Kunst vnd Vnwissenheit sehr leicht wird von einander setzen vnd vnterscheiden können. Jch/ meines theils/ suche hierunter anders nichtp/ als daß die Ehre Gottes befodert34/ die liebe Jugend recht vnterwiesen/ vnd denn auch nützliche Sprachen sampt löblichen Künsten in ein sonderbares35 Auffnemen möge gebracht werden. Wollen aber meine Herren Reimenmacher deßwegen auff mich zürnen/ vnd vielleicht etliche Wolgespickte Lügen jhrem vnchristlichen Gebrauch nach auffs newe von mir erdencken vnd auff die Bahn bringen/ stehet jhnen solches meinet halbenq sehr wol zu gönnen. Jch werde mich vnter dessen durch die göttliche Gnade aller Menschlichen Mügligkeit nach eyferigst bemühen/ daß ich nach der herrlichen Ermahnung des Heydenlehrers S. Paulus eine gute Ritterschafft übe/ den Glauben behalte/ vnd ein gut Gewissen36. Hiemit befehle ich dich/ Christlicher vnd sehr geliebter Leser/ göttlicher getrewen Obhut/ mit freundlicher Bitte/ wollest mich vnd meine schlechte37 Arbeit/ dir gönstig lassen befohlen seyn/ ich verbleibe hinwieder dir zu allen behäglichen38 Diensten Gantz ergeben So lange ich bin
Johannes Rist. |
p nicht] B statt dessen: nichts q meinet halben] B statt dessen: meinent halben 34 befodert] befördert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 35 sonderbares] besonderes. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 36 1Tim 1,18 f. 37 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 38 behäglichen] gefälligen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1319.
EPIGRAMMA a
fol. A 6v
Vber die himlischen Lieder Deß
Wol=Ehrwürdigen/ b Hochgelahrten vnd Vortrefflichen Herrn
O
Johann: Risten.
Himlischer Poet’ vnd Retter deutscher Sprache/ Hier schreibet jhr vns vor solch’ eine hohe Sache Die Geist vnd Leben hat 1/ vnd wol c der Ewigkeit/ Wie d jhr besondern Ruhms/ Lobs/ Dancks vnd Seligkeit Mit e Warheit würdig ist/ hier lehret jhr vns singen Sehr klüglich nach der Kunst von lauter Himmels=Dingen/ Hier brauchet jhr Gewalt/ hier stürmet ewer Geist Den Himmel/ Wasser/ Fewr vnd das was f jrrdisch heist/ Hie wird das Fleisch gedämpfft/ die Seele hoch erhoben/ Hie brennet Hertz’ 2 vnd Muth zu lieben vnd zu loben Den der im Himmel sitzt 3/ so daß ich sagen kan:
Die Lieder himlisch sind g/ vnd jhr ein Himmels=Mann. Baro4 M.h,5
a EPIGRAMMA] Fehlt C b Wol=Ehrwürdigen/] C zusätzlich: Edlen/ c vnd wol] C statt dessen: Ja die d Wie] C statt dessen: Als e Lobs/ Dancks vnd Seligkeit Mit] C statt dessen: für Neid und Tod befreit Jn f das was] B statt dessen: was da g Die Lieder himlisch sind] C statt dessen: Recht Himlisch ist das Buch h Baro M.] C statt dessen: Baro M. von Hirschhoff. 1 Vgl. Joh 6,63 2 Lk 24,32 3 Dtn 33,26 4 Baro] Freiherr. Vgl. Lenz, S. 16. 5 Zu Johann Brzetislaw Mislik von Hirschhoff, dem Widmungsempfänger des zweiten Teils der ‚Himmlischen Lieder‘, vgl. u. S. 91, Anm. 1.
5
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Ein Hirten=Geräthe1 Eines Christlichen Hirtensa/ der seine Schafe in der Frembde weidet b.
W
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20
Je kan ich armer Hirt’ hie von der Klarheit wegen/ Die wol mehr himlisch ist als Jupiters sein Regen/ Ob der schon gülden war/ mich halten? Dieses Liecht/ Erleuchtet den Verstand2/ verblendet das Gesicht’: Hier ist nicht schweigensZeit/ weil sich die Lufft beweget/ Die Geister schwingen sich3/ die gantze Kunst sich reget/ Drumb ich mit Frewden wil/ die Zeitung4 machen kund/ Verhüllen mein Gesicht’5 vnd öffnen meinen Mund6. Lob sey Gott in der Höh’/ vnd dannc den Menschen allen Auff Erden guter Fried’ vnd sämptlich Wolgefallen. So singt ein Engel hier/ sehr künstlich klar vnd hell’7. Auff auff ins Gotteshauß/ mit diesem Büchlein schnell; d | Jhr werdet Wunderding’ hie sehen vnd befinden/ Ja den gebornen Gott in zarte Windel winden8,9/ Jngleichem lernen auch/ wie jhr beklagen solt/ Den/ welcher für vns all’ am Creutze sterben wolt’10/ Vnd durch ein Grab=Lied euch/ den Mann zu salben11/ üben Der zwar im Grabe lag/ doch nicht darin geblieben12/ Besondern13 über alls sich hoch gesetzet hat14 Nach dem er seine Feind’ erlegt vnd niedertrat15. Drumb folget auff das Lied/ ein SiegesLied voll Frewden Dem Sieger zum Triumph/ vnd derer Trost/ die leiden16.
a Hirtens] B statt dessen: Hirten b Dieses Gedicht fehlt in C. c dann] B statt dessen: denn d ;] B statt dessen: ! 1 Hirten=Geräthe] Gerät eines Hirten, vermutlich ein Hirtenstab. Nicht bei Grimm, DWb. 2 Vgl. 2Kor 4,4 3 schwingen sich] schwingen sich auf. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2700. 4 Zeitung] Botschaft. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 591. 5 Vgl. Ex 3,6 6 Vgl. Ps 78,2 7 Vgl. Lk 2,13f. 8 Vgl. Lk 2,12 9 winden] (ein)wickeln. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 286. 10 Vgl. 2Kor 5,14 f. 11 Vgl. Mk 16,1 12 Vgl. Mt 28,6 13 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 14 Vgl. Mk 16,19 15 Vgl. Gen 3,15 16 Vgl. 2Kor 1,4
fol. A 7 r
20
fol. A 7v
Das Erste Zehen
Seht euch was weiter vmb/ so werdet jhr gewahr Wie der berühmte Stern17/ stracks18 fornen stehet dar/ Des Wirckung trefflich ist/ denn er mit trewen Sorgen Die Windlein Christi19 vns macht kund vnd vnverborgen/ Ja reichet sie vns dar/ in solchere Form vnd Zier Dergleichen wir vorhin/ noch nie gesehen hier. Jtzt führet er vns zu die lieben weisen Leute20 Von derer Wunder=Art/ man selten findet heute. Sie folgen also fort21/ da steht der liebe RJST Der Königliche Mann/ des Thun nur Weißheit ist/ Der opffert seine Gab’/ vnd zwar von solchen Sachen Die besser sind als Gold22/ vnd reich am f Geiste machen/ Darneben reine Sprach’ vnd drittens solchen Klang Als jmmer haben kan/ ein lieblicher Gesang. Der Herr nun/ welchem jhr diß sehet überreichen/ Der lässt sich sonsten nicht/ hier aber wol vergleichen. Er ist ein wahrer Christ/ des Höchsten liebes Kind/ HochEdel sich sein Stamm/ vnd auch Person befindt/ Er führt ein geistlichs Ampt/ mit grossem Lob vnd Ruhme/ Beziert das Vaterland/ Als eine schöne Blume Den Garten zieren kan/ Sein Geist ist voller Witz/ Vnd in dem Leibe hat die Tugend jhren Sitz/ Die Sprachen vnd die Künst’ Erfahrenheit g vnd Güte Ein Hertz das redlich ist/ vnd dapfferes Gemüte Seyn bey einander hie. Diß red’ ich sonder23 Zwang: Bey Gott hat er die Gunst/ bey Menschen Ruhm vnd Danck. Drumb weichet weit hinweg/ die jhr die Tugend hasset/ Jhr habt hier nichts zu thun/ diß Werck zu frieden lasset/ | Wiewol ich dencken kan/ daß gleich wie dort geschah’ Ein Esel vnd ein Ochs/ sich machten zimblich nah’ 24. Also bey jedem Thun/ sich allzeit finden müssen Ein Narr vnd Bösewicht/ doch beyde sollen wissen/ Daß jhnen zwar vergönnt/ im Winckel ist zu stehn Vnd gar von weiten nur den Sachen zuzusehn/
e solcher] B statt dessen: solche Künst’erfahrenheit
f am] B statt dessen: im g Künst’ Erfahrenheit] B statt dessen:
17 Vgl. Mt 2,2–9 18 stracks] ganz. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 606. 19 Vgl. Lk 2,12 20 Vgl. Mt 2,1 21 fort] hinfort. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 9. 22 Prv 16,16 23 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 24 Jes 1,3
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Ein Hirten=Geräthe
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Sonst aber wenn sie sich ins Mittel25 wolten drängen Jhr Bleken26 vnd Geschrey/ mit vnserm Singen mengen So werden sie alsdann/ zum selbstverdienten Hohn Mit jhres gleichen Vieh’ empfangen gleichen Lohn27.
In Bona Mente
divitiae Hominis.
25 ins Mittel] in die Mitte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2382. 26 Bleken] Blöken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 143. 27 Vgl. Mt 25,32f.41
Dactylisch Sonnet An den
WolEhrwürdigen Hochberühmten vnd Wol= gelahrten Herrn
Johannes Rist. P. W.
1
Vber seine himlische Lieder a.
H
Jmlischer Tichter/ die himlischen Lieder Kommen gewißlich vom heiligen Geist Als es der Augenschein selbsten erweist: Weil sie dem Jrrdischen gäntzlich zu wider (Welches die Hertzen der Menschen hernieder Nur zu dem stäubichten 2 Zeitlichen reisst3) Führen zu dem was das Himlische preist. Frewt euch derwegen jhr himlischen Glieder4/ Schmecket vnd sehet5 die himlische Lust/ Die vns sol allen seyn billich6 bewust: Singet dem Schöpffer des Himmels zu Ehren7 Was jhm sein Himmels=Kind RISTIUS singt/ Da er dem Himlischen Lob=Opffer8 bringt/ GOtt wird dem Tichter den Himmel verehren. Theobaldus Grummer,9 Lunaeburgensis. |
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. 1 P. W.] Pastoris Wedeliensium 2 stäubichten] flüchtigen, vergänglichen. Vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 1117. 3 Vgl. Mt 6,21 4 Vgl. 1Kor 12,27 5 Ps 34,9 6 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 7 Vgl. Ps 96,1 8 Hebr 13,15 9 Theobald Grummer war, wie seiner Ende März 1642 verfaßten ‚Vorrede an die guthertzigen Leser‘ zu Rists ‚Galathee‘ (S. 2–15) zu entnehmen ist, offenbar zunächst in Lüneburg tätig. Später soll er sich in Reval niedergelassen haben (so Krabbe, S. 91). Weiteres ist über Grummer bislang nicht in Erfahrung zu bringen gewesen.
5
10
15
A d R e ve re n d u m & C l a r i s s i m u m Virum,
Dn. JOHANNEM RISTIUM, Wedeliensium Pastorem fidelissimum & 5
Poetam celeberrimum a.
JOHANNES RISTIUS Holsatus, Poeta nobilissimus.
ºAnagrám: AH VIRENS SIT SION! 10
A H S I O N i l l a S i o n , q va e ve ra E c c l e s i a C h r i s t i e s t , Te m p e s t a t e s u b h a c S I T m a n e a t qu e V I R E N S . Aliud Anagramma.
J O H A N N E S R I ST I U S E O S I N A RT I S S I N U. 15
Carmina cernentes RISTI, obstupuere Poetae; Obstupuit charitum Pieridumque chorus. Qvid mirum est? Eos ceu mane refulget; IN ARTIS Sic EOS micat hic intimiore SINU. L e s n a e Po l o n o r u m h a e c s c r i b e b a t
Samuel Heermannus1
20
Coebenas Silesius. | a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. 1 Samuel Heermann (1620–1643), Sohn des lutherischen Theologen, Predigers und Dichters Johann Heermann (1585–1647). Samuel Heermann besuchte von 1636 an die Schule in Fraustadt, wechselte 1638 an das Maria-Magdalena-Gymnasium nach Breslau und trat 1640 in das 1638 eröffnete Gymnasium der Jesuiten über. Noch im selben Jahr machte er freilich infolge einer ebenso ernsthaften wie seelsorglich motivierten Intervention des Vaters diese Konversion rückgängig und bezog die Universität Frankfurt/Oder, wo er die Dichterkrönung empfing. Samuel Heermann starb bereits im Jahre 1643 in Lissa, wo sein Vater lebte, nachdem er sich 1638 aus seinem Pfarramt zu Köben krankheitshalber zurückgezogen hatte. Vgl. Liess, S. 51–54.
fol. A 8 r
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Das Erste Zehen
I. Lob=Gesang
25
I.
S. 1
Lob=Gesang.a
Von der frewdenreichen Geburt vnd Mensch= werdungb vnsers HErrn vndc Heylandesd JEsu Christi.
E
Rmuntre dich mein schwacher Geist Vnd trage groß Verlangen/ Ein kleines Kind das Vater heisst1/ Mit Frewden zu empfangen/ Diß ist die Nacht darin es kam/ Vnd menschlich Wesen an sich nam2/ Dadurch die Welt mit Trewen/ als seine Braut zu freyen e,3.
5
2. Willkomm Of süsser Bräutigam4 Du König aller Ehren5/ Willkomm Og Jesu Gottes Lamb6/ Jch wil dein Lob vermehren/ | Jch wil dir all mein Lebenlang Von Hertzen sagen Preiß vnd Danck/ Daß du/ da wir verlohren7 Für vns bisth Mensch geboren.
S. 2
10
15
a Lob=Gesang] C statt dessen: Ein Weihenachtgesang/ b Geburt vnd Menschwerdung] C statt dessen: Menschwerdung und Gebuhrt c HErrn vnd] C statt dessen: allerliebsten d Heylandes] C zusätzlich: und Seeligmachers e freyen] B in der Notation des Bassus statt dessen: freuen (Erratum) f Willkomm O] C statt dessen: Willkommen g Willkomm O] C statt dessen: Willkommen h vns bist] C statt dessen: unsbist (Erratum) 1 Jes 9,5
2 Vgl. Phil 2,7
3 Vgl. Jes 62,5
4 Mt 25,6
5 Ps 24,7
6 Joh 1,29
7 Vgl. Joh 3,16
I. Lob=Gesang
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3. O grosser Gott8/ wie könt es seyn Dein Himmelreich zu lassen9 | Zu springen in die Welt hinein/ Da nichts denn Neid vnd Hassen10/ Wie kondtest i du die grosse Macht Dein Königreich den Frewden=Pracht11 Ja dein erwündschtes j Leben Für solche k Feind’ hingeben? l,12 4. Jst doch Herr Jesu deine Braut Gantz arm vnd voller Schanden13/ Noch hast du sie dir selbst vertrawt14 Am Creutz’ in TodesBanden/ Jst sie doch nichts als Vberdrus Fluch15/ Vnflath/ Todt vnd Finsternus16 Noch darff sie m jhrent wegen Den Scepter von dir legen! 5. Du Fürst vnd Herrscher dieser Welt17/ Du Friedens=Wieder=Bringer 18/ Du kluger Rath vnd tapffrer Held 19 Du starcker Hellen=Zwinger20,21/ Wie ist n es müglich/ daß du dich Erniedrigest so jämmerlich22 Als wärest du im Orden23 Der Bettler Mensch geworden?o
i kondtest] B statt dessen: köntest j dein erwündschtes] C statt dessen: solch ein herlichs k solche] C statt dessen: deine l ?] C statt dessen: . m Noch darff sie] C statt dessen: Und Du magst n ist] C statt dessen: war o ?] B statt dessen: . 8 Ps 95,3 9 Vgl. Joh 6,38 10 Vgl. Jak 4,2 11 Frewden=Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 12 Vgl. Röm 5,10 13 Vgl. Hos 1,2 14 Vgl. Hos 2,19 f. 15 Vgl. Gal 3,13 16 Lk 1,79 17 Ps 59,14 18 Vgl. Eph 2,17 19 Jes 9,5 20 Vgl. 1Kor 15,55 21 Hellen=Zwinger] Bezwinger der Hölle. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 1267. 22 Phil 2,7 f. 23 Orden] Ordnung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317.
S. 3
28
S. 4
Das Erste Zehen
6. O grosses Werckp/ O Wundernacht Dergleichen nie gefunden! | Du hast den Heyland hergebracht24 Der alles überwunden25/ Du hast gebracht den starcken Mann26/ Der Fewr vnd Wolcken zwingen27 kan/ Für dem die Himmel zittren Vnd alle Berg’ erschüttren28.
45
7. Oq bleicher Mond’ halt eiligst ein Den blassen Schein auff Erden/ Wirff deinen Glantz zum Stall’ hinein/ Gott soll geseuget werden/ Jhr hellen Sterne stehet still Vnd horcht was ewer Schöpffer wil/ Der schwach vnd vngewieget Jn einem Kriplein liget29.
50
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8. Du thummes Vieh/ was blökest du Dort bey des HErren Mutter/r Jmmanuel30 hält seine Ruh’ Allhie auff dürrem Futter/ Dem alle Welt sol dienstbar seyn/ Ligt hier/ hat weder Brodt noch Wein/ Die Wärme muß er meiden31/ Frost/ Blöss’ vnd Hunger leiden.
S. 5
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9. Brich an du schönes MorgenLiecht32 Vnd laß den Himmel tagen/ | Du Hirten=Volck erschreckes nicht/ Weil dir die Engel sagen;t p grosses Werck] C statt dessen: Freüdenzeit q O] C statt dessen: Du s erschrecke] C statt dessen: erstaune t ;] B statt dessen: :
65
r /] C statt dessen: ?
24 Lk 2,11 25 Joh 16,33; 1Joh 5,4 26 Vgl. Ps 24,8 27 zwingen] bezwingen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 1240. 28 Vgl. Joel 4,16 29 Lk 2,12 30 Jes 7,14 31 meiden] entbehren. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1900. 32 Vgl. 2Petr 1,19
I. Lob=Gesang
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95
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Daß dieses swache Knäbelein Sol vnser Trost vnd Frewde seyn/ Dazu den Sathan zwingen33 Vnd letzlich Friedenu bringen34. 10. O liebes Kind/ O süsser Knab’ Holdselig von Geberden/ Mein Bruder35/ den ich lieber hab’ Als alle Schätz’ auff Erden/ Komm Schönster36 in mein Hertz’ hinein37/ Komm’ eiligst/ laß die Krippen sein Komm/ Komm/ ich wil bey zeiten Dein Lager dir bereiten. 11. Sag’ an mein Hertzens=Bräutigam Mein’ Hoffnung/ Frewd’38 vnd Leben39/ Mein edler Zweig aus Jacobs Stamm40/ Was sol ich dir doch geben? Ach nimb von mir Leib/ Seel’ vnd Geist41 Jav alles was Mensch ist vnd heisst Jch wil mich gantz verschreiben Dir ewig trew zu bleiben42. 12. Lob/ Preiß vnd Danck43 HErr Jesu Christ Sey dir von mir gesungen/ | Daß du mein Bruder worden bist44 Vnd hast die Welt bezwungen45/ Hilff daß ich deine Gütigkeit Stets preis’ in dieser Gnaden=Zeit Vnd mög’ hernach dort oben Jn Ewigkeit dich loben. |
u letzlich Frieden] C statt dessen: alles wieder v Ja] C statt dessen: Nim 33 zwingen] überwältigen, bezwingen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 1240. 34 Lk 2,8–14 35 Vgl. Hebr 2,17 36 Ps 45,3 37 Eph 3,17 38 Ps 43,4 39 Phil 1,21 40 Jes 11,1 41 Vgl. 1Thess 5,23 42 Vgl. Hos 2,19 43 Vgl. Apk 7,12 44 Vgl. Hebr 2,17 45 Joh 16,33
S. 6
30
Das Erste Zehen
II.
Christliche Betrachtung der Person/ die da leidet/ vnd der Vrsachen des bitteren Leydens vnd Sterbens vnseres HErrn JEsu Christia.1
O
5
10
15
Grosser Gott2 ins HimmelsThron3/ Hilff daß ich mög’ erkennen/ Wer doch gewesen die Person/ Vnd wie sie sey zu nennen/ Die hie für mich so ritterlich/ biß in jhr Grab gestritten Als sie den Todt erlittenb. 2. Ach ist es nicht dein liebstes Hertz/ Dein Kind vnd Eingeborner4/ Wie leydet denn so grossen Schmertz O Gott dein Außerkohrner/ Wie kan es seyn/ Daß solche Pein Dem Helden5 wird gegeben/ Der allen gibt das Leben?c,6 |
a Christliche Betrachtung JEsu Christi] C statt dessen: Ein ander Passiongesang/ Jn welchem abermahl die leidende Person/ benebenst den wahrhaften Ursachen solches unschuldigen Leidens Lehr= und Trostreich wird besungen b erlitten] C in der Notation des Bassus statt dessen: gelitten c ?] C statt dessen: . 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein II, 13, S. 140–142 (mit der Überschrift „Betrachtung der Person die da leydet/ vnd der Vrsachen deß Leydens JEsu Christi.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 473–477. 2 Ps 95,3 3 Dtn 33,26 4 Joh 1,14 5 Jes 9,5 6 Vgl. Joh 6,33
S. 7
32 S. 8
S. 9
Das Erste Zehen
3. Ja Vater ist er nicht der Mann Von dem du selbst gesaget: Er ist es/ der mich stillen7 kan8/ Mein Sohn der mir behaget9/ Wie muß denn er Jetzund so schwer Die Bürden auff sich nehmen10 Den Todt dadurch zu zähmen?11 4. Jst er nicht selbst die Herrligkeit12 Vnd wird dennoch verspeyet13/ | Ja istd er nicht ein Held im Streit’14 Vnd wird so leicht zerstrewet15/ Jst er nicht Gott Vnd leidet Spott16/ Jst er nicht sondere,17 Schulden18 Vnd muß den Todt erdulden? 5. O frommes/ vnbeflecktes Lamm19 O schönster Mensch auff Erden20/ O Manna/ das vom Himmel kam21/ Du must geopffert werden22/ Dein Händ’ vnd Füss’ Als die sof süss’ Am letzten End’ vns laben Die werdeng gantz durchgraben23. 6. Dein würdigh Häupt/ O Gottes Sohn24 Das wir mit Zittern ehren25/ Bedecket eine Stachel=Kron26 d ist] C statt dessen: heist e sonder] C statt dessen: frei von f Als die so] C statt dessen: Ob sie gleich g Die werden] C statt dessen: Sind Sie doch h würdig] C statt dessen: würdigs 7 stillen] beruhigen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3009 f. 8 Vgl. 2Kor 5,18 f. 9 Mt 3,17 10 Vgl. Jes 53,4 11 Vgl. 2Tim 1,10 12 Joh 1,14 13 Mt 27,30 14 Ps 24,8 15 zerstrewet] besiegt. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 783. 16 Mt 27,29 17 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 18 Hebr 4,15 19 Joh 1,29 20 Ps 45,3 21 Joh 6,41 22 Hebr 9,26 23 Mt 27,35 24 Joh 1,34 25 Vgl. Tob 13,5 26 Mt 27,29
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II. Christliche Betrachtung der Person
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Dein Elend zu vermehren/ Dein trewer Mund/ Der Warheit Grund27/ Die rosenfarbe Lippen28 Sind bleicher als die Klippen. 7. O grosse Lieb’! jtzt seh’ ich recht Die Wund in deiner Seiten29/ | Dadurch du wilt mir armen Knecht’30 Ein ewigs Reich bereiten Diß Hertzen=Blut/ Das hohe Gut/ Deßgleichen nicht zu finden Befreyet mich von Sünden31. 8. Dein’ Augen voller Freundligkeit Der Menschen Lust vnd Wonne/ Die klärer waren vor der Zeit32 Als die so klare Sonne/ Die andreni,33 sich Nunj jämmerlich/ Die schönsten Liechter schwellenk Von lautren Thränen=Quellen34.l 9. Sie rinnen wiem ein Wasserfluß Auff die zuschlagne35 Glieder36/ Sie fallen wien ein Regen=Guß Die zarten Wangen nieder/ Ach! nichts ist hie Als Angst vnd Müh’/
i Die andren] B statt dessen: Die ändren C statt dessen: Verändern j Nun] C statt dessen: Jtzt k Die schönsten Liechter schwellen] C statt dessen: Seht wie Sie nur geschwellen l .] C statt dessen: ! m wie] C statt dessen: alß n wie] C statt dessen: alß 27 Vgl. Ps 119,160 28 Hld 5,13 29 Joh 19,34; Sach 12,10 30 Vgl. Lk 17,10 31 1Joh 1,7; 1Petr 1,19; Apk 1,5 32 Vgl. 2Kor 4,6 33 andren] ändern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 311. 34 Thren 2,18 35 zuschlagne] zerschlagenen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 758. 36 Jes 53,5.10
S. 10
34
Das Erste Zehen
Es wird mit tausend Plagen Der schönste Leib zuschlagen37,38.
S. 11
10. Du trägst die Straffen meiner Schuld’ Vnd schweren Missethaten39/ | Ja lässest dich aus lauter Huld’ Am Pfal des Creutzes braten/ Das that die Lieb’40 HErr/ die dich trieb41 Die Sünder aus dem Rachen Der Hellen42 frey zu machen. 11. O Wunderwerck! der herrlich ist Nimpt auff sich vnser Schande43/ Der keusch/ gerecht/ vnd sonder44 List45 Gepriesen wird im Lande/ Trägt mit Gedult46/ Gantz frembde Schuld/ Ja hat sein eignes Leben Für vnsers hin gegeben47. 12. Wie niedrig bist du worden HErr48 Vmb vnsrer Hoffart willen/ Dein Geißlen49/ Marter50 vnd Beschwer Must’ vnsre Frechheit stillen51/ Nur vnsre Lust/ Der Sünden Wust Gebareno deinem Hertzen O Heyland/ so viel Schmertzen.p
o Gebaren] C statt dessen: Gebähren p .] B, C statt dessen: ! 37 zuschlagen] zerschlagen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 758. 38 Vgl. Mt 27,26–32 39 Jes 53,4 f. 40 Vgl. die fünfte Strophe von Luthers Lied ‚Christ lag in Todesbanden‘ (1524), WA 35,444,14–16: „Hie ist das recht Osterlamm, | dauon Gott hat gepotten, | Das ist an des Creutzes stamm | ynn heysser lieb gebrotten .“ 41 Joh 15,13 42 Jes 5,14; Sir 51,6 43 Jes 53,4 f. 44 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 45 Vgl. Hebr 4,15 46 Vgl. Jes 53,7 47 Vgl. Joh 15,13 48 Phil 2,8 49 Mt 27,26 50 Jes 53,7 51 stillen] verstummen machen, zum Schweigen bringen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3016.
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II. Christliche Betrachtung der Person
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13. Jch bin HErr Jesu gantz verflucht/ Du aber bist der Segen/ | Noch hat der Segen mich gesucht Auff gar verfluchten Wegen52/ Jch hab’ allein Die Höchste Pein Mit Sünden wol verdienet53/ Du hast mich außgesühnet54.
S. 12
14. Jch war verkaufft zur Hellengluth Vmb so viel böser Thaten55/ Da wust’ allein dein göttlichs Blut56 Jn solcher Noth zu rathen/ Der thewre Schatz57/ Behielt den Platz58/ Derq Sathan muste weichen/ Sünd’/ Hell’ vnd Todt deßgleichen59. 15. Nun höret auff des Höchsten Rach’ Es ist sein Zorn gestillet60 Durch so viel schmertzen Pein vnd schmach/ Nun ist die Schrifftr erfüllet61: Des HErren Todt Hat nun die Noth Auff Erden weggenommen/ Der Fried’ ist wieder kommen62. 16. Herr Jesu nimb mich gnädig an/ Vertilg in mir die Sünde63/ | Dies ich nicht gantzt ertödten64 kan65/
q Der] C statt dessen: Und r Nun ist die Schrifft] C statt dessen: Seht/ alles ist dessen: Welch’ t gantz] C statt dessen: gahr
S. 13
s Die] C statt
52 Vgl. Gal 3,13 f. 53 Vgl. Jer 14,7 54 Kol 1,20 55 Röm 7,14 56 Apg 20,28 57 Vgl. 1Petr 1,19 58 Behielt den Platz] siegte. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1916 f. 59 1Kor 15,55; Apk 20,14 60 Röm 5,9; 1Thess 1,10 61 Vgl. Lk 24,26f. 62 Röm 5,1 63 Ps 51,3 64 ertödten] töten. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1030. 65 Vgl. Kol 3,5
36
Das Erste Zehen
Wie leyder ich befinde: Eins bitt ich dichu/ Herr lassev mich Dein thewres Blutvergiessen66 Biß in mein Grab geniessen.
u Eins bitt ich dich] C statt dessen: Nur eins bitt’ Jch 66 1Petr 1,19
v lasse] C statt dessen: laß ja
125
III. Klägliches Grab=Lied
37
III.
Klägliches Grab=Lied/
Vber die trawrige Begräbnisse vnseres Hey= landes JEsu Christi/ am stillen Freytage zua singenb,1.
O
Trawrigkeit! O Hertzeleid2! ist das nicht zu beklagen/c Gott des Vaters einigs Kind3/ wird ins Grab getragen4.
S. 14
5
2. O grosse Noth! GOtt selbst ligt todt/ Am Creutz’ ist Er gestorben5 Hat dadurch das Himmelreich Vns aus Lieb’ erworben6. |
10
3. O MenschenKind! Nur deine Sünd’ Hat dieses angerichtet7/ Dad du durch die Missethat Warest gantz vernichtet.
15
a zu] Emendiert aus: zn Recte: B b Klägliches Grab=Lied zu singen] C statt dessen: Ein trauriger Grabgesang/ Jn welchem allen Gottseligen Hertzen die traurige Begräbnüß unsers Hochtheüren Seligmachers JEsu CHristi andächtig zubetrachten wird fürgestellet/ und kan dises Lied fürnehmlich am stillen Freitage/ wie auch den Sonnabend für Osteren gesungen werden c /] C statt dessen: ? d Da] C statt dessen: Wie 1 Rist verwendet für die erste Strophe dieses Liedes als Textvorlage: Spee, Ausserlesene, Catholische, Geistliche Kirchengesänge, S. 357. Vgl. die Textsynopse u. S. 477. 2 Jer 10,19 3 Vgl. Joh 1,14 4 Mt 27,60 5 Mt 27,50; vgl. Phil 2,8 6 Vgl. Joh 3,16; 15,13 7 Vgl. Röm 4,25
III. Klägliches Grab=Lied
20
4. Dein Bräutigam8/ Das GottesLamm9 Ligt hie mit Blut beschlossene,10,11/ Welches es gantz mildiglich12 Hat für dich vergossen13.
25
5. O süsser Mund14/ O Glaubens=Grund15 | Wie bist du doch zu schlagen16,17! Alles was auff Erden lebt/ Muß dich ja beklagen18.
30
6. O lieblichs Bild19/ Schön zart vnd mild Du Söhnlein der Jungfrawen20! Niemand kan dein heisses Blut Sonder21 Rew anschawen.
35
7. O seligf ist Zu allerg frist22 Der dieses recht bedencket/ Wie der HErr der Herrligkeit Wird ins Grab versencket23.h |
39
e beschlossen] C statt dessen: beflossen f O selig] C statt dessen: Hochselig g Zu aller] C statt dessen: Zur jeden h .] B statt dessen: ! 8 Mt 25,6 9 Joh 1,29 10 Vgl. Kol 1,20 11 beschlossen] umgeben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1577. 12 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 13 Mt 26,28 14 Vgl. Ps 45,3 15 Vgl. 1Kor 3,11; Röm 10,17 16 Jes 53,5.10 17 zu schlagen] zerschlagen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 758. 18 Vgl. Lk 23,27 19 Vgl. Hld 1,16 20 Jes 7,14; vgl. Mt 1,23 21 Sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 22 frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 23 Mt 27,60
S. 15
40
Das Erste Zehen
8. O Jesu/ du Mein’ Hülff’24 vnd Ruh’ Jch bitte dich mit Thränen: Hilff/ daß ich mich biß ins Grab. Nach dir mögei sehnen.
S. 16
i Nach dir möge] C statt dessen: Müge nach Dir 24 Vgl. Ps 62,3
40
III. Klägliches Grab=Lied
41
Erinnerung an den Leser.
C
5
Hristlicher Leser/ es ist mir der erste Verß dieses GrabLiedes benebenst1 seiner andächtigen Melodey ohne gefehr2 zu Handen kommen. Wann mir denn selbige insonderheita,3 wol gefallen/ als4 habe ich/ dieweil5 ich der anderen Verß gar nicht theilhafft6 werden können/ die übrige sieben/ wie sie allhie stehen/ hinzu gesetzt/ welches ich dem gönstigen Leser nicht habe verhalten7 sollen noch wollen.b |
a insonderheit] Emendiert aus: insonderhett Recte: B b Erinnerung an den Leser sollen noch wollen.] Fehlt C 1 benebenst] mitsamt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1386 und DWb 13, Sp. 490. 2 ohne gefehr] zufällig. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 2070. 3 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 4 als] also. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. 5 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 6 theilhafft] teilhaftig. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 359. 7 verhalten] vorenthalten. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 510.
42
Das Erste Zehen
IV. Frewdenreiche Dancksagung
43
IV.
S. 15
Frewdenreiche Dancksagung.
Für die sieghaffte Aufferstehung Jesu Christi vnd deroselben herrliche Früchtea,1.
L
S. 17
Asset vns den Herren preisen2/ O jhr Christen überall/ Kommet daß wir Danck erweisen/ vnserm Gott mit süssem schall3/ Es ist frey von | Todesbanden4 Simson5 der vom Himmel kam/ vnd der Lew’ aus Juda Stamm6 Christus Jesus ist erstanden7/ Nun ist hin der lange Streit/ Frewe dich8 O Christenheit 2. Christus selbst hat überwunden Des ergrimten Todes Machtb,9/ Der in Tüchern lag gebunden10 Hat die Schlangec vmbgebracht11/ Satans Reich ist gantz verheeret12,13/ Christus hat es nach der Ruh’ Außgetilget vnd dazu
a Frewdenreiche Dancksagung herrliche Früchte] C statt dessen: Ein frölicher Ostergesang. Jn welchem uns die sieghafte Aufferstehung unseres Heilandes JEsu CHristi/ nebenst deroselben herlichen Früchten zubetrachten wird fürgestellet/ worin auch alle Christen zu einer hertzlichen und Freüdenreichen Dancksagung für dise hohe Wolthaten werden ermahnet und auf gemuntert b Todes Macht] B statt dessen: Todes=Macht (Erratum) c Schlange] C statt dessen: Schlang’ itz 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein II, 17, S. 153–156 (mit der Überschrift „Dancksagung für die sieghaffte Aufferstehung JEsu Christi/ vnd für die Frucht derselben.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 478–482. 2 Vgl. Ps 30,2 3 Vgl. Ps 47,2 4 Vgl. Ps 116,3 5 Vgl. Ri 16,21.29 f. 6 Apk 5,5; Gen 49,9 7 Mt 28,6 8 Sach 9,9 9 2Tim 1,10 10 Mt 27,59 11 Gen 3,15 12 verheeret] verwüstet. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 544. 13 Röm 16,20
5
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IV. Frewdenreiche Dancksagung
45
Belialsd,14 sein Schloß zerstöret15/ Daß wir haben frey Geleit/ 20
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Frewe dich O Christenheit.
3. Warest du/ O Helde,16 gestorben/ Warest duf ins Grab gelegt?17 Ey du bliebestg vnverdorben/ Da sich nur die Erd’h erregt18 | Bist du aus der Höleni kommen/ Hast das Leben vnd die Macht Aus der Grufft herwiederbrachtj Vnd des Todes Raub genommen19/ Schenckest vnsk die Seligkeit20/
S. 18
Frewe dich O Christenheit.
4. Todt/ wo sind nun deine Waffen/ Helle/ wo ist dein Triumph?21 Satan kontel gar nichts schaffen/ Seine Pfeile22 wurdenm stumpff/ Christus ist sein Gifft gewesen Ja der Hellen Seuch’ vnd Pest23/ Welt vnd Sünde ligen fest24 Vnd wir Menschen sind genesen25 | Nur durch seinen tapffren Streit
Frewe dich O Christenheit.
5. Gott der heilet vnsre Plagen26 Wenn wir nirgend Hülffe sehn27/ Lässetn vns nach dreyen Tagen Lebend wiedrumb aufferstehn28/ d Belials] C statt dessen: Belial e O Held] C statt dessen: nicht nur f Warest du] C statt dessen: Sondern auch g bliebest] B statt dessen: bleibest h die Erd’] C statt dessen: der Felß i Bist du aus der Hölen] C statt dessen: Held/ da bist Du wieder j Grufft herwiederbracht] C statt dessen: schwartzen Gruft gebracht k Schenckest vns] C statt dessen: Schenkst uns nun l konte] C statt dessen: könte m wurden] C statt dessen: würden n Lässet] C statt dessen: Lasset (Erratum) 14 2Kor 6,15 15 Vgl. 1Joh 3,8 16 Jes 9,5 17 Mt 27,60 18 Vgl. Mt 27,52 19 Vgl. Hebr 2,14 20 Vgl. 1Petr 1,9 21 1Kor 15,55 22 Eph 6,16 23 Hos 13,14 24 ligen fest] liegen gefangen. Nicht bei Grimm, DWb. 25 Ps 80,4 26 Ps 103,3 27 Vgl. Hiob 6,13 28 Vgl. Röm 6,4; Eph 2,6
S. 19
46
Das Erste Zehen
Darumb muß ich danckbar werden Vnd mein’ Ehr’ ist Frewden voll. Weil der Herr nicht sehen sol Die Verwesung in der Erden29 Noch der Hölen Einsamkeit/
Frewe dich O Christenheit.
6. Er ist aus der Angst gerissen Vnd mit Ehren angethan30/ Wer ist/ der sein Leben wissen Vnd die läng’ außreden31 kan?32 Christus ist der Eckstein worden33/ GOtt/ das ist von dir geschehn/ Wie wir jetzt für Augen sehn/ Wir sind aus der Sünder Orden34 Hingerissen durch den Streit/
Frewe dich O Christenheit.
S. 20
7. Hast du schon vom Bach’ am Wege Angenommen einen Tranck35 | Vnd erlitten tausend Schläge36/ Warest kräncker noch als kranck37; Ey/ so hast du doch erhoben Dein verklärtes Angesicht38/ Stirbest nun vnd nimmer nicht39/ Ja wir werden ewig loben Dich Herr Jesu nach dem Streit/
Frewe dich O Christenheit.
8. Herr/ diß sind die edleno Früchte Die dein’ Aufferstehung gibt: Daß wir tretten für Gerichte40/ Gantz in deine Gunst verliebt41: o die edlen] C statt dessen: recht edle 29 Apg 2,31 30 Vgl. 2Petr 1,17 31 die läng’ außreden] die Länge seines Lebens benennen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 167. 32 Jes 53,8 33 Ps 118,22; Mt 21,42; Eph 2,20 34 Orden] Ordnung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317. 35 Ps 110,7 36 Jes 53,4 37 Jes 53,10 38 Vgl. Mt 17,2 39 Röm 6,9 40 Hebr 9,27 41 Vgl. 1Joh 4,17
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IV. Frewdenreiche Dancksagung 75
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Herr/ diß sind die schönen Gaben/
Gnad’ vnd Leben42/ Frewd’43 vnd Sieg44/ Trost45 vnd Friede46 nach dem Krieg’/ O die sollen kräfftig laben Leib vnd Seel’ in allem Leyd/
Frewe dich O Christenheit.
9. Weil nach diesem Fried’ ich dürste Wie nach Wasser Tag vnd Nacht47/ Den du grosser Krieges=Fürste48 Durch den Kampff hast wiederbracht/ Ey so theil jtzt aus die Beute49 Wie der starcke Simson that/ Als er überwunden hat50: Laß dich rühmen alle Leute | Daß geendigt sey der Streit/
Frewe dich O Christenheit.
S. 21
10. Gib Herr Jesu deine Gnade/ Daß wir stets mit Rewen sehn Wie so groß sey vnserp Schade Daß wir dir gleich aufferstehn51/ Brich herfür in vnsern Hertzen52/ Vberwinde Sündeq Todt Teuffel/ Welt vnd Hellen=Noth Dämpff in vns die Angstr vnd Schmertzen Sampt der Seelen Trawrigkeit53/
Frewe dich O Christenheits.
11. Meinen Leib wird man vergraben54 Aber gleichwol ewig nicht/ | Bald werd ich das Leben haben55/ Wenn das letzte Welt=Gericht p Wie so groß sey vnser] C statt dessen: Waß uns armen Sündern q ] Gemäß B, C emendierend ergänzt r die Angst] C statt dessen: Angst/ Pein s Christenheit] Gemäß B, C emendiert aus: Christeheit 42 Röm 5,21 43 Gal 5,22 44 1Kor 15,57 45 2Kor 1,7 46 Röm 5,1 47 Vgl. Ps 42,2 48 Ex 15,3 49 Jes 9,2 50 Von der Austeilung einer Beute durch Simson spricht Ri 14–16 nicht. 51 Kol 3,1 52 Eph 3,17 53 Vgl. Joh 16,20 54 Sir 40,1 55 Joh 3,15
S. 22
48
Das Erste Zehen
Alle Grabert wird entdecken56,57/ Vnd der Engel Feld=Geschrey58 Zeigetu/ was vorhanden sey/ Denn wird mich mein Gott auffwecken59 Vnd beschliessen60 all mein Leyd61/
Frewe dich O Christenheit.
12. Denn so werden meine Glieder/ Die jetzt Staub vnd Asche seyn Vnverweßlich leben wieder62 Vnd erlangen solchen Schein/ Dessen gleichen hie auff v Erden63 Nimmermehr zu finden ist/ Ja mein Leib Herr Jesu Christ Sol dem deinen ehnlich werden64 Voller Pracht vnd Herrligkeit/
Frewew dich O Christenheit. |
t Graber] B, C statt dessen: Gräber u Zeiget] C statt dessen: Zeigen v hie auff] C statt dessen: auf der w Frewe] Gemäß B, C emendiert aus: Frewde 56 Ez 37,13; Joh 5,28 f. 57 entdecken] aufdecken. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 506. 58 Vgl. Apk 14,18 59 1Kor 6,14 60 beschliessen] beenden. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1578. 61 Apk 21,4 62 Vgl. 1Kor 15,42 63 Vgl. 1Kor 15,40 64 Phil 3,21
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V. Danck=Lied
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Das Erste Zehen
V.
S. 21
Danck=Lied
Für die fröliche Himmelfahrt vnseres Triumphi= renden Sieges=Fürsten Jesu Christia,1.
D
5
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15
V LebensFürst2 HErr Jesu Christ/ Der du bist auffgenommen gen Himmel da | dein Vater ist3/ Vnd die Gemein der Frommen4/ Wie sol ich deinen grossen Sieg5/ den du vns durch denb schweren Krieg/ erworben hast recht preisen/ vnd dir gnug Ehr’ erweisen? 2. Du hast die Hell’ vnd Sünden=Noth Gantz ritterlich bezwungen6/ Du hast den Teufel/ Welt vnd Todt Durch deinen Todt verdrungen7/ Du hast gesieget weit vnd breit8/ Wie solc ich solche Herrligkeit O HErr in diesem Leben Gnug würdiglich erheben?d 3. Du hast dich zu der rechten Hand Des Vaters hin gesetzet9/
a Danck=Lied Jesu Christi] C statt dessen: Ein Freüdenreicher Himmelfahrtsgesang/ Jn welchem die Kirche Gottes dem Triumphirenden Siegesfürsten CHristo JEsu/ für seine fröliche Himmelfahrt/ Lob/ Ehre und Dank singet b vns durch den] C statt dessen: durch einen c sol] C statt dessen: werd’ d ?] B statt dessen: . 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein II, 23, S. 168–170 (mit der Überschrift „Dancksagung für die fröliche Himmelfahrt JEsu Christi.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 483–486. 2 Apg 3,15 3 Vgl. Mk 16,19 4 Ps 149,1 5 Vgl. 1Kor 15,55.57 6 Vgl. Röm 8,3; Apk 1,18 7 Vgl. Joh 16,33; Apk 1,18 8 Vgl. 1Kor 15,55–57 9 Vgl. Ps 110,1; Mk 16,19
S. 23
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S. 24
S. 25
Das Erste Zehen
Der alles dir hat zugewandt10,11/ Nach dem du vnverletzete | Die starcken Feind’ hast vmbgebracht12/ Triumph vnd Sieg daraus gemacht Vnd sie auff deinemf Wagen Gantzg herrlich schaw getragen13,14. 4. Nun liget alles vnter dir15 Dich selbst nur außgenommen/ Die Engel müssenh für vnd für Dir auffzuwarten kommen/ Die Fürsten stehn auchi auff der Bahn Vnd sind dir willig vnterthan/ | Lufft/ Wasser/ Fewr vnd Erden Muß dir zu Dienste werden. 5. Du starcker Herrscher fährest auff Mit Jauchtzen vnd Lobsagen16/ Vnd gleich mit dir in vollem Lauff’ Auch mehr denn tausend Wagen17/ Du fährest auff mit Lobgesang’/ Es schallet der Posaunen Klang18/ Mein Gott/ für allen Dingen Wil ich dir auch lobsingen19. 6. Du bist gefahren in die Höh’ Hinführend die Gefangen20 j So vns mit Thränen/ Ach vnd Weh Genetzet offt die Wangen21/ Drumb preisen wir mit süssem Schall’22 O starcker Gott23 dich überall/ e vnverletzet] C statt dessen: kaumverletzet f Vnd sie auff deinem] C statt dessen: Ja gahr auf deinen g Gantz] C statt dessen: Sehr h Die Engel müssen] C statt dessen: Es müssen Engel i stehn auch] C statt dessen: stehen j So] C statt dessen: Welch 10 zugewandt] zugeeignet. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 905. 11 Vgl. Mt 28,18 12 Vgl. Apk 20,14; Röm 16,20 13 Kol 2,15 14 schaw getragen] zur Schau getragen. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2378. 15 Vgl. Phil 2,9 16 Ps 47,5 f. 17 Vgl. Ps 68,18 18 Ps 47,5 f. 19 Ps 34,2; 69,31 20 Ps 68,19 21 Vgl. Thren 1,2 22 Vgl. Ps 47,2 23 Vgl. Jer 32,18
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V. Danck=Lied
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Wir/ die wir so viel Gaben Hiedurch empfangen haben.
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7. Du bist das Häupt in der Gemein’24 Vnd wirk sind deine Glider25/ Drumb wirst du vnserl Schutz26 ja seyn/ Wir dienen dir hinwieder/ Du stärckest vns mit Trost’27 vnd Liecht28/ Wenn vns für Angst das Hertz zerbricht29/ | Dann kanst du Krafft vnd Leben Ja Fried’ vnd Frewde30 geben. 8. Du salbest vns mit deinem Geist’31 Vnd gibst getrewe Hirten32/ Die Lehrer/ som vns allermeist Mit Himmels=Brodt33 bewirthen/ Du HoherPriester34 zeigest an/ Wie nichts als dun vns retten kan Vnd auso der Hellen Rachen35 Vns frey vnd ledigmachen36,37 9. Du hast durch deine Himmelfahrt38 Die Strassen vns bereitet39/ Du hast den Weg vns offenbahrt Der vns zum Vater leitet40/ Vnd weil denn du HErr Jesu Christ Nun stets in deiner Wonne bist/ So werden ja die Frommen Dahin auch zu dirp kommen41.
k wir] Gemäß B, C emendiert aus: wird l Drumb wirst du vnser] C statt dessen: Du wirst der Glieder m so] C statt dessen: welch’ n Wie nichts als du] C statt dessen: Daß deine Faust o Vnd aus] C statt dessen: Ja von p auch zu dir ] C statt dessen: zu Dir auch 24 Eph 1,22; Kol 1,18 25 1Kor 12,12; Eph 5,30 26 Ps 18,3 27 Vgl. Ps 119,50 28 Vgl. Ps 119,105 29 Vgl. Ps 34,19 30 Röm 15,13 31 Vgl. 2Kor 1,21 f. 32 Eph 4,11 33 Vgl. Ps 78,24; Joh 6,35.51 34 Hebr 2,17 35 Jes 5,14; Sir 51,6 36 ledigmachen] aus Gefangenschaft befreien. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 497. 37 Vgl. Ps 86,13 38 Vgl. Apg 1,10 39 Vgl. 1Kor 15,20–22 40 Joh 14,6 41 Vgl. Joh 14,3
S. 26
54
S. 27
Das Erste Zehen
10. Jst vnser Haupt im Himmelreich’42 Als die Aposteln schreiben/ So werden wir/ den Englen gleich43 Ja nicht heraussen bleiben/ Du wirst vns deine Gliederlein44 Mein Gott nicht lassen von dir seyn/ | Die jhnen fest getrawenq,45 Dein’ Herrligkeit zu schawen.
75
80
11.
Herr Jesu/ zieh vns für vnd für 46
Daß wir mit den Gemühternr Nur oben wohnen stets bey dir47 Jn außerwehlten Güterns/ Lass’ vnsern Sitz vnd Wandel seyn Wo Fried’ vnd Warheit gehn herein/ Lass’ vns in deinem Wesen/ Dast himlisch ist48/ genesen. 12. Hilff daß wir suchen vnsern Schatz Nicht hier in diesem Leben49/ Besondern50 dort/ wo du den Platz Wirst Gottes Kindern51 geben/ Ach laß vns streben fest vnd wol Nach dem/ das künfftig werden sol52/ So können wir ergründen/ Wo dein Gezelt53 zu finden. 13. Zieh vns dir nach/ so lauffen wir54 Gib vns des Glaubens Flügel55/ Hilff/ daß wir fliehen weit von hier Auff Jsraelis Hügel56/ q jhnen fest getrawen] C statt dessen: doch so fest vertrauen r B zusätzlich: . (Erratum) s außerwehlten Gütern] C statt dessen: deinen Himmelsgühtern t Das] B statt dessen: Was 42 Eph 1,22; Kol 1,18 43 Lk 20,36 44 1Kor 12,27 45 jhnen fest getrawen] fest darauf vertrauen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4429. 46 Vgl. Joh 6,44 47 Vgl. Kol 3,2 48 Eph 2,6 49 Vgl. Mt 6,19 f.; 19,21 50 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 51 Mt 5,9 52 Vgl. Hebr 13,14 53 Gezelt] Zelt. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 6946. 54 Hld 1,4 55 Vgl. Jes 40,31 56 Vgl. Mt 24,16
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55
V. Danck=Lied
Mein GOtt/ wenn fahr’ ich doch dahin/ Wo ich ohn’ Endeu frölich bin57/ | Wenn werd’ ich für dir stehen/ Dein Angesicht zu sehen?58
105
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S. 28
14. Wenn sol ich hin ins Paradieß59 Zu dir Herr Jesu kommen60/ Wenn kost’ ich doch das Engel=süß Wenn werd’ ich auffgenommen?61 Mein Heyland komm’ vnd nimb mich an/ Auff daß ich frölich jauchtzen kan Vnd klopffen62 in die Hände:
Allelujav ohn’ Ende63. |
u ich ohn’ Ende] C statt dessen: selbst Jch ewig
v Alleluja] C statt dessen: Gelobt sei GOtt
57 Vgl. Apk 21,4 58 Vgl. 1Kor 13,12 59 Vgl. Apk 2,7 60 Vgl. Lk 23,43 62 klopffen] klatschen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1225. 63 Vgl. Apk 19,1.3
61 Vgl. Ps 27,10
56
Das Erste Zehen
VI.
S. 29
Ernstlichesa Gebetb
Vmb rechtschaffenec,d wahre Gottesfurcht1.
O
5
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Vater aller Güt’2/ Jch klage dir mit Schmertzen Die Bößheite meiner Seel/ vnd Thorheit meinesf Hertzen3/ Die mich so gar besessen4/ Daß ich/ O grosser Gott5/ Hab’ überall vergessen Dein Heissen vnd Gebot6. 2. Ach/ keine Gottesfurcht ist mehr für meinen Augen7/ Die leider gäntzlich nichts dich zu erkenneng taugen8/ Dich kan ich ja nicht lieben/ Noch wieh ich billichi,9 sol Jn deiner Furcht mich üben/ Das fül ich gar zu wol. | 3. Es ist ja meine Sünd’ vnd Bößheit nicht zu messen10/ Offt hab’ ich dein Gesetz’ O grosser GOtt11 vergessen/ Offt lass’ ich mir gefallen Die Wollust dieser Welt?j,12 So/ daß ich jhrk für allen Mich selberl dargestellt. a Ernstliches] C statt dessen: Ein Ernstliches b C zusätzlich: zu GOtt/ c rechtschaffene] B statt dessen: rechschaffene (Erratum) d C zusätzlich: / hertzliche und e Bößheit] B statt dessen: Boßheit f Thorheit meines] C statt dessen: Gift in meinem g zu erkennen] C statt dessen: recht zukennen h wie] C statt dessen: alß i billich] C statt dessen: armer j ?] B statt dessen: ! C statt dessen: / k So/ daß ich jhr] C statt dessen: Der leider Jch l selber] C statt dessen: täglich 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein I, 2, S. 4–6 (mit der Überschrift „Vmb wahre Gottesforcht.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 487–490. 2 Vgl. Ps 36,6 3 Vgl. Koh 9,3 4 Vgl. Röm 6,16 5 Ps 95,3 6 Vgl. Hos 4,6 7 Röm 3,18 8 Vgl. 1Kor 2,14 9 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 10 Vgl. Jes 59,12 11 Ps 95,3 12 Vgl. 1Joh 2,16
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Das Erste Zehen
4. Jch seufftz’m O frommer Gott/ du wollest mir vergeben/ Daß ich in Sicherheit verbracht mein junges Leben/ | Jn dem ich nicht geschewet Die Straffe so mir dort Von dir ist angedräwet13 Für längst14 in deinem Wort’. 5. Es ist dich fürchten ja die allerschönsten Tugend/ Die edle Weißheit selbsto,15/ die Meisterin der Jugend16/ Wol dem/ der diese kennet Vnd klebet fest’ jhr an/ Der wird ein Christ genennet/ Der Gott gefallen kan17. 6. Jch bitt’ Herr ferner/ daß dup wollest von mir nehmen Mein’ angeborne Sünd’18 vnd kräfftig in mir zähmen Das Bös’ in meinem Willen19 Sampt der Vermessenheit/ Benebenst dem20 auch stillen21 Den Spott der Ewigkeit.
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7. Gib deinen guten Geist22/ den Geist der Furcht des HErren23. Vnd lasse mich in jhr mein gantzes Hertz versperren24/ | Daß ich an allen Orten Woq ich auch jmmer sey Mit Wercken vnd mit Worten25 Für deinemr Zorn mich schew’.
m C zusätzlich: : n allerschönste] C statt dessen: wunderschöne o Die edle Weißheit selbst] C statt dessen: Der Weißheit höchster Schatz p Jch bitt’ Herr ferner/ daß du] C statt dessen: Noch ferner bitt’ Jch/ HErr/ Du q Wo] C statt dessen: Wor r deinem] C statt dessen: deinen 13 angedräwet] angedroht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 316. 14 Für längst] schon längst, vor sehr langer Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 763. 15 Prv 9,10; Sir 1,20 16 Vgl. Sir 6,18 17 Vgl. Sap 7,28 18 Vgl. Ps 51,7.9 19 Vgl. Gen 8,21 20 Benebenst dem] zudem. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1386. 21 stillen] verstummen machen, zum Schweigen bringen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3016. 22 Ps 143,10 23 Jes 11,2 24 versperren] einschließen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1394. 25 Kol 3,17
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8. Ach gib dochs wahre Rew’ vnd Leyd Herrt meinem Hertzen/ Daß ich mein eitles Thun beweinen mag mit Schmertzen26/ Vnd daß ich ja beklage Mehr meine Missethat/ Als deinen Zorn vnd Plage Die mich ergriffen hat. 9. O selig werd’ ich seyn/ im Fall’27 ich kan erkennen/ Daß du mein Gott gerecht/ ich aber böß zu nennen28/ Ja daß ich billich29 leide Die wolverdiente Pein/ Vnd/ weil ich selbst michu scheide Von dir/ muß straffbar seyn. 10. Verleyhe mir/ O GOtt/ weil ich noch leb’ auff Erden/ Daß ich der Sünden gram vnd hertzlich feind mag werden/ | Als diev ohn’ allen Zweiffel Zu erstw entsprossen ist Von dem verfluchten Teufel30 Durch Lügen/ Trug vnd List31. 11. Wenn auch des Creutzes Last32 mich grawsamlich wird drücken/ So wolle deine Gnad’/ O GOtt nicht von mir rücken/ Du kanst mein Elend stillen33 Vnd schnell erretten mich34 Vmb deiner Güte willen35/ Das gläub’ ich festiglich.
s Ach gib doch] C statt dessen: Erwekke t Herr] C statt dessen: in u selbst mich] B statt dessen: mich selbst v die] C statt dessen: welch’ w Zu erst] C statt dessen: Fürlängst 26 2Kor 7,9–11 27 im Fall’] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 28 Vgl. Röm 3,4 29 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 30 1Joh 3,8 31 Vgl. Gen 3,1–5 32 Vgl. Mt 10,38 33 stillen] zum Stillstand bringen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3014. 34 Vgl. Ps 119,153 35 Ps 6,5; 25,7
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Das Erste Zehen
12. Bewahre meine Seel’36 vnnd jnnerste Gedancken/ Daß sie von deiner Furcht in Ewigkeit nicht wancken37/ Besondern38 nach dir sehen HErr GOtt zu allerx Frist39/ So wird nicht leicht geschehen Was dir zuwidery ist.
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13. Mein jnnerliches Aug’ HErr sey auchz stets gerichtet Auff dich40/ daß alles/ was mein Hertz’ vnd Sinn ertichtet41 | Nach dir allein sich lencke Jn Lieb’ in Frewd unda Leyd/ Hilff/ daß ichb stets bedencke Die Pein der Ewigkeit42. 14. Gib Gnade/ daß ich mög’ in allen meinen Sachen Den Anfang und das End’ in deiner Liebe machen43/ Dazu für allen Dingen Erstc hertzlich zu dir schrey44/ Dann wird mein Thun gelingen/ Es sey auch was es sey. 15. Ach lasse mich ja nicht von deiner Furcht abwenden Lust/ Reichthumb/ Ehr’ und was die Seelen sonst kan schänden45/ Wenn mich gleich alles plaget Dennoch so tröstet mich Dein Wort46/ was dieses saget/ Dem traw ich fästiglich47.
x zu aller] C statt dessen: zur jeden y zuwider] Gemäß B, C emendiert aus: znwider z sey auch] C statt dessen: bleibe a Jn Lieb’ in Frewd und] C statt dessen: So wol in Lust alß b ich] Fehlt B (Erratum) c Erst] C statt dessen: Einst (Erratum) 36 Ps 25,20; 86,2 37 Vgl. Prv 23,17 38 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 39 Frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 40 Vgl. Ps 141,8 41 ertichtet] ersinnt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 771. 42 Mt 25,46 43 Vgl. 1Kor 16,14 44 Vgl. Ps 88,14 45 Vgl. Mt 16,26 46 Vgl. Jer 15,16 47 Vgl. Ps 119,42
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16. Erbarmungd/ Segen/ Gnad’/ Errettung/ Hülff und Leben/ Erhaltung/ Weißheit/ Trost und Heyl wirst du unse geben: | O trewer Gott48 regiere Mir ja meinf Hertz’ und Sinn49/ Daß deine Furcht mich führe Biß ich vergraben bin.
d Erbarmung] C statt dessen: Erbarmen kräftig 48 Ps 31,6
49 Vgl. Gal 5,18
e uns] C statt dessen: Mir f ja mein] C statt dessen:
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Das Erste Zehen
VII. Hertzliches Buß=Lied
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VII.
Hertzliches Buß=Lied
An seinen allerliebsten HErrn JEsum/ umb Verzeihung seiner viel= und mannig= faltigen Sündena.
J
Esu der du meine Seele/ hast durch deinen bittren Todt1/ Aus des Teufels finstren Höle2/ undb der schweren Sünden Noth/ kräfftiglich heraus gerissen3/ und mich solches lassen wissen/ durch dein angenehmes Wort/ sey doch jtzt O Gott mein Hort4.
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2. Trewlich hast du ja gesuchet Die verlornenc Schäffelein5/ | Als sie lieffen gantz verfluchet Jn der Hellen Pfuel hinein/ Ja du Satans Uberwinder6 Hast die hochbetrübted Sünder So geruffen zu der Buß7 Daß ich billich8 kommen muß. 3. Ach/ ich bin ein Kind der Sünden9/e Ach/f ich jrre weit und breit/ |
a Hertzliches Buß=Lied Sünden] C statt dessen: Ein hertzlicher Beht= und Buhßgesang/ An unseren allerliebsten HErren JEsum/ üm gnädige Verzeihung unserer viel und mannigfaltigen begangenen Sünde b und] C statt dessen: samt c verlornen] C statt dessen: verlohrne d hochbetrübte] B statt dessen: hochbetrübten e /] B statt dessen: ! f /] B statt dessen: ! 1 Röm 5,10 2 Vgl. Ps 30,4; 86,13 3 Vgl. Ps 91,15 4 Ps 18,3; 71,3 5 Vgl. Lk 15,4 6 Vgl. 1Joh 3,8 7 Mt 4,17; 9,13 8 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 9 Vgl. Ps 51,7
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Es ist nichts bey mir zu finden Als nur Ungerechtigkeit10/ All mein Tichten/ all mein Trachten Heisset vnsern Gott verachten/ Bößlich11 leb’ ich gantz und gar12 Und sehr gottloß jmmerdar.
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Herr/ ich muß es ja bekennen/
Daß nichts gutes wohnt in mir/ Das zwar/ was wir wollen nennen/ Halt’ ich meiner Seelen für/g Aber Fleisch und Blut zu zwingen13 Und das gute vollenbringen Folget gar nicht/ wie es sol/ Was ich nicht wil/ thu’ ich wol14.
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5. Aber Herr/ ich kan nicht wissen Wie viel meiner Fehler seynh,15/ Mein Gemüth ist gantz zurissen16 Durch der Sünden Schmertz und Pein/ Und mein Hertz ist matt von Sorgen/ Ach vergib mir dasi verborgen17/ Rechne nicht die Missethat18/ Die dich Herr erzürnet hat19.
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6. Jesu/ du hast weggenommen Meine Schulden durch dein Blut20/ | Lass’ es O Erlöser21 kommen Meiner Seligkeit zu gut’ Und dieweil22 du soj zuschlagen23
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g /] C statt dessen: ; h Wie viel meiner Fehler seyn] C statt dessen: Meiner Fehler Meng’ allein i das] C statt dessen: waß j so] C statt dessen: sehr 10 Vgl. Röm 7,18 11 Bößlich] böse. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 260. 12 Vgl. Gen 6,5 13 zwingen] überwältigen, bezwingen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 1240. 14 Röm 7,18 f. 15 Ps 19,13; Hiob 13,23 16 zurissen] zerrissen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 737 f. 17 Ps 19,13 18 Ps 32,2 19 Vgl. Jdth 11,8 20 Vgl. 1Petr 1,18 f. 21 Ps 19,15 22 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 23 zuschlagen] zerschlagen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 758.
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Das Erste Zehen
Hast die Sünd’ am Creutzk getragen24/ Ey so sprich mich endlich frey/ Daß ich gantz dein eigen sey25. 7. Weil mich auch der Hellen Schrecken Und des Satans Grimmigkeit Vielmalsl pflegen auffzuwecken Und zu führen in den Streit26/ Daß ich schier27 muß unterligen/ Ach so hilff Herr Jesu siegen28/ O du meine Zuversicht29/ Laß mich ja verzagen nicht.m 8. Deine rohtgefarbten Wunden30/ Deine Nägel/ Kron31 und Grab32/ Deine Schenckel fest gebunden Wenden alle Plagen ab/ Deine Pein und blutigs Schwitzen33/ Deine Striemen/ Schläg’ und Ritzen34/ Deine Marter35/ Angst und Stich’36 O Herr Jesu trösten mich.
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9. Wenn ich für Gericht sol tretten37/ Da man nicht entfliehen kan/ | Ach/ so wollest du mich retten Und dich meiner nehmen an. Du allein’ Herr kansto es stören/p Daß ich nicht den Fluch darff38 hören: Jhr zu meiner lincken Hand Seyd von mir noch nie erkant39.
k Creutz] B statt dessen: Crentz (Erratum) l Vielmals] B statt dessen: Vielmahl m .] B statt dessen: ! n rohtgefarbte] B statt dessen: rohtgefärbte o allein’ Herr kanst] C statt dessen: HErr/ kanst allein p /] B statt dessen: : 24 Vgl. Jes 53,12 25 Vgl. Eph 1,14 26 Vgl. Eph 6,11 f. 27 schier] bald. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 20. 28 Vgl. 1Kor 15,57 29 Vgl. Ps 71,5 30 Vgl. Jes 63,2 31 Mk 15,17 32 Mt 27,60 33 Vgl. Lk 22,44 34 Vgl. Mt 27,26 35 Vgl. Jes 53,4 36 Vgl. Joh 19,37 37 Vgl. Mt 12,36 38 darff] muß. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 39 Mt 25,41
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10. Du ergründestq meine Schmertzen Du erkennestr meine Pein/ Es ist nichts in meinem Hertzen Als dein herber Todt allein/ Diß mein Hertz mit Leyd vermenget/ Dass dein thewres Blut40 besprenget Sot am Creutz vergossen ist41/ Geb’ ich dir Herr Jesu Christ. 11. Nun/ ich weis/ du wirst mir stillen42 Mein Gewissen/ das mich plagt43/ Es wird deine Trew’ erfüllen/ Was du selber hast gesagt: Daß auff dieser weiten Erden Keiner jeu verlohren werden Sondern ewig leben sol/ Wenn er nur ist Glaubens voll44. 12.
Herr/ ich gläube/ hilff mir Schwachen45/
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Laß vns ja verderben nicht46/ | Du/ du kanst mich stärcker machen Wenn mich Sünd vnd Todt anficht/ Deiner Güte wil ich trawen/ Biß ich frölich werde schawen47 Dich Herr Jesu nach dem Streit Jn der süssen Ewigkeit. |
q ergründest] C statt dessen: HErr gründest r erkennest] C statt dessen: / du kennest C statt dessen: Durch t So] C statt dessen: Das u je] C statt dessen: auch
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s Das]
40 1Petr 1,18 f. 41 Vgl. Mt 26,28 42 stillen] beruhigen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3010. 43 Vgl. Hebr 10,22 44 Joh 3,15 f. 45 Mk 9,24 46 Vgl. Lk 9,56 47 Vgl. 1Kor 13,12
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Das Erste Zehen
VIII. Gebet zu Gott
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VIII.
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Gebeta zu GOTT
Umb wahre Gedult inb grossem Creutze vndc Widerwertigkeitd,1.
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Gottes Lamb/ daß du die Schuld der Welt getragen mit Gedult2/ Jch klage dir mit schmertzen/ daß mir in meinem Hertzen/ die Bößheit angeboren3/ so/ daß siche gantz und gar Gedult bey mir verloren/ die sonst sehr nötigf war4.
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2. Mein Gott mit Murren wider dich Versündig’ ich mich stetiglich5 Jch lasse ja nicht stillen6 Mein Creutz nach deinem Willen/ | Offt schew’ ich mich zu tragen Dein sanfftes Joch7 für dir/ Das muß ich schmertzlich klagen O Gott verzeih’ es mir. 3. Vergib mir diese schwere Sünd’8 Hilff daß ich jag im Creutz ergründ’ |
a Gebet] C statt dessen: Ein Gebeht b C zusätzlich: mancherlei schwehren und c vnd] C statt dessen: / d C zusätzlich: und Leyden e sich] C in der Notation des Cantus statt dessen: Jch (Erratum) f sonst sehr nötig] C statt dessen: doch hoch nöhtig g ja] C statt dessen: doch 1 Der Titel des Rist’schen Liedes basiert auf der Überschrift in Arndts Paradiesgärtlein „Gebet vmb Gedult in grossem Creutz“ (S. 249). Die 15 Strophen von Rists Lied lassen keine direkte literarische Abhängigkeit von Arndts Gebet erkennen. 2 Vgl. Joh 1,29 3 Vgl. Gen 6,5 4 Vgl. Hebr 10,36 5 Judas 16 6 stillen] verstummen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3018. 7 Mt 11,30 8 Vgl. Ps 25,18; Mt 6,12
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Herr/ deiner Gnaden Quelle/ Und niemals widerbelle9/ Gib/ daß ich mög’ erkennen Wie nur dein Will’ und Rath Das/ was wir Trübsal nennen Mir auffgeleget hat.
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4. Es ist ja Herr in deiner Hand Todt/ Reichthumb/ Leben/ Ehr und Schand/ Auch kan mir hie von allen Kein eintzigs Haar entfallen10; Drumb lass’ uns willig leiden11 Noth/ Trübsal/ Quaal und Pein/ Denn/ Hellen=Angst zu meiden Muß hie gelitten seyn:h 5. Es ist für mich der Sünden Knecht12 Diß Creutzlein ja noch viel zu schlecht13/ Drumb solt’ ich hie auff Erden Jn Angst nie müde werden/ Denn/ wenn ich mich soi übe/ Erforschet Gott Bescheid Von14 Glauben/ Hoffnung/ Liebe15 Und der Beständigkeit. 6. Durch Leyden wird mein Stoltz und Pracht Zur Demuth und Gedult gemacht/ | Wenn sich mein Hertz so grämet/ Denn wird mein Leib gezähmet/ Ja wenn gantz hefftig streitet Mein Geist vnd Fleisch zugleich16 So wird in mir bereitet Des Allerhöchsten17 Reich. h :] C statt dessen: . i Denn/ wenn ich mich so] C statt dessen: Wen Jch im Kreutz Mich 9 widerbelle] widerspreche. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 916. 10 Lk 21,18; vgl. Apg 27,34 11 2Tim 4,5 12 Vgl. Joh 8,34; Röm 6,16 f.20 13 schlecht] schlicht. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 14 Erforschet Gott Bescheid Von] erfordert Gott Auskunft über. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1551. 15 1Kor 13,13 16 Vgl. Gal 5,17 17 Ps 7,18
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Das Erste Zehen
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Herr Jesu/ gib doch/ daß mein Hertz
Auch deine Wunden/ Pein und Schmertz Zur folge18 stets anschawe/ Und dir im Creutze trawe/ Wie du des Vaters Willen19 Allein für frembde Schuld20 Dich gabestj zu erfüllen Mit himlischerk Gedult. 8. Vertreib aus mir die Trawrigkeit Rach’/ Vngedult und Hertzeleid/ Lass’ alle Furcht verschwinden/ Hilff du mir überwinden21/ Daß ich dich zu verehren Mein Unglück sonder22 Klag’ Und auch dein Lob zu mehren Gedultig tragen mag.
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9. Ach gib mir einen sanfften Muth23/ Der alles dir zu Dienste thut/ | Und der sich würdig achtet Der Straff’/ auch dahin trachtet/ Wie man durch wahren Glauben Werff’ alle Sorg’ auff dich24/ So kan mich nicht berauben Der Satan grawsamlichl. 10. Jch leb’ in guter Zuversicht25 Herr Jesu Christ/ vnd zweiffle nicht Daß du/ wennm du betrübest/ Alsdenn am meisten liebest26/ j Allein für frembde Schuld Dich gabest] C statt dessen: Doch gabst für fremde Schuld Gehorsahmst k Mit himlischer] C statt dessen: Jn heiliger l berauben Der Satan grawsamlich] C statt dessen: betauben Des Satans Höllen Stich m wenn] B, C statt dessen: wen 18 Zur folge] daraufhin. Nicht bei Grimm, DWb. 19 Vgl. Lk 22,42 20 Vgl. Jes 53,5.7 21 Vgl. Röm 8,37 22 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 23 Vgl. Mt 11,29 24 1Petr 5,7; vgl. Ps 55,23 25 Vgl. Hebr 11,1 26 Vgl. Hebr 12,6
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Wolan/ so wirstu mindern Auch mir die grosse Pein27/ Und deine Straffen lindern Wenns mir wird nützlich seyn. 11. Hilff Helffer28/ daß ich diese Noth/ Die mehr mich plaget als der Todt Nach deiner Güt’ ertrage Undn nimmermehr verzage/ Du kanst mir Frewde geben/ Wenn mich dein Geist erquickt/ Und meine Seel’ ein Leben Das himlisch heisst/ erblickt. 12. Verleyh’ auch mir/ O trewer Gott29/ Daß ich in Armuth Hohn und Spott/ | Dennoch fein ruhig bleibe Und alle Furcht vertreibe/ Ja daß ich mich nicht räche30 An meiner Feinde Schaar/ Besondren31 selbst mir breche Den Willen gantz und gar32. 13. Gib liebster Herr’ auch allezeit Jm Glauben mir Beständigkeit33/ Auff daß ich biß ans Ende Zu dir allein mich wende/ Denn wer sich hie auff Erden Jm streiten tapffer hält/ Der muß nach solchem werden Ein Held/ der Gott gefält34.
n Und] C statt dessen: Ja 27 Vgl. 1Kor 10,13 28 Ps 79,9 29 Ps 31,6 30 Vgl. Röm 12,19 31 Besondren] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 32 Vgl. Gal 5,24 33 Vgl. Lk 22,32; Kol 2,7 34 Vgl. Jak 1,12
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Das Erste Zehen
14. Dieweil35 denno auchp kein frommer Christ/ Hie sonderq,36 Creutz und Leiden ist37 Und dir Herr meine Sorgen Sind gäntzlich unverborgen38; So wollest du erwegenr Mein Elend und alsdenns Mir ja nicht aufferlegent Mehr als’ ich dulden kan39.
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15. Herr Jesu/ mach’ es nicht zu schwer Jch weis/ du thust was ich begehr’ | Und hilffst mir alle Plagen Biß an mein End’ ertragen40/ Denn wirstu ja vom Bösen Von Sünden/ Straff’ und Schuld Dein armes Kind erlösen41/ Herr Jesu gib Gedult.
o denn] Fehlt C p C zusätzlich: hier q Hie sonder] C statt dessen: Ohn’ alles r wollest du erwegen] C statt dessen: wird Dich ja bewegen s alsdenn] Gemäß B emendiert aus: alsdenn. Erratum auch in C t Mir ja nicht aufferlegen] C statt dessen: Wirst Du Mir nicht aufflegen 35 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 36 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 37 Vgl. Röm 8,17 38 Vgl. Ps 38,10 39 Vgl. 1Kor 10,13 40 Vgl. Jak 1,4 41 Vgl. Mt 6,13
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IX. Christliches Morgenlied
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Das Erste Zehen
IX.
Christliches Morgenlied
Sich dem Schutze des Allerhöhesten zu be= fehlena,1.
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Ott/ der du selber bist das Liecht2/ Des Güt’ und Trewe stirbet nicht3/ dir sey jtztb Lob gesungen/ Nach dem durch deine grosse Macht/ der helle Tag die finstre Nacht/ so kräfftig hat verdrungen4/ Und deine Gnad’ und Wunderthat/ mich/ dac ich schlieff erhalten hat. |
2. Lass’ ferner mich in deinem Schutz’ O Vater für des Satans Trutz Mit Frewden aufferstehend/ Damit ich diesen gantzen Tag Dich ja mite meinemf Nutzen mag Jm Glauben frölich sehen/ Vor allem sey du selber mir Das Liecht des Lebens5 für und für. 3. Des Glaubens Liecht in mir bewahr’/ Ach stärck’ und mehr’ es jmmerdar | Erwecke Trew’ und Liebe/
a Christliches Morgenlied zu befehlen] C statt dessen: Ein Morgensang/ Mit welchem Sich ein jedweder frommer Christ dem Schutze und Schirm des Allerhöchsten täglich und zwahr hertzinniglich sol befehlen b dir sey jtzt] C statt dessen: Jtz sei dir c da] C statt dessen: alß d aufferstehen] C statt dessen: itz aufstehen e mit] C statt dessen: zu f meinem] B statt dessen: meinen 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein II, 1, S. 111–113 (mit der Überschrift „Ein Morgensegen.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 491–494. 2 1Joh 1,5 3 Vgl. Ps 106,1 4 verdrungen] hinweggedrängt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 249 f. 5 Joh 8,12
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Das Erste Zehen
Die Hoffnung mach’ in Nöthen fest’/ Hilff daß ich mich auffs allerbest’ Auch in der Demuth übe6/ Daß deine Furcht stets für mir steh’ Und ich auff gutem Wegeg geh’. 4. Herr/ halte meinen Gang gewiß/ Treib aus von mir die Finsterniss’ Und Bößheit meines Hertzen/ Behüte mich den gantzen Tag Für Aberglauben/ Zorn und Plag’ Auch für verbotnem Schertzen7/ Bewahre mich für stoltzem Pracht’8,9 Und allem was mich lästern macht10. 5. Gib/ daß ich dir gehorsam sey11 Und mich für Zanck und Hader12 schew/ Auff daß der Sonnen Stralen Mich diesen Tag nicht zornig sehn Und nachmals trawrig untergehn13/ Ach laß mich nicht bezahlen Dem Nechsten seine Bittrigkeit14 Mit Feindschafft/ Hassenh/ Grimm und Neyd.i
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6. Für Unzucht und für böser Lust/ Für Kargheit15 und des Geitzes Wust16 | Behüte mich in Gnaden/ Gib/ daß die Falschheit dieser Zeit Zusampt der Vngerechtigkeit Mein Hertz ja nicht beladen. Ach daß dein heiligs Angesicht Doch solche Sünd’ erblicktej nicht!17 g gutem Wege] C statt dessen: guhten Wegen h Feindschafft/ Hassen] C statt dessen: Eifer/ Feindschaft i .] C statt dessen: ! j erblickte] C statt dessen: erblikke 6 Vgl. Mt 11,29 7 Vgl. Eph 5,4 8 Pracht’] Hoffart. Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 9 Vgl. Hiob 33,17 10 Kol 3,8; Eph 4,31 11 Vgl. 1Kön 3,9 12 Gal 5,20 13 Vgl. Eph 4,26 14 Vgl. Prv 20,22; Röm 12,17 15 Kargheit] geiziger Sparsamkeit. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 216. 16 Vgl. Kol 3,5 17 Vgl. Ps 51,11
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IX. Christliches Morgenlied
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7. O trewer Gott18 erweck’ in mir Nur einen Hunger stets nach dir/ Daß mich die Welt verliere/ k Auch lehre mich du starcker Held19 Zu thun allein was dir gefält/ Dein guter Geist mich führe/ Damit ich ausser bösem Wahn Stets wandlen mög’ auff ebner Bahn20. 8. Befiehl’ auch deiner Engel Schaarl/ Daß sie mein Leben für Gefahr Den gantzen Tag beschützen Vnd auff den Händen tragen mich21/ Daß nicht der Satan grawsamlich/ Mich könn’ allhie beschmitzen22/ So werd’ ich gegen Löwen stehn Vnd vnverzagt auff Drachen gehn23. | 9. So nimm von mir O Vater hin/ Mein Hertz/ Gedancken/ Muth vnd Sinn/ Daß ich dir gantzm vertrawe/ Behüt’ auch du getrewer Hort24 Mein tichten/ reden/ Werck vnd Wort Daß es nur stetign schawe Auff deines thewreno Namens Ehr’ Auch meines Nechsten Nutz vermehr’. 10. Herr Jesu Christe laß allein Mich Armen ein Gefässe seyn25 Vnd Werckzeug deiner Gnaden/ Richt’ all mein Thun/ Beruff vnd Stand/ Halt’ über mir dein’ Hülff’ vnd Hand26/ k Auch] C statt dessen: Ja l Engel Schaar] B statt dessen: Engel=Schaar m Daß ich dir gantz] C statt dessen: Hilf/ daß Jch dir n Daß es nur stetig] C statt dessen: Damit Jch kläglich o Auff deines thewren] C statt dessen: Mein GOtt/ auf deines 18 Ps 31,6 19 Jer 20,11 20 Ps 143,10 21 Ps 91,11 f. 22 beschmitzen] beschmutzen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1585. 23 Ps 91,13 24 Vgl. Ps 18,3; 71,3 25 Vgl. 2Tim 2,21 26 Ps 139,5
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Das Erste Zehen
So kan mir niemand schaden/ Du wollest auch jap gnädiglich Für den Verleumbdern schützen mich27.
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11. Mit Hertz’ vnd Mund’ ich dir befehl’ Herr Jesu meinen Leib vnd Seel’28/ Auch Ehr’ vnd Gut daneben/ Wenn ich nun sitzeq geh’ vnd steh’29/ Alsdenn so schaffe daß ich seh’ Herr’ über mir dich schweben/ | Gib ja/ daß deine Gnaden=Hand Sey nimmer von mir abgewand30. 12. Für bösen Pfeilen/ die bey Tag’ Auff Erden bringen grosse Plag’ Als für des Todes Seuche/ Für Pestilentz behüte mich/ Damit sie nicht so grawsamlich Bey Nacht herümmer31 schleiche32/ Bewahr’ vns auch für Krieges=Noth. Wend’ einen bösen schnellen Todt. 13. Gib lieber Herr zu dieser frist33 So viel zum Leben nöhtig ist34/ Doch nur nach deinem willen35/ Wenn du die Speiß’ vnd Nahrung hie Mit Gnaden segnest36 spät’ vnd früh/ Kanst du vnsr reichlich füllen37/ Doch/ daß man deine milde Gaab’ Auch nicht zu einems Mißbrauch hab’38.
p Du wollest auch ja] C statt dessen: Auch wollest du gantz q ] Gemäß B, C emendierend ergänzt r vns] C statt dessen: Mich s zu einem] C statt dessen: zum bösen 27 Vgl. Ps 101,5 28 Vgl. 1Thess 5,23 29 Vgl. Dtn 6,7 30 Vgl. 1Kön 8,57 31 herümmer] herum. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1185. 32 Ps 91,5 f. 33 frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 34 Vgl. Mt 6,11 35 Vgl. Mt 6,10 36 Vgl. Ps 132,15 37 Vgl. Ps 107,9 38 Vgl. 1Kor 7,31
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IX. Christliches Morgenlied
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14. Allein zu dir hab’ ich gesetzt Mein Hertz/ O Vater gib zu letzt Auch mir ein seligs Ende/ | Auff daß ich deinen jüngsten Tag Mit grosser Frewd’ erwarten mag/ Drauff streck’ ich auß die Hände: Ach komm Herr Jesu39/ komm mein Ruhm40 Vnd nimm mich in dein Eigenthumb. | 15.
Christlicher Segen.
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Mein GOtt vnd Vater segne mich/ Der Sohn erhalte gnädiglich Was er mir hat gegeben/ Der Geist erleuchte Tag vnd Nacht Sein Antlitz über micht mit Macht41 Vnd schütze mir mein Leben/ Nur dieses wündsch’ ich für vnd für: Der Friede Gottes sey mit mir42. |
t mich] C statt dessen: Mir 39 Apk 22,20 40 Ps 109,1; Jer 17,14
41 Vgl. Num 6,24 f. 42 Röm 1,7
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Das Erste Zehen
X. Ein fröliches Lobe=Lied
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X.
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Ein fröliches Lobe=Lied GOttes
Von der Herrligkeit des Schöpffersa,1.
A
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Vff meine Seel’ vnd lobe Gott2/ spiel auff3 dem HErren Zebaoht/ dem König’ aller Ehren4/ auff/ auff vnd lass’ vns bester weis’ allein des HErren Lob vnd Preiß/ zu jeder Zeit vermehren: Mein Gott du bist voll Herr= | ligkeit5/ sehr prächtig gläntzet dort dein Kleid/ viel heller als die Sonne6/ du breitest deines Himmels Hauß/ wieb einen blawen Teppich aus7/ mit grosser Frewd’ vnd Wonne. 2. Du fährest auff den Wolcken her Als wenn es nur dein Wagec wär/ Dud gehest auff den Winden8/ Du schaffest/ daß der Engel Schaar Gleich wie die Flammen hie vnd dare Sich dir zu Dienste finden9/
a Ein fröliches des Schöpffers] C statt dessen: Ein Freüdengesang/ Jn welchem unser GOtt sehr hochgelobet/ und die Herligkeit des ewigen Schöpffers außführlich wird beschrieben b wie] C statt dessen: Als c Wage] B statt dessen: Wagen d Du] C statt dessen: Und e hie vnd dar] C statt dessen: offenbahr 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein V, 2, S. 335–337 (mit der Überschrift „Ein Lob Gottes von der Herrligkeit deß Schöpffers.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 495– 498. 2 Ps 104,1 3 Vgl. Ps 144,9 4 Ps 24,10 5 Ps 104,1 6 Vgl. Apg 26,13 7 Ps 104,2 8 Ps 104,3 9 Ps 104,4
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X. Ein fröliches Lobe=Lied
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Du gründest diesen Erden=Kloß10/ Du lässest seinef Hügel bloß11/ Bedeckest jhn mit Wellen/ Die Wasser hangen oben an/ Da keiner sie bezwingeng kan Daß sie herunter schnellen12. | 3. Die Wolcken lauffen spät’ vnd früh/ Dein starcker Donner jaget sie/ Die Berge zu besprützen13/ Die haben jhre Grentz’ vnd Ort Sie lauffen nun vnd jmmerh fort Hoch prangen14 jhre Spitzen15/ Du lässest Brunen ohne Zahl Vnd tausend Bächlein tausend mal Entspringen in den Gründen16/ Da wissen so viel wilder Thier’ Als Löwen/ Bähren/ Hirsch’ vnd Stier Den klaren Trancki zu finden17. |
S. 56
4. Die Wasser fliessen mehr vnd mehr18/ Dabey erklingt das leichte Heer Der Vöglein auff den Zweigen19: Bald feuchtest du von oben ab Die Hügel/ daß sie jhre Gaab’ Vnd schöne Frücht’ vns zeigen/ Du schaffest/ daß das gantze Land Mit Weitzen füllet vnsre Hand/ Du machest feucht die Erden/ Du lässest durch dein klares naß Die Kräuter/ Blumen/ Laub vnd Graß Für Vieh’ vnd Menschen werden20.
S. 57
f seine] B statt dessen: deine (Erratum) g keiner sie bezwingen] C statt dessen: kein Geschöpf sie zwingen h nun vnd jmmer] C statt dessen: in den Lüften i Den klaren Tranck] C statt dessen: Jhr süsses Naß 10 Ps 104,5 11 bloß] nackt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 144. 12 Ps 104,6 13 Ps 104,7 14 prangen] glänzen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 15 Ps 104,8 f. 16 Ps 104,10 17 Ps 104,11 18 Ps 104,10 19 Ps 104,12 20 Ps 104,13 f.
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Das Erste Zehen
5. Du giebest Wein vnd süssen Tranck/ Der vns kan vnser Lebenlang Jn Trawrigkeit ergetzen21/ Das Oel’ erhält vns die Gestalt/ Wenn wir nun werden matt vnd alt/ Was ist für Brodt zu schätzen22?23 Du pflantzest durch des Menschen Hand Viel Cedern in ein fettes Land24/ Die für die Reiger25 dienen26/ Die Gems’ erwehlt der Berge Klufft Die Felsen vnd der Hügel Grufft Sind Häuser der Caninen27,28. | S. 58
6. Du hast geordnet recht vnd wol Wie man die Zeiten theilen sol/ Diß sagt der Mond der Erden/ Die Sonne geht des Morgens auff29/ Vnd wenn verbrachtj jhr schneller Lauff/ Lässt siek es finster werden/ Denn regen sich die wilden Thier’ Vnd kriechen aus der Höl’ herfür30 Die jungen Löwen brüllen/ Sie rauschen durch das grüne Laub Vnd suchen jhre Speis’ vnd Raub Die Hungers=Noth zu stillen31. 7. Wenn aber nun die finstre Nacht Den liechten Tag hat wieder bracht/ So fliehen sie von hinnen/ Sie trawen nicht mehr jhrer Stärck’32 Es geht der Mensch ans Ackerwerck Die Nahrung zu gewinnen33. j verbracht] B statt dessen: vollbracht k Lässt sie] C statt dessen: So muß 21 ergetzen] ergötzen, erfreuen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 821. 22 für Brodt zu schätzen] mehr als Brot zu schätzen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 640. 23 Ps 104,15 24 Ps 104,16 25 Reiger] Reiher. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 636. 26 Ps 104,17 27 Caninen] Kaninchen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 161. 28 Ps 104,18 29 Ps 104,19 30 Ps 104,20 31 Ps 104,21 32 Ps 104,22 33 Ps 104,23
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Ach Herr’/ es ist ja fast kein Ziel34/ Denn deiner Wercke sind zu viel Sie stehn auff dein Befehlen/ Dochl alles ist geordnet wol/ Die Erd’ ist deiner Güte voll35/ Wer kan sie all’ erzehlen36?m | 8. Das weite Meer hält ohne Zahl Die Fisch’ in seiner Grund37 zumahl/ Da wimmeln sie mit Hauffen38,39/ Ein grosser Walfisch springt herfür/ Dort sihet man die Wasser=Thier’ Vnd dort die Schiffen lauffen40/ Es wartet alles Herr’ auff dich Der du sie speisest mildiglich41,42 Daß sie nicht Hunger leiden/ Du thust dein’ Hand auff spät’ vnd früh/ Du giebest gnug/ so samlen sie Vndo werden satt mit Frewden43. 9. So bald du aber dein Gesichtp O grosser Gott44 erzeigest nicht Erschrecken sie von Hertzen/ Wenn du nimpst jhren Odem hin Verkehret sich jhr Muth vnd Sinn Mit vnerhörtemq Schmertzen/ Dein Geist Herr’ ist es/ der sie schafft/ Vnd der sie auchr von hinnen rafft45/ Du machest new die Erden46/
l Doch] C statt dessen: Diß m Die Erd’ all’ erzehlen?] C statt dessen: Das Erdreich ist so Segens=vol Daß niemand Jhn kan zehlen. n Vnd dort die Schiffe] C statt dessen: Jn schnellen Flüssen o Vnd] C statt dessen: Ja p So bald du aber dein Gesicht] C statt dessen: Wen aber Du dein Angesicht q vnerhörtem] B statt dessen: unerhörten r sie auch] C statt dessen: auch Sie 34 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 35 Ps 104,24 36 Ps 106,2 37 Grund] Zu ‚Grund‘ als Femininum vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 667. 38 Ps 104,25 39 mit Hauffen] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 587. 40 Ps 104,26 41 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 42 Ps 104,27 43 Ps 104,28 44 Ps 95,3 45 Ps 104,29 46 Ps 104,30
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Das Erste Zehen
Sie zittert/ wenn du kömmst heran/ Kein Berg für dirs bestehen kan Er muß baldt rauchend werden47. | S. 60
10. Dir wil ich Herr mein lebenlang Von Hertzen singen Preiß vnd Danck48 Dich wil ich hoch erheben49/ Du machest frölich früh vnd spat Was Wasser/ Lufft vnd Erden hat/ Ja alles wasu mag leben50. Du wässerst auch mit deiner Hand Vnd suchest heimb das dürre Land Dein Brunn’ ist nicht verlauffen51/ Die Aeckerv nehmen frölich zu52 Die tieffen Furchen tränckest du53 Vndw segnest vns mit Hauffen54. 11. Du segnest das gepflügte Feld Noch eh’ offt als die Saat bestellt/ Du giebest Taw vnd Regen55/ Du Krönest das begrünte Jahr56/ Daß seine Frücht’ vns jmmerdar Sich schier57 zunx Füssen legen. y Die Anger sind der Schafe voll Die kleinen Hügel tragen wol58 Die jungen Lämmer springen/ Das Land ist nichts denn Frewd’ vnd Zier Mein Gott dich preiß’ ich für vnd für Mit jauchtzen vnd Lobsingen59.
Ende des Ersten Zehen. s Kein Berg für dir] C statt dessen: So daß kein Berg t Er muß bald] C statt dessen: Bald muß er u Ja alles was] C statt dessen: Waß in der Welt v Aecker] C statt dessen: Felder w Vnd] C statt dessen: Ja x schier zun] C statt dessen: zu den y Die] C statt dessen: Viel 47 Ps 104,32 48 Ps 104,33 49 Ps 145,1 50 Ps 65,9 51 verlauffen] versiegt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 741. 52 Ps 65,10 53 Ps 65,11 54 mit Hauffen] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 587. 55 Ps 65,11 56 Ps 65,12 57 schier] bald. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 20. 58 Ps 65,14 59 Ps 65,14
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Johann: Risten H. P.1
Himlischer Tri= umph=Lieder/
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Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn
Johann: Schopen/ dero hochlöbli= chen Stadt Hamburg Capellmei= stern gesetzten Melo= deyen. 10
Das Ander Zehn. Lüneburg/ Bey Johann vnd Heinrich Sternen2. Anno M. DC. XL II. |
1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Vgl. o. S. 7, Anm. 2.
fol. A 1r
Dem Hoch=wolgebornen Herrn/ Herrn
Johan Brzetislaw Mislick / 1
Freyherrn von Hirschhoff/ Meinem gnädigen Herrn.a,b
H
Och=wolgebohrner gnädiger Herr/ Daß die hochlöbliche Kunst der
5
10
Poëterey nicht etwa für einer kurtzen und annoch2 wolbewusten Zeit den vernünfftigen Menschen sey bekandt worden/ solches bezeugen nicht allein die sehr alte und schon für etlich tausend Jahren von den berühmbten heydnischen Poëten/ als dem Orpheus3, Musaeus4, Homerus5, Pindarus6 und Hesiodus7 geschriebene Bücher und Getichte; besondern8/ es bekräfftigets auch der allerhöhester und unverwerfflichster Zeuge/ so im Himmel und auff Erden wird gefunden/ nemblich der Geist Gottes selber9/ wenn er in seinem geoffenbartem Worte vermeldet/ daß die heiligen Männer und Weiber/ so wol im alten als newen Testamente/ für vielfältig empfangene leibliche und geistliche Wolthaten/ mit schönen Liedern/ Psalmen/ Versen und Reimen den Herrn jhren Gott hertzlich gepriesen/ und seinen mächtigen Namen herrlich erhöhet haben10. Es sind schon mehr als dreytausend Jahr verflossen/ da Moses mit den Kindern Jsrael (nach dem sie aus der Hand des Wüterichs Pharao errettet waren/) a Die Widmungsvorrede fehlt in B, C b Kolumnentitel fol. A 2v–5r: DEDICATIO.
1 Zu dem böhmischen Adligen Johann Brzetislaw Mislik von Hirschhoff vgl. Doerr, S. 125 sowie Procházka, S. 366, Anm. 1, wo freilich keine näheren biographischen Daten zu finden sind. Der kaiserliche Kavallerie-Oberst Freiherr Sigmund Mislik von Hirschhoff, vermutlich ein Verwandter von Johann Brzetislaw, hielt sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1641 in Norddeutschland auf (u.a. in Anhalt, Aschersleben, Magdeburg, Göttingen). Vgl. Documenta Bohemica 6, Nr. 1210, 1217, 1224, 1252 sowie Tischer, S. 47–52. 2 annoch] noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 3 Orpheus] Orpheus wird in der griechischen Mythologie als der erste Sänger und Dichter überhaupt angesehen. Vgl. auch u. S. 280, Anm. 1. 4 Musaeus] Der Dichter Musaios gilt in der griechischen Mythologie als Schüler des Orpheus. 5 Homerus] Griechisch-antiker Dichter (wohl 8. Jh. v. Chr.), Autor der beiden ältesten epischen Dichtungen des Abendlandes (Ilias und Odyssee). 6 Pindarus] Pindaros (522/518–nach 446 v. Chr.), griechisch-antiker Dichter. 7 Hesiodus] Griechisch-antiker Dichter des 8. Jh.s v. Chr., der als Begründer des didaktischen Epos gilt. 8 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 9 Vgl. Röm 8,16; 1Joh 5,6 10 Vgl. Ps 34,4
fol. A 2r
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fol. A 2v
Das Ander Zehn
ein Frewdenreiches TriumphLied dem Herrn jhrem GOtt gesungen/ wie dasselbe in des Propheten Moses anderem Buche verzeichnet zu finden11. Jch gehe hie mit willen vorbey die12 heilige Arbeit/ der aller fürtrefflichsten Gottes=Männer/ als daß der weisester Salomon seine schöne und Lehr=reiche Bücher: Der gedültigster Job sein Elend/ Leyden und Trübsal: Der geistreicher Esaias seine herrliche Weissagung: Der bekümmerter Jeremias aber/ seine Trawr= und Klag=Lieder in jhrer heiligen Sprache Poëtisch auffgesetzet/ vnd mit Versen haben beschrieben. Ferner/ so ist auch ohn mein erinnern allen Gelehrten und | Kunst=erfahrnen gnugsam bekandt/ was die Christliche Poëten so wol in vnterschiedlichen frembden als jhren eigenen Muttersprachen dißfalß13 verrichtet/ und wie sie es so trefflich hoch/ insonderheit14 zu diesen unsern Zeiten damit gebracht haben. Jch wil aber Gnädiger Herr von diesen und anderen dergleichen Dingen E. Gnaden ein mehres nicht zu Gemüthe führen/ angesehen15 Sie von denselben viel gründlicher/ besser und vernünfftiger pflegen zu reden/ als etwa ich/ oder auch wol andere nebenst mir davon schreiben oder gedencken können; Nur dieses wolte ich erinnern/ daß gleichwol ich meines Theils auch gar nicht unrecht thue oder sündige/ wenn ich nach meinem wenigem/ wiewol willigem von Gott verliehenem Vermögen/ das Lob unsers Schöpffers in Musicalische Reimen verfasset/ meinem Neben=Christen der Liebe vnd Schüldigkeit nach mittheile/ die gar erkaltete Andacht in den menschlichen Hertzen dadurch wiederumb auffzufrischen/ und die viel vertunckelte Ehre des Allerhöchsten zu befoderen16. Und eben dieses Gnädiger Herr/ hat mich endlich gereitzet/ daß ich zu Anfang des nunmehr verflossenen Herbstes/ das Erste Zehn meiner himlischen Lieder habe an das offne Liecht gegeben/ und dasselbe einer hohen Geistlichen Person/ einem überauß gelehrten Herrn und weitberühmbten Praelaten in Deutschland (welcher auch E. Gnaden nicht wie ein getrewer Freund/ besondern17 als ein natürlicher Vater liebet/ auch hinwieder von E. G. nicht minder Kindlich wird geliebet und gelobet) unterthänig zugeeignet/ von welchem es denn auch mit sonderbaren18 hohen und von mir nie verdienten Gnaden ist auff und angenommen worden. Gleich wie ich nun die Erstlinge meiner geistlichen Arbeit nach dem Exempel der frommen Jsraeliten/ welche auch die Erstlinge jhres Einkommens dem HohenPriester Gottes pflagen19 auffzuopffern und darzustellen20/ einem/ von 11 Vgl. Ex 15,1–19 12 gehe mit willen vorbey die] gehe hier absichtlich hinweg über die. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 873. 13 dißfalß] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 14 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 15 angesehen] in Anbetracht dessen, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 456 f. 16 befoderen] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 17 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 18 sonderbaren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 19 pflagen] pflegten. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1736. 20 Vgl. Lev 23,10
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Widmungsvorrede 50
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Gott hochbegabtem Geistlichem Herrn vnd Praelaten habe überlieffert; Also wil mir gebühren/ daß ich dieses Ander Zehn/ begreiffend die fürnehmbsten Triumph=Lieder der Heiligen Gottes/ so in der Bibel verzeichnet/ für allen andern tapffern und erleuchteten Personen E. Gnaden zu diesem mal überantworte/ dieselbe in Entstehung21 eines grössern Geschencks unterdienstlich22 damit zu verehren/ welches ich denn nicht allein darumb thue/ alldieweil23 ich solches zu thun mich schon längst verpflichtet halte/ besondern24 dieweil25 E. Gnaden | grosse Tugend/ hoher Verstand/ und ewiges Lobes=würdige Verdienste gegen meine geringschätzige26 Person/ ohne das/ ein solches von mir erfoderen27/ des untadlichen Vrtheils/ welches dieselbe von derogleichen Poëtischen Sachen sehr vernünfftig pfleget zu fellen/ allhie zu geschweigen. Unter dessen gnädiger Herr/ weis ich sehr wol/ daß/ wenn ich E.Gn. solche Lieder solte zuschreiben wie deroselben unvergleichliche Eigenschafften recht und wol verdienet hätten/ so müste ich mir erstlich des Davids Geist28/ des Salomons Verstand29/ und des Hiobs Wolredenheit30 vom Himmel wündschen/ solch ein hohes Vorhaben zu begehrtem Ende zu bringen. Denn/ dieweil31 mir die grosse Vollkommenheit/ womit der gütige Himmel E. G. edelste Seele so reichlich hat beschencket/ nicht aus frembder Erzehlung/ besondern32 vielmehr aus eigner Erfahrung gar zu wol bewust ist; Als darff33 ich mich durchauß nicht schewen/ das jenige öffentlich zu schreiben/ was dißfalß34 weder meine Augen läugnen/ noch meine Ohren verneinen können. Der rechte Grund aller Tugenden vnd Wissenschafften die wahre Gottesfurcht35 ist in E. G. Christlichem Hertzen dermassen wol gelegt/ fäst gepflantzet und tieff eingewurtzelt/ daß sie auch die Lesung der Prophetischen und Apostolischen Schrifften: Die Betrachtung der göttlichen Geheimnissen36 benebenst37 der unnachläßlichen38 übung wahrer Gottseligkeit39/ allen andern Geschäfften ja aller Wollust/ Frewde und Ergetzligkeit40 dieser Welt/ sie sey auch so groß sie jmmer wolle/ weit fürziehet/ als die sich nicht schewet (wie zwar bey diesen Epicurischen Zeiten offt grosse/ aber der Welt gar zu sehr ergebene Herren thun) das jenige zu lernen in dieser vergänglichen nichtigen Zeit/ welches sie dermaleinß41 sol versetzen in die himlische Ewigkeit.
21 in Entstehung] in Ermangelung. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 634 f. 22 unterdienstlich] untertänig dienstbeflissen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1526. 23 alldieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 24 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 25 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 26 geringschätzige] gering zu schätzende. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 27 erfoderen] erfordern. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 802. 28 Vgl. 2Sam 23,2 29 Vgl. 1Kön 5,9 30 Vgl. Hiob 42,8 31 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 32 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 33 darff] muß. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 34 dißfalß] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 35 Vgl. Ps 111,10 36 Vgl. Röm 16,25 37 benebenst] neben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 38 unnachläßlichen] unerläßlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1202. 39 1Tim 4,7 40 Ergetzligkeit] Vergnügen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 822. 41 dermaleinß] dereinst. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1018.
fol. A 3r
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fol. A 3v
Das Ander Zehn
Jch wil hie ferner (alldieweil42 mir sehr wol bewust ist/ daß E. G. so gar keiner eytlen Ehre begierig) weder deroselben Geschickligkeit des Leibes/ noch Tapfferkeit des Gemüthes nicht weitleufftig vermelden/ unangesehen43 mir trefflich wol bekandt ist/ daß diese beyde Eigenschafften E. Gnade in allen ritterlichen übungen dermassen fertig und geschickt haben gemachet/ daß sie auch fast keinem/ er lebe mit E. Gnaden in gleichem oder auch wol höherem Stande/ dißfalß44 etwas bevor gibt45. Doch schweige ich von solchen Adelichen übungen und lasse dieselbe einen anderen/ welcher in diesen Geschäfften vielleicht ei= | nes grösseren Verstandes ist/ zu gelegener Zeit an E. Gnade preisen; Dieses aber kan und sol ich gar nicht verhelen/ daß unter allen rühmlichen/ auch hohen und herrlichen Gemüthern nützbahren/ {j}a nothwendigen Wissenschaften/ fast keine eintzige zu finden/ in welcher E. Gn. nicht entweder eine treffliche Vollkommenheit/ oder ja gnugsame Erkäntnisse schon längst erlanget und zu wege gebracht hätte. Die Wissenschafft frembder und außländischer Sprachen/ gleich wie sie hohen und fürnehmen Personen eine sonderbahre46 Zierde ist/ und denselben über alle masse wol anstehet; Also nützet sie auch c insonderheit47 bey diesen Zeiten) trefflich viel/ vnd kan offt mancher sehr grosse Dinge dadurch zu Wercke richten. Wie geübet aber E. Gn. in solchen unterschiedenen48 frembden Sprachen seyn/ habe ich nicht allein vielmals mit Lust angehöret/ besondern49 auch aus deroselben klugen und nachdencklichen Briefen mit höhester Vergnügung meiner Seelen erlernet: Und (welches nicht minder zu verwundern) so sind Jhr die Geschichte der jetzigen newen Welt ja so wol bekandt als der alten/ ja sie hat beydes den vergangenen und gegenwertigen Zustand der Monarchien/ Königreiche und Herrschafften; Die Gelegenheit der Länder und Städte; Die Beschaffenheit der Königlichen und Fürstlichen Höfe; Die Sitten und Gebräuche der Völcker/ und was sonst ein tapfferer WeltMann mehr sol wissen und verstehen/ durch gefährlichs und beschwerlichs Reisen/ fleissiges Nachforschen und unnachlässiges Lesen/ dergestalt erlernet/ daß sie auch mit jedermans höhester Verwunderung schier50 von allen Dingen weis Rechenschafft/ Rede vnd Antwort zu geben. Dörffte ich nun ferner zu den alleredelsten Mathematischen Wissenschafften schreiten/ hilff Gott/ was würde sich bey E. Gn. eine grosse/ ja ungläubliche c ] Emendierend ergänzt 42 alldieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 43 unangesehen] abgesehen davon, daß. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 143. 44 dißfalß] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 45 keinem etwas bevor gibt] keinem einen höheren Rang überläßt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1758. 46 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 47 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 48 unterschiedenen] unterschiedlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 49 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 50 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23.
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Widmungsvorrede
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Erfahrenheit in demselben herfür thun/ so daß man schier51 zweifflen möchte/ ob auch jhres gleichen jrgendswo hierinn zu finden! Die liebreiche übung der alleredelsten Gemüther/ die ewigwehrende Kunst und Wissenschafft der gleich himlischen Music ist mit E.Gn. gleichsam geboren/ und so zu sagen/ auff die Welt kommen/ gestalt52 solches die ungläubliche Fertigkeit jhrer Seitenkündigen53 Hände offenbarlich darthun vnd erweisen. Die Meßkunst/ sampt der aus derselben herrührenden Kunst der Befestigung/ eine sehr nutzbare Ergetzligkeit54/ so wol der Rit= | termessigen55/ als der Gelehrten/ sind E. G. dermassen wol bekandt/ daß auch die allergeschicktestend Feldmesser56/ Schantzen=leger57 und Wallmeister58 von deroselben noch wol etwas Sonderbahres59 hätten zu lernen. Die RechenKunst/ eine der beyden Flügel/ womit wir den Himmel erreichen/ verstehet Sie gründlich. Die Abmessung vieler cörperlichen Dinge/ von den Griechen Stereometria geheissen/ ist Jhr eine fast gemeine60 und sehr leichte Arbeit: Von dem Lauffe des Himmels/ und seinen in aller Höhe schwebenden Planeten vnd Sternen redet Sie mit grossem Verstand. Zu dem ist E. Gnade trefflich wol unterrichtet in der wunderbahren und aller=lustigsten Sehe=Kunst von den Griechen Optica genandt/ Die Spiegel=Kunst oder Catoptrica ist auch eine jhrer nachdencklichsten Wissenschafften: Nicht weniger auch die Wage=Kunst/ sonst Statica geheissen/ und alles das jenige/ was durch künstliche Bewegung kan zu Wercke gerichtet werden: Was sol ich sagen von perspectivischer Schreib= Kunst/ Baw=Kunst/ und vielen andern mehr? Nur dieses: Daß nemblich E. Gn. in denselben allen so trefflich wol ist gelehrt und erfahren/ als ich/ der ich solcher herrlicher Wissenschafften ein überauß grosser Liebhaber bin/ mir von Hertzen wünsche/ dermaleinst61 in denselben geschickt und erfahren zu werden. Vnd was sol ich ferner schreiben? Weis Sie nicht schier62 alles/ oder auch ja gewiß die vornehmsten Stücklein aus der Pyroboliâ, Pneumaticâ und Hydraulicâ, Das ist: Von den jenigen Dingen/ die entweder durchs Fewr/ oder durch die Luft/ oder auch durch das Wasser/ nicht ohn Bestürtzung auch der allerscharffsinnigsten Gemüther können zu wege gebracht und verrichtet werden? d allergeschicktesten] Emendiert aus: allergeschickesten 51 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 52 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 53 Seitenkündigen] zum Saitenspiel befähigten. Vgl. zu ‚kundig‘ mit Genitiv Grimm, DWb 11, Sp. 2628. 54 Ergetzligkeit] Vergnügen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 822. 55 Rittermessigen] dem Ritterstand Angehörenden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 56 Feldmesser] Landmesser; diejenigen, die das Land und die Felder vermessen. Vgl. Zedler 1, Sp. 826. 57 Schantzen=leger] Personen, die militärische Befestigungen anlegen. Nicht bei Grimm, DWb. Zu ‚Schanze‘ vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2162. 58 Wallmeister] Personen, die für den (Aus-)Bau militärischer Wallanlagen zuständig sind. Vgl. Zedler 52, Sp. 1702. 59 Sonderbahres] besonderes. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 60 gemeine] gewöhnliche. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3169. 61 dermaleinst] dereinst. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1018. 62 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23.
fol. A 4r
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fol. A 4v
Das Ander Zehn
Was jhre Kunstreiche Hände für schöne Mechanische Sachen selber verfertigen/ davon begehre ich hie nichts zu schreiben/ kan es auch einer/ der alles nicht mit solchem Fleisse wie ich selber in Augenschein genommen/ nimmermehr gläuben. Jch unterlasse allhie weitleufftig zu erzehlen/ wie E. Gnaden die Landtaffeln/ sonst Geographische Mappen ins gemein63 genant/ mit eigener Hand auffs allergenawste abreisset64 und entwirfft: Ja ich verschweige wissentlich/ wie jhr stoltzer Pinsel die Kunstreichsten Mahler zu Zeiten beschämet/ gestalt65 sie denn auch wol in meiner Gegenwart vornehmen Künstlern jhre Fehler gezeiget/ die sich denn viel mehr darüber verwundert haben/ wie es doch | müglich/ daß E. G. jhren/ der Mahler/ Jrrthumb so bald vermercket66/ als wie es sey zugangen/ daß sie gejrret oder gefehlet haben. Jch solte/ wolte und könte von solchen und dergleichen E. Gn. herrlichen vnd hochrühmlichen Wissenschafften noch viel mehr andere und warhaffte Sachen/ den Kunstbegierigen Geistern zur Lust/ den Verächtern und Nichtswissenden aber zu Spot und Schanden in gegenwertiger Zueignungs=Schrifft anhero setzen67 und erzehlen/ wie es denn auch mir eine sonderbare68 grosse Frewde wäre solcher anmuthigen Künste (mit welchem ich schier69 allein meine durch vielfältige Arbeit und studieren abgemattete Sinnen wiederumb pflege zu erfrischen) etwas weitläufftiger zu gedencken/ wenn ich mich nicht befahren70 müste/ daß E. Gn. viel unwilliger seyn würde/ meiner warhafften LobRede zuzuhören/ als willig und schüldig ich bin dieselbe zu erzehlen/ darumb ich nur dieses vor den mercksamen71 Ohren des gantzen Deutschlandes außruffe: O wie selig und überselig würden unsere Deutschen seyn/ wenn jhre hohe Häupter das blutige und unselige Kriegeswesen hindan gesetzet/ jhre Zeit und Tage in so göttlichen und löblichen übungen würden verschliessen! Jmmittelst72 bekenne ich meines Theils rund vnd frey: Daß eben die Tage/ an welchen ich E. Gn. hocherwünscheten Beywohnung 73 und aller anmuthigsten Unterredung theilhafft74 zu seyn/ bin gewürdiget worden/ die allerglückseligsten meines Lebens sind gewesen/ jedoch also/ daß ich zwar jederzeit mit grossen Frewden zu E. Gn. bin gekommen/ mit bekümmertem Hertzen aber wieder abgeschieden/ theils darumb/ dieweil 75 E. Gn. grosse Wissenschafft mich/ der ich auch etwas weniges gelernet zu haben/ von anderen war überredet/ gantz schamroth gemachet hatte/ theils/ weil ich der schnell=lauffenden Sonnen neidig war/ die 63 ins gemein] gewöhnlich. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2142. 64 abreisset] aufzeichnet. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 89. 65 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 66 vermercket] bemerkt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 861. 67 anhero setzen] hier hersetzen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 68 sonderbare] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 69 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 70 mich nicht befahren] nicht befürchten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1246. 71 mercksamen] aufmerksamen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2106. 72 Jmmittelst] mittlerweile. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 73 Beywohnung] Gesellschaft. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1409. 74 theilhafft] teilhaftig. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 359. 75 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146.
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Widmungsvorrede
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mir weder den Tag/ noch auch E. Gnaden liebreiche Gesellschafft und hochnützliches Gespräch länger vergönnen wolte. Ob ich nun zwar nach dem Willen Gottes/ einen so weiten Weg von E. Gnaden muß geschieden leben/ unterlasse ich doch nicht/ so wol in meinem schüldigen Gebete andächtigst/ als auch sonst bey allen füglichen76 Begebenheiten hochrühmlichst E. Gn. täglich/ ja fast stündlich zu gedencken/ zumahl auch Sie hinwieder meiner/ als jhres zwar unwürdigen/ jedoch getrewesten Dieners so gar nicht hat vergessen/ daß Sie mich viel mehr mit unterschiedlichen gnädigen und leutseligen77 Schreiben hat beseliget/ | und mir dadurch die Standhafftigkeit Jhres wolgeneigten Gemühtes noch ferner dargethan und bezeuget; Damit aber Gnädiger Herr ja nicht das allerschändlichste Laster der verfluchten Undanckbarkeit/ füglich78 auff mich könne gebracht werden; So habe ich dieses Ander Zehn meiner himlischen Triumph=Lieder E. Gn. (als Die nicht allein selbst sehr gute/ liebliche und wolklingende Verß machet/ besondern79 auch von anderer Leute Arbeit hochvernünfftig weis zu urtheilen/) unterthänig übergeben und zueigenen wollen/ Durchauß nicht zweifflend/ sie werden mit einem gnädigen und frölichen Angesicht/ von Derselben empfangen und angenommen werden/ in Betrachtung ich schon längst bin versichert/ daß E. Gn. mein gegen deroselben tragendes Dienstfertiges Gemüthe nun gar zu wol kennet/ und demnach fästiglich darff gläuben: Daß ich annoch80 wie auch vormals von gantzem Hertzen wünsche/ nach dem Willen Gottes in E. Gn. als eines hochlöblichen Herrn Dienste/ zu leben und zu sterben. Der grosse Beherrscher Himmels und der Erden81/ erhalte/ bewahre/ schütze und führe E.Gn. in jhrem gantzen Leben/ er begleite Sie durch seine dienstbare Geister auff allen Jhren gefährlichen Wegen und Stegen82/ er lasse jhrer Tage viel werden/ er kröne Sie mit Gnade und Barmhertzigkeit83 hie in der zeit/ und wenn dieselbe vorbey/ so überschütte er Sie mit himlischer Frewde84 in der unendlichen Ewigkeit. Solches bittet in festem Vertrawen von dem HERRN aller Herren85
Geschrieben zu Wedel an der Elbe/ am 4. Tage des Jenners86/ im 1642. Jahre.
Gnädiger Herr/ E. Gnaden Unterthäniger getrewster Diener so lange er lebet Johannes Rist.
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76 füglichen] angemessenen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 396. 77 leutseligen] freundlichen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 850. 78 füglich] angemessen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 396. 79 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 80 annoch] immer noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 81 Vgl. Mt 11,25 82 Ps 91,11 83 Ps 103,4 84 Vgl. Tob 3,23 85 1Tim 6,15; Apk 19,16 86 Jenners] Januars. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2263.
fol. A 5r
An den Christlichen Lesera,b.
fol. A 5v
F
Reundlicher und in Gott geliebter Leser/ Demnach1 ich von vielen/
hohes und niedriges Standes Personen/ so Münd= als2 Schrifftlich gläubwürdigen Bericht empfangen/ daß das Erste Zehn meiner himlischen Lieder im verschienenen3 Herbst zu Lüneburg/ bey den Herren Sternen4 gedrucket/ an unterschiedenen5 Orten in Deutschland Gott Lob sehr angenehm gewesen/ so wol wegen der göttlichen und recht himlischen/ in denselben enthaltenen/ und aus der allerkostbahrsten Schatzkammer des heiligen Geistes entlehneten Materi und Sachen/ als auch wegen etlicher anmuhtigen auff gewisse Reimen gesetzter Melodeyen: Als6 bin ich ferner dadurch bewogen worden/ auch das Ander Zehn jtztgedachter Lieder förderlichst 7 herauß zu geben/ damit ich meinem unlängst gethanen Versprechen gebührlicher massen möchte nachkommen. So hast du demnach für dieses mal (Gottliebender Leser) die fürnembsten8 Triumph=Lieder/ so in den himlischen Büchern werden gefunden/ zu empfangen. Meines Wissens zwar hat sich bißanhero9 noch keiner unterstanden/ selbige Lieder nach jetziger Poëtischer Art mit jhren eigenen Melodeyen gesetzet/ ans Liecht zu bringen/ welches mich am allermeisten hat auffgemuntert10/ diese allerheiligste Lob=Gedichte nach den richtigen Gesetzen unserer hochgestiegenen Poësey zu verfassen/ dadurch das Lob Gottes zu vermehren/ und die Hertzen der Menschen bey diesen trübseligen Zeiten also zu bereiten/ daß sie auch mitten im Vnglücke Noth und Gefahr nicht auffhören dem HErrn jhrem Gott Lob/ Preiß vnd Danck zu opffern. Sind demnach diese himlische Triumph=Lieder nur solchen Seelen zur sonderbahren11 Lust und Gefallen verfertiget/ die Gott/ das allerhöheste Gut inniglich lieben/ und allein in jm die wahre Glückseligkeit suchen: Dafern12 sich aber bey solchen herrlichen/ und mit rechter Gottesfurcht und Christlicher
a Die Vorrede an den Leser fehlt in B, C. teilt): Vorrede an den Christlichen Leser.
b Kolumnentitel fol. A 5v–7v (auf zwei Seiten ver-
1 Demnach] nachdem. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 919. 2 so als] sowohl als auch. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1360. 3 verschienenen] vergangenen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1064. 4 Vgl. o. S. 7, Anm. 2. 5 unterschiedenen] unterschiedlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 6 Als] also. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. 7 förderlichst] sehr rasch. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1890. 8 fürnembsten] vorzüglichsten. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 775. 9 bißanhero] bisher. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 10 auffgemuntert] ermuntert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 692. 11 sonderbahren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 12 Dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673.
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Andacht besehligten Gemütern/ auch zugleich eine Lust und Liebe zu denen beyden außbündigen13 Wissenschaften der Poësey und Music (als welche naher Verwandnisse14 halber durchauß nicht sollen noch können getrennet werden) befünde/ könten mehr gedachte meine15 Lieder/ ümb so viel glückseliger werden/ als die das eintzige und wahre Ziel jhres Schreibers nach Wunsch erreichet hätten. Dieses schreibe ich nur denen/ die solcher Wissenschafften zum guten Theil kündig seyn/ denn die jenige/ so weder Geschickligkeit noch Verstand haben/ schätzen gegenwertige Arbeit gar gering/ als die sie jren stoltzen/ oder viel mehr närrischen Einbildungen nach/ auch wol im Trawme können besser machen. Jch möchte aber von Hertzen wünschen/ daß derogleichen kluge Gesellen an solchen Liedern sich versuchten/ befürchte aber/ der grösseste Hauffe würde bald ablassen/ und als denn auffrichtig bekennen müssen: Es sey diese Arbeit tausend mal schwerer und müheseliger/ als sie nimmermehr gegläubet hätten. Vnd dieses verstehe ich fürnemblich16 von diesem Andern Zehn | da ich nicht/ wie noch wol bißweilen in den vorigen geschehen/ mich eigener freyen Art zu reden habe gebrauchen dörffen/ besondern17 mich bloß an die Worte des H. Geistes18 müssen halten/ welche denn (so zu reden) gar keine erdichtete menschliche Außlegung noch Poëtische Verbesserung leiden können/ noch19 wollen. Jch lasse aber gottselige und hochgelahrte Leute hievon urtheilen/ derer Christliche Meynung (im Fall 20 ich etwa dadurch/ daß ich des Herrn Luthers Verdolmetschung für alle andere zu behalten/ mich sonderlich beflissen21/ dem Hebraischen Text nach in einem oder anderem Wörtlein etwa gejrret/) ich mir nicht allein hertzlich wil gefallen lassen/ besondern22 auch solche wolgemeinte Ermahnung danckbarlich zu erkennen wissen. Jm übrigen ist in diesen Liedern anders nichts/ als Lob/ Preiß/ Ehr und Danck/ welches den Allerhöhesten für seine grosse Güte und Wolthat billich23 wird gesungen: Da kanst du nun (andächtiger/ Kunst und Music=liebender Leser) mit Mose24/ Debora25 und Judith26/ die starcke Hand Gottes/ wenn sie dich von deinen grimmigen Feinden/ (derer ja ein jeder rechtschaffener Christ zum wenigsten27 einen/ oder etliche sonderbahre28 hat/ der allgemeine zu geschwei-
13 außbündigen] vornehmen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 841. 14 naher Verwandnisse] naher Verwandtschaft. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2128. 15 mehr gedachte meine] meine mehrfach erwähnten. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1895. 16 fürnemblich] vor allem. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 781. 17 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 18 Vgl. 1Kor 2,13 19 noch noch] weder noch. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 872. 20 im Fall] falls. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 21 mich sonderlich beflissen] mich besonders bemüht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1264. 22 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 23 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 24 Vgl. Ex 15,1–19 25 Vgl. Ri 5,1–31 26 Vgl. Jdth 16,1–21 27 zum wenigsten] wenigstens, zumindest. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 33. 28 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577.
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Das Ander Zehn
gen/) kräfftiglich hat errettet/ inniglich rühmen. Da kanst du mit der liebreichen Hanna/ der Mutter Samuels/ die Güte des HErrn/ wenn sie dich aus dem Staube gerissen/ und deine Schmach von dir genommen/ hertzlich preisen29. Da kanst du mit allen wahren Christen aus dem Propheten Esaia deinem Gott/ wenn du wider dein schweres Creutz und die erschreckliche Todes=Gedancken mit himlischen Trost bist erfüllet/ frölich lobsingen30. Da kanst du mit dem andächtigen Könige Hiskia31 den HErrn deinen Artzt32/ wenn er dir über alle menschliche Zuversicht/ aus einer tödtlichen Kranckheit hat geholffen/ und also dein flüchtiges Leben gnädigst erlängert33/ hoch erheben. Da kanst du mit dem gesegnetem Tobia dem Allerhöhesten dancken für die erwiesene zeitliche Gutthaten/ und seufftzen ferner nach den Ewigen34. Da kanst du die unaußsprechliche Wunder und Wercke Gottes an seinen herrlichen Geschöpffen/ mit dem weisen Haußlehrer Syrach danckbarlich betrachten/ und deinem Nehesten zu gleichmessigem Lobe anreitzen35. Da kanst du mit den drey Männern in der Glut/ alles was unter dem Himmel ist/ zum Lobe Gottes auffmuntern36. Ja/ da kanst du endlich mit dem würdigen Priester Zacharia den HErrn aller Herren rühmen und preisen/ daß er durch den herrlichen Auffgang aus der Höhe seinem armen Volcke/ welches im Schatten und Finsternis des Todes gesessen37/ eine ewige Erlösung hat erworben und zu wege gebracht38. Da hast du nun mein Gott=liebender Leser ein lauter39 himlisches Frewden= Geschrey/ lauter geistliche Jubel der erleuchteten Seelen/ lauter über=jrrdische TriumphLieder und außerlesene DanckPsalmen/ derer du dich in Glück und Vnglück/ im Leyden und Frewden/ im Tode und Leben/ im fästem Glauben und beharrlicher Zuversicht 40 auf deinen Erlöser Christum hochnützlich und seliglich kanst gebrauchen/ worzu dir der HErr der Herrligkeit seine himlische Gnade/ Kraft und Segen mildiglich41 verleyhen wolle/ Amen. | Diesem nach erfordert nun ferner die hohe Nothturfft 42/ daß ich auch der Melodeyen/ so wol derer die in gegenwertigen als vorhergehenden Zehn gefunden werden/ mit wenigen43 gedencke. Jch hätte mich zwar etlicher alten/ und in unsern Evangelischen Kirchen gewöhnlicher Melodeyen/ zu diesen meinen Gesängen vielleicht etlicher massen gebrauchen können: Aber nein/ denn/ dieweil44 mir das gute Glück meinen grossen Freund/ den in der edlen Musicc hocherfarnen Herrn Johann: Schop/ so nahe an die Hand gesetzet/ habe ich/ als
c Music] Emendiert aus: Mnsic 29 Vgl. 1Sam 2,1–10 30 Vgl. Jes 26,1–21 31 Vgl. 2Kön 19,15–19; Jes 38,10–20 32 Ex 15,26 33 erlängert] verlängert. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 889. 34 Vgl. Tob 13,1–22 35 Vgl. Sir 42,15–43,37 36 Vgl. StDan 3,27–66 37 Vgl. Lk 1,68–79 38 Vgl. Hebr 9,12 39 lauter] rein(es). Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 40 Vgl. Hebr 11,1 41 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 42 Nothturfft] Erfordernis. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 926. 43 mit wenigen] kurz. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 8. 44 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146.
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ein grosser Liebhaber dieser unvergänglichen Wissenschafft/ eine so gute Gelegenheit mit nichten versäumen wollen/ wie ich denn auch ohne grosse Mühe bey wolgemeltem 45 Herrn Schopen habe erhalten/ daß er mir auff dieses Ander Zehn alle Melodeyen ungesäumet 46 hat gesetzet/ und dadurch den himlischen Triumph=Liedern jhr rechtes Leben gleichsam erstlich gegeben. Betreffend die Weisen der Ersten Zehn/ so hat er selbige nicht alle/ besondern47 nur etliche wenig und zwar auff der Eil48 gesetzet/ wie die Music=Verständigen davon leicht werden urtheilen können. Zu deme/ so sind die erwehnte Melodeyen der Ersten Zehn nicht aller dinges ohne Fehler gedrucket/ welches Theils der Eilfertigkeit des jenigen/ der sie zum andern mal hat abgeschrieben/ Theils aber meiner Abwesenheit eintzig und allein zuzumessen/ verhoffentlich49 sol alles in diesem Andern Zehn mit grösserem Fleisse beachtet werden. Noch weiter muß ich hie/ dessen ich doch von Grund der Seelen gerne geübriget50 seyn wolte/ etlichen Schmachsüchtigen einreden: Jch hätte wol gehoffet/ sie solten diese himlische Lieder aus Schew und Ehrerbietung gegen dem jenigen/ zu welches Lob und Ehren sie gemachet d und gesungen werden/ ungetadelt gelassen haben: Dennoch so hat der schändliche Neydhardt51/ der unersättliche Anfeinder aller Wolmeynung/ (GOtt bekehre und bessere jhn) seine Lastergeitzige52 Zunge nicht zähmen noch inne halten können. Zwar die Materi an jr selbst/ dieweil53 sie Göttlich und Himlisch ist/ hat dieser arme Wurm unbenagt müssen lassen: Damit aber ich/ als der unwürdige Beschreiber derselben/ gleichwol nit gar ledig außgienge/ hat er in mangel anderer Straffwürdiger Reden nur dieses angestochen54/ daß ich in meiner Vorrede an den Leser/ Herrn Johann: Schopen der hochlöblichen Stadt Hamburg/ Capellmeister geheissen/ vermeynend/ es wäre diesem Music=Verständigen und Kunst=erfahrenen Manne/ vielleicht gar zu grosse Ehre dadurch angethan. Aber heisst das nicht unvernünfftig geurtheilet? Die That redet es ja selber/ und das Werck lobet den Meister 55: Was wiltu dich denn viel wider die offenbare Warheit aufflehnen/ welche Herrn Schopen nicht allein dieser/ sondern grösserer Ehren würdig schätzet? Dazu so richtestu ja anders nichts damit auß/ als daß du dein von neidischer Abgunst56 quellendes Hertz verräthest/ dessen Spiegel deine Reden d gemachet] Emendiert aus: gegemachet 45 wolgemeltem] in würdigender Weise (bereits) erwähntem. Nicht bei Grimm. Vgl. aber Grimm, DWb 12, Sp. 1994. 46 ungesäumet] ohne Verzögerung. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 827. 47 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 48 auff der Eil] eilig. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 106. 49 verhoffentlich] hoffentlich. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 575. 50 dessen ich geübriget] dessen ich überhoben, wovon ich befreit. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 703. 51 Neydhardt] neidische Person. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 559. 52 Lastergeitzige] nach Lastern gierige. So nicht bei Grimm. Zu ‚geizig‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2819. 53 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 54 angestochen] getadelt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 477. 55 Sir 9,24 56 Abgunst] Mißgunst. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 52.
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fol. A 7r
Das Ander Zehn
sind. Jch solte mich wol über dich erzürnen/ aber ich trage vielmehr ein Mitleiden mit dir/ | wofern du dich nit selbst durch beharrliche Halßstarrigkeit des Mitleidens unwürdig machest: Doch wil ich hoffen/ du werdest umb deiner selbsteigenen57 Wolfart willen/ das unzeitige klügeln58 und Schmachreden dir leyd seyn lassen/ und hinfüro59 nicht mehr neydisch seyn/ Sondern dich also verhalten/ daß andere dir neydig seyn können. Damit du aber in deinem dasmal60 begangenen Verbrechen unterrichtet werden mögest/ so lasse/ bitte ich/ dir nicht verdriessen/ daß ich diese zweyerley/ Worzu ich durch deine Zancksucht genötiget worden/ zu erwegen kürtzlich dir vorhalten muß. Erstlich: Daß es der edlen Singe=Kunst an hohen Ruhme nie ermangelt/ noch mangeln werde/ als welche der unsterbligkeit gewiedmet/ und weder durch den Neyd noch Flucht der Jahre abnehmen/ sondern an Lobe und Fürtreffligkeit biß in die ewige Ewigkeit zuwachsen/ und also denn jhre Vollkommenheit erreichen wird. Fürs Ander: daß der Herr Schop schon länger als für zwantzig Jahren das Ampt und die Mühe eines Capellmeisters61/ an eines grossen und hochlöblichen/ nunmehr in Gott ruhenden Fürsten62 Hofe rühmlich habe verwaltet/ und gedachten Namen eine geraume Zeit geführet/ solches ist der Welt so wol wissend/ daß es ja nichts anders/ als nur ein gifftiger Neyd wäre/ gedachte Bestallung63 in Zweiffel ziehen wollen. Wie er aber nach dieser Zeit der hochlöblichen Stadt Hamburg auffgewartet/ mit Anstifftung64 und Bestellung65 der aller fürtrefflichstene Musicen/ so wol bey Geist= als Weltlichen Verrichtungen/ solches wie es den fürnehmsten Einwohnern/ so wol unter der Obrigkeit als Vnterthanen gar wol bewust ist: Also können über dieses alles auch andere hoch= und weitberühmbte Musicanten so dieser edlen Stadt mit jhrem grossen Lobe bedienet seyn66/ gnugsam Zeugnisse davon geben. Zu geschweigen/ daß er mitler weile von grossen Potentaten/ mit Anerbietung herrlicher/ ja recht Königlicher Besoldung/ zu solchen und dergleichen Aemptern und Auffwartungen mehr denn einmal/ ist beruffen worden. Ferner so möchte ich wol wissen/ warumb den Schmachliebenden so hefftig verdriesse/ daß ich den Herrn Schopen eben denselben Titel gebe/ welchenf jhn das Häupt der gantzen Christenheit/ der unüberwindlichste Römische Keyser e fürtrefflichsten] Emendiert aus: fürtrefflichen f welchen] Emendiert aus: welche 57 selbsteigenen] eigenen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 464. 58 klügeln] Klugtuerei. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1282. 59 hinfüro] fernerhin. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1435. 60 dasmal] diesmal bzw. in dieser Sache. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 810. 61 Vgl. o. S. 14, Anm. 4. 62 Gemeint ist Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1591–1634). Vgl. Brauch, in: NDB 5 (1961), S. 501 f. 63 Bestallung] Anstellung. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1650. 64 Anstifftung] Initiierung. Nicht bei Grimm, DWb. 65 Bestellung] Schaffung. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1676. 66 so dieser edlen Stadt bedienet seyn] die in den Diensten dieser edlen Stadt stehen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1231.
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An den Christlichen Leser
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in einem allergnädigst ertheilten FreyheitsBrieffe/ oder PRJVJLEGJO (wie mans zu Latein nennet) über seine/ Herrn Schopen außerlesene Geistliche/ aber annoch67 ungedruckte Musicalische Stücke ohnlängst hat gegeben/ und mildiglichst 68 verliehen/ Worinnen er ja der löblichen Stadt Hamburg Capellmeister hell/ klar und deutlich wird genennet: Bitte demnach sehr freundlich man wolle doch erst mit dem Römischen Keyser zürnen/ und dessen unüberwindlichsten Mayestät diesen Fehler verweisen69/ darnach wil ich mich auch hertzlich gern unterrichten und straffeng,70 lassen. Aber/ was bemühe ich mich viel in einer solchen Sache/ welche nicht die Warheit/ besondern 71 der blosse Neyd und Mißgunst streitig machet? | Habe ichs doch schon längst gewust/ daß Kunst und Tugend eben so wenig kan ungeneidet 72 bleiben/ als eine schöne und hochbegabte Jungfraw ungeliebet/ und der allerbeste Rheinwein ungetrunckenh. Endlich/ lebe ich sehr wol versichert/ daß meine/ zwar geringschätzige 73/ aber doch die Ehre Gottes/ und des Nehesten Seligkeit zu befodern 74/ wolgemeynte Poëtische Arbeit/ zusampt den anmuthigen von meinem vielgeliebten Herrn Schop/ (welcher mir/ daß ich seiner Person in dieser Vorrede zu gedencken/ bin gezwungen worden/ freundlich wolle zu gute halten/) gesetzten Melodeyen/ dem Christlichen/ auffrichtigen und Music=Verständigem Leser/ nicht mißfallen noch unangenehm seyn werden: Sie haben schon (GOtt sey gelobt) jhre treffliche Liebhaber und mächtige Schutzherren/ auch unter hohes Standes Personen gefunden/ vnd wird das DRJTTE ZEHN (welches verhoffentlich75/ und da es Gott also gefält/ ehister Tage 76 sol folgen) seinen erwünscheten Mann auch leichtlich finden. Jmmittelst77 lebe wol günstiger und sehr geliebter Leser/ und zweiffle nicht/ daß ich mich/ dir alle Christliche Dienste zu erweisen/ so schüldig als willig werde erkennen/ so lange ich heisse und bin
Johannes Rist. |
g straffen] Emendiert aus: strassen
h ungetruncken] Emendiert aus: ungetruucken
67 annoch] immer noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 68 mildiglichst] in höchst milder, freigebiger Weise. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 69 verweisen] vorhalten. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2194. 70 straffen] tadeln, kritisieren. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 712. 71 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 72 ungeneidet] unbeneidet. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 555 f. 73 geringschätzige] gering zu schätzende. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 74 befodern] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 75 verhoffentlich] hoffentlich. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 575. 76 ehister Tage] in der nächsten Zeit. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 49. 77 Jmmittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079.
fol. A 7v
Auff die
fol. A 8r
Des Wol=Ehrwürdigen/Großachtbaren und Hochgelehrten
Herrn Johann Ristens/ P. W.
1
Himlische Lieder
Versetzungs=Gedicht. Johannes Rist Durch Buchstaben=Versetzung
es rinnt ja soa.
H
err Rist/ was seh ich hier aus ewrer Feder fliessen Gleich einer schönen Bach2/ darein viel Quelle schiessen Aus Gottes Spring=Geschirr3? Ach ja! es rinnt so schön/ Erfrischet Hertz und Muth/ und gibt ein solch Getön/ Das voll von Liebligkeit/ wie wenn die Bäche wallen Durch Sand und Steine durch/ es lieblich pflegt zu schallen/ Und sonderlich bey Nacht; So lieblich schallt es hier Ja noch viel lieblicher/ wenn durch die Lippen Jhr Die Stimme fliessen lasst/ und singt uns solche Lieder Die keiner sang vor Euch. So wird nun hin und wieder Was vor 4 Hebraisch war/ in Deutscher Zierligkeit Mit Frewden angestimmt; Was Moses vor der Zeit5 Was Judith6/ Debora7/ was Zacharias sunge8/ Die Lieder voller Geist/ singt nun die Deutsche Zunge; Diß alles habet Jhr/ Jhr werther Rist gethan/ Wollt nun gantz himmlisch seyn/ in dem Jhr Himmel=an9 a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. 1 P. W.] Pastoris Wedeliensium 2 Bach] Zum Femininum ‚Bach‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1057. 3 Spring=Geschirr] Springbrunnen. Nicht bei Grimm, DWb. 4 vor] zuvor. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 806. 5 Vgl. Ex 15,1–19 6 Vgl. Jdth 16,1–21 7 Vgl. Ri 5,1–31 8 Vgl. Lk 1,68–79 9 Vgl. Kol 3,2
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Versetzungs=Gedicht
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105
Durch ewre Kunst Euch schwingt. Schawt/ schawt den Krantz der Ehren/ Der Euch vom Himmel kömpt10/ den wird kein Straal verseeren Zur heissen SommerZeit. Man acht euch himmlisch nun/ Weil himmlisch schon vorhin/ das/ was Poëten thun! M. Philip. Caesius/ von Fürstenau11. |
10 Vgl. 1Petr 5,4 11 Philipp von Zesen (1619–1689), gebürtig aus Priorau (= „Fürstenau“), Dichter, Sprachreformer, seit 1639 Studium in Wittenberg, 1641 Promotion zum Magister ebd. Zesen reiste 1641 nach Hamburg und trat dort in Kontakt mit Rist, hielt sich 1642–1648 in den Niederlanden auf, traf 1643 in Paris u.a. mit Hugo Grotius zusammen, 1648 Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft, 1649 Rückkehr in die Niederlande, 1652 bei Hofe in Dessau, 1653 Erhebung in den Adelsstand in Regensburg. Danach hielt sich Zesen wieder in Dessau auf sowie in Amsterdam und Hamburg oder in den Niederlanden (bzw. in Wolfenbüttel [1674] und in Jena [1675]). Zesen starb am 13.11.1689 in Hamburg. Blume, in: Killy1 12 (1992), S. 483–486.
Dactylisch Sonnet
fol. A 8v
über
Die himlischen Lieder/ Herrn Jo= hann Ristensa.
W
ürdiger Tichter/ nur himmlische Sachen Spüret ein jeder/ der Christlich besieht/ Und wol erweget in seinem Gemüth’ Ewre Hertzrührende Lieder/ So machen/ Daß man in selben durch stetiges wachen Täglich und stündlich mit singen bemüht: Gläubet es kühnlich/ mein Hertze mir glüth/ Meine bemühete Sinne die lachen Wenn sie kaum eines von aussen erblickt/ Schleunig mich selbiges kräfftig erquickt. Wenn in dem Hertzen die schwere Gedancken Häuffig auffsteigen: Drumb künfftig auch singt/ Weil jhr das menschliche Hertze hinbringt Da/ wo die Engel den Schöpffer umbschrancken1.
Bartholomaeus Bothe/ von 2
Grünberg/ Pastor zu Gerdau.
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. 1 umbschrancken] umringen. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 1107. 2 Bartholomäus Both(e) († 1658) stammte aus Grünberg (Schlesien), war zunächst Lehrer in Lüneburg, 1642–1657 Pastor in Gerdau und 1657–1658 in Uelzen. Die Angaben in DBA I,130,187 f.237, denen zufolge Both(e) Arzt gewesen sein soll, sind irreführend. Meyer, Pastoren I, S. 310; II, S. 440.
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Ehrenschrifft/ über das Ander Zehn der himlischen Lieder/ Herrn Jo= hann Ristens/ H. P.a,1
O
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Unverlohrner2 Fleiß! O Himmelsüsses Tichten! O seliger Verstand/ der sich zu Gott zu richten Hin auff die Himmels=Bahn genommen seinen Lauff/ Und jetzo wiederumbb zeucht Himmels=seyten auff! | Wer hier nicht wird bewegt und wer die kalte Sinnen Zu himmlischer Begier jhm nicht läßt abgewinnen/ Muß kälter seyn als Eyß und härter denn ein Stein/ Muß lebendig erstart und Gott=vergessen seyn. Denn was hie abermal durch Gottes Geist getrieben3 Herr Rist der Wundermann Poëtisch hat beschrieben/ Lebt selbst und Leben gibt dem4/ der sonst blaß und bleich Von Hertzens=Trawrigkeit sieht einem Todten gleich. Hier ist ein Göttlichs Fewr; Hier/ hier sind Himmels=Flammen; Ein Chor der Heiligen steht herrlich hier beysammen Und hält Triumph mit Lust/ ein jeder stimmet an Und singt was vormals Gott für Wunder hat gethan5/ Diß hat hier artig der den Gott hat außgerüstet/ So daß es jederman im Hertzen hoch gelüstet/ Mit Andacht/ Kunst und Zier in süsse Lieder bracht/ Daß einem der es hört das Hertz für Frewden lacht. Seht hier wie man sich sol mit gantzer Seelen6 wenden Zu seinem lieben Gott/ und einen Blick absenden Hin in die Ewigkeit7/ da bey der EngelSchaar Und allen Frommen ist das rechte JubelJahr8/
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. b wiederumb] Emendiert aus: wierumb 1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Unverlohrner] nicht überflüssiger, nicht vergeblicher. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 2058. 3 Vgl. 2Petr 1,21 4 Vgl. Joh 6,57 5 Vgl. Ps 9,2 6 Dtn 6,5 7 Vgl. 2Kor 4,18 8 Vgl. Lev 25,11
fol. B 1r
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Das Ander Zehn
Das grosse Frewden=Fest. Wolan! erhebt die Hertzen Jhr Christen in gesampt und stillet ewren Schmertzen Mit dieser Himmels=Lust: Denn wer mit Glauben singt Und betet/ durch die Noth zur Himmels=Frewde dringt. Auch jhr Herr Rist fahrt fort was himlisch ist zu singen/ Fahrt fort/ fahrt Christlich fort. Und du laß es gelingen9/ Und hilff/ du grosser Gott10; So wird wie dirs gefällt Hiedurch ein Himmel hier auff Erden angestellt11.
