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German Pages 320 [322] Year 2018
Historische Biografie Herausgegeben von Manfred Clauss Nikolas Jaspert Michael North und Volker Reinhardt
Heinrich Schlange-Schöningen
Hieronymus Eine historische Biografie
Für Ille
Abbildungsnachweis: ahg-images: S. 22, 48, 83, 85, 90, 91, 92, 93, 95, 99, 101, 102, 103, 104, 135, 136, 156, 166, 167, 168, 171, 213, 216, 218, 228; wiki/© Boni S. 280; Peter Palm S. 33, 69, 77. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Verlag wbg Zabern ist ein Imprint der wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt © 2018 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Dirk Michel, Mannheim Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Einbandabbildung: Der heilige Hieronymus und der Löwe. Predella von Filippo Lippi (vermutl.), 1458-1460. National Gallery, London. Foto: © akg-images. Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt am Main Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-5149-2 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-5152-2 eBook (epub): 978-3-8053-5153-9
Inhalt Einleitung .......................................................................... 7 „Vater und Verteidiger der Kirche“ ........................................... 10
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Eine Trauerfeier in Rom ........................................... 12 Das Ideal der christlichen Askese....................................... 15 Der Traum vom göttlichen Strafgericht ............................... 18
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Kindheit und Jugend ................................................ 24 Das Geburtsjahr............................................................. 24 Der Geburtsort Stridon.................................................... 30 Hilferufe in die Heimat ................................................... 34 Ein Sohn aus gutem Hause .............................................. 36 Die Ausbildung in Grammatik und Rhetorik ........................ 41 Ein antikes Studentenleben.............................................. 47 Eine christliche Erziehungslehre ....................................... 52
3
Im Westen und im Osten des Reiches..................... 56 Nach Trier .................................................................... 57 Ein Bekehrungserlebnis in Trier?....................................... 61 Die Rückkehr nach Italien................................................ 67 Die Reise nach Antiochia ................................................. 72 In der Wüste................................................................. 76 Die „Vita des Heiligen Paulus“........................................... 83 Das Bild des Wüstenheiligen ............................................ 88 Hieronymus Bosch ......................................................... 94 Der Wald als Wüste ........................................................ 101
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In den Hauptstädten................................................ 105 Das Schisma in Antiochia ................................................ 105 Wieder in Antiochia ....................................................... 111 In Konstantinopel .......................................................... 115 Die „Chronik“................................................................ 122 In Rom........................................................................ 130 Hieronymus als Kardinal … .............................................. 134 … oder als Sekretär des Papstes?........................................ 137 Die Bibelrevision ........................................................... 140 Die frommen Aristokratinnen........................................... 145 5
Inhalt
„Gegen Helvidius“ .......................................................... Die gelehrten Asketinnen ................................................ Paula........................................................................... Kritik an den Mönchen ................................................... Angriffe auf Hieronymus................................................. Das frühe Porträt ...........................................................
149 153 155 162 163 166
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Auf Pilgerfahrt ......................................................... 173 Die Reise nach Jerusalem................................................. 174 Jonas und Andromeda .................................................... 179 In Emmaus................................................................... 180 Jerusalem..................................................................... 183 Die Grabeskirche und das Heilige Kreuz ............................. 185 Der erste Aufenthalt in Bethlehem ..................................... 190 Nach Galiläa ................................................................. 194 In der Nitrischen Wüste .................................................. 197
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Bethlehem ................................................................ 202 Das Klosterleben in Bethlehem ......................................... 202 Geldsorgen ................................................................... 207 Eine fromme Kleinstadtidylle ........................................... 211 Die Geschichte vom Löwen .............................................. 212 Bibel und Bibelexegese.................................................... 218 Jonas unter dem Efeu ..................................................... 222 Von der Wissenschaft der Übersetzung............................... 224 Luther und Erasmus über Hieronymus ............................... 226 Der Bibelkommentator.................................................... 233 Bethlehem als Zentrum theologischer Gelehrsamkeit ............. 238 Augustinus kritisiert Hieronymus …................................... 242 … und behält das letzte Wort ............................................ 245 Der Streit um Origenes ................................................... 247 Ein Leben ohne Sünde?................................................... 260 Triumph des Glaubens und Verfall des Staates ..................... 264 Tod und Bestattung ........................................................ 280 Hieronymus-Reliquien .................................................... 281
Quellen und Literatur ........................................................... 284 Anmerkungen..................................................................... 291 Register............................................................................. 316 6
Einleitung 1627 zeichnete der Augsburger Astronom und Augustinermönch Julius Schiller eine neue Sternenkarte. Die alten heidnischen Bezeichnungen der Sternbilder sollten durch christliche abgelöst werden. An die Stelle der zwölf Tierkreiszeichen traten die zwölf Apostel, der kleine Bär verwandelte sich in den Erzengel Michael, Perseus wurde zum Apostel Paulus und statt des Schwans ist die Heilige Helena zu sehen, die das Kreuz Christi in ihren Händen hält. Als einziger Kirchenvater neben Benedikt von Nursia wurde Hieronymus von Schiller für würdig erachtet, in seinen Sternenatlas Coelum Stellatum Christianum aufgenommen zu werden: Er ersetzte das Sternbild des Fuhrmanns. Hieronymus trägt ein Kardinalsgewand und einen Kardinalshut, er hält eine Feder in der Hand und ist mit der Übersetzung der Heiligen Schriften beschäftigt. Wie ein treuer Wachhund schmiegt sich ein Löwe an den Kirchenvater.1 Wenn Schillers christlicher Sternenhimmel auch wenig Verbreitung fand, so beleuchtet seine Karte doch gut, welchen herausgehobenen Rang Hieronymus in der Kirche einnahm. Durch seine Bibelübersetzung, seine Briefe, seine Kommentare und Lehrschriften war er zum doctor Ecclesiae, zum Lehrer der Kirche, geworden und die Legenden, die sich mit seiner Biographie verbanden, bewiesen seine Heiligkeit. Dabei ist Hieronymus niemals Kardinal gewesen, und dass in seinem Kloster in Bethlehem ein Löwe gelebt hätte, der zahm wurde, nachdem Hieronymus ihm einen Stachel aus der Pfote gezogen hatte, wurde erst ab dem frühen Mittelalter erzählt. Die Legenden füllten das Leben des Mannes mit Episoden auch deshalb, weil er selbst nicht viel über seinen Werdegang und seine Erlebnisse berichtet. Dabei sind immerhin etwas mehr als 150 Briefe überliefert, die Hieronymus geschrieben oder erhalten hat. Sie setzen mit den siebziger Jahren des 4. Jahrhunderts ein und führen bis in seine letzten Jahre, bevor er 420 n. Chr.2 in Bethlehem starb. Die Briefe, die über den jeweiligen Adressaten hinaus immer auch an ein breiteres Publikum gerichtet sind, bezeugen das moraltheologische Engagement und die Gelehrsamkeit des Hieronymus, zeigen ihn auch in heftigen dogmatischen und polemischen Auseinandersetzungen.3 Und sie berichten 7
Einleitung
mitunter von persönlichen Erlebnissen bis hin zu dem berühmten Traum, in dem sich Hieronymus vor Gottes Gericht gezogen sah, angeklagt, kein Christ, sondern ein Anhänger Ciceros zu sein. Blickt man über die Briefe hinaus auf das gewaltige Œuvre der Schriften, die Hieronymus hinterlassen hat – in der Ausgabe der Patrologia Latina umfassen sie neun Foliobände, mehr als 5.000 Seiten, vergleichbar vom Umfang her allein mit dem Werk, das Augustinus oder der kaiserzeitliche Arzt Galen hinterlassen haben –, so wird man erwarten, dass sich sein arbeitsreiches Leben leicht und mit reichen Details nachzeichnen ließe. Doch Hieronymus hat dafür gesorgt, dass mancher Abschnitt seiner Biographie im Dunkeln bleibt, indem er etwa Briefe aus bestimmten Abschnitten seines Lebens nicht verbreitet hat. Das betrifft beispielsweise seinen Aufenthalt in Konstantinopel, wo er im Jahr 381 das zweite ökumenische Konzil miterlebte. Anderes hat er für nicht berichtenswert gehalten, so die genaueren Lebensumstände seiner Eltern. Beiläufig erwähnt er seine Heimatstadt Stridon, die sich bis heute nicht sicher lokalisieren lässt. Und Hieronymus hat darüber hinaus einzelne Erlebnisse, Einschnitte und Wendepunkte so umgeformt oder stilisiert, dass jeder Biograph vor dem Problem steht, mit mehr oder weniger gut begründeten Hypothesen arbeiten zu müssen. Wo hat seine Taufe stattgefunden? Und ging sie einher mit einer Bekehrung, dem Entschluss zur Abwendung von allem Weltlichen? Oder fand Hieronymus erst später die Kraft dazu, sich ganz seinem Glauben und dafür zugleich der Askese zu widmen? Verließ er den Westen des Römischen Reiches schon mit der festen Absicht, als Eremit in einer der Wüsten des Ostens zu leben, oder kam es, wie in älteren Biographien zu lesen ist, erst in Antiochia anlässlich einer lebensbedrohlichen Krankheit zu jenem Traum, durch den sich Hieronymus endlich mit der notwendigen Kraft ausgestattet sah, das ersehnte mönchisch-asketische Leben auch tatsächlich zu führen? Sind schon diese Fragen kaum mit letzter Sicherheit zu beantworten, ist jede Aussage über die Persönlichkeit des Hieronymus noch riskanter. Gewiss war er ein großer Gelehrter mit Sprachkenntnissen, wie sie kaum einer seiner Zeitgenossen besaß. Bestens ausgebildet in Grammatik und Rhetorik und mit umfangreichen Kenntnissen der christlichen und heidnischen Autoren ausgestattet, vermochte er seine Briefe und Abhandlungen als Literatur auf höchstem Niveau zu gestalten, und manch ein Abschnitt zeugt von großer schriftstellerischer 8
Einleitung
Begabung. In seinen satirischen Angriffen auf das verweltlichte Mönchtum in Rom wird der Kirchenvater zum Novellisten, der den Vergleich mit Theophrast oder Horaz nicht zu scheuen braucht.4 Ausgesprochen geschickt in der Auswahl der literarischen Genres und Themen hat Hieronymus die christliche Literaturgeschichte der Spätantike bereichert, indem er etwa die griechischsprachige Chronik des Euseb ins Lateinische überführte oder die Tradition heidnischer Verzeichnisse „großer Männer“ für christliche Autoren fortführte. Aber wo wird seine Persönlichkeit sichtbar? Der Einfluss, den Hieronymus auf seinen Bruder und seine Schwester ausübte, spricht für eine Überzeugungskraft, vielleicht für ein Charisma, das sich auch im Kontakt zu den Aristokratinnen in Rom bewährt haben könnte, die Hieronymus in den achtziger Jahren um sich versammelte. Oder war es hier nur die Aura des asketischen, in der Wüste erprobten Mannes, der zugleich in der Lage war, den Westen über die theologischen Diskussionen und Erkenntnisse des Ostens zu unterrichten? Sprechen die harschen polemischen Angriffe, mit denen Hieronymus gegen jeden vorging, der seine Vorstellungen von Moral und Orthodoxie nicht teilte,5 spricht auch die hasserfüllte Feindschaft, die sich zwischen ihm und seinem einst engen Freund Rufin entwickelte, für eine gereifte, ausgeglichene Persönlichkeit oder eher für einen immer wieder aufs Neue in seinem Glauben verunsicherten Mann, der schnell um sich schlug, um jede Gefahr früh und heftig genug abzuwehren? Mit Anfechtungen war sein Leben jedenfalls reich gefüllt, nicht nur mit den weltlichen Versuchungen, vor denen sich jeder heilige Mann der Spätantike zu bewähren hatte, sondern auch und mehr noch mit Kritik an seinem theologischen Wirken. Denn mit seinem großen Vorhaben, die Heiligen Schriften neu zu übersetzen, mit der Arbeit also, die ihm den Nachruhm in Mittelalter und Neuzeit bescherte, stieß Hieronymus lange Zeit auf Skepsis und Ablehnung. Auch die Vermittlung des Origenes in den lateinischen Westen, die Hieronymus ebenfalls jahrzehntelang durch fleißiges Übersetzen betrieb, erwies sich als Bumerang, nachdem gegen Ende des 4. Jahrhunderts die Frage nach der Rechtgläubigkeit des großen griechischen Theologen aufgekommen war. Immer wieder aufs Neue sah sich Hieronymus selbst der Gefahr ausgesetzt, als Häretiker angesehen zu werden.
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„Vater und Verteidiger der Kirche“
„Vater und Verteidiger der Kirche“ Fanden die Zeitgenossen durchaus Anlass, Kritik an Hieronymus zu üben, so traten die mit bitterer Polemik geführte Feindschaft mit Rufin oder die Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Bibelübersetzung nach seinem Tod allmählich in den Hintergrund. Nicht nur als Gelehrter, sondern auch als Vertreter der Orthodoxie, als Morallehrer und Asket wurde Hieronymus zum Vorbild und Schutzpatron, und diese vielfältige Wirkung, die sich während des Mittelalters entfaltete, reicht über die Epochen des Humanismus, der Reformation und des Barock bis weit in die Neuzeit hinein.6 Augustinus, mit dem Hieronymus nicht besonders freundlich umgegangen war, lobte zwar in seinem Werk über den „Gottesstaat“ den Gelehrten in Bethlehem für seine Sprachkenntnisse, hielt aber doch die griechische Bibelübersetzung der „Septuaginta“ für inspirierter als die lateinische Fassung, die „Vulgata“, die Hieronymus angefertigt hatte. In den siebzig Übersetzern der „Septuaginta“ habe der Geist Gottes gewirkt und so seien „die Kirchen Christi der Ansicht, daß an Glaubwürdigkeit und Gewicht niemand über jene zahlreichen, vom Hohenpriester Eleazar für dieses große Werk ausgewählten Männer zu stellen sei“.7 Trotz dieser Kritik hat sich Augustinus auf Hieronymus berufen, etwa wenn es galt, die Lehre der Erbsünde gegen Pelagius und dessen Anhänger zu verteidigen. In diesem Zusammenhang bezeichnete Augustinus Hieronymus, der für seine Gelehrsamkeit und Glaubensstärke berühmt sei, noch zu dessen Lebzeiten als sanctus, womit er das früheste Zeugnis für die Erhöhung des Kirchenvaters zum Heiligen bietet.8 Dass diese zunächst auf seinen Bibelkommentaren und seinen Briefen beruhte, bevor später seine Übersetzungsarbeit im Vordergrund stand, wird auch bei Johannes Cassianus und Gregor von Tours deutlich. Cassian (360–435) war um 390 nach Bethlehem gelangt; hier soll er sich in einem der Klöster aufgehalten haben, bevor er nach Ägypten weiterzog, um als Eremit in der Nitrischen Wüste zu leben. Es ist wahrscheinlich, dass er in Bethlehem mit Hieronymus zusammengetroffen ist und sich vielleicht unter seinem Einfluss für das mönchische Leben entschieden hat. Nachdem er später über Konstantinopel und Rom in den Westen des Reiches gelangt war und bei Marseille ein eigenes Kloster gegründete hatte, pries er in einer seiner Schriften 10
„Vater und Verteidiger der Kirche“
Hieronymus als catholicorum magister („Lehrer aller Rechtgläubigen“), der mit seinen Schriften die ganze Welt wie mit göttlichen Leuchten erhellt habe.9 Auch für Gregor von Tours (538–594) besaß Hieronymus eine herausragende Stellung als Kirchenlehrer, die ihn beinahe auf eine Stufe mit dem Apostel Paulus stellte.10 Und nicht viel später ist dann das Bemühen der Kirche fassbar, einen Kanon von älteren Kirchenlehrern festzuschreiben, denen eine besondere Autorität zuerkannt wurde. So bezeichnete Licinianus, der Bischof von Cartagena, in einem Brief an Gregor den Großen (590–604) christliche Autoren, die sich durch ihr Wissen und ihre Lebensführung ausgezeichnet hatten, als „Väter, Doktoren und Verteidiger der Kirche“.11 Umfassten Listen solcher Kirchenväter zunächst zahlreiche Namen, unter denen sich neben Hieronymus auch Cyprian (200–258) und Gregor von Nazianz (329–390) befanden, so verengte sich der Kreis bis zum Ende des 8. Jahrhunderts auf vier Personen: Gregor der Große, Ambrosius (337–397), Augustinus (354–430) und Hieronymus. Sie galten der lateinischen Kirche von nun an als die wichtigsten Theologen, deren Bedeutung auch symbolisch aufgeladen wurde, indem man sie in ihrer Vierzahl mit den vier wichtigsten Propheten (Daniel, Ezechiel, Jeremia und Jesaja), den vier Evangelisten und den vier Kardinaltugenden verband.12 Papst Bonifatius VIII. (1294–1303) fasste diese Entwicklung in einer Dekretale vom 20. September 1295 zu einem Glaubensgebot zusammen: Die Gläubigen sollten die vier Kirchenväter nicht weniger ehren als die Apostel.13 Ihre Schriften hätten die Kirche erleuchtet, die Rätsel der Heiligen Schriften aufgelöst und die Irrtümer ausgetrieben.
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1 Eine Trauerfeier in Rom
I
m Jahre 384 wurde in Rom eine junge Frau unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit zu Grabe getragen. Blesilla war nur zwanzig Jahre alt geworden. Da sie aus einer der führenden Familien der Stadt stammte, begleiteten viele Menschen, hoch und niedrig, den Trauerzug. Als älteste Tochter des römischen Senators Toxotius und seiner Frau Paula verkörperte Blesilla die lange Geschichte Roms: Ihre Mutter stammte aus der Familie der Aemilier und zählte zu ihren Vorfahren so berühmte Männer wie Lucius Aemilius Paullus, der 168 v. Chr. Makedonien unterworfen, oder Scipio Africanus Minor, der 146 v. Chr. Karthago besiegt und zerstört hatte.1 Unter den Trauernden befand sich auch Hieronymus, der mit der Familie der Toten eng verbunden war. Blesillas Mutter Paula hatte sich nach dem Tod ihres Mannes dafür entschieden, ihren christlichen Glauben in einer betont asketischen Lebensführung zu praktizieren, und ihre Töchter folgten ihr auf diesem Weg, für den sich Hieronymus als Seelenführer hatte empfehlen können. In häufigen Zusammenkünften mit Paula und ihren Töchtern waren moralische und theologische Fragen erörtert worden, und auch mit Blick auf ein breiteres Publikum hatte Hieronymus Briefe an die Frauen verfasst, um sie in ihren asketischen Bemühungen zu unterstützen. Was er 384 nach dem Tod der jungen Blesilla sehen und hören musste, gefiel ihm allerdings nicht. Kurze Zeit nach der Trauerfeier schrieb er einen Brief an Paula, mit dem die Mutter weniger getröstet als vielmehr zur rechten christlichen Demut ermahnt werden sollte. Denn was gab es zu trauern, wenn ein junger Mensch das weltliche Jammertal verlassen durfte? „Nachdem Blesilla die Last des Fleisches abgelegt hatte, die Seele zu ihrem Schöpfer zurückgeflogen und nach langer Wanderung zu ihrer ursprünglichen Heimat zurückgekehrt war, wurde die übliche Leichenfeier veranstaltet. Die Reihen der Adeligen gingen vorauf, und eine golddurchwirkte Hülle breitete sich über der Bahre aus. Mir schien es, als riefe Blesilla vom Himmel herab: ‚Dieses Gewand
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Eine Trauerfeier in Rom
ist nicht das meine; diese Umhüllung gehört mir nicht; solcher Pomp ist mir fremd.‘“2 Hieronymus störte sich an den traditionellen heidnischen Elementen, die auch einer christlichen Bestattung noch anhafteten, zumal, wenn es sich bei den Verstorbenen um Angehörige des senatorischen Adels handelte, der führenden Schicht der römischen Gesellschaft. Das Renommee, das Hieronymus als Moraltheologe und Präzeptor in den achtziger Jahren des 4. Jahrhunderts in der alten Hauptstadt des Reiches gewonnen hatte, beruhte auch darauf, dass er Zugang zu diesen führenden Kreisen besaß.3 Und seine Stellung erlaubte es ihm, klare moralische Richtlinien zu formulieren: Mit einem neuen, aus dem Glauben und der Glaubenspraxis gewonnenen Adel sollten die frommen, unter seiner Leitung stehenden Frauen ihren alten, aus ihrer sozialen Stellung entspringenden Adel übertreffen.4 Paula und Blesilla waren diesem Programm gerecht worden. Paula verfügte über ein riesiges Vermögen und begann damals, ihre Einkünfte für die Armen und Kranken in Rom zu verwenden. Nicht viel später, gegen Ende des Jahrzehnts, finanzierte sie den Bau der Klöster in Bethlehem, in denen sie und Hieronymus den Rest ihres Lebens verbringen sollten. Nach ihrem Tod erinnerte Hieronymus in einem Nachruf daran, dass die Wohltätigkeit Paulas in ihrer eigenen Familie auf Widerspruch gestoßen war, von dem sie sich aber nicht beeindrucken ließ. Durch die reichen Spenden hatte Paula ihr Vermögen erschöpft, „doch den Verwandten, die sie deswegen schalten, gab sie zur Antwort, sie hinterlasse ihren Kindern mit der Barmherzigkeit Christi eine noch größere Erbschaft“.5 Paulas Tochter Blesilla war erst seit vier Monaten verheiratet gewesen, als ihr Mann verstarb. Zunächst setzte sie auch als Witwe das luxuriöse Leben einer reichen Römerin fort. Dann aber erkrankte sie schwer, und sie scheint diese Krankheit als Strafe für ein sündiges Leben verstanden zu haben. Denn nachdem sie wieder zu Kräften gelangt war, bekehrte auch sie sich unter dem Einfluss von Hieronymus und Paula zu einem asketischen und glaubensstrengen Leben. Ihre christliche Bildung, ihre Demut und ihre Glaubensstärke werden in dem Trostbrief, den Hieronymus kurz nach ihrem Tod an Paula schrieb, in den höchsten Tönen gelobt. In bescheidener Kleidung und mit blassem Gesicht habe sie sich kaum auf den Füßen halten können, 13
1 Eine Trauerfeier in Rom
dabei aber immer die Schrift eines Propheten oder ein Evangelium in den Händen gehalten. Und in ihrer letzten Stunde habe sie nur darüber geklagt, dass sie ihren Entschluss, in ein Kloster einzutreten, nicht mehr habe umsetzen können.6 Als Mutter dürfe Paula nun zwar Tränen vergießen, aber doch nur in Maßen, und als Christin müsse sie dann ihr mütterliches Gefühl zurückstellen, um nicht mit zu vielen Tränen ihren Glauben zu verleugnen und Gott zu lästern.7 Es war schon schlimm genug, dass Paula während des Trauerzuges außer sich geraten war und der breiten Menge ein Schauspiel des Schmerzes geboten hatte, das Hieronymus’ Stellung in Rom gefährden konnte: „Allzu große Anhänglichkeit an die Seinigen kann zur Pflichtverletzung gegen Gott werden. Abraham tötet freudigen Herzens seinen einzigen Sohn, und Du beklagst Dich, dass ein Kind aus Deiner großen Kinderschar die Krone erlangt hat? […] Als man Dich ohnmächtig mitten aus dem feierlichen Leichenbegängnis hinwegtrug, da fing die Menge an zu raunen: ‚Haben wir es nicht oft genug gesagt, dass es so kommen wird? Paula weint um ihre Tochter, die ein Opfer des Fastens geworden ist. Sie ist untröstlich, dass sie nicht wenigstens aus deren zweiter Ehe Enkel zu sehen bekam. Wie lange mag es noch anstehen, bis man das abscheuliche Geschlecht der Mönche aus der Stadt vertreibt, mit Steinen zu Tode wirft oder in das Wasser stürzt? Sie haben die arme Paula verführt; denn jetzt zeigt es sich, dass sie keine Nonne sein wollte. Hat doch niemals eine heidnische Mutter so wie sie ihre Kinder beweint.‘“8 Zu dem „abscheulichen Geschlecht der Mönche“ wird manch ein Römer auch Hieronymus gezählt haben. Er war zwei Jahre zuvor, 382, gemeinsam mit zwei Bischöfen, Paulinus von Antiochia und Epiphanius von Salamis, von Konstantinopel aus nach Rom gekommen. Hier wollten die drei Männer vom Bischof Damasus eine Entscheidung revidieren lassen, die kurz zuvor auf dem zweiten ökumenischen Konzil in Konstantinopel gefallen war. Dort hatte man neben dem großen theologischen Problem der Trinität auch Fragen der Kirchendisziplin beraten und den Bischofsstuhl von Antiochia nicht Paulinus, sondern nach dem Tod des Meletius dessen Presbyter Flavian übertragen (s. S. 118). Die Reisenden wurden in Rom in den Häusern christlicher Aristokraten beherbergt, und da Epiphanius bei der bereits verwitweten 14
Das Ideal der christlichen Askese
Paula wohnte, dürfte auch Hieronymus sie bald kennengelernt haben. Er war jünger als die beiden Bischöfe, hatte sich aber bereits einen Namen als christlicher Schriftsteller gemacht. Und er besaß Autorität als Asket. Denn Hieronymus hatte nicht nur eine Biographie des heiligen Einsiedlers Paulus geschrieben, sondern auch selbst einige Jahre in der syrischen Wüste gelebt. In Rom wurde Damasus schnell auf den gelehrten Asketen aufmerksam und zog ihn als Ratgeber an sich, hatte Hieronymus doch in Antiochia und zuletzt in Konstantinopel die aktuellen dogmatischen Auseinandersetzungen, von denen die Kirche des Ostens stärker betroffen war als die des Westens, genau kennenlernen können. Mit Damasus im Rücken gewann Hieronymus in Rom an Einfluss. Bis zum Tod des Bischofs von Rom und dem der Blesilla, die beide gegen Ende des Jahres 384 verstarben, hatte er wohl kaum Kritik an seinen radikalen asketischen Positionen zu hören bekommen, wie sie dann in den Unmutsäußerungen während des Trauerzuges laut wurde. Widerspruch hatten seine Neuübersetzungen von Büchern des Neuen Testaments erfahren, doch meinte Hieronymus in Rom über so viel Rückhalt in den Kreisen der Kirche zu verfügen, dass er es sogar für möglich hielt, Nachfolger des Damasus zu werden.
Das Ideal der christlichen Askese Mit welcher Vehemenz er seine asketischen Vorstellungen in Rom vertreten hat, zeigt sein Brief an Julia Eustochium, eine weitere Tochter der Paula. Das Schreiben an Eustochium (sie wird meistens nur mit diesem Namen bezeichnet) hat Hieronymus ebenfalls im Jahr 384 verfasst, allerdings geraume Zeit vor der Krankheit und dem Tod der Blesilla, und so lässt er hier seinen Forderungen nach Verzicht auf weltliche Freuden geradezu ungezügelten Lauf. Seiner Thematik und Länge wegen erscheint der Brief wie ein Traktat, der dem Ideal der Jungfräulichkeit gewidmet ist, und wie andere Briefe dieser Art war er nicht allein an die Adressatin, sondern an alle Christen Roms, ja des ganzen lateinischen Westens gerichtet.9 Da sich Hieronymus in dieser ‚Werbeschrift für die Jungfräulichkeit’ als asketisches Vorbild präsentiert, verrät sie einiges darüber, wie er sich selbst sah und wie er gesehen werden wollte. Und sie bringt mit dem berühmten Traum, in dem sich Hieronymus als Ciceronianer vor den Richtstuhl Gottes geschleppt 15
1 Eine Trauerfeier in Rom
sieht und in höchster Not aller heidnischen Bildung abschwört, ein gleichermaßen rhetorisch überwältigendes wie psychologisch zweifelhaftes Selbstzeugnis, vom dem aus sich die kulturellen Konflikte sowohl des Hieronymus als auch seiner Zeit genauer verstehen lassen. Eustochium ist Hieronymus zufolge die erste junge Frau aus ‚besseren Kreisen‘, die sich für die dauerhafte Jungfräulichkeit entschieden hat. Deshalb muss sie ihrem Gelübde allen denkbaren Anfechtungen zum Trotz treu bleiben, um nicht nur nicht selbst zu straucheln, sondern auch der großen Verantwortung gerecht zu werden, die ihr als Muster rechten christlichen Lebens zukommt.10 In seinem Brief entwickelt Hieronymus eine theologische Begründung für die Askese, für die er sich auf den Apostel Paulus beruft. Dieser habe in seiner Körperlichkeit den Stachel des Teufels gesehen und ihre Überwindung als von Gott gestellte Aufgabe verstanden. Maßgeblich für dieses Verständnis sind die Worte, die Paulus an die Kolosser gerichtet hat: „‚Ertötet also‘, sagt der Apostel, ‚eure Glieder auf Erden.‘“11 Hieronymus verallgemeinert solche Aussprüche des Apostels, um mit ihm die höchste Legitimation für eine sich selbst strafende Askese zu gewinnen. Paulus, „das Gefäß der Auserwählung“, habe sich „wegen des Stachels des Fleisches“ und „wegen des Reizes zur Sünde“ selbst gezüchtigt.12 Auch wenn Hieronymus in seinem Brief an Eustochium das Fasten nicht ausführlich behandelt, weil er diesem Thema noch eine eigene Schrift widmen wollte (die er nach dem Tod Blesillas aber nicht mehr geschrieben hat), will er doch daran erinnern, dass die Heiligen Schriften „unzählige Aussprüche“ enthielten, „welche die Gaumenlust verurteilen und für einfache Kost eintreten“. Und da Adam seiner Gaumenlust wegen aus dem Paradies vertrieben worden sei, müsse es „unser ernstes Streben sein, dahin zu wirken, dass der Hunger die ins Paradies zurückführt, welche der Mangel an Enthaltsamkeit daraus vertrieben hat“.13 Auf der Grundlage dieses theologisch überraschenden Arguments, das aus der Verführung zur Erkenntnis eine Verlockung zur Völlerei macht, gelangt Hieronymus zu der praktischen Schlussfolgerung, dass die junge Eustochium ihre Freundinnen nach deren asketischer Leistungsfähigkeit auswählen soll. Nur die soll sie auswählen, die durch Fasten mager und deren Gesichter blass geworden seien.14 In eine theologische Grauzone gerät Hieronymus bei seiner anschließenden Warnung vor dem Verlust der Jungfräulichkeit. Denn 16
Das Ideal der christlichen Askese
sollte Eustochium auf diese Weise fehlen und fallen, könnte selbst Gott ihr nicht mehr helfen. Denn Gott kann zwar eigentlich alles, aber er kann doch einer gefallenen Jungfrau ihre Jungfräulichkeit nicht zurückgeben.15 Neben diesem Argument der Abschreckung steht das Versprechen, mit der Jungfräulichkeit dem Paradies nahe zu sein, denn der Mensch sei in seinem ursprünglichen Zustand ohne Geschlechtsleben gewesen. Erst als Eva ihre Blöße bedeckte, kam es zur ersten Ehe unter den Menschen. Die Ehe ist also das Kennzeichen des menschlichen Lebens nach dem Sündenfall.16 Damit will Hieronymus nicht generell den Wert der Ehe bestreiten. Er weiß, dass er mit seiner Position ohnehin schon für Ärger sorgt, denn viele Christen berufen sich auf Paulus, um den Ehestand zu rechtfertigen.17 So gesteht Hieronymus diesen Gegnern der Jungfräulichkeit auch zu, dass die Ehe eben den Sinn habe, neue Menschen zu zeugen, die dann ihrerseits jungfräulich leben könnten.18 Aber Hieronymus hält doch an seinem Ideal fest und verstärkt seinen Appell mit der Unterscheidung zwischen dem Alten und dem Neuen Bund zwischen Gott und den Menschen: Für den Alten Bund, der durch Eheschließungen und zahlreiche Geburten gekennzeichnet sei, stehe Eva, für den Neuen Bund dagegen die Jungfrau Maria. Und darüber hinaus argumentiert er auch noch eschatologisch: Da man sich in der letzten Phase der Geschichte befinde und Paulus die „bevorstehende Drangsal“ angekündigt habe, sei nun die Zeit gekommen, ganz auf Ehen zu verzichten.19 In den langen Ausführungen zu allen Gefahren und Sünden, die Eustochium bedrohen, zeigt sich, dass das moralische Konzept, das hier von Hieronymus vertreten wird, auf einer negativen Anthropologie beruht. Nach dem Sündenfall ist jeder Mensch in der Gefahr, sich in den Lastern zu verfangen, die zudem alle miteinander verbunden sind. Kann etwa eine Frau ihre Gier nach Nahrung nicht beherrschen, so ist damit zu rechnen, dass sie auch ihre Jungfräulichkeit verlieren wird.20 Nachdrücklich wird Eustochium vor Augen geführt, was ihr droht, wenn sie schwanger werden sollte. Denn Hieronymus weiß, dass ‚gefallene‘ Frauen oftmals abzutreiben versuchen. Koste die Abtreibung der schwangeren Frau aber das Leben, dann fahre sie, beladen mit dreifacher Schuld, „dem Selbstmord, dem Ehebruch gegen Christus und der Tötung des noch nicht geborenen Kindes, hinab in den Abgrund der Hölle“.21 17
1 Eine Trauerfeier in Rom
Für Eustochium kann es aber nicht allein darum gehen, selbst jungfräulich zu bleiben. Sie muss auch darauf achten, dass sie Männer nicht zu erotischen Phantasien anregt, denn auch damit würde sie ihre Jungfräulichkeit gefährden. Sie wäre dann zwar noch eine „Jungfrau im Fleische“, nicht aber der Gesinnung nach.22 Die Verwirklichung des Ideals der Jungfräulichkeit, dem Eustochium folgen will und soll, beruht auf beständiger Selbstkontrolle, und diese kann nur gelingen, wenn eine Reihe von Regeln eingehalten wird. Hieronymus entwickelt einen ganzen Katalog von solchen Vorgaben, mit denen alle Bereiche des alltäglichen Lebens erfasst werden. Überall lauert die Gefahr des Hochmuts, der selbst ein Asket erliegen kann, wenn er seine Eitelkeit nicht bekämpft. Also muss sich Eustochium davor hüten, mit ihrer Demut und Bescheidenheit, mit Fasten und einfacher Kleidung Eindruck machen zu wollen.23 Sie soll deshalb den Kontakt auch mit den Mönchen und mit den Asketen meiden, die ihre Bußübungen öffentlich durchführen,24 und sich am besten selbst gar nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen.25 Die Rigorosität der asketischen Ideen, die Hieronymus vertritt, kulminiert in der vehementen Forderung, die sozialen Kontakte zu begrenzen oder besser noch ganz aufzugeben. Da sich Paula und ihre Töchter in den höchsten Kreisen der Gesellschaft bewegen, bedeutet dies konkret auch, dass Eustochium zukünftig keine Besuche in „vornehmen Häusern“ mehr machen soll. Die Frauen dort „bilden sich gerne etwas auf ihre Männer ein, wenn diese ein richterliches Amt oder sonst eine Würde bekleiden“, und sie wetteifern um die Gunst, die Frau des Kaisers bei sich begrüßen zu dürfen.26 Unausgesprochen wird hier von Hieronymus das Gefüge der Gesellschaft infrage gestellt: Für eine zu Jungfräulichkeit und Askese entschlossene Aristokratin wie Eustochium sind alle Kategorien des gesellschaftlichen und politischen Lebens außer Kraft gesetzt.
Der Traum vom göttlichen Strafgericht Da Bildung ein Zeichen sozialer Distinktion ist, kann auch sie zum Hochmut verleiten. Hieronymus klagt über Frauen, die sündigen, indem sie ihre literarischen Kenntnisse zur Schau stellen. Sie begehen auf diese Weise einen „geistigen Ehebruch“, weil sie den einfachen christlichen Glauben durch gekünstelte Sprache verraten und sich 18
Der Traum vom göttlichen Strafgericht
mit ‚Bildungsfetzen‘ behängen.27 Solches Gehabe soll Eustochium vermeiden. Um hier eine klare Grenze auch zu den verderblichen Inhalten der heidnischen Literatur zu ziehen, zerschlägt Hieronymus zweimal hintereinander alle Verbindungen zwischen der traditionellen und der christlichen Bildung. Zunächst formuliert er eine generelle Konfrontation von heidnischen und christlichen Autoren, die das Bild völlig getrennter religiöser und kultureller Welten heraufbeschwört: „Was hat Horaz mit dem Psalterium zu tun, was Vergil mit den Evangelien, was Cicero mit den Aposteln? Wird Dein Bruder nicht Ärgernis nehmen, wenn er Dich an einem Götzenaltar antrifft? […] Wir können nicht zu gleicher Zeit den Kelch Christi und den Kelch der Dämonen trinken.“28 Und da ihm diese rhetorisch gelungene, von seinem eigenen literarischen Werk indes nachdrücklich widerlegte Behauptung noch nicht ausreicht, greift Hieronymus zum Mittel der persönlichen Beichte, mit der Eustochium vor Augen geführt werden soll, dass die Warnungen und Ratschläge nicht allein theoretischer Natur, sondern aus dem Erleiden ihres Autors erwachsen sind. Hier soll ein längeres Zitat folgen, denn der Traumbericht, den Hieronymus im 30. Kapitel seines Briefes an Eustochium niedergeschrieben hat, ist von großer Bedeutung für das Bild, das sich spätantike Zeitgenossen und mehr noch spätere Leser von Hieronymus gemacht haben. „Vor vielen Jahren verließ ich Heimat, Eltern, Schwester und Verwandte und verzichtete, was noch schwieriger ist, auf meinen wohlgedeckten Tisch.29 So hatte ich mich gleichsam um des Himmelreiches willen selbst verschnitten und machte mich auf nach Jerusalem, um ein Gott geweihtes Leben zu führen. Die Bibliothek aber, welche ich mir zu Rom mit großer Mühe und viel Arbeit erworben hatte, glaubte ich nicht entbehren zu können. Ich Elender fastete also, während ich den Cicero las. Nachdem ich manche Nacht durchwacht und viele Tränen vergossen hatte, welche die Reue über meine früheren Sünden gelöst, nahm ich den Plautus zur Hand. Als ich wieder zu mir selbst zurückfand, fing ich an, einen Propheten zu lesen, aber die harte Sprache stieß mich ab. Mit meinen blinden Augen sah ich das Licht nicht. Ich aber gab nicht 19
1 Eine Trauerfeier in Rom
den Augen die Schuld, sondern der Sonne. Während so die alte Schlange ihr Spiel mit mir trieb, überkam meinen entkräfteten Körper etwa um die Mitte der Fastenzeit ein Fieber, das bis ins innerste Mark drang. Es ließ mir, fast klingt es unglaublich, keinen Augenblick Ruhe und dörrte meine unglücklichen Glieder so aus, daß die Knochen kaum zusammenhielten. Man traf sozusagen schon Anstalten zu meinem Begräbnis. Der Körper war bereits erkaltet, und nur in der erstarrenden Brust zitterte noch ein Funken natürlicher Lebenswärme. Plötzlich fühlte ich mich im Geiste vor den Richterstuhl geschleppt. Dort umstrahlte mich so viel Licht, und von der Schar der den Richterstuhl Umgebenden ging ein solcher Glanz aus, daß ich zu Boden fiel und nicht aufzublicken wagte. Nach meinem Stand befragt, gab ich zur Antwort, ich sei Christ. Der auf dem Richterstuhl saß, sprach zu mir: ‚Du lügst, du bist ein Ciceronianer, aber kein Christ. Wo nämlich dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.‘ Darauf verstummte ich. Er aber gab Befehl, mich zu schlagen. Mehr noch als die Schläge peinigten mich die Gewissensqualen. Mir fiel der Vers ein: ‚Wer wird dich in der Hölle preisen?‘ Ich fing an zu schreien und zu heulen: ‚Erbarme dich meiner, o Herr, erbarme dich meiner!‘ Dieser Ruf übertönte die Peitschenhiebe. Schließlich warfen sich die Umstehenden dem Richter zu Füßen und baten, er möge meinem jugendlichen Leichtsinn verzeihen. Er möge mir Gelegenheit geben, meinen Irrtum zu büßen, jedoch die Strafe weiter an mir vollziehen, falls ich mir erneut einfallen lassen sollte, Werke der heidnischen Literatur zur Hand zu nehmen. In meiner unglücklichen Lage hätte ich noch viel mehr versprochen. Ich fing an, bei seinem Namen zu schwören: ‚Herr, wenn ich je wieder weltliche Handschriften besitze oder aus ihnen lese, dann will ich dich verleugnet haben.‘ Nach diesem heiligen Eide entließ man mich, und ich kehrte wieder zur Erde zurück. Zur Verwunderung aller öffnete ich meine Augen, aus denen Ströme von Tränen flossen, die selbst die Ungläubigen angesichts meines Schmerzes zum Glauben brachten. Es war dies kein Gaukelbild des Schlafes, es waren keine leeren Traumbilder, wie sie so manches Mal mit uns ihr Spiel treiben. Zeuge dafür ist mir der Richterstuhl, vor dem ich lag; Zeuge ist mir das schreckliche Urteil, vor dem ich erzitterte – ich habe nur den einen Wunsch, daß mir so etwas nie wieder zustößt –, meine Schultern zeigten blaue Flecken, nach dem 20
Der Traum vom göttlichen Strafgericht
Erwachen fühlte ich noch die Schläge. Und nachher habe ich mich mit einem solchen Eifer den göttlichen Schriften zugewandt, wie ich ihn bei der Beschäftigung mit den profanen nie gekannt hatte.“ In seiner Traumerzählung verdichtet Hieronymus den religiös-kulturellen Konflikt, der es den Christen der römischen Antike lange Zeit erschwert hatte, die Tradition der klassischen Bildung zu akzeptieren, während die Heiden in den Heiligen Schriften der Christen nur eine minderwertige Literatur erkennen konnten. Aus christlicher Sicht kam es nicht auf das Sprachniveau und Stilfragen, sondern auf die Heilsbotschaft an, die notwendigerweise einfach gehalten sein musste, um alle Menschen erreichen zu können. Was brauchte der Christ darüber hinaus an Bildung? Für sein Seelenheil war alle Wissenschaft überflüssig, vielleicht sogar hinderlich. Obwohl die christlichen Gelehrten schon ab dem 2. Jahrhundert begonnen hatten, diese ablehnende Haltung aufzugeben und ihren Glauben mit den philosophischen und literarischen Traditionen zu verbinden, mussten Kompromisse dieser Art immer wieder neu erarbeitet werden.30 Das sieht man etwa an dem klassisch gebildeten Augustinus, für den die sprachliche wie philosophische Simplizität der christlichen Glaubenssätze ein schwer überwindbares Hindernis auf dem Weg zur Bekehrung darstellte.31 Auch der junge Hieronymus, der aus einer christlichen Familie stammte, war nicht in der Lage, seinen christlichen Glauben ohne Selbstzweifel und Gewissenbisse mit der klassischen Bildung zu harmonisieren. Sein Traumbericht ist von der scharfen Bipolarität zwischen Glauben und Bildung geprägt: Zwischen dem Ciceronianer und dem Christen kann es nichts Verbindendes geben. Nur einem „Stand“ kann ein Mensch angehören. Hier geht es also um ein eindeutiges Bekenntnis. Dabei entwickelt Hieronymus in der Schilderung seines Traumes eine Dramatik der Bekehrung, der jegliche Freiwilligkeit fehlt. Der letztendliche Verzicht auf die geliebte heidnische Literatur wird durch Gewalt erzwungen. Die Folterszene vor dem Richtstuhl Gottes erinnert an die Verhöre und Peinigungen aus christlichen Märtyrerlegenden. Doch der Vergleich geht nicht auf. Denn während ein Märtyrer allen Drohungen zum Trotz an seinem Glauben festhält, gibt Hieronymus im Traum nach und schwört, sich gerade von dem abzuwenden, was dem Urteil des höchsten Richters zufolge sein eigentlicher Lebensinhalt ist. Da 21
1 Eine Trauerfeier in Rom
der Verzicht auf die heidnische Literatur ein „durch Folter und Todesgefahr erzwungener Akt“ sei und „die verleugnete pagane Kultur in Analogie zum Glauben der Märtyrer unsinnig aufgewertet werde“, so hat Barbara Feichtinger geurteilt, werde die Selbststilisierung des Hieronymus als Märtyrer letztlich „zur Groteske“.32 Sie hat auch darauf hingewiesen, dass sich Hieronymus in einer Tradition christlicher Träume und Visionen bewegt, zu der Paulus’ ‚Damaskuserlebnis‘ und Konstantins Traum vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gehören, und sich so „in die Zahl jener Auserwählten einreiht, die Gott/ Christus von Angesicht zu Angesicht sehen durften“.33 Aber welches Bild wird hier von der christlichen Religion gezeichnet? Der Gott, der den Anhänger Ciceros beinahe zu Tode prügeln lässt, ist seiner Kreatur nicht gerade liebevoll zugewandt. Auf Eustochium scheint weder die Traumerzählung noch die Nachdrücklichkeit, mit der Hieronymus seine christliche Morallehre vertrat, abschreckend gewirkt zu haben. Sie hat Hieronymus und ihre Mutter Paula wenig später in das Heilige Land begleitet und ihr Leben in dem in Bethlehem gegründeten Kloster zugebracht. Hieronymus seinerseits hat keineswegs darauf verzichtet, in seinen Schriften Cicero und andere heidnische Autoren, Horaz etwa oder Vergil, zu zitieren. Der „größere Eifer“, mit dem er seit seinem Traum die christlichen Schriften studiert haben will, hat seinen früheren Freund, dann aber schärfsten Kritiker Rufin später nicht davon abgehalten, Hieronymus einen klaren Eidbruch vorzuwerfen, und Hieronymus sollte es einige Mühe bereiten, sich dagegen zu verteidigen.34
Die Bekehrung Paulas durch den Heiligen Hieronymus. Gemälde von Sir Lawrence Alma-Tadema, 1898. 22
Der Traum vom göttlichen Strafgericht
1898 malte der Niederländer Lawrence Alma-Tadema (1836–1912) in London sein gleichermaßen romantisches wie historisierendes Ölgemälde „Die Bekehrung Paulas durch den Heiligen Hieronymus“. Es ist eines von wenigen Bildern der Kunstgeschichte, auf denen Hieronymus mit Paula zu sehen ist. Kein anderer Maler hat es indes gewagt, das Thema auf diese Art darzustellen, spielt das Werk doch mit der erotischen Spannung zwischen zwei jungen Menschen. Paula ist in ihrer angedeuteten Laszivität, hingestreckt auf ein Leopardenfell, noch ganz in der Schönheit der Welt verfangen, von der sie selbst ein Teil ist, während der Kirchenlehrer die Keuschheit, wie seine Haltung zeigt, verinnerlicht hat. Er ist nur noch moralisches Gewissen, und allein auf dem Weg, auf den sein erhobener Zeigefinger verweist, werden Paula und er zueinanderfinden. Auf dem Gemälde indes geht die Anziehungskraft von Paula aus, die dem heiligen Mann nur ihre Schulter zeigt und mit ihrer Hand auf die Weinschale und eine Szenerie weist, die vom Dionysoskult erfüllt ist. Für Alma-Tadema stoßen in der Begegnung zwischen Paula und Hieronymus zwei Welten aufeinander: die durch Dekadenz geprägte und zum Untergang verurteilte römische Antike und das Christentum, dem die Zukunft gehört.35 Diese aber wird karg und dunkel sein. Auch Paula scheint noch nicht zu ahnen, wie ihr zukünftiges Leben aussehen wird. Auf historische Details braucht ein bildender Künstler nicht zu achten. Ist die Paula auf dem Gemälde nicht zu jung für die Frau, die in der Mitte der achtziger Jahre des 4. Jahrhunderts mit Hieronymus zusammentraf? Beide, Paula wie Hieronymus, waren etwa gleich alt und damals in der Mitte ihrer dreißiger Jahre. Das Porträt, das AlmaTadema malte, würde besser zu Paulas Tochter Blesilla passen, zu deren Konversion Hieronymus seinen Teil beigetragen hat. Paula dagegen hatte ihre Entscheidung für ein streng christlich-asketisches Leben schon einige Jahre früher getroffen, also noch vor der Ankunft des Hieronymus in Rom. Im Unterschied zu ihrer Tochter Blesilla erreichte Paula als Asketin an der Seite des Hieronymus wenigstens ein mittleres Alter: Mit 56 Jahren ist sie 404 in Bethlehem gestorben.
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2 Kindheit und Jugend
A
us den Briefen und Abhandlungen, die Hieronymus während seines Aufenthalts in Rom verfasste, spricht ein selbstbewusster Asket, der rigoristische Positionen vertritt. Positionen, die nicht nur in heidnischen Kreisen, sondern auch innerhalb der christlichen Gemeinde Kopfschütteln ausgelöst haben. Für die von asketischen Idealen überzeugten Aristokratinnen war Hieronymus dagegen ein wichtiger Gesprächspartner und ‚geistlicher Vater‘, dem einige von ihnen wenige Jahre später nach Bethlehem folgen sollten. Wie war Hieronymus in diese Position gelangt? Welche Entwicklungen hatte er in seinem frühen Leben durchlaufen, welche Entscheidungen getroffen? Leider ist Hieronymus mit autobiographischen Aussagen recht zurückhaltend und berichtet nur wenig über seine Herkunft, Kindheit und Jugend, seine Ausbildung und religiöse Formung. Manchmal erwähnt er das eine oder andere Ereignis (wie etwa seine Taufe), und einige Daten zu seiner frühen Vita lassen sich aus knappen Hinweisen erschließen, aber es bleibt doch eine beträchtliche Unsicherheit, sowohl was die exakten Daten anbelangt als auch im Hinblick auf die entscheidenden Erlebnisse für die Formung seiner Persönlichkeit.1
Das Geburtsjahr Schon das Geburtsjahr stellt die Biographen vor das Problem, mit ungenauen bis widersprüchlichen Bemerkungen des Hieronymus und einer konkreten, aber doch wohl falschen Angabe einer anderen spätantiken Quelle umgehen zu müssen. Die Daten, die in der Forschung genannt wurden, variieren zwischen dem Jahr 330 – Hieronymus wäre dann noch unter dem Kaiser Konstantin geboren worden – und einem viel späteren Zeitpunkt um 350.2 Wie kann es zu so unterschiedlichen Datierungsvorschlägen kommen? Die Frage nach dem Zeitpunkt der Geburt ist nicht nur von chronologischer Relevanz für die Vita des Kirchenvaters, sondern auch deshalb bedeutsam, weil sich die Lebensumstände spätantiker Christen durch Konstantins Hinwendung zu 24
Das Geburtsjahr
ihrem Glauben stark veränderten. Da Hieronymus keinen Zweifel daran lässt, von seiner Kindheit an christlich erzogen worden zu sein, würde ein frühes Geburtsjahr die Annahme nahelegen, dass seine Eltern entschiedene und bekennende Christen und als solche noch Mitglieder einer minoritären Glaubensgemeinschaft gewesen wären. Ein späteres Datum führte dagegen in die Zeit der Söhne Konstantins, unter denen deutlich wurde, dass die religionspolitische Grundsatzentscheidung Konstantins nicht mehr revidiert, sondern vielmehr mit verstärktem Nachdruck umgesetzt werden würde.3 Die Christen stellten nun zwar noch immer eine Minderheit dar, doch stand ihr Glauben nicht mehr im Gegensatz zum römischen Staat; ihn zu bekennen, verlangte weniger Mut als zuvor. Ein näherer Blick auf die Hinweise, die Hieronymus selbst zu seinem Geburtsjahr gibt, zeigt schnell, dass die Probleme der Forschung auch aus den Finessen seiner Rhetorik resultieren, die es ihm erlaubt, Begriffe zur Bezeichnung von Lebensaltern zur Beeinflussung seiner Leser ganz unscharf einzusetzen. Unter den Briefen des Hieronymus befindet sich ein Schreiben, das er an seinen Kommilitonen Heliodor gesandt hat.4 Hieronymus wollte seinen Freund davon überzeugen, dass es für einen asketisch gesinnten Christen keinen besseren Ort zum Leben als die Wüste geben könne. Hieronymus war mit Heliodor in Antiochia zusammengetroffen, kurz bevor er selbst in die Wüste von Chalkis gezogen war. Heliodor dagegen war in den Westen zurückgekehrt, um wenig später Priester und schließlich Bischof im norditalienischen Altinum zu werden. Nicht lange nach seiner Ankunft in der syrischen Wüste versuchte Hieronymus, den Freund zu sich zu ziehen. Damit blieb er zwar erfolglos, aber sein Werbeschreiben für das christliche Wüstenleben fand eine breite Resonanz in den Kreisen christlicher Leser. Etwa zwanzig Jahre später sagt nun Hieronymus selbst in einem Brief an Nepotian, den Neffen Heliodors, über seinen früheren Brief an Heliodor, er sei zu der Zeit entstanden, als er als „Jüngling, fast noch als Knabe, die aufwallende Leidenschaft durch ein hartes Leben in der Einöde niederringen wollte“.5 Der zweifelsfreie Bezug auf seinen mehrjährigen Wüstenaufenthalt, den Hieronymus nach seiner Ausbildung in Rom, nach einem Aufenthalt in Trier, nach seiner Reise nach Antiochia und sicher vor seinem Aufenthalt in Konstantinopel, der in die Zeit des zweiten ökumenischen Konzils (381) fällt, in den mittleren siebziger Jahren des 25
2 Kindheit und Jugend
4. Jahrhunderts absolvierte, wird hier also mit zwei Begriffen von Altersstufen verbunden, die Hieronymus als noch sehr jungen Menschen erscheinen lassen. Zwar meinen die Begriffe „Knabe“ und „Heranwachsender“ zunächst nicht mehr als das Alter des Kindes und das des jungen Erwachsenen, doch wurde nach römischer Vorstellung aus dem Knaben ein Mann, wenn er im Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren die Männertoga anlegte. Als solcher war er in die zweite Lebensaltersstufe eingetreten, die dem antiken Verständnis zufolge bisweilen ohne weitere Differenzierung bis zum Beginn des Greisenalters reichen konnte, oftmals aber auch noch weiter unterteilt wurde.6 Nun hat Hieronymus sicher nicht als Kind in der Wüste gelebt. Wenn er einen solchen Eindruck hervorrufen will, so könnte dies dem von ihm selbst propagierten Vorbild des heiligen Eremiten Hilarion geschuldet sein. Ihm hat Hieronymus eine Vita gewidmet, in der er berichtet, Hilarion sei im Alter von fünfzehn Jahren in die Nitrische Wüste gegangen.7 Als rhetorisch überformte Aussage lässt sich seine Zeitangabe zur Abfassung des Briefes an Heliodor nur so verstehen, dass sich Hieronymus rückblickend für die Zeit seines Wüstenlebens näher an der Kindheit als am Greisenalter sah, das zwanzig Jahre später, zum Zeitpunkt des Briefes an Nepotian, angeblich schon erste Spuren in seinen Körper eingegraben hat.8 Hieronymus wird tatsächlich etwa im Alter von fünfundzwanzig Jahren in die Wüste gegangen sein und mit Mitte vierzig sieht er sich schon beinahe als alten Mann.9 Eine Bestätigung für die Annahme, dass die Kindheit des Hieronymus nicht unter Konstantin, sondern unter dessen Söhne fällt, findet sich in einer beiläufigen Bemerkung, die Hieronymus in einer seiner Übersetzungen von Werken Eusebs macht. Dieser hatte in griechischer Sprache ein Verzeichnis der Orte erstellt, die in der Bibel genannt werden (das Onomasticon urbium et locorum Sanctae Scripturae). Hieronymus übersetzte das Werk ins Lateinische, wobei er den Text Eusebs an einigen Stellen zusammenstrich, an anderen aber erweiterte.10 Das Interesse an der biblischen Topographie ergab sich aus dem exegetischen Postulat, jeden Begriff der Heiligen Schrift erklären zu können, aber daneben spielte auch die Aura des sakralen Raums eine wichtige und durch das spätantike Pilgerwesen immer größer werdende Rolle. Im Verlauf seiner zweiten Reise in und durch den Orient, die er nach dem Tod des Damasus antrat, und auch weiterhin während der vielen 26
Das Geburtsjahr
Jahre, die er in seinem Kloster in Bethlehem lebte, hat Hieronymus die Stätten der christlichen Heilsgeschichte aufgesucht, und so zeugen mache seiner Einträge in das eusebische Onomastikon von seiner eigenen Reisetätigkeit. Etwa zwanzig Kilometer südlich von Bethlehem konnte der fromme Christ in den judäischen Bergen die Stadt Hebron und in ihrer näheren Umgebung die Ortschaft Mamre besuchen, wo sich die Eiche Abrahams befand.11 Unter ihr hatte der biblische Patriarch sein Zelt aufgeschlagen, als Gott mit zwei Begleitern erschien. Nachdem Abraham seine Gäste bewirtet hatte, wurden ihm und seiner Frau Sarah die Geburt des Sohnes angekündigt, auf den die beiden lange Zeit und bis in ihr hohes Alter vergeblich gewartet hatten.12 Als um das Jahr 325 Konstantins Schwiegermutter Eutropia durch Palästina reiste,13 musste sie feststellen, dass in Mamre ein heidnischer Götzendienst blühte. Um ihn abzustellen, beauftragte Konstantin seinen Statthalter Acacius, an diesem heiligen Ort alle Spuren des Heidentums zu zerstören und eine christliche Basilika zu errichten. Außerdem beschwerte sich Konstantin bei Macarius, dem Bischof von Jerusalem, sowie den übrigen Bischöfen Palästinas über die Missstände, die man in Mamre hatte einreißen lassen.14 Konstantin betonte die Dringlichkeit seines Anliegens und die besondere Bedeutung des Ortes, denn hier hatte sich seiner Auffassung nach Gott zum ersten Mal einem Menschen gezeigt. Der Kaiser befahl schnelles Handeln; dass die Basilika tatsächlich wenige Jahre später gebaut war und benutzt werden konnte, bezeugt der sogenannte Pilger von Bordeaux für das Jahr 333.15 Als Hieronymus nach Mamre kam, gab es den Baum, der im Mittelpunkt des heidnischen Kultes gestanden hatte, nicht mehr. Glaubt man seiner Angabe, ist er allerdings nicht unter Konstantin, sondern erst unter Constantius II. gefällt worden. Denn Hieronymus vermerkt unter dem Eintrag Drys, dem griechischen Begriff für Eiche: „Eiche von Mamre, bei Hebron, wo bis in die Zeit meiner Kindheit und der Herrschaft des Constantius eine uralte Terebinthe zu sehen war, die ihr Alter durch ihre Größe zu erkennen gab; unter ihr wohnte Abraham. Von den Heiden wurde der Baum mit einem sonderlichen Kult umgeben und wie ein bedeutendes Gotteszeichen verehrt.“16 27
2 Kindheit und Jugend
Abgesehen davon, dass Hieronymus – wie vor ihm bereits Josephus – nicht zwischen einer Eiche und einem Terebinthen-Pistazienbaum unterscheidet,17 ist sein Bericht ein Indiz für die zunehmend nachdrücklichere Umsetzung antiheidnischer und antijüdischer Maßnahmen unter den Söhnen Konstantins. Denn Konstantin hatte in seinem Brief an die Bischöfe Palästinas zwar verlangt, die „heidnischen Götzenbilder“ zu beseitigen, nicht aber den für die jüdische Religion bedeutsamen Baum zu fällen. Für die Frage nach dem Geburtsjahr bringt der Lexikoneintrag eine aufschlussreiche Parallelisierung der Kindheit des Hieronymus mit der Herrschaft Constantius’ II. Da dieser Sohn Konstantins allein genannt wird, ist anzunehmen, dass Hieronymus nicht an die Zeit der gemeinsamen Herrschaft der Söhne Konstantins denkt, sondern an die 350 beginnende Epoche der Alleinherrschaft des Kaisers.18 Damit fiele die Kindheit des Hieronymus ebenfalls in die fünfziger Jahre des 4. Jahrhunderts und seine Geburt wäre auf die Jahre um 348 zu datieren. Diese Datierung wird durch ein weiteres Selbstzeugnis bestätigt. In seinem in Bethlehem zu Beginn der 390er Jahre geschriebenen Kommentar zum Propheten Habakuk, der in seinem Gebet die gegen Ungläubige gerichtete Strafgewalt Gottes beschwört, erinnert Hieronymus an die Reihe der römischen Kaiser, die als Christenverfolger ein schnelles Ende gefunden hätten: „Zur großen Verwunderung [der Gläubigen] hast Du die Köpfe der Mächtigen zerteilt“, so übersetzt er Habakuk (3, 14) aus der Fassung der „Septuaginta“, um dann zu erläutern, dass dies zuletzt an Julian zu beobachten war und vor dem Apostaten an den Kaisern Maximian, Valerian, Decius, Domitian und Nero. In solchen Fällen konnten und könnten die Christen in ihrem Jubel den Vers des Propheten rezitieren. Um die Bedeutung des Ausdrucks „Verwunderung“ (stupor) deutlich zu machen, verweist Hieronymus auf das plötzliche, die Zeitgenossen überraschende Ende Julians, das er selbst miterlebt habe, als er „noch ein Knabe gewesen und sich in der Schule des Grammatikers geübt“ habe. Damals, so behauptet Hieronymus in völliger Übertreibung der antichristlichen Politik Julians, sei in allen Städten des Reiches das Blut der Märtyrer vergossen worden, bis plötzlich die Nachricht vom Tod des Kaisers verbreitet wurde.19 Wenn Hieronymus im Juni 363, als Julian im Perserkrieg seinen Verwundungen erlag, den Unterricht eines Grammatiklehrers besuchte, hatte er zu diesem Zeitpunkt die zweite Stufe des traditionel28
Das Geburtsjahr
len Ausbildungsganges erreicht. Dieser führte über den Elementarunterricht, den man im Alter von sechs bis sieben Jahren begann, zum Grammatikunterricht, den man mit etwa zwölf bis sechzehn Jahren durchlief, und schließlich zum Unterricht beim Rhetoriklehrer, der noch einmal drei bis vier Jahre dauern konnte. Dann war ein junger Mann, wenn er fleißig studiert hatte, mit den notwendigen sprachlichen Kenntnissen ausgestattet, um eine staatliche Laufbahn anzutreten.20 Nach diesem Schema müsste Hieronymus, der 363 noch als „Junge“ (puer), also mit mindestens zwölf und höchstens fünfzehn Jahren, im Unterricht des Grammatikers saß, zwischen 348 und 351 n. Chr. geboren sein. Dieses Zeitfenster kann noch etwas enger gefasst werden, wenn man einer weiteren Aussage Glauben schenkt. In seinem Kommentar zu Obadiah, den er 396 für seinen Freund Pammachius verfasst hat,21 berichtet er, diesen alttestamentlichen Propheten schon einmal kommentiert zu haben. Das sei sein erstes und ganz unzulängliches Werk nach dem Abschluss des Rhetorikstudiums gewesen. Seitdem seien dreißig Jahre vergangen.22 Damit hätte Hieronymus seine Studien im Jahr 366 beendet, wenn man auch nicht ausschließen kann, dass er mit der runden Zahl wieder nur einen ungefähren, aber einprägsamen Wert angegeben hat.23 Da Hieronymus am Ende seiner Ausbildung achtzehn oder neunzehn Jahre alt gewesen sein wird, kann die Frage nach seinem Geburtsjahr somit wenigstens ungefähr beantwortet werden. Die Geburt fällt aller Wahrscheinlichkeit nach in das Jahr 348 oder 349. Diese Datierung passt allerdings nicht zu den vermeintlich klaren Angaben in der Chronik des Prosper von Aquitanien, der im 5. Jahrhundert die von Hieronymus übersetzte und erweiterte Chronik des Euseb seinerseits fortsetzte und dabei auch Ergänzungen in den Text des Hieronymus eingetragen hat. Prosper behauptet, Hieronymus sei 331 geboren worden und am 30. September 420 verstorben. Prosper erklärt außerdem, im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben, Hieronymus sei 91 Jahre alt geworden.24 Zurückgerechnet vom Jahr 420 müsste Hieronymus dann bereits 329 geboren sein. Aber die beiden frühen Daten lassen sich in keiner Weise mit den Selbstzeugnissen vereinbaren und sind deshalb abzulehnen.25
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2 Kindheit und Jugend
Der Geburtsort Stridon Auch die Frage nach seinem Geburtsort bereitet Schwierigkeiten. Hier ist der Name des Ortes durch Hieronymus selbst sicher überliefert, aber unklar, wo er sich genau befunden hat. Treffend hat Hieronymus’ Biograph Georg Grützmacher 1901 vermerkt: „Wie um die Geburtsstadt Homers sieben Städte stritten, so haben mehr als sieben Städte den Ruhm beansprucht, der Geburtsort des Heiligen zu sein.“26 Seit Jahrhunderten ist mit viel Scharfsinn versucht worden, eine Lösung des Problems herbeizuführen.27 Ausgehen muss man dabei von den Abschnitten im Werk des Hieronymus, in denen er sich direkt oder indirekt über seine Heimat äußert; direkt, wenn er von der Ortschaft Stridon oder dem elterlichen Haus spricht, indirekt, wenn sich seine Briefe auf die nähere oder weitere Umgebung seines Heimatortes beziehen. An direkten Zeugnissen gibt es nur die folgenden drei: Um das Jahr 393 hat Hieronymus einen Katalog christlicher Schriftsteller verfasst und damit ein Genre der traditionellen Literatur in die christliche Literaturgeschichte überführt. Während das erste „Verzeichnis berühmter Männer“ von Cornelius Nepos (100–28 v. Chr.) stammte und das Leben griechischer und römischer Könige, Feldherren und Autoren schilderte, hatte Sueton (70–122) den Titel für eine kurz gefasste Literaturgeschichte übernommen. Hieronymus begann seine chronologisch geordnete Sammlung von insgesamt 135 Kurzbiound Kurzbibliographien mit dem Apostel Petrus und konzentrierte sie mit Ausnahme von Philon und Seneca, die ihm als Zeugen für die Kirchengeschichte bedeutsam erschienen, auf christliche Schriftsteller, von denen etliche nur mehr durch dieses Verzeichnis bekannt sind.28 An das Ende dieser ersten ‚Patrologie‘ stellte er ein Verzeichnis seiner eigenen Werke, eine stolze Liste von 32 Schriften, die er bislang, also „bis zum vierzehnten Jahr der Herrschaft des Theodosius“ (393), veröffentlicht hatte. Und über sich selbst sagt er dabei: „Die Zusammenstellung der kirchlichen Schriftsteller beende ich mit mir selbst, Hieronymus. Ich hatte Eusebius zum Vater und bin in Stridon geboren, einer Stadt, die an der Grenze zwischen Pannonien und Dalmatien gelegen ist und inzwischen von den Goten zerstört wurde.“29
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Der Geburtsort Stridon
Das zweite Zeugnis entstammt dem Kommentar, den Hieronymus wenige Jahre zuvor zum Propheten Zefanja geschrieben hatte. Dabei erläuterte er die Ankündigung von Gottes vernichtendem Strafgericht mit dem Hinweis auf die Zerstörungen, von denen das Illyricum und Thrakien in der jüngeren Vergangenheit betroffen waren, und er spezifizierte dies mit der Region, aus der er selbst stammte: „Dort ist alles zerstört; es gibt nur noch Himmel und Erde, wuchernde Dornenbüsche und Wälder.“30 Schließlich berichtet Hieronymus in einem Brief, den er gegen Ende des 4. Jahrhunderts an Pammachius geschrieben hat, dass er sich aufgrund der Finanznot seiner Klöster in Bethlehem dazu gezwungen sah, seinen Bruder Paulinianus auf eine Reise in die alte Heimat zu schicken, um die Reste des väterlichen Besitzes zu verkaufen. Hier ist von den „halbzerstörten Landhäusern“ die Rede, die „den Händen der Barbaren entkommen“ seien, und von den „Überresten des elterlichen Besitzes“.31 Offenbar hoffte Hieronymus, dass Teile des Besitzes nicht niedergebrannt worden waren; vielleicht waren sie den Plünderungen entgangen, nach den Angriffen der Goten aber aufgegeben worden. Da Hieronymus zwischen den Landhäusern und dem übrigen Besitz seiner Eltern unterscheidet, könnte die Familie ein Haus in Stridon und verschiedene Güter im Umfeld der Ortschaft besessen haben. Aus diesen Informationen lässt sich sicher entnehmen, dass der Heimatort des Hieronymus auf dem westlichen Balkan lag. Stridon war eine Ortschaft, die sich im Grenzbereich zwischen Dalmatien und Pannonien befand, und Hieronymus bezeichnet sie zudem als oppidum. Könnte man hier den (auf den keltischen Raum bezogenen) Sprachgebrauch Caesars voraussetzen, müsste es sich um eine befestigte Siedlung gehandelt haben, doch ist diese Bedeutung für die Spätantike nicht zwingend vorauszusetzen. Oppidum kann schon zur Zeit der römischen Republik jede „stadtähnliche Siedlung ohne Rücksicht auf ihre Rechtsstellung“32 meinen. In der Regel wird man annehmen können, dass der Begriff auf einen „Zentralort“ verweist, „in dem sich das kommunalpolitische, administrative und jurisdiktionelle Geschehen“ einer Region konzentrierte.33 Im Falle vom Stridon ist darüber hinaus festzustellen, dass die dortige christliche Gemeinde keinen Bischof besaß, sondern unter der Leitung eines Presbyters stand. So muss ein Brief des Hieronymus verstanden werden, in dem er sich über die christliche Gemeinde in seinem Heimatort äußert.34 Sein Hin31
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weis lässt vermuten, dass das oppidum Stridon verhältnismäßig klein gewesen sein dürfte. Wo aber könnte sich das antike, dann zerstörte Stridon befunden haben? Jeder Versuch einer Lokalisierung muss von Hieronymus’ Angabe ausgehen, Stridon habe auf der Grenze zwischen Pannonien und Dalmatien gelegen. Was ist damit gemeint? Die in der frühen Kaiserzeit eingerichtete Provinz Pannonien war im weiteren Verlauf der römischen Herrschaft zweimal geteilt worden; zunächst unter Trajan in das westlich gelegene Oberpannonien und das östliche Unterpannonien. Unter Diokletian entstanden im Rahmen einer Neuorganisation des gesamten Reichsgebietes die vier Provinzen Pannonia prima, Pannonia secunda, Pannonia Valeria und Pannonia Savia.35 Auch die unter Augustus geschaffene Provinz Dalmatia war von Diokletian neu zugeschnitten worden; ihre südliche Spitze wurde abgetrennt und der neuen Provinz Praevalitana (im Raum des heutigen Montenegro) zugeschlagen. Im Westen stießen Pannonien und Dalmatien an Italien. Es war der französische Kirchenhistoriker Ferdinand Cavallera (1875–1954), der in seiner 1922 erschienenen Hieronymus-Biographie ein neues Argument ins Spiel brachte. Hatte man bislang den von Hieronymus verwendeten Ausdruck confinium einfach als Begriff für „Grenze“ verstanden, so führte Cavallera einige Passagen der antiken Literatur an, um zu belegen, dass der Begriff auch das Zusammentreffen von drei Teilen oder Landstrichen meinen kann.36 Auch Hieronymus hat den Ausdruck gelegentlich so gebraucht. Und zur Lokalisierung von Stridon habe er den Ausdruck nur deshalb verwenden können, weil er in diesem konkreten Sinne auf eine klar umgrenzte Region verweisen konnte. Allgemein verstanden, hätte confinium dagegen auf einen langen Grenzverlauf zwischen Dalmatien und Pannonien verwiesen und den Lesern keine brauchbare Information gegeben. Der entscheidende Aspekt liegt bei diesem Argument also in dem Berührungspunkt, den die beiden genannten Provinzen mit einer dritten Region gehabt haben, und bei dieser kann es sich nur um die Provinz Moesien im Osten oder im Westen um Italien beziehungsweise die italienische Provinz Venetia et Histria gehandelt haben, deren Grenze zu den Balkanprovinzen östlich von Aquileia und westlich von Emona (Ljubljana) verlief. 32
Der Geburtsort Stridon
Dalmatien im 4. Jahrhundert (nach einer Karte von R. Bratozˇ).