Theobald Grummer12/ von Lünaeburg. |
9 Vgl. Ps 118,25 10 Ps 95,3 11 angestellt] bereitet, errichtet. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 482. 12 Vgl. o. S. 22, Anm. 9.
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I. Das Triumph=Lied Mose
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I.
S. 1
Das Triumph=Lied Mose/
Welches er gesungen/ als die Kinder Jsrael von
der gewaltigen Hand des Pharao errettet/ und dieser Ty= rann sampt seiner grossen Krieges=Macht im rothen Meer war ersoffena und umbkommen/ Exod. 15.b
D
Em Herren wil ich singen/ und preisen seine That/ sampt so viel Wunderdingen/ diec er erwiesen hat/ dieweil1 erd Roß und Wagen/ ins Meer hat wollene jagen2.
5
2. Der Herr ist meine Stärcke Mein Heyl und Lobgesang Den ich umbf seine Wercke Preiß’ all mein Lebenlang/ Stets wil ich hoch erheben Gott meines Vaters Leben3. | S. 2
10
3. Der HErr weiß recht zu kriegen4/ HErr ist sein grosser Nahm5/ Der g Pharao muß ligen Jm Meer mit Spot vnd Scham’
15
a als die Kinder Jsrael war ersoffen] C statt dessen: alß GOtt das Jsraelitische Volk auß der gewaltigen Hand des Pharao errettet/ und disen Tyrannen mit seiner grossen Kriegesmacht im rohten Meer hatte lassen ersäuffen b Exod. 15.] Fehlt C c die] C statt dessen: Welch’ d dieweil er] In der Notation des Bassus statt dessen: dieweiler (Erratum) e ins Meer hat wollen] C statt dessen: Kont’ in den Abgrund f umb] C statt dessen: für g Der] C statt dessen: Und 1 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 2 Ex 15,1 3 Ex 15,2 fen, Krieg zu führen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2224. 5 Ex 15,3
4 zu kriegen] zu kämp-
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I. Das Triumph=Lied Mose
Undh seine Kriegs=gesellen Versüncken in den Wellen6.
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4. Die Fluth hat jetzt bedecket Die Kämpfferi ins gemein7/ Sie ligen todt gestrecket Nach dem sie wie die Stein’ Auff gar zu trotzigsj springen Sehr schnellk zu grunde giengen8. | 5. O HErr was Wunderthaten Thut deine rechte Hand! Durch sie ist jal gerahten Der Feind in Spott und Schand’/ HErr/ sie hat Roß und Wagen Des Pharao zerschlagen9.
S. 3
6. Du hast der Feinde toben Mitm deiner Herrligkeit Gestürtzet und von oben Vernichtet jhren Streit/ Dein Grimm hat sie beschweret Und gleich wie Stroh verzehret10. 7. HErr’ auff dein starckes blasen Thät sich das Wasser auff/ Die Fluht fieng an zu rasen Bald stund sie wien ein Hauff’/ Als jhreo Tieffe wallet Daß es sehr weitp erschallet11.q h Und] C statt dessen: Auch i Kämpffer] B statt dessen: Kampffer (Erratum) j trotzigs] C statt dessen: schnelles k Sehr schnell] C statt dessen: Jn Meer l Durch sie ist ja] C statt dessen: Nun ist durch Sie m Mit] C statt dessen: Kraft n Bald stund sie wie] C statt dessen: Stund plötzlich alß o Als jhre] C statt dessen: Seht wie die p Daß es sehr weit] C statt dessen: Ja weit und breit q .] C statt dessen: ! 6 Ex 15,4 7 ins gemein] insgesamt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2142. 10 Ex 15,7 11 Ex 15,8
8 Ex 15,5
9 Ex 15,6
112
S. 4
Das Ander Zehn
8. Jch wil sie wol erjagenr,12 Sprach vnserss Feindes Huet13/ Jch wil den Raub wegtragen. Und kühlen meinen Muht/ | Mein Schwerdt sol sie verderben/ Diß Volck sol plötzlich sterbent,14. 9. Da liessest du HErr sausen Die Winde/ daß das Meer Durch sein erschrecklichs brausen Sie deckte/ die sou schwer Wie Bley hinunter süncken Und jämmerlich ertrüncken15. 10. Wer ist dir Herrv zu gleichen16 Jn aller Götter Zahl/ Wer kan dein Lob erreichen? Du herrschest überall/ Wer ist wie du so mächtig/ So heilig/ schrecklich/ prächtig? 11. Wer ist wie du zu loben Wer ist so wunder=reich/ Wer ist wie duw erhoben? Ach dir ist keinerx gleich17/ Du hast den Feind bezwungen Die Erd’y hat jhn verschlungen18.
r erjagen] C statt dessen: verjagen s vnsers] C statt dessen: dort des t Mein Schwerdt plötzlich sterben] C statt dessen: Sie müssen plötzlich sterben Mein Schwerdt sol Sie verderben u Durch sein die so] C statt dessen: Sie dekte durch sein Brausen/ Worauf Sie treflich v dir Herr] C statt dessen: Herr Dir w wie du] C statt dessen: gleich Dir x dir ist keiner] C statt dessen: keiner ist Dir y Die Erd’] C statt dessen: Das Meer 12 erjagen] fangen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 861. 13 Huet] Hut. „militärische wache, der posten zum schutz gegen einen feind oder kriegerischen überfall“ (Grimm, DWb 10, Sp. 1984). 14 Ex 15,9 15 Ex 15,10 16 zu gleichen] gleichzuachten. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 8042. 17 Ex 15,11 18 Ex 15,12
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I. Das Triumph=Lied Mose
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12. Du hast dein Volck begleitet Durch deine Gütigkeit/ | Und hast unsz zubereitet Erlösung dieser Zeit/ Du hast uns hin geführet Da uns dein’ Hüttea zieret19. 13. Da das kam für die Heyden/ Erbebt’ ein jederman/ Angst/ Zittern/ Furcht und Leyden Kam die Philister an20/ Die Fürsten Edom stunden Mit Schrecken gantz gebunden21. 14. Die starcken Moabiter Verzagten jämmerlich Und alle Cananiter Für dir befahrten22 sich23/ Herr laß sie Furcht und Schrecken Durch deinen Arm bedecken24. 15. Laß sie wie Felsen stehen Erstarret/ steiff und hart/ Biß man dein Volck mag sehen Das sob erlöset ward Sampt allen seinen Frommen Hindurch mit Frewden kommen25. 16. Herrc bringe doch und pflantze Sie auff den Berg in Rast |
z Und hast uns] C statt dessen: Uns aber a Da uns dein’ Hütte] C statt dessen: Wo dein Gezelt uns b so] C statt dessen: wol c Herr] C statt dessen: Hrrr (Erratum) 19 Ex 15,13 20 Ex 15,14 21 Ex 15,15 22 befahrten] fürchteten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1246. 23 Ex 15,15 24 Ex 15,16 25 Ex 15,16
S. 5
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Das Ander Zehn
Den du zum Hauß’ und Schantze26 Dir außerkohren hast/ Den du sampt allem Wesen Zur Wohnung außerlesen27! 17. Laß sie zur Hütten kommen Die du mit eigner Hand Zum Erbtheil eingenommend Und heilig wird genant/ Die kan man nicht vertreiben28/ Der Herr wird König bleiben29. 18. Mit Rossen und mit Wagen Zog Pharao inse Meer/ Der Herr’ hatt’f jhn geschlagen Die Fluth lieff’ über her/ Jsrael ist mit prangen30 Gantz trocken durchgegangen31. |
d eingenommen] C statt dessen: angenommen e ins] C statt dessen: zum f hatt’] B statt dessen: hat 26 Schantze] Befestigung zum Schutz. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2162. 27 Ex 15,17 28 Ex 15,17 29 Ex 15,18 30 mit prangen] feierlich, stolz. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2064 f. 31 Ex 15,19
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II. Das Triumph=Lied der Heldinnen Debora
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Das Ander Zehn
II.
S. 7
Das Triumph=Lied der Heldinnen Debora/ Welches sie dem HErrn gesungen/ als er sein
Volck von der Cananiter Tyranney erlöset/ und durch sie des Königs Jabina Feld=Häuptmann denb Sissera mit seinem gewaltigen Kriegs=Heer hatte über= wunden und geschlagen/ Judic.c 5.d
J
Hr Völcker kommt mit mir kommt zu der Singere Orden1/ und lobet unsern Gott/ weil nunmehr frey ist wordenf/ das Volck von Jsrael/ ein Volck das sonder2 List/ so willig als behertzt/ zum Streit erfunden ist3.
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2. Jhr Fürsten mercket auff/ jhr Könige der Erden Kommt/ höret wie ich jetztg mit Worten und Geberden | Den Herren unsern Gott durch süsses Seitenspiel Den Gott von Jsrael so hertzlich preisen wil4. 3. Herr’/ als du bist mit Macht von Edom außgezogen/ Da hat der Erdenkloß sich umb und umb bewogen5/ | Der Himmel stund verhüllt recht wieh ein tunckel Glaß Die Lufft verkehrte sich/ die Wolcken gaben naß6.
a Jabin] C statt dessen: Jabms (Erratum) b den] Fehlt C c Judic.] B statt dessen: Jud. d Judic. 5.] Fehlt C e Singer] B in der Notation des Bassus und im Text statt dessen: Sänger f ist worden] C statt dessen: geworden g wie ich jetzt] C statt dessen: den/ der itzt h wie] C statt dessen: alß 1 Orden] Ordnung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317. 2 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 3 Ri 5,2 4 Ri 5,3 5 sich bewogen] sich bewegt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1770. 6 Ri 5,4
S. 8
S. 9
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Das Ander Zehn
4. Der grosser Sinai must’ häuffig sich ergiessen/ Die Berge liessen auch viel klarer Bächlein fliessen Die lieffen unter sich fast wie der Wind so schnell Für dem/ der sie gemacht/ dem GOTT in Jsrael7. 5. Zu Samgar/ Anaths Sohn/ wie auch zu Jaels Zeiten Da war es hohe Noth ein’ Ordnung zu bereiten/ Denn die da solten gehn den wolbekandten Weg/ Die wandelten die krumm’ und ungebanteni Steg’8.
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6. Es war in Jsrael an Bauren groß Gebrechen Biß daß ich kam hervor mein armes Volck zu rächen/ | Jch Debora einj Weib/ diek Gott erwehlet hat/ Gott/ der der Feinde Thor bestritten9 mit der That10. 7. Da viertzig tausend Mann sonst pflegen her zu gehen Jn Jsrael/ da war noch Schild noch11 Schwerdt zu sehen12/ Jtzt sag’ ich/ daß jhr Thun von Hertzen mir gefällt/ Weil der Regenten Volck sich willig eingestellt13. 8. Nun lobet vnsern Gott/ die jhrl auff schönen Thieren Auff Eselinnen euch und Rossen lasset führen; Singt frölich diem jhr sitzt und haltet das Gericht/ Die jhrn am Wege geht/ verschweiget dieses nicht14:
S. 11
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9. Dao in der höchsten Noth des Feindes Schützen rieffen Und eyffrig auff uns zu dort bey denp Brunnen lieffen/ | Da singe man von Gott/ da sageq man wie schnell Der Herr geholffen hat den Bauren Jsrael15. i ungebanten] C statt dessen: undgebanten (Erratum) j ein] C statt dessen: / das k die] C statt dessen: das l jhr] C statt dessen: sonst m die] C statt dessen: welch’ n Die jhr] C statt dessen: Auch nah’ o Da] C statt dessen: Wo p den] B, C statt dessen: dem q sage] B statt dessen: sahe 7 Ri 5,5 8 Ri 5,6 9 bestritten] bekämpft. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1683. 10 Ri 5,7 11 noch noch] weder noch. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 872. 12 Ri 5,8 13 Ri 5,9 14 Ri 5,10 15 Ri 5,11
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II. Das Triumph=Lied der Heldinnen Debora
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10. Wolauff O Debora/ auff! laßr ein Lied erklingen/ Du Barack zieh’ herauß die Feinde zu bezwingen16/ Seht die verlassen seyns/ beherrschen weit und breit Die Starcken/ unser GOtt erschlägt die stoltzen Leut’17. 11. Es hat zwar Ephraim die Wurtzel uns getragen Wodurch der Amaleck zum ersten ward geschlagen/ Nun aber kommen auch aus Sebulon herfür Regenten/ unsre Lustt/ des Landes Frewd und Zier18.
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12. Die Fürsten Jsaschar sampt jhren Rot=gesellen19 Die sahe man sich auch bey Baracks Hauffen stellen/ | Sie halffen Debora/ doch Ruben blieb allein Und wollt’ aus Ubermuth jhr nicht behülfflich seyn20. 13. Ey Ruben/ bleibst du nun in deinen Hütten stecken Zu hören wie die Schaf’ und geile21 Ziegen blecken22/u Wie hälst du doch so groß von deiner Herrligkeit Und sonderst dich jetzt ab/ da es doch kämpffens Zeit?23 14. Zwar Gilead der blieb am schönen Jordan sitzen/ Der Asser wohnt’ am Meer und Dan bey feuchten Pfützen24/ Nur Sebulon der wagt’ in dieser grossen Noth Sampt Naphthali die Seel’v auch gar biß in den Todt25. 15. Der Cananiter Volck und Könige die stritten Am Wasser Thaanach/ so/ daß sie Schaden lidten26/ |
r auff! laß] C statt dessen: laß doch s seyn] C statt dessen: sind t Lust] B statt dessen: Luft (Erratum) u /] C statt dessen: ; v Seel’] B statt dessen: See’ (Erratum) 16 Ri 5,12 17 Ri 5,13 18 Ri 5,14 19 Rot=gesellen] Rottengesellen, Verbündeten. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1322. 20 Ri 5,15 21 geile] lustigen, lebensmutigen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2581. 22 blecken] blöken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 143. 23 Ri 5,16 24 Ri 5,17 25 Ri 5,18 26 Ri 5,19
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Das Ander Zehn
Der Himmel war jhr Feind/ ja auch der Sternen Schaar Bracht’ jhren Sissera durch streiten in Gefahr27.
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16. Der Kison waltzet sich/ Kedumim must’ ergiessen/ Du meine Seele trit der starcken Halß mit Füssen28/ Da rasseltenw die Pferd’ und lieffen aus der Schlacht Denn jhrer Reuter Furcht hat sie verzagt gemacht29. 17. Des Herrenx Engel sprach: Man soll die Stadt verfluchen So Meroß wird genand/ dieweil30 sie nicht halff suchen Den Feind/ als unser Streit den ersten Anfang nam Und jhrer Bürger doch gantz keiner zu uns kam31.
S. 14
18. Die Jael aber sey gesegnet und erhoben Des Hebers tapffers Weib ist ewiglich zu loben32/ | Milch gab sie/ da er nury ein Trüncklein Wasser bath Ja Butter/ die man sonst in schönen Schalen hat33. 19. Sie grieff mit jhrer Hand den Nagel sampt dem Hammer Gieng hin zu Sissera in die verschlossnez Kammer/ Sie schlug jhn durch das Häupt/ durchbohrte seinen Schlaff34 Zuquetschte35 sein Gesicht’ und übte Rach’ und Straff’36. 20. Er lag im Augenblick’ ertödtet37 für jhr nieder/ Er streckte sich bald auß/ bald krümmet er sich wieder/ Zu jhren Füssen hat sie diesen Held gelegt Der noch ein wenig kroch/ schier38 wiea ein Würmlein pflegt39.
w rasselten] B statt dessen: raselten (Erratum) x Herren] B statt dessen: Herrn (Erratum) y da er nur] C statt dessen: wie nur Er z in die verschlossne] C statt dessen: / der lag in Jhrer a wie] C statt dessen: als 27 Ri 5,20 28 Ri 5,21 29 Ri 5,22 30 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 31 Ri 5,23 32 Ri 5,24 33 Ri 5,25 34 seinen Schlaff] seine Schläfe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 270. 35 Zuquetschte] zerquetschte. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 732. 36 Ri 5,26 37 ertödtet] getötet. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1030. 38 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 39 Ri 5,27
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II. Das Triumph=Lied der Heldinnen Debora
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21. Die Mutter Sissera saß guckend durchs Gegitter40/ Sie heult’ am Fenster als das blutige Gewitter | Am Kison sich erhub: Sie sprach mit steter Klag’: Ach saget mir wo doch sein Wag’ jetzt bleiben mag?41
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22. Die Klugen Weiber die stets bey jhr waren/ sprachen42: Er theilet auß den Raub und die erworbneb Sachen | Zwo Metzen43 jederman; er aber nimmt zur Beut’ Als Herr und Sieges=Fürst’ ein bund gesticktes Kleid44. 23. So müssen deine Feind’ O grosser Gott45 verderben So müssen sie mit Spott’ in jhren Sünden sterben/ Diec aber stets mit Furcht dich lieben/ müssen seyn Voll Herrligkeit und Pracht gleich wie der Sonnen Schein46. |
b und die erworbne] C statt dessen: samt den erworbnen c Die] C statt dessen: Welch’ 40 Gegitter] Gitter. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2305. 41 Ri 5,28 42 Ri 5,29 43 Metzen] Eine ‚Metze‘ ist ein Getreidemaß. Vgl. Zedler 20, Sp. 1408. 44 Ri 5,30 45 Ps 95,3 46 Ri 5,31
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Das Ander Zehn
III. Dancklied der gottesfürchtigen Hanna
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III.
S. 15 a
Dancklied der gottesfürchtigen Han= na/ des Weibes Elkana/ Jn welchem sie Gott für die empfangene
Wolthatenb preiset/ und jhre Widersacher von allem Trotz abmahnet/ 1. Sam. 2.c
F S. 17
Rölich ist mein Hertz im Herren/ und mein Horn ist voller Pracht/ ich darff meinen Mund auffsperren/ gegen meiner | Feinde Macht/ dennd mein Gott ich frewe mich/ deines Heyls gantz inniglich1.
2. Niemand kan man heilig nennen Als nur dich/ und ausser dir Jst kein Hort2 den wir bekennen Als dich Herrscher für und für3/ Drumb jhr Praler ins gemein4 Lasset ewr groß rühmen seyn5. 3. Lasset doch aus ewrem Munde Alles Alte/ denn der Herr’ Jst ein Gott/ der es zur Stunde Mercket und verhindert sehr/ Dieser ist es/ der ewer best’ e/ Offtmals nicht gelingen läst6.
a Dancklied] C statt dessen: Ein Danklied b C zusätzlich: von Hertzen c 1. Sam. 2.] Fehlt C d denn] In der Notation des Bassus statt dessen: Den n (Erratum) e ewer best’] C statt dessen: vieler Pest’ (Erratum) 1 1Sam 2,1 2 Ps 18,3; 71,3 3 1Sam 2,2 4 ins gemein] insgesamt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2142. 5 1Sam 2,3 6 1Sam 2,3
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III. Dancklied der gottesfürchtigen Hanna
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4. Nun/ der Starcken Bog’ und Pfeile Sind zubrochen7 gantz und gar/ Und die Schwachen mittler weile Kämpffen tapffer in Gefahr/ | Weil des Allerhöchsten Rath Sie mit Stärck’f umbgürtet hat8
S. 18
5. Die so satt von speisen waren Sind verkauffet nur umbs Brodt/ Und die Mangels gnug erfahren Wissen nichts von Hungers=Noth/ Biß die Frucht auff sieben kam9 Und die vor10 gebahr/ abnam11. 6. Tödten und lebendig machen Stehet in des Herren Hand/ Führen in der Hellen Rachen12 Und herauß in Gottes Land13/ Reich/ armg/ hoch und niedrig seyn Schaffet unser Gott allein14. 7. Alle die/ so dürfftig leben Hebt er aus dem Staub’ und Koth/ | Alle dieh in Armuth schweben Rettet er aus Hungers=Noth Daß er sie mit Lust ergetz’ Und bey grosse Fürsten setz’15.
f Stärck’] C statt dessen: Kraft g Reich/ arm] C statt dessen: Arm/ Reich h die] C statt dessen: welch’ 7 zubrochen] zerbrochen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 8 1Sam 2,4 9 Biß die Frucht auff sieben kam] Der Sinn erschließt sich aus 1Sam 2,5 (WA.DB 8/I,189) in Luthers Übersetzung, wo es heißt: „Die da sat waren, Sind vmbs brot verkaufft worden, Vnd die hunger lidden hungert nicht mehr, Bis das die Vnfruchtbar sieben gebar, Vnd die viel Kinder hatte abnam.“ 10 vor] zuvor. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 806. 11 1Sam 2,5 12 Jes 5,14; Sir 51,6 13 1Sam 2,6 14 1Sam 2,7 15 1Sam 2,8
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Das Ander Zehn
8. Ja daß er den Stuel der Ehren Jhnen laß’ ein Erbe seyn/ Und sein Gut mög’ allzeit mehren/ Denn der Herr ist Gott allein/ Der das Erdreich in die Welt Durch sein’ Allmacht hat gestellt16. 9. Er der Herr wird wol behüten Seiner Frommen Gang und Liecht/ Aber der Verfluchten Wüten Wird im finstern gar zu nicht’/ Achi es hilfft kein hoher Muth/ Kein Vermögen/ Geld noch Gutj,17.
S. 20
10. Die mit Gott im Zornk zu leben Freventlich18 sich unterstehnl/ Müssen bald gewonnen geben19 Und mit Schanden untergehn/ | Er wird über sie zumahl Donnern aus des Himmels Saal20. 11. Alle Völcker wirdm er richten/ Wenn er kompt mit grossem Pracht’21/ Alle Welt wird er vernichten/ Nur sein König hält die Macht/ Des Gesalbten Stärck’ und Horn Wird zum Regiment erkohrn22. |
i C zusätzlich: ! j C zusätzlich: ! k Zorn] C statt dessen: Streit unterstehen (Erratum) m wird] Gemäß B, C emendiert aus: wir
l unterstehn] B statt dessen:
16 1Sam 2,8 17 1Sam 2,9 18 Freventlich] frech. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 179 f. 19 gewonnen geben] sich geschlagen geben. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 6730. 20 1Sam 2,10 21 Pracht’] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 22 1Sam 2,10
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IV. Ein Danck=Lied der wahren Christen
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Das Ander Zehn
IV.
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Ein Danck=Lied der wahren Christen/
Daß sie nicht allein von jhren Feinden errettet
werden/ besondern1 auch wider das schwere Creutz und die bittere Todes=Gedancken einen himli= schen Trost erlangen/ Esa. 26.a
W
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Jr haben eine feste Stadt/ die wolgebawte Mawren hat/ Heil ist vns wiederfahren2/ Laß Thür und Pforten offen seyn/ daß die Gerechten gehnb herein/ den Glauben zu bewahren3/ du Herr erhältest Fried und Ruh/ als du verheissen/ jmmerzu4. | 2. Darumb mein Volck verlasse dich Auff Gottes Beystand ewiglich Er ist ein Felß ohn’ Ende5/ Er bringet die/ soc jhr Gezelt6 So hoch zur Wohnung auffgestellt Er stürtzet sie behende/ Die hohe Stadt erniedrigt er Und machet jhre Häuserd leer7. |
S. 22
a Daß sie nicht erlangen/ Esa. 26.] C statt dessen: Jn welchem der Prophet Esaias GOtt lobet/ daß die Kirche GOttes von Jhren Feinden herlich errettet/ und mit einem kräfftigen ja recht himlischen Trost wider das Kreütz und die bittere Todesgedanken wird beseliget. b gehn] Gemäß der Notation des Bassus emendiert aus: gehen Recte: B, C c so] C statt dessen: welch’ d Häuser] C statt dessen: Fenster 1 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 2 Jes 26,1 3 Jes 26,2 26,4 6 Gezelt] Zelt. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 6946. 7 Jes 26,5
4 Jes 26,3
5 Jes
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Das Ander Zehn
3. Er stösset sie voll Vberdruß Zur Erden/ daß sie küssen muß Den Staub auff jhren Gassen8/ Sie wird mit Füssen gantz und gar Zutretene,9/ ja der Armen Schaar Wil auch nicht unterlassen Dieweil10 sie Rach’ und Eyfer sticht Zu springen jhr ins Angesicht’11. 4. Ach Herr/ der Frommen Weg ist schlecht12/ Du machest jhren Gang gerecht Du richtest jhre Steige13/ Drumb warten wir auff dich allein/ Wie wol wird unser Seelen seyn Daß sie zu dir sich neige/ Dein Nam’ Herr’ ist uns wol bewust Und das ist unsers Hertzen Lust14. 5. Des Nachtesf stehet mein Begier O grosser Gott15 allein zu dir Mein Geist muß früe auffwachen/ Denn wo dein Recht im Lande geht Und man auff deinen Wegen steht Da sind gerechte Sachen/ Da lernen denn zur selben Zeit Die Bürger auch Gerechtigkeit16. |
S. 24
6. Viel anders ist der Spötter Sinn Sie nehmen nie die Gnade hin Sog jhnen angetragen/
e Zutreten] B statt dessen: Zu treten dessen: Welch’
f Nachtes] B statt dessen: Nachts (Erratum) g So] C statt
8 Jes 26,5 9 Zutreten] zertreten. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 796. 10 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 11 Jes 26,6 12 schlecht] gerade. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 13 Jes 26,7 14 Jes 26,8 15 Ps 95,3 16 Jes 26,9
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IV. Ein Danck=Lied der wahren Christen
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Sie lernen nicht Gerechtigkeit Sie thun dem Lande jeder Zeit Was jhnen mag behagen/ Drumb schawet auch jhr Angesicht Die Herrligkeit des Herren nicht17. 7. Herr/ trefflich hoch ist deine Hand/ Doch das isth jhnen unbekandt/ Wenn sie esi aber sehen/ Alsdenn so wird die stoltze Rott’ Jm Eyfer gantz und gar zu Spott’ Und mag fort18 nicht bestehen/ Denn werden sie durchs Fewers Macht Gleich deinen Feinden umbgebracht19. 8. Uns aber schaffstj du wahre Ruh’ Und was wir machen das gibstk du20 Wir habens dir zu dancken; Es herrschen zwar wol andre mehr/ Doch dir allein gebührt die Ehr’/ O Gott laß’ uns nicht wancken/ Hilff daß wir stets gedencken dein Und deines Namens Ehr’ allein21! | 9. Die Todten bleiben in der Rast Dieweil22 du sie vertilget hast/ Sie müssen alles meiden23/ Du aber kommst von deinem Ort’ Und fährest jmmer fort und fort Herr’l unter so vielm Heyden/ Dein’ Herrligkeit wird offenbar Dort wo der Welt jhr Ende war24.
S. 25
h das ist] C statt dessen: ist es i es] C statt dessen: diß j schaffst] C statt dessen: gibst k gibst] C statt dessen: schafst l Herr’] C statt dessen: Auch m so viel] C statt dessen: vielen 17 Jes 26,10 18 fort] hinfort. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 9. 19 Jes 26,11 20 Jes 26,12 26,13 22 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 23 Jes 26,14 24 Jes 26,15
21 Jes
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Das Ander Zehn
10. Herr wenn vns Trübsal klagen macht So suchen wir dich Tag und Nacht So schreyen wir mit Thränen25/ Wien eine Schwangre/ wenn die Zeit Zu der Geburt schier26 ist bereit Sich muß nach Hülffe sehnen/ Denn klaget sieo ohn’ unterlaß/ Wir ruffen auch ohn’ alle maaß’27:
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11. Ach wir sind schwanger/ Angst und Noth Die quälet uns biß auff den Todt So/ daß wir kaum mehr lallen/ Noch können wir in solcher Pein Dem Lande nicht behülfflich seyn/ Das Volck wil ja nicht fallen28/ „Herr/ deine Todten wird man sehn „Mit jhren Leibern aufferstehn29. | S. 26
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12. „Auff/ wachet auff und rühmt in Eil’ „Jhr Völcker/ die des Todes Pfeil „Gelegt hat in die Erden/ „Ewr Thaw ist wie das edle Naß/ „Das man von schönen Kräutern laß’ „Jhr solt getröstet werden/ „Bald aber wird der Todten Land „Gestürtzet durch des Höchsten Hand30.
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13. „Vernimm mein Volck/ ich sag’ es dirp/ „Geh’ hin/ schleuß zu die KammerThür’ „Und sey daselbst verborgen/ „Jetzt grünet schon dein höchstes Glück’ „Es weret kaum ein Augenblick
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n Wie] C statt dessen: Alß o Denn klaget sie] C statt dessen: So klagt Sie den Volck/ ich sag’ es dir] C statt dessen: Mein Volk/ vernim es doch von Mir 25 Jes 26,16 26 schier] bald. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 20. 26,19 30 Jes 26,19
27 Jes 26,17
p Vernimm mein
28 Jes 26,18 29 Jes
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IV. Ein Danck=Lied der wahren Christen
„Denn wil dich Gott versorgen/ „Mein Volck/ es ist doch bald geschehn/ „So wird sein Zorn fürüber gehn31. 14. Der Herr wird gehn von seinem Ort’ Und suchen heim nach seinem Wort’ All’ Ubelthat und Sünde/ Denn wird er straffen gantz und gar Das Land/ damit es offenbahr’ Jhr heisses Blut geschwinde/ Denn wird mans wissen in gemeinq,32 Wie viel darin erwürget seyn33. |
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q in gemein] C statt dessen: ins Gemein 31 Jes 26,20
32 in gemein] samt und sonders. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3220.
33 Jes 26,21
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Das Ander Zehn
V. Ein Lob=Gesang des gottseligen Königs Hißkia
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V.
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Ein Lob=Gesang des gottseligen Kö= nigs Hißkia/ Darinnena er seine grosse Gefahr und Angstb er= zehlet/ danebenstc aber die Hülffe und Wolthaten Gottes höchlich rühmetd/ Esa. 38.e
A
Ls mich die grosse Noth der Kranckheit hattef troffen/ so daß ich anders nichts als nur den Todt kondt’g hoffen/ da sprach ich voller Zagen: ist das nicht zu beklagen/ daß meine Zeit schon auß? ey kan man nicht ersparen/ mein Leben muß esh fahren/ ins finster Hellen Hauß1? | S. 28
S. 29
2. Jch sprach: Nun muß2 ich ja den Herren nimmer sehen/ Hinfüro3 werd’ ich nicht für Menschen Augen stehen/ | Die Tage sind beschlossen Die Jahre sind verflossen Wo isti mein Anbegin?4 Jetzt reiss’ ich ab mein Leben Gleich wie man thut im weben Ach meine Zeit ist hin5!
a Darinnen] C statt dessen: Worinnen b Angst] C statt dessen: Todesangst wehemühtig c danebenst] C statt dessen: dabenebenst d C zusätzlich: und preiset e Esa. 38.] Fehlt C f hatte] B statt dessen: hat (Erratum). In Notation des Cantus und Bassus recte. g kondt’] In C Cantus und Bassus statt dessen: könt’ h muß es] A in der Notation des Bassus statt dessen: es muß Ebenso B in der Notation des Bassus und Cantus i ist] C statt dessen: bleibt 1 Jes 38,10 2 muß] darf. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2750. DWb 10, Sp. 1435. 4 Jes 38,11 5 Jes 38,12
3 Hinfüro] fernerhin. Vgl. Grimm,
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V. Ein Lob=Gesang des gottseligen Königs Hißkia
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3. Mein schwacher Leib ward dürr’ und gäntzlich außgesogen/ Ja noch für Abends ward mir alle Krafft entzogen6/ Ach! dacht ich/ mücht’ ich bleiben Köndt’ ich den Tod vertreiben Wär’ ich biß morgen frey! Du aber hast zubrochen7 O Gott mir meine Knochen Gleich wiej ein starcker Löw8. 4. Wie sonst die Kranig’ und die Schwalben kläglich schreyen Ja wie die Täubelein den starcken Habicht schewen/ So winselt’ ich von Hertzen Jch girrete9 für Schmertzen/ Denn meiner Augen Liecht Das wolte gar verschwinden/ Wo sol ich Mittel finden Herr’ ist keink Hülffe nicht?10 | 5. O GOtt/ wie wil ich dich von gantzer Seele11 preisen/ Daß du/ was du versprichst/ so herrlich kanst erweisen/ Doch werd’ ich all mein Tage Für der erlittne Plage Mich schewen gar zu sehr12/ Dennochl dein Wort kan geben/ Daß das verzehrte Leben Bald wieder zu uns kehr’m,13. 6. O Gott/ du liessest mich entschlaffen und vergehen Auch liessest du mich bald das Leben wiedrumb sehen/
j wie] C statt dessen: alß k kein] Emendiert aus: keine Recte: B. Erratum auch in C l Dennoch] C statt dessen: Wollan m Bald wieder zu uns kehr’] C statt dessen: Auch plötzlich wiederkehr 6 Jes 38,12 7 zubrochen] zerbrochen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 8 Jes 38,13 9 girrete] ‚girren‘ kann sowohl den Laut bezeichnen, den große Vögel wie der Kranich (vgl. v1 dieser Strophe) von sich geben, als auch das Schreien vor Schmerzen. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 7552 f. 10 Jes 38,14 11 Dtn 6,5 12 Jes 38,15 13 Jes 38,16
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Das Ander Zehn
Umb Trost war mir sehr bange Jch schrie: Ach Herr wie lange14 Hilff/ Hilff mein Hertz zubrichtn,15! Da bistu schleunig kommen Und hast mich angenommen Daß ich verdürbe nicht16.
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7. Du wirffst Herr meine Sünd’ all’ hinter dich aus Gnaden17/ Die Helle lobt dich nicht/ die Todten sind beladen | Mit schwartzemo Koht’ und Sande/ Sie wohnen dort im Lande Da es gantzp finster ist18/ | Da keiner wird erhoben/ Da man dein herrlichs Loben Und Warheit gar vergist19. 8. Nur dieq im Leben seynr/ die preisen dich mit Frewden Wies ich (O grosser Gott20) thu aufft mein vorigsu Leyden/ Die Kinder werden fragen/ Die Väter werden sagen Was du gethan allein21/ Herr’ hilff und laß gelingen22/ Wir wollen Lieder singen Biß wir vergraben seyn23. |
n zubricht] C statt dessen: das bricht o schwartzem] B statt dessen: schwartzen p Da es gantz] C statt dessen: Das grausahm q die] C statt dessen: welch’ r seyn] C statt dessen: sind s Wie] C statt dessen: Alß t auff] Emendiert aus: anff Recte: B, C u vorigs] Gemäß B, C emendiert aus: voriges 14 Ps 6,4 15 zubricht] zerbricht. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 16 Jes 38,17 17 Jes 38,17 18 Vgl. Hiob 10,21 19 Jes 38,18 20 Ps 95,3 21 Jes 38,19 22 Ps 118,25 23 Jes 38,20
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VI. Das Triumph=Lied der Heldinnen Judith
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Das Ander Zehn
VI.
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Das Triumph=Lied der Heldin= nen Judith/ a
Welches sie gesungen / als sie das Volck Gottes
von der grawsamen Gewalt der Assyrer hatte errettet/ b und dem Feld=Obristen Holofernes das Häupt c abgerissen / aus dem Buche Judith am 16.d,e
S 5
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Pielet auff und singt dem Herren/ mit den Paucken überall/ klinget unserm Gott zu Ehren/ durch der süssen Cymblen Schall/ frewet euch aus Hertzenf Grunde/ undg Lobsinget mit dem Munde1. |
2. Er kan stewren allen Kriegen2/ Herr’ ist sein gelobter Nam’3/ Er kan streiten/ er kan siegen Er macht vnsre Feinde zahm/ Er kan uns aus Noth erretten Und die Feind’ hinunter tretenh,4,5.
a sie gesungen] C statt dessen: von Jhr gesungen worden b Obristen] B statt dessen: Obersten c hatte errettet das Häupt abgerissen] C statt dessen: errettet/ und dem FeldObristen Holofernes sein Haubt hatte herunter gerissen d aus dem Buche Judith am 16.] Fehlt C e B zusätzlich: Kapittel. f Hertzen] So auch C (Text, Cantus und Bassus). A in der Notation des Bassus sowie B (Text, Cantus und Bassus) statt dessen: Hertzens g und] C statt dessen: Frisch! h Feind’ hinunter treten] C statt dessen: Schnarcher untertreten 1 Jdth 16,2 2 stewren allen Kriegen] alle Kriege abwehren. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 2657. 3 Jdth 16,3 4 Jdth 16,4 5 hinunter treten] besiegen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1879.
S. 33
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Das Ander Zehn
3. Assur kam sehr schnell gezogen Vom Gebirg’ aus Mitternacht/ Deckte zu die Wasserwogen So gar groß wari seine Macht/ Und die Pferd’ uns zu erschreckenj Könten alles Land bedecken6. 4. Hefftigk fieng er an zu dräwen7 Wie erl brennen8 wolt’m im Land’ Und die Männer ohne schewen Würgen mit gewehrter9 Hand/ Ja die Kinder und Jungfrawen Solte man in Ketten schawen10. 5. Aber der/ der alles schaffet Unser Schutz11 vnd grosser Gott12 Hat den Schnarcher13 so gestraffet/ Daß er auch mit Hohn und Spott Dieses stoltzen Heydenn Leben Nur in Weibes Hand gegeben14. | S. 34
6. Ja/ kein Mann hat jhn erschlagen Noch kein Krieger umbgebracht/ Auch kein Riese dörfft’ es wagen Judith hat den Rath bedacht/ Daß sie jhn in wenig Stunden Nuro durch Schönheit überwunden15.
i war] B statt dessen: ward j zu erschrecken] C statt dessen: zwahr zum Schrekken k Hefftig] B statt dessen: Hefftiger (Erratum) l er] C statt dessen: man m wolt’] C statt dessen: solt’ n Dieses stoltzen Heyden] C statt dessen: Holofernes Stoltz und o jhn in wenig Stunden Nur] C statt dessen: nur in weinig Stunden Jhn 6 Jdth 16,5 7 dräwen] drohen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1343. 8 brennen] brandschatzen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 365. 9 gewehrter] bewaffneter. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 5421. 10 Jdth 16,6 11 Ps 46,8 12 Ps 95,3 13 Schnarcher] Tyrann. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1183. 14 Jdth 16,7 15 Jdth 16,8
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VI. Das Triumph=Lied der Heldinnen Judith
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7. Schönep Kleider ließ sie bringen Warff die Altenq von sich schnell’16 Holofernes zu bezwingen Zu erfrewen Jsrael17/ Edle Wasser ließ sie langen18 Zu bestreichen jhre Wangen19. 8. Ja sie ließ die Haar’ jhr flechten Jn ein köstlich gülden Band/ Daß sie Holofernes brächten Durch die Lieb’ in Spott und Schand’20/ Hübsche Schue hat sie getragen Da sie solches wolte wagen21. 9. Aber das hat jhn verblendet So/ daß er sein gantzes Hertz’ Jhr in Lieb’ hat zugewendet/ Biß sie letzlich sonder22 Schertz | Auff den Bluthund zugeschmiessen23 Und sein Haupt jhm’ abgerissen24. 10. Da entsetzten sich die Persen Und die Meden allzumahl25/ Daß sie zeigtenr uns die Fersen26 Jn der Flucht mit grosser Zahl/ Assur der fieng an zu heulen Als mein Volck herauß dörfft’ eilen27.
p Schöne] C statt dessen: Saubre zeigen
q die Alten] C statt dessen: das Alte r zeigten] B statt dessen:
16 Jdth 16,9 17 Vgl. Jdth 10,9 18 langen] sich reichen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 168. 19 Jdth 16,10 20 Jdth 16,10 21 Jdth 16,11 22 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 23 zugeschmiessen] draufgeschlagen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 803. 24 Jdth 16,11 25 Jdth 16,12 26 zeigten uns die Fersen] flohen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1544. 27 Jdth 16,13
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Das Ander Zehn
11. Die für Durst verschmachtet waren28 Jn der grossen Krieges=Noth/ Ja noch Kinder schier29 von Jahren Stachen dies Assyrer tod/ Die Soldaten musten traben Jn der Flucht für jungen Knaben30. 12. Nun die Feinde sind verzehret Durch das außerlesen Heer/ Das den wahren Gott verehret Und den Herren fürchtet sehr31: Drumb laßt unser Stimm’ erklingen Jhm diß newet Lied zu singen32.
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13. O du Herr von grossen Thaten O du unser starckeru Gott/ Dir muß all dein Thun gerahten33 Du bringst unserv Feind’ in Spott/ | Dein Gebiethen muß geschehen Niemand kan dir widerstehen34. 14. Alles was wir hie beschawen Muß dir ja zu Dienste seyn/ Alles Fleisch muß dir vertrawen/ Was du sprichst/ geschicht 35 allein/ Wo du Hertz und Muth wilt geben Da kan niemand widerstreben36. 15. Wie das Wachß die heissenw Flammen Nimmermehr erleiden kan/ s die] C statt dessen: viel t diß newe] C statt dessen: ein neües u O du unser starcker] C statt dessen: Starker und gerechter v unser] C statt dessen: unsre w heissen] C statt dessen: heisse 28 Jdth 16,13 29 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 30 Jdth 16,14 31 Jdth 16,14 32 Jdth 16,15 33 gerahten] gelingen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3568. 34 Jdth 16,16 35 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838. 36 Jdth 16,17
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VI. Das Triumph=Lied der Heldinnen Judith
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So diex Felsen all zusammen Können kaum dichy schawen an/ Ja der höchsten Berge Spitzen Müssen gleich für Zittern schwitzen37. 16. Aber die mit Furcht dich ehren/ Denen thust du grosse Gnad’/ Alles Opffer kan nicht wehren Daß dein Grimm sie bring’ in Schad’ Herr es ist sehr hoch zu preisen Dir mit Zittern Furcht erweisen38. 17. Weh’ euch Völckern/ weh’ euch Heyden Die mein Volck verfolgen hie/ | Er der Herr kans nimmer leiden/ Grewlich wird er straffen sie Er gedencktz sie heimzusuchen Und mit Rache zuverfluchen39. | 18. Jhren Leib den wil er plagen Mit den Flammen Tag und Nacht/ Ja die Würmena,40 sollen nagen Jhr Gebein aus gantzer Macht Und was schrecklich ist zu nennen Sie/ sie sollen ewig brennen41. |
x die] C statt dessen: der y all zusammen Können kaum dich] C statt dessen: Macht zusammen Kan Dich schwehrlich z gedenckt] C statt dessen: komt selbst a Würmen] C statt dessen: Würme 37 Jdth 16,18 38 Jdth 16,19 39 Jdth 16,20 Sp. 2228. 41 Jdth 16,21
40 Würmen] Würmer. Vgl. Grimm, DWb 30,
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Das Ander Zehn
VII. Ein Danck=Lied des alten Tobias
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VII.
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Ein Danck=Lied des alten Tobias. Jn welchem er die grosse Wolthaten Gottesa
erzehlet/ dabenebenst1 auchb von wieder=Erbawung der Stadt Jerusalem und Zukunfft desc Messiaed herrliche weissaget/ Tob. 13.f
H
err du bist groß und starck mein Gott/ dein ewigs Reich wird nie zu Spott’/ hie züchtigst dug/ und tröstest doch/ bald jagst du unsh ins HellenLoch/ bald pflegst du vnsi herauß zu bringen/ wer kan doch deiner Hand entspringen2?3 | S. 39
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2. O Jsrael preis’ offenbahr Den Herren für derj Heyden Schaar/ Denn darumb hat er dich so weit Dort unter frembdes Volck zerstrewt/ Ein Volck das dich nicht kan erkennen/ Daß du solt seine Wunder nennen4.
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3. Auff daß die Heyden überall Gott fürchten und mit grossem Schall’
a C zusätzlich: mit Danksagung b auch] Fehlt C c C zusätzlich: HErren d Messiae] B statt dessen: Messie (Erratum), C statt dessen: Messias e herrlich] C statt dessen: etlicher mahssen f Tob. 13.] Fehlt C g züchtigst du] C statt dessen: strafst Du zwahr h bald jagst du uns] C statt dessen: Du jagst uns bald i bald pflegst du vns] C statt dessen: Und pflegst uns bald j der] B statt dessen: den (Erratum) 1 dabenebenst] darüber hinaus. Zu ‚dabeneben‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 660. entkommen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 630. 3 Tob 13,2 4 Tob 13,3
2 entspringen]
VII. Ein Danck=Lied des alten Tobias 15
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Erheben hoch zu aller Frist5 Den/ der sok starck und mächtig ist6/ Der bracht’ uns wegen Sünd’ in Schaden/ Nun hilfft er uns aus lauter7 Gnaden8. 4. Kompt/ schawet doch mit Zittern an Was Gott der Herr’ an uns gethan/ Kompt/ preiset seine grosse Werck’ Erhebet seine Macht und Stärck’9; Jch wil jhn preisen hie im Lande Das uns gefangen hält mit Schande10. 5. Nun er so grosse Wunder=That Dir sündigs Volck erzeiget hat11/ | So endre deinen Sinn undl Muth Laß’ ab vom Bösen/ nur was gut/ Wasm Gott gefällt laß’ auch für allen Dein Lebenlang dir wolgefallen12. 6. So gläubet doch jhr Sünder jhr/ Daß Gott euch guts thue für und für13/ Jch wil mich auch aus aller Macht Jn jhm’ erfrewen Tag und Nacht14/ Jhr Außerwehlten hochn erhoben Solt jhn an Frewden=Tageno loben15. 7. Jerusalem du Gottes Stadt/ Dein Schutz der dich erhalten hat/ Der wird dich bald durch seine Stärck’ Hart züchtigen umb deine Werck’/
k hoch zu aller Frist Den/ der so] C statt dessen: den zur jeden frist/ Der herlich/ l endre deinen Sinn und] C statt dessen: zwinge deinen stoltzen m Was] C statt dessen: Und n hoch] C statt dessen: sehr o an Frewden=Tagen] C statt dessen: auf hohen Festen 5 zu aller Frist] zu jeder Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 6 Tob 13,3 7 lauter] reiner. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 8 Tob 13,4 9 Tob 13,5 10 Tob 13,6 11 Tob 13,6 12 Tob 13,7 13 Tob 13,7 14 Tob 13,8 15 Tob 13,9
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Das Ander Zehn
Er wird sich aber auch der Armen Aus Gnaden wiedrumb schnell erbarmen16. 8. So lobe Gott umb sein Geschenck’ Und sey des Preyses eingedenck Auff daß er deine Hütten baw’ Und gnädig die Gefangne schaw’/ Auch endlich dir sie wieder gebe/ Daß alles Volck in Frewden lebe17. | p
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9. Sehr hoch wird stehn dein heller Schein/ Dein Lob wird allenthalben seyn18/ Beschencken wird man dich von fern Und preisen stets in dir den Herrnq,19/ Verfluchet seyn/ die dich verachten/ Gelobt/ die dich zu bawen trachten20. 10. Du aber wirst je mehr und mehr Dich deiner Kinder frewen sehr/ Dier alle durch des Segens Macht Zum Herren werden hin gebracht21/ Wol denen/ dies aus Liebe wollen Daß Glück’ und Heyl dich füllen sollen22. 11. Auff meine Seel’ und lobe Gott/ Jerusalem wird aus dem Spott’ Erlöset und von Trübsal frey23/ Wol mir/ es kompt die Zeit herbey/ Da meine Kinder werden stehen Die Herrligkeit der Stadt zu sehen24.
19 Tob 13,13f.
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p umb] C statt dessen: für q stets in dir den Herrn] C statt dessen: GOtt in Dir sehr gern r Die] C statt dessen: Welch’ s die] C statt dessen: welch’ 16 Tob 13,10 17 Tob 13,11 18 Tob 13,12 22 Tob 13,17 23 Tob 13,18 24 Tob 13,19
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20 Tob 13,15 21 Tob 13,16
VII. Ein Danck=Lied des alten Tobias
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12. O Salem/ deiner Pforten Zier Wird von Smaragden und Saphier/ | Ja deine Mawren werden seyn25 Gebawet gantz aus edlent Stein’ Auch wird man alle deine Gassen Mit reinem Marmor pflastern lassen26. 13. Jn allen Strassen wird allda Gesungen das Alleluja27/ Gelobet sey Gott früe und spat Der sie so wol erhöret hat/ Sein Reich/ das niemand kan vertreiben/ Müss’ ewig über Sion bleiben28. |
t edlen] C statt dessen: edlem 25 Tob 13,20 26 Tob 13,21
27 Tob 13,21 28 Tob 13,22
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S. 42
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Das Ander Zehn
VIII. Das Lob Gottes
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VIII.
S. 43
Das Lob Gottes/
a
Worinnen die grosse Wercke des HErrn am
Himmel und auff Erden mit höhester Verwunderung betrachtet und gerühmet werden/ aus des weisen Lehrers Syrach Haußbuche am 43. Capitel.b
J
Ch wil für allen Dingen/ Gott selber aus der Schrifft/ und seine Wercke singenc/ so viel jr Lob betrift1/ wiewol in diesem Leben/ noch keinem der Verstand/ von Gott ist so gegeben/ daß er sie recht erkandt2.
S. 44
2. Es ist nicht außzugründen3 Wie groß sie Gott gemacht/ Ja alles/ was zu finden Jst wol durch Jhnd bedacht4/ | Gott prüfet die Gedancken5/ Der Herr weis alle Ding’6 Er hält in seinen Schrancken Das groß’ und das gering’.
a Das Lob Gottes/ Worinnen] C statt dessen: Ein Lobgesang des weisen Haußlehrers Sirach. Jn welchem b aus des weisen 43. Capitel.] Fehlt C c singen] A, B in der Notation des Bassus statt dessen: preisen d alles/ was zu finden Jst wol durch Jhn] C statt dessen: waß nur ist zufinden Das hat Er wol 1 Sir 42,15 2 Sir 42,17 3 außzugründen] zu ergründen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 878. 4 Sir 42,17 5 Vgl. Prv 17,3 6 Sir 42,18
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VIII. Das Lob Gottes
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3. Er kan sehr leicht erkennen Was künfftig sol geschehn7/ Er weis den Tag zu nennen Dae etwas sol vergehn/ | Er öffnet das Verborgen Er weis die Heimligkeit/ Er sihet schon was morgen Uns bringen wird die Zeit8.
S. 45
4. Der Menschen kluge Sachen Kunst/ Rathen/ Witz und List Die können Gott nicht machen Noch grösser als er ist9/ Wie lieblichf sind zu nennen/ Des Herreng Werck’ allein/ Davon doch unser kennen Kaum mag ein Füncklein seyn10. 5. Es lebt nach seinem Willen Doch alles für und für/ Sein Heissen zu erfüllen Jst des Geschöpffs Begier 11/ Sein Wissen/ Thun und Geben Jst alles gut und wol Er ordnet es gar eben Wie jedes nützen sol12. 6. Wer kan doch satt sich sehen An seiner Herrligkeit? Sie gläntzet in den Höhen Sie pranget13 weit und breit14/ |
e Da] C statt dessen: Wen f lieblich] C statt dessen: treflich g Herren] B statt dessen: Herrn (Erratum) 7 Sir 42,19 8 Sir 42,20 9 Sir 42,22 10 Sir 42,23 glänzt. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 14 Sir 43,1
11 Sir 42,24 12 Sir 42,26
13 pranget]
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Das Ander Zehn
Der Himmel hegt15 die Sonne/ So bald die geht herfür/ Verkündigt sie mit Wonne Der Tag sey vor der Thür’16. 7. O Wunderwerck17! wir fühlen Jm Mittag’ jhren Pracht18/ Sie kan viel stärcker zielen Als’ aller Oefen Macht/ Sie blaset Hitz’ und Flammen/ Sie gibt so hellen Schein/ Daß Berg und Thal zusammen Wie Gluth und Kohlen seyn19. 8. Wie groß ist doch zu schätzen Der Gott von Jsrael/ Der uns hat wollen setzen Der Sonnen Lauffh so schnell20/ Dazu den Mond geschaffen Damit er bey der Nacht/ Wenn Vieh’ und Menschen schlaffen/ Halt’ in der Lufft die Wacht21.
S. 47
9. Der Mond’ ist uns gegeben/ Daß er das gantze Jahr Durch seinen Lauff fein eben Vertheil’22 und offenbahr’ | Jn welcher Zeit wir halten Die Fest und unser Ruh’ Auch muß sein Liecht veralten/ Bald nimpt esi ab/ bald zu23.
h Sonnen Lauff] B statt dessen: Sonnen=Lauff i nimpt es] C statt dessen: nehmen 15 hegt] umgibt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 777. 16 Sir 43,2 17 Sir 43,2 18 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 19 Sir 43,3f. 20 Sir 43,5 21 Sir 43,6 22 Sir 43,6 23 Sir 43,7
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VIII. Das Lob Gottes
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10. Das Heer j des Himmels pranget24 An seinem Firmament’/ Ach schawet doch/ wie hanget Der Sternen Fewr und brennt25/ Seht wie die Facklen stehen So lange Zeit und Jahr26/ Wie ordentlich sie gehen/ Doch still undk offenbahr27. 11. Schaw’ an den Regenbogen/ Preis’ aber dessen That/ Der jhn so rund gezogen Und schön gemahlet hat28/ Ja der uns hat bereitet Des Himmels blawen Ball/ So/ daß er außgebreitet Uns decket überall29. 12. Wie schrecklich sind die Blitzen Jm Fall’30 jhr Glantz auffgeht/ Wenn sie die Lufft erhitzen/ Der Himmell offen steht31/ | Seht wie die Wolcken schweben Gleich wie der Vogel Heer32 Wie sie unsm Hagel geben Der uns beschädigt sehr33.n 13. Das Erdreich muß erschüttern Für seines Donners Macht/ Die hohen Berg’ erzittern34/ Der Wind wird auffgebracht/ j Heer] B statt dessen: der Herr (Erratum) k Doch still und] C statt dessen: Zwahr still/ doch l Der Himmel] C statt dessen: Die gleichsahm m uns] C statt dessen: den n .] C statt dessen: ! 24 pranget] glänzt. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 25 Sir 43,9 26 Sir 43,10 27 Sir 43,11 28 Sir 43,12 29 Sir 43,13 30 Jm Fall’] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 31 Sir 43,14 32 Sir 43,15 33 Sir 43,16 34 Sir 43,17
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Das Ander Zehn
Er fähret hin und wieder35 Den leichten Voglen gleich/ Da jagt ero auff und nieder Von Regen ist er reich36. 14. Es fällt der Schnee mit Hauffen37,38 Das gantze Land wird greiß39/ Darnachp die Wolcken lauffen40/ Er ist so trefflich weiß/ Daß er die Augen blendet Und man sich wundern muß/ Nochq hat jhn Gottr gesendet Mit solchem Uberfluß’41.
S. 49
15. Er schüttet auß den Reiffen Wenn es gefrohren ist/ Denselben kan man streiffen Hinweg in schneller Frist42,43/ | Und wenn der Nordwind gehet/ So wird das Wasser Eyß Das denn gewaffnet stehet Zu Gottes Lob’ und Preiß’44. 16. Es kan der Frost verbrennen Feld/ Wüsten/ Berg und Thal/ Ja was nur grün zu nennen Verdorret allzumahl/ Es muß für Kält’ ersticken45/ Jedoch ein warmer Thaw Kan in der Eyl erquicken Feld/ Hügel/ Berg und Aw46.
o Da jagt er] C statt dessen: Jagt alles p Darnach] C statt dessen: Nach dem q Noch] C statt dessen: Nun r hat jhn Gott] C statt dessen: GOtt hat Jhn 35 Sir 43,18 36 Sir 43,19 37 Sir 43,19 38 mit Hauffen] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 587. 39 greiß] silbergrau. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 66. 40 Sir 43,19 41 Sir 43,20 42 Sir 43,21 43 schneller Frist] kurzer Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 44 Sir 43,22 45 Sir 43,23 46 Sir 43,24
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VIII. Das Lob Gottes
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17. Durch Gottes Wort bestehet Das übergrosse Meer/ Da hat er dreins gesäet Viel Jnseln hin und her47/ Diet auff der See sich wagen Mit Schiffen weit und breit/ Die wissen uns zu sagen Von seineru Fährligkeit48,49. 18. Da sind viel Wunder=Sachen Und ungehewre Thier’/ Als Fische/ die den Rachen Erheben weit herfür/ | Durch diese muß man fahren Mit Schiffen in den Port50/ Noch kan diev Gott bewahren Durch sein gelobtes Wort51. 19. So wil uns nun geziemen/ Wir haltens auch für recht/ Daß wir diß alles rühmen/ Doch sind wir viel zu schlecht/ Wir könnens nicht erreichen52 Obs gleich bleibt ewig wahr/ Denn Gott muß allesw weichen/ Er ist es gantz und garx,53. 20. Wir sehen seine Wercke54/ Wir spüren seine Macht/ Wir fühlen seine Stärcke Wir hören seinen Pracht55/ s drein] C statt dessen: in t Die] C statt dessen: Welch’ u seiner] C statt dessen: Jhrer v die] C statt dessen: Sie w Denn Gott muß alles] C statt dessen: Das alles GOtt muß x Er ist es gantz und gar] C statt dessen: Der herschet jmmerdar 47 Sir 43,25 48 Fährligkeit] Gefährlichkeit. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1261. 49 Sir 43,26 50 Sir 43,27 51 Sir 43,28 52 Sir 43,29 53 Sir 43,33 f. 54 Sir 43,36 55 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285.
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Das Ander Zehn
Kompt/ lasset uns jhn preisen Es wil der Herr’ allein Sich denen trew erweisen Diey jhm’ ergeben seyn. |
y Die] C statt dessen: Welch’
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IX. Der Lob=Gesang Sadrach/ Mesach und Abednego
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Das Ander Zehn
IX.
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Der Lob=Gesang Sadrach/ Mesach und Abednego/ Welchen sie gesungen/ als sie durch Gottes
Güt’ und Allmacht wunderbahrer Weise mitten in den fewrigen Flammen gantz unversehrt er= halten wordena.
N
Ach der grossen FewersNoth1/ wil sichsb ja geziemen/ daß wir unser Väter Gott/ über alles rühmen2/ daß wir preisen deine That/ diec uns Herr errettet hat/ jad uns drey zusammen/ aus den grossen Flammen.
5
2. Diese That sol aller Welt Dienen zum Exempel/ Hochgelobet seyst du Held Stets in deinem Tempel3/ | Der du bist auff Cherubin4/ Nimb diß kurtze Danck=Lied hin/ Laß’ uns Herre gelingen5 Dir dein Lobf zu singen.
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15
a gesungen/ als erhalten worden] C statt dessen: / nach dem Sie durch die grosse Güht und Almacht Gottes mitten in den Flammen wunderbahrer Weise/ gantz unversehret sind erhalten worden/ auß schüldigster Dankbarkeit haben erklingen lassen b sichs] C in der Notation des Cantus und im Text statt dessen: sich c die] C statt dessen: Welch’ d ja] C statt dessen: HErr e uns Herr] C statt dessen: es uns f dein Lob] C statt dessen: ein Lied 1 Vgl. StDan 3,1–26
2 StDan 3,28
3 StDan 3,30
4 StDan 3,31
5 Ps 118,25
S. 52
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S. 53
Das Ander Zehn
3. Hochgelobet sey dein Nam’ Jn des Himmels Festen6 Da uns allerg Trost her kam Der uns halff zum besten/ | Der uns in der höchsten Pein Wolt’ allein derh Labsal 7 seyn/ Daß wir nicht verdürben Und für Hitze stürben. 4. Deiner schnellen Hände Werck’8 Und die reinen Geister Rühmen deine Macht und Stärck’9/ Als die jhreni Meister Schawen mit Verwundrung’ an Wie er doch soj führen kan Wolcken die dort oben Dich mit jauchtzen loben10. 5. Dein’ Heerschaarenk allzumal11 Sonn’ und Mond daneben12 Sternen/ diel ans Himmels Saal Liecht und Zeichen geben13/ Wind und Regen/ Hitz’ und Thaw/ Wiesen/ Felder/ Wald und Aw Müssen ohn’ auffhören Deinen Namen ehren14. 6. Schlossen15/ Hagel/ Eyß und Schnee Muß dich Herr bekennen16/
g Da uns aller] C statt dessen: Wo der stärkste h allein der] C statt dessen: ein süsser i die jhren] C statt dessen: Sie Dich den j Wie er doch so] C statt dessen: Der so herlich k Dein’ Heerschaaren] C statt dessen: Deine Schaaren l die] C statt dessen: welch’ 6 StDan 3,33 7 Labsal] Zu ‚Labsal‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 9. 8 StDan 3,34 9 StDan 3,36 10 StDan 3,37 11 StDan 3,38 12 StDan 3,39 13 StDan 3,40 14 StDan 3,41–43 15 Schlossen] Hagelkörner. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 775. 16 StDan 3,44.47 f.
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IX. Der Lob=Gesang Sadrach/ Mesach und Abednego
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Ja die selten stille See17 Jhren Schöpffer nennen/ | Und dieweil18 du hast gemacht Liecht und Finster/ Tag und Nacht/ Müssen sie dich preisen Und dir Ehr’ erweisen19.
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7. Blitz und Wolcken sind bereit Dir/ O Gott/ zu dancken20/ Reiff und Frost steht seine Zeit Dir zu Dienst’ ohn wancken21/ Ja das Mittel dieser Welt/ Das so manches Thier erhält Dieser Kloß der Erden Muß dir dienstbar werden22. 8. Berg’ und Hügel/ Büsch’m und Hain’ Alles Laub in Wäldern/ Graß und Blumen/ Holtz und Stein’ Auch die Frücht’ in Feldern/ Ström’ und Brunnen ohne Zahl Sampt den Seen allzumahl Müssen sich erschwingen23 Dir Herr Lob zu singen24. 9. O jhr Vöglein mannigfalt Von der Lufft geführet/ Dien jhr den begrühnten Wald Jn demo Lentzen zieret25/ | Und jhrp grosse Wunder=Thier’ Alle/ die jhrq für und für Pflegt im Meer zu toben/ Solt den Herren loben26. m Büsch’] C statt dessen: Busch’ n Die] C statt dessen: Welch’ o dem] C statt dessen: den p jhr] C statt dessen: Jhre (Erratum) q Alle/ die jhr] C statt dessen: Auch waß sonst noch 17 StDan 3,54 18 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 19 StDan 3,45 f. 20 StDan 3,49 21 StDan 3,48 22 StDan 3,50 23 erschwingen] aufschwingen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 979. 24 StDan 3,51–54 25 StDan 3,56 26 StDan 3,55
S. 55
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Das Ander Zehn
10. All’ jhr Fische/ die jhr seyd Mit der Fluth umbgeben/ Machet euch mit uns bereit Frölich zu erhebenr Unsers Gottes Stärck’ und Krafft/ Dies euch allen Nahrung schafft27/ Jat auch in den Wellen Speise kan bestellen28. 11. All’ jhr Thierlein/ die jhr schnell Jn den Gründen lauffet Und mit Lustu an grüner Stell’ Heid’ und Kraut abrauffet29/ Alles Vieh/ das frü und spat Sein Genüg’ und Futter hat Soll sich dienstlich neigen Und dir Ehr erzeigen30.
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12. Alle/ diev jhr Kunst/ Verstand Witz und Sinnen habet/ Auch von Gottes milder31 Hand Reichlich lebt begabet/ | Die jhr Menschen=Kinder seyd/ Preiset Gott in Ewigkeit Sagt jhm’ alle Stunde Lob aus Hertzenw Grunde32. 13. Du Jsrael/ Gottes Knecht Frewd’ und Lust des Herren/ Dem Jehovah selber pflegt Wolfahrt zu bescherenx,33/ r Frölich zu erheben] C statt dessen: Himmel hoch zu heben s Die] C statt dessen: Welch’ t Ja] C statt dessen: Dort u Lust] B statt dessen: List (Erratum) v die] C statt dessen: welch’ w Hertzen] C statt dessen: Hertzem (Erratum) x selber pflegt Wolfahrt zu bescheren] C statt dessen: niemahls pflegt Freüde zuversperren 27 Vgl. Ps 145,15 28 StDan 3,55 29 abrauffet] abrupft. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 85. 30 StDan 3,57 31 milder] freigebiger. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2201. 32 StDan 3,58 33 StDan 3,59
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IX. Der Lob=Gesang Sadrach/ Mesach und Abednego
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Und jhr Priester/ die jhr singt Wenn man Gott sein Opffer bringt Jhr Leviten alle Rühmet jhn mit Schalle34.
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14. O jhr schönen Geisterlein Jhr gerechte Seelen35/ Die jhr aussery Schmertz und Pein Euch nicht dörffet36 quälenz/ Jhr auch/ die jhr Angst und Noth Leidet hie biß in den Tod Solt zu allen Zeitena Gottes Lob außbreiten37. 15. Misael/ Azaria Ananjab daneben Uns gebührt es jmmerda Frölich zu erheben | Stimm’ und Hertz mit Lobgesang’ Und demc süssen Seiten=Klang’ Als der Herr in Nöthen Uns nicht wolte tödten38. 16. O jhr Männer alle drey/ Tretet schnell zusammen/ Lobet nun den Herren frey/ Der euch aus den Flammen | Durch ein’ unerhörte39 That Kräfftiglich errettet hat/ Der nicht konte sehen Euch im Fewr vergehen40.
y jhr ausser] C statt dessen: nicht fühlen z Euch nicht dörffet quälen] C statt dessen: Jn den schwartzen Hölen a Solt zu allen Zeiten] C statt dessen: Sollet auf den Saiten b Ananja] C statt dessen: Anani c dem] B statt dessen: den 34 StDan 3,60 f. 35 StDan 3,62 36 dörffet] müßt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 37 StDan 3,63 38 StDan 3,64 39 unerhörte] außerordentliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 486. 40 StDan 3,64
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Das Ander Zehn
17. Alle/ died jhr unsern Gott Fürchtet/ liebet/ ehret/ Und des Herren Zebaoth Lob und Danck vermehret/ Rühmet hoch zu jederzeit Gottes Lieb’ und Freundligkeit/ Preiset seinen Namen41/ Alle Welt sag’/ Amen. |
d die] C statt dessen: welch’ 41 StDan 3,66
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X. Der Lob=Gesang des Priesters Zacharias
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Das Ander Zehn
X.
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Der Lob=Gesang des Priesters Zacharias/
Alsa jhm in seinem hohen Alter von seiner auch betagten Haußfrawen Elisabeth/ sein Sohn Johan= nes wardb geboren/ Luc. 2.c
J
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Ch wil den Herren ewig loben/ Jch wil jhn preisen Tag und Nacht/ denn seine Güt’ ist hochd erhoben/ der Herr hat selbst an | uns gedacht/ er hat vom Himmel angesehen1/ die Völcker in der Jrre gehen2/ O hoch geprießner Gottes Rath3/ der uns vom Fluch’4 erlöset hat5.
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2. Er hat ein kräfftig Reich gegründet/ Ein Horn des Heyls/ das seine Stärck’ Allein’ in dem Gesalbten6 findet/ O Wunder=grosses Gnaden=Werck! Aus Davids Hauß’ ist dieser kommen7 Wie das versprochen war den Frommen Und der Propheten trewer Mund Uns für der Zeit gemachet kundt8. 3. Nun hat der Herr’ uns siegen lassen Er hat gedämpfft 9 der Feinde List/
a Als] C statt dessen: Jn welchem Er/ nach deme b ward] Fehlt C c Luc. 2.] C statt dessen: die grosse Gnade/ Gühte und Barmhertzigkeit Gottes höchlich lobet/ rühmet und preiset. d hoch] B in der Notation des Cantus: doch 1 Vgl. Ps 80,15 2 Vgl. Jes 53,6 3 Jes 9,5 4 Lk 1,68 5 Vgl. Gal 3,13 7 Lk 1,69 8 Lk 1,70 9 gedämpfft] besiegt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 717.
6 Vgl. 1Sam 2,10
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Das Ander Zehn
Und aller derer diee uns hassen10 Er macht uns frey zu dieser Frist11,12/ | Er findet wieder das verlohren13 Wief er den Vätern hatg geschworen/ Dazu an seinen Bundh gedacht Den er mit Abraham gemacht14. 4. Dieweil15 uns aber ist erschienen Die langgewündschte Gnaden=Zeit16/ So lasset uns dem Herren dienen Jn Demuth und Gerechtigkeit/ Da sol nu keiner sich beflecken Ja keine Furcht sol uns erschrecken/ Ein jeder thui in dieser Welt Sein Lebenlang was Gott gefält17. |
S. 61
5. Und du O Kindlein wirst genennet Des Höchsten Seher und Prophet’/ Ein Kind das den Gesalbten kennet/ Ein Kind/ das für dem Herren geht/ Ein Kind das jhm den Weg bereitet18 Und seines Namens Ehr außbreitet/ Ein Kind das nach des Höchsten Rath Wird straffen Sünd’ und Missethat19.
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j,k
6. Dein süsser Mund20 der wird uns lehren Wie man durch wahre Buß’ und Rew’ Allein zu Gott sich müsse kehren Und wo alsdennl Vergebung sey21/ Ja wo die Gnad’ und Rettung stehe/ Nur bey dem Auffgang’ aus der Höhe/
e die] C statt dessen: welch’ f Wie] C statt dessen: Alß g hat] C statt dessen: längst h Dazu an seinen Bund] C statt dessen: Auch Seines Bundes hat i thu] C statt dessen: schaff’ j O] C statt dessen: mein k du O] Emendiert aus: duO Recte: B l alsdenn] C statt dessen: den die 10 Lk 1,71 11 Frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 12 Vgl. Lk 4,18 13 Ez 34,16 14 Lk 1,72 f. 15 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 16 Vgl. Tit 2,11; 2Kor 6,2 17 Lk 1,74 f. 18 Lk 1,76 19 Vgl. Joh 16,8 20 Vgl. Ps 45,3 21 Lk 1,77
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X. Der Lob=Gesang des Priesters Zacharias
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Der ist uns kommenm in der Zeit Mit hertzlicher Barmhertzigkeit22.
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7. Das Volck so gar im Finstern lebte/ Das seinenn Schöpffer kandte nicht Das Volck/ das nur im Schatten schwebte/ Ersieheto nunp ein grosses Liecht23/ Ein schöner Glantz ist auffgegangen24 Der Väter Hoffnung25 und Verlangen/ Nun wird man unsre Füsse sehn Den sichern Weg des Friedes gehn26.
Ende des Andern Zehnq.
m uns kommen] C statt dessen: erschienen n seinen] C statt dessen: seinem (Erratum) o Ersiehet] B statt dessen: Er sihet (Erratum) p Ersiehet nun] C statt dessen: Das sihet ietzt q Zehn] C statt dessen: Theils 22 Lk 1,78 23 Jes 9,2 24 Ps 50,2 25 Jer 50,7
26 Lk 1,79
Johann: Risten H. P.1
Himlischer Lieder 5
Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann: Schopen/ dero löbli= chen Stadt Hamburg Capellmei= stern gesetzten Melo= deyen.
Das Dritte Zehn. 10
Lüneburg/ Bey Johann vnd Heinrich Sternen2. Anno M. DC. XLII. |
1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Vgl. o. S. 7, Anm. 2.
fol. A 1r
Der Hochwolgebohrnen
fol. A 2r
Frawen/
Frawen Sophia Elisabeth / 1
Gräffin zu Schleßwig/ Hollstein/ etc. meiner gnädigen Frawen.
Hochwolgebohrne Gräffin/ gnä= dige Fraw a,b/
D
Er Mensch/ das alleredelste Geschöpff Gottes suchet seine Vergnü-
5
10
15
gung in mancherley/ und schier 2 unzehlichen Dingen: Da werden viel gefunden/ welche die Gesellschaft der angenehmsten Freunde und Verwandten trefflich lieben/ bevoraus3 wenn solcher Personen Gegenwart mit holdseligen Unterredungen und anmutigen Gesprächen gleichsam wird verzuckert und durchsüsset. Andere suchen jhre höchste Frewde und Ergetzung in der edlen und durch den Geist Gottes selber hochgepriesenen SingeKunst/ ja sie wissen die Bekümmernisse des Gemüthes nicht besser als durch die liebliche Zusammenstimmung mancherley wolklingender Seitenspiel/ und die hochrühmliche Kunst der Singer zu vertreiben4. Anderen gefält das tantzen und springenc als eine sonderbahred,5 Ergetzligkeit und nützliche Ubung des Leibes dermassen wol/ daß sie lieber vieler anderen/ als dieser einzelen/ wiewol sehr eytelen Frewde sich begeben6 solten. Andere belustigen sich mit täglichem spatzieren fahren oder reiten/ vornemblich in der frölichen FrühlingsZeit/ wiewol sie auch sonst im Winter jhre Schlitten/ im Sommer jhre Wagen/ bey stillem Wetter aber jhre Schiffe und Schüten7 haben/ mit welchen sie die Ebene/ und bißweilen | von der Winde a Die Widmungsvorrede fehlt in B, C. b Kolumnentitel fol. A 2v–5r: DEDICATIO. Emendiert aus: spring en d eine sonderbahre] Emendiert aus: einesonderbahre
c springen]
1 Vgl. u. S. 181, Anm. 39. 2 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 3 bevoraus] besonders. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1760. 4 Vgl. 1Sam 16,14–23 5 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 6 sich begeben] entbehren. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1281. 7 Schüten] Eine Schüte bzw. Schute ist ein „kleines schnellsegelndes fahrzeug“ (Grimm, DWb 15, Sp. 2103).
fol. A 2v
178
fol. A 3r
Das Dritte Zehn
Brausen unangefochtene Ströme und Flüsse überschreiten/ welches sie traun8 nicht eine schlechte9 oder geringe Frewde zu seyn/ erachten. Andere wollen behaupten/ es sey keine Ubung so adelich und anmutig als eben das jagen und hetzen mancherley wilder Thiere/ wobey man mit höhester Lust kan schawen/ wie das Wild auff der Ebene hin und wieder tantzet/ da bald ein flüchtiger Hase von den schnellauffenden Hunden gefangen und zerrissen/ bald ein muthiger Hirsch/ der sich den Jägern zwar tapffer/ aber doch vergeblich widersetzet/ ins Netz wird getrieben/ endlich umbringet/ gefället10 und erschossen. Andere wollen beydes sich und uns überreden/ daß in den Mathematischen Wissenschafften/ bevorauß11 in der SternseherKunst/ da man das Firmament und seiner hellgläntzenden Liechter Sterne und Planeten rechten Lauff/ Art und Eigenschafft lernet erkennen/ eine überauß grosse Ergetzligkeit sey zu finden. Andere vernarren sich gleichsam gar in die liebliche und löbliche MahlerKunst/ und vermeynen/ es sey keine grössere Frewde unter dem Himmel/ als wenn sie das Kunstreiche Mahlwerck und wolgemachte Kunststücke/ welche in den prächtig=gezierten Kammern und Gemächeren der gewaltigsten Potentaten am meisten zu finden/ jhrem Wundsch nach fast täglich mügen betrachten. Andere (und diese zwar sind die allerärgeste/ schändlichste und nichtswürdigste/ ja rechte Bestien und keine Menschen) halten dieses vor jhre höheste Frewde/ wenn sie nur grosse Summen Geldes zusammen scharren/ und schöne Hauffen Silber und Gold in dieser Welt haben und besitzen mögen. Noch andere lassen sich vernemen/ daß keine Lust über die jenige sey zu schätzen/ welche aus Anschawen der Trawr und Frewdenspiele/ von den Griechen Tragoedien und Comoe = | dien geheissen/ entspringet/ sonderlich wenn dieselben mit allerhand Heydnischen Auffzügen/ ungewöhnlichen frembden Kleidungen und artigen Verstellungen geschmücket und vergesellschaffet12 werden. Noch andere lassen jnen vor alle Ergetzligkeiten der Welt wolgepflantzte und mit mancherley edlen Kräutern/ schönen Blumen/ nützlichen Stauden und schattichten Bäwmen/ durch und durch gezierte Garten trefflich belieben13/ welche Leute zwar meinem wenigen Bedüncken nach nicht die geringste Lust dieser Welt vor vielen andern erwehlet haben. Von übriger und mehrer WeltFrewde/ als reiten/ fechten/ pancketiren14/ buhlen/ prächtig sich kleiden/ und was denselben etwa mehr anhänget/ wil ich ferner nichts gedencken/ nur diese wenig Worte/ welche der allerweiseste unter den Menschen=Kindern/ der Salo8 traun] fürwahr. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1526. 9 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 10 gefället] zu Fall gebracht. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1285. 11 bevorauß] besonders. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1760. 12 vergesellschaffet] vereinigt. Nicht bei Grimm. Zu ‚vergesellschaften‘ vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 413. 13 lassen jnen belieben] finden Gefallen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 14 pancketiren] Veranstalten von Banketten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1111.
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mon in seinem Prediger gleichsam mit Gewalt der gantzen Welt in die Ohren ruffet/ Setze ich allhie zum Beschluß aller obgedachten15 Lust und Frewde: Jch
sahe an alles Thun/ das unter der Sonnen geschicht 16/ und sihe/ es war alles eytel und Jammer17. 60
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Jch muß zwar bekennen/ daß die obgesetzte Ergetzligkeiten bey gutem und glücklichem Stande das Fleisch trefflich erlustigen18/ es befindet sich aber hiebey (welches denn einem Christen sehr wol/ ja hochfleissig zu beachten) daß alle diese Frewd=bringende weltliche Ubungen/ wenn sie gleich in einen Klumpen geschmoltzen/ dennoch in der erschrecklichen Gewissens =Angst/ sonderlich aber in der letzten Stunde des Todes/ und da man vor das grosse Gerichte Gottes sol treten19/ einem Menschen nicht das allergeringste nützen oder helffen/ noch für dem Fewrbrennenden Zorn20 des eyfrigen21 und gerechten Gottes22 schützen oder vertheidigen können/ vielmehr wird der arme Mensch wegen Mißbrauches jetzterwehnter Lust und Frewde alsdenn eusserst gemar= | tert/ verdammet/ ja in seiner Unbußfertigkeit zur endlichen Verzweifflung gedrungen. Jch habe zwar auch/ hochwolgeborne Gräffin/ Gnädige Fraw (welches ich gleichwol sonder23 allen eitlen Ruhm dißfals24 erwehne) nicht wenig von oberzehlten25 ehrlichen Ergetzligkeiten der Welt/ insonderheit26 was die Unterredung und Gesellschafft mit geschickten/ klugen und tapffern Leuten/ die edle Music und Seitenspiel/ allerhand Mathematische Wissenschafften/ das kunstreiche Mahlwerck/ Comoedien/ Tragoedien und Auffzüge/ schöne Garten/ Kräuter und Blumen etwa betrifft/ selber guten Theils gesehen/ theils auch versuchet und erfahren/ aber schon vor vielen Jahren muste ich mit vorgenandten weisen Könige öffentlich bekennen und sagen: Da ich ansahe alle meine
Wercke/ die meine Hand gethan hatte/ und Mühe die ich gehabt hatte/ sihe/ da war es alles eitel und Jammer/ und nichts mehr unter der Sonnen27. Da lernete ich erstlich recht erkennen/ daß ausser Gott und seinem selig-
machenden Worte28 keine eintzige/ wahre/ sichere noch bestendige Frewde zu finden. Jn embsiger Betrachtung dieses alles/ Hochwolgebohrne Gnädige Gräffin und Fraw/ habe ich unterschiedene29 geistliche und himlische Sachen/ als aus welchen die allerhöheste und ewig =werende Belustigung einer Gottliebenden und Christlichen Seelen entspringet/ bey übriger Zeit meiner Amptsverwaltung vor die Hand nehmen/ und selbige in unserer Deutschen Haupt= und Mutter15 obgedachten] oben erwähnter/gedachter. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1068. 16 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838. 17 Koh 1,14 18 erlustigen] belustigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 909. 19 Vgl. Hebr 9,27 20 Vgl. Jes 30,27 21 Ex 20,5 22 Ps 116,5 23 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 24 dißfals] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 25 oberzehlten] oben genannten. Nicht bei Grimm, DWb. 26 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 27 Koh 2,11 28 Vgl. Jak 1,21; Joh 5,39 29 unterschiedene] unterschiedliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753.
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Das Dritte Zehn
sprache in allerhand Lieder und Reimen Poetisch versetzen wollen/ nicht zweifflend/ Gottselige Hertzen sich deroselben zu sonderbahrer30 Erlustigung31 und Auffmunterung des innern Menschen/ wie auch nicht weniger zum nützlichen Unterricht/ Rath und Trost in vielerhand32 gegenwertigen und zukünfftigen Wiederwertigkeiten/ Creutz und Unglück Christlich und nützlich gebrauchen werden. | fol. A 4r
fol. A 4v
Dieses Gnädige Gräffin und Fraw/ ist das Dritte und mittelste Zehn
meiner auffgesetzten himlischen Lieder/ welches E. HochGräfflichen Gnaden ich hiemit in Unterthänigkeit habe überreichen/ und dadurch die Willfertigkeit33 meiner Pflichtschüldigen Dienste deroselben in etwas erweisen und darthun wollen. Und ob sichs zwar vieler Meynung nach von rechts wegen hätte geziemet/ daß nit das Dritte/ besondern34 viel mehr das Erste Zehn erwehnter Lieder E. Gnaden wegen deroselben Hoheit/ Würdigkeit und sehr herrlichen Tugenden wäre zugeeignet worden; So habe ich mich doch der Latiner Sprichworts erinnert: VIRTUS IN MEDIO35, Die Tugend stehet in der Mitten. Und dieweil36 denn nun dieses Dritte Zehn unter meinen himlischen Liedern/ die auff gegenwertige Art herauß kommen werden/ das Mittelste ist/ in Betrachtung daß die Ersten Zwey schon vorher gangen/ die beyden letzten aber (da Gott Gesundheit und Leben giebet) auff dieses DRJTTE bald folgen werden; Als habe E. HochGräffliche Gn. ich auff diesem himlischen Schawplatze billich37 an den Mittelsten/ als den höhesten und geehrtesten Ort stellen/ und folgends gegenwertige göttliche Klag= und Lob=Gesänge unterthänig zueignen wollen. Jch weis zwar Gnädige Gräffin und Fraw sehr wol/ wie E. Gn. ich unterthänige gehorsame Dienste zu erweisen/ schon längst verpflichtet lebe/ habe aber bißanhero38 kein einziges Mittel ersinnen können/ solche mir bewuste schuldige Danckbarkeit an den Tag zu geben/ oder würcklich dazuthun/ ich bitte aber unter dessen meinen lieben Gott von Hertzen/ daß er mich ja nicht mit dem Namen eines Undanckbaren wolle sterben lassen. Die grosse Gnade und unverdiente Gutthatene/ womit E. HochGräfflichen Gnaden Hertzvielgeliebter Herr und | Gemahl/ der Hochwolgeborner Herr/ Herr Christian/ des H. Römischen Reichs Graff von Pentz39/ Herr zu Wandese Gutthaten] Emendiert aus: Gntthaten 30 sonderbahrer] besonderer. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 31 Erlustigung] Belustigung. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 909. 32 vielerhand] vielerlei. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 219. 33 Willfertigkeit] Willfährigkeit, Bereitwilligkeit. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 179. 34 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 35 Proverbia sententiaeque 5, S. 792: „Virtus in medio constat honesta loco.“ 36 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 37 billich] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 38 bißanhero] bisher. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 39 Christian (seit 1636: Graf) von Pentz (ca. 1600–1651), 1619 Studium in Rostock, 1623 in Orléans und 1624–1629 in Padua, 1627 Hofjunker Christians IV., des dänischen Königs, 1629 Kriegskommissar auf Fehmarn,
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beck/ Ritter/ etc. mein Gnädiger Graff und Herr/ mich Unwürdigen hat verehret und beseliget/ können durch kein anderes Mittel als den Todt aus meinem Hertzen und Gedächtnisse vertrieben noch außgeleschet werden/ und wünsche ich nichts so sehr/ als daß ich dermaleins 40 würdig seyn möge/ Seiner HochGräfflichen Gnaden/ als einem durch die gantze Christenheit hochberühmbten Herrn/ meine stets gehorsame/ aber auch nützliche Dienste zu leisten. Ewer HochGräffliche Gnade selber betreffend/ Gnädige Gräffin und Fraw/ so ist mir und dem gantzen Vaterlande gar zu wol bewust/ daß sie Gott/ sein heiliges Wort und Diener/ wie nicht weniger alle löbliche/ und einer so hohen Person wolanstehende Wissenschafften/ (als in welchen E. Gn. guter massen selber eine treffliche Erfahrung zu wegen gebracht) hertzlich liebet/ gestalt 41 sie denn meine geringschätzige 42/ ja schier 43 nichtswürdige Poetische und andere derogleichen Arbeit und Schrifften/ (von welchen ich gleichwol vernehme/ daß E. Gnade an selbigen jhre sonderbare44/ wiewol unverdiente Lust und gnädigen Gefallen trage) von mir abfoderen45 lassen/ wie solches des hochgelehrten/ wolverdienten und Weltbekandten Theologen/ Herrn Jsaac Foeclernf,46 E. HochGräffl. Gn. Trewfleissigen Hoff=Predigers unterschiedene47 deßwegen an mich abgelassene Schreiben/ sattsam48 erweisen und darthun. Und dieses E. Gnaden gnädiges Gesinnen an meine geringe Person hat mich so kühn gemachet/ dieses Dritte Zehn meiner himlischen Lieder/ so schlecht 49 und unansehnlich sie auch jmmermehr vor der Welt Augen scheinen mögen/ E. HochGräfflichen Gnaden/ als einer vortrefflichen/ hochlöblichen/ und beydes von Gemüthe und Geblüte hochbegabten Gräffin und Frawen/ in f Foeclern] Emendiert aus: Foeelern 1630 Gouverneur in Glückstadt und Amtmann von Rendsburg, 1639 Verwalter der Ämter Steinburg und Süderdithmarschen, nach dem Ableben der Schauenburger Grafen 1640 Statthalter des an Christian IV. gefallenen Teils der Grafschaft Pinneberg. Von Pentz, der seit 1634 mit Christians IV. Tochter Sophie Elisabeth (1619–1657) – der Adressatin vorliegender Widmungsvorrede – verheiratet war, war Politiker sowie Diplomat von hohem Einfluß. Vgl. Hattendorff sowie Rumohr, Ostholstein, S. 235 f. 40 dermaleins] dereinst. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1018. 41 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 42 geringschätzige] gering zu schätzende. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 43 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 44 sonderbare] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 45 abfoderen] abfordern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 40. 46 Isaac Föcler (* 1578), seit 1599 Studium in Tübingen, 1611 Diakon in Schopfheim, im selben Jahr Pfarrer in Badenweiler, 1621 Pfarrer in Emmendingen sowie Hochbergscher Superintendent, 1623–1626 Pfarrer und Professor am Gymnasium illustre in Durlach sowie Generalsuperintendent der unteren Markgrafschaft, sodann Hofprediger in Falkenstein, seit 1636 Pfarrer und Hofprediger in Kleinbockenheim. Seit 1640 privatisierte Föcler in Glückstadt und publizierte 1643 in Amsterdam eine Schrift mit dem Titel ‚Sophronismus‘, woraufhin ihm (u.a. vom Generalsuperintendenten Stephan Klotz) vorgeworfen wurde, Anhänger des Sozinianismus zu sein, weswegen er 1643 Glückstadt verlassen mußte. Neu II, S. 168 f. DBA I,330,122 f. 47 unterschiedene] unterschiedliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 48 sattsam] hinlänglich. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1835. 49 schlecht] schlicht. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519.
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Das Dritte Zehn
Unterthänigkeit zu überreichen/ nicht zweifflend/ sie werde es dero | hochgepriesenen Verstande/ und in aller Welt bekandten Leutseligkeit nach/ mit gnädigen Augen und wolgeneigten Händen/ von meiner Wenigkeit auff = und annehmen/ und mir danebenst50 gnädig vergönnen/ daß ich mich rühmen möge unter der Zahl E. Gnaden gehorsamer Diener gerechnet zu seyn/ deroselben meinem armen Vermügen nach demütigstes Fleisses auffzuwarten51. Jch wil nicht ablassen die Güte des Allerhöhesten durch ein Himmelsteigendes Gebet52 täglich zu ersuchen/ daß er E. HochGräffliche Gnade sampt deroselben Hertzvielgeliebten Herrn und Gemahl an Seel und Leibe mildiglich53 segnen/ vor allem Unfall54 kräfftiglich beschützen/ jhrer Jahre in Friede/ Frewde und Gesundheit viel werden lassen/ sie mit mancherley Gutthaten überhäuffen/ Zu letzt aber mit der himlischen Ehren Kron55 schmücken/ und mit unaußsprechlicher Frewde und Herrligkeit erfüllen wolle/ nochmals unterthänig bittend/ E. Gnade mir mit offtgespürter HochGräfflicher Gewogenheit zugethan verbleiben und gnädig geruhen wolle/ daß ich möge leben und sterben
Geschrieben zu Wedel an der Elbe am Tage Gregorius/ war der 12. des Mertzen/ Jm Jahr 1642.
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E. hochGräfflichen Gnaden
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Diener
Johannes Rist. |
50 danebenst] zudem. Nicht bei Grimm, DWb. 51 auffzuwarten] zu dienen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 771. 52 Vgl. Ps 141,2 53 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 54 Unfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 55 Vgl. 1Petr 5,4
An den günstigen Leser.a,b
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Unstiger/ Gott= und Kunstliebender Leser/ zu diesem mal überreiche ich dir das Dritte Zehn meiner himlischen Lieder/ zweiffels ohn viel spä-
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ter als du und vielleicht ich selber Anfangs vermeynten. Niemals hätte ich gegläubet/ daß so mancherley Hindernissen bey solchen Dingen/ die allein Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit zu befoderen1 an die Hand genommen werden/ solten vorfallen/ die Erfahrung aber hat mich numehr viel ein anders gelehret/ denn nicht allein ist das vorhergehende Ander Zehn durch Unfleiß des Boten auff der Reise verlohren/ nach etlichen Wochen wieder gefunden/ und alsdenn erstlich den Herrn Verlegern zugestellet worden; Besondern2 ich habe mich auch durch mancherley Widerwertigkeiten/ die zweiffels ohn vom leidigen Satan und seinen getrewesten Dienern und Werckzeugen her gerühret/ nicht wenig von solcher wolgemeynten Arbeit müssen abhalten und mercklich3 daran verhinderen lassen. Es sind die gegenwertige Zeiten ohne das 4 leider so beschaffen/ daß nur die jenige/ welche benebenst5 der wahren Gottesfurcht auch nützliche Wissenschafften und Künste zu lehren und zu lernen/ dadurch GOtt und jhrem NebenChristen zu dienen/ jhnen angelegen seyn lassen/ vom Teuffel und dessen lieben Getrewen erschrecklich angefochten/ täglich geplaget 6 und mit unzehlichen Müheseligkeiten gleich überhäuffet werden/ da im Gegentheil Gottlose Epicurer/ auch nichtswissende/ unverständige grobe Leute/ von keiner Anfechtung/ Unglück noch Trübsal/ auch fast das geringste nicht zu sagen wissen/ besondern7 an Reichthumb/ Emptern/ Ehre und Herrligkeit täglich zunehmen/ so/ daß man sich wol höchlich muß verwunderen/ wie doch die Welt/ die nunmehr durch so gar geringen Verstand/ ja auch von Gottlosen nichtswürdigen Leuten wird regieret/ noch so lange bestehen könne. Ob nun zwar/ günstiger lieber Leser die Erfahrung uns fast täglich Exempel gnug vor die Augen stellet/ daß die Edle Unwissenheit/ (wie sie der scharffsinniger Schreiber des Landstörtzers8 sehr nachdencklich pflegt zu nennen) das a Die Vorrede an den Leser fehlt in B, C. b Kolumnentitel fol. A 5v–8r (auf zwei Seiten verteilt): Vorrede an den günstigen Leser. 1 befoderen] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 2 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 3 mercklich] bemerkbar. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2103. 4 ohne das] ohnehin. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1215. 5 benebenst] neben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 6 Ps 73,14 7 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 8 Landstörtzers] Landstreichers. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 143. Rist hat hier Mateo Alemán (1547–1613) im Blick, dessen
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Das Dritte Zehn
allerbeste Mittel sey/ in diesen Jahren/ an Reichthumb und Gütern zuzunehmen/ da hingegen die Gelährten/ wegen der für Augen schwebenden elenden/ Martialischen und Mammons=süchtigen Zeiten/ von vielen Schnarchhansen 9 und Hochpraleren/ ja nichtswissenden Filtzen10 und Bauren= | schinderen auffs eusserste verfolget/ verleumbdet und geplaget werden; So sollen und müssen dennoch Christliche/ redliche und tapffere Gemüther/ welche den eitelen Reichthumb dieser Welt kaum so viel als eine Hand voll Bohnen achten/ umb der Menschen grossen Undanckbarkeit willen nicht unterlassen/ die Ehre unsers Schöpffers und des Nehesten zeitliche und ewige Wolfarth aller Mügligkeit nach/ zu pflantzen/ zu beforderen und fortzusetzen. Viel mehr sol man dahero Ursache und Anlaß nehmenc/ auch in den grössesten Widerwertigkeiten unserm Gott zu dienen/ dabenebenst 11 mit inbrünstigem fewrigem Eyfer umb Ertheilung seiner Gnade jhn stetig anzuruffen12/ denn das ist die wahre Tapfferkeit und recht Christliche Großmütigkeit/ welche der Geist Gottes in unsern Hertzen anzündet und erwecket/ die lehret uns alle Eitelkeiten der Welt verachten und alle unsere Feinde/ Lügenmäuler und Verfolger/ ja uns selber durch die Gnade des Allerhöhesten siegreich überwinden. Jn fleissiger Erwegung dieses alles/ setze auch ich (wiewol der Allergeringste unter den Dienern Gottes13) meiner angefangenen Christlichen Poëtischen Arbeit unter vielen mühesamen Verrichtungen und mancherley Anfechtungen/ mit gebührendem Eyfer dennoch beständig nach14/ nicht zweifflend/ ein jeglicher/ der seinen Erlöser lieb hat/ werde so wenig meinen guten Vorsatz/ als auch diese gegenwertige und schon herauß gegebene himlische Lieder nicht hassen noch verwerffen. Gottliebende Hertzen mögen von denselben kühnlich urtheilen/ und die jenige/ welche so wol von der himlischen Music als der unsterblichen Poesy vernünftig wissen zu reden/ mögen jhr Bedencken wol fein herauß sagen. Die Melodeyen gegenwertiger Lieder/ (welche zu diesem mal aus sonderbaren15 und gewissen Bedencken/ auch auff mein freundliches Bitten etwas deutlicher sind gesetzet) behalten sonder 16 zweiffel einen solchen Ruhm/ als deroselben Erfinder/ der berühmbter und Kunstreicher Herr Schop schon längst hat verdienet. c nehmen] Emendiert aus: nehm en Werk ‚Aventuras y vida de Gusmán de Alfarache‘ Aegidius Albertinus (1560–1620) ins Deutsche übersetzte und im Jahre 1615 unter dem Titel ‚Der Landstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt ‘ publizierte. Albertinus handelt hier im 38. Kapitel über die „Jgnorantz der Welt“ (S. 307–316) und im 44. Kapitel über „nutz vnnd nothwendigkeit der edlen Thorheit“ (S. 369–399). 9 Schnarchhansen] Aufschneidern. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1183. 10 Filtzen] Geizhälsen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1635. 11 dabenebenst] darüber hinaus. Zu ‚dabeneben‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 660. 12 Vgl. Eph 6,18 13 Vgl. 1Kor 15,9 14 setze ich meiner Arbeit nach] setze ich meine Arbeit fort. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 124. 15 sonderbaren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 16 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573.
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Die Art der Verß betreffend/ habe ich mit sonderbahrem17 Fleisse nur
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solche erwehlet/ auff welche am füglichsten18 gewisse/ benebenst19 auch andächtige Weisen können gesetzet werden. Dactilische/ Anapästische und derogleichen newerfundene Verß/ wie sie von etlichen genennet werden/ gefallen mir in Beschreibung solcher und derogleichen himlischen Sachen gar nicht/ in Betrachtung/ eine andächtige Seele sich nicht mit hüpffen und springen/ besondern20 viel mehr mit seufftzen und sehnen/ (wobey doch gleichwol ein frew = | diges Lob Gottes gar wol seyn kan) zu jhrem Erlöser und dem himlischen Jerusalem21 sol nahen und wenden. Jmmittelst 22 wil ich solche Art Dactylischer/ Anapästischer und anderer Verß/ derer auch ich mich selber bißweilen zur Lust gebrauche/ mit nichten verachten oder verwerffen/ viel mehr halte ich gäntzlich davor/ daß sie dem Leser eine sonderbare 23 Ergetzligkeit zurichten/ wenn sie nur zur rechter Zeit und am bequemen Orte gebrauchet werden. Daß aber mancher gantz unbegründet darff vorgeben/ es sey diese Art der Dactylischen Verß gantz new und vorhin nie gesehen/ oder bey den Deutschen üblich gewesen/ solches ist mehr zubelachen/ als mit vernünfftiger Antwort zu widerlegen. Es fällt mir jetzt ein das jenige/ was mir selber vor vielen Jahren schon mit dieser Art Versen einsmals ist wiederfahren: Denn als mir ungefehr eine lustige Sarabande (welches eine sonderbahre24 Art ist der Frantzösischen Couranten/ wie solches die Musicverständigen ohn mein erinnern gar wol wissen/) zu Handen kam/ und ich einen Text auff selbige fröliche Melodey zu setzen/ ward gebeten/ befand sichs/ daß nach Verfertigung desselben/ ein recht Dactylisch Lied darauß war geworden/ unangesehen25/ ich zu der Zeit noch keinen eintzigen Dactylischen Verß weder gesehen noch etwas davon gehöret hatte/ Dannenhero26 ich diese vermeynte newe/ und mir bißhero unbekandte Art Verß meinen vertrawten Freunden/ als wäre etwas sonderliches daran gewesen/ bißweilen zeigete/ die denn mich und sich selber überredeten/ ich wäre der erste/ der diese hüpffende Art Verß hätte erfunden: Sie jrreten aber/ gleich wie ich selber sehr weit/ denn es hatte sich nur ungefehr also zugetragen/ in deme ich weiter nicht war gegangen/ als wohin mich meine zu der edlen Poësy sehr geneigte Natur/ und die springende Art der Frantzösische Sarabande hatte geführet/ in massen ich27 solches kurtz hernach Augenscheinlich erfahren/ als mir etlicher Niederländischer Poëten Gedichte zu Handen kommen/ bey welchen ich denn unterschiedliche Dactylische Verß gefunden/ welche lang zuvor/ ehe unser
17 sonderbahrem] besonderem. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 18 am füglichsten] am passendsten. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 396. 19 benebenst] außerdem. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 20 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 21 Apk 21,2 22 Jmmittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 23 sonderbare] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 24 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 25 unangesehen] abgesehen davon, daß. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 143. 26 Dannenhero] deshalb. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 748. 27 in massen ich] wie ich auch. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2122.
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Das Dritte Zehn
thewrer Herr Opitz28 seliger Gedächtnisse/ (der sich gleichwol dieser Art Verß meines wissens nicht sonderlich gebrauchet) und andere seine getrewe Nachfolger in unserer Muttersprache die Poetische Feder jemals hatten angesetzet/ ans öffentliche Liecht waren gegeben. Aber meine schlechte29 Meynung von dieser Art Versen/ (welche der hochgelehrter Herr Buchner 30 zu seinem unsterblichem Ruhm in dieser Zeit trefflich hoch gebracht hat) kurtz zu entdecken: So lasse | ich sie im Gebrauch der Buhlen und HirtenLieder/ auch wol anderer weltlicher Sachen/ als da seyn Comoedien/ Auffzüge/ Hochzeit=Gedichte und dergleichen/ jhren billichen31 Werth und Ruhm behalten; Bey denen Himlischen aber und zu Gott steigenden Liedern/ begehre ich meines theils (ein ander mache es nach seinem Gefallen) mich solcher leichten Täntzer=Art nimmermehr zu gebrauchen. Noch ein einziges muß ich in dieser Vorrede kürtzlich erinnern/ von der Art/ nemblich zu schreiben/ die ich mir bißanhero32 habe belieben lassen33: Rein/ gut und verständlich Deutsch habe ich nach meinem wenigem Vermögen jederzeit hertzlich geliebet/ werde auch diese unsere Deutsche Haupt= und MutterSprache benebenst34 andern durch Gottes Gnade lieben biß an mein Ende. Aber ich sage verständlich/ gut und rein Deutsch/ denn/ ich weis nicht/ was doch der jenigen Schrifften dem Vaterlande viel nutzen/ die sich befleissigen so bund/ hochtrabend/ weitschweiffig und unverständlich zu schreiben/ daß mancher schier 35 einen gantzen Tag muß anwenden/ ehe er nur ein einziges solcher wunderbahren Geheimnissen kan errathen. Wollen und wündschen solche Bücherschreiber/ daß jhre Landesleute sie sollen verstehen/ ey wolan/ so schreiben sie doch auch hell/ klar und verständlich Deutsch; Wollen sie aber nicht verstanden werden/ ey so können sie ja solcher schweren Mühe gar wol überhaben36 bleiben. Das allerärgeste an solchen Poeten ist noch dieses/ daß sie nicht allein mit jhren Schrifften keinem Menschen nützen/ besonderen37 noch
28 Martin Opitz (1597–1639), Reformator der deutschsprachigen Dichtkunst, Diplomat, 1619 Aufenthalt in Heidelberg, 1620 in Leiden, 1621 Rückkehr nach Schlesien, 1622 Aufenthalt in Siebenbürgen, sodann in Wien, dort Dichterkrönung, 1626 Sekretär und Leiter der geheimen Kanzlei Karl Hannibal von Dohnas, 1627 Nobilitierung, 1629 Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft, 1630 Reise nach Paris, seit 1635 in Thorn. Opitz starb in Danzig an der Pest. Garber, in: Killy1 8 (1990), S. 504–509. Kühlmann. 29 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 30 Augustus Buchner (1591–1661), 1616 Promotion zum Magister in Wittenberg, daraufhin Professor für Poesie ebd., seit 1632 auch Professor für Rhetorik. Buchners Poetiklehrbuch, das erst postum im Druck erschien (,Anleitung zur Deutschen Poeterey‘, 1665), kursierte zu Lebzeiten des Autors in Form von Vorlesungsnachschriften und trug wesentlich zur Verbreitung der Opitz’schen Reform bei. Vgl. Kühlmann, in: Killy2 2 (2008), S. 260 f. 31 billichen] gerechtfertigten. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 27. 32 bißanhero] bisher. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 33 die ich mir habe belieben lassen] an der ich Gefallen gefunden habe. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 34 benebenst] neben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 35 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 36 überhaben] überhoben, frei. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 308. 37 besonderen] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633.
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An den günstigen Leser
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dazu aus selbst =eingebildeter grosser Hoffarth/ andere/ die sich einer reinen verständlichen Art zu schreiben befleissen38/ gleichsam vor nichts achten/ wozu noch wol andere kommen/ die von sich selber/ (welches ich insonderheit39 von etlichen Meißnern vernommen) gantz vermessentlich rühmen und sagen dörffen: Sie/ verstehe die Meißner/ wissen allein recht/ gut und untadliches Deutsch zu reden und zu schreiben/ die andere Deutschen aber/ als Schlesier/ Schwaben/ Francken/ Märcker/ Braunschweiger/ Hollsteiner/ Pommern/ Mecklenbürger/ und derogleichen erfüllen jhre Deutsche Schrifften mit tausenderley Mänglen. Jch gestehe zwar gern/ daß ein Mecklenburger Baur nimmer so gut Deutsch redet/ als etwa ein Meißnischer Student; Daß aber ein Deutscher/ wenn er gleich kein gebohrner Meißner/ so wol wegen der natürlichen Zuneigung/ als auch seines sonderbahren40 Fleisses welchen er dißfals41 anwendet/ nicht eben so wol die rei= | ne Deutsche Sprache solte verstehen/ reden/ schreiben und fortsetzen/ solches lasse ich mich nimmermehr überreden. Man hält zwar in Welschland42 auch davor/ daß an keinem Orte die Jtalianische Sprache so rein/ zierlich und deutlich werde geredet und geschrieben als eben in Toscana/ und sonderlich desselben GroßFürstenthumbs HauptStadt Florentz. Wer wil aber unter dessen läugnen/ daß unter den Römern/ Meyländern/ Venetianern und den anderen Welschen nicht Leute zu finden/ die jhrer MutterSprache ja so kündig/ fertig und mächtig seyn/ als eben die Florentiner/ gestalt43 solches/ wenn es die Zeit dieses mal leiden wolte/ mit unzehlichen Exempeln zu beweisen? Jch wil aber geliebter Kürtze halber ein nähers bringen: Jn dem/ uns benachbarten Königreiche Dennemarck/ befindet sich ein mercklicher 44 Unterscheid der Dänischen Sprache/ denn einmal gewiß/ daß in Seeland/ in welchem die Königliche HauptStadt Copenhagen ist gelegen/ viel reiner/ lieblicher und zierlicher als in Jüthland/ Fünen und andern Orten wird geredet/ gleichwol kan ein Jüthländer/ dafern45 er nur ein wenig Fleisses daran zu wenden begehret/ in kurtzer Zeit ja so gut und zierlich Dänisch reden und schreiben/ als mancher/ der in Seeland ist gebohren und erzogen. Und eben dieses kan auch von Franckreich/ Hispanien und andern weitentlegenen Königreichen gesaget werden. Was wollen wir aber von denen trefflichen Leuten/ die kurtzverwichener 46 Zeit in Deutschland haben gelebet/ theils auch noch leben/ sagen oder urtheilen? Solten sie darumb jhre MutterSprache nicht recht verstanden haben/ dieweil 47 sie keine Meißner gewesen? O du armer Schlesier/ du
38 befleissen] befleissigen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1265. 39 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 40 sonderbahren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 41 dißfals] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 42 Welschland] Italien. Vgl. Zedler 54, Sp. 818. 43 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 44 mercklicher] beachtenswerter. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2103. 45 dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 46 kurtzverwichener] vor kurzer. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2168. 47 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146.
fol. A 7v
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fol. A 8r
Das Dritte Zehn
hochfliegender Opitz 48/ wer hat doch dich recht Deutsch gelehret? O trefflicher Schottelius 49/ wie hat er doch so herrlich und außführlich von der Deutschen Sprache können schreiben/ und ist doch in Meissen nicht gebohren? Solte wol der hochgelahrter Herr Zinckgräffe50/ und so viel grosse und tapffere Leute mit jhm/ kein recht noch gut Deutsch wissen oder verstehen? O das sey ferne! Wie? Wenn man vielleicht erweisen köndte/ daß nicht wenig unter den gebohrnen/ auch wol gelahrten Meißnern/ viel Deutsche Wörter auff eine gantz seltzame und ungewöhnliche Art und Weise nunmehr schreiben/ ja viel Buchstaben/ insonderheit51 die lautenden zu Ende der Wörter52/ zwar wunderbarlich/ aber ohne allen Grund und Vrsache veränderen/ in dem sie den einen Buchsta = | ben vor den andern setzen? Jch wil aber/ damit die Vorrede dieses Dritten Zehn nicht zu lang werde/ diesen unschädlichen Streit biß in die näheste53 sparen/ da ich denn/ im Fall 54 mir fernere Vrsache dazu wird gegeben/ etwas außführlicher von dieser Sache möchte handelen. Beschliesse demnach diese Vorrede hiemit/ und wil den Christlichen guthertzigen Leser freundlich ersuchet haben/ er wolle diese meine Lieder jm günstig lassen gefallen/ die übrigen ehister Tage 55 freundlich empfangen/ alles/ was guter Meynung von mir geschrieben/ Christlicher Liebe nach/ zum besten deuten/ mich dabenebenst56 seiner guten und beharrlichen Gunst würdigen/ und sich dargegen versichert halten/ daß ich jhme alle angenehme/ mügliche und Christliche Dienste zu leisten/ gantz willig verbleibe/ so lange ich bin
Johann: Rist. |
48 Vgl. o. S. 186, Anm. 28. 49 Justus Georg Schottelius (1612–1676), Dichter, Sprachforscher, Jurist, Philosoph, Studium in Helmstedt (1628), Hamburg (1631), Leiden (1635) und Wittenberg (1636), 1638 Erzieher der Kinder Herzog Augusts am Hof in Braunschweig bzw. Wolfenbüttel, seit 1642 Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und Hofgerichtsassessor, 1645 Aufnahme in den Pegnesischen Blumenorden, 1646 Konsistorialrat, im selben Jahr Promotion zum Dr. der Rechte in Helmstedt, 1653 Hof- und Kammerrat. Vgl. Meid, in: Killy110 (1991), S. 376–378. 50 Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635), Dichter und Publizist. Nach seinem Studium in Heidelberg (Philologie, Philosophie, Rechtswissenschaften) und einer peregrinatio academica durch die Schweiz, Frankreich, England und die Niederlande wurde Zincgref in Heidelberg zum Dr. der Rechte promoviert. Nach der Eroberung Heidelbergs durch die Kaiserlichen 1622 floh er nach Straßburg und lebte nach seiner Heirat (1626) in der Pfalz. 1632 wurde er Landschreiber in Kreuznach, später in Alzey. M. Schilling, in: Killy1 12 (1992), S. 501–503. 51 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 52 die lautenden zu Ende der Wörter] die Endlaute der Wörter 53 biß in die näheste] bis auf weiteres bzw. bis auf die nächste Zukunft. Nicht bei Grimm, DWb. 54 im Fall] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 55 ehister Tage] demnächst. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 52. 56 dabenebenst] darüber hinaus. Zu ‚dabeneben‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 660.
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Auff des Herrn Ristens
Himlische Lieder a.
D
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Je Fügungs =Zier der Wort kommt mit den Melodeyen So trefflich überein in diesem Himmels=Chor/ Daß ich bekennen muß und sagen gleich wie vor1/ Daß Rist auff Erden kan den Engels=Chor vernewen2: D. E. V. R 3
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. 1 vor] zuvor. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 806. 2 vernewen] erneuern. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 917. 3 Es konnte bislang nicht ermittelt werden, wer sich hinter diesem Kürzel verbirgt.
fol. A 8v
Lob=Gesang über die
Des WolEhrwürdigen und Hochgelahrten Herrn Johann Ristens/ etc.
Himlische Lieder. Auff die Melodey
Wie schön leuchtet der Morgensterna:
W
I.
As hör ich? Was hat solche Krafft? Wie? Jsts die Himmels=Bürgerschafft/ Die mich so kan verzücken? O nein. Sie höret selbsten an Verlässt die Sternen=liechte Bahn Denselben anzublicken/ Den wir Allhier Hören singen und erklingen Seine Lieder Daß es schallet hin und wieder. II. Wer ist es denn? Sol David hier Ernewern seiner Harffen Zier/ Die uns so lustig machet1? O nein. Es singt der liebe Rist/ Der uns ein Deutscher David ist/ Jn dem sein Geist erwachet. | a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. 1 Vgl. 1Sam 16,14–23
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Lob =Gesang
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Liebet übet Seine Lieder hin und wieder/ Helfft jhm singen/ Daß es möge recht erklingen. III. Jhr aber fahret jmmer fort/ Herr Rist/ das West/ Ost/ Süd und Nord Jn ewer Lob sich schwingen2: Daß sie erheben ewren Preiß/ Der schon von keinem Ende weis/ Und Gott zu Ehren singen. Tichtet/ Richtet/ Ewre Sinnen zu beginnen Ein Gedöhne/ Daß der Himmel euch bekröhne3!
M. Philipp. Caesius von Fürstenau4.
2 sich schwingen] sich aufschwingen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2700. 3 Vgl. 1Petr 5,4 4 Vgl. o. S. 105, Anm. 11.
fol. B 1r
Anapaestisches Kling=Gedicht. Uber den dritten Theil der himmlischen Lieder des hochberühmbten himmlischen Tichters a.
O
! Wol dem der Himmel=auffschwingt die Gedancken Verlässet der Erden versaltzene1 Lust Und suchet den Himmel die ruhige Rust 2: Jm Himmel ist Wollust ohn Unlust und Wancken3. Mein Ristius bleibt noch in himlischen Schrancken Und lauffet zu Christi eröffneten Brust 4; Als dem sonst nicht süssere Wonne bewust. Hier finden recht Labsal die Seelen der Krancken; Der Himmel die Ruhstadt der gläubigen Christen5 Hier selbst ist mit häuffigen Lüsten in Lüsten; Es ist hier ein Englisches Singen und Spiel; Hier wird auch der eitele Weltdurst gestillet Die Seele mit himmlischen Träncken erfüllet6; Ja/ Hier ist gestecket das seligste Ziel 7.
Theobald Grummer 8. |
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in B, C. 1 versaltzene] verdorbene. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1036. 2 Rust] Ruhe. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1543. 3 Vgl. Apk 21,4 4 Vgl. Joh 19,34 5 Vgl. Apk 14,13; Hebr 4,9 6 Vgl. Apk 22,17 7 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 8 Vgl. o. S. 22, Anm. 9.
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I. Gottseliger Anfang des newen Jahres
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Das Dritte Zehn
I.
S. 1
Gottseliger Anfang des newen Jahres/ Jn und mit dem allersüssestema Namen JESV b,1.
H
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Jlff Herr Jesu laß gelingen2/ hilff das newe Jahr geht an3/ laß’ es newe Kräffte bringen/ daß auffs new’ ich wandlen kan4/ newes Glück und newes Leben/ wollest du ausc Gnaden geben. 2. Alles was ich außzurichten Und zu reden bin bedacht Müsse mich mein Gott verpflichten Deines thewren Namens Macht/ Daß auch das/ was ich gedencke Dich zu preisen stets sich lencke. | 3. Meiner Hände Werck’ und Thaten Meiner Zungen Red’ und Wort Müssend nur durch dich gerahten Und gantz glücklich gehen fort/ Newe Krafft laß mich erfüllen Zu verrichten deinen willen 5. a allersüssestem] B statt dessen: allersüssesten b Gottseliger Anfang Namen JESV] C statt dessen: Ein Neü Jahresgesang/ Welches Anfang/ Mittel und Ende in und mit dem süssen Namen JEsu bestehet c aus] C statt dessen: mit d Müssen] C statt dessen: Müsse (Erratum) 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Stegmann, Schwanengesang, S. 308–313 („Newes JahrGebet/ vmb newes Glück/ newe Gnade/ newes Leben/ in dem newen Namen Jesu.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 499–502. 2 Ps 118,25 3 geht an] beginnt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 342. 4 Jes 40,31 5 Vgl. Hebr 13,12
S. 2
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S. 3
Das Dritte Zehn
4. Was ich dichte/ was ich mache Das gescheh’ in dir allein/ | Wenn ich schlaffe wenn ich wache Wollest du Herr bey mir seyn6/ Geh’ ich auß/ halt’ an zur Seiten/ Komm’ ich heim/ so hilff mich gleiten7,8/e 5. Laß mich beugen meine Knie Nur zu deines Namens Ehr’9 Hilff daß ich mich stets bemühe Dich zu preisen mehr und mehr10 Laß mein Bitten und mein Flehen11 Nurf im Himmel vor dir stehen. 6. Laß mich Herr in deinem Namen Frölich nemen Speiß’ und Tranck12/ Güter die von dir her kamen Fordern ja von mir den Danck13/ Deine Weißheit kan mich stärcken14 Zu der Lieb’ und guten Wercken15. 7. Mein Gebet das müß’g auffsteigen16 Herr vor deinen Gnaden=Thron17 Denn wirstu zu mir dich neigen18 Wie zu deinem lieben Sohn’ Herr’ ich weis/ es wird für allen Diß mein Opffer dir gefallen19. |
S. 4
8. Laß diß seyn ein Jahr der Gnaden20/ Laß mich büssen meine Sünd’/
e /] B, C statt dessen: . f Nur] C statt dessen: Doch g müß’] B statt dessen: muß 6 Vgl. Ps 3,6 7 Vgl. Ps 121,8 8 gleiten] geleiten. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2997. 9 Vgl. Phil 2,10 10 Vgl. Ps 145,2 11 Eph 6,18 12 Vgl. Ps 145,15 13 Vgl. 1Thess 5,18 14 Vgl. Koh 7,19 15 Hebr 10,24 16 Vgl. Ps 141,2 17 Vgl. Röm 3,25; Hebr 4,16 18 Ps 40,2 19 Ps 119,108 20 Vgl. Jes 61,2
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I. Gottseliger Anfang des newen Jahres 45
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Hilff/ daß sie mir nimmer schaden Sondern bald Verzeyhung find’ Herr’ in dir/ dennh du mein Leben21 Kanst die Sünd’ allein vergeben22. 9. Tröste mich mit deiner Liebe/ Nimb O Gott mein Flehen hin23 Weil ich mich so sehr betrübe Und i voll Angst und Zagen bin/ Stärcke mich24 in meinen Nöthen Daß mich Sünd’ und Todt nicht tödten. 10. Salb’ O Vater meine Wunden Wasche mich mit Jsop ab25/ Zwar ich bin noch unverbunden Doch verletzet biß auffs grab/ Tilg’ Herr meine Missethaten26 So ist j meiner Noth gerahten. 11. Grosse Sünder kanst du heilen/ Ach/k ich bin in jhrer Zahl27 Du/ du kanst mir Gnad’ ertheilen Hilff mir doch aus dieser Quaal/ | Du Herr l kennest ja die Schwachen28 Die du wiedrumb starck wilt machen29. 12. Zehle loß30 mich hoch Betrübten Der ich nicht bezahlen kan31/ Liebe mich in dem Geliebten/ Dein Sohn Jesus nimmt mich an32/ Jesus läst mich nicht verderben Jesus steht mir beym im Sterben. h denn] C statt dessen: nur i Und] C statt dessen: Ja j ist] C statt dessen: wird k /] C statt dessen: ! l Du Herr] C statt dessen: Den du m steht mir bey] C statt dessen: läst Mich nicht 21 Joh 14,6 22 Lk 5,21; vgl. Ps 103,3 23 Ps 119,170 24 Ps 119,117 25 Vgl. Ps 51,9 26 Ps 51,3 27 Vgl. Ps 51,5 28 Vgl. 1Kor 1,27 29 Vgl. 2Thess 3,3 30 Zehle loß] sprich frei. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1174. 31 Vgl. Mt 18,23–25 32 Röm 15,7
S. 5
198
Das Dritte Zehn
13. Herr du wollest Gnade geben Daß diß Jahr mir heilig sey Und ich Christlich könne leben Sonder33 Trug und Heucheley34/ Daß ich noch allhie auff Erden Fromm und selig möge werden. 14. Laß mich armen Sünder ziehen Deinen Weg der Herrligkeitn/ Laß mich Stoltz und Hoffarth fliehen Laß mich beten jederzeit35/ Laß mich Schand’ und Unzucht meiden36/ Laß mich willig Unglück leiden37.
S. 6
15. Jesus richte mein Beginnen38/ Jesus bleibe stets bey mir39/ | Jesus zäume mir die Sinnen/ Jesus sey nur mein Begier/ Jesus sey mir in Gedancken/ Jesus lasse nie mich wancken 40. 16. Jesu laß mich frölich enden Dieses angefangne Jahr/ Trage stets mich auff den Händen41 Halte bey mir in Gefahr/ Frewdig wil ich dich umbfassen Wenn ich solo die Welt verlassen. |
n Herrligkeit] C statt dessen: Frömmigkeit o sol] B statt dessen: solt 33 Sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 34 Vgl. 1Petr 2,1 35 1Thess 5,17 36 Vgl. Röm 13,13 37 2Tim 4,5 38 Beginnen] Tun. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1297. 39 Vgl. Lk 24,29 40 Vgl. 1Kor 15,58 41 Vgl. Ps 91,12
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II. Geistreiche Erlustigung der Erleuchteten Seelen
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Das Dritte Zehn
II. a
S. 7
Geistreiche Erlustigung derb Erleuch= teten Seelen/ Jn den fünff Wunden/ jhres am Creutz han= genden allerliebsten Heylandes c Jesu Christi1.
W
5
Ach’ auff mein Geist 2/ erhebe dich/ wach’ auff hie sind fünff TodesStich’/ und Wunden deines Herren/ Wach’ auf laß Welt und Wollust seyn/ Jch wil dich in die Höll’ hinein/ Jmmanuels3 versperren/ wach’ auf mach’ Hertz und Augend satt/ am Creutz allhie bey Davids Stadt 4. 2.
Fünff Keller blicken hie herfür
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Die stehen gantz voll Weins vor dir/ Mit welchem wird e geträncket | Nur der/ dem Jesus ist bewust 5 Und der durch jhn die SündenLust Zur Hellen hat versencket/ Ein solcher wird von diesem Wein’ Allein zum Himmel truncken seyn. |
a C zusätzlich: Ein Charfreitagsgesang/ Worin beschrieben wird die b der] C statt dessen: Einer c C zusätzlich: und Seligmachers d Augen] A, B in der Notation des Bassus statt dessen: Zungen e wird] B statt dessen: wir (Erratum) 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Stegmann, Schwanengesang, S. 519–525 („Erlüstigung der gläubigen Seele in den fünff Wunden meines Heilandes.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 503–506. 2 Vgl. Ps 57,9 3 Jes 7,14; Mt 1,23 4 2Sam 5,7 5 Vgl. 1Kor 11,27
S. 8
202 S. 9
Das Dritte Zehn
3. Diß Honigsüsse Naß das kam Geflossen von des Creutzes Stamm’ Aus deines Jesu Seiten6/ Sehr lieblich ist es anzusehn/ Drumb säume nicht hinein zu gehn Den Tranck dir zu bereiten/ Es ist dir ja zur jeden Zeit Vergönnet solche Trunckenheit.
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4.
Fünff Tische stehen wol besetzt
Mit allem was die Seel’ ergetzt Mit außerlesnen Speisen/ Hinzu/ du meine Seel’ hinzu/ Nimb/ trinck’ und iß’ in guter Ruh’ Hie sind nicht frembde Weisen/ Da man sich muß mit grossem Pracht’7 Erst übenf wie die Welt es macht. 5. Die Mahlzeit weis von keiner List/ Denn was dir auffgesetzet ist Das kan dich kräfftig laben/ Kein Gifft wird hie getragen auff Auch ist die Speise nicht zu kauff’ 8 Umbsonst kanst du sie haben9/ Ja sie erhält und g nehret dich O Mensch zum Leben ewiglich10. | S. 10
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6.
Fünff Quellen wie das Gold so klar Entspringen hie gantz offenbahr Die lautre Ström’ ergiessen; Ach komm’ herzu du liebe Seel’ Und schawe was aus dieser Höhl’h
f üben] C statt dessen: bükken g sie erhält und] C statt dessen: dise Kost die h Höhl’] Emendiert aus: Höll’ Erratum auch in B. Recte: C 6 Joh 19,34 7 Pracht’] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 8 ist die Speise nicht zu kauff’] ist die Speise nicht käuflich, kostet die Speise nichts. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 316. 9 Vgl. Jes 55,1; Apk 22,17 10 Vgl. Joh 6,51
45
II. Geistreiche Erlustigung der Erleuchteten Seelen
203
Jn dich vor Wasser fliessen11/ Da wasche dich mit gantzem fleiß’ Alsdenn so wirstu schön und weiß i,12 7.
Fünff Thüren sind allhie zu sehn
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Durch welche man hinein kan gehn Recht in des Himmels Garten/ Es öffnet sich die schmale Pfort’13 Und bringt uns an den edlen Ort Da wir der Frewd’ abwarten/ Ja da wir für der Höllen Pein Auch Tod’ und Teuffel sicher seyn14.
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8. Es öffnen sich die Händ’ und Füß’ An Jesu mehr denn Honigsüß Uns ist durch sie gelungen: Wo find’ ich besser Hülff’ und Rath Als wenn mich der umbfangen15 hat Der selbst den Todt bezwungen16/ j Zu seinen Füssen sitz’ ich still 17 Und leidek was mein Heyland wil18. |
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Fünff Hölen zeigt uns dieser Ort
9.
70
Die trägt an sich des Vaters Wort19/ Da kan man sich verkriechen: Ja liebe Seel’/ es suchen doch Die wilden Thier’ ein sichers Lochl Wenn sie einm Wetter riechen/ Die Taube fleugt den Felsen zu 20 Einn Vöglein sucht im Bawme Ruh’.
i B, C zusätzlich: . j /] C statt dessen: ? k leide] C statt dessen: horche l B zusätzlich: ! m ein] C statt dessen: das n Ein] C statt dessen: Das 11 Vgl. Joh 4,14 12 Vgl. Ps 51,4.9 13 Vgl. Mt 7,14 14 Apk 21,4 15 umbfangen] umarmt. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 865. 16 Vgl. 1Kor 15,55 17 Vgl. Lk 10,39 18 Vgl. Phil 1,29 19 Joh 1,14 20 Hld 2,14
S. 11
204
Das Dritte Zehn
10. Auch du mein Geist verzage nicht 21 Jm Fall’22 ein starcker Donner bricht Die Wolcken grosser Gnade/ Kriech’ in des Herren Wunden ein/ Da kanst du freyo und sicher seyn Daß dir der Sturm nicht schade/ Da trifft dich weder Blitz noch Zorn/ Ja du bistp gäntzlich unverlohrn.
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11.
Fünff Apoteken stehn bereit
Voll wundersüsser Liebligkeit Voll edler Specereyen: Ey liebe Seel’ halt’ auff denq Mund Und schmecke nur/ du wirst gesund Hie darffst23 du dich nicht schewen/ Diß Räuchwerck führt dich Himmel an/ Dahin der Todt nicht kommen kan. | S. 12
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12.
Fünff Perlen trefflich hoch von Schatz’ Erzeigen sich auff diesem Platz’ Jhr Glantz verjagt die Sonne/ Jhr Werth ist außzusprechen nicht/ O liebste Seel’ hie istr ein Liecht24 Hie ists dein’ höchste Wonne/ Hie ist die stärckste Himmels=Krafft Diet uns den Himmel selbst verschafft.
13. Greiff’ jmmer zu geliebte Seel’ Hie findest du das FrewdenOel25 Hie gläntzen güldne Sterne/ Hie istu ein Kleinodt26 solcher Art
o frey] C statt dessen: frisch p Ja du bist] C statt dessen: Da bist Du q den] C statt dessen: dein r ist] C statt dessen: schwebt s ist] C statt dessen: steht t ist die stärckste Himmels=Krafft Die] C statt dessen: ligt des Himmels beste Kraft/ Welch’ u ist] C statt dessen: stekt 21 Vgl. 2Kor 4,8 22 Jm Fall’] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 23 darffst] mußt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 24 Vgl. Joh 9,5 25 Jes 61,3 26 1Kor 9,24; Phil 3,14
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II. Geistreiche Erlustigung der Erleuchteten Seelen
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Deßgleichen nie gesehen ward27 Das leuchtet auch von ferne/ Dißv Kleinodt deines Hertzen Lust Bewahre stets an deiner Brust 28. 105
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14. Was wil der Demant 29 und Saphir/ Des Herren Wunden nem’ ich mir Den besten Schmuck auff Erden/ Wer den nicht hat/ kan nimmermehr Zu unsersw Lämbleins Hochzeit Ehr’30 Hinein gelassen werden/ Nur der/ den dieses Kleinodt ziert Wird auff diß grosse Mahl geführt. | 15. O Jesu/ liebster Bräutigam31/ Dein Leib/ der aus der Kelter kam32 Der hat mir angezogen33 Den rothen Schmuck/ den Perlen Pracht34/ Der meinen Geist so frölich macht Daß er wird gantz bewogen/ x | Jetzt fühl’ ich O mein süsser Mund35 Du liebest mich aus Hertzens Grund’36. 16. Herr/ deine Wunden zeige y mir Wenn mich die schwere Sünden=Thür’ z Erleget hat zur Erde/ Herr deine Wunden laß mich sehn/ Wenn ich durchs Thränen=Thal muß gehn37 Daß ich erquicket werde 38/ Herr/ deine Wunden zum Beschluß’ Ergreiff’ ich wenn ich sterben muß. | v Diß] C statt dessen: Die (Erratum) w unsers] C statt dessen: dises x /] B statt dessen: . y zeige] C statt dessen: zeigen (Erratum) z die schwere Sünden =Thür’] C statt dessen: das starke Sündenthier 27 Vgl. 1Kor 2,9; Jes 64,3 28 Vgl. Lk 12,33 f. 29 Demant] Diamant. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 916. 30 Apk 19,7 31 Mt 9,15 32 Jes 63,2 f. 33 Vgl. Jes 61,10 34 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 35 Vgl. Ps 45,3 36 Vgl. Eph 5,2 37 Vgl. Ps 23,4 38 Vgl. Ps 23,3
S. 13
S. 14
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Das Dritte Zehn
III.
S. 13
Andächtiges Lied zu Gott. a
Umb ein gutes/ stilles und ruhiges Ge = wissen1.
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Gott der du der Menschen Hertz und Sinn/ allein trägst in der Hand/ Du hast in uns gemacht von anbeginn/ ein starck GewissensBand/ das zeuget uns von beyden/ es kennt dasb Böß’ und Gut’2/ es schöpffet Frewd’ und Leyden/ nach dem’ ein jeder thut. | 2. Diß lehret auch/ daß du mein Gott gerecht3 Und man dich fürchten muß4/ Jch aber als ein gar zu böser Knecht5 Leb’ ohne Rew’ und Buß’/ Jetzt fühl’ c ich mein Gewissen/ Das drücketd mich so hart 6/ Daß schier 7 mein Hertz zerrissen Und gar ersticket ward.
S. 15
3. Ach du mein Gott/ du Seelen =Artzt 8 und Rath Jch weis es gar zu wol/ Daß deine Güt’ auch die verbunden hat Diee aller Bößheit voll 9/ a Andächtiges] C statt dessen: Ein Andächtiges b kennt das] C statt dessen: kennet statt dessen: fühlt d drücket] C statt dessen: drükte e Die] C statt dessen: Welch’
c fühl’] C
1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein I, 47, S. 104–107 (mit der Überschrift „Vmb ein gut Gewissen.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 507–511. 2 Vgl. Röm 2,14 f. 3 Ps 11,7 4 Dtn 10,20 5 Vgl. Mt 24,48 6 Vgl. Ps 65,4 7 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 8 Vgl. Ex 15,26 9 Vgl. Mt 9,12 f.
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Das Dritte Zehn
Ach heil’ auch meine Schmertzen Ach linder meine Noth10/ Jch gräme mich von Hertzen11 Bin lebendig und todtf,12. 4. Dein thewres Blut13/ dasg du vergossen hast Das schenck’ Herr Jesu mir/ Es nimpt hinweg der Sünden schwere Last14 Esh bringet mich zu dir15/ Es kan mich kräfftig stärcken Ja führen gar dahin/ Daß ich von todten Wercken Ersteh’i und selig bin16. | S. 16
5. Ach j mache die Gewissens Wunden rein Sie thun mir hefftig weh’ Und geuß mir bald dein Gnaden=öl hinein17/ Auff daß ich tapffer steh’ Und nicht zu sehr erschrecke Wenn ich muß vor Gericht’18/ Alsdenn dein’ Hand mich decke19 Daß ich verzweiffle nicht. 6. Dein Blut das tilg’ auß die so harte Schrift20 Die mir vor Augen steht 21/ Dazu den Fluch/ so mir die Seele trifft22 Und gar ans Hertze geht/ Mein Helffer/ mein Erretter23 Schreib’ eitel Gnaden=Gab’ Jn desk Gewissens Blätter Diel ich zurissen24 hab’. f Bin lebendig und todt] C statt dessen: Ja bin lebendig tod g das] C statt dessen: so h Es] C statt dessen: Und i Ersteh’] C statt dessen: Steh’ auf j C zusätzlich: ! k des] C statt dessen: die l Die] C statt dessen: Welch’ 10 Vgl. Jes 38,14 11 Ps 119,28 12 Vgl. 1Tim 5,6 13 1Petr 1,19 14 Vgl. Mt 26,28; Röm 3,25; Eph 1,7 15 Vgl. Hebr 10,19 16 Hebr 9,14 17 Vgl. Lk 10,34 18 Vgl. Mt 12,36 19 Vgl. Ps 139,5 20 Vgl. Kol 2,14 21 Ex 13,9 22 Vgl. Gal 3,13 23 Ps 40,18 24 zurissen] zerrissen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 737f.
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III. Andächtiges Lied zu Gott
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7. Ach schreib’ hinein Lieb’/ m Hoffnung und Gedult25/ Furcht/ Glauben und Gebet/ Gerechtigkeit/ Vergebung’ aller Schuld Und was sonst gern ich hätt’ Es wird mir doch aus Gnaden Geschencket allzumal26 Mir/ der ich bin beladen Mit Sünden ohne Zahl27. | 8. Du Weinstock du28/ dun außerleßner Zweig Ach blühe doch in mir Und mache mich von edlen Früchten reich29 Vertreibe für und für Das Gifft der HellenSchlangen30 Den Hertzwurm der mich nagt31/ Den Molch der mich gefangen So gar erschrecklicho plagt. 9. O daß bald dochp mein’ arme Seele schmeckt’ Herr deinen Frewden=Wein32/ O daß sie bald dein Gnaden=Honig leckt’ Jch wolte frölichq seyn: Denn wolt’ ich nicht mehr fragen: Was sind der Sünder Strick’?33 Hinweg Furcht/ Angst und Zagen Jetzt spür’ ich Gottes Blickr. 10. Ach laß mein Liecht/ das noch verhanden34 ist35 Als’ Hoffnung/ Glaub’ und Lieb’36 Jm Finstern nicht vergehn durch Satans List37
m /] Fehlt B (Erratum) n du] C statt dessen: mein o So gar erschrecklich] C statt dessen: Und auß der mahssen p bald doch] C statt dessen: doch bald q wolte frölich] C statt dessen: wolt’ erfreüet r Gottes Blick] C statt dessen: Gnadenblikk’ 25 Vgl. 1Thess 1,3 26 Vgl. Röm 8,32 27 Vgl. Ps 38,5 28 Joh 15,1 29 Joh 15,5 30 Vgl. Gen 3,1–14 31 Mk 9,44.46.48 32 Vgl. Ps 34,9 33 Prv 5,22 34 verhanden] vorhanden. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 522. 35 Vgl. Ps 18,29 36 1Kor 13,13 37 Eph 6,11
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Das Dritte Zehn
Daß ich mich nicht betrüb’/ Herr laß es hies auff Erden Erleuchten wie den Blitz Und durch dich fewrig werden Gleich wie der Sonnen Hitz’t,38.u | S. 18
11. Es ist doch nichts so köstlich auff der Welt Es ist kein grösser Schatz Als wer ein gut Gewissen stets behält Der hat im Himmel Platzv Nichts kan mich ja betrüben Jst mein Gewissen froh/ Auch kan mir nichtsw gelieben39 Wenn es nicht istx also.y 12. Was wird mich doch erfrewen/ wenn ich nicht Auch rein von Hertzen bin40/ Was machet mich gerecht wenn meine Pflicht Der Tugend ist dahin? Wer dich Herr Jesu findet Wird durch dein Blut befreyt41/ Jn dir ist bloß gegründet Mein Heyl und Seligkeit42. 13. Ach laß michz doch diß mein Gewissen rein43 Erhalten fort und fort Daß ich nichts leg’ in diß Gefäß’ hinein Als was dein thewres Wort44 Zu legen hat befohlen/ Sonst wird der Leib befleckt 45 Der Geist wird gleich verholen46 Mit a Sünden angesteckt. | s hie] C statt dessen: noch t Hitz’] C statt dessen: Blitz’ (Erratum) u .] B statt dessen: ; v B zusätzlich: : w Auch kan mir nichts] C statt dessen: Nichts kan Mir auch x Wenn es nicht ist] C statt dessen: Jst disem nicht y .] C statt dessen: ? z laß mich] C statt dessen: hilf Mir a gleich verholen Mit] C statt dessen: alß von Kohlen Der 38 Vgl. Lk 11,36 39 gelieben] gefallen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3020. 40 Vgl. Ps 24,4; 73,1 41 Vgl. Gal 5,1 42 Vgl. Hebr 5,9 43 Vgl. Tit 1,15 44 Vgl. 1Tim 1,15 45 Vgl. 2Kor 7,1 46 verholen] verborgen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 549.
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III. Andächtiges Lied zu Gott
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14. Jst doch zugleich der Himmel und die Höll’ Jn meiner Seel’ allhie/ Den Bösen plagt ja sein Gewissen schnell47 Er fühlt es gar zu früe/b Ein jeder kan sich machen Die Höll’ und Himmel beyd’ Angst/c hoffen/ rennen/ lachen/ Glück/ Unglück/ Frewd’ und Leyd.
S. 19
15. Dieweil48 denn ich in diesem Jammerthal49 Muß täglich kämpffen noch50/ | Und was mir sonst auffbürdet mehr für Quaal Der Sünden schweres Joch51/ So hilff O Herr mir siegen/ Daß des Gewissens Schatz Ja nimmer mög’ erligen Auff diesem Tummel=Platz’52,53.
S. 20
16. Herr Jesu hilff d daß ich die süsse Ruh’54 Und wahre Seligkeit Mit grosser Lust hie schmecken mag die du Jn Himmel hälste bereit55/ Herr hilff daß mein Gewissen Hie bleibe sonder 56 Quaal/ Biß ich werd’ hingerissen Jn deinen FrewdenSaal. |
b /] B statt dessen: ! c Angst/] C statt dessen: Auch hälst] C statt dessen: Dort oben hast
d hilff] C statt dessen: gib/
e Jn Himmel
47 Vgl. Röm 2,15 48 Dieweil] während. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 49 Ps 84,7 50 Vgl. Eph 6,12 51 Vgl. Hebr 12,1 52 Tummel=Platz’] Schlachtfeld. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1743. 53 Vgl. 1Kor 9,24 f. 54 Vgl. Hebr 4,9 55 Vgl. Apk 21,4 56 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573.
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Das Dritte Zehn
IV.a
S. 19
Hertzliches Klag = und Trost =Lied/ Einer angefochtenen hochbetrübten Seelen/ so mit Angst und Verzweiffelung ringet b.
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Ammer hat mich gantz umbgeben/ Elend hat mich angethan1/ Trawren heist mein kurtzes Leben2/ Trübsal führt mich auf den Plan3/ Gott der | hat mich gar verlassen4/ keinen Trost weis ich zu fassen5/ hie auff dieser UnglücksBahn. 2. Grausamlich bin ich vertriebenc Von des Herren Angesicht’6 Als’ ich jhn allein zu lieben Nicht gedacht’ an meine Pflicht7/ Drumb muß ich so kläglich stehen/ Doch es ist mir recht geschehen/ Mein Gott rieff/ ich hört’ jhn nicht8.d 3. Ach mein Schifflein wil versincken Recht auff diesem Sünden=Meer Gottes Grimm läst mich ertrincken9 Denn sein’ Hand ist viel zu schwer10/ a IV.] B statt dessen: III. (Erratum) b Hertzliches Klag= und Trost=Lied Verzweiffelung ringet] C statt dessen: Eine Betrachtung der überaußschwehren Anfechtungen/ Mit welchen oftmahls eine Christliche Seele biß auf die eüsserste Verzweifelung wird geplaget/ und waß sie für einen kräftigen Trost in solcher grossen Angst und Jammer mssüe ergreiffen c vertrieben] C statt dessen: getrieben d .] C statt dessen: ! 1 Vgl. Ps 40,13 2 Vgl. Ps 38,7 3 Plan] Platz. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1883 f. 4 Ps 22,2 5 Vgl. Ps 69,21; Thren 1,21 6 Vgl. Ps 31,23 7 Vgl. Dtn 6,5; Mt 22,37 8 Vgl. Jes 65,12; Jer 7,13 9 Vgl. Ps 88,8 10 Ps 32,4
S. 21
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Das Dritte Zehn
Ja mein Schifflein läst sich jagen Durch Verzweifflungs =Angst und Plagen Gantz entanckert11 hin und her.
S. 22
4. Gott hat meine jetzt gar vergessen Weil ich nicht an jhn gedacht12/ Meine Sünd’ hat er gemessen Und mir feindlich abgesagtf,13,14/ | Daß ich ringen muß die Hände Sein Erbarmen hat ein Ende15 Schier16 bin ich zur Hellen bracht. 5. Wo ist Rath und Trost zu finden Wo ist Hülff’ in dieser Noth? Herr/ wer rettetg mich von Sünden Wer erlöset mich vom Tod’? Jch gedencke zwar der zeitenh Da du pflagst17 für uns zu streiten18 Ja zu ziehen aus demi Koht’19.j 6. Aber nun hat sich geendet Deine Lieb’ und grosse Trew/ Ach! Dein Hertz’ ist abgewendet20 Und dein Grimm wird täglich new/ Du bist von mir außgegangen21/ Herrk dein Zorn hält mich gefangen/ Jch verschwinde wie der Sprew22,23. |
e mein] C statt dessen: Mich f mir feindlich abgesagt] C statt dessen: Sich meinen Feind gemacht g rettet] B statt dessen: redet (Erratum) h C zusätzlich: ? (Erratum) i Ja zu ziehen aus dem] C statt dessen: Wen wir lagen gahr im j .] C statt dessen: ! k von mir außgegangen/ Herr] C statt dessen: gahr von Mir gegangen Nur 11 entanckert] ohne bzw. mit gelichtetem Anker. Nicht bei Grimm, DWb. 12 Vgl. Ps 42,10; Jes 17,10 13 mir feindlich abgesagt] sich mir zum Feind erklärt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 47. 14 Vgl. Sir 12,6; Thren 2,5 15 Vgl. Jer 15,6 16 Schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 17 pflagst] pflegtest. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1736. 18 Vgl. Ex 14,14 19 Vgl. Ps 113,7 20 Vgl. Jer 6,8 21 Vgl. Ps 22,2 22 Sprew] Zu ‚Spreu‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 53. 23 Vgl. Ps 1,4
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IV. Hertzliches Klag= und Trost=Lied
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7. Höllen=Angst hat mich getroffen24 Mein Gewissen quälet mich/ Kein’ Erlösung’ ist zu hoffen Jch empfinde Todes=Stich’l Und ein unauffhörlichs Sterben25/ Herr/ ich eile zum Verderben26 Jch vergehe jämmerlich.m
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S. 23
8. Grawen hat mich überfallen Zittern hat mich angesteckt27/ Schwerlich kan ich nunmehr lallen28/ Angst und Furcht hat mich bedeckt Ach! Jch wandel’ jetzt die Strassen Da ich mich muß martern lassen/ O wie wird mein Geist erschreckt!
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9. Wil mir denn kein Trost erscheinen29 Spür’ ich gar kein Gnaden=Liecht? Nein: Vergeblich ist mein weinen Mein Gebet das hilfft mir nicht30 Uber mich verlaßnen Armen31 Wil kein Helffer sich erbarmen32/ Jch bin todt mein Hertz zerbricht!
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Christlicher Trost der angefochte= nen Seelen. |
10. Liebste Seel’ hör’ auff zu schreyen/ Deines Klagens ist zu viel/ Nach dem Trawren kommt das Frewen33 Hertzens=Angst hat auch jhr Ziel34/
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l B zusätzlich: .
m .] C statt dessen: !
24 Ps 116,3 25 Vgl. 1Kor 15,31 26 Vgl. Jes 59,7 27 Vgl. Ps 55,6 28 Vgl. Ps 77,5 29 Vgl. Jes 38,17; Ps 69,21 30 Vgl. Thren 3,8 31 Vgl. Ps 22,2 32 Vgl. Ps 18,42 33 Vgl. Jer 31,13; Joh 16,20 34 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042.
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Das Dritte Zehn
Wechselnn ist beyo allen Sachen Nach dem heulen kan man lachen35 Gott der treibt mit dir sein Spiel. 11. Jst dein Heyland vonp dir gangen Er wird wiederkommen schon Und mit Frewden dich umbfangen36 Recht wie den verlohrnen Sohn37/ Hat dein Liebster dich verlassen38;q Ey er kan dich doch nichtr hassen39 Seine Güt’ ist doch dein Lohn40. 12. Hat dich Gott dahin gegeben Daß dich Satan sichten sol41/ Und das Creutz dich mache beben; Ey er meynt doch alles wol42; Diß sind seiner Liebe Zeichen/ Die doch keiner kan erreichen Wenn er nicht ist Glaubens voll.
S. 25
13. Ob dich dein Gewissen naget Ob dein Geist bekümmert ist/ | Ob der Höllen Furcht dich plaget43 Ob dich schreckt des Teuffels List44; Trawre nicht/ Gott wird es wenden45 Und dir grosse Lindrung senden Wenn du nur gedültig bist46. 14. Moses hat diß auch erfahren Und sein Bruder Aaron47/
n Wechseln] C statt dessen: Wechsel o bey] C statt dessen: in p von] B statt dessen: vor (Erratum) q ;] C statt dessen: ? r doch nicht] C statt dessen: nimmer 35 Vgl. Ps 126,5 f. 36 umbfangen] umarmen. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 865. 37 Vgl. Lk 15,20 38 Vgl. Hld 5,6 39 Eph 5,29 40 Vgl. Eph 2,7 41 Lk 22,31 42 Ps 35,27 43 Vgl. Ps 116,3 44 Vgl. Eph 6,11 45 Vgl. Dtn 30,3 46 Vgl. Sir 2,4 47 Vgl. z.B. Num 20,1–13
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Noah und die mit jhm waren48 Sahen nicht die Gnaden=Sonn/ David49/ Joseph50 und Elias51/ Petrus52/ Paulus53 und Tobias54 Trugen auch jhr Theil davon. 15. Sey zu frieden liebe Seele55 Billich56 trägst du solche Last57/ Hie in dieser Unglücks=Höle Weis man doch von keiner Rast58/ Drumb so stille59 dochs dein Zagen Und bedenck’/ es sind die Plagen Die du längst verdienet hast60. 16. Brausen jetzt die Wasserwogen61; Morgen stillett,62 sich das Meer/ Jst dir heut’ einst63 Frewd’ entzogen; Morgen kommt sie wieder her. | Jst dir aller Trost entgangen; Sey zu frieden64/ dein Verlangen Wird erfüllet ohn Beschweru. 17. Was betrübst du dich mit Schmertzen? Stille doch/ und harr’ auff Gott/ Dancken wil ich jhm von Hertzen65 Daß ich werde nicht zu Spott’ 66 Ob er mich gleich würde tödten Hilfft er mir dennoch aus Nöthen Er der starckerv Zebaoth67.
s doch] C statt dessen: nur t stillet] C statt dessen: ändert nach Begehr v starcker] B statt dessen: starke
u ohn Beschwer] C statt dessen:
48 Vgl. Gen 6–8 49 Vgl. 2Sam 11 f. 50 Vgl. Gen 37 51 Vgl. 1Kön 19,1–4 52 Vgl. Mt 26,34–75 53 Vgl. 2Kor 11,23–27 54 Vgl. Tob 2 55 Ps 116,7 56 Billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 57 Vgl. Thren 3,42 58 Vgl. Jer 45,3 59 stille] laß verstummen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3016. 60 Vgl. Jer 14,7 61 Vgl. Ps 42,8 62 stillet] beruhigt. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3009. 63 einst] einmal. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 305. 64 Vgl. Ps 116,7 65 Vgl. Ps 42,5 f. 66 Vgl. Ps 39,9 67 Vgl. Jer 32,18
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Das Dritte Zehn
18. Herr’ errette mich68 mit Frewden Aus der Höllen Grawsamkeit Hilff mir/ daß ich auch im Leyden Dir zu dienen sey bereit/ Gibst du nur des Geistes Gaben69/ Daß sie mir die Seele laben/ Tret’ ich frölich an den Streit70. |
68 Ps 140,2
69 Vgl. 1Kor 12,4–7
70 Vgl. Hebr 12,1
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V. Sehnliches Verlangen
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Das Dritte Zehn
V.
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Sehnliches Verlangen/
Nach der himlischen und unaußsprechlichen Herrligkeit des zukünfftigen ewigen Lebensa.
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GOtt/ was ist das für ein Leben/ was ist das für ein himmlisch Liecht1?b Dasc du unsd wilt aus Gnaden geben/ wenn wir von dir nur lassene nicht2? Es ist ein Leben sonder3 Tod/ das nimmer weis von Angst und Noth/ es ist ein Leben sonder 4 trauren/ das sol und muß ohn’f Ende tauren5,6. 2. Es ist ein Leben sonder 7 Schmertzen8 Es ist voll hoher Würdigkeit/ Da böse Lust nicht kommt zum Hertzen Da man nicht spüret Zanck noch Streit/ | Ja da man weder Tag noch Nacht Auff Krieg und Unruh’ ist bedacht9/ Da man sich vollenkömmlich10 liebet Und Gott zu loben stetig übet.
a Sehnliches Verlangen ewigen Lebens] C statt dessen: Eine süsse Betrachtung Der himlischen und unaußsprächlichen Herligkeit des zukünftigen ewigen Lebens/ und waß ein rechtschaffener Christ für ein sehnliches Verlangen nach derselben sol haben und tragen b ?] C statt dessen: / c Das] In der Notation des Bassus statt dessen: Daß Ebenso B in der Notation des Bassus und C. d uns] C statt dessen: mir e wir von dir nur lassen] C statt dessen: Jch von dir nur lasse f muß ohn’] Gemäß der Notation des Bassus emendiert aus: muß’ ohn Recte: B, C 1 Vgl. Jes 2,5 2 Vgl. Gen 32,27 3 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 4 sonder] dto. 5 tauren] dauern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 840 und DWb 21, Sp. 185. 6 Vgl. Apk 21,4 7 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 8 Apk 21,4 9 Vgl. Jes 2,4 10 vollenkömmlich] vollkommen. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 696.
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S. 29
Das Dritte Zehn
3. Mein Hertz/ Gott g wallet mir vor h Frewden Jm Fall’11 ich nur gedencke dran/ | Wie deine Klarheit mich bekleiden12 Und deine Lieb’ ergetzen kan/ Wie dürstet mich nach diesem Tranck’13! Jch werde für Verlangen kranck14/ Jch habe Lust diß zu betrachten Und deine Wunder hoch zu achten. 4. Das ist mein’ höchste Frewd’ auff Erden Wenn ich O Herr’ in deiner Gunst So freundlich mag entzucket werden Und fühlen deiner Liebe Brunst15/ Denn bin ich rechter Wollust voll Wenn ich dich Liebster küssen sol16/ So kan ich dir mein armes Leben Und alles was ich hab’ ergeben. 5. Wie bin ich doch so hoch erfrewet Wenn ich nur von diri reden mag/ Wenn meine Seele nach dir schreyet17 Und suchet dich den gantzen Tag18/ Ja wenn ich singen mag von dir O liebster Heyland für und für/ So wündsch ich tausend mal zu stehen Wo dich die Cherubinen sehen19.
S. 30
6. Wenn ich mag täglich etwas lesen Von deiner grossen Herrligkeit/ | So kan mein schwacher Geist genesen20 Der dir zu dienen wird bereit g Mein Hertz/ Gott] C statt dessen: GOtt/ mein Hertz h vor] B statt dessen: mit i nur von dir] C statt dessen: von Dir nur 11 Jm Fall’] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 12 Vgl. 2Kor 3,18 13 Vgl. Apk 22,17 14 Vgl. Hld 2,5; 5,8 15 Brunst] Glut. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 439. 16 Vgl. Hld 8,1 17 Ps 42,2 18 Vgl. Hld 3,2 19 Vgl. 2Kön 19,15 20 Vgl. Ps 80,4
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V. Sehnliches Verlangen 45
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Durch dich O Heyland kan allein Mein Elend mir erträglich seyn21/ Ja wenn ich mich zu dir mag wenden/ So wolt’ ich gern mein Leben enden22. 7. Jch wandle frölich auff derj Awen Die mir dein’ Hand gezeiget hat23/ Da kan ich solche Kräuter schawen Diek auch der Seelen wissen Rath/ Da kost’ ich für dasl Sünden Gifft24 Dein edles Wort/ die werthe Schrifft25/ Die schaffet/ daß all’ Angst verschwindet Und daß mein Geist viel Trost empfindet26. 8. O seligs unbeflecktes27 Lebenm,28 O wunder=süsses Gnaden =reich Wie kanst du so viel Wollust geben Wie machstn du unso den Engeln gleich29! Wie bist du doch ohn’ alle Zeit Beschlossenp mit der Ewigkeit! Wie werd’ ich mit so süssen Weisen Jn dir des höchsten Güte preisen30! 9. O wolteq Gott ich solt’ ablegen Bald meiner Sünden schwere Last31 | Die mir so manche Noth erregen Undr zu verzweifflen treiben fast! O wolte Gott/ ich solte mich Entkleiden durch des Todes Stich Und was ich wündsche mit Verlangen Die Kron des Lebenss,32 bald empfangen.t j der] C statt dessen: den k Die] C statt dessen: Welch’ l das] C statt dessen: der m C zusätzlich: ! n machst] Emendiert aus: magst Erratum auch in B o Wie machst du uns] C statt dessen: Ja machen mich p Beschlossen] C statt dessen: Umbgeben q wolte] B statt dessen: wolt (Erratum) r Und] C statt dessen: Ja s Die Kron des Lebens] C statt dessen: Die Himmels Krohne t .] C statt dessen: ! 21 Vgl. 1Kor 10,13 22 Vgl. Phil 1,23 23 Vgl. Ps 23,2 24 für das Sünden Gifft] anstatt des Sündengifts. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 623. 25 Vgl. 1Tim 1,15; 4,9 26 Vgl. Röm 15,4 27 Hebr 4,15 28 Joh 11,25; 14,6 29 Lk 20,36 30 Vgl. Apk 4,11 31 Ps 38,5 32 Jak 1,12; Apk 2,10
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S. 32
Das Dritte Zehn
10. O daß ich von der Hand des Herren Solt’ ewiglich begabet seyn/ Jch wolteu meinen Mund auffsperren Und mit den schönen Geisterlein | Ohn’ Ende singen frisch allda33 Daß Frewdenreich’ Alleluja34/ Denn wolt’ ich Stimm und Schrifft verblümen35 Des Herren Güt’ alleinv zu rühmen36. 11. Herr Jesu laß mich ewig stehen Bey deiner außerwehltenw Schaar/ Herr Jesu laß mich frölich sehen Dein göttlichs Antlitz jmmerdar37/ Mein Heyl38/ mein Trost39/ mein Zuversicht 40 Komm/ zeige mir dein klares Liecht 41/ Herr hilff und laß mich überwinden Den Himmel und dich selbst zu finden 42. |
u Jch wolte] C statt dessen: Wie wolt’ Jch B statt dessen: außerwahlten (Erratum)
v allein] C statt dessen: und Treü
w außerwehlten]
33 Vgl. Apk 4,8; 15,1–4 34 Vgl. Apk 19,1 35 verblümen] mit Redefiguren schmücken. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 146. 36 Vgl. Ps 57,10f. 37 Vgl. 1Kor 13,12; Hiob 33,26 38 Vgl. Ex 15,2; Ps 27,1 39 Vgl. Ps 73,26 40 Vgl. Ps 46,2 41 Vgl. Apk 22,5 42 Vgl. Apk 21,7
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VI. Andächtiges Gebet zu Gott
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VI.
S. 31
Andächtiges Gebet zu Gott/ a
Umb Verschmähungb derc Welt und aller dero = selbend Eitelkeiten1.
W
S. 33
Je bin ich doch so gar betrübet2/ O Jesu Glantz der Herrligkeit3/ Daß ich die Welt so sehr geliebet4/ allhie in dieser Gnadenzeit5/e Was war es | doch daß ich so hoch/ dem Himmel gleich geschätzet/ ja überf Gott gesetzet.g 2. Ein Blümlein war es aus dem Garten Ein Gräßlein das verdorren muß6/ Ein Schatten der ja nicht kan warten7 Ein schwartzer Pful voll Uberdruß Ein lauter8 Koth9 Ein steter Tod10 Ein Rauch/ den man kaum findet11/ Ein Wort/ das schnell verschwindet12.
a Andächtiges] C statt dessen: Ein andächtiges b Verschmähung] Emendiert aus: Verschmähuug Recte: B, C c der] C statt dessen: diser d deroselben] C statt dessen: in derselben fürhandenen flüchtigen e /] C im Cantus statt dessen: ! In der Notation des Bassus und im Text statt dessen: ? f über] C statt dessen: fast für g .] C statt dessen: ? 1 Rist verwendet hier als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein III, 1, S. 186–188 (mit der Überschrift „Gebett vmb die verschmähung der Welt.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 512–515. 2 Vgl. Ps 43,5 3 Hebr 1,3 4 Vgl. 1Joh 2,15 5 Vgl. 2Kor 6,2 6 Vgl. Jes 40,6 f.; 1Petr 1,24 7 Vgl. 1Chr 29,15; Koh 6,12 8 lauter] bloßer. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 9 Vgl. Sir 10,10 10 Vgl. 1Kor 15,31 11 Vgl. Ps 102,4; Jak 4,14 12 Ps 90,9
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VI. Andächtiges Gebet zu Gott
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3. Ach! daß ich mich so sehr bemühet Umb Ehr’ und Gut so länger nicht Als ein vergänglichs Kräutlein blüheth Das schneller als’ ein Glaß zubricht13! Ach daß ich mich So jämmerlich Umb eitles Thun gequelet Und doch nur Staub erwehlet14! 4. Wo ist desi Salomons sein’ Ehre Wo istj sein Königlicher Pracht15,16? | Sein Abscheid17,18 gibt uns diese Lehre: Daß man das Eitle rechtk verlacht/ Die Herrligkeit Jn dieser Zeit Kan keiner jhm ersparenl/ Sie wird unsm nicht nachfahren. 5. Geehret seyn vor Menschen Augen Das daurt nur einen kurtze Zeit; Vor Gott dem Schöpffer etwas taugen Das nützet biß in Ewigkeit. Es hilfft dich nicht Daß mancher spricht: Der hat viel Ehr’ auff Erden; Muß er doch Asche werden19. 6. Nach dieser Ehr’ Herr laß mich trachten20/ Daß ich nur dir gefällig sey Und könne gantz die Welt verachten21 h blühet] Gemäß B, C emendiert aus: blüht i ist des] C statt dessen: schwebt itz j ist] C statt dessen: blieb k Eitle recht] Gemäß C emendiert aus: eitle Recht Erratum auch in B l jhm ersparen] C statt dessen: sich gantz sparen m uns] C statt dessen: Jhm n eine] B statt dessen: ein (Erratum) 13 zubricht] zerbricht. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 14 Vgl. Koh 3,20 15 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 16 Vgl. Mt 6,29 17 Abscheid] Abschied. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 96. 18 Vgl. 1Kön 11,31–43 19 Vgl. Hiob 34,15; Ps 103,14 20 Vgl. Kol 3,2 21 1Joh 2,15
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S. 35
Das Dritte Zehn
Die nichts nichto hat als Teuscherey | Ja schnöde Welt Dein Gut und Gelt Das kan mich nicht bewahren Wenn ich von dir sol fahren22. 7. Herr Jesu laß mich willig tragen Hie deine Schmah’p,23,24 auff daß ich dort Geführet auff Elias Wagen25 Jn Frewden lebe fort und fort/ O trewer Gott26 Dein Hohn und Spott27 Sey lieber mir im Leben Als was die Welt kan geben. 8. Was wird mir aller Reichthumb nützen Wenn ich die Welt verlassen sol? Mich kan kein Gold noch Silber schützen28 Hätt’ ich gleich tausend Kasten voll Herr wenn duq mich Nur gnädiglich Die TodesBahn wirst führen So kan michr nichts verlieren.
S. 36
9. Dich wil ich mir allein behalten O Gott du bist das wahre Gut29 Dein Gnadenfewr kan nicht erkalten Es wärmet Leben/ s Hertz und Muth | Die Seligkeit Gerechtigkeit Vergebung meiner Sünden Sind all’ in dir zu finden. o nichts nicht] C statt dessen: nichtes p Schmah’] B, C statt dessen: Schmach q Herr wenn du] C statt dessen: Wen Du Herr r mich] C statt dessen: Jch s Es wärmet Leben/] C statt dessen: Ach es erwärmet 22 Vgl. Mt 16,26 23 Schmah’] Schmach. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 877. 24 Hebr 13,13 25 Vgl. 2Kön 2,11f. 26 Ps 31,6 27 Ps 44,14 28 Vgl. Ez 7,19; Zeph 1,18 29 Vgl. Ps 16,2
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VI. Andächtiges Gebet zu Gott
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10. Was jrrdisch heist/ muß doch hie bleiben Und endlich mit der Welt vergehn/ Was solt’ ich denn daran bekleiben30 Was solt’ ich nach dem Schatten sehn? Und hätt’ ich gleich Ein solches Reich Als’ ehmals Alexander31 Hie bleibts docht mit einander. 11. Jm Himmel ist mir auffgehoben Ein ewigs unverweßlichs Theil32,33 Ein frewdigs unauffhörlichs Loben Ein unbeflecktes Erb’34 und Heyl/ Die Lust allhie Jst gäntzlich wie Starcku Gifft/ so wir das essen Wird Gott dadurchv vergessen. 12. Die Welt gibt nichts als lauter Grämen35 Als früe Schmertzen/ späte Reü Auch so/ daß wir uns müssen schämen Der vielen Sünd und Büberey 36/ | Da kommt hernach Noth/ Weh’ und Ach/ Da folget Heulen/ Klagen Sampt tausend andern Plagen37.
t bleibts doch] C statt dessen: Lass’ Jchs u allhie Jst gäntzlich wie Starck] C statt dessen: der Welt Jst hier bestelt Wie v Gott dadurch] C statt dessen: Gottes leicht 30 bekleiben] anwachsen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1419. 31 Alexander] Gemeint ist Alexander d. Gr. (356–323 v. Chr.), seit 336 König von Makedonien. 32 Theil] Erbteil. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 353. 33 Mt 19,21 34 1Petr 1,4 35 Vgl. Koh 2,23 36 Büberey] Frevel. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 465. 37 Vgl. Mt 8,12; 13,42
S. 37
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Das Dritte Zehn
13. Ach mein Herr Jesu laß mich haben An dir allein mein’ höchste Lust So wird mich Freüd’ ohn’ Ende laben38 Die Gottes Kindern39 ist bewust/ Laß mehr undw mehr Mein Lob und Ehr’ Allein an deiner kleben Nur sie kan mich erheben. 14. Ach soltest du mein Reichthumb heissen So hätt’ ich gnug in dieser Zeit Wie trefflich wolt’ ich mich befleissenx,40 Zu nennen dich mein’ Herrligkeit41 Herr du bist mir Gold und Saphir Pracht/ Ehr’ undy himlisch Wesen42/ Dein’ Handz läst mich genesen.
S. 38
15. Jn dir hab’ ich viel bessre Güter Als’ in der Welt ich lassen muß/ Du bist mein Schatz du Seelen=Hüter43 Bey dir ist rechtera überfluß44 | Und ob mir gleich Der Groß’ und Reich’ Allhie viel Spott zufüget45 Leb’ ich doch wol vernügetb,46.
w mehr und] C statt dessen: immer x befleissen] B statt dessen: befleisseu (Erratum) y Pracht/ Ehr’ und] C statt dessen: Ja recht ein z Dein’ Hand] C statt dessen: Und das a rechter] C statt dessen: reicher b vernüget] B, C statt dessen: vergnüget 38 Vgl. Ps 37,4 39 1Joh 3,1 40 befleissen] befleissigen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1265. 41 Vgl. Kol 1,27 42 Vgl. Eph 2,6 43 Vgl. Ps 121,7 44 Vgl. Dtn 28,11 45 Vgl. Ps 119,51 46 vernüget] zufrieden. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 926.
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VI. Andächtiges Gebet zu Gott
16. Jn dir allein’ hab ich den Segen Ob gleich die Welt mich gar verflucht/ Was ist mir denn an jhrc gelegen Wenn mich der Segen selber sucht? Allein zu dir Steht mein Begier47 Du wirst zum FreüdenLeben Herr Jesu mich erheben48. |
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c denn an jhr] C statt dessen: an der Welt 47 Vgl. Ps 73,25
48 Vgl. Röm 8,17
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Das Dritte Zehn
VII. Christliche Betrachtung/ Der Unschuld
233
VII.
S. 39
Christliche Betrachtung/
Der Unschuld des HErrn Jesu und der rechten Ursachen seines bittern Leydens und Sterbensa.
O
Jesu unbeflecktesb Lamb1/ du meiner Seelen Bräutigamb2/ was hast du doch verschuldet? O frommes gütigs Knäbelein3/ wie/ daß du solche Noth und Pein/ auff Erden hast erduldet?4 Wer war doch Ursach’ O mein Leben/ daß man dich must’ ans Creutz erheben?5
S. 40
S. 41
2. Jch macht’ es O Herr Jesu Christ Daß du so sehr gemartert bist Jch schlug dir deine Wunden/ | Jch bin das Laster deiner Straff’ Und du Oc allerliebstes Schaf 6 Bist sonder7 Schuld gefunden8/ Jch schaffted deinem frommen Hertzen So grosse Pein und Todes Schmertzen. | 3. O Wunder Art! der bößlich9 lebt Der Tag und Nacht in Sünden schwebt
a Christliche Betrachtung und Sterbens] C statt dessen: Ein Passionsgesang/ Jn welchem uns die Person/ so für uns/ wie den auch die Uhrsachen solches bittern Leidens und Sterbens unsers liebsten Heilandes JEsu Christi andächtig zubetrachten werden fürgestellet b unbeflecktes] C statt dessen: nie beflektes c O] C statt dessen: Mein d schaffte] C statt dessen: schaffe 1 1Petr 1,19 2 Vgl. Mt 9,15 3 Vgl. Jes 9,5; Lk 2,11 4 Vgl. Jes 53,4; Mt 27,26–50 5 Vgl. Mt 27,35; Joh 3,14 6 Vgl. Jes 53,7; Joh 1,29 7 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 8 Vgl. Hebr 4,15 9 bößlich] böse. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 260.
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VII. Christliche Betrachtung/ Der Unschuld
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Weis nichts von Straff und Plagen/ Und du Herr Jesu frommer Knecht10/ Gehorsam11/ heilig12 und gerecht13 Wirst jämmerlich zerschlagen/ Was Adams Kinder je begangen/ Dafür hast du die Straff’ empfangen14.
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4. Wie ist doch Herr’ hie in dere Zeit Gewachsen deine Miltigkeit Wie hast du dich geneiget15! Jmmanuel16 wie hast du dich Den Sündern so gantz gnädiglich Aus lauter17 Lieb’ erzeiget18! Wie bist du doch für jhren Orden19 Die Straff’ und Fluch allein geworden?20
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5. Hab’ ich das Ubel doch gethan/ Was nimmst dennf du die Striemen an21 Ja wilst getödtet werden? Voll Ehrgeitz war mein stoltzer Sinn/ Du hälstg für mich den Rücken hin22/ Da schlägt man dich zur Erden;h Dein Hunger machte mich genesen Weil ich so fressig23 bin gewesen. |
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6. Des Adams ungezähmte Lust Diei dir in mir auch ist bewust Hat leider mich getrieben Daß ich gantz frech zum Baum’ hin kam
e ist doch Herr’ hie in der] C statt dessen: hoch ist doch in diser f Was nimmst denn] C statt dessen: Warum nimst g hälst] C statt dessen: legst h ;] B statt dessen: : i Die] C statt dessen: So 10 15 18 21
Vgl. Jes 53,11 11 Vgl. Phil 2,8 12 Vgl. Hebr 7,26 13 Vgl. 1Petr 3,18 14 Vgl. Jes 53,5 Vgl. Phil 2,7f. 16 Jes 7,14; Mt 1,23 17 lauter] reiner. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. Vgl. 1Joh 4,10 19 Orden] Ordnung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317. 20 Vgl. Gal 3,13 Vgl. Mt 27,26 22 Vgl. Jes 50,6 23 fressig] gefräßig. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 138.
S. 42
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Das Dritte Zehn
Und die verbotne Frucht annahm24;j Dich treibtk das edle lieben25 Biß an den Berg/ da du gefangen26 An einen Baum bist auffgehangen27. 7. Jch such’ O Herr zu allerl Zeit Des Lebens eitle Süssigkeit;m Du schmeckest nichts als Gallen28/ Die Wollust reisset mich dahin/ Mein Fleisch dem’ ich gehorsam bin Läst mich in Sünde fallen29;n Und du mit Nägleno gantz durchschlagen30 Must unerhörte Schmertzen tragen31. 8. Wie sol ich doch O grosser Gott32 So viel Verachtung/ Hohn und Spott33 Angst/ Marter/ Schläg34 und Schelten Schmach35/ Striemen/ Wunden/ Beulen/ Blut36 Mit Danck’ erkennen/ höchstes Gut Wie sol ichs dirp vergelten? Ach/ solcher Danck kan hie auff Erden Doch nimmermehr gefunden werden37. | 9. Ein eintzigs geb’ ich deinerq Trew’ Als rechte Buß’ und wahre Rew’ Ein dir gefälligs Leben. Diß wird Herr Jesu dirr allein Ein angenehmess Opffer seyn38:
S. 43
j ;] B statt dessen: ! k treibt] C statt dessen: trieb l zu aller] C statt dessen: zur jeden m ;] B statt dessen: : n ;] B statt dessen: ! o mit Näglen] C statt dessen: mi tNäglen (Erratum) p ichs dir] B statt dessen: Jch dirs q deiner] C statt dessen: Dir auf r Diß wird Herr Jesu dir] C statt dessen: Den diß Herr Jesu wird s Ein angenehmes] C statt dessen: Dir ein behäglichs 24 28 33 37
Vgl. Gen 3,6 25 Vgl. Joh 3,16; Hos 11,8 26 Vgl. Mt 26,47–56 27 Vgl. Mt 27,31–50 Vgl. Mt 27,34 29 Vgl. Röm 7,25 30 Vgl. Mt 27,33–36 31 Vgl. Jes 53,4 32 Ps 95,3 Vgl. Mt 27,27–30 34 Vgl. Jes 53,5.7 35 Vgl. Hebr 11,26; 13,13 36 Vgl. Mt 27,26.50 1Thess 3,9 38 Vgl. Röm 15,16
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Der Bößheit widerstreben/ Zu Creutzigen das Fleisch dermassen39 Daß man sich gantz muß dir gelassen40,41. 10. So wird der schwere Sünden=Krieg Gedämpffet durch des Geistes Sieg42 So wird das Fleisch bezwungen43/ So wird vertrieben Angst und Noth/ Verfolgung/ Trübsal/ ja der Tod44 Mit welchent du gerungen45. So kan man alles überwinden46 Und wahre Ruh’ im Hertzen finden47. 11. Herr Jesu deine Süssigkeit Die für die Sünder ist bereit Geuß mir in meine Wunden/ Wenn die nur recht den Schaden trifft So wird der alten Schlangen48 Gifft Jn mir nicht mehr gefunden/ | So kan ich Herr der Menschenu Sachen Und allev Wollust leicht verlachen. 12. Laß ja den Reichthumb dieser Welt Und was man sonst für köstlich hält Mein Hertz nicht von dirw kehren/ Verleyhe mir nur gnädiglich Daß ich gar nichts müg’ über dich Jn dieser Zeit verehren49. Dein Blut Herr Jesu/ kanx mich laben/ Nur das/ nichts andersy wil ich haben50. |
t welchen] B, C statt dessen: welchem u Herr der Menschen] C statt dessen: Menschen Witz und v Und alle] C statt dessen: Samt aller w nicht von dir] C statt dessen: von dir nicht x kan] C statt dessen: sol y Nur das/ nichts anders] C statt dessen: Nichts bessers kan und 39 Gal 5,24 40 gelassen] lassen, überlassen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2864. 41 Vgl. Ps 73,25 42 Vgl. Röm 8,2 43 Vgl. Gal 5,16–18 44 Vgl. Röm 8,35 45 Lk 22,44 46 Vgl. Röm 8,37; 1Joh 5,4 47 Vgl. Jer 6,16; Mt 11,29 48 Apk 20,2 49 Vgl. Mt 6,19–21 50 Vgl. Ps 73,25
S. 44
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Das Dritte Zehn
VIII.
S. 45
Christliches Abend=Lied/
Sich dem Schutz des Allerhöhesten zu befehlena.
W
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Erde munter mein Gemüte1/ vnd jr Sinne geht herfür/ Daß jhr preiset Gottes Güteb,2/ diec er hatd gethan an mir/ dae er mich den gantzen Tag/ für so mancher schweren Plag’/ hat erhalten und beschützet/ daß mich Satan nicht beschmitzet3. 2. Lob und Danck sey dir gesungen4 Vater der Barmhertzigkeit5 Daß mir ist mein Werck gelungen Daß du mich für allem Leyd’ | Und für Sünden mancher Art So getrewlich hast bewahrt Auch die Feind’ hinweg getrieben6 Daß ich unbeschädigt blieben. 3. Keine Klugheit kan außrechenf,7 Deine Güt’ und Wunderthat8 | a Christliches Abend=Lied zu befehlen] C statt dessen: Ein Abendgesang/ Mit welcher sich ein jedweder frommer Christ/ wen Er sich zur Ruhe wil legen/ der gnädigen Obhuht und väterlichen Beschirmung des Allerhöchsten kan befehlen b Güte] Gemäß der Notation des Bassus emendiert aus: Gute Recte: B, C c die] C statt dessen: Welch’ d er hat] B statt dessen: Jhr habt (Erratum). In Notation des Cantus und Bassus recte. e da] C statt dessen: Alß f außrechen] C statt dessen: verstehen 1 Vgl. Ps 57,9 2 Ps 63,4 3 beschmitzet] beschmutzt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1585. 4 Vgl. Ps 147,7 5 2Kor 1,3 6 Vgl. Ps 44,8 7 außrechen] ausrechnen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 929. 8 Ps 107,8
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Das Dritte Zehn
Ja kein Redner kan außsprecheng,9 Was dein’ Hand erwiesen hat/ Deiner Wolthat ist zu viel10 Sie hat weder Maaß noch Ziel11 Jah du hast mich so geführet Daß kein Unfall12 mich berühret13. 4. Dieser Tag ist nun vergangen Die betrübte Nacht brichti an/ Es ist hin der Sonnen prangen14 So j uns all’ erfrewen kan/ Stehe mir O Vater bey15/ Daß dein Glantz stets vor mir sey Und mein kaltes Hertz erhitze Wenn ich gleich im Finstern sitze16. 5. Herr verzeyhe mir aus Gnadenk Alle Sünd und Missethat Die mein armes Hertz beladen Und so gar vergifftet hat/ Daß auch Satan durch sein Spiell Mich zur Hellen stürtzen wil/ Da kanst du allein’ errettenm,17/ Straffe nicht mein Ubertretten18.
S. 48
6. Bin ich gleich vonn dir gewichen/ Stell’ ich mich doch wieder ein19/ | Hat uns doch dein Sohn vergliechen20 g Redner kan außsprechen] C statt dessen: Menschenkind kan sehen h Ja] C statt dessen: Herr i bricht] B statt dessen: geht j So] C statt dessen: Welch’ k Herr verzeyhe mir aus Gnaden] B statt dessen: Herr verzeih mir auß Genaden l durch sein Spiel] C statt dessen: böß’ und still m Da kanst du allein’ erretten] C statt dessen: Aber Herr du kanst Mich retten n von] B statt dessen: vor 9 Ps 106,2 10 Vgl. Ps 116,12 11 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 12 Unfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 13 Vgl. Ps 143,10 14 prangen] Glanz. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2067. 15 Vgl. Ps 109,26 16 Vgl. Ps 112,4; Mt 4,16 17 Vgl. Ps 40,18 18 Vgl. Ps 6,2 f. 19 Vgl. Lk 15,11–21 20 vergliechen] zur Übereinstimmung gebracht, hier: (mit Gottvater) versöhnt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 451.
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VIII. Christliches Abend=Lied
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Durch sein’ Angst und TodesPein21/ Jch verläugne nicht die Schuld22/ Aber deine Gnad’ und Huld Jst viel grösser als die Sünde23 Dieo ich stets in mir befinde. 7. O du Liecht der frommen Seelen O du Glantz der Ewigkeit24/ Dir wil ich mich gantz befehlen25 Diese Nacht und allezeit/ Bleibe doch mein Gott bey mir Weil es nunmehr tunckel schier26,27/ p Da ich mich soq sehr betrübe/ Tröste mich mit deiner Liebe. 8. Schütze mich fürs Teuffels Netzen28 Für der Macht der Finsternis29/ Die mir manche Nacht zusetzen30 Und erzeigen viel Verdrieß/ Laß mich dich O wahres Liecht31 Nimmermehr verlieren nicht/ Wenn ich dich nur hab’ im Hertzen32 Fühl’ ich nicht der Seelen Schmertzen. | 9. Wenn mein’ Augen schon sich schliessen Und ermüdet schlaffen ein/ Muß mein Hertz dennoch gefliessen Und auff dich gerichtet seyn33/ Meiner Seele mit Begier Träume stets O Gott von dir/ Daß ich fästr an dir bekleibe34 Und auch schlaffend dein verbleibe. o Die] C statt dessen: Welch’ statt dessen: fast (Erratum)
p Da] C statt dessen: Und
q so] C statt dessen: drob
S. 49
r fäst] B
21 Vgl. Lk 22,44 22 Vgl. Ps 32,5 23 Vgl. Röm 5,20 24 Vgl. Jes 60,19 25 Vgl. Ps 31,6 26 tunckel schier] gar dunkel. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 26. 27 Vgl. Lk 24,29 28 Vgl. 2Tim 2,26 29 Vgl. Lk 22,53 30 Vgl. Ps 91,5 f. 31 Vgl. Joh 8,12; 9,5 32 Vgl. Ps 73,25 33 Vgl. Hld 5,2 34 fäst an dir bekleibe] an dir festwachse. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1419.
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Das Dritte Zehn
10. Laß mich diese Nacht empfinden Eine sanfft’ und süsse Ruh’/ Alles Ubel laß verschwinden Decke mich mit Segen zu35/ Leib und Seele/ Muth und Blut/ Weib und Kinder/ Haab’ und Gut/ Freunde/ Feind’ und Haußgenossen Seyns in deinen Schutz geschlossen.
S. 50
11. Ach bewahre mich für Schrecken Schütze mich für Uberfall36/ Laß mich Kranckheit nicht auffwecken/ Treibe weg des Krieges=Schall/ Wende Fewr und WassersNoth37/ Pestilentz und schnellen Tod38/ | Laß mich nicht in Sünden sterben Noch an Leib’ und Seel verderben 39. 12. O du grosser Gott 40 erhöre Was dein Kind41 gebeten hat/ Jesu den ich stets verehre Bleibe ja mein Schutz und Raht 42/ Und mein Hort43 du wehrter Geist Der du Freünd und Tröster 44 heißt Höre doch mein sehnlichs Flehen 45/ Amen/ ja/ das sol geschehen. |
s Seyn] B, C statt dessen: Sind 35 Vgl. Ps 91,4 36 Vgl. Ps 91,5f. 37 Vgl. Jes 43,2 38 Vgl. Ps 91,6 39 Vgl. Mt 10,28 40 Ps 95,3 41 Vgl. Gal 3,26 42 Jes 9,5 43 Ps 18,3; 71,3 44 Vgl. Joh 14,16 45 Ps 143,1
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IX. Andächtige Hertzen=Seufftzer zu Gott
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Das Dritte Zehn
IX.
S. 51
Andächtige Hertzen=Seufftzer zu a
Gott/ umb ein seliges Ende. Dieses Lied kan auchb in sehr schwerenc Kranck= heiten gesungen oder gebetet werden.
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Gott der du mit grosser Macht/ beherrschest Todt und Leben/ der du zur Welt uns hast gebracht1/ ja Seel’ und Leib gegeben/ der du uns thust das allerbest/ und auch died Menschen sterben läst2/ Soe hie auff Erden schweben.
2. Dich ruff’ ich an mein Auffenthalt3 Der du mir hilffst von Sünden4 | Und heilest meine Schwacheit bald5 Daß sie nicht mehr zu finden/ Mein bleicher Mund der seufftzet sehrf/ Doch kommt es aus dem Hertzen her Und ist nicht außzugründen6. |
S. 52
3. Ach Herr ich bin jetzt hefftig kranck7 Die Stärck’ ist mir verschwunden8/ Es hilfft mir weder Kraut noch Tranck Die Zung ist mir gebunden/
S. 53
a Andächtige] C statt dessen: Begreiffet Andächtige b Dieses Lied kan auch] C statt dessen: Es kan auch dises Lied c sehr schweren] C statt dessen: schwehr und tödtlichen d uns thust das allerbest/ und auch die] C statt dessen: noch täglich thust das Best’/ Auch alle e So] C statt dessen: Welch’ f sehr] C statt dessen: schwehr 1 Vgl. Ps 22,10 2 Ps 90,3 3 Vgl. Ps 28,1 7 Vgl. Ps 38,4 8 Vgl. Ps 38,11
4 Vgl. Ps 39,9
5 Vgl. Ps 103,3
6 Vgl. Jer 17,9
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Das Dritte Zehn
Mein Fleisch verwelcket wieg ein Laub Jch bin vertrocknet wie der Staub9 Der Fewr und Hitz’ empfunden. 4. Gleich wie der Wind von hinnen fährt So muß auch ich vergehen10/ Dein Odem hat mich gantz verzehrt11 Jch kan ja nicht mehr stehen/ Du gibst mir einen harten Blick/ Ach Herr’ ich kan ja nicht zurück’ Es ist umb mich geschehen. 5. Doch so du wilt Herr12/ kanst du wol Mich auch vom Todt erretten13 Dein Hertz’ ist ja der Liebe voll14 Du läst nicht untertreten15 Den/ der auff dich nur ist verpicht16/ Jch weis mein Gott du läst mich nicht17/ Dash darff ich kühnlich wetten18.
S. 54
6. Jnmittelst19 geb’ ichs gantz und gar Dir Herr in deine Hände20/ | Hilff/ daß die Kranckheit und Gefahr Zu rechter Zeit sich wende21/ Doch wündsch’ ich mir in dieser Noth Das Leben nicht/ auch nicht den Tod/ Gib nur ein seligs Ende. 7. Jch weiß zwar/ daß ich auch einmal Wie alles Fleisch muß sterben22/
g wie] C statt dessen: alß h Das] B statt dessen: Des 9 Ps 22,16 10 Ps 78,39 11 Vgl. Hiob 4,9 12 Mt 8,2 13 Hos 13,14 14 Vgl. Joh 3,16 15 untertreten] besiegt werden. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1878. 16 auff dich ist verpicht] auf dich erpicht, nach dir versessen ist. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 959. 17 Vgl. Jos 1,5 18 Das darff ich wetten] darauf darf ich wetten. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 692 f. 19 Jnmittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 20 Ps 31,6 21 Vgl. Ex 23,25 22 Vgl. Hebr 9,27
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IX. Andächtige Hertzen=Seufftzer zu Gott 45
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Wenn ich die alte Schuld bezahl’23 Und dieses muß verderben Was Leib/ Haut/ Bein und Adern heist/ Doch sollsi hernach/ wiej auch sein Geist Das Himmelreich ererben24. 8. Was find’ ich doch auff dieser Welt Das köstlich zu erkennen/k Was sol mir das verfluchte Geld Als mich von Gott zul trennen?25 Jst doch diß kurtze Leben26 fast Kein Leben/ jam des Todes Last Wil ich viel eh’27 es nennenn. 9. Muß doch der Mensch die meiste Zeit Jm Creutz und Noth zu bringen/ Das ist ja viel ein schwerer Streit28 Als in sein Grab sich schwingen29/ | Es ist bey weitem nicht so arg Wenn uns der Todt legt in den Sarg Als stets die Hände ringeno,30. 10. Hie reitzet uns des Fleisches Lust31 Undp bahnt den Weg zur Hellen/ Dort ligt des Teuffels List32 und Wuhst/ Ein Netz uns auffzustellen33/ Hie pflegt die Welt sampt jhrer Schaar Uns offt zu stürtzen in Gefahr Und tausend Unglücks Wellen.
i Doch solls] C statt dessen: Diß sol j wie] C statt dessen: alß k zu erkennen/] C statt dessen: sei zu nennen? l zu] C statt dessen: nur m ja] C statt dessen: nur n Wil ich viel eh’ es nennen] C statt dessen: Dafür wil Jchs erkennen o ringen] Gemäß C emendiert aus: riegen Erratum auch in B p Und] C statt dessen: Das 23 Vgl. Röm 6,23; 1Kor 15,22 24 Vgl. 1Kor 15,49 f. 25 Vgl. Mt 6,24 26 Vgl. Sap 2,1 27 viel eh’] viel eher. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 36. 28 Vgl. Hiob 7,1 f. 29 sich schwingen] sich bewegen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2700. 30 Vgl. Hiob 7,16 31 Vgl. 1Joh 2,16 32 Vgl. Eph 6,11 33 Vgl. 2Tim 2,26
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Das Dritte Zehn
11. Hie herrschet gantzq der Spötter Hand34/ Dort plagt uns das Gewissen/ Hie frist der Krieg das arme Land/ Dort wird die Stadt zerrissen/ Bald folgt die Thewrung/ bald die Pest Und was sich sonst nicht zehlen läst Das kommt auff einen Bissen35. 12. Demnach begehr’ ich länger nicht Diß Elend hie zu schmecken36/ Dieweil37 demselben wol geschicht38 Der säuberlich sich decken Und in der Erde ruhen mag39 Biß daß anbricht der grosse Tag40 Da Gott uns wird erwecken41. | S. 56
13. Herr/ meinen Geist befehl’ ich dir 42 Jm Leben und im Sterben Nur wie du wilt/ geschehe mir 43/ Doch laß mich nicht verderben44/ Hilff mir der ich inr deiner Hut Mich halte/ durch dein thewres Blut 45 Das Himmelreich ererben46. 14. Gib meiner Seelen Stärck’ und Krafft Daß ich den Todt verlache47/ Gib daß mich deiner Wunden Safft Am End’ auch frölich mache 48/ Schleuß selber mir die Augen zu Unds hilff daß ich nach sanffter Ruh’ Am grossen Tag’49 erwache. | q gantz] C statt dessen: stark r in] Gemäß C emendiert aus: ich B statt dessen: stets s Und] C statt dessen: Herr 34 Vgl. Jes 28,14 35 auff einen Bissen] auf einmal. Nicht bei Grimm, DWb. 36 Vgl. Hiob 7,16 37 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 38 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838. 39 Vgl. Apk 14,13 40 Vgl. Joel 3,4; Apg 2,20 41 Vgl. Joh 6,39 42 Vgl. Ps 31,6 43 Vgl. Mt 6,10 44 Vgl. Ps 25,20 45 1Petr 1,18 f. 46 Vgl. Mt 25,34 47 Vgl. 1Kor 15,55 48 Vgl. Hebr 10,19 49 Joel 3,4; Apg 2,20
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X.
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Hertzliches Verlangen/
Nach dem himlischen Jerusalem/ und Erzeh= lung der grossen unaußsprechlichen Herrligkeit desselbena.
O
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Gottes Stadt1/ O himmlischb Liecht/ O grosse Freüd’ ohn’ Ende2/c Wenn schaw ich doch dein Angesicht3/ wenn küß’ ich dird die Hände/e wenn schmeck’ ich deine grosse Güte4/f O Lieb es brennet mein Gemüte/ ich lig’ und seufftzeg mit Begier/ O allerschönste Braut5 nach dir.h 2. Wie bist du dochi so trefflich schön/ Weiß/ zierlich/ sonder 6 Mackelj,7 Wie gläntzend bist du anzusehnk Du Sions güldne Fackel!8 | Du edlel Tochter unsers Fürsten 9 Nach deiner Liebe muß ich dürsten Der König selbst hat grosse Freüd’ An deiner werthen Liebligkeit.
a Hertzliches Verlangen Herrligkeit desselben] C statt dessen: Ein Freüden= und Lobgesang/ Jn welchem uns die unaußsprächliche Herligligkeit des himlischen Jerusalems/ und ferner der gläubigen Seelen hertzinnigliches Verlangen nach derselben außführlich wird beschrieben b himmlisch] C statt dessen: güldnes c /] C in der Notation des Cantus und Bassus statt dessen: ! d dir] C in der Notation des Bassus statt dessen: doch (Erratum) e /] C statt dessen: ? f /] C statt dessen: ? g ich lig’ und seufftze] C im Text statt dessen: Da lig’ Jch und seüftz’ Jch (Erratum) h .] C in der Notation des Cantus und Bassus statt dessen: ! i doch] C statt dessen: nun j C zusätzlich: ? k anzusehn] C statt dessen: doch zusehn l edle] C statt dessen: schönste 1 Ps 46,5 2 Vgl. Jes 65,18 3 Ps 42,3 4 Vgl. Ps 34,9 5 Vgl. Apk 21,2 6 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 7 Vgl. Hld 4,7 8 Vgl. Jes 62,1 9 Vgl. Ps 45,14
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Das Dritte Zehn
3. Wie sieht dein Liebster10/ sag’ es mir? Er ist gantz außerlesen11/ | Wie Rosen sind die Wangen schier12,13 Wie Gold sein prächtigsm Wesen14/ Er ist der schönste Baum in Wäldern15/ Er ist die beste Frucht in Feldern Er ist wie lauter16 Milch so schön17/ So ist mein Liebster anzusehn.n 4. Da sitz’ ich unter jhm’ allein Den Schatten zu erwehleno Denn seine Frucht wird süsser seyn Als Honig meiner Kehlen18/ Dap ich erst kam in seinen Orden19 Bin ich fast gar beweget worden/ Und als ich kaum vom Schlaff erwacht Da sucht’ ich jhn die gantze Nacht20. 5. Nun küß’ ich seiner Augen Liecht Nun hab’ ich jhn berühret Jch halt’ jhn’ fäst’ ich laß’ jhn nicht21 Biß er mich schlaffen führet/ Denn wird er mir im FreüdenLeben Sein’ außerwehlte Brüste geben Denn wird er wunderbarer Weiß’ Erfüllen mich mit HimmelSpeiß’22.
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6. Es wird kein Hunger plagen mich Noch auch kein Durst mehr quälen23/ | O solt’ ich nur erst hertzen dich m prächtigs] B statt dessen: prächtiges (Erratum) n .] C statt dessen: ! o zu erwehlen] C statt dessen: Mir zu wehlen/ p Da] C statt dessen: Alß 10 sieht dein Liebster] sieht dein Liebster aus. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 133. 11 Hld 5,9 f. 12 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 13 Hld 5,13 14 Vgl. Hld 5,11.14 f. 15 Vgl. Hld 2,3 16 lauter] reine. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 17 Hld 5,12 18 Hld 2,3 19 Orden] Ordnung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317. 20 Hld 3,1 f. 21 Vgl. Hld 3,4 22 Vgl. Apk 19,9 23 Vgl. Apk 22,17
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Und mich mit dir vermählen! O solt’ ich deine Pforten sehen Und bald auff deinen Gassen gehen/q O solt’ ich du mein güldner Schein Nur erst in deiner Hütten seyn!24 7. Aus edlen Steinen sind gemacht Dein’ hocherbaute Mauren25 Von Perlen ist der Thore Pracht Dier unverweßlich tauren26/ Nur Gold bedecket deine Gassen27 Da täglich sich muß hören lassen Ein Lobgesang man singt allda Das Freüdenreich’ Allelujah28. 8. Da sind der schönen Häuser viel Gantz von Saphir erbawet29/ Des Himmels Pracht hat da kein Ziel30: Wer nur die Dächer schawet Der findet lauter gülden Ziegel/ Ja gülden Schlösser/ gülden Riegel31/ Jedoch darff keiner gehn hinein Er muß denn unbeflecket seyn32. 9. O Sion du gewündschte Stadt Du bist nicht außzugründen/ | O Stadt/ die lauter Wollust hat Jn dir ist nicht zu finden Schmertz/ Kranckheit/ Unglück/ Trauren/ Zagen33/ Nacht/ Finsternis und andre Plagen/ Es endert sich nicht Tag noch Zeit34/ Jn dir ist Freüd’ und Ewigkeit/s q /] C statt dessen: ! r Die] C statt dessen: Welch’
s /] B, C statt dessen: .
24 Vgl. Apk 21,3 25 Vgl. Apk 21,18–20 26 tauren] überdauern, Bestand haben. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 840 und DWb 21, Sp. 185. 27 Vgl. Apk 21,21 28 Vgl. Apk 19,1–4 29 Vgl. Apk 21,19 30 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 31 Vgl. Apk 21,18 32 Apk 21,27 33 Vgl. Apk 21,4 34 Vgl. Apk 21,25; 22,5
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Das Dritte Zehn
10. O Stadt/ in dir bedarff man nicht Der Sonnen güldne Stralen35 Des Monden Schein/ der Sterne Liecht Den Himmel bund zu mahlen/ Dein Jesus wil die Sonne bleiben Diet alles tunckle kan vertreiben36 Nur jhn zu schawen offenbahr/ Jst deine Klarheit gantz und gar.
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11. Da steht der König aller Welt Gantz prächtig in der mitten37 Da wil er dich der tapffer Held38/ Mit Freüden überschütten39/ Da hör’ ich seine Diener singen40 Und jhrer Lippen Opffer41 bringen Da rühmet jhres Königs Krafft Des Himmels gantze Bürgerschafft.
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12. Da istu das frölich’ HochzeitFest42 Wo die zusammen kommen | Die Gott aus Krieg’/ Angst/ Hungerv Pest Hat in sein Reich genommen/ Da sind sie frey von allen Nöthen43/ Da reden sie mit den Propheten Da wohnet der Aposteln Zahl Und denn die Märtrer allzumal.
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13. Auff dieser Hochzeit finden sich Die Gott bekennet haben Und von den Heyden jämmerlich Getödtet/ nicht begraben/ Da freüen sich die keuschew Frauen/ Da lassen sich die Töchter schauen t Die] C statt dessen: Welch’ u ist] C statt dessen: geht ergänzt w keusche] B statt dessen: keüschen
100
v ] Gemäß B, C emendierend
35 Vgl. Apk 22,5 36 Vgl. Apk 21,23 37 Vgl. Apk 22,3 38 Jes 9,5 39 Vgl. Tob 3,23 Jes 6,3; Apk 4,8 41 Vgl. Hebr 13,15 42 Vgl. Apk 19,7 43 Vgl. Apk 21,4
40 Vgl.
X. Hertzliches Verlangen
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Diex hie jhr Leben Tag und Nacht Jn Zucht und Tugend zugebracht. 105
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14. Da sind die Schäflein die der Lust Der schnöden Welt44 entrunnen/ Die saugen jetzt an Gottes Brust Sie trincken aus dem Brunnen45 Der lauter Freüd’ und Wollust giebet/ Da liebet man und wird geliebet/ Die Herrligkeit ist zwar nicht gleich46/ Doch lebt man gleich an Freüden reich. 15. Die höchste Lust ist/ unsern Gott Jn Ewigkeit zu sehen47 | Und für dem grossen Zebaoth48 Bey Königen zu stehen49/ Ja in dery Himmels=Liebe brennen/ Dazu die besten Freunde kennenz/ Mit allen Engeln freüen sich Und frölicha singen ewiglich50. 16. O Gott/ wie selig werd’ ich seyn Wenn ich aus diesem Leben Zu dir spring’ in dein Reich hinein Das du mir hast gegeben51/ Ach Herr/ wenn wird der Tag doch kommen Daß ich zu dir werd’ auffgenommen/b Ach Herr wenn kommt die Stund’ heran Daß ich in Zion jauchtzen kan!c,52
Ende des dritten Theils.
x Die] C statt dessen: Welch’ y in der] C statt dessen: recht in z kennen] Gemäß B, C emendiert aus: kamen a frölich] C statt dessen: lieblich b /] C statt dessen: ? c !] C statt dessen: ? 44 Vgl. 1Joh 2,17 45 Vgl. Apk 21,6 46 Vgl. 1Kor 15,41 47 Vgl. Apk 22,4 f.; 1Kor 13,12 48 Vgl. Ps 24,10 49 Apk 1,6 50 Vgl. Apk 7,10 f. 51 Vgl. Mt 25,34 52 Vgl. Jes 12,6
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Johann: Risten H. P.
1
Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuthigen/ von Herrn 5
Johann: Schopen wolgesetzten Melodeyen.
Das Vierdte Zehn. Lüneburg/ Bey Johann vnd Heinrich Sternen2. 10
ANNO M. DC. XLII. |
1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Vgl. o. S. 7, Anm. 2.
fol. A 1r
Dem Hoch=Edlen/ Gestrengen und
fol. A 2r
vesten Herrn/
Herren Dethlev von Alefeld / 1
auff Haseldorff/ Haselouw und Ca= den Erbgesessen/ meinen hochgeehrten Herrn vnd großgeneigten Junckeren.
Gestrenger Herr a,b/
W
Enn ich in dieser zugleich gelehrten und verkehrten Zeit/ die Urtheil
5
der jenigen/ welche aus selbst=eingebildeter Klugheit oder vielmehr vermessenheit jhnen die grosse Freyheit nemen/ anderer Leute Arbeit/ thun vnd lassen freventlich2 zu tadeln/ etwas achten wolte; So würde ich vieleicht diese meine Himlische Lieder/ (die ich als ein beständiges Zeugnisse meiner schüldigen Dienstwilligkeit E. Gestrengigkeit hiemit auffopfferec) vnter deroselben berühmbten Namen heraus zu geben/ mich leichtlich abschrecken lassen: Denn/ daß ich vieler ungesaltzener 3 Reden/ welche diese Leute gantz leicht-
a Die Widmungsvorrede fehlt in C. b Kolumnentitel fol. A 2v–5v: DEDICATIO. Emendiert aus: auffopffern Erratum auch in B
c auffopffere]
1 Detlev von Ahlefeldt (1617–1686), 1635–1638 Besuch der Ritterakademie in Paris, anschließend Kavalierstour durch Frankreich, Italien und die Schweiz, sodann ein weiterer, halbjähriger Aufenthalt in Paris, 1640 Rückkehr auf den Gutshof Haseldorf. In dieser Zeit trat Ahlefeldt, der auch ein Stadthaus in Hamburg besaß, in Kontakt mit Johann Rist, der an einem engeren Austausch mit dem gebildeten Adeligen interessiert war. Nach dem Scheitern einer Karriere am Hof in Kassel wurde Ahlefeldt 1651 Landrat in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, 1652 Amtmann von Flensburg, 1657 Generalkriegskommissar. Ahlefeldt betätigte sich auch als Diplomat in den Diensten des dänischen Königs, bis er 1668 einer Hofintrige zum Opfer fiel. Ahlefeldts Versuche, seine Karriere in Dresden und Berlin fortzusetzen, mißlangen. Seit 1680 lebte er vor allem in seinem Haus in Hamburg. Ahlefeldt war seit dem 4.5.1642 verheiratet mit Ida Pogwisch (1619–1679), der Tochter des Klosterpropsten von Uetersen Sievert Pogwisch. Vgl. E. Opitz sowie Rumohr, Schleswig-Holstein, S. 112. 2 freventlich] frech. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 179 f. 3 ungesaltzener] geistloser. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1718.
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fol. A 2v
Das Vierdte Zehn
fertiger weise heraus zu stossen gewohnet seyn/ bey dieser Gelegenheit geschweige4; So halten sie es für eine nicht schlechte5 Thorheit/ daß man Adeliche oder Rittermässige6 Personen mit zuschreibung7 allerhand Bücher/ insonderheit8 aber Geistlicher Schrifften (als welche sie Pfaffen=händel zu nennen pflegen) einiger massen beschwere/ angesehen9 diese ungebehtene und selbstgewachsene10 Richter/ als Feinde und Verfolger aller vortrefflichen Künste und Wissenschafften nichtes für Adelich noch Tapffer halten/ es sey denn/ daß es mit prächtigen Kleidern/ muhtigen | Pferden/ versuchten11 Auffwartern12/ scharffschneidigen Degen/ hellgläntzenden Pistohlen/ und derogleichen für der Welt ansehnlichen Dingen/ durchaus begleitet/ herein prange13; das Studieren sagen sie/ gehöre nur für die jenige/ welche durch dasselbe jhres Lebens Auffenthalt14 müssen suchen/ und jhre Nahrung müheselig gewinnen. Wie grob aber und unvernünfftig/ ja wie gar Viehisch diese gehässige Neider der alleredelsten Wissenschafften dißfals15 urtheilen/ verstehen nur die jenige/ welche zwischen denen mit Vernunfft begabten Menschen und den unvernünfftigen Bestien/ Rossen und Mäulern16 einen rechten Unterscheid zu machen wissen. Jch gestehe es zwar gern/ wirds auch kein Verständiger leugnen/ daß es ein hoher und rühmlicher Ruhm vor der Welt sey/ von einem alten/ adelichen und weitbekandten Geschlechte seyn entsprossen/ aber in solchem hohen Stande mit einer groben Unwissenheit annoch17 stattlich prangen18/ und sich seines Unverstandes gleichsam rühmen wollen/ solches achte ich weder Adelich noch Christlich/ in Betrachtung ein Vernünfftiger nicht die jeniged Thaten/ welche andere vor jhm/ sondern nur die/ so er selber hat verrichtet/ zu seinem Lobe kan außbreiten/ und sich der ehrbaren Welt dadurch beliebet vnd angenehm machen. Jch begehre aber gegenwertige Materi in dieser kurtzen Zueignungs=Schrifft so gar weitläufftig nicht außzuführen; Nur dieses eintzige wolte ich behäupten: Daß Kunst und Wissenschafft ja so wol/ zuzeiten auch viel besser bey Adeli-
d jenige] B statt dessen: jenigen 4 vieler Reden geschweige] viele Reden unerwähnt lasse. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3987. 5 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 6 Rittermässige] dem Ritterstand angehörende. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 7 zuschreibung] Widmung. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 808. 8 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 9 angesehen] in Anbetracht dessen, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 456 f. 10 selbstgewachsene] selbsternannte. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 502. 11 versuchten] erfahrenen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1838. 12 Auffwartern] Dienern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 771. 13 herein prange] prachtvoll auftrete. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 14 Lebens Auffenthalt] Lebensunterhalt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 637. 15 dißfals] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 16 Mäulern] Maultieren. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1795. 17 annoch] auch noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 18 prangen] auftreten. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066.
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Widmungsvorrede
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chen und Rittermässigen19 als schlechten20 und gemeinen Personen gefunden werde. Darff man sich demnach gar nicht einbilden/ daß die Vollenkommenheit eines Cavalliers (wie man heut zu Tage nicht allein die jenige/ die eines hochadelichen Gemüthes und Geblütes sind/ sondern auch wol arme und unschüldige Fincken=Ritter 21 pflegt zu nennen) nur im Balgen und Schlagen/ Ringen und | Springen/ Sauffen und Rasen/ und derogleichen theils unchristlichen/ theils unnützlichen Thorheiten vnd Eitelkeiten bestehe; Denn/ wenn diesese gelten solte/ wäre kein auffschneiderischer Landläuffer22 so schlim/ schlecht und gering/ der nicht durch stetiges treiben obgedachter23 schönen Verrichtungen für einen sehr trefflichen und vollenkommen Cavallier könte gehalten und außgeruffen werden. Mein Vornemen ist zwar durchaus nicht/ die adeliche Vbungen der Rittermessigen24 in jhrem rechten und hochnützlichem Gebrauche zu tadelen/ besondern25 dieses wil ich: Das selbige übungen des Leibes (die Mutter und Erhalterin aller rechtschaffenen Tugenden/ die wahre Gottesfurcht allemahl zuvor gesetzet) mit den übungen des Gemühtes/ welche vornehmlich in der Erkäntnisse löblicher Künst= und Wissenschafftenf bestehet/ dergestalt müssen vermählet seyn und bleiben/ daß die Bücher von dem Adel und den Waffen/ hinwieder der Adel und die Waffen von den Büchern hertzlich geliebet/ verehret und befodertg,26 werden. Dieses haben auch die vernünfftige Heyden zu jhrer Zeit sehr wol gewust vnd verstanden/ gestalt27 denn der Vater aller Poeten/ der Welt=bekandte Homerus28 von dem Kriegeshelden Diomedes29 erzehlet/ daß die Göttin der freyen Künste/ die Pallash,30 oder Minerva31 zu demselben auff seinen Streitwagen sey gestiegen/ und habe jhn klüglich unterrichtet/ wie er alle seine Feinde/ ja auch den Gott der Kriege selber ritterlich solte danieder schlagen und überwinden32/ womit der kluge Poet zweifels frey33 hat andeuten wollen/ daß die Feder und das Schwerdt gar wol von einer Hand/ (wiewol nicht zu einer Zeit) nützlich/ ehrlich und löblich geführet/ und also die Wissenschafft neben den Adel ohne
e dieses] B statt dessen: diese (Erratum) f Wissenschafften] Gemäß B emendiert aus: Wissenschafft g befodert] B statt dessen: befordert h Pallas] Gemäß B emendiert aus: Pallaes 19 Rittermässigen] dem Ritterstand Angehörenden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 20 schlechten] schlichten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 21 Fincken=Ritter] Maulhelden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1665. 22 Landläuffer] Landstreicher. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 122. 23 obgedachter] oben erwähnter/gedachter. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1068. 24 Rittermessigen] dem Ritterstand Angehörenden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 25 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 26 befodert] befördert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 27 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 28 Vgl. o. S. 91, Anm. 5. 29 Diomedes] Diomedes, von dem Homer in der Ilias berichtet, ist einer der Helden, die am trojanischen Krieg beteiligt waren. 30 Pallas] Beiname der Athene, der griechischen Göttin der Künste und der Handwerke. 31 Minerva] Römische Göttin der Künste und der Handwerke. 32 Vgl. Homer, Ilias V, 121–132. 33 zweifels frey] zweifellos. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 1007.
fol. A 3r
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fol. A 3v
Das Vierdte Zehn
einige34 Hindernisse könne gesetzet werden. Dannenhero35 auch der grosse Alexander36 die Bücher und Schrifften dieses itzgedachten37 Griechischen Poeten ja so sehr/ und wol höher als seine Triumphirende vnd siegreiche Waffen hat gelie= | bet/ denn diese lies er nur von fernen in seinem Schlaffgemache auffhängen/ jene aber/ des Homerus38 Bücher pflag39 er vnter sein Hauptküssen40 zu verbergen/ im Falle41 er gar sanfft schlaffen und von der Arbeit außruhen wolte. Was wil man aber gegen diese Meynung viel streiten/ oder was für i Einreden42 kan man hervor bringen? Hat nicht der erste Römischer Monarch Julius43 zu seinem unsterblichen Ruhm mit eben derselben Faust seine annoch44 verhandene45/ ewiges lobeswürdige Bücher geschrieben/ mit welcher er zwey und funfftzig öffentliche Feldschlachten46 gehalten/ in denselben so viel gewaltiger Feinde erleget und der Römischen Macht zu gehorsamen hat bezwungen? Aber/ wo würde ich Zeit/ ja wo würde ich schier47 Dinten und Papier her nemen/ wenn ich das Lob der jenigen/ die nur vnter den Heyden/ auch mitten in den blutigen Kriegen sich umb löbliche Künste und nützliche Wissenschafften sehr angenommen und bekümmert haben/ in dieser kurtzen zueignungsSchrifft heraus zu streichen mich vnterstehen48 wolte?j Jch sage kürtzlich: Es sey nichts herrlichers/ nichts löblichers/ nichts nützlichers/ als wenn der Adel durch die Tugend/ Künst und Geschickligkeit/ und diese hinwieder durch den Adel wird begleitet vnd gezieret. Hat sich demnach eine tapffere Seele der unziemlichen Lästerworte etlicher schmähesüchtigen Kunst=anfeinder durchaus nicht anzunemen49/ wenn dieselbe an Edlen und Rittermessigen50 Personen dieses als eine verächtliche Schuelfüchserey51 tadeln/ daß sie entweder selbst gute Bücher schreiben/ oder auch anderer Leute nützliche Arbeit mit grosser Belüstigung jhres Gemüths lesen und durchbletteren; Denn/ wenn diese Verleumbdungen für Warheit solten i für] B statt dessen: vor j ?] B statt dessen: . 34 einige] irgendwelche. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 209. 35 Dannenhero] deshalb. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 748. 36 der grosse Alexander] Zu Alexander d. Gr. vgl. o. S. 229, Anm. 31. 37 itzgedachten] soeben erwähnten. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2322. 38 Vgl. o. S. 91, Anm. 5. 39 pflag] pflegte. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1745. 40 Hauptküssen] Kopfkissen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 617. 41 im Falle] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 42 Einreden] Einwände. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 247. 43 der erste Römischer Monarch Julius] Gemeint ist der römische Staatsmann, Feldherr und Schriftsteller Gaius Julius Caesar (100–44 v. Chr.). 44 annoch] bis jetzt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 45 verhandene] vorhandenen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 522. 46 öffentliche Feldschlachten] Schlachten, die auf offenem Feld geschlagen werden. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1171. 47 schier] wohl. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 26. 48 vnterstehen] erdreisten. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1829. 49 Hat sich eine tapffere Seele der unziemlichen Lästerworte nicht anzunemen] braucht sich eine tapfere Seele um die unziemlichen Lästerworte nicht zu kümmern. Zu ‚annehmen‘ mit Genitiv vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 416. 50 Rittermessigen] dem Ritterstand angehörenden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 51 Schuelfüchserey] pedantische Stubengelehrsamkeit. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1946.
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gehalten werden/ müsten viel hohe und treffliche Leute/ und unter denselben Obriste/ ja Generals=Personen/ die so wol zu unseren als unserer Väter Zeiten gelebet haben die allerarmseligste Schulfüchse52 seyn und bleiben. | Und das ich nur etliche wenige/ jedoch mehrentheils53 wolbekandte Exempel/ mein vorgeben54 desto klärer zu machen/ allhie einführe: Was ist doch der Herr von La Nove55, der unterschiedene56 schöne Bücher (unter welchen sein Politische Discoursen wol den Vorzug haben) herauß gegeben/ für ein Mann gewesen? Fürwar ein Vortrefflicher sehr Versuchter57 und so wol in den Niderlanden als in Franckreich wolbekandter Oberster/ ja ein Hochberühmbter Feldmarschalck des gantzen Statischen Heerlagers58; Noch hat er gar keinen Schew59 getragen/ seinen Namen ja so wol durch die Feder als das Schwerdt bey Freunden und Feinden bekandt zu machen. Wer kennet nicht den Tieffsinnigen und Außgelehrten60 Frantzösischen Edelmann Frantz Ronsand61/ welches Poetische Bücher und Schrifften jhren Tichter schon längst in den Thron der Unsterbligkeit haben versetzet? Wer war der Herr Philip Sydnei62/ der das feine Buch sonst Arcadia63 genandt/ (welches seiner Sinreichen64 erfindungen halber von allen Kunstliebenden nicht unbillig65 wird gerühmet) der Welt hat hinterlassen? Trauen66/ kein schläfferiger Schuelfuchs67/ sondern ein Tapfrer Freyherr
52 Schulfüchse] pedantischen Stubengelehrten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1944. 53 mehrentheils] größerenteils. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1893. 54 vorgeben] Meinung. Nicht bei Grimm. Zum Verb ‚vorgeben‘ vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1070. 55 François de la Noue (1531–1591), ein hugenottischer Heerführer und militärischer Fachschriftsteller. In der Schlacht von Fontenay (1570) verlor er einen Arm, der durch eine eiserne Prothese ersetzt wurde. De la Noue beteiligte sich an den in den Niederlanden geführten Kämpfen gegen die Spanier und fungierte in den Jahren 1574 bis 1578 als General der Hugenotten-Hochburg La Rochelle. Danach engagierte er sich nochmals in den niederländischen Kämpfen gegen die Spanier, wurde 1580 von diesen gefangengesetzt und schrieb in seiner fünfjährigen Haft das Werk ,Discours politiques et militaires‘, das 1587 in Basel publiziert wurde und Übersetzungen ins Englische und Deutsche erfuhr. 1589 kämpfte de la Noue auf der Seite Heinrichs von Navarra gegen die Truppen der katholischen Liga, wurde bei der Schlacht von Lamballe verwundet und starb am 4. August 1591. 56 unterschiedene] unterschiedliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 57 Versuchter] erprobter, erfahrener. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1838. 58 Statischen Heerlagers] Feldlagers der Truppen der niederländischen Generalstaaten. 59 Schew] Zu ‚Scheu‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2603 f. 60 Außgelehrten] überaus gelehrten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 873. 61 Gemeint ist Pierre de Ronsard (1524–1585). Er zählt zu den bedeutendsten französischen Dichtern des 16. Jahrhunderts und begründete im Jahre 1549 in Paris den Dichterkreis der Pléiade, als dessen Kopf er gilt. 62 Sir Philip Sidney (1554–1586), ein gelehrter englischer Adliger und vielbeachteter Verfasser von schäferlicher Dichtung. Sidney wurde in der Schlacht bei Zutphen gegen die Spanier im September 1586 verwundet und starb im Monat darauf. 63 Philip Sidney: THE COVNTESSE OF PEMBROKES ARCADIA . London 1590 [11588]. Der Schäferroman wurde häufig gedruckt und erschien im Jahre 1630, übersetzt von Daniel Mögling (Pseudonym: Valentin Theokrit von Hirschburg), in deutscher Sprache. 64 Sinreichen] klugen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1198. 65 unbillig] zu Unrecht. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 394. 66 Trauen] fürwahr. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1526. 67 Schuelfuchs] pedantischer Stubengelehrter. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1944.
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Das Vierdte Zehn
auß Engeland/ und da benebenst68 ein mutiger Oberster/ der in seinen Blühenden Jahren/ nach deme er ein Zeitlang in den Niderlanden wider die Spanier redlich hatte gekämpffet/ für Zütpher69 ward erschlagen. Was wollen wir von dem Weitbeschreitemk,70 nunmehr in Gott ruhendem Obristen Lohausen71 sagen? Nichts anders/ als daß die Gelehrten ja so grosse ursache haben mit seinen Büchern voller Gottseligkeit/ Kunst vnd Wissenschafft zu prangen72/ als die Soldaten befugt seyn jhn wegen seiner Kriegesthaten zu erhöhen/ und in den Tempel der Ewigkeit zu stellen. Was für ein Lob sol man dem fürtrefflichen und sehrberühmten Obristen Herrn Dieterich von dem Werder73 ertheilen? Jch vermeyne ein Dreyfaches; den dieser Edelmann/ wie aus seinen Schrifften genugsam erhellet/ ist ein Spiegel eines | rechtschaffenen Christen/ einl Außbund74 der Gelahrten und ein Muster der tapffren Soldaten. Jch köndte zwar HochEdler und Gestrenger Juncker/ noch viel mehr Exempel eben solcher Leute/ welche in jhrem hohen Adelichen Stande/ so wol die wahre Gottesfurcht geliebet/ als in den löblichen Künsten und Wissenschafften sich geübet haben/ diese Meynung zu behaupten anhero setzen75/ als vnter andern des Herrn von Schweinitz76/ Fürstl. Lignitzischen Rahts und Oberk Weitbeschreitem] B statt dessen: Weitbeschreiten
l ein] B statt dessen: den
68 da benebenst] außerdem. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1467. 69 Zütpher] Zutphen, eine Stadt in der niederländischen Provinz Geldern. Vgl. Zedler 63, Sp. 785. 70 Weitbeschreitem] berühmten. Nicht bei Grimm. Zu ‚beschreien‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1594. 71 Wilhelm von Kalcheim (Calckum), genannt Lohausen (1584–1640), wurde am Hof zu Zweibrücken erzogen, stand als Militär in zahlreichen (u.a. schwedischen) Diensten und fungierte zuletzt als Geheimer Kriegsrat, Generalmajor und Kommandant der Stadt Rostock. Von Kalcheim war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und betätigte sich u.a. als geometrischer und arithmetischer Fachschriftsteller. Krause, in: ADB 19 (1884), S. 114 f. 72 prangen] prahlen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2065. 73 Diederich von dem Werder (1584–1657) entstammte einem anhaltinischen Adelsgeschlecht und war reformierter Konfession, studierte Theologie und Rechtswissenschaften, unternahm eine Kavalierstour und übernahm nach seiner Rückkehr am Hof des Landgrafen in Kassel die Ämter des Stallmeisters und Kammerjunkers sowie wenig später diejenigen des Oberhofmarschalls und Geheimen Rats. Von dem Werder, der u.a. als Verfasser von Erbauungsliteratur und geistlichen Dichtungen in Erscheinung getreten ist, war seit 1620 Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und fiel beim Landgrafen in Ungnade, da seine diplomatischen Bemühungen die Invasion Tillys in Hessen (1622) nicht hatten verhindern können. Von dem Werder privatisierte fortan auf seinem Gut Reinsdorf. Vgl. Aurnhammer, in: Killy1 12 (1992), S. 252 f. 74 Außbund] Inbegriff. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 840 f. 75 anhero setzen] hier hersetzen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 76 David von Schweinitz (1600–1667) entstammte einer schlesischen Adelsfamilie. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Heidelberg und Groningen, stand nach einer peregrinatio academica durch England und Frankreich in den Diensten des Hofes zu Liegnitz, war seit 1631 Landeshauptmann im Fürstentum Wohlau, trat in engen Kontakt mit Johann Heermann, mußte 1633 aber aufgrund der Kriegsläufte nach Ostpreußen exilieren, kehrte 1650 nach Schlesien zurück und fungierte zunächst als Regierungsrat in Liegnitz und seit 1653 als Landeshauptmann des Fürstentums. Von Schweinitz war nicht nur als geistlicher Dichter, sondern auch als Verfasser von Erbauungsliteratur tätig. Vgl. Mohr, in: Killy1 10 (1991), S. 459 f.
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hauptmanns/ dessen geistliche Hertzens=Harffe 77 vor weniger Zeit an den Tag kommen/ halte aber zu diesem mahl damit zu rücke/ und zwar vornemblich darumb/ dieweil 78 E. Gestrengigkeit selbst eigne Person mir an statt aller übrigen zu einem lebendigen und vollkommen Exempel kan dienen/ als die da nicht vergnüget war 79 aus einem der alleredelsten und uhrältesten Geschlechten in diesen Landen seyn gebohren/ von jhrer zarten Kindheit an überaus fleissig seynm erzogen/ von Gott mit vielen herrlichen Gaben des Leibes und Gemüthes seyn beseliget80/ und mit grossen Gütern des Glücks (welche die thörichte Welt über die andern alle pflegt zu erheben) reichlich beschencket; Sondern sie müste auch jhren edlen Geist weit von dem unverständigen Pöbel nach dem Himmel schwingen/ und jhre wol und weithergebrachte Adeliche Ahnen/ Wapen/ Schild und Helm mit einer solchen vortrefflichen Wissenschafft krönen/ die Euer Gestreng: Namen/ so lange der grosse Himmel annoch81 beweglich ist/ bey allen tapfferen/ rittermessigen82/ gelehrten und hochbegabten Seelen wird überaus lieb/ angenehm und bekandt machen. Diese/ Gestrenger Juncker/ sind die anmuhtige Früchte/ welche er auff seinen müheseligen und langwierigen Reisen durch Welschland83/ Franckreich/ Engelland ober und nieder Teutschland84 eingesamlet und vor weniger Zeit mit grossem Nutze und Lob/ anhero gebracht85 hat/ da denn | Ewre Gestreng: dien Erlernung so vieler schöner und nützlicher Sprachen/ die Erkäntnisse der aller gedenckwürdigsten Händel 86/ so in der Welt beyo hohes und niedriges Standes Personen vorgehen/ und denn die Ergreiffung so vieler herrlicher und grossen Leuten überaus wol anstehender Künste vnd Wissenschafften/ als einen unvergleichlichen Schatz nicht sonder 87 grossen Fleiß/ Mühe und Unkosten hochrühmlich hat erworben: Durch welche hohe Tugend und Geschickligkeit mein großgeneigter Juncker sampt etlichen wenig anderen trefflich gelahrten Edelleum seyn] B statt dessen: sind (Erratum)
n die] Emendiert aus: Die Erratum auch in B
o bey] Fehlt B
77 David von Schweinitz: PENTA-DECAS FIDIUM CORDIALIUM, Das ist: Geistliche Hertzensharffe von fünffmahl zehen Seiten/ Allen Liebhabern der Geistlichen Musica zu spielen praesentiret . Danzig 1640. Diese Sammlung enthält wie Rists ‚Himmlische Lieder‘ fünf mal zehn geistliche Lieder. 78 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 79 nicht vergnüget war] sich nicht damit begnügte. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 464. 80 beseliget] gesegnet. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1613. 81 annoch] noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 82 rittermessigen] dem Ritterstand angehörenden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1065. 83 Welschland] Italien. Vgl. Zedler 54, Sp. 818. 84 ober und nieder Teutschland] Süd- und Norddeutschland. Vgl. Zedler 44, Sp. 275: „Zur Zeit der Fränckischen Könige, ward dieses Reich in Ober= und Nieder=Teutschland eingetheilet. Jenes begriff unter sich das Rheinländische, Terram Rhenensem, Schwaben, Bayern, Francken . Zu Nieder=Teutschland wurden gerechnet, Ober= und Nieder=Sachsen, Westphalen, Hessen, Thüringen, Meissen, die Marck Brandenburg, Mecklenburg, Holstein und Pommern .“ 85 anhero gebracht] hier hergebracht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 86 Händel] Angelegenheiten. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 369. 87 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573.
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Das Vierdte Zehn
ten aus denen gleichfals hochberühmbten Geschlechtern der Buchwalten88/ Ranzouen89/ Seestedten90/ Bluhmen91/ von Quahlen92 und vielleicht noch andere so nicht unbekant unser vielgeliebtes Vaterland durch den besten und grössesten Theil der Welt sehr berühmbt machen. Jn Erwegung dieses Gestrenger Herr/ habe ich nicht unterlassen wollen dieses Vierdte Zehn meiner Himlischen Lieder unter seinemp so hohen und berühmbten Namen der gelehrten Welt/ vornehmlich aber allen/ Gott und sein Wort liebenden Hertzen willig mitzutheilen/ Euer hochEdlen Gestr: aber insonderheit93 unterdienstlich94 zu zu eignen; Denn/ ob ich gleichwol weis/ daß ich wegen dero vielfältigen/ mir von derselben erwiesenen Gunst vnd Freundschafft/ (die ich billig95 Zeit meines Lebens sehr hoch zu rühmen habe) solches zu thun schon längst verpflichtet bin; Habe ich doch dieser antreibenden Ursache nicht einmahl gedencken wollen/ zum theil darumb/ dieweil 96 mir bekandt/ daß E. Gestr: treffliche Bescheidenheit/ solches ungern lieset oder höret/ zum theil auch/ dieweil mir und andern bewust/ daß die jenigen/ so in den zueigungen97 jhrer Bücher anders nichts können erdencken/ die vormahls empfangene Gutthaten allezeit vor an die Spitze stellen. Viel eine grössere Anreitzung diese meine geringschätzige98 Arbeit Euer Gestr: zu übergeben ist gewesen die sonderbah= | re99 Lust/ welche E. G. vorlängst gehabt meine schon vorhergedruckte himlische Lieder fleissig durch zu lesen und selbige weit über jhren werth und Verdienst zu erheben. Jch wil aber Euer Gestrengigkeit sonderbahre100 Güte/ die sie auch in freundlicher Anhörung meiner offt nichtswürdigen Gespräche so vielmahls hat p seinem] B statt dessen: seinen 88 Buchwalten] Die Buchwald bzw. Bockwohlt sind ein holsteinisches Adelsgeschlecht, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Vgl. Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon 2 (1860), S. 123f. 89 Ranzouen] Holsteinisches Adelsgeschlecht mit Stammhaus Rantzau bei Plön. Die Familiengeschichte reicht bis in das 11. Jahrhundert zurück. Vgl. Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon 7 (1867), S. 340–342. 90 Seestedten] Die von Sehestedt bzw. Seestedt (mit gleichnamigem Stammhaus in der Nähe von Eckernförde) sind eines der ältesten holsteinischen Adelsgeschlechter, dessen Geschichte sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Vgl. Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon 8 (1868), S. 437 f. 91 Bluhmen] Die von Blome bzw. Bluhm(e) sind ein Adelsgeschlecht, das ursprünglich aus dem Braunschweig-Lüneburgischen stammt und seit dem 15. Jahrhundert in Holstein ansässig ist. Vgl. Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon 1 (1859), S. 474 f. 92 von Quahlen] Die von Qualen sind ein holsteinisches Adelsgeschlecht, das bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht. Stammgut des 1890 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts war Koselau. Vgl. H. H. Qualen sowie Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon 7 (1867), S. 296. 93 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 94 unterdienstlich] unterwürfig. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1526. 95 billig] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 96 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 97 zueigungen] Zueignungen, Widmungen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 336. 98 geringschätzige] gering zu schätzende. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 99 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 100 sonderbahre] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577.
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lassen blicken101/ zu diesem mahl nicht mißbrauchen/ noch sie mit weitläuffigern Worten ferner beschweren; Vielmehr bitte ich (kürtzlich hiemit meine Rede beschliessend) den HErrn aller Herren102/ daß er E. Gestreng: sampt deroselben Hochadelichen Gemahl103,104 und sämptlichen Anverwandten/ Freunden und Bekandten an Leib vnd Seel mildiglich105 segnen/ für allem Unfall106 gnädiglich beschützen und dem löblichen Alefelder Zweig viel edler/ süsser und angenehmer Früchte reichlich wolle herfür bringen lassen/ solches wünschet von Hertzen.
Eur hochAdelichen Ge= strengigkeit.
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Geschrieben zu Wedel an der Elbe den letz= ten Tag des Wein= 107 monahts Jm 1642 Jahre.
Gantz ergebener getreuer Die= ner so lange er lebet.
Johannes Rist. |
101 blicken] erblicken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 117 f. 102 Ps 136,3 103 Gemahl] Gemahlin, Ehefrau. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3150. 104 Zu Ahlefeldts Ehefrau vgl. o. S. 259, Anm. 1. 105 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 106 Unfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 107 Weinmonahts] Oktobers. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 968.
Vorrede an den Christlichen Lesera,b.
fol. A 6r
C
Hristlicher vnd der ewigen Seligkeit begieriger Leser/ Meiner Zusage vnd Schüldigkeit zu folge übergebe ich dir zu diesem mal das Vierdte Zehn meiner himlischen Lieder/ auff welches durch Zuthun göttlicher Gnade und Beystand auch das Fünffte vnd letzte/ als der Beschluß dieses gantzen
himlischen Werckleins/ dir stündlich1 sol eingeliefert und dargereichet werden. Jch habe in den Gesängen dieses gegenwertigen Vierdten Theils ein Christliches und Gott ergebenes Hertz zu Betrachtung seines selbst eigen Elendes/ insonderheit2 aber der zukünfftigen Dinge etlicher massen wollen leiten vnd führen/ mich vielmals erinnerend des weisen Mannes hochnothwendiger Ermahnung: Gedenck an das Ende/ so wirstu nicht sündigen3. Wenn ich demnach fast täglich bey mir erwogen vnd zu mancher Zeit wahr genommen/ wie die armselige Menschen Kinder so gar sicher dahin leben/ als würden sie den zeitlichen Todt nimmermehr leiden dürffen4/ ja als wenn kein Jüngster Tag noch letztes Gericht/ keine himlische Freude noch höllische Pein zu erwarten;c Als5 habe ich für hochnöthig erachtet/ alle und jede/ insonderheit6 aber die unbußfertige Menschen/ für einer so verdampten Sicherheit auch meines theils treulichst zu warnen/ und die Gewißheit des Todes/ die Vngewißheit aber der Stunde desselben jhnen bestes fleisses zu Gemühte d zu führen/ ob sie etwa bey zeiten ummekehren/ und nach deme sie jhrer eignen und der Welt= Liebe ernstlich abgesagt/ jhrem Gott/ der jhnen so unzehlich viel Gutthaten hat erwiesen/ mit hertzlicher und himlischer Liebe biß an jhr seliges Ende (welches dißfals7 sicherlich pflegt zu folgen) mit rechtem Ernst vnd wahrer Treu anhangen wolten. So ziehet nun zwar hin jhr großmächtige Generalen/ jhr gewaltige Helden/ jhr tapffre Obersten/ jhr ritterliche Kämpffer/ vnd in einer Summa/ alle jhr trotzige Würger vnd Eisen=fresser8/ gehet hin/ sage ich/ vnd ziehet zu Felde mit euren erschröcklichen Heerlagern/ bauet grosse und euer Meynung nach a Die Vorrede an den Leser fehlt in C. b Kolumnentitel fol. A 6v–8v (auf zwei Seiten verteilt): Vorrede an den Christlichen Leser. c ;] B statt dessen: ? (Erratum) d Gemühte] Gemäß B emendiert aus: Gemüthte 1 stündlich] sehr bald. Vgl. Grimm, DWb 20, Sp. 545. 2 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 3 Sir 7,40 4 dürffen] müssen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 5 Als] also. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. 6 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 7 dißfals] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 8 Eisen=fresser] Kriegswütige. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 369 f.
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unüberwindliche Vestungen und Schantzen9/ liefert den Feinden solche Feldschlachten/ daß beydes Menschen und Vieh in jhrem eignen Blute schwimmen/ erobert starcke Städte und feste Schlösser/ senget/ brennet/ raubet und mordet/ theilet die Beute aus/ und lasset eure Namen in allen neu=gedruckten Zeitungen und Gedenck=Büchern stehen angeschrieben;e Wisset aber/ daß euch Gott/ der höhester Monarch über alle | Käyser/ Könige und Fürsten/ umb dieses alles werde richten/ und von einem jedwederen10 unter euch sehr genaue Rechenschafft foderen11,12. Bey allen diesen prächtig=scheinenden Händeln13 aber bedencket auch stündlich/ ja augenblicklich/ wie euch der grausamer Menschenwürger/ der Todt/ auff den Fersen nachschleichet/ und sehr embsig ist/ es dahin mit euch zu spielen14/ daß jhr/ die jhr heute wie der grosser Antiochus15 über das ungestüme Meer wollet reiten und fahren/ und mit Schiffen über Berg und Thal siegeln16/ morgen oder übermorgen von einer kleinen Bleykugel verletzet/ oder durch ein kaltes Eisen verwundet/ oder durch einen schlechten17 Zufall von euren muthigen Pferden gestürtzet/ todt/ elend vnd jämmerlich danieder liget/ vnd zwar so matt vnd krafftloß/ daß jhr auch der geringsten Fliegen/ ja dem allerkleinsten Würmlein/ das sich mit eurem übel=riechendem Fleische zu ersättigen18 begehret/ gar nicht mehr steuren19 noch wehren könnet. Jch gläube aber sicherlich/ daß jhr gar selten/ ja wol kein eintziges mal die gantze Zeit eures Lebens eben dieses mit Ernst behertziget/ welches doch so gantz unvermeidlich und übergewiß ist/ ja das euch alle Stunden und Augenblick kan begegnen vnd wiederfahren. Jch wil aber wegen dieser Flüchtigkeit des menschlichen Lebens vnd der unversehnlichen20 Gewißheit des Absterbens nicht die Kriegesleute allein/ besondern21 auch alle die jenigen/ welche/ daß sie sterblich seyn/ fast nimmer recht betrachten/ hiemit getreulichst erinnert haben/ denn hie wird kein Sterblicher außgenommen. So lauffet nun ferner hin jhr andern Weltkinder/ etwa zwantzig/ dreyssig/ oder mehr Jahre/ fresset/ sauffet/ banquetieret22/ spielet/ tantzet/ buhlet23/ reie ;] B statt dessen: ? 9 Schantzen] Befestigungen zum Schutz. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2162. 10 jedwederen] jeden. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2295. 11 foderen] fordern. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1866. 12 Vgl. Mt 12,36 13 Händeln] Dingen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 368. 14 es dahin mit euch zu spielen] es dahin mit euch zu bringen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 2350. 15 Antiochus] Der Athener Antiochos war der Flottenführer des Alkibiades und wurde im Jahre 407 v. Chr. in der Nähe von Notion durch die peloponnesische Flotte, die von Lysandros geführt wurde, besiegt. 16 siegeln] segeln. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 93. 17 schlechten] schlichten, reinen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 18 ersättigen] sättigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 949. 19 der geringsten Fliegen nicht mehr steuren] die geringste Fliege nicht mehr abwehren. Zu ‚steuern‘ vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 2653. 20 unversehnlichen] unübersehbaren, offensichtlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 2090. Zu ‚versehen‘ vgl. DWb 25, Sp. 1236. 21 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 22 banquetieret] veranstaltet Bankette. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1111. 23 buhlet] freit,
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Das Vierdte Zehn
tet/ stoltzieret24/ singet vnd springet; Wisset aber/ daß jhr morgen oder übermorgen von diesem allem ein mehrers nicht werdet haben25/ geniessen und behalten/ als ein kleines Todten=Häußlein/ in welchem nicht so viel übriges Raumes/ daß es nebenst eurem maden=speisendem Cörper auch den Geringsten eurer Auffwarter26/ oder nur ein wenig eures köstlichen27 Haußgerahts28/ Tücher vnd Kleider/ köndte beherbergen. Lauffet doch hin/ sage ich/ jhr Mammons=Diener/ jhr Menschen=schinder/ jhr Geitzhälse und Geld=verschlucker29/ lauffet hin/ und quälet euch Tag und Nacht/ wie jhr grosse Schätze möget samlen; Geitzet/ wuchert/ schindet und schabet30/ plaget die Armen vnd Elenden/ verjaget die Waisen/ betrübet die Wittwen/ reisset zu euch31 mit Gewalt der Nothdürfftigen Häuser und Höfe/ Ecker vnd Wiesen/ stopffet | alles in euren Beutel/ betrieget32 euren Neben= Christen vorsetzlicher weise/ kauffet oderf dringet33 euch durch unrechtmässige Mittel in öffentliche Empter/ verkauffet die Gerechtigkeit umb Geld/ nehmet Geschencke von den Gottlosen/ suchet nichts als euren eignen Nutz und Vortheil/ bestehlet eure Herren/ seyd ungerechte Haußhalter/ und in Summa/ werdet reich und mächtig/ biß jhr fest stehet wie die Palläste/ und herrlich daher grünet wie die Lorberbäume; Wisset aber/ daß biß morgen oder übermorgen/ wenn man im vorüber gehn nach euch fraget/ so gar nichts von euch übrig seyn wird/ als die verfluchte Gedächtnisse eures gottlosen und bößlich34 geführten Lebens und Wandels. Da wird euch denn weder Hauß noch Hoff/ weder Geld noch Gut/ noch einige zeitliche Ergetzligkeit folgen35: Da seyd jhr denn in einem Augenblicke ärmer als Jrus36/ und nothdürfftiger als der Lazarus37 worden/ noch könnet und wollet jhr diese eure grosse Armseligkeit nicht ein mal recht von Hertzen betrachten. Ruffet doch endlich zu Gott/ und bittet jhn hertzgründlich38/ daß er euch vernünfftig erkennen lasse/ wie euer Leben ein Ziel 39 habe/ vnd jhr schnell f oder] B statt dessen: und werbt um Partner. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 501. 24 stoltzieret] benehmt euch stolz. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 290. 25 ein mehrers nicht werdet haben] nichts mehr haben werdet. Zu ‚mehrers‘ vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1870. 26 Auffwarter] Diener. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 771. 27 köstlichen] kostbaren. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1876. 28 Haußgerahts] Hausrats. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 666. 29 Geld=verschlucker] Geldverschwender. Nicht bei Grimm, DWb. 30 schabet] beraubt. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1949 f. 31 reisset zu euch] reißt an euch. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 758. 32 betrieget] betrügt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1714. 33 dringet] dränget. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1413. 34 bößlich] böse. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 260. 35 Vgl. Lk 12,20 36 ärmer als Jrus] Der Bettler Iros bettelte regelmäßig die Freier der Penelope auf Ithaca an. Iros bedrohte den nach langer Irrfahrt nach Hause zurückkehrenden und als Bettler verkleideten Odysseus und unterlag diesem in dem Boxkampf, den die Freier der Penelope zwischen den beiden organisierten. Homer, Odyssee 18, 1–115. 37 Vgl. Lk 16,20 38 hertzgründlich] aus Herzensgrund. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1247. 39 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042.
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davon müsset40/ wähnet 41 nicht/ daß jhr mit dem Tode einen Bund/ und der Höllen einen Anstand gemachet 42 habet 43/ sondern vielmehr betet und singet in wahrer Christlicher Demuth aus diesem Vierdten Zehn meiner himlischen Lieder44/ wider die verdampte Sicherheit nachfolgende Reimen:
O Sicherheit/ du Pest der Seelen Begleiterin zur schwartzen Hölen Wo führestu die Menschen hin? Zwar du versprichst noch lange Zeiten Jn dieser Welt uns zu bereiten/ Das wil mir aber nicht zu Sinn’: Jch weis/ die letzte LebensStund’ Jst warlich keinem Menschen kund45.
Zwar/ wenn es nichts als das blosse Sterben gülte/ dörffte46 man sich so gar groß nicht bekümmern/ dieweil47 man durch den zeitlichen Todt alles Jammers und Elendes würde entlediget; Es ist aber mit uns Menschen nicht also gethan wie mit dem Viehe/ welches Seele/ wenn sie ein mal jhren jrrdischen Cörper hat verlassen/ hernachmals nimmer wieder kommet/ sondern mit dem Leibe durch den Todt ewiglich bleibet verdorben und begraben: Von vns Menschen aber zeuget die Schrifft: Deine Todten werden leben48/ und Gott der gerechter Richter49 hat einen Tag bestimmet/ an welchem er | vergelten wird einem jeden nach dem er gehandelt hat bey Leibes Leben/ es sey gut oder böse 50. Da halte nun ein wenig still du hartnäckichter verkehrter Sünden=Mensch: Da gedencke mit Zittern an das Zukünfftige/ und was du für grosse und erschreckliche Dinge nach dem Tode habest zu gewarten51: Da betrachte die hohe ja göttliche Majestät des himlischen Richters; das prächtige Ansehen seiner gewaltigen Diener vnd Trabanten52/ die ungläubliche Herrligkeit der heiligen Beysitzer53/ die grimmige Boßheit deines hefftigen und höllischen Anklägers des Teuffels54/ deine/ in der Gnaden=Zeit verübte Gottlosigkeiten und Ubelthaten/ die Offenbahrung solcher deiner wider Gott und Gewissen begangnen Händel/ die erschreckliche Donnerstimme des allergerechtesten Richters: Gehet hin jhr Verdampten in das ewige höllische Feur/ welches euch und allen Teuffeln ist bereitet55/ und denn schließlich die allerlieblichste Annehmung der frommen vnd gottseligen Kinder Gottes56 in das Reich der Freuden57/ Ehr und Herrligkeit/ welches alles zu sehen/ zu hören und zu erfahren die Gottlosen und Verdampten unaußsprechlich wird quälen in alle ewige Ewigkeit.
40 Ps 39,5; vgl. Ps 90,10 41 wähnet] glaubt. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 650. 42 Anstand gemachet] Waffenstillstand vereinbart. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 473. 43 Jes 28,15 44 Vgl. u. S. 311, Z. 1–8. 45 Vgl. Mt 24,42 46 dörffte] müßte. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 47 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 48 Jes 26,19 49 Jer 11,20 50 2Kor 5,10 51 gewarten] erwarten. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 5342. 52 Trabanten] Begleiter. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 941. 53 Vgl. Apk 4,4 54 Vgl. Apk 12,10 55 Mt 25,41 56 Vgl. Röm 8,14 57 Vgl. Mt 25,21.23
fol. A 7v
272
Das Vierdte Zehn
So erzitter nun dieweil58 du noch lebest/ O sündiger Mensch/ und erschrick von Hertzen/ damit du nicht nach deinem unseligen Absterben59 ewiglich müssest zittern und beben. Erinnere dich alle Stunde und Augenblick der unendlichen Ewigkeit/ und singe täglich aus diesem Vierdten Theil meiner himlischen Lieder 60 mit wahrer Andacht deines Hertzen:
O Ewigkeit du DonnerWort/ O Schwerdt das durch die Seele bohrt61/ O Anfang sonder62 Ende!g O Ewigkeit/ Zeit ohne Zeit/ Jch weis vor grosser Trawrigkeit Nicht/ wo ich hin mich wende! Mein gantz erschrocknes Hertz’ erbebt/ Daß mir die Zung’ am Gaumen klebt63/ etc.
fol. A 8r
O du sündhaffter Welt=Mensch/ schätze nicht gering diese treuhertzige Ermahnung/ dadurch anders nichts64 wird gesuchet/ als das ewige Heyl und die Wolfahrt deiner Seelen. Und dieses ist in Warheit die eintzige vornehme Ursache/ daß ich zu diesem mal von den allerbesten Dingen des Menschen/ als seinem Tode und Absterben/ und was man dagegen für einen Trost sol fassen: Deßgleichen von der Herrligkeit des grossen und letzten Gerich= | tes Gottes65; Ferner von der erschrecklichen Pein und Marter der Verdampten/ Weiter/ wie ein Gott ergebener Christ die unermäßliche Ewigkeit sol betrachten und ansehen/ Schließlich aber von der hertzlichen Frolockung einer gläubigen Seele über den Schatz und die Gewißheit des ewigen himlischen Lebens (anderer gottseliger Gedancken zu geschweigen66) habe singen und schreiben wollen/ nichts achtend die Grobheit und den Unverstand etlicher neidischer Mißgönner/ welche/ daß etliche meiner himlischen Lieder/ aus den Schrifften hoher fürtrefflicher Leute und Gottes= gelehrter Männer zum theil genommen/ freventlich67 urtheilen/ welches ich doch nicht allein niemal geleugnet/ sondern vielmehr (wie solches aus der Vorrede des Ersten Zehn68 deutlich zu vernehmen) mich dessen annoch69 kühnlich rühme/ wie ich denn auch in gedachter Vorrede öffentlich bedinget 70 habe/ daß ich in diesen himlischen Liedern der Art zu reden/ welche etliche weitg !] Fehlt B 58 dieweil] solange. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 59 Absterben] Tod. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 131. 60 Vgl. u. S. 341, Z. 1–8. 61 Vgl. Hebr 4,12 62 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 63 Vgl. Ps 22,16 64 anders nichts] nichts anderes. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 311. 65 Vgl. Mt 25,31–46; Apk 20,11f. 66 anderer gottseliger Gedancken zu geschweigen] von anderen gottseligen Gedanken ganz zu schweigen. Zu ‚geschweigen‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3987. 67 freventlich] frech. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 179 f. 68 Vgl. o. S. 14–17. 69 annoch] immer noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 70 bedinget] bestimmt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1233.
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Vorrede an den Christlichen Leser
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berühmbte Theologen (unter welchen ich sonderlich den Herrn Johann Arndt 71/ Herrn Doctor Gerhard72/ vnd Herrn Doctor Stegmann73/ alle Christseligen Andenckens/ namhafft gemacht) in jhrenh Schrifften und Büchern beliebet haben74/ für anderen mich gebrauchen wolte/ habe auch solches in etlichen vnd zwar nur wenigen dieser H. Gesänge/ ( iwie solches gelehrte Leute/ die mehr als drey Bücher durchlesen75 haben/ leicht sehen werden) in gebührende acht genommen/ darumb denn auch diese Lieder/ welche nicht aus dem stinckenden Kothlachen der heydnischen Poeten/ noch denen vnnützen Schuel=gezäncken76 etlicher muthwilligen Haderer/ sondern vielmehr aus den hellrinnenden Quellen Jsraels/ und den silbergläntzenden Brunnen der Prophetischen vnd Apostolischen Schrifften sind geschöpffet/ desto höher zu schätzen/ und solten billich77 umb so viel fleissiger von gottseligen Hertzen gelesen/ gebetet und gesungen werden. Aber/ diß ist so der gottlosen Welt=Kinder unnützer und verkehrter Gebrauch/ welcher auch bey vielen Ruhm=süchtigen der massen tieff ist eingewurtzelt/ daß sie schier 78 zu allen und jeden Sachen/ auch deme/ von welchen sie weniger Verstand als die Esel vomj Lautenschlagen haben79/ dennoch etwas müssen reden/ vnd jhre unzeitige Klugheit sehen lassen/ vnd solten sie auch nur solche Dinge/ die sonst jedermänniglich 80/ ja den Kindern bewust seyn/ als daß ein Pfund Goldes viel besser als ein Pfund Kupffer oder Bley sey81/ behaupten/ welches doch ein Verständiger niemals hat geleugnet. Die Melodeyen betreffend/ so habe ich mir abermal in diesem Theil die Einfalt belieben lassen82/ gestalt83 ich denn bey meinem hoch= | geehrten Freunde/ Herrn Johann Schopen84/ durch freundliches k bitten erhalten85/ daß er mir dieselben nur schlecht86 und deutlich/ zum theil den jenigen/ welche die schwere Weisen zu erlernen nicht genugsam geschickt seyn/ zum besten hat gesetzet. Jm fall 87 nun dieselbe dem einem oder dem andern Music=verständigen nicht kunstreich genug düncken möchten/ hat man solches gar nicht Herrn Schopen
h jhren] B statt dessen: jhrem i (] B statt dessen: / (Erratum) j vom] B statt dessen: von k freundliches] Gemäß B emendiert aus: frenndliches 71 Zu Johann Arndt vgl. o. S. 14, Anm. 8. 72 Zu Johann Gerhard vgl. o. S. 15, Anm. 11. 73 Zu Josua Stegmann vgl. o. S. 15, Anm. 14. 74 welche beliebet haben] an der Gefallen gefunden haben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 75 durchlesen] durchgelesen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1645. 76 Schuel=gezäncken] Lehrstreitigkeiten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1951. 77 billich] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 78 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 79 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 102. 80 jedermänniglich] jedermann. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2292. 81 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 1787. 82 mir die Einfalt belieben lassen] an der Einfachheit Gefallen gefunden. Zu ‚Einfalt‘ vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 172, zu ‚belieben‘ DWb 1, Sp. 1447. 83 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 84 Zu Johann Schop vgl. o. S. 14, Anm. 4. 85 erhalten] erreicht, erwirkt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 836. 86 schlecht] schlicht. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 87 Jm fall] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275.
fol. A 8v
274
Das Vierdte Zehn
(als dessen hohen Verstand/ treffliche Kunst und Erfahrenheit in der Edlen Singekunst durch gantz Europam gnugsam bekand ist) besondern88 mir/ als der ich wissentlich vnd mit fleisse eine solche Einfalt (unter welcher doch/ kluger Leute Bedüncken89 nach/ ein hohes vnd fast ungläublichesl Kunststück verborgen) begehret habe/ eintzig vnd allein zuzumessen90/ in Betrachtung ich mit diesen meinen Liedern gar nicht die Belustigung des eussern/ sondern bloß und allein des innern Menschen wil gesucht und befodert91 haben. So laß dir demnach/ Christlicher und in Gott sehr geliebter Leser/ diese meine Arbeit etlicher massen gefallen/ nur umb des jenigen willen/ zu welches Lobe und Ehren dieselbe sind angefangen/ und numehr (Gott allein die Ehre92) biß hieher glücklich auffgesetzet93 und vollführet; Jch verbleibe hinwieder mit meinem ernstlichen Gebete den Vater aller Gnaden94 umb deine und der lieben deinigen zeitliche und ewige Wolfahrt hertzlich anzuruffen/ wie auch mit allen Christlichen und müglichen Diensten dir auffzuwarten/ willig und geflissen95/ so lange ich lebe und bin.m
Johann Rist. |
l ungläubliches] B statt dessen: ungläubiges
m .] Fehlt B
88 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 89 Bedüncken] Meinung. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1239. 90 zuzumessen] zuzuschreiben. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 538. 91 befodert] befördert, gefördert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 92 Dtn 32,3 93 auffgesetzet] aufgezeichnet. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 736. 94 Vgl. 1Petr 5,10 95 geflissen] bestrebt. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 2144.
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190
195
DE
JOHANNE RISTIO THEOLOGO ET POETA NOBILI J OV I S T E S T I M O N I U M a,1.
J
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UPITER2 ad MUSAS3: dilectum ostendite natum, Quem meritò superûm gens mea honore colat. Confestim in medium loquitur Musa Attica, RISTI, Quid cessas? prodi delicium Aonidum. Hic meus est Romana refert, Germana repugnat Esse suum adfirmans; Lis gravis orta Deis. Consulitur Phoebus 4, placitum est audire canentem, Graece, Romané Teutoniceque canit, a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. 1 Dieser Text basiert auf einem Gedicht, das der italienische Philologe, Theologe und Humanist Pierio Valeriano Bolzani (1477–1560) über den venezianischen Adligen, Dichter und Gelehrten Paulus Canalis (1483–1508) geschrieben hat. Canalis hatte in den 1490er Jahren in Padua studiert und wurde später Mitglied der Akademie des Aldus Manutius (1449–1515). Zu Valeriano vgl. Jaumann, S. 672 und ABI I, 645, 118–121, zu Paulus Canalis vgl. Gaisser, S. 274 und ABI I, 237, 62–69. Valerianos Gedicht hat folgenden Wortlaut (Valeriano, Hieroglyphica, Poemata varia, S. 95): „De Paulo Canali. Iuppiter ad Musas: dilectum ostendite natum; Quem merito Superûm gens mea honore colat. Confestim in medium prodit Musa Attica; Paulum Canalem ostendit delicium Aonidum. Hic meus est, Etrusca refert; Romana repugnat, Esse suum affirmans: lis grauis orta Deis. Consulitur Phoebus, placitum est audire canentem. Is cecinit Graecus, Lydus, & Ausonius. Tum Phoebus, non est, cuias sit cernere verum O minor hunc fratrem, Iuppiter esse mihi, Iuppiter huic verum; nam te supera alta colente; Qui coleret terras. Phoebum alium genui.“ 2 JUPITER] Jupiter ist die oberste antik-römische Gottheit. 3 MUSAS] In der griechischen Mythologie neun Göttinnen, die für die Inspiration der Künstler sorgen. Die neun Musen sind: Klio, Melpomene, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Erato, Urania, Polyhymnia und Kalliope. 4 Phoebus] In der römischen Mythologie das Äquivalent zu Apollon, dem Zwillingsbruder der Artemis.
fol. B 1r
276
Das Vierdte Zehn
Tum Phoebus, non est, cujas sit cernere; Sacrum Laudo tamen docto quod canit ore melos Juppiter huic; veré laudas, Te celsa tenente, Qui coleret terras Phoebum alium genui.b
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A m i c i t i a e te s t a n d a e e r g o f e c i t
N i c o l a u s Schaffshausen5/ J u r i s U t r i u s qu e D o c to r.
b genui.] Gemäß B emendiert aus: genu; 5 Nicolaus Schaffshausen (1599–1657) studierte in Wittenberg, wurde dort 1623 zum Dr. der Rechte promoviert und beteiligte sich am dortigen akademischen Lehrbetrieb, praktizierte sodann in Hamburg und wurde von Fürst Julius Heinrich als sächsisch-lauenburgischer Geheimer Rat nach Lauenburg berufen. Später wurden ihm die Ämter des Hofkanzlers und des Präsidenten von Lauenburg übertragen. Zedler 34, Sp. 804 f.
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ALIUD . a
R
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E m g ra t a m p ra e s t a s p o p u l o c l a r i s s i m e R I ST I , Na m c u p i s & p ro d e s s e & d e l e c ta re p o e s i , Tr i s t i b u s o ra n d u m , p s a l l e n d u m c a r m i n a l a e t i s 1, E d o c u i t d i v u s n o s C h r i s t i e x o re J a c o b u s E x h i l a re n t a n i m o s l a e to s a c ra c a r m i n a p l a u s u . Tr i s t i c i a m u t to l l a n t m o e s t i s , s u s p i r i a c o rd i s O f f i c i u m va l i d é b i n u m t u a c a r m i n a p ra e s t a n t . J u b i l a l a e t a n t i s , p re ß i ge m i t u s m o d e ra n t u r, R i s e r i t a u t s o r s l a e t a , a u t s o r s ve x a r i t i n i q u a , M o x a n i m o s h y m n u s b s u p e r a e t h e ra to l l i t o va n t u m , M o x f u ga t a t ro c i s m o e s t i c i a e c n u b i l a vot u m , U t s i c d o c t a t u o d e l e c te t M u s i c a c a n t u : U t s i c d u l c e t u u m re l e ve t s u s p i r i a vot u m . R e m g ra t a m p ra e s t a s n o b i s p e r g ra t e Po ë t a . | R e m m a g n a m p ra e s t a s p o p u l o C l a r i ß i m e R I ST I , Tu c o n a t u s o p u s n u l l o qu o d t e m p o re c e s s a t Q u o l a u d e s te r r i s , l a u d e s c o e l i s c e l e b ra n t u r, C a n t a t i n a rc e D e i , S p i r i t u s , c a n t a b i t i n a e d e Vo x h o m i n i s , n u m e n c o e l o te r râ qu e c a n e n t e s , L i n g va t u u m S p i r i t u s qu e t u u m c a r m e n m o d u l e n t u r d A E t e r n u m J o va e qu o p e r p e t u e n t u r h o n o re s .
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. b h y m n u s ] B statt dessen: h y m n u s i (Erratum) c m o e s t i c i a e ] B statt dessen: m o e s t i t i a (Erratum) d m o d u l e n t u r ] B statt dessen: m o d u lantur 1 Vgl. Jak 5,13
fol. B 1v
278
Das Vierdte Zehn
R e m m a g n a m p ra e s t a s n o b i s C l a r i ß i m e va t e s , H i n c t e p ra e c i p u o va t i s d i g n a b o r h o n o re , H i n c t e p e r p e t u ò a m p l e c t a r p i e t a t i s a m o re D o n e c i n a e t e r n u m c o e l i s p l e n d o re f r u a m u r. Poëtae celeberrimo
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Dn. JOHANNI RISTIO, Pastori Wedelensium, fratri, Compatri ac vicino suo amicissimo scribebat
A l b e r t u s Kirchhoff2/ Pa s to r R e l l i n ge n s i s .
2 Albert Kirchhoff (1595–1653), seit 1613 Studium in Helmstedt, von 1618 an Aufenthalt in Stadthagen, wo Josua Stegmann als Professor am Akademischen Gymnasium und als Superintendent der Grafschaft Schaumburg tätig war. Kirchhoff legte das theologische Examen in Bückeburg ab und wurde ebd. ordiniert, 1623 trat er als Respondent in zwei Disputationen an der Universität Rinteln auf, die von Stegmann, der mittlerweile dorthin gewechselt war, bzw. von Johannes Gisenius präsidiert wurden. Seit 1621 bzw. 1622 war Kirchhoff Pastor in Wedel. Als er 1635 das Pastorat in Rellingen übernahm, wurde Johann Rist sein Nachfolger in Wedel. Seit 1649/50 fungierte Kirchhoff als Propst der Grafschaft Pinneberg. Rist und Kirchhoff verband eine enge Freundschaft, die sich auch darin niederschlug, daß Rist anläßlich des Todes Kirchhoffs († 24.12.1653) folgende Schrift publizierte, die in der Offizin des Hamburger Druckers Jacob Rebenlein 1654 gedruckt wurde und deren Titel ein detailliertes Biogramm des Verstorbenen bietet: Hochverdienter Nachruhm/ Dem Weiland WolEhrwürdigen/ Grosachtbahren und Hochgelehrten Herren/ H. Alberto Kirchhofen/ Der Kirchen/ in der löblichen Graffschaft Pinnenberg wolfürgesetzeten Propst und Prediger zu Rellingen/ Welcher im 1595. Jahre/ von dem auch weiland wolEhrwürdigen/ Grosachtbahren und wolgelehrten Herren/ H: Johann Kirchhof/ wolverdientem Gräflichen Schauenbürgischem Hoff= Prediger zur Bukkeburg/ und der viel Ehr= und Tugendreichen Frauen/ F. Anna/ weiland Herren Bürgermeister Schwartzen in Bukkeburg hinterlassenen Eheleiblichen Tochter ist erzeuget und gebohren/ nach Seiner liben Eltern früzeitigem Hintritt/ hatt Er Sich auf hohen und niedrigen Schulen/ sonderlich bei dem hoch und weitberühmten Theologo und Gottesmann Doctore Josua Stegman/ (der Jhme mit Libe/ Beforderung und Unterweisung an Vatters statt gewesen) aufgehalten/ biß Er im 27. Jahr Seines Alters durch Göttliche Versehung nach Wedel an der Elbe zum Predigtamt ist beruffen worden/ woselbst Er Sich zum ersten mahl mit der viel Ehr und tugendsamen Frauen Jlsebe Schraders in den Heiligen Ehestand begeben/ nach welcher seligem Absterben Er Sich anderweits mit der gros Ehr= und vieltugendreichen Frauen/ F. Anna Dieterichs hat verheirathet/ mit welcher Er in Kraft Göttlichen Segens 3. Söhne und zwo Töchter hat gezeuget/ Nachgehends ist er von Wedel nach Rellingen zum Prediger Ordentlich beruffen u darauf für etwan 4. Jahren zu Einem Propst der Kirchen/ in diser Königlichen Grafschafft Pinnenberg angenommen und bestellet worden/ und nach dem Er dise 59. Jahre also gelebet/ das Sein tödlicher Hintrit von Jedermänniglich hertzlich und schmertzlich wird beklaget/ ist Er/ als Er erstlich an der Wassersucht etliche Monaht schwehrlich danieder gelegen/ am 24. Tage des Christmonats dises zum Ende lauffenden 1653. Jahres sanft und selig aus diser betrübten Welt in das Reich der ewigen Herligkeit abgefodert/ Sein hinterblibener {L}eichnam aber am 3. Tage des Jänners/ des 1654. Jahres in ansehnlicher Volkreicher Begleitung vieler hochbetrübten Seelen zu Rellingen in Sein Ruhekämmerlein gebracht und beigeleget worden. Jn Einer Klag= und Trostschrifft aufgesetzet von Johann Rist . Vgl. J. Kirchhoff.
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An den Wol=Ehrwürdigen vnd Hochgelahrten Herrn Johann Ristena.
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As macht mein Caesius? (so deucht mich fragt Herr Rist/) Wie daß er seiner Pflicht und meiner gar vergist? Und schreibt mir nicht ein mal? Ach nein!b wie solt’ ich dessen/ Dem’ ich verbunden bin/ in einem Nu vergessen? Jch habe zwar die Lufft geendert1/ nicht den Sinn/ Der Sinn bleibt unverwandt2 und standhafft wie vorhin Und gilt es noch so viel. Es wird uns auch nicht trennen Der Unfug3 dieser Zeit/ da ich nicht schreiben können: Dem Reisen bleibt die Schuld. Jn dessen red’ ich doch Fast stündlich noch mit Jhm/ wenn ich das süsse Joch Der Reise von mir thu’/ und seine Himmels=Lieder Begierig leß’ und sing. Jch leß’ und lese wieder/ So find’ ich allzeit mehr/ das mich gantz himlisch macht/ Daß mein Gemüth’ vnd Sinn kein Angst zur See nicht acht. Ach!c welch ein guter Geist4 hat euch Herr Rist getrieben/ Daß jhr ein solches Werck den Schwachen vorgeschrieben; Der Himmel wohnt in euch/ und zieht auch bey mir ein/ Wenn ich mit Eurer Lust mag lust= und frölich seyn. Der Himmel hat auff euch den edlen Thaw gegossen5; Drey Himmels=Pfeile seyn nun schon zum Ziel geschossen/ Nun fehlen nur noch zwey; so ist die Zahl erfüllt/ Denn durch fünff Wunden ward die Lieb’ uns abgebildt | Die Jesus zu uns trug. Drumb last die andern beyde Auch kommen an das Liecht/ zur süssen Himmels=Freude. 6
Auff der Reise aus Lunden schreibet es d 7 M. Phil. Caesius, von Fürstenau.
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. sen: Phi.
b !] B statt dessen: :
c !] Fehlt B
d P h i l . ] B statt des-
1 Jch habe zwar die Lufft geendert] Ich bin zwar fortgereist. Zu ‚Luft‘ vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1237. Zesen hatte Hamburg im Frühjahr 1642 verlassen. Vgl. Blume, in: Killy1 12 (1992), S. 483. 2 unverwandt] unverändert. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 2116. 3 Unfug] Ungeeignetheit. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 598. 4 Ps 143,10 5 Vgl. Gen 27,28 6 Lunden] London. Zesen hielt sich im Jahre 1643 in London auf, was auch aus seinem Gedicht „Auf das äben-bildnüs Jungfer M. E. v. H.“ (Zesen, Sämtliche Werke 4, S. 305) hervorgeht. Es ist unterschrieben: „London/ 1643. 6. Häu=m.“ (= 6. Juli 1643). 7 Zu Philipp von Zesen vgl. o. S. 105, Anm. 11.
fol. B 2r
Uberschrifften
Auff des Wol=Ehrwürdigen/ Großachtbaren und Hoch= gelahrten Herrn Johann Risten H. P. a
himlische Lieder .
W
I.
As hebet man so hoch des Orpheus süsse Weisen1? Was ist es das so viel’ auch Thales2 Lieder preisen? Was sol Arion3 doch? Was wil Demodocusb,4? O kaltes Heyden=Volck!c Der grosser RISTIVS Der sticht sie all’ herab5. Den höret man hie singen Was aus der Hellen=Angst in Gottes Reich kan bringen/ O wol dem/ der mit jhm auch hertzlich stimmet ein/ Der muß schon hie fürwar im Paradyse6 seyn.
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. c !] B statt dessen: :
b Demodocus] B statt dessen: Demodotus (Erratum)
1 Orpheus süsse Weisen] Rist bezieht sich auf den Mythos von Orpheus und Eurydike. Nachdem seine Frau Eurydike infolge eines Schlangenbisses gestorben war, stieg Orpheus, der Sohn des thrakischen Königs Oiagros und der Muse Kalliope, in den Hades hinab und erwirkte durch sein kunstvolles Leierspiel die Freilassung der Verstorbenen. Freilich hielt sich Orpheus nicht an die ihm gestellte Bedingung, sich nach der ihm folgenden Eurydike solange nicht umzusehen, bis sie die Heimat erreicht hätten, was dazu führte, daß Eurydike wieder im Hades verschwand. Ovid, Metamorphosen 10, 1–77. 2 Thales] Der griechisch-antike Dichter Thales war ein gebürtiger Kreter und soll bestrebt gewesen sein, die Menschen durch seine Dichtung zu Friedfertigkeit und Eintracht anzustiften. Zedler 43, Sp. 382 f. 3 Arion] Griechisch-antiker Dichter(komponist) des 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr., dem auch hohe Verdienste hinsichtlich der Entstehung des Dramas zugeschrieben werden. 4 Demodocus] Demodokos war Sänger am Hofe der Phäaken, eines in der Odyssee vorkommenden mythischen Seefahrervolkes. Freilich legten „findige Mythographen“ diesen Namen auch dem Sänger bei, „den Agamemnon beim Auszug aus Troia seiner Gattin als Mentor zurückließ und den sie unter dem Einfluß des Aigisthos auf eine verlassene Insel verbannte, Od. 3, 267“ (Kleiner Pauly 1, Sp. 1474). 5 sticht sie all’ herab] sticht sie alle aus. Nicht bei Grimm, DWb. 6 Vgl. Apk 2,7
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Uberschrifften
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II. Ach sehet doch wie dort die armen Pegasinnen7 Als deren Liederlein nur aus Parnassus8 rinnen So gar erblasset stehn!d Doch wundert es mich nicht/ Dieweil9 derselbe Brunn/ so dieses Orts erbricht10 Die wahre Gottheit führt. Wer dieses naß geniesset/ Der wird nur nicht allein von Erato11 gegrüsset Und Ehren=wehrt geschätzt;e Besondern12 recht geweiht Zu allem was die Seel’ in Ewigkeit erfreut. III. Das war ein Meisterstück’/ allhie zu so viel malen So göttlich durch und durch vollbringen alle Zahlen13 O der so süssen Krafft!f Herr Rist/ jhr seyd gesand/ Daß jhr was himlisch ist der Erden macht bekandt. g
Dieses übersendet seinem hochgeehrten sehr werthen Herrn vnd Freunde aus Hamburg 14 Johannes Tancmarus .
d !] B statt dessen: :
e ;] B statt dessen: .
f !] B statt dessen: : g seinem] B statt dessen: seinen
7 Pegasinnen] Gemeint sind die Musen. Vgl. o. S. 275, Anm. 3. 8 Parnassus] Mit 2457 Metern der zweithöchste Berg Zentralgriechenlands. Dem griechisch-antiken Mythos zufolge ist der Parnaß die Heimat der Musen. 9 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 10 so dieses Orts erbricht] der an diesem Ort entspringt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 735 f. 11 Erato] Erato ist in der griechischen Mythologie die Muse der Lyrik, des Gesangs und des Tanzes. 12 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 13 alle Zahlen] Hier „liegt der nachdruck auf der vollendung der reihe, ‚zahl‘ meint die vollzahl“ (Grimm, DWb 31, Sp. 39) der ersten vier Teile der Rist’schen ‚Himmlischen Lieder‘ . 14 Zu Johannes Tancmar konnten genauere biographische Daten bislang nicht ermittelt werden. In Rists ‚Neuem Teutschen Parnass‘, S. 680– 687 findet sich ein an Tancmar gerichtetes (erstmals im Jahre 1645 selbständig gedrucktes) Glückwunschgedicht, das den Adressaten als Gräfflichen Oldenburgischen Bedienten bezeichnet. Aus dem Titel des Gedichtes geht weiter hervor, daß Tancmar Rist im Juli 1645 besuchte, als er von Hamburg nacher Dantzig und ferner in Polen/ Ungern und Siebenbürgen verreisete.
An den Hochberühmbten und sehr trefflichen Poeten Herrn Johann:a Ristenb.
D
Je Heyden haben viel vom Helicon1 geschrieben Damit ja jederman die Musen2 möchte lieben/ Die doch so mangelhafft. Fürwar/ jhr hoher Ruhm Der fället billich3 hin bey unserm Christenthumb Das dac viel höher d steigt: Worinn sich jetzo finden Die unsre Deutsche Sprach’ auffs allerschönste binden Zu Gottes Ruhm und Ehr’. Und derer Kron und Zier Jst unser RISTIVS. Wenn der sich läst herfür Und durch sein Seitenspiel ein himlisch Lied erschallene So fühlt man Leib vnd Seel’ entzückt inf Freuden wallen/ Denn singt Apollo4 nicht/ besondern5 dessen Geist Der alle Welt zu jhm durch Christum kommen heist6. g
h
Aus Straßburg übersendet dieses dem hochberühmbten Herrn Risten.
F. vom D. | 7
a Johann:] B statt dessen: Johann b Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. c da] B statt dessen: so d höher] Gemäß B emendiert aus: höh er e Lied erschallen] B statt dessen: Lieder schallen (Erratum) f entzückt in] B statt dessen: in vollen g dem] B statt dessen: den h hochberühmbten] B statt dessen: hochebrühmten (Erratum)
1 Helicon] Der Helikon ist eine Bergkette im Westen von Böotien und gilt in der griechischen Mythologie als der von den Musen bevorzugte Aufenthaltsort. 2 Vgl. o. S. 275, Anm. 3. 3 billich] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 4 Apollo] Apollo ist der griechische Gott der Musik, der Dichtkunst und des Gesangs. 5 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 6 Vgl. Joh 14,6; Röm 5,1 f. 7 F. vom D.] Es konnte bislang nicht ermittelt werden, wer sich hinter diesem Kürzel verbirgt.
5
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I. Andächtiges Lied zu Gott
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I.
S. 1
Andächtiges Lied zu Gott/ a
Umb dieb Nachfolgec Christi/d in der wahren Gottseligkeit und allen guten Wercken.
F
Olget mir1/ rufft uns das Leben2/
Was jhr bittet wil ich geben3/ gehet nur den rechten Steg/ Folget ich bin selbst der weg 4/ Folget mir von gantzem Hertzen/ Jch benem euch alle schmertzen5/ Lernet von mir ine gemein6/ sanfft und reich von Demut seyn 7.
2. Ja HErr JEsu/ dein Begehren Solt’ ich billig8 dir gewehren Weil ich weis/ daß der kein Christ’ Unter uns zu nennen ist/ Der sich gleichsam pflegt zu schämen Deine Last auff sich zu nehmen9/ Ach ich weis es gar zu wol/ Daß man dir nach=wandlen sol10!f
a Andächtiges Lied] C statt dessen: Ein hertzliches Gebeht b die] C statt dessen: eine ernstliche c C zusätzlich: des Lebens und Wandels unsers liebsten Seligmachers JEsu d C zusätzlich: fürnehmlich e in] In der Notation des Bassus statt dessen: ins Ebenso B in der Notation des Bassus und C f !] C statt dessen: . 1 Vgl. Joh 8,12 2 Joh 14,6 3 Vgl. Mt 7,7; Joh 16,23 4 Joh 14,6 5 benem euch alle schmertzen] nehme euch alle Schmerzen ab. Zu ‚benehmen‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1468. 6 in gemein] alle. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3220. 7 Mt 11,28 f. 8 billig] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 9 Vgl. Mt 10,38 10 Vgl. Lk 14,27
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I. Andächtiges Lied zu Gott
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3. Aber HErr/ wo find’ ich Stärcke Zu verbringen11 gute Wercke | Und dir stetsg zu folgen nach? Ach mein Gott ich bin zu schwach12! Binh ich schon auff guten Wegen/ Bald muß ichi mich niederlegen/ Dich zu lieben O mein Liecht13 Jstj in meinen Kräfften nicht. 4. Zwar mein Geist wird offt bewogen/ Aber bald durchs Fleisch betrogen14/ Wenn die Wollust tritt herfür Freundlich ruffend: Folge mir Ehr’ und Pracht/ sampt andern Sachenk Wollen dich zum Herren machen/ | Geitz und Ungerechtigkeit Kommen auch zu diesem Streit’. 5. Ach wie seh’ ich doch ein Rennen Nach den Gütern die wir kennen/ Ja wol umb das eitle Geld Liebet man die schnöde Weltl,15/ Und dem HErren/ der das Leben Nach dem Sterben uns wil geben16/ Folget niemand mit der That17/ Wie er uns befohlenm hat18. 6. Aber HErr/ ich wil nicht lassen Dich mit Freuden anzufassen/ g Und dir stets] C statt dessen: Dir mit Lust h Bin] C statt dessen: Geh’ i Bald muß ich] C statt dessen: Muß Jch bald j Jst] C statt dessen: Steht k B zusätzlich: . (Erratum) l Ja wol umb das eitle Geld Liebet man die schnöde Welt] C statt dessen: Liebet doch die schnöde Welt Nur den Reichthum und das Geld m Wie er uns befohlen] C statt dessen: Ob mans gleich versprochen 11 verbringen] vollbringen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 174. 12 Vgl. Ps 6,3 13 Vgl. Ps 27,1 14 Vgl. Mt 26,41 15 Vgl. 1Joh 2,15 16 Vgl. Joh 11,25 17 Vgl. 1Joh 2,25 18 Vgl. Mt 10,38; 16,24
S. 2
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Das Vierdte Zehn
Hilff nur gnädig/ stärcke mich19/ Steiff und fest zu halten dich/ Jener Wege laß’ ich fahren20 Nur mit dir wil ich mich paaren/ Jener Wege sind Betrug/ Wer dir folget/ der ist klug.
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7. Du bist für uns her gegangen Nicht mit grossem Stoltz’ und Prangen21/ Nicht mit Hader/ Zanck vnd Streit/ Sondern mit Barmhertzigkeit; | Gib/ daß wir als’ Haußgenossen22 Dir zu folgen unverdrossen Wandeln in der Tugend Bahn/ Wie du hast für uns gethan. 8. HErr/ wie bistu doch gelauffen Unter solchemn schnöden Hauffen Damals/ als der Sünden Macht Dich hat an das Creutz gebracht23/ Und ein’ übergrosse Liebe Dich für uns zu sterben triebe24/ Da dein theur vergossens Blut Uns erwarb das höchste Gut25/o 9. Laß’ uns auch in solchen Schrancken Christlich lauffen sonder26 Wancken27/ Daß uns Lieb’ und Freundligkeit28 Fest verknüpffe jederzeitp: Niemand seh’ in diesem Stücke Wol zu leben hie zu rücke29/ Christus gehet für uns her/ Folget/ das ist sein Begehr30. n solchem] B statt dessen: solchen C statt dessen: Jennem o /] B statt dessen: . C statt dessen: ! p verknüpffe jederzeit] C statt dessen: verknüpf’ in diser Zeit 19 Ps 119,117 20 Vgl. Ps 1,1 21 Prangen] Prunk. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2067. 22 Eph 2,19 23 Vgl. 1Kor 15,3 24 Vgl. Joh 3,16; 15,13 25 Vgl. 1Petr 1,18 f. 26 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 27 1Kor 9,24 28 Vgl. Eph 4,32 29 Vgl. Lk 9,62 30 Vgl. Joh 8,12
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I. Andächtiges Lied zu Gott
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10. Wenn die Sonne läufft von ferne Folgen jhr fast alle Sterne/ | Und wenn Josua zog aus/ Folget’ jhm’ Jsraels Hauß31; Du HErr JEsu/ bist die Sonne32/ Gib daß wir mit Hertzens Wonne Folgen dir mit grosser Schaar/ Wol zu leben jmmerdar33. 11. Josua bistu genennet/ Der sein kleines Häufleinq kennet Und demselben zeigt die Bahn/ Nach dem rechten Canaan;r,34 Laß’ uns solche Strassen sehens/ Daß auch wirt mit Freuden gehen Unter deiner Gnaden=Hand Jn das hochgelobteu Land. 12. JEsu/ du mein Liecht35 und Leben36/ Deine Schritte sind gantz eben Und die Stapffen deiner Füß’37,38 Halt’ ich über39 Honigsüß: Hilff/ daß ich im Koth der Sünden40 Meinen Gang nie lasse finden41/ Zeig’ HErr/ deinem armen Knecht’ Alle Steg’ und Wege recht42. |
q Häuflein] C statt dessen: Häußlein (Erratum) r ;] B, C statt dessen: ? s Strassen sehen] C statt dessen: Weg doch sehen t auch wir] C statt dessen: wir Jhn u deiner Gnaden=Hand Jn das hochgelobte] C statt dessen: deinem Schutz und Hand Hin zum hochgelobten 31 Vgl. Jos 3,1 32 Apk 21,23 33 Vgl. Mt 19,28f. 34 Vgl. Dtn 31,7 35 Joh 8,12 36 Joh 11,25 37 Stapffen deiner Füß’] deine Fußspuren. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1044. 38 Vgl. 1Petr 2,21 39 über] mehr als. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 105. 40 Vgl. 2Petr 2,22 41 Vgl. Ps 1,1 42 Vgl. Ps 25,4
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Das Vierdte Zehn
13. Laß mich deine Gnade spüren Meinenv Tritt also zu führen Daß ich in der Unschuld geh’ Und nicht bey den Spöttern steh’43 Hilff/ daß ich nicht nur in Freuden Sondern auch imw Creutz vnd Leiden Durch so manchen Kampff und Streit Dir zu folgen sey bereit44.
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14. Laß mich HErr doch nicht verdriessen Angst vnd Trübsal zu geniessen45,46/ Weil man weis daß diese Bahn Jst ein rechter Vnglücks=Plan47/ Da man muß in Dörnern baden48 Und mit Elend sich beladen/ Da im Lauff auchx jederman Gar zu schleunig fallen kan.
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15. Laß mir doch mein Ziel auff Erden Nicht zu schnell verrücket werden49/ Daß ich ja das Gnaden=Liecht Jn der Zeit verliere nicht: Gib/ daß ich iny meiner Jugend Biß ins Alter mir die Tugend | Recht von Hertzen/ nicht zum Schein’ Hoch laß angelegen seyn.
v Meinen] B statt dessen: Mei en (Erratum) w im] B, C statt dessen: in statt dessen: den lauffend y in] C statt dessen: von
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x im Lauff auch] C
43 Vgl. Ps 1,1 44 Vgl. Mt 16,24 45 Angst vnd Trübsal zu geniessen] aus Angst und Trübsal Nutzen zu ziehen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3455. 46 Vgl. Mt 24,9; Joh 15,18 47 Vnglücks=Plan] Unglücksort. Zu ‚Plan‘ vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1883f. 48 in Dörnern baden] Leid ertragen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1290. 49 Kol 2,18
I. Andächtiges Lied zu Gott
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16. Hilff mir HErr vor allen Dingen Diesen meinen Lauff vollbringenz,50/ | Daß ich mich in deiner Lieb’ Und der wahren Demuth üb’51: Hilff/ daß ich dir hie vertraue Und dich dort mit Freuden schaue/ Jenes gib mir in der Zeit/ Dieses in der Ewigkeit52. |
z Diesen meinen Lauff vollbringen] C statt dessen: Meinen Lauf so vollenbringen 50 Vgl. 2Tim 4,7 51 Vgl. Mt 11,29 52 Vgl. 1Kor 13,12
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Das Vierdte Zehn
II. Gebet zu dem Herrn Jesu
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II.
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Gebet zu dem Herrn JEsu.
Umb den himlischen Seelen=Gast/ den wer= then heiligen Geista,1.
J
Ch trage groß Verlangen/ HErr Jesu deinen Geist/ der Rath und Tröster heist2/ mit Freuden zu empfangen: Es sehnet sich mein Muth/ allein nach diesem Gut/ und wenn ich das kan haben/ ist all mein Leid vergraben. |
S. 9
2. Nichts wil ich mehr begehren/ Als wenn du diesen Gast3/ Den du versprochen hast4/ Mein Gott/ mir wirst gewehren:b Der lehrt zur jeder frist5 Das/ was ein frommer Christ Zu thun sol seyn geflissen6/ Auch was jhm noth zu wissen 7.
a Gebet zu heiligen Geist] C statt dessen: Ein Pfingstgesang/ Jn welchem üm Verleihung und Mittheilung deß himlischen Pfingstgastes/ des werthen Heiligen Geistes/ unser liebster HErr Jesus! von Hertzen wird gebehten und angeruffen b :] B statt dessen: ; 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Stegmann, Schwanengesang, S. 749–756 („Begrüssung des HErrn JEsu/ vmb den himmlischen Seelengast den H. Geist.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 516–521. 2 Vgl. Joh 14,26 3 Vgl. Röm 8,9 4 Vgl. Joh 16,7 5 frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 6 geflissen] bestrebt. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 2144. 7 Vgl. Joh 14,26; 1Kor 2,10
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II. Gebet zu dem Herrn Jesu
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3. Er ists/ der uns regieret 8 Die Sinnen und Verstand/ Der durch der Liebe Band9 Uns recht zum Himmel führet/ Ja der des Glaubens Krafft Jn unser Seelen schafft10/ Der sie mit Tugend schmücket Und in der Noth erquicket. 4. Er hält uns wenn wir fallen11 Jn Vnglück vnd Gefahr/ Bald werden wir gewahr Daß er vns hilfft für allen12: Er lässt uns nicht allein Wenn wir verjrret seyn13/ Er speiset uns mit Freuden/ So bald wir Mangel leiden14. | 5. Er bringt uns arme Knechte Wenn wir durch falschen Schein Der Welt verleitet seyn Durch seine Krafft zu rechte:c Er ist jad vnser Schutz15/ Wenn durch der Feinde Trutz Wir Christen hie auff Erden So starck verfolget werden16. 6. Ja dieser Geist der lehret17 Das/ was uns unbekandt Und himlisch wird genandt18. Er ist es der da mehret Jn uns des Glaubens Liecht/ Trost/ Hoffnung/ Zuversicht/ c :] B, C statt dessen: ; d Er ist ja] C statt dessen: Nur Er ist 8 Vgl. Gal 5,18 9 Vgl. Kol 3,14 10 Vgl. Gal 5,22 11 Vgl. Ps 145,14 12 Vgl. Ps 25,5 13 Vgl. Ez 34,16 14 Vgl. Ps 34,11 15 Vgl. Ps 62,7 16 Vgl. 2Kor 4,9 17 Vgl. Joh 14,26 18 Vgl. 1Kor 2,10–12
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Das Vierdte Zehn
Gedulden/ leiden/ lieben/ Und sich in Demuth üben19. 7. Wenn wir verdüstert gehen20/ Bringt er uns auff den Weg/ Er zeigt des Lebens Steg/ Daß wir ime Finstern sehen21. Sein Honigsüsser Mund22 Macht unser Hertz gesund23/ Er kan den bösen Willen Jn unser Seelen stillen. | 8. Er tröstet das Gewissen24/ Wenn durch der Sünden Schmertz Ein sehr zerschlagnes Hertz f,25 Jst jämmerlich zerrissen. Er höret unser Bitt’ Er richtet unsre Tritt’/ Er gibt uns erst das Wollen Da wir nach leben sollen26.
S. 11
9. O selig ist zu schätzen Der g diese Gnad’ und Gunst Der süssen Himmels=Brunst27 Auff Erden mag ergetzen! Doch dieser werther Schatz Hat nicht bey denen Platz/ Die durch jhr gantzes Leben Den Lastern sind ergeben.
e im] B, C statt dessen: in
f B zusätzlich: . (Erratum) g Der] C statt dessen: Den
19 Vgl. Gal 5,22 20 verdüstert gehen] uns verirrt haben. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 263. 21 Vgl. Jes 42,16 22 Vgl. Ps 45,3 23 Vgl. Ps 147,3 24 Vgl. Joh 14,26; 15,26; 16,7 25 Ps 51,19 26 Vgl. Phil 2,13 27 Himmels=Brunst] Himmelsglut. Zu ‚Brunst‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 439.
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10. Gleich wie nicht kondteh bleiben Des Noäh Taub’ allda/ Wo es noch kothig sah’28,29 Also läst sich vertreiben Der Geist der Sauberkeit30 Wo man die liebe Zeit/ | Jn Uppigkeit verbringet Und gleich zur Hell’ einspringeti. 11. Wer Zanck und Hader liebet/ Wer bey den Spöttern sitzt31/ Und schändlich sich beschmitzt32/ Wer sich in Hoffahrt übet/ Wer stets im Sause lebt/ Wer nur nach Gelde strebt Der kan den Geist der Gnaden33 Dochj nimmer zu sich laden. 12. Er gibt sich selbst nur denen Die von der Triegerey34 Der schnöden Wollust frey Sich nach dem Himmel sehnen 35/ Ja welche Tag und Nacht36 Auff Gottes Zorn bedacht Jhr traurigs Hertz’ außschütten Und stets umb Gnade bitten. 13. HErr JEsu/ du mein Leben37 Mein’ höchste Freud’ und Lust/ Mir ist ja wol bewust/
h kondte] C statt dessen: könte i gleich zur Hell’ einspringet] C statt dessen: hin zum Satan springet j Doch] C statt dessen: Ja 28 sah’] aussah. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 133. 29 Vgl. Gen 8,8 f. 30 Vgl. Sap 1,5 31 Ps 1,1 32 beschmitzt] beschmutzt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1585. 33 Vgl. Hebr 10,29 34 Triegerey] Betrügerei, Heuchelei. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1280–1282. 35 Vgl. 2Kor 5,2 36 Vgl. Ps 88,2 37 Joh 11,25; Phil 1,21
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Das Vierdte Zehn
Daß du alleink kanst geben | Diß himlische Geschenck’; Jch bitte dich: Gedenck’ An mich38/ daß/ wenn ich schreye Dein Geist mich hochl erfrewe. 14. Laß mich von dir nicht wancken39/ Verleihe Muth und Krafft Diem uns der Tröster schafft 40; Gib heilige Gedancken/ Daß meine Seel in dir Sich tröste für und für/ Gib/ daß ich meinen Willen Durch dich nur lasse stillen41. 15. Verleyhe mir zu taugen42 Vor deinem Angesicht’ O unvergänglichs Liecht 43 Komm’/ heilige mein’ Augen/ Daß sie zu dir allein Durchauß gerichtet seyn/ Vermehre mein Verlangen/ Nur dir HErr’ anzuhangen44.
S. 14
16. O möcht’ ich Armer bleiben Ein Feind der Sünden=Gifft/ Der Leib und Seele trifft! | O möcht’n ich doch vertreiben Das/ was den guten Geist 45 Verjaget allermeist 46/ So würd’ ich seine Gaben47/ Beständig bey mir haben. k allein] C statt dessen: Mir nur l hoch] C statt dessen: bald m Die] C statt dessen: Welch’ n möcht’] Gemäß B, C emendiert aus: mocht’ In Custode recte 38 Jer 15,15 39 wancken] abweichen, abfallen. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1821. 40 Vgl. Joh 14,16 41 stillen] zum Schweigen bringen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3016. 42 zu taugen] tauglich zu sein. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 196. 43 Vgl. Joh 8,12 44 Vgl. Dtn 10,20 45 Ps 143,10 46 Vgl. Sap 1,5 47 Vgl. 1Kor 12,1–11
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II. Gebet zu dem Herrn Jesu
17. Rath ist bey dir zu finden HErr JEsu meine Ruh’48 Ach tritt du selber zu Und hilff mir überwinden49 Durch deines Geistes Stärck’/ Jch weis/ sein gnädigs Werck Das wird zum Freuden=Leben Mich ewiglich erheben50. |
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48 Vgl. Mt 11,29
49 Vgl. Röm 8,37 50 Vgl. Röm 14,17
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Das Vierdte Zehn
III. Bußlied zu Gott
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S. 15
III.
BußLied zu Gott. a
Umb seineb Gnade und Abwendung der sehr scharffen und wolverdienten Zorn= Ruthec.
O Gott/ sehr reich von Güt / 1
O Vater voller Gnaden/ Jch weis daß mein Gemüth/ ist innerlich beladen/ mit Sünden2 mancher Art/ died ich aus Trieb der Schlangen3/ in deiner Gegenwart/ durch sündliches Verlangen/ von Jugend auff begangen4.