Wäre Hieronymus am confinium von Dalmatien und Pannonien mit der Provinz Moesien aufgewachsen, dann hätte das nahe gelegene Sirmium, die Hauptstadt von Pannonia secunda und Sitz der illyrischen Präfektur, im Verlauf seiner Ausbildung oder im Rahmen seiner kirchlichen Kontakte eine Rolle spielen müssen. Da dies nicht der Fall ist, Hieronymus dagegen die Städte Aquileia und Emona gut kennt und Briefe dorthin schreibt, führt die confiniumThese von Cavallera an die Westgrenze von Dalmatien. Und vielleicht kann man noch einen Schritt weiter gehen, wenn man überlegt, warum Hieronymus vom confinium zwischen Dalmatien und Pannonien, nicht aber zwischen Dalmatien und Italien beziehungsweise Istrien spricht. Vermutlich nennt er doch seine eigentliche Heimatprovinz an erster Stelle, und dass er Dalmater gewesen ist, wird auch durch andere spätantike Quellen bestätigt.37 Indem er sich auf Pannonien und nicht auf Italien oder Istrien bezieht, lokalisiert er das untergegangene Stridon nur in der Nähe, nicht aber im 33
2 Kindheit und Jugend
direkten Umfeld der Grenze zum westlich gelegenen Italien. Der Eintrag von „Stridonae“ auf der Karte von Rajko Bratož müsste folglich ein wenig nach Osten, in die Nähe von Kučar, verschoben werden.38 Nach diesen Überlegungen erscheint es plausibel, Stridon südwestlich von Poetovio (Ptuj) und damit in der Nähe der dreifachen Provinzgrenze zu verorten, vielleicht zwischen Praetorium und Neriodunum und jedenfalls auf dalmatischer Seite. Diese Lokalisierung passt auch dann, wenn man sich nicht darauf verlassen will, dass Hieronymus den Ausdruck confinium in dem von Cavallera betonten engen Sinn verstanden wissen wollte. Sie schließt dieses Begriffsverständnis aber nicht aus. Festzuhalten ist noch, dass Emona nach den jüngeren Forschungen von Marjeta Šašel Kos zur italienischen Provinz Venetia et Histria und nicht zu Pannonien gehört haben dürfte.39
Hilferufe in die Heimat Stridon kann auch deshalb nicht allzu weit von Aquileia (bei Venedig) und dem antiken Emona, dem heutigen Ljubljana, gelegen haben, da sich Hieronymus von seinen Freunden in den genannten Städten Unterstützung in einer familiären Angelegenheit verspricht. So bittet er in einem aus der Wüste von Chalkis nach Aquileia gesandten Brief den Diakon Julian darum, sich auch weiterhin um seine Schwester zu kümmern, die gerade, wie er aus einem Brief Julians erfahren hat, von diesem zum christlichen Glauben zurückgeführt oder sogar in ihrem Glauben so bestärkt worden war, dass auch sie sich zum asketischen Leben entschlossen hat: „Es freut mich, von Dir zuerst zu erfahren, daß meine Schwester, Deine Tochter in Christus, in ihrem neuen Entschluß ausharrt. Wo ich jetzt lebe, da weiß ich nicht, was in meiner Vaterstadt vorgeht. Ja ich weiß nicht einmal, ob sie noch besteht.“40 Die Bemerkung über die Vaterstadt Stridon ist wohl so zu verstehen, dass sich Hieronymus’ Schwester noch immer dort aufhält; folglich wird Julian sein christliches Werk auch dort, in einer gewissen Entfernung von Aquileia, vollbracht haben. So könnte man auf dieser Grundlage annehmen, dass Stridon unter der Aufsicht des Bischofs von Aquileia stand und dieser Bischof seine Diakone auf Visitations34
Hilferufe in die Heimat
reisen gelegentlich nach Stridon schickte.41 In Emona dagegen gab es in den siebziger Jahren des 4. Jahrhunderts noch keine kirchliche Autorität, an die Hieronymus hätte appellieren können, ihm bei der christlichen Leitung seiner Schwester beizustehen. Die Stadt wurde erst wenige Jahre später Sitz eines Bischofs; darauf verweist die Nennung des Bischofs Maximus im Zusammenhang mit einem Konzil, das 381 in Aquileia stattfand.42 Noch einen weiteren Brief aus der Wüste hat Hieronymus abgeschickt, um Unterstützung für seine Schwester zu gewinnen, wieder nach Aquileia. Jetzt beschwört er seine dort lebenden Freunde Chromatius, Jovinus und Eusebius, sich um sie zu kümmern und das von Julian begonnene Bekehrungswerk fortzusetzen: „Er hat gepflanzt, Ihr sollt begießen!“ Die Freunde sollen regelmäßig Briefe an die Schwester schicken, um sie auf ihrem guten Wege zu halten, und noch besser wäre es, wenn sie auch den Bischof Valerian dazu überreden könnten, einen bestärkenden Brief an die Schwester zu schreiben. Hilfreich erscheint Hieronymus dies auch deshalb, weil seine Heimat durch ländliche Einfachheit geprägt und einer recht bescheidenen religiösen Führung unterstellt ist: „In meiner Heimat, wo bäuerisches Wesen zu Hause ist, da ist der Bauch Gott. Man lebt nur so in den Tag hinein. Der ist am heiligsten, der am reichsten ist. Und zu dieser Schüssel hat sich auch, wie man zu sagen pflegt, ein passender Deckel gefunden, nämlich der Priester Lupicinus. […] Wie ein hilfloser Kapitän führt er das leckgewordene Schiff, und selbst ein Blinder, stürzt er die Blinden in die Grube. Wie der Herr, so die, welche ihm unterstehen.“43 Hieronymus hat sonst nichts Näheres über die Lebensweise der Einwohner von Stridon zu erzählen. In seinem Œuvre findet sich nur der Hinweis darauf, dass die Einwohner Pannoniens einen eigenen, „barbarischen“ Ausdruck für Bier benutzten.44 Als Biertrinker entsprechen sie der antiken Ethnologie zufolge den Barbaren, denen die Weinkultur fremd ist. Neben den Briefen, die nach Aquileia gingen, hat Hieronymus während seines Wüstenaufenthaltes auch zwei Schreiben nach Emona gesandt. Seine Adressaten waren eine Gruppe von Jungfrauen sowie ein Mönch namens Antonius.45 Diesmal geht es um Hieronymus selbst: Bei den frommen Jungfrauen beklagt er sich darüber, dass sie 35
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wohl die guten Dienste vergessen hätten, die er ihnen einst erwiesen habe; sonst hätten sie ihm doch bestimmt schon einen Brief geschrieben. Unklar bleibt, an welche Dienste Hieronymus erinnern will, während das Schweigen möglicherweise aus einer üblen Nachrede resultierte, von der Hieronymus in seiner Heimat betroffen war. Auch Antonius wird dringend aufgefordert, endlich einmal einen Brief abzusenden, nachdem Hieronymus schon zehn Schreiben an ihn geschickt haben will.46 Wenn Antonius konsequent gegen die antike Grußpflicht verstoßen hat, muss in Emona ein dunkler Schatten auf dem Ruf des Hieronymus gelegen haben, anders als in Aquileia, wo Hieronymus nicht mit solchen Vorbehalten rechnet. Was aber war der Grund für die Vorwürfe, gegen die er sich wehren musste? Es kann dazu nur Spekulationen geben, da sich Hieronymus zu dieser Frage ausschweigt. Eine mögliche Antwort könnte in den Folgen liegen, die seine Hinwendung zum asketischen Leben für seine Geschwister, den Bruder und die Schwester, und damit für die Zukunft der Familie gehabt hat: Indem sich auch Paulinianus und die Schwester, deren Name nicht überliefert ist, für das mönchische Leben entschieden, wurde die Generationenfolge in ihrer Familie beendet. Damit war absehbar, dass nicht nur der von Vorfahren und Eltern erarbeitete Wohlstand zerfallen, sondern auch die Erinnerung an sie erlöschen würde. Diese für antike Menschen beklemmende Perspektive hat in vielen christlichen Familien der Spätantike, deren Kinder sich zur radikalen Umsetzung ihres Glaubens entschlossen, zu schweren Konflikten geführt47 und ein solcher könnte auch zwischen Hieronymus und seinen Eltern ausgebrochen sein.48 Diese Erklärung, die von der Sache her schlüssig erscheint, kann jedoch das Schweigen von Hieronymus’ Briefpartner nicht gut erklären. Denn gerade vonseiten frommer Frauen oder eines Mönches hätte Hieronymus eher Unterstützung für sein entschiedenes Christentum als Ablehnung erwarten können.
Ein Sohn aus gutem Hause Aus einer Kindheitserinnerung des Hieronymus lässt sich entnehmen, dass sein Vater ein begüterter Mann war. So selten Hieronymus auch auf seine Kindheit und Jugend zurückblickt, zwingt ihn der erbitterte Streit, den er in späteren Jahren mit Rufin um die vermeintlich häreti36
Ein Sohn aus gutem Hause
sche Theologie des Origenes geführt hat, doch einmal dazu, eine solche Erinnerung als Argument einzusetzen. Rufin hatte Hieronymus vorgeworfen, trotz seiner im Brief an Eustochium formulierten Behauptung, der heidnischen Literatur ganz und gar abgeschworen zu haben, weiterhin die Klassiker zu lesen und zu zitieren, und Hieronymus verteidigt sich etwas hilflos gegen diesen Angriff mit der Behauptung, einmal Gelesenes und einmal Erlebtes sei im Gedächtnis fest verankert und jederzeit abrufbar: „Wer von uns würde sich nicht seiner Kindheit erinnern? Ich kann mich jedenfalls gut daran erinnern […], als Kind durch die Wohnzellen der Sklaven gelaufen zu sein und meinen freien Tag mit Spielen zugebracht zu haben oder auch aus den Armen der Großmutter als Gefangener dem strengen Orbilius ausgeliefert worden zu sein.“49 Die Wohnzellen der Sklaven, von denen hier beiläufig die Rede ist, lassen an die Sklavenbaracken der Südstaaten denken, von denen Beecher-Stowe in „Onkel Toms Hütte“ erzählt. Durch vergleichbar ärmliche Behausungen, in denen eine größere Anzahl von Sklaven untergebracht war, die alltäglich auf den Feldern arbeiteten, konnte der junge Hieronymus als Sohn des Sklavenbesitzers streifen und sich vergnügen, bis er wieder in die Hände seines Pädagogen geriet, der wahrscheinlich ebenfalls dem Sklavenstand angehörte. Vom familiären Wohlstand in Stridon ist auch im Brief an Eustochium die Rede. Hier unterlegt Hieronymus sein Plädoyer für ein asketisches Leben mit dem Hinweis darauf, einst selbst als junger Mann auf die Annehmlichkeiten eines wohlgedeckten Tisches verzichtet zu haben, als er die Heimat verließ, „um ein Gott geweihtes Leben zu führen“. Und noch einmal später, als ihm in Bethlehem das für den Unterhalt seiner Klöster notwendige Geld auszugehen drohte, weil sich das riesige Vermögen seiner asketischen Freundin und Gönnerin Paula doch erschöpft hatte, schickte er wie bereits erwähnt seinen Bruder Paulinianus in die Heimat, um zu verkaufen, was vom väterlichen Besitz nach den gotischen Plünderungen noch übrig war: halb niedergebrannte Landhäuser und Ländereien, während der mobile Besitz, über den die Familie verfügt haben muss, Sklaven und Vieh, geraubt oder geflohen war.50 Die hier genannten „kleinen Landhäuser“ sind – entgegen dem rhetorisch gebrauchten Diminutiv51 – ein Hinweis auf 37
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einen recht großen Landbesitz, denn es handelte sich dabei vermutlich um mehrere Häuser, die jeweils von Äckern und Gärten, vielleicht auch Weinbergen umgeben waren. Ein ganzes Netz von väterlichen Ländereien könnte sich um Stridon herum befunden haben, und ein größeres Haus wird der Familie, die somit zur wohlhabenden Schicht der größeren Landbesitzer gehörte, als Hauptsitz gedient haben. Ob es in Stridon Ämter und Aufgaben gab, die Hieronymus’ Vater aufgrund seiner besseren wirtschaftlichen und damit auch höheren sozialen Stellung hätte übernehmen können, hängt von der Größe und dem Rechtsstand der Gemeinde ab, der sich nicht genauer bestimmen lässt (S. 31). Ist somit die soziale Stellung der Familie recht gut zu bestimmen, bleibt vieles andere im Dunkeln. Kein einziger Brief an den Vater oder die Mutter ist überliefert, und der Name der Mutter wird wie der der Schwester kein einziges Mal erwähnt. Der Vater hieß Eusebius, der Bruder Paulinianus und eine Tante Castorina. Seit wann die Eltern in Stridon lebten oder wie sie zum christlichen Glauben gekommen waren, berichtet Hieronymus nicht.52 Sein eigener kostspieliger Ausbildungsgang, der ihn nach Rom und dort in den Unterricht eines Grammatikers und eines Rhetors führte, bestätigt noch einmal indirekt den Wohlstand der Familie und deutet auf den elterlichen Wunsch, ihrem Sohn eine gute Bildung und damit auch eine Grundlage für eine Ämterlaufbahn zu verschaffen.53 Eine solche Laufbahn war gut mit einem größeren Landbesitz zu verbinden, den der Besitzer keineswegs selbst verwalten musste, und es gab, wenn man im Staatsdienst erst einmal weit genug gekommen war, gute Positionen, die es erlaubten, das eigene Vermögen noch beträchtlich zu vergrößern. Der Bildungsgang des jungen Hieronymus weist jedenfalls darauf hin, dass seine Eltern ihren Glauben mit Besitz und Wohlstand zu verbinden wussten. Dem frühchristlichen Ideal des völligen Verzichts auf Besitz und Bildung wollten sie offensichtlich nicht folgen. Dass die Eltern Christen waren, steht außer Frage. Mehrfach weist Hieronymus darauf hin, christlich erzogen worden zu sein. In seiner Familie war, anders als etwa in der Familie des Augustinus, die grundsätzliche Entscheidung für den neuen Glauben längst gefallen. Ob der Vater, der um 320 geboren sein könnte, seinerseits bereits christliche Eltern hatte oder Christ wurde, bleibt offen, da er seinen christlichen Namen (Eusebius = „der Fromme“) auch angenommen haben könnte.54 38
Ein Sohn aus gutem Hause
Für Hieronymus indes war der Weg zur Taufe familiär vorgegeben. Im Vorwort zu seiner Hiob-Übersetzung sagt er ausdrücklich, dass er christliche Eltern gehabt habe,55 und in einem seiner späteren Briefe betont er die christliche Erziehung, die er genossen habe, sei er doch „von der Wiege an mit katholischer Milch ernährt“ worden.56 Da dieses Selbstzeugnis aus einem Brief stammt, den Hieronymus am Ende des 4. Jahrhunderts an Theophilus, den Patriarchen von Alexandria, geschrieben hat, könnte man fragen, wie aussagekräftig der Hinweis auf die „katholische“ Ausrichtung der christlichen Erziehung tatsächlich ist. In seinem Brief musste Hieronymus Stellung zu den Auseinandersetzungen um Origenes beziehen und in diesem Zusammenhang seine Rechtgläubigkeit betonen. Als Zeugnis für seine Kindheit bestätigt der Brief zunächst einmal grundsätzlich die christliche Erziehung. Doch Hieronymus hatte sich tatsächlich schon früh und klar auf die Seite der Orthodoxie gestellt. In dem bereits zitierten Brief, den er in den siebziger Jahren aus der Wüste an seine Freunde in Aquileia schickte, lobte er diese dafür, sich in den innerchristlichen Auseinandersetzungen behauptet und „Aquileia vor dem Gift der arianischen Irrlehre bewahrt“ zu haben.57 Da sich etliche Bischöfe des Westens unter Constantius II., der dieses Bekenntnis unterstützte, dem Arianismus angeschlossen hatten – darunter auch Auxentius, der Bischof von Mailand58 –, war ein „katholisches“ und das heißt somit ein antiarianisches Bekenntnis in seiner Jugend keine Selbstverständlichkeit. Erstaunlich ist aber doch das Schweigen über Vater und Mutter. Zusammengenommen mit dem Konflikt, den es zwischen Hieronymus und seiner Tante Castorina gab, ergibt sich der Verdacht einer tiefen und anhaltenden Entfremdung, die zur Spaltung der Familie geführt haben könnte. Dabei stand Paulinianus, der etwa zehn Jahre jüngere Bruder, auf der Seite des Hieronymus, folgte er ihm doch im mönchischen Lebensentwurf und bis nach Bethlehem, wo er den größten Teil seines Lebens an der Seite seines älteren Bruders verbrachte. Für die wohlhabende Familie bedeutete dies, dass die potentiellen Erben des Vermögens aus dem bürgerlichen Stand ausgeschieden waren. Sofern man ihnen als zukünftigen Erben den Zugriff auf den Besitz nicht verstellte, indem man etwa andere Verwandte begünstigte, musste man damit rechnen, dass die Vermögenswerte eines Tages in die Verfügungsgewalt der Kirche übergehen würden. Genau das versuchten Hieronymus und sein Bruder später tatsächlich zu bewerk39
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stelligen, als Paulinianus nach Stridon reiste, um die Überreste des väterlichen Besitzes zu Geld zu machen. Noch einmal sei der hypothetische Charakter dieser Überlegungen betont. Ihnen kommt aber durchaus eine gewisse Plausibilität zu und dies vielleicht gerade dann, wenn man sie in einen Zusammenhang mit den oben erwähnten Briefen stellt, die Hieronymus nach Emona gerichtet hat (S. 35 f.). Zu erinnern ist auch an die Zeugnisse aus dem 4. und 5. Jahrhundert, die belegen, dass es zu scharfen innerfamiliären Konflikten kommen konnte, wenn die Zukunft wohlhabender Familien durch die christlichen Ideale von Askese und Jungfräulichkeit gefährdet erschien. Keine Ehe einzugehen und keine Kinder zu zeugen, bedeutete nicht nur, eine persönliche Entscheidung gegen die Traditionen zu treffen, sondern auch die Familiengeschichte zu beenden, sofern nicht Geschwister vorhanden waren, die weniger radikal gesinnt waren. Hieronymus und Paulinanus hatten noch eine Schwester, doch auch sie hat sich offenkundig für die asketische Option entschieden. So jedenfalls lassen sich die Dankesworte verstehen, die Hieronymus an den Diakon Julian in Aquileia richtet: Er freue sich zu erfahren, dass die Schwester, „Deine Tochter in Christus, in ihrem neuen Entschlusse ausharrt“.59 Im Brief an die Freunde ist dann von einer „Wunde“ die Rede, „welche ihr der Teufel versetzt hatte“, bevor sie Hieronymus durch „Jesus wiedergeschenkt“ worden sei. Welche Art von Verfehlung gemeint sein könnte, wird nicht deutlich, doch da die Gefahren, denen die Schwester weiterhin ausgesetzt sei, mit denen verglichen werden, die Chromatius, Jovinus und Eusebius überstanden hätten, kann man hier den Vergleichspunkt im Entschluss zum asketischen Leben und im Beharren auf dieser Entscheidung sehen. Das aber würde bedeuten, dass die Familie des Hieronymus ohne Aussicht auf nachfolgende Generationen und damit ohne Zukunft war, wofür man Hieronymus als den Ältesten verantwortlich machen konnte. Hier könnte der Grund für das vollständige Schweigen zwischen Hieronymus und seinen Eltern liegen, und auch der Brief, den Hieronymus an die Tante Castorina schrieb, gehört möglicherweise in diesen Zusammenhang. Eindringlich bittet Hieronymus seine Tante, den langen Groll aufzugeben und den brieflichen Kontakt zu ihm wieder aufzunehmen, doch er macht auch deutlich, dass er selbst der christlichen Pflicht zur Aussöhnung mit diesem Brief genügt habe; will sich die Tante nicht 40
Die Ausbildung in Grammatik und Rhetorik
aussöhnen, so liege jedenfalls bei ihm keine Schuld.60 Letztlich aber könnte die Tante recht gehabt haben: Wenn Hieronymus durch sein persönliches Vorbild und wohl auch durch Briefe oder im persönlichen Kontakt und mit all seiner rhetorischen Kraft sowohl den Bruder als auch die Schwester ähnlich ‚bearbeitet’ haben sollte, wie er das später in Rom mit der jungen Eustochium machte, dann trug er einen großen Teil der Verantwortung dafür, dass die Kinder des Eusebius und seiner Frau die Zukunft ihrer Familie auf dem Altar der Askese und Jungfräulichkeit opferten. Vielleicht haben es die Eltern zuletzt bedauert, ihrem Ältesten eine lange und gute Ausbildung finanziert zu haben. Mit geringerer rhetorischer Kunst und weniger Gelehrsamkeit hätte Hieronymus seine radikale christliche Gesinnung wohl nicht so überzeugend vertreten können.
Die Ausbildung in Grammatik und Rhetorik Der Ausbildungsgang des Hieronymus folgte den traditionellen Vorgaben, an denen auch die Christen der Spätantike festhalten konnten, nachdem ihre Theologen die in vorkonstantinischer Zeit verbreitete Ablehnung von Bildung und Wissenschaft relativiert hatten. Wie für die heidnische Antike von alters her wurde dadurch auch für die Christen ein im Wesentlichen auf sprachliche und literarische Aspekte konzentrierter Unterricht zur Grundlage für jegliche spätere Tätigkeit, ob in den Diensten der Kirche oder des Staates. Nach der Einführung in die Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens, die beim Elementarlehrer erfolgte, diente schon der Grammatikunterricht auch zur Beschäftigung mit den Klassikern der griechischen und lateinischen Literatur, wobei die Zweisprachigkeit noch in der Spätantike mehr ein Gebot für die Kinder des Westens als für die des Ostens war. Die griechische Kultur konnte aufgrund ihres Alters und ihrer Vorbildhaftigkeit noch immer eine Vorrangstellung beanspruchen, und manche Gelehrte des Ostens scheuten sich nicht, ihre Unkenntnis der lateinischen Sprache mit Hinweisen auf die Zweitrangigkeit der römischen Kultur zu rechtfertigen.61 Wenn dagegen Gebildete des Westens kein Griechisch konnten, empfanden sie dies als Makel. Augustinus ist ein gutes Beispiel dafür.62 Die letzte Stufe des dreiteiligen Ausbildungsganges war erreicht, wenn der Schüler in den Unterricht eines Rhetors kam, um hier so41
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wohl die Klassiker zu studieren als auch die erworbenen sprachlichen und literarischen Kenntnisse praktisch anzuwenden. Zu den Standardübungen beim Rhetor gehörten Reden aller Art, fingierte Gerichtsreden ebenso wie Übungen in Festvorträgen. Zur Verfestigung eines großen Repertoires an rhetorischen Kunstgriffen mussten die Schüler mitunter abstruse Themen bearbeiten und vor dem Lehrer und ihren Mitschülern präsentieren. Dabei hatten sie trotz ihres Alters von bereits sechzehn oder mehr Jahren auch mit körperlicher Züchtigung zu rechnen, sollte der Lehrer mit ihren Leistungen nicht zufrieden sein. Hieronymus hatte noch Jahrzehnte später Albträume, in denen er sich wieder der Gewalt seines früheren Rhetoriklehrers ausgesetzt sah; aufwachend stellte er dann erleichtert fest, dass diese Zeiten weit hinter ihm lagen (S. 45). Sowohl der Grammatik- als auch der Rhetorikunterricht konnten innerhalb von Hochschulen erfolgen, deren Professoren dann nicht nur Honorare vonseiten der Eltern, sondern auch städtische oder staatliche Gehälter bezogen.63 Waren die Professoren im Römischen Reich seit Caesar privilegiert worden, indem man sie von den öffentlichen Lasten freistellte, so legte der Kaiser Vespasian (69–79) den Grundstein zu einer Hochschule in Rom, indem er mehreren griechischen und lateinischen Rhetoren ein Gehalt zahlen ließ. Hadrian (117–138) baute diese Anfänge zu einer Bildungseinrichtung aus, die den Namen Athenaeum erhielt. Hochschulen dieser Art, in denen neben den genannten Fächern auch Philosophie, Rechtswissenschaft und Medizin gelehrt werden konnten und in denen eine größere Anzahl von Dozenten tätig war, gab es während der Spätantike in den großen Städten wie Rom und Konstantinopel, Alexandria, Karthago oder Antiochia und auch in Athen, das über die längste und bedeutendste Tradition verfügte, wurde hier doch seit der Zeit Platons Philosophie gelehrt. Andere Inhalte der „freien Künste“ (artes liberales) wie Arithmetik oder Astronomie wurden nicht eigens angeboten; ihre theoretischen Ansätze konnten Teil des rhetorischen Unterrichts sein, falls sich der Professor für die entsprechenden Fragen interessierte. Das galt auch für die Naturkunde. Ganz außerhalb des Curriculums standen dagegen praktisch orientierte Lehrstoffe wie die Architektur oder Mechanik, für die man eine Lehrzeit bei den entsprechenden Fachleuten absolvierte.64 42
Die Ausbildung in Grammatik und Rhetorik
Von der spätantiken Universität in Rom ist bekannt, dass es hier Lehrstühle für Grammatik, lateinische und griechische Rhetorik, Philosophie, Medizin und Rechtswesen gab.65 Konstantinopel verfügte, wie aus einem Gesetz des Kaisers Theodosius II. aus dem Jahr 425 hervorgeht, im 5. Jahrhundert über insgesamt 31 Professuren und damit über die größte Bildungseinrichtung dieser Art.66 Für die ehemalige Hauptstadt wie für die neue am Bosporus sind zahlreiche Professoren namentlich bekannt, wobei Hieronymus selbst in seiner Chronik einige Gelehrte anführt, die mit ihrer Lehrtätigkeit in Rom hervorgetreten sind. „Auf ruhmvollste Weise erteilte er seinen Unterricht“, heißt es etwa über den Rhetor Pater (zum Jahr 336) und ähnlich über Minervius (zum Jahr 353), deren Leistungen auch von Ausonius in einem langen Gedicht über die aus Burdigala (Bordeaux) stammenden Rhetoren gelobt werden.67 Etwas ausführlicher ist der Eintrag, den Hieronymus zum Jahr 354 n. Chr. geschrieben hat: „Der Rhetor Victorinus und der Grammatiker Donatus, der mein Lehrer gewesen ist, erlangten größtes Ansehen in Rom. Victorinus wurde sogar mit einer Statue auf dem Trajansforum geehrt.“68 Andere Städte hatten weniger oder keine Berühmtheiten zu bieten. Während in den Residenzstädten wie Trier oder Mailand einige städtische Lehrer mit dem einen oder anderen Professor konkurrierten, dessen Lehrstuhl durch kaiserliche Förderung entstanden war, konnten andere, kleinere Städte nur selten eine überregionale Anziehungskraft auf dem Feld der höheren Bildung entfalten. Das dürfte auch für Aquileia gegolten haben, das in der Spätantike durchaus eine ökonomische Bedeutung hatte; es gibt aber keine einzige Nachricht über den Unterricht eines berühmten Gelehrten.69 Für den jungen Hieronymus bedeutete dies, dass ihn sein Bildungsweg nach Mailand oder Rom führen musste, da seine Eltern über genügend Geld verfügten, um Studien fern der Heimat zu finanzieren. Während Aquileia auf dem Feld der Bildung wenig zu bieten hatte, waren in Mailand oder Rom nicht nur gute Lehrkräfte zu finden, sondern vielleicht auch solche, die ihren Einfluss später für die Schüler nutzen und ihnen den Einstieg in eine staatliche Laufbahn erleichtern konnten. Spätantike Professoren haben sich nicht gescheut, sich in dieser Weise für ihre Schüler einzusetzen, denn im Erfolgsfall stärkte dies noch ihr Renommee. 43
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Viel älter als zwölf Jahre wird Hieronymus nicht gewesen sein, als er Stridon verließ,70 sicher nicht allein, sondern in Begleitung eines Pädagogen und zudem gemeinsam mit dem Freund Bonosus, der ebenfalls aus einem wohlhabenden Haus stammte. Bis dahin waren Hieronymus und Bonosus vermutlich von Hauslehrern unterrichtet und über den Elementarunterricht bis zu den Anfangsgründen der Grammatik geführt worden. Dafür, dass er bereits die erste Ausbildungsstufe in Rom absolviert hätte, wohin er dann im Alter von nur sechs Jahren gekommen sein müsste, gibt es keinen Beleg.71 Eher sollte man annehmen, dass der Pädagoge, den Hieronymus mit dem von Horaz übernommenen Namen Orbilius belegt, zu Hause in Stridon auch als Elementarlehrer gewirkt hat. Dann aber wäre schon dieser erste Abschnitt der Ausbildung mit viel Schrecken verbunden gewesen, denn „Orbilius“ ist der Typus des oft strafenden Lehrers, der dafür gern zum Rohrstock greift: Horaz nennt ihn den „Hiebe austeilenden Orbilius“.72 In Rom gehörten Hieronymus und Bonosus zu den Schülern des Aelius Donatus, dessen Ruhm als Grammatiker weit über seine Lebenszeit andauern sollte. Denn Aelius Donatus (ca. 320–380), dessen Erläuterungen zu Terenz und Vergil nur fragmentarisch überliefert sind, verfasste auch zwei Lehrbücher der Grammatik, die während des Mittelalters als Standardwerke so verbreitet waren, dass der Begriff „Donat“ für jede Grammatik verwendet werden konnte. Die beiden Lehrbücher zeigen, wie der Unterricht in seinem Fach aufgebaut war. Der Anfänger musste sich zunächst mit den Wortarten auseinandersetzen, während der Fortgeschrittene den rechten Sprachgebrauch des Redners erlernen sollte. Hier ging der Grammatikunterricht bereits in den Rhetorikunterricht über.73 Dass sich Hieronymus im Unterricht des Donatus wohlfühlte und er ihm viel zu verdanken meinte, kann man aus dem literarischen Denkmal schließen, das er seinem Lehrer in seiner Chronik gesetzt hat. In dem kurzen autobiographischen Hinweis liegt viel Anerkennung für den berühmten Meister, dessen Schüler inzwischen ein erfolgreicher christlicher Schriftsteller geworden war. Das Nachleben auch eines Professors hing davon ab, ob man seinen Namen fortschreiben würde. Verschwieg man ihn dagegen, so wie Hieronymus mit dem Namen seines Rhetoriklehrers verfuhr, so lief dies auf eine damnatio memoriae, eine Auslöschung der Erinnerung, hinaus: 44
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„Noch heute, wo mein Kopf kahl und grau geworden ist, sehe ich mich oft im Traum, wie ich mit frisierten langen Haaren und mit der Toga bekleidet vor dem Rhetor stehe und über meinen Streitgegenstand deklamiere; wenn ich dann erwache, dann gratuliere ich mir dazu, aus dieser gefährlichen Situation befreit zu sein, solche Reden halten zu müssen.“74 Dient auch dieser Bericht Hieronymus’ in seiner Auseinandersetzung mit Rufin dazu, sich für die Verwendung heidnischer Zitate zu rechtfertigen, die er noch nach seinem Eid, keine Autoren wie Cicero mehr zu lesen, in seine Schriften einfließen ließ,75 so gibt er an anderer Stelle seiner Apologie einen Einblick in das Lektüreprogramm, das im Grammatik- und Rhetorikunterricht absolviert wurde. Wie kann man mir, so fragt Hieronymus, einen Vorwurf daraus machen, dass ich als Kommentator der Heiligen Schriften vielfältige, auch widersprüchliche Interpretationen früherer Autoren zusammenstelle? Nur so wird es doch dem Leser ermöglicht, sich selbst ein Urteil zu bilden. „Und auch Du hast doch als Junge die Kommentare gelesen, die Asper zu Vergil und Sallust geschrieben hat, die Vulcatius zu den Reden Ciceros verfasst hat oder Donatus, mein Lehrer, zu den Komödien des Terenz wie auch zu Vergil, und was andere Autoren zu anderen Texten geschrieben haben, wie zu Plautus, Lukrez, Horaz, Persius und Lucan.“76 Hieronymus hat offensichtlich kein Problem damit, dass sein Lehrer Donatus, anders als der in der Chronik auch erwähnte Marius Victorinus, Zeit seines Lebens Heide blieb. Überhaupt war das Bildungswesen der Spätantike eine Bastion der alten Religion und allen Versuchen der Kaiser zum Trotz, das christliche Bekenntnis in der Gesellschaft durchzusetzen, hat man noch bis in die Zeit Justinians (527–565) hinein akzeptieren müssen, dass viele Gelehrte und Professoren am traditionellen Glauben, der so eng mit ihrer Literatur verbunden war, festhielten. Nur einmal ist im 4. Jahrhundert, allerdings von heidnischer Seite aus, der Versuch unternommen worden, das Bildungswesen auf die Linie der staatlichen Religionspolitik zu verpflichten. Das geschah unter Kaiser Julian, der während seiner kurzen Herrschaft (361–363) die ‚konstantinische Wende‘ rückgängig zu machen suchte und den im ganzen Reich beschäftigten Lehrern nicht nur 45
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einen tadellosen Lebenswandel abverlangte, sondern sie auch mit der Frage konfrontierte, wie sie sich zu den Inhalten ihrer Lehrstoffe stellen wollten. Diese im sogenannten Rhetorenedikt und in einem langen „Sendschreiben an die Lehrer im Römischen Reich“ von Julian entwickelte Bildungspolitik lief darauf hinaus, dass nur solche Professoren mit den Texten eines Homer, Sophokles oder Thukydides, eines Vergil, Plautus oder Sallust arbeiten sollten, die auch die in diesen Texten angerufenen oder auftretenden Götter verehrten. Seine Kraft sollte dieses Argument in der Anwendung auf christliche Grammatiker und Rhetoren entfalten, die ihren Unterricht in Ermangelung eigener christlicher Schultexte mit den genannten Autoren und mehr noch mit Demosthenes und Cicero bestritten, ohne deshalb deren Glauben teilen zu wollen. Julian zufolge mussten solche Lehrer angesichts der Widersprüchlichkeit ihrer Haltung als moralisch disqualifiziert gelten. Der Ausweg, auf der Grundlage der Heiligen Schriften Grammatik und Rhetorik zu vermitteln, erschien abwegig, entsprachen doch die Bücher des Alten und Neuen Testamentes mit ihrer einfachen Sprache in keiner Weise den Ansprüchen der hochliterarisierten römischen Gesellschaft.77 Nur wenige Professoren des 4. Jahrhunderts lassen sich als Christen identifizieren.78 Und nur ein Fall ist bekannt, bei dem ein christlicher Gelehrter auf das antichristliche Rhetorenedikt Julians mit seinem Rücktritt reagierte. Diesen aufsehenerregenden Schritt ging jener Marius Victorinus, den man in Rom 354 mit einer Statue geehrt hatte. Damals war er noch ein Anhänger des Neuplatonismus, doch ist er kurz danach zum Christentum übergetreten.79 Nachdem er in früheren Jahren Kommentare zu Cicero und Aristoteles verfasst und Schriften Plotins ins Lateinische übersetzt hatte, widmete er sich nach seiner Taufe den Briefen des Paulus. Außerdem verfasste er Hymnen, mit denen er die christliche Trinitätslehre zu verbreiten suchte, sowie eine Widerlegung des Arianismus, auf die Hieronymus in seinem Verzeichnis christlicher Schriftsteller mit kritischem Unterton hinweist: Dieses Werk sei ziemlich undurchsichtig und nur für Gelehrte verständlich.80 Über Victorinus’ Rücktritt von der Professur, der 362 erfolgte, verliert Hieronymus kein Wort, während Augustinus die Lebensgeschichte des Victorinus, die ihm vorbildhaft erscheint, in seinen „Bekenntnissen“ ausführlich und mit großer Anerkennung schildert.81 46
Ein antikes Studentenleben
Sowohl Augustinus als auch Hieronymus bezeugen, dass Victorinus ein alter Mann war, als er sich zum Christentum bekannte. Seine Geburt fällt wohl in die Jahre um 290, gestorben sein dürfte er bald nach Julian, 363 oder 364. In dieser Zeit studierte Hieronymus bei Donatus in Rom, er wird hier sicher einiges über Victorinus gehört haben, auch wenn er ihn vielleicht nicht persönlich kennengelernt hat. Seinen Unterricht, den Victorinus 362 einstellte, hat Hieronymus jedenfalls sicher nicht besucht, auch wenn in der mittelalterlichen Überlieferung, die von Jacobus de Voragine (1229–1298) in seiner „Legenda Aurea“ gesammelt worden ist, das Gegenteil behauptet wird: „Als Grammatiklehrer hatte Hieronymus den Donatus, als Lehrer in der Rhetorik den Victorinus.“82 Für den frommen Leser war es plausibel, dass der große Kirchenlehrer Hieronymus in seiner Jugend Schüler eines berühmten und durch Augustinus bekannten christlichen Gelehrten gewesen sein sollte.
Ein antikes Studentenleben Hieronymus selbst malt seine Studienzeit in Rom an den wenigen Stellen, an denen er sich dieser Jahre erinnert, in düsteren Farben. Ähnlich, wie Augustinus im Rückblick auf seine Jugend die Sündhaftigkeit seines früheren Lebens beklagt, bekennt auch Hieronymus, nachdem er die Entscheidung für ein asketisches Leben getroffen hat, früher in Rom allen unsittlich-sinnlichen Versuchungen erlegen zu sein, mit denen die Jugend auf Abwege gelockt und ihr das Geld aus der Tasche gezogen werden konnte. Für den jungen Mann aus reichem Hause gab es am Tiber viel zu erleben, was sich nicht recht mit der religiösen Unterweisung vertrug, mit der er gleichzeitig als Katechumene auf seine Taufe vorbereitet wurde. Und so tadelt er sich später heftig, als er in den frühen siebziger Jahren die ersten seiner überlieferten Briefe schreibt, auch an Freunde, die mit ihm gemeinsam in Rom studiert hatten, oder noch in den achtziger Jahren, als er Eustochium vor Augen führen will, welchen teuflischen Angriffen seiner Begierden er noch während des Aufenthalts in der Wüste von Chalkis ausgesetzt gewesen sei. „Noch habe ich nicht angefangen, die Lockungen des früheren Wohllebens von mir zu weisen, habe von den Sünden noch nicht abgelassen“, so schreibt er 374 in Antiochia an den Abt Theodosius voller Verzweiflung darüber, nicht mutig genug für den Schritt zum asketi47
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Die Versuchung des Heiligen Hieronymus. Gemälde von Francisco de Zurbarán (1598-1664) im Hieronymitenkloster in Guadalup.
schen Leben zu sein.83 Und zur gleichen Zeit sieht er sich in einem anderen Brief nur mehr „als Staub und armseliges Häufchen Erde, zu Lebzeiten schon Asche, […] mit allem Schmutz der Sünde behaftet, […] im Grab der Sünden liegend“.84 Die Freunde in Aquileia, die sich um die Schwester kümmern sollen, werden an den „schlüpfrigen Weg der Jugend“ erinnert, auf dem Hieronymus selbst ausgerutscht sei,85 und worin eigentlich der jugendliche „Schiffbruch“ bestanden hat, von dem Hieronymus später einmal spricht,86 das wird am anschaulichsten in einem Kapitel des langen Mahnschreibens an Eustochium ausgemalt, in dem von den „Vergnügungsstätten in Rom“ mit den „Tänzen der Mädchen“, der dadurch hervorgerufenen „Glut der Begierde“ und dem „Feuer der Sinnlichkeit“ als Bildern und Erinnerungen die Rede ist, mit denen der Teufel den armen Hieronymus in seiner Wüsteneinsamkeit quält.87 Dass das Studentenleben in Rom wohl tatsächlich recht vergnüglich war, geht aus dem Schulgesetz des Kaisers Valentinian I. hervor, 48
Ein antikes Studentenleben
der im Jahr 370 Anweisungen erließ, wie die Studenten in Rom kontrolliert werden sollten.88 Der leitende Beamte sollte dafür sorgen, dass sich die Studenten bei ihren Zusammenkünften manierlich aufführten; auch sollten sie sich nicht ständig mit Spielen und Gelagen unterhalten. Nur wer ordentlich studierte, sollte sich bis zum Alter von zwanzig Jahren in Rom aufhalten dürfen, während besonders auffällige Studenten einer öffentlichen Prügelstrafe unterzogen, danach auf die Schiffe verbracht und nach Hause zurücktransportiert werden sollten. Viele der Studenten in Rom stammten dem Gesetz zufolge aus den Provinzen außerhalb Italiens; Afrika wird ausdrücklich genannt. Neben den vielen Klagen über seine Verfehlungen steht im Werk des Hieronymus nur ein einziger Abschnitt, in dem er religiöse Impressionen anführt, die er während seiner Studienjahre in Rom empfangen hat: „Als ich in meiner Jugendzeit in Rom studierte, da pflegte ich mit meinen Altersgenossen an den Sonntagen zu den Gräbern der Apostel und Märtyrer zu gehen und oft auch in die unterirdischen Räume herabzusteigen, die in die Erde gegraben sind und an deren beiden Seiten sich Grabkammern befinden. Und es ist dort so dunkel, dass das Psalmenwort erfüllt wird: ‚Es werden die Lebenden in die Unterwelt herabsteigen‘, und selten kommt das Licht von oben herab, um den Schrecken vor den Schatten zu mildern.“89 Die sonntäglichen Besuche in den Katakomben, die der Öffentlichkeit schon damals zugänglich waren und die wenig später unter dem Papst Damasus neu ausgeschmückt wurden, unternahm Hieronymus mit Kommilitonen, von denen einige auch namentlich bekannt sind.90 Sein ältester Freund war der bereits erwähnte Bonosus, der wie Hieronymus aus Stridon stammte. Die beiden Familien scheinen eng befreundet gewesen zu sein, denn Hieronymus und Bonosus wurden „vom zarten Kindesalter an bis zur Blüte der Jünglingsjahre“ gemeinsam erzogen, „an der Brust der gleichen Amme genährt und von den gleichen Wärtern auf den Arm genommen“.91 Nach dem Studium in Rom sollten die beiden gemeinsam nach Trier ziehen und gemeinsam in Gallien die Entscheidung treffen, sich einem asketischen Leben zu weihen. Vielleicht noch enger war das Verhältnis zu Rufin, der aus der kleinen, bei Aquileia gelegenen Stadt Concordia stammte und später ebenfalls Mönch wurde.92 Mit ihm wechselte Hieronymus über Jahrzehnte 49
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freundschaftliche Briefe, bis dann durch den Streit um Origenes aus der herzlichen Freundschaft eine heftige Feindschaft wurde. Kennengelernt hatten sich die beiden Männer wohl während ihrer Studienzeit in Rom, wo zahlreiche Kinder aus wohlhabenden Familien den Unterricht bei Victorinus, Donatus und ihren Kollegen besuchten.93 Bonosus und Rufin waren wie Hieronymus christlich erzogen worden. Alle drei müssen während ihrer Jugend getauft worden sein, bevor sie einige Jahre später als junge Männer Mönche wurden. Erinnert man sich daran, dass Augustinus die Taufe des Rhetors Victorinus als großes öffentliches Ereignis darstellt, oder auch daran, dass Augustinus selbst mehr als die Hälfte seiner „Bekenntnisse“ dafür verwendet, dem Leser den verschlungenen gottgeführten Weg zu schildern, der ihn zum christlichen Glauben geführt hat, und dass seine Bekehrung in Mailand und die anschließende Taufe durch den Bischof Ambrosius den Höhepunkt dieser ‚Autobiographie‘ darstellen, dann nimmt man mit Verwunderung zur Kenntnis, dass Hieronymus seinerseits kaum etwas über seine Taufe sagt. Sie ist, wie aus seinen Briefen hervorgeht, in Rom erfolgt.94 Aber die Taufe erscheint in keiner Weise als ein herausragendes, für den weiteren Lebenslauf entscheidendes Ereignis. In einem der Briefe, die er in den siebziger Jahren aus der Wüste an Damasus schreibt, hofft Hieronymus auf theologischen Rat und bittet um „Nahrung für meine Seele von dort, wo ich vor Jahren das Kleid Christi empfangen habe“.95 Da Damasus mit der Taufe nicht persönlich in Verbindung gebracht wird, muss Hieronymus sie von seinem Vorgänger Liberius empfangen haben, dessen Pontifikat 366 endete. Die Taufe lässt sich also in die römischen Studienjahre des Hieronymus datieren, die um 362 bis 367 anzusetzen sind. Warum aber diese Beiläufigkeit? Während für Augustinus Ausbildung und weltliche Laufbahn als erfolgreicher Rhetor, die bis zur Berufung auf den kaiserlichen Lehrstuhl in Mailand führte, ebenso vor seiner Bekehrung liegen wie seine jugendlichen Vergnügungen und sein langjähriges Verhältnis mit einer Konkubine, die ihm den Sohn Adeodat gebar, hat Hieronymus die Taufe wohl nicht als Wendepunkt erlebt. Augustinus gab seinen Beruf auf und verstieß seine Partnerin, während sich im Leben des jungen Hieronymus nichts veränderte. Für ihn behielten die Vergnügungsstätten ihren Reiz, auch wenn es daneben Spaziergänge zu den Katakomben gab,96 und zudem betrieb er seine Studien wohl nach wie vor mit dem Ziel, anschließend eine weltliche Stellung zu erlangen. Die 50
Ein antikes Studentenleben
Reise nach Trier, die Hieronymus und Bonosus nach dem Ende ihres Studiums unternahmen, lässt sich kaum anders erklären als mit der Hoffnung, die Aufmerksamkeit des Kaisers Valentinian I. zu erlangen, der 367 seine Residenz von Mailand an die Mosel verlegt hatte und sich bald als Förderer des gallischen Dichters Ausonius erwies. Warum sollten die beiden gut ausgebildeten Absolventen aus Rom nicht in der kaiserlichen Bürokratie unterkommen können? Die intensive Beschäftigung mit den lateinischen Autoren und die praktischen rhetorischen Übungen dürften ihnen eine souveräne Beherrschung der Sprache, einen geschliffenen Ausdruck und einen reichen Schatz an Sentenzen und Zitaten verschafft haben. Hieronymus legt davon in seinen Schriften fortlaufend Zeugnis ab. Seine spätere Verteidigung gegenüber Rufin, man könne das einmal so gründlich Gelernte nicht mehr vergessen, ist vor dem Hintergrund der jahrelangen Übungen durchaus plausibel. Die erworbene Bildung versetzte Hieronymus und seine Kommilitonen in die Lage, Briefe und andere Texte mit vielfachen literarischen Anspielungen und rhetorischen Ausdrucksformen zu verweben. Diese Art von Gelehrsamkeit gehörte auch zur christlichen Theologie, seit die großen Theologen der vorkonstantinischen Zeit das christliche Denken mit der antiken Erbschaft verbunden hatten, weil sie ihrem Glauben philosophische und literarische Dignität verleihen und ihn auch für die Gebildeten attraktiv machen wollten. Mit seinem im Brief an Eustochium so nachdrücklich verbreiteten Traumbericht legte sich Hieronymus später auf eine negative Linie der Ablehnung klassischer Autoren fest, die er indes selbst weder einhalten wollte noch konnte. Denn die Lektüre ihrer Werke hatte er nicht als lästiges Schulpensum pflichtgemäß erledigt, sondern mit Begeisterung betrieben. Davon zeugt nicht zuletzt die Tatsache, dass er bereits während seines Studiums in Rom damit anfing, Bücher zu sammeln und eine eigene Bibliothek aufzubauen.97 Etliche seiner Briefe bezeugen, dass die christlichen Gelehrten untereinander Abschriften von Werken austauschten, die sie noch nicht besaßen,98 und seinen Katalog der christlichen Schriftsteller hätte Hieronymus ohne seine Büchersammlung später kaum zusammenstellen können. Aber er sammelte seit seinem Aufenthalt in Rom auch die heidnischen Klassiker, sodass er sicher ein gern gesehener Kunde in den Buchgeschäften der Via Sandalaria war.99 51
2 Kindheit und Jugend
Nicht sicher ist, wie weit Hieronymus damals bereits die griechische Sprache gelernt hat. Er selbst bleibt dazu die Auskunft schuldig, doch ist die Annahme naheliegend, dass er zu einer vollständigen Beherrschung des Griechischen erst während seines späteren ersten Aufenthalts im Osten des Reiches gelangt ist.100 In den Jahren, die er in der Wüste von Chalkis zubrachte, begann er zudem, Hebräisch zu lernen, und dabei dürfte ihn sein Lehrer, ein zum Christentum konvertierter Jude, den Hieronymus vor Ort kennengelernt hatte, wohl eher in griechischer als in lateinischer Sprache unterrichtet haben. Einige Bücher, in denen die Studenten bisweilen besonders gern gelesen hatten, werden sich wohl nur vorübergehend in Hieronymus’ Bibliothek befunden haben. Rückblickend moniert er die Lektüre der „Milesischen Erzählungen“ oder des „Testaments des Ferkels Grunnius Corocotta“, mit der man sich als junger Mensch unsinnigerweise unterhalten habe. Unter „Milesischen Erzählungen“ verstand man seit Aristides von Milet, der dieses Genre um 100 v. Chr. begründet hatte, freizügige erotische Novellen, die heute nur noch in den Werken von Petron oder Apuleius fassbar sind. Konnte solchen Texten der Weg durch die Skriptorien der mittelalterlichen Klöster kaum gelingen, so erging es Grunnius Corocotta hier besser. Der harmlose Scherz, entstanden in der Mitte des 4. Jahrhunderts, schildert, wie ein armes Ferkel am Festtag der Saturnalien in der letzten Stunde seines Lebens sein Futter und alle seine Körperteile an seine Familie, an Köche und Pastetenmacher und alle möglichen anderen Leute vermacht und schließlich auch die eigene Grabinschrift diktiert.101 In seiner Auseinandersetzung mit Rufin wirft Hieronymus seinem früheren Freund vor, sich literarisch nur noch auf diesem Niveau zu bewegen, und, während er hier beklagt, dass die „Milesischen Erzählungen“ in der Schule gelesen würden, sagt er dies im Vorwort seines Kommentars zum Propheten Jesaia mit den gleichen Worten auch vom „Testament des Ferkels Grunnius Corocotta“.102
Eine christliche Erziehungslehre Seinen Kommentar zu Jesaia und die Apologie gegen Rufin hat Hieronymus wie noch viele andere Schriften während seines langen Lebens im Kloster von Bethlehem verfasst, und hier entstand auch ein Lehrbrief in Fragen christlicher Erziehung, in dem er ein radikales Gegenprogramm zu den Studieninhalten entwickelte, mit denen er sich 52
Eine christliche Erziehungslehre
selbst einst so intensiv und erfolgreich beschäftigt hatte. Dieser um 401 geschriebene Brief „Über die Erziehung der Tochter Paula“ war an Laeta gerichtet, die einige Jahre zuvor Toxotius, den Sohn von Hieronymus’ Freundin und Gönnerin Paula, geheiratet hatte. Ihr gemeinsames Kind hatten Laeta und Toxotius noch vor der Geburt Gott geweiht und damit für ein klösterliches Leben bestimmt. Nun erkundigte sich Laeta von Rom aus bei Hieronymus, wie sie ihre Tochter, die jüngere Paula, erziehen sollte. Hieronymus entwickelte in seiner ausführlichen Antwort eine kompromisslose christliche Erziehungslehre, die alle heidnischen Einflüsse auszuschalten sucht. Jeder Kontakt zu Personen außerhalb des Hauses soll verhindert werden. Das Kind muss einfach gekleidet und einfach ernährt werden. Mit den Sklaven darf es nicht spielen und ein Besuch in den öffentlichen Bädern ist nicht gestattet. Gut wäre es auch, wenn die kleine Paula eine Freundin um sich hätte, die „in der Abtötung geübt, einfach gekleidet und etwas traurig ist“. Und sie soll zwar das Fasten nicht übertreiben – erinnert sich Hieronymus noch an den Tod der Blesilla? –, aber sie soll doch niemals ganz satt sein, sondern immer etwas Hunger spüren. Der Brief gipfelt in dem Vorschlag, die kleine Paula aus dem sündigen Rom zu entfernen und nach Bethlehem zu schicken, damit sie im Kloster ihrer Großmutter erzogen werden kann.103 Und Hieronymus hat auch eine Idee, wie die kleine Paula lesen und schreiben lernen könnte, ohne mit der heidnischen Literatur und ihrer Götterwelt in Berührung zu kommen: „Besorge ihr Buchstaben aus Buchs oder Elfenbein und lasse sie deren Namen lernen! Sie soll damit spielen, und sie wird aus dem Spiele Belehrung schöpfen. […] Laß sie Silben zusammensetzen und gib ihr, wenn’s gelingt, eine kleine Belohnung! […] Die Buchstaben, aus denen sie allmählich Worte zusammenfügt, sind nicht dem Zufall zu überlassen, sondern es sollen bestimmte, mit Absicht gewählte Namen sein, wie die der Propheten und Apostel und die ganze Reihe der Patriarchen von Adam an, wie sie sich bei Matthäus und Lukas findet.“104 Wenn sie erst einmal so weit ist, dass sie den christlichen Elementarunterricht hinter sich hat, dann soll sich Paula allein mit der christlichen Literatur beschäftigen. Jeden Tag, so empfiehlt Hieronymus, soll sie ei53
2 Kindheit und Jugend
nige Abschnitte aus der Heiligen Schrift auswendig lernen, und zwar sowohl in griechischer als auch in lateinischer Sprache.105 Und außerdem gilt es, schrittweise die ganze Bibel zu erarbeiten. Dazu entwickelt Hieronymus ein regelrechtes Curriculum der christlichen Lektüre: „Zuerst lerne sie das Psalterium, dessen Gesänge sie zerstreuen mögen; dann bilde sie ihr Leben an den Sprüchen Salomos! Aus dem Prediger lerne sie die Dinge der Welt verachten! Nach dem Beispiele Hiobs übe sie Tugend und Geduld! Dann gehe sie über zu den Evangelien, die sie eigentlich nie aus der Hand legen sollte. Aus der Quelle der Apostelgeschichte und der Briefe trinke sie mit der ganzen Inbrunst ihres Herzens! Sobald die Schatzkammer ihrer Seele mit diesen Kostbarkeiten bereichert ist, mache sie sich mit den Propheten und den ersten Büchern des Alten Testaments, weiterhin mit den Büchern der Könige und der Chronik sowie mit Esra und Esther vertraut! Zuletzt, wenn es ohne Gefahr geschehen kann, lese sie das Hohelied! Würde sie damit anfangen, so könnte sie Anstoß nehmen, da sie unter den fleischlichen Worten für das Brautlied der geistlichen Hochzeit kein Verständnis aufbringen dürfte. Sie hüte sich vor allen apokryphen Schriften! Sollte sie diese gelegentlich lesen wollen, nicht um die Wahrheit des Glaubens in ihnen zu suchen, sondern aus Ehrfurcht vor den Wundererzählungen, dann denke sie stets daran, daß sie nicht auf die angegebenen Verfasser zurückgehen. Vielmehr ist ihnen viel Falsches beigemischt, und es bedarf schon großer Klugheit, um das Gold aus dem Schmutze herauszufinden. Die Werke Cyprians seien ihr immer zur Hand! Die Briefe des Athanasius und die Schriften des Hilarius kann sie ohne Bedenken lesen.“106 Cicero kommt in diesem Studienplan nicht vor. Für die kleine Paula entwirft Hieronymus ein Leben, wie er es in seinem Traum gelobt, aber niemals selbst zu leben vermocht hat. Es ist eine Pädagogik nicht nur des Kulturbruchs, sondern auch der Selbstverleugnung. Aber im Umgang mit der heidnischen Literatur hat Hieronymus doch bisweilen auch eine kompromissbereitere Position vertreten, wie sie etwa in einem Brief zum Ausdruck kommt, den er am Ende des 4. Jahrhunderts an den christlichen Rhetor Magnus geschrieben hat. Vermutlich handelt es sich bei Magnus um den durch eine auf seinem Sarkophag angebrachte Inschrift bekannten Flavius Magnus, der als „Red54
Eine christliche Erziehungslehre
ner der Stadt Rom“ am Ende seiner Tätigkeit mit dem Ehrenrang eines „Grafen erster Ordnung“ (comes primi ordinis) ausgezeichnet wurde.107 Magnus hatte bei Hieronymus kritisch nachgefragt, warum er denn in seinen Werken „zuweilen Beispiele aus der weltlichen Literatur anführe und so den Glanz der Kirche durch den Schmutz des Heidentums besudle“.108 Magnus selbst hat bei seinem Unterricht sicher nicht auf die klassischen Vorbilder der Beredsamkeit verzichten können, dabei aber vielleicht bewusst keine Verbindungen zu Werken der christlichen Literatur hergestellt. Gar zu sehr gehe Magnus wohl in den Werken Ciceros auf, so entgegnet Hieronymus. Denn sonst wüsste er, wie viele christliche Autoren seit Jahrhunderten die Heiden und ihren Irrglauben mit ihren eigenen Waffen bekämpft hätten. Keiner von ihnen hätte sich dabei gescheut, die eigene klassische Bildung in Apologie und Exegese unter Beweis zu stellen. Auch zur Abwehr christlicher Häresien sei die Kenntnis der antiken Philosophie notwendig, seien sie doch durch eine falsche Anwendung philosophischer Ideen auf die christlichen Glaubenslehren entstanden.109 Hieronymus stellt sich hier in die Tradition von Kirchenvätern wie Origenes oder Clemens von Alexandria, und er verweist über Philon und Josephus hinaus sogar auf Moses, Salomon und den Apostel Paulus. Sein Brief ist eine kurz gefasste christliche Literaturgeschichte in apologetischer Absicht. Dabei werden zahlreiche Autoritäten der frühen Kirche zu Hilfe gerufen, um eine Frage zu beantworten, die für das Christentum des späten 4. Jahrhunderts eigentlich längst geklärt war. Hieronymus aber fühlte sich persönlich herausgefordert und vermutete sogar, hinter der Anfrage des Magnus stehe sein Kontrahent Rufin.110 Ein einfaches Eingeständnis, dass die einst von ihm so geliebten heidnischen Autoren wie Cicero oder Plautus auch um ihrer selbst willen gelesen und studiert werden könnten, kam ihm dabei aber nicht über die Lippen. Vielmehr verwendet er ein Bild aus dem 5. Buch Mose, in dem erklärt wird, wie die Juden mit im Krieg gefangenen Frauen umzugehen hatten, wenn sie mit ihnen die Ehe eingehen wollten: Ihnen sollten zuvor alle Haare und Nägel kurz geschnitten werden.111 Nach diesem Vorbild will Hieronymus die „weltliche Weisheit wegen der Gefälligkeit des Ausdrucks und der Schönheit der Glieder in eine wahre Israelitin verwandeln“, womit er unfreiwillig zugesteht, dass die heidnische Literatur eben doch und immer noch einen großen ästhetischen Reiz auf ihn ausübt. 55
3 Im Westen und im Osten des Reiches
I
m Jahre 370 erließ Valentinian I. (364–375) ein Gesetz, in dem die Aufsicht über die Studenten geregelt wurde, die in Rom studieren wollten. Sie mussten sich beim Leiter der städtischen Verwaltung (dem magister census) anmelden. Diesem Amtsträger wurde auch die Aufgabe erteilt, den Lebenswandel und Studieneifer der jungen Leute zu überwachen. Über die Studenten sollten zudem Listen geführt werden, die einmal jährlich an den Kaiser zu schicken waren, damit er geeignete Kandidaten für den Staatsdienst auswählen konnte.1 Schon Jahre zuvor hatte Constantius II. die Verwaltung angewiesen, nur solche Personen in den staatlichen Dienst aufzunehmen, die sich zuvor den Wissenschaften gewidmet hätten; schließlich müsse der Bildung, die von allen Tugenden die größte sei, auch eine Belohnung zukommen.2 Nun hat Hieronymus seine Studien in Rom bereits um 368 beendet. Wie auch immer das Verfahren geregelt war, mit dem vor Valentinians Gesetz die Erfolge der römischen Studenten erfasst wurden, die Gesetze machen das kaiserliche Interesse an gut ausgebildeten Absolventen hinlänglich deutlich. Und auch die Studenten werden sich der beruflichen Aussichten bewusst gewesen sein, die sich aus ihrer Ausbildung in Grammatik und Rhetorik ergeben konnten. Hieronymus und seine Kommilitonen hätten etwa versuchen können, in eine der Abteilungen der Verwaltung Roms einzutreten, waren hier doch noch immer zahlreiche Beamte unter der Leitung des Stadtpräfekten tätig. Allerdings war Rom bereits seit etwa einem Jahrhundert keine Residenzstadt mehr. Die Kaiser besuchten die Stadt vor allem, um hier die großen Feste ihrer Herrscherjubiläen zu feiern, doch besaß das Reich seit der Zeit Diokletians etliche Residenzen, die strategisch besser gelegen waren als die Stadt am Tiber. Das erste Jahr seiner Herrschaft hatte Valentinian I. in Mailand zugebracht; dann war er nach einem Aufenthalt in Reims in die einst von Konstantins Vater Constantius I.
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Nach Trier
aufgebaute Residenz Trier umgezogen, wo er den größten Teil seiner Regierungszeit zubrachte.
Nach Trier Wenn Hieronymus die Nähe zum Kaiser suchte, um seine Laufbahn dort zu beginnen, wo ihn vielleicht nicht nur Verwaltungsaufgaben, sondern auch andere Möglichkeiten erwarteten, seine rhetorischen Kenntnisse anzuwenden, musste er nach dem Ende seines Studiums Rom verlassen und sein Glück in Trier versuchen. Für gute Rhetoren gab es im Umfeld des Kaiserhauses immer wieder Gelegenheit, mit Lobreden auf den Herrscher Aufmerksamkeit zu erregen, wenn etwa Regierungsjubiläen, militärische Siege oder besondere Wohltaten des Kaisers zu preisen waren. Wie weit eine Grammatiker- oder Rhetorenkarriere führen konnte, hatte sich in Trier bereits in der Zeit Konstantins gezeigt, als Laktanz, der erst heidnische und dann christliche Rhetor, Erzieher des Kaisersohnes Crispus geworden war. Und auch Valentinian hatte schon bewiesen, dass er gebildete Männer fördern würde. Um 365 wurde der aus Bordeaux stammende, 310 geborene Dichter Ausonius in den kaiserlichen Dienst berufen, um den Prinzen Gratian zu unterrichten. Die Nähe zum Kaiser führte dazu, dass Ausonius innerhalb weniger Jahre in hohe Verwaltungsämter aufsteigen konnte. Zunächst wurde er comes („Hofrat“), dann „Leiter des Palastes“ (quaestor sacri palatii) mit Zuständigkeit für alle Belange des kaiserlichen Hofes und schließlich nach Valentinians Tod und unter dessen Nachfolger Gratian sogar Prätorianerpräfekt Galliens (378) und Konsul (379).3 Nun hatte Ausonius, als er nach Trier kam, bereits zwanzig Jahre lang als Professor der Rhetorik in Toulouse gewirkt und sich mit etlichen Dichtungen einen Namen gemacht. Hieronymus und seine Freunde hatten nichts Vergleichbares vorzuweisen. Und doch lässt sich kein besserer Grund für eine Übersiedlung nach Trier angeben als eben die Hoffnung auf die eine oder andere Option, das in Rom Gelernte auch anwenden zu können. Die Entscheidung für Trier scheint indes erst nach längerem Bedenken gefallen zu sein, denn Hieronymus konnte sich offensichtlich bereits am Ende seiner Studienzeit vorstellen, eine kirchliche Laufbahn einzuschlagen oder sich sogar einem mönchischen Leben zu widmen. Aus dem Vorwort zum Obadiah57
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Kommentar von 396 geht hervor, dass Hieronymus seinen ersten Kommentar zu diesem Propheten verfasste, als er gerade mit dem Rhetorikstudium fertig geworden war. Mit einer solchen Schrift konnte er sich in den Kreisen der Kirche empfehlen und auf eine Beschäftigung hoffen, wie er sie einige Jahre später bei Damasus tatsächlich fand. Dabei musste die Frage der Entlohnung für den jungen Mann aus wohlhabendem Haus nicht im Vordergrund stehen, sondern eher die Möglichkeit einer Karriere in der bereits ausgebildeten Hierarchie der Kirche.4 Im Prolog zum Kommentar ist auch von dem damals mit Heliodor erörterten Plan die Rede, nach Syrien zu gehen, um in der dortigen Wüste das Leben von Eremiten zu führen.5 Wenn Hieronymus und Bonosus dann aber nach Trier aufbrachen, wählten sie wohl die traditionellste der möglichen Optionen.6 In der älteren Forschung ist vermutet worden, es seien wissenschaftliche Interessen gewesen, die den jungen Hieronymus an die Mosel geführt hätten.7 Dies erscheint aber doch zu sehr aus der Perspektive des späteren christlichen Gelehrten gedacht, der für seine exegetische Arbeit zahlreiche Details aus der Ethnographie und Naturkunde verwendet. Otto Zöckler hat beispielsweise von „fruchtbaren Anregungen“ gesprochen, die Hieronymus auf seiner Reise nach und durch Gallien empfangen habe, und die gute Ortskenntnis hervorgehoben, die den Kirchenvater später dazu befähigte, sich ein genaues Bild vom Umfang der Plünderungen und Zerstörungen zu machen, unter denen Gallien zu Beginn des 5. Jahrhunderts zu leiden hatte.8 Man mag mit Zöckler annehmen, dass der Aufenthalt in Gallien „in mehrfacher Hinsicht zu heilsamer Erweiterung seines geistigen Gesichtskreises“ geführt habe, doch fehlt es an rechten Belegen für diese Ansicht. Dass Hieronymus bei den Attacoten Kannibalismus erlebt habe, wie er später in seiner gegen Jovinianus gerichteten Schrift behauptet,9 erscheint wenig wahrscheinlich; es dürfte sich hier um Barbarentopik handeln, zumal die Attacoten nicht in Gallien, sondern in Schottland lebten und unter Valentinian I. mehrfach das römische Britannien überfielen.10 Der spätantike Historiker Ammian bezeichnet ihren Stamm einmal als besonders kriegsbegierig,11 und da sie aus dem fernen Norden stammten und folglich außerhalb der zivilisierten Oikumene lebten, konnte man ihnen leicht tierhaftes Verhalten vorwerfen. Direkt auf Trier verweist Hieronymus an anderer Stelle, wo er die Verwandtschaft der keltischen Sprache mit der 58
Nach Trier
Sprache der Galater in Kleinasien feststellt.12 Diese richtige Beobachtung war neu und wohl tatsächlich eine Entdeckung, die Hieronymus später, auf seinen Reisen in den Osten, gemacht hat.13 Über den Ablauf seiner Reise nach Gallien und über seinen Aufenthalt in Trier oder anderen Städten des Landes gibt Hieronymus in seinen überlieferten Werken wenig Auskunft. Briefe aus dieser Zeit, die einige Jahre umfasst haben wird,14 fehlen. So stützen sich alle Rekonstruktionen auf ein kurzes Selbstzeugnis, das wenige Jahre später entstanden ist. Dabei handelt es sich um einen 374 aus Antiochia geschrieben Brief, den Hieronymus an Rufin gerichtet hat. Mit ihm hatte Hieronymus in Rom studiert, und später, nach dem Aufenthalt in Gallien, war er in Aquileia erneut mit ihm zusammengekommen. Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt. Während Rufin mit Melania nach Ägypten gereist war, hatte sich Hieronymus auf den Weg nach Syrien gemacht. Von hier aus berichtet er Rufin, dass aus dem gemeinsamen Freund Bonosus inzwischen tatsächlich ein Einsiedler geworden sei: „Unser Bonosus erklimmt schon die von Jakob im Traum geschaute Leiter. […] Ein junger Mann, der mit uns in all den Künsten, welche die Welt schätzt, unterrichtet worden war, außergewöhnlich reich, geachtet von seinen Altersgenossen, zieht weg von seiner Mutter, seinen Schwestern und dem heißgeliebten Bruder und läßt sich wie ein neuer Siedler des Paradieses auf einer vom Meer umbrandeten, von den Schiffern gefürchteten Insel nieder, welche das rauhe Gestein, die kahlen Felsen und die Einsamkeit zu einer Stätte des Schreckens machen. Kein Bauer, kein Mönch, ja nicht einmal der kleine Onesimus, den Du gekannt hast und dem er wie einem jüngeren Bruder zugetan war, hat es in dieser Einöde als Begleiter an seiner Seite ausgehalten.“15 Aus dem Bericht an Rufin wird im Verlauf des Briefes eine Anrufung Christi. Hieronymus wechselt von der Person des Bonosus zu sich selbst und preist sich glücklich, einst beim Jüngsten Gericht mit Bonosus einen Fürsprecher zu haben. Denn Gottes Sohn weiß um die Verbindung zwischen Bonosus und Hieronymus, und etwas vom Glanz des asketischen Helden Bonosus wird dann auch auf seinen alten Freund, den sündigen Hieronymus, abfärben: „Du weißt“, schreibt Hieronymus und spricht dabei weiterhin Christus an, 59
3 Im Westen und im Osten des Reiches
„wie er und ich vom zarten Kindesalter an bis zur Blüte der Jünglingsjahre gemeinsam herangewachsen sind, wie wir an der Brust der gleichen Ammen genährt und von den gleichen Wärtern auf den Arm genommen wurden. Du weißt, wie wir nach Beendigung unseres Studiums zu Rom an den halbbarbarischen Ufern des Rheins Tisch und Wohnung teilten, und wie ich als erster den Entschluß zu Deinem Dienste faßte. Ich bitte Dich, o Herr, vergiß nicht, daß dieser Dein Kämpfer einst mit mir zusammen als Rekrut gedient hat.“16 Versteht man diese Aussage wörtlich, wird hier nicht Trier, sondern das Rheinufer als Schauplatz einer folgenreichen Entscheidung genannt, die von Hieronymus zuerst, dann aber auch von Bonosus getroffen wurde: sich ganz in den Dienst des christlichen Gottes zu stellen, also ein asketisches Leben als Mönch oder Einsiedler zu führen. Am Rhein, vielleicht in Mainz, das Hieronymus später unter den von den Germanen verwüsteten Städten als erste anführt,17 könnten die beiden Freunde länger verweilt haben, und dies könnte in kaiserlichen Diensten geschehen sein. Denn es ist durchaus möglich, auch wenn es von Hieronymus mit keinem Wort bestätigt wird, dass Bonosus und er in Trier in den großen Kreis der kaiserlichen Geheimagenten (agentes in rebus) aufgenommen und im Rahmen dieser Tätigkeit, die man auch als kaiserlichen Nachrichtendienst bezeichnen kann,18 an die Grenze der Provinz geschickt wurden. Wenn in der jüngeren Forschung die Auffassung vertreten worden ist, diese Bekehrung müsse in Trier erfolgt sein,19 so ist diese Deutung möglich, weil man Hieronymus’ Formulierung auch in einem weiteren Sinn auffassen kann. Die ‚Uferzone‘ des Rheins würde sich dann weit in das römische Herrschaftsgebiet hinein erstrecken. Vor ihm hatte schon Symmachus in einer seiner Lobreden Trier mit genau diesen Worten gekennzeichnet, allerdings in einem militärischen Zusammenhang, der so bei Hieronymus nicht gegeben ist.20Aber man fragt sich doch, warum Hieronymus, der das östliche Gallien gut kannte, vom Rhein statt von der Mosel sprechen und warum er die Kaiserresidenz Trier als „halbbarbarisch“ bezeichnen sollte? Der Alamanneneinfall des Jahres 275 lag weit zurück, und bis Trier am Anfang des 5. Jahrhunderts durch die germanischen Plünderungen großen Schaden erleiden sollte, war die Stadt die größte und prächtigste nördlich der Alpen.21 60
Ein Bekehrungserlebnis in Trier?