S. 16
2. Ach!e mehr sind meiner f Sünd’ Alß’ an dem Himmel Sterne/ Sehr böß’ ich mich befind’ Jn dem’ ich mich abferne5 Von deiner Freundligkeitg,6/ Die mich soh offt geladen Jn meiner Lebens=Zeit/ | Daß mir aus lauter Gnaden Dein Zorn nicht möchte schaden. 3. Ach HErr’ ich leugne nicht/ Mein’ Augen sind geschlossen Zu sehn/ was mir gebricht 7/
a BußLied] C statt dessen: Ein demühtiges Bittlid b C zusätzlich: väterliche c Zorn=Ruthe] C statt dessen: Zornruhten und Straffen d die] C statt dessen: welch’ e !] Fehlt C f meiner] C statt dessen: meine g Freundligkeit] C statt dessen: Freüdigkeit h so] C statt dessen: gahr 1 Ps 59,11 2 Vgl. Ps 38,5 3 Vgl. Gen 3,1– 6 4 Vgl. Gen 8,21 5 abferne] entferne. Nicht bei Grimm, DWb. 6 Vgl. Tit 3,4 7 gebricht] mangelt. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1851.
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III. Bußlied zu Gott
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Mein’ Ohren sind verdrossen8 | Zu hören dein Gebot9/ Mein Mund ist schnell zu liegen10/ Mein Hertz’ O treuer Gott11 Jst fertig zu betriegen12 Hat lust zu Zanck und Kriegen13.
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4. Demnach bekenn’ ich dir/ Daß ich vor vielen Jahren Verschuldet14 mehr als mir Zur Straffe wiederfahren15/ Noch schonet mich allein Der Abgrund deiner Liebe16 Und i lindert mir die Pein Daß ich mich nicht betrübe Noch wie der Spreu17 verstiebe18,19.
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5. So mach’ HErr ferner groß Und herrlich deine Güte20 Jn Sünden lig’ ich bloß21/ Bekümmert von Gemühte Drumb laß mir deine Gunst Und wehrte Gnade fliessen/ Laß deiner Liebe Brunst22 Mein kaltes Hertz’ auffschliessen Viel Thränen zu vergiessen.
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6. Jch kan der Sünden Macht | Ja nimmermehr bedeckenj/ Der Sünden/ die mich bracht Jn Traurigkeit und Schrecken/ i Und] C statt dessen: Sie
j bedecken] B statt dessen: bedencken (Erratum)
8 verdrossen] unwillig. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 247. 9 Vgl. Ez 12,2 10 liegen] lügen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1017. 11 Ps 31,6 12 betriegen] betrügen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1714. 13 Vgl. Prv 6,12–14 14 Vgl. Ps 25,7 15 Vgl. Mi 7,18 16 Vgl. Sap 12,18 17 Spreu] Zu ‚Spreu‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 53. 18 verstiebe] verfliege. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1748. 19 Vgl. Ps 1,4 20 Vgl. Ps 31,20 21 bloß] nackt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 144. 22 Brunst] Glut. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 439.
S. 18
302
Das Vierdte Zehn
Die Bößheit wil ich nicht Entschuldigen mit Worten23/ Jch weis was mir gebricht24 Mein Gott an allen Orten Biß zu desk Himmelspforten. 7. Vergib die Missethat Vergib mir HErr’ l aus Gnaden25 Das Unrecht das mich hat Wie Sand am Meer beladen/m Ach laß mir armen Knecht’ Aus Liebe wiederfahren Nur Gnade/ nicht das Recht26/ So wirstu mich dirn paaren27,28 Mich ewig zuo bewahren.
S. 19
8. Löß’ auff der Sünden Band’29 Und aller Bößheit Stricke/ Daß ich dir zugewandp Dein gnädigs Hertz’ erblicke/ Ach treuer Vater heil’ An mir der Sünden Wunden30 So werd’ ich auff der Eil’31 | Jn dem’ ich dich gefunden Der schweren Last entbunden. 9. Laß deiner Güte Schoß Mir/ deinem Kind’ auff Erden32 Wenn ich vonq Sünden loß Ein fester Wohnplatz werden/
k des] B statt dessen: den l Vergib mir HErr’] C statt dessen: Verzeihe Mir m /] B, C statt dessen: ! n mich dir] C statt dessen: Mir Dich o Mich ewig zu] C statt dessen: Und ewig Mich p Daß ich dir zugewand] C statt dessen: Mein Hertz zu Dir gewand q von] C statt dessen: der 23 Vgl. Joh 15,22 24 gebricht] mangelt. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1851. 25 Vgl. Ps 51,3 26 Vgl. Ps 130,3 f. 27 mich dir paaren] mich mit dir vereinigen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1392. 28 Vgl. Hos 2,21 f. 29 Vgl. Prv 5,22 30 Vgl. Ps 103,3 31 auff der Eil’] rasch. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 106. 32 Vgl. Joh 1,12; Röm 8,14; Phil 2,15; 1Joh 3,1
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III. Bußlied zu Gott
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Ach lindre meine Noht Reiß ab33 mein schweres Leiden/ So kan noch Welt noch34 Todt | Es sey inr Leyd und Freuden Mich nimmer von dirs scheiden35. 10. Verleihe/ daß ich taug’36 Jn Trübsal dich zu ehren37 Und gib/ daß sicht mein Aug’ Allein zu dir mag kehren/ Mein Ohr Herr sey bereit Auff dein Gebot zu mercken38,39/ So wirstu jederzeit Jn allenu guten Wercken Durch deine Krafft mich stärcken40. |
r Es sey in] B statt dessen: Esse yin (Erratum) s Es sey in Leyd und Freuden Mich nimmer von dir] C statt dessen: Auch in dem höchsten Leiden Von Dir Mich nimmer t sich] B, C statt dessen: ich u Jn allen] C statt dessen: Zu vielen 33 Reiß ab] nimm weg. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 88. 34 noch noch] weder noch. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 872. 35 Röm 8,38 f. 36 taug’] tauglich bin. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 196. 37 Vgl. 2Kor 6,4 38 Auff dein Gebot zu mercken] auf dein Gebot aufmerksam zu sein. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2100. 39 Vgl. Ex 15,26 40 Vgl. 2Thess 2,16 f.
S. 20
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Das Vierdte Zehn
IV.
S. 19
Ernstliches Gebet zu Gott/ a
Umb Besserung desb gantzen Lebens/ Daß wir die schädliched Laster mügen fliehen/ und allen c
Christlichen Tugendene mit unserm eusserstenf Fleisse nachjagen.
A
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Ch höchster Gott/ verleyhe mir/ daß ich nur dich begehre1/ Vnd daß ich Christlich für und für/ durch dich mich neu gebäre/ Daß ich dein Kind2/ dich such und find3/ in allem Creutz und Leiden/ Damit noch Todt/ noch4 Hellennoth/ mich nimmer von dir g scheiden5. | 2. Gib meinem Hertzen wahre Reu’ Und Thränen meinen Augen/ Daß ich hinfort das Böse scheu’ h,6 Und meine Wercke taugen7/ Hilff daß ich sey Ohn’ Heucheley 8 Ein Schutz und Trosti der Armen9/
a Ernstliches] C statt dessen: Ein ernstliches b des] C statt dessen: unsers c C zusätzlich: nemlich d C zusätzlich: und schändliche e C zusätzlich: die gantze Zeit unsers Lebens f unserm eussersten] C statt dessen: äusserstem g mich nimmer von dir] C statt dessen: Von Dir Mich könne h B zusätzlich: ; i sey Ohn’ Heucheley Ein Schutz und Trost] C statt dessen: recht Nur sei dein Knecht Auch stets ein Schutz 1 Vgl. Ps 73,25 2 Vgl. Röm 8,14 3 Vgl. Dtn 4,29; 2Chr 15,2.4 4 noch noch] weder noch. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 872. 5 Vgl. Röm 8,38f. 6 Vgl. Prv 16,6 7 taugen] tauglich sind. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 196. 8 Vgl. 1Petr 2,1 9 Vgl. Ps 9,10
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Das Vierdte Zehn
Auch jeder Zeit Voll Freundligkeit10 Michj jhrer mög’ erbarmen11.
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3. Lesch’ aus in mir des Fleisches Lust Daß ich in deiner Liebe Nicht in der Welt empfinde Rust12,13 Und stets also mich übe Nach deinem Wort’ An allem Orth’ Jn tugendlichen Dingen So wird mein Geist Sich allermeist Zu dir HErr Jesu schwingen14.
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4. Treib’ aus von mir den stoltzen Sinn Laß mich in Demuht leben15/ Rach/ Neid und Zorn nimb von mir hin. So kan ich bald vergeben/ | Wenn schon durch List Mein Neben=Christ Jns Elend mich getrieben/ Weis ich doch wol/ Daß man auch sol Diek ärgsten Feinde lieben16.
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5. Gib mir auchl diese dreyerley17: Erst einen festen Glauben Bey welchem rechte Treue sey Die nimmer steh’ auff Schrauben18/
j Auch jeder Zeit Voll Freundligkeit Mich] C statt dessen: Der in der Zeit Voll Freündligkeit Sich k Die] C statt dessen: Sein’ l auch] C statt dessen: Herr 10 Vgl. Gal 5,22 11 Vgl. Prv 14,31 12 Rust] Ruhe. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1543. 13 Vgl. 1Joh 2,15f. 14 schwingen] aufschwingen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2700. 15 Vgl. 1Petr 5,5 16 Vgl. Mt 5,44 17 Vgl. 1Kor 13,13 18 steh’ auff Schrauben] unbeständig sei. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1651 f.
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Daß ich mich üb’ Jn wahrer Lieb’ Und hoff’ auff deine Güte/ Die mich/ O Gott Für Schand’ und Spott’ Auch biß ins Grab behüte. 6. Nach vielem Reichthumb/ Gut und Geld’ Herr laß mich ja nicht trachten19/ Gib daß ich allen Pracht20 der Welt Mög’ jnniglich verachten21/ Auch nimmermehr Nach hoher Ehr’ m,22 | Und grossenn Namen strebe/ Besondern23 nur Nach rechter Schnur 24 Der wahren Christen lebe25. 7. Für Schmeichlen/ List und Heucheley Bewahre mir die Sinnen/ Und laß mich ja durch Gleißnerey 26 Den Nechsten nicht gewinnen/ Laß Ja und Nein Mein’ Antwort seyn27 Darnach man sich zu richten/ Denn dieses kan Bey jedermann Die Sachen28 leichtlich schlichten. 8. Herr säubre doch von Eitelkeit Mein sündliches Gemüte/
m Ehr’] Apostroph als kopfstehende Type. B, C recte.
n grossen] C statt dessen: grossem
19 Vgl. Mt 6,19 20 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 21 Vgl. 2Petr 1,4 22 Vgl. Gal 5,26 23 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 24 Schnur] Richtschnur. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1400. 25 Vgl. Ps 119,1 26 Gleißnerey] Scheinheiligkeit. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 8314. 27 Mt 5,37 28 Sachen] Streitsachen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 670.
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Das Vierdte Zehn
Daß ich in dieser kurtzen Zeit Für schnöder Lust mich hüte/ Des Hertzen Grund Sey wie der Mund Dem Nechsten nieo zu Schaden/ So werd’ ich nicht/ Wie sonst geschicht29 Mit Schmähen überladen. | S. 24
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9. Gib/ daß ich ja den Müssiggangp Sampt aller Trägheit hasse/ Dagegen Herr mein lebenlang Mein’ Arbeit so verfasse30/ Daß ich zur Noth31 Mein täglich Brodt Mit Ehren mög’ erwerben32/ Vnd wenn ich sol/ Fein sanfft und wol Jn dir Herr Jesu sterben33.
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10. Ach gib mir deinen guten Geist34/ Daß ich die Laster fliehe/ Und nur umb das/ was Christlich heist Von Hertzen mich bemühe/ So kan kein Leid Jn dieser Zeit Aus deiner Hand mich treiben35/ Besondern36 ich Werd’ ewiglich Bey dir Herr Jesu bleiben. |
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o nie] B, C statt dessen: nicht p Müssiggang] Gemäß B, C emendiert aus: Müssigang 29 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838. 30 verfasse] verrichte. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 310. 31 zur Noth] zur Deckung des nötigen Lebensunterhaltes. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 914. 32 Vgl. 2Thess 3,12 33 Vgl. Röm 14,8 34 Vgl. Neh 9,20 35 Vgl. Joh 10,29 36 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633.
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V.
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Christliche Betrachtung/ a
Der Gewißheit des Todes und derb ungewissen Stunde desselben/ wider die verdampte Sicherheit c.
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Sicherheit du Pest der Seelen/ Begleiterin zur schwartzen Hölen/ wo führestu die Menschen hin? Zwar du versprichst noch lange Zeiten/ in dieser Welt uns zu bereiten/ das wil mir aber nicht zu Sinn/ Jch weis die letzte LebensStund’/ ist warlich keinem Menschen kund. 2. Gleich wie kein Dieb sich fertig machet Zum Stehlen/ wenn der Wirth noch Wachet Und das Gesinde munter ist/ Er wartet/ biß man gantz verdrossen Die müden Augen zugeschlossen1/ | Alsdenn gebraucht er seine List; So kompt auch Gott zu solcher Zeit/ Da du noch gar bist unbereitd,2.
3. Der Würger pflegt uns einzufallene,3 Wenn wir in besten Freuden wallen4 Und auff kein sterben sind bedacht/ | a Christliche] C statt dessen: Eine Christliche b C zusätzlich: sehr c wider die verdampte Sicherheit] C statt dessen: der Verdamten Sicherheit/ welche im heütigem Christenthum sich leider alzuviel und häuffig befindet/ entgegen gesetzet d Da du noch gar bist unbereit] C statt dessen: Die dich noch dünket gahr zu weit e einzufallen] C statt dessen: inzufallen 1 Vgl. Mt 24,43 2 Vgl. Mt 24,44 3 einzufallen] anzufallen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 171. 4 wallen] wandeln. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1287.
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Das Vierdte Zehn
O Mensch/ der du so sicher läuffest Und dich mit Sünden überhäuffest/ Bald kompt herzu die lange Nacht/ Es kompt von seinem Himmels Thron’ Auch wie der Blitz des Menschen Sohn5. 4. Du sprichst: Es ist mir noch nicht eben6/f Vielleicht werd’ ich noch lange leben/ Bin ich doch Jung Gesund und Starck: O Blinder/ fliehe dein verderben/ Vielleicht kanstu noch heute sterben/ Der Todt eröffnet g dir den Sarck Nicht/ wenn du alles hast bestelt Besondern7 wenn es Gott gefält8. 5. Das/ was wir stets an andern sehen/ Das kan auch mir und dir geschehen Durch frembden Schaden wird man klug9/ Kams gestern nicht/ so kompt es heute/ Wie sicher waren doch die Leute Als Gott die Sodomiter schlug?10 Es heist: Du Narr’/ in dieser Nacht Wird deine Seel’ hinweg gebracht11.
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6. Wer ist so thöricht und verwegen Der sich darff hin zu ruhen legen | Jn ein soh altes Schlaff=Gemach/ Jn welchemi Wänd’ und Pfeiler zittern Ja die verfaulten Balcken schüttern12
f /] B statt dessen: . g eröffnet] C statt dessen: bereitet h so] C statt dessen: gahr i Jn welchem] C statt dessen: Worinnen 5 Vgl. Mt 24,27 6 Es ist mir noch nicht eben] es ist mir noch nicht recht gelegen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 7. 7 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 8 Vgl. Lk 12,20 9 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 2, Sp. 1407. 10 Vgl. Lk 17,28 f.; Gen 19,24 f. 11 Lk 12,20 12 schüttern] beben. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2117.
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Und blößlich13 ligen sonder14 Dach? Sehr närrisch ist ja der fürwar Der nicht beachtet die Gefahr.j
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7. Dein Leib O Mensch wil stündlich fallen/ Du hörest schon die Pfeiler knallen/ Ein kleiner Wind zerbricht dich schnell15/ Die böse Lufft kan dich verletzen Den Leichnam in dask Grab versetzen Dein armes Seelchen in die Hell; O hüte dich du Menschen=Kind/ Es kompt der Todt viel zu geschwind’.l 8. Es hilfft dich nicht dein stoltzes prangen16/ Der frischer m Leib/ die rothe Wangen/ Dein hoher Muth und tapffres Hertz/ Ja lebe stets im Sauß’ und Freuden/ Wie kläglich mustu morgen scheiden/ Wenn dich des bittern Todes Schmertz Gantz unversehnlich17 überfällt Und bey die18 längst Verfaulten stellt. 9. Was ist wol schöner anzusehen Als Lilien dien im Felde steheno | Viel prächtiger als Salomon?19 Wie plötzlich aber kan ein Regen Und rauher Wind sie niederlegen20 Jhr’ Herrligkeit fährt bald davon/ Die Rose so man heut abbricht/ Der achtet man ja Morgen nicht.
j .] C statt dessen: ; k Den Leichnam in das] C statt dessen: Und deinen Leib ins l .] C statt dessen: ! m frischer] C statt dessen: frische n Lilien die] C statt dessen: Bluhmen/ welch o stehen] B statt dessen: stehn 13 blößlich] unbedeckt, nackt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 151. 14 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 15 Vgl. Ps 103,15 f. 16 prangen] Überheblichkeit. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2065. 2067. 17 unversehnlich] unversehens. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 2090 f. 18 bey die] zu den. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1347. 19 Mt 6,28f. 20 Vgl. Ps 103,16
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Das Vierdte Zehn
10. Ein schlechtes21 Ding kan dich versehrenp/ Dein Fleisch in leichten Staub verkehrenq,22,23 Wie solches die Erfahrung sagt: Herodes Leib den frassen Läuse24/ Der Pohlen König kleine Mäuse25/ Was ist es daß der Simson klagt26 Als’ er gantz überwunden war? Nicht Waffenr/ nur ein schlechtess,27 Haar28.t 11. Der David nennt dich einen Schatten29/ Dem ja der Leib nicht wil gestatten Daß er sich jhm vergleichen sol/ Dieweil30 der Schatt’ ist unbeständig31/ Der NachtGesell’/ auch schwartz und wendig. Und wie der Mond bald klein/ bald voll32; So ist O Mensch in dieser Zeit Auch all dein’ Ehr’u und Herrligkeit.
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12. Jav aller Pracht33/ den wir hie kennen Jst gleichsam nicht ein mal zu nennen | Dieweil34 er nimmer dauren35 kan/ Doch sol und muß er dir gefallen/ So sehe zu/ daß du vor allen p versehren] B statt dessen: versehrn q verkehren] B statt dessen: verkehrn r Waffen] C statt dessen: Feinde s ein schlechtes] C statt dessen: sein langes t .] C statt dessen: ? u B zusätzlich: ; (Erratum) v Ja] C statt dessen: Waß? 21 schlechtes] schlichtes. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 22 verkehren] verwandeln. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 628. 23 Vgl. Koh 3,20 24 Vgl. Apg 12,23 25 Der Pohlen König kleine Mäuse] Der gewalttätige Herzog Popiel II. war Mitte des 9. Jahrhunderts Herrscher über den westslawischen Stamm der Polanen. Der Legende zufolge, die Gallus Anonymus überliefert (Chronik, S. 49–53), soll er sein Volk gegen die Invasion der Wikinger nicht ausreichend verteidigt und seine Verwandten, denen er unterstellte, sich gegen ihn verschwören zu wollen, ermordet haben. Popiel wurde von Piast gestürzt und verbarrikadierte sich daraufhin im Turm von Kruszwica, wo er und seine Frau von Mäusen gefressen worden sein sollen. Vgl. Zedler 28, Sp. 1522 f. 26 klagt] beklagt. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 915. 27 schlechtes] schlichtes. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 28 Vgl. Ri 16,19 29 Ps 144,4 30 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 31 Vgl. Hiob 14,2 32 Vgl. Sir 27,12 33 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 34 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 35 dauren] Bestand haben. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 840.
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Der Pracht des Höchsten36 hangest an/ Die Schönheit so dir hie bewust/ Sey lauter nichts alsw,37 Himmels=Lust.
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13. O Mensch/ wie darffstu dich erheben/ Jst doch nur Rauch dein kurtzes Leben/ Ein Rauch/ der so vergänglich ist?38 Zwar/ wenn ich offt den Dampff ansehex So steigt er zierlich in die Höhe/ Verschwindet doch in schneller frist39/ Er kan nicht vor dem Winde stehn40,41; So muß dein Leben auch vergehn42.
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14. Du bist wie Rauch in vieler Augen/ Du beissest gleich der scharffen Laugen43 Beschwerest manches frommes Kind/ Du steigest zwar hoch übery ander Wie Julius44 und Alexander45/ Dein Leben ist jedochz ein Wind46/ Es eilet fort zu seinem fall’47 Und fliehet gleich dema Wiederschall’48. 15. Ein Bild/ das Künstlich49 ist gemahlet/ Das gleich von schönen Farben strahlet | Besteht im grossenb Regen nicht/ Die Liebligkeit und Kunst verschwindet/
w Die Schönheit so dir hie bewust/ Sey lauter nichts als] C statt dessen: Nichts schöners sol dir sein bewust Auf Erden/ alß des x B zusätzlich: ! y zwar hoch über] C statt dessen: höher alß ein z Dein Leben ist jedoch] C statt dessen: Doch ist dein Leben nur a dem] B statt dessen: den b im grossen] B statt dessen: in grossen C statt dessen: in grossem 36 Vgl. Ps 145,5 37 lauter nichts als] weiter nichts als. Zu ,lauter‘ vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 382. 38 Sap 5,15 39 schneller frist] kurzer Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 40 stehn] bestehen. Vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 1501. 41 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 1499. 42 Jak 4,14 43 Prv 10,26 44 Julius] Gemeint ist Gaius Julius Caesar. Vgl. o. S. 262, Anm. 43. 45 Alexander] Zu Alexander d. Gr. vgl. o. S. 229, Anm. 31. 46 Hiob 7,7 47 fall’] Sterben. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1278. 48 Wiederschall’] Echo. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1173. 49 Künstlich] kunstvoll. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2714.
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Das Vierdte Zehn
Wo man das Bild im Nassen findet Sein Leichnam das Papier zubricht50/ c So bistu Mensch’ hoch/ schön und reich Dennoch nur einemd Bilde gleich. | S. 32
16. Betrachte diß zue allen Zeiten So kanstu würdig dich bereiten O Mensch zu deinem Stündelein/ Die Sicherheit/ die Pest der Seelen Den breiten Weg zur schwartzen Hölen51 Vermeide gleich der Hellen Pein/ Wenn Gott dir ruffet/ sof vernim/ Wach’ auff es ist des Lebens Stimm’52. |
c /] C statt dessen: ; d So bistu Mensch’ hoch/ schön und reich Dennoch nur einem] C statt dessen: Und scheinst du noch so schön und reich/ Bist du doch nur dem e zu] C statt dessen: in f Wenn Gott dir ruffet/ so] C statt dessen: Waß GOtt dir saget das 50 zubricht] zerbricht. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 51 Mt 7,13 52 Vgl. Eph 5,14
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Wider die Furcht und Schrecken des grausa= men Todes.
Trost=Lied . a
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As darffstu1 doch/ O meine Seel’ erschrecken/ daß man den Leib mit Erden wird bedecken/ merck’ auff mit Fleiß’/ ich wil dich unterrichten/ wie man die Furcht des Todes muß vernichten.
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2. Gott hat mich zwar geboren lassen werden/ Nicht/ daß ich stets verbleibenb sol auff Erden/ | Sein Will’ ist/ daß der eine nach dem andern Aus dieser Welt sol in ein’ ander wandern. 3. Wir wohnen nicht allhie wie Haußgenossen/ Noch wiec ein Volck/ das ewiglich verschlossen2/ Wir reisen nur mit Eilen durch diß Leben3 Wozu unsd Gott das Zehrgeld4 hat gegeben. 4. Gleich wiee ein Sohn vom Vater außgeschicket Nach einer Stadt/ in dem’f er sieg erblicket/ Läst alles was jhm sonst begegnet/ stehen Und wünschet nichts/ als nur das Thor zu sehen;h
a Wider die Furcht Trost=Lied] C statt dessen: Eine liebliche Betrachtung Des herlichen Trostes/ welchen ein jedweder gläubiger Christ wieder die grausahme Furcht und Schrekken des abscheülichen Todes freüdig kan ergreiffen b Nicht/ daß ich stets verbleiben] C statt dessen: Doch nicht/ das Jch stets bleiben c wie] C statt dessen: alß d uns] C statt dessen: doch e wie] C statt dessen: alß f in dem’] C statt dessen: wen g C zusätzlich: kaum h ;] B statt dessen: . 1 darffstu] mußt du. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 2 verschlossen] eingeschlossen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1104. 3 Vgl. Hebr 13,14 4 Zehrgeld] Verpflegungsgeld. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 471.
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VI. Trost=Lied
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5. Also auch wir/ demnach5 wir sind gegangen Aus Mutter=Leib’ und nunmehr angefangen Die schwere Reiß’/ erheben wir die Sinnen Das schöne Thor des Himmels zu gewinnen. 6. Wer mit gefahr muß durch ein Wasser waten/ Der zweiffelt ob es werde wol gerathen/ Doch sihet er die Tieffe nicht mit Grauen/ Er pflegt vielmehr das Ufer anzuschauen.i
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7. So sollen wir in dieser Welt verachten Das eitlej Gut und nach dem Himmel trachten6/ Wir sollen stets uns sehnen nach dem Strande Und eilen so zum rechten VaterLande 7. | 8. Was dörffen8 wir uns fürchten für dem Sterben? Das Leben bringt viel eh’ uns ins Verderben/ Das meiste/ das in solchem wird gefunden/ Kan unser Seel’ elendiglich verwunden9. 9. Was hilfft es doch Macht/ Reichthumb/ Ehr’ und Gaben So kurtze Zeit in der Besitzung haben/k Drumb weil dißl doch muß ein mal seyn verlohren/ So sey mir heut’ ein Sterbens=Tag erkohren10. 10. Die Väter/ so vor uns gezeugetm waren/ Sind auch vor uns ins Grab hinab gefahren. Wir folgen bald und zwar nach Gottes Willen Die grosse Zahl der Todten zu erfüllenn,11. i .] C statt dessen: ; j eitle] B, C statt dessen: eitel k /] C statt dessen: ? l diß] C statt dessen: es m gezeuget] C statt dessen: gezeiget n zu erfüllen] C statt dessen: mit zufüllen 5 demnach] nachdem. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 919. 6 Vgl. Kol 3,2 7 Vgl. Hebr 11,14 8 dörffen] müssen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 9 Vgl. Mt 16,26 10 Vgl. Lk 12,20 11 erfüllen] vervollständigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 811.
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Das Vierdte Zehn
11. Wir sehen ja die schwache Menschen=knochen So schmählich offt verworffen und zubrochen12/ Daß niemand sie kan von einander lesen13/ Nun richte doch/ wer Herr/ wer Knecht gewesen.o 12. Was scheuen wir denn dieses zu verlassen/ Daß Christus selbst befohlen hat zu hassen14/ Denn wer sich mehr als seinen Schöpffer liebet/ Der wird fürwar in Ewigkeit betrübet. | S. 35
13. Wiep werden doch so offt hinweg genommen Die Kinder/ dieq erst15 von der Mutter kommen/ Was haben denn wir Alten wolr zu klagen Als würden wir zu früh ins Grab getragen.s 14. Wer gerne lang’ hie leben wil auff Erden/ Der wil auch lang’ und viel gequälet werden/ Wer diese Zeit und jhre Last bedencket/ Der wird fürwar in Trawren schier16 versencket. 15. Der Weg ist hart den wir hie wandlen müssen/ Die Straß’ ist tieff und kothig unsern Füssen/ Da istt Gefahr wohin man sichu nur wendet/ Das best’ ist diß/ daß es so schnell sich endet17. 16. Ach Gott! Es muß diß Leben uns verdriessen18 Jn welchemv so viel Thränen von unsw fliessen/
o .] C statt dessen: ? p C zusätzlich: ? q die] C statt dessen: welch’ r wol] B, C statt dessen: viel s .] C statt dessen: ? t ist] C statt dessen: steht u sich] Fehlt C (Erratum) v welchem] B statt dessen: welchen w von uns] B statt dessen: vo nuns (Erratum) 12 zubrochen] zerbrochen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 658. 13 von einander lesen] zusammenlesen, sammeln. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 774 f. 14 Vgl. Joh 12,25 15 erst] gerade erst. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 993. 16 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 17 Vgl. Koh 4,2 18 Vgl. Koh 2,17
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VI. Trost=Lied
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Daß Freud und Lust dem Schatten gleich verschwindet Und man nur Angst biß in die Grub’ empfindet.
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17. O selig sind die schon in Gott verstorben/ Es spricht der Geist: Sie habeny Ruh’ erworben19/ Der Hunger wird hinfort sie nimmer quälen Noch auch der Durst beschweren jre Kehlen20. | x
18. Kein schädlichs Feur wird sie hinfort versehren/ Der höchste Gott/ denz sie mit Lust verehren21/ Der wird gewiß erfüllen all jhr Sehnen Und trucknen22 ab mit Freuden jhre Thränen23. 19. Es wird uns zwar kein Mensch ins Grab begleiten/ Doch werden wir hernach auff allen Seiten Mehr lieber Freund’ in jenem Leben finden/ Als Feind allhie sich wider vns verbinden. 20. Der grosser Gott24/ der alles ist in allem25 Wird unserma Geist’ in Ewigkeit gefallenb/ Sein werther Scheinc wird uns so hoch erfreuen Daß wir mit Lust das Dreymal Heilig26 schreyen. 21. Wir müssen fort/ Gott hat es so beschlossen/ Die böse Welt27 macht billich28 uns verdrossen/ Der Sünden Band hält unsern Geist gefangen29/ Der Himmel rufft vns selber mit Verlangen.
x die] Gemäß B, C emendiert aus: die/ y haben] Gemäß B, C emendiert aus: habe z den] Gemäß B, C emendiert aus: der a unserm] B statt dessen: unsern b Wird unserm Geist’ in Ewigkeit gefallen] C statt dessen: Der wird auch uns für Alles wolgefallen c werther Schein] C statt dessen: Herligkeit 19 Apk 14,13 20 Apk 7,16 21 Vgl. Apk 19,1 22 trucknen] trocknen. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 763. 23 Vgl. Apk 21,4 24 Ps 95,3 25 1Kor 15,28 26 Vgl. Jes 6,3; Apk 4,8 27 Vgl. Joh 7,7 28 billich] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 29 Vgl. Prv 5,22
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Das Vierdte Zehn
22. Wie darffstu30 denn O meine Seel’ erschrecken Daß man dich wird mit Staub und Koth bedecken? Gläubstu nur diß/ was ich allhie geschrieben/ Wirstu den Todt mehr als das Leben lieben31. |
30 darffstu] mußt du. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725.
31 Vgl. Joh 12,25
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VII. Christliche Betrachtung
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Das Vierdte Zehn
VII.
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Christliche Betrachtung/ a
Des grossen und letzten Gerichtes Gottes.
Welches in diesem Gesange etlicher massen Historisch wird vorgestelletb.
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Ach’ auff mein Hertz’ es klinget/ die Stimme soc uns bringet/ den allerletzten Tag1/ Jhr Menschen=Kinder sehet/ wie alles aufferstehet/ was in den Gräbern lag2/ Der grosse Gott wird kommen/ zu richten Böß und Frommen3/ man höret überall/ schon der Posaunen Schall4. 2. Da tretten vier Personen Died unterschiedlich wohnen Zusammen vor Gericht’: Erst kompt der Mensch gegangen Zu hören mit Verlangen | Ob er leb’ oder nicht5.e Bald wird der Richter sitzen Hoch auff der Wolcken Spitzen6/ Fragstu noch wer er ist? Er heisset JEsus Christ7. |
a Christliche] C statt dessen: Eine Christliche und dabenebenst ernstliche b Welches in diesem Gesange vorgestellet] C statt dessen: welcher Gestalt dasselbe künftig wird angefangen/ geheget und geendiget werden c so] C statt dessen: welch’ d Die] C statt dessen: Welch’ e .] C statt dessen: ? 1 Vgl. Joh 5,25 2 Vgl. Jes 26,19; Ez 37,7 f.10 3 Vgl. Joh 5,28 f. 4 Vgl. 1Kor 15,52; 1Thess 4,16; Apk 8,6 5 Vgl. Apk 20,12 6 Vgl. Mt 24,30; Apk 1,7 7 Vgl. Joh 5,22.27. Vgl. Luther, Ein’ feste Burg ist unser Gott, Str. 2, WA 35, S. 456, Z. 8–16: „Mit unser macht ist nichts getan, | wir sind gar
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Das Vierdte Zehn
3. Bey diesem wirst du sehen Viel tausend Engel stehenf,8 Zusampt9 der frommen Schaar10/ Die tugendreiche Seelen Dieg ausser Satans Hölen Nicht fürchten die Gefahr11/ Bald werden dich mit Zagen Die Teuffel hart verklagen12 Und bitten/ daß Gott dich Verdamme grausamlich.
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4. Da wird man deine Thaten Nicht dürffen13 erst erraten Du trotzigs Sünden=Kind/ Denn was du hast betriebenh Jst alles auffgeschrieben14 Mann höret es geschwind’: Es zeuget dein Gewissen So gar beyi einemj Bissen15 Was du bey Tag und Nacht Auff Erden hast verbracht16.
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5. Wer seinen Gott geliebet17/ Den Nechsten nicht betrübet Und wol gelebet hat/ | Der wird sampt allen Frommen Auffs freundlichst’ angenommen Belohnet mit der That18;
f stehen] B statt dessen: stehn (Erratum) g Die] C statt dessen: Welch’ h betrieben] B, C statt dessen: getrieben i bey] C statt dessen: auf j einem] C statt dessen: einen bald verloren, | Es streit für uns der rechte man, | den Gott hat selbs erkoren. | Fragstu wer der ist? | Er heist Jhesu Christ, | der Herr Zebaoth, | Und ist kein ander Gott, | das felt mus er behalten.“ 8 Vgl. Apk 5,11 9 Zusampt] mitsamt. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 782. 10 Vgl. Apk 7,9 11 Vgl. Mt 10,28 12 Vgl. Apk 12,10 13 dürffen] müssen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 14 Vgl. Apk 20,12 15 bey einem Bissen] auf einmal. Nicht bei Grimm, DWb. 16 verbracht] getan. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 174. 17 Vgl. Dtn 6,5 18 Vgl. Apk 14,13
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VII. Christliche Betrachtung
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Dagegen/ wer der Schlangen19 Jm Leben angehangen Wird sampt derselben schnell Verstossen in die Hell’20. 6. Ob schon dein Mund kan schweigen/ Wird doch der Richter zeugen Als der dich wol gekant21/ Er wird dir klärlich22 sagen Wie du in deinenk Tagen Zur Bößheit dich gewandt/ Denn wirstu sehr erschrecken/ Wenn er das wird entdecken23 Was nie kam an das Liecht24/ Merck auff was JEsus spricht: 7. „O Mensch vmb deinet willen „Kam’ ich/ das zu erfüllen25 „Was dir nicht müglich war26/ „Jch tratt in deinen Orden27 „Und dal ich Mensch geworden „Erlitt’ ich die Gefahr/ | „Die mir geraubt das Leben28 „Das ich vor dich gegeben29/ „Jn dem ich arm30 und bloß31 „Mein Blut für dich vergoß32.m 8. „Für das/ was du verschuldet „Hab’ ich die Straff erduldet33 „Die Zeichen sind noch hier34/
k in deinen] C statt dessen: von Tag zu
l da] C statt dessen: alß m .] C statt dessen: :
19 Vgl. Gen 3,1–6 20 Vgl. Mt 25,31–46 21 Vgl. Ps 139,1 22 klärlich] klar, eindeutig. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1004. 23 entdecken] aufdecken. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 506. 24 Vgl. 1Kor 4,5 25 Vgl. Mt 5,17 26 Vgl. Röm 8,7 27 Orden] Ordnung, hier: des menschlichen Geschlechts. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1317. 28 Vgl. Phil 2,7 f. 29 Vgl. Joh 15,13 30 Vgl. 2Kor 8,9 31 bloß] nackt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 144. 32 Vgl. Eph 1,7; Mt 26,28 33 Vgl. Jes 53,5 34 Vgl. Lk 24,40; Joh 20,27
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Das Vierdte Zehn
„Wie hab’ ich dich mit Gaben „So trefflich35 hoch erhaben „Sag’ an was gabstu mir? „Du hast nicht unterlassen „Mich und mein Wort zu hassen/ „Du triebest ja mit Gott’ „Auff Erden Schimpff und Spott.
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9. Wie kanstu solche Fragen O Sünder doch ertragen Wie wiltu doch bestehn?36 Jsrael must’ erschüttern37 Als Gott den Berg ließ zittern Und sich auff Oreb sehn38/ Johannes fiel vor Schrecken Sein Antlitz zu bedecken/ Als dort mit süssem Mund’ Ein Engel vor jhm stund39. |
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10. Und du verdampter Sünder/ Verräther/ Flucher/ Schinder Du rechter Helle=Brand40 Du darffst dich nochn bemühen Gantz sicher zu entfliehen Des allerhöchsteno Hand41; Ach! Nichts kan dich befreyen/ Erbärmlich wirstu schreyen: Jhr Berge groß und klein Bedeckt mich für der Pein42.
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11. Was sol ich weiter Singen Von diesen grossen Dingen Zur allerletzten Zeit? n noch] B statt dessen: nicht o allerhöchsten] B statt dessen: allerhö chsten (Erratum) 35 trefflich] sehr. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1677. 36 Vgl. Ps 76,8; Apk 6,17 37 erschüttern] erschrecken. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 976. 38 Vgl. Ex 19,18 39 Vgl. Apk 1,12–17 40 Helle=Brand] Bösewicht; Person, die im Höllenfeuer brennen wird. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1749. 41 Vgl. Tob 13,2 42 Vgl. Hos 10,8; Lk 23,30; Apk 6,16
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Es werden dich erkennenp Die/ so wir heilig nennen Und machen sich bereit Ein Urtheil außzusprechen43 Dadurch sich Gott wird rächen An dir mit starckem Muht Jn heisserq Hellen=Glut44. 12. Da wirstu dich mit Grämen Für allen Frommen schämen | Daß du bist so befleckt Und schier45 mit tausend Sünden/ Die dich zur Hellenr binden So schändlich angesteckt/ Denn werden sie dich schelten Und dreuen46 zu vergelten Die Bößheit deiners Zeit Jm Feur der Ewigkeit47. 13. Zu letzt wird Satan kommen So bald er nur vernommen Daß du zugegen bist/ Undt wird dich so verklagen48 Daß du für grossemu Zagen Dichv selber schier49 vergist/ Und wenn er deine Thaten Nun öffentlich verrathen/ So wird er in der Pein Dein ärgster Hencker seyn.
p erkennen] C statt dessen: ja kennen q Jn heisser] C statt dessen: Durch heisse r Die dich zur Hellen] C statt dessen: Welch’ in den Pful Dich s Und dreuen zu vergelten Die Bößheit deiner] C statt dessen: Dich/ dem man wird vergelten Die Bößheit Seiner t Und] C statt dessen: Er u grossem] B, C statt dessen: grossen v Dich] C statt dessen: Dein 43 Vgl. 1Kor 6,2 44 Vgl. Apk 20,15 45 schier] Hier „mit beziehung auf eine anzahl, eine menge, einen grad, eine gröszenbezeichnung überhaupt“ (Grimm, DWb 15, Sp. 24), nicht im Sinne von ‚beinahe‘. 46 dreuen] drohen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1343. 47 Vgl. Judas 7 48 Vgl. Apk 12,10 49 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23.
S. 43
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S. 44
Das Vierdte Zehn
14. Vergiß mein Hertz mit nichten Wie Christus dich werdw richten Zu solcher letzten Zeit50; | Ach laß dich unterweisen Daß dich nicht mögex speisen51 Das Feur der Ewigkeit/ Ach laß dich nicht bethören/ Daß du nicht müssest hören: Fort du Verfluchter/ weich Hinab ins Teuffels Reich52. |
w werd] B, C statt dessen: wird
x dich nicht möge] C statt dessen: Du nicht dürffest
50 Vgl. Mt 25,31 f.; Joh 5,22.27 25,41
51 speisen] verzehren. Nicht bei Grimm, DWb.
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52 Vgl. Mt
VIII. Ernstliche Betrachtung/ Der ruchlosen Sicherheit
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Das Vierdte Zehn
VIII.
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Ernstliche Betrachtung/ a
Der ruchlosen1 Sicherheit der Menschen/
Jn deme sie sichb für der höllischen Peinc so gar nichtd fürchten.
J
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St etwas in der grossen Welt/ mit Wunder anzuschawen/ Das deinem Gott O Mensch mißfält/ dafür dir selbst muß grawen/ So ist es ja die Sicherheit/ die dich aus dieser Gnadenzeit2/ ins Reich der Hellen leitet/ und dir die Quaal bereitet. 2. Komm/ lerne doch O liebe Seel’ Jn Demuth recht betrachten Was grossee Pein ins Teuffels Höl’3 Ergreifft/ die Gott verachten/ Wie bistu denn so blind und toll4/ So mancher Schand’ und Laster voll Als wär’ auch nach dem Sterben Zu fürchten kein Verderben.f | 3. Wenn dir O Mensch verboten wär’ Aus deiner Stadt zu gehen
S. 46
a Ernstliche] C statt dessen: Eine gantz Ernstliche b Der ruchlosen Sicherheit der Menschen/ Jn deme sie sich] C statt dessen: Der höllischen Pein und Marter/ nebenst angehängeter treühertziger Ermahnung und Warnung an alle sichere Ruchlose Menschen/ welche sich leider c Pein] C statt dessen: Quahl d nicht] C statt dessen: nichts oder doch wenig e grosse] Gemäß C emendiert aus: grosser Erratum auch in B f .] C statt dessen: ? 1 ruchlosen] frevelhaften. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1343. 2 Vgl. 2Kor 6,2 Apk 20,15 4 toll] wahnsinnig. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 632.
3 Vgl. Mt 25,46;
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Das Vierdte Zehn
Es würde sonst dein Leib und Ehr’ Jns Henckers Händen stehen/ Wie würdest du so fleissig seyn Bestendig dich zu halten eing,5 Ja stündlich dich bemühen Der Straffe zu entfliehen.h | S. 47
4. Ach/ wilt du das was zeitlich ist Und schnell doch kan veralten Des eitlen Lebens kurtze Frist 6,7 So trefflich gern’ erhalten/ i Wie darffstu denn der Hellen Noth Des Leibes Quaal/ der Seelen Todt8 Die niemand auch kan schätzen9 So gar zu rücke setzen10. 5. Gedenckstu denn: Es wird die Zeit Der Straffe lang verzogen11; O lieber Mensch/ du jrrest j weit/ Dein’ Hoffnung wird betrogen/ Du sündigst frech/ bald wird die That Wie sie denn längst verdienet hat Jns schwartze Buch geschrieben Und du von Gott vertrieben12. 6. Es ist dir schon/ der du der Welt So gäntzlich bist verbunden Jm Höllen=Loch’ ein Ort bestelt/ Man wartet nur der Stunden/
g Bestendig dich zu halten ein] C statt dessen: Zu halten den Befehl gantz rein h .] C statt dessen: ? i /] B statt dessen: . C statt dessen: ? j jrrest] C statt dessen: fehlest 5 Bestendig dich zu halten ein] fortwährend daheim zu bleiben. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 195. 6 Frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 7 Vgl. Ps 89,48 8 Vgl. Apk 20,14; 21,8 9 Die niemand auch kan schätzen] deren Ausmaß niemand einschätzen kann. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2281. 10 zu rücke setzen] unberücksichtigt lassen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 702. 11 verzogen] verzögert. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2595. 12 Vgl. Apk 20,12–15
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VIII. Ernstliche Betrachtung/ Der ruchlosen Sicherheit 45
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Wenn Gott dem Satan gibt Befehl/ Daß er dich würg’ und ewig quäl’ O Mensch erschrick im Hertzen Für so viel Pein und Schmertzen. | 7. Zwar mancher lebt in Fleisches Lust13 Jm Fraß’ und Banquetiren14/ Ein ander läst des Geitzes wust Sich gar vom Himmelk führen15/ Ein ander ist schier16 Tag und Nacht Auff lauter Rach vnd Neid bedacht Und wenns denn hoch ist kommen17/ Wird jhm die Lufft benommen18. 8. Da fährtl denn hin im Augenblick’ Ehr’/ Hoffart/ Leib und Leben/ Pracht/ Schönheit/ Reichthum/ Gut und Glück’ Und wo wir mehr nach streben/ Das allerärgste kompt zu letzt/ Die Seel in bittrem Quaal versetzt Wird früer noch gekräncket19 Als man daran gedencket. 9. Wenn hundert Menschen solten gehn Schnell über eine Brücke/ Und jemand spräch’n: Es muß geschehn Daß einer fält zu rücke Undo gar ersauff’ in diesemp Bach’: Jch meyn’ ein jeder wird die Sach’
k vom Himmel] C statt dessen: zum Teüfel l fährt] C statt dessen: führt m bittre] C statt dessen: bitter n spräch’] B statt dessen: sprach o Und] C statt dessen: Der p ersauff’ in diesem] B, C statt dessen: ersäufft in diesen 13 1Joh 2,16 14 Banquetiren] Veranstalten von Banketten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1111. 15 Vgl. 1Kor 6,10 16 schier] gar. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 26. 17 wenns denn hoch ist kommen] wenn dann der Höhepunkt erreicht ist. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1661. 18 benommen] genommen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1468. 19 gekräncket] verletzt. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2030.
S. 48
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Das Vierdte Zehn
Als die sehr hoch zu achten Mit grossem Ernst betrachten.q | S. 49
10. Was sagt die Schrifft von unsermr Weg’ Auff welchems wir noch wallen20? Es werden von dem Sünden=Steg’ Jns Loch der Hellen fallen Nicht zehn/ nicht zwantzig tausend Mann/ Acht/ mehr als jemand zehlen kan21/ Drumb eil’ aus diesem Hauffen Dem Himmel zuzulauffen.
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11. Ach gehet durch die enge Pfort Den schmalen Weg zum Leben/ Weit ist die Thür und breit der Ort Wo grosse scharen schweben22. Wie klein ist doch der Frommen Zahl/ Die solcher Straff und Hellen=Quaal Jn dieser Zeit entfliehen Und recht zum Himmel ziehen.u
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12. Jst doch so groß der Höllen =Pein So schrecklich jhre Plagen23/ Daß wenn nur einer müste seyn Erwehlet die zu tragen/v So würd’ ein jeder in sich gehn Gedencken: Ach es kan geschehn Daß du wirst endlich müssen Für all’ erbärmlich büssen.w |
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q .] Fehlt B r unserm] B statt dessen: unsern s welchem] B, C statt dessen: welchen t Ach] C statt dessen: Mehr u .] C statt dessen: ! v /] C statt dessen: ! w .] C statt dessen: ! 20 wallen] gehen. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1287. 21 Vgl. Mt 7,13 Lk 16,23f.; Mt 22,13
22 Vgl. Mt 7,13
23 Vgl.
VIII. Ernstliche Betrachtung/ Der ruchlosen Sicherheit
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13. Ach Gott! Es bleibt beyx einem nicht/ Die Zahl ist nicht zu nennen/ Die meisten zwar/ wie Christus spricht/y Die wird er nicht erkennenz,24/ Viel sind beruffen und gezehlt Jedoch nur wenig außerwehlt25/ Viel stehen bey den Böcken26/ Wer wolte nicht erschrecken?
S. 50
14. Viel thummer27 sind wir als das Vieh’/ Jm Fall28 man eins aus jhnen Ertödtet29 hat/ so fliehen sie; Wir dörffen uns erkühnen Ohn alle Furcht zu sehen an/ Wie mancher der zu viel gethan Schnell muß von hinnen scheiden Der Höllen Pein zu leiden. 15. Erschrecklich ists/ O Menschen=Kind Daß du dich so bemühest Verdampt zu seyn und durch die Sünd’ Aus Gott dich selbera ziehest30; Ach trachte doch mit grossemb Fleiß’ Auff Gottes Willen und Geheiß | Weil31 du noch lebst auff Erden/ Ein Himmels=Kind zu werden32.
x bleibt bey] C statt dessen: kommt an y /] C statt dessen: : z nicht erkennen] C statt dessen: gahr nicht kennen a Gott dich selber] C statt dessen: Gottes Reich Dich b grossem] C statt dessen: höchstem 24 Mt 25,12; Lk 13,25.27 25 DWb 2, Sp. 1510. 28 Jm Fall] Grimm, DWb 3, Sp. 1030. 30 Grimm, DWb 31, Sp. 1009. 31
Mt 22,14 26 Mt 25,32 f. 27 thummer] dümmer. Vgl. Grimm, wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 29 Ertödtet] getötet. Vgl. Aus Gott dich selber ziehest] von Gott dich selbst entfernst. Vgl. Weil] solange. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 762. 32 Vgl. Kol 3,2
S. 51
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S. 52
Das Vierdte Zehn
16. Ach eile nicht ins Höllen=Loch Dich ewig zu versehren/ | Mein liebster Christc vernimb mich doch Jch wil dich fleissig lehren/ Vernimb mein Bruder/ wie die Zeit Gar nichts sey/ nur die Ewigkeit Jst wehrt für allen Dingen Mit Zittern zu besingen. |
c liebster Christ] C statt dessen: lieber Freünd
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IX. Ernstliche Betrachtung/ Der Ewigkeit
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Das Vierdte Zehn
IX.
S. 51
Ernstliche Betrachtung/ a
Derb unendlichen Ewigkeit1.
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Ewigkeit du DonnerWort/ O Schwerdt das durch die Seele bohrt 2/ O Anfang sonder 3 Ende/ O Ewigkeit Zeit ohne Zeit/ Jch weis für grosser Trawrigkeit/ nicht wo ich hin mich wendec/ Mein gantz erschrocknes Hertz erbebt/ daß mir die Zung amd Gaumen klebt 4. | 2. Kein Unglück ist in aller Welt Das endlich mit der Zeit nicht fält Und gantz wird auffgehabene,5,6; Die Ewigkeit hat nur kein Ziel 7 Sie treibet fort vnd fort jhr Spiel Läst nimmer ab zu toben/ Ja/ wie mein Heyland selber spricht/ f Aus jhr ist kein Erlösung nicht 8. 3. O Ewigkeit du machst g mir bang’/ O Ewig/ Ewig ist zu lang’/ Hie gilt fürwar kein Schertzen:h a Ernstliche] C statt dessen: Eine sehr Ernstliche und außführliche b C zusätzlich: zukünftigen c hin mich wende] C statt dessen: mich hinwende d am] B im Cantus statt dessen: ma (Erratum) e auffgehaben] So auch B. C statt dessen: aufgehoben f /] C statt dessen: ; g machst] C statt dessen: magst (Erratum) h :] C statt dessen: ! 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage ein Gedicht aus: Opitz, Geistliche Poemata, S. 235 (mit der Überschrift „Threnen Zu Ehren der Ewigkeit“). Vgl. die Textsynopse u. S. 522 f. 2 Vgl. Hebr 4,12 3 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 4 Vgl. Ps 22,16 5 auffgehaben] aufgehoben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 663. 6 Vgl. 2Kor 4,17 7 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 8 Vgl. Mt 25,41
S. 53
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Das Vierdte Zehn
Drumb/ wenn ich diese lange Nacht Zusampt 9 der grossen Pein betracht’/ i Erschreck ich recht von Hertzen/ Nichts ist zu finden weit und breit So schrecklich als die Ewigkeit.j
S. 54
4. Was acht’ ich Wasser/ Feur und Schwerdt/k Diß alles ist kaum nennensl werth Es kan nicht lange dauren: Was wär’ es/ wenn gleich ein Tyrann/ Der funfftzig Jahr kaum leben kan Mich endlich ließ vermauren10? | Gefängniß/ Marter/m Angst und Pein Die können ja nicht ewig seyn. 5. Wenn der Verdampten grosse Quaal So manches Jahr alß an der Zahl Hie Menschen sich ernehren/ Als manchen Stern der Himmel hegt11/ Als manches Laub die Erden trägt Noch endlich solte wären/ So wäre doch der Pein zu letzt Jhr recht bestimptes Ziel12 gesetzt. 6. Nun aber/ wenn du die Gefahr Viel hundert tausend tausend13 Jahr Hast kläglich außgestanden/ Und von den Teuffeln solcher frist14 Gantz grausamlich gemartert bist/ Jst doch kein Schluß vorhanden/
i /] C statt dessen: ; j .] C statt dessen: ! k /] C statt dessen: ? nen m /] Fehlt B n die Erde] C statt dessen: das Erdreich
l nennens] B statt dessen: nen-
9 Zusampt] zusammen mit. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 781. 10 vermauren] einsperren. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 846. 11 hegt] umgibt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 777. 12 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 13 hundert tausend tausend] hunderttausend mal tausend. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 217. 14 solcher frist] solch lange Zeit. Zu ‚Frist‘ vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216.
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IX. Ernstliche Betrachtung/ Der Ewigkeit
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Die Zeit/ so niemand zehlen kan/ Die fänget stets vono neuen an.
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7. Ligt einer kranck und ruhet gleich Jm Bette/ das vonp Golde reich Jst Königlichq gezieret/ So hasset er doch solchen Pracht15 | Auch so/ daß er die gantze Nacht Ein kläglichs Leben führet/ Er zehlet allerr Glocken Schlag Und seufftzet nach dem lieben Tag’. 8. Ach was ist das? Der Höllen Pein Wird nicht wie Leibes Kranckheit seyn Und mit der Zeit sich enden/ Es wird sich der Verdampten Schaar Jm Feur und Schwefel16 jmmerdar Mit Zorn und Grimm’ umbwenden/ Und diß jhr unbegreifflichs Leid Sol wären biß in Ewigkeit.s 9. Ach Gott wie bistu so gerecht17/ t Wie straffstu einenu bösen Knecht18/ So hart im Pful v der Schmertzen?w,19 Auff kurtze Sünden dieser Welt Hastu so lange Pein bestellt/ Ach nimb diß wol zu Hertzen/ Betracht es offt x O Menschen=Kind/y
Kurtz ist die Zeit/ der Todt geschwind20.
o von] B, C statt dessen: vom p von] C statt dessen: vom q Jst Königlich] C statt dessen: Recht Fürstlich ist r aller] C statt dessen: alle s .] C statt dessen: ! t /] C statt dessen: ; u straffstu einen] C statt dessen: straffest Du die v So hart im Pful] C statt dessen: Jm heissen Pful w ?] B statt dessen: . C statt dessen: ! x Betracht es offt] C statt dessen: Und merk’ auf diß y /] C statt dessen: : 15 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 16 Apk 21,8 17 Vgl. Ps 7,12 18 Vgl. Mt 25,26.30 19 Vgl. Mt 25,46 20 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 5, Sp. 531.
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Das Vierdte Zehn
10. Ach fliehe doch des Teuffels Strick21/ Die Wollust kan ein Augenblick | Und länger nicht ergetzen/ Dafür wilt du dein’ arme Seel’ Hernachmahls in des Teuffels Höll’ O Mensch zu Pfandez setzen! Ja schöner Tausch/ ja wol gewagt Daß bey den Teuffeln wird beklagt?a 11. So lang’ ein Gott im Himmel lebt Und über alle Wolcken schwebt 22 Wird solche Marter währen/ Es wird sie plagen Kält’ und Hitz’ Angst/ Hunger/ Schrecken/ Feur und Blitz23 Und sie doch nie verzehren/ Denn wird sich enden diese Pein/ Wenn Gott nicht mehr wird Ewig seyn. 12. Die Marter bleibet jmmerdar Gleich wie sie erstb,24 beschaffen war Sie kan sich nicht vermindern/ Es ist ein’ Arbeit sonder25 Ruh’ 26 Undc nimpt an tausendd Seufftzen27 zu Bey allene Satans Kindern28/ O Sünder deine Missethat Empfindet weder Trost noch Raht! |
S. 57
13. Wachf auff O Mensch vom Sünden=schlaff’ Ermuntre dich verlohrnes Schaf 29 Und bessre bald dein Leben 30/ z O Mensch zu Pfande] C statt dessen: Hin zur Vergeltung a ?] B statt dessen: . C statt dessen: ! b Gleich wie sie erst] C statt dessen: Alß Anfangs Sie c Und] C statt dessen: Sie d tausend] C statt dessen: Klag’ und e allen] C statt dessen: jennen f Wach] Gemäß B, C emendiert aus: Wach? 21 Vgl. 2Tim 2,26 22 Vgl. Ps 104,3 23 Vgl. Sir 39,35 24 erst] zuerst. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 991. 25 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 26 Vgl. Apk 14,11 27 Seufftzen] Seufftzern. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 700. 28 Vgl. 1Joh 3,10 29 Vgl. 1Petr 2,25 30 Vgl. Jer 26,13
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IX. Ernstliche Betrachtung/ Der Ewigkeit 100
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Wach auff es ist doch hohe Zeit/ Es kompt heran die Ewigkeit Dir deinen Lohn zu geben31/ Vieleicht ist heut der letzter g Tag. Wer weis noch wie man sterben mag! h 14. Ach laß i die Wollust dieser Welt32/ Pracht/ Hoffart/ Reichthumb/ Ehr’ und Geld Dir länger nicht gebieten/ Schau’ an die grosse Sicherheit/ Die falsche Welt und böse Zeit33 Zusampt34 des Teuffels wühten/ Vor allen Dingen hab in acht Die vorerwehnte35 lange Nacht.
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15. O du verfluchtes Menschen=Kind Von Sinnen toll36/ von Hertzen blind Laß ab die Welt zu lieben37/ Ach/ ach/ j sol denn der Hellen Pein/ Da mehr denn tausend Hencker seyn Ohn’ Ende dich betrüben.k | Wo ist l ein so beredter Mann Der dieses Werck außsprechen kan?
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16. O Ewigkeit du Donner=Wort/ O Schwert das durch die Seele bohrt38 O Anfang sonder 39 Ende! O Ewigkeit Zeit ohne Zeit!m Jch weis für grosser Traurigkeit
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g letzter] C statt dessen: letste h !] B statt dessen: ; C statt dessen: ? i Ach laß] C statt dessen: Laß doch j /] C statt dessen: ! k .] C statt dessen: ? l ist] C statt dessen: lebt m !] Fehlt B 31 Apk 22,12 32 Vgl. 1Joh 2,16 f. 33 Eph 5,16 34 Zusampt] zusammen mit. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 781. 35 vorerwehnte] zuvor erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1009. 36 toll] wirr. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 631. 37 Vgl. 1Joh 2,15 38 Vgl. Hebr 4,12 39 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573.
S. 58
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Das Vierdte Zehn
Nicht/ wo ich mich hinwende/ Nimb du mich wenn es dir gefält HErr Jesu in dein Freuden=Zeltn. |
n Nimb du mich Freuden=Zelt] C statt dessen: Herr Jesu/ wen es Dir gefält Eil’ Jch zu Dir ins Himmels Zelt
X. Hertzliche Frolockung eines gläubigen Christen
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X.
S. 59
Hertzliche Frolockung eines gläu= a
bigen Christenb/ Uber den unaußsprechlichenc Schatz und die Ge= wißheit desd ewigen himlischen Le= bens.
G
Etrost ist mir O Gott mein Hertz’1 in Nöthen/ Jch bin der Himmels=Freuden voll/ Es mag die Welt mich höhnen/ plagen/ tödten/ Jch weis schon was mich trösten sol/ Höret doch jhr frommen Kinder/ was ich euch wil zeigen an/ dessen ich als Uberwinder2/ mich in Jesu rühmen kan3.
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2. Jch bin in jhm’ als meineme Seligmacher4 Ein König über Sünd und Höll/ Den Satan selbst/ den starcken Widersacher5 Ja auchf den Todt verjag ich schnell6/ | Denn mir ist ein Reich gegeben Da mich kröhnet Ehr’ und Preiß7/ Ja ein solches g Freuden=Leben Da man nichts von Klagen weis8. |
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a Hertzliche] C statt dessen: Eine hertzliche b eines gläubigen Christen] C statt dessen: einer gläubigen und Gottergebenen Seelen c unaußsprechlichen] C statt dessen: unvergleichlichen theüren d C zusätzlich: zukünftigen e meinem] C statt dessen: meinen f Ja auch] C statt dessen: Dazu g ein solches] C statt dessen: das süsse 1 Vgl. Ps 112,8 2 Vgl. Röm 8,37 3 Vgl. Röm 15,17 4 Vgl. Mt 18,11 6 Vgl. 2Tim 1,10 7 Vgl. 1Petr 5,4 8 Vgl. Apk 21,4
5
5 Vgl. 1Petr 5,8
X. Hertzliche Frolockung eines gläubigen Christen
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3. Bin ich doch schon ein rechter Erb im Himmel9 Ein Bürger in des höchsten Stadt10/ Jch achte nichts der schnöden Welt Getümmel Jch bin der eitlen Wollust satt/ Wandl’h ich doch schon bey den Lieben Die der HErr nach seinem Raht’ Jn des Lebens Buch geschrieben11 Und vor längst12 erwehlet hat13.
S. 61
4. Gleich wiei ein Held in keiner Schlacht sich scheuet Jm Fall’14 er Stich und Kugel=frey15; Also mein Geist sich billig16 hoch erfreuet/ Dieweil17 des Todes Tyranney Meiner Seelen nicht kan schaden/ So auch/ daß sie j frölich spricht: Todt was darff18 ich deiner Gnadenk Deinen Stachel fürcht ich nicht19. 5. Und ob mich gleich in diesem eitlen Leben Pest/ Kranckheit/ Krieg vnd Trübsal plagt/ So kan ich doch mein Hertz zu Gott’ erheben/ Denn dieser hat mir zugesagt: | Alles was mich auch mag hassen/ Sünde/ Teuffel/ Todt und Welt Solt mich frey passieren lassen/ Weil es jhm’ also gefält. 6. So freudig kan mich mein HErr JEsus machen/ Denn er ist mein Kron’20 und Sonn’21 h Wandl’] C statt dessen: Leb’ i wie] C statt dessen: alß j So auch/ daß sie] C statt dessen: Daß auch Sie gantz k C zusätzlich: ? 9 Vgl. Tit 3,7 10 Eph 2,19 11 Vgl. Apk 3,5 12 vor längst] vor langer Zeit. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1252. 13 Vgl. 2Thess 2,13 14 Jm Fall’] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 15 Stich und Kugel=frey] durch Waffen und Kugeln unverwundbar ist. Zu ‚kugelfrei‘ vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2541, zu ‚stichfrei‘ DWb 18, Sp. 2715. 16 billig] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 17 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 18 darff] bedarf. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1721. 19 Vgl. 1Kor 15,55 20 Vgl. 1Petr 5,4 21 Apk 21,23
S. 62
350
Das Vierdte Zehn
Er ist mein Hort22/ mein Trost23/ mein Schatz und lachen/ Mein’ allerhöchste Freud’ vnd Wonn’24/ Alles was er hat verheissen/ Liebste Seele/ das geschicht25/ Niemand kan dich von jhm reissen26/ Seine Lippen triegen27 nicht 28. 7. Er spricht ja selbst: Wer meine Lehr’ anhöret l Und gläubet dem der mich gesand/ Dem hab’ ich schon das Himmelreich verehret 29 Und solche Freyheit zu erkandt/ Diem jhn nimmer lässet sterben30 Denn aus dieser Todes=Pein Springen alle Himmels=Erben31 Jn das Paradyß32 hinein. | S. 63
50
55
8. So bin ich nun ins Leben schon gedrungen33,34 Und weis von keinem Sterben mehr/ Durch Christus Todt hab’ ich den Todt bezwungen35/n Drumb freu’ ich mich von Hertzen sehr/ Liebste Seele sey zu frieden36/ Kräncke dich nicht für und für/ Denn der Todt ist abgeschieden/ Ewigs Leben ist in dir.
60
9. Der Vater hat zum Leben uns erschaffen Und erst37 ins Paradyß versetzt38/ Und da der Mensch’ in Sünden war entschlaffen39 Ja an der Seelen gantzo verletzt/
l B zusätzlich: . (Erratum) m Die] C statt dessen: Welch’ Seelen gantz] C statt dessen: An Leib und Seele schwehr
n /] B statt dessen: .
45
65
o Ja an der
22 Ps 18,3; 71,3 23 Vgl. Ps 73,26 24 Vgl. Ps 43,4 25 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838. 26 Joh 10,28 27 triegen] lügen. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1263. 28 Vgl. Joh 17,17 29 verehret] geschenkt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 268. 30 Vgl. Joh 5,24 31 Vgl. Röm 8,17 32 Vgl. Apk 2,7 33 gedrungen] hindurchgedrungen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1415. 34 Joh 5,24 35 Vgl. 1Kor 15,55–57 36 Ps 116,7 37 erst] zuerst. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 991. 38 Vgl. Gen 2,7 f. 39 Vgl. Eph 2,1
X. Hertzliche Frolockung eines gläubigen Christen
70
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Hat uns Gott sein Kind gegeben40 Daß erp für die41 Sterbens=Noth Wieder brächt’ q ein ewigs Leben Durch sein Leiden/ Creutz und Todt. 10. Es läst uns Gott zu dieser Freud’ einladen Nur durch sein Wort und Sacrament/ Er wil auch daß wir uns durch tauffen baden42 Und Christen werden recht genennt/ | Daß wir auch die Seel’ erquicken Durch des HErren Fleisch und Blut 43 Und im Glauben jhn erblicken Als das allerhöchste Gut. 11. Nach dem ich nun darff 44 keinen Todt mehr scheuen Als der ich kaum mehr sterblich bin45/ Wolan so sol mein Geist in Gott sich freuen46 Und legen alles Trauren hin47/ Sterben sol mich nimmer kräncken Weil der Todt verschlungen ist 48/ Nur an dich wil ich gedencken Weil 49 ich leb’ HErr JEsu Christ50. 12. O Gottes Ruh’ / O lebendige Quelle52 O Wollust=Strom/ O himlisch Liecht53/ O frölichs Reich/ O prächtig’ Ehren=Stelle Mein Geist vergisset deiner nicht! Alles/ was man sonst auff Erden Herrlich/ groß und mächtig hält54 51
90
p er] C statt dessen: es
q brächt’] B statt dessen: bracht
40 Vgl. Joh 3,16 41 für die] anstelle der. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 623. 42 Vgl. Tit 3,5 43 Vgl. Mt 26,26–28 44 darff] muß. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 45 Vgl. Joh 8,51 46 Vgl. Jes 61,10 47 legen alles Trauren hin] legen alle Trauer ab. Zu ‚hinlegen‘ vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1453. 48 Vgl. 1Kor 15,55 49 Weil] solange. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 762. 50 Vgl. Ps 146,2 51 Vgl. Apk 14,13; Hebr 4,9 52 Vgl. Joh 4,10.14 53 Vgl. Joh 1,4; 8,12 54 Herrlich/ groß und mächtig hält] für herrlich, groß und mächtig hält. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 297.
S. 64
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Das Vierdte Zehn
Mag gar nicht verglichen werden Solcher Freud’ in jener Welt55.
S. 65
13. Ein Bräutigam/ wenn er die Liebste schauet So wird sein Hertz der Freuden voll56.r | Wenn JEsus meiner Seelen sich vertrauet57/ Ach Gott wie ist mir denns so wol! Acht wie bin ich denn so stilleu Weil an statt der Traurigkeit Lust und Freude kompt die fülle58 Mich zu trösten jederzeit. 14. O du mein Geist/ bemühe dich zu trachten Nach diesem grossen Himmels =Schatz’/ O Thoren/ die des HErren Hauß verachten Vnd suchen nur auff Erden Platz! Forschet in der Schrifft das Leben/ Denn jhr meynet daß esv sey Jn derselben euch gegeben?w Recht/x da geht jhry nicht vorbey59. 15. Wie trag’ ich ein so sehnliches Verlangen Nach diesem allertheursten Gut’60/ O solt ich bald die Süssigkeit empfangen Die mir erquicket Hertz und Muth! Wenn ich auff mein langes Leiden Ein mal nur gedencke dran/ Lachet mir mein Hertz vor Freuden Mehr auch als man singenz kan. |
r .] C statt dessen: ; s ist mir denn] C statt dessen: thut Er Mir t Ach] C statt dessen: Ja u B, C zusätzlich: ! v es] B statt dessen: es es (Erratum) w ?] Fehlt C. B statt dessen: ! x /] C statt dessen: ! y da geht jhr] C statt dessen: Jhr geht auch z singen] C statt dessen: glauben 55 Vgl. Mt 25,21.23 56 Jes 62,5 57 meiner Seelen sich vertrauet] sich mit meiner Seele vermählt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1951. 58 Ps 16,11 59 Vgl. Joh 5,39 60 Vgl. Röm 8,23
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X. Hertzliche Frolockung eines gläubigen Christen
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16. O Herrligkeit/ die niemand kan beschreiben/ Die keines Menschen Ohr gehört61!a O Liebligkeit/ die niemand kan vertreiben Dieb alles Leid in Lust verkehrt! Kommet doch jhr süsse Zeitenc Ach mein Heyland komm’ herzu62 Komm’ HErr JEsu mich zu gleiten63 Daß ich such’ und finde Ruh’d,64.
125
Ende des vierdten Theils.
a !] B statt dessen: ; b Die] C statt dessen: Welch’ c Zeiten] C statt dessen: Stunden d Komm’ HErr JEsu finde Ruh’] C statt dessen: Den in deinem Bluht und Wunden Such’ und find Jch wahre Ruh 61 1Kor 2,9 Jer 6,16
62 Apk 22,20 63 gleiten] geleiten. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2997. 64 Vgl.
S. 66
Johann: Risten H. P.
1
Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuthigen/ von dem weit= 5
berühmten/ Herrn Johann: Schopen gesetzten Melodeyen.
Das Fünffte und letzte Zehn.
Lüneburg/ 10
Bey Johann vnd Heinrich Sternen2. ANNO M. DC. XLII. |
1 H. P.] Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren 2 Vgl. o. S. 7, Anm. 2.
fol. A 1r
Dem Hoch=Edlen/ Gestrengen und vesten Herrn/ 1
Herrn Paul von Bockwohlt / Fürstlichem Hollsteinischen wollbe= stalltema,2 geheimen Raht/ Erbgesessen auff Sierhagen/ und Mühlen=Kamp/ b mei= nem großgeneigten hochgeehrten Junckern.
Hoch=Edler/ Gestrenger Juncker c,d/
D
Je schüldigee,3 Liebe und Zuneigung/ welche ein jetweder gegen dem
5
10
Lande/ worinne er gebohren und erzogen/ aus antrieb der Natur gleichsamb heget und träget/ blicket bey den alleredelsten Gemühtern dermassen starck und kräfftig hervor 4/ daß selbigef nicht allein gedachtemg,5 jhrem Vaterlande alle gedeyliche6 Wollfahrt hertzlich wündschen und gönnen/ besondern7 auch dessen Auffnehmenh,8 und Erhöhung zu befoderen9 jhnen eusserstes Fleisses angelegen seyn lassen10. Aus diesem folget nun unwiedersprechlich/ daß es ein sehr rühmlicher Ruhm sey/ wenn das Vaterland durch uns und unsere Tugend/ nicht aber wir durch das Vaterland den trefflichsten Leuten der Welt bekandt/ lieb und angenehm werden. Daher ists nun kommen/ daß von Anfang der Welt her etliche
a wollbestalltem] B statt dessen: wolbestallten b /] Gemäß B emendiert aus: . c Diese Widmungsvorrede fehlt in C. d Kolumnentitel fol. A 2v–5v: DEDICATIO. e schüldige] B statt dessen: schuldige f daß selbige] Gemäß B emendiert aus: dasselbige g gedachtem] B statt dessen: gedachten h Auffnehmen] B statt dessen: Auffnehmung 1 Zu dem holsteinischen Adligen Paul von Bockwohlt († 1661) vgl. von Stegmann, S. 276. 281, zur Familie o. S. 266, Anm. 88. 2 wollbestalltem] angesehenem, mit einer guten (amtlichen) Bestallung versehenem. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1100. 3 schüldige] geschuldete. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1904. 4 blicket hervor] zeigt sich. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 118. 5 gedachtem] dem erwähnten. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1997. 6 gedeyliche] nutzbringende. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1992. 7 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 8 Auffnehmen] Gedeihen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 697. 9 befoderen] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 10 jhnen eusserstes Fleisses angelegen seyn lassen] mit äußerstem Fleiß bestrebt sind. Zu ‚angelegen‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 345.
fol. A 2r
358
fol. A 2v
Das Fünffte und letzte Zehn
durch tapffere Thaten/ andere durch wunderbahre und dem gemeinen Wesen11 hochnützliche Erfindungen/ noch andere durch jhre grosse Kunst und Geschickligkeit/ beydes sich und jhr liebes Vaterland bey jederman berühmt zu machen/ sich nicht vergeblich vnterstanden haben12. Jch wil zu diesem mahl13 den hohen Preiß | vieler ritterlicher Helden/ welchen sie durch jhre Tapfferkeit so wol jhnen selbst als dem wehrten Vaterlande erworben; noch auch das Lob der jenigen/ die mit jhren sinnreichen Erfindungen unzehlich vielen Leuten gedienet haben/ in dieser kurtzen Schrifft nicht berühren; Nun kan ich nicht unterlassen etliche wenig/ jedoch wolbekandte und zwar merckliche14 Exempel der jenigen auff zu stellen/ die durch jhre hohe Wissenschafft/ insonderheit15 was die Spracheni betrifft/ beydes sich und den Ort/ da sie gebohren/ durch die gantze Welt berühmt gemachet und einen unsterblichen Namen zu wegen gebracht16 haben. Das edle Griechenland ist nicht so sehr durch die gewaltige Kriegesthaten seiner Obristen und Hauptleutej/ als durch die unvergängliche Wissenschafft etlicher fürtrefflicher Philosophen/ Redner und Poeten durch den gantzen Kreiß der Erden sehr hoch berühmt worden/ so/ daß man vielmehr (damit ich an statt vieler Exempel nur ein eintziges auff die Bahn bringe) von des Homerus17 außbündigen18 Schrifften/ als des Themistocles19 gewaltigen Kriegeshändlen weis zu sagen; Und wer wüste auch nur das geringste von der Griechischen Helden lobwürdigen Thaten zu erzehlen/ wenn selbige nicht durch die gelehrteste Poeten in jhrer Mutter=Sprache auff das zierlichste den Nachkommenden zu gute wären auffgeschrieben und verzeichnet? k Das alte und sehr prächtige Rom ist ja so berühmt worden durch jhre außgelahrte20 Bürgerl/ welche es der Welt gegeben/ als21 durch die gewaltigste Käyser und Monarchen/ von welchen es offt unbillicher22 und tyrannischer weise ist beherrschet worden/ denn diese sind zum grössern Theil rechte Bestien/ ja schandflecken jhres Vaterlandes/ jenne aber dessen eine sonderbahre Ehre/ Ruhm und Zierde gewesen: Dannenhero23 dem eintzigen24 Redner Cicero25/
i Sprachen] B statt dessen: Sprache j Hauptleute] B statt dessen: Häuptleute k ?] B statt dessen: . l Bürger] B statt dessen: Bücher (Erratum) 11 gemeinen Wesen] Gemeinwesen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3271. 12 sich vnterstanden haben] auf sich genommen haben. Zu ‚unterstehen‘ vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1827. 13 zu diesem mahl] diesmal. Nicht bei Grimm, DWb. 14 merckliche] beachtenswerte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2103. 15 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 16 zu wegen gebracht] zuwege gebracht. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 2886. 17 Vgl. o. S. 91, Anm. 5. 18 außbündigen] außerordentlichen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 841. 19 Themistocles] Themistokles (* ca. 524 v. Chr.), athenischer Staatsmann zur Zeit der Perserkriege, bekannt für seine militärischen Erfolge auf See wie im Felde. 20 außgelahrte] sehr gelehrte. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 873. 21 so als] sowohl als auch. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1360. 22 unbillicher] unrechter. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 396. 23 Dannenhero] deshalb. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 748. 24 eintzigen] einzigartigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 356. 25 Cicero] Marcus Tullius Cicero
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oder auch dem eintzigen26 Poeten Virgilius27 mehr Gutes und Lobwürdiges wird nachgeredet und geschrieben/ als allen Ca= | ligulen28/ Neronen29/ Domitianen30/ Commoden31/ Caracallen32/ Macrinen33 und wie diese schändliche Meerwunder34 etwa mehr mügen geheissen haben. Das hitzige35 Schwerdt des ersten Römischen Monarchen des Julius36 hat zwar ungläublich viel Bluts vergossenm Aber die arbeitsame Feder des Cicero hat überaus schöne Bücher (unangesehen37 er ein Heyde und noch sehr weit von der Erkäntnisse Christi gewesen) der Kunst und Sprachen=begieriger Welt hinterlassen. Die gewaltige Römer Pompejus38 und Anthonius39 haben zwar durch jhre unruhige Waffen etliche mächtige Königreiche erreget und beweget; Aber des Virgilius40 poetische Bücher und Gedichte haben schier41 den gantzen Weltkreiß erfüllet. Kurtz gesagt/ Diese vernünfftige/ Kunst=erfahrne und in jhrer Mutter=Sprache wolgeübte Heyden haben beydes sich vnd jhr Vaterland m ] Emendierend ergänzt. B statt dessen: / (Erratum) (106–43 v. Chr.), römischer Rhetor, Philosoph und Politiker. 26 eintzigen] einzigartigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 356. 27 Virgilius] Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.), einer der bedeutendsten römischen Dichter, Verfasser des Versepos Aeneis. 28 Caligulen] Rist spricht hier und in der folgenden Aufzählung im Plural und meint jeweils eine Person sowie deren Charakterverwandte. Diese Redefigur sieht die zeitgenössische Rhetorik als Spielart der Synekdoche an. Vgl. Meyfart, Teutsche Rhetorica (1634), S. 106 f. Gaius Julius Caesar Germanicus (12–41 n. Chr.), römischer Kaiser (37–41), genannt Caligula. Caligulas Herrschaft war geprägt von despotischer Willkür, Hochverratsprozessen gegen zahlreiche Senatoren und endete mit seiner Ermordung durch die Prätorianeroffiziere. 29 Neronen] Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (37–68 n. Chr.), Kaiser des römischen Reiches (54–68). Berüchtigt ist Nero für die in seiner Regierungszeit stattgefundenen Christenverfolgungen und Hinrichtungswellen. 30 Domitianen] Titus Flavius Domitianus (51–96 n. Chr.), römischer Kaiser (81–96). In der römischen Geschichtsschreibung wird Domitianus als Tyrann und seine Regierungszeit als Gewaltherrschaft charakterisiert. 31 Commoden] Marcus Aurelius Commodus Antoninus (161–192 n. Chr.), römischer Kaiser (180–192). Nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf Commodus und zahlreichen von ihm initiierten Justizmorden wurde er im Rahmen einer Verschwörung in seinem Bad durch den Athleten Narcissus ermordet. 32 Caracallen] Marcus Aurelius Severus Antoninus (188–217 n. Chr.), römischer Kaiser (211–217), genannt Caracalla. Wegen des Mordes an seinem Bruder Geta und der brutalen Ausschaltung tatsächlicher sowie vermeintlicher Oppositioneller wurde Caracalla von seinen Zeitgenossen und der Nachwelt äußerst negativ beurteilt. 33 Macrinen] Titus Fulvius Iunius Macrianus († 261 n. Chr.), genannt Macrianus Minor, römischer Usurpator. Nach der Gefangennahme ihres Vaters Fulvius Macrianus (Macrianus Maior) wurden Macrianus und sein Bruder Quietus 260 n. Chr. im Orient zu römischen Kaisern erhoben. Das Regime der Usurpatoren brach zusammen, als Vater und Sohn Macrianus 261 auf ihrem Feldzug in Richtung Westen in Illyrien den Tod fanden und Quietus Ende 261 in Emesa ermordet wurde. 34 Meerwunder] abscheulichen Menschen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1863. 35 hitzige] eifrige. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1584. 36 Gemeint ist Gaius Julius Caesar. Vgl. o. S. 262, Anm. 43. 37 unangesehen] abgesehen davon, daß. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 142 f. 38 Pompejus] Pompeius Magnus (106–48 v. Chr.), römischer Feldherr. 39 Anthonius] Antonius (82–30 v. Chr.), römischer Feldherr. 40 Vgl. o. S. 359, Anm. 27. 41 schier] beinahe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23.
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Das Fünffte und letzte Zehn
weit und breit berühmet gemacht und (wie schon erwehnet) in dieser Welt die Unsterbligkeit erlanget. Was sol ich nun ferner von den jenigen sagen/ welche so wol zu unseren als unserer Väter zeiten diesen lobwürdigen Leuten hierin nachgefolget? Eben das/ ja noch ein mehrers als wir zuvor von den Alten gedacht haben/ kan man von jhnen rühmen/ daß sie nemblich durch Hinterlassung so viel schöner und in jhrer Mutter=Sprache wol außgearbeiteter Bücher jhnen selbst einen ewigen Namen/ dem werthen Vaterlande aber einen jmmerwehrenden Ruhm haben erworben/ absonderlich42 die jenige/ die jhre Kunst und Wissenschafft die Ehre Gottes zu befoderen43 und jhrem Nebenchristen zu dienen/ getreulichst haben angewendet. Jch könte zwar/ Hoch=Edler und Gestrenger Juncker sehr viel treffliche Leute/ die sich dißfals in Befoderung44 und Erhöhung jhrer eigenen Sprache hoch verdienet gemacht haben/ anhero setzen45/ wenn ich mich nicht befahren dörffte46/ daß solches alles Euer Gestrengigkeit viel besser bewust/ als ich solches an den Tag zu geben geschicket bin/ angese= | hen47 wollgedachte E. Gestr: nicht allein die Schrifften der Römer und Lateiner/ besondernn,48 auch viel schöne und nützliche Bücher in Hispanischer/ Frantzösischer/ Welscher 49 und anderer Sprachen geschrieben/ pflegt zu lesen/ nicht aber allein zu lesen/ sondern auch gründlich zu verstehen/ ja nicht nur zu verstehen/ sondern auch (welches denn an einem o so trefflichen Edelmann ein überaus grosser Schmuck) mit höhester Verwunderung 50 der Zuhörer zierlich und deutlich zu reden/ dadurch sie denn vielep stoltze und großprahlende/ aber dabey nichtswissende Helden oder vielmehr Schnarcher51 schamrodt kan machen. Und zwar hat E. Gestreng: solche unterschiedliche schöne Sprachen nicht etwa zu Hause in der Schulen/ oder in der mutterlichen Schoß/ sondern in denen prächtigsten/ weitabgelegenen Königlichen Höfen zu Rom/ Madril52/ Pariß/ Lunden53 und wie sie etwa mehr heissen mügen/ nicht ohne grosse Mühe/ Arbeit/ Fleiß/ Geldt und Gefahr sehr gründlich erlernet. Damit ich aber mein Vornehmen54 zu behaupten gleichwol etlicher weniger/ umb jhr liebes Vaterland hochverdiendten Leute alhie Meldung thun möge; So n besondern] B statt dessen: sondern o an einem] Gemäß B emendiert aus: aneinem p viele] B statt dessen: viel 42 absonderlich] insbesondere. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 121. 43 befoderen] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 44 Befoderung] Beförderung. Nicht bei Grimm. Zu ‚befodern‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 45 anhero setzen] hier hersetzen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 46 mich nicht befahren dörffte] nicht fürchten müßte. Zu ‚befahren‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1246, zu ‚dürfen‘ DWb 2, Sp. 1725. 47 angesehen] angesichts dessen, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 349. 48 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 49 Welscher] italienischer. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1327. 50 Verwunderung] Bewunderung. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2374. 51 Schnarcher] Aufschneider. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1183. 52 Madril] Madrid. 53 Lunden] London. 54 Vornehmen] Plan. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1358.
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ist allen Gelahrten wol wissend/ daß der trefflicher Petrarcha55 viel außerlesener schöner Bücher in latinischer Sprache geschrieben/ aber doch bey weitem so viel Ehre durch dieselbe nicht hat erlanget als durch die jenige Lieder und Gedichte/ welche er in Toscanischer oder seiner Mutter=Sprache hat gesungen. Wie hoch der Welt berühmter Sannazarius56 seine Poesy in der latinischen Sprache gebracht/ so gar/ daß er auch demq Adler aller Römischen Poeten dem Virgilius57 selbst schier58 habe Trotz bieten dörffen/ solches haben die Verständige aus seinen Schrifften leicht zu ersehen59. Wer nicht Lust hat gantze Bücher oder Blätter dieses unvergleichlichen Poeten durch zu lesen/ der betrachte nur die artliche60 Scharffsinnigkeit dero wolbekandten Verß/ welche er zu lobe der herrlichen Stadt Venedig hat auffge= | setzet61/ derer hochweise Regierung gedachten Sannazaren wegen obgemelter62 weinig63 Verß mit einem recht Königlichen Geschencke hat verehret64. Ob nu zwar dieser grosser Mann durch seine in latinischer Sprache geschriebene Bücher Lobes genug hätte erwerben können; So hat er doch (damit er gegen seinem Vaterlande nicht undanckbar erfunden würde) auch in seiner Mutter=Sprache etwas lobwürdiges wollen schreiben/ gestalt65 er denn unter anderen sein anmuhtiges Buch die Arcadien66/ welche von vielen mit höhester Verwunderung67 wird gelesen/ in derselben hat heraus gegeben r Ebener massen68 hat auch der trefflicher und in Latinischer und Griechischer Sprache überaus erfahrner Politianus69 der Welschen70 Sprache Zierligkeit zu erheben und aller Mügligkeit nach zu befoderen71 zum höhesten sich bemühet. q dem] B statt dessen: den r ] Gemäß B emendierend ergänzt 55 Petrarcha] Francesco Petrarca (1304–1374), Dichter des italienischen Renaissance-Humanismus. Petrarca dichtete lateinisch, italienisch und toskanisch. Jaumann, S. 505–507. 56 Sannazarius] Jacopo Sannazaro (1456/57–1530) entstammte einer spanischen Familie, wirkte als Dichter am Hof von König Fernando de Aragón in Neapel, bediente sich in seiner Schriftstellerei sowohl der italienischen als auch der lateinischen Sprache und gilt u. a. als Meister der bukolischen Dichtkunst. Jaumann, S. 582. 57 Vgl. o. S. 359, Anm. 27. 58 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 59 haben zu ersehen] können leicht ersehen. Zu ‚haben‘ mit Infinitiv vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 67. 60 artliche] zierliche. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 574. 61 Gemeint ist Jacopo Sannazaros Anfang 1505 niedergeschriebenes Epigramm „De mirabili urbe Venetiis“ (Epigrammata, lib. 1, 36), ein Städtelob auf Venedig, für das er vom venezianischen Senat mit 600 Zecchinen reich entlohnt wurde: „Viderat Hadriacis Venetam Neptunus in undis | stare urbem et toto ponere iura mari: | ‚Nunc mihi Tarpeias quantumvis, Iupiter, arces | obiice, et illa tui moenia Martis,‘ ait. ‚Si pelago Tybrim praefers, urbem adspice utramque: illam hominem dices, hanc posuisse deos.‘“ 62 obgemelter] oben genannter. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1046. 63 weinig] weniger. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. 64 verehret] begabt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 268. 65 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 66 Jacopo Sannazaros ‚Arcadia‘ erschien erstmals in Venedig im Jahre 1502. 67 Verwunderung] Bewunderung. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2374. 68 Ebener massen] ebenso. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1733. 69 Politianus] Angelo Poliziano (1454–1494), Dichter des italienischen Renaissance-Humanismus sowie philologischer und philosophischer Fachschriftsteller. Jaumann, S. 526 f. 70 Welschen] italienischen. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1327. 71 befoderen]
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fol. A 4v
Das Fünffte und letzte Zehn
Jn Franckreich haben sich gleicher Gestalt viel hohe Geister herfür gethan/ und ob sie wol in Latinischer s/ Griechischer/ Hebräischer und anderen Sprachen hoch gelahrt und sehr wol beschlagen waren/ haben sie es doch beydes jhnen und jhrem Vaterlande sehr schimpfflich zu sein erachtet 72/ wenn sie nicht auch jhre angebohrne Sprache fleissig aus übeten/ t und in derselben etwas nützlichs hervor brächten/ wie denn der trefflicher Ronsard73/ in deme er so schöne Sachen in der Frantzösischen Sprache geschrieben/ sich der Welt sehr angenehm und bekandt gemacht hat/ noch viel mehr aber der Herr Salustius Bartaß74/ welcher in Ansehung der göttlichen Materi die er außgearbeitet/ viel einen höheren Ruhm als jenner hat verdienet/ anderer gelehrter Leute unter Spanien/ Engelländern/ Pohlen und was für Nationen etwa mehr seyn mügen/ die sich umb jhre angebohrne Sprache mit mancherley schönen Schrifften sehr verdient gemacht haben/ dieses mahl zu geschweigen75. | Jch solte zu letzt auch unserer lieben Landesleute allhie rühmlich gedencken/ insonderheit76 aber der jenigen die sich bey diesen Kriegerischen Zeiten unserer außerlesenen/ schönen/ teutschen Haupt= und Mutter=Sprache mit sonderm77 Ernst und Fleisse haben angenommen: Jch verstehe aber nur solche/ die als grund=gelehrte 78 Männer der Sprachen Zier und Ansehen mercklich79 zu erheben geschickt erfunden werden80/ unter welche sich doch viel grobe ungeschickte Bachanten81/ die sich über sich selbst/ und daß sie einen teutschen Reim machen können/ höchlich verwunderen/ gemischet und durch jhre thörichte Schrifften und nichts=würdige Lumpen=Verß82 dieser so herrlichen Sprache schier83 einen bösen Ruff und Ansehen gemachet haben; Diese nun lasse ich auff dieses mahl bey jhrem Herrn und Meister dem Midas84 verbleiben/ und mit s Latinischer] Emendiert aus: Latinis cher
t /] B statt dessen: :
befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 72 schimpfflich zu sein erachtet] als beleidigend beurteilt. Zu ‚schimpflich‘ vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 183, zu ‚erachten‘ DWb 3, Sp. 694. 73 Vgl. o. S. 263, Anm. 61. 74 Herr Salustius Bartaß] Guillaume de Saluste Sieur Du Bartas (ca. 1544–1590), Hugenotte, Diplomat, französischer Dichter, Verfasser der überaus erfolgreichen, in zahlreichen Auflagen gedruckten und an die Tradition der Hexaemeron-Literatur anknüpfenden Bibeldichtung ‚La Sepmaine ou Creation du Monde‘ (1578). Jaumann, S. 69 f. 75 anderer gelehrter Leute zu geschweigen] von anderen gelehrten Leuten ganz zu schweigen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3987. 76 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 77 sonderm] besonderem. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1572. 78 grund=gelehrte] überaus gelehrte. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 815. 79 mercklich] bemerkenswert. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2103. 80 geschickt erfunden werden] als fähig befunden werden. Zu ‚geschickt‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3880, zu ‚erfinden‘ vgl. DWb 3, Sp. 798. 81 Bachanten] Anfänger. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1060. 82 Lumpen=Verß] stümperhaften Verse. Nicht bei Grimm, DWb. Vgl. jedoch zu ‚Lumpenwort‘ DWb 12, Sp. 1300. 83 schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 84 Midas] Rist nimmt hier Bezug auf den griechischen Midas-Mythos. Dionysos gewährte Midas, dem König der Mygdoner in Phrygien, den Wunsch, daß alles, was er berührt, sich in Gold verwandelt, was freilich dazu führte, daß auch die Nahrungsmittel, mit denen Midas in Berührung kam, zu Gold wurden. Vgl. Ovid, Metamorphosen 11, 90–193.
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Widmungsvorrede 130
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den Arcadischen Sackträgern85 sich lustig machen. Von denen rechtschaffenen aber und in mancherley Sprachen und Künsten hoch und wolerfahrnen/ nehme ich (vieler anderer welcher Lob und Preiß schon längst der Ewigkeit ist einverleibet/ zu geschweigen86) den eintzigen87 Opitz88 Christseeliger Gedächtniß/ den König und Adler aller Poeten/ dieser Zeit/ Welcher/ ob er wol in vielen frembden Sprachen trefflich war geübet und erfahren/ so hat er doch am allermeisten durch die herrliche/ in unser edlen teutschen Sprache so Geist= als Weltlich geschriebene Bücher sich und das werthe Vaterland dermassen berühmet gemacht/ daß jhrer beyder Gedächtniß nicht vor dem allgemeinen Untergange der grossen und weiten Welt wird erleschen noch vergehen. Dörffte ich nun Gestrenger Juncker ein niedriges Brombeerstäudlein mit den allerhöhesten Eichen oder Tannen=Bäumen vergleichen/ so wolte ich/ der ich doch in Ansehung89 obgedachter90 herrlicher Männer/ insonder= | heit91 meines/ auch nach dem Tode hertzwehrten Herrn Opitzen nur ein Kind und denselbenu auffzuwarten92 kaum geschickt bin/ von mir selber sagen/ daß auch ich viel lieber in unsern Teutschen als anderen Sprachen (insonderheit93 dieweil94 die Ehre des Allerhöhesten und die Erbawung unsers Nebenchristen vornehmlich dadurch wird gesuchet) habe schreiben und singen/ selbige meine Arbeit aber trefflicher und hochbegabter Leute vernünfftigem Urtheil unterwerffen wollen/ gestalt95 ich denn die vorhergehende vier unterschiedene96 Theile meiner Himlischen Lieder etlichen hohen und erleuchteten Personen zugeeignet/ dieses fünffte und letzte aber als den Beschluß97 meines gantzen Himlischen Werckleins/v Euer HochEdlen Gestrengigkeit/ als einer solchen hochbegabten Person/ über welches Eigenschafften nicht allein viel grosse und gelehrte Leute/ sondern auch die durchleuchtigste98 Potentaten und mächtigste Fürsten/ ja auch der Neid selber sich höchlich verwundern müssen/ unterdienstlich99 zueignen und übergeben wollen/ nicht zweifflend/ Eur Gestreng: werde diese meine Himlische Lieder mit eben denen günstigen100 Augen vnd Händen ansehen und auffnehmen/ mit welchen sie meine geringschätzige101 u denselben] B statt dessen: demselben v /] Gemäß B emendiert aus: . 85 Sackträgern] ungebildeten Menschen. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1627. 86 vieler anderer zu geschweigen] ganz zu schweigen von vielen anderen. Zu ‚geschweigen‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3987. 87 eintzigen] unvergleichlichen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 356. 88 Vgl. o. S. 186, Anm. 28. 89 in Ansehung] in Anbetracht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 459. 90 obgedachter] oben erwähnter/gedachter. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1068. 91 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 92 auffzuwarten] zu dienen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 770. 93 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 94 dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 95 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 96 unterschiedene] getrennte. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 97 Beschluß] Abschluß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1581. 98 durchleuchtigste] edelsten. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1639. 99 unterdienstlich] unterwürfig. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1526. 100 günstigen] wohlgesinnten. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 1127. 101 geringschätzige] gering zu schätzende. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706.
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Das Fünffte und letzte Zehn
Person zu unterschiedenen mahlen102 gantz Leutselig103 hat empfangen/ auffs freundlichste gehalten104/ und nach Erweisung grosser/ wiewol unverdienter Gunst/ sehr vergnüget von sich gelassen105. Jch werde mich sehr glückselig schätzen/ im Falle106 ich versichert107 bin/ daß gegenwertige meine Lieder als ein geringes Zeugniß meiner Dienstfertigkeit (woran ich doch kaum zweiffele) Eur Gestreng: zu günstigem Gefallen gereichen. Jmmittelst108 bitte ich den grossenw Beherrscher Himmels und der Erden109 aus dem jnnersten Grunde meines Hertzen/ er wolle E. HochEdle Gestrengigkeit/ sampt de= | roselben hochlöblichem gantzem Adelichem Geschlechte/ insonderheit110 jhrer von dem Allerhöhesten jhme ersehenen Liebsten regieren/ leiten und führen/ sie an Leib und Seele völlig111 gesegenen112/ für aller Wiederwertigkeit gnädiglich schützen/ hie zeitlich erquicken und dort mit ewiger Freude kröhnen; Mir aber die Gnade verleihen/ daß ich E. Gestreng: mit meinem Christlichen Gebete und anderer geziemender Schuldigkeit angenehme Dienste erweisen könne/ damit ich also seyn und bleiben möge.
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Gestrenger Herr
Eur hochAdelichen Ge= Geschrieben zu Wedel an der Elbe/ am Ta= ge Elisabeth war der x 19 des Wintermo= y,113 nahts Jm Jahr 1642.
strengigkeit.
Getreuster Diener mein Leben= lang.
Johannes Rist. |
w grossen] Gemäß B emendiert aus: grossem Gemäß B emendiert aus: Winiermonahts
x 19] B statt dessen: 19.
y Wintermonahts]
102 zu unterschiedenen mahlen] zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Zu ‚unterschieden‘ vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753, zu ‚mal‘ DWb 12, Sp. 1497 f. 103 Leutselig] freundlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 850. 104 gehalten] beherbergt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 280. 105 von sich gelassen] gehen lassen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 216. 106 im Falle] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 107 versichert] überzeugt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1304 f. 108 Jmmittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 109 Mt 11,25 110 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 111 völlig] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 670 f. 112 gesegenen] segnen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4015. 113 Wintermonahts] Novembers. Vgl. Zedler 57, Sp. 991.
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Vorrede an den Gott= und Kunst=lie= benden Lesera,b.
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Reundlicher und in Gott sehr geliebter Leser/ Hiemit hast du den Beschluß1 dieses gantzen Werckes/ das fünffte und letzte Theil meiner himlischen Lieder zu empfangen/ gestalt 2 ich dir solches unlängst verheissen/ nunmehr aber solch mein Versprechen durch die Gnade des Allerhöchsten3 zum erwündschtenc Ende gebracht habe. Jch hätte zwar anfänglich alle diese Gesänge auff einmal oder zugleich können heraus geben: Es ist aber/ bescheidener lieber Leser/ dir nicht unbewust/ wie gefährlich es sey/ dieser zancksüchtigen Welt ohne vorhergehende Prüfung seine Schrifften also darzustellen/ und so manches verkehrtes Urtheil über dieselbe ergehen zu lassen. Derohalben ichs für rathsam geschätzet habe/ mit dem einen und andern Zehn erstlich einen Versuch zu thun/ wie sie etwa möchten auff und angenommen werden. Als ich nun/ nach deme die beyde forderste Theile an das öffentliche Liecht waren kommen/ von unterschiedlichen Orten her/ so wol durch Frembde als Bekandte/ freundlich berichtet worden4/ daß selbige Gott= und Kunst=liebenden Leuten zu sonderbarer5 Lust und Gefallen/ denen schmähesüchtigen aber vielleicht zu grossem Verdruß und Wiederwillen gereichtend; Als6 bin ich dadurch veranlasset worden/ in solcher Christlichen Arbeit ferner getreulich fortzufahren/ und die übrigen unseren lieben Landesleuten zum besten endlich gemein zu machen7. Ob8 ich nun zwar nicht eigentlich9 habe erfahren/ was doch die schnöden Verächter aller wolgemeynten Dinge von diesem Wercklein geurtheilet/ und was für einen schändlichen Geifer10 sie darüber mögen außgespeyet haben; So kan ich doch leicht erachten/ daß sie diese Arbeit ja so wol und viel ehender11 als anderer hochgelahrter Leute (angesehen12 die meinige nur von dene allerschlechtesten unter den Dienern
a Die Vorrede an den Leser fehlt in C. b Kolumnentitel fol. A 6v–8r (auf zwei Seiten verteilt): Vorrede an den Gott= und Kunst=liebenden Leser. c erwündschten] Fehlt B d gereichten] B statt dessen: gereichen e den] B statt dessen: dem 1 Beschluß] Abschluß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1581. 2 gestalt] wie. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4183. 3 Ps 7,18 4 berichtet worden] davon unterrichtet worden bin. Zu ‚berichten‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1523. 5 sonderbarer] besonderer. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 6 Als] also. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. 7 gemein zu machen] zu veröffentlichen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3178. 8 Ob] obgleich. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1053 f. 9 eigentlich] genau. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 102 f. 10 Geifer] Speichel. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2564. 11 ehender] früher. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 46. 12 angesehen] angesichts dessen, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 456 f.
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Das Fünffte und letzte Zehn
Gottesf ist außgefertiget) mit einem sehr gifftigen Maule werden angebellet/ und nach des Lästerers Art g aus Höllen=würdiger Unterweisung auffs schändlichste geschmähet haben. Diese elende Leutlein aber sollen hiemit eins vor alles13 wissen/ daß es mir eine gantze Unmügligkeit ist deßwegen im geringsten über sie zu zürnen/ viel mehr trage ich ein hertzliches Mitleiden mit jhnen/ daß sie so unbedachtsamer weise heraus fahren14/ und sich unterstehen solche Schrifften zu tadelen/ welche ja gantz und gar zu keinem andern Ende sind auffgesetzet und verfertiget/ als daß beydes des allerhöchsten Gottes Ehre und | Preiß15/ denn auch unserer NebenChristen ewige Wolfahrt und Seligkeit dadurch möge gesuchet und befoderth,16 werden. Derowegen ich sie in dieser letzten Vorrede auff das freundlichste wil ermahnet und gebeten haben/ sie wollen jhnen doch großgünstig belieben lassen17/ dieser himlischen Lieder mit unziemlichen Schmäh= und Läster =Worten zu verschonen/ nicht zwar umb meinet willen/ als der ich schon längst des Satans feurige Schmäh=Pfeile gefühlet/ nicht aber allein gefühlet/ sondern auch durch des heiligeni Geistes kräfftigen Beystand mit Gedult zu erleiden gelernet habe; Besondern18 umb des grossen Himmels= Königs19 willen/ zu dessen Ehren sie vornemblich erfunden und auffgeschrieben/ nunmehr aber täglich von etlichen/ Gott und dessen Wortliebenden j Seelen nicht ohne hertzbrechende Andacht gebetet und gesungen werden. Jm falle20 aber je etliche zu finden/ die gleich denen leichtfertigen Leuten zu Sodom an meinen Büchern und Schrifften jhren Muthwillen und Bößheitk zu üben gantz und gar keinen Umbgang haben können21 nochl wollen; So stosse ich/ wie dort der Mann Loth that/ meine Töchter/ die ich schon vor vielen Jahren erzeuget habe/ zu solchen Leuten hinaus22/ das ist: Jch übergebe jhnen etliche meiner Schrifften und Gedichte/ die ich in meiner annoch23 frischen und zum theil unverständigen Jugend an das Liecht habe kommen lassen/ worin (welches ich denn gern bekenne) zu zeiten allerhand weltliche Sachen mit unter lauffen24. Diese nun mögen solche blinde Sodomiter25 jhrem Belieben nach gar wol zu Schanden machen/ sie verhönen/ schmähen/ schelten und lästern/ ja verspeyen und mit Füssen treten/ und da sie vermeynen/ daß die hohe Nothf Dienern Gottes] Gemäß B emendiert aus: DienernGottes g Art] Emendiert aus: Areti Erratum auch in B h befodert] B statt dessen: befördert i heiligen] B statt dessen: H. j Wortliebenden] B statt dessen: Wort liebenden k Bößheit] B statt dessen: Boßheit l noch] B statt dessen: und 13 eins vor alles] ein für allemal. Nicht bei Grimm, DWb. Vgl. aber DWb 3, Sp. 257. 14 heraus fahren] heftig sprechen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1250. 15 1Tim 1,17 16 befodert] befördert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 17 jhnen belieben lassen] Gefallen daran finden. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 18 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 19 Dan 4,34 20 Jm falle] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 21 keinen Umbgang haben können] nicht vermeiden können. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 893. 22 Vgl. Gen 19,4–8 23 annoch] noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 24 mit unter lauffen] eingemischt sind. Nicht bei Grimm, DWb. 25 Vgl. Gen 19,11
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durfft26 und die Abkühlung jhres rasenden Feur=Eyfers ein mehrers erfodere27/ bin ich auch zu frieden/ daß man sie auff gut Päbstisch gleich denen Ketzerischen Büchern zu Staube und Aschen brenne/ damit jhrer hinführo28 in Ewigkeit nicht mehr gedacht werde/ ich wil mich wegen Außrottung etlicher solcher Schrifften (wiewol sie von nicht wenigen/ auch wol Gottesfurchtigen/ grossen und herrlichen Leuten annoch29 über jhren Werth geliebet werden) so wenig bekümmern/ daß ich auch solche verubte Grausamkeit mit höhester Vergnügung anhören/ und dieses so strenge Verfahren hertzlich wil belachen. Diese meine himlische Lieder aber/ welche ich denen Englischenm Gästen30/ die der Loth nicht allein in seinem Hause beherbergte31/ sondern auch für des rasenden Pöfels32 unnatürlichen Begierden und vbermachter33 Bößheitn zu beschützen sich höchlich bemühete34/ etlicher massen vergleiche/ kan ich solchen Verleumbdern zu jhremo schänd= | lichen Mißbrauche mit nichten übergeben/ denn hierinn wird das Heiligthumb Gottes35 bewahret/ welches man bey Verlust der Seligkeit weder denen Epicurischen Mast=Säuen36 und Liebhaberen dieser Welt/ noch auch den garstigen Hunden oder schmähesüchtigen Lästerern inp keinerley wege sol vorwerffen/ noch dahin geben. Wollen demnach die jenigen/ welche vielgedachtes37 Werck zu unterdrücken oder unchristlich zu handlen sich etwa künfftiger Zeit unterstehen möchten/ hiemit kürtzlich vergewissert seyn/ daß ich/ so langeq mir mein Gott Leben und Gesundheit aus Gnaden wird verleyhen38/ durchaus keinen Umbgang werde nehmen können39/ selbigen als Lästerern Gottes und seines heiligen Wortes mit gebührendem Eyfer zu widersprechen/ auff daß/ so viel an mir ist/ des Allerhöhesten40 Ehrer/ denn auch meine Seele und Gewissen mügen errettet/ und den Schmäheliebenden das Maul gestopffet werden41. Es köndte zwar einer oder der ander scheinbarlich vorwenden42/ daß die Kirche Gottes dieser meiner Lieder durchaus nicht bedörffe/ in Betrachtung 43 der Herr Lutherus und viele andere vortreffliche Theologen nach jhm deroselben eine ziemliche Anzahl (in derer etlichen ein trefflicher Geist zu m Englischen] B statt dessen: Englische n Bößheit] B statt dessen: Boßheit o jhrem] B statt dessen: ihren p in] Fehlt B (Erratum) q lange] B statt dessen: lang r Allerhöhesten Ehre] Gemäß B emendiert aus: AllerhöhestenEhre 26 Nothdurfft] Bedürfnis. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 924. 27 erfodere] erfordere. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 802. 28 hinführo] fortan. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1435. 29 annoch] immer noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 30 Englischen Gästen] Engelsgästen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 481. 31 Vgl. Gen 19,2f. 32 Pöfels] Pöbels. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1950. 33 vbermachter] übermäßiger. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 401. 34 Vgl. Gen 19,6–8 35 Ps 73,17 36 Mast=Säuen] Schimpfwort für solche, die in Fressen und Saufen leben. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1719. 37 vielgedachtes] oft erwähntes. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 165. 38 Vgl. Sir 34,19 f. 39 keinen Umbgang werde nehmen können] es nicht werden vermeiden können. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 893. 40 Ps 7,18 41 Vgl. Ps 107,42 42 vorwenden] vorbringen. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1919. 43 in Betrachtung] angesichts der Tatsache, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1707.
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Das Fünffte und letzte Zehn
spüren) der Christenheit hätten nachgelassen44/ zu deme auch die Lobwürdige Arbeit/ welche so wol der erleuchteter Herr Opitz45/ als auch der hochgelahrter Herr Buchholtz46/ anjetzo47 bey der weitbekandten Universitet Rinteln berühmter Professor/ in Ubersetzung der Psalmen David48/ als der allerköstlichsten Gebeter/ so unter der Sonnen zu finden/ haben angewendet/ nunmehr jedermänniglich49 bekandt worden/ anderer geistlicher Lieder zu geschweigen50/ die zu dieser Zeit vorhanden. Diesen nun verhalte51 ich zur freundlichen Antwort nicht/ daß ich solches alles gantz gerne bekenne/ bin auch durchaus nicht gemeynt52 diese meine geringschätzige53 schlechte54 Gesänge/ denen/ die von so hochberühmten Leuten hinderlassen worden/ an die Seite zu setzen oder zu vergleichen/ viel weniger habe ich mir zeit meines Lebens die geringste Gedancken gemachet/ solche meine Arbeit der einen oder anderen Evangelischen Kirchen anzutragen oder auffzudringen/ wozu ich auch weder Lust noch Vermügen habe; Sondern/ dieses habe ich reifflich bey mir erwogen/ daß des Guten (des gemeinen Mannes bekandten Sprichworte zu folge) nimmermehr zu viel kan gethan geredet/ geschrieben oder gesungen werden55. Sehe ich nun etwas fleissiger an die geistliche Lieder/ mit welchen wir in unsern Evangelischen Kirchen Gottes H. Namen anruffen/ und seine Wercke und Wolthaten ehren/ loben und prei= | sen/ (Jch rede hie nicht von den Psalmen David) so befinde ich/ daß derselben nicht allein nicht zu viel/ besondern56 (vornemblich wenn wir etliche hohe Feste/ wie auch etliche sonderbare57 Anfechtungen vieler bekümmerten Seelen etwas genauer beachten) ein nicht schlechter58 Mangel sey/ und demnach höchlich zu wündschen/ daß solcher von dem einem oder anderen erleuchteten Theologen möchte ersetzet59 werden.
44 nachgelassen] hinterlassen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 85. 45 Zu Martin Opitz vgl. o. S. 186, Anm. 28. 46 Andreas Heinrich Bucholtz (1607–1671), 1631 Promotion zum Magister in Wittenberg, 1632 Konrektor der Stadtschule in Hameln, 1634 Fortsetzung des Studiums der Theologie in Rostock, 1636 Rektor des Gymnasiums in Lemgo, von 1639 an in Rinteln, 1641 Professor für Moralphilosophie und Dichtung ebd., 1645 ao. Professor der Theologie ebd., 1647 Koadjutor der Kirchen in Braunschweig, 1663 Superintendent ebd. Bucholtz ist u.a. als Verfasser von geistlicher Lyrik, Erbauungsschriften und Romanen in Erscheinung getreten. Vgl. Maché. 47 anjetzo] jetzt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 377. 48 Im Blick hat Rist hier Martin Opitz: Die Psalmen Davids Nach den Frantzösischen Weisen gesetzt. Danzig 1637 sowie Andreas Heinrich Bucholtz: Teutscher Poetischer Psalter Davids. Rinteln 1640. 49 jedermänniglich] jedermann. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2292. 50 anderer geistlicher Lieder zu geschweigen] von geistlichen Liedern anderer Autoren ganz zu schweigen. Zu ‚geschweigen‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3987. 51 verhalte] verschweige. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 510. 52 bin nicht gemeynt] habe ich nicht den Vorsatz. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1934. 53 geringschätzige] unbedeutenden. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3706. 54 schlechte] schlichten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 55 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 2, Sp. 208. 56 besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 57 sonderbare] besondere. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 58 schlechter] geringer. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 523. 59 ersetzet] ausgeglichen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 983.
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Denn/ daß ich nur eins erwehne/ wie viel haben wir wol Christandächtige Gesänge/ derer wir uns an dem Neuen Jahrs Feste/ in den österlichen und Pfingst=Feyrtagen/ am Feste der Himmelfahrt Christi/ am Tage Michaelis60 und anderen hohen Zeiten des Jahrs nützlich können gebrauchen? Fürwar sehr wenig/ wie solches der Augenschein bezeuget/ wie denn auch so wol von etlichen Lehrern als Zuhörern vielmals darüber wird geklagt. Uber das alles/ so mangelts bey diesen elenden und hochbetrübten Zeiten/ da unsere schwere Sünde alle Stunden leider sich häuffen/ und dannenhero61 der Feur=brennenders Zorn Gottes jmmer mehr und mehr zunimpt/ an Buß= und Trostliedern/ (ich rede hie nicht von den Geistreichen Gebetbüchern/ die nunmehr in ziemlicher Anzahl Gott Lob vorhanden) der massen sehr/ daß viel Gottselige Christen/ welche den Schaden Josephs62/ und so wol die gegenwertige als bevorstehende grosse Gefahr etwas fleissiger behertzigen/ kläglich seufftzen/ und mit inbrünstigem beten und singen die Gnade des Allerhöhesten63 billich64 ersuchen65. Daß nun ich nach dem wenigen Vermögen/ welches mir die Göttliche Barmhertzigkeit hat verliehen/ diesent Mangel in etwas66 mit gegenwertigen Liedern zu ersetzen67 mich habe bemühen wollen/ solches wird mir kein redlicher Mensch/ insonderheit68 dem sein Christenthumb ein rechter Ernst ist/ einiger massen verargen69/ sondern viel mehr meinen guten Vorsatz und Willen jhm belieben und wol gefallen lassen70. Dafern71 du nun Christlicher und in Gott sehr geliebter Leser vermeynest/ es sey dir und der Kirchen Gottes mit diesen meinen Liederen in etwas gedienet/ so wollestu Gott/ als demu Geber alles Guten72/ der mir seine Gnade und Krafft hiezu mildiglich73 hat verliehen74/ eintzig und allein deßwegen die Ehre geben und zuschreiben. Dabenebenst75 aber wirstu (dafern76 du andersv die alleredelste und ewig= bleibende Kunst der Music auch nur im geringsten liebest und lobest) dem hocherfahrnen und weitberühmten Herrn Johann: Schopen von Hertzen dancken/ alldieweil 77 dieser trefflicher Mann bey seinen so vielfältigen und täglichen Geschäfften/ ja auch mitten | in dem/ jhme von dem Allerhöhesten78 s Feur =brennender] B statt dessen: Feuerbrennende t diesen] B statt dessen: diesem statt dessen: den v anders] B statt dessen: ande s (Erratum)
u dem] B
60 am Tage Michaelis] am Festtag des Erzengels Michael, dem 29. September. 61 dannenhero] deshalb. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 748. 62 Am 6,6 63 Ps 7,18 64 billich] recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 65 ersuchen] suchen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1026. 66 in etwas] ein wenig. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1186. 67 zu ersetzen] auszugleichen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 983. 68 insonderheit] besonders. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2143. 69 verargen] verübeln. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 84. 70 jhm belieben lassen] Gefallen daran finden. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1447. 71 Dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 72 Vgl. Sir 50,24; Jak 1,17 73 mildiglich] reichlich. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 74 Vgl. Eph 3,7 75 Dabenebenst] darüber hinaus. Zu ‚dabeneben‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 660. 76 dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 77 alldieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 78 Ps 7,18
fol. A 8r
370
Das Fünffte und letzte Zehn
zugefügtem schweren Hauß=Creutze79 dennoch nicht hat unterlassen/ seinen Fleiß hierinn dergestalt anzuwenden/ daß diese himlische Lieder so wol wegen augenscheinlicher Kunst/ als auch jhrer sonderbaren80 Anmutigkeit nunmehr erst recht leben/ und ja so hoch wegen jhrer wolgesetzten Melodeyen/ als der Materien an sich selbst von auffrichtigen und Kunsterfahrnen Gemüthern billich81 geliebet und gelobet werden/ Der Herr vom Himmel sey seinw grosser Lohn82/ und lasse alle seine gute und nützliche Wercke hinführo83 wol gedeyen. Schließlich wil ich den großgünstigen Leser hiemit dienstfreundlich84 ersuchet und gebeten haben/ dafern85 ich ohn mein wissen/ (wie ich denn mit der Warheit bezeuge/ daß es vorsetzlich von mir nicht geschehen) in dem einenx oder andern etwa geirret/ oder auch meinen Nehesten durch dessen eigenwillige Anreitzung vielleicht verursachet/ etwa mit einer harten Rede hätte beleidiget/ daß er solches alles wolle zum besten deuten/ und mir diesen Fehler (dafern86 es gleichwol also zu nennen) Christlich und brüderlich zu gute halten/ in freundlicher Erinnerung/ daß wir alle gebrechliche Menschen seyn/ und uns demnach als Christen wolle gebühren/ daß wir/ so ein Mensch etwa von einem Fehl übereilet würde/ demselben mit sanfftmütigem Geiste wieder zu rechte helffen/ immittelst87 aber auff uns selbst sehen/ und einer des anderen Last tragen/ damit wir also das Gesetz Christi erfüllen88/ und hernachmals durch denselben unseren einigen Heyland der ewigen Freude und Seligkeit theilhafftig werden mögen89. Fahr wol/ Christlicher und von gantzem Hertzen geliebter Leser/ laß meine wenige Person zusampt dieser und anderer meiner schlechten90/ jedoch wolgemeynten Arbeit deiner guten Gunst hinführo91 bester massen anbefohlen seyn/ und halte dich hinwieder versichert/ daß ich wolle leben und sterben
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Dein Gebet= und Dienstwilligster
Johann Rist. |
w B zusätzlich: sehr x einen] B statt dessen: einem 79 Hauß=Creutze] häusliche Anfechtung. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 677. Vermutlich ist hier ein familiärer Trauerfall im Blick. Es konnte bislang nicht ermittelt werden, ob es sich um den Tod von Schops Ehefrau oder den eines Kindes handelt. So auch Stephenson, S. 57. 80 sonderbaren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577. 81 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 82 Sap 5,16 83 hinführo] fernerhin. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1435. 84 dienstfreundlich] dienstbereit. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1125. 85 dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 86 dafern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 87 immittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 88 Gal 6,1 f. 89 Vgl. 1Thess 5,9 90 schlechten] schlichten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 91 hinführo] fernerhin. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1435.
165
Auff die
Himlische Lieder Des WolEhrwürdigen und hochgelahrten
Herrn Johannis Rists/ jetzigen weitberühmtesten Teutschen Poetena.b
E
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Jn wolgepflantzter Baum kan seine Wurtzeln ründen1 Jn steinicht=fester Erd’/ und ob er muß entpfinden2 Frost/ Hitze/ Reiff 3 und Schnee von aussen/ noch dennoch Scheusst 4 er die Zweig’ heraus ansehnlich/ räumig c/ hoch; Er setzt sich Wurtzelfest5/ beharnischt 6 von den Rinden/ Ein starcker Wiederstand den schrende7 rawen Winden/ Er grünet/ blühet/ gibt die Frucht zu rechter Zeit8/ Hat Tugend/ Safft und Krafft zu mancher Nutzbarkeit. Wie sol der kluge Wind diß Kunstgewächs versehren Sod aus dem Himmel kompt/ so mit e viel reichen Lehren Das Teutschland überwächst/ So mit gantz reiner Zier Mit Teutschem Geist’ und Krafft sich Geistreich thut herfür? Es grünt und breitet sich des Cimber=Baums9 Gezweige/ Der f seiner Fruchtbarkeit ist selbst der beste Zeuge/ Läst Jährlich reiffe Frucht vor Teutschen Augen sehn Dabey des Neides Wind10 und Frostg vorüber gehn. a Dieser Text rangiert in C unter den Widmungsgedichten an zweiter Stelle. b Auff die Himlische Lieder Poeten.] Fehlt C c räumig] C statt dessen: räumlich d So] C statt dessen: Daß e so mit] B statt dessen: mit so f Der] C statt dessen: Daß g Wind und Frost] C statt dessen: Frost und Wind 1 ründen] runden. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1510. 2 entpfinden] empfinden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 578. 3 Reiff] gefrorenen Tau. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 622. 4 Scheusst] schießt. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 31. 5 Wurtzelfest] fest verwurzelt. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 2367. 6 beharnischt] gepanzert. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 488. 7 schrende] bersten machenden. Zu ‚schrinnen‘ bzw. ‚schrinden‘ vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1753. 8 Ps 1,3 9 Cimber=Baums] Cimbria bzw. Chersoneus Cimbrica ist Jütland (unter Einschluß der Herzogtümer Schleswig und Holstein). 10 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 986.
fol. A 8v
372
Das Fünffte und letzte Zehn
Eur CimberLand/ Herr Rist/ sand vor so langen Jahren Ein Schrecken in die Welt durch grosse Krieges=Schaaren; Jhr sendet Seelentrost/ jhr tapffrer Cimber/ jhr
Setzt unsre Teutsche Sprach’ in rechte Himmels Zier.
Justus-Georgius Schottelius11
20. Octob: Annoh 1642. Ex aulà Guelphicài.
h Anno] Fehlt B i Justus-Georgius Schottelius Guelphicà] C statt dessen: Seinem hochwehrten Herren Geselschafter dem itzigen weitberühmtesten teütschen Poeten/ Herren Johann Risten setzte dises JUSTUS-GEORGIUS SCHOTTELIUS, Juris U. Doctor & Consiliarius Guelphicus, Jn der hochlöblichen Fruchtbringenden Geselschafft/ der Suchende 11 Vgl. o. S. 188, Anm. 49.
20
A d R e ve re n d u m & I n s i g n e m T h e o l o g u m & Po e t a m
Dn. JOHANNEM RISTIUM, Wedelensium Pastorem fidelissimum, amicum & Fratrem suum in Christoa conjunctissimumb.
S
5
I miros Homines convolvunt pectore casus, Hos reficit miro MUSICA mira modo. | Res loquitur, loquitur quoque cura domestica; grata est Laetitiae luci MUSICA, grata cruci.c Musica quem RISTI non delectabit? Asellum, Si vel ad auriculas MUSICA dia sonet. Dic, Phtonomuse, mihi,d quo nomine jure voceris? Dicam, haut immeritò tristis Asellus eris. Lu b e n s f e c i t H a m b u r g . e
10
M. Johan: Jeger1 ibid. Eccles. ad d. Jacob.f
a Christo] B statt dessen: Christum (Erratum) b Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. c .] B statt dessen: : d ,] B statt dessen: ; e H a m b u r g .] B statt dessen: H a m b u r g i f Jacob.] B statt dessen: Jac. 1 Johannes Jäger (1585–1668), 1611 Promotion zum Magister in Wittenberg, 1612 Adjunkt in Woldenborn, 1616 Prediger in Bützfleth, 1618 Wahl zum Diakon an St. Jacobi in Hamburg, 1667 altershalber aus dem Dienst geschieden. Hammer/Schade I, S. 82.
fol. B 1r
Auff Herrn Johann Ristens/ berühmten Poeten
Himlische Liedera.b
W
Eil die Poeterey von Oben her ist kommen/
Und von dem Himmel selbst c den Ursprung hat genommen:
Weil eher ein Poet/ was Göttlich ist/ nichts schreibt/ Biß daß er Himmel fühlt/ biß Gott jhn selber treibt.d So ist es ja gerecht e/ daß wir für allen Dingen Dem Himmel auch die Frucht von seinem Pfande bringen/ Das dennf voraus der Geist verehretg/ der jhn regt/ So hat die alte Welt alsbald den Grund gelegt Zur Edlen Poesie. Die nur jhr gantzes Tichten1 Auff Tockenspiel2 und Schaum3 der blinden Jugend richten/ Und schreiben fort und für 4 von Venus5 Raserey/ Gar bald von jhrer Gunst/ bald wiederh Tyranney/ Die werden nicht umbsonst dem Vater gleich geschätzet/ Der eine Tochter hat sehr übel außgesetzet/ Die dennoch schöne war. Mein Landsmanni,6/ der die Bahn Zur deutschen Poesie am erstenj auffgethan7/ Hat zwar von Liebeswerck im Anfang auch geschrieben8/ Jst aber nicht dabey ein steter Jüngling blieben. Diß war der Jahre schuld. Als Urtheil und Verstand Bey k jhm zu rathe gieng/ zog er die jungel Hand a Dieser Text rangiert in C unter den Widmungsgedichten an vierter Stelle. b Auff Herrn Himlische Lieder.] Fehlt C c selbst] C statt dessen: her d .] B, C statt dessen: : e gerecht] C statt dessen: gahr recht f denn] B statt dessen: den g verehret] Gemäß B, C emendiert aus: vereehret h wieder] C statt dessen: widrum i Landsmann] Gemäß B, C emendiert aus: Landesmann j am ersten] C statt dessen: hat erstlich k Bey] C statt dessen: Mit l junge] B statt dessen: jung (Erratum) 1 Tichten] Trachten. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1062. 2 Tockenspiel] Puppenspiel. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1208. 3 Schaum] Nichtigkeit. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2356. 4 fort und für] in einem fort. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 9. 5 Venus] Venus, die römische Göttin der Liebe und Tochter des Jupiter. 6 Mein Landsmann] Gemeint ist Martin Opitz, der wie Tscherning aus Schlesien stammte. Vgl. o. S. 186, Anm. 28. 7 Tscherning denkt hierbei an Opitz’ Poetiklehrbuch. Vgl. Martin Opitz, Buch von der Deutschen Poeterey (1624). 8 Auf dem Gebiet der bukolischen Lyrik hat sich Opitz z.B. mit seiner ‚Schäfferey Von der Nimfen Hercinie‘ (1630) hervorgetan.
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Auff Herrn Johann Ristens Himlische Lieder
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Von Venus9 wieder ab. Wer hat numehr von nöthen Zu fragen/ was doch er/ als Cesarm der Poeten/ Nach der Zeit an das Liecht der Sonnen hat gebracht? Wer siht nicht/ wie er Gott in Schrifften herrlich macht/ Die deutsche Welt gelehrt? Wie groß sind die Gedancken! Wie feurig ist der Geist! Wie geht er aus demn Schrancken10 | Der Erden/ über sich/ wenn er zur Krippe11 singt Dem Kinde/ dessen Macht die Welt12 und See13 bezwingt! Jch ehre wissentlich ein Theil mit stilleschweigen. Wenn mich der Psalter hat/ so bin ich kaum mein eigen; Des grossen Davids Werck/ der Außzug aller Schrifft14/ m Cesar] C statt dessen: Kaiser n dem] B, C statt dessen: den 9 Vgl. o. S. 374, Anm. 5. 10 dem Schrancken] der Schranke. Zum Maskulinum ,Schranken‘ vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1637. 11 Vgl. Lk 2,1–20 12 Vgl. Joh 16,33 13 Vgl. Mt 8,23–27 14 Die Würdigung des Psalters als einer Bibel im Kleinen hat eine lange Tradition, die im antiken Christentum verwurzelt ist und im Mittelalter, in der Reformationszeit sowie im 17. Jahrhundert lebendig blieb. Vgl. z.B. Basilius von Caesarea, Homilia in Psalmum I, MPG 29, Sp. 212A, aber auch die anonyme Vorrede zu Augustins ‚Enarrationes in Psalmos‘, MPL 36, Sp. 63: „Unde et hic Psalmorum liber registrum est totius sacrae Scripturae, et consummatio totius theologicae paginae.“ Ähnlich der (auch) in der Barockzeit Augustin selbst zugeschriebene Prologus zu den ‚Enarrationes in Psalmos‘, ebd.: „Psalmorum vero liber quaecumque utilia sunt ex omnibus continet. Futura praedicit, veterum gesta commemorat, legem viventibus tribuit, gerendorum statuit modum: et ut breviter dicam, communis quidam bonae doctrinae thesaurus est, apte singulis necessaria subministrans.“ An die patristische Tradition anknüpfend, sagt Luther, WA.DB 10/I, S. 99, Z. 22–27 (Vorrede auf den Psalter, 1545): „VND solt der Psalter allein des halben thewr vnd lieb sein, das er von Christus sterben vnd aufferstehung, so klerlich verheisset, vnd sein Reich vnd der gantzen Christenheit stand vnd wesen furbildet. Das es wol möcht ein kleine Biblia heissen, darin alles auffs schönest vnd kürtzest, so in der gantzen Biblia stehet, gefasset vnd zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht vnd bereitet ist.“ Vgl. ferner Arndt, Auslegung des gantzen Psalters, Teil 1 (1643), S. 1: „Erstlich/ weil der Psalter ist gleichsam eine kleine kurtze Bibel/ ja der Kern der heiligen Schrifft/ Gleich als wenn einer aus einem Lustgarten alle Blümlein zusammen lese vnd in ein Bündlein bünde/ so könte er sagen/ in diesem Bündlein hab ich den gantzen Garten/ Also ists mit dem Psalter auch/ darin haben wir den Geruch vnd Krafft der gantzen heiligen Schrifft zusammen gefasset/ nemlich alle Artickel des Christlichen Glaubens/ alle Lehrpunct/ ja allerley Trost in aller Anfechtung/ sie seyn wie sie wollen/ wider Sünde/ Todt/ Teuffel/ Helle vnd böse Welt/ jtem/ das gantze geistliche Leben.“ Wie eng verknüpft diese Sicht der Dinge mit derjenigen der Alten Kirche ist, zeigt sich in Johann Gerhards Vorrede (vom 1.4.1617) zu Arndts Psalter-Auslegung (fol. a 4v): „Von diesem Psalmbuch sagt der alte Kirchenlehrer Basilius Magnus, daß es sey Compendium universae Theologiae, ein kurtzer Begrieff alles dessen was zur seligmachenden Erkäntniß Gottes gehörig/ weil die Lehre des Gesetzes vnd Evangelij von Gottes Wesen vnd Willen/ vom Glauben vnd guten Wercken/ vnd in Summa/ von allem was zur himlischen Weißheit gehöret/ kürtzlich vnd artig darinnen begriffen .“ Vgl. zu weiteren Belegen sowie zur Wirkungsgeschichte dieser Deutung des Psalters im byzantinisch-orthodoxen Kulturkreis Stichel, S. 23–37. Daß die Bezeichnung des Psalters als ‚kleine Bibel‘ auch im reformierten Bereich verbreitet war, zeigt das Werk des Pfarrers in Glattfelden (Kanton Zürich) Josua Maaler mit dem Titel ‚Die kleine Bibel/ Das ist/ Die Psalmen Davids vnd anderer heiliger Propheten‘ (1609).
fol. B 1v
376
Das Fünffte und letzte Zehn
Dennoch kein Deutscher nicht/ was Kunst und Geist betrifft/ So rühmlich umbgesetzt15. Du führest gleiche Sinnen/ Du hochbegabter Rist/ diß zeiget dein Beginnen16. Wie billich17 schaffstu dir mit HimmelsLiedern Ruhm/ Weil du auch Priester baust des Himmels Heiligthumb/ Und er selbst in dir ruht. Was kanstu höhers schreiben! Diß ist das grosse Werck so dort die Engel treiben: Diß eben ist der Weg zu Gottes Bürgerschafft18/ Der Seelen Paradyß/ der Alten Trost und Krafft/ Der Jungenn beste Zier. So weit als für der Erden Die blaue Himmelsburg muß vorgezogen werden/ So viel mal werther19 ist was von dem Himmel rührt/ Als Tant20 der Eitelkeit/ den nur die Welt gebiehrt. Laß ferner/ O mein Freund/ den guten Zweck nicht ligen/ Was noch die Nacht bedeckt/ laß unter Leute fliegen. Denn die gedruckteo Welt wil jetzt/ in vieler Pein/ Mit gutem Troste mehr/ als sonst versehen seynp Sey sicher/ was du schreibst/ hat guten Schmack bey allen. Die Lieder scheinen selbst vom Himmel her gefallen/ Und werden after zeitq,21 so lange nicht vergehn/ Als selbst die schöne Bahn der Sternenr wird bestehn. Wir tichten manchen Traum von ders Parnassus22 Spitzen/ Wo der Apollo23 sol mit seinen Musen24 sitzen: Wir schreiben jhm’ umbsonst die Zier der Verse zu. Was mehr ist als Parnaß/ O Rist/ das giebestu.
Andreas Tscherning t,25.
n Jungen] B statt dessen: Jugend o gedruckte] C statt dessen: gedrükte p C zusätzlich: . q after zeit] Gemäß C emendiert aus: offterzeit Erratum auch in B r Sternen] C statt dessen: Sterne s der] C statt dessen: deß t Andreas Tscherning] C statt dessen: Zu längstverdienten Ehren setzte dises Seinem hochgeehrten Herren Risten M. Andreas Tscherning/ in Academiâ Rostochiensi Professor publicus 15 umbgesetzt] in lyrische Sprache übertragen. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 1149. 16 Beginnen] Tun. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1297. 17 billich] recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 18 Vgl. Eph 2,19 19 werther] wertvoller. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 453. 20 Tant] wertloses Zeug. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 103. 21 after zeit] fortan. Nicht bei Grimm, DWb. 22 Vgl. o. S. 281, Anm. 8. 23 Vgl. o. S. 282, Anm. 4. 24 Vgl. o. S. 275, Anm. 3. 25 Andreas Tscherning (1611–1659), 1635 Beginn des Studiums in Rostock, 1636 Lehrer in Breslau, 1642 Fortsetzung des Studiums in Rostock, 1644 Promotion zum Magister und Berufung zum Professor der Dichtkunst ebd. Vgl. Prätorius.
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Uber des Hochgelahrten Poeten Herrn Johann: Risten
Himlische Lieder. An den frommen Leser a.
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Jer/ Leser/ hastu nun/ womit du kanst vertreiben Den schnöden Rest der Zeit. Laß andre Leute schreiben | Und singen von der Pracht der Eitel=vollen Welt/ Laß suchen Ehr’ und Ruhm/ laß suchen Gutt und Geld: Du aber bleib’ allhier und halt dich in den Schrancken/ Stimm’ an ein Himlisch Lied/ so kanst du niemahls wancken/ Weil du den Himmelsweg mit Himlischer Begier Zu suchen bist gesinnt. Mein Leser bleib’ allhier/ Und singe/ was Herr Rist/ des Himmels voll gesungen/ Davon nicht nur die Welt/ der Himmel auch erklungen/ Dadurch er hat erlangt den Krantz der Ewigkeit1/ Den jhnb der Himmel gibt. Betrübet dich die Zeit/ Bekümmert dich der Krieg/ verklagt dich dein Gewissen/ Und hat dich Hertzen=Angst danieder schon gerissen/ So eile nur und sprich die Himmels=Lieder an2/ Und singe sie mit Lust/ wie Ristius gethan. Was gilts der Himmel wird dich trösten aus der Höhe/ Bekräfftigen3 dein Hertz/ damit es feste stehe Jn allemc Ungemach; Wird auch nach dieser Zeit Dich kröhnen mit dem Krantz der langen Ewigkeit.
Aus Amsteldam4
M. Phil. Caesius von Fürstenau5.
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. b jhn] B statt dessen: ihm
c allem] B statt dessen: allen
1 Vgl. 1Kor 9,25 2 sprich an] sage auf, rezitiere. Nicht bei Grimm, DWb. 3 Bekräfftigen] kräftigen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1429. 4 Amsteldam] Amsterdam 5 Vgl. o. S. 105, Anm. 11.
fol. B 2r
Pindarischer Gesang Auff das letzte Zehn der Himmlischen Lieder
Satza.
D
Er Teutschen Leyer Meister/ Der Sohn der Ewigkeit/ Die Sonne trüber Zeit/ Der Außbund1 kluger Geister Herr Rist/ der MusenFreund/ Mein Ander Jch2 erscheint Zum fünfften mahl nun wieder Und schenckt uns Himmels=Lieder. Wol Jhm daß er verlässt den Erden=Staub Und so erhebt die halberweckten Sinnen! Was hier zu sehn bleibt unbewebt von Spinnen/ Führt umb und umb ein grünes Lorbeer=Laub. |
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Gegensatz.
fol. B 2v
D
Er Rost frist Stahl und Eysen Die Zeit macht alles alt. Was ist das für Gewalt Verbleiblich3 ist zu preisen? Was noch so wol gemacht Muß in die lange Nacht. a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. 1 Außbund] Inbegriff. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 840 f. 2 Vgl. hinsichtlich der Bezeichnung des Freundes (bzw. des Ehepartners) als ‚alter ego‘ den diesbezüglichen, in der Frühen Neuzeit (nicht zuletzt in der Freundschaftsdichtung) stark nachwirkenden locus classicus bei Cicero, De amicitia 21, 80: „Ipse enim se quisque diligit, non ut aliquam a se ipse mercedem exigat caritatis suae, sed quod per se quisque sibi carus est; quod nisi idem in amicitiam transferetur, verus amicus numquam reperietur: est enim is qui est tamquam alter idem.“ Vgl. zur Rezeption dieser antiken Tradition in der Barockzeit Wilms sowie van Ingen. 3 Verbleiblich] bleibend. Nicht bei Grimm, DWb.
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Pindarischer Gesang
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Es können keine Sachen Des schwartzen Grabes lachen/ Als solche nur die eine kluge Hand Und sonderlich ein’ Himmels=Feder pflantzet: Denn diese sind vor Macht der Zeit verschantzet 4 Und jener Zeit/ die Ewig/ zuerkant.
Nach=Satz. 25
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W
As nun Himlische Gemüther Gottergebne Hertzen seyn/ Werden als ein Gut der Güter Jn jhr Hertze fassen ein Diese Göttliche Gedancken/ So uns führen aus demb Schrancken5 Welt=gemeiner 6 Eytelkeit: Werden höchlich lieben Den/ der sie geschrieben/
Der ein Liecht ist unsrer Zeit.
Welchem dieses zu Liebe und Ehren aus Revell7 zufertigte
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Sein Treuverbundener
Theobald Grummer8.
b dem] B statt dessen: den 4 verschantzet] geschützt. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1058. 5 Schrancken] Kampf, Wettstreit. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1637. 6 Welt=gemeiner] der ganzen Welt zugehöriger. Zu ‚gemein‘ vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3170 f. 7 Revell] Reval 8 Vgl. o. S. 22, Anm. 9.
An die beyde treffliche und sehr erleuchtete Singer
Herrn Johann: Rist und 1
Herrn Johann: Schop / über Jhre
Himlische Lieder a. I.
H
fol. B 3r
Jnweg/ verkriechet euch jhr arme Pierinnen2/ Hie sind sie die euch recht zur Schule führen künnen/ | Nun ist es mit dir aus du kalter Helicon3:b Nur lauter Finsterniß’ ist deine liechte Sonn: Dein Leben ist der Todt. Zu diesen letzten Zeiten Da findet sich nun erst wer Meister ist der Seiten Und Fürst der Poesie. Herr Rist und Schop sind es/ Nicht c Orpheus 4/ Pindarus5/ nicht Esclepiades 6/ Nicht Stella 7/ Thamyraß8/ nicht Linus9 noch Menander10/ Nicht der Theocritus11/ Anacreon12d Terpander e,13/ a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. b :] Fehlt B c Nicht] Gemäß B emendiert aus: Ni cht d ] Gemäß B emendierend ergänzt e Terpander] Emendiert aus: Terxander Erratum auch in B 1 Vgl. o. S. 14, Anm. 4. 2 Pierinnen] Gemeint sind die Musen, zu deren bevorzugten Aufenthaltsorten Piërien, das Gebiet am Olymp, gehört. 3 Vgl. o. S. 282, Anm. 1. 4 Vgl. o. S. 91, Anm. 3. 5 Vgl. o. S. 91, Anm. 6. 6 Esclepiades] Asklepiades von Samos (4. Jh. v. Chr.), griechisch-antiker Epigrammdichter der jonisch-alexandrinischen Schule. 7 Stella] Lucius Arruntius Stella (Ende des 1./Anfang des 2. Jh.s n. Chr.), römischer Liebesdichter. 8 Thamyraß] Thamyras bzw. Thamyris, ein von Homer erwähnter Sänger aus Thrakien. 9 Linus] Linos, eine Musikergestalt der griechischen Mythologie, gilt als Sohn des Apollon bzw. der Muse Urania. 10 Menander] Menandros (342/341–293/292 v. Chr.), griechisch-antiker Komödiendichter. 11 Theocritus] Theokritos (3. Jh. v. Chr.) stammte aus Syrakus und ist der bedeutendste bukolische Dichter des Hellenismus. 12 Anacreon] Anakreon (6. Jh. v. Chr.) ist ein Lyriker aus der jonischen Stadt Teos und wirkte u.a. auf Samos und in Athen. 13 Terpander] Terpandros († spätestens 640 v. Chr.), griechisch-antiker Musiker und Dichter, galt in der Antike als Renovator der Musik, als Reformator der Metrik sowie als erster Organisator der Musik in Sparta.
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An die beyde Singer
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Auch der Eumolpus14 nicht/ nicht Aristopenus15 Nicht Jopas16 und seyn Sohn/ nicht der Ovidius17/ Schnee/ Hagel/ Frost und Eyß ist jhre Kunst und schreiben Doch darff man jhnen nicht auff gut Bereden18 gläuben Wie da von Nöhten ist/ wo etwan19 lauter20 Dunst Also erhoben wird/ als wär’ es grosse Kunst: Die Wercke zeugen hier. Mein21/ hör’ erst diese Lieder/ Denn komm;f Apollo22 selbst und sage mir was wieder/ Der spricht: Dieweil23 mein Hertz durch sie ist gar entflamt/ So wird der Heyden Kunst auch von mir selbst verdamt.
f ;] B statt dessen: : 14 Eumolpus] Eumolpos gilt in der griechischen Mythologie als Mitbegründer der eleusinischen Mysterien und als Repräsentant der dort wirkenden Vorsänger. 15 Aristopenus] Aristophanes (* wohl vor 445 v. Chr.), der bedeutendste Dichter der alten und mittleren griechisch-antiken Komödie. 16 Jopas] Sängergestalt in der Aeneis. Vgl. Vergil, Aeneis 1, 740–746. 17 Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. bis 18 n. Chr.), römischer Dichter. 18 auff gut Bereden] aufgrund ihrer Überzeugungsversuche. Vgl. zu ‚bereden‘ Grimm, DWb 1, Sp. 1493. 19 etwan] etwa. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1182. 20 lauter] bloßer. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 21 Mein] Zu ‚mein‘ als Anrede vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1919. 22 Vgl. o. S. 282, Anm. 4. 23 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146.
382
Das Fünffte und letzte Zehn
II.
O
Teutschland dancke Gott für solche grosse Gaben Damit diß wehrte Buch jetzt deine Seel’ erlaben1 Und sehr ergetzen kan. Denn diese neue Lieder Die schlagen Teuffel/ Todt mit aller Macht danieder. Die Herren/ Rist vnd Schop/ die beyde hohe Geister/ Die Adler jhrer Kunst sind dieses Werckes Meister/ Doch Gott hat selbst durch sie bey dieser Krieges=Ruthe Dieselben auffgesetzt2 der Christenheit zu gute. Erquickt uns dergestalt auch unser Gott auff Erden/ Was wil denn dermahl eins dort in dem Himmel werden: a Da man die Musica und das gewündschte lieben Mit höchster Seelen=Freud’ in Ewigkeit wird üben.
a :] B statt dessen: ? 1 erlaben] erfrischen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 886. 2 auffgesetzt] eingesetzt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 737.
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An die beyde Singer
383
III.