Da Hieronymus an anderer Stelle erwähnt, dass er in Trier zwei Werke des Hilarius, des kurz zuvor verstorbenen Bischofs von Poitiers, abgeschrieben habe, um die Kopien dann an seinen Freund Rufin zu senden,22 werden Hieronymus und Bonosus vielleicht nicht gleich nach ihrer Ankunft in der Kaiserresidenz in den Dienst des Herrschers getreten sein. Angesichts des beträchtlichen Umfangs der von Hieronymus kopierten Werke, einem Psalmenkommentar und einer Schrift über die Synoden, dürfte diese Arbeit geraume Zeit gedauert haben; sie mag auch dazu gedient haben, die Wartezeit des Bewerbungsverfahrens zu überbrücken. Es ist aber zu betonen, dass es Hieronymus ganz offenlässt, ob er überhaupt jemals ein niederes Amt in der staatlichen Verwaltung übernommen hat. Die Vermutung, Hieronymus sei in den kaiserlichen Dienst eingetreten, gründet sich auf dem anders kaum zu erklärenden Aufenthalt am Rhein, wenn man denn einen solchen überhaupt postulieren will. Dann wäre zu fragen, warum sich die jungen Absolventen über längere Zeit in einer Region aufgehalten haben sollten, die zwar mit einigen größeren Siedlungen versehen war, die dem Schutz des Reiches und darüber hinaus auch dem Handel dienten, die aber nicht als Stätten der Bildung gelten konnten. Selbst Köln oder Mainz besaßen, obwohl sie von beträchtlicher Größe waren, keinen Hochschulbetrieb, der irgendeinen Niederschlag in den Quellen gefunden hätte, und außerdem war die Rheingrenze schon seit geraumer Zeit immer wieder neuen Angriffen der Germanen ausgesetzt. Mainz etwa wurde vermutlich Ostern 368 von den Alamannen überfallen und ausgeraubt.23 So erscheint es plausibler, Hieronymus’ Hinweis auf die Rheingrenze mit den Feldzügen zu verbinden, die Valentinian ab 368 mehrfach gegen die Germanen unternehmen musste, wobei zweimal, 368 und 369, auch Ausonius den Kaiser begleitete.24
Ein Bekehrungserlebnis in Trier? Ausgehend von der Annahme, Hieronymus und Bonosus seien in Trier in eine Abteilung der staatlichen Geheimagenten eingetreten, hat Pierre Courcelle (1912–1980) eine interessante These zur Frage entwickelt, wie Hieronymus zu seiner Entscheidung zum mönchischen Leben gelangt sein könnte. In seinen „Recherches sur les Confessions de Saint Augustin“ von 1950, die zu einem Paradigmenwechsel geführt 61
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haben, weil hier erstmals der Einfluss des Neuplatonismus auf Augustinus herausgestellt wurde, hat Courcelle einen Abschnitt aus dem 8. Buch der „Bekenntnisse“ des Augustinus auf Hieronymus und seinen Freund Bonosus bezogen. In seinen gegen Ende des 4. Jahrhunderts verfassten „Bekenntnissen“ erzählt Augustinus, wie er 382 während seines Aufenthalts in Mailand – und noch vor seiner eigenen Bekehrung zum christlichen Glauben, die kurz darauf folgen sollte – von einem hochgestellten kaiserlichen Beamten namens Ponticianus besucht wurde. Man unterhielt sich über den ägyptischen Mönch Antonius, dessen Name, so schreibt Augustinus, „damals in hohen Ehren stand, uns aber bis zu dieser Stunde unbekannt geblieben war“.25 Um die Wirkung zu verdeutlichen, die der in der ägyptischen Wüste lebende Eremit auch auf Christen im fernen Gallien ausüben konnte, erzählt Ponticianus Augustinus und dessen Freund Alypius, was er selbst vor Kurzem in Trier unter dem Kaiser Valentinian erlebt haben will: Gemeinsam mit drei anderen jungen Männern habe er an einem Feiertag, als der Kaiser gerade Zirkusspiele veranstaltete, einen Ausflug vor die Tore der Stadt gemacht. Als man außerhalb der Stadtmauer in den Gärten spazieren ging, seien zwei seiner Begleiter in eine Hütte getreten, in der einige Mönche lebten. „Dort hätten sie ein Buch gefunden, darin das Leben des Antonius beschrieben war. Einer von ihnen begann es zu lesen; er wurde von Bewunderung ergriffen, geriet in Glut und sann schon während des Lesens nach, wie er den Dienst dieser Welt verlassen, ein solches Leben einschlagen und Gott dienen könne; sie gehörten aber zur Zahl der geheimen Kuriere.“26 Leider nennt Ponticianus keine Namen, und überhaupt fällt auf, dass Augustinus’ Bericht über die beiden „Kuriere“ mehrfach gebrochen ist: Augustinus gibt an, einen Bericht des Ponticianus zu referieren, und auch Ponticianus seinerseits muss das, was sich in der Mönchsklause abspielte, von anderen, vermutlich den ehemaligen Geheimagenten selbst, gehört haben, da er offensichtlich nicht dabei war. Gleichwohl führt Augustinus nun ein Gespräch zwischen den beiden jungen Männern an, das er also als dritter Erzähler wiedergibt, wenn man nicht gleich davon ausgehen will, dass es allein als literarische Ausformung des Wendepunktes im Leben der beiden Betroffenen zu gelten hat. 62
Ein Bekehrungserlebnis in Trier?
„Von heiliger Liebe erfüllt und in keuscher Scham sich zürnend richtete der Jüngling plötzlich die Augen auf seinen Freund und sprach zu ihm: ‚Sage doch, ich bitte dich, was wollen wir mit all unseren Anstrengungen erlangen, was suchen wir? Weswegen stehen wir im kaiserlichen Dienst? Können wir am Hof ein größeres Ziel erhoffen als die Freundschaft des Kaisers? Und ist nicht da alles hinfällig und gefahrdrohend? Folgt nicht jeder entschwundenen Gefahr ständig eine größere? Wie lange dauert es, bis wir unser Ziel erreichen? Ein Freund Gottes aber kann ich, wenn ich will, augenblicklich werden‘. […] Schon Gottes Diener, sagte er zu seinem Freunde: ‚Ich habe mich bereits von unserer irdischen Hoffnung losgerissen, habe beschlossen, Gott zu dienen, und damit fange ich in dieser Stunde und an diesem Orte an. Wenn du mir nicht folgen kannst, so hindere mich wenigstens nicht.‘ Der andere erwiderte, er wolle sein Gefährte bei diesem Kampfe sein, um dann auch den großen Lohn mit ihm zu teilen.“27 Während schon Cavallera annahm, dass Hieronymus während seines Aufenthalts in Trier von Ereignissen der Art, wie sie Augustinus von Ponticianus berichtet wurden, beeinflusst worden sei, sich für ein asketisches Leben zu entscheiden,28 ist Courcelle einen Schritt weiter gegangen: Er halte es „nicht für zu gewagt anzunehmen, dass Ponticianus Augustin von der Bekehrung des Hieronymus erzählt hat“.29 Für seine These hat Courcelle eine Reihe von Argumenten angeführt und dabei zunächst auf die Parallelen aufmerksam gemacht: Die zeitlichen Angaben passten zusammen, denn sicher sei Hieronymus in den Jahren in Trier gewesen, in denen sich hier auch Kaiser Valentinian I. befand. Gemeinsam mit seinem Freund Bonosus habe Hieronymus in Trier mit eben einer solchen Laufbahn in kaiserlichen Diensten beginnen wollen, wie sie die beiden Geheimagenten absolvierten. Hieronymus und Bonosus wohnten zusammen, so wie Ponticianus im Hinblick auf die beiden jungen Männer ebenfalls von „Zeltgenossen“ spricht. Und Hieronymus habe als Erster die Entscheidung zum mönchischen Leben getroffen, so wie dies auch für einen der beiden Geheimagenten gesagt wird. Neben diesen unbestreitbaren Parallelen führt Courcelle weitere gewichtige Punkte an, die für eine Identifizierung der beiden Kuriere mit Hieronymus und Bonosus geltend gemacht werden können. Pon63
3 Im Westen und im Osten des Reiches
ticianus beendet seine Erzählung mit zwei Details: Die bekehrten jungen Männer seien von dem Spaziergang nicht mehr in den kaiserlichen Palast zurückgekehrt, sondern sogleich in die Mönchsklause eingezogen, und sie hätten mit ihrer weltlichen Laufbahn auch das geplante Eheleben aufgegeben. Die beiden, so heißt es in den „Bekenntnissen“, „hatten Bräute, die auf die Kunde von dieser Sinnesänderung auch ihre Jungfräulichkeit Gott weihten“.30 Diese beiden Details hat Courcelle bei Hieronymus wiederfinden wollen: Die Abschrift der beiden Werke des Hilarius, die Hieronymus seiner eigenen Aussage zufolge in Trier angefertigt habe, sei nach dem Antonius-Erlebnis erfolgt, und die ehemalige Verlobte könnte die junge Frau sein, die in frühen Briefen des Hieronymus als seine „Schwester“ bezeichnet wird. Zuletzt bringt Courcelle auch die Freundschaft zwischen Hieronymus und Euagrius, dem Übersetzer der Antonius-Vita, mit gemeinsamen Jahren in Trier in Verbindung: Hier hätte Hieronymus nicht nur Euagrius, sondern auch Innocentius, dem die Übersetzung gewidmet war, kennengelernt, denn nur hier habe sich Euagrius beim Kaiser für eine verurteilte Christin einsetzen können, deren Leidensweg Hieronymus wenig später, als er in Aquileia lebte, in der ersten seiner überlieferten Schriften literarisch behandelte (S. 68 ff.). Mit allen diesen Überlegungen gelangte Courcelle zu der Schlussfolgerung, nun sei nachzuvollziehen, „warum Ponticianus, um Augustinus und Alypius zu beeindrucken, den Fall dieser beiden Intellektuellen gewählt hat, die das mönchische Leben einer weltlichen Karriere vorgezogen hatten und sich als Asketen bereits einen Namen gemacht hatten“.31 Ponticianus, so ist Courcelle zu verstehen, habe sehr wohl gewusst, von wessen Bekehrung er erzählte. Wenn Courcelles These allen Einwänden standhalten könnte, wäre für einen Abschnitt im Leben des Hieronymus einiges an Inhalt und Kontur gewonnen. Mit Augustinus’ Bericht hätte man den entscheidenden Wendepunkt vor Augen, der in Hieronymus’ eigener Darstellung merkwürdig unscharf bleibt, und dies vielleicht eben deshalb, weil sich Hieronymus’ ‚Bekehrung‘ nicht in der überzeugenden Heftigkeit vollzog, wie sie den beiden Geheimagenten aus Augustinus’ „Bekenntnissen“ widerfuhr. Was spricht für oder gegen die von Courcelle vorgeschlagene Identifizierung? Einige seiner Argumente lassen sich nicht verifizieren; sie sind spekulativ. Sollten Hieronymus und Bonosus bereits in Trier zeit64
Ein Bekehrungserlebnis in Trier?
weilig in einer klosterartigen Gemeinschaft gelebt haben, so wird dies jedenfalls von Hieronymus mit keinem Wort bestätigt, weder für ihn selbst noch für den Freund. Auch dass es sich bei seiner „Schwester“ um eine ehemalige Verlobte gehandelt haben sollte, erscheint wenig plausibel. Wann sollte es denn zur Verlobung gekommen sein? Die junge Frau lebte, wie aus den Briefen an die Freunde hervorgeht, in Stridon oder zumindest in der Umgebung von Aquileia. Hieronymus hatte seine Heimat aber im Alter von etwa zwölf Jahren verlassen, um zum Studium nach Rom zu gehen. Von einer Rückkehr nach Stridon im Anschluss an den Aufenthalt in Rom ist nirgends die Rede; die Heimat hat er, wenn überhaupt, erst auf der Rückkehr aus Gallien wiedergesehen, als er sich zeitweilig in Aquileia aufhielt.32 Wie steht es um den Zeitpunkt der Bekehrung der beiden kaiserlichen Agenten? Augustinus lässt dies offen: Ponticianus sei „einst, ich weiß nicht wann“, zu jenem Spaziergang mit den Freunden aufgebrochen. Das muss vor Augustinus’ Bekehrung geschehen sein, die in das Jahr 386 fiel, und es muss damals bereits die lateinische Übersetzung der von Athanasius verfassten Vita des Antonius im Umlauf gewesen sein. Diese Übersetzung hat Euagrius, den Hieronymus später näher kennenlernte, angefertigt und, da Euagrius sie wiederum seinem Freund Innocentius gewidmet hat, der zu Beginn der Übersetzung als Presbyter angesprochen wird, muss sie noch zu Lebzeiten des 373 gestorbenen Innocentius entstanden sein.33 Ein Terminus ante quem lässt sich also angeben, nicht aber ein sicherer Terminus post quem, denn der aus Antiochia stammende Euagrius hatte sich bereits ab den mittleren sechziger Jahren im Westen des Reiches aufgehalten und könnte das um 358 entstandene Werk des Athanasius schon recht bald nach seinem Erscheinen übersetzt haben.34 Grundsätzlich wäre es also möglich, dass Hieronymus und Bonosus gegen Ende der sechziger Jahre die Übersetzung des Euagrius lasen, und, da sich nicht feststellen lässt, wann Hieronymus näher mit Euagrius bekannt wurde, könnte die Vita des Antonius tatsächlich eine „Entdeckung“ gewesen sein, die er während seines Aufenthaltes in Trier machte. Wenn dies wieder für Courcelle spricht, so stehen andere Aspekte seiner These entgegen. Zunächst muss es verwundern, dass Augustinus Ponticianus den Namen des Hieronymus nicht nennen lässt, wenn es sich denn um ihn gehandelt haben sollte. Courcelle meint doch, Ponticianus habe Augustinus das Vorbild von Hieronymus und Bono65
3 Im Westen und im Osten des Reiches
sus vor Augen stellen wollen. Schon zum Zeitpunkt von Augustinus’ Bekehrung und noch einmal mehr, als er ab 397 seine „Bekenntnisse“ schrieb, war Hieronymus längst unter den gelehrten Christen im ganzen Reich als Schriftsteller und Übersetzer bekannt; Augustinus hatte selbst bereits einen Briefwechsel mit ihm begonnen. Warum wird sein Name dann in den „Bekenntnissen“ nicht genannt, in denen Augustinus ansonsten eine ganze Reihe historischer Personen auftreten lässt? Kam es dem Erzähler auf dieses Detail nicht an? Plausibler erscheint es anzunehmen, dass die beiden Männer, die sich einst in Trier zum mönchischen Leben bekehrt hatten, keine weiteren Spuren hinterlassen hatten und nur mehr als namenlose Beispiele für die Wirkung der Antonius-Vita fortlebten. Weiterhin muss man fragen, warum Hieronymus selbst an keiner Stelle, an der er sich über seine und die Entscheidung des Bonosus zum mönchischen Leben äußert, auf das Vorbild des Antonius hinweist. Es wäre für ihn so wenig wie für Augustinus ein Makel gewesen, an das leuchtende Vorbild asketischen Lebens zu erinnern, das die eigene, bei Hieronymus damals noch unzureichende Entschlusskraft, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, nur bestärken konnte. Und wenn er später mit seiner Vita des Paulus den Versuch unternehmen wird, Antonius den Rang als Begründer des Mönchtums abzusprechen, so war dies eine geschickte literarische Strategie, die aber den herausragenden Ruf des Antonius in keiner Weise infrage stellen sollte (S. 83 ff.). Schließlich fehlt in Hieronymus’ eigener knapper Darstellung der Vorgänge an den „halbbarbarischen Ufern des Rheins“ alles das, was den Bericht des Ponticianus so anschaulich macht: die Gärten vor der Stadtmauer, die vom Kaiser veranstalteten Zirkusspiele und auch der kaiserliche Palast, in den Ponticianus und einer seiner Freunde, nicht aber die beiden neuen Mönche, zurückgekehrt sind. Diese Details sind für den eigentlichen Kern der Erzählung überflüssig und gerade deshalb als Hinweise auf den Ort und den Ablauf des Geschehens glaubwürdig. Alles in allem scheint die These Courcelles doch wenig überzeugend. Festzuhalten bleibt, dass Hieronymus von keinem ‚Schlüsselereignis‘, das seinem Lebensweg die neue, entscheidende Richtung gegeben hat, berichtet oder berichten kann, mit Ausnahme nur des Traumberichts im Brief an Eustochium. Das wird im Vergleich mit Augustinus sehr deutlich: Augustinus’ „Bekenntnisse“ dramatisieren den im 66
Die Rückkehr nach Italien
Zwiegespräch mit Gott abgelegten Bericht über die eigene Glaubenssuche mit intensiven Schuldgeständnissen und dem Bekehrungserlebnis in Mailand, in dem Augustinus zum Objekt göttlichen Handelns geworden ist. Hieronymus, der seine Suche bereits als Christ beginnt, müsste seinem Ziel von vornherein näher sein, doch während seine Briefe ähnliche, wenn auch viel kürzere Selbstanklagen präsentieren, als sie in den „Bekenntnissen“ des Augustinus zu finden sind, fehlt eben die Darstellung – und vermutlich auch das Erlebnis – der entscheidenden letzten Wende. Wie weit konnte sich Hieronymus als von Gott ergriffen erleben und verstehen? Noch mindestens ein Jahr, vielleicht auch Jahre sollte es dauern,35 bis er nach Aufenthalten in Aquileia und Antiochia den Gang in die Wüste unternehmen und durch die hier absolvierte Askese zur Selbstgewissheit gelangen sollte, der an den „halbbarbarischen Ufern des Rheins“ getroffenen Entscheidung einigermaßen gerecht zu werden. Das ursprüngliche Vorhaben, das Hieronymus nach Trier geführt hatte: die erworbene Bildung zu einer weltlichen Karriere zu nutzen, verwandelte sich unterdessen zum literarischen Gottesdienst: Auf dem Feld der christlichen Wissenschaft sollte Hieronymus zu einem der größten Gelehrten seiner Zeit werden.
Die Rückkehr nach Italien Gleichwohl: Als Hieronymus 372 oder 373 aus Gallien nach Italien zurückkehrte, war seiner Aussage zufolge die Entscheidung für ein gottgeweihtes Leben gefallen. Das bedeutete den Verzicht auf eine weltliche Karriere und auf die Gründung einer eigenen Familie, aber es gab unterschiedliche Möglichkeiten, das fromme Leben eines Mannes zu führen, der sich ganz dem christlichen Glauben widmen wollte. Als besonders naheliegend konnte eine klerikale Laufbahn erscheinen, denn auch für diese bedurfte es der Ausbildung, die Hieronymus in Stridon und Rom erfahren hatte. Den Gegenpol dazu bildete das Eremitentum, dessen Anziehungskraft die namenlosen Kuriere in Trier dazu veranlasst hatte, ihren Dienst zu quittieren. In der Mitte lag eine gemeinschaftliche Lebensform in einer Gruppe von Gleichgesinnten, wie sie etwa Augustinus nach seinem Bekehrungserlebnis in Mailand praktizieren sollte. Für ein knappes Jahr hatte dieser sich mit Freunden und Verwandten auf dem Landgut Cassiciacum aufgehalten und hier seine ersten christlichen Schriften verfasst, bevor er sich in der 67
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Osternacht 387 von Ambrosius taufen ließ und anschließend die Rückreise in seine Heimat Nordafrika antrat.36 Für Hieronymus lässt sich nicht sicher sagen, wie er die Zeit nach seiner Rückkehr aus Gallien verbrachte. Er lebte in oder bei Aquileia und stand offensichtlich in engerem Kontakt zu einem Kreis von Klerikern, denen er später in seiner Fortsetzung der Chronik Eusebs ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Unter den Einträgen zum Jahr 374 hat er festgehalten, dass Kleriker von Aquileia als ein „Kreis von Glückseligen“ angesehen worden seien.37 Das scheint darauf hinzudeuten, dass diese Christen eine ganz auf den eigenen Glauben konzentrierte Gemeinschaft gebildet hatten, klosterähnlich wohl, aber vermutlich in dem kleinen Rahmen, wie er in ähnlicher Weise in dieser Zeit für manche der Häuser frommer Christinnen in Rom bezeugt ist. Hieronymus verwendet anstelle des Ausdrucks „Kloster“ (monasterium), der eine feste Organisationsform anzeigen würde, den offeneren Begriff „Kreis“ (chorus), der auch an eine eher kleine Anzahl von Mitgliedern denken lässt.38 Dass diesem Kreis zudem Frauen angehörten, geht aus einem Brief hervor, den Hieronymus später, als er sich bereits in der Wüste von Chalkis befand, an Chromatius, dessen Bruder Eusebius und Jovinus schrieb;39 es ist jener Brief, mit dem Hieronymus die Freunde in Aquileia bat, sich seiner Schwester anzunehmen (S. 35). Am Ende des Briefes bestellt er Grüße an „Eure gemeinsame Mutter, in der Heiligkeit Eure Gefährtin“, und an „Eure von allen hochgeschätzten Schwestern, die mit der Welt auch ihr Geschlecht überwunden haben“. Aufschlussreich ist auch das bereits erwähnte Lob, das er dem dogmatischen Kampf der drei Genannten spendet; sie hatten sich darum verdient gemacht, dass Aquileia „dem Gift arianischer Irrlehre verschlossen blieb“. Hieronymus scheint sich während der Zeit, die er im Norden Italiens lebte, selbst nicht an den Kontroversen um den Arianismus beteiligt zu haben. Wahrscheinlich hat er damals aber seine erste etwas längere Schrift verfasst, die erhalten blieb und seine Anfänge als christlicher Schriftsteller dokumentiert. Die kleine, im Werk von Hieronymus als Brief Nr. 1 gezählte Schrift (mit dem Titel: „Über eine Frau, an der siebenmal die Hinrichtung versucht wurde“) ist ein frommer Bericht über das Martyrium einer Christin aus dem ligurischen Vercelli.40 Die Besonderheit des hier geschilderten Vorfalls liegt in seiner zeitlichen Nähe zur Abfassung der Schrift, denn es war nur wenige Monate oder Jahre her, dass die Frau, deren Namen nicht genannt 68
Die Rückkehr nach Italien
Großer St. Bernhard
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Augusta Praetoria
Kleiner St. Bernhard
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Augusta Taurinorum
Brigantio
Mediolanum Vercellae
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CORSICA
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SARDINIA
Norditalien in der Spätantike.
wird, fälschlich des Ehebruchs bezichtigt und zum Tode verurteilt worden sein soll. Der Prozess und die mehrfachen vergeblichen Versuche, das Todesurteil zu vollstrecken, werden von Hieronymus ausdrücklich mit der Herrschaftszeit des Kaisers Valentinian I. verbunden, der von 364 bis 375 an der Spitze des Westteils des Reiches stand. Die Anklage, so erzählt Hieronymus, richtete sich gegen die Frau und ihren angeblichen Liebhaber. Während der Angeklagte ein falsches Geständnis ablegte, um so den Richter für sich einzunehmen, verbot es der Frau ihr christlicher Glaube, sich durch eine Zwecklüge zu retten. Sie leugnete also das ehebrecherische Verhältnis, galt aber aufgrund der Aussage des Angeklagten als überführt. Nachdem der erste Henker mehrfach versucht hatte, die Todesstrafe mit dem Schwert zu vollziehen – jedes Mal prallte das Schwert mit hartem Rückschlag vom Hals der Frau ab –, übernahm ein zweiter Henker die ungerechte und blutige Aufgabe. Auch er muss mehrfach ansetzen, bis er schließlich mit seinem dritten Schlag die Frau getötet zu haben 69
3 Im Westen und im Osten des Reiches
scheint. Sie soll nun begraben werden, lebt aber plötzlich wieder auf, was von den Anwesenden als Wunder und Bestätigung ihrer Unschuld gedeutet wird. Ohne dass Hieronymus die näheren Umstände mitteilen würde, verschiebt sich die Ebene seiner Erzählung, denn nun interveniert der Presbyter Euagrius beim Kaiser und erreicht, dass die Verurteilte begnadigt wird. Die Glaubensstärke, mit der die Frau ihr Martyrium durchlitt, und die brutale Gewalt, der sie ausgesetzt wurde, mussten jeden frommen Leser beeindrucken. Die theologische Botschaft bestand darin, dass auch in den Zeiten der christlichen Kaiser die Bereitschaft der Christen gefragt war, für ihren Glauben einzutreten, ob es nun um moralische oder dogmatische Herausforderungen ging. Die kleine Schrift verbindet auf eigentümliche Weise ein zeitgeschichtliches Ereignis mit den Elementen von Wunderberichten und Heiligenlegenden. Die zeitliche Nähe des Berichts zum Geschehen musste die Glaubwürdigkeit unterstreichen, doch gibt es viele Details, die ungenau bleiben oder verschleiert werden. Zwei handelnde Personen, der Kaiser Valentinian I. sowie der Presbyter Euagrius, werden bei ihrem Namen genannt, die eigentliche Hauptperson aber bleibt anonym. Brisant konnte das Werk dadurch werden, dass Hieronymus den für das Gerichtsverfahren verantwortlichen Statthalter äußerst negativ zeichnet. Er erscheint als ein blutsaugendes Ungeheuer, das aller menschlichen Gefühle bar die Henker immer wieder aufs Neue antreibt. Zwar wird auch sein Name nicht erwähnt, doch ergab sich aus dem Bericht deutlich genug, dass man an den gegenwärtigen oder einen der letzten Statthalter der Provinz Ligurien zu denken hatte. Diese Amtsträger dürften auch den Lesern in Aquileia gut genug bekannt gewesen sein, um die Identifizierung, die heute nicht mehr möglich ist, vornehmen zu können. In der älteren Forschung wurde vermutet, dass Hieronymus eine Reaktion des Statthalters befürchten musste und deshalb bald nach der Abfassung seiner kleinen Schrift eilends in den Osten aufgebrochen sei.41 Die Vermutung stützt sich auf einen Satz in jenem Brief, in dem Hieronymus aus der Wüste von Chalkis an Julianus, einen Diakon in Aquileia, schreibt, ihm fehlten in der Wüste alle Informationen über das, was in seiner Heimat vorginge. Aber selbst, wenn ihn die „iberische Schlange mit ihren giftigen Verleumdungen zerfleischen“ würde, wäre das für ihn ohne Relevanz, denn nicht auf das Urteil der Menschen komme es an, sondern allein darauf, vor Gott zu bestehen. 70
Die Rückkehr nach Italien
Ist mit der „iberischen Schlange“ der Statthalter Liguriens gemeint, dessen weiter Arm bis nach Aquileia reichte? Das passt schon deshalb nicht gut, weil ein Statthalter andere Optionen gehabt hätte, als nur mit schlechter Nachrede gegen einen flüchtigen Literaten vorzugehen. Und zwei der drei Stellen in der lateinischen Literatur, an denen – außerhalb der Schriften des Hieronymus – der Ausdruck „Schlange“ verwendet wird, stammen aus Stücken des Plautus, den Hieronymus kannte und liebte, und die entsprechenden Verse beziehen sich auf negativ beschriebene Frauen.42 Wahrscheinlich hat sich Hieronymus, als er den Brief an Julianus schrieb, auf den Konflikt mit seiner Tante Castorina bezogen, der durch seine Entscheidung zum mönchischen Leben und die Auswirkungen dieser Entscheidung auf seine Geschwister ausgelöst worden sein könnte (S. 40). Worin im Schmähwort der „iberischen Schlange“ das hispanische Element bestand, bleibt allerdings rätselhaft. In der Wundergeschichte über die Märtyrerin von Vercelli gibt es mit Euagrius einen zweiten Protagonisten, in dem man mit Stefan Rebenich weniger einen ‚Freund‘ als vielmehr einen Patron sehen sollte, dessen Nähe der junge Hieronymus suchte, um sich der Unterstützung eines einflussreichen Aristokraten und Klerikers zu versichern.43 Der um 320 geborene Euagrius stammte aus einer der führenden Familien Antiochias.44 Seine anfangs erfolgreiche Karriere im Staatsdienst – 363 wurde er Statthalter einer kleineren, bald darauf einer größeren Provinz – endete abrupt, als er eines nicht genauer überlieferten Vergehens angeklagt, seines Amtes enthoben und mit einer Geldstrafe belegt wurde. Danach wurde er näher mit Eusebius, dem Bischof von Vercelli, bekannt, der sich zeitweise im Osten des Reiches aufhielt, und bekehrte sich unter dessen Einfluss zum christlichen Glauben. Später wurde er Presbyter, zuletzt, 388, sogar als Nachfolger des Paulinus Bischof von Antiochia. Nachdem er 364 oder 365 gemeinsam mit Eusebius von Vercelli nach Italien gereist war, nutzte Euagrius seine Zweisprachigkeit nicht nur, um eine lateinische Übersetzung der Vita des Antonius anzufertigen. Er engagierte sich auch in der Kirchenpolitik, indem er an der Seite des Eusebius den Versuch unternahm, den arianischen Bischof Auxentius von Mailand aus seinem Amt entfernen zu lassen.45 Das scheiterte zwar, aber Hieronymus’ Wunderbericht zeigt gleichwohl, dass Euagrius den Zugang zum Kaiser Valentinian I. gefunden hatte. 71
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Und es gelang ihm darüber hinaus auch, sich bei Damasus, dem Bischof von Rom, als Vermittler der westlichen Kirchenpolitik in den Osten zu empfehlen, im Besonderen mit Blick auf das Schisma von Antiochia, das auch für Hieronymus bedeutsam werden sollte. So erscheint er geradezu wie ein Vorbild für den Weg, den Hieronymus später selbst gehen sollte, als Vermittler in den theologischen Diskussionen zwischen Ost und West und in seiner beratenden Stellung bei Damasus. Wann und wo Hieronymus mit Euagrius bekannt geworden ist, lässt sich zwar nicht sicher sagen,46 aber der Kontakt entstand jedenfalls noch vor der Abreise des Hieronymus in den Osten: In Antiochia durfte er sich nach beschwerlicher Reise über längere Zeit im Haus des Euagrius aufhalten und seine angeschlagene Gesundheit kurieren.
Die Reise nach Antiochia Ob nun aus Furcht vor Vergeltung für seinen literarischen Erstling, in der Absicht, den innerfamiliären Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, oder in der Hoffnung, für sein gottgeweihtes Leben einen geeigneten Ort zu finden, jedenfalls brach Hieronymus vermutlich im Sommer 375 von Aquileia aus in den Osten des Reiches auf. In seinem späteren Brief an Eustochium, verfasst 384, nennt Hieronymus als Ziel der Reise ausdrücklich Jerusalem.47 Dorthin sollte er tatsächlich erst Jahre später kommen, als er ein zweites Mal und diesmal endgültig den Westen verließ. Beim ersten Mal gelangte er in Begleitung des Niceas, eines Subdiakons, über Thrakien, Bithynien, Pontus, Galatien, Kappadokien und Kilikien nach Antiochia in Syrien.48 Hier fand man nach den Strapazen einer monatelangen Reise, die über weite Strecken auf dem Landweg erfolgt war, Aufnahme im Haus des Euagrius. Auch Hieronymus’ Freund Innocentius und Hylas, einem Sklaven der römischen Aristokratin und Christin Melania, wurde hier Unterkunft gewährt. Ob Innocentius und Hylas mit Hieronymus gereist waren, ist ungewiss; Hieronymus selbst berichtet in einem seiner Briefe nur, dass die beiden alsbald in Antiochia Fieberanfällen erlegen seien.49 Auch Hieronymus musste um sein Leben fürchten. Monatelang lag er im Haus des Euagrius krank danieder.50 In dieser Zeit reifte in ihm die schon in Rom erwogene Idee, das gottgeweihte Leben in seiner härtesten Form zu wählen. In Jerusalem 72
Die Reise nach Antiochia
hätte er sich, vielleicht in einem der Klöster oder auch in einer eigenen Unterkunft, dem Studium der Heiligen Schrift widmen können. Aber bei aller Heiligkeit, die Jerusalem zukam, war es doch eine Stadt und jede Stadt dem Weltlichen verhaftet; jetzt aber strebte Hieronymus dorthin, wo der größtmögliche Abstand zur Welt zu finden war, und ein solches Ziel war mit der nahe an Antiochia gelegenen Wüste von Chalkis auch für einen Entkräfteten verhältnismäßig einfach zu erreichen. Dass sich Hieronymus für ein Leben in der Wüste entschied, könnte mit Eindrücken und Nachrichten zu tun haben, die er auf der Reise nach Antiochia und während seines dortigen Aufenthalts empfangen hatte. Ob dazu auch der berühmte Traum gehörte, in dem sich Hieronymus als Ciceronianer vor den Thron Gottes geschleppt und mit Peitschenhieben zum Versprechen genötigt sah, zukünftig auf die Lektüre heidnischer Schriften zu verzichten (S. 19 ff.), ist nicht ganz sicher.51 Hieronymus gibt den Ort nicht an, an dem er sich zum Zeitpunkt des Traumes befand, doch folgt der Traumbericht im Brief an Eustochium direkt auf die Abreise aus der Heimat mit dem Ziel Jerusalem. Da am Bett des durch Fasten geschwächten und an Fieber erkrankten Hieronymus auch Ungläubige stehen, die durch die Schmerzen und Tränen, die Hieronymus im Traum erlebt hat, zum christlichen Glauben bekehrt worden sein sollen,52 kommt der spätere Aufenthalt in der Wüste von Chalkis kaum infrage. Passender erscheint Antiochia, zumal nicht alle Mitglieder der Familie des Euagrius bereits Christen waren.53 Eine überzeugende Beweisführung ist aber nicht möglich. Sicher erscheint nur, dass der Traum in die Zeit nach dem Entschluss zum mönchischen Leben fällt; diese zeitliche Abfolge wird von Hieronymus klar so benannt. Auch deshalb ist eine Gleichsetzung des Traumerlebnisses mit der Bekehrung des Hieronymus nicht überzeugend. Hat Hieronymus auf seinem Weg nach Syrien Station in der Mönchssiedlung des Theodosius bei Rhosos gemacht, die ganz im Osten Kleinasiens an den Bergen des Taurus lag? Theodosius ist aus der „Mönchsgeschichte“ des Theodoret näher bekannt; er war nicht nur ein berühmter Asket, der durch seine Leistungen zahlreiche Anhänger gewonnen hatte, sondern auch ein erfolgreicher Organisator der so entstandenen Gemeinschaft, die ihren Unterhalt mit der Produktion von Waren sicherstellte, die von der unwirtlichen Küste aus mit einem 73
3 Im Westen und im Osten des Reiches
eigenen Boot verschifft wurden.54 So vereinten sich in Theodosius die Fähigkeiten, die Antonius und Pachomius berühmt gemacht hatten (S. 199). Er stammte aus Antiochia und aus wohlhabender Familie, hatte aber seine soziale Stellung und allen Wohlstand aufgegeben, um durch strenge Enthaltsamkeit Gott näherzukommen. Dabei verschärfte er seine Askese noch dadurch, dass er sich mit Eisengewichten behängte. „Sein Haar war verwildert und reichte bis an die Füße.“55 Deshalb wurde er auch „Theodosius der Langhaarige“ genannt. Möglicherweise war der Brief, den Hieronymus von Antiochia oder von der Wüste aus an einen Theodosius schrieb, der einer monastischen Gemeinschaft vorstand, an diesen langhaarigen Theodosius gerichtet:56 „Wie gerne, o wie gerne möchte ich zur Stunde in Eurem Kreise weilen! Mit welchem Jubel möchte ich Eure bewundernswerte Gemeinschaft in meine Arme schließen, mögen auch meine Augen nicht würdig sein, Euch zu schauen! Sehen würde ich da eine Einöde zwar, aber eine Gemeinde, lieblicher als irgendeine; sehen würde ich eine Stätte, zwar von ihren Einwohnern verlassen, aber wie das Paradies von Heiligenchören bevölkert. An meinen Sünden jedoch liegt es, daß mein schuldbeladenes Haupt sich Eurem seligen Kreise nicht eingliedern darf. Deshalb beschwöre ich Euch: Rettet mich durch Euer Gebet aus der Finsternis dieser Welt! Ich bin sicher, daß Ihr es könnt. Als ich bei Euch war, habe ich es Euch schon gesagt, und ich wiederhole es in diesem Briefe: Mein Wunsch ist es, daß mein Herz von leidenschaftlichem Verlangen ergriffen wird nach Eurem Streben.“57 Diese Zeilen sind, an welchen Theodosius sie auch immer gerichtet gewesen sein mögen, in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Hieronymus hätte sich gewiss dem Kreis um Theodosius anschließen können, fühlte sich dazu aber nicht in der Lage. Er klagt sich selbst seiner „Sünden“ wegen an, wie er es in etlichen Briefen dieser und späterer Zeit tut, manchmal auch konkreter, wenn er etwa auf die erotischen Verlockungen anspielt, denen er in seiner römischen Studentenzeit nicht habe widerstehen können. Ähnlich wie Augustinus in seinen „Bekenntnissen“ leidet Hieronymus an seiner ‚Unreinheit‘, die ihm als Hindernis auf dem Weg zu Gott erscheint, und an seiner mangelnden Willenskraft, den entscheidenden Schritt zum selbst gesteckten Ziel auch zu gehen: Er fühlt sich offenkundig von Gott nicht ausreichend ergriffen 74
Die Reise nach Antiochia
oder berufen, und so fällt ihm die Umsetzung des nun schon seit Jahren verfolgten Vorhabens eines Gott geweihten Lebens ausgesprochen schwer. Zugleich aber hat er, in der Gestalt des Theodosius oder in den Freunden Rufin und Bonosus, ihm bekannte Personen vor Augen, denen gelungen ist, wozu es ihm noch immer an innerer Kraft fehlt. Von seinem schlechten gesundheitlichen Zustand berichtet Hieronymus in einem weiteren Brief, den er nach der Ankunft in Syrien verfasst hat. Er ist an Rufin gerichtet. Von verschiedenen direkten und indirekten Boten habe er die Nachricht erhalten, dass Rufin sich inzwischen bei den Einsiedlern in der Nitrischen Wüste aufhalte, was er anfangs nicht habe glauben können.58 Zuletzt aber habe es keinen Zweifel mehr geben können. Vor Begeisterung wäre Hieronymus am liebsten sofort aufgebrochen, um an Rufins neuem Leben teilzuhaben.59 Nur die schwere Krankheit halte ihn davon ab, in der Hitze des Sommers ein Schiff nach Ägypten zu besteigen. In diesem Brief berichtet Hieronymus von der anstrengenden Reise, die ihn nach Antiochia geführt hat, und auch von dem gemeinsamen Freund Bonosus, der ihm mit der Verwirklichung des Einsiedlerlebens weit voraus sei (S. 59). Es ist ein Loblied auf den Einsiedler, der sich von weltlichen Bezügen gelöst hat, das Hieronymus hier in vollendeter Rhetorik gestaltet: Bonosus ersteige bereits die Himmelsleiter, da er sich trotz Reichtum, bester Ausbildung und hoher sozialer Stellung von seiner Familie getrennt habe; alle Aspekte treffen auch auf Hieronymus selbst zu. Aber Bonosus hat sich zudem ohne jede Begleitung „wie ein neuer Siedler des Paradieses auf einer vom Meer umbrandeten, von den Schiffern gefürchteten Insel niedergelassen, welche das raue Gestein, die kahlen Felsen und die Einsamkeit zu einer Stätte des Schreckens machen. […] Er schaut die Herrlichkeit Gottes, die ja auch die Apostel nur an einem einsamen Orte zu schauen bekamen.“60 Hieronymus denkt an die Verklärung Jesu, die Petrus, Jacobus und Johannes „auf einem hohen Berg“ miterlebt haben. Gottnähe war, wie die Evangelien belegten und Theodosius, Rufinus und Bonosus wohl erlebten, nur fern vom gewöhnlichen menschlichen Umgang zu erfahren. Diesen Erfahrungsraum aufzusuchen, setzte aber auch deshalb eine besondere Willenskraft voraus, weil hier harte Anfechtungen zu bestehen waren. Diese wiederum musste es geben, da die Gottnähe 75
3 Im Westen und im Osten des Reiches
nur durch die Überwindung aller weltlichen Versuchungen zu erreichen war; ein sorgenloser und genügsamer Eremit, der fröhlich in den Tag hinein lebte, wäre ein Widerspruch in sich gewesen. Und sollten die Versuchungen und Anfechtungen nicht von selbst kommen, so mussten dem eigenen Körper über Fasten und Wachen hinaus durch Drangsalierungen aller Art Schmerzen abgerungen werden, die es dann zu bestehen galt. Theodosius von Rhosos mit seinen Eisenketten war dafür ein gutes Vorbild.
In der Wüste Von schwerer Krankheit genesen, machte sich Hieronymus wohl im Jahr 376 und im Alter von etwa 28 Jahren auf den Weg in die Wüste. Sie begann nicht weit östlich von Antiochia, sobald man das Tal des Orontes verlassen hatte, und befand sich südwestlich der Stadt Chalkis, die ihrerseits zum Grenzgebiet zwischen der römischen Provinz Syrien und dem Reich der persischen Sassaniden gehörte und damit eine wichtige militärische Funktion erfüllte. Da Chalkis zudem an der Straße lag, die Antiochia mit Palmyra verband und auch von den Karawanen besucht wurde, die auf dem Weg in die nordöstlich gelegenen Städte wie Beroea oder Edessa waren, hatte sich die Stadt, die einst von Seleukos I. gegründet worden war, zu einem bedeutenden Handelsplatz entwickelt.61 Und mit Eusebius von Chalkis ist auch ein spätantiker Bischof für die Stadt bezeugt.62 In den kargen Gebieten um Chalkis lebten ab der Mitte des 4. Jahrhunderts Einsiedler, und durch Marcianus von Cyrus und seine Schüler waren dann bald die ersten Klöster entstanden.63 So entsprach das religiöse ‚Profil‘ der Wüste von Chalkis mit ihrer rauen Natur und ihrem Nebeneinander von Eremiten und Klöstern den berühmten ägyptischen Schauplätzen, an denen Antonius und Pachomius gewirkt hatten. Sie ließen sich als Stufen zunehmender Weltentfernung verstehen und um Chalkis wiederfinden: Hatte Pachomius (292–346) sein Kloster in der Umgebung von Theben in dem verlassenen Ort Tabennisi gegründet, so befanden sich auch die Klöster der Wüste von Chalkis nicht allzu weit von diesem kleineren städtischen Zentrum. Für die größere asketische, weil mit Einsamkeit verbundene Anstrengung bot sich die eigentliche Wüste mit ihren Einsiedlerhöhlen an. Hier konnte dem Vorbild des Antonius (251–356) nachgeeifert werden, der seinem 76
In der Wüste
Sebastea Armenia II Cappadocia
Armenia IV Armenia III
Arsamosata
Anarathia
Caesarea
Arabissus
Melitene
Martyropolis
Comana Amida Samosata Anazarbus
Germanicea Euphratensis
Cilicia II
Adana
Aegae
Alexandria Antiochia Seleucea
Europus
Berroea Chalkis Syria I
Dara
Edessa Carrhae
Nisibis
Batnae Osroene
Hierapolis Sura
Callinicum
ORIENS
Theodorias
Laodicea Gabala
Apamea
Zeugma Cyrrhus
Mesopotamia
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Apamea Epiphania
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Circesium
40
80
120 km
Syrien in der Spätantike.
Biographen Athanasius zufolge zwanzig Jahre ohne jeglichen menschlichen Kontakt in einem aufgelassenen Wüstenkastell gelebt haben soll, bevor er mit seinen zahlreichen Nachahmern eine Klostergemeinschaft begründete.64 Wo aber genau in der Wüste hat sich Hieronymus aufgehalten? Da er mehrfach davon spricht, er habe im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Region gelebt, in der die nomadischen Sarazenen anzutreffen waren,65 beziehungsweise an der Grenze Syriens zum Barbaricum,66 haben die meisten Biographen angenommen, dass Hieronymus im südöstlichen Teil der Wüste von Chalkis gelebt habe.67 Stefan Rebenich hat dagegen auf zwei Abschnitte aus der „Vita des Malchus“ verwiesen, einem weiteren hagiographischen Text, den Hieronymus gegen Ende der achtziger Jahre verfasst hat, um sowohl die „Wüste Chalkis“ als auch Hieronymus’ tatsächlichen Aufenthaltsort näher zu bestimmen.68 77
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Zunächst hat Rebenich die Ortsangabe ausgewertet, die Hieronymus Malchus selbst in seinem Lebensbericht geben lässt. Der in Nisibis geborene Malchus hatte als junger Mann sein Elternhaus verlassen, um als Einsiedler zu leben, und dafür wanderte er in die „Wüste Chalcis, die zwischen Immae und Berroea mehr nach Süden zu liegt“.69 Da die genannten Orte nördlich und nicht südlich von Chalkis lagen, müssten also südöstliche Lokalisierungen zurückgewiesen werden. Im zweiten Kapitel der kleinen Schrift erklärt Hieronymus außerdem, dass der ‚Held‘ seiner Mönchsbiographie später in Maronia gelebt habe, und führt dazu aus: „Maronia ist ein nicht gerade großer Ort, der ungefähr dreißigtausend Schritte von Antiochia, Syriens Hauptstadt, nach Osten zu entfernt liegt. Vielfach wechselte er seinen Besitzer und seinen Schutzherrn und gelangte, während ich als junger Mann mich in Syrien aufhielt, in den Besitz des Bischofs Euagrius, meines Freundes. Ihn habe ich erwähnt, um zu zeigen, wem ich die Kenntnis des zu behandelnden Stoffes zu verdanken habe. In diesem Orte lebte ein Greis, namens Malchus […]. In meiner Wißbegierde machte ich mich an den Mann heran […].“70 Da Euagrius 388 zum Nachfolger des Paulinus wurde, muss Hieronymus seine Vita nach der Inthronisierung seines „Freundes“ verfasst haben. Sein Besuch in Maronia aber hatte früher stattgefunden und so stellt sich die Frage, ob nicht dieser Ort gemeint ist, wenn Hieronymus von seinem Aufenthalt in der „Wüste von Chalkis“ spricht. Die Entfernungsangabe besagt, dass sich der ländliche Besitz des Euagrius etwa 22 Kilometer östlich von Antiochia befunden haben muss. Hier könnte Rebenich zufolge Hieronymus seine Wüstenzeit verbracht haben, auch wenn dies nicht sicher nachgewiesen werden könne.71 Auch in diesem Fall könnte „Wüste“ vor allem die Distanz zur Stadt meinen. Auf dem Besitz des Euagrius hätte Hieronymus seine theologische Arbeit sicher auch leichter durchführen können als in einer echten Einsiedelei. Festzuhalten ist allerdings auch, dass der Besuch in Maronia noch vor der Übersiedlung in die „Wüste“ hätte stattfinden können oder auch nach der Rückkehr. Euagrius, dessen Nennung in der „Vita des Malchus“ erneut eine Ehrenbezeugung darstellt wie schon in der Wundergeschichte über die Märtyrerin von Vercelli (S. 68 ff), hatte wohl den Besuch auf dem Landgut angeregt, aber Hieronymus spricht 78
In der Wüste
in der Vita mit keinem Wort davon, dass er das Leben des Malchus in Maronia über längere Zeit, gewissermaßen als ‚Kollege‘ des Eremiten, beobachtet hätte.72 Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt: Am Ende verlässt Hieronymus die Wüste wieder, weil er sich von den Streitigkeiten der Mönche belästigt fühlte, die ihn zu einer Stellungnahme zum Schisma in Antiochia zwingen wollten. Nun stand Euagrius aber bekanntermaßen auf der Seite des Paulinus. Warum sollte er Mönche, die dessen Gegenspieler Meletius unterstützten, auf seinem Besitz geduldet haben? So erscheint die Frage nach dem Aufenthaltsort doch nicht sicher beantwortet werden zu können, auch wenn die ungefähre Lokalisierung durch die Überlegungen von Rebenich nun feststehen dürfte. Aufgrund der Differenz zwischen asketischem Ideal und tatsächlicher Vielgestaltigkeit des sozialen Raums auch in der Wüste ist in Bezug auf Hieronymus’ Selbstzeugnisse zwischen verschiedenen Ebenen von Erlebnis und Bericht zu unterscheiden. Mit den zwei bis drei Jahren, die er in der Wüste von Chalkis zubrachte, war vor allem ein großer Gewinn an religiöser und moralischer Autorität verbunden, die Hieronymus später etwa den Zutritt zu den Häusern einflussreicher römischer Christinnen erleichterte. Entsprechend hat er die Wüstenerfahrung auch genutzt, wenn es ihm darum ging, moraltheologischen Aussagen größeres Gewicht zu verleihen. Das beste Beispiel dafür findet sich in dem schon eingangs näher betrachteten Brief an die junge Eustochium: „Als ich in der Wüste weilte, in jener weiten, von der Sonnenglut ausgebrannten Einöde, die den Mönchen ein schauriges Asyl bietet, da schweiften meine Gedanken oft hin zu den Vergnügungsstätten Roms. Einsam, innerlich verbittert, saß ich da. Meine ungestalteten Glieder starrten im Bußgewande, und meine rauhe Haut war schwarz geworden gleich der eines Äthiopiers. Täglich gab es Tränen und Seufzer, und wenn mich gegen meinen Willen der Schlaf übermannte, da streckte ich meine kaum noch zusammenhaltenden Knochen auf den nackten Boden hin. Von Speise und Trank will ich gar nicht reden, da selbst die kranken Mönche nur frisches Wasser trinken und es als Luxus gilt, irgendeine gekochte Speise zu genießen. Also jener ‚Ich‘, der ich aus Furcht vor der Hölle mich selbst zu einem solchen Kerker verurteilt habe, in 79
3 Im Westen und im Osten des Reiches
der einzigen Gesellschaft von Skorpionen und wilden Tieren, dachte oft zurück an die Tänze der Mädchen. Die Wangen waren bleich vom Fasten, aber im kalten Körper flammte der Geist auf in der Glut der Begierden.“73 Mit diesem Selbstporträt entspricht Hieronymus genau dem Ideal, das von Antonius, Theodosius von Rhosos und anderen Eremiten verkörpert wurde. Trotz aller „Abtötung des Fleisches“ lodern noch die Begierden, und in diesem Kampf mit dem Teufel muss der Eremit seinen Körper noch weiter, über das normalen Menschen mögliche Maß hinaus züchtigen. Hieronymus berichtet Eustochium, dass er die inneren Bilder mit wochenlangem Fasten zu bekämpfen suchte, dass er „oft Tag und Nacht ohne Unterbrechung schreiend zubrachte“ und sogar seine Eremitenzelle verlassen habe, um tief in der Wüste eine den inneren Kämpfen noch besser entsprechende Umgebung zu finden: „Wo ich eine Talschlucht, einen rauhen Berg, ein zackiges Felsgebilde sah, da ließ ich mich nieder zum Gebet, da machte ich daraus einen Kerker für mein sündiges Fleisch.“74 Dass solche Sätze auch in der Vita eines Antonius oder Paulus stehen könnten, verdeutlicht den literarischen Bezugsrahmen, in dem sich Hieronymus bei seiner Schilderung bewegt und den er beim Erlebnis selbst vor Augen gehabt haben wird, was aber nicht bedeutet, dass die geschilderten Szenen allein als literarische Fiktion zu betrachten wären. Der Bezugsrahmen stellte eine durchaus praktische Herausforderung dar, und ohne dass sich Einzelheiten sicher bestimmen ließen, wird man doch annehmen müssen, dass Hieronymus einen Teil der Zeit, die er in der Wüste von Chalkis verbrachte, mit Selbsterfahrungen dieser Art zugebracht hat. Daneben aber war er Mitglied einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Die Eremiten und Mönche, die in der Wüste lebten, mussten sich nicht nur mit der praktischen Frage beschäftigen, wie sie ihre wenn auch noch so geringe Versorgung sicherstellen wollten. Hieronymus erwähnt Handarbeiten, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestritten haben will.75 Wurde er von seinen Eltern oder auch von Euagrius nicht mehr unterstützt? Oder geht es hier nur um das rechte Bild vom Einsiedler? Für die Materialbeschaffung und den Warenverkauf, der in Chalkis stattgefunden haben wird, muss es eine zumindest rudimentäre Organisation gegeben haben, wenn auch das Mönchsleben in der Wüste von Chalkis wohl nicht so straff geregelt war wie etwa 80
In der Wüste
das der Anhänger des Pachomius in der Nitrischen Wüste.76 Auch theologische Fragen wurden unter den Mönchen in der Wüste diskutiert, und Hieronymus war, wie erwähnt, einem zunehmenden Druck ausgesetzt, sich mit Blick auf das Schisma von Antiochia zu positionieren. Seine Mitbrüder forderten von ihm eine klare Stellungnahme, welchen der konkurrierenden Bischöfe er unterstützen wollte, und zuletzt wurde der Druck so groß, dass Hieronymus die Wüste wieder verließ. Seine wiederholte Anfrage bei Damasus, dem Bischof von Rom, wie er sich denn verhalten solle, wobei er sich zugleich sehr kritisch über die Meletianer äußerte, war unbeantwortet geblieben. So fehlte ihm der notwendige Rückhalt, um sich in dem Streit behaupten zu können. Aus den Briefen, die Hieronymus von der Wüste aus versandte, geht hervor, dass er sich auch hier um den weiteren Aufbau seiner Bibliothek kümmerte, die er offensichtlich zunächst nach Antiochia und dann in seine Wüstenklause mitgebracht hatte. Er beschäftigte sogar Schreiber, die es ihm ermöglichten, Briefpartnern Kopien von Werken anzubieten, die in seiner Bibliothek vorhanden waren, um im Tausch andere, ihm noch fehlende Schriften zu erhalten. An den Mönch Florentinus, der in Jerusalem lebte, schickte er eine ganze Wunschliste von Titeln, die er zugesandt haben wollte, und sein Angebot von Gegengaben unterstrich er mit den Worten, er selbst besäße „einen reichen Schatz biblischer Handschriften“.77 Schließlich widmete sich Hieronymus noch einer weiteren Tätigkeit, indem er in der Wüste Hebräischunterricht nahm. Als er Jahrzehnte später an den jungen Mönch Rusticus schrieb, der um Ratschläge gebeten hatte, auf welche Art und Weise er seinen Entschluss zur Weltentsagung am besten umsetzen sollte, empfahl Hieronymus verschiedene Tätigkeiten: „Sei nie untätig, damit dich der Teufel ständig beschäftigt findet.“78 In den Heiligen Schriften zu lesen, die Psalmen auswendig zu lernen, den eigenen Unterhalt durch Handarbeiten sicherzustellen, Gemüse zu ziehen (und damit zu zeigen, dass man auch Vergils Georgica kennt!), Bienenstöcke aufzustellen, Fischfang zu betreiben, Bücher abzuschreiben, alles das wäre geeignet, um sich vor den Versuchungen zu schützen, mit denen fest zu rechnen sei, da sie nun einmal in der Natur des Menschen begründet seien. So sei es richtig, dass die ägyptischen Klöster nur solche Männer aufnähmen, die ein Handwerk beherrschten, „und dies weniger wegen des Unterhalts 81
3 Im Westen und im Osten des Reiches
als aus Rücksicht auf das Heil der Seele“. Zu welchen extremen Beschäftigungen er selbst während des Lebens in der Wüste gegriffen hat, schildert Hieronymus besonders anschaulich: „Als mich in meinen jungen Jahren die Einsamkeit der Wüste schützend umgab, da konnte ich den Anreiz zum Laster und die in der Natur begründete Glut der Sinne nicht mehr ertragen. Obwohl ich sie durch häufiges Fasten gebrochen hatte, brodelte es in meiner Phantasie noch immer von bösen Vorstellungen. Um sie zu überwinden, ging ich zu einem Bruder, der aus dem Judentum Christ geworden war, in die Lehre. Nachdem ich mich früher mit den scharfsinnigen Werken Quintilians, den Schriften des redegewandten Cicero, des ernsten Fronto und des schlichten Plinius beschäftigt hatte, lernte ich jetzt das Alphabet und studierte die hebräischen Vokabeln mit ihren Zisch- und Kehllauten. Was für eine Anstrengung dies kostete, welche Schwierigkeiten zu überwinden waren, wie oft ich verzweifelte, wie oft ich die Sache drangab und voller Lernbegierde wieder aufnahm, das weiß nur ich, der ich es durchgemacht habe, und jene, welche mit mir zusammenlebten. Und heute danke ich Gott, daß ich aus dieser bitteren Buchstabensaat so herrliche Früchte einheimsen kann.“79 Die Schwierigkeiten, die mit der richtigen Aussprache des Hebräischen verbunden waren, sollen Hieronymus, wie die spätere Legende erzählt, sogar dazu veranlasst haben, sich die Zähne abzufeilen.80 Mithilfe eines Juden, der nicht nur konvertiert war, sondern sich auch zum asketischen Leben in der Wüste entschlossen hatte, legte Hieronymus die Grundlage für seine Dreisprachigkeit, die es ihm später erlaubte, das große Projekt einer Neuübersetzung auch des Alten Testaments anzugehen; er betrat jetzt den Weg, der aus ihm den wissenschaftlichen Nachfolger des großen Origenes werden ließ.81 Nimmt man alle diese Aspekte zusammen, so stand die eremitische Einsamkeit eines Antonius sicher nicht im Vordergrund der Jahre, die Hieronymus in der Wüste von Chalkis verbrachte. Vermutlich lebte er in einer eigenen Zelle oder Höhle, doch gab es hier oder in der Nähe genug Raum für seine Bibliothek und für ein funktionsfähiges Skriptorium. Asketische Übungen, langes Fasten und peinigende Selbstprüfungen hat Hieronymus sicher absolviert, doch daneben stand der Austausch mit anderen Mönchen, standen Gespräche und 82
Die „Vita des Heiligen Paulus“
San Girolamo nella grotta. Gemälde von Giovanni Piancastelli (1845-1926).
Diskussionen über Fragen des Glaubens und der Kirche, vielleicht auch ein gemeinsames Bibelstudium oder Erklärungen, die Hieronymus jüngeren Mönchen gab, schließlich auch der Unterricht im Hebräischen. In der „Wüste“ zu leben, bedeutete also vor allem, Abstand zum städtischen Raum und damit zur weltlichen Gesellschaft gefunden zu haben.82 So angenehm allerdings, wie sich Giovanni Piancastelli (1845–1926) das Wüstenleben des Hieronymus vorgestellt hat, ist es sicherlich nicht verlaufen. Auf seinem Gemälde scheint sich der Heilige, ausgestreckt im Sand, recht wohlzufühlen und seinen wissenschaftlichen Interessen eher lässig nachzugehen. Das Bild gehört, so wie „The Conversion of Paula by Saint Jerome“ von Alma-Tadema (S. 23), zu der kleinen Reihe von modernen, geradezu subversiven Hieronymus-Darstellungen, die den vom Kirchenvater erhobenen Anspruch auf reine Geistigkeit und entschlossene Askese durch eine ironische Umsetzung der Motive unterlaufen.
Die „Vita des Heiligen Paulus“ Die „Vita des Heiligen Paulus“,83 die Hieronymus wahrscheinlich während seines Aufenthalts in der Wüste von Chalkis verfasste,84 liest sich wie ein Bekenntnis zum Eremitentum, dessen durch Athanasius vor83
3 Im Westen und im Osten des Reiches
gegebene literarische Topoi aufgerufen und verstärkt werden.85 Die Themenwahl zeugt von dem literaturstrategischen Geschick des Autors, denn Hieronymus knüpfte einerseits an den Erfolg an, den Athanasius mit seiner Vita des Heiligen Antonius erzielt hatte; wie bereits erwähnt, hatte diese Vita durch die lateinische Übersetzung des Euagrius auch im Westen des Reiches eine große Verbreitung gefunden.86 Andererseits aber stellte sich Hieronymus in direkte Konkurrenz zu Athanasius, denn er vertritt in seiner Vita die Auffassung, dass nicht Antonius, sondern Paulus als Begründer des eremitischen Mönchtums zu gelten habe. Nur der Leser, der nach oder neben der Vita des Antonius auch die Schrift des Hieronymus las, konnte entscheiden, ob der Autor mit seiner Behauptung recht hatte und Paulus anstelle des Antonius die Rolle des Archegeten der mönchischen Lebensform zukam, deren Anziehungskraft im Verlauf des 4. Jahrhunderts immer größer geworden war.87 Hieronymus stellt diese Frage gleich an den Anfang seiner Schrift. „Für viele“ sei „es noch nicht ausgemacht, wer sich als erster in der Wüste niedergelassen und ein Mönchsleben geführt hat“. Das Mönchtum mit Elias oder mit Johannes dem Täufer beginnen zu lassen, wie einige Autoren das täten, sei nicht überzeugend, denn beiden käme als Propheten doch eine andere Qualität zu. Gemeinhin würde man Antonius für den ersten Eremiten halten, aber das träfe eben nicht zu. Zwei Schüler des Antonius, Amathas und Macarius, die Hieronymus auch in seiner Chronik anführt,88 würden bezeugen, dass „wenn auch nicht der Name, so doch die Sache sich zurückführe auf einen gewissen Paulus aus Theben“.89 Und dieser Auffassung würde er, Hieronymus, folgen. Hieronymus zufolge soll Paulus eine Generation älter als Antonius gewesen sein. Als Sohn wohlhabender Eltern – er entsprach von seiner sozialen Herkunft damit sowohl Antonius als auch Hieronymus selbst – soll Paulus eine ausgezeichnete Erziehung genossen haben und „sowohl in der griechischen wie in der ägyptischen Literatur vorzüglich bewandert“ gewesen sein.90 Dies steht in krassem Gegensatz zu Antonius, der sich angeblich von früher Kindheit an jeglicher weltlicher Bildung verweigert hatte.91 Paulus ist ein junger Mann, als er von der Christenverfolgung unter dem Kaiser Decius (249–251) bedroht wird. Er verlässt seinen in Oberägypten gelegenen Geburtsort Theben und flieht in die Wüste. Auf seinem Weg findet Paulus den Eingang zu einer Höhle, die sich im Inneren zu einer geräumigen Halle weitet. Wie in einem römischen 84
Die „Vita des Heiligen Paulus“
Diego Velázques (1635– 1638): Der Heilige Antonius und der Heilige Paulus, Prado.
Atrium ist die Decke weit geöffnet, sodass Licht hereinfällt; auch gibt es eine Quelle und eine schattenspendende Palme. Bei näherer Untersuchung stellt Paulus fest, dass die Höhle über Nebenräume verfügt, in denen noch Ambosse und Hämmer herumliegen. „Nach ägyptischen Mitteilungen soll hier eine geheime Falschmünzerwerkstätte gewesen sein zu der Zeit, in welcher Kleopatra mit Antonius verbündet war.“92 Nicht nur, dass Hieronymus durch dieses Detail weitere „Zeugen“ gewinnt; er gibt seinem Heiligenleben zugleich einen historischen Anstrich, der alle Zweifel ausräumen soll.93 An diesem schönen Ort soll Paulus nun sein ganzes Leben zugebracht haben.94 Nahrung und Kleidung hätte ihm die Palme geliefert, und wer das nicht glauben wollte, sollte sich klarmachen, zu welchen asketischen Leistungen Eremiten in der Lage seien. Der Autor versichert, in der Wüste von Chalkis einen Mönch kennengelernt zu haben, der nun schon seit dreißig Jahren nur von Gerstenbrot und trübem Wasser lebe, und noch einen anderen, dem fünf trockene Feigen täglich zur Nahrung ausreichten. Daran zweifeln würden nur jene, 85
3 Im Westen und im Osten des Reiches
„die nicht zugeben wollen, daß Gläubigen alles möglich ist“.95 Im weiteren Verlauf der Vita stellt sich allerdings heraus, dass Paulus auf wunderbare Weise auch mit Brot versorgt wurde. Täglich kam ein Rabe herbeigeflogen, um einen halben Laib fallen zu lassen.96 Als dem inzwischen neunzigjährigen Antonius im Traum offenbart wurde, dass in der Wüste noch ein anderer Eremit lebe, „der viel tugendhafter sei als er selbst“, machte er sich auf den Weg, um Paulus zu besuchen, der seinerseits damals einhundertdreizehn Jahre alt gewesen sein soll. Nach tagelanger und mühevoller Wanderung, auf dem ihm zunächst ein Hippozentaur und dann ein Faun begegnen, der bereits den christlichen Glauben angenommen hat, gelangt Antonius zu Paulus, der erfreut die Gelegenheit nutzt, sich über den Gang der Weltgeschichte informieren zu lassen: „Wer regiert die Welt?“, so fragt er und außerdem: „Gibt es noch Menschen, die in teuflischem Irrtum befangen sind?“ Während der Unterhaltung erscheint erneut der Rabe, der nun, damit auch der Besucher ausreichend versorgt werden kann, ein ganzes Brot fallen lässt. Zwar müssen die beiden Heiligen lange darüber streiten, wer das Brot brechen soll, bis sie die salomonische Lösung finden, jeweils an einer Seite zu ziehen; danach feiern sie die ganze Nacht hindurch gemeinsam Gottesdienst. Kein Wort aber fällt über Fragen des Dogmas. Am nächsten Morgen verrät Paulus seinem Gast, dass er bald sterben werde; Antonius sei von Gott gesandt worden, um ihn nach seinem Tod zu beerdigen. Um seinem neuen Freund den Schmerz zu erleichtern, bittet er ihn um den Mantel, den Antonius einst von Athanasius, dem Bischof von Alexandria und Verfasser der „Vita Antonii“, geschenkt bekommen hat. Da sich der Mantel in der Heimatklause des Antonius befindet, muss dieser wieder für einige Tage auf Wanderschaft gehen. Als er zurückkehrt, findet er Paulus tot vor. Er weiß nicht, wie er ohne Spaten eine Grabstätte anlegen soll, und beschließt, neben dem toten Freund sein eigenes Ende abzuwarten. Nun folgt der Auftritt der Löwen: „Während solche Gedanken ihn beschäftigten, eilten aus dem Innern der Wüste zwei Löwen mit fliegender Mähne herbei, bei deren Anblick er zuerst in Schrecken geriet. Doch er richtete seinen Geist auf Gott und verhielt sich furchtlos, als ob er Tauben sähe. Aber jene liefen geradeswegs auf den Leichnam des heiligen Grei86
Die „Vita des Heiligen Paulus“
ses Paulus zu [...]. Mit dem Schweife wedelnd ließen sie sich zu seinen Füßen nieder und stießen ein fürchterliches Gebrüll aus, so daß man sofort erkennen konnte, wie auch sie auf ihre Weise trauerten. Dann fingen sie an, in der Nähe den Boden mit den Füßen aufzuscharren. Um die Wette warfen sie den Sand heraus und gruben eine Öffnung so groß, daß ein Mensch darin Platz finden konnte. Gleichsam als forderten sie den Lohn für ihre Arbeit, kamen sie darauf, die Ohren bewegend, mit gesenktem Nacken zu Antonius und leckten seine Hände und Füße. Er verstand sofort, daß sie ihn um seinen Segen baten.“97 Nicht anders als die „Vita Antonii“ des Athanasius ist auch die „Vita Pauli“ des Hieronymus nicht als Biographie im eigentlichen Sinne gemeint; die Texte sind Lobreden auf Heilige und ‚beweisen‘ deren Gottnähe durch Berichte über Wunder. Diese Elemente kennzeichnen allerdings auch die antike Biographie, in der ebenfalls mirakulöse Ereignisse, etwa bei der Geburt des jeweiligen Helden, auf göttliche Kräfte und Pläne verweisen. Und wie griechische oder römische Biographien aus vorchristlicher Zeit wollen die hagiographischen Texte der Spätantike moralisch belehren; sie zeigen die Heiligen als Beispiele frommen Lebens. Hieronymus aber will dabei auch als Schriftsteller wirken und sich mit einem großen Vorbild messen; es ist deshalb auch möglich, dass er die Figur des Paulus und die angeblichen Schüler des Antonius erfunden hat, um sich vor dem gebildeten Publikum mit einer literarisch anspruchsvollen Arbeit zu präsentieren. So erreicht die Schrift ihren Höhepunkt am Ende, wo Hieronymus aus der Bedürfnislosigkeit des Eremiten Paulus eine heftige Kritik an den Reichen der römischen Gesellschaft entwickelt, denen er das Ideal christlicher Bedürfnislosigkeit vorhält. Diejenigen, die nicht einmal wüssten, wie groß ihr Besitz eigentlich sei, sollten sich doch die Frage stellen, ob es Paulus an irgendetwas gefehlt habe? „Ihr habt Trinkgeschirre aus edlen Gesteinen, er bediente sich der hohlen Hand. Ihr wirkt Gold in eure Kleider, er konnte sich noch nicht einmal anziehen wie eure ärmsten Sklaven. Andererseits steht ihm, dem Armen, das Paradies offen, euch dagegen, die ihr von Gold strotzt, verschlingt die Hölle. Wenn auch nackt, so hat er doch Christi Kleid treu bewahrt, ihr dagegen, die ihr in Seide ein87
3 Im Westen und im Osten des Reiches
hergeht, habt das Gewand Christi verloren. Paulus liegt begraben unter wertlosem Staub, um aufzustehen zur Herrlichkeit; euch aber, die ihr samt euren Schätzen brennen werdet, beschweren mühevoll aus Stein gearbeitete Grabstätten.“98
Das Bild des Wüstenheiligen Als Eremit in der Wüste, der sich einer harten Askese unterwarf, um Gott nahezukommen, gehörte Hieronymus zu den Christen, die am radikalsten mit ihrem früheren Leben gebrochen hatten. Die eigene asketische Erfahrung verlieh den Eremiten eine hohe moralische Autorität, die sie bisweilen neben oder sogar über Bischöfe stellte. Ihre Vorbildhaftigkeit wirkte im Osten wie im Westen des Reiches, und so waren bald nicht nur in den Wüsten Ägyptens oder Syriens, sondern auch an vielen anderen Orten Einsiedler anzutreffen. Einige von ihnen – wie schon der Heilige Antonius – zogen zahlreiche Nachahmer an sich, sodass sich neue Organisationsformen entwickelten. Auch in den christlichen Lebensgemeinschaften und in den Klöstern der Spätantike standen die asketischen Übungen im Vordergrund; durch sie sollten immer aufs Neue die Abwendung vom Weltlichen, die Ablehnung des Körperlichen und die Entschiedenheit des Glaubens bewiesen werden. Über die Spätantike hinaus kennt jede Epoche in der Geschichte des Christentums Mahner oder Reformatoren, die ihre Appelle eben deshalb so wirkungsvoll vorbringen konnten, weil sie durch die eigene Askese legitimiert waren. Und soweit sich die bildende Kunst in den Dienst der Heiligenverehrung und der mit ihrem Beispiel verbundenen Suche nach Läuterung oder Reformation stellte, lag es nahe, die ‚großen‘ Eremiten der christlichen Frühzeit wie Johannes den Täufer oder den Heiligen Antonius zu malen. Zu diesem Kreis gehörte auch Hieronymus, der in seinen Briefen ein eindringliches und anschauliches Bild seines Aufenthalts in der Wüste gezeichnet hatte. „Hieronymus in der Wüste“ oder in verschärfter Formulierung, die den immer wieder neu zu unternehmenden Versuch unterstreicht, die eigene sündige Natur zu überwinden: „Hieronymus als Büßer“ findet indes erst seit dem späten Mittelalter als Motiv der religiösen Kunst Verwendung.99 Damit spiegelt dieser Aspekt der Hieronymus-Rezeption das veränderte Weltbild des späten Mittelalters, in dem die Kirche 88
Das Bild des Wüstenheiligen
nicht mehr die kollektive Glaubenssicherheit zu vermitteln vermochte, die über Jahrhunderte sowohl die religiöse Praxis als auch die Kultur geprägt hatte. Katastrophenerfahrungen und Individualisierungsprozesse werden dazu beigetragen haben, dass Christen, die sich der göttlichen Gnade unsicher geworden waren, in asketischen Figuren wie Hieronymus ein Vorbild sahen.100 Dagegen hatte während des frühen und hohen Mittelalters der gelehrte Bibelübersetzer und Kommentator der Heiligen Schriften im Vordergrund der bildlichen Rezeption des Kirchenvaters gestanden. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass sich mehr als 1.100 Kunstwerke zählen lassen, die vom frühen Mittelalter an bis ins 20. Jahrhundert Episoden aus dem Leben oder der Legende des Hieronymus dargestellt haben.101 Etwa ein Viertel von ihnen zeigt „Hieronymus in der Wüste“. Dieses Sujet lässt sich im Œuvre fast aller Künstler von der Renaissance bis zum Barock finden, und nicht wenige unter ihnen wie etwa Hieronymus Bosch oder Albrecht Dürer haben das Thema mehrfach behandelt. Im 14. Jahrhundert tötete der Schwarze Tod ungefähr 20 Millionen Menschen und damit etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas.102 Die Bewegung der Flagellanten, die ein erstes Mal bereits um 1260 in Italien aufgetreten war, lebte angesichts des massenhaften Sterbens in der Mitte des 14. Jahrhunderts nördlich der Alpen wieder auf und breitete sich über Österreich, Ungarn, Polen, Deutschland und Holland aus. Das Phänomen der Geißlerumzüge blieb zwar von kurzer Dauer, da eine Bulle Papst Gregors VI. vom Oktober 1349 diese Art öffentlicher Buße untersagte.103 Aber es hatte sich dabei auch nur um eine extreme Reaktion kleinerer Kreise von Christen auf die offenkundige Gottesstrafe gehandelt, die mit der Pest über die Menschen hereingebrochen war. Die grundsätzliche Verunsicherung, die durch den Schwarzen Tod ausgelöst worden war, und die sozialen wie ökonomischen Umwälzungen, die sich aus der veränderten demographischen Situation ergaben, haben die religiöse Empfindung sehr vieler Menschen intensiviert und individualisiert. Das Seelenheil des Einzelnen war nicht mehr allein durch die Institution der Kirche garantiert, sondern musste im persönlichen Engagement errungen werden.104 Dafür gab es kaum ein besseres Beispiel und Vorbild als Hieronymus. So wurde das Bildmotiv des büßenden Hieronymus, das um 1400 in Italien aufkam, innerhalb und außerhalb der Klöster in zahlreichen Varianten umgesetzt, von denen hier nur einige wenige erwähnt wer89
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Sano di Pietro, Die Buße des Heiligen Hieronymus (Louvre). Piero della Francesca, La Penitenza di San Girolamo (Gemäldegalerie Berlin).
den können.105 Die Grundlage dafür bildeten vor allem die entsprechenden Kapitel in Hieronymus’ Brief an Eustochium, und folglich wurde der büßende Heilige zumeist in eine karge und menschenleere 90
Das Bild des Wüstenheiligen
Maestro dell’Osservanza (Sano di Pietro?), San Girolamo penitente nel deserto (Pinacoteca Nazionale, Siena). Jacopo Bellini, San Girolamo nel deserto (Museo di Castelvecchio Verona).
Landschaft gestellt, die allerdings nicht unbedingt eine Wüste sein musste. Da auch Hieronymus mit „Wüste“ die Entfernung von der Stadt und den im städtischen Raum präsenten Versuchungen des 91
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Paolo Uccello, Episoden aus dem eremitischen Leben (Florenz, Galleria dell’Accademia).
Weltlichen meinte, die Wüste also „durch ihr Gegenteil definiert“ wird,106 konnte sie durchaus im Sinne des Kirchenvaters ebenso gut als Fels- oder Waldlandschaft dargestellt werden.107 Beispiele dafür bieten die sienesischen Maler des 15. Jahrhunderts wie der Maestro dell’Osservanza auf einer Hieronymus-Predella von 1436, die sich in der Pinakothek von Siena befindet, oder Sano di Pietro (1405–1481) auf einem Gemälde im Louvre („Die Buße des Heiligen Hieronymus“).108 Der Maestro dell’Osservanza malte eine karge Landschaft mit einigen palmenähnlichen Obstbäumen, während sich Di Pietro zwar eng an Hieronymus’ eigener Schilderung orientierte und eine Höhle und allerhand Wüstengetier ins Bild setzte, zugleich aber die Wüste ebenfalls mit Obstbäumen und mit weidenden Hirschen verzierte. Auch Piero della Francesca (1415–1492) füllte seine ‚Wüste‘ mit Bäumen auf.109 Dagegen hatte Jacopo Bellini (1400–1470) für eines seiner Bilder, die er Hieronymus gewidmet hat, den Einfall, eine antike Säule in die Wüste zu stellen, in der der Heilige seinen Bußübungen nachgeht.110 Während auf den genannten Bildern Hieronymus weltabgewandt vor seiner Höhle betet oder den Stein zur Selbstgeißelung in der Hand 92
Das Bild des Wüstenheiligen
Andrea del Castagno, SS. Trinità con S. Girolamo e due Sante (Chiesa della SS. Annunziata, Cappella Corboli, Florenz).
hält und ansonsten nur die ‚Wüste‘ zu sehen ist, zeigt der Hintergrund eines Bildes, das Paolo Uccello (1397–1475) zugeschrieben wird, eine vom Sturm bedrohte Stadt.111 Hier werden die beiden Lebensoptionen gegenübergestellt, deren Opposition sich an Hieronymus’ Aufenthalt in der Wüste verdeutlichen ließ: die Buße als Hoffnung auf Errettung aus der drohenden Gefahr göttlicher Züchtigung, die jenen droht, die dem Weltlichen verfallen sind.112 Bemerkenswert ist auch das Fresko, das Andrea del Castagno (1421–1457) für die Chiesa dell’Annunziata in Florenz gemalt hat. Es verbindet die Darstellung der göttlichen Trinität mit dem büßenden Hieronymus, der den Stein in der rechten Hand hält und von seinem Löwen begleitet ist; seine linke Hand ist erklärend geöffnet und berührt beinahe die jüngere der beiden Frauen, die ihn umgeben. Wie Hieronymus tragen auch sie den Heiligenschein. Giorgio Vasari (1511– 1574) hat in seinen „Lebensbeschreibungen der herausragenden Maler, 93
3 Im Westen und im Osten des Reiches
Bildhauer und Architekten“ diesem Fresko einige Zeilen gewidmet, ist dabei auf die beiden Frauen aber nicht näher eingegangen. Zweifelsohne handelt es sich bei ihnen um Paula und Eustochium.113
Hieronymus Bosch Rätselhaft erscheinen dagegen viele Details auf den zwei Gemälden, die Hieronymus Bosch (1450–1516) dem Heiligen, dessen Namen er trägt, gewidmet hat. Auf beiden ist Hieronymus als Büßer dargestellt. Das eine Gemälde, das sich in Gent befindet, trägt den Titel „Der Heilige Hieronymus“ (1500); das zweite gehört zum sogenannten Eremitenaltar im Dogenpalast von Venedig (1505). Auf beiden Bildern ist der Heilige in seiner ‚Wüste‘ von Ruinen und verdorrten Bäumen, Höhlen und Tieren sowie merkwürdigen Gerätschaften umgeben. Alle Elemente erscheinen so geheimnisvoll, dass sich der Betrachter aufgerufen fühlt, ihre symbolische Bedeutung zu enträtseln. Bosch, der als Mitglied der „Bruderschaft Unserer Lieben Frau“ Zugang zu den führenden Kreisen seiner Heimatstadt ’s-Hertogenbosch und zum Brüsseler Hof Philipps des Schönen gewann, schuf seine Bilder als Auftragswerke. Deshalb haben manche Kunsthistoriker versucht, einen Zugang zu den Bildern über den Rezipientenkreis und den religiösen Kontext zu gewinnen, in dem sich der Maler und seine Umgebung bewegten.114 Die Interpretationen werden dabei mitunter zu hochkomplexen Beweisgängen, die jedem Detail eine spezifische Aussage zuweisen, um die ‚Programmbilder‘ zu entschlüsseln. Deutungen dieser Art bleiben indes anfechtbar, solange sie sich nicht auf Aussagen des Künstlers berufen können. Und solche fehlen für Bosch gänzlich. Auf dem Gemälde in Gent, entstanden um 1500, ist Hieronymus anhand des abgelegten Kardinalsgewandes sofort zu identifizieren. Bosch ist hier wie viele Künstler seiner Zeit der Legende gefolgt, nach der Hieronymus während seines Aufenthalts in Rom die Stellung eines Kardinals eingenommen habe. Der Heilige liegt ausgestreckt auf dem Boden und umfasst mit seinen Armen ein Kruzifix, das so zum Betrachter gewendet ist, dass der kleine Körper Christi gut zu sehen ist. Unter dem Heiligen liegt ein Stein, über den der Schatten des senkrechten Kreuzholzes des Kruzifixes fällt. Hieronymus trägt einen offenen weißen Umhang und die Mönchstonsur. Sein Kardinalsgewand ist über einem Baumstumpf abgelegt, der sich auf dem Bild rechter94
Hieronymus Bosch
Hieronymus Bosch, Der Heilige Hieronymus im Gebet (Gent, Museum voor schone Kunst).
hand hinter dem Körper des Heiligen befindet. Vor dem Gewand liegen der Hut und ein Brevier auf dem Boden. Die Landschaft ist nicht schroff oder felsig. Man sieht Felder und bewaldete Hügel, einen Weiher und einen Flusslauf. Hinter dem ausgestreckten Hieronymus erkennt man den Eingang zu einer Höhle, vor ihm erstreckt sich ein 95
3 Im Westen und im Osten des Reiches
kleiner Tümpel mit einer Insel, auf der ein kleiner Vogel in seinem Nest sitzt. Im Wasser des Tümpels liegt eine große aufgebrochene pflanzenartige Kugel, die auf den ersten Blick an einen Kürbis erinnert; durch sie rankt ein Gebilde trockener Dornen. Am Rand des Tümpels steht ein Tier, kaum größer als der vermeintliche Kürbis, das mit müdem Blick auf den Betrachter des Bildes schaut; es ist ein Löwe, der ebenso entschlossen gefastet zu haben scheint wie Hieronymus selbst. Kräftiger und wacher ist die Eule, die rechterhand auf einem der verdorrten Äste des Baumstumpfes hockt. Die linke Bildhälfte über dem Kopf des Heiligen ist mit Steinen und geformten Platten und einer weiteren runden, floralen Form gefüllt. Darüber erhebt sich ein knorriger Baum, dessen grüne Äste in den Himmel streben; wo sie sich aus dem Stamm verzweigen, hat ein großer Vogel sein Nest. Die Deutungsgeschichte zu allen diesen Elementen darzustellen, würde ein eigenes Buch füllen. Schon für die Frage der Identifizierung der Pflanzen gibt es kein Einvernehmen unter den Bosch-Forschern. Sollen die runden Pflanzenkörper als Samenkapseln verstanden werden? Wird die Kapsel, die im Tümpel liegt, von einem Christusdorn durchbohrt? Aus der zweiten, kleineren Samenkapsel, die sich oberhalb des Kopfes des Heiligen befindet, sind schwarze Samen herausgefallen; sollte man hier an Schlafmohn denken? Der Baum im linken Hintergrund wird zumeist als Ostindischer Wunderbaum (ricinus communis) bezeichnet, der auch „Christuspalme“ heißt, weil sein Saft rot gefärbt ist. Aus ihm gewann man in Mittelalter und in der frühen Neuzeit den Farbstoff Krapprot, mit dem die Kardinalsgewänder gefärbt wurden. Und was bedeuten die Vögel? Man wird die Eule kaum mit Athena verbinden dürfen. Hat die Eule vielleicht den Vogel am unteren Bildrand, eine Kohlmeise, angelockt, wie es der zeitgenössischen Jagdpraxis entsprach? Da die Eule aber nicht angebunden ist, wird sie kaum als Gehilfe der Jäger gemeint sein.115 Und die beiden Steinplatten? Die rund geformte, die über dem Kopf des Hieronymus liegt, erinnert an eine Grabplatte, aber es könnte sich auch um eine Gesetzestafel handeln. Wollte Bosch mit der umgestürzten Gesetzestafel auf das Ende des Alten und den Beginn des Neuen Bundes hinweisen, der durch Christus entstanden war? Die am linken Bildrand platzierte Platte ist rechteckig und besitzt einen röhrenartigen Aufsatz, auf den sie gekippt ist. Sieht man hier die Basis einer antiken Säule? 96
Hieronymus Bosch
Wenn schon die einzelnen Bildmotive so viele Fragen aufwerfen, wie sieht es dann erst mit der Gesamtdeutung der Hieronymus-Gemälde aus? Will Bosch auf seiner Genter Tafel die Hoffnung auf Erlösung durch die Nachfolge Christi in Buße, Askese und Meditation verbildlichen? Oder verwirft er die Askese des Heiligen als sinnloses Tun? Aus dem breiten Spektrum der Deutungen, die für Boschs Werke im Allgemeinen und seine Hieronymus-Darstellungen im Besonderen vorgeschlagen worden sind, sollen hier nur zwei Beispiele herausgegriffen werden, mit denen sich die Bandbreite der Interpretationen gut zeigen lässt: Sie reichen von der Ansicht, Bosch habe die hoffnungsfrohe Zukunftstheologie des Joachim von Fiore (1135–1202) umgesetzt, bis zur völlig entgegengesetzten Auffassung, seine Bilder brächten verschlüsselt die Weltablehnung der Katharer zum Ausdruck. Zunächst zur ‚positiven‘ theologischen Deutung, die von Wilhelm Fraenger (1890–1964) stammt.116 Fraenger hatte im Anschluss an Konrad Burdach (1859–1936) die Auffassung vertreten, dass sich in den Werken des Hieronymus Bosch die religiöse Geschichtsdeutung des Joachim von Fiore widerspiegele, die zu Boschs Zeiten von einem seiner Auftraggeber, Jacob van Almaengien (1440–1506), fortgeschrieben worden sei. Hatte Joachim von Fiore einen dreistufigen Heilsplan erkannt, der nach dem Alten und dem Neuen Bund noch einen dritten, vom Heiligen Geist erfüllten Status erwarten ließ, so seien seine Gedanken von Jacob van Almaengien aufgegriffen und mit der Symbolmystik judenchristlicher Ketzergruppen verbunden worden. Die Biographie des Mannes ist allerdings nur rudimentär bekannt, und Schriften vom ihm sind gar nicht überliefert. Van Almaengien war ein Jude, der 1496 zum Katholizismus konvertierte (und einen neuen Namen annahm), später aber zu seinem ursprünglichen Glauben zurückkehrte. Da er in ’s-Hertogenbosch konvertierte und Mitglied der Liebfrauenbruderschaft war, ist an seiner Bekanntschaft mit Bosch nicht zu zweifeln. Fraenger postulierte jedoch auch, Almaengien sei, „bevor er sich zum Führer seiner adamitischen Gemeinschaft aufgeworfen hatte, in eine gnostische Mysterienloge semitischer Provenienz verstrickt“ gewesen,117 und so sei es letztlich die symbolischmystische Bildwelt spätmittelalterlicher Ketzergruppen, die von Bosch umgesetzt worden sei. Die Adamiten, die auch „Brüder oder Schwestern des freien Geistes“ genannt wurden, hielten als Pantheisten Got97
3 Im Westen und im Osten des Reiches
tes Wirken für allumfassend; für sie war die Materie gottgeschaffen sowie gut und jeder Mensch erlösungsfähig. Gibt es schon für die von Fraenger angenommene Stellung Almaengiens als Leiter einer religiösen Gemeinschaft keine Belege, so ist auch fraglich, ob sich der Maler so vollständig in den Dienst eines adamitischen Geheimlehrers hätte stellen wollen und können, wie Fraenger dies voraussetzt.118 Auch müsste sich aus dem religiösen Programm ein ansprechendes, weil optimistisches Bildprogramm ergeben, was so bei Bosch kaum wiederzufinden ist. Auf der Basis seiner Annahmen kann Fraenger allerdings den Symbolen in den Bildern von Bosch Bedeutungen zulegen, die unter sich kongruent sind; so entstehen schlüssige, aber suggestive Interpretationen. Für das Genter Hieronymus-Gemälde sprach Fraenger von der „eschatologischen Dynamik“ der dargestellten Glaubensüberzeugung, die den Heiligen in die Erwartung des „dritten Zustands“ versetzt habe. Die Annäherung an diesen dritten, vom Heiligen Geist erfüllten Zustand werde durch die Askese gesucht, die im konkreten Fall der Schilderung folge, die Hieronymus in seinem Brief an Eustochium gegeben habe. Hieronymus hatte von der Verweigerung der Nahrung und der Überwindung des Schlafs berichtet, und genau in dieser Situation einer durchwachten Nacht sieht Fraenger den Heiligen am Morgen eines Karfreitags, eingetaucht in „eine Traumhöhle des Chiliasmus“. Die umgestürzte Gesetzestafel und die aufstrebende Christuspalme symbolisierten die Abfolge der Heilsstufen, während die Mohnkapsel mit ihren den Schlaf bringenden Samen und auch die Samenkapsel der Nachtschattenpflanze, als die Fraenger die vordere Frucht identifizierte, auf die „nachtverfallene Natur“ verwiesen, der mit dem Heiligen auch die Eule „schlummerlos“ gegenüberstehe. Bis in die Farbkomposition hinein, die alchemistischen Ideen der Umwandlung und Läuterung folge, sieht Fraenger in dem Bild die Umsetzung der Natursymbolik und der „Gedankendichtung“ Almaengiens. Eine zu Fraenger völlig konträre Deutung hat Lynda Harris vorgeschlagen.119 Für sie gehört Bosch nicht der Gemeinschaft der pantheistischen Adamiten, sondern der Gemeinde der dualistischen Katharer an, die alles Weltliche als satanisch ablehnten und auf eine Erlösung durch die Rückkehr der menschlichen Seele in das jenseitige Reich des Geistes hofften. Weltliche Freuden, auch die Eheschließung und Kinderzeugung, waren für sie Mittel des Teufels, um den Menschen im Weltlichen festzuhalten. Denn je stärker die Seele sich mit dem Materiellen ver98
Hieronymus Bosch
Hieronymus Bosch, Eremitenaltar (Ausschnitt, Mitteltafel. Venedig, Dogenpalast).
binde, desto dauerhafter unterstehe sie – auch durch die dann unaufhaltsame Wiedergeburt – seiner Herrschaft. Jesus war für sie der göttliche Bote der Hoffnung auf Erlösung, während sie in der Kirche – und in jeder anderen institutionell geformten Religion – nur ein weiteres Mittel des Satans sahen, um den Menschen vom rechten Weg der Erleuchtung abzuhalten. Sowohl die merkwürdige Präsenz von kirchlichen Würdenträgern auf Bildern, die der Passion Christi gewidmet sind, als auch die brutalen Szenen, in denen Kleriker Gewalt anwenden, ließen sich mit dieser Haltung zur Kirche, die auch die blutige Verfolgung der Katharer zu verantworten hatte, gut erklären. Der Ansatz von Harris hat wenig Resonanz gefunden; auch er beantwortet die Frage nicht, wie Bosch als gewissermaßen subversiver Künstler so erfolgreich sein konnte. Und doch muss festgehalten werden, dass mit der ‚Katharerthese‘ selbst solche Details auf den Hierony99
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mus-Bildern, die anderen Interpreten rätselhaft geblieben sind, zu sinnvollen Bildelementen (und nicht nur einfach zu Kuriositäten) werden. Wie steht es etwa um das durchsichtige, säulenartige Gefäß auf der Altartafel in Venedig, in dem der Betende inmitten von Sternen schwebt? Für Harris liegt in diesem Element des Bildes die versteckte „frohe Botschaft“ der Katharer: Die reine Seele, die sich vom Materiellen gelöst hat, befindet sich auf dem Weg zum „siebten Himmel“, um sich mit dem göttlichen Geist zu vereinen. Nun vertraten die Katharer, die lange Zeit hart verfolgt wurden, deren Glaubensvorstellungen sich aber doch in kleinen Gruppen und im Verborgenen halten konnten, zwar die Auffassung, dass es auserwählten Menschen gelingen könne, zu Lebzeiten ein höheres, gottnahes Bewusstsein zu erreichen, aber das galt ihrer Meinung nach gerade nicht für die Heiligen der katholischen Kirche, deren angebliche Wunder nur mithilfe von Dämonen zustande gekommen seien. So sieht der Heilige Antonius auf einem anderen Bosch-Gemälde in Lissabon weder den Lichtstrahl der Erleuchtung noch das im Hintergrund des Bildes befindliche Kruzifix. Auch Hieronymus, so führt Harris aus, gehöre für Bosch zu den „gescheiterten Heiligen“ und deshalb sei er auf seinen Bildern mit „dämonisch entstellten Naturgegenständen“ umgeben, die die Sündhaftigkeit des Menschen symbolisierten. Die zerbrochene Frucht im Sumpf auf dem Genter Bild etwa sei als „Hinweis auf die Verdorbenheit des Heiligen“ zu verstehen, die Höhle sowie die muschelförmige Einfassung seines Körpers als Symbole „für die Gefangenheit im physischen Körper“.120 Hieronymus sehne sich zwar nach der Vereinigung mit dem Göttlichen, doch da er sein Seelenheil in der Kirche suche, scheitere er zwangsläufig. Dass die Kirche der falsche Hoffnungsträger sei, zeigten auch die zahlreichen trockenen „Bäume des Todes“ auf den Gemälden, während der Glaszylinder auf dem Altarbild in Venedig als „Säule der Herrlichkeit“ auf die katharische Idee vom Aufstieg der Seele verweise, der sich über mehrere Stufen vollziehe.121 Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass gerade eine Statuette von der Oberfläche des Glaszylinders heruntergefallen ist, und diese erweist sich als eine Heiligenfigur: Der rechte Glauben bedarf dieser falschen Vorbilder nicht. Auch die Bilder, die Bosch auf der Innen- und Außenseite des offenen, halb zerstörten Thrones angebracht hat, in dem das von Hieronymus angebetete Kruzifix an einem vertrockneten Baumstamm lehnt, lassen sich kaum mit einer „frohen Botschaft“ der Kirche verbinden. Harris zufolge handelt es sich um „symbolhafte Darstellungen von Wollust und Sünde“.122 100
Der Wald als Wüste
Der Wald als Wüste Wie bei Hieronymus Bosch, so wird auch sonst in der nordeuropäischen Malerei die Wüste oftmals durch einen Wald ersetzt; dies geschieht ein erstes Mal auf einem Gemälde von Simon Marmion (1425– 1489) und wenig später auf einem 1502 entstandenen Bild von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553).123 Das Waldmotiv ist auch auf einer in Berlin befindlichen kleinen Hieronymus-Tafel von Albrecht Altdorfer (1480–1538) sowie auf einer Zeichnung dieses Künstlers zu sehen124 und es ließen sich dafür zahlreiche weitere Werke von Künstlern wie Joachim Patinir, Jan Bruegel oder Paul Bril125 anführen. Den büßenden Hieronymus haben auch Leonardo da Vinci,126 Filippino Lippi,127 Lorenzo Lotto128 und Jacopo da Pontormo,129 Jan Sanders von Hemessen und Tizian gemalt, dessen Hieronymus-Gemälde den Kirchenvater mehrfach in einer dunklen Waldlandschaft zeigen.130 Auf Tizian folgten Paolo Veronese, Rubens und van Dyck, Domenichino, Giacinto Brandi131 und Giorgio Vasari, die sich alle mit dem bü-
Tizian (1488–1576), Der Heilige Hieronymus (Escorial). 101
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Peter Paul Rubens (1577–1640), Der Heilige Hieronymus (Gemäldegalerie Dresden).
ßenden Hieronymus beschäftigt haben. Vasari vermerkte dabei zu seinem eigenen Gemälde „Die Versuchung des Heiligen Hieronymus“, das sich heute im Palazzo Pitti in Florenz befindet, er habe den Kirchenlehrer nach dessen eigenen Aussagen im Brief an Eustochium gemalt. Die Versuchungen, denen der Heilige während seines Wüstenaufenthaltes ausgesetzt war, veranschaulichte Vasari mit einer Venus. Zusammen mit zwei kleinen Amoretten wendet sich die Göttin der Liebe von Hieronymus ab, der ganz in seine Betrachtung des Kruzifixes versunken ist; dass er von einem weiteren Amor mit einem Pfeil beschossen wird, scheint er gar nicht zu merken.132 Wie weit man sich von der Wüste entfernen und doch noch einen büßenden „Hieronymus in der Wüste“ zeigen konnte, lässt sich gut an den Bildern von Albrecht Dürer beobachten. Sein Stich aus dem Jahr 102
Der Wald als Wüste
Giorgo Vasari (1511–1574), Die Versuchung des Heiligen Hieronymus (Palazzo Pitti, Florenz).
1497 lässt im Hintergrund auf einem Felsen eine Kapelle erkennen, während der hintere rechte Bildrand durch eine Meeresküste begrenzt wird. Das Meer passt nicht zu Hieronymus’ Wüstenaufenthalt, doch geht es Dürer um eine religiöse Botschaft, die sich auch mit diesen Elementen verbinden ließ. Ein vom Meer umspülter Felsen war, wie Rainer Schoch ausgeführt hat, als „Symbol der christlichen Standhaftigkeit gegen die Anfechtungen der Welt“ zu lesen und der Fels mit der Kapelle stand für das Wort Christi „als Fundament mönchischer oder allgemein christlicher Lebensführung“.133 Klingt in diesen Erläuterungen eine reformatorische Tendenz im Werk Dürers auf, so könnte man weitere Elemente dieser Art in seinem Gemälde aus dem Jahr 1495 vermuten: „Der büßende Heilige Hieronymus“ lässt den Kirchenvater in einer Berglandschaft mit Fel103
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Dürer, Der büßende Heilige Hieronymus, 1497, Kupferstich.
sen und Bäumen Zwiesprache mit einem kleinen Kruzifix halten. Hinter ihm liegt der Löwe, der seine Augen weit geöffnet und die Ohren aufgestellt hat, als ob auch er an der Andacht des Heiligen teilnähme.134 Hieronymus hat nicht nur den Kardinalshut, sondern auch das Kardinalsgewand abgelegt und trägt stattdessen ein strahlend blaues Gewand: War dies nicht wieder als Appell an die Christen zu verstehen, weniger auf die Institution der Kirche zu vertrauen als vielmehr auf die direkte und persönliche Kommunikation mit ihrem Gott? Diese Botschaft ist indes nicht spezifisch reformatorisch; dafür war der „büßende Hieronymus“ ein viel zu verbreitetes Thema, das zu Dürers Zeit schon mehr als einhundert Jahre lang gemalt worden war.
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D
as theologische Einverständnis, das Antonius und Paulus bei ihrem kurzen Zusammensein in der Nitrischen Wüste bewiesen, ohne über irgendeine dogmatische Frage diskutieren zu müssen, erscheint wie ein Wunschtraum, den Hieronymus in seiner Wüste geträumt hat. Sein von asketischen Übungen und wissenschaftlichen Arbeiten erfüllter Aufenthalt erstreckte sich über etwa drei Jahre (375– 378), und Hieronymus hätte ihn vielleicht nicht so bald beendet, wäre er nicht von verschiedener Seite immer drängender aufgefordert worden, sich im christlichen Parteienstreit zu positionieren, von dem Antiochia in jenen Jahren erfasst war.
Das Schisma in Antiochia Was in dieser Metropole des griechischen Ostens geschah, hatte mit einem christlichen ‚Gemeindeleben‘ nicht mehr viel zu tun. Ein größeres Ausmaß an innerer Zersplitterung war kaum vorstellbar. Dabei ging es nicht allein um den in der Ostkirche weitverbreiteten Konflikt zwischen Orthodoxen und Arianern. Auch ihn gab es hier: Die arianische Partei, die sich unter Constantius II. (350–361) und unter Valens (364–378) der kaiserlichen Unterstützung sicher sein konnte, wurde von einem Bischof namens Eudoxius (360–378) geleitet. Über Jahrzehnte war die Großstadt Antiochia, wie Hieronymus in seiner Chronik beklagt, somit von den Arianern beherrscht worden.1 Für die orthodoxe (und „orthodox“ heißt einfach nur: für die nichtarianische) Kirche in Antiochia gab es aber noch ein weiteres und größeres Problem, weil sie in drei sich feindlich gegenüber stehende Gruppierungen zerfallen war. Die Mehrheit der orthodoxen Christen folgte dem Bischof Meletius (360–381). Nach seinem Amtsantritt war er mehrfach verbannt worden, zuletzt vom Kaiser Valens im Jahr 371, und erst 378 konnte er in die Stadt zurückkehren. Meletius gehörte zum Lager der sogenannten Homöer. Diese versuchten den Arianismusstreit durch die Kompromissformel zu beenden, dass der Sohn dem Vater „in allem ähnlich“ sei.2 Das war für über105
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zeugte Anhänger des nikänischen Bekenntnisses eine zu große Annäherung an die arianische Häresie. So bildeten die orthodoxen Christen, die jegliche Verständigung mit den arianischen Ketzern ablehnten, unter dem Gegenbischof Paulinus (362–388) eine eigene Gemeinschaft. Allerdings nannten sie sich nicht „Paulinianer“, sondern „Eustathianer“, womit sie sich in die Nachfolge des früheren antiochenischen Bischofs Eustathius (325–330) stellten. Eustathius seinerseits hatte sich auf dem Konzil von Nikäa und im Anschluss daran als entschiedener Gegner der Arianer hervorgetan und für seine Position ins Exil gehen müssen, als diese nicht mehr der Linie des Kaisers Konstantin entsprach.3 Noch während seiner Amtszeit als Bischof von Antiochia hatte Eustathius Paulinus zum Priester geweiht; so konnten sich die Eustathianer auch durch die ‚Herkunft‘ ihrer Partei legitimiert fühlen. Schließlich gab es noch eine weitere Gemeinde, die sich für orthodox hielt, obgleich sie von einem Mann geleitet wurde, der dem sogenannten Apollinarismus verpflichtet war. Vitalis, der ab 376 als vierter der gleichzeitigen Bischöfe Antiochias auftrat, war ein Schüler des Apollinaris von Laodicea (315–390), der die vollständige Göttlichkeit Jesu vertrat.4 Apollinaris hatte seine Theologie auf der Grundlage des nikänischen Dogmas von der Wesensgleichheit zwischen Gottvater und Christus entwickelt. Diese ließ es Apollinaris zufolge nicht zu, für Christus eine menschliche Seele anzunehmen. Seine Argumentation führte zu dem Ergebnis, dass der nur göttliche Christus keinen Tod am Kreuz erlitten haben könnte und folglich die Erlösung der Menschen nicht von diesem Heilsgeschehen abhängig sei. Diese Lehre wurde in den siebziger Jahren des 4. Jahrhunderts im Osten und im Westen des Reiches diskutiert und mehrfach verworfen, erstmals auf einer Synode in Rom im Jahr 375, dann erneut 378 in Antiochia, 381 auf dem zweiten ökumenischen Konzil in Konstantinopel und ein weiteres Mal 382 in Rom. An den beiden letzten Kirchenversammlungen hat Hieronymus teilgenommen. Zuvor, während seines ersten oder zweiten Aufenthalts in Antiochia, hatte Hieronymus Apollinaris auch persönlich kennengelernt. Das bezeugt er in einem Brief, in dem er von seiner regen Teilnahme an den Vorlesungen des Apollinaris in Antiochia berichtet. Hieronymus sagt nicht genauer, wann er ihn gehört habe, doch erscheint es unwahrscheinlich, dass dies noch nach den Verurteilungen von 375 und 378 geschehen sein sollte. Hätte Hieronymus nicht fürch106
Das Schisma in Antiochia
ten müssen, als Sympathisant der apollinarischen Häresie zu gelten? Andere Gründe sprechen aber doch für den zweiten und längeren Aufenthalt des Hieronymus in Antiochia, zum Beispiel, dass er erst damals des Griechischen mächtig genug war. Auch war sein erster Aufenthalt von seiner langen Krankheit beeinträchtigt.5 Die Mönche in der Wüste von Chalkis waren wie ihre ‚Brüder‘ in Ägypten erklärte Gegner des Arianismus, und auch die Lehren des Apollinaris fanden bei ihnen keine positive Resonanz. Wem der beiden anderen orthodoxen Bischöfe Antiochias aber sollte man folgen, Meletius oder Paulinus? Beide vertraten unterschiedliche Ansichten, wie die göttliche Trinität zu verstehen und zu beschreiben sei. Bei näherer Betrachtung konnte man den Eindruck gewinnen, dass allein die Begriffe variierten: Die Meletianer fassten die Trinität als eine in drei Hypostasen („Seinsstufen“) wirkende Usia („Wesen“). Dagegen sprachen die Eustathianer von drei Prosopoi (lat. personae bzw. „Personen“), die in einer Hypostase vereint seien. Verwendete man, wie in den Kirchen des Ostens üblich, die griechische Sprache, so mochte der Unterschied der Positionen gewichtig erscheinen, da jeder Begriff seine eigene kontroverse Geschichte hatte. Sprach man aber Latein, so ergab sich die Schwierigkeit, dass sowohl der Begriff Hypostase als auch der Ausdruck Usia mit substantia („Wesen“ oder „Sein“) übersetzt werden mussten. Ob Hieronymus, der diesen Diskussionen gerne ausgewichen wäre, sie dann notgedrungen in griechischer oder lateinischer Sprache führte, lässt sich nicht sagen; die Umgangssprache in der Wüste von Chalkis wird Griechisch, vielleicht auch Syrisch gewesen sein, doch lebten hier auch Männer, die aus dem Westen des Reiches stammten; einige von ihnen dienten Hieronymus als Kopisten lateinischer Texte.6 Später, als Vorsteher des Mönchsklosters in Bethlehem, versuchte Hieronymus die theologischen Debatten, die zwischen den Mitgliedern des Konvents gelegentlich ausbrachen, im Keim zu ersticken, indem er eine agnostische Position vertrat. „Unter dem Bekenntnis der Unwissenheit“, so kommentierte er einmal die Auseinandersetzungen über die Frage, „wie der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sowohl drei als auch eins seien“ könnten, „verbirgt sich größeres Wissen“, als diejenigen für sich beanspruchen dürften, die wie die Heiden glaubten, Gott zu kennen.7 In der Wüste von Chalkis fehlte ihm aber noch die Autorität, um eine solche Haltung durchsetzen zu können. Zu 107
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sehr hing der Seelenfrieden der Mönche davon ab, sicher sein zu können, dem richtigen Mann als Metropoliten Antiochias zu folgen. Die Mehrheit der Mönche in der Wüste stand hinter Meletius und damit hinter dem von der Anhängerzahl her stärksten Bischof der Stadt. Sie wollten auch von Hieronymus ein Bekenntnis zu diesem Bischof hören. Er aber fühlte sich Paulinus verpflichtet, auf dessen Seite mit Euagrius der ‚Freund‘ und Patron stand, um dessen Nähe sich Hieronymus schon in Italien bemüht und in dessen Haus in Antiochia er sich längere Zeit aufgehalten hatte. Paulinus und Euagrius wussten, dass es für ihre Sache in Antiochia hilfreich sein würde, wenn sie die Mönche der Wüste oder wenigstens einige von ihnen hinter sich sammeln könnten. Sie schickten also Gesandte zu Hieronymus, um ihn zu einer Aussage zu ihren Gunsten zu bewegen.8 Für Hieronymus hätte die beste Lösung darin bestanden, wenn er sich für seine Position an der Seite von Paulinus und Euagrius auf eine hohe kirchliche Autorität hätte berufen können, deren Rechtgläubigkeit außer Zweifel stand. Da bot es sich für ihn als Kind des Westens an, den Bischof von Rom um Hilfe zu bitten. In Rom war er getauft worden, und hier befand sich der Stuhl Petri, dem auch im Osten hohe Achtung erwiesen wurde. Und nur hier, so führte Hieronymus in seinem ersten Brief an den römischen Bischof Damasus aus, sei das apostolische Erbe unbeschädigt geblieben, während sich die Kirche des Ostens im ständigen Streit von den Grundlehren des christlichen Glaubens weit entfernt habe: „Von alters her pflegen sich die Völker des Orients in gegenseitigen Kämpfen zu zerfleischen. Auch heute zerreißt der Orient das unzertrennte, von oben bis unten gewebte Kleid des Herrn in viele Stücke. […] Deshalb glaube ich mir beim Stuhle Petri als dem vom Apostel gerühmten Sitz des Glaubens Rat holen zu müssen. So bitte ich denn dort um die Nahrung für meine Seele, wo ich vor Jahren das Kleid Christi empfangen habe. […] Nachdem eine ungeratene Nachkommenschaft das väterliche Erbe verschleudert hat, wird bei Euch allein das Besitztum der Väter unversehrt bewahrt.“9 Über den arianischen Bischof Eudoxius verlor Hieronymus in seinem Brief kein Wort. Im Hinblick auf die drei orthodoxen Bischöfe betonte er, zu ihnen in keinem persönlichen Verhältnis zu stehen, was angesichts der Freundschaft mit Euagrius ziemlich konstruiert wirkt: „Den 108
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Vitalis kenne ich nicht, von Meletius will ich nichts wissen, und auch mit Paulinus stehe ich in keiner Verbindung.“10 Hieronymus gab in seinem Brief einen ausführlichen Bericht über die unterschiedlichen Positionen und pries Damasus als die Quelle der Rechtgläubigkeit, die ihn leiten werde. Er zeigte sich ratlos und scheinbar völlig auf eine Entscheidung aus Rom angewiesen. Gleichzeitig aber machte er indirekt deutlich, dass sich Damasus eigentlich nur für Paulinus aussprechen könnte. Denn die Meletianer wären in ihrer Rede von den Hypostasen gar nicht von den Arianern zu unterscheiden. So wie sie zu reden, wäre doch wohl häretisch. Das war eine scharfe Attacke gegen die Meletianer; Hieronymus rechnete offenbar fest damit, dass Damasus Paulinus unterstützen würde. Insofern ist seine Beteuerung, er würde aber doch, wenn Damasus es so wolle, das Glaubensbekenntnis der Meletianer unterschreiben, nicht sehr überzeugend. Hieronymus nahm nur scheinbar eine neutrale Position ein. Eine Antwort auf seinen Brief hat Hieronymus indes nicht erhalten. Vielleicht war sein eigenes Schreiben in Rom nicht angekommen oder Damasus hatte es unter seiner Würde gefunden, auf die Bitte eines ihm unbekannten Mönches zu reagieren, auch wenn dieser sich als Gefolgsmann des Euagrius zu erkennen gab. Aus dem nachfolgenden Brief, den Hieronymus nach Rom sandte, wird jedenfalls deutlich, dass ihm Damasus bislang nicht weitergeholfen hatte. Noch einmal erwähnt er seine in Rom erfolgte Taufe, und wieder klagt er über die Situation im Osten, in dem nicht nur „der Ingrimm der arianischen Meute wüte“, sondern auch die katholische Kirche innerlich zerrissen sei. Nachdrücklicher als in seinem ersten Brief weist Hieronymus jetzt auch auf den Druck hin, dem er in der Wüste ausgesetzt sei; er ist offensichtlich schon zwischen die Fronten geraten und in Gefahr, aus der Eremitengemeinschaft ausgegrenzt zu werden.11 Wieder argumentiert er mit dem Hinweis auf die Autorität Roms. Alle drei Bischöfe, Meletius, Paulinus und Vitalis, würden behaupten, in kirchlicher Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu stehen. Das aber könne wohl kaum stimmen. Es lügen mindestes zwei von ihnen, vielleicht auch alle drei; dieses Zugeständnis muss Hieronymus machen, um seine angebliche Offenheit in der Frage zu unterstreichen. Noch einmal bittet Hieronymus Damasus eindringlich: „Teile mir in einem Briefe mit, zu wem ich mich in Syrien halten soll! Schätze eine Seele nicht gering ein, für die Christus gestorben ist!“12 109
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Auch auf diesen zweiten Brief scheint Damasus nicht reagiert zu haben. Im letzten Winter, den Hieronymus in der Wüste verbrachte, schickte er noch ein Schreiben an den Presbyter Marcus, der in der Stadt Chalkis lebte und es von dort aus unternommen hatte, die Rechtgläubigkeit des Hieronymus zu prüfen. Im Anschluss an einen Besuch bei Hieronymus forderte ihm Marcus noch ein schriftliches Bekenntnis ab, und Hieronymus kam dieser Aufforderung auch nach.13 Der Vorgang unterstreicht, dass Hieronymus inmitten der Mönchsgemeinschaft eine nicht unbedeutende Rolle spielte, die sich aus seiner besonderen intellektuellen Stellung und seinen Kontakten nach Antiochia ergab. Auch die ‚Mitbrüder‘ in der Wüste wussten wohl um seine Beziehung zu Euagrius und damit auch zu Paulinus. In seinem Brief an Marcus kündigte Hieronymus nun an, mit dem nächsten Frühjahr die Wüste verlassen zu wollen; eine frühere Abreise noch während des Winters erlaube ihm seine schwache Gesundheit nicht. Hätte Hieronymus inzwischen eine Antwort aus Rom erhalten, so hätte er Marcus wohl davon berichtet. Hieronymus kann das sonst so gepriesene entbehrungsreiche Leben in der Wüste kaum noch ertragen, da es zu stark von den theologischen Streitigkeiten beeinträchtigt wird. Er fühlt sich nicht mehr dem Paradies nahe, sondern in „barbarischen Verhältnissen“. Das unterstreicht er mit einem passenden Zitat aus Vergils „Aeneis“ (I 539 ff.), in dem Aeneas die feindliche Reaktion der Karthager auf die Ankunft der Flüchtlinge aus Troja beklagt: „Welch ein Menschengeschlecht? Gastfreundliches Ufer verwehrt man!“ Die Mönche, die in dauerhaftem Streit lebten, sollen aus den Versen des Heiden Vergil lernen, dass es ein Gebot zum Frieden gebe!14 Und um Marcus, der Hieronymus aufgefordert hatte, sein Bekenntnis niederzuschreiben und an ihn zu senden, die paradoxe Situation zu erläutern, in der er sich befindet, schildert Hieronymus noch einmal, welchen Angriffen er vonseiten der – nicht ausdrücklich genannten, aber sicher gemeinten – Meletianer ausgesetzt sei: „Man nennt mich einen Ketzer, weil ich die Wesensgleichheit der Dreifaltigkeit vertrete. Wenn ich mich immer und immer wieder für drei für sich bestehende, wirkliche, unversehrte und vollkommene Personen einsetze, dann stempelt man mich zum Anhänger der Irrlehre des Sabellius. Wenn mir die Arianer solche Vorwürfe machen, dann ist dies verständlich. Wenn mich aber die Rechtgläubigen wegen dieser meiner Auffassung angreifen, dann haben sie 110
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aufgehört, rechtgläubig zu sein. Oder sie müssen mich, wenn sie es durchaus wollen, zusammen mit dem gesamten Abendlande und mit Ägypten, also auch mit Damasus und Petrus [dem Bischof von Alexandria], zum Häretiker machen.“15 Sabellius hatte im frühen 3. Jahrhundert eine Trinitätslehre entwickelt, die als „modalistischer Monarchianismus“ bezeichnet wird.16 Gemeint ist damit, dass der eine und unteilbare christliche Gott in drei zeitlich aufeinanderfolgenden Erscheinungsformen – als Schöpfer, Erlöser und zuletzt unter den Menschen präsenter Heiliger Geist – aufgetreten sei. Damit wahrte Sabellius den Monotheismus als zentrales christliches Dogma, doch fehlte in seiner Lehre die Betonung der eigenständigen Natur Christi. Wenn Hieronymus zu seiner Verteidigung das nikänische Bekenntnis von der Wesensgleichheit der drei göttlichen Naturen anführte, gab es inhaltlich keine Berührung mit dem Sabellianismus, aber doch wieder das Problem der Begriffe. Denn auch die Theologie des Sabellius sprach, ähnlich wie die der Eustathianer, von den drei Prosopoi (personae) und der einen Hypostase; verwendet wurde auch der Begriff huiopator („Sohnvater“). Es bedurfte jeweils der genauen Erläuterung, wie man die Begriffe verstehen wollte, um die Differenzen deutlich zu machen, aber es war kaum zu erwarten, dass die streitenden Parteien sich in ihrer Polemik noch der Mühe solcher Klärungen unterzogen. Ohne dass er ein entsprechendes Schreiben aus Rom vorlegen konnte, berief sich Hieronymus gegenüber Marcus doch auf sein Einverständnis mit Damasus, dem Bischof von Rom, sowie mit Petrus von Alexandria. In seinem Brief an Marcus beteuert Hieronymus, auch den Mönchen gegenüber mehrfach seinen Trinitätsglauben bekannt zu haben, doch seien seine Gegner nicht zufriedenzustellen. Letztlich wollten sie nur, dass er die Wüste verlasse. Und nicht nur er selbst, sondern auch mit ihm befreundete Mönche hielten dem Druck nicht mehr stand; einige hätten die Wüste bereits verlassen, andere seien im Begriff, dies zu tun.17
Wieder in Antiochia Wahrscheinlich kehrte Hieronymus im Frühjahr 379 nach Antiochia zurück, körperlich erschöpft und zudem verärgert über die bedrängenden Nachfragen nach den dogmatischen Details des eigenen Glaubens. 111
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In der Wüste hatte er vieles erlebt: asketische Übungen, theologische Studien und dogmatische Kontroversen. Ob er sich durch die Askese inzwischen gereinigt fühlte, sagt er nicht. Aber es fällt doch auf, dass in den Briefen, die er nun schreibt, seltener als zuvor von den jugendlichen Sünden die Rede ist, die den Weg zu Gott verstellt hatten.18 Dieses Motiv verwendet Hieronymus nur noch dort, wo es der moralischen Belehrung anderer dient wie etwa im Schreiben an Eustochium. Wenn er sich aber auch in seinem mönchischen Selbstverständnis gestärkt fühlte, so war doch unklar, wie es weitergehen sollte. Die Wüste konnte nach den Streitereien, die er gerade überstanden hatte, keine Option mehr für die Zukunft sein, und auch ein Leben in der Enge des Klosters, der Autorität eines Abtes unterstellt und streitsüchtigen Mitbrüdern ausgeliefert, dürfte Hieronymus zu dieser Zeit nicht erstrebenswert erschienen sein. Eine klerikale Laufbahn war sicher auch möglich, führte aber, zumal im griechischen Osten, unweigerlich in die Kontroversen zwischen den verschiedenen Kirchenparteien. Einen ersten Schritt in diese Richtung ist Hieronymus in Antiochia gegangen, wo er sich nun unmissverständlich den Eustathianern anschloss: Er ließ sich von Paulinus zum Presbyter weihen.19 Vermutlich fand er auch seine Unterkunft wieder im Haus des Euagrius. Die immer wieder neu zu stellende Frage, von welchen Mitteln Hieronymus eigentlich lebte und ob er Gelder aus Stridon bezog, lässt sich weder für die Jahre in der Wüste noch für den zweiten Aufenthalt in Antiochia beantworten.20 Die Behauptung im Brief an den Presbyter Markus, er erwerbe sich seinen „täglichen Lebensunterhalt im Schweiße meines Angesichts durch meiner Hände Arbeit“,21 ist apologetisch; Hieronymus will damit klarstellen, dass er in Glaubensfragen unbestechlich sei. Seine alltägliche Lebenssituation in der Wüste von Chalkis ist damit sicher nicht ganz richtig beschrieben, denn die Handarbeit verträgt sich kaum mit der Schriftstellerei und dem Aufbau der eigenen Bibliothek. Hier lag eine andere Option für die Zukunft: Sich weiterhin einen Namen als christlicher Schriftsteller zu machen, wie er dies mit seiner Erzählung über das Martyrium der Christin von Vercelli und mit seiner „Vita Pauli“ so erfolgreich begonnen hatte, entsprach der eigenen Begabung und Ausbildung. Und es konnte zu höherer Tätigkeit im Umfeld von Bischöfen qualifizieren, denen die theologischen und rhetorischen Kenntnisse des Hieronymus nützlich sein konnten. Tatsächlich sollte Hieronymus alsbald am Konzil von 112
Wieder in Antiochia
Konstantinopel teilnehmen, um sich für Paulinus einzusetzen, und wenig später zum Ratgeber des Damasus in Rom werden. Ohne klare Positionierungen auf dem breiten Feld der dogmatischen Auseinandersetzungen war eine solche Stellung aber kaum denkbar. Fromme Legenden und Heiligenviten mochten den Leser unterhalten und erfreuen, aber die Messlatte für einen ernst zu nehmenden christlichen Autor lag höher. Vielleicht hat Hieronymus solche Überlegungen angestellt, bevor er sich in Antiochia daranmachte, eine Schrift zu verfassen, die gleichermaßen seine literarischen wie theologisch-dogmatischen Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte. Die mit Lokalkolorit von Antiochia gefärbte Schrift mit dem Titel „Dialog gegen die Luciferaner“ gibt vor, ein Streitgespräch wiederzugeben, das zwischen einem orthodoxen Christen und einem Anhänger der Lehre des Lucifer von Calaris (heute Cagliari) geführt worden sein soll.22 Während der Luciferaner den Namen Helladius trägt, heißt sein Diskussionsgegner einfach „Orthodoxus“, er ist das alter ego des Hieronymus. Die öffentliche Auseinandersetzung soll sich über zwei Tage hingezogen haben; am Abend des ersten Tages habe man sich vertagt, als es dunkel wurde und die Straßenlaternen angezündet wurden. Am nächsten Morgen sei die Diskussion dann in einer ruhig gelegenen Säulenhalle weitergegangen. Hieronymus behandelt in dieser mit polemischen Ausfällen gespickten Schrift die grundsätzliche Frage, wie mit arianischen Christen zu verfahren sei, die zum orthodoxen Bekenntnis übertreten wollten. Konnten sie aufgenommen werden, ohne dass ihre Taufe wiederholt werden musste? Blieb das Taufsakrament, das von arianischen Bischöfen gespendet worden war, also gültig? Und war eine Aufnahme auch von Klerikern und sogar von Bischöfen möglich, wenn diese ihre Stellung und Funktion beibehalten wollten? Diese Fragen waren relevant bei jedem Versuch, Gemeinden wieder zu vereinen, die wie in Antiochia in ein orthodoxes und ein arianisches Lager zerfallen waren. Sollte Orthodoxus-Hieronymus gute Gründe anführen können, warum eine Aufnahme von Arianern ohne größere Auflagen möglich sei, dann konnte Paulinus möglicherweise seinen Anhang vergrößern und seine Position im ‚innerorthodoxen‘ Kirchenstreit gegenüber den Meletianern verbessern. Einer pragmatischen Lösung, jeden Arianer, also auch die Kleriker, in die orthodoxe Gemeinde aufzunehmen, stand die rigorosere Haltung 113
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derjenigen entgegen, die es den Ketzern nicht so einfach machen wollten. Sie beriefen sich auf Lucifer, den um 371 verstorbenen Bischof von Calaris (Cagliari auf Sardinien), der zu den schärfsten Gegnern der arianischen Lehre gehört und seine harte Haltung wie viele seiner Mitstreiter mit jahrelangem Exil bezahlt hatte. Arianer waren für Lucifer und seine Anhänger Ketzer und als solche mit Heiden gleichzusetzen.23 Konsequenterweise hätten die Luciferaner die Taufe eines arianischen Christen nicht anerkennen dürfen, doch waren sie auf der Ebene der Laien kompromissbereit. Diese sollten mit einem Bußakt zur orthodoxen Kirche übertreten können, Kleriker dagegen sollten ihrer Ämter verlustig gehen.24 Eigentlich wäre von Paulinus zu erwarten gewesen, dass er sich auf dieser Linie der Luciferaner bewegte, war er doch 362 von Lucifer zum Bischof von Antiochia geweiht worden.25 Gerade diese Verbindung legt es nahe, dass Hieronymus mit seinem Dialog nun im Auftrag oder zumindest im Sinne des Paulinus ein versöhnliches Signal auszusenden versuchte.26 Die Schrift, mit der sich Hieronymus eindeutig zum Problem positionierte und die vielleicht als Angebot an die Arianer Antiochias gemeint war, zerfällt in zwei Teile. Im ersten, dem eigentlichen Dialog, gelingt es „Orthodoxus“ mehrfach, die Argumentation seines Gegners als inkonsequent und fehlerhaft darzustellen und ihn am Ende zum Eingeständnis der eigenen Niederlage zu zwingen. Das Ergebnis des Streitgesprächs lautet: Da an der Gültigkeit der Taufe festzuhalten ist, die arianische Christen empfangen haben, muss man auch die Priesterwürde ihrer Bischöfe akzeptieren, wenn diese zur Orthodoxie übertreten wollen. Der zweite Teil (Kap. 16 ff.) erfüllt dann die Bitte des Unterlegenen, genauere Belehrung über die orthodoxe Sicht auf Buße, Taufe und den Heiligen Geist zu erhalten. Hieronymus präsentiert sich in diesem Teil seiner Schrift als Experte in der jüngeren Kirchengeschichte, der seinem Gegenspieler, der nun zu seinem Schüler geworden ist, Schritt für Schritt erläutert, warum es zu den häretischen Abweichungen vom nikänischen Bekenntnis gekommen ist.27 Er attackiert nicht nur einzelne Bischöfe als Verräter am rechten Glauben, sondern auch den arianischen Kaiser Constantius II. als „Ungeheuer“.28 Und er erklärt, dass eine innere Befriedung der Kirche nach dem Tod dieses Kaisers nur möglich geworden sei, weil man sich von orthodoxer Seite aus den Häretikern gegenüber nachgiebig und tolerant gezeigt habe. Das ent114
In Konstantinopel
spräche auch der Idee der Kirche, die man wie die Arche Noah zu verstehen habe: Hier fänden alle ihren Platz. Immer wieder habe sich die Kirche richtigerweise dazu bereitgefunden, bußbereite Häretiker aufzunehmen. Es sei nicht ihre Aufgabe, Gericht über sie zu halten; das sei Gott vorbehalten. So steht der inhaltliche Sieg, den „Orthodoxus“ über den Luciferaner errungen hat, für eine versöhnende Kirche. Hieronymus schöpft auf vielfältige Weise aus den Schriften älterer Kirchenväter und vertritt mit seinem gegen die Wiedertaufe gerichteten Konzept der Reintegration bußbereiter Häretiker die Position, die sich in der Kirche seit Cyprian (200–258) durchgesetzt hatte. Und doch: Kennt man die rigorose Haltung, die Hieronymus später in moraltheologischen Fragen eingenommen hat, erscheint seine hier vertretene vermittelnde Position überraschend. Eindeutig orthodox und zugleich integrierend zu sein, konnte nicht nur als erfolgversprechende Strategie für den Kirchenkonflikt in Antiochia verstanden werden, sondern auch als Werbung in eigener Sache vor dem Kaiser in Konstantinopel und vor dem dorthin einberufenen Konzil. Da sich das Schisma in Antiochia nicht vor Ort beseitigen ließ, gehörte es zu den Punkten, die in der Hauptstadt des Ostens geklärt werden sollten.