An den weitberühmten und der Music hocher= fahrnen Herrn Johann:a Schop1.
O
5
10
Wol gethan Herr Schop/ daß jhr so süsse Weisen Auff diese Lieder setzt/ die Gottes Thaten preisen/ | Das heist sein Edle Kunst also geleget an Wie es erbaulich ist und den erfreuen kan Der sie gegeben hat. Herr Rist das Häupt der Singer Und Jhr der Music Kron/ jhr Printz der Seitenzwinger2 Fügt eure hohe Kunst/ die ohne das verwandt Wie allen Weisen ist mehr als zub wol bekandt Jn dieses gülden Buch so wunderschön zusammen Daß sie zu Gottes Lob’ auch nichts als lauter Flammen/ Jm Hertzen bläset an. So lang das Christenthum Hie seinen Heyland lobt/ bleibt euer beyder Ruhm.
JOHANNES TANCKMARUS3.
a Johann:] B statt dessen: Johann b mehr als zu] B statt dessen: ja mehr als 1 Vgl. o. S. 14, Anm. 4. S. 281, Anm. 14.
2 Seitenzwinger] Musiker. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1671. 3 Vgl. o.
fol. B 3v
SONNET Po u r a G ra t u l e r m o n b i e n a i m é
Monsieur RIST, compositeur b des chansons spirituelles c.
L
’ esprit grand & subtil, qui vous y fait priser Par chansons nostre dieu, vous met fort d favorable Au rang de ceux, qui sont e d’un renom si durable Que ni f l’envie du temps, ni g la mort peut briser. Un autre terrené h, soushaite i eterniser Par Vanité j son nom, en dressant ses pensé es A’l’or k argent, amour, & Dames rennomées l: Mais il se trompe, car quî vent favoriser Ce que perit, il pert le nom avec les choses, Qui durent, ainsiq’enm l’hyver les belles roses. O qu’avez n choisi le melieur suiect
a Po u r ] B statt dessen: Pa u r (Erratum) b compositeur] Emendiert aus: compositetur Erratum auch in B c Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. d fort] B statt dessen: for (Erratum) e sont] Emendiert aus: sout Erratum auch in B f ni] Emendiert aus: in Erratum auch in B g ni] Emendiert aus: in Erratum auch in B h terrené] B statt dessen: terrenè (Erratum) i soushaite] B statt dessen: sous haite j Vanité] Emendiert aus: Vanitè Erratum auch in B k A’l’or] B statt dessen: Al’or (Apostroph als kopfstehende Type) (Erratum) l rennomées] B statt dessen: rennomè es (Erratum) m ainsiq’en] B statt dessen: ainsiq en (Erratum) n qu’avez] B statt dessen: pu avez (Erratum)
5
10
Sonnet
385
Mon vray o amy; dont l’on ap bon droict vous y donne (Pourveu queq vous voulez) du laurier la couronne Que contre le Mocqueur sera un bon brevet. 15
Fa i t e n R o s to c p a r s o n t re s h u m b l e & t re s f i d e l e r Va l e t .
Gerard Scepler de Nieburg1. |
o vray] Emendiert aus: oray Erratum auch in B p l’on a] B statt dessen: l’ova (Erratum) q Pourveu que] Emendiert aus: Pourvenque Erratum auch in B r t re s f i d e l e ] B statt dessen: t re f s i d e l e (Erratum) 1 Gerhard Schepeler (1615–1674) stammte aus Nienburg/Weser, studierte in Rostock, sodann in den Niederlanden (in Groningen, Franeker, Leiden und Utrecht), sodann in Frankreich (Lyon, Paris, Orléans und Angers), kehrte 1642 nach Rostock zurück und wurde 1643 ebd. zum Dr. iur. promoviert. Sodann Eheschließung in Hamburg mit Anna Grave, die aus Osnabrück stammte. 1645 Übersiedelung nach Osnabrück, 1647 Ratsherr ebd., kurz danach Wahl zum Bürgermeister (bis 1656). Seit 1660 kaiserlicher Pfalzgraf, seit 1661 fürstlicher Kanzlei- und Regierungsrat Ernst Augusts I. von Braunschweig-Lüneburg. Vgl. Eggers.
fol. B 4r
An eben denselben weitberühmten Herrn Rist/ Uber seine
Himlische Liedera.b
W
As jrrdisch ist gesinnt/ hat jrrdische Gedancken1 Und schreitet offtmals aus demc keusch erbautend Schrancken2 Der wahren Erbarkeit/ daß man die Rede macht: Auffschneiden ist bey jhm der allerbeste Pracht 3. Wie nun die Erde selbst 4 und Lügen nicht bestehene,5 So muß auch dessen Lob mit Schanden untergehen Der geistlich scheint zu seyn/ und gleichwol schreiben wil/ Wie dort Satyrisch=grob der Frantsche Theophil 6. Wer aber seinen Geist den Wolcken überhebetf,7/ Und nach dem Himlischen mit gantzem Hertzen strebet8 Der preist aus Gottes Geist/ Gott Vater9 sampt demg Sohn Wofür er überkompt10 ein ewigs Lob zu Lohn. Darumb sol billich11 nun Herr h Risten Name sitzen Weit von der Erden=Thal’ auff i hohen Himmels Spitzen/ Wo vieler Mißgunst und des Neiders falsche Hand Jhn nicht berühren wird/ biß er der Welt bekandt. Jhr aber die jhr sitzt und köndt euch hoch erfreuen Aus der Arcadien und andern j Schäffereyen
a Dieser Text rangiert in C unter den Widmungsgedichten an dritter Stelle. b An eben denselben Himlische Lieder.] Fehlt C c dem] B, C statt dessen: den d keusch erbauten] C statt dessen: wolerbauten e C zusätzlich: : f den Wolcken überhebet] C statt dessen: weit über Wolcken hebet g dem] B statt dessen: den h Herr] C statt dessen: Herrn i auff] Gemäß B emendiert aus: aus C statt dessen: anß (Erratum) j andern] C statt dessen: anderen (Erratum) 1 Vgl. Phil 3,19 2 aus dem Schrancken] aus der Schranke. Zu ‚Schranken‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1637. 3 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 4 Vgl. Mt 24,35 5 Prv 12,19 6 Frantsche Theophil] Théophile de Viau (1590–1626), gebürtiger Protestant, französischer Schriftsteller, Libertin, verfaßte u. a. Verssatiren und Dramen. 1622 Konversion zum Katholizismus, 1625 Ausweisung aus Paris. Vgl. Meyer-Minnemann. 7 den Wolcken überhebet] über die Wolken erhebt. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 309. 8 Kol 3,2 9 Vgl. Lk 10,21 10 überkompt] erhält. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 345. 11 billich] mit Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29.
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387
An eben denselben weitberühmten Herrn Rist
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Zu singen Buhler=weiß k,12 vom Lieben ein Gedicht Last l fahren Finsterniß und schaut diß schöne Liecht. Denn/ habt jhr gleich das Gifft der Liebe bey dem Hertzen Und wolt des Wesens loß/ Jch sag ohn alles m Schertzenn Kompt her/ nehmt dieses Buch/ singt einen Lobgesang/ Die Liebe thut alsdenn euch keinen grossen Drang13/ Und die eucho Tag und Nacht viel Sorg’ p und Schmertzen plagen Singt hier ein himlisch Lied/ das wird eur Leid verjagen/ Damit jhr sorgen=frey/ köndt rühmen/ daß Herr Rist Ein himlischer Poet’ und Sorgen=wender14 ist.
JOHANNES RISTIUS
30
q
Pe r A n a g ra m m a t i s m u m
IS IN HISNE UT ROSA?
r
DIc mihi qui RISTI legis haec, IS IN HISNE videtur UT ROSA spirando spargere mentis opus?
35
s
Sic de spiritualibus Domini RISTII scribebat i n a l m a a d Va r n u m . 15 t G E R A RT S C E P L E R , Ne o b u r g ô H o i e n s i s . |
k Buhler=weiß] C statt dessen: buhlerisch l Last] Gemäß B, C emendiert aus: Läst m Jch sag ohn alles] C statt dessen: so sag’ Jch ohne n C zusätzlich: : o die euch] C statt dessen: die/ so p viel Sorg’] Gemäß B, C emendiert aus: vielSorg’ q B zusätzlich: , r Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. s D o m i n i ] B statt dessen: D n. t JOHANNES H o i e n s i s ] C statt dessen: Seinem hochgeehrten Herren Schwager und vielvertrautem Brüderlichen Freunde schrieb dieses zu sonderbahren Ehren Gerhart Schepler/ Beider Rechte Doctor 12 Buhler=weiß] verliebt. Nicht bei Grimm, DWb. Zu ‚buhlerisch‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 505. 13 tut alsdenn euch keinen grossen Drang] reizt euch nicht mehr. Zu ‚Drang‘ vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1333. 14 Sorgen=wender] Sorgentröster. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1790. 15 Vgl. o. S. 385, Anm. 1.
fol. B 4v
An den Edlen und Hochgelahrten Poeten Herrn Johann: Rist/ Uber seine
Himlische Lieder . a
A
Ls Phoebus1 sampt dem Chor der Musen2 war gewillet Den grossen RISTIUS mit Pindus3 angefüllet Zusampt 4 denb Gratien5 die allerhöchste Ehr’ Aus Lieb’ und Pflicht zu thun/ und damals ohngefehr Jhn/ seinen liebsten Freund/ die Lauten hörte schlagen/ Da ward er so bestürtzt/ daß er nicht dorffte wagen Zu treten nah’ hinan. Ach/ ach Calliope6 Rieff er/ den Krantz hinweg/ damit jhn niemand seh’/ Hie hör’ ich Wunder=Ding/ er ist umbsonst gemachet/ Bald weg/ wir werden sonst von jederman verlachet Der diese Thorheit sichtc,7. Ach! d wo ist unser Zier? Wo Pimplisch8 Feur und Naß? Was thut sich hie herfür Da ich kaum Schüler bin/ jhr schwerlich Schülerinnen? Das ist ja gar zu viel/ das Teutsche so beginnen Voraus der Edler Rist/ mit Heiligkeit umbringt Die jhn so dürstig hört und doch auch mit jhm singt. O Liebligkeit! O Pracht die wir mit Augen schauen.
a Dieses Widmungsgedicht fehlt in C. b den] Gemäß B emendiert aus: dem dessen: siht d !] Fehlt B
c sicht] B statt
1 Vgl. o. S. 275, Anm. 4. 2 Vgl. o. S. 275, Anm. 9. 3 Pindus] Eine Apollo und den Musen gewidmete Gebirgskette, beginnend südlich des Zygos-Passes und westlich von Thessalia endend. Im Blick ist in vorliegendem Gedicht freilich der gleichnamige, ebenfalls den Musen geheiligte Bach am Helikon bzw. dessen Wasser. 4 Zusampt] mitsamt. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 782. 5 Die drei Grazien (griech. Charites) Aglaia, Euphrosyne und Thalia sind in der griechischen Mythologie Segen spendende Göttinnen. 6 Calliope] Kalliope, die prominenteste der neun Musen, gilt als Erfinderin der Dichtkunst sowie als Patronin der Rhetorik und wird häufig mit Lorbeerkränzen dargestellt. 7 sicht] sieht. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 129. 8 Pimplisch] Der ‚Pimplerbrunnen‘ ist eine den Musen heilige Quelle nahe dem Ort Pimpla in Mazedonien, von dem der Beiname der Musen ‚pimpleae‘ herrührt. Der Name wurde später auf die Quelle beim böotischen Helikon übertragen.
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An den Edlen und Hochgelahrten Poeten
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Wer wil hinfort doch nu auff unsern Bergen bauen/ Jch riech’ e Aonien9/ Parnassus10/ Helicon11/ Cytheron12/ Thespia13 der Musen14 Freud’ und Wonn’. Was sag’ ich aber viel? Diß Liecht ist so gezieret Durch frembden Glantz/ daß mich die höchste Wundrung15 rühret Jch weis nicht wie mir ist. Hilff Gott was Flamm’ und Gluht f Brennt mir durch Marck und Bein! Wie ist doch euch zu muht’ Jhr lieben Töchterlein? Ob wir schon trefflich binden16/ So mangelt doch die Krafft dermassen zu entzünden/ Wie RIST mich angesteckt. Nun lern’ ich daß man Eyß Auch wol für Flammen hält/ wenn mans nicht besser weis. Ach nein Uranie17/ was wird man uns hie schätzen? Sein Gott wird zweiffels ohn viel besser jhn ergetzen Und zwar mit solcher Ehr/ dagegen unser Krantz Vom grünen Lorberbaum gehalten gar und gantz Ein KinderTant18 wird seyn. Jch mag jhn nur vergeben Wenn etwan19 einer kompt/ der nicht ohn’ jhn zu leben | Und sonst kein Mittel weis. Doch kompt mir dieser Sinn Daß man dem werthen Rist’ jhn abermal bring’ hin. Er muß von vns damit für andern seyn beladen/ Und nützt er gleich nicht viel/ so kan er doch nicht schaden/ Er zeuget unser Gunst. Fort/ es ist Zeit zu gehn/ Fängt RIST zu singen g an/ so ists umb uns geschehnh.
H. J. von Liechtenberg20. |
e riech’] B statt dessen: reiche (Erratum) f und Gluht] Gemäß B emendiert aus: undGluht g B zusätzlich: singen (Erratum) h geschehn] B statt dessen: geschehen (Erratum) 9 Aonien] Aonien ist ein Teil der griechischen Landschaft Böotien, in der sich der Berg Helikon, der Sitz der Musen, befindet. 10 Vgl. o. S. 281, Anm. 8. 11 Vgl. o. S. 282, Anm. 1. 12 Cytheron] In der griechischen Antike bildete das Kithairon-Gebirge die westliche Grenze zwischen Attika und Böotien. Hier wurden Dionysos, Zeus, Hera und die Nymphen verehrt. 13 Thespia] Thespeia war eine bedeutende Stadt am Fuße des Helikon. In Thespeia wurden neben Eros insbesondere die Musen verehrt. 14 Vgl. o. S. 275, Anm. 9. 15 Wundrung] Verwunderung. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1979. 16 binden] reimen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 33. 17 Uranie] Urania, eine der neun Musen, Erfinderin der Astronomie und Mutter des Linos (vgl. o. S. 380, Anm. 9). 18 KinderTant] Kinderspielzeug. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 103. 19 etwan] etwa. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1182. 20 Zu dieser Person konnten bislang keine Informationen ermittelt werden.
fol. B 5r
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Das Fünffte und letzte Zehn
I. Christlicher Gesang
391
I.
S. 1
Christlicher a Gesang/
Von demb hoch=seligen Nutze eines rech= tenc Gebets1.
J
St das nicht ein Werck der Gnaden/ daß dem Schöpffer dieser Welt/ Mit uns armen Sünden=Maden2/ Sprach zu halten3 wolgefält/ d daß er denen die er liebt/ wahre Rew und Andacht gibt/ so/ daß wenn wir wollen beten/ nur getrost hin zu jhme treten.
S. 2
2. Schaue doch mit Lust und Freuden Was für Wunder/ Nutz und Krafft Das Gebet im Creutz’ und Leyden Dem/ der Gott vertrauet/ schafft f,4 Obs hienieden5 gleich geschicht6/ Darff es dennoch bleiben nicht | Jn der argen Welt=Getümmel/ Nein/ es steiget auff gen Himmel.
a Christlicher] C statt dessen: Ein Christlicher b Von dem] C statt dessen: Welcher uns außführlich fürhält und erklähret/ den c rechten] C statt dessen: rechtschaffenen gläubigen d /] C statt dessen: ? e zu jhm] C statt dessen: für Jhn f B, C zusätzlich: : 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Johann Gerhard, Meditationes Sacrae, Meditatio 25, S. 136–143 (mit der Überschrift „De salutari precum efficacia“). Vgl. die Textsynopse u. S. 524– 529. 2 Vgl. Hiob 25,6; Ps 22,7 3 Sprach zu halten] zu reden. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 2724. 4 Vgl. Jdth 4,12 5 hienieden] hier unten. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1312. 6 geschicht] geschieht. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3838.
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I. Christlicher Gesang
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393
3. Laß dich nimmermehr verdriessen 7 Dein Gebet O frommer Christ/ Das den Himmel kan auffschliessen Wenn er gleich verriegelt ist/ Beten ist alsdenn ein Schild 8 Wenn der Satan rauh und wild | Embsig ist dir alle Stunden Leib und Seele zu verwunden9. 4. Christus selbst pflag10 offt zu beten Gleichwol vor sich selber nicht/ Nur daß wir auch solten treten Vor des Vaters Angesicht/ Christus zeigt’ uns in der Zeit Des Gebetes Nutzbarkeit11,12/ Wie dadurch so bald die Frommen Für den Thron des Himmels kommen. 5. Wer bey dieser Zeit wil klimmen Jn die Höhe/ daß er frey Für des Teuffels List und Grimmen Sampt der Menschen Bößheit g sey/ Wer sein Leben sonder h,13 Schwerdt Zu beschützen stets i begehrt/ Ey der muß vor allen Dingen Sein Gebet gen Himmel schwingen. 6. Wenn wir sehr geplaget werden Sollen wir allein zu Gott Hertzlich ruffen von der Erden14/
g Bößheit] B statt dessen: Boßheit h sonder] C statt dessen: ohn’ ein i stets] C statt dessen: auch 7 Laß dich nimmermehr verdriessen] Zum reflexiven Gebrauch von ‚verdrießen‘ vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 247. 8 Eph 6,16 9 Vgl. Eph 6,11; 1Petr 5,8 10 pflag] pflegte. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1745. 11 Nutzbarkeit] Nutzen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1021. 12 Vgl. Mt 6,5–13 13 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 14 Vgl. Ps 3,5
S. 3
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S. 4
Das Fünffte und letzte Zehn
Dieses ist ein solcher Bot’/ Als an Treu’ und Redligkeit Nicht zu finden weit und breit/ | Weil er alles wol verrichtet/ Ja uns Gott dazu j verpflichtet. 7. Alles was wir nur begehren Wil das treue Vater=Hertz Seinen Kindern gern gewehren15/ Daß vns ja des Creutzes schmertz’ k,l/ Endlich nicht zu Boden drück’ Und die armem Seel’ erstick’ Ach er wil uns alles lassen16 Was wir ins Gebet verfassen17,18.n 8. Zweiffle nicht in deinem Leben/ Gott/ der von des Himmels Thron Uns aus Gnaden hat gegeben Seinen allerliebsten Sohn19/ Welchen Heyland/ Trost und Raht 20 Keiner docho begehret hat/ Ey der wird auch reichlich schencken Was wir Betend nur gedencken21. 9. Christus/ wenn er pflag22 zu beten/ Ward zuzeiten gantz verklärt23; Wer zu Gott kan gläubig treten/ Der erlangt/ was er begehrt 24/ Beten ist ein solches Liecht Welches durch die Wolcken bricht/ |
j Ja uns Gott dazu] C statt dessen: Und den Himmel uns k schmertz’] Apostroph als kopfstehende Type l Creutzes schmertz’] B statt dessen: Creutzes=Schmertz m die arme] C statt dessen: wol gahr die n .] C statt dessen: ! o Keiner doch] C statt dessen: Niemand schier 15 Vgl. Mt 7,7 16 lassen] gewähren. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 220. 17 verfassen] fassen, einschließen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 311. 18 Vgl. Mt 21,22 19 Joh 3,16 20 Jes 9,5 21 Mt 21,22 22 pflag] pflegte. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1745. 23 Lk 9,29 24 Vgl. Mt 7,7
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I. Christlicher Gesang
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Wenn ein Christ in tausend Plagen Schier 25 erbärmlich wil verzagen.
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S. 5
10. Ach wer kan den Glantz der Sonnen Sonder26 Furcht doch schauen an/ Wenn er nicht erstp hat gewonnen Durchs Gebet denselben Mann/ Der diß schöne Liecht gemacht?27 Beten sol man/ wenn die Nacht Schon in schwartzen Kleidern stehet/ Beten/ wenn die Sonn’ auffgehet. 11. Achq/ wie kanst du doch geniessen Gottes Gaben/ Speiß’ und Tranck/ Wenn du nicht erst lässest fliessen Aus dem Hertzen Lob und Danck? Alles kompt vom Himmel her 28 Nicht durch Menschen ungefähr 29/ Drumb so sol man auch beym Essen Des Gebetes nie vergessen. 12. Ja/ wie kanst du sicher schlaffen Wenn du nicht ersuchet30 hast Deinen Gott der dich erschaffen31/ Der dich kräfftig hält in Rast32? Bitt’ jhn daß er vor Gefahr Dich bey Tag’ undr Nacht bewahr’33 | Und sein Engel so dich schütze 34/ Daß dich Satan nicht beschmitze 35.
p nicht erst] C statt dessen: erst nicht auch bei der
q Ach] C statt dessen: Ja r bey Tag’ und] C statt dessen:
25 Schier] gar. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 26. 26 Sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 27 Vgl. Gen 1,16 28 Jak 1,17 29 ungefähr] zufällig. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 653. 30 ersuchet] aufgesucht. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1025. 31 Vgl. Ps 139,13 32 Rast] Ruhe. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 149. 33 Ps 91,5 34 Ps 91,11 f. 35 beschmitze] beschmutze. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1585.
S. 6
396
Das Fünffte und letzte Zehn
13. Wenn du dich nun bester massen Mensch’ in deines Lebens=Zeit Wilt zum Beten finden lassen36/ Solst du stündlich seyn bereit Deinen Geist zu schliessen ein Jn dein Hertzen=Kämmerlein37/ Daß die Welt dich nicht verhindre38/ Noch dein Andacht dir vermindre. 14. Gleich wie Christus selbst sein’ Augen Betend hub gen Himmel auff39/ So auch sol s dein Beten taugen40/ Must du gleich in vollem Lauff’ Aller Wollust/ Ehr’ und Pracht Gäntzlich sagen gute Nacht 41 Und dich bald mit Mund und Händen Von der Welt zum Himmel wenden.
S. 7
15. Wirst du selber t das zerstören Was dein’ Andacht ringern42 wil/ Ey so wird dich Gott erhören/ Du immittelst43 bleibeu,v still: Betet gleich nicht viel w dein Mund/ Seufftze nur aus Hertzen Grund’ | Ach man darff in Glaubens=Sachen Nicht viel Wort und Plapperns machen44.x
s auch sol] C statt dessen: sol auch t selber] C statt dessen: schließlich u Du immittelst bleibe] C statt dessen: Bleibe du nur sanft und v bleibe] Gemäß B emendiert aus: bleib= w Betet gleich nicht viel] C statt dessen: Ob gleich weinig spricht x .] C statt dessen: ! 36 finden lassen] dich einfinden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1647. 37 Vgl. Mt 6,6 38 verhindre] davon abhalte. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 569. 39 Joh 17,1 40 taugen] tauglich sein. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 196. 41 Aller Wollust sagen gute Nacht] dich von Wollust lossagen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 159 f. 42 ringern] verringern. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1008. 43 immittelst] inzwischen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 44 Mt 6,7
100
105
110
115
120
I. Christlicher Gesang
16. Wirstu nur im Glauben stehen Wenn du betest früh und spat/ | Warlich es wird dir geschehen Was dein Hertz gewündschet hat 45. Gott der gibt/ O frommer Christ’ Alles was dir nützlich ist/ Hoff’ auff jhn und sey zu frieden46/ Biß du selig bist verschieden47. |
125
45 Mt 7,7
46 Ps 116,7 47 verschieden] gestorben. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1062.
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S. 8
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Das Fünffte und letzte Zehn
II. Nothwendige Ermahnung
399
S. 7
II.
Nothwendige Ermahnung/
Zu gottseligen Wercken/ Christlichem Leben und Wandela.
MErck auff O sündigs Menschen=Kind/
Jch wil ein Liedlein singen/ Merck auff und schlag es nicht in Wind/ laß dirs ins Hertz eindringenb/ Merck auff/ jetzt ist die Gnadenzeit/ da Gott uns aus Barmhertzigkeit/ zu Kindern hat erkohren.c,1 Da sucht er nun der Sünder Heyl/ daß ja der Himmel unser d Theil2,3 und keiner sey verlohren4. | S. 9
2. O schicke dich mit gantzem Fleiß’ Allein dahin zu trachten/ Daß du des Schöpffers sein Geheiß Von Hertzen mügest achten5/ e Wir wissen daß wir alle zwar Dem HErrenf werden offenbahr/ Auff daß wir mit Verlangen/ Freud’ g oder Leyd/ Ehr’ oder Hohn/ Ja kurtz gesagt der Arbeit h Lohn Am letzten Tag’ empfangen6.
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a Nothwendige Wandel] C statt dessen: Eine Betrachtung des wahren Christenthums/ Wie nemlich dasselbe in Tödtung des Alten Adams/ und Erneüerung des inwendigen Menschen zu guhtem/ und dem allerhöhesten GOtt wolgefälligen Werken müsse bestehen b Hertz eindringen] C statt dessen: Hertze dringen c .] In der Notation des Bassus statt dessen: / d unser] C in der Notation des Cantus und im Text statt dessen: bleib’ Jhr In der Notation des Bassus statt dessen: werd’ Jhr e /] B statt dessen: ! f HErren] Gemäß C emendiert aus: HErrn Erratum auch in B g Freud’] Apostroph als kopfstehende Type h Arbeit] B statt dessen: Arbeiter (Erratum) 1 Vgl. Gal 4,4 f. 2 Theil] Erbteil. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 353. 5 Ps 40,9; 119,34 6 2Kor 5,10
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3 Vgl. Eph 1,10 f. 4 Joh 3,16
II. Nothwendige Ermahnung
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3. Ein Baum der böse Früchte trägt Wird plötzlich abgehauen 7/ Wer wolt ein Feld das Disteln hegt 8 Mit steter Arbeit bauen 9? Die Dörner wirfft man schnell ins Feur10 Was fruchtbar ist das hält man theur11/ Drumb bessre bald dein Leben/ Da fern12 du wilt daß Gott sein Reich O lieber Mensch den Engeln gleich13 Dir sol aus Gnaden geben. 4. Dein Liecht laß leuchten hell und klar Den Glauben zu bezeugeni/ Daß für demj Menschen offenbahr Was guts sich mög k ereugen14/ | Damit sie deine Wercke sehnl/ Doch daß sie heuchlisch15 nicht m geschehn/ Besondern16 zu erweisenn/ Wie du soo hertzlich liebest Gott Und sie den HErrenp Zebaoth Umb deinet willen preisen17. 5. Es werden ja nicht allzumal Die HErr und Vater sagen Bewohnen Gottes Freuden=Saal q Da nichts denn wolbehagen/ Ach nein/ des Allerhöchsten Thron Jst denen nur ein Gnaden=Lohn Die Gottes Wort und Willen i zu bezeugen] C statt dessen: zubezeigen j dem] C statt dessen: den k mög] B statt dessen: mog’ l sehn] B statt dessen: sehen (Erratum) m daß sie heuchlisch nicht] C statt dessen: nicht/ daß heüchlisch Sie n zu erweisen] C statt dessen: recht zu weisen o so] Gemäß B, C emendierend ergänzt p HErren] Gemäß C emendiert aus: HErrn Erratum auch in B q Gottes Freuden=Saal] C statt dessen: dort des Himmels Sahl/ 7 Mt 7,19 8 hegt] enthält. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 779. 9 bauen] bebauen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1172. 10 Hebr 6,8 11 hält man theur] schätzt man wert. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 299. 12 Da fern] sofern. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 673. 13 Lk 20,36 14 ereugen] offenbaren. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 699. 15 heuchlisch] heuchlerisch. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1278. 16 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 17 Mt 5,16
S. 10
402
Das Fünffte und letzte Zehn
Dieweil18 sie leben in der Zeit Durch Glauben/ Lieb und Frömmigkeit Nach Mügligkeit erfüllen19.
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6. Die Jesu Christo zugethan Jn seiner Liebe leben20/ Die klimmen21 allzeit Himmel=an22 Als die sich gantz ergeben Nur das zu thun in dieser Welt Was jhrem Schöpffer wol gefält23/ Die können auch bezwingen | Jhr üppigsr Fleisch24 damit es nicht Vergesse gar des Geistes Pflicht Was Guts zu vollenbringen.
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7. So du nun s wilt des Höchsten Reich Nach dieser Zeit ererben25/ So lebe nicht dent Menschen gleich Die stets in Sünden sterben26/ Die Welt ist ja des Teuffels Braut27 Mit der er listig sich vertraut28/ Die herrschen beyd’ auff Erden/ Du hüte dich vor jhrem Schein’ Und suche Gottes Kind allein’ Auff folgend Art zu werden.u
65
8.
„Erneuen29 must du dein Gemüht’30 „Und deinenv Adam tödten31 „Drauff tröste dich mit Gottes Güt’32 „Jn allen deinen Nöthen/ r üppigs] B statt dessen: üppiges (Erratum) s nun] C statt dessen: nnn (Erratum) t den] Gemäß B, C emendiert aus: dem u .] C statt dessen: : v deinen] C statt dessen: bald den 18 Dieweil] während. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 19 Mt 7,21 20 Vgl. Joh 15,9 f. 21 klimmen] steigen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1163. 22 Himmel=an] himmelwärts. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1341. 23 Vgl. 1Joh 3,22 24 Gal 5,24 25 Mt 25,34 26 Vgl. Joh 8,24 27 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 5, Sp. 163. 28 Mit der er sich vertraut] mit der er sich vermählt hat. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1951. 29 Erneuen] erneuern. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 921. 30 Eph 4,23 31 Eph 4,22 32 Vgl. Ps 69,17
60
70
II. Nothwendige Ermahnung 75
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403
„Bekenn’ auch endlich deine Schuld33 „Und leide Christlich mit Gedult „Was dir wird auffgeleget34/ „Ob Gottes Sohn gleich tragen muß „Sein Creutzw,35/ wird er doch durch Verdruß „Zum Murren nicht bewegetx,36. | 9.y Ach frommer Gott erhalte doch Mich stets in guten Wercken37/ Du kanst in diesem z Sünden=Loch’ Allein’ O HErr mich stärcken38/ Drumb bitt’ ich dich nun allermeist Umb deine Gnad und guten Geist/ Daß der mich möge lehren39/ So kan ich bald in dieser Stund’ Allein zu dir aus Hertzen=Grund’ Jn Demuht mich bekehren. 10.a Gib mir in meiner letzten Noth Ein tapffres Hertz zu streiten Mit Sünde/ Teuffel/ Hell und Nothb/ Die mich von allen Seiten Erschrecklich werden fallen an/ Du bist es/ der mich retten kan40. HErr Jesu durch dein sterben Bin ich ja dein/ und du bist mein41/ Drumb lassest c du ind Todes Pein Mich nimmermehr verderben. |
w Sein Creutz] Gemäß B, C emendiert aus: SeinCreutz x „Erneuen beweget] In C ohne Anführungszeichen. y 9.] B statt dessen: 19. (Erratum) z diesem] B, C statt dessen: diesen a 10.] Gemäß C emendiert aus: 20. Erratum auch in B b Noth] C statt dessen: Tod c lassest] B statt dessen: lässest d lassest du in] C statt dessen: lass’ auch in der 33 Vgl. 1Joh 1,9 34 Vgl. 2Kor 1,5 35 Joh 19,17 36 Vgl. Jes 53,7 37 Vgl. Tit 3,14 38 Vgl. Ps 37,39 39 Vgl. Eph 1,17 40 Ps 40,18; vgl. Gal 1,4 41 Hld 2,16; vgl. 2Kor 5,15
S. 12
404
Das Fünffte und letzte Zehn
III.
S. 13
Gottseligea Betrachtung/
Wie ein rechtschaffener Christ b sich selber müsse
hassen/ verleugnen/ und sich Gott dem höhesten Gu= te c allein gelassend,1,2.
W
5
10
15
Er Christum recht wil lieben/ muß selbst verleugnen sich3/ Vnd gäntzlich von sich schieben/ der alten Schlangen Stich4/ Jch meyne solche Lust/ in der wir uns gefallen/ wie Adams Kindern allen/ dieselb ist wol bewust. 2. Wer sich nicht selbst wil hassen5 Und e seiner Wercke schein/ Kan Christum nimmer fassen Noch auch sein Diener seyn; Denn wer in Gottes Hauß Mit gantzer Macht wil dringen/ Der muß vor allen Dingen/ Die Hoffart treiben auß6. | 3. Wie nicht zur Frucht kan werden Das edle Weitzen=Korn/
a Gottselige] C statt dessen: Eine Gottselige b Wie ein rechtschaffener Christ] C statt dessen: Welcher Gestalt ein jedweder Mensch/ der ein rechtschaffener Christ sein wil/ c C zusätzlich: gantz und gahr d C zusätzlich: und ergeben e Und] C statt dessen: Samt 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Johann Gerhard, Meditationes Sacrae, Meditatio 31, S. 170–174 (mit der Überschrift „De sui abnegatione“). Vgl. die Textsynopse u. S. 530–535. 2 sich gelassen] sich vertrauend hingeben. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2864. 3 Vgl. Mt 16,24 4 Vgl. Gen 3,1–6 5 Vgl. Joh 12,25 f. 6 Vgl. Prv 8,13
S. 14
406
Das Fünffte und letzte Zehn
Es sey denn in der Erden Durch faulen schier 7 verlohrn8; So wil der höchste Gott Auch keinem nicht erscheinen/ Biß er durch kläglichs weinen Sich selber wird f zum Spott.
S. 15
20
4.g Geh’ aus von deinem Lande Sprach Gott zu Abraham9: | O Mensch’ in diesem Stande Spring’ h aus dem Sünden=Schlam’/ Ach denck’ jetzt i wer du bist Und wie du Gott betrübest Wo du dich selber liebest? Fürwar kein rechter Christ.
25
30
5. Gleich wie es nie geschehen Daß einer hat zugleich Gen Himmel auffgesehen Und nach der Erden=Reich; So kans auch gar nicht seyn/ Sich neben Gott zu setzen Und dem sich gleich zu schätzen j Gott wil die Ehr’ allein10.
35
40
6. Das höchste Gut im Leben Dem Menschen zugewand11 Daß Gott uns hat gegeben Jst Liebe nur genandt/ Diß höchste Gut ist Gott12/ Dem solt du dich zu k kehren Allein’ jhnl zu verehren Und nicht des Satans Rott.
45
f Sich selber wird] C statt dessen: Wird aller Welt g 4.] B statt dessen: 9. h Spring’] C statt dessen: Kriech’ i denck’ jetzt] C statt dessen: denke j B zusätzlich: . k Dem solt du dich zu] C statt dessen: Zu dem solst Du dich l Allein’ jhn] C statt dessen: Jhn hertzlich 7 schier] gar. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 26. 8 Joh 12,24; 1Kor 15,36 9 Gen 12,1 11 zugewand] zugeeignet. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 905. 12 Vgl. 1Joh 4,8
10 Dtn 32,3
III. Gottselige Betrachtung
50
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407
7. Was du von Hertzenm meynest13 Jst dir an Gottes statt/ | Wenn du es n gleich verneinest/ So zeugt14 es doch die That15/ Der/ so sich liebt zu sehr/ Darff 16 über Gott sich heben Dem Schöpffer widerstreben Und rauben jhm sein’ Ehr’.
S. 16
8. Jst Gott/ wie wir bekennen Der Anfang und das Ziel17 Daß A und O zu nennen18/ Was zweiffleno wir denn viel Leib/ Leben/ Hertz und Muht Allein’ jhm zuzuwenden/p Denn er wil vns ja senden Sich selbst19/ das höchste Gut. 9. Laß dich die Lieb’ entzünden Nicht die vergänglich ist Als die/ soq leicht zu finden Jm faulen Sünden=Mist/ Ach nein/ diß r Ungeheur Sol s alle Welt verfluchen/ Wir Christen wollen suchen Ein besser Liebes=Feur. 10. Daß Feur bleibt nicht auff Erden Es schwinget sich hinauff. | Und wil erhöhet werden Durch seinen schnellen Lauff; m Was du von Hertzen] C statt dessen: Es heist: was Du recht n es] C statt dessen: das o zweifflen] C statt dessen: harren p /] B, C statt dessen: ? q die/ so] C statt dessen: welche r diß] B statt dessen: das s Sol] B statt dessen: So (Erratum) 13 meynest] liebst. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1930. 14 zeugt] bezeugt. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 851. 15 Vgl. Mt 7,20 16 Darff] muß. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725. 17 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 18 Jes 41,4; 44,6; Apk 1,8; 22,13 19 Vgl. 1Joh 4,14
S. 17
408
Das Fünffte und letzte Zehn
Der Liebe Feur in dir Das sol t vor allen dingen Sich in den Himmel schwingen Mit himlischer Begier.
80
11. Noch20 wil ich ferner lehren Wie der/ so Christum liebt Sich gar nicht sol verehren21/ Als der jhm selber gibt Was Gott’ allein gebührt 22/ Wer dessen Lob nicht suchet/ Derselb’ ist gantz verfluchet Der Hellen zugeführtu.
85
12. Die schöne Leibes Gaben Verstand/ Glückv/ Ehr’ und Geld Sampt allem was wir haben Hat Gott uns zugestellt 23/ Weil diese Brünnelein Nun sich aus jhn’ w ergiessen/ So müssen sie auch fliessen Zum selben Meer hinein.
S. 18
90
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13. Gleich wie der Sonnen Strahlen Wennx sie mit vollem Lauff’ | Ein gantzes Land bemahlen Viel Blümlein schliessen auff/ Die wiedrumb sucheny sehr Die Sonn’ ans Himmelsz enden; So solt dua alles wenden Zu Gottes Preiß’ und Ehr’.
100
t Das sol] C statt dessen: Sol auch u Der Hellen zugeführt] C statt dessen: Wird hin zur Pein geführt v Verstand/ Glück] C statt dessen: Auch Glük/ Witz w jhn’] B, C statt dessen: ihm x Wenn] Gemäß B, C emendiert aus: Wer y wiedrumb suchen] C statt dessen: suchen wiedrüm z ans Himmels] C statt dessen: an allen a solt du] C statt dessen: muß man 20 Noch] außerdem. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 869. 23 Vgl. Jak 1,17
21 Vgl. Mt 16,24
22 Vgl. Dtn 32,3
III. Gottselige Betrachtung
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409
14. Als jenner König lobte Die Babel seine Macht Und gleich für Freuden tobte Voll Hoffart/ Stoltz und Pracht 24/ Da ward er toll und wild25/ Das heist/ sich selber lieben/ Diß ist O Mensch geschrieben Der Welt zum klaren Bild. 15. Ach stelle deinen Willen Nach Gottes Willen an26/ Der deine Bitt’ erfüllen27 Und dich erhöhen kan28/ Doch zeug’29 es mit der That: „Dein Fleisch must du bezwingenb,30/ „Dennc wirst du vollenbringen „Was Gott befohlen hat. |
b Dein Fleisch must du bezwingen] C statt dessen: Kanst Du Dich selber zwingen statt dessen: So
c Denn] C
24 Dan 4,26 f. 25 Dan 4,28–30 26 stelle deinen Willen Nach Gottes Willen an] ordne deinen Willen Gottes Willen unter. Nicht bei Grimm, DWb. 27 Mt 7,7 28 Vgl. Ps 113,7; Lk 1,52 29 zeug’] bezeuge. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 851. 30 Gal 5,24
410
Das Fünffte und letzte Zehn
IV. Ein Loblied
411
IV.
S. 19
Ein LobLied/
Von der hertzlichen Liebe und denena unauß= sprechlichen Wolthaten unsers HErrn und b Heylandesc Jesu Christid,1.
J
Esu du mein liebstes Leben2/ meiner Seelen Bräutigam3/ Der du diche vor mich gegeben/ an des bittern Creutzesstamm4/ JEsu meine Freud und Wonne 5/ all f mein Hoffnung/ Schatz undg Theil6/ mein Erlösung 7/ Schmuck und Heyl/ Hirt8 und König/ Liecht 9 und Sonne10/ ach wie sol ich würdiglich/ mein HERR JEsu preisen dich.h
S. 20
2. O du allerschönstes i Wesen11 O du Glantz der Herrligkeit12 Von dem Vater außerlesen Zum Erlöser in der Zeit13/ | Ach ich weis/ daß ich auff Erden/ Der ich bin ein schnöder Knecht14/ Heilig/ selig und gerecht
a denen] Fehlt C b HErrn und] C statt dessen: allerliebsten c C zusätzlich: und Seligmachers d C zusätzlich: an uns armen und elenden Menschen bewiesen e dich] C statt dessen: bist f all] C statt dessen: Du C in der Notation des Cantus und Bassus statt dessen: all g und] B in der Notation des Bassus statt dessen: nnd (Erratum) h .] B in der Notation des Bassus: ? Ebenso C i allerschönstes] C statt dessen: Wunderschönes 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Arndt, Paradiesgärtlein V, 9, S. 347–349 (mit der Überschrift „Ein Lob vnsers HErrn JEsu Christi/ wegen seiner Liebe vnd Wolthaten.“). Vgl. die Textsynopse u. S. 536–539. 2 Joh 11,25 3 Mt 9,15 4 Gal 1,4 5 Ps 43,4 6 Theil] Erbteil. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 353. 7 Vgl. 1Kor 1,30 8 Joh 10,12 9 Joh 8,12 10 Apk 21,23 11 Ps 45,3 12 Hebr 1,3 13 Vgl. 1Joh 4,14 14 Lk 17,10
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IV. Ein Loblied
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Sonder15 dich kan nimmer werden16/ HErr’ ich bleib’ ein böser Christ Wo dein Hand nicht mit mir ist. 3. Ey so komm du Trost der Heyden17/ Komm mein Liebster/ starckej,18 mich/ | Komm’/ erquicke mich mit Freuden Komm’ und hilff mir gnädiglich/ Eile bald/ mich zu erleuchten/ Gott/ mein Hertz’ ist schon bereit19/ Komm mit deiner Süssigkeit Leib und Seel mir k zu befeuchten/ Komm dul klares Sonnen=Liecht20/ Daß ich ja verirre21 nicht. 4. Komm mein Liebster/ laß mich schauen Wie du bist so wol gestalt 22,23 Schöner als die schönste Frauen Allzeit lieblich/ nimmer alt/ Komm du Auffenthalt der Siechen24/ Komm du liechter Gnaden=Schein/ Komm du lieblichs m Blümelein/ Laß mich deinen Balsam riechen/ Du mein Leben25 komm heran/ Daß ich dein geniessen kan. 5. Ach wie wird dein freundlichsn blicken Allerliebster Seelen=Schatz Meinen Geist in mir erquicken Und jhn führen auff den Platz/
j starcke] B, C statt dessen: stärcke k Seel mir] C statt dessen: Seele l du] C statt dessen: O m lieblichs] B statt dessen: liechtes C statt dessen: süsses n freundlichs] B statt dessen: freundliches (Erratum) 15 Sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 16 Vgl. Joh 14,6 17 Hag 2,8 18 starcke] stärke. Vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 896. 19 Ps 57,8 20 Apk 21,23 21 verirre] irregehe. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 597. 22 wol gestalt] schön. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1152. 23 Vgl. Ps 45,3 24 Siechen] Kranken. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 846. 25 Joh 11,25
S. 21
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S. 22
S. 23
Das Fünffte und letzte Zehn
Da er solche Lust empfindet Die nicht zu vergleichen ist/ Deine Lieb’ HErr Jesu Christ’ | Jst es/ die mich gar entzündet Dieo mein Hertz zu Tag und Nacht Auch im p Leidenq freudig macht.
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6. Schaff’ in mir noch hier auff Erden Daß ich wier ein Bäumlein fest Dir mög eingepflantzet werden26/ Diesen Schatz halt’ ich fürs best’ Auch viel höher als Rubinen/ Theurer als den güldnen Sand/ Schöner als den Diamant Die zur blossen Hoffart dienen/ Besser als der Perlen Schein Wenn sie noch so köstlich27 seyn.
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7. O du Paradyß der Freuden Das mein Geist mit Schmertzen sucht s/ O du starcker Trost im Leiden28 O du frische Lebens=Frucht t O du Himmel=süsser u Bissen Wie bekompstu mir so wol/ Ja mein liebster Schatz der sol Mich in höchster Wollust küssen29 Gib mir deinen zarthen Mund/ Denn so wird mein Hertz gesund v. |
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8. HErr’/ ich bitte dich/ erzeige Daß du reden wilt in mir
o Die] C statt dessen: Ja p im] B statt dessen: in q im Leiden] C statt dessen: in Trübsahl r wie] C statt dessen: alß s Schmertzen sucht] Gemäß B, C emendiert aus: Schmertzensucht t B, C zusätzlich: ! u Himmel=süsser] Gemäß B emendiert aus: Himmel=süsses Erratum auch in C v Hertz gesund] Gemäß B, C emendiert aus: Hertzgesund 26 Vgl. Kol 2,7 27 köstlich] kostbar. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1876. Hld 1,2
28 Ps 73,26
29 Vgl.
IV. Ein Loblied
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Und die Welt gantz in mir w schweige/ Treibe deinen Glantz herfür/ Daß ich bald zu dir mich kehre Und dein Wort der edle Schatz30 Find in meinem Hertzen Platz Daßx mich deine Warheit lehre31/ Daß ich Sünd’ und Laster=frey Dir mein Gott gefällig sey. 9. Lieblich sind dein’ edle Hütten32 Schön von Gnad’ und Himmels=Gunst/ Da du pflegest außzuschütten Deiner süssen Liebe Brunsty,33/ Meiner Seelenz Gotta verlanget Daß sie frölich möge stehn Und mit klaren Augen sehn Wie dein’ hohe Wohnung prangetb,34/ Leib und Seel’ erfreuen sich HErr in dir gantz inniglich35. 10. Wol den Menschen die da lobenc Deine Wolthat jmmerdar Und durch deinen Schutz von oben Sich beschirmen36 vor Gefahr | Die dich heissen37 jhre Stärcke/ Died jhr Leben in der Ruh’ Und der Tugend bringen zu/ Daß man rühmet jhre Wercke/ Christen die alsoe gethan Treten frey dief Himmels=Bahn38,39. w die Welt gantz in mir] C statt dessen: Jch mit der Welt gantz x Daß] C statt dessen: Der (Erratum) y Liebe Brunst] B statt dessen: Liebe=Brunst (Erratum) z C zusätzlich: / a C zusätzlich: / b Wohnung pranget] B statt dessen: Wohnnng prangen (Erratum) c loben] C statt dessen: leben (Erratum) d Die] C statt dessen: Welch’ e also] C statt dessen: nur so f die] C statt dessen: des 30 Vgl. 1Tim 1,15 31 Vgl. Eph 1,13 32 Sp. 439. 34 pranget] glänzt. Vgl. Grimm, beschützen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1569. 38 Treten die Himmels=Bahn] gehen DWb 22, Sp. 200, zu ‚Bahn‘ DWb 1, Sp. 1076.
Ps 84,2 33 Brunst] Glut. Vgl. Grimm, DWb 2, DWb 13, Sp. 2066. 35 Ps 84,3 36 beschirmen] 37 heissen] nennen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 909. den Weg zum Himmel. Zu ‚treten‘ vgl. Grimm, 39 Ps 84,5 f.
S. 24
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S. 25
S. 26
Das Fünffte und letzte Zehn
11. Dieses JEsu schafft dein Lieben JEsu Gottes liebster Sohn/ Das dich in die Welt getrieben Von des hohen HimmelsThron’ 40/ O wie tröstlichg ist dein Leiden/ O wie heilig ist dein Wort Das uns zeigt des Lebens Porth,41 Da wir uns in Freuden weiden42/ Wo die grossei Fürsten=Schaar Dir zu Dienst’ ist jmmerdar.
105
12. Machet weit die hohe Pforten Oeffnet Thür’ und Thor der Welt/ Wündschet Glück an allen Orten/ Sehet/ da kompt unser Held43/ Sehet/ er kompt einzuziehen Alß’ ein Ehren=König pflegt/ Wenn er seinen Feind erlegt/ | Alles Volck sol sich bemühen Hoch zu preisen unsern Gott/ Gott/ den grossen Zebaoth44.
115
13. Hoch gelobet/ hoch geehret/ Sey des HErren j teurer Nam’45 | Herrlich ist sein Reich vermehret46 Das aus Gnaden zu uns kam/ Er ist Gott/ der uns gegeben Seel’ und Leib/ auch Ehr’ und Gut/ Der durch seiner Engel Hut Schützet unser Leib und Leben47/
Dancket jhm zu aller k frist48/ Weil der HErr so freundlich ist49. |
g tröstlich] C statt dessen: köstlich h Port] C statt dessen: Pfort! i grosse] C statt dessen: grossen j HErren] Gemäß B, C emendiert aus: HErrn k zu aller] C statt dessen: zur jeden 40 1Joh 4,9 41 Port] Hafen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2003. 42 weiden] vergnügen, sättigen. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 568. 43 Gen 49,10 44 Ps 24,7–10 45 Vgl. Ps 68,5 46 vermehret] vergrößert. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 847. 47 Ps 91,11 48 zu aller frist] zu jeder Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 49 Ps 106,1
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V. Gebet zu Gott
417
V.
S. 25
Gebet zu Gott/
Daß er ja unser Hertz für dem schädlichen und schändlichem Geitz wolle bewah= rena.
O
GOtt der du geschworen hast/ die Sünder anzunehmen1/ So bald sie nur der Boßheit Last/ zu mindern2 sich nicht schämen/ Jch tret herfür/ zur Gnaden=Thür3/ mit wahrer Reu und Schmertzen/ zu bitten dich von Hertzen. | S. 27
5
2. Dir ist bekant/ wie die Natur Zum argen ist geneiget 4 Und wie sie dieses suchet nur Was jhr der Mammon zeiget/ b Das schnöde Geld Regiert die Welt5/ Die eitle Menschenc schreyen:
10
15
Nur Geld das kan erfreuen!d 3.
Ach nein/ ach nein mein frommer Christ Diß kan ja nicht bestehen/
a Gebet zu Gott bewahren] C statt dessen: Eine Betrachtung des allerschändlichsten Lasters des Geitzes: Worin zugleich gelehret wird/ welcher Gestalt ein jedweder Gottseliger Christ den allerhöhesten GOtt von Hertzen sol anruffen/ daß Er Jhn für disem Haubtlaster gnädiglich wolle bewahren b /] C statt dessen: ; c eitle Menschen] C statt dessen: Menschenkinder d !] C statt dessen: . 1 Lk 15,2 2 mindern] verringern. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2229. 3 Joh 10,9 5 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 1494.
4 Vgl. Gen 6,5
V. Gebet zu Gott
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30
419
Zwar aller Sünden Anfang ist Die Hoffart/ wie wir sehen6 Daß e Adam ward Dadurchf so hart Gestraffet und verjaget 7/ Weil Hoffart jhn geplaget. 4. Viel ärger ist des Geitzes Wust Die Mutter aller Sünden8/ Ein Mammons=Knecht kan nirgends Lust Als nur im Geld’ empfindeng/ O güldner9 Thor Du steigst empor | Daß du mit starckemh knallen Zur Hellen mügest fallen!
35
5. Der Reichthumb treibt erst aus den Schweiß10 Biß man jhn bringt zusammen/ Wenn man jhn hat/ so macht er heiß
40
Und muß er rein Verlohren seyn/ So schaffet er deni Hertzen Noch grösser Angst und Schmertzen11.
Viel Güter sind viel Flammen/
6. O Geitzhalß der du mehr auffs Gut Als auff den Schöpffer bauest12/ Der du dem Mammon deinen Muht Gott nicht den Leib vertrauest13/ j
e Daß] C statt dessen: Den f Dadurch] C statt dessen: Darum g Geld’ empfinden] C statt dessen: Gelde finden h starckem] C statt dessen: starken i den] C statt dessen: dem j /] C statt dessen: ! 6 Vgl. Gen 3,5 f. 7 Vgl. Gen 3,17–24 8 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 1455. 9 güldner] reicher. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 746. 10 treibt aus den Schweiß] läßt den Schweiß fließen. Zu ‚austreiben‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1002. 11 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 1628: „Reichthum wird mit Schweiss erworben, mit Furcht besessen und mit Schmerz verlassen.“ 12 Vgl. 1Tim 6,17 13 vertrauest] anvertraust. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1949.
S. 28
420
Das Fünffte und letzte Zehn
Du armer k Mann/ Sag’ an wie kan Der Geitz die Seel erquicken? Sie muß durch jhn ersticken14.
S. 29
45
7. Du treibest groß’ Abgötterey Wenn du dich gantz ergiebest Dem Mammon15 und bezeugest frey Daß du jhn höchlich liebest/ | Dein HErr und Gott Jst dir ein Spott 16/ Den kanst du nicht erkennen Noch hertzlich Vater nennen.
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8. Des Reichthumbs Dörner lassen nicht Den edlen Samen grünen17/ Daß du mit rechter Zuversicht Dem Höchsten köndtest dienen/ Des HErren Wort Hat keinen Ort l Daselbst m won man bißo Morgen Gequälet wird mit Sorgen18.
60
9. Die so hie samlen einen Schatz/ Sind denen gleich zu schätzen Diep jhre Saat auff solchen Platz Der gar zu feucht ist setzen/ Da wird sie bald Gantz faul und kalt19 Kein Vortheil ist zu finden;
65
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So muß dein Schatz verschwinden20.
k armer] C statt dessen: toller l Hat keinen Ort] C statt dessen: Jst nimmer dort/ m Daselbst] Fehlt C n Daselbst wo] Gemäß B emendiert aus: Daselbstwo o C zusätzlich: an den p Die] C statt dessen: Welch’ 14 Vgl. Sir 14,9 15 Mt 6,24; vgl. Kol 3,5 16 Vgl. Ps 10,3 19 kalt] tot. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 77. 20 Vgl. Mt 6,19
17 Vgl. Mt 13,22
18 Vgl. Mt 6,34
421
V. Gebet zu Gott
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90
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10. Die Seel’ ist ja zur Ewigkeit Durch Gottes Wort erschaffen21; | Was wil man denn in dieser Zeit Noch viel zusammen raffen?22 Es wird der Geist Ja nicht gespeist Mit solchen eitlen Dingen Die nichts als Schmertzen bringen23.
S. 30
11. Je stärcker man am Himmel klebt24/ Je weniger wird gelten Das Eitle so hienieden25 schwebt 26 Jn diesen Unglücks=Zelten/ Die Seel’ allein Muß Himlisch seyn/ Jaq aller Pracht27 auff Erden Muß jhr zu wider werden. 12. Ach schaue doch die Vögel an Die keinen Samen streuen/ Wie reichlich Gott sie nähren kan Wenn sie nach Speise schreyen28/ Ja nim in acht 29 Der Blumen Pracht/ Die Lilien auff dem Felde/ Was wissen die von Gelde? 30 | 13. Achr handle nicht/ wies Esau that Als der sampt allent Zinsen Sein Capital verkauffet hat
q Ja] C statt dessen: Auch r Ach] C statt dessen: Mensch sampt allen] C statt dessen: Der endlich mit den
s wie] C statt dessen: alß
S. 31
t Als der
21 Sap 2,23 22 Vgl. Mt 6,19 23 Vgl. Mt 16,26 24 klebt] hängt. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1047 f. 25 hienieden] hier unten. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1312. 26 Vgl. Kol 3,2 27 Pracht] Zu ‚Pracht‘ als Maskulinum vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 285. 28 Mt 6,26 29 nim in acht] nimm wahr. Zu ‚Acht‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 165. 30 Mt 6,28
422
Das Fünffte und letzte Zehn
Vor einen Brey von Linsen31/ O fauler Knecht Dein Himlisch Recht Wilt du das noch im Leben Für etwas Koht hingeben?
100
14. Nein liebste Seel’/ es trifft32 zu viel Es tauschen so die Thoren So bald du hast diß theure Spiel Durch deinen Geitz verlohren/ So must du fort An solchen Ort Wo grauen dich bedecket33 Und Satans Grim erschrecket.
S. 32
105
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15. So reiche nun dem Nechsten hin Was Gott dir hat geschencket/ „Barmhertzig seyn ist Christus Sinn34/ „Der nur an die gedencket/ „Die Glaubens voll „Jhm trauen wol | „Hienegst35 sich auch der Armen „Jn jhrer Noth erbarmen.
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16. HErr JEsu gib mir deine Gnad’ Auff daß in diesem Leben Mir ja der eitle Geitz nicht schad’ Und ich mich könn’ erheben Zu deinem Thron’ O Gottes Sohn Mit Freudigkeitu zu treten/ HErr/ gib was ich gebeten. |
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u Freudigkeit] C statt dessen: Freündligkeit 31 Vgl. Gen 25,29–34 32 trifft] betrifft. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1609. 34 Vgl. Lk 6,36 35 Hienegst] danach. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1312.
33 Vgl. Mt 8,12
VI. Christliches Lied
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Das Fünffte und letzte Zehn
VI.a
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Christliches Lied/
Von dem hohen Geheimnisse des heiligen und hochwürdigen Abendmals des HErrn1,b.
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Grosses Werck Geheimniß voll/ das höchlich zu verehren! O Werck das stündlich in uns sol/ durch seine Krafft vermehren/ Berewung unser schweren Schuld/ Furcht/ Glauben/ Hoffnung und Gedult/ Zucht/ Lieb’ und aller Tugend Zahl/ O Himmels=Saal/ O hochgeprießnes Abendmal! 2. Hie ist des Lebens Baum gesetzt/ Desselben Blätter heilen2 | Was durch den Satan war verletzt Mit so viel Sünden=Pfeilen3/ Hie ist das Holtz gantz voller Safft/ Von Früchten süß/ sehr groß von Krafft/ Ja dessen edle Liebligkeit Zu aller c Zeit Vertreibt des Todes Bitterkeit. |
a VI.] In Custode: IV. (Erratum) b Christliches Lied Abendmals des HErrn] C statt dessen: Jst Ein Nachtmahlsgesang/ Jn welchem unß das hohe Geheimnüsse des Heiligen Nachtmahls/ von CHristo JEsu eingesetzet/ mit hertzlicher Andacht zu betrachten wird fürgestellet/ und kan dieser Gesang am Grünen Donnerstage/ wie auch sonst bei der Außtheilung des Heiligen Abendmahls nützlich gebrauchet und gesungen werden c Zu aller] C statt dessen: Zur jeden 1 Rist verwendet für dieses Lied als Textvorlage: Johann Gerhard, Meditationes Sacrae, Meditatio 19, S. 108–111 (mit der Überschrift „De Coenae Dominicae mysterio“). Vgl. die Textsynopse u. S. 540–543. 2 Ez 47,12; Apk 2,7; 22,2 3 Eph 6,16
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Das Fünffte und letzte Zehn
3. Hie istd das rechte Himmel=Brodt Von Gott uns selbst gegeben4/ Das für den wolverdienten Todt Uns wieder bringt das Leben5/ Diß ist der Christen Unterhalt 6/ Diß macht die Seelen wolgestalt e,7/ Diß ist der Engel Speiß’ und Tranck/ Dafür ich Danck Gott singen wil mein Lebelang8. 4. Hie ist die rechte Bundes=Lad’ 9/ Hie ist der Leib des HErren/ Voll Weißheit/ Güt’ und grosse g Gnad’/ Hie schau’ ich gleich von ferren10 Die wunderschöne Himmels=Schul/ Den Tempel sampt dem Gnaden=Stul’/ Hie find’ ich ja das höchste Gut/ Das theure Blut11/ So mir erquicket Seel’ und Muth12.
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5. Hie ist die rechte h Himmels=Pfort’ Hie steht der Engel Leiter13/ Jsraels außerwehlter Ort Und seiner Lust Bereiter/ Hie steigen wir mit vollem Lauff’ Jn Christo stracks14 zum Himmel auff/ | Der uns durch jhn ist zu erkandt15/ O herrlichs Pfand16/ i O allerliebstes Vaterland17!
d ist] C statt dessen: ligt e wolgestalt] C statt dessen: wolgestalte (Erratum) f ist] C statt dessen: steht g grosse] C statt dessen: grosser h rechte] C statt dessen: schönste i /] B statt dessen: ! 4 Ex 16,15; Joh 6,31f. 5 Joh 6,50 f. 6 Unterhalt] Nahrung. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1595. 7 wolgestalt] schön. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1152. 8 Ps 104,33 9 Vgl. Ex 25,10–22 10 ferren] ferne. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1543. 11 Vgl. Röm 3,25 12 Eph 1,7 13 Gen 28,12; Joh 1,51 14 stracks] geradezu. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 606. 15 zu erkandt] zugeeignet. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 338 f. 16 2Kor 1,22; 5,5; Eph 1,14 17 Vgl. Hebr 11,14
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6. Ach schauet/ wie der HErr’ uns liebt Wie hoch er uns verehret/ Jn dem’ er sich uns selber giebt18 Und freundlich zu uns j kehret/ Bedencket wie er uns gemacht Zu Bürgern seiner grossen Pracht19/ Ja wie er unser Fleisch ergetzt/ Das er zu letzt Zu seiner Rechten hat gesetzt. 7. Das Fleisch/ das nun erhöhet ist Jn Gottes Stadt zu leben20/ Das wird uns hie zu dieser frist21 Durch Christum selbst gegeben22/ So wird sein Wesen uns zu theil/ So finden wir der Seelen Heyl/ So bleiben wir in Gottes Huld’ Und unser Schuld Wird übersehen mit Gedult k. 8. Wie kan uns der zu wider seyn Der uns so freundlich reichet | Sein Fleisch und Blut im Brodt und Wein23 Der nimmer von uns weichet? Wie kan uns lassen aus der Acht Der uns so trefflich hat bedacht Jn dem er unser Missethat O Gottesl Rathm Durch seinen Todt vertilget hat.n,24
j zu uns] C statt dessen: uns zu k Gedult] B statt dessen: Genult (Erratum) dessen: kluger m B zusätzlich: ! n .] C statt dessen: ?
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l Gottes] C statt
18 Lk 22,19 19 Eph 2,19 20 Vgl. Apg 2,33 21 frist] Zeit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 216. 22 Lk 22,19 23 Vgl. Mt 26,26–29 24 Hebr 9,15
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Das Fünffte und letzte Zehn
9. Wie kan hinfort des Satans Stärck’ Uns Christen überwinden/ Dieweil25 durch dieses Gnaden=Werck Wir grosse Krafft empfinden? Hat doch diß Mahl uns so erquickt/ Daß uns kein Feind mehr unterdrückt; Drumb Satan komme nur zum Streit’/ Wir sind bereit Zu spotten deiner Grausamkeit. 10. Was achten wir des Leibes Noth Der krancken Glieder Schmertzen/o Hie ist Artzney in aller p Noth Ein edler Tranck zum Hertzen26/ Ja Christus Fleisch ist solcher Art Da alles durch geheilet27 ward/ Hie ist sein Seiten=Wasser feil28,29/ Dadurch in Eyl Geleschet wird q der Höllen Pfeil30. | S. 38
11. O Gottes Fleisch/ O heiligs r Blut Das auch die Engel ehren! O Himmel=Speiß’31/ O höchstes Gut Wozu in Furcht sichs kehren Die Kräfft’ und Thronen wunders=voll/ HErr/ meiner Seelen ist so wol/ Es trifft sie schon in dieser Quaal Ein Freuden=Strahl O hochgeprießnes Abendmal! t |
o /] C statt dessen: ? p in aller] C statt dessen: für alle q Geleschet wird] C statt dessen: Wird stumpf gemacht r heiligs] B statt dessen: heiliges (Erratum) s in Furcht sich] C statt dessen: sich fleissig t !] C statt dessen: . 25 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 26 zum Hertzen] für das Herz. Zu ‚zu‘ vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 176. 27 durch geheilet] völlig ausgeheilt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1627. 28 feil] erhältlich. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1446. 29 Vgl. Joh 19,34 30 Eph 6,16 31 Vgl. Joh 6,31f.
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VII. Ein herrlicher Lob=Psalm
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Ein herrlicher Lob=Psalm
Gottes/ Wegen seiner grossen Allmacht und Barm= hertzigkeita
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On Gnade wil ich singen/ des HErren ewiglich1/ Vnd meine Stimm erschwingen2/ O Gott zu preisen dich/ Mein schwacher Mund sol sagen/ mit grossem Wolbehagen/ wie deine Güt und Treu/ ohn End’ und Wandel sey3.
2. Der Himmel sol erweisen Die Wunder deiner Händ’ Und deine Warheit preisen4 Biß an der Welt jhr End’/ HErr/ wer ist dir zu gleichen5? 6 Wer kan dein Lob erreichen? Wer gibt dir etwas zu? 7 Wer ist so starck wie du? 8 | S. 40
3. Wie herrlich läst du sehen Dein’ über=grosse Macht
a Ein herrlicher Lob=Psalm Barmhertzigkeit] C statt dessen: Ein Lobgesang/ Jn welchem die grosse Allmacht und unaußsprächliche Barmhertzigkeit Gottes herlich wird gepriesen.
1 Ps 89,2 2 erschwingen] aufschwingen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 979. 3 Ps 89,3 4 Ps 89,6 5 zu gleichen] gleichzuachten. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 8042. 6 Ps 89,7 7 Wer gibt dir etwas zu?] wer fügt dir etwas hinzu? Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 399. 8 Ps 89,9
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Vor denen/ die da stehen Als Zeugenb deiner Pracht9/ Du stillest Meer und Wellen Wenn sie sich grausam stellen Ja durch den starcken Lauff Schier 10 schwingen Himmel=auff 11,12. 4. HErr/ du hast lassen werden Das blaue Sternen=Dach/ | Du hast gemacht die Erden13 Der Menschen Schlaff=Gemach/ Dein’ Hand ist starck und mächtig14/ Dein Nahm’ ist groß und prächtig/ Dein’ Herrligkeit und Zier Die pranget15 für und für16. 5. O wol dem Volck’ im Lande Das freudig jauchtzen kan/ Und im erwünschten Stande Dich lieblich schauen an! Diß Volck wird sich mit Treuen Jn deinem Liecht’ erfreuen17/ Auch wird sein Mund allein’ Jn dir HErr frölich seyn. 6. Nun du bist jhre Stärcke18 Du Held in Jsrael19/ Sie rühmen deine Wercke/ Den Armen hilffst du schnell/ Du wirst jhr Horn erhöhen20 Und sie mit Güt’ ansehen/ Jch weis du bist sehr mild21 O Zions güldner Schild!22 b Zeugen] C statt dessen: Zeigen (Erratum) 9 Ps 89,8 10 Schier] fast. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 23. 11 Himmel=auff] himmelwärts. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1342. 12 Ps 89,10 13 Ps 89,12 14 Ps 89,14 15 pranget] glänzt. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 16 Ps 89,17 17 Ps 89,16 18 Ps 89,18 19 Ps 89,20 20 Ps 89,18 21 mild] freigebig. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2201. 22 Ps 89,19
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Das Fünffte und letzte Zehn
7. Du bist von langen Zeiten23 Doch unser Fürst’ und Gott24/ | Du pflegst für uns zu streiten Du starcker Zebaoth25/c Du kanst den Feind so trennen26/ Daß wir dein Allmacht kennen27 Und ruffen auff demd Plan: Der HErr hat diß gethan. 8. Du lässest Brunnen quellen28 Und tausend Bächlein gehn/ Bald müssen sie sich schnellen29 Bald wiedrumb stille stehn30/ Du lässest richtig lauffen Den Mond und seinen Hauffen31 So bald die schwartze Nacht Die Sonn’ hinweg gebracht32. 9. Du läst den Frühling kommen So bald das grosse Liecht Der Erden hat benommen33 Jhr dürres Angesicht34/ Du läst die Ströhme brausen/ Du läst die Wellen sausen/ So offt das grosse e Meer Laufft schrecklich hin und her. 10. Kompt her von allen Enden Kompt her in schneller Eyl’ |
c /] C statt dessen: ! d dem] C statt dessen: den e So offt das grosse] C statt dessen: Wen das erzürnte 23 von langen Zeiten] seit langem. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 547. 24 Ps 74,12 25 Ps 89,9 26 trennen] zerstreuen. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 116. 27 Ps 89,11 28 quellen] fließen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2345. 29 sich schnellen] sich schnell bewegen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1294. 30 Ps 74,15 31 Hauffen] Gemeint sind die Sterne. Nicht bei Grimm, DWb. 32 Ps 74,16 33 benommen] weggenommen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1469. 34 Ps 74,17
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Und jauchtzet Gott mit Händen/ Frolocket unserm Heyl35 Ermuntert euch jhr Frommen Vor sein Gesicht zu kommen36/ Sein ist und bleibet das Was trockenf heist und naß37.
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11. Kompt/ lasst uns nieder knien Vor seiner Majestat/ Dieg uns den Leib verliehen Die Seel’ ertheilet38 hat/ Daß sie gepriesen werde Von Schafen jhrer Heerde/ Die sie so hertzlich liebt Ja Gut und Lebenh gibt39. 12. Jhr Völcker kompt mit Springen Kompt her in gutem Fried Und helfft dem HErren singen Ein köstlichs Lobe=Lied40/ Erzehlet doch mit Freuden Sein’ Ehr’ und Ruhm den Heyden/ Was grosse Wunderthat Sein’ Hand verrichtet hat 41. | 13. Der HErr’ ist hoch zu loben Für aller Götter Zahl42/ Die nicht wiei er erhoben Sind Götzen allzumal43/ Er ist es/ der regieret Das/ was der Welt=Kreiß zieret/ Er steht mit grossem Ruhm’ Jn seinem Heiligthum44. f trocken] B statt dessen: trucken g Die] C statt dessen: Welch’ dessen: Daß Sie Sich selbst Jhr i wie] C statt dessen: alß
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h Ja Gut und Leben] C statt
35 Ps 95,1 36 Ps 95,2 37 Ps 95,5 38 ertheilet] zugeteilt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1029. 39 Ps 95,6 f. 40 Ps 96,1 f. 41 Ps 96,3 42 Ps 96,4 43 Ps 96,5 44 Ps 96,6
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Das Fünffte und letzte Zehn
14. Bringt her/ bringt her dem HErren Bringt her jhm’ Ehr’ und Macht45/ Sich in sein Lob zu sperren46 Sey jederman bedacht/ Jhr Völcker kompt getreten47 Den HErren anzubeten/ Es fürcht jhn alle Welt Den grossen Wunder=Heldt48.
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15. Seht/ wie die Berge weltzen49 Für seiner Herrligkeit/ Seht/ wie die Hügel schmeltzen Wie Wachs zur Sommers=Zeit50/ Seht/ wie nach seinem Willen Sich alle Tieffen stillen51/ | Seht wie des Blitzes Pracht Die Lufft so feurig macht.j,52 16. Was wil man doch mit Worten Die Wunder zehlen viel53 | Diek er an allen Orten Verrichtet sonder54 Ziel55/ Kompt/ lasset uns jhn preisen l/ Lob/ m Ehr’ und Danck erweisen/ Denn seine Güt und Treu’ Jst alle Morgen neu56. |
j .] C statt dessen: ! k Die] C statt dessen: Welch’ m Lob/] C statt dessen: Jhm’
l jhn preisen] C statt dessen: mit Preisen
45 Ps 96,7 46 Sich in sein Lob zu sperren] sich in sein Lob einzuschließen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 2175. 47 getreten] herangetreten. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 200. 48 Ps 96,9 49 weltzen] sich hin und her bewegen. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1430. 50 Ps 97,5 51 stillen] beruhigen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3009 f. 52 Ps 97,4 53 Vgl. Ps 40,6 54 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 55 Ziel] Ende. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 1042. 56 Thren 3,22 f.
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VIII. Christlicher Lob=Gesang
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Das Fünffte und letzte Zehn
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Christlicher Lob=Gesang/
Wenn uns Gott mit Speise und Tranck so reichlich hat gesättiget a.
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Vn lobet alle Gott1/ den HErren Zebaoth/ der uns so wol gespeiset/ der b diese Stund’ erweiset/ daß seine Güt’ und Treue/ mehr als wir würdig seyn/ sich alle Tag erneue2,3/ undc schenck’ uns häuffig ein. 2. Wir/ die wir waren matt/ Sind nunmehr starck und satt4 | Dieweil5 er hat gegeben Die Nahrung’ unserm Leben/ Dazu uns armen Kindern Sein’ überreiche Hand | Wiewol so grossen Sündern Aus Gnaden zugewandt. 3. Wir sagen dir HErr danck Vor deine Speiß’ und Tranck/ Die du mit Wolgefallen So treulich schenckest allen a Christlicher Lob=Gesang gesättiget] C statt dessen: Ein Christlicher Tisch= und Lobgesang/ Mit welchem alle Gottselige Hertzen dem himlischen Speisemeister/ wen Er Sie mit Speise und Trank mild väterlich hat gesättiget/ von Hertzen Lob und Dank sollen singen und sagen b der] C statt dessen: Ja c und] C statt dessen: Ja 1 Vgl. Ps 98,4 2 erneue] erneuere. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 921. 3 Thren 3,22 f. 4 Ps 22,27 5 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146.
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Das Fünffte und letzte Zehn
Die deiner Güt’ erwarten6,7 Und in der Niedrigkeit Nach dir mein Gott zu arthend,8 Sind Tag und Nacht bereit9. 4. Dein Segen macht uns reich10/ Du sättigest zu gleich Das was auff Erden lebet Und in den Lüfften schwebet/ Du gibst den wilden Thieren Jhr Futter Hew und Graß11/ Das alles Fleisch muß spüren Dein Hülff ohn’ unterlaß.
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5. HErr/ alles ist dein Gast Was du geschaffen hast/ Du speisest ja die Raben12 Die keinen Glauben haben/ Wie soltest du nicht hören Die Menschen ins gemein13/ | Wenn sie zu dir sich kehren Und gantz voll Glaubens seyn? e,14 6. Es mangelt nichts bey dir15/ Du reichest uns herfür Brodt/ Nahrung’ und die Hülle16/ Des gibst du unsf die Fülle/ Doch denen die dir trauen17/ Nicht die so gantz und gar Auff dieses Eitle bauen/ Das doch so wandelbahr. d Nach dir mein Gott zu arthen] C statt dessen: Dir treülich nachzuahrten e Wenn sie zu dir seyn?] C statt dessen: Die Du ja lässest kehren Zu Dir und gläubig sein? f Des gibst du uns] C statt dessen: Du gibst uns ja 6 erwarten] Zu ‚erwarten‘ mit Genitiv vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1044. 7 Vgl. Ps 145,15 f. 8 Nach dir zu arthen] dir nachzueifern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 573. 9 Vgl. 1Petr 2,21 10 Prv 10,22 11 Vgl. Ps 104,10 f. 12 Vgl. Ps 147,9 13 ins gemein] sämtlich. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2142. 14 Lk 12,24 15 Ps 34,10 16 Hülle] Kleidung. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1896f. 17 Ps 34,9
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7. Wer stoltz und prächtig ist/ Dazu voll Trug und List/ Dem wird das nicht gewehret Was er durch Trotz begehret: Nur denen/ die da wissen Mit Furcht des Menschen Sohn g Jn dieser Zeit zu küssen/ Giebt er den Gnaden=Lohn18. 8. Drumbh treten wir heran O Vater auff den Plan19/ Uns danckbar zu erweisen20 Und deine Macht zu preisen21/ Hernach umb Christus willen Zu bitten22/ diese Stund’ | Uns damit zu erfülleni Was nütz ist und gesund.
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9. Dir geben wir die Ehr’23 Und bitten ferner sehr Wenn wir hinführo24 tischen25/ So wollest du erfrischen Mit deinen edlen Gaben Den Leib/ und auch zu gleich Die arme j Seel’ erlaben So sind wir doppelt reich. 10. Gib uns des Leibes Noth26/ Die Kleidung’ und das Brodt27 Durch deinen reichen Segen/
g des Menschen Sohn] C statt dessen: den MenschenSohn h Drumb] C statt dessen: So erfüllen] C statt dessen: anzufüllen j arme] C statt dessen: wehrte
i zu
18 Vgl. Röm 11,20 19 Plan] Platz. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1883 f. 20 Ps 95,2 21 Ps 97,12 22 Vgl. Joh 14,13 23 Apk 14,7 24 hinführo] fernerhin. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1435. 25 tischen] essen. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 513. 26 des Leibes Noth] das dem Leib zum Lebensunterhalt Nötige. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 914. 27 Sir 29,28
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Das Fünffte und letzte Zehn
Da alles ank,28 gelegen/ Sonst nützet kein begiessen29/ ein Wort HErr hilfft uns wol/ Die Speise zu geniessen Sol uns erhalten sol.
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11. Nun HErr’ ich zweiffle nicht/ Du gibst was mir gebricht30,31/ Behüte mich vor Sorgen32 Vor Klagen heut’ und Morgen Und was man geitzen nennet33/ Hat doch ein jeder Tag | Wie Christus selbst bekennet/ Sein’ eigen Sorg’ und Plag34; m
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12. Jch wil mein Lebenlang Dir singen Lob und Danck35 Daß du mir hast bescheret Vielmehr als’ ich begehret/ Ach Gott was werd’ ich haben Nach dieser bösen Zeit Viel wunderschöne Gaben Dort in der Ewigkeit! |
k Da alles an] C statt dessen: Dran alles ist
l So] C statt dessen: Welch’
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m ;] C statt dessen: .
28 an] dran. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 286. 29 Vgl. 1Kor 3,7 30 gebricht] mangelt. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1851. 31 Vgl. Mt 6,8 32 Vgl. Phil 4,6 33 Vgl. Lk 12,15 34 Mt 6,34 35 Ps 63,5
IX. Christliches Lied eines Reisenden
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Das Fünffte und letzte Zehn
IX.
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Christliches Lied eines Rei= sendena.
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O brech ich auff von diesem Ort’/ und zieh’ in deinem Namen fort/ HErr Gott du wirst mich gleiten1,2/ Vnd über mich dein liebes Kind3/ das gar nichts ist als Staub4 und Wind5/ die Gnaden=Flügel breiten6/ Damit ich mag vor allen Dingen/ die Reise glücklich vollenbringen7. 2. Gib daß die lieben Engelein Die starcken Helden bey mir seyn Auff allen meinen Wegen8/ | Und zwischen die so dieser Zeit Mir nachzustellen sind bereit Und zwischen mir sich legen/ HErr schütze mich durch deine Gnade/ So trifft mich weder Schimpff noch Schade. 3. Viel treuer Wächter hastu mir Verordnet/ daß sie für und für | Mein Leben wol bewahren/ Wo sie nun brauchen jhre Macht/
a Christliches Lied eines Reisenden] C statt dessen: Ein Reisegesang/ Mit welchem sich ein jedweder frommer Christ auf seiner Reise oder Wanderschaft der väterlichen göttlichen Bewahrung und gnädigen Beschirmung für allem Ubel und Unglükke von gantzem Hertzen sol befehlen 1 gleiten] geleiten. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2997. 2 Vgl. Ps 23,3 3 Vgl. Röm 8,14 4 Ps 103,14 5 Hiob 7,7 6 Ps 17,8 7 vollenbringen] vollbringen. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 620. 8 Ps 91,11
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Das Fünffte und letzte Zehn
Da kan mir weder Tag noch Nacht Kein Arges wiederfahren9/ Denn diese Geister sind verbunden10 Vor mich zu kämpffenb alle Stunden. 4. Und sol ich denn mein täglich Brodt Und was mir sonst zum Leben noth/ Jn meinem Hauß’ erwerben/ So bleibe du mein’ Hülff’ und Schutz11/ Vertreibe weit des Satans Trutz/ Und laß mich nicht verderben12/ Wiltu mir nur dein’ Hand verleihen/ So darff ich gar kein Unglück scheuen13. 5. Sol ich mich aber fügen hin14/ Dort/ wo ich nicht zu Hausec bin Und hin und wieder15 reisen/d So wolle ja dein göttlichs Liecht Mich auff der Fahrt verlassen nicht16/ Besondern17 mir erweisen/ Daß du mein Gott zu allene Zeiten Zugegen bist den WandersLeuten.
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6. Dieweil18 auch sind der Feinde viel/ So führe mich zum rechten Ziel | O HErr auff allen Strassen/ Laß deine Diener bey mir stehn19/ Daß/ wie Tobias ist geschehn20/ Sie nimmer von mir lassen/ Denn/ wenn mich diese Helden führen So kan kein Vnfall21 mich berühren22. b kämpffen] C statt dessen: wachen c Dort/ wo ich nicht zu Hause] C statt dessen: Wo müglich Jch ein Fremder d /] C statt dessen: ; e allen] C statt dessen: jeden 9 Vgl. Ps 91,5 10 verbunden] verpflichtet. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 118. 11 Ps 62,3 12 Dtn 4,31 13 Ps 23,4 14 fügen hin] dorthin begeben. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 389. 15 hin und wieder] hin und zurück. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1374. 16 Vgl. Ps 119,105 17 Besondern] sondern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1633. 18 Dieweil] weil. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1146. 19 Vgl. Ps 91,11 20 Vgl. Tob 5,5–29 21 Vnfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 22 Vgl. Ps 91,12 f.
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7. HErr biete mir die Gnaden=Hand Jch sey zu Wasser oder Land Jn Feldern/ Wäldern/ Hecken23/ Da wollest du f in aller Noth Für Räubern/ Fallen/ Schand’ und Todt Mit deiner Macht mich deckeng,24/ Wenn du mir nun wilt Hülff h ertheilen/ So kan kein Vnfall 25 mich ereilen. 8. Solt’ ich auch kommen/ wo das Gifft Der schnellen Pest die Menschen trifft Und durch die Länder wütet/ So schütze mich nach deinem Raht’/ Jch weis/ wer i dich zum Führer hat Der bleibet wol behütet 26/ Sind doch mein’ Haar also gezehlet/ Daß sonder 27 dich auch eins nicht fehlet 28. | 9. Sol denn ein Vnfall 29 treffen mich/ So warne mich HErr gnädiglich Gleich wie der Stern die Weisen30/ Schweb’ über mir O du mein Heyl Wie dort die Feur= und Wolcken = Seul’31 Auff allen meinen Reisen/ Doch wil ich meinen Raht und Willen Nach deinem Raht und Willen stillen32. 10. Verleyhe mir O treuer Gott/ Daß ich nicht stürtz’ j in Sünd und Spott 33 Auff unbekandten Wegen/
f wollest du] C statt dessen: wirst du Mich g mich decken] C statt dessen: bedekken h Hülff] B statt dessen: Hülffe (Erratum) i wer] C statt dessen: der j stürtz’] C statt dessen: fall’ 23 Vgl. Ps 139,9 f. 24 Ps 91,3–5 25 Vnfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 26 Ps 4,4 27 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 28 Mt 10,30 29 Vnfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 30 Vgl. Mt 2,2 31 Vgl. Ex 13,21 32 stillen] beruhigen bzw. verstummen lassen. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 3012. 33 Ps 39,9
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Das Fünffte und letzte Zehn
Und daß k die Feind’ aus bösem Sinn’ Jm Fall34 ich nicht zugegen bin/ Kein Vnglück mir erregen35/ Du wollest doch an allen Enden Dein Gnaden=Hand nicht l von mir wenden36.
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11. Beschirm’ O Vater Seel und Leib Sampt Ehr’ und Gut/ Hauß/ Kind und Weib Und was mir mehr gegeben/ Und wom es dir also gefält Daß in der Frembd’ ich aus der Welt Zu dir mich sol erheben/ | So stärcke mich/ daß ich mit Freuden Mein Gott zu dir mög’ endlich n scheiden.
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12. Drauff reiß’ ich hin zu diesem mal Durch Wiesen/ Felder/ Berg und Thal Weil Gott mir ist zur Seiten37/ Der wird mich kräfftig diesen Weg Und folgends38 auch den schmalen Steg Geno Himmel39 wol begleiten/ Da werd’ ich jhn denn frölich sehen/ Wenn nun mein Reisen ist geschehen. |
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k Und daß] C statt dessen: Daß auch l allen Enden Dein Gnaden=Hand nicht] C statt dessen: keinen Enden Die Gnadenhände m wo] C statt dessen: wen n zu dir mög’ endlich] C statt dessen: von hinnen müge o Gen] C statt dessen: Zum 34 Jm Fall] wenn. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1275. 35 Vgl. Ps 27,12 36 Ps 27,9 Ps 118,6 38 folgends] danach. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1880. 39 Vgl. Mt 7,13f.
37 Vgl.
X. Beschluß=Lied zu Gott
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Das Fünffte und letzte Zehn
X.
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Beschluß=Lied zu Gott/ 1
Umb ein seliges Sterb=Stündeleina.
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O wündsch’ ich mir zu guter letzt/ ein seligs Stündlein wol zu sterben/ Das mich für alles Creutz ergetzt2/ und krönet mich zum Himmels=Erben3/ Komm süsser Todt und zeige mir/ wo doch mein Freund in Ruhe weidet 4/ biß meine Seel’ auch mit Begier/ zu jhm’ aus dieser Welt abscheidet5. 2. Steh’ auff O Gott/ gib mir dein’ Hand 6 Und ziehe mich aus lauter 7 Gnaden Zu dir ins rechte Vaterland8 Da mehr kein Unfall 9 mir b kan schaden10/ Steh’ auff/ es ist schon hohe Zeit Erlöse mich aus allem Jammer11/ Steh’ auff mein Gott/ ich bin bereit Zu wandlen nach der Ruhe=Kammer12. | 3. O lieblichs/ seligs Stündelein Wie trag’ ich doch so groß’ Verlangen Nach dir allein/ bey Gott zu seyn13/ a Beschluß=Lied Sterb=Stündelein] C statt dessen: Ein Beschlussgesang/ Jn welchem GOtt der himlische Vater demühtig wird angeruffen/ daß Er unß/ wen unser Sterbstündlein heran kommen/ und wir diser eitlen Welt guhte Nacht sollen geben/ ein gnädiges seliges Ende verleihen/ und auß disem betrübten Jammerthal wolle zu sich nehmen in seinen ewigen Freüdensahl b mehr kein Unfall mir] C statt dessen: Mir kein Unfahl mehr 1 Beschluß=Lied] Abschlußlied. Zu ‚Beschluß‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1581. 2 ergetzt] entschädigt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 820. 3 1Petr 1,4 4 Hld 1,7 5 Phil 1,23 6 Ps 10,12 7 lauter] reiner. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 378. 8 Hebr 11,14 9 Unfall] Unglück. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 524. 10 Vgl. Apk 21,4 11 Sap 3,1 12 Jes 57,2 13 Vgl. Ps 25,1
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Das Fünffte und letzte Zehn
Denn meine Tage sind vergangen14/ Drumb liebster Vater gib mir doch Ein seligs und vernünfftigs Ende/ Damit/ in dem’ ich lebe noch Ein Freuden=Blickc sich zu mir wende. | S. 59
4. Errette bald aus aller Quaal Und aus dem Kercker meine Seele15/ Sie seufftzet nach dem Freuden=Saal’ Aus dieser tuncklen Mörder=Höle/ Ach hat sie doch so manchen Tag Das bitter Elend müssen bauen16! Nun gib jhr endlich/ daß sie mag Das Paradyß17 mit Freuden schauen. 5. Jst doch mein Leben wie das Hew Verdorret und wie Rauch verschwunden18/ Was solt’ ich denn mit Furcht und Scheu’ Erwarten erst der Todes=Stunden? Ach nein ich wil mit grossem Danck’ Aus dieser Welt zum Himmel eilen/ Mein Hertz ist schon vor Liebe kranck19/ Es kan durchaus sich nicht verweilen. 6. O vielbegehrter lieber Todt Du bist zwar greulich anzusehen/ c Freuden=Blick] C statt dessen: FreüdBlik (Erratum) 14 Ps 102,4 15 Die Bezeichnung des Leibes als carcer animae ist in der heidnisch-antiken Literatur vielfach belegt (vgl. etwa Platon, Phaidon 62b und 67d). In der patristischen Tradition wurde dieser Topos breit rezipiert, wenngleich mit der Zuspitzung, daß nicht der Leib an sich ein Gefängnis der Seele sei, sondern eben dieser in statu corruptionis. Vgl. von Moos, Bd. 3, Nr. 826 f. Vgl. hinsichtlich des barocken Luthertums z.B. Nicolai, FrewdenSpiegel deß ewigen Lebens (1599), S. 321, der von der „Seele“ des Gestorbenen sagt, sie sei „von dem Kercker vnd Hütten jres Leichnams erlöset“. Vgl. weiter Gerhard, Meditationes Sacrae (1606), S. 240, Z. 26–30: „Vita haec carcer animae est, mors autem liberatio; ideò moriturus Simeon exclamat: nunc dimittis servum tuum Domine, dimitti desiderat, veluti corporeo ergastulo inclusus: gratulandum ergo nostris, quod ex hoc carcere soluti ad veram libertatem aspiraverint .“ 16 Das bitter Elend müssen bauen] in der bitteren Fremde wohnen müssen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 406. 17 Vgl. Apk 2,7 18 Ps 102,4 f. 19 Hld 2,5
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X. Beschluß=Lied zu Gott
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Mir aber nicht/ weil du in Noth Mich länger nicht wirst lassend stehen/ Jch weis/ die Reichen fürchten dich20/ Die Könige der Welt erschrecken/ Jch nicht also21 du tröstest mich/ Weil du mich friedlich wilt bedecken/ e | 7. So laß mich HErr mein sterblichs f Kleid Damit ich Armer bin umbgeben Verwechseln mit der 22 Ewigkeit 23 Und dieses mit dem andern Leben/ Mach’ auff die Thür’ ich eil’ herzu/ Verzug den kan ich gar g nicht leiden/ Ach hilff/ daß ich in stoltzer Ruh’ Jetzt frölich mög’ in Sion weiden. 8. O Jesu liebster h Bräutigam24 Daß meiner Seelen so verlanget/ Das machet der Schoß Abraham Wo Lazarus in Freuden pranget25,26/ Mein Geist der hat in dieser Welt Dich offt gesucht/ doch schwerlich funden27/ Bringst du jhn nun ins Freuden=Zelt/ So hat er alles überwunden28. 9. Es funden mich zu dieser Zeit So gar von meiner ersten Jugend Des Teuffels Volck/ die losen30 Leut’ Und Spötter aller Zucht vnd Tugend/ 29
d du in Noth wirst lassen] C statt dessen: in der Noht Du Mich nicht länger lässest e /] B, C statt dessen: . f sterblichs] C statt dessen: sterblich g gar] Fehlt B (Erratum) h liebster] B statt dessen: lieber 20 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 4, Sp. 1229. 21 Jch nicht also] ich aber nicht. Zu ‚also‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. Vgl. außerdem zu ‚so‘ DWb 16, Sp. 1361. 22 Verwechseln mit der] austauschen gegen die. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2144 f. 23 Vgl. 2Kor 5,4; 1Kor 15,53 24 Mt 9,15 25 pranget] prachtvoll sich befindet. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2066. 26 Lk 16,23 27 funden] gefunden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1642. 28 Apk 21,7 29 funden] fanden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1642. 30 losen] bösen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1183.
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Das Fünffte und letzte Zehn
Die schlugen mich biß auff den Todt Ja haben mir mein Kleid genommen/ Mein Gott hab’ acht auff 31 diese Noth/ Wenn werd’ ich aus dem Jammer kommen.i | S. 61
10. Mein Hertz erzittert wie j ein Laub32 Von wegen so viel schwerer Plagen: Bald werd’ ich meiner Feinde Raub Bald istk mein Geist in mir zuschlagen33,34/ HErr/ sende mir dein tröstlichs Wort35 Daß ich in Sündenl nicht verderbe36/ Erquicke mich/ wenn ich sol fort Damit ich gern’ und frölich sterbe.
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11. Gott/ meiner Seelen Durst bist du37 Wenn werd’ ich einmahl zu dir treten? Wenn schau’ ich dich dort in der Ruh Wo dich die Cherubim anbeten?38 Hie schweb’ ich zwar in grosser Pein/ Denn meines Häuptes Thränen=Quellen Die müssen meine Nahrung seyn39 Und manche Mahlzeit mir bestellen40.
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12. Gefangen lig’ ich gar zu hart/ HErr rette mich von diesen Banden41/ Daß ich bey meiner Wiederpart42 Nicht werde gantz und gar zu schanden Nim auff HErr deinen lieben Sohn Der täglich bittet dich zu sehen/ Und führ’ jhn in den Freuden=Thron Dein himlisch Fest da zu begehen. | i .] C statt dessen: ? j wie] C statt dessen: alß k ist] C statt dessen: wird B, C emendiert aus: inSünden
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l in Sünden] Gemäß
31 hab’ acht auff] nimm wahr. Zu ‚Acht‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 165. 32 Laub] Laubblatt. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 287. 33 zuschlagen] zerschlagen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 757. 34 Ps 109,22 35 Ps 107,20 36 GebMan 14 37 Ps 42,3; 63,2 38 Apk 7,11 39 Ps 42,4 40 bestellen] bereiten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1674. 41 Vgl. Ps 91,3 42 meiner Wiederpart] meinen Gegnern, Feinden. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1132.
X. Beschluß=Lied zu Gott
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13. Hie sitz’ ich in der Finsterniß’ Und in dem tunckeln Todes=Schatten43/ Zwar/ meine Zeit ist ungewiß44/ Doch weis ich/ Gott der wird erstatten45 Mein Leid/ das mich so sehr geplagt Seither ich auff die Welt geboren/ Jch weis was mein Erlöser sagt:
Wer gläubig ist/ wird nicht verlohren46.
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14. Erleuchte mich O treuer m Gott47/ Daß ich in meiner letzten Stunde Bey dir ja werde nicht zu Spott Auch mich der Satan nicht verwunde/ n Reiß du mich aus des Todes Pein/ Nimb meine Seel’ in deine Hände48/ Mein letzter Wundsch sol dieser seyno
HErr gib mir doch ein seligs
E N D E.
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Nur Gott und keinem mehr Sey Lob/ Preiß/ Danck und Ehr’49. Amen/p Komm allerliebster HErr JEsu50/ Amen.
m treuer] Fehlt C (Erratum) n /] C statt dessen: .
o C zusätzlich: : p /] C statt dessen: .
43 Mt 4,16 44 Vgl. Cicero, De senectute 74: „moriendum enim certe est, et incertum an hoc ipso die.“ Daß der Tod gewiß ist, ungewiß aber die Stunde, in der er eintritt, ist ein Topos, der auch in der barocken ars moriendi wie in der dogmatischen Abhandlung des locus ‚de morte‘ oft begegnet. Vgl. z.B. Gerhard, Loci theologici 8, S. 13b: „Mors certa est, mortis nihil est incertius hora. | Quod moreris, certum est, incertum, ubi, quomodo, quando.“ 45 erstatten] Gemeint ist hier die „erstattung des abgangs und mangels“ (Grimm, DWb 3, Sp. 997). 46 Joh 3,16 47 Ps 91,15 48 Vgl. Ps 31,6 49 Dtn 32,3 50 Apk 22,20
S. 62
Anhang I
Die neuen Vorreden zur Ausgabe 1652 In der im Jahre 1652 publizierten Ausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ (Sigle C) finden sich zwei neue Vorreden Rists:
Dem Hochwürdigen in Gott/ HochEdelge= bohrnen Herren/
H. Christoff von Bardleben1/
5
Abten und Herren vom Hause Sanct Michael a in Lüneburg/ auff Adendorff
Erbgesessen/ Meinem gnädigen Herren/ Dem WolEhrwürdigen/ HochEdelgebohrnen/ Ge= strengen und Vesten Herren/ 10
H. Everhart Grohten2/ Priorn und Seniorn des Adelichen Stifftes S. Michael in Lüneburg/ auff Stillhorn Erbgesessen/
Dem WolEhrwürdigen/ HochEdelgebohrnen/ Ge= strengen und Vesten Herren/ 15
H. Georg Friderich von Lenten3/ Außreiteren 4 des Adelichen Stifftes Sanct Michael in Lüneburg/ auff Lenten Erbgesessen/
a Michael] Emendiert aus: MichaeL 1 Christoph von Bardeleben (1594–1655), 1607–1614 Besuch der Schule des Michaelisklosters zu Lüneburg, anschließend Studium in Wittenberg, 1618 Eintritt in den Konvent des Lüneburger Michaelisklosters, 1630–1642 Prior des Klosters, seit 1642 Abt ebd. Vgl. Gebhardi, S. 30 f. sowie von Weyhe-Eimke, S. 241–256. 2 Eberhard von Grote († 1655), Klosterherr und Kellermeister im Michaeliskloster zu Lüneburg, seit 1642 Prior ebd. Vgl. von Weyhe-Eimke, S. 241, 262, 264. 3 Georg Friedrich von Lente († 1668), nach Besuch der Klosterschule in Lüneburg (seit 1611) und Studium in Wittenberg fungierte von Lente als Ausreuter (vgl. die folgende Anm.) im Michaeliskloster zu Lüneburg. Vgl. Gebhardi, S. 31–33. 4 Außreiteren] Der Ausreuter war für die wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten des Klosters verantwortlich. Vgl. Gebhardi, S. 2.
fol. )( 1v
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Anhang I
Dem WolEhrwürdigen/ HochEdelgebohrnen/ Ge= strengen und Vesten Herren/
H. Statz Friderich Posten5/ Kelnern6 des Adelichen Stifftes Sanct Mi=
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chael in Lüneburg/ auff Hermansburg und Olden = dorff Erbgesessen/
Dem WolEhrwürdigen/ HochEdelgebohrnen/ Ge= strengen und Vesten Herren/
H. Christian von Bardleben 7/ Conventualen des Adelichen Stifftes Sanct
Michael in Lüneburg/ und Administratoren der Kapellen Sanct Benedikti/ Meinen samt und sonders großgünstigen hoch= geehrten Herren/ und sehr wolgeneigten Gün = neren8. |
5 Eustachius Friedrich von Post (1607–1669), 1619–1629 Besuch der Schule des Michaelisklosters zu Lüneburg, anschließend Studium in Wittenberg und Leipzig, 1641 Eintritt in den Konvent des Lüneburger Michaelisklosters, 1642–1655 Kellermeister des Klosters, seit 1655 Abt von St. Michael, nach der Umwandlung des Klosters in eine Schule seit 1655 Landhofmeister ebd. Vgl. von WeyheEimke, S. 257–303. 6 Kelnern] Kellermeister. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 521 f. 7 Zu Christian von Bardeleben konnten bislang keine biographischen Angaben ermittelt werden. 8 Günneren] Gönnern. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 938.
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Hochwürdiger in GOTT/ Gnädiger Herr Abt/
fol. )( 2r
Wie auch
WolEhrwürdige/ Hochgebohrne/ Gestrenge und veste Herren/ großgeneigte Junkeren/
W
As für ein Absehen 1 Jch bißhero gehabt/ auch noch biß auf gegenwär-
5
10
15
tige Stunde etwan2 habe/ in deme Jch vielerhand3 geistliche und Himlische Lider in unterschiedenen4 Büchern durch Göttliche gnädige Verleihung habe lassen heraus kommen; Solches/ wie es aus Meinen Vorreden und Zuschriften sattsahm erhellet; Also kan eß E. Hochwürden und Gnaden/ wie auch Eüren WolEhrwürden/ Gestreng: und Herligkeiten nicht sein verborgen. Diseß gegenwärtiges Buch Meiner für etlichen Jahren gedrükten5 Himlischen Lider/ ist fast daß Erste/ welcheß von solcher Ahrt ist heraus gegeben/ und nach Seinen Fünf Theilen/ unterschiedlichen/ hohen und führnehmen StandesPersonen dazumahl in geziemender Unterthänigkeit von Mir zugeschrieben und auffgetragen6 worden. Der Erster Herr/ welchem zur selben Zeit Jch den fodersten7 Theil vorerwähnter 8 H. Lider ge = | hohrsamst übergeben/ ist gewesen/ der weiland9 Hochwürdiger in GOtt/ und Hochedler Herr/ Herr Hans Hinrich von Haselhorst10/ Herr vom Hause erwehlter und bestätigter Abt zu S. Michael in Lüneburg/ Fürstl. Brunschwigischer Lüneburg.a fürnehmster Landraht/ Erbherr der Häuser Hermansburg und Oldendorff/ Mein gnädiger Herr/ welcher auch dises/ Mein zwahr schlechtes11/ als12 Papirenes/ jedoch wolgemeintes Geschenklein mit sonderbahren 13 unverdienten Gnadenb hat auf und angenommen/ welches a Lüneburg.] Emendiert aus: Lüneburg tenGnaden
b unverdienten Gnaden] Emendiert aus: unverdien-
1 Absehen] Absicht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 114. 2 etwan] etwa. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1182. 3 vielerhand] allerhand. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 219. 4 unterschiedenen] unterschiedlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 5 gedrükten] gedruckten. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1441. 6 auffgetragen] anvertraut. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 762. 7 fodersten] ersten. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 953. 8 vorerwähnter] zuvor erwähnter. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 1109. 9 weiland] vormals. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 783. 10 Vgl. o. S. 9, Anm. 1. 11 schlechtes] schlichtes. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 12 als] nämlich. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 256. 13 sonderbahren] besonderen. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1577.
fol. )( 2v
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fol. )( 3r
Anhang I
Jch/ so lange Mir Mein Gott das Leben wird günnen14/ höchlich zu rühmen und mit schüldigstem Danke zu erkennen nicht unterlassen werde. Nach dem aber mehrbesagte 15 Meine Himlische Lider fast durch gantz Teütschland (welches Jch gleichwol ohne einigen eitlen Ruhm/ allein auß Nohtwendigkeit alhie mus melden) sonderlich sind belibet/ begierlichst gekauft/ gelesen und gesungen worden/ also/ daß man Sie zu unterschiedenen16 mahlen widrum hat aufflegen und aufs neüe drükken17 müssen; Jmmittelst 18 aber von vielen verständigen und gelehrten Leuten ist gewünschet/ daß vielerwähnete Lider in Eine richtigere Ordnung gebracht/ an etlichen Ohrten/ wo eß die Nohtturft 19 erfoderte 20/ verbessert/ die tunkele Redensarhten etwaß deütlicher gesetzet/ die unterschiedliche/ sonst zimlich weitläuffige Zuschrifften und Vorreden ausgelassen/ und dem Werke ein nützlich Blattweiser 21 möchte beygefüget werden/ solches alles auch von Meinen Herren Verlegeren wolmeinentlich22 bey Mir gesuchet und erinnert23 worden; Alß habe Jch Mich die Mühe nicht wollen verdriessen lassen24/ daß Werk auf daß Neüe für Mich zu neh = | men/ die Lider in Eine gantz andere und richtigere Ordnung zu bringen/ etliche Reimzielen25 zu änderen/ auch Selbige/ wo eß nöhtig/ zu verbesseren/ und schließlich daß Buch gantz neü geboren an deß Tagesc Licht widrum kommen zu lassen. Das aber/ Hochwürdiger in GOtt/ Gnädiger Herr Abt/ wie auch WolEhrwürdige/ HochEdle/ Gestrenge und Veste Herren/ Jch Mich erkühnen darf/ disen neüen Druk Solcher Meiner Himlischen Lider Eüer Gnaden/ wie auch Eüren HochEdlen Gestrengigkeiten in Unterthänigkeit zuzueigenen/ dasselbe ist aus guhtem Bedacht und solchen Ursachen geschehen/ welche verhoffentlich26 Sie Selber nicht leichtlich tadelen oder verwerffen werden: Den/ anfänglich ist ja der Erste Theil/ als der Giebel diseß Himlischen Gebaües 27/ Einem hochlöblichen teutschen Prelaten/ deme in Gott selig ruhendem Herren Abte zu Sanct Michael in Lüneburg/ Herren Hans Hinrich von Haselhorst 28/ gehohrsamst von Mir gewidmet und/ wie schon zu Anfange erwähnet/
c deß Tages] Emendiert aus: deßTages 14 günnen] gönnen. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 889. 15 mehrbesagte] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881. 16 unterschiedenen] unterschiedlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 17 drükken] drucken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1441. 18 Jmmittelst] mittlerweile. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2079. 19 Nohtturft] Erfordernis. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 926. 20 erfoderte] erforderte. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 804. 21 Blattweiser] Register. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 81. 22 wolmeinentlich] in guter Absicht. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1170. 23 bey Mir gesuchet und erinnert] von mir erbeten und angemahnt. Zu ‚suchen‘ vgl. Grimm, DWb 20, Sp. 850, zu ‚erinnern‘ vgl. DWb 3, Sp. 858. 24 Mich nicht wollen verdriessen lassen] zum reflexiven Gebrauch von ‚verdrießen‘ vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 243. 25 Reimzielen] Nicht bei Grimm, DWb. Gemeint dürften Vers-Enden bzw. Reime sein. 26 verhoffentlich] hoffentlich. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 575. 27 Gebaües] Gebäudes. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1652. 28 Vgl. o. S. 9, Anm. 1.
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Neue Vorreden zur Ausgabe 1652
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mit günstigen29 Augen und Händen von Jhrer Gnaden Christseligen Andenkenß auf = und angenommen worden. Wen Jch nun diseß Büchlein/ welcheß gleichsahm als eigenthümlich30 denen in GOtt hochwürdigen Herren Aebten zu S. Michael zustehet und angehöret/ Einen anderen als Eürer Gnaden Person solte zuschreiben/ würde ich meine Schüldigkeit und Gebühr gahr zu weit hindan setzen/ und hierin sehr unweislich handelen: Will demnach vielbesagtes 31 Werklein zufoderst 32 Eüer Gnaden/ nachgehends33 auch Eüren Gestreng: und Herligkeiten unterthäniger mahssen hiemit gantz und gahr für Eigen34 über= | geben/ und daß Selbiges/ so lange die Welt stehet/ Daß Jhrige heissen und verbleiben sol/ zierlichster mahssen bedinget 35 haben. Billich 36 überreiche Jch ja diseß Geistliche Buch führnehmen Geistlichen Herren/ welcher Eigenschaften so fürtreflich und gros sind/ daß Meine Feder sich viel zu schwach erkennet/ Selbige nach Jhren Würden zu beschreiben. Jch könte hier zwahr der gantzen Welt ohne einige 37 Liebkoserei sattsahm kund machen/ und für die Augen stellen/ welcher gestalt/ hochwürdiger Herr Abt/ gnädiger Herr/ Eüer Gnaden mit vielen/ sehr herlichen Tugenden von dem allerhöhesten begabet/ mit was grosser Geschikligkeit/ hohem Verstande/ rühmlicher Demuht/ freundlicher Leutseligkeit/ milder 38 Freigebigkeit/ tapferer Grosmühtigkeit/ reiffer Erfahrung/ und vielen anderen hochlöblichen Beschaffenheiten Sie für manchem grossen Prelaten in Teütschland gezieret; Wen Jch nicht fürchten müste/ daß die neidische Tugendfeinde/ Jhrem unchristlichem Gebrauche39 nach/ auch die blosse Wahrheit Selber zur Heüchlerinnen machen/ und das jenige/ waß alle ehrliche teütsche Gemühter nebenst Mir bejahen/ boshafter weise leugnen oder verneinen würden. Diseß alleß aber ungeachtet/ ist und bleibet doch Statt = Land= und Weltkündig 40 (Trotz sey dem bleichen Neid 41 und der verfluchten Misgunst hiemit von Mir kühnlich gebotten!) daß Eüre Hochwürde und Gnade/ die Mutter aller Christlichen Tugenden/ die wahre Gottesfurcht/ welche zu allen Dingen nütz ist/ und die Verheissung hat diseß gegenwertigen und deß zukünftigen ewigen Lebens 42/ von gantzer Seele libet/ und durch Jhren An = | triebd/ die Göttliche Ehre nebenst der Fohrtpfland Antrieb] Emendiert aus: AnAntrieb In Custode recte. 29 günstigen] wohlgesinnten. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 1127. 30 als eigenthümlich] als Eigentum. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 102. 31 vielbesagtes] oft erwähntes. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 162. 32 zufoderst] zuerst. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 888. 33 nachgehends] später. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 62. 34 für Eigen] als Eigentum. Zu ‚für‘ vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 625, zu ‚Eigen‘ vgl. DWb 3, Sp. 96. 35 bedinget] bestimmt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1233. 36 Billich] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 37 einige] irgendwelche. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 209. 38 milder] reichlicher. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2215. 39 Gebrauche] Gewohnheit. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1822. 40 Statt= Land= und Weltkündig] stadt-, land- und weltbekannt. Zu ‚stadtkundig‘ vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 476, zu ‚landkundig‘ DWb 12, Sp. 122, zu ‚weltkundig‘ DWb 28, Sp. 1620. 41 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 991. 42 1Tim 4,8
fol. )( 3v
fol. )( 4r
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fol. )( 4v
Anhang I
zung deß wahren Christenthums/ wie auch Jhrer untergebenen Leüte Heil und Wolfahrt zu befoderen 43/ Jhr äusserst angelegen sein lässet 44/ welcher Ruhm Eüer Gnaden/ so lange Jhr Gott diß Leben wird fristen/ auch nach deroselben seligen Hintritt 45 auß diser Welt/ beständig wird verbleiben. Hiezu komt noch diseß/ daß Jch billig in Einer frischen und unaußleschlichem Gedächtnisse 46 behalte die vielfältige Wolthaten/ welche Mir von dem Hause Bardleben schon viele Jahre hero 47 sind widerfahren. Den/ gleich wie daß hochlöbliche Geschlechte derer von Bardleben eines der allerältisten ist/ welche in gantz Teutschland werden gefunden: Also weichet eß auch keinem anderen an Tapferkeit 48/ Grosmühtigkeit/ Bescheidenheit/ Höfligkeit/ Freigebigkeit/ Klugheit und vielen anderen herlichen Tugenden/ mahssen49 Jch hievon Selber Ein unpartheiisches Zeügnisse kan geben/ als der Jch die Ehre gehabt/ Eüer Gnaden Herren Brüdere/ benantlich50 Herren Brand 51 und Herren Gerhart von Bardleben52 gottseligen Andänkens zu kennen/ von welchen der Erste dero königlichen Majestätt zu Dennemark/ Norwegen/ Herren Christian des Vierten53/ glorwürdigsten54 Andänkens/ wolbestelter 55/ und von höchstgedachter 56 Jhrer königlichen Majestätt sehr gelibter Obrister Lieütenant/ nachgehends 57 aber der Grafschafft Pinnenberg wolfürgesetzeter Droste gewesen/ und Zeit Seiner Regirung Ein solches Lob erworben/ daß diser trefliche Rittersman biß auf dise gegenwärtige Stunde nicht nur auf den Zungen/ sondern auch in den Hertzen hiesiger Unterthanen | annoch58 rühmlich lebet. Dennoch aber wolermelter 59 Herr Droste von Bardleben dise Welt alzu früezeitig gesegnet/ hat Seine hinterlassene hochadel. Frau Wittwe/ Fr. Elisabeth von Bardleben/ Ge-
43 befoderen] befördern. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 44 Jhr äusserst angelegen sein lässet] mit äußerstem Fleiß bestrebt ist. Zu ‚angelegen‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 345. 45 Hintritt] Abscheiden. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1527. 46 Gedächtnisse] Zu ‚Gedächtnis‘ als Femininum vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1927. 47 viele Jahre hero] seit vielen Jahren. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1121. 48 weichet eß Tapferkeit] steht es keinem anderen an Tapferkeit nach. Zu ‚weichen‘ vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 497. 49 mahssen] wie. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1737. 50 benantlich] namentlich. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1465. 51 Brand von Bardeleben (* 1589) war der Zwillingsbruder Gerhards von Bardeleben (zu ihm vgl. die folgende Anmerkung) und fungierte als Drost der Grafschaft Pinneberg. Genauere Angaben konnten bislang nicht ermittelt werden. Vgl. die Leichenpredigt auf Gerhard von Bardeleben von Heinrich Schwartz, S. 42. 52 Gerhard von Bardeleben (1589–1645) stand seit 1604 in den Diensten des Grafen von Oldenburg und Delmenhorst, zunächst als Page, dann als Hofjunker, seit 1622 als Kammerjunker und von 1637 an als Drost zu Neuenburg und Geheimrat. Vgl. die Leichenpredigt auf Gerhard von Bardeleben von Heinrich Schwartz, S. 42–52. 53 Christian IV. (1577–1648), seit 1593 König von Dänemark. Vgl. Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Bd. 4, S. 93–97. Zedler 5, Sp. 2215– 2218. 54 glorwürdigsten] ruhmvollsten. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 206. 55 wolbestelter] angesehener, mit einer guten (amtlichen) Bestallung versehener. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1100. 56 höchstgedachter] schon erwähnter höchster. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1634. 57 nachgehends] später. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 62. 58 annoch] immer noch. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 418. 59 wolermelter] oben genannter. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1109.
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bohrne von Wietersheim60/ Meine hochgeehrte Fr. Gevatterinn61 und sehr wehrte
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Freundin/ nachdeme Sie in unserem Flekken 62 Wedel Jhre Wohnung genommen/ und Mich Unwürdigen für Jhren Beichtvatter und Seelsorger erkohren/ Mir und den liben Meinigen alle mügliche Gunst/ Ehre und Freündschaft erwiesen/ woran eß auch Jhre wolgerahtene Kinder (von welchen Jch den Jüngsten Sohn/ als Junker Georg Ernst von Bardleben 63/ eine guhte Zeit in Meiner Zucht und Unterweisung gehabt) sonderlich aber Herr Christian von Bardleben 64/ Eüer Gnaden Vetter und deß Hauses zu S. Michael fürnehmer Conventual/ gahr nicht haben ermangelen lassen. Wie gahr höflich und leutselig der auch weiland 65 fürtreflicher Edelman/ H. Gerhart von Bardleben66/ hoch Gräfflicher Oldenburgischer Geheimer Raht und Droste zur Nienburg/ Eüer Gnaden hochgelibter Seliger Bruder Mir etliche mahl ist begegnet/ waß nützliche Unterredungen Er mit Meiner Weinigkeit 67 hieselbst gepflogen 68/ und wessen Er sich im teütschen 69 Vertrawen gegen Mir erbohten/ dasselbe werde Jch nicht vergessen/ so lange ein lebendiger Odem in Mir bleibet/ erwähne aber solches/ nur zu dem Ende 70/ dz Jch hiemit müge bezeügen/ wie gröslich 71 Jch verpflichtet sei/ dem hochlöblichen Hause derer von Bardleben/ sonderlich aber E. Hochw. und Gn. alle gehorsame angenehme Dienste zu erweisen: Demnach Jch aber/ in Betrachtung Meiner Schwachheit/ noch zur Zeit diselben nicht kan | leisten: So habe Jch inzwischen diseß von Mir erneürtes Büchlein Eüer Gnaden demühtigst zu überreichen/ Mich für diseß mahl erkühnen wollen. Schließlich nöhtiget Mich auch noch eine andere Schuld/ womit Jch den sämtlichen hochadelichen Herren Conventualen mehrwolgedachten72 Hauses S. Michaelis schon eine geraume Zeit hero bin verhaftet 73/ also/ daß Jch Mich nohtwendig74 unterstehen mus/ durch Uberreichung gegenwertigen Büchleins nur ein weinig75 Mich davon zu entfreien76/ und etlicher mahssen dankbahr zu bezeigen77. 60 Elisabeth von Bardeleben, geb. von Wietersheim, war die Ehefrau von Gerhard von Bardeleben (vgl. o. S. 462, Anm. 52). Nähere biographische Angaben konnten bislang nicht ermittelt werden. 61 Gevatterinn] hier im unspezifischen Gebrauch. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 4668. 62 Flekken] Ort. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1741. 63 Zu Georg Ernst von Bardeleben, einem Sohn Gerhards von Bardeleben (vgl. o. S. 462, Anm. 52), konnten nähere biographische Angaben bislang nicht ermittelt werden. 64 Vgl. o. S. 458, Anm. 7. 65 weiland] vormals. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 783. 66 Vgl. o. S. 462, Anm. 52. 67 Weinigkeit] Wenigkeit. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 39 f. 68 gepflogen] gepflegt hat. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1736. 69 teütschen] edlen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1045. 70 Ende] Zweck. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 476. 71 gröslich] sehr. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 554. 72 mehrwolgedachten] mehrfach erwähnten. Nicht bei Grimm, DWb. Zu ‚mehrgedacht‘ vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881, zu ‚wohlgedacht‘ vgl. DWb 30, Sp. 1123. 73 eine geraume Zeit hero bin verhaftet] seit geraumer Zeit verpflichtet bin. Zu ‚hero‘ vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1121, zu ‚verhaften‘ vgl. DWb 25, Sp. 505. 74 nohtwendig] notwendigerweise. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 958. 75 weinig] wenig. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 942. 76 entfreien] befreien. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 521. 77 bezeigen] erzeigen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1796.
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Den/ alß Jch für etwan78 dreien Jahren etlicher Verrichtungene halber/ Mich bis in den vierten Tag zu Lüneburg aufzuhalten war benöhtiget79/ haben E. WolEhrw. und hochedle Gestr. Mir/ in deroselben Hause zu S. Michael viele unverdiente Gnade/ Libe und Freündschaft erwiesen/ in dem f Herr Eberhart Grohte80/ als hochlöblicher Prior und Senior/ nebenst Herren Georg Friderich von Lenten81/ Ausreiteren 82/ und Herren Christian von Bardleben 83/ Conventualen und Administratoren, der Kapellen S. Benedikti/ Meinem sondersgeehrten 84 Günner 85/ und von vielen Jahren hero 86 wolbekantem wehrten Freünde/ in gegenwahrt deß WolEhrwürdigen und Hochgelehrten Herren Gottfried Sebastian Starken 87/ der heiligen Schrifft berühmten Doctorn/ Jhres treüfleissigen Seelenhirten/ Meines hochgeehrten Herren/ und in Christo hertzvielgelibten sehr wehrten Bruderen/ wie auch etlicher anderer fürnehmer vom Adel Meine weinige 88 Person auf daß allerfreündlichste bewihrtet/ mit anmutigen Gesprächen unterhalten/ Meinen begehren zu folge mich | allerhand feine/ seltzahme und merkenswürdige Sachen in ihrem uhralten Gotteshause sehen lassen/ Ja Sich dergestalt gegen Meine schlechte 89 Person bezeiget 90/ daß Jch nicht weiniger 91 Uhrsache habe Jhnen wegen so vielfältig erwiesenen Ehre und Freündschaft itz und ins künftige92 zu danken/ als Jch dazumahl Lust und Ergetzligkeit davon hatte/ diselbe würklich zu geniessen. Wen nun aber Hochwürdiger Herr Abt/ gnädiger Herr/ wie auch WolEhrwürdige/ HochEdle/ Gestrenge und Veste Herren/ Jch bißhero noch keine Gelegenheit gehabt/ für mehrgedachte93 empfangene hohe Wolthaten Meine unterthänige Schüldigkeit gebührender mahssen abzulegen: Alß94 habe negst 95 Eüer Hochwürden und Gnaden/ auch Eüren WolEhrwürden und HochEdlen Gestrengigkeiten Jch diseß geringe Büchlein gehohrsamst zueigenen/ und alß Ein kleines Pfand Meines Dienstschüldigsten Gemühtes nur so lange übergeben wollen/ biß ein anderes/ besseres und würdigers
e Verrichtungen] Emendiert aus: Verrichungen
f dem] Emendiert aus: denn
78 etwan] etwa. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1182. 79 benöhtiget] gezwungen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1474. 80 Vgl. o. S. 457, Anm. 2. 81 Vgl. o. S. 457, Anm. 3. 82 Vgl. o. S. 457, Anm. 4. 83 Vgl. o. S. 458, Anm. 7. 84 sondersgeehrten] besonders geehrten. Zu ‚sonders‘ vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1585. 85 Günner] Gönner. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 938. 86 von vielen Jahren hero] seit vielen Jahren. Zu ‚hero‘ vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1121. 87 Gottfried Sebastian Starck, geb. 1612, hatte 1642–1653 die erste Pfarrstelle an St. Michael in Lüneburg inne. Später wurde er Oberhofprediger in Freiberg in Sachsen. Vgl. Meyer, Pastoren II, S. 106. 88 weinige] geringe. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 36. 89 schlechte] schlichte. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 519. 90 bezeiget] erzeigt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1796. 91 weiniger] weniger. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 942. 92 ins künftige] in Zukunft. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2651. 93 mehrgedachte] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1881. 94 Alß] also. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 261. 95 negst] neben. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 133.
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(welches/ dafern der allerhöhester Mir noch eine zeitlang Mein Leben gnädigst wird erhalten/ nicht aussen bleiben96 sol) müge erfolgen. Gelanget demnach schlieslich an Eüre Hochwürde und Gnade/ den auch an Eüre WolEhrwürden und HochEdle Gestrengigkeiten Meine unterthänige demühtige Bitte/ Sie wollen gnädig und hochgünstig geruhen/ gegenwärtiges Büchlein von Jhrem gehohrsamsten Diener mit eben demselben Gemühte auf= und anzunehmen/ mit welchem Sie desselben Verfasser zu allen und jeden Zeiten gewogen und beigethan97 zu sein/ sind erfunden98 worden. | Der Grosse GOtt vom Himmel wolle Eüre Gnade und HochEdle Gestrengigkeiten mit den Flügelen Seiner Almacht und Barmhertzigkeit/ für allem Unfalle Leibes und der Seelen schützen und bewahren/ Sie mit geistlicher und leiblicher Freüde erfüllen/ hier in der Zeit gesegenen99/ dort aber in der Ewigkeit mit der unverwelcklichen Himmelskrohn zieren und schmükken100/ mit welchem/ aus dem innersten Grunde Meines Hertzen geschöpftem Wunsch Jch zu disem mahle schliesse/ Mich verpflichtend zu leben und zu sterben
Eüer Hochwürden und Gnaden/
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Geschriben zu Wedel am 30. Tage des April= len/ jm 1652. Jahre.
Als auch Eüer WolEhrwürden/ HochEdlen Ge= streng: und Herligkeiten
Unterthäniger gehohrsamster Diener
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Johann Rist. |
96 aussen bleiben] ausbleiben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1027. 97 beigethan] zugetan. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1405. 98 erfunden] befunden. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 798. 99 gesegenen] segnen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4015. 100 Vgl. 1Petr 5,4
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An
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Den Christlichen/ Teütschen
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und Auffrichtigen Leser.
C
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Hristlicher liber Leser/ Jch übergebe Dir hiemit abermahl Meine allererste Himlische Lider/ und zwahr diselbe aufs Neüe also zugerichtet/ daß Sie an unterschiedenen2 Ohrten gebessert/ nicht weinig3 in Jhren Reimzielen4 geändert/ die Lider aber alle in eine gantz andere und richtigere Ordnung gebracht/ wie solches mehrmahlen5 von Gottseligen frommen Christen/ auch fürtreflichen gelehrten Leuten ist gewünschet und begehret worden. Man sagt im alten Sprüchwohrte: Die letste Gedanken sind mehrentheils6 allezeit besser als die Erste7/ und der Eine Tag lehret den Andern8. Eben dasselbe erfahre auch Jch täglich/ in deme Jch dazumahl/ als Jch den Anfang gemachet dergleichen geistliche Lider auffzusetzen/ und heraus zu geben/ noch bei weiten nicht den Verstand noch das Absehen9 gehabt/ welche Mir durch Verleihung Göttlicher Gnade nunmehr die Zeit und reiffere Jahre haben gegeben/ wie den solches vernünftige Leüte ohne Mein erinneren leichlich10 können ermässen. Nun ist ja sehr viel daran gelegen/ daß in allen Dingen/ zufoderst 11 aber in Geistlichen Büchern und Schriften eine gewisse Ordnung werde gehalten/ welche gleichwol (die teütsche12 Wahrheit zu bekennen) anfänglich von Mir nicht so gahr sonderlich ist beachtet worden. Bei disem neüen Drukke aber wirstu/ vielgelibter Leser/ Eine viel andere und bessere Richtigkeit | finden/ angesehen13 Jch mehrgedachte14 Meine Himlische Lider ordentlich habe abgetheilet15/ und zwahr: Erstlich in Andächtige Fest= und Passionsgesänge/ Fürs Ander/ in Triumphirende Danklider der Heiligen Gottes Altes und Neüen Testamentes/ Fürs Dritte/ in Hochwichtige Betrachtungs-
1 Teütschen] edlen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1045. 2 unterschiedenen] unterschiedlichen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1753. 3 weinig] wenig. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 942. 4 Vgl. o. S. 460, Anm. 25. 5 mehrmahlen] mehrmals. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1897. 6 mehrentheils] größerenteils. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1893. 7 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 1394. 8 Sprichwörtlich. Vgl. Wander 4, Sp. 999. 9 Absehen] Absicht. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 114. 10 leichlich] leicht. Nicht bei Grimm, DWb. Vgl. aber DWb 20, Sp. 295. 11 zufoderst] besonders. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 888 f. 12 teütsche] edle. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1045. 13 angesehen] angesichts dessen, daß. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 349. 14 mehrgedachte] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881. 15 abgetheilet] gegliedert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 137.
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gesänge. Fürs Vierte/ in Christliche und Andächtige Behtgesänge/ und denn fürs Fünffte und Letste/ in hertzliche Lob= und Danklider/ sind auch zum Beschluß dises fünfften Theils hertzinnigliche Morgen= Abend= Tisch= und Reisegesänge zu finden. Dise neüe Ordnung wird nun verhoffentlich16 Einem jedweden Christlichen Hertzen nicht allein behäglich17/ sondern auch sehr nützlich sein/ zumahlen dem Werklein auch ein richtiger Blattweiser 18 nach Anfangsbuchstaben Eineß jedweden Lideß ist beigefüget/ daß also Selbige alsobald 19 sonder20 Mühe können aufgeschlagen und gefunden werden. Eß wird Sich zwahr der Christliche Leser nunmehr vieleicht zu bescheiden wissen21/ daß die meiste Neüe Himlische Lider meines Sonderbahren Buches22/ wie auch alle Gesänge der Sabbahtischen Seelenlust23 auf bekante/ und in unseren Evangelischen Kirchen gebräuchliche Melodeien können gesungen und gespielet werden/ damit Sich auch die jenige/ welche der Singekunst unerfahren/ solcher Lider desto besser können bedienen/ mahssen24 Jch hiemit gahr vielen/ unterschiedlichen Herren und guhten Freundena Berichte nach/ Einen sonders25 angenehmen Gefallen sol erzeiget haben. Mit diesen Ersten Lidern aber hat sichs also nicht wollen schikken26. Den/ ob gleich Jch für Meine Person auch in disen Lideren ein gleichmässiges27 wünschen möchte/ wie eß den auch von den Herren Verlegeren und anderen fürnehmen Leüten guhter Meinung28 ist begehret worden; So hat eß doch nachfolgender Uhrsachen halber nicht sein können. | Erstlich zwahr ist allen Liebhaberen der edlen Dicht = und Singekünste wol wissend29/ daß/ wen man dise Lieder auf bekante Melodeien oder Weisen wolte setzen/ so müsten auch alle Reimahrten gantz geändert/ folgends30 die Redensahrten dermahssen ümgekehret werden/ daß gantz andere/ neüe/ ja gleichsahm unbekante Lider daraus würden/ welches den eine gedoppelte31 Beschwehrlig-
a Freunden] Emendiert aus: Freunde 16 verhoffentlich] hoffentlich. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 575. 17 behäglich] behaglich. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1319. 18 Blattweiser] Register. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 81. 19 alsobald] alsbald. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 262. 20 sonder] ohne. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1573. 21 wird Sich zu bescheiden wissen] wird in der Lage sein, einzuräumen. Zu ‚bescheiden‘ vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1555. 22 Johann Rist: Neüer Himlischer Lieder Sonderbahres Buch . Lüneburg 1651. 23 Johann Rist: Sabbahtische Seelenlust/ Daß ist: Lehr= Trost= Vermahnung= und Warnungsreiche Lieder über alle Sontägliche Evangelien deß gantzen Jahres . Lüneburg 1651. 24 mahssen] wie. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1737. 25 sonders] besonders. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1585. 26 hat sichs also nicht wollen schikken] hat es sich nicht einrichten lassen. Zu ‚schicken‘ vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2644. 27 gleichmässiges] ähnliches. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp. 8163. 28 guhter Meinung] in guter Absicht. Zu ‚Meinung‘ vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1914 f. 29 wol wissend] wohlbekannt. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 772. 30 folgends] danach. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1880. 31 gedoppelte] doppelte. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 2031.
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keit würde veruhrsachen: Einmahl dem Verfasser/ deme eß viel müheseliger fallen würde/ dise Lider dergestalt zu änderen/ als gantz andere und Neüe zu setzen/ pflegt auch solche Arbeit ins gemein32 sehr schlecht zu gelingen. Darnach würde eß auch vielen frommen Christen und Liebhaberen diser himlischen Lider gahr übel gefallen/ wen Sie an statt derer Jhnen von langer Zeit hero33 bekanten/ aufs neüe gantz fremde und unbekante Gesänge solten lernen/ welches den nicht eines jedweden Gelegenheit34 zulässet. Fürß Ander/ so hat man auch darum unterlassen dise Lider zu änderen/ und auf solche Melodeien/ derer wir uns in den Evangelischen Kirchen gebrauchen35/ zu richten/ diweil dise gegenwertige Weisen nunmehr durch gantz Teütschland dermahssen bekant sind/ daß Sie auch von denen/ welche der Musik nicht eben kündig/ Ja so gahr von Weibespersonen/ Kinderen/ Knechten und Mägden gahr fein gesungen werden/ mahssen36 Jch eß Selber mehrmahlen37 unbekanter weise38 angehöret und Mich höchlich habe verwundert/ wie doch solche Leütlein/ welche deß künstlichen Singens gantz unwissend/ gleichwol solche theils schwehre Melodeien haben fassen oder behalten können? Jch wil hie nicht sagen/ wie von disen Lideren schon viele in etliche unserer Kirchen sind ingeführet 39/ woselbst Sie von gantzen Gemeinden einmühtig werden gesungen/ welches/ wen man mehrerwähnete40 Lider üm unserer gewöhnlichen und bekanten Melodeien willen geändert hette/ hiedurch gantz und gahr were aufgehaben41/ und unser fürnehmster Zwek/ (welcher bloß und allein diser ist/ daß deß | heiligen Göttlichen Nahmens Ehre befodert42/ und daß Christenthum unter den Menschenkinderen müglichster mahssen werde fohrtgepflantzet/ erbauet und gebessert) merklich würde verhindert werden. Drittens/ so mus auch Ein jedweder/ der die Singekunst auß ihrem Grunde verstehet/ nebenst Mir auffrichtig bekennen/ daß es immer Jammer und Schade were/ wen man dise herliche und süsklingende Melodeien/ deß fürtreflichen und weltberühmten Herren Johann Schopen43 solte zu rükke setzen44/ und an ihrer Stelle andere inführen45. Eß sind ja diseß grossen Künstlers sehr wolgesetzete Weisen bei Gelehrten und Ungelehrten durch unser gantzes Teütschland dermahssen lieb und angenehm/ daß eß daß grösseste Unrecht/ ja Eine scheltenswürdige Unbilligkeit were/ wen man diselbe von disen Lideren hinweg
32 ins gemein] im allgemeinen. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3220. 33 von langer Zeit hero] seit langer Zeit. Zu ‚hero‘ vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1121. 34 Gelegenheit] Situation. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 2945 f. 35 derer wir uns gebrauchen] die wir benutzen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1827. 36 mahssen] wie. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1737. 37 mehrmahlen] mehrmals. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1897. 38 unbekanter weise] incognito. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 298. 39 ingeführet] eingeführt. Nicht bei Grimm, DWb. 40 mehrerwähnete] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881. 41 aufgehaben] aufgehoben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 663. 42 befodert] befördert. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1267. 43 Vgl. o. S. 14, Anm. 4. 44 zu rükke setzen] unberücksichtigt lassen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 703. 45 inführen] einführen. Nicht bei Grimm, DWb.
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thun/ und unsere Teütsche Landesleüte Einer solchen herlichen Arbeit solte berauben. Meines Theils mus Jch aufrichtig bekennen/ daß dise deß hocherfahrnen Künstlers Herren Schopen/ übertrefliche46 Melodeien/ wen Jch Sie auf Orgelen/ Lauten/ Geigen und anderen Jnstrumenten mag spielen/ und den Text beweglichst darin singen hören/ Mir noch dise gegenwertige Stunde daß Hertz erfreüen/ und manche betrübte Gedanken/ die Mir meine gahr vielfältige/ vom leidigen Satan und desselben getreüen Dienstbohten angestiftete Widerwertigkeiten verursachen/ hinweg nehmen/ und demnach eß ja der allerhöhester GOtt also gefüget/ daß Herr Schop und desselben Dienstergebener Freünd Rist/ die/ Jhnen von GOTT verliehene Wissenschafften der Sing= und Dichtkünste zusammen bringen/ und Jhren Schöpfer mit Wohrten und Weisen für aller Welt zu loben und zu preisen nach Jhrem geringen Vermögen/ Sich unnachlässig sollen bemühen; So verbleiben Sie billig47 in solcher Arbeit und Freundschaft beständig verknüpft/ wie den unterschiedliche gelehrte Leute in Jhren | übergeschikten48 Lobgedichten an dieseß Paar Freunde gahr ahrtig hierauf haben gezielet/ von welcher Ehrengedichten Jch belibter Kürtze halber nur Ein einziges/ so Herr Johann Elfring49/ treüfleissiger Prediger zur Steinmarren und gekröhnter Poet/ Mein wehrter Freund und in Christo Bruder/ Mir unter anderen übersendet/ (welches Jch aber/ damit Jch nicht für ruhmsüchtig möge gehalten werden/ nicht verteütschen wollen) wil anhero setzen50/ welches also lautet: In Odas coelestes
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JOHANNIS RISTII, P O E TA E S UAV I S S I M I E T C E L E B E R R I M I , E T
JOHANNIS SCHOPII,
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M U S I C I A P U D H A M B U RG E N S E S A RT I F I C I O S I S S I M I . C e r n e r e v i s R e ge m c h o rd â m o d u l a n t e D AV I D E M ? 51 H u n c m o n s t ra n t R I S T I c o e l i c a m e t ra t i b i . V i s a u d i r e s i m u l M o d u l a m i n a d u l c i a A S A P H I ? 52 M u s i c a t e S C H O P I h a e c i n ge n i o s a d o c e t .
46 übertrefliche] sehr gute, vortreffliche. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 125. 47 billig] zu Recht. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 29. 48 übergeschikten] sehr geschickten. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 125. 49 Johann Elfring († 1657), seit 1632 Pastor in Steinmark (dem heutigen Döse bei Cuxhaven). Vgl. DBA I,277,11–13. 50 anhero setzen] hier hersetzen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 375. 51 Vgl. 1Sam 16,17–21 52 Vgl. 1Chr 15,19
fol. )( 8v
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Anhang I
Werden demnach/ die also genante David und Assaph im Namen GOttes mit Jhrer Arbeit in diesen/ vieleicht auch noch folgenden Liederen also fein beisammen/ und guhte Freünde bleiben. Endlich hat Sich auch noch Eine Uhrsache funden/ üm welcher willen Jch die Reimahrten nicht veränderen wollen/ dieweil ich nemlich unlängst mit sonderer53 Lust gesehen und gelesen/ welcher gestalt der hochgelehrte Dichter/ M. Tobias Peterman54/ der Schul zu Pirna wolbestalter55 und Ruhmswürdiger Regirer56 Mein sehr wehrter Freünd/ Einen guhten Theil diser Meiner Lider in die Latinische Sprache hat übergesetzet57/ und eben diselbe Reimahrten/ welche im Teütschen befindlich/ auch im Lateinischen hat behalten/ welches Werk/ so müheselig eß scheinet an = | gefangen zu sein/ so gahr wol ist eß abgangen58/ und würde es schwehrlich Ein Ander so glüklich/ als Er/ getroffen haben. Demnach aber dise Arbeit nicht weiniger59 zu Befoderung60 der Ehre Gottes/ in deme/ daß mehrgedachte61 H. Lieder auch fremden Völkern müchten62 bekant und so woll ausser als innerhalb Teütschland gesungen werden/ vom Herren Peterman63 ist angefangen; So will ich aus dem Ersten Theil/ welches wolgemelter64 Herr Peterman mir unlängst übersendet65/ nur ein paar Sätze deß Grabeliedes Christi zur Probe anhero setzen/ auß welchen der gelehrte Leser von den andern leichtlich wird urtheilen können. O Traurigkeit! H e u ! H e u d o l o r, Lu c t u s , l a b o r ! O Hertzeleid66! Jst daß nicht zu beklagen? Q u i s j u re n o n q u e ra t u r ? Unicus gnatus Dei Gott deß Vatters einigs Kind67 Pa t r i s , e n ! h u m a t u r. Wird ins Grab getragen?68
53 sonderer] besonderer. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1571. 54 Tobias Petermann († 1710), 1633 Promotion zum Magister der Philosophie in Leipzig, danach Rektor der Schule im sächsischen Pirna, seit 1669 Kantor der Fürstenschule in Grimma, später Rektor ebd. Vgl. DBA I,943,375–380. 55 wolbestalter] angesehener, mit einer guten (amtlichen) Bestallung versehener. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1100. 56 Regirer] Rektor. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 521. 57 übergesetzet] übersetzt. Nicht bei Grimm, DWb. 58 abgangen] verlaufen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 45 f. 59 weiniger] weniger. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. 60 Befoderung] Beförderung. Nicht bei Grimm, DWb. Zu ‚befodern‘ vgl. DWb 1, Sp. 1267. 61 mehrgedachte] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881. 62 müchten] möchten. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2450. 63 Vgl. o. Anm. 54. 64 wolgemelter] in würdigender Weise (bereits) erwähnter. Nicht bei Grimm, DWb. Vgl. aber DWb 12, Sp. 1994. 65 Es bleibt unklar, ob Petermann Rist eine handschriftliche oder eine gedruckte Fassung seiner Übersetzung der ‚Himmlischen Lieder‘ übersandt hat. Bibliographisch nachweisbar ist diesbezüglich nichts. Petermann hat auch eine deutsch-lateinische Ausgabe von Rists Werk ‚Der zu seinem allerheiligsten Leid†en und Sterben hingeführter Christus Jesus‘ (1655) sowie eine solche der ‚Neuen Himlischen Lieder‘ in zwei Teilen (1657/58) veranstaltet. 66 Jer 10,19 67 Vgl. Joh 1,14 68 Mt 27,60
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2. 2. O grosse Noht! Deus jacet Gott Selbst ligt Tod/ Heu! ipsemet: Pa l u s d e d i t n e c a t u m . Am kreütz ist Er gestorben69/ Hat dadurch das Himmelreich Hinc polum nobis licet O b t i n e re g ra t u m . Uns aus Lieb erworben70. Um weitläuffigkeit zu vermeiden/ mag Jch ein mehrers nicht hieher schreiben/ ist sonst bei den Anderen Liederen/ welche noch besser kommen/ mit Lust und Verwunderung zu lesen/ wie wol und geschiklich eß diser gelehrte Mann hiemit getroffen/ inmahssen71 solches zu Seiner zeit verständige Leüte nebenst72 Mir werden bekennen/ und daß Werck als Ein feines Meisterstük rühmen müssen. Schlieslich wird Mir bei Aenderung und Erneürung diser gegenwertigen Lieder noch eins fürgehalten/ das gleichwol die/ im vorigen Drukke unterschiedlich befindliche Zuschrifften und Vorreden/ viel guhtesb und nützli= | ches/ ia auch etwas/ der liben Jugend zu wissen/ nohtwendiges dinges in Sich begreiffen/ welches alles durch disen neüen Druk gäntzlich werde aufgehaben73 und zu nicht geringem Nachtheil der Liebhaber und Schüler unserer edlen Dichtkunst aussen gelassen74 und denselben vorsetzlich entzogen/ Ja daß auch diseß falles75 viele Mühe vergeblich von Mir zu der Zeit sei angewendet worden. Ja freilich/ aufrichtiger teütscher 76 Leser/ wird manches Blatt vergeblich geschrieben/ Jch leügne auch nicht/ daß in erwähneten Vorreden und übereignungsschriften etliche Sachen mügen gefunden werden/ welche von den Libhabern der Kunst so wol mit Lust als Nutzen bishero77 sind gelesen worden; Wisse aber/ daß alles daß jenige/ was in disen fünf Zuschriften und so vielen Vorreden zu besserer Erklährung Eines oder deß andern in unserer teütschen Dichtkunst kan nützen oder dienen/ nicht verlohren gehen/ sondern zu Seiner Zeit mit allem Fleisse von Mir zusammen gebracht und in Ein sonderbares78 Buch sol verzeichnet werden. Unterdessen bleibe dem Leser unverhalten79/ daß Jch etliche wichtige/ und Mir allein bekante Ursachen habe/ welche Mich gleichsahm haben genöhtiget/ mehrbesagte80 Zuschriften und Vorreden in die-
b viel guhtes] Emendiert aus: vielguhtes 69 Mt 27,50; vgl. Phil 2,8 70 Vgl. Joh 3,16; 15,13 71 inmahssen] so wie. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2122. 72 nebenst] mit. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 513. 73 aufgehaben] aufgehoben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 663. 74 aussen gelassen] ausgelassen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1028. 75 diseß falles] in diesem Fall. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1142. 76 teütscher] edler. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1045. 77 bishero] bisher. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 47. 78 sonderbares] eigenes. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1576. 79 unverhalten] nicht verschwiegen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 510. 80 mehrbesagte] mehrfach erwähnte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1881.
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sem neüen Drukke aussen zu lassen81/ welche Jch dir/ im Falle du es absonderlich wirst begehren/ in geheim wol werde vertrauen82. Sonsten habe Jch auch von denen/ dem Werke fürgesetzeten Ehrengedichtenc nur etliche weinige83 behalten/ dieweil solches so wol die gegenwertige Zeit/ als auch die Beschaffenheit dises Buches auf dises mahl erfodert. Jch werde aber ohne daß/ Meiner vertrauten Freund unnd Günner84/ die Mir aus guhtem Hertzen und Libe zur Kunst haben Glük gewünschet/ Zeit Meines Lebens mit Erweisung aller müglichen Dienste und schüldigster Dankbahrkeit wollingedenk85 verbleiben. Du aber/ fahre wol/ aufrichtiger teütscher86 Leser/ geden= | ke unser im besten/ lasse dir unseren angewendeten Fleiß gefallen und sei willig/ Gott für uns zu bitten. Versichere dich dagegen/ das du ebenmässige87 Libeswercke jederzeit von Mir solst zu gewahrten88 haben/ mahssen89 Jch unaussetzlich90 bin und verbleibe Dein Gebehts und Dienstw. So lange Jch heisse
Der Rüstige.
c fürgesetzeten Ehrengedichten] Emendiert aus: fürgesetzetenEhrengedichten 81 aussen zu lassen] auszulassen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1028. 82 vertrauen] anvertrauen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1949. 83 weinige] wenige. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1. 84 Günner] Gönner. Vgl. Grimm, DWb 8, Sp. 938. 85 wollingedenk] wohleingedenk. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1106. 86 teütscher] edler. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1045. 87 ebenmässige] gleiche. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 15. 88 gewahrten] erwarten. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 5342. 89 mahssen] weil. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1737. 90 unaussetzlich] immerfort. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 232.