In Konstantinopel In der Forschung wurden unterschiedliche Ansichten vertreten, warum Hieronymus nach Konstantinopel gereist ist. Eigene Aussagen des Kirchenvaters zu dieser Frage liegen nicht vor, wie überhaupt Briefe aus den Jahren um 380 nicht erhalten sind. Otto Zöckler, Georg Grützmacher und Ferdinand Cavallera haben Hieronymus’ Interesse für die theologische Wissenschaft in den Vordergrund gestellt und gemeint, er habe in erster Linie Gregor von Nazianz (330–390), den neuen Bischof von Konstantinopel, kennenlernen wollen. Gregor hatte sich längst einen Namen als Exeget gemacht; auch könnte seine vermittelnde und tendenziell agnostische Haltung gegenüber dem Trinitätsproblem für Hieronymus anziehend gewirkt haben.29 Die Vermutung, es sei Hieronymus um den Kontakt zu Gregor von Nazianz gegangen, kann sich auf einige Stellen in seinen Schriften stützen, in denen er Gregor als seinen Lehrer in der Exegese bezeichnet.30 Und über Gregor wurde Hieronymus in Konstantinopel auch mit dessen Freund Gregor von Nyssa (335–395) bekannt sowie mit Amphilochius 115
4 In den Hauptstädten
(340–395), dem Bischof von Iconium, beide ebenfalls Vertreter der nikänischen Orthodoxie.31 Über ein solches Netzwerk verfügen zu können, schuf Rückhalt und Perspektiven über die theologische Fachwissenschaft hinaus. Hieronymus hat also in Konstantinopel die Möglichkeiten genutzt, die sich ihm für Kontakte zum Klerus und zu hohen Amtsträgern boten.32 Im Hinblick auf die Kirchenpolitik des Ostens war Hieronymus nach seiner Rückkehr nach Antiochia zunächst hier und anschließend in Konstantinopel Zeuge verwickelter Vorgänge. Sie waren das Ergebnis des Richtungswechsels, der mit dem Tod des Kaisers Valens 378 eingetreten war. Hatten die Kaiser, die über den Ostteil des Reiches herrschten, seit Jahrzehnten den Arianismus begünstigt, so erließ Gratian, der nach Valens’ Tod zunächst allein die Herrschaft in den Händen hielt, ein Edikt, das allen verbannten nikänischen Bischöfen die Rückkehr in ihre Städte erlaubte.33 Zu ihnen gehörte auch Meletius, der nun in Antiochia damit begann, seinen Führungsanspruch durchzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, war er sogar zu einer Abstimmung mit Paulinus bereit. Die beiden Kontrahenten einigten sich darauf, sich gegenseitig in ihrer Stellung anzuerkennen; sobald einer von ihnen das Zeitliche segnen würde, sollte der andere als alleiniger Bischof die wiedervereinigte Gemeinde leiten.34 Während dieser Kompromiss die Situation in der Stadt beruhigte, stärkte Meletius darüber hinaus seine Position durch eine Synode, die er im Herbst des Jahres 379 in Antiochia durchführte. Indem diese Versammlung, an der einhundertzweiundfünfzig Bischöfe teilgenommen haben sollen, das nikänische Glaubensbekenntnis bekräftigte, wurde ein Signal nach Rom gesandt, mit dem Damasus möglicherweise veranlasst werden konnte, seine Unterstützung für Paulinus aufzugeben. Zudem wurde bereits in Antiochia die Linie vorbereitet, auf der sich wenig später das zweite ökumenische Konzil in Konstantinopel bewegen sollte.35 Die nikänische Partei hatte inzwischen einen noch stärkeren politischen Rückhalt gewonnen, da der von Gratian zur Mitherrschaft berufene Theodosius I. (379–395), ein erfolgreicher General hispanischer Herkunft, ein überzeugter Christ nikänischer Ausrichtung war. Dass der Kaiser Theodosius das orthodoxe Christentum fördern würde, wurde mit seinem Glaubensedikt vom 28. Februar 380 deutlich. Und gegen Ende des Jahres 380 wurde bekannt, dass Theodosius I. ein Konzil nach Konstantinopel einberufen wollte. Hier war dringend die 116
In Konstantinopel
Frage zu klären, mit wem der in der Hauptstadt vakante Bischofsthron neu besetzt werden sollte. Aber auch Fragen des Dogmas und das antiochenische Schisma sollten Verhandlungsgegenstände des neuen Konzils werden.36 In Konstantinopel konnte sich Gregor von Nazianz Hoffnung darauf machen, die Unterstützung des Kaisers und des Konzils zu gewinnen. Er war von den nikänischen Christen der Stadt, die den Arianern gegenüber in der Minderheit waren, im Frühjahr 379 in die Stadt gerufen worden, um als Prediger in der Anastasiakirche zu wirken. Er befand sich aber bald nicht nur in Konkurrenz zu Demophilus, dem Bischof der arianischen Gemeinde, sondern auch zu einem orthodoxen Bischof namens Maximus, der durch eine Intrige des Bischofs Petrus von Alexandria im Frühjahr 380 die Weihe empfangen hatte. Nachdem Theodosius I. im November 380 in Konstantinopel eingezogen war, wurde der arianische Bischof Demophilus umgehend aus seinem Amt entfernt. Die Arianer mussten alle Kirchen in der Stadt, die sie bislang genutzt hatten, aufgeben; den Gottesdienst durften sie nur noch außerhalb von Konstantinopel feiern. Diese Maßnahmen führten zwar zu heftigen Protesten auf den Straßen der Stadt, doch ließ sich Theodosius davon nicht beeindrucken.37 Gewiss haben Paulinus und Hieronymus über die kirchenpolitischen Optionen, die sich mit dem Herrschaftsantritt Theodosius’ I. ergaben, genau nachgedacht. Die Stärkung der nikänischen Orthodoxie war in ihrem Sinne. Aber gab es noch eine Chance, sich gegenüber Meletius behaupten zu können? Wenn, dann nur mit der Unterstützung des Klerus von Konstantinopel und vor allem des Kaisers. Besonders zuversichtlich durfte man aber nicht sein, dafür hatte sich Meletius nicht zuletzt mit der Synode von 379 zu gut positioniert. Gleichwohl wird Hieronymus bereit gewesen sein, sich in Konstantinopel für Paulinus einzusetzen, und vermutlich war dies, wie Stefan Rebenich im Anschluss an Paul Antin deutlich gemacht hat, auch der eigentliche Grund für seine Reise an den Bosporus.38 Hieronymus traf hier auch rechtzeitig genug ein, um sich mit Gregor von Nazianz – also dem Lager der Kirche, das offenkundig mit den Sympathien des Kaisers rechnen konnte – zu verständigen und mit seiner Hilfe, soweit möglich, die Sache des Paulinus zu stärken. Tatsächlich sollte sich Gregor dann während des Konzils, nachdem er selbst zum Bischof von Konstantinopel erhoben worden war, für Paulinus einsetzen. 117
4 In den Hauptstädten
Zunächst aber war es Meletius, der am meisten von der neuen Religionspolitik profitierte. Kurz nachdem Theodosius in Konstantinopel eingetroffen war, war auch Meletius vor Ort. Er fand schnell Zugang zum Kaiser und konnte diesen dazu bewegen, vor allem solche Bischöfe zum Konzil einzuladen, von denen Meletius annehmen konnte, dass sie auf seiner Seite standen. Außerdem machte der Kaiser den Bischof zum Vorsitzenden des Konzils und verlieh ihm damit nicht nur ein noch stärkeres Renommee, sondern auch Entscheidungsbefugnisse, die für den Ablauf und die Verhandlungen des Konzils bedeutsam waren. Im Mai 381 trat die Versammlung, an der einhundertfünfzig Bischöfe teilnahmen, in der Irenenkirche zusammen.39 Die Wahl des Bischofs Maximus wurde für ungültig erklärt und Gregor zum neuen Bischof der Stadt gewählt. Noch bevor dann Beratungen über das Glaubensbekenntnis aufgenommen werden konnten, verstarb plötzlich Meletius. Die Leitung des Konzils lag daraufhin zunächst in den Händen Gregors. Doch drang er mit seinem Vorschlag, Paulinus zum Nachfolger des Meletius zu machen und so das innerorthodoxe Schisma in Antiochia zu beenden, nicht durch. Das mehrheitlich aus Anhängern des verstorbenen Bischofs bestehende Konzil sprach sich für den antiochenischen Presbyter Flavian aus, der über viele Jahre Meletius vertreten hatte, als dieser sich im Exil befand. Gregor war von dieser Entscheidung enttäuscht. Als ihm dann noch der Vorwurf gemacht wurde, mit der Übernahme des Bischofsamtes in Konstantinopel gegen eine Bestimmung des Konzils von Nikäa verstoßen zu haben, trat er von seinem Amt und von der Konzilsleitung zurück. In Nikäa war festgelegt worden, dass kein Bischof seine Gemeinde verlassen dürfte, um ein anderes Bistum zu übernehmen. Da Gregor Jahre zuvor zum Bischof seiner Heimatgemeinde Sasima gemacht worden war, schien er gegen diesen Kanon verstoßen zu haben, als er das Bistum von Konstantinopel übernahm. Gregor konnte zwar darauf verweisen, sein Amt in Sasima niemals angetreten zu haben, doch nahmen seine Gegner in den Machtkämpfen des Konzils auf solche Details keine Rücksicht.40 Hieronymus tritt in den Quellen, die zum Konzil von Konstantinopel vorliegen, nicht in Erscheinung. Er war ein Mann der zweiten Reihe, denn als einfacher Priester konnte er in die Verhandlungen nicht persönlich eingreifen. Sein Anliegen, Paulinus’ Stellung in Antiochia zu 118
In Konstantinopel
verbessern, konnte er nur aus dem Hintergrund verfolgen, doch der entsprechende Vorschlag Gregors lässt vermuten, dass Hieronymus durchaus etwas hatte bewirken können. Letztlich aber war er erfolglos, und so blieb nach dem Konzil nur noch die Hoffnung, dass Damasus seine Unterstützung weiterhin Paulinus zukommen lassen würde. Zwar war die Führungsstellung des Bischofs von Rom in einem der Beschlüsse des Konzils festgeschrieben worden, doch konnte Damasus gleichwohl mit dem Verlauf und den Entscheidungen der Versammlung in Konstantinopel nicht zufrieden sein. Zunächst war die Wahl Gregors gegen seinen Willen erfolgt. Damasus hatte schon vor Beginn des Konzils auf die nikänische Bestimmung hingewiesen, die Gregors Wechsel nach Konstantinopel entgegenstand, war damit aber nicht durchgedrungen. Dass dann nach Gregors Rücktritt mit Nectarius ein kaiserlicher Beamter auf den Bischofsthron von Konstantinopel gehoben wurde, war auch nicht viel besser, denn Nectarius hatte bis dahin keine kirchliche Stellung innegehabt. Und auch die Entscheidung für Flavian entsprach nicht den Wünschen der Westkirche.41 Es war also nur die Frage, wie weit sich Damasus in die Angelegenheiten der Kirche des Ostens einmischen und dabei gegebenenfalls auch auf Konfrontationskurs gegen Theodosius I. gehen wollte. Wenn sich Damasus für Paulinus aussprechen würde, wäre dessen Stellung auf jeden Fall gefestigt worden; der Bischof von Rom hätte dann allerdings offen gegen eine Entscheidung des Konzils votiert, die mit Billigung des Kaisers getroffen worden war. Immerhin mochte die Tatsache, dass sich Paulinus und Meletius auf eine Nachfolgeregelung geeinigt hatten, die vom Konzil nicht beachtet worden war, als Argument zugunsten des Paulinus gelten. Vielleicht war von Rom also doch noch etwas zu erwarten. Es dauerte auch nicht lange, bis sich in Italien Widerstand gegen die Konzilsbeschlüsse von Konstantinopel regte. Als Erster reagierte Ambrosius, der Bischof von Mailand. Er berief eine Synode nach Aquileia, die noch 381 stattfand und sich gegen die in Konstantinopel getroffenen Entscheidungen aussprach, und es gelang ihm zudem, den Westkaiser Gratian dazu zu bewegen, zu einer weiteren großen Versammlung nach Rom einzuladen. An diesem Treffen sollten auch die Bischöfe des Ostens teilnehmen, doch erschien nur eine kleine Gruppe von drei Abgesandten, die zudem ein Schreiben mitbrachten, mit dem die Beschlüsse von Konstantinopel für nicht revidierbar erklärt wurden. Obwohl sich beide Kaiser – Gratian 119
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und Theodosius I. – als orthodox verstanden, waren sie nicht in der Lage, ‚ihre‘ Kirche vor Spannungen zu bewahren, die einem reichsweiten Schisma sehr nahekamen.42 Dass Hieronymus nach dem Konzil von Konstantinopel gemeinsam mit zwei Bischöfen – mit Paulinus und Epiphanius von Salamis – nach Rom reiste, belegt seine nicht unbedeutende Stellung im Umkreis des Paulinus. Darüber hinaus wird aus späteren Briefen des Hieronymus deutlich, dass er bereits in Konstantinopel, ähnlich wie ihm dies wenig später auch in Rom gelingen sollte, Kontakt zu einflussreichen Amtsträgern und Zugang zu ihren Familien gefunden hatte. Dabei wird nicht nur sein Engagement in kirchenpolitischen Fragen und seine klare Positionierung im Lager der orthodoxen Christen eine Rolle gespielt haben, sondern sicher auch sein Ruf als Asket und Schriftsteller. Wie erfolgreich Hieronymus mit dem Aufbau eines Netzwerkes in Konstantinopel gewesen ist, lässt sich aus einigen seiner Briefe und Widmungen erschließen. Etwa zwanzig Jahre nach seinem Aufenthalt am Bosporus, also um 400, schrieb er von Bethlehem aus an Salvina, um sie über den Verlust ihres Ehemanns zu trösten und zur dauerhaften Witwenschaft zu ermahnen. Salvina war die Tochter des Gildo, eines mauretanischen Prinzen, der ab 386 als Kommandeur der in Nordafrika befindlichen Truppen Theodosius’ I. gedient hatte. Als es nach Theodosius’ Tod 395 zu Spannungen zwischen seinen Söhnen Honorius und Arcadius gekommen war, hatte Gildo die Gelegenheit genutzt, sich aus der weströmischen Suprematie zu lösen, indem er sich nun auf die Seite des in Konstantinopel residierenden Arcadius stellte. Vom eigenen Bruder, der in den Diensten des Honorius stand, bekämpft und besiegt, machte Gildo 398 seinem Leben ein Ende. Seine Tochter Salvina war damals seit etlichen Jahren mit Nebridius verheiratet, einem Neffen der Aelia Flacilla, der Ehefrau des Kaisers Theodosius. Die um 393 geschlossene Ehe war Ausdruck der kaiserlichen Bündnispolitik. Theodosius wird gehofft haben, dass ihm Gildo, mit dem er nun verwandtschaftlich verbunden war, die Treue halten würde. Hieronymus’ Brief ist wieder einmal nicht nur an die Adressatin, sondern zugleich an ein größeres Publikum gerichtet.43 Einleitend erläutert er die Gründe, die ihn zur Abfassung veranlasst haben, obwohl er doch Salvina persönlich gar nicht begegnet sei. Sie sei für ihn eine Unbekannte, die aber durch den Ruf ihrer Keuschheit empfohlen werde.44 Dagegen sei ihm Salvinas Schwiegervater ein guter Freund gewesen. 120
In Konstantinopel
Wenngleich Hieronymus den Namen seines früheren Freundes nicht ausdrücklich nennt, muss es sich bei diesem Mann um den älteren Nebridius handeln, der in den achtziger Jahren des 4. Jahrhunderts hohe Ämter in der oströmischen Verwaltung bekleidete.45 Von 382 bis 384 war er für das Krongut des Kaisers Theodosius I. zuständig gewesen, und 386 hatte er mit der Stadtpräfektur von Konstantinopel seine Karriere krönen können, bevor er noch in diesem Jahr verstarb. Allem Anschein nach stammte der ältere Nebridius aus Hispanien und war mit Theodosius in den Osten des Reiches gekommen.46 Hieronymus kann mit ihm nur in Konstantinopel zusammengetroffen sein. Hier soll sich Hieronymus zufolge eine enge Freundschaft entwickelt haben, spricht er in seinem Brief doch von einer „innigen Vertrautheit“. Der jüngere Nebridius dürfte um 375 geboren sein, denn Hieronymus berichtet über ihn, er sei gemeinsam mit den Prinzen Arcadius und Honorius am Hof erzogen worden.47 Der ältere Nebridius gehörte also zur engsten Umgebung des Kaisers und man darf annehmen, dass Hieronymus versucht hat, seinen neuen Patron zur Unterstützung des Paulinus zu bewegen. Über Nebridius und über die Kleriker, mit denen er in Konstantinopel verkehrte, wird Hieronymus noch weitere Amtsträger aus dem Umfeld des Theodosius kennengelernt haben. Sichere Belege dafür fehlen zwar, doch ist zu vermuten, dass Hieronymus während seines Aufenthalts in der östlichen Hauptstadt mit dem ebenfalls aus Hispanien stammenden Nummius Aemilianus Dexter zusammentraf. Denn Hieronymus widmete ihm seine in den frühen neunziger Jahren des 4. Jahrhunderts entstandene Schrift „Über die berühmten Männer“ und nennt ihn dabei seinen „Freund“. Dexter, der 395 als Präfekt Italiens eine hohe Stellung bekleidete, hatte sich in den achtziger Jahren im Osten aufgehalten.48 So wird die „Freundschaft“ zwischen Dexter und Hieronymus vermutlich nicht auf brieflichen Kontakten, sondern auf einer persönlichen Bekanntschaft beruht haben, die in Konstantinopel geknüpft worden sein könnte.49 Nach dem Tod des Meletius dürften neben Gregor von Nazianz also noch weitere gewichtige Fürsprecher am Hof von Konstantinopel für Paulinus eingetreten sein. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein interessanter Befund zur Kirchenpolitik des Theodosius. Da die Entscheidung des Konzils zugunsten des Flavian nicht ohne Zustimmung des Kaisers gefallen sein wird, hat er sich offensichtlich nicht nur gegen die Position des Bischofs von Rom entschieden. Er hat sich darü121
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ber hinaus auch von ihm nahestehenden Personen wie Nebridius oder Dexter nicht zugunsten des Paulinus beeinflussen lassen. Das spricht dafür, dass für Theodosius die meletianische Mehrheitsmeinung des Konzils die entscheidende Richtschnur darstellte.50
Die „Chronik“ Wenn auch umstritten ist, ob die „Vita Pauli“ während seines Aufenthalts in der Wüste von Chalkis und die Übersetzung der Chronik des Euseb während des zweiten Aufenthalts in Antiochia oder erst in Konstantinopel entstanden sind,51 hat Hieronymus jedenfalls konsequent seine Arbeit als Autor und Übersetzer fortgesetzt. Der große Erfolg seiner „Vita Pauli“ muss ihn in der Annahme bestärkt haben, sich als christlicher Schriftsteller einen Namen machen zu können, und zudem verschaffte ihm seine Mehrsprachigkeit und die sich daraus ergebende Fähigkeit zur Vermittlung der griechischen Texte an ein lateinsprachiges Publikum beinahe ein ‚Alleinstellungsmerkmal‘. Nur wenige Zeitgenossen, darunter auch Rufin, konnten auf diesem Feld mit Hieronymus konkurrieren.52 Hieronymus übersetzte also zahlreiche Predigten des Origenes und die Chronik des Euseb in die lateinische Sprache, wobei er Letztere mit einer Fortsetzung für die Jahre von 326 bis 378 ergänzte.53 In Konstantinopel, in der Griechisch die Umgangs- und Kirchensprache war, Schriften in lateinischer Sprache vorzulegen, bedeutete, dass sich Hieronymus an die Elite der östlichen Reichshälfte wandte, die aus den Mitgliedern senatorischer Familien, hohen Amtsträgern und Militärs sowie Angehörigen des Palastes bestand. Einige der führenden Familien waren aus dem Westen nach Konstantinopel übergesiedelt, und am Hof wie in der Armee wurde Latein noch bis in die Zeit Justinians als die eigentliche Reichssprache genutzt. In einem an Vincentius, einen Presbyter in der östlichen Hauptstadt, gerichteten Brief erläutert Hieronymus die schwierigen Umstände, unter denen er seiner Bitte nachgekommen sei, Predigten des Origenes ins Lateinische zu übersetzen.54 Die „große Aufgabe“, den Mann, den Didymus der Blinde als größte Autorität nach den Aposteln bezeichnet habe, „römischen Ohren“ verständlich zu machen, sei ihm, Hieronymus, nicht nur durch eine Erkrankung seiner Augen, sondern auch durch den Mangel an Mitteln erschwert worden, mit denen er die Schreiber hätte bezahlen können. Gleichwohl habe er seiner Übersetzung von vierzehn 122
Die „Chronik“
Predigten des Origines zu Jeremias nun weitere vierzehn zu Ezechiel folgen lassen können, doch weitere Übersetzungen seien nur möglich, wenn ihm Vincentius Unterstützung gewähre. Die Klage über Geldmangel, die Hieronymus hier anstimmt, steht vielleicht im Zusammenhang mit der inzwischen erfolgten Zerstörung Stridons. Selbst wenn Hieronymus in den ersten Jahren seines Aufenthalts im Osten noch Gelder von seinen Eltern erhalten haben sollte, waren solche Zuweisungen nach dem Plünderungszug der Goten sicher nicht mehr möglich.55 In seinem Brief an Vincentius gibt Hieronymus zu erkennen, dass er eine Gesamtübersetzung der Schriften des Origenes im Sinn hatte. Nur Teile davon hat er tatsächlich ausgeführt, was auch darin begründet lag, dass seine anfangs uneingeschränkte Verehrung des großen Theologen Schaden nahm, als dessen Ansichten in den neunziger Jahren unter Häresieverdacht gerieten. In den frühen achtziger Jahren dagegen stand Origenes’ Rang als theologischer Gelehrter noch außer Frage, wie auch aus den Einträgen in der Chronik des Euseb zu den Jahren 208 und 230 hervorgeht: Hieronymus hat an den lobenden Erwähnungen Eusebs festgehalten.56 Auch für seine Über- und Fortsetzung der Chronik Eusebs konnte Hieronymus auf ein großes Interesse der gebildeten Kreise in Konstantinopel rechnen. Eusebs Innovation, das Genre der Chronik für die Kirchengeschichte nutzbar zu machen, wurde nun auch für diejenigen Leser zugänglich, die sich eher in der lateinischen als der griechischen Sprache zu Hause fühlten. Und eine Chronik zu schreiben oder zu lesen, hieß nicht nur, ein Gerüst an Daten zu gewinnen, mit denen sich die Welt- und Heilsgeschichte nachvollziehen ließ, sondern auch Position zu zahlreichen innerkirchlichen Fragen früherer oder gegenwärtiger Zeit zu beziehen. Hieronymus hat es außerdem verstanden, seinen Teil der Chronik mit etlichen Nachrichten aufzufüllen, die gewissermaßen in die Rubrik ‚Verschiedenes‘ gehören und nicht nur der Belehrung, sondern auch der Unterhaltung seiner Leser dienen sollten, Nachrichten aus der Reichs- und aus der Literatur- und Naturgeschichte.57 Nicht weniger geschickt war der zeitliche Abschluss der Chronik mit dem Tod, den der arianische Kaiser Valens 378 in der Schlacht von Adrianopel gefunden hatte. Damit wählte Hieronymus einen düsteren Schlusspunkt, der zugleich als Ausrufungszeichen orthodoxer Rechtgläubigkeit gemeint war: So schlimm es dem Reich unter einem häretischen Kaiser ergangen war, so sehr war auf eine 123
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Wendung unter der Herrschaft des frommen Theodosius zu hoffen. Theodosius und seinen westlichen Kollegen Gratian wolle er, so erklärt Hieronymus am Ende seines Vorworts, später gesondert behandeln, sofern die drohende Barbarengefahr dies noch zulasse.58 Die Schwerpunkte, die Hieronymus in seiner Chronik setzt, erlauben Rückschlüsse nicht nur auf sein Geschichtsbild, sondern auch auf die Positionen, die er in den zeitgenössischen Auseinandersetzungen um Religion und Bildung für richtig hielt. Indem Hieronymus gleich mit den ersten Sätzen seines Vorworts, das an Vincentius und Gallienus gerichtet ist, auf Cicero und dessen Übersetzungstätigkeit zu sprechen kam, stellte er sich selbst in die lange Tradition der Vermittlung griechischer Bildung, die mit Cicero einen Höhepunkt erreicht, aber schon früher mit den ersten lateinischen Homer-Übersetzungen, an die im Vorwort ebenfalls, wenn auch nur indirekt erinnert wird, eingesetzt hatte. Der Verweis auf Cicero erscheint zunächst als einfache captatio benevolentiae: Wenn schon dieser Meister der Sprache bei manchen seiner Übersetzungen den rechten Elan verloren habe, dürfe man auch an Hieronymus’ Übersetzung nicht allzu beckmesserisch herantreten. Zugleich ist eine solche Aussage aber auch ein Plädoyer dafür, sich als Christ auf dem höchsten Niveau der Bildung zu bewegen. Die Chronik zu übersetzen, so Hieronymus weiter, sei vor allem eine philologische Herausforderung, wie sie christlichen Gelehrten auch begegne, wenn sie sich mit den Heiligen Schriften auseinandersetzten. An den lateinischen Bibeln sei deutlich zu erkennen, welche Verluste an sprachlicher Ausdruckskraft mit einer Übersetzung verbunden sein könnten. Was im hebräischen Original schönste Poesie und auch in der griechischen Fassung noch gut lesbar sei, habe zuletzt in den lateinischen Übersetzungen allen sprachlichen Reiz verloren. Sowohl der Hinweis auf Cicero als auch die Betonung literarischer Qualitäten zeigt, dass Hieronymus hier den Konflikt zwischen Glauben und Bildung kompromissbereit handhabt, ganz anders als im Brief an Eustochium einige Jahre später. Und zu dieser Haltung passt es gut, dass Hieronymus gleich seinen ersten eigenen Eintrag dem nordafrikanischen Rhetor Arnobius gewidmet hat. Für den Maßstab der Chronik ist der Abschnitt recht ausführlich; er schildert, wie Arnobius, der lange Zeit ein Gegner des Christentums war, durch Träume zum rechten Glauben geführt wurde, aber vom Bischof von Sicca erst in die Gemeinde aufgenommen wurde, nachdem er mit einer neuen, gegen die Heiden ge124
Die „Chronik“
richteten Schrift einen nachdrücklichen Beweis seines neuen Glaubens erbracht hatte.59 Was die zeitliche Einordnung des Eintrags anbelangt, so erscheint er falsch platziert. Da Arnobius seine Schrift um 300 verfasst hatte und bereits um 310 gestorben war,60 hätte Hieronymus den EusebText der Chronik an anderer Stelle ergänzen müssen. Er hat sich aber wohl bewusst einen Anachronismus erlaubt, um einen für seine eigene Person zentralen Punkt an den Anfang seiner eigenen Chronik zu stellen: So sehr ein gebildeter Christ auch in den Traditionen der heidnischen Bildung verhaftet sein mag, kann er doch nur durch christliche Schriftstellerei seinen wahren Glauben unter Beweis stellen.61 Sein Interesse für die Bildungsgeschichte führt Hieronymus dazu, in seine Chronik nicht nur etliche Nachrichten über christliche Autoren aufzunehmen, sondern auch heidnische Rhetoren und Philosophen zu benennen, die zu ihrer Zeit großes Ansehen genossen. So findet sich schon unter den ersten Einträgen der Hinweis auf den hispanischen Presbyter Iuvencus, der die Evangelien in Hexametern nachgedichtet hat,62 sowie auf den Philosophen Metrodorus,63 der vermutlich mit dem Gesandten identisch ist, den Konstantin nach Indien geschickt hatte.64 Neben Metrodorus stehen noch zwölf weitere Personen, die sich auf dem Feld der Bildung einen großen Namen erworben haben, darunter elf, die vermutlich oder sicher Heiden waren. Zum Teil verbindet Hieronymus ihre Namen einfach mit der Bemerkung, sie wären ihrer Leistungen wegen berühmt gewesen. Das gilt für die Rhetoren Pater und Nazarius in der Zeit Konstantins und für Nazarius’ Tochter, die ihrem Vater in der Redekunst gleichgekommen sei.65 Angeführt werden weiterhin der in Rom wirkende Redner Gennadius und der aus Bordeaux stammende, ebenfalls in Rom erfolgreiche Rhetor Minervius,66 dann der Rhetor Victorinus und der Grammatiker Donatus, den Hieronymus als seinen Lehrer bezeichnet,67 die in Bordeaux wirkenden Rhetoren Alcimus und Delfidius68 sowie mit Euanthius und seinem Nachfolger Chrestus zwei Grammatiker aus Konstantinopel.69 Ausführlich ist der Eintrag zu Prohairesius, der ebenfalls wie Victorinus infolge des Rhetorenedikts des Kaisers Julian (S. 45 f.) als Christ sein Lehramt, das er in Athen bekleidete, niedergelegt hatte, obwohl auch er von den neuen Bestimmungen der heidnischen Bildungspolitik freigestellt worden war.70 Und zuletzt folgt zum Jahr 368 noch der Hinweis auf Libanius und damit auf einen herausragenden heidnischen Rhetor, mit dem sich Antiochia schmücken konnte.71 125
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Aus diesen Einträgen wird deutlich, dass Hieronymus eine bildungsfreundliche Position auch heidnischen Gelehrten gegenüber einnimmt.72 Das konnte er umso leichter, als auch Euseb in seiner Chronik die großen Namen der antiken Geistesgeschichte angeführt hatte, Philosophen und Dichter der attischen Klassik ebenso wie der römisch-republikanischen und augusteischen Zeit.73 Anders als bei Euseb aber, in dessen Chronik die Kirche der vorkonstantinischen Zeit weitgehend als Einheit erscheint, die immer wieder Verfolgungen ausgesetzt war, verläuft in dem von Hieronymus verfassten Nachtrag die Konfliktlinie nicht zwischen Heiden und Christen, sondern innerhalb der Kirche, die durch Schismen und Häresien wie Donatismus und Arianismus zerrissen wird.74 Etliche Einträge sind Donatus, dem Namensgeber des Donatismus, und anderen Urhebern von Kirchenspaltungen gewidmet wie Macedonius, Apollinarius und Eunomius.75 Ihnen stehen zahlreiche orthodoxe Bischöfe und Mönche gegenüber, die auf dem Feld des rechten Glaubens ebenso Ruhm gewinnen konnten, wie dies bei den (heidnischen) Gelehrten durch Bildung möglich war. Der ausgezeichneten Gelehrsamkeit bei den einen entsprechen Rechtgläubigkeit und Glaubensstärke bei den anderen. Hieronymus nennt zahlreiche Bischöfe, die ihres orthodoxen Glaubens wegen in die Verbannung gehen mussten, und daneben gibt es Einträge zu berühmten (beziehungsweise durch die Chronik berühmt zu machenden) Mönchen wie Antonius oder zu dessen drei Schülern Sarmata, Amatas und Macarius76 und sogar zu Hieronymus’ Freunden Florentinus, Bonosus und Rufin.77 Und so, wie die Tochter des Nazarius ihrer Redekunst wegen in der Chronik angeführt wird, will Hieronymus auch die Erinnerung an Melania, die reiche und fromme Gönnerin seines Freundes Rufin, verewigen: Sie, die „edelste der römischen Frauen“, habe ihren Sohn in Rom zurückgelassen, um nach Jerusalem zu gehen, wo ihre christlichen Tugenden und vor allem ihre Selbsterniedrigung solches Aufsehen erregten, dass man ihr den neuen, ehrenvollen Namen Thekla (= Theokleia: „Ruhm Gottes“) gegeben habe.78 Hieronymus scheut sich auch nicht, die Chronik für Hinweise auf sein eigenes Wirken zu nutzen. Dass die in das Jahr 374 gesetzte Erwähnung der Kleriker in Aquileia, die wie ein „Kreis von Glückseligen“ erschienen seien, autobiographisch gefärbt ist, erschließt sich zwar nur bei näherer Kenntnis seines Lebenslaufes (S. 68). In seinem Eintrag zum Jahr 356, für das Hieronymus den Tod des Antonius im Alter 126
Die „Chronik“
von 105 Jahren vermerkt,79 spricht er dagegen ausdrücklich von sich selbst. Antonius, so heißt es hier, habe „den vielen zu ihm kommenden Besuchern von Paulus von Theben, einem Mann göttlicher Lebensart“, erzählt,80 und er selbst, Hieronymus, habe ein „kleines Buch“ über das Lebensende des Paulus verfasst.81 Da Hieronymus aus Antiochia kam und sich für den dortigen Bischof Paulinus einsetzen wollte, überrascht es nicht, dass er der Kirchengeschichte dieser Stadt besondere Aufmerksamkeit widmet. Unter den großen Städten des Reiches, deren Bischofsabfolge Hieronymus aufführt, steht Antiochia als ältestes Patriarchat noch vor Alexandria, Rom und dem Neuling Konstantinopel, und dies ohne Rücksicht auf die Chronologie. Vitalis wurde 314 als Nachfolger des Tyrannus zum zwanzigsten Bischof der Stadt, doch Hieronymus vermerkt dies zum Jahr 329. Wohl absichtlich vermittelt Hieronymus einen falschen Eindruck von der Situation in Antiochia, indem er der Abfolge orthodoxer Bischöfe, die von Vitalis (314–320) über Filogonius (320–325) und Paulinus von Tyrus (324–325) zu Eustathius (325–330) führt, eine Liste von zehn Männern folgen lässt, die allesamt Arianer und damit „eher Feinde Christi als Bischöfe“ gewesen seien. Unter diesen Bischöfen erscheint auch Meletius, der ganz sicher nicht dem Lager der Arianer zuzurechnen war. Vielmehr hat Hieronymus die Chronik dazu genutzt, um Stimmung gegen Meletius zu machen.82 Der Eintrag zu Antiochia ist auch deshalb irreführend, weil er das Nebeneinander von insgesamt vier Bischöfen – und damit auch die Rolle des Paulinus – gänzlich ausblendet. Und im weiteren Verlauf der Chronik wird noch eine Empfehlung für Paulinus ausgesprochen. Dies geschieht zum Jahr 362, zu dem Hieronymus anführt, damals seien Eusebius von Vercelli und Lucifer von Calaris aus dem Exil entlassen worden. Auf seiner Rückkehr habe Lucifer Paulinus, den Leiter der orthodoxen Kirche, zum Bischof der Stadt Antiochia geweiht. Paulinus seinerseits, ein Presbyter des Eustathius, der in dem ersten Eintrag zu Antiochia als letzter orthodoxer Bischof genannt wurde, habe sich „niemals durch eine Kommunion mit den Arianern beschmutzt“.83 Meletius dagegen, so ist kurz zuvor zum Jahr 360 zu lesen, sei durch die arianischen Bischöfe Acacius und Georgius von seinem Bischofssitz im armenischen Sebaste nach Antiochia geholt worden. Da Meletius dann aber orthodoxe Presbyter, die von seinem arianischen Vorgänger Eudoxius aus 127
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der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen worden waren, wieder aufgenommen habe, habe er sich nur kurz halten können, bevor er erneut in die Verbannung gehen musste.84 Liest man Hieronymus’ Einträge im Zusammenhang, so ergibt sich, dass Paulinus als der rechtmäßige Anwärter auf das orthodoxe Bistum in Antiochia gelten sollte. Dies folgt nicht nur aus der Beteiligung arianischer Bischöfe an der Weihe des Meletius, sondern auch aus dem Hinweis auf den vormaligen Bischofssitz dieses Mannes. Er hätte gerade während des Konzils von Konstantinopel seine Brisanz entfalten können, als Gregors Gegner ihm das Amt in der Hauptstadt streitig machen wollten, weil er zuvor Bischof von Sasima gewesen war (S. 118). Gregor hatte immerhin sein Amt in Sasima gar nicht angetreten, Meletius aber, der erst Bischof von Sebaste und dann von Antiochia geworden war, wurde in Konstantinopel sogar mit der Leitung des Konzils betraut. Einen letzten Schlag erteilt Hieronymus Meletius mit einem Eintrag zum Jahr 364: Von Meletius und seinen Anhängern sei in Antiochia eine Synode veranstaltet worden, die sich mit der Formulierung eines neuen Glaubensbekenntnisses sowohl vom nikänischen Glauben als auch von der arianischen Lehre distanziert habe, womit man in die Nähe der Häresie des Macedonius geraten sei. Hieronymus’ Bericht trifft indes nicht ganz zu. Das Konzil hatte gerade im Gegenteil den Begriff der „Wesensgleichkeit“ (homoousios) aufgegriffen, diesen allerdings mit der riskanten Erklärung versehen, dass damit „die Gleichheit im Hinblick auf die [göttliche] Substanz (homoios kat’ousian)“ gemeint sei.85 Sprachlich geriet man damit in die Nähe der Arianer, von der Sache her entsprach die Erklärung aber dem, was Hieronymus selbst in seinem aus der Wüste von Chalkis an Damasus geschriebenen Brief für richtig erklärt hatte. Eine Nachricht, die Hieronymus zum Jahr 357 eingetragen hat, richtete sich direkt an die in Konstantinopel beheimateten Leser der Chronik. Damals seien die Knochen des Apostels Andreas und des Evangelisten Lukas nach Konstantinopel überführt und dort mit großer Begeisterung empfangen worden, wobei dies bezeichnenderweise in Abwesenheit des arianischen Kaisers Constantius II. geschehen sei.86 Konstantinopel hatte also schon immer das Potential, eine Hauptstadt des orthodoxen Glaubens zu sein, auch wenn hier häretische Kaiser residierten. Dass aber die arianische Häresie in seinen letzten 128
Die „Chronik“
Jahren bereits durch Konstantin und dann durch dessen Nachfolger Constantius II. und Valens gefördert wurde, musste sich als nachteilig für Kirche und Reich erweisen. Auf kaiserliche Maßnahmen zugunsten der Arianer, wenn etwa orthodoxe Bischöfe abgesetzt und ins Exil geschickt wurden, folgten oftmals Naturkatastrophen oder militärische Niederlagen. 358 beispielsweise wurde Nikomedia, die ehemalige, nicht weit von Konstantinopel entfernte Kaiserresidenz, durch ein Erdbeben vollständig zerstört. Die sogleich darauf folgende Nachricht, in diesem Jahr sei auch der Trierer Bischof Paulinus in seinem Exil im kleinasiatischen Phrygien verstorben,87 liest sich wie ein erklärender Kommentar: Offenkundig handelte der häretische Kaiser Constantius II. nicht gottgefällig, als er Paulinus aus Trier entfernen ließ. Und Nikomedia ist kein Einzelfall. Bereits während der ersten Jahre seiner Herrschaft musste Constantius II. erleben, dass zahlreiche Städte im Osten durch Erdbeben zerstört wurden, wie auch seine Abwehrkämpfe gegen die Franken ohne Erfolg blieben.88 Zum Jahr 359 hält Hieronymus fest, fast alle Kirchen im Reich seien durch den Arianismus beschmutzt,89 für 366 folgt der Hinweis auf ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami, von dem die Küsten Siziliens zerstört worden seien, und schon 368 erleidet das schon oft beschädigte Nikäa ein weiteres Erdbeben, das von der Stadt, in der einst das Konzil abgehalten wurde, kaum mehr etwas übrig lässt. Wenn auch bei Hieronymus, anders als in der Chronik Eusebs, Gottvater und Gottsohn nicht als Handelnde auftreten, so kann der orthodoxe Leser gleichwohl zu dem Schluss gelangen, dass die jüngere Vergangenheit zahlreiche Schrecken aufweist, weil häretische Kaiser über das Reich herrschten. Zuletzt hat das sogar der Arianer Valens begriffen, der zunächst die orthodoxe Kirche verfolgen,90 dann aber in der höchsten Not der Gotengefahr die verbannten Bischöfe in ihre Städte zurückkehren ließ.91 Seine Reue kam jedoch zu spät. In dem beklagenswerten Krieg, der sich nun in Thrakien abspielte, wurden nicht nur die römischen Legionen vernichtet. Auch der Kaiser selbst wurde verwundet und auf der Flucht von den Feinden eingeholt. In seiner ärmlichen Zuflucht, einem Schuppen auf dem Land, wurde er verbrannt, sodass ihm nicht einmal mehr eine Grabstätte zuteilwurde.92 Neben der theologischen Geschichtsdeutung, die seinen Einträgen zugrunde liegt, zeigt Hieronymus schließlich auch ein sichtbares Interesse an Fragen der militärischen Praxis. Vielleicht spricht daraus 129
4 In den Hauptstädten
seine Hoffnung, der drohende Untergang des Imperiums könne durch richtiges militärisches Handeln doch noch abgewendet werden. Hieronymus stellt nicht nur fest, dass die Niederlage der Römer bei Adrianopel durch das Versagen ihrer Kavallerie ausgelöst wurde.93 Auch zu einer früheren Niederlage der Römer, die sich 348 bei Singara gegen den Perserkönig Sapor ereignete, erklärt er, diese sei allein durch die Dummheit der Legionen zustande gekommen.94 Dass er sich und seine Leser zum Subjekt des Satzes macht („wir haben verloren“), unterstreicht das persönliche Engagement des Kirchenvaters, der die Berichte der zeitgenössischen Historiker genau gelesen hat.95 Aus etlichen Einträgen zur militärischen Konfrontation der Römer mit verschiedenen germanischen Stämmen ergibt sich insgesamt ein klarer Befund für das Reich: Mögen einzelne Schlachten auch große Siege gebracht haben, was sich sogar unter dem Apostaten Julian ereignete,96 so rücken die Germanen doch immer weiter vor.97
In Rom Als Hieronymus im Spätsommer 382 Konstantinopel verließ, um gemeinsam mit den Bischöfen Paulinus und Epiphanius nach Rom zu reisen, verfügte er zwar über kein kirchliches Amt, als Asket und Schriftsteller hatte er sich aber bereits einen Namen gemacht. Er selbst spricht in einem Jahrzehnte später geschriebenen Brief davon, dass ihn „die Not der Kirche nach Rom geführt“ habe.98 Wenn Paulinus mit seinem Anspruch auf den Bischofsthron von Antiochia auf dem Konzil von Konstantinopel auch nicht durchgedrungen war, so konnte er doch noch hoffen, sich mithilfe des Damasus zu behaupten. Der Bischof von Rom war nicht nur die führende Autorität der westlichen Kirche, sondern genoss als Nachfolger des Petrus auch im Osten großes Ansehen. Seine herausragende Stellung war gerade auf dem Konzil von Konstantinopel bestätigt worden: Der Bischof von Rom stand über seinem Kollegen in Konstantinopel, dem „neuen Rom“.99 Hieronymus hatte schon aus der Wüste von Chalkis dringende Bitten an Damasus gesandt, ihm in seiner dogmatischen Bedrängnis zu helfen (S. 108 f.). Nun bot sich ihm die Möglichkeit, persönlich vor Damasus zu treten. Dass die Sache des Paulinus in Rom Unterstützung finden würde, stand inzwischen außer Frage. Die Synodalschreiben, die in dieser Zeit von Rom aus nach Antiochia geschickt wurden, waren al130
In Rom
lein an Paulinus gerichtet und machten damit deutlich, dass man in Rom Paulinus für den rechtmäßigen Bischof von Antiochia hielt.100 Etwa drei Jahre sollte sich Hieronymus diesmal in Rom aufhalten. Schnell gewann er Zutritt zu den Häusern christlicher Aristokraten und einen beträchtlichen Einfluss auf eine größere Gruppe frommer Frauen. Neben dem Zugang zu diesen Kreisen besaß er alsbald auch das Vertrauen des Damasus, der Hieronymus nicht nur in dogmatischen und kirchenrechtlichen Fragen konsultierte, sondern ihn auch bei dem Vorhaben unterstützte, den Bibeltext einer Revision zu unterziehen. Hier setzte Hieronymus mit einer Arbeit ein, die ihn über Jahrzehnte beschäftigen sollte, bis schließlich sowohl das Neue als auch das Alte Testament in neuer lateinischer Übersetzung vorlagen. Anfangs sah Hieronymus seine Aufgabe darin, den vorliegenden lateinischen Bibeltext (die sogenannte Vetus Latina) anhand der griechischen Ausgaben zu überprüfen und nur insoweit zu verbessern, als Abweichungen zwischen dem griechischen und dem lateinischen Sinn erkennbar waren. Dann aber verwandelte sich die Aufgabe in das Projekt einer vollständigen Neuübersetzung, die für das Alte Testament zunächst auf die griechische „Septuaginta“, später aber auf die hebräischen Texte zurückgriff. Am Ende stand die „Vulgata“, die lateinische Bibel in der Fassung des Hieronymus, die zwar die „Vetus Latina“ nicht sogleich und vollständig ablöste, aber im Verlauf des Mittelalters doch zu dem überall gültigen Bibeltext wurde. Eine Revision und Neuübersetzung der „Vetus Latina“ konnte nur leisten, wer über ausreichende Sprachkenntnisse im Griechischen und Hebräischen verfügte. Und eben das zeichnete Hieronymus aus: Er wurde zu einem „Mann dreier Sprachen“ (vir trilinguis), hatte er doch bereits während seines Aufenthalts in der Wüste damit begonnen, Hebräisch zu lernen.101 Mehr als alle seine Kommentare und sonstigen Schriften hat diese Leistung seinen Namen unsterblich gemacht, doch war die Bibelrevision von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt. Hier rührte ein junger christlicher Gelehrter an einen heiligen Text, der schon lange als Grundlage der Glaubenspraxis der lateinischen Kirche diente und von dem man glaubte, dass er auch in seiner lateinischen Fassung der direkten göttlichen Inspiration zu verdanken sei. Da Hieronymus zugleich als Verkünder einer rigorosen Askese und als scharfer Kritiker des verweltlichten römischen Klerus auftrat, machte er sich viele Feinde unter den Priestern und in der Gemeinde. Das heraufziehende Gewitter entlud 131
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sich, als Damasus 385 verstarb. Plötzlich sah sich Hieronymus von allen Seiten angegriffen und verfolgt. Er verließ Rom und Italien und sollte niemals wieder den Westteil des Reiches betreten. Unklar ist, wie weit Hieronymus an den Verhandlungen der Synode beteiligt war, die 382 in Rom durchgeführt wurde.102 Sie war, wie erwähnt, auf Vorschlag von Ambrosius vom Kaiser Gratian einberufen worden, um verschiedene Probleme zu bearbeiten.103 Der Teilnehmerkreis ist nicht bekannt; Ambrosius selbst scheint nicht nach Rom gekommen zu sein. Überliefert ist dagegen, welche Fragen verhandelt wurden. Zunächst war erneut die Lehre des Apollinaris von Laodicea zu prüfen, der die Kirche mit seiner Christologie beunruhigte; daneben sollte auch über das meletianische Schisma in Antiochia gesprochen werden. Ein weiterer Punkt, der der Klärung bedurfte, betraf den Kanon der Heiligen Schriften: Welche Bücher sollten verbindlich zum Alten und zum Neuen Testament gehören? Auch die kurz nach der Synode von Damasus an Hieronymus gerichtete Bitte, den Text des Neuen Testaments zu prüfen, könnte mit dem Problem des Kanons zusammenhängen. Denn hatte man sich erst einmal auf eine verbindliche Liste von Heiligen Schriften geeinigt, musste auch darüber nachgedacht werden, wie man mit den unterschiedlichen Textvarianten umgehen wollte. Apollinaris, der ab 361 Bischof der syrischen Stadt Laodicea war, hatte lange Zeit Athanasius von Alexandria unterstützt und die orthodoxe Position in der Frage nach der Wesenheit Christi vertreten, diese dann aber stark modifiziert. Er hielt es nicht für denkbar, dass sich in der einen Person Jesu das Göttliche mit dem Menschlichen verbinden könnte (S. 106).104 Um die Göttlichkeit Jesu nicht aufzugeben, blieb dann nur die Möglichkeit, das Menschliche in ihm zu negieren. Das betraf die Seele: Jesus erschien zwar in einem menschlichen Körper, aber nicht mit menschlicher Seele. Solche Ansichten kamen der Lehre des sogenannten Doketismus nahe, der zufolge Jesus nur scheinbar ein Mensch gewesen sei. Seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert war diese Vorstellung als häretisch verurteilt worden; sie erschien nicht hinnehmbar, weil die Passion Christi unglaubwürdig wurde, wenn Jesus als reiner Gott sie gar nicht hätte erleiden können. Eine ganze Reihe von Synoden sprach sich folglich auch gegen die Lehre des Apollinaris aus, darunter das Konzil von Konstantinopel 381. Gleichwohl diskutierte die Synode von Rom noch einmal das Problem, denn Apollina132
In Rom
ris hatte einige Anhänger unter den Christen Roms gewinnen können. Grundsätzlich wollte man die Lehrsätze auch in Rom nicht akzeptieren, doch wurde Hieronymus von der Synode damit beauftragt, ein Glaubensbekenntnis zu formulieren, das auch die Anhänger des Apollinaris zufrieden stellen konnte. Das war eine unmögliche Aufgabe, mit der Hieronymus nur scheitern konnte. Größere Spuren hat die Angelegenheit in den Quellen allerdings nicht hinterlassen.105 Ebenso wenig lösbar war der Bischofsstreit von Antiochia. Da die Position des Damasus schon vor dem Konzil feststand, waren nur drei Bischöfe des Ostens nach Rom gekommen. Sie brachten ein Schreiben mit, in dem die Beschlüsse von Konstantinopel noch einmal bestätigt wurden. Eine einvernehmliche Lösung war also nicht möglich. In Anwesenheit des Paulinus und Epiphanius verweigerte die römische Synode Flavianus die Anerkennung als neuer Bischof von Antiochia. Eine unmittelbare Auswirkung auf die Situation dort hatte das nicht. Hier wurde der Streit noch über Jahre und über den Tod des Paulinus 388 hinaus fortgesetzt, bis das Schisma dann 394 beendet werden konnte, nachdem auch der von Paulinus zum Nachfolger geweihte Euagrius verstorben war.106 Ist die Beteiligung des Hieronymus an den Diskussionen über Apollinarius und Flavianus mehr als wahrscheinlich, so darf man zumindest vermuten, dass die Teilnehmer der Synode sich auch bei der Kanonfrage anhörten, was Hieronymus zur Authentizität verschiedener Bücher des Alten und Neuen Testaments zu sagen hatte. Schon lange hatte man innerhalb der Kirche darüber diskutiert, welche Bücher zum Alten und zum Neuen Testament gerechnet werden sollten.107 Hieronymus selbst gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass diese Frage nun auch in Rom behandelt worden ist. Das hat man allein aus dem „Dekret über die aufzunehmenden und die zu verwerfenden Bücher“ erschließen können, das Papst Gelasius (492–496) zugeschrieben wurde, in der überlieferten Fassung aber wohl erst aus dem 6. Jahrhundert stammt. Die in diesem Kanon enthaltene Unterscheidung zwischen einem Brief des Apostels Johannes und zwei Briefen eines Presbyters Johannes, die im frühen 5. Jahrhundert aufgegeben wurde, spricht dafür, dass der Kern des „Dekrets“ älteren Datums ist, und ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert hat man die in ihm enthaltenen Listen der Bücher, die das Alte und das Neue Testament bilden sollten, auf einen Beschluss der Synode von Rom im Jahr 382 zurückgeführt.108 133
4 In den Hauptstädten
Wenn diese Datierung zutrifft, so hätte man in Rom die Zusammensetzung des Neuen Testaments akzeptiert, die Athanasius in seinem Osterbrief des Jahres 367 postuliert hatte.109 Es sind die siebenundzwanzig Schriften, aus denen auch heute das Neue Testament besteht. Ausgeschlossen wurden dabei zum Beispiel die Clemens-Briefe und die Offenbarung des Petrus. Für das Alte Testament fand sich allmählich ebenfalls ein Konsens, der durch eine Abfolge von Synodalbeschlüssen befestigt wurde. Hatte Origenes (185–254) die MakkabäerBücher oder auch das Buch Henoch abgelehnt, so wollte man ihm für die Makkabäer-Bücher nicht folgen. Sie wurden wohl ebenfalls auf der Synode in Rom und wenig später auf Synoden in Hippo Regius (393) und Karthago (397) ebenso als Teile des Alten Testaments betrachtet wie das Buch Judith, die Weisheit Salomos und das Buch Jesus Sirach. Die drei letztgenannten Schriften werden heute als „deuterokanonisch“ bezeichnet, sie gelten der katholischen und der orthodoxen Kirche als vollwertige Bestandteile des Alten Testaments, nicht aber der protestantischen Kirche.110
Hieronymus als Kardinal … Um Hieronymus auf eine Höhe mit den Kirchenvätern zu heben, die das Bischofsamt bekleidet hatten, hat ihn die mittelalterliche Überlieferung zum Kardinal gemacht. Von dieser Würde ist erstmals in einer Vita aus dem 9. Jahrhundert die Rede, deren Verfasser unbekannt ist; sie wird deshalb mit ihrem Anfang als die Vita „Den meisten freilich …“ (Plerosque nimirum) bezeichnet. In ihr ist davon die Rede, Hieronymus habe in Rom als „Kardinal-Presbyter“ gewirkt.111 Später heißt es in der „Legenda Aurea“ des Jacobus de Voragine (1228–1298), Hieronymus sei im Alter von neununddreißig Jahren in Rom zum Kardinalspriester geweiht worden.112 Man konnte sich den nahen Umgang zwischen Damasus und Hieronymus nicht anders erklären, als dass der Papst den jungen Gelehrten mit einer hohen Stellung ausgezeichnet haben müsste. Damit wurde indes ein Titel verwendet, der zu Hieronymus Lebzeiten noch unbekannt war und erstmals für den Pontifikat Pelagius’ I. (556–561) nachgewiesen werden kann.113 Erst ab dem 11. Jahrhundert wurde der Ausdruck allein für die Kleriker des Papstes verwendet, was den imaginären Rang des Hieronymus in der Hierarchie der katholischen Kirche noch einmal erhöhte.114 In der Vita des Hei134
Hieronymus als Kardinal …
Filippo Lippi (1406–1469), Der Heilige Hieronymus und der Löwe (Predella des Altarbildes in Santa Trinità, Pistoia).
Umkreis von Jan van Eyck (1390– 1441), Der Heilige Hieronymus in seinem Studierzimmer (Detroit Institute of Arts).
135
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Albrecht Dürer (1471–1528), Der Heilige Hieronymus im Gehäus, Kupferstich 1514.
ligen Hieronymus, die der gelehrte Bibelexeget Nicolaus Maniacoria in der Mitte des 12. Jahrhunderts verfasste,115 besaß der Kirchenvater als Kardinal bereits die Titelkirche Sancta Anastasia, während ihm der etwa zeitgleich schreibende Johannes Beleth die Titelkirche San Lorenzo in Damaso zuwies.116 Der Hut als Teil der Kardinalskleidung kam noch später hinzu, nachdem Papst Innozenz IV. ihn 1245 auf dem Konzil von Lyon einigen neu ernannten Kardinälen aufgesetzt hatte.117 Seit dem frühen 15. Jahrhundert erscheint der Kardinalshut dann auch auf den Hieronymus-Bildern, erstmals wohl auf den Blättern des Stundenbuches des Herzogs Jean von Berry,118 danach beispielsweise auf einem Fresko von Benozzo Gozzoli aus dem Jahr 1452. Schon auf den von den Brüdern Limburg gemalten Stundenbuchbildern ist Hieronymus einmal in eine schwarze oder scharlachrote Soutane gehüllt, die später zur liturgischen Ausstattung der Kardinäle gehört.119 Auf etlichen Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts trägt er dagegen eine hellere Mönchskutte, deren Farbe auch ins Rot spielen kann, wie auf ei136
… oder als Sekretär des Papstes?
nem Gemälde, das Filippo Lippi um 1455 für die Predella des Altars von Santa Trinità in Pistoia geschaffen hat; hier ist wieder dargestellt, wie Hieronymus den Löwen von seinem Dorn befreit.120 Wenn Hieronymus aber mit einem eindeutig roten Gewand bekleidet ist wie etwa auf einem dem Umkreis von Jan van Eyck zugeschriebenen Bild aus den Jahren um 1440, das den Kirchenvater in seiner Studierstube (mit Löwen) zeigt,121 dann ist er zugleich als Kardinal porträtiert. Hier trägt Hieronymus seinen Kardinalshut auch bei der Lektüre, während der Hut auf den meisten Bildern, die ihn lesend oder schreibend zeigen, abgelegt oder auf einen Nagel gehängt ist. Auf Dürers Stich von 1514 kann man deshalb auch den Heiligenschein sehen, von dem Hieronymus’ Haupt umleuchtet ist.
… oder als Sekretär des Papstes? Wenn Hieronymus auch niemals Presbyter oder gar Kardinal der römischen Kirche gewesen ist, so stellt sich doch die Frage, ob er unter Damasus in einer festen Stellung als Sekretär gearbeitet hat, wie mehrfach angenommen, mehrfach aber auch ausgeschlossen worden ist.122 Ein einziges Mal spricht Hieronymus später rückblickend über seine Tätigkeit für den Bischof von Rom. Dabei erinnert er sich an die Zeit, als er „vor vielen Jahren […] den römischen Bischof Damasus in den kirchlichen Schreibarbeiten unterstützte und die Synodalschreiben des Morgen- und Abendlandes bearbeitete“.123 Mit der Formulierung, die Hieronymus hier verwendet, lässt sich zwar kein festes Amt nachweisen, das er unter Damasus bekleidet hätte. Allerdings spricht die Arbeit an den Synodalschreiben, die Hieronymus eigenständig redigierte, für eine hohe Achtung seiner Fähigkeiten. Man vertraute offenbar auf seine theologischen und sprachlichen Kenntnisse, denn den Synodalschreiben kam eine große Bedeutung zu. Einerseits galt es, den richtigen Sinn der griechischen Schreiben zu verstehen, andererseits musste sich auch die römische Kirche präzise ausdrücken, um nicht neue dogmatische Querelen hervorzurufen. Rebenich hat deshalb die sehr plausible Vermutung geäußert, Hieronymus sei in dem unter Damasus neu organisierten bischöflichen Archiv tätig gewesen und zudem mit einem Respondierprivileg ausgestattet worden; er hätte damit eigenständig den päpstlichen Briefverkehr führen können.124 137
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Wo Hieronymus seine Unterkunft hatte, als er in Rom lebte, und wovon er seinen Unterhalt bestritt, ist nicht überliefert. Ob er noch oder wieder auf das elterliche Vermögen zugreifen konnte, ist auch nicht bekannt. Sollte Hieronymus durch seine Entscheidung zum mönchischen Leben tatsächlich einen dauerhaften Zwist in seiner Familie provoziert haben, würde man kaum von Unterstützungen ausgehen können, die ihn aus Stridon erreicht hätten. Für einen ‚Sekretär’, der über einige Jahre maßgeblich an den theologischen Überlegungen am Stuhle Petri beteiligt war, wäre aber ohnehin anzunehmen, dass sein Unterhalt aus den Einkünften der Kirche bestritten wurde. Gewohnt haben könnte er in einem der Nebengebäude des Laterans.125 Man wird Hieronymus glauben dürfen, dass er damals in Rom ein hohes Ansehen genossen hat, zumindest in den Kreisen der Kirche, die an seiner Bibelrevision und an seiner Morallehre nichts auszusetzen hatten. Hieronymus betont in einem Brief, den er unmittelbar nach seiner Abreise von Portus, dem Hafen Roms, im Sommer 385 geschrieben hat, man habe ihn zeitweilig als möglichen Nachfolger des Damasus angesehen: „Ehe ich das Haus der heiligen Paula kennenlernte, war ganz Rom meines Lobes voll. Fast allgemein hielt man mich des höchsten geistlichen Amtes würdig. Der selige Damasus tat nichts ohne mich. Man pries mich als heilig, demütig und redegewandt.“126 Sein Briefwechsel zeigt sehr anschaulich, wie man sich die Zusammenarbeit zwischen Hieronymus und dem bereits etwa fünfundsiebzigjährigen Damasus vorzustellen hat. Der Bischof war selbst, wie auch Hieronymus in seinem Werk über die „berühmten Männer“ berichtet,127 als Dichter hervorgetreten; zahlreiche seiner Epigramme, mit denen er die Gräber in den Katakomben Roms schmücken ließ, sind erhalten geblieben.128 Doch auf dem Gebiet der Exegese fühlte sich Damasus, obwohl er viel gelesen hatte, unsicher. Gerne nutzte er die Gelegenheit, den jungen Gelehrten zu befragen, der sich nun in seiner Nähe befand. So legte Damasus Hieronymus mehrfach Fragen zum Alten und Neuen Testament vor, für die er sich eine ausführliche Auskunft erbat. Einmal ging es dabei um den im Matthäus-Evangelium verwendeten Ausdruck „Hos(i)anna dem Sohn Davids“,129 ein anderes Mal gleich um fünf exegetische Probleme auf einmal, darunter um die Frage, warum Isaak Jakob und nicht Esau gesegnet habe.130 138
… oder als Sekretär des Papstes?
Besonders ausführlich reagierte Hieronymus auf ein längeres Schreiben, in dem Damasus die Diskussionslage zum Gleichnis vom verlorenen Sohn dargelegt hatte. „Ich weiß“, so hatte Damasus geschrieben, „dass viele Autoren unterschiedliche Deutungen für das Gleichnis gegeben haben, dass sie beispielsweise in dem älteren Sohn den Juden und im jüngeren Sohn den Heiden erblickt haben.“ Aber diese Deutung hatte Damasus genauso wenig überzeugt wie die Gleichsetzung des älteren Sohnes mit dem Gerechten und des Jüngeren mit dem Sünder.131 Wer sei also mit dem Vater gemeint, wer mit dem älteren und wer mit dem jüngeren Sohn? Was bedeute es, wenn im Gleichnis davon die Rede sei, dass der jüngere Sohn sein Vermögen mit Huren durchgebracht habe? Wie seien überhaupt all die Einzelheiten zu verstehen, die von Jesus über das Leben des Jüngeren erzählt werden? Hieronymus antwortete mit einer Abhandlung in Briefform, die in modernen Ausgaben um die fünfundzwanzig Seiten umfasst. Er erläutert die Situation, in der Jesus das Gleichnis vor den Pharisäern gebraucht hat, die sich über seinen Verkehr mit Zöllnern und Sündern erregt hatten. Dann folgt die zentrale theologische Aussage zum Verständnis der Heilsrolle Christi: Nur durch sein Leiden und seinen Tod hätte die strikte Herrschaft des Gesetzes überwunden werden können, von dem der Alte Bund geprägt war. Fehlte dem Alten Bund noch die Qualität des Mitleids, so hätten Jesu Leben und Sterben das „Versöhnungsmittel“ gebracht, das nun im Neuen Bund das Verhältnis zwischen Gott und Mensch bestimme. Aktives Mitleid bedeute aber, gerade den Gefallenen zur Reue und Umkehr zu führen, und um diese Botschaft des Neuen Bundes herauszustellen, habe Jesu die drei Gleichnisse vom verlorenen Schaf, der verlorenen Münze und dem verlorenen Sohn erzählt.132 Satz für Satz legt Hieronymus sodann den Text aus dem LukasEvangelium aus und bestätigt mehrfach, dass man in dem jungen, von seinem Vater in Freuden wieder aufgenommenen Sohn das Heidentum erkennen sollte. Mit dem zum Fest der Rückkehr geopferten Mastkalb sei Christus gemeint, dessen Tod am Kreuz Ausdruck der „größten Milde“ sei, die man sich von Gottes Seite überhaupt vorstellen könne. Und der ältere, missgünstige Sohn könne durchaus auf das Judentum bezogen werden. Denn wenn der ältere Sohn behaupte, niemals die Gebote seines Vaters verletzt zu haben, entspreche das der falschen Selbsteinschätzung der Juden, die glaubten, allein durch das Einhalten ihrer Religionsgesetze dem göttlichen Gebot der Gerechtig139
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keit zu entsprechen. Sich vor Gott der eigenen Gesetzestreue zu rühmen, sei schon ein Beweis dafür, dass man sein Gebot übertreten habe.133 Zugleich aber könne man den älteren Bruder auch mit den Heiligen gleichsetzen. Denn die Eifersucht, mit der der ältere Bruder den Empfang des jüngeren beobachtet, könne als Beleg dafür verstanden werden, dass kein Gerechter auf Erden den Maßstab Gottes erfüllen könne: „Gemessen an der göttlichen Gerechtigkeit ist alle Gerechtigkeit dieser Welt keine Gerechtigkeit.“ Dass die menschliche Fähigkeit zur Tugend begrenzt sei, sehe man auch an den Aposteln, die Neid empfinden konnten, und sogar an den Engeln, wie das Buch Hiob bezeuge. „Siehe“, heißt es dort, „seinen Heiligen traut Gott nicht, und selbst die Himmel sind nicht rein vor ihm“ (15, 15).
Die Bibelrevision Hieronymus berichtet, dass die Anregung, den unsicheren lateinischen Text der Evangelien auf der Grundlage der griechischen Überlieferung zu revidieren, von Damasus ausgegangen sei. Im Vorwort zur neuen Textfassung der vier Evangelien, die er in Rom erstellt hatte, schreibt Hieronymus an den Bischof: „Du hast mich dazu veranlasst, ein neues Werk aus dem alten zu machen.“ Mit dem Ausdruck „veranlasst“ will Hieronymus auf die Nachdrücklichkeit hinweisen, mit der Damasus das Vorhaben in Gang gesetzt habe.134 Stefan Rebenich hat in diesem Zusammenhang auf zwei wichtige Aspekte hingewiesen, die einen gewissen Zweifel an der Darstellung des Hieronymus aufkommen lassen.135 Einerseits lag eine Bibelrevision zwar durchaus im Interesse des Damasus, der mit einem in Rom erstellten neuen lateinischen Text der Evangelien seinen Führungsanspruch innerhalb der Kirche festigen konnte. Dieses Interesse dürfte auch deshalb in Rechnung zu stellen sein, weil in Rom nicht lange zuvor, unter Damasus oder unter seinem Vorgänger Liberius (352–366), die griechische zugunsten einer lateinischen Liturgie aufgegeben worden war.136 Andererseits aber fügt sich das Projekt der Revision den bisherigen Übersetzungsarbeiten des Hieronymus so gut an, dass doch wohl eher er selbst als Damasus auf die Idee dazu gekommen sein dürfte. Indem Hieronymus jedoch den Bischof von Rom für sein Vorhaben gewinnen und ihn als die treibende Kraft hinter der Neuübersetzung benennen konnte, versicherte er sich einer gewichtigen Unterstützung. Deren Wert wurde 140
Die Bibelrevision
bald deutlich, ließ doch die Kritik an der Neuübersetzung nicht lange auf sich warten. Hieronymus und Damasus werden damals kaum geahnt haben, dass die Bibelrevision zu dem Lebensprojekt des gelehrten Mönchs werden sollte. Sowohl der Umfang als auch die Methodik des Projekts veränderten sich im Verlauf der vielen Jahre, die sich Hieronymus mit dem Bibeltext beschäftigte. Beschränkte sich die Revision zunächst auf die Verbesserung des lateinischen Evangelientextes dort, wo die Handschriften zu viele Varianten aufwiesen, so entwickelte Hieronymus daraus die Idee einer Neuübersetzung aus dem Griechischen beziehungsweise, nachdem er das Vorhaben über alle Schriften des Neuen auf das Alte Testament ausgedehnt hatte, auch aus dem Hebräischen. So wurde aus einem zunächst auf die Evangelien begrenzten Unternehmen eine Neubearbeitung großer Teile der „Vetus Latina“.137 In Rom widmete sich Hieronymus neben den Evangelien bereits auch den alttestamentlichen Psalmen, aber erst um 405 lagen viele Bücher des Alten und Neuen Testaments in Neuübersetzungen vor. Hieronymus selbst hat seine Leistungen allerdings gerne übertrieben, wenn er etwa in seinem Werk „Über die berühmten Männer“ behauptete, das gesamte Neue Testament übersetzt zu haben.138 In seinem an Damasus gerichteten Vorwort begründete Hieronymus die Notwendigkeit der neuen Evangelienausgabe mit dem Hinweis darauf, dass zu viele Textvarianten im Umlauf seien; eigentlich stelle jede Handschrift einen eigenen Text dar.139 Das musste erhebliche Auswirkungen für den Gottesdienst, für die theologische Diskussion und bisweilen wohl auch für die Lösung kirchenrechtlicher Fragen haben. Beispiele für die Varianten und die daraus resultierenden Probleme erwähnt Hieronymus in einem Brief, den er an Marcella, eine der römischen Aristokratinnen, mit denen er inzwischen näher bekannt geworden war, geschrieben hat. In einigen Ausgaben des Neuen Testaments fand sich im 12. Kapitel des Römerbriefes, in dem Paulus das rechte Leben des Christen in seiner Gemeinde als beständigen Gottesdienst beschreibt, für Vers 11 f. die Lesart: „Seid brennend im Geist, dient der Zeit, seid freudig in der Hoffnung.“ Das musste merkwürdig und unverständlich erscheinen. Warum sollte der Christ der Zeit dienen? Die philologische Lösung war einfach, denn „der Zeit dienen“ war dem griechischen Urtext zufolge, den Hieronymus konsultierte, in „dem Herrn dienen“ zu verbessern. „Sie“, so schrieb Hieronymus an Marcella und meinte damit die Gegner seiner Bibelrevision, „mögen 141
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lesen: ‚freudig in der Hoffnung, dienstbar der Zeit‘, wir aber lesen: ‚freudig in der Hoffnung, dienstbar dem Herrn‘.“140 Und mit Bezug auf Paulus’ ersten Brief an Timotheus, in dem der Apostel in Kapitel fünf Vorschläge macht, wie Timotheus in Ephesus mit den Witwen und den Presbytern umgehen sollte, stellt Hieronymus fest: „Sie [die Gegner der Bibelrevision] mögen nach ihrem Texte dafür eintreten, daß man unter keinen Umständen eine Anklage gegen einen Priester annehmen dürfe. Wir aber wollen lesen: ‚Gegen einen Priester nimm keine Anklage entgegen, es sei denn in Gegenwart von zwei oder drei Zeugen. Die aber sündigen, weise vor allen zurecht.‘“141 Hieronymus hat aber nicht nur in diesem ‚Begleitschreiben‘ zu seiner Revision der Paulus-Briefe Beispiele für Irrtümer genannt, die sich aus korrupten Lesarten ergaben, sondern bereits zuvor, in der Einleitung zu seiner neuen Übersetzung der Evangelien, auch Rechenschaft über seine Methode abgelegt. Dass er dies tut, belegt das hohe Niveau an Reflexion in einem Arbeitsprozess, der religiöse Texte auf der Grundlage philologischer Kriterien zu verbessern suchte. Und die Methodik als solche zeugt von der lang anhaltenden Wirkung der philologischen Wissenschaft, die einst im hellenistischen Alexandria entwickelt und später von Origenes für die christliche Theologie übernommen worden war.142 Hieronymus erklärt, zunächst die ihm vorliegenden lateinischen Übersetzungen der Evangelien mit dem griechischen Urtext verglichen zu haben; den lateinischen Text habe er nur dort verbessern wollen, wo dies aus inhaltlichen Gründen notwendig erschien. Aber auch für die griechischen Vorlagen stellte sich die Frage, welche Ausgaben als fehlerfrei gelten konnten. Hier hatte Hieronymus die Entscheidung getroffen, nicht auf die Ausgaben zu vertrauen, die unter dem Namen eines Hesychius aus Ägypten und des Lucianus von Antiochia im Umlauf waren; sie erschienen ihm zu fehlerhaft.143 Statt dessen orientierte er sich an den Arbeiten und Kommentaren, die von Origenes und Euseb stammten, und er übernahm dabei für seine neue Ausgabe sogar die synoptischen Tabellen, die Euseb seiner Ausgabe beigefügt hatte, um das Auffinden der Parallelstellen in den Evangelien zu erleichtern. Die Rechenschaft über das methodische Vorgehen diente auch dazu, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn Hie142
Die Bibelrevision
ronymus war sich bewusst, an einem „frommen Werk“ zu arbeiten, das aber zugleich eine „gefährliche Unternehmung“ darstellte.144 Er müsse damit rechnen, so schrieb er an Damasus, von jedem, dem etwas an seiner neuen Fassung missfallen werde, als „Fälscher“ und „Tempelräuber“ angegriffen zu werden,145 und sein Brief an Marcella bestätigt, dass seine Vorahnungen berechtigt waren: „Nach meinem letzten Schreiben an Dich, in welchem ich kurz einige hebräische Ausdrücke erklärt habe, kam mir ganz unerwartet zu Ohren, daß gewisse Leutchen mit allem Eifer an mir herumnörgeln. Sie werfen mir vor, daß ich im Gegensatz zur Autorität der alten Schriftsteller und gegen die Meinung der ganzen Welt mich unterfangen habe, an den Evangelien einige Verbesserungen vorzunehmen. Ich hätte ja alles Recht, sie links liegen zu lassen; denn schließlich ist es vergebliche Liebesmühe, dem Esel nach der Leier eins vorzusingen. Aber tue ich dies, dann zeihen sie mich ihrer Gewohnheit gemäß des Stolzes, und deshalb sollen sie ihre Antwort haben. Sie mögen mich doch nicht für so stumpfsinnig und ungebildet halten, daß ich glaube, am Worte Gottes etwas verbessern zu müssen, oder daß ich gar seine göttliche Eingebung leugne. Von mir aus sollen sie Stumpfsinn und Dummheit mit Heiligkeit gleichsetzen und betonen, daß sie Schüler von Fischern seien, gleich als ob sie dadurch, daß sie nichts wissen, schon gerecht wären. Wohl aber bedürfen die fehlerhaften lateinischen Handschriften der Verbesserung, wie ja die mangelnde Übereinstimmung aller Texte hinreichend nahelegt. Sie gilt es, mit der griechischen Urschrift in Einklang zu bringen, aus der sie sich, was ja auch meine Gegner nicht bestreiten, herleiten. Wenn diesen das reine Wasser der Quelle mißfällt, mögen sie doch aus den morastigen Bächlein trinken! Mögen sie bei der Lesung der Schrift auf die Sorgfalt verzichten, die sie auf den Geschmack der Vögel oder die Herkunft der Austern verwenden!“146 In seiner polemischen Replik gegen die namenlosen Kritiker, die sich in Rom gegen seine neue Evangelienausgabe ausgesprochen hatten, stellt Hieronymus zwei Prinzipien nebeneinander, die in der spätantiken, christlichen Wissenschaft Gültigkeit beanspruchten und doch nur schwer zu vereinbaren waren. Auf der einen Seite stand das Postulat, dass die Heiligen Schriften Gottes Wort darstellten; sie dürften deshalb keinerlei Veränderung unterzogen werden. Auf der anderen Seite aber 143
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gab es das philologische Gebot, Handschriften kritisch zu sichten und die ursprüngliche Textform zu rekonstruieren. Dieses Gebot stützte sich auf den evidenten Befund, dass durch den Übersetzungsprozess Varianten und Fehler entstanden waren, die verbessert werden mussten. Hieronymus votiert für die pragmatische Lösung, beide Prinzipien zusammenzuführen und sich über die philologische Arbeit einer möglichst authentischen Fassung zu nähern, wurde aber von seinen Gegnern in Rom gewissermaßen ‚fundamentalistisch‘ attackiert: Wie konnte er es sich erlauben, Änderungen am Wortlaut der Bibel vorzunehmen? Welches zentrale Problem hier vorliegt, wird deutlich, wenn man die Kategorien verallgemeinert: Nur dann, wenn eine Religionsgemeinschaft, die ihren Glauben auf heilige Schriften gründet, einen kritischen und folglich auch historischen Umgang mit diesen Schriften zulässt, wird sie zur Entwicklung einer theologischen Wissenschaft in der Lage sein. Historisiert sich aber die Wissenschaft dann auch selbst, werden die Grenzen eines absoluten religiösen Wahrheitsbegriffes deutlich. Die Suche nach Erkenntnis erweist sich als Prozess, der aus konträren Meinungen gespeist wird und nicht zum Abschluss kommt. Führt diese Dynamik aber zum Glauben oder führt sie von ihm weg? Vom Beginn seiner Übersetzungsarbeit an hat sich Hieronymus immer wieder der Einwände von Christen erwehren müssen, die in seiner Textrevision entweder ein überflüssiges Unternehmen oder aber, schlimmer noch, einen Frevel sahen. Grundsätzliche Diskussionen über die Berechtigung einer solchen Arbeit standen ihm ebenso bevor wie Ärger, der in einzelnen Gemeinden während des Gottesdienstes laut wurde, wenn in der Lesung plötzlich seine neue Fassung verwendet wurde. Im späteren Briefwechsel mit Augustinus, der seinerseits dem von Hieronymus praktizierten Rückgriff auf die hebräischen Texte ablehnend gegenüberstand, wird ein solcher Vorfall überliefert, der sich in der Kirche von Oea (dem heutigen Tripolis) abgespielt hatte. Hieronymus hatte in seiner Neuübersetzung des Buches Jonas den Propheten nicht mehr unter einem Kürbis, sondern unter einem Efeu sitzen und auf den Untergang Ninives warten lassen147 (S. 223 f.). Das führte, wie ihm von Augustinus berichtet wurde, während des Gottesdienstes und über ihn hinaus zu heftigen Protesten der Gläubigen. Der Bischof riskierte gar, abgesetzt zu werden, und kehrte dann lieber, nachdem er ein philologisches Gutachten eingeholt hatte, zur alten Lesart zurück.148 144
Die frommen Aristokratinnen
Die frommen Aristokratinnen In Rom wurde Hieronymus zum Mittelpunkt eines größeren Kreises asketisch gesinnter Aristokratinnen. Was veranlasste vor allem weibliche, daneben aber auch männliche Mitglieder der höchsten gesellschaftlichen Schicht, sich aus allen weltlichen Bezügen zu lösen, die eigenen Häuser in Klöster umzuwandeln und das Vermögen für die Versorgung der Armen und die Pflege der Kranken zu verwenden? Und warum konnte gerade Hieronymus während seiner Jahre in Rom mit diesen Frauen – zu nennen sind Marcella, Asella, Lea, Paula und Paulas Töchter Blesilla und Eustochium – so eng vertraut werden, dass einige von ihnen ihm sogar nach Bethlehem folgten und andere sich weiterhin seinen Rat erbaten und diesen aus dem fernen Heiligen Land auch erhielten? Die Antwort liegt wohl darin, dass Hieronymus den Zeitgeist auf seiner Seite hatte, zugleich aber mit seiner großen Gelehrsamkeit und seinem moralischen Rigorismus besonderen Eindruck machen und die vorhandenen Neigungen im Sinne seiner eigenen Vorstellungen und Ziele verstärken konnte.149 Er selbst weist in seinem Nachruf auf Marcella ausdrücklich darauf hin, dass die christlich-asketische Bewegung in Rom längst eingesetzt hatte, als er im Jahr 382 hier eintraf. Marcella war die erste römische Aristokratin, mit der Hieronymus näher bekannt wurde.150 Sie war um 335 geboren worden und hatte im Alter von etwa zwanzig Jahren eine kurze Ehe geführt. Ihr Ehemann war bereits nach sieben Monaten verstorben. Nach seinem frühen Tod verzichtete Marcella auf die in heidnischen Kreisen übliche Wiederverheiratung und widmete sich nun asketischen Übungen und christlichen Studien. Marcella musste von Hieronymus nicht mehr auf den rechten Weg christlicher Tugend geführt werden; sie hatte ihn längst selbst beschritten. Nachdem Hieronymus aus Rom wieder abgereist war, zog Marcella in eine Villa vor den Toren der Stadt und gründete hier ein Kloster, in dem sich eine Gruppe junger Frauen und Witwen versammelte. Allein schon der Hinweis auf die Villa belegt, dass Marcella über ein beträchtliches Vermögen verfügt haben muss. Später wurde ihr dies zum Verhängnis, denn als die Goten unter Alarich 410 Rom eingenommen hatten, suchten sie alle verfügbaren Reichtümer zusammenzuraffen und schreckten dabei auch nicht davor zurück, rohe Gewalt gegen 145
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Frauen anzuwenden. Marcella, der man nicht glauben wollte, dass sie keinen Besitz mehr hatte, wurde schwer misshandelt und verstarb wenig später. Hieronymus war entsetzt über die Nachrichten, die ihn aus Rom erreichten, und es dauerte einige Zeit, bis er sich in der Lage sah, einen Trost- und Erinnerungsbrief an Marcellas jüngere Freundin und Schülerin Principia zu schreiben. In diesem Brief preist Hieronymus die Verstorbene als die „rühmliche Zier aller Heiligen und insbesondere der Stadt Rom“,151 und er beschreibt dann einen christlichen Lebenslauf, der aufschlussreiche Informationen über die Veränderungen enthält, die sich in der Mitte des 4. Jahrhunderts in den christlichen Familien der römischen Aristokratie abgespielt hatten. Nach dem Tod ihres Mannes war Marcella, die aus einer „Familie von Konsuln und Präfekten“ stammte, von Naeratius Cerealis ein Heiratsantrag gemacht worden. Cerealis, der zwei Generationen älter als Marcella war, hatte schon 328 das wichtige Amt des Beauftragten für die Lebensmittelversorgung Roms bekleidet, war 352 zum Stadtpräfekten ernannt und 358 mit dem Konsulat geehrt worden. Er gehörte also zur Spitze der Gesellschaft. Cerealis habe nun, so schreibt Hieronymus, im Jahr seines Konsulats um Marcella geworben, weil ihn ihre Jugend, ihre vornehme Herkunft, ihre Sittsamkeit und ihre Schönheit gefesselt hätten. Seines eigenen, hohen Alters wohl bewusst, habe Cerealis Marcella klargemacht, dass sie als seine Frau alsbald seine Erbin sein würde, worauf Marcella geantwortet habe: Wenn sie denn heiraten wollte, würde sie sich einen Bräutigam, nicht aber eine Erbschaft suchen.152 Dass die noch junge Frau nach ihrer ersten Ehe nicht wieder heiraten wollte, war ein deutlicher Ausdruck ihrer christlichen Ideale. Seit Langem wurde in der Kirche die einmalige Ehe propagiert, was einen Kompromiss zwischen dem Ideal der Jungfräulichkeit und den Forderungen der Gesellschaft darstellte.153 In den heidnischen Kreisen war es dagegen üblich, mehr als einmal zu heiraten, zumal die Eheverbindungen nicht nur den gewünschten Nachwuchs hervorbringen, sondern auch das soziale und ökonomische Kapital der beteiligten Familien erhöhen sollten. Marcella folgte stattdessen dem neuen, christlichen Weg, nicht anders als Paula, doch der Unterschied zwischen den beiden Frauen bestand darin, dass Paula vor ihrer Entscheidung zum asketischen Leben vier Kinder zur Welt gebracht hatte, Marcella dagegen ohne Kinder geblieben war. Entsprechend verärgert war auch Marcellas Mutter Albina über den Korb, den ihre Tochter 146
Die frommen Aristokratinnen
dem alten und reichen Cerealis gegeben hatte, der dann tatsächlich kurz nach seinem Konsulat verstarb. Da Marcellas Vater offenkundig nicht mehr lebte, besaß Albina die Verfügungsgewalt über das familiäre Vermögen und entschied nun, dass dieses Vermögen den Kindern ihres Bruders zufallen sollte, weil sie selbst keine Söhne besaß und auf Enkelkinder nicht mehr hoffen konnte. Hieronymus lobt Marcella dafür, sich dieser Entscheidung ihrer Mutter ohne Widerstand gefügt zu haben, obwohl sie doch „die Armenpflege als Beruf“ gewählt hatte.154 Gemeint ist, dass Marcella ihre Erbschaft für karitative Zwecke hätte verwenden können und wollen, wenn ihre Mutter ihr nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Der Konflikt, der hier aufleuchtet, erinnert an die Situation, in die die Familie des Hieronymus geraten war, nachdem sich dieser selbst, sein Bruder und seine Schwester für das zölibatäre Leben entschieden hatten (S. 40). Die Vorbildhaftigkeit, die Marcella trotz des Widerstandes ihrer Mutter erlangt hatte, führte Hieronymus in seinem Nachruf auf den Eindruck zurück, den das ägyptische Mönchtum auf sie gemacht hatte: „Zu jener Zeit kannte noch keine der vornehmen Frauen Roms die Lebensweise der Mönche. Auch wagte es niemand, sich zu derselben zu bekennen wegen der Neuheit dieser Einrichtung und wegen des geringen, verächtlichen Ansehens, das sie damals bei den Leuten genoß. Marcella lernte von alexandrinischen Priestern, dem Bischof Athanasius und seinem Nachfolger Petrus, welche auf der Flucht vor der Verfolgung durch arianische Irrlehrer in Rom, dem sichersten Hafen ihrer Kirchengemeinschaft, Schutz gesucht hatten, die Lebensweise des heiligen Antonius, welcher damals noch lebte, kennen, und sie hörte von den Einrichtungen der Klöster in der Thebais, wie sie Pachomius angeordnet hatte, sowie von den Ordensregeln der Jungfrauen und Witwen. Und sie schämte sich auch nicht, öffentlich auszuüben, was ihr als Gott wohlgefällig erschienen war.“155 Als sich Athanasius während seines zweiten Exils in Rom befand, zunächst 339 und dann noch einmal 346,156 war Marcella noch ein Kind, und als sich Petrus 373 am Tiber aufhielt,157 war ihre Entscheidung gegen eine zweite Ehe und für ein enthaltsames Leben längst gefallen. Man kann den Hinweis des Hieronymus auf Athanasius und Petrus aber auch in einem allgemeineren Sinn so verstehen, dass die beiden Bischöfe von Alexandria das eremitische und das koinobitische 147
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Mönchtum, für das Antonius und Pachomius standen, in Rom bekannt gemacht und damit eine Begeisterung für diese mönchischen Lebensformen ausgelöst hatten, wie sie von Augustinus für die beiden kaiserlichen Kuriere geschildert wird, die vor den Toren Triers bei Eremiten auf die Vita des Heiligen Antonius gestoßen waren. Da er seinen Nachruf aber als christliche Lobrede konzipiert, zentriert Hieronymus alles auf Marcella: Sie hatte von Athanasius und Paulus gelernt, sich ganz dem christlichen Glauben gewidmet und nicht nur ihr eigenes Kloster außerhalb Roms begründet, sondern die Ewige Stadt „durch ihre Lebensweise zu einem zweiten Jerusalem“ gemacht. Denn ihr Vorbild habe zahlreiche Frauen und Männer auf den gleichen Weg geführt, die nun als Nonnen und Mönche in Rom lebten.158 Über sich selbst spricht Hieronymus nicht, doch verweisen seine Hinweise indirekt doch auch auf seine eigene Wirkung. Denn Marcellas Klostergründung erfolgte nach 385, sie erscheint also wie eine Reaktion auf die Abreise des Hieronymus. So kann der Leser des Nachrufs erschließen, dass sich die Wirkung des ägyptischen Mönchtums auf Marcella erst durch Hieronymus richtig hatte durchsetzen können. Man wird zwar nicht fehlgehen, wenn man Hieronymus einen gewissen Einfluss auf die Radikalisierung des christlichen Lebens in Rom zuschreibt, doch ist zugleich festzuhalten, dass die mönchische Bewegung die römische Aristokratie – und vor allem deren weibliche Mitglieder – schon zuvor erfasst hatte. Hieronymus selbst bezeugt dies auch mit seinem Bericht über Melania, die Tochter (oder Enkelin) des Konsulars Antonius Marcellinus.159 Von ihr hatte Hieronymus nur gehört, ohne sie je gesprochen zu haben. Melania war bereits um 372, nach dem Tod ihres Mannes und zweier ihrer drei Kinder, im Alter von etwa zweiundzwanzig Jahren nach Ägypten gegangen, um in der Nähe der Mönche ein abgeschiedenes Leben zu führen. Dort war sie dann mit Hieronymus’ Freund Rufin zusammengetroffen.160 Ein um 374 geschriebener Brief des Hieronymus an Florentinus bezeugt, dass Melania und Rufin inzwischen nach Jerusalem gelangt waren.161 Hier gründete Melania dann auf dem Ölberg ein Kloster, das auch der Beherbergung von Pilgern dienen sollte. So wie Hieronymus, der mit der Aura des ehemaligen Eremiten ausgestattet war, die mönchische Bewegung in Rom gefördert, sie aber – auch seinem eigenen Urteil nach – nicht begründet hat, konnte er mit seiner Morallehre auf dem aufbauen, was von etlichen namhaften 148
„Gegen Helvidius“
Christen bereits propagiert worden war. Denn Askese und Jungfräulichkeit waren seit geraumer Zeit die zentralen Themen der christlichen Ethik. Es gab in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts kaum einen christlichen Schriftsteller, der nicht über die Jungfräulichkeit geschrieben hätte.162 Damasus, der Bischof von Rom, dessen Schwester Irene ein nonnenhaftes Leben in Rom führte, hat eine allerdings nicht überlieferte Abhandlung dazu verfasst, Ambrosius schrieb nach 378 mehrfach zu diesem Thema,163 und Augustinus folgte dann später, ab Beginn des 5. Jahrhunderts, mit mehreren Schriften.164 Das Ideal der Jungfräulichkeit war aber nicht unumstritten, und so sah sich Hieronymus bereits in Rom veranlasst, diese nicht nur in seinen offenen Briefen an die christlichen Aristokratinnen zu preisen, sondern auch theologisch am Beispiel der Maria zu verteidigen. Später in Bethlehem sollte er die Debatte mit seiner Streitschrift gegen Jovinian fortsetzen, der keinen moralischen Unterschied zwischen einem zölibatären und einem ehelichen Leben gelten lassen wollte und auch die Auffassung von der dauerhaften Jungfräulichkeit Marias verwarf.165 Maria war insofern der unausweichliche Bezugspunkt, als etliche Stellen des Neuen Testaments Hinweise auf Geschwister Jesu geben, die aus einer natürlichen Zeugung hervorgegangen zu sein scheinen. Wie aber konnte das Ideal der dauerhaften Jungfrauenschaft mit dem Verweis auf Maria begründet werden, wenn sie nach der wundersamen Geburt Jesu geschlechtlichen Umgang mit Joseph gepflegt haben sollte? Diese kritische Position hatte während der Jahre, die Hieronymus in Rom verbrachte, ein Kleriker namens Helvidius vertreten, von dem nicht viel mehr bekannt ist, als dass er ein Schüler des arianischen Bischofs Auxentius und ein „Nachahmer“ des heidnischen Rhetors und Senators Symmachus gewesen sein soll; diese in ihrer Kombination kuriosen Informationen, die vermutlich polemischer Natur sind, liefert Gennadius im 5. Jahrhundert in seiner Fortsetzung des hieronymianischen Autorenkatalogs.166
„Gegen Helvidius“ Helvidius hatte seinerseits eine Streitschrift gegen einen gewissen Craterius gerichtet, über den ansonsten keine weiteren Informationen vorliegen. In seiner Schrift, die ihrerseits aus der Entgegnung des Hieronymus rekonstruiert werden muss, hatte Helvidius die Auffassung 149
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vertreten, dass Maria zwar Jesus jungfräulich geboren habe, dann aber zur Mutter von Brüdern und Schwestern Jesu geworden sei. Angesichts der Unruhe, die Helvidius unter den Mönchen Roms verursacht hatte, sah sich Hieronymus aufgefordert, zeitnah in die Diskussion einzugreifen.167 So verfasste er seinen Traktat „Über die beständige Jungfräulichkeit Mariens gegen Helvidius“, mit dem er zum eigentlichen Begründer des katholischen Dogmas von der dauerhaften Jungfräulichkeit Marias wurde. Dass dieses Dogma alsbald als innerkirchliche Rechtsgrundlage angewandt wurde, zeigt bereits die Synode, die 391 in Capua abgehalten wurde; sie setzte den Bischof Bonosus ab, der die Position des Helvidius vertreten hatte.168 Eine Beweisführung gegen Helvidius verlangte einiges an Scharfsinn. Denn konnte man die Stellen im Matthäus-Evangelium, in denen ausdrücklich von den Brüdern Jesu die Rede war, anders verstehen denn als Beweis dafür, dass Jesus tatsächliche natürliche Geschwister gehabt hatte? Im 12. Kapitel des Evangeliums wird erzählt, dass Maria mit ihren anderen Söhnen danach verlangte, Jesus zu sprechen, und im 13. Kapitel, das in Nazareth spielt, wird das Erstaunen, das die Anwesenden ergreift, als Jesus in der Synagoge predigt, mit den Sätzen wiedergegeben: „Ist dieser nicht des Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria, und sind nicht seine Brüder Jakobus, Josef, Simon und Judas sowie alle seine Schwestern unter uns?“ Gegen diese Art von Schriftbeweis entwickelte Hieronymus philologische Argumente. Zugleich reagierte er auf ironische und polemische Weise, indem er Helvidius sprachliches Unvermögen, Dummheit, Wahnsinn und „Gottlosigkeit“ vorwarf und ihn beschuldigte, es dem Herostratos gleichtun zu wollen, der 356 v. Chr. den Tempel der Artemis in Ephesus angezündet hatte, um seinen eigenen Namen unsterblich zu machen: „O du dümmster aller Menschen […] Du hast den Tempel des Herrenleibes in Brand gesteckt, du hast das Heiligtum des Heiligen Geistes besudelt […] Du hast erreicht, was du erstrebt hast; durch eine Freveltat hast du Berühmtheit erlangt. Die Sprachfehler, von denen deine ganze Schrift wimmelt, will ich übergehen. Ich will kein Wort verlieren über den lächerlichen Anfang: ‚O Zeiten, o Sitten!‘ Ich frage nicht nach Beredsamkeit, die du, obwohl sie dir selbst abgeht, beim Bruder Craterius vermißt hast. Ich fordere keine glänzende Sprache, aber Reinheit der Seele.“169 150
„Gegen Helvidius“
Dient die Polemik dazu, den Gegner zu diskreditieren, so zeichnen sich die philologischen Argumente durch ein gehöriges Maß an Spitzfindigkeit aus. Es sei keineswegs zwingend, aus der Bezeichnung „Verlobte“ für Maria zu schließen, dass sie später zur Ehefrau im geschlechtlichen Sinne geworden sei; hier sei doch nur von einer Absicht, nicht aber von ihrer Realisierung die Rede. Wenn Maria selbst Joseph als Jesu Vater bezeichne (Luk. 2,48), tue sie dies nicht im wörtlichen Sinne, sondern, weil Joseph, um Marias guten Ruf zu wahren, sich immer als ihr Mann ausgegeben habe.170 Wenn Helvidius meine, aus der Formulierung, Joseph habe Maria „nicht erkannt, bis sie ihren Sohn geboren hatte“, schließen zu können, dass es danach zum Geschlechtsverkehr zwischen den Eltern Jesu gekommen sei, dann verstehe er die lateinische Sprache nicht richtig: „Erkennen“ sei hier im allgemeinen Sinne gemeint und „bis“ habe keine zeitlich begrenzende Bedeutung, denn sonst müsste man den Satz Christi, dass er „bis an das Ende der Welt“ bei seinen Jüngern sei, so verstehen, dass dies nach dem Ende der Welt nicht mehr der Fall sein sollte, was im Rahmen des christlichen Glaubens per definitionem als sinnlos erscheine.171 Und in dieser Weise geht es bei Hieronymus über viele Seiten weiter. Wenn Jesus als „Erstgeborener“ (der jungfräulichen Maria) bezeichnet werde, heiße das nicht, dass ihm natürliche Geschwister gefolgt wären, und der Ausdruck „Bruder“ habe in den Heiligen Schriften bekanntlich mehr als eine Bedeutung: Er meint „den natürlichen Bruder, die Zugehörigkeit zu demselben Volke, die Verwandtschaft und ein auf Zuneigung gründendes Verhältnis“.172 Für alle diese Bedeutungen nennt Hieronymus etliche Belege, denn Helvidius müsse, damit er keine „Ausflüchte macht und wie eine schlüpfrige Schlange entwischt […] gleichsam mit einer ganzen Kette von Beweisen erdrückt“ werden.173 Nachdem dies geleistet ist, kann Hieronymus zu einem vorläufigen Resümee kommen: „Daß Gott aus einer Jungfrau geboren ist, glauben wir, weil wir es lesen. Daß Maria nach der Geburt ehelichen Verkehr gepflogen habe, glauben wir nicht, weil wir es nicht lesen. Dies sage ich nicht deshalb, weil ich etwa das Eheleben verachte, denn die Jungfräulichkeit ist ja selbst eine Frucht der Ehe, sondern weil es uns nicht zusteht, über heilige Männer freventlich zu urteilen.“174 Damit ist Hieronymus bei der zweiten zentralen Frage angelangt, die sich für die Christen stellte, wenn man die Jungfräulichkeit idealisierte. 151
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Waren Ehen denn nicht generell ein Hindernis auf dem Weg zum Seelenheil und zur jenseitigen Erlösung? Sollte sich die ganze Menschheit in christlich-asketischer Entschlossenheit von der Welt verabschieden, indem sie sich der Fortpflanzung enthielt? Wie wenig später auch im Brief an Eustochium verneint Hieronymus die erste und bejaht die zweite Frage. In den Zeiten des Alten Bundes bestand ein Ehegebot, wie es in Genesis 1,18 formuliert ist: „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde.“ Doch lebe man jetzt im Neuen Bund und am „Ende der Zeiten“. Und deshalb gelte nun, was Paulus gelehrt habe: Verheiratet zu sein, bedeute, sich auf Weltliches einzulassen, und damit verfehle man die eigentliche Aufgabe, sich vollständig auf Gott auszurichten. Hieronymus ist von Abscheu erfüllt, wenn er die Schrecken des Ehelebens beschreibt; wie er dies tut, zeigt indes wieder seine rhetorische Meisterschaft: „Kommt es etwa für dich auf das gleiche heraus, Tag und Nacht dem Gebete zu weihen und zu fasten, oder bei Ankunft des Gatten ein freundliches Gesicht zu machen, ihm entgegenzueilen, Schmeichelreden zu heucheln? Jene sinnt darauf, noch häßlicher auszusehen und die natürlichen Vorzüge zu entstellen. Diese aber schminkt sich im Spiegel, und ihrem Schöpfer zum Trotz sucht sie schöner zu sein, als die Natur es ihr gegeben hat. Dann schwatzen die Kleinen, das Gesinde lärmt, da hängen an ihren Küssen und an ihrem Munde die Kinder, man rechnet die Ausgaben zusammen, man richtet sich auf den nötigen Aufwand ein. Hier zerhackt die geschäftige Schar der Köche das Fleisch, und eine Reihe von Weberinnen flüstert zusammen. Unterdessen trifft die Meldung ein, daß der Herr mit seinen Gästen angekommen ist. Die Herrin durchmustert nach Art der Schwalbe alle Gemächer, ob das Polster aufgefüllt und der Fußboden gescheuert ist, ob die Becher sauber sind, ob das Mahl fertig dasteht. Ich bitte dich, mir Auskunft darüber zu geben, wo bei all diesen Beschäftigungen ein Gedanke an Gott Platz hat? Und dies sollen glückliche Häuser sein! Übrigens, wo die Pauken erschallen, wo die Flöte geblasen und die Leier geschlagen wird, wo die Zimbel lärmt, was für eine Gottesfurcht wohnt da? Der Schmarotzer gefällt sich in Schmähreden; es treten ein der bösen Lust preisgegebene Opfer, welche bei ihrer dünnen Kleidung sozusagen nackt den schamlosen Blicken sich aussetzen. An diesen Dingen ergötzt sich 152
Die gelehrten Asketinnen
nun die unglückliche Gattin und geht zugrunde, oder sie nimmt Anstoß daran und gerät mit ihrem Gatten in Streit. Daher kommt die Zwietracht, die Pflanzstätte der Ehescheidung. […] Wen würden die Verwaltung des Hauswesens, die Erziehung der Kinder, die Bedürfnisse des Mannes, die Zurechtweisung der Dienstboten nicht vom Gedanken an Gott ablenken?“175 Im Anschluss an diese Beschreibung des hausfraulichen Alltags versichert Hieronymus, es gebe gewiss auch unter den Witwen und Verheirateten heilige Frauen, aber das könnte eben nur der Fall sein, wenn sie ein keusches Leben führten. Paulus habe zu Recht niemanden zu einem solchen Leben zwingen wollen, denn nicht jeder sei dazu in der Lage. Aber noch einmal betont Hieronymus in einem fulminanten Finale, dass das Ende der Welt gekommen sei. Wie könne denn jetzt noch, auf dieser überfüllten Welt und angesichts der allgegenwärtigen Kriege, Krankheiten und Schiffbrüche, über das Gebot zur Enthaltsamkeit gestritten werden?
Die gelehrten Asketinnen Die exegetische und philologische Gelehrsamkeit, die Hieronymus in seiner Schrift gegen Helvidius polemisch ausbreitete, dürfte nach dem Geschmack der frommen Frauen in Rom gewesen sein. Hieronymus setzte sich mit allem Nachdruck für ihre Sache ein und tat dies auf dem höchsten sprachlichen wie inhaltlichen Niveau. Frauen wie Marcella oder Paula, die aus den führenden Familien stammten, besaßen auch ihrerseits eine erstklassige Ausbildung. Gerne weist Hieronymus darauf hin, dass sie ihn intellektuell herausgefordert und mit Fragen bedrängt hätten, und er betont ihre großen Leistungen im Studium der Heiligen Schriften oder auch des Hebräischen. Marcella etwa habe ihn mit ihrem exegetischen Interesse immer wieder zum Nachdenken angeregt, und es habe kein Zusammentreffen ohne neue Fragen gegeben.176 Später sei sie in Rom auch eine der treibenden Kräfte zur Verurteilung der häretischen Aussagen des Origenes gewesen.177 Und selbst die jung verstorbene Blesilla soll nicht nur Latein und Griechisch so perfekt beherrscht haben, dass man ihre eigentliche Muttersprache nicht mehr erkennen konnte. Auch das Hebräische soll sie so schnell gelernt haben, dass sie selbst Origenes übertroffen habe, der doch zur 153
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Verwunderung seiner Zeitgenossen für das Studium dieser Sprache nur wenige Monate benötigt habe.178 Die meisten Frauen in Rom, deren christlichen Eifer Hieronymus lobt und anstachelt, waren miteinander bekannt oder lebten sogar zusammen. Principia war als „Schülerin“ der Marcella die Empfängerin des Trostbriefes nach Marcellas Tod, und in diesem erwähnt Hieronymus, dass Eustochium, die Tochter Paulas, ebenfalls von Marcella „erzogen“ worden sei.179 384 schrieb Hieronymus einen Brief an Marcella, in dem er wiederum eine Verwandte (möglicherweise die Schwester) der Marcella namens Asella, die völlig abgeschieden lebte, als Muster christlicher Lebensführung pries, vermutlich ohne diese Frau persönlich kennengelernt zu haben. Seine Informationen verdankte er wohl Marcella. So wie Marcella soll auch Asella, durch Athanasius beeinflusst, früh zum asketischen Leben gelangt sein. Schon vor ihrer Geburt wurde sie „im Mutterleib gesegnet“, also für ein jungfräuliches Leben bestimmt, und als Elfjährige sei diese Entscheidung dann durch eine Weihe bestätigt worden.180 Der ganzen Verwandtschaft sei damals klar geworden, so berichtet Hieronymus, dass Asella „für die Welt nicht wiedergewonnen werden konnte“, also niemals eine Ehe eingehen würde.181 „Fasten war ihre Lust und Hungern ihre Erholung.“182 Da Hieronymus anerkennend feststellt, dass Asella „trotz dieser Lebensweise mit Gottes Hilfe das fünfzigste Lebensjahr erreichte, ohne irgendwelche Magenbeschwerden und ohne Nachteile für die Verdauungsorgane“ erlitten zu haben, lässt sich ihre Geburt auf etwa 335 datieren. Wenn sich Asellas Eltern schon damals dazu entschieden hatten, ihr Kind zur Nonne zu machen, muss das asketische Ideal in der römischen Aristokratie schon vor der Ankunft des Athanasius eine erste Wirkung entfaltet haben.183 An Marcella ist noch ein weiterer Brief gerichtet, in dem Hieronymus über das Leben der frommen Aristokratinnen berichtet. Im Mittelpunkt steht Lea, die gerade verstorben war. Sie wird in kurzen Sätzen als Dienerin Gottes und – im völligen Wechsel der sozialen Rolle – auch aller Menschen bezeichnet: Aus der Herrin war eine „Dienstmagd aller“ und eine „Dienstmagd Christi“ geworden. Als Vorsteherin eines Klosters leitete sie die dort versammelten Jungfrauen weniger durch Vorschriften als durch ihr eigenes Vorbild.184 Die Nachricht vom Tode Leas hatte Hieronymus und Marcella an einem Vormittag erreicht, als sie gemeinsam den 73. Psalm lasen, Hie154
Paula
ronymus ihn Vers für Vers auslegte und über die Textvarianten zum Vers 25 sprach.185 Nachmittags schrieb Hieronymus an Marcella, um an Leas frommes Leben zu erinnern, und er tat dies ausdrücklich auch deshalb, weil Leas Tod ihm die Gelegenheit gab, zugleich über einen jüngst verstorbenen prominenten Heiden zu schreiben, der nun im Gegensatz zur erlösten Lea im Tartarus gefangen sei. Gemeint ist Vettius Agorius Praetextatus, der zur heidnischen Elite Roms gehörte. Praetextatus war Stadtpräfekt gewesen, amtierte als Prätorianerpräfekt für die Diözese Italien, Illyricum und Africa und sollte in Kürze sein Konsulat antreten, als ihn der Tod ereilte.186 Aus Hieronymus’ Trostbrief wird so, im Vergleich zwischen Lea und Praetextatus, ein hämischer Ausruf über die Verworfenheit des angesehenen Heiden: „Wie doch die Dinge sich ändern! Noch vor wenigen Tagen standen ihm die höchsten Würden in Aussicht. Wie ein Triumphator nach seinem Sieg über die Feinde stieg er hinauf zur Burg des Kapitols. Mit Beifall und Jauchzen überschüttete ihn noch eben das Volk Roms, als die überraschende Nachricht von seinem Tode die ganze Stadt erschreckte. Und jetzt ist er einsam und verlassen, nicht im glänzenden Götterpalast, wie seine unglückliche Gattin sich vortäuscht, sondern in Schmutz und Finsternis.“187
Paula Die für ihn wichtigste Frau, die Hieronymus in Rom kennenlernte, war Paula. Zu ihr und ihrer Familie entstand eine enge Bindung, wobei das nahe Verhältnis zu Paula auch die Krise überdauerte, die durch den frühen Tod der Tochter Blesilla 384 ausgelöst wurde. Die aus der Familie der Aemilier und damit aus den führenden Kreisen Roms stammende Paula hatte, um kurz daran zu erinnern, nach dem Tod ihres Mannes Toxotius die Entscheidung getroffen, von nun an ein christlich-asketisches Lebens zu führen, und auch drei ihrer vier Töchter – Blesilla, Julia Eustochium und Paulina – folgten ihr auf diesem Weg. Die Entscheidung war um 380 gefallen, also geraume Zeit bevor Hieronymus nach Rom kam. Paula muss von ihrem christlichen Ideal vollständig erfüllt gewesen sein, denn alles deutet darauf hin, dass sie an einem innerfamiliären Ausgleich zwischen Askese einerseits und Weltbezug andererseits nicht interessiert war. Man könnte vermuten, 155
4 In den Hauptstädten
Claude Lorrain (1600–1682), Einschiffung der Heiligen Paula in Ostia (Prado).481 ◆◆
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Paula
dass Paula als Mutter von insgesamt fünf Kindern die Entscheidung zur dauerhaften Witwenschaft, zur Askese und Wohltätigkeit unter der Voraussetzung etwas leichter gefallen sein könnte, dass einige ihrer Kinder heiraten und Enkelkinder zeugen würden, wie es tatsächlich auch geschehen ist. Aber zumindest Hieronymus vermittelt den Eindruck, dass sich Paula von ihren beiden im weltlichen Stand verbleibenden Kindern – der Tochter Rufina und dem Sohn Toxotius – rigoros getrennt habe: Ihre Abreise in den Osten soll 385 vor der unmittelbar bevorstehenden Hochzeit der Tochter Rufina erfolgt sein, ohne Rücksicht auf die Bitten der Braut, an diesem für ihr eigenes Leben so zentralen Ereignis doch erst noch teilzunehmen. Nach mehr geht zu Herzen, wie Hieronymus in der Abschiedsszene von Portus (und nicht von Ostia, wie es der Titel des Bildes von Lorrain suggeriert) den Trennungsschmerz des kleinen Toxotius beschreibt. Wieder erweist sich Hieronymus als Meister eindringlicher Bilder. Er selbst hat die Szene gar nicht miterlebt; die Abfahrt Paulas, die von Eustochium begleitet wurde, folgte erst einige Monate nach seinem eigenen sehr eiligen Aufbruch: „Paula ging hinunter zum Hafen, begleitet von ihrem Bruder, ihren Verwandten und Schwägern und, was den tiefsten Eindruck machte, gefolgt von ihren Kindern. Die Segel wurden bereits gehisst, und der Ruderschlag trug das Schiff auf die hohe See. Bittend streckte der kleine Toxotius am Ufer die Hände aus. Rufina, deren Hochzeit nahe bevorstand, beschwor die Mutter schweigend durch ihre Tränen, doch die Vermählung abzuwarten. Paula aber blickte trockenen Auges zum Himmel und besiegte durch die Anhänglichkeit an Gott ihre Zuneigung zu den Kindern. Sie vergaß ihre Mutterliebe, um sich als Magd Christi zu bewähren, wenn sie sich auch in ihrem Innern quälte und mit dem Schmerz kämpfte, gerade als ob ihre Glieder auseinandergerissen würden. Für alle wurde sie dadurch, daß sie eine so große Liebe zu überwinden verstand, ein Gegenstand höchster Bewunderung.“189 Während Paulas Tochter Blesilla sich nach dem frühen Tod ihres Mannes einer strengen Askese unterzogen hat und 384 nach viermonatigem Fasten im Alter von zwanzig Jahren an Entkräftung verstarb (S. 12 ff.), hat Eustochium ihre Mutter Paula überlebt. Beide verbrach157
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ten einen großen Teil ihres Lebens im Frauenkloster zu Bethlehem, das Hieronymus und Paula gegründet hatten, und Eustochium übernahm die Leitung des Klosters, nachdem ihre Mutter 404 gestorben war. Paula sollte immerhin sechsundfünfzig Jahre alt werden, Eustochium etwa zweiundfünfzig. Die dritte Tochter, Paulina, heiratete um 387 den römischen Aristokraten Pammachius. Nachdem die Ehe während der zehn Jahre, die Paulina noch leben sollte, kinderlos geblieben war, entschied sich dann auch Pammachius, Mönch zu werden. Das hat Hieronymus von Bethlehem aus mit großer Freude kommentiert, als er Pammachius einen Trostbrief zum Tod der Paulina schrieb. Für ihn war es ein weiterer Beweis für die Kraft des christlichen Glaubens, der im Begriff war, die altrömische Welt vollständig umzuwandeln. Dass Pammachius, der aus der Familie der Furier stammte, die über die Jahrhunderte der römischen Geschichte immer wieder Konsuln gestellt hatte, nun im Mönchsgewand durch Rom schritt, ohne die Blicke seiner früheren Standesgenossen zu fürchten, wäre vor Kurzem noch ganz undenkbar gewesen.190 Als Christ hatte Pammachius mit seiner Entscheidung soziale Grenzen überschritten, wie Hieronymus, der selbst aus einer Familie besseren Standes kam, mit feinem Gespür und lobend verzeichnete. Denn Pammachius scheute sich nun als Mönch nicht mehr, mit einfachen, ungebildeten und armen Leuten zu verkehren: „Je mehr er sich verdemütigt, desto erhabener steht er da.“191 Hieronymus betont in diesem Zusammenhang, dass Pammachius „als einer der ersten aus patrizischem Geschlechte das Mönchsleben begonnen“ habe.192 In Portus hatte Pammachius eine Herberge für Pilger errichtet und ansonsten auf sein Vermögen zugunsten der Armen verzichtet.193 Über das weitere Leben der Rufina, die 385 in Rom geblieben war, um zu heiraten, ist nur bekannt, dass auch sie früh verstarb.194 In der Ehe, die Paulas einziger Sohn Toxotius, den sie sehr jung in Rom zurückgelassen hatte, später mit Laeta, der Tochter des heidnischen Priesters Albinus, einging, wurde um 395 die jüngere Paula geboren, zu deren Erziehung sich dann Laeta Ratschläge von Hieronymus aus Bethlehem erbat. Auch die jüngere Paula war (wie Asella) schon vor ihrer Geburt Gott geweiht worden;195 das entsprach der von Hieronymus propagierten Rangfolge von Jungfräulichkeit und Ehe: Wenn denn schon Ehen geschlossen wurden, dann konnten sie Kinder hervorbringen, die sich ihrerseits dem Ideal der Keuschheit unterwerfen 158
Paula
würden. Laeta scheint Hieronymus’ Vorschlag, die jüngere Paula zur Erziehung in das von ihrer Großmutter geleitete Kloster in Bethlehem zu verschicken, zwar nicht gefolgt zu sein, da das Mädchen zunächst in Rom blieb. Später aber, um 416, ist die jüngere Paula dann doch in Bethlehem anzutreffen.196 Der längste Nachruf, den Hieronymus je geschrieben hat, ist der älteren Paula gewidmet. Das entspricht der Bedeutung, die sie für ihn gehabt hat. Sowohl während der wenigen Jahre, die Hieronymus in Rom verbracht hat, als auch während der Jahrzehnte in Bethlehem setzte Paula konsequent und dauerhaft das moraltheologische Programm um, das Hieronymus verkündete und auch an ihr exemplifizierte. Wie weit sie, deren Entscheidung zur Askese Jahre zurücklag, als Hieronymus nach Rom kam, ihn in seinen Ansichten beeinflusst und bestärkt hat, lässt sich nicht ausmachen. Im Nachruf ist von solcher Interaktion nicht die Rede, wie überhaupt Paulas Leben vor dem Aufbruch in das Heilige Land nur kurz abgehandelt wird. Nichts wird über ihre Kindheit und Jugend, etwa über ihre Erziehung, gesagt; andere mögen, so meint Hieronymus, „von ihrem Kinderspielzeug berichten, sie mögen berichten, dass Blesilla ihre Mutter, Rogatus ihr Vater war“.197 Auch die Ehejahre werden nur gestreift, doch gibt Hieronymus wenigstens eine akkurate Liste von Paulas fünf Kindern. Wichtiger ist ihm, auf die aristokratische Herkunft der Eltern hinzuweisen; das fügt sich in sein Bild von der christlichen Verwandlung der alten Welt: Als Tochter eines Vaters, der seine Familie auf Agamemnon, und einer Mutter, die ihre Familie auf die Scipionen und Gracchen zurückführen konnte, hat Paula „die goldfunkelnden Dächer“ ihres römischen Palastes „mit der armseligen, unförmlichen Lehmhütte“ des Klosters in Bethlehem vertauscht.198 Und aus den zahlreichen Sklaven, die in Rom zum Haushalt der Paula gehört hatten, wurden ihre „Schwestern und Brüder“.199 In diesem biographischen und sozialen Umbruch spiegelt sich für Hieronymus der religiöse Aufbruch, von dem das Römische Reich erfasst ist, und entsprechend ist der größte Teil seines Nachrufes den Jahren gewidmet, die seit Paulas Abreise aus Rom bis zu ihrem Tod im Januar 404 vergangen sind. Nur in dem Brief, den er unmittelbar nach seiner eigenen Abreise aus Rom an Asella geschrieben hat, zeichnet er Paulas Leben in Rom in einigen starken Zügen nach, mit denen er ihre Askese herausstellt. In diesem Brief verteidigt er sich gegen die Vorwürfe, die nach dem Tod des Damasus gegen ihn laut geworden sind. Man hatte gemeint, 159
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ihm eine unkeusche Beziehung zu Paula vorhalten zu können. Dagegen wandte Hieronymus ein, keine unter den römischen Frauen habe „sein Herz erobern“ können: „Sie [Paula] aber soll das erreicht haben, die ein Leben der Buße und Abtötung führte und nur Nonnenkleidung trug, deren Augen vom vielen Weinen beinahe erblindet waren? Sie, die ganze Nächte hindurch Gottes Barmherzigkeit herabflehte und hierbei des kommenden Tageslichtes kaum gewahr wurde? Sie, deren Lied die Psalmen, deren Wort das Evangelium, deren Freude die Enthaltsamkeit und deren Leben Fasten war? Keine andere konnte mir Interesse abgewinnen als ausgerechnet Paula, die ich nicht ein einziges Mal essen sah? Als ich sie wegen ihrer Hochschätzung der Keuschheit zu achten, zu schätzen und zu verehren anfing, da sind mit einem Mal sämtliche Tugenden von mir gewichen?“200 Mit Blick auf Rom erwähnt Hieronymus in seinem Nachruf auf Paula, dass ihre Wohltätigkeit Ärger erregte. Da sie durch ihre Spenden ihre Kinder „beraubt“ habe, sei sie von ihren Verwandten getadelt worden. Hieronymus sollte sich später, wie er an anderer Stelle des Nachrufs festhält, selbst genötigt sehen, Paula zu einem vorsichtigeren Umgang mit ihren finanziellen Mitteln aufzurufen, da ihm die Überlebensfähigkeit der Klöster in Bethlehem bedroht erschien. Wie einst in Rom ihrer Verwandtschaft, so erklärte Paula dann auch Hieronymus in Bethlehem, dass es auf weltlichen Besitz nicht ankomme.201 Tatsächlich wurde ihr in ihren letzten Lebensjahren gemeldet, dass ihr Vermögen aufgebraucht sei, worauf sie nur mit Matthäus 16,26 geantwortet haben soll, dass es dem Menschen wenig nütze, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er zugleich Schaden an seiner Seele nehme. Schon in Rom soll Paula beinahe den „gesamten Reichtum des vornehmen und früher auch sehr begüterten Hauses an die Armen verteilt haben“.202 Dass Hieronymus hier stark übertreibt, ist offensichtlich; träfe seine Aussage zu, hätte es nicht mehr zum Bau der Klöster kommen können. Paulas Vermögen war so groß, dass sie sich ihre Freigebigkeit über Jahre und Jahrzehnte leisten konnte. Aber ist sie mit ihren Kindern tatsächlich so hart verfahren, wie Hieronymus glauben machen will? Er selbst sagt über Paulas früh verstorbene Tochter Paulina, die Ehefrau des Pammachius, diese habe ihren Mann als „Erben ihrer Gesinnung und ihres Vermögens“ zurückgelassen.203 Woher stammte die 160
Paula
Mitgift der Paulina, wenn nicht aus dem elterlichen Besitz? Es ist unwahrscheinlich, dass die Geschwister der Paula – sie hatte einen Bruder und mehrere Schwestern – eingesprungen sind, um ihre Nichte auszustatten.204 Bei ihrem Tod aber, so schreibt Hieronymus in seinem Nachruf, habe Paula „alle die Ihrigen arm“ zurückgelassen.205 Wenn man Hieronymus glauben darf, dann haben Paulas Geschwister versucht, auf geradezu subversive Weise Einfluss auf Eustochium zu nehmen. Hieronymus schildert diese Episode in seinem Brief, den er 401 für Laeta über die Erziehung der jungen Paula verfasst hat. Hier dient das Exempel aus Rom zur Warnung vor der Putzsucht der Frauen. Die Episode liegt mehr als fünfzehn Jahre zurück. In der Rückschau verdichtet Hieronymus seine Erzählung zur dramatischen Abfolge dreier Schritte: Auf den Versuch der Verführung folgt die Ankündigung der göttlichen Strafe und schließlich ihr Vollzug. Was war geschehen? Paulas Bruder Hymetius war mit Praetexta verheiratet, und diese angeheiratete Tante wollte im Auftrag ihres Mannes Eustochium von ihrem Plan abbringen, ein jungfräuliches Leben zu führen. Der Anschlag zielte auf die weibliche Eitelkeit, denn Praetexta tat nicht mehr, als das vernachlässigte Aussehen der jungen Frau zu korrigieren, indem sie ihre Frisur neu richtete. Dagegen schritt alsbald der Engel Gottes ein: „Da sah Praetexta in derselben Nacht im Traum einen Engel mit furchterregendem Antlitz. Drohenden Blickes brach er in die Worte aus: ‚Du hast es gewagt, deines Mannes Weisung über Christi Befehl zu stellen? Du hast dich unterfangen, das Haupt einer gottgeweihten Jungfrau mit deinen frevlerischen Händen zu berühren? Dafür sollen diese jetzt verdorren, und aus der Schwere der Strafe soll dir der Grad deiner Verfehlung zum Bewußtsein kommen. Nach fünf Monaten wirst du des Todes sein. Beharrst du aber bei deiner Freveltat, dann wirst du auch deines Gatten und deiner Kinder beraubt werden.‘ Alles traf der Reihe nach ein, und die unglückliche Frau mußte ihre zu späte Reue mit einem baldigen Tode büßen.“206 Für Hieronymus zeigt die harte Strafe, die über Praetexta und ihre Familie hereinbrach, wie Christus „an denen Rache“ nimmt, „die seinen Tempel entheiligen“. Es gehe ihm keineswegs darum, die unglückliche Praetexta bloßzustellen; er wolle Laeta nur davor warnen, den für die kleine Paula eingeschlagenen Weg zu Jungfräulichkeit und Askese wieder zu verlassen. 161
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Kritik an den Mönchen Wie immer man die Praetexta-Episode auch bewerten möchte, wird man jedenfalls davon ausgehen müssen, dass Hieronymus in den Familien der frommen Frauen, mit denen er in Rom verkehrte, nicht nur auf Zustimmung stieß. Gestritten wurde in den christlichen Kreisen sicher nicht nur um das Ideal der Keuschheit, sondern auch um die Rolle der Mönche in der Stadt und im Besonderen um den Einfluss, den Einzelne von ihnen – wie Hieronymus – auf die gesellschaftliche Elite gewinnen konnten. Da sich Hieronymus darüber hinaus auch nicht scheute, scharfe Kritik an den Klerikern zu üben, die seiner Meinung nach eine zu laxe Haltung an den Tag legten, dürfte er sich unter den römischen Christen einige Feinde gemacht haben, ganz zu schweigen von der Ablehnung, mit der man seinesgleichen in der heidnischen Senatsaristokratie begegnete. Eine literarisch mitreißende Schilderung vom Schlendrian, der sich in der römischen Kirche breitgemacht hatte, gibt Hieronymus in seinem Brief an Eustochium. Bei seiner Erzählung über den „alten Schmatzer“, einen Priester, der durch die Häuser der Reichen läuft, um von ihrem Wohlstand zu profitieren, fühlt man sich an die „Charaktere“ des Theophrast oder an das „Decamerone“ Boccaccios erinnert: „Es gibt Leute meines Standes, die deshalb nach der Priester- und Diakonatswürde streben, damit sie ungestörter Frauen besuchen können. Ihre einzige Sorge ist der Anzug, das feine Parfüm, ein Schuh, der nicht wie ein Blasebalg am Fuße schlottert. Mit einer Brennschere kräuseln sie ihre Haare, an den Fingern glänzen Ringe. Gehen sie auf der Straße, so treten sie kaum auf, damit ihre Füße nicht vom Straßendreck bespritzt werden. Wenn man sie sieht, dann möchte man sie eher für Freier als für Geistliche halten. Für einige besteht die ganze Lebensbeschäftigung darin, sich mit Namen, Wohnung und Lebensart vornehmer Frauen bekanntzumachen. Ich will einmal einen von diesen Männern, der in dieser Kunst Meister ist, ganz kurz schildern. Wenn Du nämlich den Meister kennst, dann kannst Du Dir eher einen Begriff von den Schülern machen. Mit der Sonne steht er eilig auf. Er legt sich seine Besuchsordnung zurecht und rechnet sich die kürzesten Wege aus. Beinahe dringt der rücksichtslose Graukopf bis zum Bette der noch Schlafen162
Angriffe auf Hieronymus
den vor. Sieht er ein kleines Kissen, ein gesticktes Handtuch oder sonst etwas, was zum Haushalt gehört, dann lobt und bewundert er es. Er nimmt es in seine Finger und klagt, daß ihm ein solches Stück gerade abgeht. Man kann schon sagen, er bittet nicht darum, sondern er erpreßt es. Denn schließlich fürchtet sich jede Frau, es mit dem Stadtboten zu verderben. Von Keuschheit und Fasten will er nichts wissen. Er zieht den Duft ein, um die Mahlzeit zu prüfen, und lobt: ‚Geflügel‘. Im Volksmunde heißt er nur ‚der alte Schmatzer‘ (pipizo). Seine Worte verraten keine Bildung und kommen überstürzt heraus, stets bereit, über andere herzuziehen. Wo immer Du hinkommst, überall drängt er sich vor. Gibt es etwas Neues, so weiß er davon, nicht selten mit Übertreibungen, zu erzählen.“207 Wenn Hieronymus darüber hinaus auch die Asketen kritisierte, die im schwarzen Gewand und mit Bußketten behängt barfuß durch die Straßen Roms liefen und sich Zugang zu den vornehmen Häusern verschafften, wird er wohl nicht daran gedacht haben, dass man auch ihn für einen dieser aufdringlichen und scheinheiligen Bußprediger halten konnte. Er attackierte jene Asketen, die „die sündenbeladenen Weiblein betören, die immer lernen wollen und nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, verkehrte aber selbst mit Paula und anderen frommen Aristokratinnen. Er unterstellte jenen, nur zum Schein zu fasten, um sich dann nachts und heimlich den Bauch zu füllen, und predigte selbst eine äußerst harte Askese, die zuletzt zum Tod der Blesilla führen sollte. Einen Mahnbrief und keine Satire wollte er schreiben, so sagt er im Brief an Eustochium, doch man kann sich gut vorstellen, dass ihm sein scharfer und ironischer Ton viele Feinde im römischen Klerus gemacht hat. Und wer in Hieronymus neben dem Asketen auch den christlichen Gelehrten sah, der sich einer Neuübersetzung der Bibel widmete, war vielleicht gerade von der Überheblichkeit abgestoßen, die in seinem eigenmächtigen und deshalb frevelhaften Umgang mit den Heiligen Schriften zum Ausdruck zu kommen schien.
Angriffe auf Hieronymus Was Hieronymus an den Mönchen kritisierte, die sich an weltlichen Genüssen delektierten, wurde von heidnischer Seite auch gegen seinen Förderer Damasus geltend gemacht: Er sei der „Ohrlöffel“ der rö163
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mischen Aristokratinnen, interessiert also nur an der gewinnbringenden Nähe zu den wohlhabenden Frauen, die sich seinen Einflüsterungen öffneten.208 Und der von Hieronymus so hämisch behandelte heidnische Stadtpräfekt Praetextatus soll den Luxus und die Macht, über die der Bischof von Rom verfügte, mit den ironischen Worten kommentiert haben, er würde selbst sofort zum Christentum übertreten, wenn man ihn zum Papst machen würde.209 Gleichwohl war Hieronymus gegen die heftige Kritik an den Mönchen und Asketen, die während der Trauerfeier für Blesilla in Rom laut wurde, geschützt, solange er zu den Vertrauten des Damasus gehörte. Die Nähe zum Bischof war zugleich ein Schutzwall gegen die Einsprüche, die seine Bibelarbeit innerhalb der Gemeinde provozierte. Die Situation änderte sich jedoch grundlegend, als Damasus im Dezember 384 verstarb und an seiner Stelle Siricius den römischen Bischofsthron bestieg. Siricius war zuvor Diakon der römischen Kirche gewesen, er muss Hieronymus recht gut gekannt haben, war aber offensichtlich nicht bereit, seine schützende Hand über den Mann zu halten, der zumindest selbst gemeint hatte, auch für die Nachfolge des Damasus geeignet zu sein. Hieronymus seinerseits hielt Siricius, der kein Freund asketischer Rigorosität war,210 nicht gerade für fähig, als Bischof zu amtieren,211 und so dürfte das Verhältnis zwischen den beiden Männern ziemlich frostig gewesen sein. In dieser Lage konnte es für Hieronymus gefährlich werden, wenn sich seine Gegner sammelten, Stimmung gegen ihn machten und ihn vielleicht sogar vor dem Bischofsgericht anklagten. Tatsächlich ist es zu einer solchen Anklage gekommen; sie bestand offensichtlich in dem Vorwurf, Hieronymus habe das Vertrauensverhältnis zu Paula missbraucht und eine sexuelle Beziehung mit ihr unterhalten. Hieronymus selbst berichtet von den Vorwürfen, die man ihm gemacht habe, recht ausführlich (S. 160). Angesichts dieser missgünstigen bis gefährlichen Stimmung, die sich gegen ihn ausbreitete, hat er den Prozess vor Siricius nicht abgewartet, sondern schnell seine Abreise aus Rom vorbereitet und ausgeführt. In seinem Brief an Asella kann Hieronymus, der bereits das Schiff bestiegen hat, zu seiner Verteidigung geltend machen, dass sein Ankläger inzwischen widerrufen habe. Zu einer Verhandlung scheint es bis zu diesem Zeitpunkt und auch danach nicht gekommen zu sein: 164
Angriffe auf Hieronymus
„Also ich bin ein lasterhafter Mensch, ich bin ein gerissener Heuchler und Betrüger; ich bin ein Lügner und arbeite mit teuflischem Blendwerk. […] Der eine tadelte meinen Gang und mein Lachen, ein anderer hatte etwas an meinem Gesichtsausdruck auszusetzen, eine dritte verdächtigte meine einfache Lebenshaltung. Beinahe drei Jahre habe ich mit ihnen zusammen gelebt. Gar manches Mal hat sich eine größere Anzahl von Jungfrauen um mich versammelt. Des öfteren erklärte ich einigen von ihnen, so gut ich es vermochte, die göttlichen Bücher. Die gemeinsame Lesung führte zu wiederholtem Zusammensein, und daraus entwickelte sich ein engeres Freundschafts- und Vertrauensverhältnis. Haben sie etwa an mir etwas bemerkt, was sich für einen Christen nicht geziemt, dann heraus mit der Sprache! Habe ich von jemandem Geld angenommen? War ich auf kleinere oder größere Geschenke erpicht? Klang in meiner Hand anderer Leute Gold oder Silber? Habe ich zweideutige Reden geführt, meinen Blick frech umherschweifen lassen? Das einzige, was man mir vorwirft, ist, daß ich ein Mann bin, und das tut man auch erst jetzt, wo Paula sich zur Reise nach Jerusalem rüstet.“212 Hatte sich Hieronymus in Rom als Ratgeber des Papstes, Gelehrter und Morallehrer gut und hoffnungsvoll etabliert, so war sein Lebenskonzept mit einem Mal zerstört. Er kannte einiges vom griechischen Osten, segelte aber doch in eine ungewisse Zukunft. Die längere Reise, die ihn gemeinsam mit Paula und Eustochium durch Syrien, das Heilige Land und Ägypten führen sollte, spricht nicht dafür, dass schon jetzt ein klarer Plan für einen Klosterbau in Bethlehem vorgelegen hätte. Seiner Enttäuschung über das Scheitern in Rom verschaffte Hieronymus schon im Brief an Asella Luft. Rom war ihm jetzt nur noch ein Sündenbabel, von dem man nichts anderes als eben das Erlebte hätte erwarten dürfen. „Wie töricht war ich, daß ich in fremdem Land des Herrn Lied singen wollte!“ Nach Rom gereist zu sein und hier gelebt zu haben, bedeutete, das himmlische (also: ideelle) Jerusalem verlassen zu haben; dorthin galt es zurückzukehren.213
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Das frühe Porträt Die Verehrung, die Hieronymus während des Mittelalters und der frühen Neuzeit zukam, beruhte in erster Linie auf seiner Übersetzungstätigkeit. Dafür gibt es viele Belege auch bildlicher Art. Denn wenn man Handschriften der Vulgata oder einzelner Schriften der Bibel mit Bildern versehen wollte, lag es nahe, dabei auch des Übersetzers zu gedenken, dem man die lateinischen Fassungen zu verdanken hatte. So könnten Handschriften mit den Werken und Übersetzungen des Hieronymus schon zu seinen Lebzeiten mit einem Autorenporträt geschmückt worden sein. Solche Bilder von Hieronymus sind allerdings nicht erhalten. Die bildliche Rezeption setzt erst mit einem Porträt aus dem frühen 7. Jahrhundert ein, das ihn als einen der wichtigsten Kirchenlehrer zeigt. Dieses älteste Bildnis des Hieronymus befindet sich auf der Innenseite des sogenannten Boethius-Diptychons, das ein interessantes Zeugnis für die spätantik-christliche Verwandlung der römischen Welt darstellt. Das Diptychon war am Ende des 5. Jahrhunderts auf Veranlassung des Manlius Boethius geschaffen worden. Mit dem kleinen,
Boethius-Diptychon, Brescia, Vorderseite. 166
Das frühe Porträt
Boethius-Diptychon, Brescia, Innenseite.
nur 24 cm hohen und 18 cm breiten Kunstwerk, das sich heute im Stadtmuseum von Brescia befindet, ließ Manlius, der Vater des bekannten Philosophen Boethius (480–525), seine zweite römische Stadtpräfektur verewigen, die er im Jahr 487 bekleidete. Diptychen dieser Art wurden als Geschenk an Freunde und Amtsträger überreicht. Sie zeigen den Amtsträger mit den Insignien seiner Stellung. 167
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Boethius-Diptychon, Innenseite, Detail.
So hält Manlius, der auf dem Amtssessel thront, ein Zepter in der einen Hand und in der anderen das Signaltuch, mit dem er die Wettrennen im Circus Maximus eröffnete. In wessen Hände das Kunstwerk geriet, ist unbekannt, aber die Wiederverwendung zeigt, dass es Christen waren, die nun die ungeglättete Innenseite zu religiösen Zwecken bemalten. Diese Bemalung wird nach dem Tod des jüngsten der hier dargestellten Kirchenlehrer erfolgt sein, bei dem es sich um den 604 verstorbenen Gregor 168
Das frühe Porträt
den Großen handelt. Im oberen Viertel der rechten Innenseite sind Hieronymus, Augustinus und Gregor in frontaler Halbkörperansicht nebeneinandergestellt. Alle drei halten heilige Schriften in ihrer linken Hand und formen die Finger der rechten Hand zu Gesten der Segnung. Gregors Gesicht ist stark beschädigt, während das des Augustinus gut und das des Hieronymus wenigstens so weit erhalten ist, dass noch eine gewisse Individualität aufscheint. Hieronymus’ Gesicht unterscheidet sich nur wenig von dem des Augustinus, der neben ihm steht, und doch könnten einzelne persönliche Züge aus Vorlagen entnommen worden sein, die vielleicht bis in die Lebenszeit des Hieronymus zurückreichten.214 Auf der linken Innenseite des Diptychons ist die Auferweckung des Lazarus zu sehen. Mit dieser Darstellung wird das nun christliche Kunstwerk zum sakralen Gegenstand, der die Hoffnung der Gläubigen auf Auferstehung nach dem Tode zum Ausdruck bringt. Über die ganze Breite der zwei Innenseiten des Diptychons ist unter den beiden Bildern die Inschrift QVOS DEO OFFERIMVS („welche wir Gott darbieten“) angebracht, unter der auf der linken Seite die ersten Zeilen einer nicht mehr lesbaren Namensliste von Wohltätern oder Verstorbenen folgen, die unter den Schutz Gottes (beziehungsweise im bildlichen Zusammenhang unter den Schutz Christi und der drei heiligen Männer) gestellt werden. Ob das Diptychon in einem häuslichen oder kirchlichen Kontext verwendet wurde, bleibt unklar. Die kurze Namensliste, die zwei Drittel des Platzes frei lässt, belegt nur, dass es wohl nicht lange verwendet worden ist. Das Boethius-Diptychon ist der erste bildliche Beleg für die Autorität, die den drei genannten Lehrern der abendländischen Kirche (neben die dann noch Ambrosius von Mailand tritt) bereits im 7. Jahrhundert zukam (S. 11). Sie verkörpern die rechte Glaubenslehre und ergänzen damit den theologischen Gehalt der Lazarus-Szene. Im weiteren Verlauf des frühen Mittelalters wird Hieronymus dann auch als Einzelfigur gemalt. Da er die Heiligen Schriften neu übersetzt hatte, kam sein Rang dem eines vom göttlichen Geist inspirierten Evangelisten nahe, auch wenn Augustinus mit einer solchen Bewertung nicht einverstanden gewesen wäre. So zeigt bereits die zweitälteste Darstellung Hieronymus im Stil eines Evangelistenbildes. Dabei handelt es sich um eine Miniatur aus einem um 700 im Kloster Corbie geschriebenen Codex mit Briefen des Hieronymus, der sich 169
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heute in St. Petersburg befindet.215 Hieronymus, der hier einen Vollbart trägt, thront auf einem Prunksessel und präsentiert dem Betrachter einen aufgeschlagenen Codex, den er mit beiden Händen hält. Sein Kopf ist von einem Nimbus umgeben, über ihm hängt eine brennende Lampe und zwischen der Lampe und dem Kopf erklärt eine Inschrift, dass es sich um BEATUS HIERONYMUS P(res)B(y)T(er), den „glückseligen Presbyter Hieronymus“, handele. Da die Zeilen des Codex nicht mehr zu entziffern sind, bleibt unsicher, ob Hieronymus ein eigenes Werk oder seine Bibelübersetzung vorzeigt; jedenfalls wird seine schreibende Tätigkeit herausgestellt. Und der Maler der Miniatur gibt auch zu erkennen, dass er über das Leben des Kirchenlehrers Bescheid weiß; er betitelt Hieronymus als Presbyter, also als einfachen Priester, wie es der tatsächlichen Stellung des Hieronymus in der Hierarchie der Kirche entsprach. Noch konkreter werden Szenen aus dem Leben des Hieronymus in der Elfenbeinkunst und in den Miniaturmalereien der karolingischen Zeit aufgegriffen und in ausdrucksvollen Bildern umgesetzt. Eines dieser Elfenbeindiptychen befindet sich in Paris, war aber ursprünglich, wie Adolph Goldschmied 1905 nachgewiesen hat, Teil einer in Wien aufbewahrten Psalterhandschrift. Dass beide Teile zusammengehören, wird durch die Widmungsverse deutlich, die der karolingische Schreiber Dagulf seiner Abschrift des Psalteriums vorangestellt hat, und in denen er auch über die beiden Bildtafeln spricht. Dagulf weist auf den Einband der Handschrift hin, dessen Vorderseite zwei Szenen aus dem Leben Davids, des königlichen Dichters, und dessen Rückseite zwei weitere aus dem Leben des Hieronymus zeigten; es sind eben die Elfenbeinschnitzereien, die sich heute im Louvre befinden. Ursprünglich auf Wunsch Karls des Großen angefertigt, war die Prachthandschrift gegen Ende des 8. Jahrhunderts als Geschenk für Papst Hadrian I. (772–795) nach Rom gesandt worden.216 Auf den Elfenbeintafeln sei zu sehen, so dichtete Dagulf, wie David einst die Psalmen im Chor sang und wie der Psalter die ursprüngliche Schönheit seiner Texte durch die Arbeit eines Mannes zurückgewann, der ihm in „nachtwachender Arbeit die Dornen auszog“. Dagulf kannte also den Prolog, den Hieronymus seiner Übersetzung des Psalteriums vorangestellt hatte, auch wenn er ihn in seine Handschrift nicht übernahm: Hieronymus hatte hier genau dieses Bild des Dornenausziehens verwendet.217 170
Das frühe Porträt
Elfenbeineinband des Dagulf-Psalters (Louvre).
Während die beiden Szenen auf der Vorderseite des Einbands (auf der Abbildung die linke Seite) David im Kreise von Soldaten und Schreibern zeigen, die die Gesänge ihres Königs aufschreiben und mit ihm gemeinsam musizieren, illustrieren die Szenen auf der Rückseite den Prozess der Wiederherstellung des Textes: Im oberen Bildfeld wird Hieronymus, der sich im Kreis seiner Mönche befindet, ein Brief zugestellt, der offenkundig die Aufforderung des Damasus enthält, sich um die Verbesserung der heiligen Texte zu kümmern. Das untere Feld präsentiert das Ergebnis der Bemühungen: Hieronymus hält einen geschlossenen Codex unter dem Arm und diktiert einem der Mönche den neu gewonnenen Text, während weitere Mönche dem Geschehen beiwohnen. Die karolingische Kunst hat die Lebensgeschichte des Hieronymus alsbald in noch weiteren Szenen dargestellt. Die beiden auf das Dagulf171
4 In den Hauptstädten
Psalterium folgenden Werke, in denen Hieronymus abgebildet ist, sind die um 846 entstandene Vivians-Bibel Karls des Kahlen und die Bibel von San Paolo fuori le mura.218 Beide Bibeln zeigen sechs identische Motive, die neben der Übersetzungstätigkeit auch die Lehrtätigkeit des Hieronymus verdeutlichen. Die Bilderfolge führt von Hieronymus’ Abfahrt aus Rom über seinen Hebräischunterricht und seine Zurückweisung der Häresie des Pelagius zur Bibelerklärung im Kreis mit Paula und anderen frommen Frauen; dann folgt das Diktat der neu übersetzten Bibel und die Versendung der fertigen Handschriften. Die Szenen können sicher identifiziert werden, weil die Schreiber der Bibeln die Bildfelder mit erklärenden Überschriften versehen haben.219 Einzelheiten wie der Hebräischunterricht, den Hieronymus während seines Aufenthaltes in der Wüste genommen hat, oder wie der Austausch mit Paula und Eustochium bezeugen ein biographisches Interesse. In den Bibeln der karolingischen Zeit ist Hieronymus nicht mehr nur der Übersetzer und Kirchenlehrer, sondern gewinnt individuelle Konturen; dass er dabei auch den Märtyrern der Kirche angenähert wird, zeigen die Bilder, die seinen Kampf um den rechten Glauben herausstellen: der fluchtartige Aufbruch aus Rom mit einem Schiff, dessen Segel vom Wind geschwellt ist, und die Abfassung der Schrift gegen Pelagius.220
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5 Auf Pilgerfahrt
I
m August, als die Herbstwinde wehten, bestieg ich mit dem heiligen Priester Vincentius sowie meinem jüngeren Bruder und einigen Mönchen, die jetzt zu Jerusalem weilen, im römischen Hafen unangefochten ein Schiff. Eine überaus große Zahl frommer Personen gab mir hierbei das Geleit.“1 Halb Flucht, halb ehrenvolle Verabschiedung aus Rom, so stellte Hieronymus viele Jahre später seine Abreise in den Osten des Römischen Reiches dar. Gemeinsam mit Vincentius und seinem Bruder Paulinianus, der also offenbar auch in Rom gelebt hatte, unternahm er die Reise zu Schiff. Sie führte Hieronymus und seine Begleiter über Rhegium und die Kykladen zunächst nach Zypern, wo man sich einige Zeit lang bei Epiphanius von Salamis aufhielt, um dann nach Antiochia weiterzureisen. Hier traf Hieronymus mit Paula und ihrer Reisegruppe zusammen, die etwas später Rom ebenfalls zu Schiff verlassen hatte. Paula war über die Pontinischen Inseln und durch die Meerenge von Messina hindurch zunächst in den Hafenort Methone im Westen der Peloponnes gelangt, dann über Rhodos und Lykien (an der Westküste Kleinasiens) nach Zypern und schließlich nach Antiochia.2 Hieronymus und Paula haben Rom mit dem festen Vorsatz verlassen, sich im Osten niederzulassen und nicht mehr nach Italien zurückzukehren. Und da sie ihre asketische Lebensweise bisher nicht in eremitischer Abgeschiedenheit, sondern im klösterlichen Zusammensein mit Gleichgesinnten praktiziert hatten, werden sie sich Ähnliches auch für die Zukunft vorgenommen haben. Offen war aber der Zielort ihrer Reise, die sich über längere Zeit erstreckte; sie gewann, sobald man Syrien erreicht hatte, den Charakter einer Pilgerfahrt, deren Etappen Hieronymus in seinem Nachruf auf Paula festgehalten hat.
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5 Auf Pilgerfahrt
Die Reise nach Jerusalem Den frommen Reisenden stand ein mühevoller Weg von Syrien bis nach Ägypten bevor. Obwohl es dem gesellschaftlichen Status Paulas besser entsprochen hätte, wenn sie in einer Sänfte oder einem Reisewagen gereist wäre, verzichtete sie auf solchen Komfort. Da Hieronymus allein über Paula berichtet, sie, „die vornehme Frau, welche in früheren Tagen von Eunuchen getragen wurde“, sei auf einer Eselin reitend aufgebrochen, war der Rest der Gruppe vielleicht zu Fuß unterwegs,3 als man sich nach kurzem Aufenthalt noch im Winter, in der kühleren Jahreszeit, von Antiochia aus auf den Weg durch Syrien und Phönikien machte, um das Heilige Land zu erreichen. Einige Ziele wie Jerusalem und Bethlehem standen von vornherein fest, denn jeder Pilger strebte danach, die Stätten aufzusuchen, die durch Christi Lebenslauf geheiligt waren. Diese Pilgerrouten hatten sich im Verlauf des 4. Jahrhunderts etabliert, seit Konstantins Mutter, die Kaiserin Helena, und Konstantins Schwiegermutter Eutropia in den zwanziger Jahren des 4. Jahrhunderts das Heilige Land bereist hatten. Dabei war die Anziehungskraft Jerusalems durch die angebliche Auffindung des Kreuzes Christi, die ab der Mitte des Jahrhunderts Helena zugeschrieben wurde, noch einmal verstärkt worden.4 Nicht zum ‚Standardprogramm‘ eines spätantiken Pilgers gehörte Ägypten, doch hatte die Nitrische Wüste durch Athanasius und seine Vita des Heiligen Antonius stark an Anziehungskraft gewonnen.5 Das galt für zahlreiche Männer und Frauen, die dem Beispiel des Antonius vor Ort folgen wollten, ebenso wie für Christen, die nur als Besucher und vorübergehend die Wüste betraten. Ganze sieben Kapitel seines Nachrufs auf Paula füllt Hieronymus mit dem Reisebericht, der ihm immer wieder dazu dient, die Frömmigkeit Paulas zu unterstreichen. Dabei will er seinen Bericht, wie er ausdrücklich sagt, auf die Orte beschränken, die in der Heiligen Schrift erwähnt werden,6 denn nur sie sollten für die Pilger (und die Leser des Nachrufs) von Interesse sein. Von sich selbst spricht er nicht, aber Paula wird jeden der genannten Orte mit Hieronymus gemeinsam besucht haben, der seinerseits Einblicke gewann, die ihm später für seine Arbeit an Eusebs „Verzeichnis der Städte und Orte der Heiligen Schrift“ (Onomasticon) nützlich wurden. Hieronymus kann in seinem Pilgerbericht nicht verbergen, dass die Reisenden bisweilen auch von Stätten beeindruckt wurden, die nichts mit der biblischen oder christli174
Die Reise nach Jerusalem
chen Geschichte zu tun hatten. So nähert sich sein Bericht bisweilen einem antiken Reiseführer an, wenn der sehr dichte Text durch Hinweise auf das Klima oder heidnische Mythen aufgelockert wird. Die Reisegruppe, zu der mindestens Hieronymus und Paulinianus sowie Paula und Eustochium, vermutlich aber noch zahlreiche weitere Personen gehörten, zog zunächst durch das sogenannte Koilesyrien und Phönikien, passierte dabei Berytus (das heutige Beirut) und Sidon, um bei Sarepta am Turm des Propheten Elias zu beten. Schon die Art, wie Hieronymus diese erste Etappe präsentiert, ist programmatisch für den Geist, von dem Paula und ihre Mitpilger erfüllt sein wollten: Sowohl „die römische Kolonie Berytus“ als auch die „alte Stadt Sidon“ werden „links liegen gelassen“, weil sie für die christliche Heilsgeschichte bedeutungslos und die Pilger doch keine Schaulustigen waren. In Sarepta (Zarpat) dagegen hatte Elias, dem 1. Buch Könige zufolge, während seiner Flucht vor König Ahab bei einer Witwe gelebt und zwei Wunder gewirkt. Er hatte durch sein Gebet der armen, hungernden Frau einen nie versiegenden Mehltopf und einen unerschöpflichen Ölkrug verschafft. Als dann der Sohn der Witwe erkrankte und verstarb, flehte Elias erneut zu Gott und wurde mit seiner Bitte, der Junge möge wieder lebendig werden, erhört. Das galt den Christen als Ankündigung auch zukünftiger Auferweckungen. Hieronymus spricht von einem kleinen Turmhaus, in dem Elias in Sarepta gewohnt habe, während das Alte Testament über das Gebäude, in dem die Witwe lebte, nur angibt, dass es über ein zweites, oberes Stockwerk verfügt habe. Und seiner Überarbeitung des Onomastikons ist zu entnehmen, dass Sarepta an einer öffentlichen Straße lag.7 Das wird durch das Itinerarium eines anonymen Pilgers aus Bordeaux bestätigt, der 333–334, also einige Jahrzehnte vor Hieronymus und Paula, in das Heilige Land reiste und unterwegs Sarepta besichtigte: Nur vier weitere Meilen hinter Sarepta, auf dem Weg nach Tyrus, gab es eine Station zum Pferdewechsel für diejenigen, die im kaiserlichen Auftrag auf den öffentlichen Straßen unterwegs waren.8 Von Sarepta aus folgten die Reisenden dem Küstenverlauf Phönikiens, um nach Tyrus zu gelangen, der nächsten größeren Stadt, die nach den Entfernungsangaben des Pilgers aus Bordeaux sechzehn römische Meilen, also etwa vierundzwanzig Kilometer, entfernt lag. Hier wird man Station gemacht haben, auch um des Apostels Paulus zu gedenken, der einst auf seiner Rückkehr von seiner dritten Missions175
5 Auf Pilgerfahrt
reise gemeinsam mit der jungen Christengemeinde dieser Stadt am Ufer des Mittelmeeres gebetet hatte.9 Tyrus selbst, eine bedeutende phönikische Handelsstadt, von der aus Karthago gegründet worden war, scheint die Reisenden nicht weiter interessiert zu haben, obwohl ihr König Hiram doch einst David und vor allem Salomon beim Bau des Tempels in Jerusalem unterstützt hatte. Das gilt auch für die nächste Stadt, die man erreichte, Akko, dem Itinerarium zufolge zweiunddreißig Meilen (etwa achtundvierzig Kilometer) weiter südlich ebenfalls am Mittelmeer gelegen, zu der Hieronymus in seinem Nachruf auf Paula nur angibt, dass die Stadt nunmehr den Namen „Ptolemais“ trage. Auch in Ptolemais hätten Paula und Hieronymus an den Apostel Paulus denken können, der hier kurz verweilt hatte. Während der Pilger aus Bordeaux das Karmelgebirge erwähnt und auf das Opfer hinweist, das Elias hier vollzogen haben soll,10 geht Hieronymus auf die berühmte Konfrontation des Propheten mit den Baalpriestern nicht ein. Für seine Reisegruppe standen nach Akko die „Gefilde von Megiddo“ im Vordergrund, wo einst Joschija, der König des Reiches Juda, im Kampf gegen den Pharao Necho II. gefallen war. Darf man aus dieser Entscheidung zwischen Karmel und Megiddo schließen, dass sich Paula und Hieronymus vor dem Hintergrund der Geschehnisse ihrer eigenen Zeit mehr von den Völkerschlachten als vom Kampf um den rechten Glauben beeindrucken ließen? Passend zu den Schaudern, die der Gedanke an einstige und zukünftige Schlachten den Reisenden bereitet haben könnte, gelangten sie anschließend zu den Ruinen der Stadt Dor. Diese Stadt war im achten vorchristlichen Jahrhundert vom assyrischen König Tiglat-Pileser III. erobert und zerstört, wenig später aber wieder aufgebaut und mit einer mächtigen Stadtmauer umgeben worden, die im Verlauf der persischen und hellenistischen Epoche durch jeweils neue Mauern ersetzt wurde. Dor hat die persische Herrschaft ebenso unbeschadet überstanden wie den Eroberungszug Alexanders und die Kämpfe seiner Nachfolger; sie stand unter ptolemäischer, seleukidischer und hasmönäischer Kontrolle, wurde mehrfach belagert, aber niemals zerstört und setzte ihre Geschichte auch unter römischer Herrschaft fort, nachdem sie von Pompeius erobert worden war. Aus unbekannten Gründen ist die Stadt dann aber aufgegeben worden; als Hieronymus und Paula hier vorbeikamen, gab es wohl nur noch einen kleinen Siedlungskern. 176
Die Reise nach Jerusalem
So sehr die Darstellung des Verlaufs der Reise, die er mit Paula und den anderen Begleitern machte, auch komprimiert ist, zeigt sie doch auch, dass die Reisenden durchaus von weltlichen Gefühlen ergriffen wurden, als sie Dor und wenig später Caesarea Maritima erreichten. Hieronymus spricht vom „Staunen“ und der „Bewunderung“, mit der Paula die beiden Städte besichtigt habe, und zu dieser Bewunderung trug wohl auch der Kontrast zwischen dem verlassenen Dor und dem noch in der Spätantike prächtigen Caesarea bei. Hieronymus gibt in seinem Nachruf auf Paula die historische Erläuterung, dass Caesarea seinen Namen durch Herodes den Großen erhalten habe. Herodes hatte eine früher „Stratonsturm“ genannte kleine Hafenstadt zu Ehren seines Gönners, des Kaisers Augustus, umbenannt und prächtig ausgebaut. Nachdem Caesarea im Jahre 6 unter römische Herrschaft gekommen war, hatte die Stadt an Größe und wirtschaftlicher Bedeutung noch gewonnen. Sie war Sitz der römischen Provinzialverwaltung und bis weit in die Spätantike eine der größten Städte der östlichen Provinzen. Für die Pilger gab es einige Programmpunkte, war hier der Apostelgeschichte zufolge doch mit dem Hauptmann Cornelius der erste Heide christlich getauft worden. Sein Wohnhaus gab es nicht mehr; an dessen Stelle stand, wie Hieronymus im Nachruf bemerkt, inzwischen eine Kirche. Der Pilger aus Bordeaux hatte Jahrzehnte zuvor ein Badehaus des Cornelius zu sehen bekommen,11 während Hieronymus von dem Wohnhaus des Hauptmanns spricht. Paula und Hieronymus besuchten in Caesarea nicht nur diese Kirche, sondern auch die Wohnung des Philippus, in der einst Paulus beherbergt worden war (Apg. 21,8). Philippus war einer der sieben Diakone, die auf Wunsch der Apostel zur Unterstützung ihrer Missionsarbeit von der Gemeinde in Jerusalem ausgewählt worden waren, und er hatte der Apostelgeschichte zufolge vier Töchter, die mit der Gabe der Weissagung ausgestattet waren. Auch ihre Gemächer konnten von Paula und Hieronymus besichtigt werden. Hieronymus’ Reisebericht legt nahe, dass die von ihm genannten Stationen den Ablauf der Reise widerspiegeln. Akzeptiert man diese Voraussetzung, so ergibt sich der Eindruck, dass die Pilger ihre Ankunft in Jerusalem bewusst verzögert haben.12 Während der Pilger von Bordeaux von Caesarea aus nach Skythopolis und dann entlang des Jordans in Richtung Jerusalem wanderte, besuchten Paula und Hieronymus nach Caesarea zunächst Antipatris. Damit waren sie auf die 177
5 Auf Pilgerfahrt
vom Mittelmeer nach Jerusalem führende Ostroute gelangt, machten dann aber einen Schwenk nach Süden, um nach Lydda zu kommen, und schlossen einen Besuch in der Hafenstadt Joppe (Jaffa) an. Damit entfernte man sich wieder von Jerusalem. Anschließend wanderten sie erneut in Richtung Osten, um nun über Nikopolis (Emmaus), Bethoron und Gabaa zuletzt von Norden aus Jerusalem zu betreten. Auf diese Weise entsprach wenigstens der Einzug in Jerusalem dem Weg, den Jesus einst genommen hatte, als er sich vom Jordan aus über Jericho und Betanien der Stadt genähert hatte. Der Reiseabschnitt von Caesarea bis nach Jerusalem stand – zumindest für Hieronymus – wieder unter dem starken Eindruck von Krieg und Zerstörung. Fünfmal ist bei ihm für diese Strecke von entsprechenden Ereignissen die Rede. Die Reihe dieser frommen und zugleich düsteren Impressionen beginnt mit Antipatris, einer alten Stadt in Judäa, die von Herodes neu aufgebaut und mit dem Namen seines Vaters versehen worden war. Die Stadt befand sich etwa eine Tagesreise von Jerusalem entfernt, wie sich aus der Apostelgeschichte ergibt; hier wird berichtet, dass der gefangene Apostel Paulus mit militärischer Begleitung binnen einer Nacht von Jerusalem nach Caesarea verbracht worden sei (Apg. 23,27). Hieronymus nimmt weder diese Nachricht in seinen Bericht auf noch die Tatsache, dass Antipatris Sitz eines Bischofs war; vielmehr spricht er von Antipatris als von einem „halbzerstörten Städtchen, dessen Name sich auf Herodes’ Vater zurückführt“.13 Zum nächsten Etappenziel, der Stadt Lydda, die nach der römischen Eroberung Diospolis („Stadt des Zeus“) hieß, vermeldet Hieronymus in kurioser Kombination, dass die Stadt durch die Auferweckung der Tabita und des Aeneas sowie durch ihr besonders gesundes Klima berühmt sei. Diese fromme Bilanz für Lydda ist überzeichnet, denn die Apostelgeschichte kennt zwar die Auferweckung der Tabita durch Petrus, doch spielt diese Szene in Joppe und nicht in Lydda. In Lydda hatte Petrus kurz zuvor den gelähmten Aeneas geheilt und dieser Erfolg veranlasste die Jünger, Petrus auch nach Joppe zu rufen, damit er hier ein weiteres Wunder tat. Hieronymus’ Irrtum ist erstaunlich; er kannte die Heiligen Schriften eigentlich gut genug, um sich in diesen Details nicht zu vertun. Nicht weit von Lydda entfernt befanden sich die Ortschaft Arimathia, aus dem jener Mann namens Joseph stammte, der seine eigene Grabstätte auf Golgatha für die Beisetzung Christi hergab, sowie 178
Jonas und Andromeda
die „Priesterstadt“ Nob, die in Hieronymus’ Zeit, wie er im Nachruf auf Paula sagt, „als Ruhestätte der Erschlagenen“ diente. Wenn die Reisenden in Nob waren, so mussten sie sich dort an das grausige Geschehen erinnern, von dem im 1. Buch Samuel (Kap. 21 f.) erzählt wird: an die Flucht Davids vor Saul, seine Aufnahme in Nob durch den Priester Ahimelech, an den Verrat dieser Hilfe und die Rache, die Saul blutig übte, indem er die gesamte Priesterschaft und darüber hinaus die gesamte Bevölkerung von Nob umbringen ließ.14 Da die Lage von Nob heute nicht mehr bekannt ist, lässt sich auf der Grundlage von Hieronymus’ Hinweis, dort gebe es nur noch die Begräbnisstätte der Erschlagenen, womit wohl die auf Sauls Befehl getöteten Priester und Einwohner gemeint sind, nur vermuten, dass die ehemalige Stadt in der Spätantike nicht mehr besiedelt war. In der biblischen Archäologie werden verschiedene Stellen im unmittelbaren Umfeld des Felsendoms für die Lokalisierung von Nob vorgeschlagen.15 Das würde bedeuten, dass Paula und Hieronymus schon in Sichtweite der Stadtgrenze von Jerusalem gewesen wären, um dann in Richtung Mittelmeer abzubiegen und nach Joppe zu gehen. Hält man das aber trotz des Zickzackkurses der Pilger für unwahrscheinlich, müssten die erwähnten Lokalisierungsversuche aufgegeben werden. Infrage kommt eher das weitere Umland von Lydda, denn von dort aus waren Hieronymus zufolge Arimathia und Nob leicht zu erreichen.
Jonas und Andromeda Von Lydda aus war dann auch Joppe (Jaffa) nicht mehr fern. Hier scheint die Pilgergruppe eine längere Rast eingelegt zu haben, denn für den dann folgenden Aufbruch nach Jerusalem spricht Hieronymus von einer „Wiederaufnahme der Reise“. Ein wenig kommt der Pausencharakter des Aufenthalts in Joppe auch in den Sätzen zum Ausdruck, die Hieronymus in seinem Nachruf auf Paula der Geschichte dieser Stadt widmet: Von hier aus, so erinnert er seine Leser, war der Prophet Jonas vor seiner ihm von Gott gegebenen Aufgabe, in Ninive zu predigen, geflohen, indem er ein Schiff betrat, das nach Tarsis fahren sollte. Außerdem war der Stadt Joppe gegenüber einst Andromeda an einen Felsen gefesselt worden. Das ist eine rhetorisch geschickte Unterbrechung der biblischen Verweise, mit denen die übrigen Orte beleuchtet werden, und Hieronymus gibt auch klar zu verstehen, dass der Hin179
5 Auf Pilgerfahrt
weis auf Andromeda der Unterhaltung dienen soll.16 Er überlässt es seinen Lesern, die Parallele zwischen der biblischen und der griechischen Überlieferung zu erkennen: Der „große Fisch“, von dem Luther bei seiner Übersetzung der Jonas-Geschichte im Anschluss an die Vulgata des Hieronymus spricht, wird in der griechischen „Septuaginta“ sogar als „großer Walfisch“ bezeichnet.17 Die Verbindung zu Andromeda ergibt sich aus dem griechischen Terminus ketos, der ursprünglich, wie bei Homer zu sehen ist, auch den Walfisch meinte, bald aber für Meeresungeheuer aller Art verwendet wurde. Im griechischen Mythus wurde das schreckenerregende Wesen in der Gestalt der Keto als Tochter des Meeresgottes Pontos und der Erdmutter Gaia personifiziert, wobei Ketos Grausigkeit dadurch unterstrichen wurde, dass man sie zur Mutter der Gorgonen machte. Weil Andromeda, die Tochter des Königs Kepheus und der Kassiopeia, damit geprahlt hatte, schöner zu sein als die Nereiden, die Töchter Poseidons,18 sandte Poseidon Keto, um Kepheus’ Land zu verwüsten. Der Zerstörung konnte nur Einhalt geboten werden, indem man Andromeda der Keto opferte, und so wurde sie an einen Felsen bei Joppe geschlagen, um schließlich von Perseus gerettet zu werden. Da der Perseus-und-Andromeda-Mythus auch den gebildeten Christen der Spätantike bekannt war, konnte es Hieronymus in seinem Nachruf auf Paula bei dem kurzen Hinweis auf die „Sagen der Dichter“ belassen. Ähnlich hatte er einige Jahr zuvor, als er seinen Kommentar zum Propheten Jonas schrieb, anlässlich der Nennung von Joppe auf die Befreiung der Andromeda hingewiesen und dazu erklärt, jeder „gebildete Leser“ kenne ja die Geschichte.19 Sie wurde den Besuchern in Joppe offensichtlich gerne in Erinnerung gerufen; im Jonas-Kommentar sagt Hieronymus ausdrücklich, der Andromeda-Felsen würde „bis zum heutigen Tag“ gezeigt.20 Da Hieronymus die gelehrte Anspielung sowohl im Jonas-Kommentar als auch im Nachruf auf Paula anbringt, ist anzunehmen, dass sich auch die Pilgergruppe dieser besonderen, wenn auch heidnischen Sehenswürdigkeit gewidmet hat.