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Rists Lieder und ihre literarischen Vorlagen Arndt, Paradiesgärtlein1 II, 13, S. 140–142 XIII. Betrachtung der Person die da ley= det/ vnd der Vrsachen deß Leydens JEsu Christi.
ACh mein Gott vnd mein HErr laß mich erkennen vnd bedencken die Person so vmb meinet willen gelitten.
Jst er nicht der eingebohrne Sohn Gottes/ daß allerliebste Kind Gottes/ wie ist Er denn dahin gegeben in einen so schmählichen Todt?
Jst Er nicht der/ von welchem der Vatter vom Himmel geruffen/ Diß ist mein lieber Sohn/ an welchem ich ein wolgefallen habe a/ wie muß Er denn jetzo seinen Zorn tragen?
Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 2 II. Christliche Betrachtung der Person/ die da leidet/ vnd der Vrsachen des bitteren Leydens vnd Sterbens vnseres HErrn JEsu Christi. O Grosser Gott ins HimmelsThron/ Hilff daß ich mög’ erkennen/ Wer doch gewesen die Person/ Vnd wie sie sey zu nennen/ Die hie für mich so ritterlich/ biß in jhr Grab gestritten Als sie den Todt erlitten. 2. Ach ist es nicht dein liebstes Hertz/ Dein Kind vnd Eingeborner/ Wie leydet denn so grossen Schmertz O Gott dein Außerkohrner/ Wie kan es seyn/ Daß solche Pein Dem Helden wird gegeben/ Der allen gibt das Leben? 3. Ja Vater ist er nicht der Mann Von dem du selbst gesaget: Er ist es/ der mich stillen kan/ Mein Sohn der mir behaget/ Wie muß denn er Jetzund so schwer Die Bürden auff sich nehmen Den Todt dadurch zu zähmen?
a Marginal: Matth. 3. 1 Die Wiedergabe der Texte aus Arndts Gebetbuch basiert auf der Ausgabe von 1625.
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Anhang I
Jst Er nicht der HErr der Herrligkeit?b Wie trägt Er denn jetzo solche Schmach? Jst Er nicht der aller Stärckeste/ Wie ist Er denn so schwach worden/ daß Er sich hat Creutzigen lassen? Jst Er nicht ein ewiger allmächtiger Gottc/ wie leidet Er denn solche vnaußsprechliche Noht?
Jst Er nicht das vnbefleckte vnd vnschuldige Lamb Gottesd/ vnd wird zu einer solchen Blutigen Schlachtbanck geführt? Ach der zarte Leib/ der heilige vnd vnbefleckte Leib/ wie ist Er verwundet/ Ach die heiligen Hände/ damit Er vns segnet/ Ach die heilige Füsse/ die auff dem Wege deß Friedes gewandelt/ wie sind die durchgraben? Ach der holdselige Mund vnd Rosinfarbe Lippen/ wie seind sie erbleichet? Ach sein heiliges Ehrwürdiges Haupt/ wie ist es mit Dornen zurissen/
Ach sein liebreiches Hertz/ wie hat Er vns dasselb durch seine eröffnete Seiten gezeigt/ Ach das heilige/ reine/ zarte Hertzenblut/ daß auß seiner Seiten geflossen/ wasche mich von allen Sünden/
Ach seine freundliche Augen die klarer seind denn die Sonne/ wie sind sie so verdunckelt? Wie sehen sie so kläglich? b Marginal: 1. Corinth. 2.
4. Jst er nicht selbst die Herrligkeit Vnd wird dennoch verspeyet/ Ja ist er nicht ein Held im Streit’ Vnd wird so leicht zerstrewet/ Jst er nicht Gott Vnd leidet Spott/ Jst er nicht sonder Schulden Vnd muß den Todt erdulden? 5. O frommes/ vnbeflecktes Lamm O schönster Mensch auff Erden/ O Manna/ das vom Himmel kam/ Du must geopffert werden/ Dein Händ’ vnd Füss’ Als die so süss’ Am letzten End’ vns laben Die werden gantz durchgraben. 6. Dein würdig Häupt/ O Gottes Sohn Das wir mit Zittern ehren/ Bedecket eine Stachel=Kron Dein Elend zu vermehren/ Dein trewer Mund/ Der Warheit Grund/ Die rosenfarbe Lippen Sind bleicher als die Klippen. 7. O grosse Lieb’! jtzt seh’ ich recht Die Wund in deiner Seiten/ Dadurch du wilt mir armen Knecht’ Ein ewigs Reich bereiten Diß Hertzen=Blut/ Das hohe Gut/ Deßgleichen nicht zu finden Befreyet mich von Sünden. 8. Dein’ Augen voller Freundligkeit Der Menschen Lust vnd Wonne/ Die klärer waren vor der Zeit
c Marginal: Hebr. 1. d Marginal: 1. Petr. 1.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Als die so klare Sonne/ Die andren sich Nun jämmerlich/ Die schönsten Liechter schwellen Von lautren Thränen=Quellen. wie rinnen sie mit Wasser als die Threnenquellen vnd Liebebrünnlein/ ist doch alles kläglich vnd jämerlich was man an jhm siehet/ Ach Er ist so gar zuschlagen/ daß nichts gesundes ist an seinem Leibe/ das seind die Straffen vnd Plagen meiner Sünden/ meine Missethat hat jhn so verwundet/ O deß grossen Geheimniß? O der grossen Liebe/ daß meine Sünde an dem allerheiligsten Leibe Christi gestrafft worden/ Ja durch ein solch heilig Opffer mußte ich versöhnet werde/ der Heilige trägt meine Vnheiligkeit/ der Gerechte meine Vngerechtigkeit/ der Fromme trägt meine Boßheit/ der Vnschuldige trägt meine Schuldt/ der HErr gibt sich hin für seinen Knechten/ der Sohn Gottes für die Menschenkinder/ der König der Ehren legt auff sich vnser Schmach/ Gott gibt sich hin für sein Geschöpff/ der Erlöser für die Gefangene/ der aller Welt Gott ist für die verlohrnen/ der gesegnete/
Ja der Segen selbst gibt sich hin für die Verfluchte/ der Selige für die Verdampten/ das Leben für die Todten/ Jch hab gesündiget/ was hat diß vnschuldige Lämlein gethan/ Jch bin Gottloß gewest/ was hat dieser Gerechte mißhandelt. Ach HErr du bist vmb meiner Hoffart willen gedemütiget/ vmb meines Vngehorsams willen gegeisselt/ vmb meiner Wollust willen/ voll schmertzen vnd Wunden geschla-
9. Sie rinnen wie ein Wasserfluß Auff die zuschlagne Glieder/ Sie fallen wie ein Regen=Guß Die zarten Wangen nieder/ Ach! nichts ist hie Als Angst vnd Müh’/ Es wird mit tausend Plagen Der schönste Leib zuschlagen. 10. Du trägst die Straffen meiner Schuld’ Vnd schweren Missethaten/ Ja lässest dich aus lauter Huld’ Am Pfal des Creutzes braten/ Das that die Lieb’ HErr/ die dich trieb Die Sünder aus dem Rachen Der Hellen frey zu machen. 11. O Wunderwerck! der herrlich ist Nimpt auff sich vnser Schande/ Der keusch/ gerecht/ vnd sonder List Gepriesen wird im Lande/ Trägt mit Gedult/ Gantz frembde Schuld/ Ja hat sein eignes Leben Für vnsers hin gegeben. 12. Wie niedrig bist du worden HErr Vmb vnsrer Hoffart willen/ Dein Geißlen/ Marter vnd Beschwer Must’ vnsre Frechheit stillen/ Nur vnsre Lust/ Der Sünden Wust Gebaren deinem Hertzen O Heyland/ so viel Schmertzen.
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gen e/ Jch hab den Todt verdienet/ vnd du must sterben/ Jch war verkaufft durch die Sünde f/ vnd du bist mein Lösegelt worden/ vnd hast geleistet die allerhöchste Bezahlung für meine Sünde g.
13. Jch bin HErr Jesu gantz verflucht/ Du aber bist der Segen/ Noch hat der Segen mich gesucht Auff gar verfluchten Wegen/ Jch hab’ allein Die Höchste Pein Mit Sünden wol verdienet/ Du hast mich außgesühnet. 14. Jch war verkaufft zur Hellengluth Vmb so viel böser Thaten/ Da wust’ allein dein göttlichs Blut Jn solcher Noth zu rathen/ Der thewre Schatz/ Behielt den Platz/ Der Sathan muste weichen/ Sünd’/ Hell’ vnd Todt deßgleichen.
Ach mein HErr JEsu wie köndte eine Sünde so groß sein/ die nicht mit diesem allerthewresten Schatz solte bezahlet sein? Wie könte eine Vbelthat so grewlich sein/ die nicht durch solche grosse Schmach/ Schmertzen vnd Pein solte gebüsset sein? Wie könte der Sünden so viel sein/ die nicht durch so einen grossen Gehorsam/ hohe Gedult/ grosse Sanfftmut vnnd tieffe Demut dieser heiligen hohen Person/ solte hinweg genommen sein? Ach mein Gott/ wie kan dein Zorn so groß sein/daß er durch solchen Gehorsam/ durch solch trawern/ zittern vnd zagen/ Blutigen Schweiß vnd bittern Todt nicht solle versöhnet sein. Darumb sey mir O Gott gnädig/ vnd siehe nicht an meine Sünde/ vnd nimb mich zu gnaden an/ vnd laß mich deß thewren Blutvergiessens deines lieben Sohns JEsu Christi ewiglich geniessen/ Amen.
15. Nun höret auff des Höchsten Rach’ Es ist sein Zorn gestillet Durch so viel schmertzen Pein vnd schmach/ Nun ist die Schrifft erfüllet: Des HErren Todt Hat nun die Noth Auff Erden weggenommen/ Der Fried’ ist wieder kommen.
16. Herr Jesu nimb mich gnädig an/ Vertilg in mir die Sünde/ Die ich nicht gantz ertödten kan/ Wie leyder ich befinde: Eins bitt ich dich/ Herr lasse mich Dein thewres Blutvergiessen Biß in mein Grab geniessen.
e Marginal: Esa. 52. (Erratum). Recte: Jes 53,4 f. f Marginal: Rom. 7. g Marginal: 1. Timoth. 2.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Spee, Ausserlesene, catholische, geistliche Kirchengesänge, S. 357
O Trawrigkeit/ O Hertzenleidt/ Jst das dann nicht zu klagen/ Gottes Vatters einigs Kind/ Wird zum Grab getragen.
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Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 3, Str. 1 Klägliches Grab=Lied/ Vber die trawrige Begräbnisse vnseres Hey= landes JEsu Christi/ am stillen Freytage zu singen. O Trawrigkeit! O Hertzeleid! ist das nicht zu beklagen/ Gott des Vaters einigs Kind/ wird ins Grab getragen.
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Anhang I
Arndt, Paradiesgärtlein II, 17, S. 153–156 XVII. Dancksagung für die sieghaffte Aufferstehung JEsu Christi/ vnd für die Frucht derselben. HErr JEsu Christe du starcker Löwe vom Stamm Juda a/ du vnvberwündlicher Held/ du mächtiger Sigs=Fürst/ du starcker Simson/ du Sündentilger/
vberwünder deß Todtes/ du Schlangentreter vnd zustörer der Höllen/
Jch sage dir hertzlichen danck/ für deine sieghaffte fröliche Aufferstehung/ dadurch du dem Todte die Macht genommen/ vnd ein ewiges vnvergängliches Wesen wider ans Liecht bracht b/ du hast dich bewiesen als ein Allmächtiger HErr/ der da hat die Schlüssel der Höllen vnd deß Todtes/ der da auffschleußt vnd niemandt zuschleußt: Du warest todt/ vnd siehe nun lebest von Ewigkeit zu Ewigkeit c/ du hast dein Volck vom Todte errettet/ vnd auß der Höllen erlöset d/
Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 4 IV. Frewdenreiche Dancksagung. Für die sieghaffte Aufferstehung Jesu Christi vnd deroselben herrliche Früchte. LAsset vns den Herren preisen/ O jhr Christen überall/ Kommet daß wir Danck erweisen/ vnserm Gott mit süssem schall/ Es ist frey von Todesbanden Simson der vom Himmel kam/ vnd der Lew’ aus Juda Stamm Christus Jesus ist erstanden/ Nun ist hin der lange Streit/ Frewe dich O Christenheit 2. Christus selbst hat überwunden Des ergrimten Todes Macht/ Der in Tüchern lag gebunden Hat die Schlange vmbgebracht/ Satans Reich ist gantz verheeret/ Christus hat es nach der Ruh’ Außgetilget vnd dazu Belials sein Schloß zerstöret/ Daß wir haben frey Geleit/ Frewe dich O Christenheit. 3. Warest du/ O Held gestorben/ Warest du ins Grab gelegt? Ey du bliebest vnverdorben/ Da sich nur die Erd’ erregt Bist du aus der Hölen kommen/ Hast das Leben vnd die Macht Aus der Grufft herwiederbracht Vnd des Todes Raub genommen/ Schenckest vns die Seligkeit/ Frewe dich O Christenheit.
a Marginal: Apocal. 5. b Marginal: 2. Timoth. 1. c Marginal: Apocal. 1. d Marginal: Ose. 13.
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Rists Lieder und ihre Vorlagen
Todt wo ist dein Stachel/ Höll wo ist dein Siege/ Dir sey danck/ daß du vns den Sieg gegeben hast/ du bist dem Todt eine Gifft gewesen/ vnd der Höllen eine Pestilentz/ du hast den Todt verschlungen ewiglich/ vnd alle vnser Thränen von vnsern Augen abgewischet.
Kompt laßt vns zum HErren gehen/ Er hat vns geschlagen/ Er wird vns wider verbinden/ Er hat vns verwundet/ Er wird vns wider heilen/ Er wird vns wider auffrichten nach dreyen Tagen/ Er wird vns lebendig machen nach dreyen Tagen/ daß wir für jhm leben werdenf/ darumb frewet sich mein Hertz vnd meine Ehre ist frölichg/ denn Gott hat seine Seele nicht in der Höllen gelassen/ vnd nicht zugeben/ daß sein Heiliger die Verwesung sehe h/ du bist eine kleine zeit von Gott verlassen gewest/ Aber nuhn mit Ehren vnd Schmuck gekröneti/ du bist auß der Angst vnd Gericht hinweg gerissen/ wer will deines Lebens lenge außredenj/ Der Stein den die Bawleute verworffen haben/ ist zum Eckstein worden/ vnd das ist vom HErrn geschehen/ vnd ist ein wunder für vnsern Augen/ Man singet mit frewden in den Hütten der Gerechten/ die rechte Hand deß HErrn ist erhöhet/ die rechte Hand deß HErrn behelt den Sieg/ Jch werde nicht sterben/ sondern leben/ vnd deß HErrn Weg verkündigenk/
4. Todt/ wo sind nun deine Waffen/ Helle/ wo ist dein Triumph? Satan konte gar nichts schaffen/ Seine Pfeile wurden stumpff/ Christus ist sein Gifft gewesen Ja der Hellen Seuch’ vnd Pest/ Welt vnd Sünde ligen fest Vnd wir Menschen sind genesen Nur durch seinen tapffren Streit Frewe dich O Christenheit. 5. Gott der heilet vnsre Plagen Wenn wir nirgend Hülffe sehn/ Lässet vns nach dreyen Tagen Lebend wiedrumb aufferstehn/ Darumb muß ich danckbar werden Vnd mein’ Ehr’ ist Frewden voll. Weil der Herr nicht sehen sol Die Verwesung in der Erden Noch der Hölen Einsamkeit/ Frewe dich O Christenheit.
6. Er ist aus der Angst gerissen Vnd mit Ehren angethan/ Wer ist/ der sein Leben wissen Vnd die läng’ außreden kan? Christus ist der Eckstein worden/ GOtt/ das ist von dir geschehn/ Wie wir jetzt für Augen sehn/ Wir sind aus der Sünder Orden Hingerissen durch den Streit/ Frewe dich O Christenheit.
e Marginal: 1. Corinth. 2. (Erratum). Recte: 1Kor 15,55 f Marginal: Ose. 6. Psalm. 16. h Marginal: Psalm. 16. i Marginal: Psalm. 8. j Marginal: Esa. 53. Psalm. 118.
g Marginal: k Marginal:
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Anhang I
du hast getruncken vom Bach auff dem Wege/ darumb hastu dein Haupt empor gehobenl/ Du bist warhafftig die Aufferstehung vnd das Leben/ wer an dich glaubet wird leben/ ob er gleich stirbt/ du bist der Glaubigen Leben/ darumb können sie nimmermehr sterbenm/ denn du/ jhr Leben stirbest nicht/ Darumb können sie jhr Leben nicht verlieren.
7. Hast du schon vom Bach’ am Wege Angenommen einen Tranck Vnd erlitten tausend Schläge/ Warest kräncker noch als kranck; Ey/ so hast du doch erhoben Dein verklärtes Angesicht/ Stirbest nun vnd nimmer nicht/ Ja wir werden ewig loben Dich Herr Jesu nach dem Streit/ Frewe dich O Christenheit.
Ach mein HErr/ du bist herfür gebrochen wie die schöne Morgenröhten/ Majestätischer weise bistu aufferstanden in einem Erdbeben/ deine heilige Engel eröffnen/ vnd zeigen vns das Grab/ vnd sagen: Was suchet jhr den Lebendigen bey den Todteno/ kompt her/ sehet die stette/ da der HErr gelegen/ Ach welche schöne fleißige Kammerdiener seind vmb dein Grab her/ die heiligen Wächter/ die auff jhren HErrn warten wenn er auffstehet: Ach freundlicher HErr du erscheinest den grossen Sündern Mariae Magdalenae vnd Petro/ vnd sprichst: Gehe hin vnd sage meinen Brüdern/ ich fahre auff zu meinem Vatter vnd zu ewrem Vatter/ zu meinem Gott vnd zu ewrem Gott p/ du wirst ein Pilgram in Emaus/ vnd legst deinen betrübten Jüngern alle Schrifft auß/ du kompst zu den Aposteln im verschlossenen Hauß/ zeigest jhnen Hände vnd Füsse/ deine Seiten vnd Wundenmahl/ vnnd heilest damit die Wunden jhres Vnglaubens/ Jssest mit jhnen auß Liebe/ zum Zeugnis daß du warhafftig lebest q/ auff daß du sie speisest mit den Früchten deiner Aufferstehung/ denn du theilest dieselben Früchte auß durch deinen ewigen Friede/ welcher alle Himlische Güter
8. Herr/ diß sind die edlen Früchte Die dein’ Aufferstehung gibt: Daß wir tretten für Gerichte/ Gantz in deine Gunst verliebt:
l Marginal: Psalm. 110. m Marginal: Johann. 11. n Marginal: Ose. 6. o Marginal: Luc. 24. p Marginal: Joann. 20. q Marginal: Luc. 24.
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Rists Lieder und ihre Vorlagen
in sich begreifft/ Gottes Hulde vnd Gnade/ vergebung der Sünden/ Gerechtigkeit/ Sieg/ Trost/ Ewige Frewde/ Ewiges Leben/ dagegen erweisestu das Sünde/ Todt/ Teuffel/ Zorn/ Fluch/ Hölle vnnd Verdamnis vberwunden vnd hinweg sein/ sonst köndte kein Friede zu vns kommen/ O lieblicher/ holdseliger/ tröstlicher/ lebendiger ewiger Friede/ du edle Frucht der Aufferstehung JEsu Christi/ komm in mein Hertz/ erfrewe meine Seele/ denn vber diesem Friede wird man sich frewen/ wie man sich frewet in der Erndte/ wie man frölich ist wenn man Beute außtheilet r. Du mein HErr Christe hast als ein Siegsfürst nach erhaltenem Sieg die rechte Beute der Vnsterbligkeit außgetheilet/ die schönen Fewerkleider der Verklärung/ wie Simson in seiner Hochzeit da er die Philister schlug s. Laß vns auch O HERR mit dir durch wahre Busse Geistlich aufferstehen/ laß vns theil haben an der ersten Aufferstehung/ auff daß der ander Todt an vns nicht macht habe/ Stehe du in vns auff/ Lebe du in vns/ Siege vnd vberwünde in vns die Welt t/ Sünde/ Todt/ Teuffel vnd Hölle/ tröste vnsere Seele in Angst vnd Trawrigkeit durch dein Wort vnd Geist deß Friedes. Erwecke auch am jüngsten Tage/ durch krafft deiner Aufferstehung meinen Leib zum ewigen Leben. Jm Grab lig ich ohn alle klag/ vnd schlaffe biß an den jüngsten Tag/ denn wirstu ja mein Grab entdecken/ vnd mich zur ewigen Frewd erwecken/ da wirstu sagen: wacht auff vnd rühmet die jhr schlafft vnter der Erden/ denn mein taw ist ein taw eines grünen Feldesu.
Herr/ diß sind die schönen Gaben/ Gnad’ vnd Leben/ Frewd’ vnd Sieg/ Trost vnd Friede nach dem Krieg’/ O die sollen kräfftig laben Leib vnd Seel’ in allem Leyd/ Frewe dich O Christenheit. 9. Weil nach diesem Fried’ ich dürste Wie nach Wasser Tag vnd Nacht/ Den du grosser Krieges=Fürste Durch den Kampff hast wiederbracht/ Ey so theil jtzt aus die Beute Wie der starcke Simson that/ Als er überwunden hat: Laß dich rühmen alle Leute Daß geendigt sey der Streit/ Frewe dich O Christenheit.
10. Gib Herr Jesu deine Gnade/ Daß wir stets mit Rewen sehn Wie so groß sey vnser Schade Daß wir dir gleich aufferstehn/ Brich herfür in vnsern Hertzen/ Vberwinde Sünde Todt Teuffel/ Welt vnd Hellen=Noth Dämpff in vns die Angst vnd Schmertzen Sampt der Seelen Trawrigkeit/ Frewe dich O Christenheit. 11. Meinen Leib wird man vergraben Aber gleichwol ewig nicht/ Bald werd ich das Leben haben/ Wenn das letzte Welt=Gericht Alle Graber wird entdecken/ Vnd der Engel Feld=Geschrey Zeiget/ was vorhanden sey/ Denn wird mich mein Gott auffwecken Vnd beschliessen all mein Leyd/ Frewe dich O Christenheit.
r Marginal: Esa. 9. s Marginal: Jud. 14. t Marginal: Apocal. 2.
u Marginal: Esa. 26.
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Anhang I
Als denn wird mein nichtiger verweßlicher/ sterblicher Leib/ anziehen Vnverweßligkeit/ Vnsterbligkeitv/ Krafft vnd Ehre/ vnd wird ehnlich sein deinem verklärten Leibew/ denn vnser Leben ist in dir verborgen/ wenn dir aber vnser Leben wird offenbar werden/ so werden wir auch mit dir offenbar werden in der Herrligkeitx.
v Marginal: 1. Corinth. 15 Coloss. 3.
12. Denn so werden meine Glieder/ Die jetzt Staub vnd Asche seyn Vnverweßlich leben wieder Vnd erlangen solchen Schein/ Dessen gleichen hie auff Erden Nimmermehr zu finden ist/ Ja mein Leib Herr Jesu Christ Sol dem deinen ehnlich werden Voller Pracht vnd Herrligkeit/ Frewe dich O Christenheit.
w Marginal: Philipp. 4. (Erratum). Recte: Phil 3,21 x Marginal:
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Arndt, Paradiesgärtlein II, 23, S. 168–170 XXIII. Dancksagung für die fröliche Him= melfahrt JEsu Christi.
HERR JEsu Christe/ du Allmächtiger Siegsfürst/ der du dich durch deine sieghaffte vnd fröliche Himmelfahrt gesetzt hast zur Rechten der Majestät vnd krafft Gottes/ vnd alle deine Feinde gelegt zum Schemel deiner Füssea/
Nemblich die Sünde/ Todt/ Teuffel/ Höll vnd die Welt/ wie soll ich diesen Triumph/ diesen Sieg/ diese Herrligkeit/ diesen deinen hohen Namen genugsam vnd würdiglich rühmen vnd preisen.
Denn nach dem du gemacht hast die Reinigung vnser Sünde durch dich selbst/ hastu dich in den Himmel gesetzt/ zur Rechten der Majestät Gottes/ so viel besser worden denn die Engel/ so viel gar einen höhern Namen du für jhnen ererbet hast/ denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: Setze dich zu meiner Rechtenb/ dein Himlischer Vatter hat dir alles vnter deine Füsse gethanc/ nichts außgenommen denn sich selbst/ du hast dir vnterthan gemacht die Engel/ die Gewaltigen/ die Fürstenthumb vnd die kräffted/ auch hastu
a Marginal: Psalm. 110. b Marginal: Hebr. 1.
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Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 5 V. Danck=Lied Für die fröliche Himmelfahrt vnseres Triumphi= renden Sieges=Fürsten DV LebensFürst HErr Jesu Christ/ Der du bist auffgenommen gen Himmel da dein Vater ist/ Vnd die Gemein der Frommen/ Wie sol ich deinen grossen Sieg/ den du vns durch den schweren Krieg/ erworben hast recht preisen/ vnd dir gnug Ehr’ erweisen? 2. Du hast die Hell’ vnd Sünden=Noth Gantz ritterlich bezwungen/ Du hast den Teufel/ Welt vnd Todt Durch deinen Todt verdrungen/ Du hast gesieget weit vnd breit/ Wie sol ich solche Herrligkeit O HErr in diesem Leben Gnug würdiglich erheben? 3. Du hast dich zu der rechten Hand Des Vaters hin gesetzet/ Der alles dir hat zugewandt/ Nach dem du vnverletzet Die starcken Feind’ hast vmbgebracht/ Triumph vnd Sieg daraus gemacht Vnd sie auff deinem Wagen Gantz herrlich schaw getragen. 4. Nun liget alles vnter dir Dich selbst nur außgenommen/ Die Engel müssen für vnd für Dir auffzuwarten kommen/ Die Fürsten stehn auch auff der Bahn
c Marginal: Psalm. 8. d Marginal: 1. Petr. 3.
484
Anhang I
in disem herrlichen sighafften Triumph/ außgezogen die höllische Fürstenthumb/ vnd Gewaltige/ sie offentlich schaw getragen/ vnd einen Triumph auß jhnen gemacht e/ durch dich selbst/ du starcker Gott fährest auff mit jauchtzen/ vnd der HErr mit heller Posaunen/ Lobsinget vnserm Gott/ Lobsinget jhm klüglich f/ der Wagen Gottes ist viel tausentmahl tausent/
Vnd sind dir willig vnterthan/ Lufft/ Wasser/ Fewr vnd Erden Muß dir zu Dienste werden.
5. Du starcker Herrscher fährest auff Mit Jauchtzen vnd Lobsagen/ Vnd gleich mit dir in vollem Lauff’ Auch mehr denn tausend Wagen/ Du fährest auff mit Lobgesang’/ Es schallet der Posaunen Klang/ Mein Gott/ für allen Dingen Wil ich dir auch lobsingen.
du bist auffgefahren in die Höhe/ vnd das Gefängniß gefangen geführt. Du hast Gaben empfangen für die Menscheng/ du bist erhöhet vber alle Engel vnd Fürstenthumb/ vber alle Gewalt vnd Macht/ vnnd vber alles das in dieser vnd jener Welt mag genennet werden/
6. Du bist gefahren in die Höh’ Hinführend die Gefangen So vns mit Thränen/ Ach vnd Weh Genetzet offt die Wangen/ Drumb preisen wir mit süssem Schall’ O starcker Gott dich überall/ Wir/ die wir so viel Gaben Hiedurch empfangen haben.
Gott hat dich zum Haupt gesetzt deiner Gemeineh/ die da ist dein Leib vnd die fülle/ daß der alles in allem erfülleti. Du bis vnser ewiges einiges Haupt/ der seinen Leib vnd seine Glieder/ mit Leben/ Liecht/ Trost/ Krafft/ Stärcke/ Sieg/ Friede vnnd Frewde erfüllet:
7. Du bist das Häupt in der Gemein’ Vnd wir sind deine Glider/ Drumb wirst du vnser Schutz ja seyn/ Wir dienen dir hinwieder/ Du stärckest vns mit Trost’ vnd Liecht/ Wenn vns für Angst das Hertz zerbricht/ Dann kanst du Krafft vnd Leben Ja Fried’ vnd Frewde geben.
Du bist vnser ewiger Hoherpriester j. Salbest vns mit deinem heiligen Geist/ gibst Evangelisten/ Apostel/ Propheten/ Hirten vnd Lehrer/ auff daß dein Geistlicher Leib erbawet werde. Ach sende solche Bawleute/ die du mit dem Geist der Weißheit e Marginal: Coloss. 2. f Marginal: Psalm. 47. i Marginal: Ephes. 1. j Marginal: Psalm. 110.
8. Du salbest vns mit deinem Geist’ Vnd gibst getrewe Hirten/ Die Lehrer/ so vns allermeist Mit Himmels=Brodt bewirthen/ Du HoherPriester zeigest an/ Wie nichts als du vns retten kan g Marginal: Psalm. 68. h Marginal: Ephes. 1.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
vnnd Verstandes erfüllet hast. Du hast ein ewig Hohespriesterthumb/ darumb kanst du allzeit Selig machen/ Gebet erhören/ die zu dir kommenk/ vnd zu dir ruffen. Du hast vns durch deine Himmelfahrt den Weg gezeiget/ den Himmel vnd Paradiß eröffnet/ vnd die stätte im Himmel bereitetl.
Weil du nuhn als vnser Haupt im Himmel bist/ so werden auch gewiß deine Glieder nicht draussen bleiben/ du wirst vns alle nachholen/ auff daß wir sein wo du bist/ daß wir deine Herrligkeit sehen/ dadurch ist vnser selige Hoffnung bestetiget/ daß wir gewiß zu dir kommen werden/ dadurch ist vnser Gerechtigkeit bekräfftiget/ denn darumb erscheinestu für deinem Himlischen Vatter/ zum zeugniß daß du durch dein Blut ins Allerheiligste eingangen bist/ vnnd eine ewige Erlösung erfundenm/ vnd die ewige Gerechtigkeit wider gebracht hast. Zeug vns nach dir das wir mit vnser Gemütern/ bey dir im Himlischen Wesen vnd Leben wandeln vnd wohnen mögen/
k Marginal: Hebr. 7.
l Marginal: Johann. 14.
Vnd aus der Hellen Rachen Vns frey vnd ledigmachen
9. Du hast durch deine Himmelfahrt Die Strassen vns bereitet/ Du hast den Weg vns offenbahrt Der vns zum Vater leitet/ Vnd weil denn du HErr Jesu Christ Nun stets in deiner Wonne bist/ So werden ja die Frommen Dahin auch zu dir kommen. 10. Jst vnser Haupt im Himmelreich’ Als die Aposteln schreiben/ So werden wir/ den Englen gleich Ja nicht heraussen bleiben/ Du wirst vns deine Gliederlein Mein Gott nicht lassen von dir seyn/ Die jhnen fest getrawen Dein’ Herrligkeit zu schawen.
11. Herr Jesu/ zieh vns für vnd für Daß wir mit den Gemühtern Nur oben wohnen stets bey dir Jn außerwehlten Gütern/ Lass’ vnsern Sitz vnd Wandel seyn Wo Fried’ vnd Warheit gehn herein/ Lass’ vns in deinem Wesen/ Das himlisch ist/ genesen.
m Marginal: Hebr. 9.
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486
Anhang I
daß wir auch allda vnser Hertz haben da vnser Schatz istn/ vnd suchen was droben vnd nicht was drunten isto/ daß wir vergessen/ was dahinden ist/ vnd strecken vns nach dem daß zukünfftig istp/
Zeug vns nach dir so lauffen wirq/ Gib vns Flügel der Himlischen Morgenröter/ vnd deß heiligen Verlangens nach dir/ daß wir zu dir fliehen/ O wenn werde ich dahin kommen/ daß ich dein Angesicht sehes/ vnd mit dir auffahre zu deinem Vatter/ vnd zu meinem Vatter/ zu deinem Gott vnd zu meinem GOttt/
komm HErr JEsu vnd nimb mich zu dir/ Amenu.
12. Hilff daß wir suchen vnsern Schatz Nicht hier in diesem Leben/ Besondern dort/ wo du den Platz Wirst Gottes Kindern geben/ Ach laß vns streben fest vnd wol Nach dem/ das künfftig werden sol/ So können wir ergründen/ Wo dein Gezelt zu finden. 13. Zieh vns dir nach/ so lauffen wir Gib vns des Glaubens Flügel/ Hilff/ daß wir fliehen weit von hier Auff Jsraelis Hügel/ Mein GOtt/ wenn fahr’ ich doch dahin/ Wo ich ohn’ Ende frölich bin/ Wenn werd’ ich für dir stehen/ Dein Angesicht zu sehen?
14. Wenn sol ich hin ins Paradieß Zu dir Herr Jesu kommen/ Wenn kost’ ich doch das Engel=süß Wenn werd’ ich auffgenommen? Mein Heyland komm’ vnd nimb mich an/ Auff daß ich frölich jauchtzen kan Vnd klopffen in die Hände: Alleluja ohn’ Ende.
n Marginal: Matth. 6. o Marginal: Coloss. 3. p Marginal: Philipp. 3. q Marginal: Cant. 1. r Marginal: Psalm. 103. (Erratum). Recte: Ps 139,9 s Marginal: Psalm. 42. t Marginal: Johann. 20. u Marginal: Apocal. 22.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Arndt, Paradiesgärtlein I, 2, S. 4–6 II. Vmb wahre Gottesforcht. HEiliger Barmhertziger/ Gnediger vnd lieber Vatter/ ich klage vnd bekenne dir mit Rewe vnd Seufftzen meines Hertzens/ daß ich durch die gifftige Seuche/ der angebornen Erbsünde/ also verderbet bin/
daß von Natur keine Gottesforcht für meinen Augen ist/ vnd daß ich wegen meiner tieff verderbten bösen Natur/ dich nicht Kindlich förchten/ lieben noch ehren kana: Auch mich leider nicht habe deine Göttliche forcht allezeit regieren lassen/ sondern meine Gedancken sind mehrers theils ohne alle Gottesforcht gewest/ und gantz eitelb/ wie auch meine Wort vnd Wercke/ Ach wie offt habe ich dein Wort vnd Gebott vergessen und hindan gesetzt/ vnd mich nicht für denselben geförchtetc/ wie offt hab Jch den Lüsten der Welt vnd meines Fleisches mehr gefolget dann deinem Wort vnd Befehl:
487
Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 6 VI. Ernstliches Gebet Vmb rechtschaffene wahre Gottesfurcht. O Vater aller Güt’/ Jch klage dir mit Schmertzen Die Bößheit meiner Seel/ vnd Thorheit meines Hertzen/ Die mich so gar besessen/ Daß ich/ O grosser Gott/ Hab’ überall vergessen Dein Heissen vnd Gebot. 2. Ach/ keine Gottesfurcht ist mehr für meinen Augen/ Die leider gäntzlich nichts dich zu erkennen taugen/ Dich kan ich ja nicht lieben/ Noch wie ich billich sol Jn deiner Furcht mich üben/ Das fül ich gar zu wol.
3. Es ist ja meine Sünd’ vnd Bößheit nicht zu messen/ Offt hab’ ich dein Gesetz’ O grosser GOtt vergessen/ Offt lass’ ich mir gefallen Die Wollust dieser Welt? So/ daß ich jhr für allen Mich selber dargestellt.
Ach vergib mir lieber Vatter solche Sicherheit vnd Verachtung deiner Gebott und Dräwungen/ vnnd wende die schwere Straffe von mir ab: Die du dräwest allen
4. Jch seufftz’ O frommer Gott/ du wollest mir vergeben/ Daß ich in Sicherheit verbracht mein junges Leben/
a Marginal: Psalm. 14. b Marginal: Psalm. 94.
c Marginal: Esa. 66.
488
Anhang I
denen die dich nicht förchten/ Daß du dieselben verwerffen wollest/ Weil sie dein Wort verwerffend.
Dieweil aber die forcht Gottes die aller schönste Weißheit iste/ dadurch ein Mensch Gott gefelletf/
So bitte ich dich von Hertzen/ du wollest erstlich die angeborne Sicherheit vnd Vermessenheit/ auch verachtung deiner Gebott vnnd Göttlichen Dräwungen/ in meinem Hertzen dempffen vnd außtilgen/
vnnd dagegen durch deinen heiligen Geist (weil er ist ein Geist der forcht deß Herreng) in mir deine Kindliche forcht erweckenh/ Daß ich mich stets vnd an allen Orten/ in allen meinen Gedancken/ worten vnd Wercken/ förchten lerne für deinem Zorn vnd Vngnade.
Daß ich auch vber alle vnd jede Sünde/ stetige ware rewe vnd leid in meinem Hertzen habei/ vnd daß mir vielmehr leid sey vnd schmertzlichen wehe thue/ daß ich dich beleidiget habe/ denn das ich gestraffet werdej.
Jn dem ich nicht geschewet Die Straffe so mir dort Von dir ist angedräwet Für längst in deinem Wort’. 5. Es ist dich fürchten ja die allerschönste Tugend/ Die edle Weißheit selbst/ die Meisterin der Jugend/ Wol dem/ der diese kennet Vnd klebet fest’ jhr an/ Der wird ein Christ genennet/ Der Gott gefallen kan. 6. Jch bitt’ Herr ferner/ daß du wollest von mir nehmen Mein’ angeborne Sünd’ vnd kräfftig in mir zähmen Das Bös’ in meinem Willen Sampt der Vermessenheit/ Benebenst dem auch stillen Den Spott der Ewigkeit. 7. Gib deinen guten Geist/ den Geist der Furcht des HErren. Vnd lasse mich in jhr mein gantzes Hertz versperren/ Daß ich an allen Orten Wo ich auch jmmer sey Mit Wercken vnd mit Worten Für deinem Zorn mich schew’. 8. Ach gib doch wahre Rew’ vnd Leyd Herr meinem Hertzen/ Daß ich mein eitles Thun beweinen mag mit Schmertzen/ Vnd daß ich ja beklage Mehr meine Missethat/ Als deinen Zorn vnd Plage Die mich ergriffen hat.
d Marginal: 1. Sam. 15. e Marginal: Syrach. 1. f Marginal: Sapient. 7. h Marginal: Malach. 1. i Marginal: Psalm. 90. j Marginal: Psalm. 119.
g Marginal: Esa. 11.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
O mein Gott vnd Herr laß mich erkennen/ daß ich dich vnbillich beleidiget habe/ ich aber billich gestraffet werdek/
Darumb verleihe mir deine Gnade/ daß ich allen Sünden von Hertzen feind werde/ als den Wercken deß Teuffelsl/
daß ich mich auch in allen meinen Schwachheiten vnd Gebrechlichkeiten im Creutz vnd Anfechtung trösten möge/ deiner Vätterlichen Gnade/ vnd Barmhertzigkeitm/ vnd dich nicht als meinen Feinde/ sondern als meinen Vatter förchte vnd liebe.
Bewahre auch meine Seele vnd jnnerlichen Menschen/ durch deine Göttliche forcht/ daß ich nichts wieder deinen heiligen Willen gedencke/ rede vnd thuen/ sondern daß ich alles gedencke/ rede vnd thue/ als für deinen heiligen Augen vnd Angesichto.
489
9. O selig werd’ ich seyn/ im Fall’ ich kan erkennen/ Daß du mein Gott gerecht/ ich aber böß zu nennen/ Ja daß ich billich leide Die wolverdiente Pein/ Vnd/ weil ich selbst mich scheide Von dir/ muß straffbar seyn. 10. Verleyhe mir/ O GOtt/ weil ich noch leb’ auff Erden/ Daß ich der Sünden gram vnd hertzlich feind mag werden/ Als die ohn’ allen Zweiffel Zu erst entsprossen ist Von dem verfluchten Teufel Durch Lügen/ Trug vnd List. 11. Wenn auch des Creutzes Last mich grawsamlich wird drücken/ So wolle deine Gnad’/ O GOtt nicht von mir rücken/ Du kanst mein Elend stillen Vnd schnell erretten mich Vmb deiner Güte willen/ Das gläub’ ich festiglich. 12. Bewahre meine Seel’ vnnd jnnerste Gedancken/ Daß sie von deiner Furcht in Ewigkeit nicht wancken/ Besondern nach dir sehen HErr GOtt zu aller Frist/ So wird nicht leicht geschehen Was dir zuwider ist.
k Marginal: Daniel. 9. l Marginal: 1. Johann. 3. 139. o Marginal: Psalm. 37.
m Marginal: Tren. 3. n Marginal: Psalm.
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Anhang I
Daß auch mein jnnerliches Auge allein auff dich gerichtet vnd gewandt sey/ also daß ich alle meine Wort vnd Wercke in deiner forcht zuvor wol bedenckep/
vnd in allen dingen deine Göttliche Weißheit/ Allmacht vnnd Hülffe zuvor demütig anruffeq/
Daß ich mich auch kein zeitlich Ding/ Ehre/ Reichthumb/ Weltliche Frewde/ Lust oder Menschenforcht/ von deiner Göttlichen forcht lasse abwendenr/ Sondern daß ich stets eingedenck sey der gnedigen Verheissung/ da du den Gottförchtigen zugesagt hast:
Errettungs/ Erbarmungt/ Segenu/ Gnade/ Hülffe/ Weißheitv/ erhaltung Heilw vnd Trost: vnd daß mich deine Göttliche forcht/ Gnade vnd Barmhertzigkeit allezeit in meinem gantzen Leben regieren/ leiten vnd führen mögex/ durch Jesum Christum deinen lieben Sohn vnsern Herrn/ Amen.
13. Mein jnnerliches Aug’ HErr sey auch stets gerichtet Auff dich/ daß alles/ was mein Hertz’ vnd Sinn ertichtet Nach dir allein sich lencke Jn Lieb’ in Frewd und Leyd/ Hilff/ daß ich stets bedencke Die Pein der Ewigkeit. 14. Gib Gnade/ daß ich mög’ in allen meinen Sachen Den Anfang und das End’ in deiner Liebe machen/ Dazu für allen Dingen Erst hertzlich zu dir schrey/ Dann wird mein Thun gelingen/ Es sey auch was es sey. 15. Ach lasse mich ja nicht von deiner Furcht abwenden Lust/ Reichthumb/ Ehr’ und was die Seelen sonst kan schänden/ Wenn mich gleich alles plaget Dennoch so tröstet mich Dein Wort/ was dieses saget/ Dem traw ich fästiglich. 16. Erbarmung/ Segen/ Gnad’/ Errettung/ Hülff und Leben/ Erhaltung/ Weißheit/ Trost und Heyl wirst du uns geben: O trewer Gott regiere Mir ja mein Hertz’ und Sinn/ Daß deine Furcht mich führe Biß ich vergraben bin.
p Marginal: Proverb. 6. q Marginal: Psalm. 38. r Marginal: 1. Johann. 2. s Marginal: Psalm. 34. t Marginal: Psalm. 103. 111. u Marginal: Psalm. 112. v Marginal: Syrach. 10. 26. w Marginal: Malach. 4. x Marginal: Psalm. 23.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Arndt, Paradiesgärtlein II, 1, S. 111–113 I. Ein Morgensegen.
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Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 9 IX. Christliches Morgenlied Sich dem Schutze des Allerhöhesten zu befehlen.
BArmhertziger Gnädiger Gott/ du Vatter deß ewigen Liechtes/ vnd Trostes/ des Güte vnd Trewe alle Morgen New ista/ dir sey Lob/ Ehr vnd Danck gesagt: Für das liebliche Tages Liecht/ vnd daß du mich in dieser finstern Nacht/ gnädiglich bewahret hast/ mir einen sanfften Schlaff vnd Ruhe verliehen/
GOtt/ der du selber bist das Liecht/ Des Güt’ und Trewe stirbet nicht/ dir sey jtzt Lob gesungen/ Nach dem durch deine grosse Macht/ der helle Tag die finstre Nacht/ so kräfftig hat verdrungen/ Und deine Gnad’ und Wunderthat/ mich/ da ich schlieff erhalten hat.
laß mich nuhn auch in deiner Gnade vnd Liebe/ Schutz vnd Schirm/ wider frölich auffstehen/ vnnd das liebe Tagliecht nutzlich vnnd frölich gebrauchen/ für allen dingen aber erleuchte mich mit dem ewigen Liechte/ welches ist mein HErr JEsus Christusb/ daß Er in mir leuchten möge mit seiner Gnade/ mit seinem Erkäntniß.
2. Lass’ ferner mich in deinem Schutz’ O Vater für des Satans Trutz Mit Frewden aufferstehen/ Damit ich diesen gantzen Tag Dich ja mit meinem Nutzen mag Jm Glauben frölich sehen/ Vor allem sey du selber mir Das Liecht des Lebens für und für.
Bewahre in meinem Hertzen das Liechtlein meines Glaubens/ mehre dasselbe vnd stärcke es/ Erwecke deine Liebe/ befestige die hoffnung/ gib mir wahre demut vnd sanfftmut/ dz ich wandele in dem Fußstapffen meines HErrn JEsu Christi/ vnd laß deine Göttliche Forcht in allem meinem Thun für meinen Augen sein.
3. Des Glaubens Liecht in mir bewahr’/ Ach stärck’ und mehr’ es jmmerdar Erwecke Trew’ und Liebe/ Die Hoffnung mach’ in Nöthen fest’/ Hilff daß ich mich auffs allerbest’ Auch in der Demuth übe/ Daß deine Furcht stets für mir steh’ Und ich auff gutem Wege geh’.
Treib von mir auß alle Geistliche Finsterniß vnd Blindheit meines Hertzens. Behüte mich diesen Tag vnd allezeit für Aberglauben vnd Abgötterey/ für Hoffart/ für Lästerung deines Namens/ für verachtung deines Worts/
a Marginal: Thren. 3.
b Marginal: Johann. 1.
4. Herr/ halte meinen Gang gewiß/ Treib aus von mir die Finsterniss’ Und Bößheit meines Hertzen/ Behüte mich den gantzen Tag Für Aberglauben/ Zorn und Plag’ Auch für verbotnem Schertzen/ Bewahre mich für stoltzem Pracht’ Und allem was mich lästern macht.
492
Anhang I
für Vngehorsam/ für dem lebendigen Zorn/ daß die Sonne diesen Tag nicht möge vber meinem Zorn vntergehenc/ Behüte mich für Feindschafft/ für Haß vnd Neid/ für Vnzucht/ für Vngerechtigkeit/ für Falschheit vnd Lugen/
für dem schädlichen Geitz/ vnd für aller bösen Lust/ vnd vollbringung derselben.
Erwecke in mir einen Hunger vnd Durst nach dir vnd deiner Gerechtigkeitd/ Lehre mich thun nach deinem Wolgefallen/ Dein guter Geist/ führe mich auff ebener Bahne/
Laß mir begegnen das Heer deiner heiligen Engel/ wie dem Jacobf/ thue denselben befehl/ daß sie mich/ auff allen meinen Wegen behüten/ mich auff den Händen tragen/ daß ich meinen Fuß nicht an einen Stein stosse/ daß ich starck werde/ auff Löwen vnd Ottern zu gehen/ vnd zu tretten auff den jungen Löwen vnd Dracheng.
c Marginal: Ephes. 4. d Marginal: Matth. 6. g Marginal: Psalm. 91.
5. Gib/ daß ich dir gehorsam sey Und mich für Zanck und Hader schew/ Auff daß der Sonnen Stralen Mich diesen Tag nicht zornig sehn Und nachmals trawrig untergehn/ Ach laß mich nicht bezahlen Dem Nechsten seine Bittrigkeit Mit Feindschafft/ Hassen/ Grimm und Neyd. 6. Für Unzucht und für böser Lust/ Für Kargheit und des Geitzes Wust Behüte mich in Gnaden/ Gib/ daß die Falschheit dieser Zeit Zusampt der Vngerechtigkeit Mein Hertz ja nicht beladen. Ach daß dein heiligs Angesicht Doch solche Sünd’ erblickte nicht! 7. O trewer Gott erweck’ in mir Nur einen Hunger stets nach dir/ Daß mich die Welt verliere/ Auch lehre mich du starcker Held Zu thun allein was dir gefält/ Dein guter Geist mich führe/ Damit ich ausser bösem Wahn Stets wandlen mög’ auff ebner Bahn. 8. Befiehl’ auch deiner Engel Schaar/ Daß sie mein Leben für Gefahr Den gantzen Tag beschützen Vnd auff den Händen tragen mich/ Daß nicht der Satan grawsamlich/ Mich könn’ allhie beschmitzen/ So werd’ ich gegen Löwen stehn Vnd vnverzagt auff Drachen gehn.
e Marginal: Psalm. 143.
f Marginal: Genes. 31.
493
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Jch befehle dir heut meine Gedancken/ mein Hertz/ Sinneh vnd alle meine Anschläge: Jch befehle dir meinen Mund vnd alle meine Worti/ Jch befehle dir alle meine Wercke/ daß sie zu deines Namens Ehren gereichen/ vnnd zu Nutz meines Nechsten/
9. So nimm von mir O Vater hin/ Mein Hertz/ Gedancken/ Muth vnd Sinn/ Daß ich dir gantz vertrawe/ Behüt’ auch du getrewer Hort Mein tichten/ reden/ Werck vnd Wort Daß es nur stetig schawe Auff deines thewren Namens Ehr’ Auch meines Nechsten Nutz vermehr’.
mach mich zum Gefäß deiner Barmhertzigkeit/ zum Werckzeuge deiner Gnade/ segne alles mein thun/ laß meinen Beruff glücklich fort gehen/ vnd wehre alle den so jhn hindern. Behüte mich für Verleumbdungen/ vnd für den Mordpfeilen deß Lugners:
10. Herr Jesu Christe laß allein Mich Armen ein Gefässe seyn Vnd Werckzeug deiner Gnaden/ Richt’ all mein Thun/ Beruff vnd Stand/ Halt’ über mir dein’ Hülff’ vnd Hand/ So kan mir niemand schaden/ Du wollest auch ja gnädiglich Für den Verleumbdern schützen mich.
Jch befehle dir mein Leib vnd Seelej/ mein Ehr vnd Gut/ laß mich deine Gnade vnd Güte allezeit beleitenk/ halt deine Hand vber mich/ ich gehe oder stehe/ sitze oder wandle/ wache oder schlaffe.
Behüte mich für den Pfeilen die deß Tages fliehen/ für der Pestilentz die im finstern schleichet/ für der Seuche die im Mittag verderbetl/ Segne meine Nahrung/ gib mir was dein wille ist zu meiner Nohtturfft. Laß mich auch deiner Gaben nicht mißbrauchen/ behüte vns alle für Krieg/ Hunger vnd Pestilentz/ vnd für einem bösen schnellen Todt/ behüte meine Seelem/
11. Mit Hertz’ vnd Mund’ ich dir befehl’ Herr Jesu meinen Leib vnd Seel’/ Auch Ehr’ vnd Gut daneben/ Wenn ich nun sitze geh’ vnd steh’/ Alsdenn so schaffe daß ich seh’ Herr über mir dich schweben/ Gib ja/ daß deine Gnaden=Hand Sey nimmer von mir abgewand. 12. Für bösen Pfeilen/ die bey Tag’ Auff Erden bringen grosse Plag’ Als für des Todes Seuche/ Für Pestilentz behüte mich/ Damit sie nicht so grawsamlich Bey Nacht herümmer schleiche/ Bewahr’ vns auch für Krieges=Noth. Wend’ einen bösen schnellen Todt.
h Marginal: Philipp. 4. i Marginal: Psalm. 139. j Marginal: Psalm. 55. Psalm. 61. l Marginal: Psalm. 91. m Marginal: Psalm. 141.
k Marginal:
494
Anhang I
13. Gib lieber Herr zu dieser frist So viel zum Leben nöhtig ist/ Doch nur nach deinem willen/ Wenn du die Speiß’ vnd Nahrung hie Mit Gnaden segnest spät’ vnd früh/ Kanst du vns reichlich füllen/ Doch/ daß man deine milde Gaab’ Auch nicht zu einem Mißbrauch hab’. vnd meinen Außgang vnd Eingang von nuhn an biß in Ewigkeitn/ beschehre mir ein seliges Ende/ vnd laß mich deß lieben Jüngsten Tages vnd der Erscheinung der Herrligkeit meines HErrn JEsu Christi/ mit verlangen vnd frewden erwarten.
Gott der Vatter segne mich vnd behüte micho/ Gott der Sohn erleuchte sein Antlitz vber mich/ vnd sey mir gnädig/ Gott der heilige Geist erleuchte sein Antlitz vber mich vnd gebe mir seinen Friedenp/ Amen.
n Marginal: Psalm. 121. o Marginal: Psalm. 67.
14. Allein zu dir hab’ ich gesetzt Mein Hertz/ O Vater gib zu letzt Auch mir ein seligs Ende/ Auff daß ich deinen jüngsten Tag Mit grosser Frewd’ erwarten mag/ Drauff streck’ ich auß die Hände: Ach komm Herr Jesu/ komm mein Ruhm Vnd nimm mich in dein Eigenthumb. 15. Christlicher Segen. Mein GOtt vnd Vater segne mich/ Der Sohn erhalte gnädiglich Was er mir hat gegeben/ Der Geist erleuchte Tag vnd Nacht Sein Antlitz über mich mit Macht Vnd schütze mir mein Leben/ Nur dieses wündsch’ ich für vnd für: Der Friede Gottes sey mit mir.
p Marginal: Num. 6.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Arndt, Paradiesgärtlein V, 2, S. 335–337 II. Ein Lob Gottes von der Herrligkeit deß Schöpffers. LObe den HERREN meine Seel/ HERR mein Gott/ du bist sehr herrlich/ du bist schön vnd prächtig geschmucket. Liecht ist dein Kleidt daß du an hast/ du breitest auß den Himmel wie einen Teppich/ du welbest es oben mit Wasser/
du fehrest auff den Wolcken/ wie auff einem Wagen/ vnd gehest auff den Fettigen deß Windes/ du machest deine Engel zu Winden/ vnd deine Diener zu Fewrflammen/ der du das Erdreich gründest auff seinem Boden/ daß es bleibet jmmer vnd ewiglich/ Mit der Tieffe deckestu es als mit einem Kleidt/ vnd Wasser stehen vber den Bergen/ aber von deinem schelten fliehen sie/
von seinem Donner fahren sie dahin/ die Berge gehen hoch herfür/ vnd die breiten setzen sich herunter/ zum Ort den du jhnen gegründet hast/ du hast eine Grentze gesetzt/ darüber können sie nicht/ vnd müssen nicht widerumb das Erdreich bedecken/ du lassest Brunnen quellen in den Gründen/ daß die Wasser zwischen den Bergen hinfliessen/ das alle Thier auff dem Felde trincken/ vnd das Wild seinen Durst lesche.
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Rist, Himmlische Lieder I, Nr. 10 X. Ein fröliches Lobe=Lied GOttes Von der Herrligkeit des Schöpffers. AVff meine Seel’ vnd lobe Gott/ spiel auff dem HErren Zebaoht/ dem König’ aller Ehren/ auff/ auff vnd lass’ vns bester weis’ allein des HErren Lob vnd Preiß/ zu jeder Zeit vermehren: Mein Gott du bist voll Herrligkeit/ sehr prächtig gläntzet dort dein Kleid/ viel heller als die Sonne/ du breitest deines Himmels Hauß/ wie einen blawen Teppich aus/ mit grosser Frewd’ vnd Wonne. 2. Du fährest auff den Wolcken her Als wenn es nur dein Wage wär/ Du gehest auff den Winden/ Du schaffest/ daß der Engel Schaar Gleich wie die Flammen hie vnd dar Sich dir zu Dienste finden/ Du gründest diesen Erden=Kloß/ Du lässest seine Hügel bloß/ Bedeckest jhn mit Wellen/ Die Wasser hangen oben an/ Da keiner sie bezwingen kan Daß sie herunter schnellen. 3. Die Wolcken lauffen spät’ vnd früh/ Dein starcker Donner jaget sie/ Die Berge zu besprützen/ Die haben jhre Grentz’ vnd Ort Sie lauffen nun vnd jmmer fort Hoch prangen jhre Spitzen/ Du lässest Brunen ohne Zahl Vnd tausend Bächlein tausend mal Entspringen in den Gründen/ Da wissen so viel wilder Thier’ Als Löwen/ Bähren/ Hirsch’ vnd Stier Den klaren Tranck zu finden.
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Anhang I
An denselben sitzen die Vögel deß Himmels/ vnd singen vnter den Zweigen. Du feuchtest die Berge von oben her/ du machest das Land voll Früchte die du schaffest. Du lassest Graß wachsen für das Viehe/
vnd Saat zu nutz den Menschen/ daß du Brodt auß der Erden bringest. Vnd daß der Wein erfrewe deß Menschen Hertz/ vnd seine gestalt schön werde von Oele/ vnd das Brodt deß Menschen Hertz stercke. Daß die Bäume deß Herrn voll saffts stehen/ die Cedern Libanon/ die er gepflantzt hat/ daselbst nisten die vögel/ vnd die Reiger wohnen auff den Dannen/ die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht/ vnd die Steinklüffte der Caninichen.
Du machest den Monden/ das Jahr darnach zutheilen/ die Sonne weiß jhren Nidergang/ du machst Finsterniß das Nacht wird/ da regen sich alle wilde Thier/ die jungen Löwen die da brüllen nach dem Raub/ vnd jhr Speise suchen von Gott/
wenn aber die Sonne auffgeht/ heben sie sich davon/ vnd legen sich in jhre Löcher/ so gehet denn der Mensch an sein Ackerwerck vnd an seine Arbeit biß auff den
4. Die Wasser fliessen mehr vnd mehr/ Dabey erklingt das leichte Heer Der Vöglein auff den Zweigen: Bald feuchtest du von oben ab Die Hügel/ daß sie jhre Gaab’ Vnd schöne Frücht’ vns zeigen/ Du schaffest/ daß das gantze Land Mit Weitzen füllet vnsre Hand/ Du machest feucht die Erden/ Du lässest durch dein klares naß Die Kräuter/ Blumen/ Laub vnd Graß Für Vieh’ vnd Menschen werden. 5. Du giebest Wein vnd süssen Tranck/ Der vns kan vnser Lebenlang Jn Trawrigkeit ergetzen/ Das Oel’ erhält vns die Gestalt/ Wenn wir nun werden matt vnd alt/ Was ist für Brodt zu schätzen? Du pflantzest durch des Menschen Hand Viel Cedern in ein fettes Land/ Die für die Reiger dienen/ Die Gems’ erwehlt der Berge Klufft Die Felsen vnd der Hügel Grufft Sind Häuser der Caninen. 6. Du hast geordnet recht vnd wol Wie man die Zeiten theilen sol/ Diß sagt der Mond der Erden/ Die Sonne geht des Morgens auff/ Vnd wenn verbracht jhr schneller Lauff/ Lässt sie es finster werden/ Denn regen sich die wilden Thier’ Vnd kriechen aus der Höl’ herfür Die jungen Löwen brüllen/ Sie rauschen durch das grüne Laub Vnd suchen jhre Speis’ vnd Raub Die Hungers=Noth zu stillen. 7. Wenn aber nun die finstre Nacht Den liechten Tag hat wieder bracht/ So fliehen sie von hinnen/ Sie trawen nicht mehr jhrer Stärck’
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Abend/ HErr wie sind deine Wercke so groß vnd viel/ du hast sie alle weißlich geordnet/ die Erde ist voll deiner Güte/
das Meer das so groß vnd weit ist/ da wimmelts ohne zahl/ beyde kleine vnd grosse Thier/ daselbst gehen die Schiffe. Da sind Walfisch/ daß sie darinnen schertzen/ es wartet alles auff dich/ daß du jhnen Speise gebest zu seiner zeit/ wenn du jhnen gibst so samlen sie/ wenn du deine Hand auffthust/ so werden sie mit Güte gesättiget/
verbirgestu dein Angesicht so erschrecken sie/ du nimbst weg jhren Odem so vergehen sie/ vnd werden zu Staub/ du lassest auß deinen Odem/ so werden sie geschaffen/ vnd vernewerst die Gestalt der Erden/ die Ehre deß HErrn ist ewig/ der HErr hat wolgefallen an seinen Wercken/ er schawet die Erde an so bebet sie/ er rühret die Berge an/ so rauchen sie/
Jch will dem HErren singen mein Lebelang/ vnd meinen Gott loben so lange ich bina/ du machest frölich was da webet beyde deß Morgens vnd Abends/ du suchest das Land heim/ vnd wässerst es/ vnd machest es sehr reich/ Gottes Brünna Marginal: Psalm. 104.
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Es geht der Mensch ans Ackerwerck Die Nahrung zu gewinnen. Ach Herr’/ es ist ja fast kein Ziel/ Denn deiner Wercke sind zu viel Sie stehn auff dein Befehlen/ Doch alles ist geordnet wol/ Die Erd’ ist deiner Güte voll/ Wer kan sie all’ erzehlen? 8. Das weite Meer hält ohne Zahl Die Fisch’ in seiner Grund zumahl/ Da wimmeln sie mit Hauffen/ Ein grosser Walfisch springt herfür/ Dort sihet man die Wasser=Thier’ Vnd dort die Schiffe lauffen/ Es wartet alles Herr’ auff dich Der du sie speisest mildiglich Daß sie nicht Hunger leiden/ Du thust dein’ Hand auff spät’ vnd früh/ Du giebest gnug/ so samlen sie Vnd werden satt mit Frewden. 9. So bald du aber dein Gesicht O grosser Gott erzeigest nicht Erschrecken sie von Hertzen/ Wenn du nimpst jhren Odem hin Verkehret sich jhr Muth vnd Sinn Mit vnerhörtem Schmertzen/ Dein Geist Herr’ ist es/ der sie schafft/ Vnd der sie auch von hinnen rafft/ Du machest new die Erden/ Sie zittert/ wenn du kömmst heran/ Kein Berg für dir bestehen kan Er muß bald rauchend werden. 10. Dir wil ich Herr mein lebenlang Von Hertzen singen Preiß vnd Danck Dich wil ich hoch erheben/ Du machest frölich früh vnd spat Was Wasser/ Lufft vnd Erden hat/ Ja alles was mag leben.
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Anhang I
lein hat Wasser die Fülle/ du lassest jhr Getreyde wol gerahten/ also bawestu das Land/ du tränckest seine Furchten/
vnd segnest sein gepflügtes/ mit Regen machstu es weich/ vnd segnest sein Gewächse/ du krönest das Jahr mit deinem Gut/ vnd deine Fußstapffen trieffen von Fett/ die Hügel sind vmbher lustig/ die Anger sind voll Schaffe/ die Awen stehen dick mit Korn das man jauchtzet vnd singetb.
b Marginal: Psalm. 65.
Du wässerst auch mit deiner Hand Vnd suchest heimb das dürre Land Dein Brunn’ ist nicht verlauffen/ Die Aecker nehmen frölich zu Die tieffen Furchen tränckest du Vnd segnest vns mit Hauffen. 11. Du segnest das gepflügte Feld Noch eh’ offt als die Saat bestellt/ Du giebest Taw vnd Regen/ Du Krönest das begrünte Jahr/ Daß seine Frücht’ vns jmmerdar Sich schier zun Füssen legen. Die Anger sind der Schafe voll Die kleinen Hügel tragen wol Die jungen Lämmer springen/ Das Land ist nichts denn Frewd’ vnd Zier Mein Gott dich preiß’ ich für vnd für Mit jauchtzen vnd Lobsingen.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Stegmann, Schwanengesang, S. 308–313 X. Newes JahrGebet/ vmb newes Glück/ newe Gnade/ newes Leben/ in dem newen Namen Jesu. HJlff Jesu hilff/ das newe Jahr gehet an/ Laß new Glück/ new Gnade/ newes Leben auch angehen/
laß diß Jahr mein rechtes GlücksJar seyn/ in deinem Namen laß mich mein Thun anfahen/ daß es glücklich außgehe/
Dir seyen ergeben die Gedancken meines Hertzen/ die Wercke meiner Hände/ die Reden meiner Zungen/ in deinem Namen laß mich zu Bette gehen/ vnd vom Bette auffstehen/ auf daß glückhafft sey des NachtsRuhe/ vnd des TagesArbeit Jn deinem Namen laß mich aus vnd eyngehen/ damit mein Außgang glücklich/ vnd mein Eingang gesegnet sey. Jn deinem Namen laß mich anfahen meine Arbeit/ vnd enden meine Mühe/ auff daß meine Arbeit nicht vergebens/ vnd meine Mühe nicht vmbsonst sey. Jn deinem Namen laß mich beugen meine Knie zum Beten/ vnd aufheben meine Hände zur Dancksagung/ Auf daß in Himmel steige mein Gebet/ vnnd die erste Gutthat der andern ruffe/ vnd dir dancke vor deine GnadenGaben/ mehr Gnadengaben nach sich ziehe/
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Rist, Himmlische Lieder III, Nr. 1 I. Gottseliger Anfang des newen Jahres/ Jn und mit dem allersüssestem Namen JESV. HJlff Herr Jesu laß gelingen/ hilff das newe Jahr geht an/ laß’ es newe Kräffte bringen/ daß auffs new’ ich wandlen kan/ newes Glück und newes Leben/ wollest du aus Gnaden geben. 2. Alles was ich außzurichten Und zu reden bin bedacht Müsse mich mein Gott verpflichten Deines thewren Namens Macht/ Daß auch das/ was ich gedencke Dich zu preisen stets sich lencke. 3. Meiner Hände Werck’ und Thaten Meiner Zungen Red’ und Wort Müssen nur durch dich gerahten Und gantz glücklich gehen fort/ Newe Krafft laß mich erfüllen Zu verrichten deinen willen. 4. Was ich dichte/ was ich mache Das gescheh’ in dir allein/ Wenn ich schlaffe wenn ich wache Wollest du Herr bey mir seyn/ Geh’ ich auß/ halt’ an zur Seiten/ Komm’ ich heim/ so hilff mich gleiten/ 5. Laß mich beugen meine Knie Nur zu deines Namens Ehr’ Hilff daß ich mich stets bemühe Dich zu preisen mehr und mehr Laß mein Bitten und mein Flehen Nur im Himmel vor dir stehen.
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Anhang I
Jn deinem Namen laß mich zu Tische gehen vnd davon auffstehen/ auff daß gesegnet sey die Speise im Munde/ vnd gestärcket werde der Leib in seinem Vorhaben/
Jn deinem Namen steige hinauf zu dir mein Gebet/ vnd komme herunter zu mir deine Erbarmung/ laß dir gefallen die Farren meiner Lippen/ vnd zu dir hinauff steigen das Rauchwerck meines Gebets lieblicher als der Geruch Libanon/ vnnd der Weirauch so aus Arabia kommet/ dein Name sey der Tittel meiner Bücher/ die Vberschrifft meines Hauses/ die Zierde meiner Kleider/ der Geruch meiner Nasen/ der Geschmack meines Mundes/ die Erfrewung meines Gemühtes. Laß mir diß Jahr ein recht gnaden Jahr seyn/ Jn deinem Namen laß mich büssen meine Sünde/ auff daß ich erlange Gnade vnd deine Verzeihung/
eine Thür des Heils ist die Besserung des Lebens/ auch dieselbe nicht angenehm dem Vater als in dem Namen des Sons/ welcher ist Jesus/ von dir zeugen der Propheten Oracul, von dir reden der Apostel Zungen: Das in deinem Namen widerfahre/ den Sündern Heyl/ den Bußfertigen erbarmunge/ zu dieser Heilstad nehm ich nun meine Zuflucht/ daß ich nicht gerahte dem Rächer in die Handt/ vnd dem Verfolger in die Stricke/ zu diesem Gnadenthron nahe ich mich/ daß ich auch Gnade erlange/
6. Laß mich Herr in deinem Namen Frölich nemen Speiß’ und Tranck/ Güter die von dir her kamen Fordern ja von mir den Danck/ Deine Weißheit kan mich stärcken Zu der Lieb’ und guten Wercken. 7. Mein Gebet das müß’ auffsteigen Herr vor deinen Gnaden=Thron Denn wirstu zu mir dich neigen Wie zu deinem lieben Sohn’ Herr’ ich weis/ es wird für allen Diß mein Opffer dir gefallen.
8. Laß diß seyn ein Jahr der Gnaden/ Laß mich büssen meine Sünd’/ Hilff/ daß sie mir nimmer schaden Sondern bald Verzeyhung find’ Herr’ in dir/ denn du mein Leben Kanst die Sünd’ allein vergeben.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
zeichne mich mit dem H. Zeichen deiner Liebe/ daß mich die Handt des Würgers nicht finde/
salbe mich mit diesem heiligen Oel/ das meine SündenWunden heil werden/ wasche ab mit diesem Wasser des Lebens meine Vnreinigkeit/ daß sie mich nicht mehr Schamroth mache vor deinem Angesicht/ ein grosser Heiland bistu/ grosse Sünder heilestu/ nun in diese Zahle zehle ich mich auch/ ein grosser Sünder bin ich/ sey mir auch ein grosser Heilandt/ stercke mich schwachen/ heile mich Verwundeten/ mache Gerecht mich Vngerechten/
zehle loß mich schüldigen/ erbarme dich des Elenden/ richte auff den Vntergedruckten/ sey mein JEsus im Leben/ mein JEsus im Sterben mein Jesus im gerichte der Welt/ mein Jesus im gerichte des Himmels. Laß mir diß Jahr ein recht heilig Jahr seyn/ daß ich ein new selig Leben anfahe/ vnd nach deinem heiligen Namen auch meine Sinne heilige/
Jn deinem Namen laß mich befleissigen der Gottseligkeit/ auff daß ich komme zur Vollkommenheit/ daß ich dieses Jahr wandere vnd fortgehe/ von der Sünden zur
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9. Tröste mich mit deiner Liebe/ Nimb O Gott mein Flehen hin Weil ich mich so sehr betrübe Und voll Angst und Zagen bin/ Stärcke mich in meinen Nöthen Daß mich Sünd’ und Todt nicht tödten. 10. Salb’ O Vater meine Wunden Wasche mich mit Jsop ab/ Zwar ich bin noch unverbunden Doch verletzet biß auffs grab/ Tilg’ Herr meine Missethaten So ist meiner Noth gerahten.
11. Grosse Sünder kanst du heilen/ Ach/ ich bin in jhrer Zahl Du/ du kanst mir Gnad’ ertheilen Hilff mir doch aus dieser Quaal/ Du Herr kennest ja die Schwachen Die du wiedrumb starck wilt machen. 12. Zehle loß mich hoch Betrübten Der ich nicht bezahlen kan/ Liebe mich in dem Geliebten/ Dein Sohn Jesus nimmt mich an/ Jesus läst mich nicht verderben Jesus steht mir bey im Sterben. 13. Herr du wollest Gnade geben Daß diß Jahr mir heilig sey Und ich Christlich könne leben Sonder Trug und Heucheley/ Daß ich noch allhie auff Erden Fromm und selig möge werden. 14. Laß mich armen Sünder ziehen Deinen Weg der Herrligkeit/ Laß mich Stoltz und Hoffarth fliehen Laß mich beten jederzeit/
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Anhang I
Gerechtigkeit/ von dem Vbermuth zur Demuth/ von der Füllerey zur Messigkeit/ von der Karchheit zur Freygebigkeit/ von dem Haß zur Liebe/ von der Grawsamkeit zum Erbarmen/ von der Wollust zur Tugend/ von der Vngerechtigkeit zur Heiligkeit/ von der Faulheit zur Vbung der Gottseligkeit/ Dein Name sey die Richtschnur meines Lebens/ darnach ich anstelle mein Thun/ reguliere mein Leben/ corrigire meine Sitten/ Zäume meine Begierden/ richte meine Gedancken/ bewege alle meine Gliedmassen/ dein Name sey mir ein anreitzung der Tugend/ dardurch ich mich selber ermuntere/ zu dem Lauf der Gottseligkeit/ zu der Andacht im Gebet/ zu der Jnbrünstigkeit des Glaubens/ zu der Gedult im Creutze/ zu der Sanfftmuth im Zorn/ zu dem Fleiß im Ampt/ zu der Liebe der Vollkommenheit. Dein Nahme sey mir ein Exempel der nachfolge/ darauff ich meine Augen richte/ mein Gemüth wende/ meine Sinne schlage/ daß ich folge diesen Fußstapffen/ vnd geh mit dir den Gang der Gottseligkeit/ vnd immer fortschreite aus einer Tugend in die andere/ aus der Liebe zur Gedult/ aus der Gedult zur Demuth/ aus der Demuth zur Bescheidenheit/ aus der Bescheidenheit zur Messigkeit/ aus der Messigkeit zur Warheit/ aus der Warheit zur Gerechtigkeit/ aus der Gerechtigkeit zur Heiligkeit/ aus der Heiligkeit zur Seligkeit/ Dein Nahme sey mir ein Brunn des Lebens/ ein Liecht der Gottseligkeit/ eine Stuffe zum Himmel/ Amen.
Laß mich Schand’ und Unzucht meiden/ Laß mich willig Unglück leiden.
15. Jesus richte mein Beginnen/ Jesus bleibe stets bey mir/ Jesus zäume mir die Sinnen/ Jesus sey nur mein Begier/ Jesus sey mir in Gedancken/ Jesus lasse nie mich wancken.
16. Jesu laß mich frölich enden Dieses angefangne Jahr/ Trage stets mich auff den Händen Halte bey mir in Gefahr/ Frewdig wil ich dich umbfassen Wenn ich sol die Welt verlassen.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Stegmann, Schwanengesang, S. 519–525 XXIV. Erlüstigung der gläubigen See= le in den fünff Wunden meines Heilandes.
SChawe an/ meine Seele/ die fünf Wunden deines Herren/ vnd weyde damit deine Augen/ vnd ersättige damit deine Gedancken.
Sihe hier findestu gleichsam fünff Keller/ so voll seynd des besten Weins der liebe Gottes/ darinnen ein Liebhaber Jesu mit der himmlischen Wollust geträncket vnd von dem Wein truncken gemacht wird/ der aus dem Reben des heiligen Leibes am Stamm des Creutzes geflossen vnd außgetrucket ist. Vnd darffstu dich nicht schewen liebe Seele/ dahinein zu gehen in diese Keller/ sihe Thomas hat dir schon mit seiner Hand den Weg gewiesen/ gehe hinein vnd trincke zu guter gnüge/ Solche Trunckenheit ist vergönnet/ vnd ist alhier verbotten alle Messigkeit.
Sihe hier findestu gleichsam fünff wolbereitete Tische/ darauff allerley nießliche Speisen werden auffgetragen/ vnd die besten Wein aus dem Keller Gottes werden auffgesetzet/ Nahe dich hinzu/ liebe Seele/ hier darffstu nit clementzen/ lange nur wacker zu/ iß vnd trinck mit frewden von dem was aufgesetzet ist/
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Rist, Himmlische Lieder III, Nr. 2 II. Geistreiche Erlustigung der Erleuch= teten Seelen/ Jn den fünff Wunden/ jhres am Creutz hangenden allerliebsten Heylandes Jesu Christi. WAch’ auff mein Geist/ erhebe dich/ wach’ auff hie sind fünff TodesStich’/ und Wunden deines Herren/ Wach’ auf laß Welt und Wollust seyn/ Jch wil dich in die Höll’ hinein/ Jmmanuels versperren/ wach’ auf mach’ Hertz und Augen satt/ am Creutz allhie bey Davids Stadt. 2. Fünff Keller blicken hie herfür Die stehen gantz voll Weins vor dir/ Mit welchem wird geträncket Nur der/ dem Jesus ist bewust Und der durch jhn die SündenLust Zur Hellen hat versencket/ Ein solcher wird von diesem Wein’ Allein zum Himmel truncken seyn. 3. Diß Honigsüsse Naß das kam Geflossen von des Creutzes Stamm’ Aus deines Jesu Seiten/ Sehr lieblich ist es anzusehn/ Drumb säume nicht hinein zu gehn Den Tranck dir zu bereiten/ Es ist dir ja zur jeden Zeit Vergönnet solche Trunckenheit. 4. Fünff Tische stehen wol besetzt Mit allem was die Seel’ ergetzt Mit außerlesnen Speisen/ Hinzu/ du meine Seel’ hinzu/ Nimb/ trinck’ und iß’ in guter Ruh’ Hie sind nicht frembde Weisen/ Da man sich muß mit grossem Pracht’ Erst üben wie die Welt es macht.
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Anhang I
du darfst hier nit sorgen daß dir Gift eingemischet/ oder zweiffelhafftige Trachten aufgetragen werden/ du magst wol sicherlich zulangen/ vnd dich füllen mit den besten Speisen/ die dich nehren vnd erhalten zum ewigen Leben.
Sihe/ hier findestu gleichsamb fünff Häuptquellen/ daraus entspringen die Ströme der Gnaden/ vnd die Flüsse der Erbarmung/ Laß dich hier nieder liebe Seele/ was seumestu dich? Wasche dich wol mit diesem Wasser/ tauche dich eyn in diese Flüsse/ vnd lasse nit abe biß die Mackel vnd Flecken der Sünden gantz abgewaschen vnd dein Fleisch gleich als Schneweiß geworden sey. Sihe hier sind gleichsamb fünf Thüren/ dadurch man eingehet zu der Wollust des Paradieses. Da stehet offen eine grosse Pforte/ die zu dem Schloß des Hertzen hinein führet/
da stehen offen die grossen Löcher an Händen vnd Füssen/ dadurch man eingehet zu der Herrligkeit des Herren/ der in seinen Händen alles träget/ vnd dessen Füssen alles vnterworffen ist/ hier in diesem Schloß kanstu sicher seyn/ hier in den Händen deines Heilandes bistu wol verwahret/ zu den Füssen dieses Herrn magstu künlich sitzen/ alßdenn wirstu wol verwahret seyn/ er wird alle deine Feinde auf den Kopf treten/ vnd dich endlich zu ehren bringen/ vnd dir zeigen sein Heil.
5. Die Mahlzeit weis von keiner List/ Denn was dir auffgesetzet ist Das kan dich kräfftig laben/ Kein Gifft wird hie getragen auff Auch ist die Speise nicht zu kauff’ Umbsonst kanst du sie haben/ Ja sie erhält und nehret dich O Mensch zum Leben ewiglich. 6. Fünff Quellen wie das Gold so klar Entspringen hie gantz offenbahr Die lautre Ström’ ergiessen; Ach komm’ herzu du liebe Seel’ Und schawe was aus dieser Höhl’ Jn dich vor Wasser fliessen/ Da wasche dich mit gantzem fleiß’ Alsdenn so wirstu schön und weiß
7. Fünff Thüren sind allhie zu sehn Durch welche man hinein kan gehn Recht in des Himmels Garten/ Es öffnet sich die schmale Pfort’ Und bringt uns an den edlen Ort Da wir der Frewd’ abwarten/ Ja da wir für der Höllen Pein Auch Tod’ und Teuffel sicher seyn. 8. Es öffnen sich die Händ’ und Füß’ An Jesu mehr denn Honigsüß Uns ist durch sie gelungen: Wo find’ ich besser Hülff’ und Rath Als wenn mich der umbfangen hat Der selbst den Todt bezwungen/ Zu seinen Füssen sitz’ ich still Und leide was mein Heyland wil.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Sihe hier sind gleichsam fünf tieffe Hölen/ darinnen man sich verbergen vnd vor dem nachstellen der Feinde wol verwahret seyn kan/ zu den Hölen der Erden halten sich die Thier im Walde/ zu den Felßritzen die furchtsamen Tauben/ zu den Hölen der Bäume die Vögel des Himmels/ wenn etwa die Lufft trübe/ oder ein Wetter zubefürchten/ oder der Donner des Himmels die Erde erschrecket/ oder die Sturmwinde sich hören lassen. Also auch du liebe Seele mache dich zu diesen Hölen der Wunden Christi/ so wird dich kein Donner des Zorns Gottes schrecken/ kein Wetter der Straffe betreffen/ kein Sturmwind der Anfechtung anwehen können.
Sihe hier findestu gleichsam fünff wolbestelte Apoteken/ so von allerhand Specereyen Simplicibus vnd Compositis erfüllet/ daraus gehet der Geruch der Liebe vnd des Lebens. Recke du nur deinen Mund her/ liebe Seele/ vnd schmecke wie süsse der Herr ist/ erfülle mit diesem Geruch das gantze Zimmer deines Hertzen/ mit diesem Räuchwerck räuchere dein Gewand vnd Kleider/ damit denselben ja kein schädliche Gifft der Sünden anhengen möge. Sihe hier findestu gleichsam fünff köstliche Perlen/ welcher Glantz vbernimmt den Glantz der Sternen/ welcher Krafft vbertrifft die Kräffte der Gewächse der Erden/ welcher Werth gehet vber das Werth der gantzen Welt.
Hier mustu warlich nicht karg seyn/ liebe Seele/ sondern mit beyden Händen zugreiffen/ vnd mit diesen Perlen zieren
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9. Fünff Hölen zeigt uns dieser Ort Die trägt an sich des Vaters Wort/ Da kan man sich verkriechen: Ja liebe Seel’/ es suchen doch Die wilden Thier’ ein sichers Loch Wenn sie ein Wetter riechen/ Die Taube fleugt den Felsen zu Ein Vöglein sucht im Bawme Ruh’. 10. Auch du mein Geist verzage nicht Jm Fall’ ein starcker Donner bricht Die Wolcken grosser Gnade/ Kriech’ in des Herren Wunden ein/ Da kanst du frey und sicher seyn Daß dir der Sturm nicht schade/ Da trifft dich weder Blitz noch Zorn/ Ja du bist gäntzlich unverlohrn. 11. Fünff Apoteken stehn bereit Voll wundersüsser Liebligkeit Voll edler Specereyen: Ey liebe Seel’ halt’ auff den Mund Und schmecke nur/ du wirst gesund Hie darffst du dich nicht schewen/ Diß Räuchwerck führt dich Himmel an/ Dahin der Todt nicht kommen kan.
12. Fünff Perlen trefflich hoch von Schatz’ Erzeigen sich auff diesem Platz’ Jhr Glantz verjagt die Sonne/ Jhr Werth ist außzusprechen nicht/ O liebste Seel’ hie ist ein Liecht Hie ist dein’ höchste Wonne/ Hie ist die stärckste Himmels=Krafft Die uns den Himmel selbst verschafft. 13. Greiff’ jmmer zu geliebte Seel’ Hie findest du das FrewdenOel Hie gläntzen güldne Sterne/
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Anhang I
dein Häupt/ vnd dieselben als ein sonders Kleinod hengen an deinen Halß/ vnd als eine treffliche Hertzstärckung stetig an der Brust tragen/
O selig vnd aber selig bistu/ liebe Seele/ wenn du mit diesem Schmuck gezieret den Augen Gottes dich praesentiren wirst/ gewißlich wirstu Gott selber zu deiner Liebe reitzen/ daß er sich zu dir thue mit völliger zuneigung/ mit gantzem Hertzen. So kanstu auch nit anders zu der Hochzeit des Lamms eingelassen werden/ es sey denn daß du mit diesem Schmuck geschmücket/ mit diesem Zierad gezieret/ mit diesen Zeichen gezeichnet einhertrettest. Nun lieber Herr/ du hast mich einmal mit dieser Gnade begnadet/ vnd mit diesem Schmuck angeleget/ O erhalte was du gegeben/ vnd vermehre wz du angefangen. Laß diesen Schmuck ewig seyn/ laß mich allezeit herein prangen in dieser Pracht/ daß ich dir zu Ehren trage diese Perlen/ als die Kennzeichen der Gottseligkeit/ als Merckmal der Liebe/ als die verpfendung der Seligkeit. Mit diesen fünff Wunden erscheine mir in dem schrecken der Sünden/ daß deine Wunden seyn eine Artzeney meiner Seelen. Mit diesen fünff Wunden erscheine mir in der Hitze des Creutzes/ daß ich daraus gelabet vnd erquicket werde. Mit diesen fünff Wunden erscheine mir in der Stunde des Todes/ daß ich da von Trost/ da von Frewde/ da von Heil vnd ewige Seligkeit haben möge/ Amen.
Hie ist ein Kleinodt solcher Art Deßgleichen nie gesehen ward Das leuchtet auch von ferne/ Diß Kleinodt deines Hertzen Lust Bewahre stets an deiner Brust. 14. Was wil der Demant und Saphir/ Des Herren Wunden nem’ ich mir Den besten Schmuck auff Erden/ Wer den nicht hat/ kan nimmermehr Zu unsers Lämbleins Hochzeit Ehr’ Hinein gelassen werden/ Nur der/ den dieses Kleinodt ziert Wird auff diß grosse Mahl geführt.
15. O Jesu/ liebster Bräutigam/ Dein Leib/ der aus der Kelter kam Der hat mir angezogen Den rothen Schmuck/ den Perlen Pracht/ Der meinen Geist so frölich macht Daß er wird gantz bewogen/ Jetzt fühl’ ich O mein süsser Mund Du liebest mich aus Hertzens Grund’.
16. Herr/ deine Wunden zeige mir Wenn mich die schwere Sünden=Thür’ Erleget hat zur Erde/ Herr deine Wunden laß mich sehn/ Wenn ich durchs Thränen=Thal muß gehn Daß ich erquicket werde/ Herr/ deine Wunden zum Beschluß’ Ergreiff’ ich wenn ich sterben muß.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Arndt, Paradiesgärtlein I, 47, S. 104–107 XLVII. Vmb ein gut Gewissen.
ACh Gott aller Hertzenkündiger/ wie hastu das Gewissen deß Menschen so wunderbarlich gemacht vnd verordnet/ zum Zeugen deß guten vnd bösen/ mit Forcht vnd Frewdigkeit/ mit Frewd vnd Leid wunderlich begabet/
daß es alle Menschen erinnere der Gerechtigkeit/ vnd einen jeden vberzeuge daß du ein gerechter Gott bist/ für welchem sich jederman förchten müsse/ daß du auch vberall gegenwertig seyst/ für welchem sich niemand verbergen könne/ denn so man sich für seinem eignen Gewissen nicht kan verbergen/ welches nur ein Richter vnd innerlicher vnbetrieglicher Zeuge ist eines einigen Menschlichen Hertzens/ wie solt man sich für dem allwissenden Gott verbergen/ der ein Richter ist aller Menschlichen Hertzen/ Ach wie offt hab ich meinem eignen Gewissen widerstrebet/ demselben nicht gefolget/ ob michs gleich erinnert/ ermahnet vnd gestrafft: Jch hab einen grossen schweren vnrühigen Zeugen wider mich selbst erweckt. Ach mein Gott du wahrer vnd einiger Seelen=Artzt/ der du heilest die zubrochens Hertzens sind/ vnd verbindest jhre Schmertzena/ heile mich Herr denn meine Gebeine sind erschrocken/ vnd meine Seele ist sehr erschrockenb. a Marginal: Psalm. 146. b Marginal: Psalm. 6.
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Rist, Himmlische Lieder III, Nr. 3 III. Andächtiges Lied zu Gott. Umb ein gutes/ stilles und ruhiges Ge= wissen. O Gott der du der Menschen Hertz und Sinn/ allein trägst in der Hand/ Du hast in uns gemacht von anbeginn/ ein starck GewissensBand/ das zeuget uns von beyden/ es kennt das Böß’ und Gut’/ es schöpffet Frewd’ und Leyden/ nach dem’ ein jeder thut. 2. Diß lehret auch/ daß du mein Gott gerecht Und man dich fürchten muß/ Jch aber als ein gar zu böser Knecht Leb’ ohne Rew’ und Buß’/ Jetzt fühl’ ich mein Gewissen/ Das drücket mich so hart/ Daß schier mein Hertz zerrissen Und gar ersticket ward.
3. Ach du mein Gott/ du Seelen=Artzt und Rath Jch weis es gar zu wol/ Daß deine Güt’ auch die verbunden hat Die aller Bößheit voll/ Ach heil’ auch meine Schmertzen
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Anhang I
Ach linder meine Noth/ Jch gräme mich von Hertzen Bin lebendig und todt. Ach reinige mein Gewissen HErr JEsu mit deinem Blut/ von den todten Wercken meiner Sünde/ zu dienen dem lebendigen Gottc/
heile die Wunden meines Gewissens/ die mir schmertzlich wehe thun/ geuß dein Gnaden=Oel hineind/ den rechten Seelen Balsam/ den heiligen Geist/ der mich tröste/ vnd mir die Seelenschmertzen lindere/ daß ich nicht allzu sehr erschrecke/ daß nicht die Forcht für deinem gestrengen Gericht/ mich in verzweiffelung stürtze.
Tilge auß die Handschrifft/ die wider mich iste mit deinem Blute/ Schreibe in die Taffeln meines Hertzens vnd Gewissens die ich zubrochen habe/ deine Gnade/ vergebung der Sünden/ Gerechtigkeit/ den Glauben/
die Liebe/ die lebendige Hoffnung/ Gedult vnd Gebet/ daß in meinem Gewissen/ als in einem Spiegel leuchte deine Gerechtigkeitf/ die auß Gnaden mir ist geschencket durch den Glauben/ deine edle Blutströpfflein zieren meine Seele als die schönsten Rubinen/ die krafft deines heiligen Opffers/ Leydens vnd Todtes erquicke mein Gewissen/ c Marginal: Hebr. 9. d Marginal: Luc. 10.
4. Dein thewres Blut/ das du vergossen hast Das schenck’ Herr Jesu mir/ Es nimpt hinweg der Sünden schwere Last Es bringet mich zu dir/ Es kan mich kräfftig stärcken Ja führen gar dahin/ Daß ich von todten Wercken Ersteh’ und selig bin. 5. Ach mache die Gewissens Wunden rein Sie thun mir hefftig weh’ Und geuß mir bald dein Gnaden=öl hinein/ Auff daß ich tapffer steh’ Und nicht zu sehr erschrecke Wenn ich muß vor Gericht’/ Alsdenn dein’ Hand mich decke Daß ich verzweiffle nicht. 6. Dein Blut das tilg’ auß die so harte Schrift Die mir vor Augen steht/ Dazu den Fluch/ so mir die Seele trifft Und gar ans Hertze geht/ Mein Helffer/ mein Erretter Schreib’ eitel Gnaden=Gab’ Jn des Gewissens Blätter Die ich zurissen hab’. 7. Ach schreib’ hinein Lieb’/ Hoffnung und Gedult/ Furcht/ Glauben und Gebet/ Gerechtigkeit/ Vergebung’ aller Schuld Und was sonst gern ich hätt’ Es wird mir doch aus Gnaden Geschencket allzumal Mir/ der ich bin beladen Mit Sünden ohne Zahl.
e Marginal: Coloss. 2. f Marginal: 2. Corinth. 3.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Ach du edler Weinstockg blüe in meinem Hertzen vnd Gewissen/ vnd vertreib durch dein Lebensgeruch/ alles Vnziffer vnd höllischen Schlangengifft/ vnd tödte den nagenden Hertzenwurm/ vnd stille die Anklage der Sünden vnd deß Gewissens in mir.
Laß mein Gewissen schmecken den rechten Frewdenwein deß H. Geistes/ daß ich mich in dir allein erquicke vnd erfrewe/ O meines Hertzens einige Frewde vnd Ruheh/ Jn mir selbst muß ich erschrecken vnd verzagen/ Jn dir aber frewet vnd erquicket sich mein betrübtes Gewissen/ Ach laß mich empfinden was der Psalm spricht: Darumb frewet sich mein Hertz/ vnd meine Ehre ist frölich. Ach laß mein Liecht das in mir ist/ meinen Glauben/ Lieb vnd Hoffnung/ vnd dein Erkäntniß in mir nicht finster werden vnd verlöschen. Sondern laß es in dir vnd durch dich leuchteni vnd helle werden/ Das es mein Leib vnd Seele erleuchte wie ein Blitz/ daß ich mit frewdigem Geist für dir erscheinen/ vnd bestehen möge für deinem Angesichtj.
Ach wie ist ein gut Gewissen eine grosse Frewdigkeit für Gott vnd Menschen/ wie frewdig sind die heiligen Märterer/ so vmb der Gerechtigkeit vnd Warheit willen gelitten/ zum Todte gangen. Wer kan mich verklagen/ wenn mich mein Gewissen Absolvirt/ wer kan mich betrüben/ wenn mich mein Gewissen erfrewet/
g Marginal: Johann. 15. h Marginal: Psalm. 16.
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8. Du Weinstock du/ du außerleßner Zweig Ach blühe doch in mir Und mache mich von edlen Früchten reich Vertreibe für und für Das Gifft der HellenSchlangen Den Hertzwurm der mich nagt/ Den Molch der mich gefangen So gar erschrecklich plagt. 9. O daß bald doch mein’ arme Seele schmeckt’ Herr deinen Frewden=Wein/ O daß sie bald dein Gnaden=Honig leckt’ Jch wolte frölich seyn: Denn wolt’ ich nicht mehr fragen: Was sind der Sünder Strick’? Hinweg Furcht/ Angst und Zagen Jetzt spür’ ich Gottes Blick. 10. Ach laß mein Liecht/ das noch verhanden ist Als’ Hoffnung/ Glaub’ und Lieb’ Jm Finstern nicht vergehn durch Satans List Daß ich mich nicht betrüb’/ Herr laß es hie auff Erden Erleuchten wie den Blitz Und durch dich fewrig werden Gleich wie der Sonnen Hitz’. 11. Es ist doch nichts so köstlich auff der Welt Es ist kein grösser Schatz Als wer ein gut Gewissen stets behält Der hat im Himmel Platz Nichts kan mich ja betrüben Jst mein Gewissen froh/ Auch kan mir nichts gelieben Wenn es nicht ist also.
i Marginal: Luc. 11.
j Marginal: Sapient. 5.
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Anhang I
dagegen aber/ wer kan mich erfrewen/ wenn mich mein Gewissen betrübet/ ohn du allein/ O meines Hertzens Frewde/ wer kan mich rechtfertigen/ wenn mich mein Gewissen verdampt/ Denn du allein O mein Erlöser JEsu Christe/ in dessen Verdienst meine Gerechtigkeit stehet vnd gegründet ist.
Ach mein HERR vnnd mein Gott/ laß mich diesen Schatz wol bewahren/ vnd wenn durch dein Blut mein Gewissen gereiniget ist/ So laß mich durch deine Gnade dasselbe rein behalten/ daß ich in diß geheiligte vnd reine Gefässe nichts vnreines lege/ damit es nicht wider befleckt vnd vervnreiniget werde/ sonst ist Leib vnd Seele befleckt. Laß mich aber einen guten Schatz hinein samlen/ welchen ich an jenem Tage herfür bringen möge/ als auß einem guten Schatz meines Hertzensk. Ach du gerechter Gott/ der du Hertzen und Nieren prüfest/ wie hastu in dem Gewissen deß Menschen/ beydes Himmel vnd Hölle zu erkennen geben/ vnd die Vnsterbligkeit der Seelen/ denn ein gut Gewissen ist der Himmel/ vnd ein böse Gewissen ist die Hölle/ so wunderlich hastu das Gewissen gemacht/ das ein jeder Mensch/ entweder seinen Himmel/ oder seine Hölle in jhm selbst haben vnd tragen muß. Vnd weil wir in diesem Leben/ mit Fleisch vnd Blut kämpffen müssen/ auch wider die arge Welt/ So hilff mir lieber Gott/ einen guten Kampff kämpffen/ k Marginal: Luc. 12.
12. Was wird mich doch erfrewen/ wenn ich nicht Auch rein von Hertzen bin/ Was machet mich gerecht wenn meine Pflicht Der Tugend ist dahin? Wer dich Herr Jesu findet Wird durch dein Blut befreyt/ Jn dir ist bloß gegründet Mein Heyl und Seligkeit. 13. Ach laß mich doch diß mein Gewissen rein Erhalten fort und fort Daß ich nichts leg’ in diß Gefäß’ hinein Als was dein thewres Wort Zu legen hat befohlen/ Sonst wird der Leib befleckt Der Geist wird gleich verholen Mit Sünden angesteckt.
14. Jst doch zugleich der Himmel und die Höll’ Jn meiner Seel’ allhie/ Den Bösen plagt ja sein Gewissen schnell Er fühlt es gar zu früe/ Ein jeder kan sich machen Die Höll’ und Himmel beyd’ Angst/ hoffen/ rennen/ lachen/ Glück/ Unglück/ Frewd’ und Leyd. 15. Dieweil denn ich in diesem Jammerthal Muß täglich kämpffen noch/ Und was mir sonst auffbürdet mehr für Quaal
Rists Lieder und ihre Vorlagen
daß ich diese beyde edlen Schätze/ den Glauben vnd gut Gewissen behalten mögel.
Laß mich durch die Ruhe meines Gewissens/ schmecken/ die Ruhe deß ewigen Lebens/ Friede vnd Frewde in dir/ O mein Herr vnd Gott/ so wird mich keine Schmach der Welt betrüben/ kein verlust deß zeitlichen trawrig machen/ kein Verleumbder beleidigen/ keine Forcht erschrecken/ keine Gewalt verletzen/ keine Sünde verdammen/ kein Teuffel mit seinen fewrigen Pfeilen vberwünden.
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Der Sünden schweres Joch/ So hilff O Herr mir siegen/ Daß des Gewissens Schatz Ja nimmer mög’ erligen Auff diesem Tummel=Platz’. 16. Herr Jesu hilff daß ich die süsse Ruh’ Und wahre Seligkeit Mit grosser Lust hie schmecken mag die du Jn Himmel hälst bereit/ Herr hilff daß mein Gewissen Hie bleibe sonder Quaal/ Biß ich werd’ hingerissen Jn deinen FrewdenSaal.
l Marginal: 1. Timoth. 4. (Erratum). Recte: 2Tim 4,6
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Anhang I
Arndt, Paradiesgärtlein III, 1, S. 186–188 I. Gebett vmb die verschmähung der Welt. ACh mein hertzlieber HErr JEsu Christe/ du HErr der Herrligkeit/ wie hab ich diese elende vergängliche Welt so lieb gehabt?
Ach was hab ich so sehr geliebet/ eine Blume die verwelckt/ Häw daß verdorreta/ einen Schatten der da hinfleugetb/ Ach wie habe ich meine Liebe vnd mein Hertz an so ein nichtiges vnd flüchtiges gehenckt/ wie hab ich doch einen leblosen Schatten (der nichts ist) so sehr geliebet? Wie hab ich mir darumb so viel vergeblicher Vnruhe gemacht/ so viel Schmertzen/ so viel Sorgen vnd gremen/ was kan doch meiner vnsterblichen Seelen ein sterblich ding helffen?c
Wo ist alle Herrligkeit Salomonis? Sie ist als eine Blum verwelcket/ Wo ist seine Ehre/ wenn jhn Gott nicht Ehren wird? Gott ehren/ ist deß Menschen rechte Ehre/ wer mich ehret den will ich wider ehrend/ welchen nuhn Gott nicht ehret an jenem Tage/ wer will jhn ehren?
a Marginal: Esa. 40.
Rist, Himmlische Lieder III, Nr. 6 VI. Andächtiges Gebet zu Gott/ Umb Verschmähung der Welt und aller deroselben Eitelkeiten. WJe bin ich doch so gar betrübet/ O Jesu Glantz der Herrligkeit/ Daß ich die Welt so sehr geliebet/ allhie in dieser Gnadenzeit/ Was war es doch daß ich so hoch/ dem Himmel gleich geschätzet/ ja über Gott gesetzet. 2. Ein Blümlein war es aus dem Garten Ein Gräßlein das verdorren muß/ Ein Schatten der ja nicht kan warten Ein schwartzer Pful voll Uberdruß Ein lauter Koth Ein steter Tod Ein Rauch/ den man kaum findet/ Ein Wort/ das schnell verschwindet. 3. Ach! daß ich mich so sehr bemühet Umb Ehr’ und Gut so länger nicht Als ein vergänglichs Kräutlein blühet Das schneller als’ ein Glaß zubricht! Ach daß ich mich So jämmerlich Umb eitles Thun gequelet Und doch nur Staub erwehlet! 4. Wo ist des Salomons sein’ Ehre Wo ist sein Königlicher Pracht? Sein Abscheid gibt uns diese Lehre: Daß man das Eitle recht verlacht/ Die Herrligkeit Jn dieser Zeit Kan keiner jhm ersparen/ Sie wird uns nicht nachfahren.
b Marginal: Psalm. 39. c Marginal: 1. Timoth. 6. d Marginal: 1. Sam. 2.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Die Ehre dieser Welt fähret niemand nach/ aber wer Gott ehret/ deß Ehre wird ewig bleiben. Jn Menschen Augen groß sein ist nichts/ vnd wehret eine kleine Zeit/ aber für Gott groß sein/ das ist Gottsförchtig sein/ dz wehret Ewiglich/ was hilfft nun grosse Ehre auff Erdene/ wenn man für Gott nicht geehret ist?f Wie sagt der Engel Gabriel zum Propheten Daniele: Du lieber Mann/ du bist Gott lieb vnd werthg. Ach mein Gott laß mich nach dieser Ehre trachten/ daß ich dir lieb sein möge/ vnnd nicht nach der Ehre dieser Welt/ dadurch ich dir vnlieb/ vnwerth werde/ Was schadets für der Welt/ verachtet vnd verschmähet werden/ wenn man von Gott geehret wird? Laß mich O HErr Christe mit dir hie deine Schmach tragenh/ auff das ich dort deiner Herrligkeit theilhafftig werde. Gib mir daß ich deine Schmach O HErr Christe/ grösser achte denn alle Schätze Egypti/ ja der gantzen Welti.
Ach was kan mir auch aller Reichthumb helffen/ wenn ich sterben soll? Werde ich auch etwas mit nehmen?
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5. Geehret seyn vor Menschen Augen Das daurt nur eine kurtze Zeit; Vor Gott dem Schöpffer etwas taugen Das nützet biß in Ewigkeit. Es hilfft dich nicht Daß mancher spricht: Der hat viel Ehr’ auff Erden; Muß er doch Asche werden.
6. Nach dieser Ehr’ Herr laß mich trachten/ Daß ich nur dir gefällig sey Und könne gantz die Welt verachten Die nichts nicht hat als Teuscherey Ja schnöde Welt Dein Gut und Gelt Das kan mich nicht bewahren Wenn ich von dir sol fahren.
7. Herr Jesu laß mich willig tragen Hie deine Schmah’ auff daß ich dort Geführet auff Elias Wagen Jn Frewden lebe fort und fort/ O trewer Gott Dein Hohn und Spott Sey lieber mir im Leben Als was die Welt kan geben. 8. Was wird mir aller Reichthumb nützen Wenn ich die Welt verlassen sol? Mich kan kein Gold noch Silber schützen Hätt’ ich gleich tausend Kasten voll Herr wenn du mich Nur gnädiglich Die TodesBahn wirst führen So kan mich nichts verlieren.
e Marginal: Psalm. 49. f Marginal: Psalm. 111. g Marginal: Daniel. 9. h Marginal: Hebr. 13. i Marginal: Hebr. 11.
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Anhang I
Darumb O mein GOTT vnd HERR laß mich den ewigen Reichthumb behalten/ welchen ich nimmermehr verlieren kan/ Nemblich dich selbstj/ deine Gnade vnnd Barmhertzigkeit/ deinen heiligen Verdienst O HErr JEsu/ die Vergebung der Sünden/ den heiligen Geist vnd ewiges Leben. Bleibet doch sonst alles in der Welt/ vnd vergehet mit der Welt/ was wird michs dann helffen/ wenn ich gleich aller Welt Gut hette? was wird mir denn schaden wenn ich gleich nichts habe?
Jm Himmel ist mir auffgehoben dz ewige/ vnvergängliche/ vnverweßliche vnd vnbefleckte Erbek. Ach was ist auch alle Lust dieser Welt/ vnd deß tödtlichen Fleisches? Jsts nicht der verboten Baum davon wir den Todt essen? Jsts nicht lauter gifft/ bringts nicht gremen/ schmertzen/ rewe/ böse Gewissen/ vnd einen nagenden wurm weinen vnd heulen? Wie sagen die Verdampten Sap. 5. Was hilfft vns nun der Pracht/ Reichthumb vnd Hohmut Jsts doch alles dahin geflohen wie ein Schatte/ Wie ein geschrey das fürüber fähret.
j Marginal: Psalm. 73.
k Marginal: 1. Petr. 1.
9. Dich wil ich mir allein behalten O Gott du bist das wahre Gut Dein Gnadenfewr kan nicht erkalten Es wärmet Leben/ Hertz und Muth Die Seligkeit Gerechtigkeit Vergebung meiner Sünden Sind all’ in dir zu finden. 10. Was jrrdisch heist/ muß doch hie bleiben Und endlich mit der Welt vergehn/ Was solt’ ich denn daran bekleiben Was solt’ ich nach dem Schatten sehn? Und hätt’ ich gleich Ein solches Reich Als’ ehmals Alexander Hie bleibts doch mit einander. 11. Jm Himmel ist mir auffgehoben Ein ewigs unverweßlichs Theil Ein frewdigs unauffhörlichs Loben Ein unbeflecktes Erb’ und Heyl/ Die Lust allhie Jst gäntzlich wie Starck Gifft/ so wir das essen Wird Gott dadurch vergessen. 12. Die Welt gibt nichts als lauter Grämen Als früe Schmertzen/ späte Reü Auch so/ daß wir uns müssen schämen Der vielen Sünd und Büberey/ Da kommt hernach Noth/ Weh’ und Ach/ Da folget Heulen/ Klagen Sampt tausend andern Plagen.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Ach mein HErr JEsu Christe/ laß mich meine Lust an dir haben/ so wird meine frewde ewig sein/ laß mich meine Ehre an dir haben/ so wird meine Ehre ewig sein.
Laß mich meinen reichthumb an dir haben/ so ist mein reichthumb ewig/ laß mich meine herrligkeit an dir haben/ so ist meine Herrligkeit ewig.
Ach mein HErr JEsu Christe/ in dir hab ich tausentmal mehr Güter/ denn ich in der Welt lassen muß/ in dir hab ich viel grössere Ehre/ ob ich gleich von allen Menschen verachtet werde/
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13. Ach mein Herr Jesu laß mich haben An dir allein mein’ höchste Lust So wird mich Freüd’ ohn’ Ende laben Die Gottes Kindern ist bewust/ Laß mehr und mehr Mein Lob und Ehr’ Allein an deiner kleben Nur sie kan mich erheben. 14. Ach soltest du mein Reichthumb heissen So hätt’ ich gnug in dieser Zeit Wie trefflich wolt’ ich mich befleissen Zu nennen dich mein’ Herrligkeit Herr du bist mir Gold und Saphir Pracht/ Ehr’ und himlisch Wesen/ Dein’ Hand läst mich genesen. 15. Jn dir hab’ ich viel bessre Güter Als’ in der Welt ich lassen muß/ Du bist mein Schatz du Seelen=Hüter Bey dir ist rechter überfluß Und ob mir gleich Der Groß’ und Reich’ Allhie viel Spott zufüget Leb’ ich doch wol vernüget.
in dir hab ich viel grössere Liebe/ ob mich gleich die gantze Welt hasset/ an dir hab ich den allerliebsten vnnd besten Freund/ vnnd die höchste Freundschafft/ ob ich gleich keinen Freund in der Welt habe/ in dir hab ich viel mehr Segen/ ob mich gleich die gantze Welt verflucht/ in dir hab ich viel grössere Frewde/ ob mich gleich die gantze Welt betrübt/ Summa in dir hab ich alles/ vnd du bist mir alles/ vnd wenns müglich were das mein Leib tausentmal erwürget würde/ so bleibstu doch HErr Christe mein Leben/ ja mein ewiges Leben/ vnd mein ewiges Heyl/ Amen.
16. Jn dir allein’ hab ich den Segen Ob gleich die Welt mich gar verflucht/ Was ist mir denn an jhr gelegen Wenn mich der Segen selber sucht? Allein zu dir Steht mein Begier Du wirst zum FreüdenLeben Herr Jesu mich erheben.
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Anhang I
Stegmann, Schwanengesang, S. 749–756 VIII. Begrüssung des HErrn JEsu/ vmb den himmlischen Seelengast den H. Geist. DEr himmlische SeelenGast ists/ nach dem wir heute seuftzen/ das Verlangen vnsers Hertzens ists/ darnach vns verlanget/
Wenn wir diesen werthen Gast bey vns haben/ wz wollen wir mehr begeren? Was gut/ was herrlich/ was einem Christen Menschen nötig/ das alles haben wir von diesem einigen vnd in diesem einigen Geist/ Sintemal er ist der den Verstand mit dem Liecht der Weißheit erleuchtet/
vnd die Sinne zur Andacht vnd Gottseligkeit richtet/ vnd die Begierden durch die Furcht des Herren vnterdrucket/ vnd alle Kräffte der Gläubigen mit mancherley Gaben zieret vnd außrüstet/
Wenn wir fallen so richtet er vns auf/ wenn wir in Gefahr seyn so hilft er vns heraus/ wenn wir mangel leiden so beschert er vns Notdurft/ wenn wir trawrig seyn/ so tröstet er vns/ wenn wir leiden/ so stärcket er vns/ wenn wir straucheln so hält er vns.
Rist, Himmlische Lieder IV, Nr. 2 II. Gebet zu dem Herrn JEsu. Umb den himlischen Seelen=Gast/ den werthen heiligen Geist. JCh trage groß Verlangen/ HErr Jesu deinen Geist/ der Rath und Tröster heist/ mit Freuden zu empfangen: Es sehnet sich mein Muth/ allein nach diesem Gut/ und wenn ich das kan haben/ ist all mein Leid vergraben. 2. Nichts wil ich mehr begehren/ Als wenn du diesen Gast/ Den du versprochen hast/ Mein Gott/ mir wirst gewehren: Der lehrt zur jeder frist Das/ was ein frommer Christ Zu thun sol seyn geflissen/ Auch was jhm noth zu wissen. 3. Er ists/ der uns regieret Die Sinnen und Verstand/ Der durch der Liebe Band Uns recht zum Himmel führet/ Ja der des Glaubens Krafft Jn unser Seelen schafft/ Der sie mit Tugend schmücket Und in der Noth erquicket. 4. Er hält uns wenn wir fallen Jn Vnglück vnd Gefahr/ Bald werden wir gewahr Daß er vns hilfft für allen: Er lässt uns nicht allein Wenn wir verjrret seyn/ Er speiset uns mit Freuden/ So bald wir Mangel leiden.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Er bringet vns wider zu rechte wenn wir jrren/ Er vergewissert vns wenn wir zweiffeln/
Er vnterweiset vns wenn wir vnwissend seyn/ Er schützet vns wenn wir angefochten werden/ Er rettet vns wenn wir in Elend stecken.
Jn der Jrre ist er vnser Weg/ im Jrrthumb die Warheit/ in Finsternis das Liecht/ in der Kranckheit die Gesundheit/ im Todt das Leben/ Den Verstand lehret er/ den Willen beweget er/ die Begierden regieret er/ die böse Lüste zeumet er/
Er stillet dz Gewissen/ stärcket dz Hertz waffnet vnser Hände/ richtet vnser Füsse auf den Weg des Friedens/ Reitzet an zur Tugend/ mahnet ab von Lastern/ reget an zum Guten/ führet ab vom Bösen/ kommet vns zuvor daß wir das Gute wollen/ ist mit vns daß wirs vornemen/ folget vns daß wirs vollenden/ O des himmlischen Geschenckes/ O des herrlichen Schenckers!
5. Er bringt uns arme Knechte Wenn wir durch falschen Schein Der Welt verleitet seyn Durch seine Krafft zu rechte: Er ist ja vnser Schutz/ Wenn durch der Feinde Trutz Wir Christen hie auff Erden So starck verfolget werden. 6. Ja dieser Geist der lehret Das/ was uns unbekandt Und himlisch wird genandt. Er ist es der da mehret Jn uns des Glaubens Liecht/ Trost/ Hoffnung/ Zuversicht/ Gedulden/ leiden/ lieben/ Und sich in Demuth üben. 7. Wenn wir verdüstert gehen/ Bringt er uns auff den Weg/ Er zeigt des Lebens Steg/ Daß wir im Finstern sehen. Sein Honigsüsser Mund Macht unser Hertz gesund/ Er kan den bösen Willen Jn unser Seelen stillen. 8. Er tröstet das Gewissen/ Wenn durch der Sünden Schmertz Ein sehr zerschlagnes Hertz Jst jämmerlich zerrissen. Er höret unser Bitt’ Er richtet unsre Tritt’/ Er gibt uns erst das Wollen Da wir nach leben sollen.
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Anhang I
Selig seynd die/ welche dieser Gabe theilhaftig werden/ Vnselig sind die/ welche dieselbe von sich stossen/ Nicht wird dieser Geist gegeben den Gottlosen/ denn die Weißheit kommet nicht in eine boßhafftige Seele/ viel weniger der H. Geist in den Leib des Sünders. Das Oel der Barmhertzigkeit wird nicht eingegossen als in ein Gefäß/ das zuvor wol gereiniget/ Also auch dieses köstliche Oel lässet sich nit füllen in eine vnreine sündige Seele/ Nicht wird dieser Geist gegeben den Vnkeuschen/ vnd vnmessigen Venus vnd BachusKindern/ denn er ist ein Geist der Keuschheit vnd der Messigkeit/ Als das NoeTäublein befunden/ daß die Erde noch wässerig vnd kotig war/ daß es nirgend sicher seinen Fuß setzen kunt/ bliebe es da nicht lange/ Also auch der H. Geist/ wo der findet ein Hertz mit Wein vberschwemmet/ vnd mit dem Koth der Vnkeuschheit vervnreiniget/ da kan er auch nicht lange außtauren/ Nicht wird dieser Geist gegeben den Vnfriedsamen vnd Wiederspenstigen/ denn er ist ein Geist des Friedes/ drumb wohnet er nicht als nur in Friedfertigen/ wo die Ate der Vneinigkeit eingehet/ da gehet die Irene vnd Friedfertigkeit wieder auß. Also wo Zanck vnd Widerwillen ist/ da kan der Geist des Friedes/ vnd der Liebe/ keine statt finden/ Nicht wird dieser Geist gegeben den Hoffärtigen/ denn er ist ein Geist der Demuth/ drumb ist er feind der Hohmuth/ Jhm gefallen die niedrigen Thal/ mißfallen die hohen Hügel/ Er ists der die hohen Augen nidriget/ vnd die Demütigen aus dem Staube hervor hebet.
9. O selig ist zu schätzen Der diese Gnad’ und Gunst Der süssen Himmels=Brunst Auff Erden mag ergetzen! Doch dieser werther Schatz Hat nicht bey denen Platz/ Die durch jhr gantzes Leben Den Lastern sind ergeben.
10. Gleich wie nicht kondte bleiben Des Noäh Taub’ allda/ Wo es noch kothig sah’ Also läst sich vertreiben Der Geist der Sauberkeit Wo man die liebe Zeit/ Jn Uppigkeit verbringet Und gleich zur Hell’ einspringet.
11. Wer Zanck und Hader liebet/ Wer bey den Spöttern sitzt/ Und schändlich sich beschmitzt/ Wer sich in Hoffahrt übet/ Wer stets im Sause lebt/ Wer nur nach Gelde strebt Der kan den Geist der Gnaden Doch nimmer zu sich laden.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Derowegen wer diesen Geist bey sich haben wil/ der muß von diesen Lastern frey/ vnd von der Zunft der Gottlosen abgesondert seyn/ Dieser gute Geist wird nicht gegeben als nur den Bußfertigen/ denn wo wolt er besser wonen als in einem zerknirschten Hertzen/ das mit dem Hammer des Gesetzes gerühret/ mit dem Donnerkeyl des Zorns Gottes getroffen/ durch die Anstösse des Creutzes weich gemacht ist/ vnd Gnade hoffet/ Gnade begehret/ sein Vertrawen nicht auff eigene/ sondern frembde Werck setzet/ Dieser Geist wird nit gegeben als nur den Betenden/ die den lieben Gott drumb anruffen/ wie er denn ist ein Geist der Gnaden vnd des Gebets/ wenn wir nit wissen was wir beten sollen/ so betet der H. Geist selber vor vns mit vnaußsprechlichen Seuftzen/ regieret vnser Zunge/ entzündet vnser Hertze/ bläset auff vnser Andacht/ vnser Zunge daß wir bitten was nötig/ vnser Gemüt daß wir dencken was heilig/ vnser Andacht/ daß Hertz vnd Mund mit einander vbereinstimme. Dieser Geist wird gegeben denen so wandeln in Geboten des Herren/ wie er selber heilig/ Also wil er vns auch heilig haben/ drumb erfordert er heilige Leute/ die da wandeln auf dem Weg des Herren ohne Klage/ folgen dem Liecht des Worts Gottes/ vnd thun was jhm gefällig ist nach allem Vermögen/ O des himmlischen Geschenckes/ O des herrlichen Schenckers/ Daß wir nun diß Geschencke auch empfangen mit liebe/ vnd wirdig aufnehmen/ wer wil vns das zuwege bringen/ als du allein/ Herr Jesu/ so der Geber desselben/ darumb so schencke vns deine Gnade/ daß wir dem H. Geiste darbieten heilige Gedancken/ heiligen Wandel/ heilige Wercke/ denn alßdenn wird er sich vns anbieten/ wenn wir vns jhm darbieten/
12. Er gibt sich selbst nur denen Die von der Triegerey Der schnöden Wollust frey Sich nach dem Himmel sehnen/ Ja welche Tag und Nacht Auff Gottes Zorn bedacht Jhr traurigs Hertz’ außschütten Und stets umb Gnade bitten.
13. HErr JEsu/ du mein Leben Mein’ höchste Freud’ und Lust/ Mir ist ja wol bewust/ Daß du allein kanst geben Diß himlische Geschenck’; Jch bitte dich: Gedenck’ An mich/ daß/ wenn ich schreye Dein Geist mich hoch erfrewe.
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Laßt vns jhm darbieten heilige Gedancken daß vnser Verstand gedencke was göttlich/ daß vnsere Seele liebe was himmlisch/ daß vnser Hertze begehre was gut/ daß vnser Wille allein wolle was recht/ dz vnsere Begierden darnach allein Verlangen tragen/ was löblich ist/
14. Laß mich von dir nicht wancken/ Verleihe Muth und Krafft Die uns der Tröster schafft; Gib heilige Gedancken/ Daß meine Seel in dir Sich tröste für und für/ Gib/ daß ich meinen Willen Durch dich nur lasse stillen.
Laßt vns jm darbieten einen heiligen Wandel/ daß heilig seyn vnsere Augen/ vnd nur allein sehen nach dem himmlischen/ heilig vnsere Ohren/ vnd nichts hören als was keusch vnd züchtig/ heilig seyn vnser Hände/ daß sie nichts thun als was gut/ was recht/ was dem Nehesten nützlich ist/
15. Verleyhe mir zu taugen Vor deinem Angesicht’ O unvergänglichs Liecht Komm’/ heilige mein’ Augen/ Daß sie zu dir allein Durchauß gerichtet seyn/ Vermehre mein Verlangen/ Nur dir HErr’ anzuhangen.
Laßt vns jhm darbieten heilige Wercke/ daß wir die Tugend lieben/ die Vntugend hassen/ dem Himmlischen anhangen/ das Zeitliche verachten/ thun Barmhertzigkeit am Nehesten/ beweisen Trost den Elenden/ bezeigen Liebe gegen jederman/ daß wir die Hoffart vntertretten/ dadurch der Mensche gefallen/ vnd hinweg thun die Mißgunst/ dadurch der Mensch betrogen/ vnd lieben die Demuth/ dadurch der Mensche wieder zu Gott kommen ist/ vergebens ists daß sich einer vnterstehet diesen Geist zu erndten der auff das Fleisch säet/ Es läßt sich dieses süsse Honig nicht vermischen mit der vnreinen Aschen/ dieser heilige Balsam mit dem Gifft der Sünden/ der Geist Gottes mit dem WeltGeist/
Rists Lieder und ihre Vorlagen
drumb laßt vns heilig seyn/ daß wir auch diesen heiligen Geist empfangen/ diesen H. Geist bey vns haben/ diesen H. Geist behalten/ das gib vns du himmlischer Geber der Heiligkeit/ hochheilig in Ewigkeit/ Amen.
16. O möcht’ ich Armer bleiben Ein Feind der Sünden=Gifft/ Der Leib und Seele trifft! O möcht’ ich doch vertreiben Das/ was den guten Geist Verjaget allermeist/ So würd’ ich seine Gaben/ Beständig bey mir haben. 17. Rath ist bey dir zu finden HErr JEsu meine Ruh’ Ach tritt du selber zu Und hilff mir überwinden Durch deines Geistes Stärck’/ Jch weis/ sein gnädigs Werck Das wird zum Freuden=Leben Mich ewiglich erheben.
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Anhang I
Martin Opitz, Geistliche Poemata, S. 235–238 Threnen Zu Ehren der Ewigkeit; Auß eines andern Latei= nischem. Auff die Weise deß 9. Psalm. ACh! was ist diß? mein Hertz’ ist wundt/ Das schrecken schleust mir Zung vnd mund/ Ein Wort von Eisen vnd von Stein/ Vnd was noch sonst mag härter sein/ Jst in mein kranckes Hertze kommen/ Hat Marck vnd Bein mir eingenommen.
Rist, Himmlische Lieder IV, Nr. 91 IX. Ernstliche Betrachtung/ Der unendlichen Ewigkeit.
O Ewigkeit du DonnerWort/ O Schwerdt das durch die Seele bohrt/ O Anfang sonder Ende/ O Ewigkeit Zeit ohne Zeit/ Jch weis für grosser Trawrigkeit/ nicht wo ich hin mich wende/ Mein gantz erschrocknes Hertz erbebt/ daß mir die Zung am Gaumen klebt.
Diß donnerwort heißt Ewigkeit/ O ferres End’ vnendlich weit! O grosse Zeit ohn alle Zeit! O Jahre/ Jahre nicht zu nennen! Es ist vnd heisset Ewigkeit/ Das gar kein Ziehl hat weit vnd breit/
Die Ewigkeit nimpt gantz mich ein/ Macht das ich nicht kan ruhig sein; Die Ewigkeit bringt meinem Hertzen Ein stetes sorgen/ Furcht vnd Schmertzen.
2. Kein Unglück ist in aller Welt Das endlich mit der Zeit nicht fält Und gantz wird auffgehaben; Die Ewigkeit hat nur kein Ziel Sie treibet fort vnd fort jhr Spiel Läst nimmer ab zu toben/ Ja/ wie mein Heyland selber spricht/ Aus jhr ist kein Erlösung nicht. 3. O Ewigkeit du machst mir bang’/ O Ewig/ Ewig ist zu lang’/ Hie gilt fürwar kein Schertzen: Drumb/ wenn ich diese lange Nacht Zusampt der grossen Pein betracht’/ Erschreck ich recht von Hertzen/ Nichts ist zu finden weit und breit So schrecklich als die Ewigkeit.
1 Es werden hier nur die ersten sechs Strophen mitgeteilt, da Rists Text von Strophe 6 an von seiner Vorlage unabhängig ist.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
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4. Was acht’ ich Wasser/ Feur und Schwerdt/ Diß alles ist kaum nennens werth Es kan nicht lange dauren: Was wär’ es/ wenn gleich ein Tyrann/ Der funfftzig Jahr kaum leben kan Mich endlich ließ vermauren? Gefängniß/ Marter/ Angst und Pein Die können ja nicht ewig seyn. 5. Wenn der Verdampten grosse Quaal So manches Jahr alß an der Zahl Hie Menschen sich ernehren/ Als manchen Stern der Himmel hegt/ Als manches Laub die Erde trägt Noch endlich solte wären/ So wäre doch der Pein zu letzt Jhr recht bestimptes Ziel gesetzt. Ach! ach! was ist die Ewigkeit? Wie groß ist sie/ wie weit vnd breit?
Ja tausend tausend Jahre nicht/ Nicht Zeit die doch der Sonnen Liecht/ Der Erden Fackel/ also wendet Daß sie da anfängt wo sie endet.
6. Nun aber/ wenn du die Gefahr Viel hundert tausend tausend Jahr Hast kläglich außgestanden/ Und von den Teuffeln solcher frist Gantz grausamlich gemartert bist/ Jst doch kein Schluß vorhanden/ Die Zeit/ so niemand zehlen kan/ Die fänget stets von neuen an.
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Anhang I
Johann Gerhard, Meditationes Sacrae,1 Meditatio 25, S. 136–143 XXV. De salutari precum efficacia. Penetrant suspiria coelum. MAximum hoc est Dei beneficium, quod familiare precum piarum requirit alloquium: ipse donat orationis affectum, ipse etiam donat orationis effectum.
Magna vis orationis, quae in terra funditur, sed in coelo operatur:
oratio justi clavis est coeli, ascendit precatio & descendit Dei liberatio: oratio est salutare scutum, quo omnia adversarii tela repelluntur.
Rist, Himmlische Lieder V, Nr. 1 I. Christlicher Gesang/ Von dem hoch=seligen Nutze eines rech= ten Gebets. JSt das nicht ein Werck der Gnaden/ daß dem Schöpffer dieser Welt/ Mit uns armen Sünden=Maden/ Sprach zu halten wolgefält/ daß er denen die er liebt/ wahre Rew und Andacht gibt/ so/ daß wenn wir wollen beten/ nur getrost hin zu jhm treten. 2. Schaue doch mit Lust und Freuden Was für Wunder/ Nutz und Krafft Das Gebet im Creutz’ und Leyden Dem/ der Gott vertrauet/ schafft Obs hienieden gleich geschicht/ Darff es dennoch bleiben nicht Jn der argen Welt=Getümmel/ Nein/ es steiget auff gen Himmel. 3. Laß dich nimmermehr verdriessen Dein Gebet O frommer Christ/ Das den Himmel kan auffschliessen Wenn er gleich verriegelt ist/ Beten ist alsdenn ein Schild Wenn der Satan rauh und wild Embsig ist dir alle Stunden Leib und Seele zu verwunden.
Moses cùm extendebat manus suas, praevalebat Israel contra Amalecitas: si ad coelum extendis manus tuas, non praevalebit tibi Satanas. Sicut hosti opponitur murus, ita Dei ira sanctorum frangitur precibus. 1 Die Wiedergabe der Texte aus Gerhards ,Meditationes‘ basiert auf der kritischen Edition dieses Werkes.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Ipse Salvator noster orabat non propter aliquam necessitatem, sed ut precum nobis commendaret dignitatem.
Oratio census est nostrae subjectionis, quia praecepit nobis Deus, ut preces velut spirituale quoddam tributum quotidie ei offeramus: est scala nostrae ascensionis, quia nihil aliud est oratio, quam quaedam mentis ad Deum peregrinatio: est scutum nostrae defensionis, quia anima hominis viventis in precibus tuta est â Daemonum insultibus: est nuncius fidelis legationis, quia ad thronum Dei ascendit oratio, & ad ferendum auxilium eum invitat: hic nuncius fine suo nunquam frustratur,
semper enim exaudit nos Deus, si non ad nostram voluntatem, tamen ad utilitatem & salutem: unum indubitanter ê duobus sperare possumus, aut dabit id, quod petimus, aut illud, quod novit utilius.
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4. Christus selbst pflag offt zu beten Gleichwol vor sich selber nicht/ Nur daß wir auch solten treten Vor des Vaters Angesicht/ Christus zeigt’ uns in der Zeit Des Gebetes Nutzbarkeit/ Wie dadurch so bald die Frommen Für den Thron des Himmels kommen. 5. Wer bey dieser Zeit wil klimmen Jn die Höhe/ daß er frey Für des Teuffels List und Grimmen Sampt der Menschen Bößheit sey/ Wer sein Leben sonder Schwerdt Zu beschützen stets begehrt/ Ey der muß vor allen Dingen Sein Gebet gen Himmel schwingen. 6. Wenn wir sehr geplaget werden Sollen wir allein zu Gott Hertzlich ruffen von der Erden/ Dieses ist ein solcher Bot’/ Als an Treu’ und Redligkeit Nicht zu finden weit und breit/ Weil er alles wol verrichtet/ Ja uns Gott dazu verpflichtet. 7. Alles was wir nur begehren Wil das treue Vater=Hertz Seinen Kindern gern gewehren/ Daß vns ja des Creutzes schmertz’/ Endlich nicht zu Boden drück’ Und die arme Seel’ erstick’ Ach er wil uns alles lassen Was wir ins Gebet verfassen.
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Anhang I
Dedit Deus filium suum donum illud excellentissimum non rogatus, quid faciet rogatus? nec de Patris exauditione nec de filii intercessione dubitare possumus;
8. Zweiffle nicht in deinem Leben/ Gott/ der von des Himmels Thron Uns aus Gnaden hat gegeben Seinen allerliebsten Sohn/ Welchen Heyland/ Trost und Raht Keiner doch begehret hat/ Ey der wird auch reichlich schencken Was wir Betend nur gedencken.
In qualibet causa per preces cum Mose intres in tabernaculum ad consulendum Dominum & citò audies divinum responsum: Christus cum oraret, transfigurabatur, ita in oratione magnae fiunt in anima mutationes, quia lumen animae est oratio, quae saepius eum, quem invenit desperantem,
relinquit exultantem: quâ fronte Solem intueris, nisi prius adoraveris eum, qui lumen illud dulcissimum oculis tuis mittit!
quo pacto frueris mensâ, nisi prius adoraveris eum, qui tantum bonum largitur ac suppeditat?
9. Christus/ wenn er pflag zu beten/ Ward zuzeiten gantz verklärt; Wer zu Gott kan gläubig treten/ Der erlangt/ was er begehrt/ Beten ist ein solches Liecht Welches durch die Wolcken bricht/ Wenn ein Christ in tausend Plagen Schier erbärmlich wil verzagen. 10. Ach wer kan den Glantz der Sonnen Sonder Furcht doch schauen an/ Wenn er nicht erst hat gewonnen Durchs Gebet denselben Mann/ Der diß schöne Liecht gemacht? Beten sol man/ wenn die Nacht Schon in schwartzen Kleidern stehet/ Beten/ wenn die Sonn’ auffgehet. 11. Ach/ wie kanst du doch geniessen Gottes Gaben/ Speiß’ und Tranck/ Wenn du nicht erst lässest fliessen Aus dem Hertzen Lob und Danck? Alles kompt vom Himmel her Nicht durch Menschen ungefähr/ Drumb so sol man auch beym Essen Des Gebetes nie vergessen.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
quâ spe trades teipsum nocturno tempori, nisi te praemunieris orando?
quem fructum sperare poteris ex laboribus tuis, nisi prius adoraveris eum, sine quo labor omnis inutilis? si ergo dona spiritualia aut corporalia desideras, pete & accipies: si Christum desideras, per preces quaere & invenies: si ostium divinae gratiae & salutis aeternae aperiri tibi desideras, per preces pulsa, & aperietur tibi: si in deserto hujus mundi sitis tentationum & penuria bonorum spiritualium te affligit, accede ad petram spiritualem, quae est Christus, per devotionem, eamque percute virgâ orationis, & senties quod fluenta divinae gratiae restinguant sitim tuae penuriae. Vis gratum Deo exhibere sacrificium? offer preces, sentiet Deus odorem suavitatis & cessabit ipsius ira. Vis assiduè cum Deo versari? preces ama, quae sunt spirituale Dei & devotae animae colloquium? Vis gustare quàm suavis sit Dominus? invita precibus Dominum ad cordis tui domicilium. Placet Deo oratio sed debito modo instituta, qui ergo exaudiri desiderat, is oret sapienter, ardenter, humiliter, fideliter, & confidenter. Oret sapienter, ut scilicet oret ea, quae divinae gloriae & proximorum saluti serviunt. Omnipotens est Deus, ergo non statuas ei in precibus modum, sapientissimus est, ergo non praescribas ordinem: non temerè prorumpant preces, sed fidem praeeuntem sequantur, fides autem respicit verbum, quae ergo absolutè Deus in verbo promittit, absolutè ores, quae cum conditione promittit, ut temporalia, ea itidem cum conditione ores: quae nullo modo promittit, ea etiam nullo modo ores: saepè Deus
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12. Ja/ wie kanst du sicher schlaffen Wenn du nicht ersuchet hast Deinen Gott der dich erschaffen/ Der dich kräfftig hält in Rast? Bitt’ jhn daß er vor Gefahr Dich bey Tag’ und Nacht bewahr’ Und sein Engel so dich schütze/ Daß dich Satan nicht beschmitze.
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dat iratus, quod negat propicius: sequere ergo Christum, qui suam voluntatem plenè Deo resignat: Ores ardenter, quomodo enim requirere potes, ut Deus te audiat, cùm teipsum non audias? Deum tui memorem esse vis, cum tui memor non sis? Cum orare vis, intra in cubiculum tuum & fores claude: cubiculum est cor tuum, in illud debes intrare, si vis debito modo orare; fores ejus debes occludere, ne mundanorum negociorum cogitationes te possint turbare:
13. Wenn du dich nun bester massen Mensch’ in deines Lebens=Zeit Wilt zum Beten finden lassen/ Solst du stündlich seyn bereit Deinen Geist zu schliessen ein Jn dein Hertzen=Kämmerlein/ Daß die Welt dich nicht verhindre/ Noch dein Andacht dir vermindre.
non sunt voces ad aures Dei, nisi animi affectus: mens ardore cogitationis ita debet esse incitata, ut totum longè superet quod lingua exprimit, atque hoc est in Spiritu & veritate adorare, quod requirit Dominus. Christus orabat in monte & oculos ad coelum levabat: ita mentem ab omnibus creaturis aversam ad Deum debemus convertere, injuriam Deo facis, si precaris eum, ut tibi intendat, tu verò tibi ipsi non intendas: indesinenter orare possumus, si in spiritu oremus, ut scilicet mens nostra sanctis desideriis semper ad Deum vigilet. Non semper clamore opus est, quia Deus etiam suspiria cordis audit, cùm habitet in piorum cordibus: non semper opus est multis verbis, quia etiam cogitationibus nostris interest: unus interdum gemitus â Spiritu sancto excitatus, & in Spiritu Deo oblatus gratior est Deo quàm prolixae precum recitationes, ubi lingua loquitur, sed cor planè mutum est. Oret humiliter, ut non de suo merito, sed tantùm de gratia Dei confidat: si preces
14. Gleich wie Christus selbst sein’ Augen Betend hub gen Himmel auff/ So auch sol dein Beten taugen/ Must du gleich in vollem Lauff’ Aller Wollust/ Ehr’ und Pracht Gäntzlich sagen gute Nacht Und dich bald mit Mund und Händen Von der Welt zum Himmel wenden. 15. Wirst du selber das zerstören Was dein’ Andacht ringern wil/ Ey so wird dich Gott erhören/ Du immittelst bleibe still: Betet gleich nicht viel dein Mund/ Seufftze nur aus Hertzen Grund’ Ach man darff in Glaubens=Sachen Nicht viel Wort und Plapperns machen.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
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nostrâ nituntur dignitate damnatae sunt, etiamsi prae devotione cor sanguinem exudaret, nemo placet Deo, nisi in Christo, ergo etiam nemo rectè orat nisi per Christum & propter Christum: non placebant Deo sacrificia, quae non offerebantur in unica illa tabernaculi ara, non placet Deo oratio, quae non in hac unica ara, Christo offertur: Israelitis precum exauditio promissa, si facie ad Hierosolymam versâ orarent, sic in precibus ad Christum, qui est templum divinitatis, nos convertamus. Christus in passione oraturus abijcit se in terram, vide, quomodò sanctissima illa anima humiliet se coram majestate divina! Oret fideliter, ut se offerat ad omnis gaudii carentiam & omnis poenae patientiam: quantò quis orat citius, tantò melius, quantò saepius tantò utilius, quantò ferventius, tantò Deo acceptius. Oret perseveranter, quia, cùm tardius dat Dominus, commendat dona, non negat, desiderata diutius, obtinentur dulcius: Oret confidenter, ut scilicet postulet in fide nihil haesitans: O clementissime Deus, qui orare nos jussisti, da ut etiam rectè oremus.
16. Wirstu nur im Glauben stehen Wenn du betest früh und spat/ Warlich es wird dir geschehen Was dein Hertz gewündschet hat. Gott der gibt/ O frommer Christ’ Alles was dir nützlich ist/ Hoff’ auff jhn und sey zu frieden/ Biß du selig bist verschieden.
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Anhang I
Johann Gerhard, Meditationes Sacrae, Meditatio 31, S. 170–174 XXXI. De sui abnegatione. Ille negat Christum, qui se non abnegat ipsum. QUi me sequi vult, seipsum abneget, dicit Salvator:
Rist, Himmlische Lieder V, Nr. 3 III. Gottselige Betrachtung/ Wie ein rechtschaffener Christ sich selber müsse hassen/ verleugnen/ und sich Gott dem höhesten Gute allein gelassen. WEr Christum recht wil lieben/ muß selbst verleugnen sich/ Vnd gäntzlich von sich schieben/ der alten Schlangen Stich/ Jch meyne solche Lust/ in der wir uns gefallen/ wie Adams Kindern allen/ dieselb ist wol bewust.
Seipsum abnegare, est proprio suo amori renunciare, amor proprius amorem Dei prohibet: Si vis esse Christi discipulus, necesse est, ut radix amoris proprii moriatur in te penitus: nemo Christum diligit, nisi qui seipsum odit.
Nisi granum frumenti, lapsum in terram, fuerit mortuum, fructum non affert: ita quoque fructus Spiritus sancti percipere non poteris, nisi in corde tuo moriatur amor proprius.
2. Wer sich nicht selbst wil hassen Und seiner Wercke schein/ Kan Christum nimmer fassen Noch auch sein Diener seyn; Denn wer in Gottes Hauß Mit gantzer Macht wil dringen/ Der muß vor allen Dingen/ Die Hoffart treiben auß. 3. Wie nicht zur Frucht kan werden Das edle Weitzen=Korn/ Es sey denn in der Erden Durch faulen schier verlohrn; So wil der höchste Gott Auch keinem nicht erscheinen/ Biß er durch kläglichs weinen Sich selber wird zum Spott.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Dicebat Dominus ad Abrahamum: Egredere ê terra tua, & ê cognatione tua & ê domo patris tui ad terram, quam ostendam tibi: Non poterat Abraham tantus fieri propheta, nisi prius egrederetur ex sua patria: non eris prius verus Christi discipulus, & verè spiritualis homo antequam ab amore discedas proprio.
4. Geh’ aus von deinem Lande Sprach Gott zu Abraham: O Mensch’ in diesem Stande Spring’ aus dem Sünden=Schlam’/ Ach denck’ jetzt wer du bist Und wie du Gott betrübest Wo du dich selber liebest? Fürwar kein rechter Christ.
Jacob ex contactu Angeli uno pede claudicabat, altero sano & integro: per duos hos pedes duplex amor intelligitur, proprius & divinus: tunc homo particeps erit divinae benedictionis, cum pede amoris proprii claudicabit, altero illo amoris Dei manente sano & integro: fieri non potest, ut uno eodemque oculo coelum intuearis & terram, ita fieri nequit, ut unâ eâdemque voluntate seipsum inordinatè quis amet ac Deum:
Amor est summum animae nostrae bonum, tribuendum ergo hoc summum animae bonum summo bono, scilicet Deo.
Amor tuus, Deus tuus, id est, quicquid summè amas, id in Dei locum collocas; quicquid summè amas, id summum esse judicas, Deus autem verè est summum Ens: qui ergo seipsum amat, seipsum Deum judicat, & in locum Dei collocat, quae est omninò maxima idololatria.
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5. Gleich wie es nie geschehen Daß einer hat zugleich Gen Himmel auffgesehen Und nach der Erden=Reich; So kans auch gar nicht seyn/ Sich neben Gott zu setzen Und dem sich gleich zu schätzen Gott wil die Ehr’ allein. 6. Das höchste Gut im Leben Dem Menschen zugewand Daß Gott uns hat gegeben Jst Liebe nur genandt/ Diß höchste Gut ist Gott/ Dem solt du dich zu kehren Allein’ jhn zu verehren Und nicht des Satans Rott. 7. Was du von Hertzen meynest Jst dir an Gottes statt/ Wenn du es gleich verneinest/ So zeugt es doch die That/ Der/ so sich liebt zu sehr/ Darff über Gott sich heben Dem Schöpffer widerstreben Und rauben jhm sein’ Ehr’.
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Anhang I
Quod summè amas, hoc rerum omnium finem aestimas, & desideriorum tuorum ultimum complementum judicas: solus autem Deus est principium & finis creaturarum, ipse est primus & novissimus, ipse solus implet desiderium cordis nostri, & nihil quicquam creati tua potest satiare desideria, amorem ergo Dei praeferre debes amori proprio.
8. Jst Gott/ wie wir bekennen Der Anfang und das Ziel Daß A und O zu nennen/ Was zweifflen wir denn viel Leib/ Leben/ Hertz und Muht Allein’ jhm zuzuwenden/ Denn er wil vns ja senden Sich selbst/ das höchste Gut.
Deus est principium & finis, in illo ergo debet amor noster incipere, in illo etiam debet desinere. Dei essentia est extra omnes creaturas, sicut ab aeterno fuit Deus in seipso, ab omnibus ergo creaturis amorem tuum abstrahas. Qualis amor tuus, talia etiam opera tua: si opera tua procedunt ex verâ fide, & Dei amore, Deo sunt grata, & coram oculis ejus magna, licet coram omnium hominum oculis sint parva: si procedunt ex amore proprio, nunquam poterunt placere Deo: amor proprius praestantissima quaeque opera contaminat.
Cum esset Christus in domo Simonis, mulier quaedam unguenti preciosi vas confringit, & caput Christi inungit: apparet opus parvum, nihilominus Christo erat gratum, quia procedebat ex fide vera, caritate pura, contritione seria: sacrificium erat opus Deo gratum in U[eteri] T[estamento] interim tamen Deo non placebat, quod Saul praedam Amalecitarum ad offerenda Deo sacrificia segregabat: quare? quia hoc non procedebat ex amore Dei, si enim verè Deum dilexisset, mandatum
9. Laß dich die Lieb’ entzünden Nicht die vergänglich ist Als die/ so leicht zu finden Jm faulen Sünden=Mist/ Ach nein/ diß Ungeheur Sol alle Welt verfluchen/ Wir Christen wollen suchen Ein besser Liebes=Feur.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
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Dei de omnibus praedis exurendis non contemsisset, seipsum diligebat, & suam devotionem. Amor est quidam ignis, ita enim orat Ecclesia: Veni sancte Spiritus & tui amoris ignem accende in fidelibus: ignis non haeret in terra fixus, sed semper tendit sursum, sic amor tuus non debet in te conquiescere, sed sursum ad Dominum se debet elevare.