In Emmaus Nach dem längeren Aufenthalt in Joppe brach man wieder in Richtung Jerusalem auf und gelangte nun zunächst nach Nikopolis, das früher Emmaus geheißen hatte. Für die Christen ist dies der Ort, in dem der 180
In Emmaus
auferstandene Christus von den beiden Jüngern erkannt worden war, die zuvor schon einen Teil des Wegs hierher gemeinsam mit ihm zurückgelegt hatten. Das Lukas-Evangelium bezeichnet Emmaus als „Dorf“, das 60 Stadien (etwa 11 km) von Jerusalem entfernt gelegen habe, also in wenigen Stunden zu erreichen gewesen wäre. Nachdem den Emmaus-Jüngern die Augen geöffnet worden waren, machten sie sich schnell wieder auf den Weg zurück nach Jerusalem, um die frohe Botschaft von der Auferstehung Christi zu verkünden, und sie erreichten die anderen Jünger noch am selben Abend (Lk. 24,33 f.). Von Nikopolis aus, wo Paula und Hieronymus das in eine Kirche verwandelte angebliche Haus des Kleophas besichtigten, wäre das kaum möglich gewesen; diese Stadt liegt etwa 30 Kilometer westlich von Jerusalem. Folglich haben biblische Archäologen auch andere, näher an Jerusalem liegende Orte mit dem Emmaus des Lukas-Evangeliums identifizieren wollen.21 Der Ortsname selbst weist nur auf heiße Quellen hin und ist entsprechend oft verwendet worden. Hieronymus ist trotz seines topographischen Interesses nicht stutzig geworden; er folgte der in seiner Zeit selbstverständlichen Annahme, im richtigen Emmaus zu sein, die auch durch Euseb vertreten worden war. Dessen Eintrag im „Verzeichnis der Städte und Orte der Heiligen Schrift“ übersetzte Hieronymus wenig verändert: „Emmaus, woher Kleophas stammte, den der Evangelist Lukas nennt, ist heute Nicopolis, eine bedeutende Stadt Palästinas.“ Zweifel hätten Hieronymus auch deshalb kommen können, weil die Handschriften des LukasEvangeliums unterschiedliche Angaben zur Entfernung machten. Die oben zitierten, von Hieronymus für die Vulgata übernommenen 60 Stadien von Jerusalem waren in einigen Manuskripten in 160 Stadien geändert worden, was der Entfernung von Emmaus-Nikopolis zu Jerusalem annähernd entspricht. Dieses Emmaus war im Jahr 4 v. Chr. durch die Römer zerstört worden,22 hatte aber ab dem dritten nachchristlichen Jahrhundert wieder an Bedeutung gewonnen. Angeblich ging die Erhebung der Ortschaft zur Stadt und ihre Neubenennung mit dem Namen Nikopolis auf eine Entscheidung des Kaisers Elagabal (218–222) zurück, nachdem ihn eine örtliche Gesandtschaft, die unter der Führung des christlichen Gelehrten Julius Africanus gestanden haben soll, um diese Ehren gebeten hatte.23 Später verfügte die Stadt über einen Bischofssitz, und die Kirche, zu der das angebliche Haus des Kleophas schon zur 181
5 Auf Pilgerfahrt
Zeit des Besuches von Paula und Hieronymus geworden war, entwickelte sich zu einem größeren Gebäudekomplex, in dem auch zahlreiche Pilger beherbergt werden konnten. Die nächste Etappe auf dem Weg nach Jerusalem war das aus einer Unter- und einer Oberstadt bestehende Bethoron, das seiner strategisch bedeutsamen Lage wegen mehrfach zum Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen geworden war. Hieronymus vermerkt kein spezielles Ereignis, sondern spricht zusammenfassend von den „zahlreichen Kriegsstürmen“, durch die diese einst von Salomon befestigten Städte zerstört worden seien. Er mag an die Kämpfe Josuas, der Makkabäerzeit oder auch des ersten jüdischen Aufstandes gedacht haben, die bei Bethoron stattfanden. Hieronymus’ Formulierung erweckt den Anschein, als ob Bethoron zu seiner Zeit nicht mehr bewohnt gewesen sei, doch trifft dies wohl nicht zu. Über die Doppelstadt, die an der alten, dann auch von den Römern genutzten Straße von Gibeon nach Aijalon lag, spricht Euseb im Tempus der Gegenwart; er beziffert ihre Entfernung von Jerusalem mit zwölf römischen Meilen. Und Hieronymus hat Eusebs Text in seine Fassung des Städteverzeichnisses übernommen.24 Da Bethoron schließlich auch auf der Mosaikkarte von Madaba zu sehen ist, die im 6. Jahrhundert geschaffen wurde,25 wird die Stadt bis in die Zeit der arabischen Eroberung fortbestanden haben. Von Bethoron aus reisten Paula und Hieronymus nach Gabaa. Unterwegs sah man Aijalon und Gabaon rechts des Weges liegen, ohne die beiden Ortschaften aufzusuchen; umso ausführlicher schöpft Hieronymus im Nachruf auf Paula aus seiner biblischen Gelehrsamkeit: Dort hatten während der Schlacht, die Josua gegen die fünf Könige schlug, die sich gegen ihn verbündet hatten, Sonne und Mond stillgestanden. Und Hieronymus erinnert auch an die Strafe, die Joschua gegen die Gabaoniten verhängt hatte, weil sie sich seinen Schutz mit falschen Angaben erschlichen hatten. Da Hieronymus später für seine Überarbeitung des Städteverzeichnisses nur Eusebs Angaben übernimmt, hat er Aijalon und Gabaon vermutlich nicht persönlich besucht. Mit dem nächsten Ziel Gabaa (Gibea) gelangte man wieder in eine Ruinenstadt; Hieronymus zufolge war die Stadt „bis auf den Erdboden zerstört“. Mit Gabaa ist eine der brutalsten Erzählungen von Vergehen und Rache verbunden, die im Alten Testament überliefert werden, und dieser im Buch der Richter geschilderte Fall der Stadt, der auch als Prophezeiung künftigen Untergangs gelesen werden konnte, war wohl auch 182
Jerusalem
der Grund, warum Paula und Hieronymus hierherwanderten und „der Sünde der Stadt und des in Stücke zerschnittenen Weibes“ gedachten.26 Nach Gabaa sollte einst ein Levit mit seiner Frau gekommen sein und um ein Nachtlager gebeten haben. Während der Nacht überfielen die Einwohner der Stadt die Gäste und vergewaltigten die Frau, bis sie starb. Der Levit zerschnitt daraufhin den Körper seiner toten Frau und sandte die Stücke an die Stämme Israels, um sie zur Rache an den Gabaiten, die zum Stamme Benjamins gehörten, aufzustacheln. Nachdem Benjamin die verlangte Herausgabe der Schuldigen verweigert hatte, kam es zu Kämpfen und zur Niederlage und Zerstörung der Stadt. Damit wäre auch der Untergang des Stammes Benjamin besiegelt gewesen, wenn nicht die göttliche Vorsehung dies verhindert hätte, damit später der Apostel Paulus aus ihm entspringen konnte. Deshalb sollen, und auch daran erinnerten sich Paula und Hieronymus, sechshundert Männer aus dem Stamm Benjamin den Untergang von Gabaa überlebt haben.
Jerusalem „Warum noch länger verweilen?“, fragt Hieronymus rhetorisch, um den Abschnitt seines Nachrufs auf Paula zu beginnen, der vom Einzug in Jerusalem erzählt. So werden auch die Reisenden gedacht haben, die für die vielen zurückliegenden Etappen und Umwege seit Antiochia acht bis zehn Wochen gebraucht haben dürften. Sie hatten bislang eine Strecke von ungefähr 500 römischen Meilen (etwa 750 km) zurückgelegt, Paula vielleicht auf dem Rücken ihres Esels, Eustochium, Hieronymus und Paulinianus vermutlich zu Fuß. Mehr als sechs oder sieben Meilen täglich werden so kaum zu schaffen gewesen sein, zumal, wenn es durch bergiges Gelände ging. Sollten Paula und Hieronymus auch noch Hausrat und Bücher dabeigehabt haben, müsste es eher noch langsamer gegangen sein. Hieronymus schweigt über diese Dinge, und es ist durchaus möglich, dass seine Büchersammlung, die er sicher nicht in Rom zurückgelassen hat, einstweilen in Antiochia deponiert war und erst später nach Bethlehem überstellt wurde. Ob Paula überhaupt etwas aus Rom mitgenommen hatte, muss ebenso offenbleiben wie der Verbleib ihrer zahlreichen Sklaven. Soweit sie den christlichen Glauben angenommen hatten, haben sie sich (mit oder ohne Freilassung) Hieronymus zufolge in Mönche und Nonnen verwandelt. Ob sie aber in Rom oder später im Heiligen Land lebten oder sich, was wohl 183
5 Auf Pilgerfahrt
das Wahrscheinlichste ist, auf Rom und Bethlehem, vielleicht auch Jerusalem verteilten, ist seinen knappen Angaben nicht zu entnehmen. Die verständliche Ungeduld, nun endlich nach Jerusalem zu kommen, veranlasste die Pilger, das vor den Toren der Stadt gelegene Grabmal der Königin Helena im wörtlichen Sinne links liegen zu lassen. Es hatte indes auch keinen Bezug zu biblischen Ereignissen. Helena, die Frau des Königs von Adiabene, eines im Herrschaftsgebiet der Parther liegenden, halbautonomen Kleinreiches, hatte um 30 den jüdischen Glauben angenommen und sich die Dankbarkeit der Einwohner von Jerusalem erworben, als sie während einer Hungersnot die Stadt mit Getreide und Feigen versorgen ließ. Sie hatte dem Tempel prächtige Geschenke gemacht, war selbst nach Jerusalem übergesiedelt und hatte sich ein Grabmal errichtet, das auch Euseb in seiner Kirchengeschichte erwähnt.27 Erstaunlich ist doch, dass Hieronymus auch jetzt, für den Moment des Einzugs der Pilger in Jerusalem, zuerst wieder an die Schrecken der Vergangenheit erinnert. Denn die Stadt mit den drei Namen Jebus, Salem und Jerusalem wurde, so erinnert er seine Leser, vom Kaiser Hadrian aus ihren Ruinen wiederaufgebaut. Mussten Paula und Hieronymus, nachdem sie so viele Ruinen besichtigt hatten, auch vor den Mauern Jerusalems zuerst an den einstigen Untergang der Stadt denken? Wollte Hieronymus auf die vermeintliche Strafe anspielen, mit der Gott die gegenüber der christlichen Erlösungsbotschaft uneinsichtigen Juden überzogen hatte? Oder konnte er sich nur nicht von seinen Gedanken an den überall sichtbaren Verfall der römischen Welt losmachen, als er den Nachruf auf Paula schrieb? In Erinnerung kam ihm aber auch, dass Paula in Jerusalem schon erwartet wurde. Die Verwaltung von Palästina unterlag zu jener Zeit einem Prokonsul, der mit Paulas Familie in Rom näher bekannt gewesen war.28 Er sah es als seine Pflicht an, die römische Aristokratin in Jerusalem standesgemäß zu empfangen, und schickte zu diesem Zweck einige Sklaven aus, um Paula in ein für sie bereitetes Gemach in seinem Palast zu geleiten. Die Einladung wird sicher auch für Paulas Tochter und ihre beiden männlichen Begleiter gegolten haben. Aber Paula lehnte das freundliche Angebot ab, das zu ihrer demonstrativen Demut nicht recht passen konnte. Lieber habe sie, so Hieronymus, eine „bescheidene Zelle“ bezogen; das dürfte dann entsprechend auch für Eustochium, Hieronymus und Paulinianus gegolten haben. 184
Die Grabeskirche und das Heilige Kreuz
Für die Juden war Jerusalem seit der Zeit Salomos der Mittelpunkt ihrer Welt. So blieb es auch, nachdem Hadrian die im Bar-Kochba-Aufstand zerstörte Stadt unter neuem Namen wiederaufgebaut und den Juden den Zutritt in die neue colonia Aelia Capitolina untersagt hatte. Das große Heiligtum auf dem Tempelberg war schon im Verlauf des ersten Jüdischen Krieges im Jahr 70 in Flammen aufgegangen, als Titus die Stadt nach langer Belagerung einnahm. Unter Hadrian wurde hier ein Jupitertempel errichtet. Soweit noch Juden in Jerusalem gelebt hatten, mussten sie in die Diaspora gehen. Da in Jerusalem kein Gottesdienst mehr gefeiert und keine Bibelstudien mehr betrieben werden konnten, verlagerte sich auch die jüdische Gelehrsamkeit in andere Orte Palästinas sowie in das Perserreich. Dort wurden die Orte Sura und Pumbedita im 3. Jahrhundert zu neuen Zentren rabbinischer Arbeit, aus der der sogenannte Babylonische Talmud hervorging. Daneben entstand auch ein „Jerusalemer Talmud“, allerdings nicht in Jerusalem, sondern in Tiberias und Caesarea.29 Anstelle der heute gebräuchlichen Bezeichnung wurde in der Antike der besser passende Ausdruck „Talmud des Landes Israel“ oder „Talmud des Westens“ verwendet. In beiden Fassungen des Talmuds kommt die Hoffnung der Juden, eines Tages wieder in Jerusalem leben und einen neuen Tempel erbauen zu können, auf vielfältige Weise zum Ausdruck. Aber nur einmal während der Spätantike schien die Erfüllung dieser Hoffnungen zum Greifen nah, als Kaiser Julian (361–363) in einem Brief an die Juden ankündigte, einen Tempelneubau in Angriff nehmen zu wollen.30 Sein baldiger Tod machte diesen Plan zunichte. Seitdem mussten sich die Juden wieder darauf beschränken, einmal im Jahr in Jerusalem zusammenzukommen, um über die verlorene Stadt und den zerstörten Tempel zu trauern. Das wenigstens ließen die staatlichen Autoritäten geschehen.
Die Grabeskirche und das Heilige Kreuz Für die Christen wurde Jerusalem erst im 4. Jahrhundert zu einem ihrer religiösen Zentren. Die seit den Zeiten Hadrians heruntergekommene Stadt, in der vielleicht noch zehn- bis fünfzehntausend Einwohner lebten,31 hatte von christlicher Seite wenig Aufmerksamkeit gefunden, bis Konstantin auch das Heilige Land mit seinem religiös motivierten Bauprogramm überzog. Parallel zu seinem Aufstieg zum Alleinherrscher im Römischen Reich setzten Kirchenbauten in Trier, 185
5 Auf Pilgerfahrt
Rom und Konstantinopel ein, die durch kaiserliche Schenkungen begünstigt oder aus staatlichen Mitteln finanziert wurden.32 In Palästina entstanden unter Konstantins Herrschaft insgesamt fünf Basiliken: drei Kirchen in oder bei Jerusalem, eine in Bethlehem und eine weitere in Mamre, dort, wo die „Eiche“ Abrahams bislang einen Kultort der Juden und Heiden dargestellt hatte (S. 27). Als Konstantins Mutter Helena im Jahr 326 das Heilige Land bereiste,33 ließ sie in ihrem und im Namen ihres Sohnes zwei Kirchen errichten, mit denen entscheidender Ereignisse der christlichen Heilsgeschichte gedacht werden sollte: In Bethlehem überdeckte die Geburtskirche jene Grotte, von der man meinte, dass in ihr einst der Heiland geboren worden sei, und die Himmelfahrtskirche krönte den Ölberg bei Jerusalem. In seiner Darstellung des Lebens Konstantins berichtet Euseb, der Kaiser selbst habe den Bau dieser Kirchen geplant und sie nach ihrer Fertigstellung mit kostbaren Weihgeschenken ausgestattet.34 Euseb will den Kaiser als den eigentlichen Bauherrn verstanden wissen, doch hat sich Helena vor Ort um die Ausführung dieser Vorhaben gekümmert. Weniger klar ist die Geschichte der Grabeskirche, deren Bau in Jerusalem Konstantin angeordnet hatte und die gemeinsam mit der Auferstehungskirche diese Stadt zum Zielpunkt aller Pilger machte, die von nun an in das Heilige Land aufbrachen. Euseb nennt die Grabeskirche in seinem Bericht über Konstantins Kirchenbauten im Heiligen Land an erster Stelle. Dabei stellt er in diesem Fall keine Verbindung zu Helenas Besuch in Jerusalem her, sodass die Rolle der Kaisermutter unklar bleibt und in der Forschung umstritten ist. Dabei geht es weniger um die Frage, ob Helena an der Ausführung auch dieser Kirche vor Ort persönlich beteiligt war; im Vordergrund steht vielmehr das Problem, ob die Grabeskirche von Anfang an auch der Verehrung des Heiligen Kreuzes dienen sollte und ob dieses Kreuz Christi bereits – durch Helena? – aufgefunden worden war. Es war diese kostbarste Reliquie der Christenheit, die Jerusalem und die Grabeskirche bald zum sakralen Mittelpunkt der christlichen Welt machte, und so stellt Hieronymus folgerichtig die Anbetung des Kreuzes als erste Handlung Paulas an den Anfang ihres gemeinsamen Aufenthalts in Jerusalem. Ab wann aber wurde das Heilige Kreuz in dieser Stadt gezeigt? Euseb überliefert einen Brief, den Konstantin 326 an Macarius, den Bischof von Jerusalem, gerichtet hat. Er enthielt den Befehl, Macarius 186
Die Grabeskirche und das Heilige Kreuz
solle sich um den Bau der Grabeskirche kümmern; alles, was für eine prunkvolle Basilika notwendig sei, könne und solle er vom Statthalter Dracilianus einfordern. Es müsse, so der Kaiser, in Jerusalem eine Basilika zu Ehren Christi entstehen, die „herrlicher sei als alle anderen Kirchen, die sich irgendwo finden“.35 So sollte „der lange verborgene Ort des Leidens Christi wieder sichtbar werden“, jener Ort, „der schon von Anfang an nach dem Ratschlusse Gottes geheiligt war, doch noch heiliger geworden ist, seitdem er das Zeugnis für das Leiden des Erlösers ans Licht gebracht hat“. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass mit dem von Konstantin angesprochenen „Zeugnis für das Leiden“ doch wohl das Kreuz Christi gemeint sein müsste. Euseb spricht davon aber nicht ausdrücklich. Dafür hat er dem Brief Konstantins an Macarius einen längeren Abschnitt vorangestellt, in dem er ausführlich von der Freilegung des Grabes Christi berichtet.36 Wäre tatsächlich auch das Kreuz gesucht und gefunden worden, während sich Helena in Jerusalem aufhielt, wäre dies wohl von Euseb nicht mit Stillschweigen übergangen worden. Zwar ist sich die spätere Überlieferung – bis hin zur breit ausgeschmückten Wundererzählung, die Jacobus de Voragine in seine „Legenda aurea“ aufnahm – über Helenas große Entdeckung sicher, doch setzt sie auffälligerweise erst in der Mitte des 4. Jahrhunderts ein. Es hat ganz den Anschein, als ob ein Nachfolger des Macarius auf dem Bischofsthron von Jerusalem – gemeint ist Kyrill I., der ab 351 dieses Amt bekleidete – die sakrale Aura seiner Stadt mit großem Geschick verstärkt hätte, indem er der Grabeskirche auch die Kreuzesreliquie verschaffte und diesen wunderbaren Fund mit Helena verband, der als erster christlichen Kaiserin ein besonderer Ehrenrang in der Kirche zukam.37 Als Paula und Hieronymus nach Jerusalem kamen, stand es für sie wie für alle Besucher der Stadt fest, dass man hier neben dem Grab Christi und dem Ort seiner Himmelfahrt auch das Kreuz sehen konnte, an dem der Erlöser gestorben war. Erste Splitter vom Kreuz Christi waren schon längst in andere Regionen des Reiches gelangt.38 „Paula besuchte alle heiligen Stätten der Reihe nach mit solch inbrünstigem Eifer, daß sie sich von den ersten nicht hätte wegbringen lassen, wenn sie nicht auch zu den übrigen hätte eilen wollen. Vor dem Kreuze warf sie sich nieder und betete es an, gerade als ob sie den Herrn an demselben hängen sähe.“39 187
5 Auf Pilgerfahrt
Welches Programm musste der fromme Besucher in Jerusalem absolvieren? Das erwähnte Itinerarium des Pilgers von Bordeaux zählt eine Reihe von Gebäuden und Plätzen auf, die die Geschichte der Stadt von Salomon über Christus bis in die Zeit Hadrians repräsentieren; dabei werden sogar zwei Statuen dieses Kaisers genannt. Auch die Thermenanlage von Bethsaida wird angeführt, deren Wasser wunderbare Heilkräfte zugeschrieben wurden. Hieronymus dagegen übergeht alles dies; er nennt nur die Grabeskirche mit dem Kreuz Christi und dem Stein vor der Grabstätte, die Grabstätte selbst sowie den Stadtberg mit den Überresten des Tempels, auf dem sich eine christliche Kirche befand. In dieser Kirche zeigte man eine Säule, an die Christus gefesselt die Geißelung erlitten haben sollte. Ansonsten sah Paula noch die Stelle, „an welchem der Heilige Geist auf hundertzwanzig Gläubige herabgestiegen war“. An Stätten der christlichen Heilsgeschichte hatte Jerusalem allerdings mehr zu bieten, als Hieronymus in seinem Nachruf anführt. Sicher wird man Paula und ihre Begleiter auf die Spuren des Blutes des Propheten Zacharias hingewiesen haben, die dem Itinerarium zufolge auf dem Tempelberg zu sehen waren; Jesus selbst hatte das Blut in einer seiner Reden in Jerusalem erwähnt (Matt. 23,35; Lk. 11,51). Noch spektakulärer war der Turm des Palastes Salomos, auf dem Christus vom Teufel versucht worden sein soll; auch er war nach Ausweis des Itinerariums in Jerusalem zu besichtigen. Bei Hieronymus findet diese Sehenswürdigkeit indes keine Erwähnung, vielleicht auch deshalb, weil er wusste, dass die Versuchung Christi von den Evangelien nicht auf einem Palastturm lokalisiert wurde, sondern auf dem Tempelberg.40 Insgesamt fällt doch auf, dass der Besuch, den Paula und Hieronymus in Jerusalem gemacht haben, im Nachruf recht schnell abgehandelt wird. Wie ist das zu erklären? Während ihres Aufenthalts werden Paula und Hieronymus festgestellt haben, dass die Stadt, die seit Jahrzehnten das herausragende Pilgerziel im Heiligen Land war, bereits mit Klöstern ausgestattet und von zahlreichen Pilgern frequentiert war. Schon die Kaiserin Helena traf bei ihrem Besuch in der Stadt auf „fromme Jungfrauen“; hier wurde also bereits die asketische Lebensform praktiziert, die damals auch in Rom übernommen wurde. Und in Jerusalem müssen Paula und Hieronymus auf zwei in christlichen Kreisen prominente Zeitgenossen gestoßen sein, mit denen sie sich einerseits eng verbunden fühlen konnten, die aber andererseits die gleichen Ziele wie sie selbst verfolgten und damit auch eine Konkur188
Die Grabeskirche und das Heilige Kreuz
renz im frommen Wettstreit mit religiösen Leistungen darstellten: Hieronymus’ Freund Rufin war gemeinsam mit der reichen Römerin Melania bereits in der Mitte der siebziger Jahre nach Jerusalem gekommen, nachdem sie zuvor Ägypten besucht hatten (S. 148). Auf dem Ölberg, dort, wo Konstantin die Himmelfahrtskirche hatte bauen lassen, befand sich inzwischen auch ein von Melania finanziertes Kloster, in dem etwa fünfzig Nonnen lebten.41 Da das Verhältnis zwischen Hieronymus und Rufin in den achtziger Jahren noch gut gewesen sein, dürfte (der Streit um Origenes brach erst ein Jahrzehnt später aus), werden die beiden Freunde in Jerusalem zusammengekommen sein und das gilt ebenso für Melania und Paula.42 Melania war nur wenige Jahre älter als Paula und stammte wie diese aus der römischen Aristokratie. Und auch sonst erscheint beider Lebensweg geradezu parallel verlaufen zu sein: Melania, Tochter (oder Enkeltochter) des Konsuls Antonius Marcellinus, hatte sich nach dem frühen Tod ihres Mannes und dem Verlust von zwei Söhnen vom weltlichen Leben abgewandt, Teile ihres Vermögens an die Armen verschenkt und war dann nach Ägypten und anschließend in das Heilige Land gereist, um hier dem himmlischen Jerusalem näher zu sein (S. 126).43 Und wie Paula mit Hieronymus, so hatte Melania mit Rufin ihren geistlichen Beistand ständig um sich. Während Melania nach der Ansiedlung in Jerusalem ein Nonnenkloster auf dem Ölberg leitete, unterstand Rufin während der folgenden Jahrzehnte das Mönchskloster. Die fromme Partnerschaft sah also genauso aus, wie sie wenig später von Paula und Hieronymus in Bethlehem praktiziert werden sollte. Sahen Paula und Hieronymus in den von Melania und Rufin geleiteten Klöstern in Jerusalem ein Modell für das, was sie selbst aufbauen wollten? Oder empfanden sie die Anwesenheit der beiden in Jerusalem eher als störend? Verlegten sie ihre Aktivität später nach Bethlehem, weil Jerusalem durch Melania und Rufin schon ‚besetzt‘ und ohnehin als christliches Zentrum so stark geworden war, dass ihre eigene Tätigkeit hier kaum sichtbar geworden wäre?44 Dass Hieronymus sich im Rahmen seines ausführlichen Reiseberichts über Jerusalem so kurz äußert, könnte auch eine gewisse Enttäuschung über mangelnde Spielräume widerspiegeln, die man beim Besuch in der Heiligen Stadt verspürte. Der Bericht über Jerusalem wird aber vor allem deshalb so kurz ausgefallen sein, weil Hieronymus kein Wort über Melania und Rufin schreiben wollte. Die Erinnerung an die bei189
5 Auf Pilgerfahrt
den, die Paula und Hieronymus früher so nahegestanden hatten, wird im Nachruf ausgeblendet. Dabei wird sich die Zelle, die Paula in Jerusalem bezog, in einem der Nonnenklöster der Stadt, wahrscheinlich in dem von Melania geleiteten, befunden haben, und für Hieronymus kann ebenfalls angenommen werden, dass er in dem Kloster gewohnt hat, das von seinem Freund Rufin geleitet wurde.45 Zum Abschluss ihres Aufenthalts in Jerusalem verschenkte Paula Geld an die Armen und an die Sklaven,46 wobei es sich bei diesen auch um ihre eigenen gehandelt haben könnte; einige von ihnen verblieben vielleicht in den Klöstern in Jerusalem.
Der erste Aufenthalt in Bethlehem Im Nachruf auf Paula legt Hieronymus ein besonderes Gewicht auf den ersten Besuch in Bethlehem. Jerusalem kommt, so hat es den Anschein, eher notgedrungen eine besondere Rolle im Reisebericht zu, während sich Bethlehem bereits als zukünftige Stätte des Wirkens von Paula und Hieronymus zu erkennen gibt: Hier erlebt Paula eine Vision, in der ihr das Heilsgeschehen in vielen Details vor Augen tritt und die sie veranlasst, eine lange Ansprache über die Bedeutung des Ortes und über ihre eigene Mission zu halten. Wo Paula und ihre Begleiter in Bethlehem Quartier nahmen, sagt Hieronymus nicht. Er vermittelt den Eindruck, Paula sei sogleich zur Geburtskirche geeilt. Dort sah sie nicht nur die Geburtsgrotte, die noch heute unterhalb der Kirchenanlage besichtigt werden kann, sondern auch den Stall, in dem Maria und Josef untergekommen waren. Wollte man das erste „sie sah“, das Hieronymus gebraucht, wörtlich verstehen, so wäre anzunehmen, dass den Pilgern in der Geburtskirche tatsächlich ein Stall gezeigt wurde. Dann aber „sah“ Paula auf wundersame Weise noch mehr; sie erlebte, wie Hieronymus berichtet, in der Geburtskirche eine Vision: „In meiner Gegenwart beteuerte Paula, sie sähe mit den Augen des Glaubens das in Windeln gewickelte Kind, den in der Krippe weinenden Herrn, die betenden Weisen, den in der Höhe glänzenden Stern, die jungfräuliche Mutter, den emsigen Nährvater, die zu nächtlicher Stunde kommenden Hirten […]. Sie behauptete zu schauen, wie die Knäblein getötet wurden, wie Herodes raste, wie Joseph und Maria nach Ägypten flohen.“47 190
Der erste Aufenthalt in Bethlehem
Im Rahmen der spätantiken Visionsberichte, die eine große Vielfalt von Themen und Formen aufweisen, ist Paulas Erlebnis insofern eigentümlich, als es ausschließlich aus neutestamentlichen Szenen besteht. Es gibt dabei keinen persönlichen Bezug, abgesehen von der Ergriffenheit, die Paula verspürte. Nach ihrer Vision brach sie, wie Hieronymus schreibt, „voller Freude in Tränen aus“. Die auf Jesu Geburt bezogenen Erzählmotive stammen allesamt aus dem Matthäusund dem Lukas-Evangelium, und eine weitere Besonderheit von Paulas Vision liegt darin, dass sie sie in Anwesenheit des Hieronymus erlebte: Während der Vision „beteuert“ und „behauptet“ sie, die genannten Szenen zu „sehen“. Damit unterstreicht Hieronymus, dass Paulas Erlebnis tatsächlich als Vision verstanden werden sollte. Er selbst hatte einige Jahre zuvor in seinem Brief an Eustochium von jenem Traum berichtet, der ihn als Ciceronianer vor das Gericht Gottes brachte, und die Realität des Geschauten mit dem Hinweis auf die an seinem Körper sichtbaren Spuren der Peitschenhiebe unterstrichen (S. 19 ff.). Es gehörte zur religiösen Erfahrung der heidnischen wie christlichen Spätantike, dem Göttlichen im Wachen oder im Traum zu begegnen. Dass dies aber auf historisierende Weise geschah, indem sich die Visionärin in vergangene Zeiten versetzt sah und dann auch noch Ereignisse, die von der Erzähllogik her aufeinanderfolgen (die Ankunft von Maria und Josef, die Geburt Christi, der Kindermord und die Flucht nach Ägypten), gleichzeitig nacherlebte, war ungewöhnlich und bedeutete die größtmögliche Annäherung an das christliche Heilsgeschehen, soweit es mit Bethlehem in Verbindung stand. In Jerusalem hatte Paula trotz aller Ergriffenheit vom Kreuz und Grab Christi keine Gottesschau dieser Art erfahren. So war die Vision auch ein göttliches Zeichen, wo sich Paula niederlassen sollte. Ihre Rede oder besser Predigt, in der sie nach ihrer Vision das Loblied Bethlehems sang, beinhaltete Hieronymus zufolge das klare Bekenntnis, hier leben zu wollen: „Hier ist meine Ruhestätte; denn hier ist die Heimat meines Herrn. Hier will ich wohnen, weil der Erlöser diesen Ort ausgewählt hat.“48 Und sie begründete diese Entscheidung mit einem dichten Geflecht von Bibelzitaten: „Treffend hat David unter einem Eide gelobt: ‚Ich will nicht eingehen in das Zelt meines Hauses, ich will nicht besteigen meine Lagerstätte, meinen Augen will ich keinen Schlaf, meinen Wim191
5 Auf Pilgerfahrt
pern keinen Schlummer und meinen Schläfen keine Ruhe gönnen, bis ich eine Stätte finde für den Herrn, ein Zelt für den Gott Jakobs‘ (Ps. 131,3 ff.). Und bald hat er näher ausgeführt, was der Gegenstand seiner Sehnsucht war. Mit prophetischem Blick sah er jenen kommen, dessen Ankunft wir bereits als eine vollendete Tatsache glauben. ‚Seht, wir haben ihn in Ephrata gehört, wir haben ihn in den Waldgefilden gefunden‘ (Ps. 131,6).“ Wie sollte sich Hieronymus beinahe zwanzig Jahre nach dem ersten Besuch in der Geburtskirche an alle Punkte erinnert haben, die Paula in ihrer Predigt zur Sprache brachte? Waren die aus den Psalmen und aus dem Buch des Propheten Micha geschöpften Lobworte über „Bethlehem, das Haus Ephrata“ nicht einfach naheliegende Bibelstellen? Als er 404 seinen Nachruf auf Paula diktierte, mag sich Hieronymus aber durchaus daran erinnert haben, dass Paula vor Ort den Psalm 131 anders ausgelegt hatte, als es üblich war: Sie bezog den sechsten Vers des Psalms nicht auf Maria, sondern auf Christus, und sie tat dies unter Verweis auf die Erläuterungen zum hebräischen Text, die Hieronymus ihr selbst früher gegeben hatte. Und da sich Paula und Hieronymus bald in Bethlehem niederlassen sollten, konnte Hieronymus diese Entscheidung im Nachhinein mit ihrem ersten Besuch in der Geburtskirche verbinden, bei dem sich Paula offenkundig stark von der Präsenz Gottes ergriffen gefühlt hatte. Er selbst gibt allerdings im Nachruf auch klar zu erkennen, dass Paula und er noch geraume Zeit auf der Suche nach einem neuen Wirkungsort waren. So war ihre Reise auch noch nicht zu Ende. Sie führte zunächst in den Süden Palästinas nach Hebron, dann über Jerusalem zurück in den Norden bis nach Nazareth und auf den Berg Tabor, anschließend nach Ägypten, wo Paula über ein Leben in der Wüste nachdachte, und erst nach diesen Etappen kehrten die Pilger nach Bethlehem zurück, um nun mit dem Bau der Klöster im Umfeld der Geburtskirche zu beginnen. „In beschleunigter Gangart“ sei die Reise von Bethlehem Richtung Hebron unternommen worden, doch erläutert Hieronymus nicht, warum das Tempo erhöht wurde. Möglicherweise stand der nächste Winter bevor, und bei schlechtem Wetter in den Bergen Judäas und Galiläas zu reisen, wäre eine zusätzliche Strapaze gewesen. Doch hätten solche Überlegungen eine Rolle gespielt, wäre der Besuch in Ägypten vorzuziehen gewesen; eher war es wohl so, dass der lange Abstecher in 192
Der erste Aufenthalt in Bethlehem
die Nitrische Wüste noch nicht geplant war, als die Pilger sich im Süden Palästinas aufhielten. Nachdem man noch bei Bethlehem den „Herdenturm“ besichtigt hatte, in dessen Nähe die Hirten einst die frohe Botschaft von der Geburt des Messias erhalten hatten, zogen die Pilger über Bethsur und Escol nach Hebron, besuchten unterwegs die „Zellen der Sara“, wo Isaak geboren worden war, und betrachteten dabei die „Überreste der Eiche Abrahams“ bei Mamre. Hieronymus’ Formulierung, man habe hier nur mehr die Spuren der Eiche gesehen, bestätigt, dass der Baum, der Mittelpunkt eines jüdischen und heidnischen Kultbetriebs, längst gefällt worden war, so wie Hieronymus dies auch in seine Übersetzung des Städteverzeichnisses eingetragen hat (S. 27). Warum er aber weder im Nachruf noch in seiner Fassung des Verzeichnisses auf die konstantinische Basilika eingeht, die in Mamre errichtet worden sein muss, bleibt rätselhaft, zumal er im weiteren Verlauf seines Reiseberichtes mit dem Denkmal des Kaleb ein für christliche Leser weniger interessantes Bauwerk anführt. Bei Kaleb handelte es sich um einen der Kundschafter, die Moses von der Wüste Negev aus nach Kanaan gesandt hatte. Nach seiner Rückkehr forderte Kaleb die Juden auf, das Land zu erobern, während andere Kundschafter vor den Riesen warnten, die dort hausen sollten (4. Buch Mose, 13 f.). In der Umgebung von Hebron hätte Paula Kirjath Sepher (Debir) besuchen können, die „Stadt der Buchstaben“, doch soll sie dies abgelehnt haben, da sie „den tötenden Buchstaben verachtete, nachdem sie den lebendig machenden Geist entdeckt hatte“.49 In unmittelbarem Übergang von einer Stätte jüdischer Erinnerung, die er anführt, zum nächsten denkbaren Ziel, das negiert wird, ruft Hieronymus die Differenz zwischen Altem und Neuem Bund in Erinnerung, die den Reisenden wohl immer wieder Anlass zum Nachdenken gab. Denn da sie ständig zu Schauplätzen des Alten Testaments gelangten, stellte sich ihnen auch die Frage, in welchem Zusammenhang diese Stätten mit dem neutestamentlichen Heilsgeschehen standen. Nur wenn diese Frage beantwortet wurde, konnte man sich als christlicher Pilger verstehen. Aber es konnte kaum ausbleiben, dass man auch auf Sehenswürdigkeiten anderer Art stieß wie etwa in Joppe auf den Felsen der Andromeda (S. 179 f.). In der Nähe von Hebron waren es die Bewässerungsanlagen, die auf die Zeit des Othoniel zurückgeführt wurden. Nach der Eroberung von Kirjath Sefer hatte Othoniel, wie das Buch 193
5 Auf Pilgerfahrt
Richter erzählt, auch die „oberen und unteren Quellen“ erhalten, und so konnte das trockene Land noch zur Zeit von Paula und Hieronymus landwirtschaftlich genutzt werden. Hieronymus vermag in seinem Nachruf aber sogleich die exegetische Brücke zu schlagen, die er wohl vor Ort auch seiner Reisegruppe präsentiert hatte: Wenn Othoniel mit den gewonnenen Quellen sein vorher so trockenes Land bewässert hatte, so lag darin die Botschaft, „daß man in dem Taufwasser die Vergebung der vorhergegangenen Sünden finden kann“.50 Bei der nächsten Etappe war es wieder Paula, die die moralischen Schlüsse aus den Geschichten des Alten Testamentes zog, deren Schauplätze man erreichte. Die Pilger standen auf einer Anhöhe namens Kaphar Barucha, von der vor Ort behauptet wurde, bis hierher habe Abraham nach dem Zusammentreffen mit Gott seine Gäste begleitet; einen Beleg dafür bietet das Alte Testament allerdings nicht. Von der Anhöhe aus war das Tote Meer zu sehen, in dessen Wasser die vier „Städte Lots“, Sodom und Gomorrha sowie Adama und Seborim, versunken sein sollen. Die Pilger suchten mit ihren Blicken gewiss auch nach der Höhle, in der Lot und seine Töchter nach dem Untergang von Sodom gelebt hatten. In Erinnerung an den Inzest, der sich dort abgespielt hatte, geriet Paula außer sich. „In Tränen aufgelöst“ soll sie „die Jungfrauen, welche sie begleiteten,“ vor den Gefahren gewarnt haben, die durch den Genuss von Wein drohten, hatten Lots Töchter ihren Vater doch erst betrunken gemacht, bevor sie mit ihm die Söhne Moab und Ben-Ammi zeugten. Nur an dieser Stelle gibt Hieronymus übrigens zu erkennen, dass zur Pilgergruppe nicht nur Eustochium und Paulinianus gehörten; er spricht ausdrücklich von den „begleitenden Jungfrauen“, an die Paula sich mit ihrer Mahnung gerichtet hätte. Ob diese Begleiterinnen aber schon seit Rom zur Pilgergruppe gehörten oder vielleicht erst seit Jerusalem mit Paula und Hieronymus durch das Heilige Land zogen, ist nicht festzustellen.
Nach Galiläa Für den anschließenden zweiten Besuch in Jerusalem gilt erneut, was bereits ausgeführt wurde: Melania und Rufin werden nicht genannt, die Unterkunft wird nicht näher bezeichnet, es geht Hieronymus nur wieder darum, den frommen Charakter der Pilgerreise zu unterstreichen. Vom Ölberg aus erstrahlte Hieronymus zufolge das Kreuz, das 194
Nach Galiläa
von Helena zur Erinnerung an Christi Himmelfahrt errichtet worden war, und dort auf dem Ölberg befand sich auch der Ort, wo die Juden einst einmal im Jahr eine rote Kuh als Opfer verbrannt hatten, um mit ihrer Asche die Gläubigen vor dem Betreten des Tempels zu reinigen. Auf den Ölberg waren der Vision des Propheten Hesekiel (Ezechiel) zufolge die Cherubim gezogen, als Gott den Befehl zur Zerstörung Jerusalems gab. Indem die Cherubim den Tempel verließen, hatten sie in christlicher Interpretation den „Grundstein zur Kirche des Herren“ gelegt,51 denn die Strafe Gottes ging mit dem Versprechen einher, die unter die Völker zerstreuten Gläubigen zu sammeln und ihnen „ein anderes Herz und einen neuen Geist“ zu geben (Hes. 11,19). Diese Gegenüberstellung von Altem und Neuem Bund ist das Grundmotiv für Hieronymus’ Erzählung über die Pilgerreise Paulas; es prägt auch die noch folgenden Abschnitte seines Berichts über die Etappen, die man in Palästina absolviert hat. Die Route führte von Jerusalem „geraden Wegs“ nach Jericho, von dort in den Norden nach Silo und Nazareth, dann nach Kaphernaum, zum See Genezareth und auf den Berg Tabor. Da man alle diese Ziele leichter am Anfang der Reise hätte erreichen können, als man aus Phönizien kam, lässt sich dieser Abschnitt als Ausdruck einer Verlegenheit interpretieren, wo man sich denn nun eigentlich niederlassen wollte; die Entscheidung für Bethlehem war wohl doch noch nicht endgültig gefallen. Zu den genannten Etappen gibt Hieronymus einige Informationen, um seinen Bericht dann recht abrupt abzubrechen und nach Ägypten überzuwechseln. Auf dem Weg nach Norden gelangte Paula mit ihrer Begleitung in die Stadt Samaria, die, wie Hieronymus vermerkt, zu Ehren des Augustus von Herodes in „Sebaste“ umbenannt worden war. Beim Besuch der Gräber der Propheten Elias und Abdias soll Paula erneut eine Vision, diesmal allerdings erschreckender Art, erlebt haben: „Sie hörte, wie die bösen Geister vor mannigfachen Qualen stöhnten, wie Menschen vor den Gräbern der Heiligen nach Art der Wölfe heulten und Hunden gleich bellten, wie Löwen brüllten, nach Schlangenart zischten und wie Stiere Laute von sich gaben. Andere drehten ihren Kopf im Kreise und berührten, nach rückwärts gebeugt, mit ihrem Scheitel die Erde. Frauen hingen an einem Fuße, ohne daß die Kleider über das Gesicht herabfielen. Mit allen hatte sie Mitleid, für alle vergoß sie Tränen und erflehte ihnen die Barmherzigkeit Christi.“52 195
5 Auf Pilgerfahrt
Unfreiwillig verrät Hieronymus an dieser Stelle, dass er seinen Nachruf auf Paula auch aus literarischen Versatzstücken gestaltet hat.53 Denn die Schilderung der Schrecken, die durch die Dämonen ausgelöst werden, ist wörtlich aus einem Werk des Hilarius von Poitiers entnommen. Der gallische Bischof, der sich auf dem Konzil von Beziers geweigert hatte, die Verurteilung des Athanasius zu unterschreiben, und der dafür nach Phrygien verbannt worden war, hatte 361 eine heftige Polemik gegen den gerade verstorbenen Constantius II. veröffentlicht, in der der Kaiser als arianischer Ketzer und Antichrist angegriffen wird. Hilarius, dessen Schrift über die Trinität Hieronymus während seines Aufenthalts in Trier eigenhändig kopiert und dem er später auch einen längeren Abschnitt in seiner Schrift „Über die berühmten Männer“ gewidmet hat, preist (im 8. Kapitel) die Wirkmächtigkeit des „heiligen Blutes der seligen Märtyrer“, vor deren „verehrungswürdigen Gebeinen […] die Dämonen heulen“. Die Reliquien hätten die Kraft, so Hilarius weiter, Krankheiten zu heilen und andere Wunder zu wirken, zum Beispiel, dass „den am Fuße aufgehängten Frauen die Kleider nicht in das Gesicht herabfallen“. Hier ist eine Folterszene beschrieben, die bei Hilarius in den Kontext der Christenverfolgungen gehört.54 Paula scheint dagegen eine Vision des Jüngsten Gerichtes ‚erlebt‘ zu haben. „Obwohl sie schwach war“, ist Paula nach dem Aufenthalt in Sebaste auf den in der Nähe gelegenen Karmel gestiegen, um die beiden Höhlen zu besichtigen, in denen Ahab die hundert Propheten versorgt hatte. Dann wurde „in beschleunigter Reise“ Nazareth, „die Nährstadt des Herrn“, erreicht. Es verwundert, dass Hieronymus kein weiteres Wort zu dieser mit Jesus so eng verbundenen Ortschaft verliert. Aber hier war tatsächlich kaum etwas zu sehen und vermutlich auch keine Herberge für eine Übernachtung zu finden. In seinem Städteverzeichnis nennt er Nazareth ein „Dorf“, ohne ein einziges Gebäude anzuführen, und auch die moderne Archäologie hat nicht mehr als einige wenige jüdische Gräber aus römischer Zeit auffinden können.55 Das Wirken des Messias war besser in der weiteren Umgebung seines Geburtsortes nachzuerleben, und so besuchten die Pilger Kanaa, wo Jesus sein erstes Wunder gewirkt, und Kaphernaum am See Genezareth, wo er längere Zeit gelebt hatte. Auch die Stätte der Speisung der Fünftausend wurde besucht und der Tabor bestiegen, der seit Origenes mit dem Berg der Verklärung Christi identifiziert wurde, dann schweiften 196
In der Nitrischen Wüste
die Blicke Paulas noch in die Ferne, zum Gipfel des Hermon, über die Ebenen Galiläas, „auf welchen Sisara mit seinem ganzen Heer von Baruch besiegt worden war“, und auch zur Stadt Nain, wo Jesus den toten Jüngling auferweckt hatte. In dieser Zusammenschau stehen noch einmal die blutigen Ereignisse des Alten neben den Wundern des Neuen Testaments. Jetzt aber bricht Hieronymus seinen ausführlichen Bericht über die Reise durch Palästina ab, denn „Zeit und Worte würden ihm fehlen, alle Örtlichkeiten aufzuzählen“, die Paula „in ihrem übergroßen Glaubenseifer“ besucht habe. Mit dem Aufenthalt in Ägypten wartet ein weiterer Höhepunkt im Leben der frommen Paula auf angemessene Würdigung.
In der Nitrischen Wüste Auch die Route, auf der Paula und Hieronymus mit ihren Begleitern nach Ägypten gereist sind, wird im Nachruf auf Paula genau beschrieben. Angeregt durch Melania und Rufin, die Paula und Hieronymus von ihrem Besuch in Ägypten erzählt haben werden, und vielleicht auch in Erinnerung an die Jahre, die Hieronymus selbst in der Wüste verbracht hatte, musste die Nitrische Wüste mit ihrer Ansammlung von Mönchssiedlungen als lohnendes Reiseziel erscheinen. Paula und Hieronymus hatten inzwischen die Klöster in Jerusalem kennengelernt, aber mit der Nitrischen Wüste betrat man das Mutterland des mönchischen Lebens. Hier konnte man nicht nur die Leistungen einzelner Asketen bewundern, die in der Nachfolge des Antonius standen, sondern auch die Organisationsform des koinobitischen Mönchtums kennenlernen, das von Pachomius begründet worden war.56 Als Hieronymus im Jahr 404 in Bethlehem den Nachruf in zwei Nachtwachen diktierte, war ihm bei der Beschreibung der Reise durch Palästina der Mund trocken geworden. Nun „die Lippen zu befeuchten“, um den Bericht mit der Reise nach Ägypten fortzusetzen, ist eine schöne Metapher, denn sie versetzt den Leser in die Situation der Reisenden, die einen weiten Weg vor sich hatten. Hieronymus nennt wieder zahlreiche Stätten, die man passierte, und wie zuvor werden auch jetzt die einzelnen Orte mit Hinweisen auf die christliche Heilsgeschichte verbunden. Die Route führte von Galiläa aus über Samaria und Judäa an die Küste des Mittelmeeres, wobei Hieronymus mit Sochoth und Ramath-Lehi (der „Kinnbackenhöhe“ aus der Geschichte 197
5 Auf Pilgerfahrt
Simsons) Etappen bezeichnet, die sich nicht genau lokalisieren lassen. Das dann folgende Morasthi, wo sich eine Kirche über der Grabstätte des Propheten Micha erhob, kann mit dem kaiserzeitlichen Eleutheropolis (in der Nähe des heutigen Bet Dschibrin) identifiziert werden, das nicht weit von Askalon entfernt lag. Auch die letzten Ortschaften in Palästina, Chorreos, Gath, Maresa, Idumäa und Lachis, sind topographisch nicht sicher nachzuweisen; sie müssen in der Nähe der Straße gelegen haben, die an dem von Hieronymus nicht genannten Gaza vorbei zur Grenze nach Ägypten führte. Über die fünf Städte, denen Jesaja prophezeite, dass sie einst die Sprache Kanaans sprechen würden, und das Land Gosen erreichte man die Ebene von Tanis und damit das Nildelta. Zu Tanis (Zoan) erinnert Hieronymus an die Wunder, die Moses hier vor dem Auszug der Juden aus Ägypten gewirkt hatte (Ps. 77,43 ff.). Dann wird auch Alexandria genannt, ohne dass Hieronymus Näheres über seinen oder Paulas Aufenthalt in der ägyptischen Metropole sagen würde. Er führt nur an, dass Alexandria einst den Namen „No“ getragen habe, wobei er offensichtlich Alexandria mit Theben verwechselt.57 In anderen Schriften erinnert sich Hieronymus dagegen mehrfach an die Wochen, die er in Alexandria zugebracht hat. Hier hat er den exegetischen Vorträgen des blinden, gleichwohl hochgelehrten Didymus beigewohnt, der als eine der größten Kapazitäten auf dem Feld der Bibelerklärung galt und in der theologischen Nachfolge des Origenes stand.58 Hieronymus hatte sich schon während der Jahre in Rom mit den Werken des Didymus beschäftigt und begonnen, dessen Schrift über den Heiligen Geist zu übersetzen.59 Während Hieronymus die Strecke von Galiläa bis nach Alexandria, immerhin etwa 500 Kilometer, in wenigen Sätzen zusammenfasst, wird sein Bericht wieder anschaulicher, als er die südöstlich von Alexandria gelegene Nitrische Wüste erreicht. Die Mönchssiedlung in der Wüste bezeichnet er als „Stadt des Herren“, und ihren Namen „Nitria“ erklärt er richtig und zugleich theologisch passend mit dem Begriff nitrum für „Soda“ oder „Lauge“; hier nämlich würde „Tag für Tag durch die reinigende Lauge der Tugendübungen der Schmutz vieler abgewaschen“. Tatsächlich geht die Bezeichnung auf den entsprechenden ägyptischen Begriff zurück; Natron wurde in altägyptischer Zeit unter anderem zur Einbalsamierung der Mumien verwendet. Während nun Paula die Mönchssiedlung besichtigte, 198
In der Nitrischen Wüste
„kamen ihr ein heiliger und ehrwürdiger Mann, der Bekennerbischof Isidor, sowie ungezählte Scharen von Mönchen, unter denen viele die Priester- und Diakonatswürde zierte, entgegen. Sie freute sich zwar über die Verherrlichung des Herrn, bekannte sich aber einer solchen Ehre für unwürdig.“60 Auch in der Nitrischen Wüste wurde Paula ihrer sozialen Stellung entsprechend begrüßt, während sie sich erneut, wie zuvor in Jerusalem, als demütige Christin zeigte. Wahrscheinlich kannten sich Paula und Isidor bereits, denn Isidor, der inzwischen der Mönchssiedlung in der Wüste vorstand, hatte sich in der Mitte des 4. Jahrhunderts mehrfach in Rom aufgehalten. Das berichtet Palladius, der Bischof von Helenopolis in Bithynien, der am Ende des 4. Jahrhunderts Ägypten besucht und ein Jahr in der Nitrischen Wüste zugebracht hat. In seiner Sammlung von Mönchsbiographien schreibt Palladius über Isidor, er sei mit „dem ganzen römischen Senat und den Frauen der angesehensten Männer daselbst“ bekannt gewesen, da er zweimal, zunächst als Begleiter des Athanasius und später zusammen mit Bischof Demetrius, nach Rom gekommen sei.61 Isidor dürfte also gewusst haben, wer Paula war; vielleicht erhoffte er sich auch eine finanzielle Förderung der Klöster, die in der Nitrischen Wüste erbaut worden waren und den Mittelpunkt des mönchischen Lebens von einigen Tausend Männern darstellten. Viele von ihnen lebten in eigenen Höhlen oder Zellen, doch besaß die Ansiedlung eine klare Struktur und eine disziplinarische Ordnung, die auf Pachomius zurückgingen. Dieser ägyptische Mönch hatte um 325 in Oberägypten ein erstes Koinobion begründet und mit dieser gemeinschaftlichen Lebensform eine Alternative zu dem von Antonius praktizierten Eremitentum geschaffen. Seine strenge Klosterregel, die auch körperliche Züchtigungen ungehorsamer Mönche vorsah, bildete das Muster für alle frühen Klostergründungen im Osten des Römischen Reiches. Melanias und Rufins Klöster in Jerusalem folgten zumindest in ihren Grundstrukturen diesen Vorgaben ebenso wie die Klöster, die Paula und Hieronymus alsbald in Bethlehem einrichten sollten. Weder die späteren Klostergründungen noch die Mönchsansammlung in der Wüste von Chalkis erreichten aber die Größenordnung der Koinobien in Ägypten. Palladius nennt für die Nitrische Wüste eine Zahl von fünftausend Männern, unter denen sich 199
5 Auf Pilgerfahrt
sechshundert Einsiedler befunden hätten.62 In der von Pachomius begründeten Ansiedlung Tabennä in der Thebais sollen sogar siebentausend Mönche gelebt haben, darunter allein dreizehnhundert Männer im größten der hier entstandenen Klöster.63 Angesichts dieser Größenordnungen erscheint die von Hieronymus verwendete Bezeichnung „Stadt Gottes“ als gut gewählt. Paula und er müssen von dem Ausmaß und sicher auch von der Organisation dieser weltabgewandten Lebensform, die ihren eigenen Wünschen so sehr entsprach, stark beeindruckt worden sein. Auch trafen sie hier auf ein großes Potential an asketischer Leistungsfähigkeit und theologischem Wissen. Hieronymus berichtet, dass Paula neben Isidor noch mit etlichen anderen namhaften Mönchen zusammengekommen sei und ihnen ihre Reverenz erwiesen habe. Zu diesen „Säulen Christi“ gehörten Macarius, Arsenius und Serapion, die auch aus anderen Quellen bekannt sind. Macarius der Jüngere übernahm später die Leitung des nitrischen Koinobions und Arsenius hatte vor seinem Leben in der Wüste als Erzieher des späteren Kaisers Arcadius in Konstantinopel gewirkt. „Eines jeden Zelle“, so berichtet Hieronymus, habe Paula betreten, „zu den Füßen aller hat sie sich hingeworfen. In den einzelnen Heiligen glaubte sie Christus zu sehen, und es machte ihr Freude, alles, was sie ihnen getan hat, dem Herrn getan zu haben. Ihr Eifer mußte Bewunderung erregen, und eine Kraft wie die ihre sollte man bei einer Frau für unmöglich halten. Ohne auf die natürliche Schwäche ihres Geschlechtes und auf körperliche Gebrechlichkeit Rücksicht zu nehmen, wollte sie mit ihren Mädchen unter so vielen Tausenden von Mönchen wohnen. Und vielleicht hätte sie es auch durchgesetzt, da alle sie aufzunehmen bereit waren, wenn die noch größere Sehnsucht nach den heiligen Stätten sie nicht abgehalten hätte.“ 64 Paulas Wunsch, in der Nitrischen Wüste zu bleiben, überdeckte ihren früheren Enthusiasmus für Bethlehem. Das von Isidor geleitete Kloster stellte alles in den Schatten, was sie bislang an christlicher Lebensform kennengelernt oder selbst praktiziert hatte. Allerdings gab es in der Nitrischen Wüste bislang keine Frauenklöster. Das mag Isidor davon abgehalten haben, auf Paulas Wunsch einzugehen. Da das nitrische Koinobion auch ökonomisch gut organisiert war und Isidor 200
In der Nitrischen Wüste
selbst, Palladius zufolge, über ein beträchtliches Vermögen verfügte,65 war es aus finanzieller Sicht zwar vielleicht wünschenswert, aber doch nicht notwendig, Paula und ihren Kreis auf Dauer aufzunehmen. Dass Paula und Hieronymus die Abreise aus der Nitrischen Wüste noch im Sommer vollzogen, bei „sengender Hitze“, wie Hieronymus schreibt, war vielleicht auch Ausdruck der Enttäuschung, nicht in die Mönchsgemeinschaft aufgenommen worden zu sein. Ein großer Teil des Rückweges nach Palästina wurde auf dem Seeweg zurückgelegt, indem man in Pelusium ein Schiff bestieg, das nach Majuma, der Hafenstadt Gazas, segelte. Von Gaza aus ging es nach Bethlehem, diesmal mit der festen Absicht, sich hier auf Dauer niederzulassen. Paula bezog Quartier in einer „kleinen Herberge“, wohl zusammen mit Eustochium und Hieronymus. Drei Jahre lang (386–389) wohnte man in bescheidenen Verhältnissen, bis die Klosterbauten fertiggestellt waren. Mit Paulas Geld entstanden ein Mönchs- und ein Nonnenkloster sowie eine Herberge für zukünftige Pilger. Ihnen sollte es nicht so ergehen wie einst Maria und Joseph, die in Bethlehem keine Unterkunft hatten finden können.
201
6 Bethlehem
A
us Hieronymus’ Angaben geht hervor, dass sich die neue Pilgerherberge an der Hauptstraße befand, die durch Bethlehem führte; ihre genaue Lage ist aber nicht bekannt. Das gilt auch für das Mönchskloster, das möglicherweise am Ortsrand errichtet wurde, während das Nonnenkloster unmittelbar an die Geburtskirche grenzte. Durch die Nähe zum vermeintlichen Geburtsort des Erlösers gewann dieses Koinobion, das unter Paulas Leitung stehen sollte, eine besondere sakrale Aura. „Hier in einer kleinen Erdspalte“, so schrieb Hieronymus an Marcella, „wurde der Schöpfer des Himmels geboren.“1 Die große fünfschiffige Basilika, die auf Befehl Konstantins gebaut und um 335 eingeweiht worden war, liegt über der Geburtsgrotte, zu der man heruntersteigen konnte. Hier war auch eine Krippe zu sehen, von der Hieronymus allerdings mit Bedauern festhält, dass es sich nicht mehr um das Original handelte.2 Er selbst wurde Jahre später nahe am Eingang der Krypta beigesetzt (S. 281).
Das Klosterleben in Bethlehem In seinem Nachruf auf Paula berichtet Hieronymus über die Organisation des Nonnenklosters. Paula hatte die soziale Schichtung der römischen Gesellschaft für die innere Ordnung des Klosters beibehalten, sodass die Schar der Nonnen in drei Klassen zerfiel: „Sie hatte eine Reihe von Jungfrauen aus verschiedenen Provinzen, adelige sowohl als auch bürgerliche und solche einfachen Standes, um sich versammelt. Sie bildete aus ihnen drei Abteilungen und verteilte sie auf ebenso viele Klöster mit der Maßnahme, daß sie bei der Arbeit und beim Essen getrennt sein, dem Psalmengesang und dem Gebet dagegen gemeinsam obliegen sollten. Wenn das Halleluja angestimmt war, ein Zeichen, welches zur gemeinsamen Versammlung berief, durfte keine zögern. Paula kam zuerst oder unter den ersten und erwartete die Ankunft der übrigen.“3 202
Das Klosterleben in Bethlehem
Während Paula die Oberaufsicht über das Kloster innehatte, standen die drei „Abteilungen“ jeweils unter der Leitung einer eigenen „Mutter“. So wie die täglichen Gottesdienste gemeinsam gefeiert wurden, besuchten die Nonnen auch einmal in der Woche, am Sonntag, gemeinsam die Geburtskirche, wobei sie, in ihren „Abteilungen“ geordnet, ihrer Leiterin in die Kirche und anschließend wieder in das Kloster folgten. Die sonntäglichen Gottesdienste feierten die Nonnen also gemeinsam mit den Mönchen und den Mitgliedern der örtlichen Gemeinde. Anzunehmen ist, dass Hieronymus selbst gelegentlich in der Kirche gepredigt hat.4 Eine Sammlung seiner Predigten ist überliefert, doch Hieronymus könnte sie auch im Kloster vorgetragen haben.5 Die reguläre Durchführung des Gottesdienstes in der Geburtskirche wird in den Händen des örtlichen Klerus gelegen haben. An besonderen Feiertagen kam auch der Bischof von Jerusalem, Johannes II., mit seinem klerikalen Gefolge nach Bethlehem, um hier den Gottesdienst zu feiern.6 Hieronymus betont, dass Paula die Nonnen „durch Einwirkung auf das Ehrgefühl und durch ihr gutes Beispiel, nicht aber durch Zuchtmittel“ zur Arbeit angehalten habe. Sie habe auch großen Wert darauf gelegt, dass die Frauen die Psalmen kannten; darüber hinaus sollte jede Nonne täglich einen neuen Abschnitt aus der Bibel auswendig lernen. Der Tagesablauf war durch den Psalmengesang zur dritten, sechsten und neunten Stunde sowie am Abend und noch einmal um Mitternacht gegliedert, und in der verbleibenden Zeit waren Arbeiten zu erledigen, die vielleicht auch zum Unterhalt des Klosters beitragen sollten. Hieronymus spricht von der Herstellung von Kleidung, aber es wird nicht deutlich, ob er dabei auch an einen Verkauf derselben gedacht hat.7 Im Kloster genähte Bußgewänder wurden aber zumindest als Gegengaben an Briefpartner des Hieronymus verschickt, die ihrerseits das Kloster mit Geschenken oder Geldsendungen bedacht hatten.8 Zu den disziplinarischen Maßnahmen, die für Hieronymus offensichtlich keine „Zuchtmittel“ darstellten, gehörte der Nahrungsentzug. Für Paula, selbst eine erfahrene Asketin, die mit ihrer Enthaltsamkeit dem ganzen Kloster ein Vorbild sein wollte, war wie für Hieronymus das Fasten das geeignete Mittel, um den jüngeren Frauen die „Regungen der Fleischeslust“ auszutreiben. Sah sie entsprechende Anzeichen, dann wurde mitunter auch ein „verdoppeltes Fasten“ angesetzt, „denn eher sollte der Magen leiden als der Geist“. Milder erscheint da, dass Paula Frauen, die sich besonders hergerichtet hatten, nur „durch Stirnrunzeln 203
6 Bethlehem
und eine betrübte Miene“ zurechtzuweisen suchte. Wer aber wiederholt durch Redseligkeit, Frechheit oder Streitsucht auffiel, wurde mit einem vorübergehenden Ausschluss aus der Gemeinschaft bestraft. Die Schuldige musste dann getrennt von ihren ‚Schwestern‘ beten und essen. „Wo die Zurechtweisung nichts erreicht hatte, sollte die Scham bessern.“9 Ob ähnliche Maßnahmen in dem Mönchskloster angewendet wurden, für das Hieronymus zuständig war, geht aus seinen Äußerungen nicht hervor. Mit seiner Wüstenerfahrung war er schon in Rom zur moralischen und asketischen ‚Instanz‘ geworden, und so dürfte auch von ihm eine starke Vorbildwirkung auf die Mönche seines Klosters ausgegangen sein. Eine besondere Prägung erfuhr ‚sein‘ Kloster aber gewiss auch durch die hier praktizierte christliche Gelehrsamkeit. Im Mönchskloster muss es ein Skriptorium gegeben haben, denn die Briefe und Schriften, die Hieronymus in Bethlehem verfasste, sind wie auch der Nachruf auf Paula Schreibern diktiert worden, die im Kloster lebten oder hier zumindest für längere Zeit zu Besuch waren. Mitunter wurden Schreiber, die der lateinischen Sprache mächtig waren, von befreundeten Aristokraten aus Rom finanziert und nach Palästina geschickt.10 Und Hieronymus hat von Bethlehem aus den schon früher praktizierten Büchertausch fortgesetzt, um seine Bibliothek, die nun wohl zugleich auch die Bibliothek seines Klosters war, zu vervollständigen.11 Dass sich im Kloster etliche gebildete Mönche aufhielten, geht auch aus der Bemerkung des alten Hieronymus hervor, seine Mitbrüder hätten ihm die Texte der griechischen Bibelkommentatoren vorlesen müssen, da er selbst zu schwache Augen habe.12 Beiläufige Bemerkungen des Hieronymus belegen weiterhin, dass er im Kloster zahlreiche Katechumenen unterrichtete. In seinem Pamphlet gegen Johannes, den Bischof von Jerusalem, erwähnt er 396 eine Gruppe von vierzig Taufkandidaten, die er auf ihren Eintritt in die christliche Glaubensgemeinschaft vorbereitete.13 Und einige Jahre später wird Rufin Hieronymus’ angebliche Abstinenz gegenüber der heidnischen Literatur auch mit dem Hinweis darauf infrage stellen, dass sein ehemaliger Freund in seinem Kloster eine Schule für den Mönchsnachwuchs betreibe. Dort würden der ihm anvertrauten Jugend nicht nur Vergil, sondern noch etliche weitere Klassiker der lateinischen Literatur nahegebracht.14 Aus solchen Nachrichten gewinnt man das Bild eines regen und großen Klosterbetriebs, in dem Hieronymus selbst vielfältigen geistlichen und geistigen Tätigkeiten nachging. 204
Das Klosterleben in Bethlehem
Leider fehlt aber eine so anschauliche Beschreibung des Mönchsklosters, wie Hieronymus sie für das Nonnenkloster und Paulas Leitungsfunktion gegeben hat.15 Paula unterwarf sich einer strengen Askese und verzichtete auf alles, was ihre hohe soziale Herkunft hätte bezeugen können. Besucher, die gekommen seien, um diese Frau aus der Hocharistokratie zu besuchen, hätten sie für die „letzte der Dienerinnen“ halten können.16 Nur in seltenen Fällen, wenn es medizinisch geboten erschien, besuchte Paula ein Bad. Aber selbst bei starkem Fieber weigerte sie sich, in einem weichen Bett zu schlafen; auch dann blieb sie unter ihren einfachen Decken auf dem harten Boden liegen. Tag und Nacht ins Gebet vertieft, sei Paulas Enthaltsamkeit so groß gewesen, „daß sie beinahe über das Maß hinausging“. Da sie ihren Körper „durch zu strenges Fasten und schwere Anstrengung“ schwächte und sich zudem äußert frugal ernährte – nur an den Festtagen ließ sie es zu, dass ihre Speisen mit Öl zubereitet wurden –,17 machte Paula auf manche Besucher gar den Eindruck, nicht recht bei Verstand zu sein und einer ärztlichen Behandlung zu bedürfen.18 Das wurde auch Paula selbst berichtet, und zwar von einem „Ohrenbläser“ und „unter dem Schein des Wohlwollens“. Sollte sie in solchen Urteilen ein besonderes Lob für ihre asketische Enthaltsamkeit gesehen haben? Für Hieronymus zumindest grenzten sie an Schmeichelei und zeugten von Neid. Er zitiert die Bibelverse, mit denen Paula dem „Ohrenbläser“ und damit zugleich ihren Neidern geantwortet habe: Auch Christus sei von seinen Verwandten für wahnsinnig gehalten worden (Mk. 3,21). Und unvermeidlich werde jeder Mensch, der seinem Vorbild folge, zum „Schauspiel für die Welt und die Engel und die Menschen“ (1. Kor. 4,9). Hieronymus führt darüber hinaus noch weitere Leistungen Paulas an, die auf dem Gebiet des Bibelstudiums lagen. Nicht nur, dass sie die ganze Heilige Schrift auswendig gekannt habe, womit Hieronymus sie – ohne dass er dies aussprechen müsste – neben berühmte Vertreter der antiken Kunst der Mnemotechnik stellt, die etwa den ganzen Homer beherrschten.19 Paula, die auch in Bethlehem ein großes Interesse daran zeigte, Hieronymus’ theologische Arbeiten zu begleiten, habe hier die hebräische Sprache so gut gelernt, dass sie die Psalmen in dieser Sprache singen konnte. Ihre Aussprache des Hebräischen sei „frei von jeder Eigentümlichkeit der lateinischen Sprache“ gewesen. Und auch Paulas Tochter Eustochium lernte mit dem gleichen Erfolg 205
6 Bethlehem
Hebräisch.20 Überhaupt wurde in Bethlehem fortgesetzt, was man in Rom begonnen hatte: „Paula veranlaßte mich, mit ihr und ihrer Tochter das Alte und das Neue Testament zu lesen, wobei ich die Erklärungen einschalten sollte. Aus Ehrfurcht wies ich dies zurück, mußte aber ihrem Eifer und ihrem ständigen Bitten mich fügen und so weitergeben, was ich gelernt hatte, nicht aus mir selbst, aus eigener Einbildung – denn sie ist die schlechteste Lehrmeisterin –, sondern von den hervorragenden Kirchenlehrern. Wenn ich stockte und offen meine Unkenntnis eingestehen mußte, so wollte sie sich keineswegs hierbei beruhigen. Vielmehr zwang sie mich durch beständiges Fragen, ihr unter den vielen verschiedenen Ansichten jene anzugeben, welche mir am wahrscheinlichsten vorkam.“21 Ob der ‚innere Kern‘ der Klöster in Bethlehem über Hieronymus, Paula und Eustochium hinaus noch weitere Teilnehmer an den Bibelstudien umfasst hat, wird in Hieronymus’ Berichten nicht deutlich. Sein Bruder Paulinianus dürfte dazugehört haben, vielleicht auch die eine oder andere fromme und gebildete Römerin, die zu den Nonnen der ersten, aristokratischen Abteilung gehörte, einige gut gebildete Mönche sowie die Besucher, die sich längere Zeit in Bethlehem aufhielten.22 In diesem Zirkel war Hieronymus, auch wenn er seine Kenntnisse im Nachruf auf Paula bescheiden herunterspielt, die unangefochtene geistige und geistliche Autorität. Das macht Hieronymus in einem Abschnitt seines Nachrufs deutlich, in dem er über heikle theologische Fragen berichtet, die Paula von einem „Schlaukopf“ vorgelegt worden waren. Aus dem Inhalt der Fragen geht hervor, dass die Lehre des Origenes von der Präexistenz der Seelen im Zentrum stand, wobei die Fragen vermutlich schriftlich vorgelegt worden waren. Zu einem Gespräch scheint es dann erst zwischen Hieronymus und dem origenistischen Kontrahenten gekommen zu sein; stattgefunden hat es wohl gegen Ende des 4. Jahrhunderts, als Hieronymus sich bereits klar gegen Origenes positioniert hatte. Zunächst hatte die „nichtswürdie Natter“ die Frage gestellt, warum denn schon kleine Kinder leiden müssten? Was für Sünden könnten sie in ihrem zarten Alter begangen haben? Und wie sollte man sich die Auferstehung vorstellen? In welchem Alter sollte sie denn erfolgen? Etwa in dem, in dem der Mensch gestorben sei? Würde das nicht be206
Geldsorgen
deuten, dass verstorbene kleine Kinder im Himmel noch Ammen benötigten? Wird man sein Geschlecht behalten? Dann müsste es doch im Himmel noch den Beischlaf geben. Sollte man aber geschlechtslos auferstehen, wären es doch nicht mehr die Körper der Menschen, die in das ewige Leben eingingen. Nachdem Paula Hieronymus über diese Anfrage unterrichtet hatte, machte sich der gelehrte Mönch zum Gegenschlag bereit. Ihm sei, so schreibt er, die Aufgabe zugefallen, diesem „verderbenbringenden Ungeheuer“ und „Ketzer“ entgegenzutreten und seine Argumente zurückzuweisen. Über etliche Seiten erzählt Hieronymus von seinem Zusammentreffen mit dem Anhänger des Origenes, den er einem peinlichen Verhör unterzog. Sein Gegenüber verfiel dabei alsbald in Schweigen, offensichtlich erdrückt von den zwingenden Glaubenssätzen, mit denen Hieronymus ihn auf das orthodoxe Dogma der körperlichen Auferstehung verpflichtete. Nach der Auferstehung sei der Mensch den Engeln ähnlich und folglich, so wie bereits die frommen Jungfrauen im Diesseits, fern aller Geschlechtlichkeit. Und wer die Auferstehung der Körper leugne, verleugne auch die Auferstehung Christi, die doch von den Evangelisten einhellig bezeugt werde. Bei der Frage nach dem Alter, in dem sich der Auferstandene wiederfinde, folgt Hieronymus dem Apostel Paulus und bezeichnenderweise auch Origenes, die darin übereinstimmten, dass Christus zur Zeit seines Todes und seiner Auferstehung das ideale Alter besessen habe. Die Zurückweisung durch Hieronymus führte seinem eigenen Zeugnis zufolge dazu, dass Paula „mit diesem Menschen und allen, die seiner Ansicht waren“, nichts mehr zu tun haben wollte. Lieber habe sie Freundschaften aufgegeben, als Zweifel an ihrem rechten Glauben zuzulassen. Die orthodoxe Haltung der Klöster in Bethlehem war durch Hieronymus sichergestellt worden.