Seipsum abnegare est insuper honori suo renunciare: summo bono soli debetur summus honor: Deus summum bonum est. Qui suam quaerit gloriam, non potest Dei gloriam quaerere,
10. Daß Feur bleibt nicht auff Erden Es schwinget sich hinauff. Und wil erhöhet werden Durch seinen schnellen Lauff; Der Liebe Feur in dir Das sol vor allen dingen Sich in den Himmel schwingen Mit himlischer Begier. 11. Noch wil ich ferner lehren Wie der/ so Christum liebt Sich gar nicht sol verehren/ Als der jhm selber gibt Was Gott’ allein gebührt/ Wer dessen Lob nicht suchet/ Derselb’ ist gantz verfluchet Der Hellen zugeführt.
sicut Salvator dicebat ad Pharisaeos. Quomodo potestis credere, qui gloriam ab invicem accipitis? Christi exemplum intuere & sequere: saepiùs de se testatur, quòd non quaerat suam gloriam, quòd non accipiat honorem ab hominibus, quòd sit ex corde humilis. Omnia tua dona â Deo accipis, omnia ergo Deo vicissim tribuas, omnes bonorum rivuli ab hoc fonte bonitatis divinae procedunt, omnia ergo bona vicissim in hoc mare transferenda:
12. Die schöne Leibes Gaben Verstand/ Glück/ Ehr’ und Geld Sampt allem was wir haben Hat Gott uns zugestellt/ Weil diese Brünnelein Nun sich aus jhn’ ergiessen/ So müssen sie auch fliessen Zum selben Meer hinein.
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Anhang I
herbae, quae solsequia dicuntur, semper convertunt se ad solem â quo vitam & succum hauriunt: sic cum omnibus tuis donis & omni tuo honore ad Deum te converte, & nihil quicquam tibi tribue.
Si quid â te ipso habes, honorem tuum quaerere, & tibi ipsi tua dona tribuere potes: sed quia nihil habes â teipso, omnia verò â Deo, ideò non tuum, sed Dei honorem quaerere debes. Proprius honor avertit hominem â Deo, exemplum est in Nebucadnezar, qui dicebat: haec est illa Babylon, quam aedificavi in domum regni, in robore fortitudinis meae, & in gloriam decoris mei. Sed quid sequitur: adhuc sermo erat in ore regis, & vox ê coelo ruit: Tibi dicunt Nebucadnezar, regnum transivit â te, ab hominibus te eijcient, & cum bestiis agri erit habitatio tua: sic si ex proprio honore & superbia spiritualem tuam Babylonem, id est, operum bonorum structuram aestimas, & gloriam eorum tibi tribuis & non soli Deo, abijcieris â conspectu Dei. Seipsum denique abnegare, est propriae voluntati renunciare, optimae voluntati semper parendum, Dei autem voluntas semper est optima: Illius voluntati parendum, â quo omnia nostra habemus: â Deo autem omnia ad nos devenerunt. Illius voluntati parendum, qui nos semper ad vitam & ad bonum deducit, Dei voluntas semper ducit ad vitam & bonum. Delectare in Domino, & ipse dabit tibi petitiones cordis tui. Propria voluntas ad mortem & damnationem nos deducit. Per quid primus noster parens ex Dei gratia & statu salutis in
13. Gleich wie der Sonnen Strahlen Wenn sie mit vollem Lauff’ Ein gantzes Land bemahlen Viel Blümlein schliessen auff/ Die wiedrumb suchen sehr Die Sonn’ ans Himmels enden; So solt du alles wenden Zu Gottes Preiß’ und Ehr’. 14. Als jenner König lobte Die Babel seine Macht Und gleich für Freuden tobte Voll Hoffart/ Stoltz und Pracht/ Da ward er toll und wild/ Das heist/ sich selber lieben/ Diß ist O Mensch geschrieben Der Welt zum klaren Bild.
15. Ach stelle deinen Willen Nach Gottes Willen an/ Der deine Bitt’ erfüllen Und dich erhöhen kan/ Doch zeug’ es mit der That: „Dein Fleisch must du bezwingen/ „Denn wirst du vollenbringen „Was Gott befohlen hat.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
aeternam damnationem prolapsus est? Sepositâ Dei voluntate propriam sequebatur voluntatem: praeceptum Domini negligebat, & suasionem Diaboli audiebat. Verus ergo Christi discipulus propriae voluntati renunciat, & divinam voluntatem sequi desiderat. Aspice Christum, is in agone passionis constitutus propriam voluntatem, tanquàm gratissimum sacrificium Deo offert: offeras & tu propriam Deo voluntatem, & sic perficies eam, quam Christus requirit, tui abnegationem. O Domine, tua sancta voluntas fiat, sicut in coelo, ita & in terra.
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Anhang I
Arndt, Paradiesgärtlein V, 9, S. 347–349
Rist, Himmlische Lieder V, Nr. 4
IX. Ein Lob vnsers HErrn JEsu Chris= ti/ wegen seiner Liebe vnd Wol= thaten.
IV. Ein LobLied/ Von der hertzlichen Liebe und denen unaußsprechlichen Wolthaten unsers HErrn und Heylandes Jesu Christi.
O JEsu Christe/ meine Liebe/ meine Frewde/ mein Liecht/ mein Heil/ mein Schmuck/ mein König/ mein Hirte/ mein Bräutigam/ mein ewiger Hoherpriester/ mein Leben/ meine Weißheit/ mein Friede vnd Ruhe meiner Seelen/ meine Gerechtigkeit/ meine Heiligung/ meine Erlösunga/ mein Opffer/ mein Fürsprecher/ mein Gnadenthron/ mein einiger Mittler/ mein einiger Nothelffer/ mein einige Hoffnung/ mein höchster Schatz/ mein starcker Schutz/ vnd einige Zuflucht/ wie soll ich dich würdiglich loben/
JEsu du mein liebstes Leben/ meiner Seelen Bräutigam/ Der du dich vor mich gegeben/ an des bittern Creutzesstamm/ JEsu meine Freud und Wonne/ all mein Hoffnung/ Schatz und Theil/ mein Erlösung/ Schmuck und Heyl/ Hirt und König/ Liecht und Sonne/ ach wie sol ich würdiglich/ mein HERR JEsu preisen dich.
O du glantz der Herrligkeit Gottes/ du aller schönstes wesentliches Ebenbild deß Vattersb/ heilig/ gerecht vnd selig bin ich in dir/ ohne dich vngerecht/ vnheilig vnd verdampt/ vnselig bin ich wo ich bin/ wo du nicht bey mir vnd in mir bist/ komm meine Frewde/ in mein Hertz vnd erfrewe mich/
komm du Trost aller Heyden/ vnd tröste mich/ komm meine Liebe vnd erquicke mich/ komm mein Leben vnd stercke mich/ komm mein Liecht vnd erleuchte mich/ komm meine Süssigkeit/ daß ich deine Freundligkeit schmecke/
a Marginal: 1. Corinth. 1. b Marginal: Hebr. 1.
2. O du allerschönstes Wesen O du Glantz der Herrligkeit Von dem Vater außerlesen Zum Erlöser in der Zeit/ Ach ich weis/ daß ich auff Erden/ Der ich bin ein schnöder Knecht/ Heilig/ selig und gerecht Sonder dich kan nimmer werden/ HErr’ ich bleib’ ein böser Christ Wo dein Hand nicht mit mir ist. 3. Ey so komm du Trost der Heyden/ Komm mein Liebster/ starcke mich/ Komm’/ erquicke mich mit Freuden Komm’ und hilff mir gnädiglich/ Eile bald/ mich zu erleuchten/ Gott/ mein Hertz’ ist schon bereit/ Komm mit deiner Süssigkeit Leib und Seel mir zu befeuchten/ Komm du klares Sonnen=Liecht/ Daß ich ja verirre nicht.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
komm du schöne edle Gestalt/ daß ich dich sehe/ komm meine Liebligkeit/ daß ich dich höre/ komm du edle Blume/ daß ich dich rieche/ komm du zarte Bewegung/ daß ich dich empfinde/
dein edeler Anblick bewege mich/ dein holdseliges Anschawen erfrewe mich/ dein edeler Geruch erquicke mich/ dein heiliges Gedächtniß entzünde mich/ deine edle Liebe sättige mich/
deine Beywohnung belustige mich/ Ach du edle Demut/ du heilige Sanfftmut/ vereinige mein Hertz vnd Gemüte mit dir/ daß wird der köstlichste Schmuck sein meiner Seelen/ du bist mir thewrer denn alle Demandt/ köstlicher denn alle Rubin/ lieblicher denn alle Perlen/
O du jmmerblüende Rose/ O du Paradiß aller Geistlichen Himlischen Wollust/ O du aller süsseste Frucht auß dem Lustgärtlein Gottes/ laß mich dich ewig schmecken/ küsse mich mit dem Kuß deines Mundesc/
c Marginal: Cant. 1.
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4. Komm mein Liebster/ laß mich schauen Wie du bist so wol gestalt Schöner als die schönste Frauen Allzeit lieblich/ nimmer alt/ Komm du Auffenthalt der Siechen/ Komm du liechter Gnaden=Schein/ Komm du lieblichs Blümelein/ Laß mich deinen Balsam riechen/ Du mein Leben komm heran/ Daß ich dein geniessen kan. 5. Ach wie wird dein freundlichs blicken Allerliebster Seelen=Schatz Meinen Geist in mir erquicken Und jhn führen auff den Platz/ Da er solche Lust empfindet Die nicht zu vergleichen ist/ Deine Lieb’ HErr Jesu Christ’ Jst es/ die mich gar entzündet Die mein Hertz zu Tag und Nacht Auch im Leiden freudig macht. 6. Schaff’ in mir noch hier auff Erden Daß ich wie ein Bäumlein fest Dir mög eingepflantzet werden/ Diesen Schatz halt’ ich fürs best’ Auch viel höher als Rubinen/ Theurer als den güldnen Sand/ Schöner als den Diamant Die zur blossen Hoffart dienen/ Besser als der Perlen Schein Wenn sie noch so köstlich seyn. 7. O du Paradyß der Freuden Das mein Geist mit Schmertzen sucht/ O du starcker Trost im Leiden O du frische Lebens=Frucht O du Himmel=süsser Bissen Wie bekompstu mir so wol/ Ja mein liebster Schatz der sol
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Anhang I
Mich in höchster Wollust küssen Gib mir deinen zarthen Mund/ Denn so wird mein Hertz gesund. O du ewiges Wort deß Vatters/ rede in mir/ auff daß die gantze Welt in mir schweige/ O du ewige Klarheit leuchte in mir/ O du ewige Warheit lehre mich/ O du heilsamer Artzt heyle mich/ O du Himlischer Schatz/ zeuch mein Hertz nach dir/
8. HErr’/ ich bitte dich/ erzeige Daß du reden wilt in mir Und die Welt gantz in mir schweige/ Treibe deinen Glantz herfür/ Daß ich bald zu dir mich kehre Und dein Wort der edle Schatz Find in meinem Hertzen Platz Daß mich deine Warheit lehre/ Daß ich Sünd’ und Laster=frey Dir mein Gott gefällig sey.
O du Himlischer Noha/ strecke deine Hand auß/ vnd nimb das arme Täublein meiner Seelen zu dir/ denn es kan nirgendt Ruhe finden/ Wie lieblich sind deine Wohnungen HErr Zebaoht/ meine Seele verlanget vnd sehnet sich nach den Vorhöffen des HErren/ mein Leib vnd Seele frewet sich in dem lebendigen Gott/
9. Lieblich sind dein’ edle Hütten Schön von Gnad’ und Himmels=Gunst/ Da du pflegest außzuschütten Deiner süssen Liebe Brunst/ Meiner Seelen Gott verlanget Daß sie frölich möge stehn Und mit klaren Augen sehn Wie dein’ hohe Wohnung pranget/ Leib und Seel’ erfreuen sich HErr in dir gantz inniglich.
denn der Vogel hat ein Hauß funden/ vnd die Schwalbe jhr Nest/ da sie jungen hecken/ deine Altar HErr Zebaoht/ mein König vnd mein Gott/ Wol denen die in deinem Hause wohnen/ die loben dich jmmerdar/ wol den Menschen/ die dich für jhre Stärcke halten/ vnd von Hertzen dir nachwandelnd. d Marginal: Psalm. 84.
10. Wol den Menschen die da loben Deine Wolthat jmmerdar Und durch deinen Schutz von oben Sich beschirmen vor Gefahr
Rists Lieder und ihre Vorlagen
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Die dich heissen jhre Stärcke/ Die jhr Leben in der Ruh’ Und der Tugend bringen zu/ Daß man rühmet jhre Wercke/ Christen die also gethan Treten frey die Himmels=Bahn. O HErr JEsu/ wie lieblich ist deine Menschwerdung/ wie wunderbar ist dein Name/ wie großmächtig deine Wercke/ wie heilig dein Wort/ wie tröstlich dein Leyden/ wie sieghafft deine Aufferstehung/ wie herrlich deine Himmelfahrt/ wie groß ist deine Ehre wie hoch vnd erhaben ist dein Königlicher Stul/ da dich alle Engel Gottes anbeten/ wie vnaußsprechlich ist deine gewalt/ wer wolt dich nit förchten du König der Ehren/ Machet die Thor weit vnd die Thür in der Welt hoch/ daß der König der Ehren einziehe/ wer ist derselbig König der Ehren/ Er ist der HErr starck vnd mächtig/ der HErr mächtig im Streit/ Machet die Thor weit/ vnd die Thür in der Welt hoch/ daß der König der Ehren einziehe/ wer ist derselbe König der Ehren/ es ist der HErr Zebaoht/ er ist der König der Ehren Selae.
Gelobet sey der da kompt im Namen deß HErrn/ der HErr ist Gott der vns erleuchtet/ dancket dem HErrn/ denn er ist freundlich/ vnd seine Güte wehret ewiglichf.
e Marginal: Psalm. 24. f Marginal: Psalm. 118.
11. Dieses JEsu schafft dein Lieben JEsu Gottes liebster Sohn/ Das dich in die Welt getrieben Von des hohen HimmelsThron’/ O wie tröstlich ist dein Leiden/ O wie heilig ist dein Wort Das uns zeigt des Lebens Port Da wir uns in Freuden weiden/ Wo die grosse Fürsten=Schaar Dir zu Dienst’ ist jmmerdar. 12. Machet weit die hohe Pforten Oeffnet Thür’ und Thor der Welt/ Wündschet Glück an allen Orten/ Sehet/ da kompt unser Held/ Sehet/ er kompt einzuziehen Alß’ ein Ehren=König pflegt/ Wenn er seinen Feind erlegt/ Alles Volck sol sich bemühen Hoch zu preisen unsern Gott/ Gott/ den grossen Zebaoth. 13. Hoch gelobet/ hoch geehret/ Sey des HErren teurer Nam’ Herrlich ist sein Reich vermehret Das aus Gnaden zu uns kam/ Er ist Gott/ der uns gegeben Seel’ und Leib/ auch Ehr’ und Gut/ Der durch seiner Engel Hut Schützet unser Leib und Leben/ Dancket jhm zu aller frist/ Weil der Herr so freundlich ist.
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Anhang I
Gerhard, Meditationes Sacrae, Meditatio 19, S. 108–111 XIX. De Coenae Dominicae mysterio.
Rist, Himmlische Lieder V, Nr. 6 VI. Christliches Lied/ Von dem hohen Geheimnisse des heiligen und hochwürdigen Abendmals des HErrn.
Mirari, non rimari sapientia vera est. IN sacra Domini coena tremendum & modis omnibus adorandum nobis proponitur mysterium:
est ibi divinae gratiae thesaurus & gazophylacium. Arborem vitae plantatam â Deo novimus, cujus fructus in concreatae immortalitatis felicitate primos nostros parentes, eorundemque posteros conservaret: constituta etiam erat in paradiso arbor scientiae boni & mali; sed enim illud ipsum quod â Deo in ipsorum salutem & vitam atque ad obedientiae exercitium datum, illud mortis & damnationis fuit occasio, dum miseri illi Satanae illecebris suisque obsequuntur desideriis: hîc parata vicissim vera arbor vitae, dulce illud lignum, cujus folia sunt in medicinam, fructus in salutem: eius dulcedo omnem malorum, ipsius etiam mortis amariciem tollit.
O Grosses Werck Geheimniß voll/ das höchlich zu verehren! O Werck das stündlich in uns sol/ durch seine Krafft vermehren/ Berewung unser schweren Schuld/ Furcht/ Glauben/ Hoffnung und Gedult/ Zucht/ Lieb’ und aller Tugend Zahl/ O Himmels=Saal/ O hochgeprießnes Abendmal!
2. Hie ist des Lebens Baum gesetzt/ Desselben Blätter heilen Was durch den Satan war verletzt Mit so viel Sünden=Pfeilen/ Hie ist das Holtz gantz voller Safft/ Von Früchten süß/ sehr groß von Krafft/ Ja dessen edle Liebligkeit Zu aller Zeit Vertreibt des Todes Bitterkeit.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Israelitis manna dabatur, ut coelesti nutrirentur cibo: hîc est verum illud manna, quod de coelo descendit, ut vitam daret mundo: hîc est panis coelestis & Angelicus cibus, de quo si quis comederit, non esuriet unquam.
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3. Hie ist das rechte Himmel=Brodt Von Gott uns selbst gegeben/ Das für den wolverdienten Todt Uns wieder bringt das Leben/ Diß ist der Christen Unterhalt/ Diß macht die Seelen wolgestalt/ Diß ist der Engel Speiß’ und Tranck/ Dafür ich Danck Gott singen wil mein Lebelang.
Israelitae habebant arcam foederis & propitiatorium, ubi Dominum ab ore ad os loquentem audire poterant: hîc vera foederis arca, sanctissimum Christi corpus, in quo omnes scientiae, cognitionis & sapientiae thesauri reconditi: hîc verum est propitiatorium in Christi sanguine, qui efficit, ut dilecti simus in dilecto:
4. Hie ist die rechte Bundes=Lad’/ Hie ist der Leib des HErren/ Voll Weißheit/ Güt’ und grosse Gnad’/ Hie schau’ ich gleich von ferren Die wunderschöne Himmels=Schul/ Den Tempel sampt dem Gnaden=Stul’/ Hie find’ ich ja das höchste Gut/ Das theure Blut/ So mir erquicket Seel’ und Muth.
neque solùm nobis loquitur per internam consolationem, sed in nobis habitat, non cibat nos coelesti manna, sed seipso. Hîc verè porta coeli & scala Angelorum:
nùm enim coelum majus est, quàm qui est in coelo? num coelum Deo arctius unitum, quàm caro & assumta Natura humana? coelum quidem sedes Dei, sed in Natura assumta Christi requiescit Spiritus sanctus. Deus est in coelis, sed in Christo habitat divinitatis plenitudo.
5. Hie ist die rechte Himmels=Pfort’ Hie steht der Engel Leiter/ Jsraels außerwehlter Ort Und seiner Lust Bereiter/ Hie steigen wir mit vollem Lauff’ Jn Christo stracks zum Himmel auff/ Der uns durch jhn ist zu erkandt/ O herrlichs Pfand/ O allerliebstes Vaterland!
542
Anhang I
Verè magnum est hoc & infallibile salutis nostrae pignus: quod majus dare poterat, non habebat: quid enim ipso majus? quid tàm arctè ipsi unitum, quàm Natura eius humana, quae in consortium beatissimae Trinitatis assumta & coelestium bonorum thesauraria facta? quid tàm arctè ipsi conjunctum, quam caro & sanguis? his autem verè coelestibus alimentis nos miseros vermiculos reficit, & suae Naturae participes facit, quomodo non & gratiae? Quis unquam carnem suam odio habuit?
quomodo ergo nos despicere poterit Dominus, quos sua carne, suoque sanguine pascit? quomodo oblivisci eorum poterit, quibus arrham sui corporis dedit?
quomodo subvertere nos poterit Satan, cùm coelesti reficiamur cibo, ne deficiamus in praelio? Caros nos habet Christus, quia carè nos emit, caros nos habet, quia caris & preciosis pascit, caros nos habet, quia ipsius caro & membra sumus.
6. Ach schauet/ wie der HErr’ uns liebt Wie hoch er uns verehret/ Jn dem’ er sich uns selber giebt Und freundlich zu uns kehret/ Bedencket wie er uns gemacht Zu Bürgern seiner grossen Pracht/ Ja wie er unser Fleisch ergetzt/ Das er zu letzt Zu seiner Rechten hat gesetzt. 7. Das Fleisch/ das nun erhöhet ist Jn Gottes Stadt zu leben/ Das wird uns hie zu dieser frist Durch Christum selbst gegeben/ So wird sein Wesen uns zu theil/ So finden wir der Seelen Heyl/ So bleiben wir in Gottes Huld’ Und unser Schuld Wird übersehen mit Gedult. 8. Wie kan uns der zu wider seyn Der uns so freundlich reichet Sein Fleisch und Blut im Brodt und Wein Der nimmer von uns weichet? Wie kan uns lassen aus der Acht Der uns so trefflich hat bedacht Jn dem er unser Missethat O Gottes Rath Durch seinen Todt vertilget hat. 9. Wie kan hinfort des Satans Stärck’ Uns Christen überwinden/ Dieweil durch dieses Gnaden=Werck Wir grosse Krafft empfinden? Hat doch diß Mahl uns so erquickt/ Daß uns kein Feind mehr unterdrückt; Drumb Satan komme nur zum Streit’/ Wir sind bereit Zu spotten deiner Grausamkeit.
Rists Lieder und ihre Vorlagen
Haec unica omnium morborum spiritualium panacaea, hoc tñß a¬qanasíaß Fármakon, quod enim peccatum tantum, quod sancta Dei caro non expiet? quod peccatum tantum, quod vivifica Christi caro non sanet? quid tàm ad mortem, quod filii Dei morte non tollatur? quae tàm mortifera Diaboli tela, quae in hoc divinae gratiae fonte non extinguantur? quae tanta conscientiae labes, quam sanguis hic non emundet? Israelitis in nube & igni aderat Dominus, hîc verò non nubes, sed ipse Sol justitiae animarum nostrarum lux praesens, hîc non ignis divini furoris sed fervor caritatis sentitur, neque recedit â nobis sed mansionem apud nos facit. Primi parentes in paradisum hortum illum fragrantissimum & suavissimum, aeternae beatitudinis typum introducebantur, ut divinae benignitatis admoniti debitum creatori suo praestarent obsequium. Ecce plus quàm paradisus hoc loco: creatoris enim carne saturatur creatura: filii Dei sanguine mundatur poenitens conscientia: corpore Christi aluntur Christi capitis membra: divinis & coelestibus epulis pascitur fidelis anima. Sancta Dei caro, quam adorant in unitate personae Angeli, venerantur Archangeli, tremunt potestates, admirantur virtutes, illa fit spiritualis nostra alimonia. Laetentur coeli & exultet terra, magis autem fidelis anima, cui tanta ac talia impenduntur munera.
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10. Was achten wir des Leibes Noth Der krancken Glieder Schmertzen/ Hie ist Artzney in aller Noth Ein edler Tranck zum Hertzen/ Ja Christus Fleisch ist solcher Art Da alles durch geheilet ward/ Hie ist sein Seiten=Wasser feil/ Dadurch in Eyl Geleschet wird der Höllen Pfeil.
11. O Gottes Fleisch/ O heiligs Blut Das auch die Engel ehren! O Himmel=Speiß’/ O höchstes Gut Wozu in Furcht sich kehren Die Kräfft’ und Thronen wunders=voll/ HErr/ meiner Seelen ist so wol/ Es trifft sie schon in dieser Quaal Ein Freuden=Strahl O hochgeprießnes Abendmal!
Anhang II
Die der Edition zugrunde gelegten Drucke und deren Siglen A. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder Mit sehr anmuhtigen/ mehreren theils von Herrn Johann: Schopen gesetzten Melodeyen. Das Erste Zehen. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1641. Johann: Risten H. P. Himlischer Triumph=Lieder/ Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann: Schopen/ dero hochlöblichen Stadt Hamburg Capellmeistern gesetzten Melodeyen. Das Ander Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1642. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann: Schopen/ dero löblichen Stadt Hamburg Capellmeistern gesetzten Melodeyen. Das Dritte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1642. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuthigen/ von Herrn Johann: Schopen wolgesetzten Melodeyen. Das Vierdte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1642. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuthigen/ von dem weitberühmten/ Herrn Johann: Schopen gesetzten Melodeyen. Das Fünffte und letzte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1642. (Ratsbücherei Lüneburg DL 111). B. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann: Schopen/ dero löblichen Stadt Hamburg Capellmeistern gesetzten Melodeyen. Das Erste Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1650. Johann Risten H. P. Himmlischer Triumph Lieder/ Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann Schopen/ dero hochlöbl. Stadt Hamburg Capellmeistern gesetzten Melodeien Das Ander Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1651. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuhtigen/ von Herrn Johann: Schopen/ dero hochlöblichen Stadt Hamburg Capellmeistern gesetzten Melodeien. Das Dritte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1651. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuthigen/ von Herrn Johann: Schopen wolgesetzten Melodeyen. Das Vierdte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1649. Johann: Risten H. P. Himlischer Lieder/ Mit sehr anmuhtigen/ von dem weitberühmten/ Herrn Johann: Schopen gesetzten Melodeyen. Das Fünffte und letzte Zehn. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1650. (UB Clausthal Calvör E 626). C. Johann Risten Himlische Lieder/ Mit sehr lieblichen und anmuhtigen/ von dem fürtrefflichen und weitberühmten H. Johann Schop/ wolgesetzeten Melodeien/ Nunmehr aufs neüe Widrum übersehen/ in Eine gantz andere und richtigere Ordnung gebracht/ an vielen Ohrten verbessert/ und mit Einem nützlichen Blatweiser beschlossen. Lüneburg: Johann und Heinrich Stern 1652. (ULB Halle/S. Il 2562 d). Die Zwischentitel von Teil 2–5 haben folgende Wortlaute: Johan Risten Neüer Himlischer Lieder Ander Theil/ Jn sich begreiffend/ Triumphirende Danklieder/ Vermittelst welcher unterschiedliche heilige Leüte/ Altes und Neüen Testamentes/ dem Allerhöhesten für die erzeigte Wolthaten von Hertzen Lob und Dank haben gesungen.
548
Anhang II
Johan Risten Neüer Himlischer Lieder Dritter Theil/ Jn sich begreiffend/ Hochwichtige Betrachtungsgesänge/ Jn welchem allen Gottseligen Christen das Elend des gegenwertigen Lebens/ Ubung des wahren Christenthums/ die verfluchte Menschliche Sicherheit/ Geitz/ Bößheit und andere Sünden/ die Gewißheit des Todes/ die Beschaffenheit des herannahenden Jüngsten Gerichts/ das Donnern der unendlichen Ewigkeit/ und die unaußsprächliche Freüde und Herligkeit der Kinder Gottes im anderen und Ewigen Leben mit höhestem Fleisse und gebührender Andacht zu betrachten wird fürgestellet. Johan Risten Neüer Himlischer Lieder Vierter Theil/ Jn sich begreiffend/ Christliche und Andächtige Behtgesänge/ Jn welchem unser gnädiger GOtt und Vatter üm Vergebung der Sünde/ üm ein guhtes Gewissen/ Verschmähung diser Welt/ Gedult im Kreutz und Leiden/ Besserung des Lebens/ Abwendung der Straffen/ und ein Seliges Ende/ Hertzinniglich wird gebehten und angeruffen. Johan Risten Neüer Himlischer Lieder Fünffter und letster Theil/ Jn sich begreiffend/ Lob= und Danklieder/ Und negest disen auch Andächtige Morgen= und Abend/ Tisch= und Reisegesänge/ nützlich/ anmuhtig und erbaulich im Christlichen Leben und Wandel zugebrauchen.
Liste der Emendationen Ü mit folgender Zahl bezeichnet eine Zeilennummer in einer Überschrift.
S. 11, Z. 48: Heman] Emendiert aus: Hemath S. 14, Z. 19: Christenheit] Emendiert aus: Christensteit S. 16, Z. 63: muthwillige Verderber vnserer] Emendiert aus: muth willige Verderbervnserer S. 16, Z. 65: jhnen jhre] Emendiert aus: jhnenjhre S. 38, Z. Ü5: zu] Emendiert aus: zn S. 41, Z. 3: insonderheit] Emendiert aus: insonderhett S. 47, Z. 96: ] Emendierend ergänzt S. 47, Z. 100: Christenheit] Emendiert aus: Christeheit S. 48, Z. 120: Frewe] Emendiert aus: Frewde S. 53, Z. 50: wir] Emendiert aus: wird S. 60, Z. 72: zuwider] Emendiert aus: znwider S. 74, Z. 110: alsdenn] Emendiert aus: alsdenn. S. 80, Z. 84: ] Emendierend ergänzt S. 94, Z. 97: ] Emendierend ergänzt S. 95, Z. 122: allergeschicktesten] Emendiert aus: allergeschickesten S. 100, Z. 89: Music] Emendiert aus: Mnsic S. 101, Z. 106: gemachet] Emendiert aus: gegemachet S. 102, Z. 143: fürtrefflichsten] Emendiert aus: fürtrefflichen S. 102, Z. 152: welchen] Emendiert aus: welche S. 103, Z. 161: straffen] Emendiert aus: strassen S. 103, Z. 166: ungetruncken] Emendiert aus: ungetruucken S. 107, Z. 4: wiederumb] Emendiert aus: wierumb S. 126, Z. 61: wird] Emendiert aus: wir S. 129, Z. 5: gehn] Emendiert aus: gehen S. 137, Z. 32: kein] Emendiert aus: keine S. 138, Z. 58: auff] Emendiert aus: anff S. 138, Z. 58: vorigs] Emendiert aus: voriges S. 172, Z. 33: du O] Emendiert aus: duO S. 177, Z. 12: springen] Emendiert aus: spring en S. 177, Z. 12: eine sonderbahre] Emendiert aus: einesonderbahre S. 180, Z. 119: Gutthaten] Emendiert aus: Gntthaten S. 181, Z. 138 f.: Foeclern] Emendiert aus: Foeelern S. 184, Z. 39: nehmen] Emendiert aus: nehm en S. 202, Z. 45: Höhl’] Emendiert aus: Höll’ S. 221, Z. 8: muß ohn’] Emendiert aus: muß’ ohn S. 223, Z. 60: machst] Emendiert aus: magst S. 226, Z. Ü3: Verschmähung] Emendiert aus: Verschmähuug S. 227, Z. 19: blühet] Emendiert aus: blüht S. 227, Z. 28: Eitle recht] Emendiert aus: eitle Recht S. 239, Z. 3: Güte] Emendiert aus: Gute S. 247, Z. 63: ringen] Emendiert aus: riegen S. 248, Z. 89: in] Emendiert aus: ich
550
Anhang II
S. 254, Z. 91: ] Emendierend ergänzt S. 255, Z. 118: kennen] Emendiert aus: kamen S. 259, Z. 6: auffopffere] Emendiert aus: auffopffern S. 261, Z. 53: Wissenschafften] Emendiert aus: Wissenschafft S. 261, Z. 60: Pallas] Emendiert aus: Pallaes S. 265, Z. 145: die] Emendiert aus: Die S. 268, Z. 18: Gemühte] Emendiert aus: Gemüthte S. 273, Z. 176: freundliches] Emendiert aus: frenndliches S. 276, Z. 12: genui.] Emendiert aus: genu; S. 282, Z. 5: höher] Emendiert aus: höh er S. 296, Z. 124: möcht’] Emendiert aus: mocht’ S. 308, Z. 81: Müssiggang] Emendiert aus: Müssigang S. 321, Z. 65: die] Emendiert aus: die/ S. 321, Z. 66: haben] Emendiert aus: habe S. 321, Z. 70: den] Emendiert aus: der S. 333, Z. 11: grosse] Emendiert aus: grosser S. 344, Z. 97: Wach] Emendiert aus: Wach? S. 357, Z. 4: daß selbige] Emendiert aus: dasselbige S. 359, Z. 45: ] Emendierend ergänzt S. 360, Z. 73: an einem] Emendiert aus: aneinem S. 361, Z. 102: ] Emendierend ergänzt S. 362, Z. 107: Latinischer] Emendiert aus: Latinis cher S. 363, Z. 152: /] Emendiert aus: . S. 364, Z. 165: grossen] Emendiert aus: grossem S. 364, Z. 180 f.: Wintermonahts] Emendiert aus: Winiermonahts S. 365 f., Z. 24 f.: Dienern Gottes] Emendiert aus: DienernGottes S. 366, Z. 26: Art] Emendiert aus: Areti S. 367, Z. 77 f.: Allerhöhesten Ehre] Emendiert aus: AllerhöhestenEhre S. 374, Z. 7: verehret] Emendiert aus: vereehret S. 374, Z. 15: Landsmann] Emendiert aus: Landesmann S. 376, Z. 51: after zeit] Emendiert aus: offterzeit S. 380, Z. 8: Nicht] Emendiert aus: Ni cht S. 380, Z. 10: ] Emendierend ergänzt S. 380, Z. 10: Terpander] Emendiert aus: Terxander S. 384, Z. Ü3: compositeur] Emendiert aus: compositetur S. 384, Z. 3: sont] Emendiert aus: sout S. 384, Z. 4: ni] Emendiert aus: in S. 384, Z. 4: ni] Emendiert aus: in S. 384, Z. 6: Vanité] Emendiert aus: Vanitè S. 385, Z. 12: vray] Emendiert aus: oray S. 385, Z. 13: Pourveu que] Emendiert aus: Pourvenque S. 386, Z. 14: auff] Emendiert aus: aus S. 387, Z. 20: Last] Emendiert aus: Läst S. 387, Z. 25: viel Sorg’] Emendiert aus: vielSorg’ S. 388, Z. 3: den] Emendiert aus: dem S. 389, Z. 23: und Gluht] Emendiert aus: undGluht S. 396, Z. 116: bleibe] Emendiert aus: bleib= S. 400, Z. 16: HErren] Emendiert aus: HErrn S. 401, Z. 38: so] Emendierend ergänzt S. 401, Z. 39: HErren] Emendiert aus: HErrn S. 402, Z. 63: den] Emendiert aus: dem
Liste der Emendationen S. 403, Z. 79: Sein Creutz] Emendiert aus: SeinCreutz S. 403, vor Z. 91: 10.] Emendiert aus: 20. S. 408, Z. 98: Wenn] Emendiert aus: Wer S. 414, Z. 62: Schmertzen sucht] Emendiert aus: Schmertzensucht S. 414, Z. 65: Himmel=süsser] Emendiert aus: Himmel=süsses S. 414, Z. 70: Hertz gesund] Emendiert aus: Hertzgesund S. 416, Z. 122: HErren] Emendiert aus: HErrn S. 420, Z. 63: Daselbst wo] Emendiert aus: Daselbstwo S. 452, Z. 78: in Sünden] Emendiert aus: inSünden
Emendationen im Textanhang S. 457, Z. 5: Michael] Emendiert aus: MichaeL S. 459, Z. 16: Lüneburg.] Emendiert aus: Lüneburg S. 459, Z. 19: unverdienten Gnaden] Emendiert aus: unverdientenGnaden S. 460, Z. 37: deß Tages] Emendiert aus: deßTages S. 461, Z. 77: Antrieb] Emendiert aus: AnAntrieb S. 464, Z. 129: Verrichtungen] Emendiert aus: Verrichungen S. 464, Z. 132: dem] Emendiert aus: denn S. 467, Z. 38: Freunden] Emendiert aus: Freunde S. 471, Z. 151: viel guhtes] Emendiert aus: vielguhtes S. 472, Z. 170 f.: fürgesetzeten Ehrengedichten] Emendiert aus: fürgesetzetenEhrengedichten
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Synopse I: Himmlische Lieder 1641/42 und 1652 – Aufbau Für die Ausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ des Jahres 1652 änderte Rist die Anordnung der einzelnen Lieder. Die folgende Synopse macht die Veränderungen ersichtlich. Rist, Himmlische Lieder 1641/42 (Textzeuge A)
Rist, Himmlische Lieder 1652 (Textzeuge C)
Teil I I, Nr. 1 I, Nr. 2 I, Nr. 3 I, Nr. 4 I, Nr. 5 I, Nr. 6 I, Nr. 7 I, Nr. 8 I, Nr. 9 I, Nr. 10
I, Nr. 1 I, Nr. 4 I, Nr. 7 I, Nr. 8 I, Nr. 9 IV, Nr. 2 IV, Nr. 3 IV, Nr. 7 V, Nr. 6 V, Nr. 1
Teil II II, Nr. 1 II, Nr. 2 II, Nr. 3 II, Nr. 4 II, Nr. 5 II, Nr. 6 II, Nr. 7 II, Nr. 8 II, Nr. 9 II, Nr. 10
II, Nr. 1 II, Nr. 2 II, Nr. 3 II, Nr. 4 II, Nr. 5 II, Nr. 6 II, Nr. 7 II, Nr. 8 II, Nr. 9 II, Nr. 10
Teil III III, Nr. 1 III, Nr. 2 III, Nr. 3 III, Nr. 4 III, Nr. 5 III, Nr. 6
I, Nr. 2 I, Nr. 6 IV, Nr. 4 III, Nr. 1 III, Nr. 9 IV, Nr. 5
Synopse I
III, Nr. 7 III, Nr. 8 III, Nr. 9 III, Nr. 10
I, Nr. 3 V, Nr. 7 IV, Nr. 10 V, Nr. 5
Teil IV IV, Nr. 1 IV, Nr. 2 IV, Nr. 3 IV, Nr. 4 IV, Nr. 5 IV, Nr. 6 IV, Nr. 7 IV, Nr. 8 IV, Nr. 9 IV, Nr. 10
IV, Nr. 6 I, Nr. 10 IV, Nr. 9 IV, Nr. 8 III, Nr. 5 III, Nr. 6 III, Nr. 7 III, Nr. 8 III, Nr. 10 V, Nr. 4
Teil V V, Nr. 1 V, Nr. 2 V, Nr. 3 V, Nr. 4 V, Nr. 5 V, Nr. 6 V, Nr. 7 V, Nr. 8 V, Nr. 9 V, Nr. 10
IV, Nr. 1 III, Nr. 2 III, Nr. 3 V, Nr. 3 III, Nr. 4 I, Nr. 5 V, Nr. 2 V, Nr. 9 V, Nr. 8 V, Nr. 10
553
Synopse II: Himmlische Lieder 1641/42 und 1652 – Überschriften Die folgende Synopse verdeutlicht, wo die Texte von C in A zu finden sind, und dokumentiert zudem die Abänderungen, die Rist den Überschriften der einzelnen Lieder zuteilwerden ließ. Die Veränderungen der Titelblätter der einzelnen Teile sind der Liste der Textzeugen zu entnehmen.1 Rist, Himmlische Lieder 1652 (Textzeuge C)
Rist, Himmlische Lieder 1641/42 (Textzeuge A)
Teil I I, Nr. 1 Ein Weihenachtgesang/ Von der Freüdenreichen Menschwerdung und Gebuhrt unsers allerliebsten Heilandes und Seeligmachers Jesu Christi.
I, Nr. 1 Lob=Gesang.Von der frewdenreichen Geburt vnd Menschwerdung vnsers HErrn vnd Heylandes JEsu Christi.
I, Nr. 2 Ein Neü Jahresgesang/ Welches Anfang/ Mittel und Ende in und mit dem süssen Namen JEsu bestehet.
III, Nr. 1 Gottseliger Anfang des newen Jahres/ Jn und mit dem allersüssestem Namen JESV
I, Nr. 3 Ein Passionsgesang/ Jn welchem uns die Person/ so für uns/ wie den auch die Uhrsachen solches bittern Leidens und Sterbens unsers liebsten Heilandes JEsu Christi andächtig zubetrachten werden fürgestellet.
III, Nr. 7 Christliche Betrachtung/ Der Unschuld des HErrn Jesu und der rechten Ursachen seines bittern Leydens und Sterbens.
I, Nr. 4 Ein ander Passiongesang/ Jn welchem abermahl die leidende Person/ benebenst den wahrhaften Ursachen solches unschuldigen Leidens Lehr= und Trostreich wird besungen.
I, Nr. 2 Christliche Betrachtung der Person/ die da leidet/ vnd der Vrsachen des bitteren Leydens vnd Sterbens vnseres HErrn JEsu Christi.
1 S. o. S. 547 f.
Synopse II
555
I, Nr. 5 Ein Nachtmahlgesang/ Jn welchem unß das hohe Geheimnüsse des Heiligen Nachtmahls/ von CHristo JEsu eingesetzet/ mit hertzlicher Andacht zu betrachten wird fürgestellet/ und kan dieser Gesang am Grünen Donnerstage/ wie auch sonst bei der Außtheilung des Heiligen Abendmahls nützlich gebrauches und gesungen werden.
V, Nr. 6 Christliches Lied/ Von dem hohen Geheimnisse des heiligen und hochwürdigen Abendmals des HErrn.
I, Nr. 6 Ein Charfreitagsgesang/ Worin beschrieben wird die geistreiche Erlüstigung Einer Erleüchteten Seelen in den fünff Wunden Jhres/ am Kreütze hangenden allerliebsten Heilandes und Seligmachers JEsu Christi.
III, Nr. 2 Geistreiche Erlustigung der Erleuchteten Seelen/ Jn den fünff Wunden/ jhres am Creutz hangenden allerliebsten Heylandes Jesu Christi.
I, Nr. 7 Ein trauriger Grabgesang/ Jn welchem allen Gottseligen Hertzen die traurige Begräbnüß unsers Hochtheüren Seligmachers JEsu CHristi andächtig zubetrachten wird fürgestellet/ und kan dises Lied fürnehmlich am stillen Freitage/ wie auch den Sonnabend für Osteren gesungen werden.
I, Nr. 3 Klägliches Grab=Lied/ Vber die trawrige Begräbnisse vnseres Heylandes JEsu Christi/ am stillen Freytage zu singen.
I, Nr. 8 Ein frölicher Ostergesang. Jn welchem uns die sieghafte Aufferstehung unsers Heilandes JEsu CHristi/ nebenst deroselben herlichen Früchten zubetrachten wird fürgestellet/ worin auch alle Christen zu einer hertzlichen und Freüdenreichen Dancksagung für dise hohe Wolthaten werden ermahnet und auf gemuntert.
I, Nr. 4 Frewdenreiche Dancksagung. Für die sieghaffte Aufferstehung Jesu Christi vnd deroselben herrliche Früchte
I, Nr. 9 Ein Freüdenreicher Himmelfahrtsgesang/ Jn welchem die Kirche Gottes dem Triumphirenden Siegesfürsten CHristo JEsu/ für seine fröliche Himmelfahrt/ Lob Ehre und Dank singet.
I, Nr. 5 Danck=Lied Für die fröliche Himmelfahrt vnseres Triumphirenden Sieges=Fürsten Jesu Christi.
556
Anhang II
I, Nr. 10 Ein Pfingstgesang/ Jn welchem üm Verleihung und Mittheilung deß himlischen Pfingstgastes/ des werthen Heiligen Geistes/ unser liebster HErr JEsus/ von Hertzen wird gebehten und angeruffen.
IV, Nr. 2 Gebet zu dem Herrn JEsu. Umb den himlischen Seelen=Gast/ den werthen heiligen Geist.
Teil II II, Nr. 1 Das Triumphlied Mose/ Welches er gesungen/ alß GOtt das Jsraelitische Volk auß der gewaltigen Hand des Pharao errettet/ und disen Tyrannen mit seiner grossen Kriegesmacht im rohten Meer hatte lassen ersäuffen und ümmekommen.
II, Nr. 1 Das Triumph=Lied Mose/ Welches er gesungen/ als die Kinder Jsrael vonder gewaltigen Hand des Pharao errettet/ und dieser Tyrann sampt seiner grossen Krieges=Macht im rothen Meer war ersoffen und umbkommen/ Exod. 15.
II, Nr. 2 Das Triumphlied der Heldinnen Debora/ Welches Sie dem HERREN gesungen/ alß Er sein Volk von der Kananiter Tyrannei erlöset/ und durch Sie des Königes Jabins Feldhaubtman Sissera mit seinem gewaltigen Kriegesheer hatte überwunden und geschlagen.
II, Nr. 2 Das Triumph=Lied der Heldinnen Debora/ Welches sie dem HErrn gesungen/ als er sein Volck von der Cananiter Tyranney erlöset/ und durch sie des Königs Jabin Feld=Häuptmann den Sissera mit seinem gewaltigen Kriegs=Heer hatte überwunden und geschlagen/ Judic. 5.
II, Nr. 3 Ein Danklied der Gottesfürchtigen Hanna/ des Weibes Elkana/ Jn welchem Sie Gott für die empfangene Wolthaten von Hertzen preiset/ und Jhre Widersacher von allem Trotze abmahnet.
II, Nr. 3 Dancklied der gottesfürchtigen Hanna/ des Weibes Elkana/ Jn welchem sie Gott für die empfangene Wolthaten preiset/ und jhre Widersacher von allem Trotz abmahnet/ 1. Sam. 2.
II, Nr. 4 Ein Danklied der wahren Christen/ Jn welchem der Prophet Esaias GOtt lobet/ daß die Kirche GOttes von Jhren Feinden herlich errettet/ und mit einem kräfftigen ja recht himlischen Trost wider das Kreütz und die bittere Todesgedanken wird beseliget.
II, Nr. 4 Ein Danck=Lied der wahren Christen/ Daß sie nicht allein von jhren Feinden errettet werden/ besondern auch wider das schwere Creutz und die bittere Todes=Gedancken einen himlischen Trost erlangen/ Esa. 26.
II, Nr. 5 Ein Lobgesang des Gottseligen Königes Hißkia/ Worinnen Er Seine grosse Gefahr und Todesangst wehemühtig erzehlet/ dabenebenst aber die Hülffe und Wolthaten Gottes höchlich rühmet und preiset.
II, Nr. 5 Ein Lob=Gesang des gottseligen Königs Hißkia/ Darinnen er seine grosse Gefahr und Angst erzehlet/ danebenst aber die Hülffe und Wolthaten Gottes höchlich rühmet/ Esa. 38.
Synopse II
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II, Nr. 6 Das Triumphlied der Heldinne Judith/ Welches von Jhr gesungen worden/ alß Sie das Volk Gottes von der grausahmen Gewalt der Assyrer errettet/ und dem FeldObristen Holofernes sein Haubt hatte herunter gerissen.
II, Nr. 6 Das Triumph=Lied der Heldinnen Judith/ Welches sie gesungen/ als sie das Volck Gottes von der grawsamen Gewalt der Assyrer hatte errettet/ und dem Feld=Obristen Holofernes das Häupt abgerissen/ aus dem Buche Judith am 16.
II, Nr. 7 Ein Danklied des alten Tobias/ Jn welchem Er die grosse Wolthaten Gottes mit Danksagung erzehlet/ dabenebenst von Widererbauung der Statt Jerusalem und Zukunft des HErren Messias etlicher mahssen weissaget.
II, Nr. 7 Ein Danck=Lied des alten Tobias. Jn welchem er die grosse Wolthaten Gottes erzehlet/ dabenebenst auch von wieder=Erbawung der Stadt Jerusalem und Zukunfft des Messiae herrlich weissaget/ Tob. 13.
II, Nr. 8 Ein Lobgesang des weisen Haußlehrers Sirach. Jn welchem die grosse Werke deß HErren am Himmel und auf Erden mit höhester Verwunderung betrachtet und gerühmet werden.
II, Nr. 8 Das Lob Gottes/ Worinnen die grosse Wercke des HErrn am Himmel und auff Erden mit höhester Verwunderung betrachtet und gerühmet werden/ aus des weisen Lehrers Syrach Haußbuche am 43. Capitel.
II, Nr. 9 Der Lobgesang Sadrach/ Mesach und Abednego/ Welchen Sie/ nach dem Sie durch die grosse Güht und Almacht Gottes mitten in den Flammen wunderbahrer Weise/ gantz unversehret sind erhalten worden/ auß schüldigster Dankbarkeit haben erklingen lassen.
II, Nr. 9 Der Lob=Gesang Sadrach/ Mesach und Abednego/ Welchen sie gesungen/ als sie durch Gottes Güt’ und Allmacht wunderbahrer Weise mitten in den fewrigen Flammen gantz unversehrt erhalten worden.
II, Nr. 10 Der Lobgesang des Priesters Zacharias. Jn welchem Er/ nach deme Jhm in seinem hohen Alter von seiner auch betagten Haußfrauen Elisabeht sein Sohn Johannes gebohren/ die grosse Gnade/ Gühte und Barmhertzigkeit Gottes höchlich lobet/ rühmet und preiset.
II, Nr. 10 Der Lob=Gesang des Priesters Zacharias/ Als jhm in seinem hohen Alter von seiner auch betagten Haußfrawen Elisabeth/ sein Sohn Johannes ward geboren/ Luc. 2.
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Anhang II
Teil III III, Nr. 1 Eine Betrachtung der überaußschwehren Anfechtungen/ Mit welchen oftmahls eine Christliche Seele biß auf die eüsserste Verzweifelung wird geplaget/ und waß sie für einen kräftigen Trost in solcher grossen Angst und Jammer müsse ergreiffen.
III, Nr. 4 Hertzliches Klag= und Trost=Lied/ Einer angefochtenen hochbetrübten Seelen/ so mit Angst und Verzweiffelung ringet.
III, Nr. 2 Eine Betrachtung des wahren Christentums/ Wie nemlich dasselbe in Tödtung des Alten Adams/ und Erneüerung des inwendigen Menschen zu guhtem/ und dem allerhöhesten GOtt wolgefälligen Werken müsse bestehen.
V, Nr. 2 Nothwendige Ermahnung/ Zu gottseligen Wercken/ Christlichem Leben und Wandel.
III, Nr. 3 Eine Gottselige Betrachtung/ Welcher Gestalt jedweder Mensch/ der ein rechtschaffener Christ sein wil/ sich selber müsse hassen/ verleügnen/ und sich GOtt dem höhesten Guhte gantz und gahr allein gelassen und ergeben.
V, Nr. 3 Gottselige Betrachtung/ Wie ein rechtschaffener Christ sich selber müsse hassen/ verleugnen/ und sich Gott dem höhesten Gute allein gelassen.
III, Nr. 4 Eine Betrachtung des allerschändlichsten Lasters des Geitzes: Worin zugleich gelehret wird/ welcher Gestalt ein jedweder Gottseliger Christ den allerhöhesten GOtt von Hertzen sol anruffen/ daß Er Jhn für disem Haubtlaster gnädiglich wolle bewahren.
V, Nr. 5 Gebet zu Gott/ Daß er ja unser Hertz für dem schädlichen und schändlichem Geitz wolle bewahren.
III, Nr. 5 Eine Christliche Betrachtung Der Gewißheit des Todes/ und der sehr ungewissen Stunde desselben/ der Verdamten Sicherheit/ welche im heütigem Christenthum sich leider alzuviel und häuffig befindet/ entgegen gesetzet.
IV, Nr. 5 Christliche Betrachtung/ Der Gewißheit des Todes und der ungewissen Stunde desselben/ wider die verdampte Sicherheit.
III, Nr. 6 Eine liebliche Betrachtung Des herlichen Trostes/ welchen ein jedweder gläubiger Christ wieder die grausahme Furcht und
IV, Nr. 6 Wider die Furcht und Schrecken des grausamen Todes. Trost=Lied.
Synopse II
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Schrekken des abscheülichen Todes freüdig kan ergreiffen. III, Nr. 7 Eine Christliche und dabenebenst ernstliche Betrachtung/ Des grossen und letsten Gerichts Gottes/ welcher Gestalt dasselbe künftig wird angefangen/ geheget und geendiget werden.
IV, Nr. 7 Christliche Betrachtung/ Des grossen und letzten Gerichtes Gottes. Welches in diesem Gesange etlicher massen Historisch wird vorgestellet.
III, Nr. 8 Eine gantz Ernstliche Betrachtung/ Der höllischen Pein und Marter/ nebenst angehängeter treühertziger Ermahnung und Warnung an alle sichere Ruchlose Menschen/ welche sich leider für der Höllischen Quahl so gahr nichts oder doch wenig fürchten.
IV, Nr. 8 Ernstliche Betrachtung/ Der ruchlosen Sicherheit der Menschen/ Jn deme sie sich für der höllischen Pein so gar nicht fürchten.
III, Nr. 9 Eine süsse Betrachtung Der himlischen und unaußsprächlichen Herligkeit des zukünftigen ewigen Lebens/ und waß ein rechtschaffener Christ für ein sehnliches Verlangen nach derselben sol haben und tragen.
III, Nr. 5 Sehnliches Verlangen/ Nach der himlischen und unaußsprechlichen Herrligkeit des zukünfftigen ewigen Lebens.
III, Nr. 10 Eine sehr Ernstliche und außführliche Betrachtung/ der zukünftigen unendlichen Ewigkeit.
IV, Nr. 9 Ernstliche Betrachtung/ Der unendlichen Ewigkeit.
Teil IV IV, Nr. 1 Ein Christlicher Gesang/ Welcher uns außführlich führhält und erklähret/ den hochseligen Nutzen eines rechtschaffenen gläubigen Gebehtes.
V, Nr. 1 Christlicher Gesang/ Von dem hoch=seligen Nutze eines rechten Gebets.
IV, Nr. 2 Ein Ernstliches Gebeht zu GOtt/ üm rechtschaffene/ hertzliche und wahre Gottesfurcht.
I, Nr. 6 Ernstliches GebetVmb rechtschaffene wahre Gottesfurcht.
560
Anhang II
IV, Nr. 3 Ein hertzlicher Beht= und Buhßgesang/ An unseren allerliebsten HErren JEsum/ üm gnädige Verzeihung unserer viel und mannigfaltigen begangenen Sünden.
I, Nr. 7 Hertzliches Buß=Lied An seinen allerliebsten HErrn JEsum/ umb Verzeihung seiner viel= und mannigfaltigen Sünden.
IV, Nr. 4 Ein Andächtiges Lied zu GOtt/ üm ein guhtes/ stilles und ruhiges Gewissen.
III, Nr. 3 Andächtiges Lied zu Gott. Umb ein gutes/ stilles und ruhiges Gewissen.
IV, Nr. 5 Ein andächtiges Gebeht zu GOtt/ üm Verschmähung diser Welt/ und aller in derselben fürhandenen flüchtigen Eitelkeiten.
III, Nr. 6 Andächtiges Gebet zu Gott/ Umb Verschmähung der Welt und aller deroselben Eitelkeiten.
IV, Nr. 6 Ein hertzliches Gebeht zu GOtt/ üm eine ernstliche Nachfolge des Lebens und Wandels unsers liebsten Seligmachers JEsu Christi/ fürnehmlich in der wahren Gottseligkeit und allen guhten Werken.
IV, Nr. 1 Andächtiges Lied zu Gott/ Umb die Nachfolge Christi/ in der wahren Gottseligkeit und allen guten Wercken.
IV, Nr. 7 Ein Gebeht zu GOtt/ üm wahre Geduld/ in mancherlei schwehren und grossem Kreutze/ Widerwertigkeit und Leyden.
I, Nr. 8 Gebet zu GOTT Umb wahre Gedult in grossem Creutze vnd Widerwertigkeit.
IV, Nr. 8 Ein ernstliches Gebeht zu GOtt üm Besserung unsers gantzen Lebens/ Daß wir nemlich die schädliche und schändliche Laster mügen fliehen/ und allen Christlichen Tugenden die gantze Zeit unsers Lebens mit äusserstem Fleiße nachjagen.
IV, Nr. 4 Ernstliches Gebet zu Gott/ Umb Besserung des gantzen Lebens/ Daß wir die schädliche Laster mügen fliehen/ und allen Christlichen Tugenden mit unserm eussersten Fleisse nachjagen.
IV, Nr. 9 Ein demühtiges Bittlid zu GOtt üm seine väterliche Gnade und Abwendung der sehr scharffen wolverdienten Zornruhten und Straffen.
IV, Nr. 3 BußLied zu Gott. Umb seine Gnade und Abwendung der sehr scharffen und wolverdienten ZornRuthe.
IV, Nr. 10 Andächtige Hertzenseufftzer zu Gott üm ein seliges Ende/ Es kan auch dises Lied in schwehr und tödlichen Krankheiten gesungen oder gebehtet werden.
III, Nr. 9 Andächtige Hertzen=Seufftzer zu Gott/ umb ein seliges Ende. Dieses Lied kan auch in sehr schweren Kranckheiten gesungen oder gebetet werden.
Synopse II
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Teil V V, Nr. 1 Ein Freüdengesang/ Jn welchem unser GOtt sehr hochgelobet/ und die Herligkeit des ewigen Schöpffers außführlich wird beschrieben.
I, Nr. 10 Ein fröliches Lobe=Lied GOttes Von der Herrligkeit des Schöpffers.
V, Nr. 2 Ein Lobgesang/ Jn welchem die grosse Allmacht und unaußsprächliche Barmhertzigkeit Gottes herlich wird gepriesen.
V, Nr. 7 Ein herrlicher Lob=Psalm Gottes/ Wegen seiner grossen Allmacht und Barmhertzigkeit
V, Nr. 3 Ein Loblied/ Von der hertzlichen Liebe und unaußsprächlichen Wolthaten unsers allerliebsten Heilandes und Seligmachers JEsu Christi an uns armen und elenden Menschen bewiesen.
V, Nr. 4 Ein LobLied/ Von der hertzlichen Liebe und denen unaußsprechlichen Wolthaten unsers HErrn undHeylandes Jesu Christi.
V, Nr. 4 Eine hertzliche Frolokkung einer gläubigen und Gottergebenen Seelen/ über den unvergleichlichen theüren Schatz/ und die Gewißheit des zukünftigen ewigen Himlischen Lebens.
IV, Nr. 10 Hertzliche Frolockung eines gläubigen Christen/ Uber den unaußsprechlichen Schatz und die Gewißheit des ewigen himlischen Lebens.
V, Nr. 5 Ein Freüden= und Lobgesang/ Jn welchem uns die unaußsprächliche Herligkeit des himlischen Jerusalems/ und ferner der gläubigen Seelen hertzinnigliches Verlangen nach derselben außführlich wird beschrieben.
III, Nr. 10 Hertzliches Verlangen/ Nach dem himlischen Jerusalem/ und Erzehlung der grossen unaußsprechlichen Herrligkeit desselben.
V, Nr. 6 Ein Morgengesang/ Mit welchem Sich ein jedweder frommer Christ dem Schutze und Schirm des Allerhöchsten täglich und zwahr hertzinniglich sol befehlen.
I, Nr. 9 Christliches Morgenlied Sich dem Schutze des Allerhöhesten zu befehlen.
V, Nr. 7 Ein Abendgesang/ Mit welcher sich ein jedweder frommer Christ/ wen Er sich zur Ruhe wil legen/ der gnädigen Obhuht und väterlichen Beschirmung des Allerhöchsten kan befehlen.
III, Nr. 8 Christliches Abend=Lied/ Sich dem Schutz des Allerhöhesten zu befehlen.
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Anhang II
V, Nr. 8 Ein Reisegesang/ Mit welchem sich ein jedweder frommer Christ auf seiner Reise oder Wanderschaft der väterlichen göttlichen Bewahrung und gnädigen Beschirmung für allem Ubel und Unglükke von gantzem Hertzen sol befehlen.
V, Nr. 9 Christliches Lied eines Reisenden.
V, Nr. 9 Ein Christlicher Tisch= und Lobgesang/ Mit welchem alle Gottselige Hertzen dem himlischen Speisemeister/ wen Er Sie mit Speise und Trank mild väterlich hat gesättiget/ von Hertzen Lob und Dank sollen singen und sagen.
V, Nr. 8 Christlicher Lob=Gesang/ Wenn uns Gott mit Speise und Tranck so reichlich hat gesättiget.
V, Nr. 10 Ein Beschlussgesang/ Jn welchem GOtt der himlische Vater demühtig wird angeruffen/ daß Er unß/ wen unser Sterbstündlein herankommen/ und wir diser eitlen Welt guhte Nacht sollen geben/ ein gnädiges seliges Ende verleihen/ und auß disem betrübten Jammerthal wolle zu sich nehmen in seinen ewigen Freüdensahl.
V, Nr. 10 Beschluß=Lied zu Gott/ Umb ein seliges Sterb=Stündelein.
Abb. 1: Johann Rist, Kupferstich-Portrait. In: Rist: Neue Hoch=heilige Passions=Andachten. Hamburg 1664 (SUB Hamburg Scrin. A/1597).
Abb. 2: Titelkupfer zum Druck der ‚Himmlischen Lieder‘, Lüneburg 1643 (HAB Wolfenbüttel 1067.2 Theol.).
Abb. 3: Titelkupfer zum Druck der ‚Himmlischen Lieder‘, Lüneburg 1652 (ULB Halle II 2562d).
Johann Rists ‚Himmlische Lieder‘ Eine Einführung von Inge Mager Vom Sommer 1641 bis zum Ende des Jahres 16421 veröffentlichte der Wedeler lutherische Pfarrer Johann Rist (1607–1667) insgesamt fünfzig geistliche Lieder in fünf Einzellieferungen zu je zehn vielstrophigen Texten mit dazu gehörigen Melodien. Die anderthalbjährige Dauer der Drucklegung führt der Autor teilweise auf „Pannen“ bei der Manuskriptbeförderung von Wedel nach Lüneburg,2 teilweise aber auch auf eigene dringende literarische Vorhaben zurück.3 Auf den kritischen Einwand, es gebe doch seit Luther bereits „eine ziemliche Anzahl“ guter Kirchenlieder, antwortet Rist in der fünften Leservorrede mit dem Sprichwort, „daß des Guten nimmermehr zu viel kan gethan geredet/ geschrieben oder gesungen werden“.4 Zudem gebe es nach seiner Meinung nicht genügend Festlieder; auch fehle es angesichts der gegenwärtigen und noch zu befürchtenden zukünftigen Bedrängnisse an Buß- und Trostliedern. Zehn Jahre später ist Rist sogar davon überzeugt, das Buch der ‚Himmlischen Lieder‘ sei „fast daß Erste, welcheß von solcher Ahrt ist heraus gegeben“.5 Auch der damals noch freundschaftlich mit ihm verbundene Philipp von Zesen hebt in einem seiner Ehrengedichte an den biblischen Hymnen hervor: „Jhr singt uns solche Lieder | Die keiner sang vor Euch“.6 An diese Selbst- und Fremdeinschätzung anknüpfend, möchte ich im folgenden versuchen, das Besondere an Rists geistlicher Lyrik, wie sie sich in den ‚Himmlischen Liedern‘ und ihrer Publikation darstellt, herauszuarbeiten. Dabei berücksichtige ich formale Gesichtspunkte ebenso wie inhaltlich-theologische und beziehe sowohl die
1 Die Widmung der ersten Lieferung ist unterzeichnet am 26. Juli 1641; diejenige der fünften Lieferung am 19. November 1642. 2 Rist, Himlische Lieder, 1642, III, fol. A 5v. S. o. S. 183. 3 Etwa auf die Herausgabe des Werkes „Rettung der Edlen Teütschen Hauptsprache“ (Hamburg 1642), wie Rist in der ersten Leservorrede ausdrücklich bemerkt (fol. A 5v; s. o. S. 15). 4 Johann Rist: Himlischer Lieder Das Fünffte und letzte Zehn. Lüneburg 1642, V, fol. A 7r. S. o. S. 368. 5 Johann Rist: Neue Himlische Lieder, Mit sehr anmuhtigen von H. Johan Schopen wolgesetzeten Melodeien (Außentitel) = Himlische Lieder/ Mit sehr lieblichen und anmuhtigen Melodeien/ Nunmehr aufs neüe Widrum übersehen/ in Eine gantz andere und richtigere Ordnung gebracht (Innentitel des ersten der fünf Teile). Lüneburg 1652, fol. )( 2r. S. o. S. 459. 6 Rist, Himlische Lieder, 1642, II, fol. A 8r. S. o. S. 104.
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Inge Mager
Widmungen als auch die Leservorreden und die Ehrengedichte trotz der in ihnen vorherrschenden gattungsspezifischen Topik als Quellen mit ein.7 Bemerkenswert ist zunächst die etappenweise Veröffentlichung der Lieder, die der Verfasser mit großer Wahrscheinlichkeit von Anfang an alle abdruckbereit liegen und sogar anderen – insonderheit „hohen Personen ohn gefehr“ – zugespielt hatte.8 Da sich auch die Zeitgenossen über diese schrittweise Bekanntmachung wunderten, erklärt Rist in der fünften Leservorrede, er habe es nicht gewagt, seine Texte „dieser zancksüchtigen Welt ohne vorhergehende Prüfung“ vorzustellen, sei dann aber nach den ersten Lieferungen durch zahlreiche erfreuliche Rückmeldungen ermutigt worden, mit der Bekanntmachung fortzufahren.9 Außerdem habe der Zyklus durch die verschiedenen Widmungsadressaten seine „treffliche[n] Liebhaber und mächtige[n] Schutzherren/ auch unter hohes Standes Personen gefunden“.10 Ob Rist sich zur Veröffentlichung seiner Lieder in Raten inspirieren ließ durch die „Hertzensharffe“ des schlesischen Adeligen David von Schweinitz11 oder ob es seine ureigene Idee war, bleibe dahingestellt. Jedenfalls nutzte er die Chance, durch immer wieder andere Dedikationen ein regionales Netzwerk von Gleichgesonnenen und einflußreichen Förderern für seine geistliche Lyrik in deutscher Sprache zu knüpfen. Diese zielorientierten, durch überschwengliche Dankes- und Ergebenheitsfloskeln ebenso wie durch „autobiographische Repräsentation“ gekennzeichneten umfangreichen Widmungsvorreden12 sind deshalb ein weiteres Charakteristikum der ‚Himmlischen Lieder‘. Alle ausgewählten, dem Adel und dem evangelischen Bekenntnis angehörenden Persönlichkeiten verbindet in der Optik Rists eine besondere Frömmigkeit und Bildung. Grundsätzlich will er sein Werk nur solchen übergeben, „die von Gott mit einem hohen Verstande erleuchtet/ mit sonderbaren Gaben des Gemühtes weit über den Pöbel erhoben/ vnd durch grosse Wissenschafft/ fleissiges Nachsinnen/ vnd lange Erfahrung trefflich geschicket seyn/ von allerhand Schriften vernünfftig zu vrthei-
7 Zur Problematik der in Vorreden enthaltenen Informationen vgl. Konrad Küster: „O du güldene Musik“. Wege zu Johann Rist. In: Johann Anselm Steiger (Hrsg.): „Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“. Gedenkschrift zum 400. Geburtstag des Dichters und Theologen Johann Rist. Neuendettelsau 2007 (= Testes et testimonia veritatis 5), S. 94 f. M. E. läßt sich aus den Rahmentexten doch eine ganze Menge an Informationen über den Liederautor, seine Absichten, Ängste und verborgenen Wünsche entnehmen. 8 Rist, Himlische Lieder, 1641, I, fol. A 3v. S. o. S. 11. Andernfalls hätte er nicht zur Veröffentlichung gedrängt werden können. 9 Ebd., V, fol. A 6r. S. o. S. 365. 10 Ebd., II, fol. A 7v. S. o. S. 103. 11 David von Schweinitz: PENTA-DECAS FIDIUM CORDALIUM, Das ist: Geistliche Hertzensharffe von fünffmahl zehen Seiten . Danzig 1640 (ULB Halle/S. AB 153701 [1]); erwähnt in Teil IV, fol. A 4v. S. o. S. 264 f. 12 Vgl. dazu die anregende, aspektreiche Studie von Günter Dammann: Johann Rist als Statthalter des Opitzianismus in Holstein. Aspekte seiner literaturpolitischen Strategie anhand der Widmungsbriefe und Vorreden. In: Literaten in der Provinz – Provinzielle Literatur? Schriftsteller einer norddeutschen Region. Hrsg. von Alexander Ritter. Heide 1991, S. 47–66, zit. S. 52.
Einführung
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len“.13 Darüber hinaus hat Rist zu allen Widmungsempfängern ein mehr oder weniger enges persönliches Verhältnis.14 Für die erste Lieferung wählt der ehrgeizige Autor in Analogie zu den Israeliten, welche „die Erstlinge jhres Einkommens dem HohenPriester Gottes“ zu opfern pflegten,15 mit dem Abt des Lüneburger St.-Michaelisklosters Johann Heinrich von Haselhorst „einen weitberühmten Herrn geistliches Standes“ aus.16 Alle übrigen Widmungsempfänger sind Laien. Die zweite Lieferung ist dem überaus gelehrten böhmischen Freiherrn Johan Brzetislaw Mislick von Hirschhoff als einem „WeltMann“ zugeeignet. Er ist der einzige, der über den norddeutschen Rahmen hinausgreift. Da er selbst gedichtet zu haben scheint und ein Saiteninstrument beherrschte, dürfte er Rist besonders nahegestanden und zur Veröffentlichung der ‚Himmlischen Lieder‘ wesentlich beigetragen haben.17 Für die dritte Lieferung hatte Rist ursprünglich auch einen männlichen Widmungsadressaten im Auge,18 entschied sich dann aber für Gräfin Sophia Elisabeth von Schleswig-Holstein, Tochter Christians IV. von Dänemark aus seiner unebenbürtigen Ehe mit Christine Munk, und Gemahlin Christians von Pentz, der damals Gouverneur von Glückstadt sowie Amtmann von Rendsburg und Steinburg war. Letzterer erfüllte Rists Voraussetzungen für eine Widmung – Tugendhaftigkeit, Frömmigkeit und Bildung – eigentlich mehr als Sophia Elisabeth; doch da sie ihrem Mann standesmäßig überlegen war und Rist die mittlere Liedfolge nach dem Motto „VIRTUS IN MEDIO“ 19 besonders schmücken, vielleicht auch seine verborgene Absicht, Pentz als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft 20 zum eigenen Fürsprecher zu gewinnen, verdecken wollte, schob er die lebenslustige Frau an seiner Seite vor und nutzte die Dedikation zu einer kritischen Gesellschaftsbeschreibung 21 wie zu einer verdeckten seelsorglichen Mahnung an sie und ihren oberflächlichen Lebensstil. Die beiden letzten Lied-Lieferungen widmet Rist zwei holsteinischen Adeligen, dem Gutsherrn Detlev von Ahlefeld in Haseldorf und dem Geheimrat Paul von Bockwohlt in Sierhagen und Mühlenkamp. In beider Biographie hebt er das gelungene Zusammenspiel von Tapferkeit, militärischem wie politischem 13 Rist, Himlische Lieder, I, 1641, fol. A 4r. S. o. S. 12. 14 Zu biographischen Einzelheiten der Widmungsadressaten vgl. die Anmerkungen in dieser Ausgabe und Inge Mager: Johann Rists „himmlische Lieder“. Ihre Veröffentlichung und ihre Vorlagen. In: Orthodoxie und Poesie. Hrsg. von Udo Sträter. Leipzig 2004 (= Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie 3), S. 63–83. 15 Rist, Himlische Lieder, II, fol. A 2v. S. o. S. 92. 16 Ebd., I, fol. A 4r. S. o. S. 12. 17 Ebd., II, fol. A 3v und A 5r. Es würde sich lohnen, Näheres über den böhmischen Freiherrn und sein Verhältnis zu Rist zu erfahren. Das betont auch Küster (wie Anm. 7), S. 95. 18 Rist, Himlische Lieder II, fol. A 7v: „vnd wird das DRJTTE ZEHN seinen erwünscheten Mann auch leichtlich finden.“ S. o. S. 103. 19 Ebd., III, fol. A 4r. S. o. S. 180. 20 Vgl. Klaus Conermann (Hrsg.): Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft 1617–1650. 527 Biographien. Weinheim 1985 (= Fruchtbringende Gesellschaft 3), S. 315. 21 Vgl. Rist, Himlische Lieder, III, fol. A 2r–3r. S. o. S. 177–179.
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Inge Mager
Einsatz und Frömmigkeit, verbunden mit Liebe zu Wissenschaft und Kunst, besonders hervor. Dem möglicherweise von „Neidern“ gegen Rists adelige Widmungspraxis erhobenen Einwand, weltlich-militärischer Einsatz vertrage sich nicht mit geistigen Betätigungen, setzt Rist sein mit historischen Beispielen untermauertes Plädoyer für deren überzeugendes Miteinander entgegen. Für ihn gibt es „nichts herrlichers/ nichts löblichers/ nichts nützlichers/ als wenn der Adel durch die Tugend/ Künst und Geschickligkeit/ und diese hinwieder durch den Adel wird begleitet vnd gezieret.“ 22 Freilich hatte Rist bei der Erinnerung einzelner Adeliger seines Umkreises an ihre kulturtragenden Aufgaben vornehmlich ihren erhofften Beitrag zur umfassenden Pflege der hochdeutschen Sprache als charakterbildende und tugendfördernde Kraft im Sinn. Davon zeugen auch die Mitgliederlisten der Fruchtbringenden Gesellschaft,23 die Rist als damals noch Außenstehender wohl vor Augen hatte. Ein anderer denkbarer Grund für die Skepsis einzelner Kollegen über Rists Widmungen könnte auch gewesen sein, daß er sich als Kleinstadtpfarrer so vielen hochgestellten Persönlichkeiten zu nähern und für sein dichterisches Werk zu interessieren verstand. In der 1652 herausgekommenen Neuausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ hat Rist in Anknüpfung an die allererste Widmung von 1641 „diseß Geistliche Buch [nur] führnehmen Geistlichen Herren“ 24 dediziert, nämlich dem derzeitigen Abt des Lüneburger St.-Michaelisklosters, Christoph von Bardeleben, dessen Prior und drei weiteren Mitgliedern des Konvents. Da die Lieder inzwischen deutschlandweit verbreitet sind, „Ja so gahr von Weibespersonen/ Kinderen/ Knechten und Mägden gahr fein gesungen werden“,25 kann der Verfasser jetzt auf die Fürsprache vornehmer „StandesPersonen“ verzichten.26 Hat er doch mit der Aufnahme in den Nürnberger Pegnesischen Blumenorden27 (1645) wie in die Fruchtbringende Gesellschaft (1647) lange ersehnte Ziele erreicht und unterschreibt den ebenfalls neu formulierten „Vorbericht An Den Christlichen/ Teütschen und Auffrichtigen Leser“ selbstbewußt mit seinem Gesellschaftsnamen „Der Rüstige“.28 Daß die fünf Widmungen der Erstauflage Rist auch nicht unbeträchtliche Honorareinnahmen bescherten,29 sollte nicht unerwähnt bleiben, mag aber hinter dem ideellen Gewinn für seine Ansehenssteigerung als Dichter in den Fußstapfen von Martin Opitz und als Haupt einer sich bildenden „niederelbischen“ respublica literaria zurücktreten. Das mit der etappenweisen „Testveröffentlichung“ der ‚Himmlischen Lieder‘ Erhoffte hatte sich
22 Ebd., IV, fol. A 2r–5r, zit. A 3v. S. o. S. 262. 23 Vgl. Conermann (wie Anm. 20). 24 Rist, Neue Himlische Lieder 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 3v. S. o. S. 461. 25 Ebd., fol. )( 7v. S. o. S. 468. 26 Ebd., fol. )( 2r. S. o. S. 459. 27 Vgl. Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006 (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 50). 28 Rist, Neue Himlische Lieder 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 2r. S. o. S. 472. 29 Dammann (wie Anm. 12), S. 57 f.
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glücklicherweise erfüllt. So konnten 1652 alle früheren Widmungsbriefe und Leservorworte fallengelassen werden. Ergänzend zu den Rahmentexten sei als weitere, freilich zeitübliche Eigenheit noch einiges zu den jeder Einzellieferung der Erstausgabe angefügten, wohl überwiegend vom Autor erbetenen Ehrengedichten gesagt. Sie stammen überwiegend von befreundeten Kollegen und Schriftstellern zumeist aus dem norddeutschen Raum. Sie sind in barockem Überschwang formuliert und heben das „Himmels=Kind Ristius“30 mit seinen „vom Himmel her gefallen[en]“ Liedern31 geradezu selbst in den Himmel. Sogar der wolfenbüttelsche Hofbeamte und bedeutende Sprachwissenschaftler Justus Georg Schottelius, der gerade in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden war, erteilt dem tapferen „Cimber“ seinen Segen dafür, daß er mit seinen Liedern die „Teutsche Sprach’ in rechte Himmels Zier“ gesetzt habe, so daß „des Neides Wind und Frost“ ihnen nichts werden anhaben können.32 Rist selbst hatte Schottelius schon in der dritten Leservorrede um seiner Verdienste für die deutsche Sprache willen gerühmt und dadurch auf sich aufmerksam gemacht.33 So wichtig die vielen „Ehrengedichte“ für Rists literarischen Aufstieg und den „Anspruch auf die Statthalterschaft des Opitzianismus“ in Norddeutschland auch waren,34 so bereitwillig konnte der oben Angekommene in der Liederausgabe von 1652 auf die meisten von ihnen verzichten. Außer einem neuen lateinischen von Pastor Johann Elfring aus dem Cuxhavenschen behielt er nur vier alte bei, und zwar das erste aus der Feder Mislicks von Hirschhoff, sodann eines von Schottelius, eines von dem Juristen Gerhart Schepler und eines von Andreas Tscherning.35 Sämtliche Lobpreisungen des ehemaligen Freundes und jetzigen Gegners Philipp von Zesen sind hingegen gestrichen. Der Wegfall aller Rahmentexte aus der Erstausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ war zugleich Programm. Denn die Neuausgabe von 1652 sollte ihrem Titel nun voll und ganz entsprechen und als Zusammenspiel von geistlichen „Sing= und Dichtkünste[n]“, von Asaph und David ohne verdeckte Nebenabsichten allein auf das Lob Gottes gerichtet sein.36 Zehn Jahre zuvor befand Rist sich als einer der ersten entschiedenen OpitzAnhänger im Norden noch inmitten von z. T. rücksichtslos ausgetragenen Richtungskämpfen. Deshalb stand auch die Erstveröffentlichung der ‚Himmlischen Lieder‘ ganz im Zeichen von Polemik und Apologetik. Polemisiert wurde gegen stümperhafte, voropitzianische Gelegenheitsdichter; und verteidigt wurde die deutsche Sprache samt den von Martin Opitz aufgestellten poetologischen 30 Rist, Himlische Lieder, I, fol. A 7v (von Theobald Grummer). S. o. S. 22. 31 Ebd., V, fol. B 1v (von Andreas Tscherning). S. o. S. 376. 32 Ebd., V, fol. A 8v. S. o. S. 371. 33 Ebd., III, fol. A 7v. S. o. S. 188. 34 Vgl. Dammann (wie Anm. 12), S. 50. 35 Rist, Himlische Lieder, 1641/42, I, fol. A 6v; V, fol. A 8v; V, fol. B 4r; V, fol. B 1r. S. o. S. 18. 371 f. 384 f. 374–376. 36 Neue Leservorrede, in: Rist, Himlische Lieder, 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 8r/v. Am Ende derselben begründet Rist den Wegfall der meisten Ehrengedichte mit der „Beschaffenheit dises Buches“, fol. )( )( 1v. S. o. S. 472.
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Grundsätzen. Für beides hatte Rist ausgiebig vor allem die Leservorreden genutzt. Ihre Lektüre erweckt heute streckenweise den Eindruck, daß es Rist fast mehr um die in deutscher Sprache nach den Versregeln des Martin Opitz abgefaßten Lieder als um deren Inhalt geht. Für ihn waren seine Dichtungen die ersten dieser Art vor allem wegen ihrer sprachlichen und poetischen Korrektheit.37 Deshalb spart der „Retter deutscher Sprache“38 seinerseits nicht mit drastischen Verunglimpfungen von „etlichen newen Lieder=macheren/ Versen= schinderen/ Sonnetten=schmieden vnd Reim=dichtern“,39 deren Elaborate nicht wie seine Texte „nach den richtigen Gesetzen unserer hochgestiegenen Poësey“ verfaßt sind.40 Rist sieht sich ferner gezwungen, den Gebrauch daktylischer und anapästischer Verse, die etwa für Hochzeits- oder andere Casualgedichte passen mögen, in der geistlichen Lyrik zu meiden.41 Auch entlarvt er die Behauptung der im Meißnischen Beheimateten, allein „gut und untadliches Deutsch zu reden und zu schreiben“, als falsche Anmaßung.42 Stammt doch Martin Opitz, „König und Adler aller Poeten“,43 auf den sich Rist als dessen bescheidener Schüler 44 immer wieder beruft, keineswegs von dort, sondern aus Schlesien, das er durch seine Sprachbemühungen berühmt gemacht habe. Ihm nacheifernd, möchte Rist nun Norddeutschland durch seine Schriftstellerei gleichfalls berühmt und anschlußfähig an das übrige literarische Deutschland machen. Da er mehrfach über „neidische Mißgönner“ klagt,45 die seine Verse verunglimpfen, scheint die opitzianische Sprachreform nicht überall auf Gegenliebe gestoßen zu sein. Es könnte sich allerdings in den teilweise äußerst scharfen Angriffen auf ihn auch die Konkurrenzangst weniger erfolgreicher Gelegenheitsdichter zu Wort gemeldet haben. Ferner müssen die gleich näher zu betrachtenden Melodien in die frühe Kritik an den ‚Himmlischen Liedern‘ einbezogen werden. Zuletzt jedoch verbittet sich Rist jegliche Einsprüche gegen seine geistliche Lyrik, weil dadurch zugleich Gott und sein Wort gelästert werden. Allenfalls seine weltlichen Frühtexte gibt er für die Zensur frei.46 Gelegentlich verbinden
37 Vgl. Anm. 5. 38 So Mislick von Hirschhoff in seinem Ehrengedicht, Himlische Lieder, I, fol. A 6v. S. o. S. 18. 39 Rist, Himlische Lieder, I, fol. A 6r u. ö. S. o. S. 16. 40 Ebd., II, fol. A 5v. S. o. S. 98. 41 Ebd., III, fol. A 6r/v. S. o. S. 185. 42 Ebd., III, fol. A 7r. S. o. S. 187. 43 Ebd., V, fol. A 4v. S. o. S. 363. 44 Ebd., V, fol. A 5r. S. o. S. 363. Mit der Poetik konnte Rist schon auf dem Akademischen Gymnasium in Hamburg wie auf dem Gymnasium Illustre in Bremen in Berührung gekommen sein. Vollends auf den Universitäten Rostock und Rinteln (1626–1631) vertiefte er seine diesbezüglichen Anfangskenntnisse im Rahmen des Artesstudiums. Martin Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey (Breslau 1624) muß er als Regelwerk für den Gebrauch des poetischen Handwerkszeugs aufmerksam gelesen, rezipiert und in seinen eigenen Dichtungen angewandt haben. Auch August Buchner war ihm bestens bekannt (vgl. Himlische Lieder, III, fol. A 6v). Ebenso wußte er um „etlicher Niederländischer Poëten Gedichte“ (ebd. S. o. S. 185 f.). Ob er allerdings in Leiden und Utrecht war, wie der Leichenredner Johann Hudemann behauptet, ist ungewiß. Vgl. J. A. Steiger (Hrsg.): „Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“ (wie Anm. 7), S. 242. 45 Z. B. Rist, Himlische Lieder, IV, fol. A 8r. S. o. S. 272. 46 Ebd., V, fol. A 6v/7r. S. o. S. 367.
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sich die eigenen Angriffe auf seine mit den wüstesten Schimpfworten disqualifizierten Gegner 47 noch mit nicht weniger drastisch ausgemalter Sozialkritik.48 Darin zeigt sich einmal mehr die enge Verbindung von Sprache, Moral und Bildung. Solche Passagen zumeist in den Leservorreden wollen freilich so gar nicht als Einstimmung auf geistliche Inhalte passen. Doch sie gehören nun einmal zu den charakteristischen Merkmalen der Veröffentlichung von Rists ‚Himmlischen Liedern‘ und dürfen bei ihrer Vorstellung nicht ausgeblendet werden. Umso erfreulicher heben sich davon die in jeder Leservorrede begegnenden Bemerkungen des Dichters zu den Melodien seiner Lieder ab. Die Musik ist nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern integraler Bestandteil der ,Himmlischen Lieder‘;49 ja der Zusammenklang von „Sing= und Dichtkünste[n]“50 macht vielleicht überhaupt die herausragendste Besonderheit derselben aus. Während in der ersten Lieferung nur ein Teil der Kompositionen von dem Hamburger Ratsmusiker Johann Schop stammen und einige sich möglicherweise Rist selbst verdanken,51 sind alle übrigen 40 Texte ausnahmslos von Schop in vereinfachter Anlehnung an italienische Arienkompositionen durchgehend für zwei Stimmen (Discant und Generalbaß) vertont worden.52 Dadurch wurde es möglich, die Texte „fast nach Art dero heut zu Tage üblichen Concerten/ mit zweyen Stimmen/ als einen Baß vnd Discant/ in eine Orgel/ Regal/ Clavicymbel/ Laute vnd derogleichen Jnstrumente zu Lobe Gottes vnd Auffmunterung des inwendigen Menschen mit hertzlicher Lust vnd Andacht“ zu singen.53 Als Sitz im Leben hatte Rist Hausandachten, Hausmusik oder auch Chorgesang in der Kirche vor Augen. Auf diese Weise gelang ihm als einem der ersten im Norden die Anbindung an die damalige, von italienischen Vorbildern inspirierte Kammermusik. Das brachte ihm Bewunderung, aber auch Neid ein. Ein Teil der in den Vorreden beklagten Angriffe auf die ‚Himmlischen Lieder‘ hängt sicher damit zusammen, daß die meisten Schop-Weisen nicht ganz ohne musikalische Grundkenntnisse gesungen werden konnten. Trotzdem erfüllte sich schon zu Rists Lebzeiten der Wunsch eines seiner Ehrendichter: „Auff auff ins Gotteshauß/ mit diesem Büchlein schnell“,54 indem einzelne ‚Himmlische Lieder‘ „täglich von etlichen/ Gott und dessen Wortliebenden Seelen nicht ohne hertzbrechende Andacht“,55 ja sogar „von gantzen Gemeinden einmühtig werden gesungen“.56 Rist erklärt sich diese breite Zustimmung daher, daß die Lieder durch Schops
47 Z. B. „Epicurische Mast=Säue“ (ebd., V, fol. A 7r). S. o. S. 367. 48 Ebd., III, fol. A 5v/6r; IV, fol. A 6v/7r. S. o. S. 183 f. 269 f. 49 So auch Küster (wie Anm. 7), S. 100. 50 Neue Leservorrede, in: Rist, Himlische Lieder, 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 8r. S. o. S. 469. 51 Küster (wie Anm. 7), S. 98 ff. 111 ff. Für Rist als Komponisten einiger Himmlischer Lieder könnte auch die Bemerkung im zweiten Widmungsbrief sprechen, wo Rist sagt, daß er „das Lob unsers Schöpffers in Musicalische Reimen verfasset“ habe (Rist, Himlische Lieder, II, fol. A 2v; s. o. S. 92). 52 Küster (wie Anm. 7), S. 90 ff. 53 Rist, Himlische Lieder, I, fol. A 5r. S. o. S. 14. 54 Ebd., I, fol. A 6v. S. o. S. 19. 55 Ebd., V, fol. A 6v. S. o. S. 366. 56 Neue Leservorrede, in: Rist, Himlische Lieder, 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 7v. S. o. S. 468.
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anmutige Melodien „erst recht leben“,57 obschon sie „gar nicht die Belustigung des eussern/ sondern bloß und allein des innern Menschen“ bewirken.58 Insbesondere von den Triumphliedern bekennt er, daß sie „jhr rechtes Leben“ überhaupt erst durch die Musik eingehaucht bekamen,59 weshalb „Poësey und Music nicht sollen noch können getrennet werden“.60 Mit der Möglichkeit spielend, die Lieder in der Neuauflage zusätzlich oder nur nach gängigen Kirchenmelodien singen zu lassen, wie er es in zwei Liederausgaben des Jahres 1651 getan hatte,61 hält er doch an dem vorliegenden Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft mit Schop fest und verändert die originale Metrik nicht. Vielmehr bezeichnet er es als göttliche Fügung, daß sie beide, Asaph und David, die „Jhnen von GOTT verliehene Wissenschafften der Sing= und Dichtkünste“ zusammengebracht haben, um ihren Schöpfer „mit Wohrten und Weisen für aller Welt zu loben und zu preisen“.62 Das Gewicht der Musik mindert den poetischen Rang von Rists Liedern keineswegs. Auch sie zeichnen sich durch mehrfache Eigenheiten aus. Die strenge Befolgung der von Martin Opitz aufgestellten Regeln – das Zusammenfallen von Wort- und Versakzent, die bevorzugte Verwendung von Jamben und Trochäen beim Versbau, reine Reime und eine große Variationsbreite im Vers- und Strophenbau – klangen schon im Zusammenhang mit der in den Vorreden begegnenden Polemik und Apologetik an. Umso erstaunlicher ist das Fehlen jeglicher dogmatischer Auseinandersetzung in den Liedern selbst. Rist lehnt sich lieber an erbauliche Texte von Theologen wie Johann Arndt, Johann Gerhard und Josua Stegmann an und läßt sich mangelnde Originalität vorwerfen, als daß er sich an „vnnützen Schuel=gezäncken“ beteiligt.63 Als Testbeispiel mag das nach einer Vorlage Johann Gerhards gedichtete Abendmahlstrostlied dienen, das zwar die leibliche Realpräsenz unmißverständlich einschärft, aber sonst keine belehrenden oder abgrenzenden Bemerkungen enthält.64 Nach Rists Überzeugung sind geistliche Lieder kein Ort für kontroverstheologische Debatten. Zudem gehört der Wedeler Pastor den irenischen Lutheranern an. Diese konfessionsoffene Einstellung war schon dem Rintelner Studenten als Helmstedter Erbe begegnet und in Holland, falls er dort war, bestätigt worden.65 Fragt man danach, worum es Rist in seinen ‚Himmlischen Liedern‘ theo-
57 Rist, Himlische Lieder, V, fol. A 8r. S. o. S. 370. 58 Ebd., IV, fol. A 8v. S. o. S. 274. 59 Ebd., II, fol. A 6v. S. o. S. 101. 60 Ebd., II, fol. A 5v. S. o. S. 99. 61 Neue Leservorrede, in: Rist, Himlische Lieder, 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 7r–8r. Gemeint sind die Ausgaben J. Rist: Neüer Himlischer Lieder Sonderbahres Buch . Lüneburg 1651 und J. Rist: Sabbathische Seelenlust . Lüneburg 1651. 62 Rist, Neue Himlische Lieder 1652 (wie Anm. 5), fol. )( 8r. S. o. S. 469. 63 Rist, Himlische Lieder, IV, fol. A 8r. S. o. S. 273. 64 Ebd., V, S. 33–38 (Lied VI). S. o. S. 425– 428. 65 Vgl. Inge Mager: Georg Calixts interkonfessionelle Kommunikation im Dienste des Kirchenfriedens. In: Das Athen der Welfen. Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810. Hrsg. von Jens Bruning und Ulrike Gleixner. Wolfenbüttel 2010 (= Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 92), S. 52–57.
Einführung
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logisch am meisten geht, so empfiehlt sich ein Blick in die vierte Einzellieferung, in deren Leservorrede ein einziges Mal zwei dem Autor offenbar zentrale Anfangsstrophen aus der folgenden Liederdekade zitiert und täglich zu singen empfohlen werden: „O Sicherheit, du Pest der Seelen“ und „O Ewigkeit du Donnerwort“.66 Anders als Luther, der seine Zeitgenossen in ihrer auf fromme Werke, Ablässe und Heiligenfürsprache gegründeten Heilssicherheit aufschreckte, rüttelt Rist an der auf Todes-, Jenseits- und Gottvergessenheit beruhenden [Diesseits]-„Sicherheit“ vieler seiner Zeitgenossen, die sich ungeachtet aller widrigen Gegenwartserfahrungen an irdische und materielle Güter klammern.67 Indem der Dichter sie an deren Endlichkeit und an die Endlosigkeit dessen, was nach dem Tode beginnt, erinnert, nötigt er sie zu kritischer Selbstreflexion mit Konsequenzen für den Lebensalltag. Der Strafprediger ist aber zugleich Seelsorger. Er möchte gerade durch die Ausmalung der ewigen Verdammnis etwas für „das ewige Heyl und die Wolfahrt“ der ihm anvertrauten Seelen erreichen. Dabei soll zuallererst die „verdampte Sicherheit“ entlarvt werden und andererseits tröstliche Freude „über den Schatz und die Gewißheit des ewigen himlischen Lebens“ aufkommen.68 So erweist sich die Eschatologie oder die Spannung zwischen Vorletztem und Letztem als inhaltlicher Schwerpunkt in den auf die Fest- und Triumphlieder der beiden ersten Lieferungen folgenden Mahn-, Buß- und Trostgesängen. Für mehr als die Hälfte der ‚Himmlischen Lieder‘ hat Rist sich die Themen durch seine bisher bekannten Vorlagen – Gebete von Johann Arndt und Josua Stegmann sowie Meditationen von Johann Gerhard – vorgeben lassen. Mögliche weitere Abhängigkeiten können die Einzelinterpretationen zu Tage fördern.69 Auch in den biblischen „Triumph-Lieder[n]“, in denen Rist neben neun alttestamentlichen Hymnen auch den neutestamentlichen Lobgesang des Täufervaters Zacharias versifiziert, ist der inhaltliche Entfaltungsspielraum begrenzt. Der sonst so auf sein Profil bedachte lutherische Bibeltheologe Rist sieht seine Originalität durch solche Anlehnungen an die Tradition wie an die Heilige Schrift keineswegs gemindert. Die sprachliche und musikalische Bearbeitung des Vorgegebenen ist ihm originell genug. Im übrigen erweist sich seine Sprache auch in den vorlagenfreien Dichtungen als biblisch durchtränkt, so daß dieser Bezug das gesamte Werk ohnehin wie ein Cantus firmus durchklingt.
66 Rist, Himlische Lieder, IV, fol. A 7r/v (Lieder V und IX). S. o. S. 271 f. 67 Die Stichworte „Geld“, „Mammon“ „Geiz“ u. ä. begegnen auffällig häufig. Vgl. z.B. Lied V in Teil V, S. 25–31. S. o. S. 418–422. 68 Ebd., IV, fol. A 7r. 8r. S. o. S. 271 f. Auch das VIII. Lied in der vierten Lieferung thematisiert die „ruchlose Sicherheit“ (S. 45; s. o. S. 333). 69 So hat z. B. J. A. Steiger für das Lied „O Ewigkeit, du Donnerwort“ Anregungen für Rist nicht nur bei Johann Gerhard und Johann Matthäus Meyfart, sondern auch bei Martin Opitz herausgefunden. Vgl. J. A. Steiger: Textsynopse: „O Ewigkeit, du Donnerwort“. Johann Rists Choral, seine literarischen Vorlagen und der Text der Bach-Kantate (BWV 20). In: „Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“. Gedenkschrift (wie Anm. 7), S. 197–213.
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Inge Mager
Ohne der Liedinterpetation70 vorgreifen zu wollen, sei über eine neuere Gesamteinschätzung nachgedacht. Eberhard Mannack meint: „Im Unterschied zum von Zeitgenossen bevorzugten Pathos der Klage u. Buße spricht aus R.s Liedern das Gottvertrauen einer naiv-gläubigen Seele.“71 Es stimmt, die Bußthematik tritt bei Rist deutlich zurück. Das wundert umso mehr, als sie etwa bei seinem Gewährsmann Arndt ganz im Vordergrund steht. Rist blickt eher voraus auf das neue Leben nach der Buße.72 Aber von naiver Gläubigkeit kann ich bei ihm doch weniger entdecken. Wohl ist sein Vertrauen in die göttliche providentia und Gebetserhörung ungebrochen, doch läßt er zuvor – ganz so wie in den Psalmen – Zweifel und Klagen zu, so daß unter einzelnen Zeitgenossen deshalb sogar Bedenken wegen Rists Orthodoxie aufkommen konnten. Vor allem Verzweiflungsschreie wie „Gott der hat mich gar verlassen | keinen Trost weis ich zu fassen“ oder „Nein: Vergeblich ist mein weinen | Mein Gebet das hilfft mir nicht“ 73 riefen Widerspruch hervor,74 mögen aber gleichzeitig vielen von Pest und Krieg Heimgesuchten oder noch Schlimmeres Befürchtenden aus dem Herzen gesprochen sein. Rist jedenfalls glaubte mit seinen musikalischen Buß- und Trostliedern für „sonderbare Anfechtungen“ eine von vielen empfundene Lücke schließen zu können und allen, denen das „Christenthumb ein rechter Ernst ist“, etwas Hilfreiches an die Hand gegeben zu haben, und zwar sowohl wegen der „wolgesetzten Melodeyen/ als der Materien an sich selbst“,75 „dieweil sie Göttlich und Himlisch“ sind.76 Ein gewiß lohnenswertes Forschungsfeld stellt die reichhaltige Wirkungsgeschichte von Rists ‚Himmlischen Liedern‘ dar: in den Gesangbüchern (nicht nur des norddeutschen Raumes), in der Kirchenmusik (nicht nur bei Johann Sebastian Bach) und darüber hinaus, etwa im schulischen Lehrbetrieb. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der Rektor der Schule im sächsischen Pirna Tobias Petermann (gest. 1710), der eine lateinisch-deutsche Ausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ produzierte und hernach auch eine zweisprachige Ausgabe von Rists ‚Der zu seinem allerheiligsten Leiden und Sterben hingeführter Christus Jesus‘ (1655) sowie eine solche der ‚Neüen Himlischen Lieder‘ in zwei Teilen (1657/58) veranstaltete. Petermanns bilinguale Version der ‚Himmlischen Lieder‘ wird von Rist in dessen neuer Vorrede an den Leser in der Ausgabe der ‚Himmlischen Lieder‘ des Jahres 1652 würdigend erwähnt.77
70 Ein paar vorläufige Anmerkungen dazu finden sich bei Mager (wie Anm. 14), S. 71–83. 71 Eberhard Mannack: Art. Rist, Johann. In: Literatur-Lexikon. Hrsg. von Walther Killy. Bd. 9. Gütersloh u. a. 1991, S. 481–484, hier: S. 482. 72 Z.B. Rist, Himlische Lieder, V, Lied II, III, V. 73 Ebd., III, Lied IV, Str. 2 u. 9. 74 Vgl. z.B. einige Briefe in: Johann Rist: Neüer Himlischer Lieder Sonderbahres Buch . Lüneburg 1651, fol. B 1r–2v (von Stephan Klotz und Johann Müller Nov. 1650). 75 Rist, Himlische Lieder, V, fol. A 7v. 8r. S. o. S. 370. 76 Ebd., II, fol. A 6v. S. o. S. 101. 77 S. o. S. 470 sowie Anm. 65 zur problematischen bibliographischen Situation.
Editorischer Bericht zur Textedition von Johann Anselm Steiger Als Leittext für die Edition von Rists ‚Himmlischen Liedern‘ wurde die in den Jahren 1641 und 1642 in Lüneburg vom Verlagshaus der Gebrüder Stern produzierte Erstausgabe der fünf Teildrucke (Siglum A)1 gewählt. Teil I wurde, wie Rist berichtet,2 erstmals im Herbst 1641 publiziert. Die Teile II bis V folgten im Laufe des Jahres 1642. Die einzelnen Teile wurden in recht dichter (freilich unterschiedlicher) Folge erneut gedruckt: Teil I: 1642, 1644 (2 Drucke), 1648 (2 Drucke), 1650. Teil II: 1643, 1647, 1648, 1651. Teil III: 1647, 1648, 1651. Teil IV: 1644, 1648, 1649. Teil V: 1644, 1648, 1650.3 Zwecks textkritischer Absicherung des edierten Textes wurden die späteste Serie der Einzelausgaben der fünf Teile (Lüneburg 1649–1651, Siglum B) sowie die erste Gesamtausgabe (Lüneburg 1652, Siglum C) gewählt, von der die zweite Auflage (Lüneburg 1658) nicht nennenswert abweicht. Sämtliche Varianten der Zeugen B und C, soweit sie nicht bloß die Graphie betrafen oder in der sonst zeitüblichen Breite der allgemeinen Varianz lagen, wurden im textkritischen Apparat verzeichnet. Dies gilt auch für Errata, die dokumentiert wurden, um die unterschiedlichen Grade der Zuverlässigkeit der Textzeugen transparent werden zu lassen. Was den Umgang mit der Vorlage angeht, so wurde nach den Prinzipien der Johann Gerhard-Edition 4 verfahren, also weitestgehend diplomatisch-konservativ. Im Editionsteil wurden die für die Gerhard-Edition geltenden typographischen Gestaltungsprinzipien angewandt: Der edierte Text ist recte gesetzt (Autorschrift). Texte anderer Autoren aus der Tradition wurden (im kommentierenden Apparat) in Serifenlose wiedergegeben. Dieses Prinzip fand keine Anwendung bei der Anführung von Werktiteln. Der HerausgeberText ist kursiv gedruckt.
1 Vgl. hierzu das Verzeichnis der der Edition zugrunde gelegten Drucke und deren Siglen o. S. 547 f. 2 HL II, fol. A 2v. S. o. S. 92. 3 Vgl. Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Teil 5. Stuttgart 21991 (= Hiersemanns Bibliographische Handbücher 9, 5), S. 3385–3389. 4 Vgl. Ralf Georg Bogner und J. A. Steiger: Prinzipien der Edition von theologischen Texten der frühen Neuzeit. Mit einer Vorstellung und Begründung der Prinzipien für die geplanten Editionen von Werken Johann Gerhards. In: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 12 (1998), S. 89–109 sowie Johann Gerhard: Meditationes Sacrae (1606/7). Lateinisch-deutsch. Kritisch hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von J. A. Steiger. 2 Bde. Stuttgart-Bad Cannstatt 2000 (= Doctrina et Pietas I, 3), S. 627–635.
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Johann Anselm Steiger
In Fraktur gesetzte deutsche Texte wurden in Antiqua wiedergegeben. Antiqua-Passagen – meist lateinische Termini und Passagen – wurden in Schrägschrift transkribiert, um auch hier die Schriftunterschiede zu konservieren. Kapitälchen der Vorlage wurden als Kapitälchen wiedergegeben und VERSALIEN als VERSALIEN. In den Vorlagen vorgegebene Unterschiede im Schriftgrad wurden – möglichst äquivalent – übernommen. Zusätzlich zu diesen weitestgehend bereits bekannten Prinzipien machte die zu edierende Vorlage auch eine typographische Kennzeichnung der kursiven Antiqua-Texte notwendig. Sie wurden in ge s p e r r t e r S c h rä g s c h r i f t wiedergegeben. Die Absatzgestaltung der Vorlagen wurde übernommen. Eine Ausnahme bildet die Plazierung der Noten, die im Originaldruck nach den Liedüberschriften dargeboten werden. In unserer Edition stehen die Noten grundsätzlich vor den Liedtexten. Dies hängt damit zusammen, daß aus fachspezifischen Gründen, die im kritischen Bericht von Konrad Küster (vgl. das Folgende) ausführlich dargelegt werden, bei der Edition der Noten und deren Textunterlegung anderen editorischen Prinzipien zu folgen war als bei der Konstituierung der Texte, um den üblichen musikwissenschaftlichen Standards Rechnung zu tragen. Alle Unterschiede der Textzeugen, die sich aus der zeitüblichen graphematischen Varianz ergeben, blieben ebenso wie Konkurrenzformen unberücksichtigt, um den textkritischen Apparat nicht mit unnötigen Informationen zu belasten. Auf den Nachweis unterschiedlicher Zuschnitte von Abkürzungen wurde ebenfalls verzichtet. In C nahm Rist eine recht tiefgreifende Umgruppierung der einzelnen Lieder vor, worüber eine Synopse detaillierte Auskunft erteilt.5 Außerdem ersetzte Rist in diesem Druck seine ursprünglichen Vorreden durch neue. Diese Paratexte werden im Textanhang zu vorliegender Edition mitgeteilt. Die unterschiedliche Anordnung der Lieder in A und C wurde nicht textkritisch ausgewiesen; die Umstellungen gehen aus der betr. Synopse hervor.6 Die Paginierung der Vorlage wird (wie üblich) marginal wiedergegeben. Die hier auftretenden numerischen Unrichtigkeiten sind nur scheinbar solche, da die Notensätze in der Vorlage auf gegenüberliegenden Seiten dargeboten werden und die letzten Strophen des vorangehenden Liedes recht häufig auf dem oberhalb der Notensätze befindlichen Raum zweiseitig abgedruckt sind. Der kommentierende Apparat dient dem Nachweis von heute nicht mehr gebräuchlichen Lexemen und Wendungen,7 sprichwörtlichem Gut sowie der Mitteilung biographischer 8 und bibliographischer Daten, der Klärung von
5 S. o. S. 552 f. 6 S. o. S. 552 f. 7 Auf die Erläuterung des an sehr zahlreichen Stellen verwendeten „für“ (im Sinne von „vor“) wurde verzichtet. 8 Insbesondere hinsichtlich der Eruierung der Lebensdaten der Widmungsempfänger der ‚Himmlischen Lieder‘ sowie derjenigen der Autoren,
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historischen Ereignissen sowie weiterer Realien. Besonderes Augenmerk wurde auf den Nachweis der Biblizität der Sprache Rists gerichtet. Handelt es sich um explizite Zitate aus biblischen Texten oder um solche Allusionen, die einen biblischen Bezugspunkt (oder mehrere) klar erkennen lassen, so wurde(n) im Apparat die betreffende(n) Bibelstelle(n) notiert. Entferntere Allusionen dagegen wurden unter Hinzusetzung von „vgl.“ angeführt. Daß die Grenzen hier fließend sind, versteht sich von selbst. Beim Nachweis der Bibelstellen wurde angestrebt, den in der zeitgenössischen Predigtpraxis, der Erbauungsliteratur sowie in den Loci-Dogmatiken prominenten loci classici besondere Berücksichtigung zuteilwerden zu lassen. Im Bibelstellenregister sind sämtliche im Kommentar genannte Stellen aufgeführt. Rist hat – wie er selbst berichtet, ohne freilich seine Quellen im Einzelfall zu belegen9 – für die Formulierung einer Reihe von Liedern auf Vorlagen zurückgegriffen, die er bei Johann Gerhard, Johann Arndt und Josua Stegmann vorfand. Von Friedrich Spee übernahm Rist die erste Strophe des Liedes ‚O Traurigkeit‘, worauf er selbst hinweist, freilich ohne den Namen des Dichters zu nennen. ‚O Ewigkeit, du Donnerwort‘ indes basiert auf einem Opitz’schen Prätext, wobei Rist diesen Umstand verschweigt. Auch auf solche Sachverhalte wird in den kommentierenden Fußnoten hingewiesen. Um dem Benutzer Einblick zu gewähren in die Art und Weise des Rist’schen Umgangs mit seinen Quellen wurden Synopsen erstellt, die Prä- und Folgetexte einander gegenüberstellen.10
die zu Rists Werk Widmungsgedichte beigesteuert haben, konnte dankbar auf die Erkenntnisse zurückgegriffen werden von Inge Mager: Johann Rists „himmlische Lieder“. Ihre Veröffentlichung und ihre Vorlagen. In: Orthodoxie und Poesie. Hrsg. von Udo Sträter. Leipzig 2004 (= LeucoreaStudien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie 3), S. 63–83. 9 S. o. S. 14 f. 273. 10 S. o. S. 473–543.
Kritischer Bericht zur Notenedition von Konrad Küster 1. Rahmenüberlegungen zu den Quellen und zur Edition Kritische Berichte sind keine Texte, die typischerweise komplett gelesen werden; man nähert sich ihnen eher selektiv. Rists ‚Himmlische Lieder‘ sind jedoch in ihren musikalischen Anteilen von Spezialproblemen geprägt; es ist in besonderem Maße eine Grundvoraussetzung für das Verständnis dieser Musik, diese Probleme zu handhaben – für Leser wie für Aufführende. Im Folgenden werden diese Problemlagen zunächst übergreifend dargestellt; anschließend werden aus ihnen Editionskonzepte entwickelt, schließlich Konsequenzen für die musikalische Aufführung gezogen. Der zweite und der dritte dieser Teile werden auf die jeweils vorausgehenden bezogen; dennoch wird in ihnen zu Beginn die Quintessenz vorausgegangener Darstellungen wiederholt, um auch in die „gattungstypische“ Lektüre einzelner Teile die essentiellen Gestaltungsgrundlagen einzubringen. 1.1 ‚Himmlische Lieder‘: Editorische Grundprobleme In einer Edition, in der Worttexte buchstabengetreu übertragen werden, besteht ein Legitimationsdruck für Standardverfahren des wissenschaftlichen Musikeditionswesens, da dieses nicht im gleichen Ausmaß „buchstabengetreu“ ausgerichtet sein kann. Die Notwendigkeit, das Vorgehen zu begründen, steigert sich noch, weil es sich bei den ‚Himmlischen Liedern‘ um ein in mehrfacher Hinsicht kniffliges Repertoire handelt. Notentexte stehen grundsätzlich vor der doppelten Anforderung, philologische Korrektheit mit musikalischer Praktikabilität zu verbinden. Die letztere darf – zumal in einer wissenschaftlichen Edition – nicht auf Kosten der Quellentreue gehen; wer andererseits eine „wörtliche“ Übertragung in ein modernes Notenbild anstrebt, muss beständig im Blick behalten, dass viele historische Notenzeichen den modernen in ihrer Bedeutung nur ähneln, aber nicht gleichen. Edition ist insofern nicht nur die Übertragung eines alten Notentextes in ein neues Layout, quasi zum Zweck leichterer Lesbarkeit; Edition ist auch nicht nur die Ermittlung und Darstellung eines philologisch idealen Texts aufgrund synoptischer Prüfung mehrerer Quellen, von denen eine den Rang des „besten“ Textzeugen zugesprochen bekommt und deren Text bei nachweisbarem Bedarf emendiert wird – Verfahrensschritte, die in einem Lesartenverzeichnis doku-
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mentiert werden. Vielmehr ist bei der Gestaltung des musikalischen „Zielprodukts“ eigene Sensibilität für das Semantische erforderlich, nämlich ob sich mit dem angewandten Zeichensystem tatsächlich die intendierte Quellentreue erreichen lässt. Im Prinzip handelt es sich um dieselben Herausforderungen, die sich auch im Umgang mit anderen Musikdrucken aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stellen. Im Musikeditionswesen erscheinen Quellen dieser Altersgruppe als janusköpfig, weil sie – teils sehr weitgehend – nach den Prinzipien des 15. und 16. Jahrhunderts beurteilt werden können, aber zudem Gedankengut enthalten, das eher für Notationsverfahren des 18. und 19. Jahrhunderts typisch ist. Es könnte scheinen, dass diese Probleme etwa im Werk Heinrich Schütz’ von größerer Bedeutung sind als für die ‚Himmlischen Lieder‘ Rists, die bei oberflächlicher Betrachtung als theologisch-literarische Quelle mit Musikbeispielen (oder: Liedmelodien) erscheinen können. Eher werden diese Probleme hier aber vergrößert, weil in den Musikstücken selbst die kunstmusikalischen Möglichkeiten der Zeit auf engstem Raum angewandt werden, gleichsam extrem komprimiert. Diese Probleme wirken sich zuallererst für das Verhältnis von Mensur und Takt aus, in Verbindung damit für die Einschätzung der Notenzeichen: Während einerseits klar wird, dass die alte mensurale Ordnung der Taktarten nicht mehr besteht, ist andererseits unverkennbar, dass der Musik kein modernes Taktverständnis zugrunde liegt. In den ‚Himmlischen Liedern‘ handelt es sich nicht einmal um ein Standard-„Übergangsverfahren“, in dem etwa geradtaktige Einheiten auf Viertelbasis notiert werden, ungeradtaktige aber auf Ganze-Basis; vielmehr wechseln die Verhältnisse auf engstem Raum, und die Zweier- und Dreier-Bewegungen werden mehrfach unterschiedlich dargestellt. Wer die zugrunde liegenden metrischen Vorstellungen in ein neues Layout überträgt, muss also nicht nur die Relation zweier benachbarter Abschnitte bestimmen, sondern als Korrektiv auch die Gestaltung im gesamten Band im Blick behalten – in dessen fünf Lieferungen, für die wiederum nicht a priori mit einheitlichen Notationsverfahren gerechnet werden kann. Eine differenzierte Klärung ist also editorisch essentiell. Ebenso folgen die Stücke nicht dem jüngeren Verständnis der Dur-MollTonalität. Das hat nicht nur Folgen für eine bloße Tonartbestimmung (die editorisch nebensächlich erscheint). Vielmehr wirkt sich dies – der spätmittelalterlichen Tonartentheorie folgend – auch auf die Darbietung des Tonmaterials aus, also auf die Behandlung der Vorzeichen in jeweils einer Stimme und auf die Akkordstrukturen als Verhältnis der beiden Stimmen des Satzes zueinander. Welche Informationen wurden nicht gegeben, weil ihre Beherzigung durch Aufführende als selbstverständlich gelten konnte – so aber, dass deutlich jüngere Nutzer in die Irre geführt werden können? Die Melodievorstellungen der mittelalterlichen Hexachordlehre wirkten im gesamten 17. Jahrhundert nach; diese war bis in dessen Mitte elementarer Lehrstoff lutherischer Lateinschu-
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len.1 Sie waren prinzipiell der grundlegende Musikzugang – etwa eben für einen Lateinschulabsolventen wie Rist. Insofern ist also die Traditionsgebundenheit des elementaren Musikverständnisses eine wichtige Argumentationshilfe, die sich jedoch wiederum nicht vor die Texttreue schieben darf. Ebenso wenig darf der originale musikalische Gehalt mit späteren Veränderungen der Melodien kontaminiert werden. Als manche der Lieder in die breitere Gesangbuchpraxis eingingen, wurden die Melodien im Zeitgeschmack uminterpretiert, und vom Resultat dieser Entwicklungen muss die Darbietung der Originalgestalt unter allen Umständen frei bleiben – eine eigene Herausforderung gerade bei diesem Repertoire. Die Rolle, die diese Musik in späterer Zeit in der Andachts- oder Gemeindeliedpraxis übernehmen konnte, verschärft folglich die Probleme, die sich editorisch für Musik des 17. Jahrhunderts überhaupt stellen. So sind auch Begründungen dazu erforderlich, wie und weshalb es so wichtig ist, in der Editionsarbeit diese „Nachnutzung als Lied“ abzustreifen. Und für die Edition ist unabdingbar, die Musik als Ganzes zu betrachten: nicht nur als Melodie eines Liedes, sondern als zweistimmiger Verbund aus Diskant und Bass. Die Konstitution dieses Verbundes ist eigens zu diskutieren. Die Notenedition der ‚Himmlischen Lieder‘ richtet sich deshalb auf die charakteristische Gestaltungsform aus, die diese Musik zu ihrem Entstehungszeitpunkt hatte: nicht etwa Lieder für das Gesangbuch gottesdienstlicher Praxis zu sein (in das zahlreiche von ihnen erst in einer späteren Nutzungsetappe Aufnahme fanden), sondern Kunstmusik. Für diesen Zugang ist das zeitgenössische Vorbild der noch jungen italienischen Aria entscheidend.2 Dass die Kunstwerke später in die kirchliche Breitenarbeit eindrangen (d. i. als Gesangbuchlieder, die auf jeden Fall gegenüber der Ursprungsform als Reduktionen erscheinen), ist für die Wirkungsgeschichte zwar relevant, keineswegs aber für die Edition der Ausgangsgestalt. Diese Grundbedingungen teilen die ‚Himmlischen Lieder‘ mit unzählig vielen weiteren „Gesangbuchliedern“, etwa den Musikkonzepten, die sich ursprünglich mit den Dichtungen Paul Gerhardts verbanden (Johann Crüger, Johann Georg Ebeling), oder auch noch den strophischen Hauptkirchenmusik-Zyklen Wolfgang Carl Briegels (1626–1712) in Gotha und Darmstadt.3 Für Musik des 17. Jahrhunderts hat das Musikeditionswesen keine eigenen Editionsrichtlinien entwickelt,4 letztlich aus plausiblen Gründen: Für die je-
1 Vgl. Konrad Küster: Theorie und Praxis im Musikunterricht der Lateinschulen. Die Musiklehre des Kantors Matthias Ebio (1651) in ihrer Zeit. In: Musik und Ästhetik 10 (2006), S. 70–88. 2 Zu Details Konrad Küster: ‚O du güldene Musik!‘ Wege zu Johann Rist. In: Johann Anselm Steiger (Hrsg.): „Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“. Gedenkschrift zum 400. Geburtstag des Dichters und Theologen Johann Rist. Neuendettelsau 2007 (= Testes et testimonia veritatis 5), S. 77–177, hier S. 85–111. 3 Zum Beispiel: Herrn Pfarrer Johann Samuel Kriegsmanns evangelisches Hosianna. Frankfurt a.M. 1677 oder Johann Georg Braun: Cithara Davidico-Evangelica. Gießen 1685. 4 Vgl. Georg von Dadelsen: Editionsrichtlinien musikalischer Denkmäler und Gesamtausgaben. Kassel u.a. 1967, S. 19–54, für die Denkmälerausgabe ‚Das Erbe deutscher Musik‘. Für dieses Projekt ist eine
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weils benachbarten Epochen lassen sich viel leichter verallgemeinerbare Notationsprinzipien erkennen und aus ihnen Editionsstandards ableiten. So verbleibt für die breite „Zwischenzeit“ des 17. Jahrhunderts die Herausforderung, für jedes Werk die musiktheoretischen Denkmuster neu zu ermitteln, denen die Anlage des Notentexts folgt, und die philologische Arbeit darauf abzustimmen. Erneut: Keineswegs darf sich eine solche Interpretation des Notentextes vor den Anspruch der Quellentreue schieben; diese wiederum ist aber allein mit einer graphisch exakten Reproduktion historischer Notenzeichen nicht zu erreichen. Insofern geht es neben philologischer Exaktheit zunächst darum, sich auf die Bedingungen einzulassen, die sich historischen Notennutzern stellten: Sie mussten ebenso wie jüngere Editoren nach Anhaltspunkten suchen, wie der fortlaufende Worttext, vielfach ohne Silbentrennung dargeboten, mit den Noten verbunden werden solle; auch im Hinblick auf die metrische Ordnung der Notation konnten sich historische Notennutzer nicht darauf verlassen, sie auf Anhieb zu verstehen – das steht anhand der inneren Widersprüche, die diesbezüglich den Druckausgaben der ‚Himmlischen Lieder‘ anhaften, in besonderem Maße außer Zweifel. Doch bieten diese Werke einen entscheidenden Vorteil: Syllabische Vertonung von Texten, wie sie in der Tradition der frühen italienischen Aria typisch ist, bietet – als denkbar enge Abstimmung von Musik auf Dichtung – zusätzliche Informationsmöglichkeiten für die Auffassung etwa der musikalischen Metrik. Die editorische Arbeit muss also von umfassender Reflexion begleitet werden; hinter vielen Klärungen, die im Editionswesen eher gewohnheitsmäßig vorgenommen würden, liegen empirische Prozesse, die alles andere als selbstverständlich sind. Über diese muss Rechenschaft abgelegt werden. 1.2 Kirchenlied und Musikedition Angesichts eines Repertoires, das im Kontext des deutschen evangelischen Kirchenliedes gesehen werden kann, vervielfachen sich also die editorischen Herausforderungen. Protestantische Kunstmusik im Einflussbereich italienischer Aria des 17. Jahrhunderts mag zwar aussehen wie ein Kirchenlied; dieses jedoch entstand vielfach erst als Sekundärnutzung einer zunächst andersartigen Substanz. In dieser Folgeetappe wurden die kunstmusikalischen Grundgedanken, die zur Entstehung der in Frage stehenden Musik geführt hatten, revidiert und in aller Regel auf eine Melodie reduziert. Es ist daraufhin nahezu unmöglich,
Notations-Zwischenzeit zwischen etwa 1570 und 1750 angenommen worden, die jedoch in sich nicht nur in den fortschreitenden Notationstechniken, sondern ebenso in der Vielfalt der Quellentypen zu stark aus der Perspektive des frühen 18. Jahrhunderts betrachtet worden ist.
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Gemeindelied als Kunstmusik zu begreifen: In gottesdienstlicher Praxis verknüpft sich mit den Liedern viel eher ein Gedanke des Überzeitlichen, fast Volkstümlichen, als dass es darauf ankäme, die Musik als etwas zu verstehen, das einmal aus zeittypischen, allgemeinmusikalischen Stilvorstellungen heraus als moderne Musik entwickelt wurde. Eine „Kirchenliedauffassung ex post“ birgt zudem das Risiko in sich, die Komponenten des Kunstwerks zu gewichten. Dessen Ausgangspunkt war unzweifelhaft ein Worttext, der folglich – als sekundärer Schritt – vertont wurde; der Text aber war – umgekehrt – als „Dichtung für Musik“ entstanden, die damit auf eine charakteristische Kompositionsform abzielte, ähnlich wie im 18. Jahrhundert ein italienisches Libretto (als vollgültiges, auch literarisch anerkanntes Kunstkonzept) auf die musikalischen Formen der Oper ausgerichtet war. Die beiden Felder „Vertonung“ und „Dichtung für Musik“ sind nicht deckungsgleich: Niemand weiß, ob sich Johann Schop als Komponist an autoritative musikalische Überlegungen Rists gebunden fühlen musste, als er sich mit dessen Gedichten befasste (eher ist angesichts der strukturellen Unterschiede, die zwischen den einzelnen Stücken der ‚Himmlischen Lieder‘ und auch der Rist-Vertonungen insgesamt bestehen, das Gegenteil anzunehmen); niemand weiß, wie weitgehend eigene musikalische Erfahrungen Rists5 bereits die Textgrundgestalten prägten. Das betrifft zunächst die Autorschaft: „Lieder“ aus den ‚Himmlischen Liedern‘ können nicht einzig auf Rist zurückgeführt werden. Autor für „Werde munter, mein Gemüte“ ist nicht pauschal er, sondern dies gilt nur für den Text; die Musik ist zuallererst ohne Einschränkung eine Komposition Schops. Dem wird in den Ursprungspublikationen durch die ausdrückliche, herausgehobene Nennung Schops als Komponist Rechnung getragen, in der Buchausgabe von 1652 außerdem dadurch, dass sich auf dem Titelblatt neben der Porträtvignette des Dichters auch die des Komponisten findet. Die Nachwelt jedoch kennt beide Komponenten dieses Kunstwerks nur in einer Bearbeitung, die sich im Musikalischen (ebenso wie im Textlich-Inhaltlichen) so weit von der ursprünglichen Gestalt entfernt hat, dass Autorenangaben ohnehin als zweifelhaft erscheinen können. Vor allem von der Metrik der ursprünglichen Kunstwerke hat sich die kirchliche Nachnutzung distanziert – ein Bruch mit den Zielen des Komponisten. Denn dieser kann bereits dadurch, dass er zweisilbige Versfüße entweder nur akzentuierend (geradtaktig) oder zudem auch quantitierend (ungeradtaktig, also lang-kurz) vertont, den Charakter einer vertonten Dichtung grundlegend prägen; Schop hat gerade auf diesem Sektor Freiheiten sehr weitgehend ausgenutzt (vgl. 2.3., Taktgliederung) – und auch „Werde munter, mein Gemüte“ anders verstanden als jüngere Gesangbuch-Autoren.
5 Küster, Rist (wie Anm. 2), S. 111–116.
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Im größeren Rahmen ist für dieses Kunstmusikalische das Zusammenspiel von Ober- und Unterstimme essentiell; aus diesem Stimmverbund, in dem Schop seine Leistung realisiert, lässt sich keine Komponente herauslösen, ohne dass dies dem Kunstwerk Abbruch tut. Die Musik kann also nicht als Melodie im Sinne eines volkstümlichen Liedes aufgefasst werden, das einen unbestimmten kompositorischen Ursprung hat, diesen gleichsam in einer Vorvergangenheit abstreifte und im Laufe einer vor allem mündlichen Weitergabe wechselnde Zielformen annehmen konnte. Auch das hieße, die Nachnutzung auf Kosten des Ursprungskonzepts zu profilieren. Dasselbe geschähe, wenn man Schops Werk primär als Gesangbuchlied würdigte, dessen Zweck es sei, geistliche Dichtung, geistlichen Gehalt und geistliche Aussage zu transportieren, und hätte die Pauschalvermutung zur Folge, dass nach dem Text und der Melodie als letztlich drittrangiges Element noch die Basslinie als optionale Begleitung entstanden sei: so, als träte die Begleitung zum „ursprünglichen“ Lied ähnlich hinzu wie im „Choralbuch zum Gesangbuch“ der Orgelsatz. Dieser Vorgang mag für andere Kirchenlieder, die von vornherein mit dieser Bestimmung entstanden, zutreffen. Doch in Schops Schaffen sind „Melodie und Begleitung“ als Einheit entstanden und als solche aufzufassen. Jene abweichenden Zugänge liegen in deutschen Forschungstraditionen nahe: seit der Erschließung volkstümlichen Liedes in der Editionsform des „Liederbuches“ (Ludwig Erk und August Wilhelm von Zuccalmaglio, beide seit 1838) und seit der mustergültigen bibliographischen Arbeit Johannes Zahns im Hinblick auf „Die Melodien [sic] der deutschen evangelischen Kirchenlieder“ (1889–93), die folglich nur Melodien in den Blick nahm, diese aber nicht auch danach differenzierte, welchem Kontext sie entstammen. Doch die Rahmenbedingungen dafür, die „Kirchenlieder“ des mittleren 17. Jahrhunderts zu würdigen, haben sich grundsätzlich verändert, seitdem im späteren 20. Jahrhundert die musikhistorisch bestimmende Rolle der zeitgenössischen italienischen Aria wieder ins Bewusstsein gehoben wurde.6 Dass diese Zugänge älteren Forschern nicht verfügbar waren, ist diesen nicht anzulasten. Doch in der Folge jener Entwicklungen lassen sich die Kunstprodukte des Rist-Umkreises nicht mehr würdigen, ohne alle textlich-musikalischen Teile dieser zweistimmigen Aria-Konzepte als gleichermaßen essentiell zu betrachten. Um die Werke und deren Quellen zu verstehen, müssen folglich zunächst die Bedingungen, unter denen Werke dieser Art entstanden, in den Blick gerückt werden. Auch hierfür herrschen im Rist-Umkreis eigene Bedingungen, die editionsrelevant sind. „Lieder“ des Paul-Gerhardt-Umkreises („Die güldne Sonne“, „Geh’ aus, mein Herz“) entstanden als mehrstimmige Hauptkirchen-
6 Im Zentrum stehen: Silke Leopold: Chiabrera und die Monodie. Die Entwicklung der Arie. In: Studi musicali 10 (1981), S. 75–106; dies.: Al modo d’Orfeo. Dichtung und Musik im italienischen Sologesang des frühen 17. Jahrhunderts. Laaber 1987 (= Analecta musicologica 29).
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musiken analog zur „Kantate“ nach späterem Sach- und Wortverständnis; wer diese „Lieder“ auf ihre Melodie reduziert, kann weder die liturgischen Ziele ihres Schöpfers verstehen, die auf den spezifischen gottesdienstlichen Aufführungsplatz kurz vor der Predigt ausgerichtet waren, noch erst recht die „Vertonungen“ des jeweiligen Musikers, zu denen jeweils ein voller Begleitsatz gehört. Für die „Lieder“ des Rist-Umkreises hingegen wurde kein Nutzungszweck definiert. Fasst man Rists Berichte über Aufführungen zusammen, so erfolgten diese teils in der Kirche und teils zu Hause; das Spektrum reicht von sonntäglicher Hauptkirchenmusik bis zu „geselligem Musizieren“.7 Essentiell für dieses Verständnis ist die Anlage der Bassstimme. 1.3 Ambivalenz als Herausforderung: Der Bassus-Part Musikalische Komponenten der 50 Kompositionen sind die Oberstimmenmelodie, die Bassstimme und schließlich deren Bezifferung. Die Oberstimmenmelodie ist textiert, ebenso die Bassstimme. Das bedeutet nicht automatisch, dass beide als obligate Gesangsparts aufzufassen sind; in gemischt vokal-instrumentaler Musik des früheren 17. Jahrhunderts blieben Stimmen nur dann untextiert, wenn eine vokale Ausführung explizit ausgeschlossen werden sollte. Folglich lässt sich die Bassstimme problemlos auch als Instrumentalpart auffassen (im Prinzip ebenso die Oberstimme); in diesem Fall informierte der hinzugefügte Text über die Phrasierung. Sänger ebenso wie Spieler eines Melodieinstruments reduzieren in ihrer Praxis zwangsläufig Mehr- auf Einstimmigkeit; insofern ist die Einzelmelodie (im Prinzip ebenso die der Unterstimme) tatsächlich ein Repräsentant der Komposition, aber eben nur als einer von deren Teilen. Andererseits ist mit der Zweistimmigkeit „die Komposition“ als solche noch nicht eindeutig dargestellt. Denn beide Stimmen definieren in deren Zusammenwirken, wie die Klangrelation beider Stimmen aufzufassen ist; sie bilden lediglich ein Grundgerüst der Komposition. Um dieses zu präzisieren, ist die Bassstimme in 17 Stücken mit einer Generalbassbezifferung versehen. Dies bedeutet nicht, dass in diesen Stücken eine vokale Ausführung des Bassparts ausgeschlossen wäre (oder: weniger intendiert als in den anderen Stücken). Denn eine Koordination, wie sie durch eine punktuelle Bezifferung festgeschrieben wird, ist selbstverständlich auch zu Basstönen gegeben, die unbeziffert sind; hier wirken sich zwischen den Vorgaben der Außenstimmenführung zugleich die allgemeinen Satzregeln aus. Derselbe Sachverhalt ergibt sich dann aber auch in Stücken, in denen zu keinem einzigen Basston eine
7 Vgl. Küster, Rist (wie Anm. 2), bes. S. 126–132.
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Bezifferung angegeben wird. Es ist problemlos möglich, auch in diesen Stücken die Bassstimme als Generalbasslinie aufzufassen und auszuführen. Ferner: Aus den Außenstimmen und den Generalbassregeln resultiert nicht nur eine satztechnisch koordinierte Stimmführung zwischen den beiden Außenstimmen, zu der das Continuospiel führen müsste; der gleiche korrekte Binnensatz lässt sich auch mit zusätzlichen Melodiestimmen realisieren. Rist hat ausdrücklich von mehr als zweistimmigen Ausführungen dieser zweistimmig notierten Musik berichtet – auch von solchen, in denen oberhalb der Basslinie Melodieinstrumente zum Einsatz kamen.8 Damit ist die Aufführung mit mehr als zwei Melodiestimmen eine dritte denkbare Nutzungsform – neben der einstimmigen mit Generalbass und der zweistimmigen vokalen. In diesen Aspekten gehen Rist und Schop folglich über die elementaren Konzepte der italienischen Aria (als vom Generalbass begleitetem Sologesang) pragmatisch hinaus. Demgegenüber erscheint es aber als klare Reduktion (= unter Verzicht auf elementare musikalische Komponenten), wenn allein die Oberstimmenmelodie gesungen wird. Diese Offenheit insgesamt ist somit ein Sonderfall der Konzepte, die im Rist-Kreis verfolgt wurden. „Aria“ bedeutet nicht, dass die Besetzung auf Gesang plus Generalbass festgeschrieben wäre; andererseits ist mit der gegebenen Notation nicht ausgeschlossen, den Satz über die Zweistimmigkeit hinaus zu erweitern – wie dies Crüger, Ebeling, Briegel und andere Komponisten von vornherein getan haben. Diese Vorüberlegungen sind für die Präsentation des Notentextes und dessen Verständnis grundlegend. Erneut: Weder sind die Bassstimme und (wo vorhanden) dessen Bezifferung Zutaten zu einer höherwertigen, gleichsam präexistenten Melodie, noch aber lässt sich aus Ober- und Unterstimme (sowie, falls vorhanden, deren Bezifferung) eindeutig genau eine Aufführungsform ableiten. Der Notentext der Edition ist also nicht autoritativ; in ihm wird lediglich das Essentielle festgelegt. Definiert wird ein Nutzungsrahmen, der sich (unter Verlust) zur einstimmigen Liedmelodie verengen und im Rahmen der Generalbassregeln auch zum mehr als zweistimmigen Musizieren erweitern lässt. Die zu Beginn eingeforderte semantische Klarstellung bedeutet hier also, dass im Notentext selbst keine endgültige Realisierungsanweisung für „die“ Komposition gegeben werden kann. Die Präsentation der Bassstimme (textiert, beziffert) hat nicht die Funktion einer eindeutigen „Gebrauchsanweisung“ zum Continuospiel oder zum Singen und ist nicht einfach nur Teil eines neuen Layout oder Produkt philologischer Arbeit. Vielmehr ist die Notenpräsentation ein Rumpfgebilde: In ihm wird das Maximum dessen geboten, was – als Essenz des Kunstwerks – notierbar ist; wer die Musik aufführen will, hat zuvor noch eine Entscheidung unter mehreren gleichermaßen originalen Nutzungsformen zu
8 Im Überblick Küster, Rist (wie Anm. 2), S. 126. 133 f.
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treffen. Diese Offenheit darf durch die Edition nicht relativiert werden; andernfalls verstellte dies den Blick für die Bedeutung, die das Kunstmusikalische als Vorstufe des evangelischen Gesangbuchliedes in der Zeit um 1700 hatte. 1.4 Grundsätzliche Vorüberlegungen zur Quellenlage Wie für Musik aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts typisch, liegen auch zu den ‚Himmlischen Liedern‘ keine autographen Quellen des Komponisten vor; die Editionsarbeit muss also von sekundären Quellen ausgehen, die – wiederum typisch – Drucke sind. Diese sind nicht allein von den Intentionen des Komponisten geprägt, sondern zudem von den Standard-Arbeitsverfahren des jeweiligen Notensetzers. Dieser Umstand ist eines der größten Probleme dabei, für Musik dieser Zeit einheitliche editorische Standards zu definieren – dies gilt sogar für Gesamtausgaben der Werke eines einzelnen Musikers (etwa Heinrich Schütz’). Zunächst ist bei gedruckten Notentexten das Risiko des Setzerfehlers höher als bei gedruckten Worttexten (weil das Satzverfahren nicht auch von eindeutigen syntaktischen Prinzipien getragen ist, sondern eine Fülle von einzeln stehenden Zeichen produziert). Auf diese Fehler muss ein Emendationsverfahren also eigens ausgerichtet sein. Doch mit ihm ist noch nicht die Schicht erreicht, auf der sich Informationen über die Arbeit des Komponisten und über deren Intentionen ergeben. Denn ein Setzer kann – ohne überlegt zu haben – Details einer Vorlage so umformen, wie sie seiner Denk-, Musizier- und Notationspraxis entsprechen. Ebenso aber kann er tatsächlich Details übermitteln, die für den reinen Notentext unerheblich zu sein scheinen, aber als „nichtintentionale“ Bestandteile der Überlieferung informativ sind – so, dass sie Rückschlüsse auf die nicht überlieferte Vorlage zulassen. Dies ist gerade bei dem vorliegenden Druck wichtig, der nicht nur in seiner ersten Ausgabe heterogen ist, sondern diese Heterogenität noch bis in die Folgeauflagen hinein wahrt. 1.5 Die Quellen als solche Quelle A, Grundlage der Edition,9 ist in fünf Lieferungen erschienen. Die Anlage des Notentextes lässt erkennen, dass die Setzerarbeit nicht kontinuierlich vonstatten ging; sie war auch nicht von einheitlichen Zugängen getragen. So müssen die Lieferungen – wenn die musikalischen Verhältnisse in den Fokus gerückt werden – als fünf unterschiedliche Teilquellen betrachtet werden. Denn weder ist gesagt, dass diese nach einheitlichen Gesichtspunkten gestaltet sind,
9 Vgl. das Verzeichnis der der Edition zugrunde gelegten Drucke und deren Siglen o. S. 547 f.
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noch, dass jeweils derselbe Setzer am Werk war. Zudem ist zu beachten, dass laut Titelblatt der ersten Lieferung in ihr mindestens mit zwei verschiedenen kompositorischen Anteilen zu rechnen ist: Wie die Autorenangabe dort besagt, sind die Lieder „Mit […] theils von Herrn Johann: Schopen gesetzten Melodeyen“ versehen; wer für die andere Seite von „theils“ zuständig war, bleibt zwar offen, doch an der Arbeit mindestens eines weiteren Komponisten besteht kein Zweifel. Zu fragen ist also, ob sich im Bereich des „nichtintentional“ Mitgeteilten Anhaltspunkte ermitteln lassen, die sich in der Autorschaftsklärung heranziehen lassen (vgl. Abschnitt 3.2., Bemerkung zu den Komponisten des Ersten Zehn). Im Grob-Äußerlichen betrachtet, wirken die fünf Teillieferungen hingegen homogen. Das Präsentationsverfahren ist stets dasselbe (vgl. Abschnitt 1.6., Zur Anlage des ursprünglichen Notentextes), der Druck erfolgte stets mit der gleichen Schrifttype. Der Notensatz erscheint weitgehend als sorgfältig. Doch hinter dieser Fassade beginnen die informativen Unterschiede. Auffällig ist, dass in Stücken des 1. und 2. Zehn für Viertel- und Achtelpausen durchgängig dasselbe Zeichen (Viertelpause) verwendet wird (anders nur im vorletzten Stück des 5. Zehn). Nicht völlig unproblematisch ist, dass im Schriftsatz für die Diesis ( ) offenkundig nur ein liniengebundenes Zeichen vorlag, nicht also auch ein spatiengebundenes; sollte also auf eine Note, die zwischen zwei Notenlinien steht, das -Zeichen angewandt werden, steht dieses auf der nächsthöheren Linie. Auch für Quelle B ist der Teillieferungs-Charakter essentiell (Titelblätter, keine durchgehende Paginierung). Allerdings liegt dem Notendruck nicht durchgängig dieselbe Schriftart zugrunde, und auch dies ist nach den fünf Teillieferungen zu differenzieren: Während der Notensatz im ersten, vierten und fünften Zehn mit der gleichen, kleinen Type erfolgte wie im Erstdruck, zeigen das zweite und dritte Zehn eine größere, die viel eher auf die Standards des zeitgenössischen Musikaliendrucks verweist. Für das erste, vierte und fünfte Zehn wird ferner sogar der Zeilenumbruch von Quelle A uneingeschränkt übernommen, so dass eine Abhängigkeit äußerlich unmittelbar erkennbar ist; schon angesichts der anderen Typengröße ist dies für die beiden verbleibenden Teile nicht der Fall. Die äußeren Unterschiede in der Wahl der Schrifttype haben keine inhaltlichen Ursachen. Ohnehin war ein Neusatz erforderlich; Druckstöcke wurden nach dem Druckverfahren des Erstdrucks auseinander genommen, so dass für eine Nachauflage in jedem Fall ein Neusatz erforderlich war. Dass bei diesem die Notenlettern phasenweise unterschiedlich groß waren, spiegelt somit nur, dass die Letternsysteme vorhanden waren – und dass es als unerheblich erschien, welches man benutzte. Der Notentext erscheint im Vergleich mit Quelle A als deutlich unzuverlässiger. Zahlreiche offenkundige Druckfehler kommen in den Text hinein; sie beziehen sich auch auf Standard-Konstellationen des musikalischen Satzes, die
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man normalerweise kaum falsch machen kann (Kadenzen etc.), und lassen daher den jeweiligen Setzer als minder qualifiziert bzw. ausgesprochen schludrig erscheinen. Das geschilderte Diesis-Problem für Quelle A wirkt sich ebenso in Lieferung 1 der Quelle B aus. Somit hat die Quelle B für die Erstellung des Notentextes kaum Bedeutung. In Quelle C, für die die Abfolge der 50 Lieder neu bestimmt wird, wird der Notentext durchgängig in einer größeren Type dargeboten, allerdings nicht in demselben Umbruch wie in einer der vorausgegangenen Quellen (anders auch als in den Lieferungen 2 und 3 der Quelle B). Weitgehend handelt es sich auch inhaltlich um einen Neusatz: Klarstellungen, die in den Quellen A und B dem Nutzer überlassen wurden, hat hier vielfach bereits der Setzer neu getroffen (Geltung der Bindebögen, deren Position im Letternsatz ohnehin nur näherungsweise festzulegen ist; Zuordnung von Silben zu Einzelnoten in melismatischen Abschnitten; Position von Generalbassbezifferungen). Insofern kommt der Quelle C über weite Strecken eine Schlüsselrolle darin zu, konkrete Anhaltspunkte für Emendationen des in Quelle A überlieferten Notentextes zu geben. Allerdings ist für die Gesänge des ursprünglichen Vierten und Fünften Zehn erkennbar, dass der Notentext von Quelle C auf dem der Quelle B beruht; krasse Fehl-Lesarten werden aus dieser in jene übernommen und wirken sich damit als klassische Leitfehler in der Bestimmung der Quellenabhängigkeit aus. 1.6 Zur Anlage des ursprünglichen Notentextes Wie bereits erwähnt, wird der Notentext in allen drei Quellen im zeitgenössischen Typendruck wiedergegeben; für diesen sind zwei unterschiedliche Varianten erkennbar, eine kleine (Quelle A; Quelle B, Teil 1, 4, 5) und eine größere (Quelle B, Teil 2–3; Quelle C). Die Musikwiedergabe erfolgt nach dem Muster der Chorbuchnotation: Links steht eine Stimme, die durch den c1-Schlüssel als Diskant ausgewiesen ist, rechts eine zweite, die aufgrund des f4-Schlüssels als Bassstimme erscheint. Die Schlüsselung ist in allen 50 Werken dieselbe. Im Sinne der Chorbuchnotation sind die Wendestellen auf den musikalischen „Fortschritt“ beider Stimmen ausgerichtet; es kann also aus dem Exemplar selbst zweistimmig gesungen werden (wenn auch nur theoretisch: Die Bände sind kleinformatig, und eine Benutzung durch zwei Musiker erscheint gerade bei der Wahl der kleinen Notentype kaum möglich). Zudem ist der Zeilenumbruch der Stimmen aufeinander abgestimmt. Beide Singstimmen sind textiert; in rund einem Drittel der Stücke (17) ist die Bassstimme zudem beziffert (vgl. Abschnitt 1.3., Ambivalenz als Herausforderung: Der Bassus-Part).
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1.7 Eingriffe in originale Werkgestalten und die Folgen In vieler Hinsicht erscheint bereits in elementaren Fragen eine Beibehaltung der originalen Präsentation als kontraproduktiv, wenn es um wissenschaftliche oder musikalisch-praktische Nutzung geht: Es ist Standard, Noten in Partiturgestalt darzubieten, gerade auch für Musik des 16. und 17. Jahrhunderts, die lediglich in Einzelstimmen überliefert ist – eine editorische Entscheidung, deren Folgen näher auszuführen sind. Weitgehend Standard ist auch, Noten in moderner Schlüsselung wiederzugeben, also eine Notation im c1-Schlüssel („Sopranschlüssel“) in den g2-Schlüssel („Violinschlüssel“) zu versetzen. Dies hat jedoch weitaus weniger schwer wiegende Folgen als die, die sich im ersten Punkt ergeben. Weil die Überführung einer originalen Stimmenpräsentation in eine Partitur zu einem korrekten Untersatz der Stimmen zwingt, erscheint es geboten, die Musik metrisch einzuteilen. Gleichviel, ob hierbei veritable Taktstriche oder lediglich Mensurstriche (zwischen den beiden Notensystemen) eingeführt werden, muss festgelegt werden, nach welchen Prinzipien der Abstand zwischen jeweils zwei Strichen bestimmt wird (d. h., es ist für die Edition sekundär, welche Art Striche gewählt wird). Folglich muss als Folge aus der Partituranlage auch das Mensur- und Taktverständnis überprüft werden. Da es wiederum Standard ist, die Wörter (in Silben aufgeteilt) eindeutig denjenigen Noten zuzuordnen, die sie tragen sollen, muss auch das originale Präsentationsverfahren für die Relation von Text und Musik überformt werden: Der musikalischen Notation lässt sich kein fortlaufender Worttext ohne Worttrennungen zur Seite stellen wie in den Originaldrucken. Schon die Neuzuordnung der Silben beruht auf editorischer Interpretation; als noch weiter reichende Folge muss aber sogar standardmäßig in die originale Orthographie eingegriffen werden, weil moderne Trennungsregeln nicht auf den ursprünglichen Worttext angewandt werden können. Denn wollte man diesen in originaler Orthographie darbieten, würde der durch Trennungen gegliederte Text desto unverständlicher, je stärker er von aktuellen Wortformen abweicht; der Service der Lesbarkeit, der durch die Partituranordnung der Stimmen gewährleistet wird, wäre an anderer Stelle wieder aufgehoben. Folglich steht das Editionsverfahren vor einer paradoxen Situation: Damit ein übersichtlicher Notentext so original wie möglich präsentiert werden kann, muss er sich ein Stück weit vom Original entfernen; rein philologische Texttreue führt im Extremfall zu missverständlichen Werkwiedergaben. In der vorliegenden Ausgabe wirkt sich dies auf die Edition der Text- und der Musikanteile unterschiedlich aus. Denn die aufgeworfenen musikeditorischen Fragen stellen sich für die Textedition nicht; diese kann der originalen Orthographie daher streng folgen. Somit wird im Worttext-Abdruck, der der Notenpräsentation jeweils folgt, über die originale Textform berichtet, die für den Notentext modernisiert wird.
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Auch hier gilt: Ziel der Musikedition ist nicht, ein musizierbares Notenbild nach aktuellen musikpraktischen Ideen zu erstellen, sondern nur, eine Balance zwischen semantischen Problemen und philologischen Standards zu finden. Eingriffe gehen daher über bloße Emendationen hinaus und haben eine verlässliche Wiedergabe des Notentexts mit modernen Zeichensystemen zum Ziel; sie setzen auch dort an, wo historische und moderne Notation einander nur graphisch zu gleichen scheinen, sich aber im semantischen Gehalt unterscheiden. Nur dort, wo diese Eigenheiten keine Fehlinterpretationen befürchten lassen (z.B. in der Schlussgestaltung der Stücke), werden sie in die Edition unverändert übernommen.
2. Details zur Redaktion des Notentexts 2.1 Schlüsselung und Generalvorzeichnung Für den Notensatz wird die Oberstimme vom c1- in den g2-Schlüssel versetzt. Gleichwohl wird im Partiturvorsatz jeweils die originale Schlüsselung angegeben. Musikalisch relevante Transpositionen erfolgen nicht. Als Generalvorzeichnung erscheint lediglich , ebenso wie in den Originalausgaben. 2.2 Takt- bzw. Mensurzeichen Takt- bzw. Mensurvorzeichnungen sollen auf eine korrekte metrische Wiedergabe der Komposition hinwirken. Wie ausgeführt, begegnet man in der musikalischen Praxis des frühen und mittleren 17. Jahrhunderts Übergangsstadien zwischen Mensur- und Taktvorzeichnungen, die zu (vielfach diskutierten) Übertragungsproblemen führen. Für die Edition ist jedoch zu klären, wie „ernst“ diese Zeichen überhaupt zu nehmen sind: wie weit also Emendationen auch an einem uneinheitlichen Gebrauch der Takt- bzw. Mensurzeichen ansetzen müssen oder können. Welche Gedanken haben also die Mensurvorzeichnung bestimmt? Modernen wie historischen Nutzern der ‚Himmlischen Lieder‘ haben ihre Urheber (besonders also Schop und die Notensetzer) die Klärung dieser Frage nicht leicht gemacht. Denn die vorkommenden Taktarten lassen sich nicht auf einheitliche Prinzipien zurückführen, und die Unterschiede ergeben sich auch nicht nur zwischen den einzelnen Lieferungen des Werkes, sondern sogar in deren Innerem. Zudem sind die musikalischen Einheiten, auf die sich die Mensurüberlegungen auswirken, oftmals so kurz, dass eine Abstimmung noch schwerer fällt als in anderen, größeren Werken der Zeit. Der durchstrichene Halbkreis kommt, wie in jener Zeit verbreitet, nebeneinander für geradtaktige Halbe- und Vierteldiktion vor (4/2 ebenso wie 4/4).
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Zudem gibt es auch Abschnitte, in denen – ähnlich wie in Heinrich Schütz’ Italienischen Madrigalen von 1611 (z.B. Nr. 4, „Alma afflitta, che fai“) – zwei unterschiedliche Diktionstempi miteinander verbunden werden (Halbe mit Vierteln als kleinstem Notenwert und Viertel mit Achteln als kleinstem Notenwert), ohne dass sich dies auf die Taktvorzeichnung auswirkte (I, Nr. 3; II, Nr. 5; III, Nr. 4; V, Nr. 1). Entsprechend unübersichtlich ist die Lage für die Dreiermetren. Eines der Stücke (I, Nr. 1) erhält die Doppelvorzeichnung „durchstrichener Kreis“ und „3/1“ bei einer Deklamation, die auf Ganzen basiert; der Fall lässt sich also konsequent als alte, schnelle Tripla übertragen. Dieselben Deklamationsbedingungen ergeben sich auch bei Vorzeichnungen aus durchstrichenem Halbkreis mit hinzugesetzter „3“; doch nach derselben Vorzeichnung kann auch eine klare Halbe-Deklamation zustande kommen. Unterschiede dieser Art bestehen nicht nur zwischen Stücken aus verschiedenen Lieferungen, sondern auch zwischen Stücken einer einzigen (V, Nr. 10: Ganze; V, Nr. 4: Halbe). Für diese HalbeDeklamation findet sich ansonsten als Vorzeichnung die Koppelung aus durchstrichenem Halbkreis und „3/2“, und zwar nur im Ersten Zehn (Nr. 4 und 10); dieselben Deklamationsbedingungen herrschen schließlich aber auch, wenn lediglich „3“ vorgezeichnet ist (I, Nr. 5; III, Nr. 10; V, Nr. 8). Damit wird deutlich, dass ein primär notationstheoretisch gestützter Zugang hier nicht möglich ist. Da es sich aber um einen größeren Werkbestand handelt, der im wesentlichen von einem einzigen Komponisten in einem eng gefassten Zeitraum geschaffen wurde, liegt prinzipiell ein für Empirie brauchbares Korpus vor – auch wenn der „korpus-typische“ Aspekt der Einheitlichkeit nicht gegeben ist. Eine differenzierte Darlegung der Sachverhalte sprengte den Rahmen der Edition; zu untersuchen ist aber, ob es Anhaltspunkte für Transmissionsirrtümer gibt (z.B. in der Weise, dass ein Notensetzer für ein einzelnes Stück statt der Vorgaben des Komponisten seine eigenen metrischen Praktiken angewandt hat). Denn dann müsste die Taktvorzeichnung in die Emendationsverfahren einbezogen werden. Dafür jedoch, ein solches wirksam werden zu lassen, sind die Taktvorzeichnungen zu uneinheitlich. Für die Edition werden die Mensur- bzw. Taktvorzeichnungen daher keiner Redaktion unterzogen, sondern ohne Rücksicht auf deren semantischen Gehalt übernommen; sie werden wie solche Zeichen behandelt, die für die Edition des eigentlichen Notentextes unerheblich sind. Die Taktgliederung wird unabhängig von der Vorzeichnung vorgenommen. 2.3 Takteinteilung Sämtliche Taktstriche sind hinzugefügt. Sie sind unverzichtbar, nicht nur als aktuelle Notationskonvention, sondern in ihrer Gliederungswirkung, zumal bei einer mehrstimmigen Satzanlage. Doch letztlich ist der moderne Taktstrich
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schon als solcher (auch: als Mensurstrich, der zwischen den Notensystemen steht) ein Sündenfall, der den Zugang zur Musik nachhaltig bestimmt; Taktstriche sind unübersehbar. Denn in Musik des 17. Jahrhunderts ist – bei allen Schwierigkeiten der zeitgenössischen metrischen Detailbestimmung – die bruchlose, optisch ungegliederte Notenpräsentation Standard. Daher gibt es für diese Notationsform keinen Übertragungs-Automatismus, der Absolutheitsanspruch hätte; vielmehr sind die Taktstriche bestmöglich in den Dienst der Musik zu setzen, die von ihnen gegliedert werden soll. Aus dem Beschriebenen ergibt sich, dass sich Dreier-Bewegungen nach pragmatischen Gesichtspunkten relativ leicht zu Takten umbilden lassen (danach, ob Ganze oder Halbe das Grundzeitmaß sind). Es ist ferner nicht erkennbar, dass Übertragungen in Sechsertakte erforderlich wären: Stets lassen sich jeweils zwei Dreiertakte als Paare auffassen, in denen der eine als betonte Einheit erscheint, der folgende als unbetonte; doch dies zeichnet auch typische Tanzmuster im Dreiertakt aus, die ebenfalls nicht als Sechsertakte aufgefasst werden müssen, sondern lediglich eine klare Periodengliederung ausprägen. Entsprechend entstehen kaum Probleme in geradtaktigen Stücken, die durchgängig auf Viertelbasis deklamiert werden; sie lassen sich als Viervierteltakt darstellen (historisch: alla semibreve). Analog dazu sind Stücke, die auf Halbe-Basis deklamiert sind, als historische Alla-breve-Konstellation aufzufassen, also im Vier-Halbe-Takt zu übertragen; ein Zwei-Halbe-Takt ist im früheren 17. Jahrhundert nicht definiert, kommt also für die Edition pauschal nicht in Betracht. So klar diese Vorgaben erscheinen, muss im Einzelfall erneut empirisch vorgegangen werden. Ausschlaggebend ist zunächst die Deklamation, weil der Text vorwiegend syllabisch verarbeitet wird und zwischen ihm und der Musik eine metrische Koordination bestehen muss. Daraus resultiert eine musikalische Folgeüberlegung: Im Inneren des musikalischen Flusses kann kein voller Takt nur eine einzige Note enthalten; der poetisch essentielle Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben muss in den Taktlängen abgebildet werden. Nur dort, wo ein solcher Wechsel offenkundig nicht intendiert ist (z.B. Überdehnung von Anfangstönen; Schlusstakte), wird diese Überlegung nicht wirksam. Im Zweifelsfall wird einer traditionellen Alla-breve-Gliederung (4/2) der Vorzug vor einer modernen 4/4-Gestaltung (alla semibreve) gegeben. Nur dann, wenn keinerlei Anzeichen für eine Vier-Halbe-Bewegung erkennbar sind, ergibt sich der Übersichtlichkeit halber eine Gliederung in Viervierteltakte. Mit diesen schematisierten Zugriffsmustern lässt sich das Gros der Stücke gliedern – aber nicht alle. Es bleiben Sonderformen übrig, die eigens aufzulösen sind. Dies gilt für „Jesu, der du meine Seele“ aus dem Ersten Zehn, für einzelne Stücke des Dritten und für fast alle des Vierten Zehn – für Stücke, die sämtlich in Halben deklamiert werden. Für eine Übertragung kommt, wie erwähnt, ein 2/2-Takt nicht in Betracht; eine Übertragung als 4/4-Takt wäre ungerechtfertigt,
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da in den fraglichen Stücken der Viertel-Duktus überhaupt keine Rolle spielt. So muss ein Allabreve-Verständnis (4/2) den Ausgangspunkt bilden. Damit jedoch wird erst das Ausmaß dessen absehbar, in dem diese Kompositionen ihr eigentümliches Gepräge erhalten. Viele von ihnen zeichnen sich bereits äußerlich dadurch aus, dass vor einem gliedernden Doppelstrich eine ungerade Zahl von Ganzen steht – und dass Phrasen entsprechend ebenfalls „ungeradzahlig“ angelegt sind. Folglich müssen hier bei der Einführung jedweder gliedernder Striche besondere Überlegungen angestellt werden. Erneut ist elementar, sich die Herausforderung zu vergegenwärtigen, die sich im Zusatz von Taktstrichen stellt: Es kann nicht darum gehen, einen Notentext möglichst kollisionsfrei zu gliedern; Ergebnis wäre der (zeitgenössisch nicht definierte) 2/2-Takt, der nicht nur indifferent ist, sondern den metrischen Verläufen der Gedichte zuwiderläuft. Essentiell ist hier also, neben der Theorie der späten Mensuralnotation und den Grundlagen des späteren Taktbegriffs (die sich auch auf die Tanztypen beziehen lassen) auch die Bedingungen der Poetik im Sinn zu haben. Jambus oder unbetonter Auftakt sowie Abstufungen zwischen zwei betonten Silben in enger Nachbarschaft sind Kategorien, die auch in der Taktstrichsetzung Berücksichtigung finden müssen. Folglich wird zur Nagelprobe, ob es gelingt, die – für Rist wichtige – Textmetrik auch im musikalischen Verlauf abzubilden: in einer Weise, die für Schop in jenen GestaltungsSonderfällen ein so offensichtliches, eigenes kompositorisches Anliegen war. Zur Orientierung kann Michael Praetorius’ „Es ist ein Ros entsprungen“ dienen:10 Wie in den Rist-Liedern Schops findet sich als Mensurvorzeichnung ein durchstrichener Halbkreis; der musikalische Gesamtverlauf lässt sich jedoch weder geradtaktig (4/2, 4/4) noch ungeradtaktig (3/1, 3/2) gliedern, sondern die beiden Ansätze wirken sich jeweils punktuell aus und wechseln miteinander ab. Nach dem Einzelstück im Ersten Zehn wird für Schop folglich in jenen Einzelstücken des Dritten Zehn, vor allem dann aber im Vierten Zehn, erkennbar, dass er mit Hilfe dieses musikalischen Gestaltungsmittels die metrische Freiheit, die er sich als Komponist nehmen konnte, bis ins Extrem auslotete. Ausgangspunkt ist ein situationsabhängiger Wechsel zwei- oder dreizeitiger Taktarten, der keineswegs durch die (relativ einfach gestaltete) Textmetrik bedingt war. Denn der in der Regel jambische Versfuß hätte sich problemlos übertragen lassen – so, dass der Wechsel betonter und unbetonter Silben entweder in die inhärente Metrik des Zweiertaktes überführt worden wäre oder aber durch Dehnung betonter Silben eine Dreizeitigkeit ermöglicht hätte. Doch offensichtlich war dies Schop nicht genug; folglich stellen sich hier im Editorischen Herausforderungen, die in demselben Maß über das Normale hinausgehen wie in der musikalischen Konzeption. Für jedes der fraglichen Stücke wird also im Lesartenverzeichnis einzeln begründet, wie es zur Taktstrichsetzung kommt. 10 Vgl. Michael Praetorius: Musae Sioniae 6 (1609). Hrsg. von Fritz Reusch. Wolfenbüttel 1928 (= Gesamtausgabe der musikalischen Werke von Michael Praetorius 6), S. 35 f.
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Fasst man die geschilderten Unsicherheiten der Taktmetrik zusammen, muss in der Edition das Maximum an originaler Information gegeben werden. Die originalen Vorzeichnungen werden unverändert (und unabhängig von allen weiteren Maßnahmen) abgedruckt. Zugleich muss der Notentext dennoch – der Überschaubarkeit halber – in einer Taktgliederung dargeboten werden. Für Dreier-Bewegungen wird keine Unterscheidung zwischen einer Dreier-Normalität und einer eventuell intendierten Sechser-Gliederung (in Doppeltakten; vgl. aber Abschnitt 4.2., Textmetrik und musikalische Metrik) vorgenommen; somit entstehen Drei-Halbe- und Drei-Ganze-Takte sowie unter den geschilderten Bedingungen Vier-Halbe- und Vier-Viertel-Takte. Die beiden Taktarten treten für die „Sonderfälle“ in einen freien Wechsel – der durch die (aus dem Original übernommene) Mensur- oder Taktvorzeichnung nicht „angekündigt“ wird. Bei der Übertragung der Sonderfälle ist gleichwohl auf ein Maximum an Einheitlichkeit zu achten; Ziel muss sein, Schops Vorgehen so gerecht wie möglich zu werden. Die Gedichte beginnen mit unbetontem Auftakt; eine eröffnende Ganze Schops wird folglich ebenfalls als Auftakt übernommen, sofern der musikalische Charakter (auch: die durch die Bassstimme definierte Harmonik) dem nicht zuwiderläuft. Die damit getroffenen Festlegungen zu Werkbeginn müssen im Werkinneren fortführbar sein, etwa am Zeilenende; besonders gilt dies für das Stollen-Ende, weil dort entweder die Stollenwiederholung oder der Abgesang anschließbar sein und daher die Konstellationen einheitlich formuliert werden müssen. Folglich muss gerade dort eine Auftaktigkeit gewahrt bleiben. Deshalb kommt es in der Edition gerade an Versübergängen vielfach zur Dehnung der 4/2- zu 3/1-Takten (vgl. hierzu erneut die Situation von „Es ist ein Ros entsprungen“). 2.4 Zeilen-Gliederungsstriche in der Musiknotation Das jüngere Gliederungs-Instrument „Taktstrich“ sieht genauso aus wie der ältere Strich, mit dem in versgebundenen Kompositionen einzelne Liedzeilen voneinander abgegrenzt werden. Dieser Zeilen-Gliederungsstrich findet sich in vier Stücken des Ersten Zehn (Nr. 1–3 und 7) sowie fast durchgängig im Vierten. Die Ausnahme hier ist das erste Stück: In diesem ist er offenbar lediglich deshalb nicht direkt erkennbar, weil am Ende jeder Liedzeile ein Wiederholungszeichen steht. Hinterfragt man diese Konstellation, wird man zunächst mit der Heterogenität des Ersten Zehn konfrontiert. Hier scheinen sich daraus, ob Gliederungsstriche stehen oder nicht, Anhaltspunkte dafür zu ergeben, wie die Vorlage aussah; es kann sich nicht um Zusätze des Setzers handeln, sondern viel eher um Details, die dieser unwillkürlich mit in das Satzbild übernahm (vgl. unten, Abschnitt 3, Spezialfragen zu Quelle A). Im Vierten Zehn ist die Lage anders; mit diesem Detail verbinden sich strukturrelevante Detailäußerungen. Denn in
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diesen Stücken lässt die freie musikalische Metrik den Versaufbau kaum mehr erkennen; eine Koordination der Musik mit dem Text (auch: für die Benutzung des Notentextes zu nachfolgenden Strophen) wird also durch die Einführung des Gliederungsstrichs wesentlich erleichtert. In manchen dieser Stücke ist die musikalische Phrasierung ganz oder teilweise so angelegt, dass der musikalische Fluss über die Zeilengrenzen hinweg geht (z.B. IV, Nr. 4, Abgesang). Das kommt in den anderen Teilen der ‚Himmlischen Lieder‘ nicht vor. Daher müssen die Zeilen-Gliederungsstriche in die Edition übernommen werden. Da in ihr das im Original gebrauchte Zeichen die Bedeutung „Taktstrich“ erhält, wird die Stelle der Zeilen-Gliederungsstriche in den Einzelanmerkungen nachgewiesen. Tatsächlich im Sinne eines Taktstrichs werden in den historischen Drucken Hinweise für die Auftaktgestaltung gegeben. „Auftakt“ jedoch wird in diesen Fällen nicht allein durch eine Anzahl Noten wiedergegeben, die kleiner als die normalerweise im Takt zu erwartende ist, sondern der entstehende „Vortakt“ wird vor der ersten Note durch Pausen entsprechender Anzahl aufgefüllt. Diese besondere Auftakt-Gestaltung wird ohnehin unverändert in die Edition übertragen; die dabei in der Vorlage verwendeten Taktstriche werden im Lesartenverzeichnis erwähnt. Nicht konsequent werden in den auftaktigen Stücken die korrespondierenden Werkschlüsse behandelt; Schlusstakte und Auftakte zusammengenommen ergeben nicht stets einen Takt. Auch hier entspricht die Notenwiedergabe bedingungslos dem Original. 2.5 Gestaltung des Werkschlusses Neben diesen nur partiell ausgefüllten Schlusstakten gibt es vielfältige Varianten für die Gestaltung der Werkschlüsse: mit eigener Finalis (als Notenzeichen, das im sonstigen Notentext nicht vorkommt), mit oder ohne Doppelstrich (auch jedoch: mit nur einem einfachen Taktstrich), mit oder ohne Fermate (die sowohl über der Schlussnote als auch über dem Schluss-Taktstrich stehen kann). Aus zahlreichen dieser Details lassen sich Elemente ableiten, die für die Strukturierung der ‚Himmlischen Lieder‘ essentiell sind. Die Behandlung des abschließenden Taktzeichens wird in der Edition vereinheitlicht: Im Sinne der Notationskonventionen steht hier stets ein schließender Doppelstrich. Eine weitere Vereinheitlichung setzt an der Schlussnote an: Wird für diese eine eigene graphische Gestaltung („Finalis“) gewählt, wird diese nur im Lesartenverzeichnis nachgewiesen; statt dessen wird die Note so dargestellt, dass ihr Wert dem Schlusstakt die volle Länge gibt, die diesem aufgrund der Taktgliederung zukäme. Diese Regel wird jedoch nicht auch in Umkehrung angewandt: Gerade der Sonderfall soll erkennbar bleiben, dass das Werkende mit den normalen Noten-
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zeichen formuliert wird und dennoch von modernen Notationsgewohnheiten abweicht (z.B. der erwähnte Fall einer verkürzten Taktlänge). Ferner entspricht auch die Fermatenposition derjenigen der Quelle A; Abweichungen (etwa wenn in einer der Stimmen eine Fermate fehlt) werden eigens kommentiert. Im Lesartenverzeichnis ist folglich darüber zu berichten, wo die typographische Gestaltung der Schlussnote und des abschließenden Taktschluss-Zeichens vom Neusatz abweicht. 2.6 Textunterlegung melismatischer Partien Im Letternsatz der Originaldrucke wird unter der Musik der Text fortlaufend präsentiert; eine Trennung von Wortsilben ist nur dann üblich, wenn sich ein sehr langes Melisma einstellt. Doch auch dann ist oftmals nicht eindeutig erkennbar, auf welche Note sich eine Silbe bezieht. Somit unterliegt die Textierung grundsätzlich weitergehenden editorischen Überlegungen. Solange jeder Note genau eine Silbe des Textes zugeordnet ist, treten bei dessen Unterlegung keine Probleme auf; man kann die Silben einzeln abarbeiten. Eine verlässliche Kontrollfunktion ergibt sich jeweils auf dreierlei Art: entweder mit Hilfe von gliedernden Pausenkomplexen oder satztechnisch (durch eine Kadenz oder eine andere Schluss-Koordination der beteiligten Stimmen) oder schließlich rein typographisch bedingt (mit Hilfe des Zeilenumbruchs, da der musikalische Fortschritt mit dem textlichen in Einklang zu stehen hat). Ist diese Koordination nicht auf Anhieb gewährleistet, muss – ganz banal – in der Regel nach einer Stelle gesucht werden, an der sich der syllabische Vortrag melismatisch weiten könne, so dass der musikalische und der textliche Fortschritt wieder miteinander koordiniert sind; Textuntersatz beruht insofern in jedem Fall auf empirischen editorischen Entscheidungen gegenüber dem originalen Notentext. Selten wird diese Stelle dadurch angedeutet, dass im Buchstabensatz zwischen zwei Silben eines Wortes eine längere Lücke gelassen wird (ohne Silbentrennstrich). Selbst wenn dies eine Richtung weist, in der nach einer Lösung gesucht werden kann, beruht die exakte Zuordnung wiederum auf Empirie, weil (da exakter Textuntersatz nicht standardisiert war) erneut erst an den klassischen Zäsurpunkten festgestellt werden kann, ob der Lösungsversuch aufgeht; ob er in sich wirklich als plausibel oder gar als einzig richtige Lösung zu werten ist, ist nicht erkennbar. Bisweilen wird die Melismatik durch Bogensetzung angedeutet. Doch im Noten-Letternsatz ist weder für den Setzer noch für den Nutzer eine exakte Zuordnung von Bindebogen-Lettern zu den Notenlettern möglich; weder stehen Bogen-Lettern jeder erforderlichen Länge zur Verfügung (die Bögen müssen aus einzelnen Lettern oder gar mehreren Teil-Bindebögen zusammengesetzt werden), noch lässt sich die Anfangs- und Schlussposition exakt bestimmen.
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Das Problem wird in den ‚Himmlischen Liedern‘ noch vergrößert, teils weil der Erstdruck (und in weiten Teilen auch die zweite Ausgabe) in sehr kleiner Notenschrift gesetzt wurde, in der die Ungenauigkeiten sich noch weiter auswirken, teils weil die Bogensetzung durch die Notensetzer offensichtlich ohnehin lax behandelt wurde. Das ist ärgerlich, weil die Textverteilung folgenreicher ist als in Prosatext-Vertonungen: Der Eindruck, den die poetische Ausrichtung der Stücke bewirkt, ist von der Silbenzuordnung stärker abhängig als etwa in der konzertanten Vertonung biblischer Prosa, in der die auf Empirie beruhende Verschiebung einer Silbe nur punktuell von Bedeutung ist. So wird die Textunterlegung, soweit sie nicht durch einen syllabischen Textfortschritt geregelt ist, zu einem Aspekt, der detailliert zu kommentieren ist. Alle Aspekte, die die Textunterlegung koordinieren, werden in den Einzelanmerkungen als solche benannt. Dennoch werden die typographischen Zeichen des Notensetzers, die zur Koordination der Textunterlegung dienen, in die Edition mit aufgenommen; dies gilt für Ligaturen (die lediglich in den Einzelanmerkungen bezeichnet werden) und für Bindebögen. Diese sind in keinem Fall als Artikulationsangabe angelegt worden, sondern dienten nur als Anhaltspunkt der Textierung: Andere Artikulationszeichen kommen im Satz nicht vor; diese semantische „Ebene“ ist folglich nicht vorgesehen, und es wäre somit eine sachlich nicht vertretbare Interpretation der Bögen, ihnen mehr Bedeutung beizumessen als die, die in der Edition mit der korrekten Textunterlegung zustande kommt. Um die Bögen also überhaupt in den Notentext übernehmen zu können, unterliegen sie einer eigenen Emendation: Im Einzelfall muss ermittelt werden, wie eine semantisch ohnehin nur rudimentäre Bindebogensetzung (Letternsatz) editorisch überhaupt realisiert werden kann. In keinem Fall jedoch werden scheinbar fehlende Bindebögen ergänzt. Von höherer Bedeutung für den Noten-Neusatz ist hingegen die Balkung von Achtelgruppen in melismatischen Bewegungen; sie folgt ohne eigenen Nachweis der modernen Notationskonvention mit Balkung (nicht also als geschwänzte Einzelnoten). Schwärzungen von Notenköpfen in Hemiolen werden aufgelöst und in den Einzelanmerkungen nachgewiesen. 2.7 Wortlaut im Gesangstext Textuntersatz mehrsilbiger Wörter führt in der Praxis zu Silbentrennung; eine solche ist im Original nicht angelegt. Die bloße Anwendung moderner Trennungsregeln auf eine historische Orthographie führt in charakteristischen Einzelfällen zu Konflikten zwischen sprachlicher Theorie und Praxis („füh-res-tu“ oder „füh-rest du“ oder „füh-re-stu“; „gros-ser“ oder „gro-ßer“?). Daher wird nicht der Versuch gemacht, für die ursprüngliche Orthographie eine korrekte
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Silbentrennung im Sinne vokalmusikalischer Artikulation des 17. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Der einzig denkbare Ausweg ist, moderne Silbentrennung auf moderne Textgestalten anzuwenden. Folglich zeigt sich hier der Bedarf einer für musikalische Wiedergaben normalisierten Orthographie. Zugrunde gelegt wird die moderne Rechtschreibung, allerdings unter strikter Wahrung des historischen Lautstandes. Die Eingriffe werden nicht eigens nachgewiesen; vielmehr finden sich die Originalformulierungen in der Textedition. Zeilenanfänge werden dort groß geschrieben, wo dies auch im Notentext der Fall ist. Die Buchstaben-Abfolge jeweils zu Beginn der Stücke wird der veränderten typographischen Situation angepasst: Im Originaldruck beginnt die Textierung mit einer Initiale, so dass in der Textierung der nächstfolgende Buchstabe stets groß geschrieben wird; da der Satz keine Initialen vorsieht, erscheint der Verzicht auf standardisierte Großschreibung des jeweils zweiten Buchstabens als notwendige Konsequenz. Apostrophe für Silben, die nach dem Sprachgebrauch des 17. Jahrhunderts als fortfallend beurteilt werden, bleiben erhalten. Zeichen des Fraktursatzes werden in den zugrunde gelegten Antiqua-Satz übersetzt; folglich findet sich für den doppelten Fraktur-Bindestrich (aussehend wie das mathematische Gleichheitszeichen) der einfache Antiqua-Bindestrich, für die Virgel (das große Fraktur-Komma der Frühen Neuzeit) das AntiquaKomma. Die Interpunktion entspricht dem Original. 2.8 Alterationszeichen Im originalen Notentext kommen lediglich das alte B molle (auch als Generalvorzeichnung) und die Diesis ( , nur im Inneren des Notentexts) vor; das moderne Auflösungszeichen wird nicht verwendet. Getreu zeitgenössischer Praxis findet sich ein Alterationszeichen nur jeweils vor dem ersten Zeichen einer Gruppe von Noten, die auf gleicher Tonhöhe stehen. Die Zeichen werden in die moderne Notensatz-Semantik übersetzt. Folglich werden Auflösungen der -Vorzeichnung, die im Original mit der Diesis ( ), erfolgen, mit Auflösezeichen wiedergegeben und nicht einzeln nachgewiesen; überspannt eine Notengruppe, deren Tonhöhe nach Bedingungen des historischen Notensatzes durch ein einzelnes Zeichen verändert wird, eine moderne Taktabgrenzung, wird sie getreu modernen Satzbedingungen wiederholt. Entsprechend werden Alterationen nur beim erstmaligen Auftreten innerhalb neu entstehender Takte angegeben. Warn-Akzidentien werden so spärlich wie möglich eingesetzt und stehen in Klammern.
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2.9 Generalbassbezifferung Generell gilt das für die Alterationszeichen Beschriebene auch für die Generalbassziffern; auch hier wird also das Auflösungszeichen unkommentiert als zusätzliches Zeichen eingeführt. Die Auflösung eines ist demnach im Originaldruck grundsätzlich mit einem bezeichnet und umgekehrt; das originale Zeichen ergibt sich direkt aus dem musikalischen Kontext. Die Setzung der Generalbassziffern erscheint in den Quellen zudem bald als unzuverlässig, bald kann sie Hinweise auf Druckfehler im Notensatz geben. Zwischen diesen beiden Polen hat sich der editorische Umgang mit der Bezifferung folglich zu bewegen. Eingriffe in diese (im Lesartenverzeichnis einzeln nachgewiesen) erfolgen nur dort, wo sich offenkundige Druckfehler finden; ohnehin werden Fälle, in denen der Notentext und die Bezifferung nicht miteinander vereinbar sind, ausführlich diskutiert.
3. Spezialfragen zu Quelle A 3.1 Philologisch fassbare Unterschiede der fünf Teillieferungen Wie erwähnt, lassen sich die fünf Teile der Quelle A nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten beurteilen. Alle haben letztlich ein eigenes Profil. Beginnen lässt sich mit den charakteristischen Eigenheiten des Zweiten Zehn. Die Deklamation in diesen Stücken ist, soweit sie im Dreiermetrum vertont werden, in Ganzen angelegt; geradzahlige Metren führen zu Vierteldeklamation. Fermaten am Werkende stehen nicht zu Vierteln und Halben, sondern nur zu Semibreven (Ganzen) und punktierten Breven („Doppelganzen“). Zweimal kommt es zu typographisch klargestellten Auftaktbildungen (Nr. 1 und 6), denen jeweils eine in Vierteln deklamierte Schlussbildung korreliert ist (solche Auftaktbildungen kommen im Ersten Zehn nicht vor). Schließlich ist dies die einzige Lieferung, in deren Stücken die Textrhythmik von Diskant und Bass dominant eigenständig behandelt wird (besonders Nr. 2, 4, 5, 9, 10), nicht also in einem Textfortschritt, der jeweils zwischen den beiden Stimmen weitgehend koordiniert ist; für diese „konzertante“ Gestaltung gibt es Verwandte nur in den beiden Schlussstücken des Ersten Zehn. Lediglich drei Stücke enthalten eine Generalbassbezifferung (Nr. 7, 9, 10). Die Stücke des Dritten Zehn werden, soweit sie im Dreiermetrum vertont werden, in Halben deklamiert (anders als im Zweiten Zehn); die Grunddeklamation im geradzahligen Metrum erfolgt bald in Halben, bald in Vierteln (beide Typen in Nr. 4 und 10). Die Schlussgestaltung ist uneinheitlich und folgt jedenfalls nicht dem Prinzip des Zweiten Zehn. Zwei Stücke weisen die Auftaktbildungen des Zweiten Zehn auf (Nr. 2, 8). Neu ist eine Deklamation, die zu Werkanfang die Notenwert-Folge „Ganze, Zwei Halbe“ zeigt (Nr. 3, 6, 7, 10; nicht
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Nr. 4, obgleich auch in Halben deklamiert); dies weist voraus auf die Stücke des Vierten Zehn und ist nicht durchgängig im Sinne des auf diese Weise deklamierten Canzona-Rhythmus zu beziehen, auch nicht nur als Dehnung eines JambusAuftakts, sondern erweist sich als eigene künstlerische Formung des Komponisten. Hinsichtlich der Generalbassbezifferung entsteht eine scharfe Gliederung: Ziffern finden sich nur in den fünf Stücken, die entweder in Dreiermetren deklamiert werden oder (geradtaktig) in Vierteln; geradtaktig deklamierte Stücke, deren Bewegungen auch in Halbe-Metren angelegt sind, sind unbeziffert. Kein einziges Stück des Vierten Zehn wird (ganz oder teilweise) in einem durchgängigen Dreiermetrum vertont; die geradtaktigen Bewegungen sind durchweg auf Halbe-Basis angelegt. Dominant (außer Nr. 1) ist der bereits im Dritten Zehn feststellbare Typus, die Stücke mit der Rhythmik „Ganze/2 Halbe“ zu beginnen; abgesehen von Nr. 1 sind alle Stücke daraufhin in rasch wechselnder Rhythmik angelegt, so dass Dreier- und Zweierbewegungen mehrfach und ohne eigene Vorzeichnung wechseln. Diese Maßnahme ist ohne jeden Zweifel als eigenständige und somit experimentelle Kompositionsidee Schops aufzufassen; in der Textgestalt findet sich für sie keine konkrete Anregung. Unter den verwandten Stücken des Dritten Zehn wird diese Gestaltung nur in dessen Nr. 6 vorweggenommen. Anders als dort sind diese (in Halben deklamierten) Stücke jedoch fast ausnahmslos mit einer Generalbassbezifferung versehen (außer Nr. 2). Keines der Stücke weist die Auftaktbildung auf, die gelegentlich im Zweiten und Dritten Zehn zu konstatieren ist (beide Gestaltungen schließen einander aus). Schlussbildungen erfolgen in der Regel ohne Fermate (außer Nr. 6/Diskant, Nr. 7; in Nr. 10 auch als „Schluss des letzten Stücks“ deutbar). Die auffälligste typographische Besonderheit sind die Zeilentrennstriche, die in allen Stücken zur poetischen Gliederung eingeführt werden (in Nr. 1 stehen entsprechend an allen Zeilenenden Doppelstriche). Demgegenüber vermittelt das Fünfte Zehn ein völlig anderes Bild. Zwei der in Dreiermetrum gehaltenen Stücke werden in Halben deklamiert (Nr. 4, 8), eines in Ganzen (Nr. 10); als Deklamationseinheit in geradtaktigen Stücken erscheinen wieder Viertel (nur in Nr. 1 streckenweise auch Halbe). Folglich wird die Kompositionsidee des Vierten Zehn hier nicht weiter verfolgt. Dafür findet sich in Nr. 3 und 7 wieder die Auftaktbildung aus dem Zweiten und Dritten Zehn. Kein einziges Stück ist beziffert; anders als zuvor gibt es zwischen beiden Stimmen minimale Lockerungen der Textdeklamation (Nr. 1–3, 6–7; in Nr. 10 starten die beiden Stimmen nicht gleichzeitig). Nur in einem einzigen Stück steht am Ende eine Fermate (Nr. 8). So lassen sich die 2.–5. Sammlung anhand charakteristischer Unterschiede vergleichsweise klar voneinander abgrenzen; das Erste Zehn erscheint durchgängig als unübersichtlich. Für dreizeitige Deklamation steht neben der Halben als Normaleinheit in Nr. 1 die Ganze zur Verfügung, für zweizeitige bald die Halbe, bald die Viertel (auch gemischt in Nr. 3 und 5); Nr. 7 erscheint als deklamatorischer Sonderfall, in dieser Hinsicht ein Stück weit verwandt den metrisch
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experimentellen Kompositionen des Vierten Zehn. Der Anfang der Nr. 2 (Ganze, 2 Halbe) entspricht der Canzona- oder Jambus-Eröffnung, hat also nichts mit den Sonderformen des Vierten Zehn zu tun. In den Schlussgestaltungen erweist sich das Erste Zehn schließlich als extrem heterogen: Nur hier gibt es typographische Sonderformen für die Schlussnote (Nr. 1, 7–8, 10; auch Nr. 2); Fermaten stehen oft über der Schlussnote, aber auch über dem SchlussTaktstrich (Nr. 4) – doch ein solcher ist vielfach gar nicht vorhanden. Keine der Schlussgestaltungen nimmt darauf Rücksicht, dass die entsprechende Komposition mit einem (ausgeschriebenen) Auftakt beginnt; ein solcher findet sich in Nr. 3–6. Auffällig ist ferner, dass sich in Nr. 1–3 und 7 Zeilentrennstriche finden, die die poetische Gestalt nachzeichnen (ähnlich wie im Vierten Zehn essentiell), hier aber ohne den erkennbaren Anlass einer experimentellen Metrik. Erneut zu erwähnen ist, dass die beiden letzten Stücke in ihrer „konzertanten“ Freiheit auf die entsprechenden Stücke des Zweiten Zehn vorausweisen. Grundsätzlich lassen sich diese Unterschiede teils als unwillkürlich transportierte Details der Vorlagen interpretieren; teils spiegeln sie die fortschreitende Entwicklung der musikalischen Ideen, die sich mit den Stücken verbinden, und zwar in einer Art Formationsphase. Die ersteren wirken sich vor allem auf die Autorschaftsfrage aus (siehe unten, Abschnitt 3.2.); die übrigen sind vor allem kompositorisch relevant. Erkennbar wird somit, dass Schop im 2.–4. Zehn von übergeordneten Gestaltungskriterien ausging: im Zweiten von Anteilen des Konzertanten, im Vierten von den metrischen Experimenten, im Dritten hingegen von einer Polarisierung zwischen unterschiedlichen Faktoren. Hinter dieser Strukturierung ist auch ein Fortschreiten des kompositorischen Verfahrens erkennbar: Kriterien des Zweiten Zehn werden in den letzten Stücken des Ersten erprobt, solche des Vierten im Dritten, und die Generalbassgestaltung weist aus dem Schluss des Zweiten ins Dritte Zehn voraus. Das Fünfte Zehn, das aus diesen Entwicklungsprozessen herausgerückt wird, erscheint damit nicht als Rückschritt; neu ist vielmehr eine Normalität der Gestaltung, die den vorangegangenen Teilen nicht anhaftet. Dies ist insofern auch philologisch von Bedeutung, als es Licht auf den Entstehungsprozess der nicht überlieferten handschriftlichen Quellen wirft und zur Charakteristik der Druckquellen beiträgt. Daneben wird nochmals deutlich, dass es sich keinesfalls um eine in sich gerundete Quellensituation handelt, für die sich die Editionsbedingungen standardisieren lassen. 3.2 Bemerkung zu den Komponisten des Ersten Zehn Wie auf dem Titelblatt des Ersten Zehn ausgewiesen, stammen die „Melodeyen“ (aufzufassen auch als: die Sätze) nur „mehreren theils von Herrn Johann: Schopen“. Über den „anderen“ Teil wird nichts ausgesagt. Da die Druckquellen
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Anhaltspunkte enthalten, aus denen sich auf die Gestalt der Vorlagen schließen lässt (mit Hilfe unwillkürlicher Mitteilungen oder stilistischer Eigenheiten), ist zu untersuchen, wie weit dies bei der Klärung der Autorschaft für die Musik von Belang sein kann. Das auffälligste Detail, anhand dessen sich die Stücke in zwei Gruppen trennen lassen, ist die Verwendung eines Zeilengliederungsstriches; ein solcher findet sich in den Nummern 1–3 und 7. Wären dies die Stücke, die nicht von Schop stammten, wäre damit das Maximum dessen beschrieben, was für den Rest ein „mehreren theils“ rechtfertigte; Schops Anteil läge mit sechs Stücken eben noch vorn. Wie weit also lässt sich diese Gliederung aufgrund anderer Kriterien stützen? Nr. 1 steht aufgrund seiner Taktvorzeichnung ohnehin allein (der durchstrichene Kreis plus „3/1“ kommt nur hier vor). Nr. 1, 2 und 7 gehören zu den Stücken mit typographischen Sonderformen für Schlussnoten (daneben Nr. 8 und 10); in Nr. 4 findet sich eine solche deshalb nicht, weil die Halbe-Schlussnote auf jeden Fall kürzer ist als eine metrische Grundeinheit. Nr. 1, 2 und 7 gehören zu den Stücken, an deren Schluss außerdem kein Doppelstrich steht; ein solcher fehlt ebenso in Nr. 8 (nicht aber in Nr. 10, in dem er der SonderSchlussnote folgt). Schließlich handelt es sich bei Nr. 2 und 7 um Stücke mit geradtaktiger Vorzeichnung, in denen Halbe die Deklamationseinheit sind; in Nr. 3 gilt das für den Anfang, und in dieser Mischung (die aber sehr viel differenzierter ist) ähnelt diesem Prinzip die Nr. 8. Somit wird deutlich, dass sich tatsächlich auch in anderer Hinsicht die Nummern 1–3 und 7 als Gruppe von den anderen Stücken absetzen lassen – nicht völlig scharf: Es erscheint denkbar, dass Schop sich an Strukturvorgaben orientierte, sie aber nicht gleichermaßen umfassend umsetzte wie sein Vorgänger in der kompositorischen Arbeit. Nicht auszuschließen ist, dass dies Rist selbst war;11 dennoch kann es auch ein anderer Komponist gewesen sein. Doch muss gerade für drei besonders bekannte Stücke der ‚Himmlischen Lieder‘ davon ausgegangen werden, dass Schop mit ihnen kompositorisch nichts zu tun hat: für die Nummern 1, 3 und 7 des Ersten Zehn.
4. Zur Benutzung des Notentexts 4.1 Bass: Bezifferung und Textierung Das Notationsbild darf nicht den Eindruck vermitteln, als sei nur eine einzige Realisierung denkbar; weder deutet die Generalbassbezifferung darauf hin, dass die Melodie im Sopran nur durch ein Akkordinstrument zu stützen sei, noch
11 Küster, Rist (wie Anm. 2), S. 96–98.
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darf aus der Textierung der Bassstimme geschlossen werden, sie sei ausschließlich als Singstimmenpart konzipiert. Vielmehr beschreibt die Generalbassbezifferung auch, wie aus den beiden Rahmenstimmen ein mehrstimmiger Vokalsatz zu gewinnen ist; ebenso spiegelt die Bass-Textierung, wie die Musik bei einer instrumentalen Aufführung phrasiert werden solle (in diesem Sinne ähnlich wie in den eindeutig instrumental bezeichneten Stimmen der ‚Psalmen Davids‘ von Heinrich Schütz). Wie eingangs erwähnt, berichtet Rist selbst davon, dass Stücke der ‚Himmlischen Lieder‘ auf unterschiedliche Weise musiziert worden seien, und diese Mitteilungen lassen sich nicht direkt auf die Vorgaben des Notentexts beziehen. Dies gilt besonders differenziert für die Erwähnung eines gemischt vokalinstrumentalen Musizierens im zweiten Teil seiner ‚Monatsgespräche‘.12 Entsprechend wurden manche der Lieder tatsächlich zur Vierstimmigkeit erweitert; hier lässt sich summarisch auf die Stücke verweisen, die in Gottfried Vopelius’ ‚Neu Leipziger Gesangbuch‘ von 1682 Eingang fanden.13 4.2 Textmetrik und musikalische Metrik Die Anlage von Abschnitten als gerad- oder ungeradtaktig hat Schop nicht aus der Metrik der Dichtung abgeleitet; vielmehr liegen beiden Typen zweizeitige Versfüße zugrunde. Dies wiederum wirft ein grundlegendes Problem für die musikalische Interpretation auf: Für gerade Takte wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie vier Silben aufnehmen können, also zwei Versfüße; deren betonte Silben können demnach gegeneinander gewichtet werden (im Sinne einer stärkeren Takt-Eins und einer schwächeren Takt-Drei). Ungeradtaktige Bewegungen enthalten nur einen Versfuß (also zwei Noten, z.B. als Ganze plus Halbe), und es ist metrisch nicht zwingend, dass zwei benachbarte Dreiertakte sich ebenso zueinander verhielten wie zwei Hälften eines Vierertakts (selbst wenn dies vielfach Realität ist). Für zeitgenössische Komponisten ähnelten diese Bedingungen wohl denen, die zwischen Allemande und Courante der Suite herrschen. Die Behandlung lyrischer Texte nach diesen Kriterien verschieben die Argumentation aber. 12 Johann Rist: Das AllerEdelste Leben der gantzen Welt [= Monatsgespräche II]. Hamburg 1663, S. 263: „So bald nun dise Einigkeit unter Ihren sämtlich war getroffen, verfügte sich Herr Concord, als ein fürtreflicher Musicus, bei das Instrument, Herr Kleander ergrief sein Flöhtchen, und der Palatin die Geige, Herr Kallorin nebenst dem anwesendem Frauenzimmer, nahm das Buch zur Hand, da sie den des Rüstigen freudiges Lied, dessen Anfang heisset: Lobet GOTT im Heiligthum, preiset seine Tahten, mit hertzlicher Andacht sungen und spieleten.“ 13 Zum Inhalt vgl. Jürgen Grimm: Das Neu Leipziger Gesangbuch des Gottfried Vopelius (Leipzig 1682). Untersuchungen zur Klärung seiner geschichtlichen Stellung. Berlin 1969 (= Berliner Studien zur Musikwissenschaft 14), Repertoireübersicht auf S. 50–98. Aus Rists ‚Himmlischen Liedern‘ sind mit vierstimmigem Satz vertreten folgende Stücke: I, Nr. 1 und 3; III, Nr. 1, 8 und 9; V, Nr. 4.
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Demnach läge es textlich vielfach nahe, die Dreier-Abschnitte auftaktig darzustellen: Der Auftakt umfasste drei eröffnende Notenwerte, denen jeweils Sechsertakte folgten; doch die zusammengesetzten Taktarten der Zeit geben wiederum die Vorstellungen nicht wieder, die sich in den Notenwerten und Mensurangaben spiegeln. Dieses Dilemma lässt sich notationstechnisch nicht überzeugend lösen. Eine Übertragung ungerader Takte als Sechserbewegung wäre weder philologisch noch musiktheoretisch zu legitimieren; andererseits erscheint sie textlich als zwingend. Somit ergibt sich hier ein Auftrag an Aufführende, die Überlegung einer paarweisen Gruppierung von Dreiertakten in ihre interpretatorischen Überlegungen einzubeziehen. Grundsätzlich liegt die Wahl eines raschen Tempos nahe. Für 3/1-Bewegungen ist dies ohnehin Resultat der mensuralen Tradition. Diese Tempo-Anforderung hat zuallererst Auswirkungen auf das Aufführen von Stücken mit raschem Wechsel zwischen Zweier- und Dreiermetrum (vgl. Abschnitt 2.3., Takteinteilung), da diese Divergenz durch die Wahl eines langsamen Grundzeitmaßes nur eingeebnet würde, also nicht mehr erlebbar wäre. Keinesfalls darf der Eindruck späterer Kirchenlied-Nutzung Anlass zur Wahl eines prinzipiell getragenen Tempos sein (vgl. Abschnitt 1, Rahmenüberlegungen zu den Quellen und zur Edition).
5. Einzelanmerkungen Einzelanmerkungen werden in der Folge „Takt“, „Stimme“ (C für Cantus, B für Bassus), „Zeichen“ (Noten und Pausen gleichwertig behandelt) und „Quelle“ genannt (die letztere als Einleitung der betreffenden Anmerkung). Für Bemerkungen, die sich auf beide Stimmen bzw. auf alle Quellen beziehen, unterbleibt die Nennung einer Quelle; „Zeichen“ werden für den Cantus benannt und gelten analog für den Bassus. Tonbuchstaben werden kursiv gedruckt, Tonfolgen mit Bindestrich wiedergegeben. Bewertungen von Lesarten (z.B. „Druckfehler“) werden nur in Ausnahmefällen erwähnt – in der Regel nur dann, wenn in der Edition vom Notentext der Hauptquelle abgewichen wird. I, Nr. 1: Ermuntre dich, mein schwacher Geist
2 4 7 10 12 16
C B B
1 1–2 1 1
B: Mensurvorzeichnung: durchstrichener Halbkreis und „3“ C: Mensurvorzeichnung: durchstrichener Halbkreis und „3/1“ C: Bogen fehlt anschließend Zeilentrennstrich (außer Quelle C, Bass) als Synkope geschwärzt A: Bogen fehlt; angeglichen an Parallelstellen sowie an Quelle B und C anschließend Zeilentrennstrich (außer Quelle C, Bass) anschließend Zeilentrennstrich (außer Quelle C, Bass)
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C, B
1–2
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als Synkope geschwärzt A: Schlussnoten-Letter mit angesetztem Taktstrich; mit Fermate; kein Dehnungspunkt B: Frei stehende Brevis mit Fermate, nachfolgend Doppelstrich C: Longa (ohne Fermate), nachfolgend Doppelstrich
I, Nr. 2: O großer Gott ins Himmels Thron 3 6 8 10 12 13
B B
1 1 1 3 2
anschließend Zeilentrennstrich (Cantus, Quelle C: erst nach 2) A, B: Pause fehlt anschließend Zeilentrennstrich anschließend Zeilentrennstrich (fehlt in Cantus, Quelle B) B: H (Druckfehler) Schlussnote als Finalis (Longa mit Spiegelung), dazu Fermate
I, Nr. 3: O Traurigkeit! O Herzeleid! Taktgliederung im 4/2-Takt, den Eingangstakten angepasst. Auch in den letzten beiden Liedzeilen, in denen die Notenwerte kürzer sind, ist Übersichtlichkeit gewährleistet. 1 3 4 7 8
B B
4 3 1 9
A, B: Ganze (Druckfehler) anschließend Zeilentrennstrich C: Pause fehlt Am Taktbeginn Dal-segno-Zeichen. Am Taktende Zeilentrennstrich Halbe mit Fermate (fehlt in Quelle C, Bass), anschließend Taktstrich A, B: am Taktende Dal-segno-Zeichen
I, Nr. 4: Lasset uns den Herren preisen 1 4 6 7 18
C B C
2 1 1–2 1
28 32
anschließend Taktstrich (nur hier) B: h1 cis, offenkundiger Druckfehler als Synkope geschwärzt (in Quelle C: außer Cantus, 2. Note) Text-Lautstand „Lew’“ als „Leu’“ interpretiert, vgl. DWb 6, Sp. 825 (keine „consonantische aussprache des w“ im 16. Jahrhundert; auch noch Sp. 826 zu Lohenstein) B: Ganze, Halbe Pause A, B: mit Wiederholungszeichen, in B Schlussnoten mit Fermate C: mit Schluss-Doppelstrich ohne Wiederholung oder Fermate
I, Nr. 5: Du Lebensfürst Herr Jesu Christ 2 19 21 23 27
B B B C C
1 3 2 3–4 3–4
A, B: Vorzeichen fehlt B: Ganze C: Vorzeichen fehlt C: kein Bogen C: kein Bogen
I, Nr. 6: O Vater aller Güt’ 11 13
C C
2 2 4 6
B: Viertel f 2 B: f 2 A, B: h1 (offensichtlicher Druckfehler, korrigiert nach C) B: h1
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I, Nr. 7: Jesu der du meine Seele Freie Taktgliederung nach metrischen Gesichtspunkten: Zugrunde liegt ein Wechsel kürzerer und längerer dreizeitiger Strukturen, bei männlichen Vers-Endungen auch zweizeitiger (2/1 bzw. 4/2). Die dreizeitigen erscheinen äußerlich als 3/2- und 3/1-Takt; allerdings entfallen stets vier Silben auf einen metrischen Teilkomplex, gleichviel, welche Gliederung vorliegt. Daher werden beide Formen insofern metrisch gleich behandelt, als je vier Silben auf einen Takt entfallen: Im Prinzip liegt beiden Formen ein 4/2-Takt zugrunde, in dem einmal die erste und dritte Note gedehnt wird, einmal die dritte und vierte. Die Taktstriche werden strikt nach dieser metrischen Gliederung gesetzt. 2 6 8 10 11 12
C
3
B
3 3 3
anschließend Zeilenendstrich anschließend Zeilenendstrich A: f 2 (Druckfehler) anschließend Zeilenendstrich anschließend Zeilenendstrich möglicherweise Druckfehler in allen Quellen (statt A?) A, B: Schlussnote mit angesetztem Taktstrich und Fermate (Quelle B: ohne Fermate für Cantus) C: Finalis und Doppelstrich
I, Nr. 8: O Gottes Lamm, dass du die Schuld Die Takteinteilung ist auf die Viertelbewegung ausgerichtet; die Eröffnung erfolgt demgegenüber mit einem stark gedehnten Einzelton, nicht also in einem 4/2-Metrum. 4 5 10 12 18 20 f.
C B B C C C B
22
B
2 1 1 3–4 3 1
A, B: 4-tel-Pause A, B: c (Druckfehler, nach C korrigiert) A, B: d (Druckfehler, nach C korrigiert) C: kein Bogen A, B: 4-tel C: keine Pause Bezifferung im Notensatz unklar. In Quelle B findet sich erst über T. 21,2 die Zahlenfolge 6-5, in Quelle C sind die Zahlen völlig frei verteilt. B: D A, B: Brevis (A zudem mit Taktstrich) C: Brevis, Doppelstrich, in Cantus mit Fermate
I, Nr. 9: Gott, der du selber bist das Licht 5 6 9 ff. 10 11
B C B B C C B
3 2 2 1 2 2–3 3
A, B: H (eindeutiger Druckfehler, korrigiert nach C) B: 4-tel B: d; 4. Note A A: Textzuordnung nicht eindeutig; vgl. T. 11, Bass B: g1 C: Text „als“ A, B: kein Bogen; nur mit Hilfe von Quelle C wird die Textzuordnung klar. B: fehlt (nach punktierter 4-tel)
I, Nr. 10: Auf meine Seel’ und lobe Gott 2 9
B C
2 1–4 4
C: c B: 4-tel C: Vorzeichen fehlt
Kritischer Bericht zur Notenedition 11 14
B C
15 16 17 19 27
B B B B C
35 36
B
4 1 2 5–6 1 1 3 3 1 5–6 1–2
609
B: E A: 4-tel-Pause B: 4-tel C: Bogen hier (statt Haltebogen von 6. Note nach T. 15) A: g (Druckfehler) B: d B: c B: A B: f 2 mit Vorzeichnung C: kein Bogen C: kein Bogen A: Schluss-Brevis mit angesetztem Taktstrich und Fermate; abschließend Doppelstrich. B: Brevis mit Fermate (Cantus), Longa mit Doppelstrich (Bassus) C: Finalis, im Bassus zusätzlich Fermate
II, Nr. 1: Dem Herren will ich singen 1 2 10 12
B B
1 4 3
Taktstrich am Taktende B: d B: E A, B: A (Druckfehler) A, B: am Taktende Taktstrich
II, Nr. 2: Ihr Völker kommt mit mir 4 6 13 15
C C C C
1–3 2 1–4 1–4
B: 3 fehlt; im Referenz-Expl. daraufhin 1–2 in 8-tel verändert A, B: 4-tel-Pause B: ohne Bogen B: ohne Bogen
II, Nr. 3: Fröhlich ist mein Herz im Herren 4 5 14 15 24
B B B C
2 1 1 1
B: H C: f B: Ganze C: punktiert (dennoch gefolgt von Ganzer) A, B: Schlussbrevis mit Fermate; C: im Cantus keine Fermate. Im Bassus kein Dehnungspunkt
II, Nr. 4: Wir haben eine feste Stadt 1 2 9
B B C
1 1 2–3
17 18 f.
C B
1–2
20 21
C C
3 4–5
B: e B: d C: Bogen bereits hier; die Synkope wird fortgesetzt, möglicherweise Druckfehler in A und B C: kein Bogen Textierung unklar. In Quelle C, T. 19,2–3 Bogen. Für die Edition werden die 8-tel in T. 18,3–4 als melismatisch aufgefasst, so dass die betonte mittlere Silbe (und nicht die letzte) von „erhältest“ auf den Taktschwerpunkt zu stehen kommt. C: a1 C: kein Bogen
610
Konrad Küster
21 f.
B
22
B
2
Textierung unklar. A gibt keinerlei Anhaltspunkte. B hat einen Bindebogen von T. 21,4 nach T. 22,1 (metrisch wenig plausibel); als Folge müsste ein Bogen in T. 21,1–2 hinzugefügt werden. Die klarste Version ist die von Quelle C, der die Edition hier folgt. B: E
II, Nr. 5: Als mich die große Not 7 8 11 13 19 f.
B C C C B
2 2 1 1
23 29
C C
1–2
30
C: Bogen setzt bereits hier an (bis T. 8,2) C: fis1 (mit Bogen) B: c 2 B: mit Dehnungspunkt Textzuordnung unklar. In Quelle B und C Bogen T. 19,1–2, in C weiter reichend nahezu bis T. 20,1. Dies und die Gestaltung von T. 20 (punktierte Halbe plus 4-tel auf konstanter Tonhöhe, also syllabisch zu textieren) gibt den Ausschlag für die Textverteilung. B: Bogen von T. 22,5 bis T. 24,1 Textierung unklar. Die einzigen Informationen bietet Quelle B: Bogen von T. 28,4 (punktierte Halbe!) bis T. 29,2, ferner T. 29,3–4. B: keine Fermaten über dem Doppelstrich. C: Fermaten über den Schlussnoten
II, Nr. 6: Spielet auf und singt dem Herren 4 8
C C
2 1–2
9
C
10 12
B C B
1 4 2–3 4 5
A: 4-tel A: 4-tel mit Dehnungspunkt und 4-tel; C: zwei 4-tel. Nach dem Vorbild von Quelle B angeglichen an T. 6 B: b1 B: b1 C: kein Bogen B: d 2 B: E
II, Nr. 7: Herr du bist groß und stark mein Gott 1 2 3
B B B
3 1
9 10
C C
2–4 2
12 12 f. 14 17 18 18 f.
B C C B C C
4 4 3–4 2
B 18
B
4
B: H B: ohne Bezifferung A, C: keine Information zur Textzuordnung. Für die Bogensetzung daher die – umfassend klare – Version aus Quelle B übernommen. C: Textierung „strafst du zwar“ A, B, C: ohne Dehnungspunkt (der als Anbindung der 4-tel in T. 11,1 aufzulösen ist). Aus Gründen der Analogie (T. 8 f.) unverzichtbar. B: E (Druckfehler) C: Textierung abweichend „Du jagst uns bald“ B: 4-tel A, C: H–c (Druckfehler) B: 4-tel Textzuordnung unklar. Bogensetzung nur in Quelle C, diese übernommen. Textzuordnung unklar. Schlüssige Bogensetzung nur in Quelle C, diese übernommen. In Quelle B kein Bogen in 18,1–2; Bogen 18,3–4 reicht weiter bis 19,1. In A keine Bogen. C: 4-tel
Kritischer Bericht zur Notenedition
611
II, Nr. 8: Ich will von allen Dingen 3 9 17 18 f.
C B B C B
20
B
3 1–2 1–3 3–4
B: Pause fehlt (daher im Referenz-Expl. T. 3,1 zur Brevis gedehnt) B: kein Bogen B, C: Bogen nur 1–2 B: Bogen schon in 17,2 ansetzend Textierung unklar. In Quelle B und C Bogen 18,4–5; in Quelle C zusätzlich Zeilenwechsel (die Textierung der neuen Zeile beginnt mit „Sie“), daraufhin weiterer Bogen T. 19,2–3. Keinerlei Anhaltspunkte in Quelle A. Die am weitesten reichende, umfassend schlüssige Version (Quelle C) wird ediert. B: ohne Fermate.
II, Nr. 9: Nach der großen Feuers-Not 1
B
2 3 f.
B B
5 6 7 10 11
B B B C B
5 2 1 1–4 2–5
13 13 f.
C B
2
14
C B
3–4 4
15 15 f.
C C
4
16 17
C C
6 1 1–2 2
B
2 3–6 4–5
B: E B: Bogen 3–5, 5–6 (und weiter reichend bis T. 2,1) B: Bogen nach rechts verrutscht (reicht von 2,5 nach 3,1) Textierung unklar. Quelle A: Bogen 1–2 und 3–6 vorhanden, aber keine Angaben zu T. 4. Quelle B: Bogen 3–4, 5–6. Quelle C: Bogen jeweils für 2 Noten von T. 3,1 an, also auch T. 4,1–2 und T. 4,3 bis 5,1. Während die Verhältnisse für T. 3 (Quelle A) hinreichend klar sind, muss in T. 4 eine Silbe melismatisch behandelt werden; am wenigsten weit von der Quellensituation entfernt ist es, hier den Bogen T. 4,1–2 aus Quelle C vorzusehen. Alterationszeichen hinzugefügt; wegen der Bezifferung notwendig. B: E B: d C: Bogen verrutscht (2–3, 4–5) Textierung unklar; Bogensetzung nur in Quelle C, diese übernommen B, C: c 2 (vgl. aber Bezifferung) Textierung unklar. In Quelle A und B Bogen lediglich T. 14,2–3 (dies führt zu einem „überschüssigen“ Ton, für den keine Silbe übrig bleibt). Bogensetzung daher aus Quelle C übernommen (einzig umfassend klare Konstellation) C: kein Bogen Bezifferung in der Bedeutung unklar: wörtlich aufzufassen als Hochalteration der Terz h, denkbar ebenso als liegen bleibendes cis. Originalformulierung beibehalten C: mit (Druckfehler denkbar in A und B) Textierung unklar. Ab T. 15,3 werden in allen Quellen Achtel paarweise gebunden. Lediglich in Quelle C erfolgt eine Textunterlegung, die das Wort „großen“ in Silben zerlegt; hier wird deutlich, dass lediglich der letzte Bogen (T. 16,7–8) tatsächlich als Paarbindung aufzufassen ist, die vorherigen hingegen als Stellvertreter eines zusammenhängenden Bogens. C: nur hier B: d 2 Bogen ergänzt B: E
612
Konrad Küster
II, Nr. 10: Ich will den Herren ewig loben 7 8, 10
B B
2 1–2
12 21 22
B B B
1–2 1 1
24 25
B B
2 1
26
B
2
B: E Ligaturen, behelfsmäßig gesetzt in Quelle B (2 dicht aufeinander folgende Breven) und Quelle C (T. 8: Kombination aus links behalster und rechts behalster Longa; T. 10: Kombination aus links behalster Longa und Brevis) C: Bogen nur hier; für die Textierung unverzichtbar B: Bezifferung „6“ („9“ auf den Kopf gestellt) Bezifferung „7–6–5“ komplett dieser Note zugeordnet; nach Oberstimme aufgelöst („5“ zu T. 22,2) Bezifferung bereits bei T. 24,1; nach Oberstimme aufgelöst Bezifferung „7–6–5“ komplett dieser Note zugeordnet; nach Oberstimme aufgelöst („5“ zu T. 25,2) B: E B: A
III, Nr. 1: Hilf Herr Jesu lass gelingen 3–4
B
9–10
B
11 22 23
B B B
2 1 2
B: Bezifferungen sind um zwei Noten vorgezogen (beginnend mit T. 2,2) B: Bezifferungen sind um eine Note vorgezogen (beginnend mit T. 9,1) B: Ganze C: Bezifferung „6“ statt „5“ B: F
III, Nr. 2: Wach auf mein Geist, erhebe dich 2 12 16 f. 18
B B B B
2 2
B: Bezifferung „ “ statt „6“ B: Ganze C: keine Bezifferung C: am Taktende Wiederholungszeichen.
III, Nr. 3: O Gott der du der Menschen Herz und Sinn Taktgliederung: Eine metrische Abstufung der in Halben deklamierten Musik muss auch in all den Fällen möglich sein, in denen zwei Ganze aufeinander folgen (die sonst metrisch gleichgestellt wären); daher ist eine Übertragung im 4/2-Takt unabdingbar. Die Dichtung setzt unverkennbar auftaktig an, und die Musik folgt diesem Muster. Takt 9 enthält im Hinblick auf die regelmäßige metrische Fortführung sogar drei Ganze. 4 13
B B
1
B: c C: c
III, Nr. 4: Jammer hat mich ganz umgeben 8 13 14
C B B
2
B: Allabreve-Vorzeichnung statt Wiederholungszeichen B: H B, C: Bogen über jeweils einem Paar von 4-teln; in B um eine Note nach vorn verschoben (ansetzend T. 13,2)
Kritischer Bericht zur Notenedition
613
III, Nr. 5: O Gott, was ist das für ein Leben 1
C, B
3
2 13 14
C B B
1 1–2 2
Textierung der seconda volta original „daß“, dem Sinn entsprechend als „das“ transkribiert in allen Quellen am Taktende Taktstrich B: g1 B: nur eine 4-tel c (die andere fehlt ersatzlos) B: G
III, Nr. 6: Wie bin ich doch so gar betrübet Taktgliederung: Die komplexe Metrik des in Halben deklamierten Stückes zwingt dazu, den Ganze-Folgen eine innere metrische Ordnung zu geben; das Werk wird asymmetrisch gegliedert (13+17 Ganze-Werte), so dass die Besonderheiten bereits äußerlich evident werden. Die Gestaltung folgt im Detail anderen Gesichtspunkten als den verwandten Kompositionen: Erkennbar wird eine wesentlich stärkere Rolle der Harmonik. Die ersten beiden Ganze-Werte beziehen sich auf denselben Klang, und mit dem dritten kommt eine grundsätzliche Veränderung zustande; dieses Muster wird für die weiteren Zeilenanfänge übernommen – mit Ausnahme dessen in Takt 9: Dieser steht in Zusammenhang mit Takt 8, der seinerseits zwar in eine ähnliche metrische Konstruktion eingebunden ist wie zu Abgesangs-Beginn, doch ist die harmonische Gestaltung für die jeweils zwei Anfangstöne der beiden kurzen Verszeilen unterschiedlich. Die Eröffnung wird also musikalisch als abtaktig aufgefasst; statt einer 4/2-Gliederung liegen in den Takten 2 und 9 der Dichtung 3/1-Takte unterschiedlicher Gestaltung zugrunde. 1 3 6
C B B
1
8
C, B
2
1
in allen Quellen f 1; satztechnisch und tonartlich unsinnig. B: Bogen um eine Halbe vorgezogen A, B: c. C: A. Keine der beiden Lösungen führt zu einer satztechnisch vertretbaren Konstellation (nur e ist als Penultima der Kadenz korrekt) Textierung original „daß“, dem Sinn entsprechend als „das“ transkribiert
III, Nr. 7: O Jesu unbeflecktes Lamm Taktgliederung: Schops in Halben deklamierte Komposition ist gegen die Barform der Textvorlage entwickelt; gleichwohl bleibt schlichte Silbenabfolge (887–887–99) auch für die Komposition metrisch bestimmend. Wie in den Vergleichsstücken entstehen Abfolgen von zwei (einmal: drei) Ganzen, für die eine metrische Ordnung gefunden werden muss (wie sie bei einer Übertragung im 2/2-Takt nicht gegeben wäre). Ausgangspunkt der Gestaltung muss sein, jeweils korrespondierend angelegte Verse gleich zu behandeln. Kernproblem ist, dass Schop die einzelnen Stollenverse über fünf Ganze-Werte hinweg ausbreitet, die folglich asymmetrisch aufzulösen sind (2+3 oder 3+2); da die Stollen jeweils drei Verse enthalten, erstrecken sich jene auch insgesamt über eine ungerade Zahl von Ganze-Werten. Zu den Fragen, die zu klären sind, gehört auch, ob die Anfangs-Ganze (poetischer Auftakt) auch im Musikalischen als Auftakt oder aber als Taktbeginn aufzufassen ist und wie groß der Taktkomplex ist, in dem diese Anfangsnote aufgeht; zur Orientierung können sowohl die vorausgehende Komposition als auch die meisten der anderen dienen, in denen eine komplexe Taktmetrik realisiert ist. Es gäbe gute Gründe dafür, auftaktig zu beginnen und mit einer Ganze-Gliederung 2+3 fortzufahren; die Zeilenenden bildeten jeweils die Takt-Zwei der Dreiertakte („o | Jesu unbe- | flecktes
614
Konrad Küster
Lamm, du | …“), so dass in der Folge der neue Zeilenauftakt in den „überhängenden“ Dreiertakt Aufnahme fände. Vor allem am Übergang der Verse 3 und 4 wirkt dies unwahrscheinlich; dass der Oktavsprung in der Melodie und der völlige Neuansatz der harmonischen Entwicklung Auftakt wäre, erscheint als unlogisch. Wer hingegen den Beginn abtaktig auffasst, kann jede Zeile problemlos als Summe aus 2+3 Ganzen (folglich einem 2er- und einem 3er-Takt) darstellen; damit geriete jedoch das jeweilige Zeilenende auf eine schwache Takt-Drei – für ein Kadenzziel kaum akzeptabel. Folglich muss hier erneut die musikalische Gestaltung den Ausschlag geben: Die Zeilenziele kommen auf der Eins von Takten zu stehen; diese Takte enthalten außerdem auch musikalische Anteile wie die, die am Werkbeginn eine eigene Einheit bilden. Daher müssen am Werkanfang zwei Ganze-Werte in einen Takt zusammengefasst werden, quasi als Zwei-Ganze-Auftakt; die ihnen korrespondierenden Stellen im weiteren Werkverlauf werden zur Zwei und Drei der Dreiertakte. Damit wird das harmonische Ziel, das für die Verse 1 und 5 formuliert wird, im jeweils vorausgehenden Takt der Vertonung auf der Eins antizipiert; in einer ähnlichen harmonischen Schlüsselposition stehen die vergleichbaren Stellen der anderen Verse. Unproblematisch ist die Gliederung des Schluss-Verspaares in jeweils Zwei-Ganze-Takte. 8
C B
3 2 4
B: b1 C: B B: E
III, Nr. 8: Werde munter mein Gemüte 1 3 5 6
B C B
4
8 12
B B
2 4
4
Am Taktende Taktstrich (außer Quelle C, Bassus) B: a Statt Wiederholungs- steht Allabrevezeichen A, B, C: Bezifferungen bereits zu T. 6,3; dort wäre ein Quartvorhalt (g) nicht vorzubereiten und somit satztechnisch nicht vertretbar. – In Quelle C „4–5“ B: f B: E
III, Nr. 9: O Gott der du mit großer Macht 2 5 8 10 13 15 17
B B C B C C B B
1 2 1 1 1 3 3
C: Bezifferung „6“ B: Bezifferung verschoben auf T. 5,3 A: Achtel (als Einzelnote) Mit Mit C: c 2 B: e C: keine Bezifferung
III, Nr. 10: O Gottes Stadt. O himmlisch Licht 7
B C, B
3
B: b B: Am Taktende Allabreve-Zeichen mit „3“ statt Wiederholungszeichen
IV, Nr. 1: Folget mir, ruft uns das Leben Taktgliederung: Die Halbe-Diktion ist unverkennbar; insofern ist eine Übertragung im alten Allabreve-Takt zwingend.
Kritischer Bericht zur Notenedition 1
B
4
4 5 8
B B B
1 2 1
615
A: Bezifferung „ “ (im gegebenen Kontext nicht sinnvoll) B: Halbe Note (nach punktierter Halben) A, B, C: Bezifferung „6“ (im gegebenen Kontext nicht sinnvoll) B: Ziffer „6“ um 90° im Uhrzeigersinn gedreht B: Bezifferung „ “ statt „6“ C: keine Bezifferung, „ “ vor B/H
IV, Nr. 2: Ich trage groß Verlangen Taktgliederung: Wie in IV, Nr. 1 ist auch hier eine Halbe-Diktion offenkundig, eine Alla-breveDarstellung also zwingend. Der Anfang ist als Auftakt aufzufassen; andernfalls gerieten die schwächeren Text-Betonungen auf den jeweiligen musikalischen Schwerpunkt (z.B. Vers 2: „| Herr Jesu | deinen Geist |“). Zeilen-Endstriche nach jedem Vers (fehlen in Quelle C, Bassus, in der Mitte von Takt 10 und 14). 7 9
B C
4 3
B: E B: g2 (mit -Vorzeichen)
IV, Nr. 3: O Gott, sehr reich von Güt Taktgliederung: Die Diktion erfolgt in Halben; folglich wird die Musik im Allabreve-Takt übertragen. Die Eröffnung wird wegen der harmonischen Entwicklung, die zwischen den beiden ersten Klängen liegt, als Auftakt aufgefasst. Dies ist entscheidend auch für alle weiteren Versübergänge; an ihnen liegt das größere harmonische Gewicht (im Sinne einer Takt-Eins) jeweils auf der zweiten Silbe des Verses. Dieses Muster jedoch hat auch Auswirkungen für die unbetonten (weiblichen) Vers-Endungen: In Takt 8 und 12 muss der mit ihnen eröffnete Takt auch noch den nachfolgenden Ganze-Auftakt in sich aufnehmen; somit erfolgt dort eine Transkription im 3/1-Takt. Der Doppelstrich der Werkmitte steht im Innern eines Taktes (T. 4). Zeilen-Endstriche nach jedem Vers (außer Vers 2/4: Wiederholungszeichen). 4 5
B B
1–2 3
8 9
B B
1 4
12 13
B B
1 3
C: kein Bogen A, B, C: Bezifferung „6“ entgegen dem Melodieverlauf erst zu T. 6,4 C: Bezifferung bereits T. 7,4 zugeordnet A, B, C: Bezifferung „3“ bereits (mit „4“) zu T. 9,3; in Quelle B und C Bezifferung „4–5“ B, C: Bezifferung „4–5“ C: Bezifferung „5“
IV, Nr. 4: Ach höchster Gott, verleihe mir Taktgliederung: Die Diktion in Halben erfordert eine Transkription im 4/2-Takt; die Komposition gliedert sich in 11+9 Ganze-Werte, so dass eine „glatte“ Übertragung nicht möglich ist. Die Gliederung geht von den harmonischen Grundlagen aus; daher werden die Klänge der 1. und 3. Ganzen einander – als Taktanfänge – gleichgesetzt und die harmonische Einfachheit der Gestaltung, die sich in deren Relation zeigt, als durchgängiges Prinzip behandelt. Eine Drei-Ganze-Einheit entsteht daher zunächst für Takt 2: Im Vergleich mit dem korrespondierenden Takt der zweiten Werkhälfte (T. 7) entsteht der Eindruck, dass Schop in T. 2 die ersten beiden Silben des Taktes von Halben auf Ganze gedehnt hat; dies kann in der Taktgliederung wiedergegeben werden. Eine entsprechende Dehnung von Halben auf Ganze findet sich in T. 3 (vgl. T. 8, 1. Hälfte); daher entsteht in T. 8 eine Drei-Ganze-Einheit, in der die Metrik der Takte 3 und 4 in einen einzigen Takt zusammengezogen erscheint.
616
Konrad Küster
Zeilen-Endstriche: nach T. 3,1 sowie nach T. 8,1 8 9
B B
3 2
C: keine Bezifferung C: B
IV, Nr. 5: O Sicherheit du Pest der Seelen Taktgliederung: Der Stollen dieses in Halben (folglich alla breve) zu gliedernden Stückes setzt sich aus Versabschnitten mit einmal sechs und zweimal fünf Ganzen Länge zusammen; beide Abgesangszeilen erstrecken sich über je fünf Ganze. Erneut ist eine „asymmetrische“ Gliederung unabdingbar. In der Vertonung erscheinen die jeweiligen Anfangssilben als Auftakte; die betonten Silben, die im Gedichtinneren dem Versende vorausgehen, werden somit zur Takt-Eins. Damit ist die Verteilung dreizeitiger und zweizeitiger Ganze-Folgen geregelt. Der Doppelstrich im Werkinneren steht daraufhin im Innern eines Taktes (T. 6). Zeilen-Endstriche: nach T. 2,2, T. 4,2, T. 8,3 1 7
B B C
1 3
10
B B
3 1
B, C: zum Auftakt Bezifferung „6“ B, C: Bezifferung „6“ A, B: ohne Vorzeichen, Bassus mit Bezifferung „6“; das unverzicht bare Vorzeichen nur in Quelle C (vgl. Bezifferung des Bassus) C: Bezifferung erst zu T. 7,4 C: ohne Bezifferung
IV, Nr. 6: Was darfst du doch, O meine Seel’ erschrecken Taktgliederung: Charakteristisch für dieses in der Regel in Halben angelegte Stück ist, dass Schop die Diktion punktuell (aber von einer Zeile zur nächsten frei) beschleunigt oder dehnt. In Vers 1 ist die 4. Silbe zur Ganzen gedehnt; mit den Notenwerten für die nächsten drei (auf Viertel beschleunigten) Silben wird ein Ausgleich dafür herbeigeführt (4 Silben verteilen sich folglich auf den Wert von 4 Halben). Somit kann eine Transkription im 4/2-Takt erfolgen. In Vers 2 verfährt Schop anders: Die 4.–11. Silbe (insgesamt 8 Silben) werden über nur 6 HalbeWerte verteilt. Gliederte man die Musik in drei Takte alla semibreve (4/4), wäre die poetische Relation zum Schluss des vorausgegangenen Partnerverses nicht gegeben; rückte man hingegen das poetische Prinzip weiter in den Vordergrund, entstünden zwei 3/2-Takte, denen der musikalische Fluss widerspricht. Somit erscheint für diesen Anteil eine Transkription im 3/1-Takt geboten. Legt man entsprechend in den Versen 3 und 4 für die Silben 4–11 eine Normal-Erstreckung über 8 Halbe-Werte zugrunde, zeigt sich, dass Schop diesen Rahmen gewahrt und lediglich metrische Schärfungen vorgenommen hat; folglich lassen sich beide Verse durchgängig im 4/2-Takt transkribieren. Zeilen-Endstriche: nach T. 3, 5, 8 8/11 10 11
B C C
5 3
Bezifferung „5“ jeweils schon zur 1. Note B: kein Dehnungspunkt zur Halben A: Fermate nur hier
IV, Nr. 7: Wach auf mein Herz’ es klinget Takteinteilung: Die Stollenverse des in Halben deklamierten, also alla breve konzipierten Werkes erstreckt sich asymmetrisch über 5+5+4 Ganze-Werte; gerade die ersten beiden Verse müssen metrisch einheitlich gefasst werden. Zugleich ist unvermeidlich, dass der Schluss des dritten Verses auf eine Takt-Eins fällt; folglich benötigt dieser Ganze-Wert einen Taktpartner, der also nur aus
Kritischer Bericht zur Notenedition
617
einer auftaktigen Gestaltung gewonnen werden kann. Nach den Kriterien des vorausgehenden Stücks kommen die betonten, vorletzten Silben der Verse 1 und 2 somit auf eine Takt-Eins zu stehen; diese Takte müssen daraufhin neben den unbetonten Schlusssilben auch den Auftakt der jeweils folgenden Zeile in sich aufnehmen. Somit entsteht nach auftaktiger Eröffnung ein Wechsel von 4/2- und 3/1-Diktion, abgesehen von den beiden letzten Versen mit deren durchgängiger 4/2Diktion. Der Doppelstrich der Werkmitte steht im Innern von T. 6. Zeilen-Endstriche: nach T. 2,2, T. 4,2; T. 8,2; T. 10,2; T. 12,1 1 4
B B
2 3
5 9 13
B B B
3 1 3/4
C: ohne Bezifferung A, B, C: Bezifferung „ “ (musikalisch sinnlos); „6“ als einzig mögliche Ersatzinterpretation einer handschriftlichen Vorgabe Bezifferung „4–3“; die „3“ gehört zur 4. Note B, C: d A: Bezifferung „4–3“ zwischen den beiden Noten (B, C: zur 3. Note). Vgl. T. 5,3
IV, Nr. 8: Ist etwas in der großen Welt Takteinteilung: Ausgangspunkt ist für dieses in Halben deklamierte, also auf Allabreve-Basis zu gliedernde Werk die Gestaltung des Abgesangs: Er besteht aus vier Versen, die Schop über jeweils fünf Ganze-Werte ausbreitet. Diese Phrasen sind in ihrem Aufbau identisch. Folglich werden die Schlusssilben der Verse gleichermaßen auf eine Takt-Eins gestellt, die unbetonten Anfangssilben der Verse entsprechend zum Auftakt. Daraufhin muss der letzte Takt des Stollens darauf eingerichtet sein, dass er den Beginn des Folgeverses als Ergänzung erhält; deshalb ist auch zu Werkbeginn ein auftaktiger Start anzunehmen. Somit ergibt sich ähnlich wie in IV, Nr. 7 ein Wechsel dreizeitiger Ganze- und zweizeitiger GanzeBewegungen. Der Doppelstrich der Werkmitte steht im Innern eines Taktes (T. 4). Zeilen-Endstriche: nach T. 2,1; T. 6,1; T. 8,1; T. 10,1 3 4
B C
4 2
C: ohne Bezifferung C: anschließend Allabreve-Zeichen statt Wiederholungszeichen
IV, Nr. 9: O Ewigkeit du Donnerwort Taktgliederung: Die Silbengliederung 887–887–88 wird durchgängig in Phrasenkomplexe überführt, die sich über fünf Ganze-Werte erstrecken. Insofern ist die (asymmetrische) Gestaltung noch homogener als in IV, Nr. 8. Sie wird nach denselben Gesichtspunkten eingerichtet: Nach auftaktiger Eröffnung folgt ein 3/1-Takt; betonte Vers-Schlusssilben stehen auf der Eins des folgenden Taktes – auch die am Ende des 3. bzw. 6. Verses, so dass für diese sich die sonst übliche Reihenfolge von 3/1- und 4/2-Takten umkehrt. Zeilen-Endstriche: nach T. 2,1; T. 4,1; T. 8,1 1
B
2 6 9
B B B
10
C B
2 1 2 6
B, C: Bezifferung des Auftakts T. 1,1 zugeordnet B, C: Bezifferung „ “ statt „6“ B, C: c (mit Bezifferung) B: d A, B, C: Bezifferung „6–5“; „6“ muss auf die 5. Note vorgezogen werden C: g1 C: mit Fermate
618
Konrad Küster
IV, Nr. 10: Getrost ist mir O Gott mein Herz’ in Nöten Taktgliederung: Das in Halben deklamierte, auf Allabreve-Basis zu gliedernde Stück ist musikalisch deutlich regelmäßiger gehalten als zahlreiche andere des IV. Zehn; lediglich die Asymmetrie der Stollenverse (7+5 Ganze-Werte) ist zu berücksichtigen. Anders als in den übrigen Werken des IV. Zehn ist es nicht erforderlich, die auftaktige Gestaltung auch für den Beginn des 2. Verses zu übernehmen (so dass dieser auf der dritten Ganzen eines Taktes begönne); vielmehr äußert sich in der Tiefalteration der Dreiklangsterz viel stärker der Eindruck eines Neubeginns, so dass Schop den Versauftakt nicht auch musikalisch als Auftakt realisiert hat (betonte Stellung des Wortes „Ich“). Somit lässt sich das Stück durchgängig im 4/2-Takt gliedern; der gliedernde Doppelstrich steht in der Mitte eines Taktes (T. 6). Zeilen-Endstriche: nach T. 3,2; T. 8,2; T. 10,1; T. 12,2 3 5
B B
1 1 3–4
7 9 10 14
B B B C
2 3 1
B, C: Bezifferung „4–5“ B: Bezifferung erst zu T. 5,2 A, B: Bezifferung komplett T. 5,3 zugeordnet C: keine Bezifferung C: Bezifferung „6“ B: E B: E A, B, C: Fermate nur hier (nicht im Bassus)
V, Nr. 1: Ist das nicht ein Werk der Gnaden 12 16 17
B C B B
2 2–3 1–2
B: bereits vor T. 12,1 C: Bogen bereits hier B: kein Bogen C: am Ende Wiederholungszeichen
V, Nr. 2: Merk auf, O sündigs Menschenkind 13
C, B
kein Wiederholungszeichen am Taktende
V, Nr. 3: Wer Christum recht will lieben 4
C
10
C
1 1–2 1–2
B: ohne Dehnungspunkt C: jeweils Viertel B: jeweils Viertel; T. 10,2 g2 C: es 2–g2 (punktiertes Viertel und Achtel)
V, Nr. 4: Jesu du mein liebstes Leben 4 5 7 8 11–12 17 19
C B B B B C B B
20
B
1 2 2
2–3 2
B, C: c 2 B: Ganze C: Ganze C: d C: Rhythmisierung jeweils „Ganze–Halbe“ C: Rhythmisierung „Ganze–Halbe“ (musikalisch nicht sinnvoll) C: kein Bogen B: F (jedoch in den links und rechts benachbarten Lettern Hilfslinien) C: mit Fermate
Kritischer Bericht zur Notenedition
619
V, Nr. 5: O Gott der du geschworen hast 8 11
C C
1 3
A, B: Pause bereits in T. 7, vor dem Wiederholungszeichen C: Achtel
V, Nr. 6: O großes Werk Geheimnis voll 6 10 13
C C C B
2 4 1
15
B
4
C: Viertel B: Achtel B: ohne Pause C: Bogen eher erst auf T. 13,2 ansetzend, bis T. 13,3 reichend; ein weiterer Bogen T. 14,1–2 B: F (jedoch in den links und rechts benachbarten Lettern Hilfslinien)
V, Nr. 7: Von Gnade will ich singen 6
B
3
B: d
V, Nr. 8: Nun lobet alle Gott keine Anmerkungen V, Nr. 9: So brech ich auf von diesem Ort’ Gesondert anzumerken ist, dass in Quelle A (in der bis hierhin anstelle von Achtel- stets Viertelpausen gesetzt worden sind) in T. 4,2 sich das korrekte Zeichen findet. 9
C, B
11 13 19
C C C
1 1 1
Textierung original „gleiten“; Apostroph wegen des Textsinns ergänzt A, B: Pause bereits in T. 10, vor dem Wiederholungszeichen B: Viertel C: kein Vorzeichen
V, Nr. 10: So wünsch ich mir zu guter Letzt 8 24
C B C B
3 3 3 3
C: Halbe Pause B: keine Pause C: Halbe Pause B: keine Pause
Register und Verzeichnisse
Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Alemán, Mateo / Aegidius Albertinus (Übers.): Der Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt/ dessen wunderbarliches/ abenthewrlichs vnd possirlichs Leben/ was gestallt er schier alle ort der Welt durchloffen/ allerhand Ständt/ Dienst vnd Aembter versucht/ vil guts vnd böses begangen vnd außgestanden/ jetzt reich/ bald arm/ vnd widerumb reich vnd gar elendig worden/ doch letztlichen sich bekehrt hat/ hierin beschriben wirdt. Durch AEGIDIVM ALBERTINVM theils auß dem Spanischen verteutscht/ theils gemehrt vnd gebessert. München 1615 (Reprint Hildesheim u. a. 1975). Arndt, Johann: Auslegung des gantzen Psalters Davids des königlichen Propheten/ Also daß über jeden Psalm gewisse Predigten vnd Meditationes gestellet seyn/ in welchen sonderliche Lehr= vnd Trostpuncten gehandelt werden/ so zum wahren Erkäntniß Gottes vnd des Menschen/ zu Gottes Lob/ Ehr vnd Preiß/ zu Bestärckung des Christlichen Glaubens/ Vbung eines gottseligen Lebens/ zu hertzlicher Liebe vnd Besserung/ zu Ernewerung des inwendigen Menschens/ zu wahrem Trost in allerley Creutz/ vnd zu vnserm ewigen Heil vnd Seligkeit nützlich vnd ersprießlich seyn. Aus den Worten der Psalmen/ vnd dero eigentlichen Meynung vnd artigen Schlußreden/ auch eingeführten anderer heiliger Propheten gleich stimmenden Weissagungen vnd Sprüchen der heiligen Schrifft/ Altes vnd Newes Testaments/ vnd aus innerlichen Zeugniß des Gewissens depromiret vnd erkläret. Neben einem Verzeichniß der Predigten über jeden Psalm/ vnd was in denselben für sonderliche Lehr= vnd Trostpuncten gehandelt werden. Jtem: Der Catechismus/ Erstlich in 60. darnach kürtzer in 8. Predigten/ zwey vnterschiedliche mal verfasset/ nebenst der Haustaffel/ oder der Beschreibung der göttlichen Stände vnd Ordnung/ in zehen Predigten richtig erkläret vnd begrieffen. Sampt einer Vorrede Herrn Johann Gerhards/ der heiligen Schrifft Doctorn vnd Professorn in der Vniversitet Jehna. Aus des Herrn Autoris S. eigenem/ vielvermehrten Exemplar/ mit Verdeutschung derer Allegaten trewlich nachgedruckt. . 2 Teile. Lüneburg 1643/44 (SUB Hamburg C/2664: 1/2). Ders.: Paradiß Gärtlein/ Voller Christlicher Tugenden/ wie dieselbige in die Seele zu pflantzen/ Durch Andächtige/ lehrhaffte vnd tröstliche Gebet/ zu ernewerung des Bildes Gottes/ zur vbung des wahren lebendigen Christenthumbs/ zu erweckung des newen Geistlichen Lebens/ zur dancksagung für allerley Wolthaten Gottes/ zum Trost in Creutz vnd Trübsall/ zur heyligung/ lob vnd preys des Namens Gottes . O.O. 1612 (FB Gotha Theol. 8º 659/14). Ders., Paradiß=Gärtlein/ Voller Christlicher Tugenden/ wie dieselbige in die Seele zupflantzen/ Durch andächtige/ lehrhaffte vnd tröstliche Gebet/ zu ernewerung des Bildes Gottes/ zur vbung deß wahren lebendigen Christenthumbs/ zu erweckung deß newen geistlichen Lebens/ zur Dancksagung für allerley Wolthaten Gottes/ zum Trost im Creutz vnd Trübsal/ zur Heiligung/ Lob vnd Preiß deß Namens Gottes. Jn welchem alle Artickel/ vnser Christlichen Religion/ neben den Hauptsprüchen H. Göttlicher Schrifft begriffen seyn . Straßburg 1625 (HAB Wolfenbüttel Xb 4113). Augustinus, Aurelius: Opera omnia. Bd. 4/1. Paris 1841 (= Migne Patrologia Latina 36).
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Quellen- und Literaturverzeichnis
auch weiland wolEhrwürdigen/ Grosachtbahren und wolgelehrten Herren/ H: Johann Kirchhof/ wolverdientem Gräflichen Schauenbürgischem Hoff=Prediger zur Bukkeburg/ und der viel Ehr= und Tugendreichen Frauen/ F. Anna/ weiland Herren Bürgermeister Schwartzen in Bukkeburg hinterlassenen Eheleiblichen Tochter ist erzeuget und gebohren/ nach Seiner liben Eltern früzeitigem Hintritt/ hatt Er Sich auf hohen und niedrigen Schulen/ sonderlich bei dem hoch und weitberühmten Theologo und Gottesmann Doctore Josua Stegman/ (der Jhme mit Libe/ Beforderung und Unterweisung an Vatters statt gewesen) aufgehalten/ biß Er im 27. Jahr Seines Alters durch Göttliche Versehung nach Wedel an der Elbe zum Predigtamt ist beruffen worden/ woselbst Er Sich zum ersten mahl mit der viel Ehr und tugendsamen Frauen Jlsebe Schraders in den Heiligen Ehestand begeben/ nach welcher seligem Absterben Er Sich anderweits mit der gros Ehr= und vieltugendreichen Frauen/ F. Anna Dieterichs hat verheirathet/ mit welcher Er in Kraft Göttlichen Segens 3. Söhne und zwo Töchter hat gezeuget/ Nachgehends ist er von Wedel nach Rellingen zum Prediger Ordentlich beruffen u darauf für etwan 4. Jahren zu Einem Propst der Kirchen/ in diser Königlichen Grafschafft Pinnenberg angenommen und bestellet worden/ und nach dem Er dise 59. Jahre also gelebet/ das Sein tödlicher Hintrit von Jedermänniglich hertzlich und schmertzlich wird beklaget/ ist Er/ als Er erstlich an der Wassersucht etliche Monaht schwehrlich danieder gelegen/ am 24. Tage des Christmonats dises zum Ende lauffenden 1653. Jahres sanft und selig aus diser betrübten Welt in das Reich der ewigen Herligkeit abgefodert/ Sein hinterblibener {L}eichnam aber am 3. Tage des Jänners/ des 1654. Jahres in ansehnlicher Volkreicher Begleitung vieler hochbetrübten Seelen zu Rellingen in Sein Ruhekämmerlein gebracht und beigeleget worden. Jn Einer Klag= und Trostschrifft aufgesetzet von Johann Rist . Hamburg 1654 (UB Kiel Archiv II70–71,34 bzw. Archiv II70–71,35). Ders.: Neüer Teütscher Parnass/ Auff welchem befindlich Ehr’ und Lehr Schertz und Schmertz Leid= und Freüden=Gewächse/ Welche zu unterschiedlichen Zeiten gepflantzet/ nunmehr aber Allen/ der Teütschen Helden=Sprache und deroselben edlen Dichtkunst vernünfftigen Liebhaberen/ zu sonderbarem Gefallen zu hauffe gesamlet und in die offenbahre Welt außgestreüet . Lüneburg 1652 (Reprint Hildesheim u. a. 1978). [Ders.:] Rettung der Edlen Teütschen Hauptsprache/ Wider alle deroselben muhtwillige Verderber und alamodesirende Auffschneider/ Jn unterschiedenen Briefen/ allen dieser prächtigsten und vollenkommensten Sprache auffrichtigen teütschen Liebhaberen für die Augen gestellet. Hamburg 1642 (HAB Wolfenbüttel 89.1 Gram. [1]). Ders.: Sabbahtische Seelenlust/ Daß ist: Lehr= Trost= Vermahnung= und Warnungsreiche Lieder über alle Sontägliche Evangelien deß gantzen Jahres . Lüneburg 1651 (BSB München Liturg. 1374). Ders. / Tobias Petermann (Übers.): Der zu seinem allerheiligsten Leiden und Sterben hingeführter und an das Kreütz gehefteter Christus Jesus/ Jn wahrem Glauben und Hertzlicher Andacht besungen von Jahan Risten. Jtzo auffs neüe übersehen und an vielen ohrten merklich verbessert. Nunmehr auch in der lateinischen Sprache übergesetzet . Hamburg 1655 (HAB Wolfenbüttel Lo 6463). Ders. / Tobias Petermann (Übers.): Geistlicher Poetischer Schriften Erster [– Zweiter] Theil/ Jn sich begreiffend Neüe Himlische Lieder/ nebenst deroselben Ubersetzung in die Latinische Sprache . Jn dise Neüe geschmeidige Form gebracht/ und üm so viel füglicher zu gebrauchen/ wolmeinentlich herfür gegeben . Lüneburg 1657/58 (SB Berlin Eh 7458). Sannazaro, Jacopo: Arcadia. Secondo i manoscritti e le prime stampe. Hrsg. von Michele Scherillo. Turin 1888 (= Biblioteca di autori Italiani 1).
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Register der Liedanfänge ACh höchster Gott/ verleyhe mir ALs mich die grosse Noth der Kranckheit hatte troffen AVff meine Seel’ vnd lobe Gott
IV, Nr. 4 II, Nr. 5 I, Nr. 10
DEm Herren wil ich singen DV LebensFürst HErr Jesu Christ
II, Nr. 1 I, Nr. 5
ERmuntre dich mein schwacher Geist
I, Nr. 1
FOlget mir/ rufft uns das Leben FRölich ist mein Hertz im Herren
IV, Nr. 1 II, Nr. 3
GEtrost ist mir O Gott mein Hertz’ in Nöthen GOtt/ der du selber bist das Liecht
IV, Nr. 10 I, Nr. 9
Herr du bist groß und starck mein Gott HJlff Herr Jesu laß gelingen
II, Nr. 7 III, Nr. 1
JAmmer hat mich gantz umbgeben JCh trage groß Verlangen JCh wil den Herren ewig loben JCh wil für allen Dingen JEsu der du meine Seele JEsu du mein liebstes Leben JHr Völcker kommt mit mir kommt zu der Singer Orden JSt das nicht ein Werck der Gnaden JSt etwas in der grossen Welt
III, Nr. 4 IV, Nr. 2 II, Nr. 10 II, Nr. 8 I, Nr. 7 V, Nr. 4 II, Nr. 2 V, Nr. 1 IV, Nr. 8
LAsset vns den Herren preisen
I, Nr. 4
MErck auff O sündigs Menschen=Kind
V, Nr. 2
NAch der grossen FewersNoth NVn lobet alle Gott
II, Nr. 9 V, Nr. 8
O Ewigkeit du DonnerWort O Gott der du der Menschen Hertz und Sinn O Gott der du geschworen hast O Gott der du mit grosser Macht O Gott/ sehr reich von Güt O Gott/ was ist das für ein Leben O Gottes Lamb/ daß du die Schuld O Gottes Stadt/ O himmlisch Liecht O Grosser Gott ins HimmelsThron
IV, Nr. 9 III, Nr. 3 V, Nr. 5 III, Nr. 9 IV, Nr. 3 III, Nr. 5 I, Nr. 8 III, Nr. 10 I, Nr. 2
633
Register der Liedanfänge O Grosses Werck Geheimniß voll O Jesu unbeflecktes Lamb O Sicherheit du Pest der Seelen O Trawrigkeit! O Vater aller Güt’/ Jch klage dir mit Schmertzen
V, Nr. 6 III, Nr. 7 IV, Nr. 5 I, Nr. 3 I, Nr. 6
SO brech ich auff von diesem Ort’ SO wündsch’ ich mir zu guter letzt SPielet auff und singt dem Herren
V, Nr. 9 V, Nr. 10 II, Nr. 6
VOn Gnade wil ich singen
V, Nr. 7
WAch’ auff mein Geist/ erhebe dich WAch’ auff mein Hertz’ es klinget WAs darffstu doch/ O meine Seel’ erschrecken WEr Christum recht wil lieben WErde munter mein Gemüte WJe bin ich doch so gar betrübet WJr haben eine feste Stadt
III, Nr. 2 IV, Nr. 7 IV, Nr. 6 V, Nr. 3 III, Nr. 8 III, Nr. 6 II, Nr. 4
Register der Bibelstellen Altes Testament Gen 1,16: 395 2,7 f.: 350 3,1–5: 59 3,1–6: 300, 327, 405 3,1–14: 209 3,5 f.: 419 3,6: 236 3,15: 19, 44 3,17–24: 419 6,5: 65, 70, 418 6–8: 217 8,8 f.: 295 8,21: 58, 300 12,1: 406 19,2 f.: 367 19,4–8: 366 19,6–8: 367 19,11: 366 19,24 f.: 312 25,29–34: 422 27,28: 279 28,12: 426 32,27: 221 37: 217 49,9: 44 49,10: 416 Ex 3,6: 19 13,9: 208 13,21: 445 14,5–31: 9 14,14: 214 15,1: 9, 110 15,1–19: 92, 99, 104 15,2: 110, 224 15,3: 47, 110
15,4: 111 15,5: 111 15,6: 111 15,7: 111 15,8: 111 15,9: 112 15,10: 112 15,11: 112 15,12: 112 15,13: 113 15,14: 113 15,15: 113 15,16: 113 15,17: 114 15,18: 114 15,19: 114 15,26: 100, 207, 303 16,15: 426 19,18: 328 20,5: 179 23,25: 246 25,10–22: 426 Lev 23,10: 92 25,11: 107 Num 6,24 f.: 81 20,1–13: 216 Dtn 4,29: 305 4,31: 444 6,5: 107, 137, 213, 326 6,7: 80 10,20: 207, 296
28,11: 230 30,3: 216 31,7: 287 32,3: 274, 406, 408, 453 33,26: 18, 31 Jos 1,5: 246 3,1: 287 Ri 5,1–31: 10, 99, 104 5,2: 10, 117 5,3: 117 5,4: 117 5,5: 118 5,6: 118 5,7: 118 5,8: 118 5,9: 118 5,10: 118 5,11: 118 5,12: 119 5,13: 119 5,14: 119 5,15: 119 5,16: 119 5,17: 119 5,18: 119 5,19: 119 5,20: 120 5,21: 120 5,22: 120 5,23: 120 5,24: 120 5,25: 120 5,26: 120
5,27: 120 5,28: 121 5,29: 121 5,30: 121 5,31: 121 14–16: 47 16,19: 314 16,21: 44 16,29 f.: 44 1Sam 2,1: 124 2,1–10: 10, 100 2,2: 124 2,3: 124 2,4: 125 2,5: 125 2,6: 125 2,7: 125 2,8: 125 f. 2,9: 126 2,10: 126, 171 13,14: 10 16,14–23: 177, 190 16,17–21: 469 2Sam 5,7: 201 11 f.: 217 22,1: 10 22,2: 10 23,2: 93 1Kön 3,9: 78 5,9: 93 8,57: 80 11,31–43: 227
Register der Bibelstellen
19,1–4: 217 2Kön 2,11 f.: 228 19,15: 222 19,15–19: 100 1Chr 15,19: 469 16,42: 11 25,1: 11 29,15: 226 2Chr 15,2: 305 15,4: 305 Neh 9,20: 308 Hiob 4,9: 246 6,13: 45 7,1 f.: 247 7,7: 315, 443 7,16: 247 f. 10,21: 138 13,23: 65 14,2: 314 25,6: 392 33,17: 78 33,26: 224 34,15: 227 42,8: 93 Ps 1,1: 286–288, 295 1,3: 371 1,4: 214, 301 3,5: 393 3,6: 196 4,4: 445 6,2 f.: 240 6,3: 285 6,4: 138 6,5: 59 7,12: 343
7,18: 71, 365, 367, 369 9,2: 107 9,10: 305 10,3: 420 10,12: 449 11,7: 207 16,2: 228 16,11: 352 17,8: 443 18,3: 53, 64, 79, 124, 242, 350 18,29: 209 18,42: 215 19,13: 65 19,15: 65 22,2: 213–215 22,7: 392 22,10: 245 22,16: 246, 272, 341 22,27: 437 23,2: 223 23,3: 205, 443 23,4: 205, 444 24,4: 210 24,7: 26 24,7–10: 416 24,8: 28, 32 24,10: 84, 255 25,1: 449 25,4: 287 25,5: 293 25,7: 59, 301 25,18: 70 25,20: 60, 248 27,1: 224, 285 27,9: 446 27,10: 55 27,12: 446 28,1: 245 30,2: 44 30,4: 64 31,6: 61, 73, 79, 228, 241, 246, 248, 301, 453 31,20: 301 31,23: 213
32,2: 65 32,4: 213 32,5: 241 34,2: 52 34,4: 91 34,9: 22, 209, 251, 438 34,10: 438 34,11: 293 34,19: 53 35,27: 216 36,6: 57 37,4: 230 37,39: 403 38,4: 245 38,5: 209, 223, 300 38,7: 213 38,10: 74 38,11: 245 39,5: 271 39,9: 217, 245, 445 40,2: 196 40,6: 434 40,9: 400 40,13: 213 40,18: 208, 240, 403 42,2: 47, 222 42,3: 251, 452 42,4: 452 42,5 f.: 217 42,8: 217 42,10: 214 43,4: 29, 350, 412 43,5: 226 44,8: 239 44,14: 228 45,3: 29, 32, 39, 172, 205, 294, 412 f. 45,14: 251 46,2: 224 46,5: 251 46,8: 142 47,2: 44, 52 47,5 f.: 52 50,2: 173 51,3: 35, 197, 302 51,4: 203
635 51,5: 197 51,7: 58, 64 51,9: 58, 197, 203 51,11: 78 51,19: 294 55,6: 215 55,23: 72 57,8: 413 57,9: 201, 239 57,10 f.: 224 59,11: 300 59,14: 27 62,3: 40, 444 62,7: 293 63,2: 452 63,4: 239 63,5: 440 65,4: 207 65,9: 88 65,10: 88 65,11: 88 65,12: 88 65,14: 88 68,5: 416 68,18: 52 68,19: 52 69,17: 402 69,21: 213, 215 69,31: 52 71,3: 64, 79, 124, 242, 350 71,5: 66 73,1: 210 73,14: 183 73,17: 367 73,25: 231, 237, 241, 305 73,26: 224, 350, 414 74,12: 432 74,15: 432 74,16: 432 74,17: 432 74,18: 16 76,8: 328 77,5: 215 78,2: 19 78,24: 53
636 78,39: 246 79,9: 73 80,4: 45, 222 80,15: 171 84,2: 415 84,3: 415 84,5 f.: 415 84,7: 211 86,2: 60 86,13: 53, 64 88,2: 295 88,8: 213 88,14: 60 89,2: 430 89,3: 430 89,6: 430 89,7: 430 89,8: 431 89,9: 430, 432 89,10: 431 89,11: 432 89,12: 431 89,14: 431 89,16: 431 89,17: 431 89,18: 431 89,19: 431 89,20: 431 89,48: 334 90,3: 245 90,9: 226 90,10: 271 91,3: 452 91,3–5: 445 91,4: 242 91,5: 395, 444 91,5 f.: 80, 241 f. 91,6: 242 91,11: 97, 416, 443 f. 91,11 f.: 79, 395 91,12: 198 91,12 f.: 444 91,13: 79 91,15: 64, 453 95,1: 433 95,2: 433, 439 95,3: 27, 31, 57, 87,
Register der Bibelstellen
108, 121, 130, 138, 142, 236, 242, 321 95,5: 433 95,6 f.: 433 96,1: 22 96,1 f.: 433 96,3: 433 96,4: 433 96,5: 433 96,6: 433 96,7: 434 96,9: 434 97,4: 434 97,5: 434 97,12: 439 98,4: 437 101,5: 80 102,4: 226, 450 102,4 f.: 450 103,3: 45, 197, 245, 302 103,4: 97 103,14: 227, 443 103,15 f.: 313 103,16: 313 104,1: 84 104,2: 84 104,3: 84, 344 104,4: 84 104,5: 85 104,6: 85 104,7: 85 104,8 f.: 85 104,10: 85 104,10 f.: 438 104,11: 85 104,12: 85 104,13 f.: 85 104,15: 86 104,16: 86 104,17: 86 104,18: 86 104,19: 86 104,20: 86 104,21: 86 104,22: 86
104,23: 86 104,24: 87 104,25: 87 104,26: 87 104,27: 87 104,28: 87 104,29: 87 104,30: 87 104,32: 88 104,33: 88, 426 106,1: 77, 416 106,2: 87, 240 107,8: 239 107,9: 80 107,20: 452 107,42: 367 109,1: 81 109,22: 452 109,26: 240 110,1: 51 110,7: 46 111,10: 93 112,4: 240 112,8: 348 113,7: 214, 409 116,3: 44, 215 f. 116,5: 179 116,7: 217, 350, 397 116,12: 240 118,6: 446 118,22: 46 118,25: 108, 138, 163, 195 119,1: 307 119,28: 208 119,34: 400 119,42: 60 119,50: 53 119,51: 230 119,105: 53, 444 119,108: 196 119,117: 197, 286 119,153: 59 119,160: 33 119,170: 197 121,7: 230 121,8: 196
126,5 f.: 216 130,3 f.: 302 132,15: 80 136,3: 267 139,1: 327 139,5: 79, 208 139,9 f.: 445 139,13: 395 140,2: 218 141,2: 182, 196 141,8: 60 143,1: 242 143,10: 58, 79, 240, 279, 296 144,4: 314 144,9: 84 145,1: 88 145,2: 196 145,5: 315 145,14: 293 145,15: 166, 196 145,15 f.: 438 146,2: 351 147,3: 294 147,7: 239 147,9: 438 149,1: 51 Prv 5,22: 209, 302, 321 6,12–14: 301 8,13: 405 9,10: 58 10,22: 438 10,26: 315 12,19: 386 14,31: 306 16,6: 305 16,16: 20 17,3: 154 20,22: 78 23,17: 60 Koh 1,14: 179 2,11: 179 2,17: 320
637
Register der Bibelstellen
2,23: 229 3,20: 227, 314 4,2: 320 6,12: 226 7,19: 196 9,3: 57 Hld 1,2: 414 1,4: 54 1,7: 449 1,16: 39 2,3: 252 2,5: 222, 450 2,14: 203 2,16: 403 3,1 f.: 252 3,2: 222 3,4: 252 4,7: 251 5,2: 241 5,6: 216 5,8: 222 5,9 f.: 252 5,11: 252 5,12: 252 5,13: 33, 252 5,14 f.: 252 8,1: 222 Jes 1,3: 20 1,5: 14 2,4: 221 2,5: 221 5,14: 34, 53, 125 6,3: 254, 321 7,14: 28, 39, 201, 235 9,2: 47, 173 9,5: 26 f., 31, 45, 171, 234, 242, 254, 394 11,1: 29 11,2: 58 12,6: 255 17,10: 214
26,1: 129 26,1–21: 100 26,2: 129 26,3: 129 26,4: 129 26,5: 129 f. 26,6: 130 26,7: 130 26,8: 130 26,9: 130 26,10: 131 26,11: 131 26,12: 131 26,13: 131 26,14: 131 26,15: 131 26,16: 132 26,17: 132 26,18: 132 26,19: 132, 271, 325 26,20: 133 26,21: 133 28,14: 248 28,15: 271 30,27: 179 38,1–8: 10 38,10: 136 38,10–20: 100 38,11: 136 38,12: 136 f. 38,13: 137 38,14: 137, 208 38,15: 137 38,16: 137 38,17: 138, 215 38,18: 138 38,19: 138 38,20: 10, 138 40,6 f.: 226 40,31: 54, 195 41,4: 407 42,16: 294 43,2: 242 44,6: 407 50,6: 235 53,4: 32, 46, 66, 234, 236
53,4 f.: 34 53,5: 33, 39, 72, 235 f., 327 53,6: 171 53,7: 34, 72, 234, 236, 403 53,8: 46 53,10: 33, 39, 46 53,11: 235 53,12: 66 55,1: 202 57,2: 449 59,7: 215 59,12: 57 60,19: 241 61,2: 196 61,3: 204 61,10: 205, 351 62,1: 251 62,5: 26, 352 63,2: 66 63,2 f.: 205 64,3: 205 65,12: 213 65,18: 251 Jer 6,8: 214 6,16: 237, 353 7,13: 213 10,19: 38, 470 11,20: 271 14,7: 35, 217 15,6: 214 15,15: 296 15,16: 60 17,9: 245 17,14: 81 20,11: 79 26,13: 344 31,13: 215 32,18: 52, 217 45,3: 217 50,7: 173 Thren 1,2: 52 1,21: 213
2,5: 214 2,18: 33 3,8: 215 3,22 f.: 434, 437 3,42: 217 Ez 7,19: 228 12,2: 301 34,16: 172, 293 37,7 f.: 325 37,10: 325 37,13: 48 47,12: 425 Dan 4,26 f.: 409 4,28–30: 409 4,34: 366 Hos 1,2: 27 2,19: 29 2,19 f.: 27 2,21 f.: 302 4,6: 57 10,8: 328 11,8: 236 13,14: 45, 246 Joel 3,4: 248 4,16: 28 Am 6,6: 369 Mi 7,18: 301 Zeph 1,18: 228 Hag 2,8: 413 Sach 9,9: 44 12,10: 33
638
Register der Bibelstellen
Neues Testament Mt 1,23: 39, 201, 235 2,1: 20 2,2: 445 2,2–9: 20 3,17: 32 4,16: 240, 453 4,17: 64 5,9: 54 5,16: 401 5,17: 327 5,37: 307 5,44: 306 6,5–13: 393 6,6: 396 6,7: 396 6,8: 440 6,10: 80, 248 6,11: 80 6,12: 70 6,13: 74 6,19: 307, 420 f. 6,19 f.: 54 6,19–21: 237 6,21: 22 6,24: 247, 420 6,26: 421 6,28: 421 6,28 f.: 313 6,29: 227 6,34: 420, 440 7,7: 284, 394, 397, 409 7,13: 316, 336 7,13 f.: 446 7,14: 203 7,19: 401 7,20: 407 7,21: 402 8,2: 246 8,12: 229, 422 8,23–27: 375 9,12 f.: 207 9,13: 64
9,15: 205, 234, 412, 451 10,28: 242, 326 10,30: 445 10,38: 59, 284 f. 11,25: 97, 364 11,28 f.: 284 11,29: 72, 78, 237, 289, 297 11,30: 70 12,36: 66, 208, 269 13,22: 420 13,42: 229 16,24: 285, 288, 405, 408 16,26: 60, 228, 319, 421 17,2: 46 18,11: 348 18,23–25: 197 19,21: 54, 229 19,28 f.: 287 21,22: 394 21,42: 46 22,13: 336 22,14: 337 22,37: 213 24,9: 288 24,16: 54 24,27: 312 24,30: 325 24,35: 386 24,42: 271 24,43: 311 24,44: 311 24,48: 207 25,6: 26, 39 25,12: 337 25,21: 271, 352 25,23: 271, 352 25,26: 343 25,30: 343 25,31 f.: 330 25,31–46: 272, 327 25,32 f.: 21, 337
25,34: 248, 255, 402 25,41: 21, 66, 271, 330, 341 25,46: 60, 333, 343 26,26–28: 351 26,26–29: 427 26,28: 39, 67, 208, 327 26,34–75: 217 26,41: 285 26,47–56: 236 27,26: 34, 66, 235 f. 27,26–32: 34 27,26–50: 234 27,27–30: 236 27,29: 32 27,30: 32 27,31–50: 236 27,33–36: 236 27,34: 236 27,35: 32, 234 27,50: 38, 236, 471 27,52: 45 27,59: 44 27,60: 38 f., 45, 66, 470 28,6: 19, 44 28,18: 52 Mk 9,24: 67 9,44: 209 9,46: 209 9,48: 209 15,17: 66 16,1: 19 16,19: 19, 51 Lk 1,46–55: 10 1,52: 409 1,68: 171 1,68–79: 10, 100, 104 1,69: 171
1,70: 171 1,71: 172 1,72 f.: 172 1,74 f.: 172 1,76: 172 1,77: 172 1,78: 173 1,79: 27, 173 2,1–20: 375 2,8–14: 29 2,11: 28, 234 2,12: 19 f., 28 2,13 f.: 19 2,29–32: 10 4,18: 172 5,21: 197 6,36: 422 9,29: 394 9,56: 67 9,62: 286 10,21: 386 10,34: 208 10,39: 203 11,36: 210 12,15: 440 12,20: 270, 312, 319 12,24: 438 12,33 f.: 205 13,25: 337 13,27: 337 14,27: 284 15,2: 418 15,4: 64 15,11–21: 240 15,20: 216 16,20: 270 16,23: 451 16,23 f.: 336 17,10: 33, 412 17,28 f.: 312 20,36: 54, 223, 401 21,18: 71 22,19: 427 22,31: 216 22,32: 73
639
Register der Bibelstellen
22,42: 72 22,44: 66, 237, 241 22,53: 241 23,27: 39 23,30: 328 23,43: 55 24,26 f.: 35 24,29: 198, 241 24,32: 18 24,40: 327 Joh 1,4: 351 1,12: 302 1,14: 31 f., 38, 203, 470 1,29: 26, 32, 39, 70, 234 1,34: 32 1,51: 426 3,14: 234 3,15: 47 3,15 f.: 67 3,16: 26, 38, 236, 246, 286, 351, 394, 400, 453, 471 4,10: 351 4,14: 203, 351 5,22: 325, 330 5,24: 350 5,25: 325 5,27: 325, 330 5,28 f.: 48, 325 5,39: 179, 352 6,31 f.: 426, 428 6,33: 31 6,35: 53 6,38: 27 6,39: 248 6,41: 32 6,44: 54 6,50 f.: 426 6,51: 53, 202 6,57: 107 6,63: 18 7,7: 321
8,12: 77, 241, 284, 286 f., 296, 351, 412 8,24: 402 8,34: 71 8,44: 16 8,51: 351 9,5: 204, 241 10,9: 418 10,12: 412 10,28: 350 10,29: 308 11,25: 223, 285, 287, 295, 412 f. 12,24: 406 12,25: 320, 322 12,25 f.: 405 14,3: 53 14,6: 53, 197, 223, 282, 284, 413 14,13: 439 14,16: 242, 296 14,26: 292–294 15,1: 209 15,5: 209 15,9 f.: 402 15,13: 34, 38, 286, 327, 471 15,18: 288 15,22: 302 15,26: 294 16,7: 292, 294 16,8: 172 16,20: 47, 215 16,23: 284 16,33: 28 f., 51, 375 17,1: 396 17,17: 350 19,17: 403 19,34: 33, 192, 202, 428 19,37: 66 20,27: 327 Apg 1,10: 53 2,20: 248
2,31: 46 2,33: 427 3,15: 51 12,23: 314 20,28: 35 26,13: 84 27,34: 71 Röm 1,7: 81 2,14 f.: 207 2,15: 211 3,4: 59 3,18: 57 3,25: 196, 208, 426 4,25: 38 5,1: 35, 47 5,1 f.: 282 5,9: 35 5,10: 27, 64 5,20: 241 5,21: 47 6,4: 45 6,9: 46 6,16: 57 6,16 f.: 71 6,20: 71 6,23: 247 7,14: 35 7,18: 65 7,18 f.: 65 7,25: 236 8,2: 237 8,3: 51 8,7: 327 8,9: 292 8,14: 271, 302, 305, 443 8,16: 91 8,17: 74, 231, 350 8,23: 352 8,32: 209 8,35: 237 8,37: 72, 237, 297, 348 8,38 f.: 303, 305 10,17: 39
11,20: 439 12,17: 78 12,19: 73 13,13: 198 14,8: 308 14,17: 297 15,4: 223 15,7: 197 15,13: 53 15,16: 236 15,17: 348 16,20: 44, 52 16,25: 93 1Kor 1,27: 197 1,30: 412 2,9: 205, 353 2,10: 292 2,10–12: 293 2,13: 99 2,14: 57 3,7: 440 3,11: 39 4,5: 327 6,2: 329 6,10: 335 6,14: 48 7,31: 80 9,24: 204, 286 9,24 f.: 211 9,25: 377 10,13: 73 f., 223 11,27: 201 12,1–11: 296 12,4–7: 218 12,12: 53 12,27: 22, 54 13,12: 55, 67, 224, 255, 289 13,13: 71, 209, 306 15,3: 286 15,9: 184 15,20–22: 53 15,22: 247 15,28: 321 15,31: 215, 226
640 15,36: 406 15,40: 48 15,41: 255 15,42: 48 15,49 f.: 247 15,52: 325 15,53: 451 15,55: 27, 35, 45, 51, 203, 248, 349, 351 15,55–57: 51, 350 15,57: 47, 51, 66 15,58: 198 16,14: 60 2Kor 1,3: 239 1,4: 19 1,5: 403 1,7: 47 1,21 f.: 53 1,22: 426 3,18: 222 4,4: 19 4,6: 33 4,8: 204 4,9: 293 4,17: 341 4,18: 107 5,2: 295 5,4: 451 5,5: 426 5,10: 271, 400 5,14 f.: 19 5,15: 403 5,18 f.: 32 6,2: 172, 226, 333 6,4: 303 6,15: 45 7,1: 210 7,9–11: 59 8,9: 327 11,23–27: 217 Gal 1,4: 403, 412
Register der Bibelstellen
3,13: 27, 171, 208, 235 3,13 f.: 35 3,26: 242 4,4 f.: 400 5,1: 210 5,16–18: 237 5,17: 71 5,18: 60, 293 5,20: 78 5,22: 47, 293 f., 306 5,24: 73, 237, 402, 409 5,26: 307 6,1 f.: 370 Eph 1,7: 208, 327, 426 1,10 f.: 400 1,13: 415 1,14: 66, 426 1,17: 403 1,22: 53 f. 2,1: 350 2,6: 45, 54, 230 2,7: 216 2,17: 27 2,19: 286, 349, 376, 427 2,20: 46 3,7: 369 3,17: 29, 47 4,11: 53 4,22: 402 4,23: 402 4,26: 78 4,31: 78 4,32: 286 5,2: 205 5,4: 78 5,14: 316 5,16: 345 5,29: 216 5,30: 53 6,11: 209, 216, 247, 393 6,11 f.: 66
6,12: 211 6,16: 45, 393, 425, 428 6,18: 184, 196 Phil 1,21: 29, 295 1,23: 223, 449 1,29: 203 2,7: 26 2,7 f.: 27, 235, 327 2,8: 34, 38, 235, 471 2,9: 52 2,10: 196 2,13: 294 2,15: 302 3,14: 204 3,19: 386 3,21: 48 4,6: 440 Kol 1,18: 53 f. 1,20: 35, 39 1,27: 230 2,7: 73, 414 2,14: 208 2,15: 52 2,18: 288 3,1: 47 3,2: 54, 104, 227, 319, 337, 386, 421 3,5: 35, 78, 420 3,8: 78 3,14: 293 3,17: 58 1Thess 1,3: 209 1,10: 35 3,9: 236 4,16: 325 5,9: 370 5,17: 198 5,18: 196 5,23: 29, 80
2Thess 2,13: 349 2,16 f.: 303 3,3: 197 3,12: 308 1Tim 1,15: 210, 223, 415 1,17: 366 1,18 f.: 17 4,7: 93 4,8: 461 4,9: 223 5,6: 208 6,15: 97 6,17: 419 2Tim 1,10: 32, 44, 348 2,21: 79 2,26: 241, 247, 344 4,5: 71, 198 4,7: 289 Tit 1,15: 210 2,11: 172 3,4: 300 3,5: 351 3,7: 349 3,14: 403 1Petr 1,4: 229, 449 1,9: 45 1,18 f.: 65, 67, 248, 286 1,19: 33, 35 f., 208, 234 1,24: 226 2,1: 198, 305 2,21: 287, 438 2,25: 344 3,18: 235 5,4: 105, 182, 191, 348 f., 465 5,5: 306 5,7: 72
Register der Bibelstellen
5,8: 348, 393 5,10: 274 2Petr 1,4: 307 1,17: 46 1,19: 28 1,21: 107 2,22: 287 1Joh 1,5: 77 1,7: 33 1,9: 403 2,15: 226 f., 285, 345 2,15 f.: 306 2,16: 57, 247, 335 2,16 f.: 345 2,17: 255 2,25: 285 3,1: 230, 302 3,8: 45, 59, 64 3,10: 344 3,22: 402 4,8: 406 4,9: 416 4,10: 235 4,14: 407, 412 4,17: 46 5,4: 28, 237 5,6: 91 Hebr 1,3: 226, 412 2,14: 45 2,17: 29, 53
4,9: 192, 211, 351 4,12: 272, 341, 345 4,15: 32, 34, 223, 234 4,16: 196 5,9: 210 6,8: 401 7,26: 235 9,12: 100 9,14: 208 9,15: 427 9,26: 32 9,27: 46, 179, 246 10,19: 208, 248 10,22: 67 10,24: 196 10,29: 295 10,36: 70 11,1: 72, 100 11,14: 319, 426, 449 11,26: 236 12,1: 211, 218 12,6: 72 13,12: 195 13,13: 228, 236 13,14: 54, 318 13,15: 22, 254 Jak 1,4: 74 1,12: 73, 223 1,17: 16, 369, 395, 408 1,21: 179 4,2: 27 4,14: 226, 315 5,13: 277
Judas 7: 329 16: 70 Apk 1,5: 33 1,6: 255 1,7: 325 1,8: 407 1,12–17: 328 1,18: 51 2,7: 55, 280, 350, 425, 450 2,10: 223 3,5: 349 4,4: 271 4,8: 224, 254, 321 4,11: 223 5,5: 44 5,11: 326 6,16: 328 6,17: 328 7,9: 326 7,10 f.: 255 7,11: 452 7,12: 29 7,16: 321 8,6: 325 12,10: 271, 326, 329 14,7: 439 14,11: 344 14,13: 192, 248, 321, 326, 351 14,18: 48 15,1–4: 224 19,1: 55, 224, 321
641 19,1–4: 253 19,3: 55 19,7: 205, 254 19,9: 252 19,16: 97 20,2: 237 20,11 f.: 272 20,12: 325 f. 20,12–15: 334 20,14: 35, 52, 334 20,15: 329, 333 21,2: 185, 251 21,3: 253 21,4: 48, 55, 192, 203, 211, 221, 253 f., 321, 348, 449 21,6: 255 21,7: 224, 451 21,8: 334, 343 21,18: 253 21,18–20: 253 21,19: 253 21,21: 253 21,23: 254, 287, 349, 412 f. 21,25: 253 21,27: 253 22,2: 425 22,3: 254 22,4 f.: 255 22,5: 224, 253 f. 22,12: 345 22,13: 407 22,17: 192, 202, 222, 252 22,20: 81, 353, 453
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Register der Bibelstellen
Apokryphen Jdth 4,12: 392 10,9: 143 11,8: 65 13,1–10: 10 16,1–21: 99, 104 16,2: 10, 141 16,3: 141 16,4: 141 16,5: 142 16,6: 142 16,7: 142 16,8: 142 16,9: 143 16,10: 143 16,11: 143 16,12: 143 16,13: 143 f. 16,14: 144 16,15: 144 16,16: 144 16,17: 144 16,18: 145 16,19: 145 16,20: 145 16,21: 145 Sap 1,5: 295 f. 2,1: 247 2,23: 421 3,1: 449 5,15: 315 5,16: 370 6,25: 11 7,28: 58 12,18: 301 Tob 2: 217
3,23: 97, 254 5,5–29: 444 13,1–22: 10, 100 13,2: 148, 328 13,3: 148 f. 13,4: 149 13,5: 32, 149 13,6: 149 13,7: 149 13,8: 149 13,9: 149 13,10: 150 13,11: 150 13,12: 150 13,13 f.: 150 13,15: 150 13,16: 150 13,17: 150 13,18: 150 13,19: 150 13,20: 151 13,21: 151 13,22: 151 Sir 1,20: 58 2,4: 216 6,18: 58 7,40: 268 9,24: 101 10,10: 226 12,6: 214 14,9: 420 27,12: 314 29,28: 439 34,19 f.: 367 39,35: 344 40,1: 47 42,15: 154 42,15–43,37: 100
42,17: 154 42,18: 154 42,19: 155 42,20: 155 42,22: 155 42,23: 155 42,24: 155 42,26: 155 43,1: 155 43,2: 156 43,3 f.: 156 43,5: 156 43,6: 156 43,7: 156 43,9: 157 43,10: 157 43,11: 157 43,12: 157 43,13: 157 43,14: 157 43,15: 157 43,16: 157 43,17: 157 43,18: 158 43,19: 158 43,20: 158 43,21: 158 43,22: 158 43,23: 158 43,24: 158 43,25: 159 43,26: 159 43,27: 159 43,28: 159 43,29: 159 43,33 f.: 159 43,36: 159 50,24: 369 51,6: 34, 53, 125
StDan 3,1–26: 163 3,27–66: 10, 100 3,28: 163 3,30: 163 3,31: 163 3,33: 164 3,34: 164 3,36: 164 3,37: 164 3,38: 164 3,39: 164 3,40: 164 3,41–43: 164 3,44: 164 3,45 f.: 165 3,47 f.: 164 3,48: 165 3,49: 165 3,50: 165 3,51–54: 165 3,54: 165 3,55: 165 f. 3,56: 165 3,57: 166 3,58: 166 3,59: 166 3,60 f.: 167 3,62: 167 3,63: 167 3,64: 167 3,66: 168 GebMan 14: 452
Abkürzungsverzeichnis Im edierten Text: D. Dienstw. Dn. Eccles. ad d. Jacob. E. E. G./E. Gn. E. Gestr: E. Gestreng: E. HochGräffl. Gn. E. Hochw. etc. E. WolEhrw. Fr. Fürstl. Fürstl. Braunsch. Lüneb. Gestr./Gestreng: Gn. H. H. H. H. P. Hamburg. hochadel. ibid. Lüneburg. M. Octob: P. W. S.
Doctor Dienstwillig Dominum Ecclesiastes ad domum Jacobi Euer Euer Gnaden Euer Gestrengigkeit Euer Gestrengigkeit Euer Hochgräfliche Gnaden Euer Hochwürden et cetera Euer Wohlehrwürden Frau Fürstlich Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgisch Gestrengigkeit Gnaden Heilig Herr Himmlisch Holsati Pastoris bzw. Holsteinischen Pastoren Hamburgi hochadelige ibidem Lüneburgischer Magister Octobris Pastor Wedeliensium Sanct
Anderweitig verwendete Abkürzungen: BSB FB HAB MPG MPL SB SUB UB ULB
Bayerische Staatsbibliothek Forschungsbibliothek Herzog August Bibliothek Migne, Patrologia Graeca Migne, Patrologia Latina Staatsbibliothek Staats- und Universitätsbibliothek Universitätsbibliothek Universitäts- und Landesbibliothek
Personenverzeichnis Biblische Personen Aaron 216 Abed-Nego 163 Abraham 172, 406, 451 Adam 235, 400, 402, 404 f., 419 Anath 118 Asaph 11, 469 f., 571, 574 Asarja 167 Barak 119 David 10, 93, 171, 190, 200 f., 217, 314, 368, 375, 469 f., 571, 574 Debora 9, 99, 104, 117–119 Elia 217, 228 Elisabeth 171 Elkana 124 Esau 421 Hananja 167 Hanna 10, 100, 124 Heber 120 Heman 11 Herodes 314 Hiob 93 Hiskia 10, 100, 136 Holofernes 10, 141–143 Isaschar 119 Jabin 117 Jael 118, 120 Jacobus (Herrenbruder) 277 Jakob (Patriarch) 29 Jedithun 11 Jeremia 92 Jesaja 92, 100, 129
Jesus Christus passim Johannes der Täufer 171 Johannes von Patmos 328 Joseph (Patriarch) 217, 369 Josua 287 Judith 10, 99, 104, 141 f. Lazarus 270, 451 Lot 366 f. Maria, Mutter Jesu 10, 28 Mesach 163 Misael 167 Mose 9, 91 f., 99, 104, 110, 216 Noah 217, 295 Paulus 17, 217 Petrus 217 Pharao 9, 91, 110 f., 114 Ruben 119 Sadrach 163 Salomo 10, 92 f., 178 f., 227, 313 Samgar 118 Samuel 10, 100 Saul 10 Simeon 10 Simson 42, 44, 47, 314 Sirach 100, 154 Sisera 9, 117, 120 f. Tobias 10, 100, 148, 217, 444 Zacharias 10, 100, 104, 171, 575
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Personenverzeichnis
Sonstige Personen Agamemnon 280 Aglaia 388 Ahlefeldt, Detlev von 259, 267, 569 Aigisthos 280 Albertinus, Aegidius 184 Alemán, Mateo 183 Alexander d. Gr. 229, 262, 315 Alkibiades 269 Anakreon 380 Antiochos 269 Antoninus, Marcus Aurelius Commodus 359 Antoninus, Marcus Aurelius Severus 359 Antonius, Marcus 359 Apollo(n) 275, 282, 376, 380 f., 388 Arion von Lesbos 280 Aristophanes 381 Arndt, Johann 14 f., 31, 44, 51, 57, 70, 77, 84, 207, 226, 273, 375, 412, 473, 478, 483, 487, 491, 495, 507, 512, 536, 574–576, 579 Artemis 275 Asklepiades von Samos 380 Athene 261 Augustinus, Aurelius 375 Aurnhammer, Achim 264 Bach, Johann Sebastian 576 Bardeleben, Brand von 462 Bardeleben, Christian von 458, 463 f. Bardeleben, Christoph von 457, 570 Bardeleben, Elisabeth von, geb. von Wietersheim 462 f. Bardeleben, Georg Ernst von 463 Bardeleben, Gerhard von 462 f. Bartas, Guillaume de Saluste Sieur Du 362 Basilius d. Gr. 375 Basilius von Caesarea 375 Blume, Herbert 105, 279 Bockwohlt, Paul von 357, 569 Bogner, Ralf Georg 577 Both(e), Bartholomäus 106 Brauch, Albert 102 Braun, Johann Georg 582 Braunschweig-Lüneburg, August von 188 Braunschweig-Lüneburg, Ernst August I. von 385 Braunschweig-Lüneburg, Julius Heinrich von 276 Braunschweig-Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich von 102
Briegel, Wolfgang Carl 582, 587 Bruning, Jens 574 Buchner, Augustus 186 Bucholtz, Andreas Heinrich 368 Caesar, Gaius Julius 262, 315, 359 Caligula siehe Germanicus, Gaius Iulius Caesar Calixt, Georg 574 Canalis, Paulus 275 Caracalla siehe Antoninus, Marcus Aurelius Severus Christian IV., König von Dänemark 180 f., 462, 569 Cicero, Marcus Tullius 358 f., 378, 453 Commodus siehe Antoninus, Marcus Aurelius Commodus Conermann, Klaus 569 f. Crüger, Johann 582, 587 Dadelsen, Georg von 582 Dammann, Günter 568, 570 f. Demodokos 280 Dieterich, Anna 278 Diomedes 261 Dionysos 362, 389 Doerr, August von 91 Dohna, Karl Hannibal von 186 Domitianus, Titus Flavius 359 Dünnhaupt, Gerhard 577 Ebeling, Johann Georg 582, 587 Ebio, Matthias 582 Eggers, Albert 385 Elfring, Johann 469, 571 Erato 275, 281 Erk, Ludwig 585 Eros 389 Eumolpos 381 Euphrosyne 388 Eurydike 280 Euterpe 275 Faust, Ulrich 9 Fernando de Aragón 361 Föcler, Isaac 181 Gaisser, Julia Haig 275 Gallus Anonymus 314
Personenverzeichnis Garber, Klaus 186 Gebhardi, Ludwig Albrecht 9, 457 Gerhard, Johann 15, 273, 375, 392, 405, 425, 450, 453, 524, 530, 540, 574 f., 577, 579 Gerhardt, Paul 582, 585 Germanicus, Gaius Iulius Caesar 359 Germanicus, Nero Claudius Caesar Augustus 359 Geta, Publius Septimius 359 Gisenius, Johannes 278 Gleixner, Ulrike 574 Grapenthin, Ulf 14 Grave, Anna 385 Grimm, Jürgen 605 Grote, Eberhard von 457, 464 Grotius, Hugo 105 Grummer, Theobald 22, 108, 192, 379, 571 Halberstadt, Christian von 15 Hammer, Friedrich 373 Haselhorst, Johann Heinrich von 9, 459 f., 569 Hattendorff, Mathias 181 Heermann, Johann 23, 264 Heermann, Samuel 23 Heinrich III., König von Navarra 263 Hera 389 Hesiod 91 Hirschburg, Valentin Theokrit von siehe Mögling, Daniel Homer 91, 261 f., 358, 380 Hudemann, Johann 572 Ingen, Ferdinand van 378 Jäger, Johannes 373 Jaumann, Herbert 275, 361 f. Jürgensen, Renate 570 Jupiter 275, 374 Kalcheim, Wilhelm von 264 Kalliope 275, 280, 388 Kirchhoff, Albert 278 Kirchhoff, Jens 278 Kirchhoff, Johann 278 Klio 275 Klotz, Stephan 181, 576 Krabbe, Wilhelm 22 Krause, Karl Ernst Hermann 264 Kriegsmann, Johann Samuel 582 Kühlmann, Wilhelm 186
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Küster, Konrad 568 f., 573, 580, 582, 584, 586 f., 604 La Noue, François de 263 Lente, Georg Friedrich von 457, 464 Lenz, Rudolf 18 Leopold, Silke 585 Liechtenberg, H. J. von 389 Liess, Bernhard 23 Linos 380, 389 Lohausen siehe Kalcheim, Wilhelm von Lohenstein, Daniel Casper von 607 Luther, Martin 34, 99, 125, 325, 367, 375, 567, 575 Lysandros 269 Maaler, Josua 375 Maché, Ulrich 368 Macrianus Maior siehe Macrianus, Fulvius Macrianus Minor siehe Macrianus, Titus Fulvius Iunius Macrianus, Fulvius 359 Macrianus, Titus Fulvius Iunius 359 Mager, Inge 567, 569, 574, 576, 578 Mannack, Eberhard 576 Manutius, Aldus 275 Meid, Volker 188 Melpomene 275 Menandros 380 Meyer, Philipp 106, 464 Meyer-Minnemann, Klaus 386 Meyfart, Johann Matthäus 359, 575 Midas 362 Minerva 261 Mislik von Hirschhoff, Johann Brzetislaw 11, 18, 91, 569, 571 f. Mislik von Hirschhoff, Sigmund 91 Mögling, Daniel 263 Mohr, Rudolf 264 Moos, Peter von 450 Müller, Johann 576 Munk, Christine 569 Musaios 91 Narcissus 359 Nero siehe Germanicus, Nero Claudius Caesar Augustus Neu, Heinrich 181 Nicolai, Philipp 450 Oiagros 280 Opitz, Eckardt 259
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Personenverzeichnis
Opitz, Martin 186, 188, 341, 363, 368, 374, 522, 570–572, 574 f., 579 Orpheus 91, 280, 380 Ovidius Naso, Publius 280, 362, 381 Pentz, Christian von 180, 569 Petermann, Tobias 470, 576 Petrarca, Francesco 361 Phoebus 275, 388 Piast 314 Pindaros 91, 380 Platon 450 Pogwisch, Ida 259 Pogwisch, Sievert 259 Poliziano, Angelo 361 Polyhymnia 275 Pompeius Magnus 359 Popiel II. 314 Post, Eustachius Friedrich von 458 Praetorius, Michael 595 Prätorius, Bernd 376 Procházka, Roman von 91 Qualen, Hans Hellmuth 266 Quietus, Titus Fulvius Iunius 359 Rebenlein, Jacob 278 Reusch, Fritz 595 Rist, Johann passim Ritter, Alexander 568 Ronsard, Pierre de 263, 362 Rumohr, Henning von 181, 259 Sannazaro, Jacopo 361 Schade, Herwarth von 373 Schaffshausen, Nicolaus 276 Schepeler, Gerhard 385, 387, 571 Schilling, Michael 188 Schleswig-Holstein, Sophia Elisabeth von 177, 569 Schneider, Hans 14 Schop, Johann 7, 14, 89, 100–103, 175, 184, 257, 273, 355, 369, 380, 382 f., 468 f., 567, 573 f., 584 f., 587, 589, 592, 595 f., 602–605, 613, 615–618 Schottelius, Justus Georg 188, 372, 571 Schrader, Ilsebe 278 Schütz, Heinrich 581, 588, 593, 605 Schwartz, Anna 278
Schwartz, Heinrich 462 Schweinitz, David von 264 f., 568 Sidney, Philip 263 Spee, Friedrich 38, 579 Starck, Gottfried Sebastian 464 Stegmann, Josua 15, 195, 201, 273, 278, 292, 499, 503, 516, 574 f., 579 Steiger, Johann Anselm 15, 568, 572, 575, 577, 582 Stella, Lucius Arruntius 380 Stemann, Christian Ludwig Ernst von 357 Stern, Heinrich 89, 98, 175, 257, 355, 577 Stern, Johann 89, 98, 175, 257, 355, 577 Stichel, Rainer 375 Sträter, Udo 569, 578 Tancmar, Johannes 281, 383 Terpandros 380 Terpsichore 275 Thales 280 Thalia 275, 388 Thamyras (Thamyris) 380 Themistokles 358 Theokritos 380 Tilly, Johann t’Serclaes von 264 Tischer, Franz 91 Tscherning, Andreas 374, 376, 571 Urania 275, 380, 389 Valeriano Bolzani, Pierio 275 Venus 374 f. Vergilius Maro, Publius 359, 381 Viau, Théophile de 386 Vopelius, Gottfried 605 Wander, Karl Friedrich Wilhelm 273, 343, 402, 418 f., 451, 461, 466 Werder, Diederich von dem 264 Weyhe-Eimke, Arnold von 9, 457 f. Wilms, Heinz 378 Zahn, Johannes 585 Zesen, Philipp von 105, 191, 279, 377, 567, 571 Zeus 389 Zincgref, Julius Wilhelm 188 Zuccalmaglio, August Wilhelm von 585
Dank Mit wertvollem Rat unterstützten die Arbeit an der vorliegenden Edition: Prof. Dr. Stefanie Arend (Rostock), Prof. Dr. Marc Föcking (Hamburg), Prof. Dr. Inke Gunia (Hamburg), Dr. Andreas Herz (Wolfenbüttel), Prof. Dr. Ferdinand van Ingen (Amsterdam), Jens Kirchhoff (Selk), Prof. Dr. Hartmut Laufhütte (Passau), Dr. Eckhard Michael (Lüneburg), Prof. Dr. Ingrid Schröder (Hamburg). Silke Wittenberg (Bautzen) richtete dankenswerterweise die Notendateien ein. Besonderer Dank gilt meiner Mitarbeiterin Corinna Flügge (Hamburg) für die fruchtbare Zusammenarbeit in allen Phasen des Projektes, Prof. Dr. Konrad Küster (Freiburg i. Br.) für die Besorgung der Notenedition samt kritischem Bericht und Prof. Dr. Inge Mager (Hamburg) für die Abfassung der Einführung und manch wichtige Hinweise. Zu danken ist ferner Sarah Lehmann und Ilona Bents für die Erstellung des Personen- bzw. des Bibelstellenverzeichnisses. Gedankt sei überdies der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche für die finanzielle Unterstützung der Projektarbeiten und dem Akademie Verlag, insbesondere seinem Leiter Prof. Dr. Heiko Hartmann sowie dem Lektor Peter Heyl, für die professionelle Kooperation. Hamburg, am Reformationstag 2011
Johann Anselm Steiger