Geldsorgen Wenn in seinem Nachruf überhaupt ein Schatten von Kritik auf Paula fällt, so betrifft dies ihre Haltung gegenüber dem eigenen Vermögen. Von Paulas Reichtum hing die Existenz der Klöster und der Pilgerherberge in Bethlehem ab, die ohne ihre Gelder gar nicht erst gebaut worden wären. Hieronymus lässt keinen Zweifel daran, dass der Klosterbetrieb ohne Paulas finanzielle Mittel kaum aufrechtzuerhalten war. 207
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Nun hatte Paula schon in Rom Teile ihres Vermögens verschenkt, und auch in Bethlehem zeigte sie sich den Armen gegenüber wohltätig. Zunächst finanzierte sie ihre Spenden aus den Zinsen ihres Kapitals, doch als diese Gelder nicht mehr ausreichten, nahm sie Anleihen auf, um ihre Wohltätigkeit fortzusetzen.23 Hieronymus versuchte mit passenden Bibelworten, Paula zum Maßhalten zu bewegen. Er verwies etwa auf Paulus, der im Spenden einen Weg gesehen hatte, einen Ausgleich zwischen Reich und Arm zu schaffen. Dabei sollte aber der Gebende nicht selbst in wirtschaftliche Not geraten (2. Kor. 8,13 f.). Doch Hieronymus hatte mit seinen Versuchen, Paula zu einer „vorsichtigeren Vermögensverwaltung“ zu überreden, keinen Erfolg. Als es später so weit war, dass Paula der „Verlust ihres Vermögens und die Zerstörung ihres väterlichen Erbes“ mitgeteilt werden musste, nahm sie dies in christlicher Demut zur Kenntnis, indem sie Matthäus zitierte: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele?“24 In ihrem Glaubenseifer sei Paula „völlig eins geworden mit dem Erlöser“ und durch die Radikalität der völligen Aufgabe des eigenen Besitzes schließlich so verarmt, dass sie bei ihrem Tod ihre Tochter Eustochium, die ihr in der Leitung der Klöster nachfolgte, in großen Schulden zurückgelassen habe. Die finanzielle Not trat allerdings nicht erst mit dem Tod Paulas ein; sie hatte Hieronymus nach Ausweis des Briefes, den er 397 an Pammachius geschrieben hat, schon einige Jahre zuvor zum Handeln veranlasst: „Wir haben in diesem Lande ein Kloster gebaut und in der Nähe ein Pilgerhaus errichtet, damit nicht etwa auch jetzt noch Joseph und Maria nach Bethlehem kommen, ohne gastliche Unterkunft zu finden. Nun werden wir von einer solchen Menge von Mönchen aus der ganzen Welt überlaufen, daß wir dies angefangene Werk nicht unvollendet lassen können. […] Deshalb sahen wir uns veranlaßt, unseren Bruder Paulinianus in die Heimat zu senden, um die halb zerfallenen Landgüter, soweit sie von den Händen der Barbaren verschont geblieben sind, und das sonstige durch Brand heimgesuchte Besitztum unserer gemeinschaftlichen Eltern zu verkaufen, damit wir nicht das angefangene heilige Werk aufgeben müssen und so bösen und eifersüchtigen Menschen zum Gespötte werden.“25 Vieles wüsste man gerne genauer: War Paulinianus erfolgreich, konnte er Geld aus der alten Heimat nach Palästina mitbringen? Da Hierony208
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mus noch im Nachruf auf Paula von dem drohenden „Schiffbruch“ der Klöster spricht,26 scheint die Mission nicht viel erbracht zu haben. Wie groß war das Vermögen gewesen, über das Paula hatte verfügen können? Im Fall ihrer Standesgenossin Melania der Jüngeren, die 410 vor Alarich zu Augustinus nach Nordafrika floh, später aber in Jerusalem lebte und hier, dem Beispiel ihrer Großmutter Melania d. Ä. folgend, weitere Klöster gründete, bietet die Vita, die Gerontius kurz nach ihrem Tod schrieb, konkrete Angaben: Sie soll allein in Italien sechzig Dörfer mit jeweils vierhundert Sklaven und weitere Güter in Spanien, Britannien und Nordafrika besessen haben; ihr Jahreseinkommen habe sich auf 1600 Pfund Gold belaufen.27 Ähnliche Besitzverhältnisse dürfen wohl auch für Paula vermutet werden. Wie hat man sich den Pilgerbetrieb in Bethlehem vorzustellen? Bestanden die Geldsorgen vor allem, weil man mehr und mehr Fremde beherbergen und versorgen musste? Wie viele Nonnen und Mönche lebten überhaupt in den Klöstern in Bethlehem? Und wie viele der aus besseren Verhältnissen stammenden Nonnen und Mönche hatten ihr Vermögen mitgebracht und den Klöstern zur Verfügung gestellt? Grundsätzlich bestand diese Möglichkeit, nachdem Konstantin mit einem Gesetz aus dem Jahr 319 Kleriker von den Dienstleistungen und Steuerzahlungen freigestellt hatte, was von seinen Nachfolgern mehrfach bestätigt wurde.28 Gerade für Wohlhabende wurde der Eintritt ins Kloster aus ökonomischen Gründen interessant, denn sie konnten aufgrund der genannten Befreiungen vor dem staatlichen Steuerdruck und den Lasten ausweichen, die mit der Zugehörigkeit zum Kreis der städtischen Dekurionen verbunden waren. Diese Option war offensichtlich für viele reiche Untertanen verlockend, denn Konstantins Nachfolger sahen sich genötigt, dieser christlichen Form von Steuerersparnis Grenzen zu setzen.29 Eine weitere Möglichkeit, den Betrieb der Klöster sicherzustellen, konnte auch darin bestehen, Zuwendungen vermögender Gönner zu gewinnen, und tatsächlich hat sich Hieronymus wiederholt und auch erfolgreich um solche Zuwendungen bemüht.30 Der lange Nachruf auf Paula bezeugt, wie viel er dieser Frau zu verdanken hatte. Als christliche Mäzenatin und als Asketin setzte sie alles daran, den radikalen Lebensentwurf eines rigorosen Christentums zu verwirklichen, dem Hieronymus mit seiner Moraltheologie ein dogmatisches Fundament gegeben hatte. Sie war, zusammen mit ihren Töchtern, der lebende Beweis für die Sinnhaftigkeit der auf diese 209
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Weise gesuchten Gottesnähe. Doch war Paula zugleich auch eine fragende und fordernde Kraft für Hieronymus’ theologische und philologische Forschung, und gerade für diesen Bereich sind die Erinnerungen an Paula, die Hieronymus im Nachruf festhielt, von besonderer persönlicher Färbung. Als sie starb, konnte Eustochium ihre Trauer kaum überwinden; vom Leichnam ihrer Mutter, so schreibt Hieronymus, sei sie nicht fortzubringen gewesen. Für ihn selbst ist der Verlust ebenfalls äußerst schmerzhaft gewesen.31 Nach ihrem Tod wurde Paula, auch darüber berichtet Hieronymus in seinem Nachruf, in einem großen Trauerzug zu Grabe getragen, an dem nicht nur zahlreiche Mönche und Nonnen, sondern auch viele Bischöfe und Kleriker teilgenommen hätten. Ihr kam, das will Hieronymus sagen, eine weit über Bethlehem hinaus reichende Wirkung zu. Diese beruhte auf ihrer überzeugenden asketischen Lebensführung, die sie auf eine Höhe mit den früheren christlichen Märtyrerinnen erhob. Wurde die Krone des Martyriums in den Zeiten der Christenverfolgungen durch den Tod für den Glauben errungen, so hatte aus Hieronymus’ Sicht der Triumph des Christentums die Bedingungen zwar verändert, nicht aber die Möglichkeit des Martyriums an sich aufgehoben: „Nicht nur das vergossene Blut wird als Glaubensbekenntnis angerechnet, sondern auch die Hingabe einer frommen Seele ist ein tägliches Martyrium.“32 Und diese Hingabe hatte Paula über Jahrzehnte gelebt. Beigesetzt wurde sie in der Geburtskirche, nicht weit von der Geburtshöhle, so wie später auch Hieronymus selbst. Die Inschrift an Paulas Grab, die Hieronymus verfasste und die er am Ende seines Nachrufs zitiert, sollte spätere Pilger daran erinnern, was Paula für ihren Glauben alles aufgegeben hatte. Aus der reichen römischen Aristokratin war die demütige Nachfolgerin Christi geworden: „Eine aus Scipios Haus, aus des Paulus edlem Geschlecht, / Sprößling Gracchischen Stammes, Agamemnons rühmlicher Nachwuchs, / ruht im Grabe dahier [...] / Schaust du das Grabmal dir an, so eng in die Felsen gehauen? / Paulas Asyl ist dies, die das himmlische Reich nun bewohnet, / Bruder, Verwandte und Rom und die Heimat und Reichtum und Kinder / Hat sie verlassen und ruht in Bethlehemitischer Grotte.“33
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Eine fromme Kleinstadtidylle
Eine fromme Kleinstadtidylle Noch aus den ersten Jahren des gemeinsamen Lebens stammt ein langer, angeblich von Paula und Eustochium, tatsächlich aber von Hieronymus verfasster Brief, mit dem Marcella zur Reise ins Heilige Land aufgerufen wurde. Man klagte über den Verlust der „Freundin“ und „Lehrerin“, deren Nähe man nicht missen könne, und wies Marcella darauf hin, dass schon Abraham dazu aufgefordert worden war, seine Heimat zu verlassen: Nur so sei das „Land der Verheißung“ zu erreichen, und dessen Mittelpunkt sei nun einmal Jerusalem: „Das ganze Geheimnis unserer Erlösung ist aufs engste mit dieser Provinz und seiner Hauptstadt verknüpft. […] So sehr sich Judäa über die anderen Provinzen erhebt, ebenso ragt Jerusalem an Bedeutung über ganz Judäa empor. Um es kurz zu sagen, der Ruhm der ganzen Provinz kommt der Hauptstadt zu; was aber an den Gliedern zu loben ist, das kommt dem ganzen Körper zugute.“ Im Brief an Marcella wird ein möglicher Einwand von ihrer Seite vorweggenommen: Da in Jerusalem der Messias gekreuzigt wurde, könne das göttliche Wohlwollen kaum auf dieser Stadt liegen. Nein, lautet die Entgegnung, Jerusalem sei zwar von den Römern zerstört worden, damit die Juden für diese Tat bestraft würden, aber durch das Grab Christi sei Jerusalem letztlich „noch viel verehrungswürdiger“ geworden.34 Interessant an diesen Ausführungen ist vor allem, dass Marcella die Reise in den Osten zunächst mit dem Lob Jerusalems schmackhaft gemacht wird, während Bethlehem erst im weiteren Verlauf des Briefes als ruhiger Gegenpol zu der vom internationalen Pilgerwesen beherrschten Provinzhauptstadt beschrieben wird. Von einer Konkurrenz zwischen Bethlehem und Jerusalem ist in diesem Brief nichts zu spüren; vielmehr geht die Anziehungskraft des Heiligen Landes maßgeblich von seinem Zentrum aus. Hierher kommen Christen aus Gallien, Britannien und Ägypten, ja sogar aus Armenien, Mesopotamien, Persien und Indien: Hier trifft man auf „beinahe so viele Chöre von Mönchen, die ihre Psalmen singen, als es verschiedene Nationen gibt“.35 Und kann sich der Christ schon in Jerusalem an zahlreichen Orten der Heilsgeschichte erinnern, so ist auch Bethlehem nicht weit. Tatsächlich nur etwa zehn Kilometer entfernt, also in einem Fußmarsch 211
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von zwei Stunden zu erreichen, befinden sich hier „das Ställchen Christi und die Herberge Marias“. Kaum zu schildern sei aber die Hoheit der Geburtsstätte des Heilands.36 Hieronymus kommt stattdessen auf die Situation in Rom zu sprechen, wo eine Christin wie Marcella kaum Ruhe finden könne. Zu sehr sei das Leben in Rom durch „Ehrgeiz und Macht“ geprägt, durch das „Sehen und Gesehenwerden, das Besuchemachen und Besucheempfangen, das Loben und Verleumden, das Zuhören und Mitreden“ und, wer sich davon frei zu machen suche, sei sogleich der Kritik ausgesetzt. Wie anders und wie viel näher an Gott ist dagegen das Leben in Bethlehem: „In der kleinen Stadt Christi, da herrscht […] ländliche Einfachheit. Abgesehen vom Gesang der Psalmen ist überall völlige Stille. Wohin Du blickst, siehst Du den Landmann, der den Pflug lenkt und dabei sein Halleluja singt. Der Schnitter, dem der Schweiß von der Stirne rinnt, macht sich die Arbeit leichter, indem er sie mit Psalmen begleitet. Der Winzer, der mit der Hippe die Reben beschneidet, läßt eines von den Liedern Davids erklingen.“37 Am Ende des Briefes schildert Hieronymus, welche schönen Ziele es in Jerusalem und in der Umgebung dieser Stadt zu besuchen gibt und auch darüber hinaus: Nach Bethlehem könnte man pilgern, Kanaa besichtigen, den Berg Tabor besteigen, sich am See Genezareth der Speisung erinnern oder Kaphernaum „und schließlich die ganze Landschaft Galiläa“ besichtigen. Offensichtlich erinnert er sich gerne an die lange Reise, die er einige Jahre zuvor mit Paula unternommen hatte, und seine Werbung mit den genannten Pilgerzielen lässt auch vermuten, dass Hieronymus und Paula nach ihrer Ansiedlung in Bethlehem ihre Klöster gelegentlich verlassen und die heiligen Stätten im Land besucht haben.38
Die Geschichte vom Löwen Die mittelalterliche Legende wusste, auf welche wunderbare Weise die Versorgungsprobleme der Klöster in Bethlehem gelöst worden waren. Etwa ein Viertel des Textes, den Jacobus de Voragine Hieronymus gewidmet hat, erzählt die Geschichte von der Heilung eines Löwen, die dazu geführt haben soll, dass die Klöster regelmäßig mit Öl beliefert wurden. Am Anfang steht ein etwas kläglicher Auftritt des Königs der Tiere: 212
Die Geschichte vom Löwen
„Als sich Hieronymus eines Tages gegen Abend mit den Mönchsbrüdern hinsetzte, um die heilige Lesung zu hören, betrat plötzlich ein hinkender Löwe das Kloster. Während die anderen Brüder bei seinem Anblick flohen, ging ihm Hieronymus wie einem Gast entgegen. Als der Löwe ihm seinen verletzten Fuß zeigte, rief Hieronymus die anderen Brüder herbei und ordnete an, dass ihm der Fuß gewaschen werde und der Verletzung sorgfältig nachgegangen werde. Als dies geschehen war, fanden sie heraus, dass die Sohle des Löwen von Dornen verletzt worden war. In Folge der sorgfältigen Pflege genas der Löwe und lebte – er hatte alle Wildheit abgelegt – wie ein zahmes Tier unter ihnen.“39 Nach der Heilung des Löwen hatte Hieronymus die Eingebung, dass das Tier von Gott gesandt war, um dem Kloster zu dienen. Seine zukünftige Aufgabe bestand darin, den Esel, mit dem man den Transport von Brennholz bewerkstelligte, auf die Weide zu führen und zu bewachen. Doch der Löwe nahm seine Aufgabe nicht immer ganz ernst. Einmal verfiel er während seines Wächterdienstes in tiefen Schlaf, und gleich nutzten Kaufleute, die zufällig mit ihrer Karawane vorbeikamen,
Vittore Carpaccio (1465–1520), Der Heilige Hieronymus führt den Löwen in das Kloster (S. Giorgio degli Schiavoni, Venedig). 213
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die Gelegenheit, den Esel zu stehlen. Die Mönche glaubten, der Löwe habe den Esel gefressen, konnten aber keine Überreste der Mahlzeit finden. Gleichwohl musste der Löwe nun das Brennholz tragen. Aber er hatte Glück im Unglück: Die Karawane kam erneut vorbei, und es war dem Löwen ein Leichtes, die räuberischen Kaufleute einzuschüchtern und ihre Kamele mitsamt dem Esel ins Kloster zu treiben. Bald trafen auch die Kaufleute ein, die Hieronymus um Verzeihung baten und zur Buße die Hälfte ihrer Waren anboten. Und sie „versprachen sogar, dass sie jährlich dieselbe Menge Öl den Brüdern geben würden und dass sie anordnen würden, dass es von ihren Erben weiterhin gegeben werde“.40 Auf welcher Stufe der Legendenbildung der gezähmte Löwe erstmals mit Hieronymus verbunden wurde, lässt sich nicht sagen, da die mündliche Überlieferung nicht mehr fassbar ist und die schriftliche nicht lückenlos vorliegt. Immerhin kann man die Löwengeschichte bis in das 9. Jahrhundert zurückverfolgen. Die älteste Fassung findet sich in einer der frühen Hieronymus-Viten, die wohl aus diesem Jahrhundert stammen. Weder für die erste, die mit ihren Anfangsworten „Unser Hieronymus“ (Hieronymus noster) bezeichnet wird, noch für die zweite mit dem Incipit „Den meisten freilich […]“ (Plerosque nimirum) ist der Autor überliefert; allerdings kann Rom als Entstehungsort wahrscheinlich gemacht werden.41 Während „Unser Hieronymus“ Nachrichten zum Leben des Hieronymus zusammenstellt, die aus seinen Briefen und anderen Schriften gewonnen wurden, bringt die zweite Vita etliche legendäre Elemente und dabei auch die Geschichte vom Löwen, von der behauptet wird, dass sie sich im Kloster zu Bethlehem zugetragen habe.42 Von Generation zu Generation sei sie weitererzählt und schließlich durch Pilger in den Westen gebracht worden.43 Im Vergleich mit der Fassung, die später von Jacobus de Voragine niedergeschrieben wurde, zeigt sich, dass die Erzählung schon im 9. Jahrhundert breit ausgeschmückt vorlag.44 Wenn Jacobus in seiner „Legenda Aurea“ beispielsweise von der Nachlässigkeit des Eselwächters berichtet, die zum Raub des Lasttieres führt, so findet sich dieses Element bereits in der Vita „Den meisten freilich […]“: Der traurige Löwe muss lange warten und den Lastendienst selbst verrichten, bis es ihm gelingt, die Räuber aufzuspüren und den Esel zurückzugewinnen. Die Löwenepisode könnte möglicherweise deshalb mit Hieronymus verbunden worden sein, weil man ihn mit dem Heiligen Gerasimus verwechselt hat.45 Denn Gerasimus, ein aus Lykien stammender Mönch, 214
Die Geschichte vom Löwen
der ein Kloster am Jordan gegründet und sich als Asket einen Namen gemacht hatte, war eine der heiligen Gestalten, über deren Leben und Taten Johannes Moschos im frühen 7. Jahrhundert in seiner „Geistlichen Wiese“ berichtete. Diese Sammlung von lehrhaften Beispielen christlicher Tugend beinhaltet einen Abschnitt, in dem von einem kranken Löwen erzählt wird, dem Gerasimus einen Rosendorn aus der Tatze gezogen habe; anschließend sei das Tier nicht mehr von der Seite des Heiligen gewichen, der es mit Brot und Gemüse ernährt habe.46 Die Nähe der Hieronymus-Legende zur Erzählung über Gerasimus wird noch an weiteren Elementen deutlich: Gerasimus beauftragt den Löwen, den Esel zu bewachen, der für das Kloster Wasser aus dem Jordan holt; eines Tages kommt eine Karawane aus Arabien und entführt den Esel. Der Löwe, der verdächtig wird, den Esel gefressen zu haben, muss nun den Dienst leisten und so fort ... Zuletzt erträgt es der Löwe nicht, ohne Gerasimus, der das Zeitliche gesegnet hat, zu leben, und begeht auf dessen Grabstätte Selbstmord. Moschos will die Geschichte von den Mönchen im Kloster des Gerasimus gehört haben. In seiner „Geistlichen Wiese“ wird Hieronymus zwar nicht erwähnt. Gerade das letzte Detail verweist aber doch auf Hieronymus, der in seiner „Vita des Paulus“ eine ähnliche Löwengeschichte erzählt hat. Es könnte deshalb sein, dass die Löwengeschichte von Hieronymus ausgegangen ist, im spätantiken Palästina auf Gerasimus übertragen wurde und schließlich in Rom gewissermaßen zu Hieronymus zurückkehrte.47 Hieronymus hatte die Tradition antiker Wundergeschichten über Löwen aufgegriffen, als er das Leben des Einsiedlers Paulus darstellte (S. 86 f.). Hier musste er das Problem lösen, wie der verstorbene Paulus bestattet werden konnte, obwohl der alte und gebrechliche Antonius den Leichnam seines Kollegen ganz allein aufgefunden hatte. Die Lösung bestand in der wundersamen Mithilfe zweier Löwen, die das Grab in den Wüstensand gruben und sich anschließend von Antonius segnen ließen.48 Damit stellte Hieronymus seinen Paulus in die direkte Nachfolge des Apostels Paulus, der einem koptischen Papyrus zufolge einen Löwen sogar getauft hatte.49 Hieronymus kannte diese Paulus-Akten, er widmete ihnen einen kritischen Eintrag in seiner Schrift über die „Berühmten Männer“, in dem er die Akten mitsamt der Löwengeschichte, die ein „Märchen“ sei, als apokryph einstufte.50 Indirekt kritisierte er damit auch seine eigene Paulus-Vita, doch lag deren Abfassung lange zurück. Als er sie verfasste, 215
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Benozzo Gozzoli (1420–1497), Hieronymus und der Löwe (S. Francesco, Montefalco Gozzoli).
vermutlich während des Aufenthalts in der Wüste von Chalkis, mag Hieronymus auch an die zahlreichen Löwenwunder gedacht haben, von denen in der antiken Literatur zu lesen war und die es christlich zu überbieten galt. Erinnert sei an das von Plinius dem Älteren beschriebene Gemälde, das die Heilung eines syrischen Löwen durch den Syrakuser Mentor zeigte,51 und an die von Aulus Gellius überlieferte Erzählung über den Sklaven Androclus, der seinem Herrn entlaufen war, in einer Höhle Zuflucht suchte und hier mit einem Löwen zusammentraf, der sich einen Dorn in die Pranke gerammt hatte. Von Androclus gerettet, versorgte der Löwe mehrere Jahre lang seinen Freund mit Beute. Später trafen sich beide im Zirkus von Rom wieder, der Sklave zum Tode verurteilt und der Löwe als Vollstrecker, der seinem Opfer aber die Füße leckte, statt es zu zerfleischen. Vom Kaiser begnadigt, führte Androclus von nun an seinen Löwen an einer Leine durch die Stadt.52 Ähnlich hatte schon Marc Anton seinen Triumphzug in Alexandria (34 v. Chr.) mit einem von ihm selbst gelenkten Löwenwagen bestritten und damit seinem Lieblingsgott Dionysos nachgeeifert, der seinerseits auf einem Löwenwagen aus dem fernen Indien in die griechischrömische Welt zurückgekehrt war.53 Die Löwen, die Dionysos oder Marc Anton ziehen mussten, symbolisierten die unbeschränkte Macht 216
Die Geschichte vom Löwen
des Weingottes und des Triumvirn über alle Kräfte und Kreaturen. Hatte die Genesis den zukünftigen Messias als den „Löwen Juda“ gepriesen (1. Mose 49,9 f.), war dabei die Kraft des Löwen noch unbeschränkt gedacht. Der antike Diskurs aber zivilisierte die gefährliche tierische Urgewalt und bereitete den Weg für die christlichen Varianten, in denen die Unterwerfung des Löwen vor dem demütig dienenden Hieronymus die Kraft des Glaubens beschwört. Von den mittelalterlichen Hieronymus-Viten an gehört der Löwe zum festen Inventar der Hieronymus-Legende; er wird in der bildenden Kunst geradezu zum Erkennungszeichen des Kirchenvaters.54 Auf dem um 1165 geschaffenen Septemberblatt des Martyrologiums des Klosters Zwiefalten, das den Klosterdienst des Löwen zeigt, hat der Maler über den Rücken des Löwen die Worte gesetzt: „Der Löwe weidet den Esel und die Kühe.“55 Besonders anschaulich ist eine Miniatur in einem Darmstädter Codex aus dem Jahr 1241. Hier hat der Maler Hieronymus ein Werkzeug in die Hand gegeben, mit dem er den Dorn aus der Löwenpranke ziehen kann, und fünf Mönche als ängstliche Zuschauer hinter eine Säule gestellt.56 Lebendig wirkt auch die Darstellung des Themas durch Benozzo Gozzoli (1421–1497), der 1452 in der Kirche des Heiligen Franziskus in Montefalko einen Freskenzyklus mit Szenen aus dem Leben des Hieronymus malte. Bei ihm betrachten drei Mönche aufmerksam, wie Hieronymus einem recht kleinen Löwen den Dorn herauszieht.57 Soweit es um das Thema der Löwenheilung geht, variiert die Darstellung zwischen der Dornenausziehung und anderen Prozeduren. So orientieren sich etwa die Stundenbücher des 15. Jahrhunderts an der Version der „Legenda Aurea“, in der von einer Wundheilung erzählt wird: Die durch einen Dorn verwundete Pfote des Löwen wird nur gewaschen; so zeigen es zwei Szenen im Stundenbuch des Herzogs Jean von Berry.58 Viel zahlreicher aber als die Bilder, die Hieronymus bei seiner tierärztlichen Arbeit zeigen, sind Darstellungen des Kirchenvaters, auf denen der Löwe einfach nur als Attribut des Heiligen erscheint, etwa so wie auf der eingangs erwähnten Sternenkarte von Julius Schiller (S. 7) oder auf dem berühmten Stich Albrecht Dürers aus dem Jahr 1514 mit dem Titel „Hieronymus im Gehäus“ (S. 136). Hier liegt ein großer, aber schläfriger Löwe am Aufgang zur Stube, in der der Kirchenvater an seinem Schreibpult sitzt. Gemeinsam mit dem sehr viel kleineren Hund neben ihm scheint der Löwe zur Haus217
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Albrecht Dürer, Der Heilige Hieronymus zieht dem Löwen den Dorn aus. Holzschnitt, 1492 (Epistolae beati Hieronymi, Basel; Nikolaus Kessler).
gemeinschaft des Gelehrten und Heiligen zu gehören, ähnlich, wie er jüngst im Studierzimmer von Professor Blumenberg erschienen ist.59 Vergleicht man den Stich von 1514 mit dem älteren von 1492, auf dem Dürer die Mehrsprachigkeit des Hieronymus hervorgehoben hat, so gewinnt man den Eindruck, Dürer habe inzwischen ein klareres und schöneres Bild von der Majestät des ‚königlichen Tieres‘ gewonnen.
Bibel und Bibelexegese In der Begegnung mit Damasus, dem Bischof von Rom, hatte Hieronymus seine größte Aufgabe gefunden: die Revision des lateinischen Bibeltextes (S. 144 ff.).60 Schrittweise ergab sich aus dem Bedürfnis nach einer einheitlichen und verlässlichen Textgrundlage das große 218
Bibel und Bibelexegese
Unternehmen einer Neuübersetzung des Neuen wie des Alten Testaments. Dafür waren nicht nur theologische Kenntnisse vonnöten, sondern auch philologische in einem Ausmaß, wie sie kaum ein christlicher Gelehrter der Spätantike vorweisen konnte. Auch Hieronymus war während seiner Jahre in Rom noch nicht so weit, sich an die hebräischen Urtexte des Alten Testaments heranwagen zu können, obwohl er bereits Grundkenntnisse in der hebräischen Sprache besaß. Zunächst konnte es nur um die Revision der Übersetzungen gehen, die aus dem Griechischen erfolgt waren, und dies beschränkt auf einige Bücher des Neuen Testaments und den Psalter. Die Aufenthalte in Antiochia, in der Wüste von Chalkis und anschließend in Konstantinopel werden das Schulgriechisch, das Hieronymus während seiner Ausbildung gelernt hatte, auf ein sehr viel besseres Niveau gehoben haben. Während der Jahre in der Wüste von Chalkis hatte er zudem mit dem Unterricht im Hebräischen begonnen. Die Briefe, die er aus der Wüste an Damasus gesandt hatte, bezeugen, dass Hieronymus schon damals über die begrifflichen Differenzen nachgedacht hat, die sich für theologische Probleme im Lateinischen und Griechischen ergaben. Wie aber konnte er das Wagnis einer umfassenden Neuübersetzung eingehen? War nicht abzusehen, welchen Angriffen er ausgesetzt sein würde? Wie konnte er glauben, die vorliegenden lateinischen Texte verändern zu dürfen? Verlangte Gottes Wort nicht nach inspirierten Übersetzern, so wie es von den zweiundsiebzig Männern erzählt wurde, die einst in Alexandria die Bücher des Alten Testaments übersetzt hatten? Jedem für sich hatte der Ptolemäerkönig eine eigene Zelle gegeben, um nach kurzer Zeit erstaunt feststellen zu können, dass alle Übersetzungen wortgleich erfolgt waren, ohne dass es irgendeine Abstimmung zwischen den Gelehrten hatte geben können.61 Anhand der Selbstzeugnisse, die Hieronymus in seinen Briefen und in den Prologen zu seinen Übersetzungen hinterlassen hat, lässt sich der Weg, den das Unternehmen über die Jahrzehnte nahm, gut nachzeichnen. Hieronymus sah sich dabei einer komplexen Überlieferungssituation gegenüber, wenn er sie sicherlich auch nur in Ausschnitten wahrnehmen konnte. Bereits um 200 scheint in Nordafrika eine erste lateinische Bibelfassung entstanden zu sein; einige Jahrzehnte später, wohl um die Mitte des Jahrhunderts, folgte eine italische Version, möglicherweise auf der Grundlage der afrikanischen. Sie zeugt von der allmählichen Ausbreitung des neuen Glaubens auch in 219
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den Kreisen der weniger Gebildeten, die nur der lateinischen, nicht aber der griechischen Sprache mächtig waren.62 Nachdem die ersten Übersetzungen des Neuen und des Alten Testaments ins Lateinische angefertigt waren, wurden zahlreiche Kopien erstellt und von diesen wiederum neue Abschriften, sodass es schrittweise zu der Vielzahl von Textvarianten kam, die Hieronymus beklagt. Dass er kaum übertrieben hatte, als er in seinem Brief an Damasus davon sprach, es gebe so viele Textvarianten wie Handschriften (S. 141), wird deutlich, wenn man zum Beispiel auf einen Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium blickt: Für das Kapitel 24,4 f., das von den Frauen vor dem leeren Grab Christi berichtet, liegen in den Handschriften und Fragmenten der sogenannten „Vetus Latina“ mindestens siebenundzwanzig verschiedene Versionen vor.63 Etliche dieser Texte stammen allerdings aus späterer Zeit, denn die Vulgata, für die Hieronymus in Rom den Grundstein legte, konnte sich erst Jahrhunderte später als allgemeingültiger Bibeltext durchsetzen.64 Der starke Widerstand gegen Revisionen oder Neuübersetzungen gründete nicht nur im Wunsch, am bekannten Text festhalten zu können, sondern mehr noch in der Überzeugung, den einmal vorliegenden Text nicht verändern zu dürfen, weil er als heilig zu betrachten sei. Was Hieronymus schon in Rom und dann über Jahrzehnte in Bethlehem als Angriff missgünstiger Neider auf seine Person empfand, war auch Ausdruck dieses sakralen Verständnisses von „Gottes Wort“ (S. 144). Inwieweit Hieronymus, als er in Rom mit seiner Revision des Neuen Testaments begann, auch Handschriften verwenden konnte, die in anderen Kirchengemeinden als der römischen im Umlauf waren, lässt sich nicht sagen. Besaß die römische Kirche Abschriften beispielsweise der in Nordafrika verwendeten lateinischen Bibeln? Während die griechischen Handschriften, die Hieronymus konsultiert hat, ebenso wenig bestimmt werden können wie die lateinischen Fassungen, die ihm vorlagen,65 ergibt sich aus dem Vergleich der älteren Textfassungen des Neuen Testaments in der „Vetus Latina“, die sich aus ungefähr 50 Handschriften ermitteln lassen,66 mit dem von Hieronymus geschaffenen Text, dass er zahlreiche Verbesserungen vorgenommen hat. Mehr als dreitausendfünfhundert Stellen sind gezählt worden, die Hieronymus in den Evangelien neu formuliert oder ergänzt hat.67 Meistens geht es dabei um Fragen der Syntax oder des Vokabulars, oft auch um einzelne Begriffe, die zu unterschiedlichen Sinn220
Bibel und Bibelexegese
zusammenhängen führen. Oben war bereits von einer entsprechenden Verbesserung des Römerbriefes die Rede (S. 141 f.). Während der Jahre in Rom hatte sich Hieronymus zunächst mit den Evangelien beschäftigt, deren revidierte Fassung er mit einem an Damasus gerichteten Vorwort versah. Aus der Korrespondenz mit Marcella geht zudem hervor, dass er in Rom auch an den Paulus-Briefen gearbeitet hat, allerdings ohne dass er eine neue Fassung herausgebracht hätte.68 Besonders wichtig für den Gottesdienst waren die Psalmen des Alten Testaments, und auch an deren Revision arbeitete Hieronymus bereits in Rom.69 Allerdings geht die später als „Psalterium Romanum“ verbreitete Fassung, die man lange Zeit Hieronymus zugeschrieben hat, jüngeren Forschungen zufolge nicht auf ihn zurück, während das sogenannte Psalterium Gallicanum vermutlich sein Werk ist.70 Hieronymus’ Arbeitseifer war dann jedoch unterbrochen worden, als er nach dem Tod des Damasus innerkirchlichen und öffentlichen Angriffen ausgesetzt war und fluchtartig die Stadt verlassen musste. Während der langen Reise in und durch den Osten des Imperiums hatte er seine Arbeit an der Bibelrevision nicht fortsetzen können. Auch nach der Ansiedlung in Bethlehem dürfte noch einige Zeit vergangen sein, bevor Hieronymus seine Arbeit im größeren, nun auch das Alte Testament umfassenden Maßstab weiterverfolgen konnte.71 Das geschah in zwei Abschnitten. Zunächst unternahm Hieronymus, der schon während der Reise durch Palästina die Bibliothek des Origenes in Caesarea besucht hatte, eine Revision der protokanonischen Bücher des Alten Testaments, also der Bücher, die auch im jüdischen Kanon enthalten waren. Da er in Caesarea ein Exemplar – möglicherweise sogar das Original – der Hexapla des Origenes hatte einsehen und Teile daraus kopieren können, besaß er für diese zweite Revision eine sehr viel bessere griechische Textgrundlage als zuvor in Rom.72 Anschließend begann Hieronymus damit, das Alte Testament noch einmal neu aus dem Hebräischen zu übersetzen.73 Aus den Vorworten und auch aus der Abfolge der Kommentare, die Hieronymus zu den von ihm neu übersetzten Büchern der Bibel verfasste, ergibt sich eine bethlehemische Werkchronologie, die sich in die genannten zwei Abschnitte gliedert. Als Ergebnis der Revisionen, die Hieronymus in den Jahren 386 bis 391 erarbeitete, lagen etliche Bücher des Alten Testaments in neuen Fassungen vor: neben den Psalmen das Buch Hiob, die Sprichwörter, das Buch Prediger, das Hohelied 221
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und die Chronik. Erhalten geblieben sind indes nur das Buch Hiob und die Psalmen.74 Die Neuübersetzung des Alten Testaments aus dem Hebräischen begann Hieronymus mit den Büchern Samuel und Könige; ihre Übersetzung widmete er 391 Paula und Eustochium. In diesem Vorwort zählt Hieronymus alle Bücher des Alten Testaments auf, die seiner Meinung nach in den Kanon gehören; damit wird auch die zukünftige Arbeit umrissen.75 Zuerst nun konnten die Leser „meinen Samuel und meine Könige“ in Empfang nehmen, „meine, sage ich, meine“. Sein Vorwort bezeichnet Hieronymus selbst als „behelmt“, da er sich auch hier wieder genötigt sieht, schon im Vorhinein seine Arbeit zu verteidigen. Sollte ein Leser seiner Übersetzung misstrauen, dann sei er aufgefordert, jüdische Gelehrte zu befragen; so werde er schon die Übereinstimmung mit dem hebräischen Original feststellen können. Anschließend folgte die Arbeit an den prophetischen Büchern Daniel und Jesaia sowie an den drei Salomon zugeschriebenen Büchern „Sprichwörter“, „Prediger“ und „Hohelied“.76 Daran schlossen sich Jeremias, Ezechiel und die zwölf kleinen Propheten an, sodann das apokryphe „Buch der Weisheit“. Da Hieronymus in seinem Vorwort zur Übersetzung der Bücher Joshua, Richter und Ruth erklärt, sich zukünftig den Kommentaren widmen zu wollen, stehen diese Bücher wohl am Schluss der Übersetzungsarbeit, die auch die Bücher Mose umfasst hatte. Paula, die wichtigste Gefährtin des Hieronymus, lebte bereits nicht mehr; das Vorwort schrieb Hieronymus also nach dem 26. Januar 404.
Jonas unter dem Efeu In beinahe jedem seiner Vorworte zu den Übersetzungen aus dem Hebräischen rechnet Hieronymus aufs Neue mit seinen Widersachern ab. Immer wieder erwartet er, dass ihm seine Abweichungen vom Text der „Septuaginta“ zum Vorwurf gemacht werden, und er entwickelt eine ganze Reihe von Argumenten, die zu seiner Verteidigung dienen sollen. Im Vorwort zur Hiob-Übersetzung aus dem Jahr 392 verweist er beispielsweise darauf, dass auch die griechischen Übersetzungen, die von Aquila, Symmachus und Theodotion erstellt wurden, untereinander und von der „Septuaginta“ abwichen, und er verweist zudem auf Origenes, der alle Bücher des Alten Testaments mit kritischen Zeichen versehen habe, um seine Ergänzungen aus dem hebräischen Ur222
Jonas unter dem Efeu
text kenntlich zu machen. Im Fall von Hiob würde der Verzicht auf den Rückgriff auf das hebräische Original sogar bedeuten, größere Teile des Textes nicht lesen zu können; im Vergleich zur älteren lateinischen Fassung sei seine eigene nun etwa sieben- bis achthundert Verse länger! Diese so wichtige Arbeit habe er nur leisten können, weil er zuvor viel Zeit und viel Geld in seine sprachliche Ausbildung investiert habe, und, wenn er auch nicht sagen könne, ob er die hebräische Sprache nun beherrsche, so stehe eines doch fest: Übersetzen könne man nur das, was man zuvor auch verstanden habe! Welcher Leser der früheren Übersetzungen wisse überhaupt, dass das Buch Hiob in seiner hebräischen Fassung Abschnitte in verschiedenen Metren beinhalte?77 Welche Aufregung die Textveränderungen der lateinischen Bibel durch Hieronymus hervorrufen konnte, wird an einem Abschnitt des Buches Jonas besonders deutlich.78 Im vierten Kapitel wird vom Zorn des Propheten erzählt, als die von Gott angedrohte Zerstörung der Stadt Ninive nicht erfolgte. Jonas ist über Gottes Langmut so verärgert, dass er „lieber tot sein will als leben“. Er verlässt Ninive, bleibt aber in der Nähe der Stadt, weil er abwarten will, was nun geschehen wird. Vor seiner Hütte lässt Gott eine Staude wachsen, die Jonas Schatten spendet. Doch dessen Freude ist von kurzer Dauer, nagt doch sogleich ein Wurm an der Wurzel der Pflanze, sodass diese wieder verdorrt. Wieder will Jonas sterben und Gott erklärt sich: Wenn der Prophet schon den Verlust der Pflanze, um die er sich gar nicht gekümmert hatte, so sehr betrauert, wie sollte Gott da nicht Mitleid mit der großen Stadt haben? Seit Luther wird der Busch, der im Hebräischen „qîqâjôn“ (lat. ciceion) heißt, als Rizinus verstanden, während die „Septuaginta“ und die „Vetus Latina“ dagegen den griechischen beziehungsweise lateinischen Begriff für „Kürbis“ verwenden. Hieronymus aber meinte, den hebräischen Ausdruck mit „Efeu“ wiedergeben zu sollen, da diese Pflanze sehr viel schneller wachse als ein Kürbis. In seinem einige Jahre nach der Übersetzung entstandenen Kommentar zu Jonas vermerkt Hieronymus, er sei von einem seiner Kritiker für diese Wortwahl eines Sakrilegs beschuldigt worden.79 Und auch der Skandal, der sich während eines Gottesdienstes in der nordafrikanischen Stadt Oea (Tripolis) abspielte, dürfte sich an dem Austausch von „Kürbis“ durch „Efeu“ entzündet haben (S. 144). Augustinus, der in einem Brief an 223
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Hieronymus davon berichtet hatte, nennt zwar nicht die genaue Stelle, die während der Bibellesung zu Unruhen in der Gemeinde führte, aber er teilt doch mit, dass es dabei um das Buch Jonas gegangen sei: Plötzlich wurden die Gläubigen mit einer Lesart konfrontiert, die ihnen gänzlich unbekannt war. Ein heftiger Streit – Hieronymus spricht sogar von einem „Volksaufstand“ – brach daraufhin aus, der den Bischof von Oea beinahe sein Amt gekostet hätte. Der Bischof sah sich dazu veranlasst, ein Gutachten bei den schriftkundigen Juden einzuholen. Nachdem sich die Gutachter gegen die Neuübersetzung ausgesprochen hatten, kehrte die Gemeinde zum alten Text zurück.80 Obwohl die assoziative Übersetzung mit „Kürbis“ durchaus Sinn ergab, wollte Hieronymus diese Deutung nicht akzeptieren. Den in Oea befragten Juden warf er in seinem Antwortschreiben an Augustinus vor, den hebräischen Urtext entweder nicht lesen zu können oder absichtlich missverstanden zu haben, um sich „mit ihrer Lüge über die Anhänger der Kürbislesart lustig zu machen“. Zu diesen „Kürbissariern“ rechnete Hieronymus offensichtlich jetzt auch den Empfänger seines Briefes, Augustinus.81 Ihm erklärte Hieronymus noch einmal in kurzen Sätzen, was er in seinem Jonas-Kommentar bereits lang ausgeführt hatte: Seine Neuübersetzung beruhe auf Schrift- und Sprachkenntnis und auf dem Versuch, eine sinnvolle Übersetzung zu finden, die spätere Kommentatoren des Buches Jonas nicht in die Irre führen würden. Auch botanische Fragen spielten dabei eine Rolle. So war sich Hieronymus darüber im Klaren, dass weder die Kürbispflanze noch der Efeu ohne Rankhilfe in die Höhe wachsen können; das sei aber beim ciceion der Fall, der in Palästina häufig vorkomme. Es sei erstaunlich, zu beobachten, wie schnell diese Pflanze wachse: Werfe man ihre Samen auf die Erde, so finde man wenige Tage später dort, wo zunächst nur ein Halm gewachsen sei, einen ganzen Baum.
Von der Wissenschaft der Übersetzung Als Hieronymus um die Jahrhundertwende seine Pentateuch-Übersetzung beendet hatte, richtete er das Vorwort an den in Südgallien lebenden Presbyter Desiderius.82 Wieder nimmt er die Angriffe seiner Gegner vorweg: Man werde ihm wohl vorwerfen, er würde die Übersetzer der „Septuaginta“ verachten. Wie konnte er es wagen, die von Gott inspirierte Arbeit dieser gelehrten Männer infrage zu stellen? Darauf ant224
Von der Wissenschaft der Übersetzung
wortet Hieronymus mit einer grundsätzlichen Stellungnahme: Er selbst habe sich ein Vorbild an der philologischen Arbeit des Origenes genommen und zudem festgestellt, dass zahlreiche Zitate, die die Evangelisten und Apostel aus dem Alten Testament entnahmen, in der „Vetus Latina“ gar nicht zu finden seien. Das war ein schlagkräftiges Argument! Zwar stammt keiner der von Hieronymus angeführten Belege aus dem Pentateuch, doch geht es ihm um die grundsätzliche theologische Notwendigkeit der Neuübersetzung. Wenn nun behauptet werde, die Verfasser der „Septuaginta“ hätten bestimmte Passagen bewusst verkürzt, um ihren Auftragsgeber, den ptolemäischen König Ptolemaios II. Philadelphos, der ein Anhänger der platonischen Philosophie gewesen sei, nicht mit Aussagen über die Trinität zu verwirren, dann sei dies nicht mehr als eine dumme Legende. Auch die Überlieferung von den siebzig Zellen, in denen die Übersetzer jeder für sich an ihrer Übersetzung gearbeitet haben sollen, sei Unsinn. Weder Aristeas noch Josephus würden davon berichten, sondern vielmehr von einer gemeinsamen Arbeit der Siebzig sprechen.83 Überhaupt sei ein Übersetzer kein Prophet; vielmehr müsse er mit seiner Bildung und seinem Sprachvermögen arbeiten. So gesehen gäbe es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen den „Septuaginta“-Übersetzern und späteren Übersetzern wie ihm selbst: Erst mit dem Erscheinen Christi seien grundlegende Heilsbotschaften des Alten Testaments verständlich geworden, was die Übersetzung aus dem Alten Testament erleichtere. „Je besser wir den Gegenstand verstehen, desto besser können wir ihn auch beschreiben.“84 Hieronymus fordert auch jetzt wieder seine Leser dazu auf, seine Übersetzung von fachkundigen Juden überprüfen zu lassen. Dann werde man feststellen, dass ihre hebräischen Texte eben solche Passagen enthielten, die in den älteren lateinischen Übersetzungen nicht zu finden seien. Allerdings müsse man auch damit rechnen, dass etliche hebräische Handschriften gereinigte Fassungen enthielten, weil man auf jüdischer Seite bisweilen die Stellen beseitigt habe, die die Ankunft Christi ankündigten. Mit solchen Stellen hätten die Apostel gegen die Juden argumentiert, und das habe zur Folge gehabt, dass bisweilen die lateinischen Fassungen besser seien als die griechischen und diese wiederum besser als die hebräischen. Hier und an anderen Stellen zeigt sich, wie Hieronymus ein Repertoire an antijüdischen Vorwürfen zur Anwendung bringt. Schon im Vorwort zur Hiob-Übersetzung hatte er die griechischen Übersetzer des 225
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Alten Testaments Aquila, Symmachus und Theodotion bezichtigt, sie hätten durch ihre „betrügerischen Übersetzungen viele Geheimnisse des Heils verborgen“.85 Deshalb bezeichnet er sie auch als „judaisierende Häretiker“. Soweit er persönlich mit jüdischen Gelehrten befreundet war, war er sich ihrer Hilfe für seine Arbeit bewusst, doch argumentierte er ansonsten grundsätzlich mit dem Vorwurf, die Juden würden sich wider besseres Wissen gegen die christliche Heilsbotschaft stellen. Der antijüdische Impuls zeigt sich bei Hieronymus im theologischen wie im historischen Zusammenhang. Er beruht immer auf der Annahme, die Christen hätten mit ihrem Neuen Bund Gott für sich gewonnen, die Juden ihn aber verloren. In seinem Prolog zum Jonas-Kommentar bringt Hieronymus diese Sicht auf die kurze Formel: „Das jüdische Geschlecht ist verurteilt, während die Welt den rechten Glauben besitzt.“
Luther und Erasmus über Hieronymus Als der Junker Jörg im Kavaliersgefängnis der Wartburg im Herbst 1521 damit begann, das Neue Testament in die deutsche Sprache zu übertragen, lagen drei Fassungen der Heiligen Schrift vor ihm auf dem Tisch: die Vulgata des Hieronymus, eine jüngere lateinische Übersetzung, die Erasmus angefertigt hatte, sowie eine ebenfalls von Erasmus edierte Ausgabe des griechischen Textes. Luther begann sein Übersetzungswerk ähnlich wie einst Hieronymus mit den Evangelien als den für die Christen wichtigsten Büchern, und es dauerte nur elf Wochen, bis er diese Arbeit abgeschlossen hatte. Dabei musste Luther von den lateinischen Übersetzungen ausgehen, denn Griechisch und auch Hebräisch beherrschte er damals noch nicht genug.86 Nachdem Luther auch die übrigen Schriften des Neuen Testaments übersetzt hatte, konnte der Wittenberger Buchdrucker Melchior Lotter im September 1522 eine erste Auflage von 3000 Exemplaren auf den Markt bringen, die innerhalb weniger Tage vergriffen war. Wie Hieronymus hatte auch Luther nicht von Anfang an eine vollständige Übersetzung der Bibel geplant. Erst nachdem er die Wartburg wieder verlassen und sich das „Newe Testament Deutzsch“ als großer Erfolg erwiesen hatte, nahm er die Übersetzung auch des Alten Testaments in Angriff. Sie erschien zunächst in einzelnen Abteilungen, bevor 1534 eine Gesamtausgabe der „Luther-Bibel“ gedruckt werden konnte. Bis zu Luthers Tod im Jahr 1546 wurden 430 Ausgaben 226
Luther und Erasmus über Hieronymus
unterschiedlichen Umfangs mit einer Gesamtauflage von etwa einer halben Million Exemplare verkauft. Die demokratische Revolution des Glaubens, auf die Luther gesetzt hatte, und die Entfaltung einer neuen Kultursprache waren in vollem Gange.87 Die ungeheure Wirkung von Luthers Bibelübersetzung übertrifft die seines Vorgängers Hieronymus allein schon deshalb, weil sie ein entscheidendes Element der Reformation darstellt. Nicht zu übersehen sind aber auch die Parallelen: Nicht nur, dass die Übersetzungsarbeit beider Kräfte für Jahrzehnte beanspruchte und etlichen Widerstand – im Falle Luthers sogleich auch das Verbot der Verbreitung der neuen Bibeln – hervorrief; beide vertraten auch den Anspruch, mit dem Rückgriff auf die ursprünglichen Texte in ihren Ursprungssprachen dem Wort Gottes wieder zur Geltung zu verhelfen, und dies in einer Sprache, die ihren Zeitgenossen vertraut war. Über die vielen Jahre seit seinem Eintritt in den Augustinerorden (1505) hatte Luther die Heilige Schrift in der Fassung des Hieronymus studiert; jedes Jahr aufs Neue soll er die Bibel zweimal durchgearbeitet haben. Auch die Briefe, Kommentare und Traktate, die Hieronymus verfasst hatte, kannte der Reformator. In dem Erfurter Exemplar der neunbändigen Ausgabe der Werke des Hieronymus, die Erasmus ab 1516 herausgebracht hatte, finden sich zahlreiche handschriftliche Anmerkungen Luthers,88 und er selbst bezeugt ausdrücklich, wie viel er Hieronymus verdankt. Intensiv habe er ihn gelesen und ihn geliebt, doch er wisse jetzt auch, so sagt Luther im Jahr 1533, dass „er mir seer geschadt hat“.89 Dass kann kaum theologisch gemeint sein, obwohl im Satz zuvor noch vom christlichen Dogma die Rede ist, sondern muss sich auf die asketische Vorbildhaftigkeit des Hieronymus beziehen, die Luther, angezogen zunächst vom mönchischen Leben in der strengen Observanz der Erfurter Augustiner, schließlich für sich selbst und für die reformierte Kirche radikal überwand. Luther war als Bibelübersetzer ein „neuer Hieronymus“, und er wurde von Wolfgang Stuber in Anlehnung an Dürers Stich um 1580 auch entsprechend dargestellt.90 Sein Urteil über Hieronymus indes ist gespalten; es besteht in Anerkennung und Ablehnung zugleich: „Sankt Hieronymus hat für seine Person das Meiste und Größte im Dolmetschen gethan, welches im Keiner allein nachthun wird.“ So heißt es in einer von Luthers Tischreden.91 „Echte Gelehrsamkeit“ sei bei ihm jedoch nicht zu finden, sondern nur Geschwätzigkeit, und so will Luther 227
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Wolfgang Stuber, Luther in der Wartburg (um 1580).
Hieronymus nicht einmal als Kirchenlehrer gelten lassen. Theologisch gesehen müsse er seiner falschen Gnadenlehre wegen als Ketzer betrachtet werden. Und was den moralisch-asketischen Rigorismus angehe, den Hieronymus verbreitet habe, wollte Luther ihm gönnen, „das er ein weyb het gehabt; so vil ding anders geschriben haben“.92 Auch Hieronymus’ Bibelkommentare reizten Luther immer wieder zum Widerspruch. Das grundlegende Problem der Gnade Gottes sah er von Hieronymus falsch behandelt, obwohl sich Hieronymus wie Augustinus gegen die Pelagianer gestellt hatte.93 Doch Hieronymus war nicht zu einer so klaren Erkenntnis der Differenz von Glauben und Werken gelangt wie Augustinus und hatte deshalb vielfach geirrt, 228
Luther und Erasmus über Hieronymus
etwa bei der Auslegung von Paulus’ Brief an die Galater.94 Luther zog in seiner Ablehnung einer Theologie, die den guten Werken der Gläubigen eine Wirkung für deren Seelenheil zusprach, eine Linie, die von Origenes über Hieronymus bis zu Erasmus führte; alle drei erschienen ihm als „äußerst gefährliche Lehrer“. Und noch aus anderen Gründen hatten Luther und andere Reformatoren wenig für diesen Kirchenvater übrig. Zwar hatte Hieronymus die Bibel unter Rückgriff auf die griechischen und hebräischen Texte neu übersetzt, doch wollten die Reformatoren entweder mit den Originaltexten arbeiten oder die Bibel in den Landessprachen verbreiten. Hieronymus war außerdem ein nachdrücklicher Befürworter des Mönchtums. Dieses wurde von den Reformatoren ebenso abgelehnt wie das Ideal der Jungfräulichkeit, die Verehrung der Heiligen und der Reliquienkult. Hieronymus erschien zudem als Urheber der Marienverehrung und Förderer des Pilgerwesens, und nicht zuletzt hatte er mit seinen Briefen an Damasus auch dem Dogma des päpstlichen Primats vorgearbeitet.95 Neben aller Kritik fanden die Reformatoren Einzelnes an Hieronymus zu loben, wenn der positive Bezug auf ihn dazu dienen konnte, sich in den zeitgenössischen Auseinandersetzungen zu positionieren: So argumentierten Zwingli (1484–1531) und Calvin (1509–1564) in der Frage, ob das Abendmahl körperlich oder spirituell zu verstehen sei, mit Hieronymus gegen Luther. Für Calvin war Hieronymus zudem der Kronzeuge für ein hierarchieloses Kirchenverständnis und für Melanchthon (1497–1560) ein Vorbild tugendhaften Lebens, auch wenn seine Ablehnung der Ehe falsch erschien. Niemand aber unter den Reformatoren hat Hieronymus so enthusiastisch verehrt wie Erasmus von Rotterdam (1466–1536). Für Erasmus war der „göttliche Hieronymus“ der größte Gelehrte der frühen Kirche. Nur er verdiene es, als „Theologe“ bezeichnet zu werden, lasse er doch „nicht nur alle christlichen Schriftsteller weit hinter sich, sondern scheint es sogar mit Cicero aufzunehmen“.96 Während für Luther die augustinische Gnadenlehre das entscheidende Kriterium war, vor dem Hieronymus versagte, zählte für Erasmus die doch einigermaßen offene Haltung, mit der Hieronymus allen seinen Zweifeln zum Trotz den weltlichen Wissenschaften (also der klassischen Literatur) begegnet war. Erasmus verstand Humanismus und Reformation mehr als jeder andere seiner Zeitgenossen als Einheit, und er entwickelte aus seiner 229
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Philologie eine historisch-kritische Wissenschaft im Umgang mit den Kirchenvätern und an erster Stelle mit Hieronymus. Seine textkritischen Editionen, seine Kommentare und seine Vita des Hieronymus eröffneten die moderne Patristik, die in vielen Punkten über Erasmus nicht mehr hinausgelangen konnte. Wie viele Humanisten vor ihm fühlte sich auch Erasmus, der ab 1487 als Augustinermönch im Kloster von Steyn lebte, von Hieronymus persönlich angesprochen.97 Der klassisch gebildete Kirchenvater, der Cicero liebte und in allen seinen Schriften zeigte, wie gut er die heidnische Literatur kannte, entsprach Erasmus’ Ideal des gelehrten Christen, der seinen Glauben mit der Wissenschaft verband, statt zwischen diesen beiden Welten eine Grenze zu ziehen. In Hieronymus sah Erasmus zudem einen Kirchenvater, der ohne allzu viel Rücksicht auf dogmatische Finessen und hierarchische Strukturen im Geist der Heiligen Schrift gelebt hatte. Schon in seinem ersten Werk, dem „Antibarbarus“ von 1488, bezeichnete Erasmus Hieronymus als den wichtigsten Kirchenlehrer; ihm sprach er unter den Kirchenvätern den Rang zu, der unter den Aposteln Paulus zukomme. Von diesem Zeitpunkt an durchziehen panegyrische Passagen über Hieronymus das Werk des Erasmus. So nennt er ihn in einem seiner Briefe den „einzigen Gelehrten der Kirche, der über alle geistliche und weltliche Bildung verfügt“ habe. An anderer Stelle preist Erasmus die Frömmigkeit des „himmlischen und zweifellos gelehrtesten und redegewandtesten Mannes unter allen Christen“; alle Menschen sollten Hieronymus lesen, doch nur wenige täten dies auch.98 Nur selten schlug Erasmus’ Begeisterung in herbe Kritik um; dann erinnern seine Formulierungen an die heftigen Urteile, die man von Luther vernimmt. So beklagte Erasmus einmal den Hochmut und die „senile Geschwätzigkeit“ des „Fürsten der Beredsamkeit“.99 Erasmus verteidigte immer wieder die christliche Rezeption der heidnischen Literatur und bemerkte in seinem „Enchiridion“ über Hieronymus, auch ihn habe „diese Geliebte“ nicht gereut.100 Für seine eigenen theologischen Ansichten berief sich Erasmus auf Hieronymus, so etwa für sein Verständnis vom freien Willen. Hier lag für Luther der wohl wichtigste Grund, warum Hieronymus und Erasmus abzulehnen waren, denn der vermeintlich freie Wille, der es dem Menschen erlaube, gute Werke zu tun um sein Seelenheil zu sichern, war unvereinbar mit der aus Augustinus’ und Luthers Sicht unüberwindbaren 230
Luther und Erasmus über Hieronymus
Erbsünde und der vollständigen Abhängigkeit des Menschen vor der unbeeinflussbaren Gnade Gottes.101 Erasmus war früh klargeworden, dass die Überlieferung zu Hieronymus legendär überwuchert, die vorliegenden Texte fehlerhaft und die unter seinem Namen überlieferten Schriften mit zahlreichen Fälschungen versetzt waren. Da die Kunst des Buchdrucks bereits ab der Mitte des 15. Jahrhunderts Philologen und Verleger dazu angeregt hatte, neue Editionen der Kirchenväter zu erarbeiten, lag das Material bereits vor, als Erasmus mit seiner Arbeit an den Werken des Hieronymus begann. Die Etappen der frühen Editionsgeschichte sind schnell benannt: Am Anfang steht Teodoro de Lellis (1428–1466), der in einer großen zweibändigen Handschrift etliche Werke zusammenstellte, die unter dem Namen des Hieronymus überliefert waren. Diese Handschrift war dann die Grundlage für die erste Ausgabe von Werken des Kirchenvaters, die 1468 von Giovanni Andrea Bussi (1417–1475) zusammengestellt und von Sweynheym und Pannartz in Rom gedruckt wurde. Bussi hatte das Corpus Lellis unverändert gelassen, aber immerhin einige Textverbesserungen vorgenommen. Seine Edition wurde von späteren Herausgebern bis zu Domenico Vallarsi (1702–1771) übernommen. Eine erste Gesamtausgabe der Schriften des Hieronymus wurde dann von Amerbach und Johannes Froben in Basel gedruckt und für die Ausgabe übernahm Erasmus die Edition der Briefe. Schon ab 1500 hatte sich Erasmus mit den Briefen des Kirchenvaters beschäftigt, die es neu zu edieren und zu kommentieren galt. Daraus erwuchs eine umfassende Revision aller seiner Schriften und zugleich eine fundierte historische Einordnung zahlloser Einzelheiten, die Erasmus erklärungsbedürftig erschienen. Der Vita des Hieronymus, die er schließlich als Einleitung seiner ab 1516 erscheinenden Ausgabe der gesamten Werke voranstellte, mangelt es nicht an Polemik, sah sich Erasmus doch veranlasst, Hieronymus gegen die Vorwürfe jüngerer Autoren zu verteidigen. Doch über weite Strecken erfüllt die Biographie die Ansprüche moderner Geschichtsschreibung, indem sie das Leben des Kirchenvaters allein anhand belastbarer Quellenaussagen, vornehmlich aus dem Werk des Hieronymus selbst, nachzeichnet. Der Sprung an wissenschaftlicher Qualität, der hier vollzogen wurde, zeigt sich im Vergleich mit einer Vita, die kurz zuvor, 1512, von Christianus Massaeus (1469–1546) publiziert worden war und in der die frommen Legenden des Mittelalters nach wie vor fortgeschrieben wurden.102 Von 231
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ihnen ist bei Erasmus nicht mehr die Rede, soweit sie nicht erwähnt werden, um sogleich eine Widerlegung zu erfahren. Die Löwenepisode etwa würdigt Erasmus mit keinem Wort, während er die angebliche Kardinalswürde des Heiligen mit historischen Argumenten zurückweist: Eine solche Stellung und einen solchen Titel habe es nachweislich zur Zeit des Hieronymus noch nicht gegeben. An der HieronymusBiographie des Erasmus überrascht auch, mit welchen modernen Fragestellungen sich der Autor Hieronymus nähert. Welcher sozialen Schicht entstammte er? Für Erasmus ergibt sich aus den Selbstzeugnissen, dass die Familie des Kirchenvaters mittleren Vermögensverhältnissen angehörte, was eine durchaus plausible Annahme darstellt. Erasmus’ Biographie ist aber mehr als eine historische Arbeit, denn sie nimmt implizit Stellung zu den zentralen Fragen der Reformation: Als Gegenmodell zu seiner Gegenwart entwirft Erasmus ein positives Bild von der frühen Kirche, die durch Freiheit des Geistes geprägt gewesen sei. Auch das Mönchtum der Spätantike sei noch nicht in leeren Formen erstarrt gewesen, sondern habe seinen Vertretern einen freien Raum der religiösen Reflexion eröffnet. Überhaupt steht die christliche Gelehrsamkeit im Vordergrund des Bildes, das Erasmus von Hieronymus und seiner Zeit gibt; dass der Kirchenvater zugleich auch ein radikaler Vertreter asketischer Ideale und in seinen dogmatischen Auseinandersetzungen keineswegs kompromissbereit war, wird von Erasmus ausgeblendet. Aber Erasmus bewahrt doch eine kritische Distanz: Hieronymus sollte als grundlegender Autor gelesen, nicht aber als Autorität unkritisch verehrt werden.103 Erasmus befreite nicht nur die Biographie des Hieronymus von der chronologischen Verwirrung und der legendären Überlagerung, sondern erstellte auch erstmals einen zuverlässigen Kanon seiner Werke.104 Für die Klärung der Frage, welche Schriften als echt einzustufen seien, arbeitete er mit inhaltlichen wie stilistischen Kriterien, wie er sie zuvor schon für die überlieferten Briefe des Hieronymus angewandt hatte. Dabei erkannte er persönliche Eigenheiten des Autors, etwa seine Gewohnheit, die Adressaten seiner Briefe im Brief selbst noch einmal mit ihrem Namen anzusprechen. Fehlte ein solcher Passus, dann war der Brief als unecht auszuscheiden. Die Ermittlung der echten Schriften des Hieronymus war eine philologisch-historische Leistung, die auch religiöse beziehungsweise religionspolitische Auswirkungen hatte. Wie ließ sich etwa an der von der 232
Der Bibelkommentator
Reformation bekämpften Marienverehrung festhalten, wenn sich herausstellte, dass zwei einflussreiche Schriften, die bislang Hieronymus zugeschrieben wurden, nicht von ihm stammten, der Kirchenvater also – trotz seines Plädoyers für die dauerhafte Virginität Marias – nicht als Autorität für den Marienkult angeführt werden konnte? Erasmus stellte fest, dass die beiden Schriften „Über die Geburt der glückseligen Maria“ und „Über die Himmelfahrt Mariens“ nicht von Hieronymus stammten.105 Diese Texte, die ab dem späten 14. Jahrhundert auch die Hieronymus-Darstellungen in der Kunst beeinflusst hatten,106 waren in den frühen Ausgaben der Werke noch enthalten. Und sie sollten aller philologischen Kritik zum Trotz noch spätere Künstler anregen, die sich in den Dienst der Gegenreformation stellten.107 Großartige Bilder von Tintoretto (1518–1594) und Parmegianino (1503–1540) bezeugen die Lebenskraft der Marienverehrung, die aus dem ungebrochenen Glaubensund Erlösungsbedürfnis des frühmodernen Menschen entsprang. Nach wie vor fiel Glanz dabei auch auf den Heiligen Hieronymus.
Der Bibelkommentator Stolz stellt Hieronymus in vielen seiner Kommentare den von ihm geschaffenen Text neben den der „Vetus Latina“.108 Bisweilen reicht die kurze Bemerkung „so wie in der Septuaginta“, um die Textidentität zu bekunden, oftmals sind die Abweichungen geringfügig. Aber häufig zeigt sich auch ein hoher Grad an Reflexion über semantische Differenzen. Ein Beispiel aus dem Kommentar zum Buch Jonas bezieht sich auf die Einschiffung des Propheten in Joppe: Während die „Vetus Latina“ (als Übersetzung der „Septuaginta“) das Verb ascendere („besteigen“) verwendet, übersetzte Hieronymus: „Jonas stieg in das Schiff hinunter.“ Im Kommentar erklärt und rechtfertigt er dies mit dem hebräischen Wortlaut und der tieferen Bedeutung, die in Jonas’ Suche nach einem Versteck liege. Doch Hieronymus zeigt sich hier auch einmal kompromissbereit; beide Übersetzungen erscheinen ihm annehmbar: „‚Und er stieg in das Schiff hinab‘, wie es im hebräischen Wortlaut heißt, weil er auf seiner Flucht dringend nach einem Versteck suchte. Oder ‚er bestieg‘, wie in der gängigen Fassung (in editione vulgata) geschrieben steht, um dorthin zu gelangen, wohin auch immer das Schiff fahren würde, glaubte Jonas doch, er könne entkommen, wenn er nur Judaea verlassen würde.“109 233
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Grundsätzlich gilt auch für Hieronymus, was seit den Zeiten der Apostel das entscheidende Prinzip für die Interpretation des Alten Testaments war: In seinen Büchern wird der Neue, durch das Erscheinen Christi inzwischen vollzogene Bund zwischen Gott und Menschheit angekündigt. Folglich muss die Exegese darauf abzielen, diese Hinweise zu deuten und die Parallelen zwischen dem Angekündigten und dem Geschehenen aufzuzeigen. Prinzipien dieser die Patristik prägenden Art von Exegese sind Typologie, Allegorie und Tropologie.110 Jonas etwa, um im Folgenden weiterhin aus Hieronymus’ Kommentar zu diesem kurzen Buch des Alten Testaments zu schöpfen, ist der „Typus des Erlösers“, denn mit seinem dreitägigen Aufenthalt im Bauch des Walfisches hat er die Auferstehung Christi angekündigt. Sein Schlaf im Inneren des Schiffes ist ebenfalls typologisch zu verstehen, denn er steht für den „Menschen, der im Schlaf seines Irrtums erstarrt ist“.111 Jonas’ Name lässt sich Hieronymus zufolge als „Taube“ übersetzen, womit Jonas auf den Heiligen Geist verweist – ein schönes Beispiel für die allegorisch-religiöse Auslegung von Namen und Begriffen, die Hieronymus gerne betreibt. Eine weitere naheliegende Allegorie besteht in der Ausdeutung von Ninive: In der Erzählung von Jonas geht es um die assyrische Stadt, doch verbindet sich diese konkrete Bedeutung mit der zusätzlichen Dimension weltlicher Verworfenheit, die sich besonders in den Städten zeigt. So muss der Auftrag, den Gott Jonas erteilt hat: in Ninive Umkehr zu predigen, verstanden werden als Aufruf an die ganze Menschheit, sich aus der sündigen Diesseitsverhaftung zu lösen.112 Jonas’ Flucht vor Gott verweist entsprechend auf „den Menschen im allgemeinen, der die Mahnungen Gottes missachtet und sich im Weltlichen verliert,“113 während der Sturm, der über das Schiff hereinbricht, auf dem sich Jonas versteckt, an die Gefahren denken lässt, denen die Kirche in jüngerer Vergangenheit ausgesetzt war.114 Und die Tropologie, mit der die Ausdeutung des Berichteten auf einer höheren Sinnebene gemeint ist, besteht im Fall von Jonas darin, dass sein Mahnruf an die Einwohner von Ninive, der der Rettung der Sünder dient, wenn sie denn seinem Ruf folgen werden, im Kleinen vorwegnimmt, dass Christus einst die „verlorenen Schafe des Hauses Israel“ erretten wird: Diese Parallelisierung verleiht der alten Überlieferung eine höhere Sinnebene. Doch Hieronymus betont auch, dass man Tropologie und Historie nicht zu sehr zusammenzwingen dürfe. Nicht jedes Detail etwa der 234
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Geschichte des Jonas hat die vorausblickende zweite Sinndimension, vielmehr geht es um die großen Linien der Deutung, die der Leser erkennen sollte.115 Überspanne man einen Deutungsansatz, so drohe die Gefahr, in Häresien abzugleiten. Das zeigt Hieronymus am Ende seines Jonas-Kommentars. Übertrage man die Worte, die Gott an Jonas richtete, auf Christus, so ergebe sich ein gefährlicher Widerspruch: „Du trauerst über den Verlust der Pflanze, die Du doch nicht hast sprießen lassen.“ Sollte hier Christus gemeint sein und wäre er dann dem Schöpfergott unterzuordnen? Das, so meint Hieronymus, wäre die Deutung, die Markion mit seiner Lehre vom bösen Demiurgen des Alten Testaments einst gegeben hat, und auch die arianische Irrlehre komme dieser Auffassung nahe.116 Immer wieder bekundet Hieronymus ein starkes Interesse an Fragen der Geschichte und der Geographie. Für ihn ist es selbstverständlich, dass Informationen aus diesen Wissensgebieten das Verständnis der Heiligen Schrift erleichtern, und zudem lässt sich die Exegese durch anschauliche Abschweifungen auch noch auflockern. Die Hinweise auf historische oder mythologische Details, die Beschreibungen der Örtlichkeiten und auch botanische Erklärungen, von denen anlässlich der „Kürbisfrage“ bereits die Rede war, zeigen dem Leser, der zudem auch immer wieder direkt angesprochen wird, dass sein Autor Hieronymus aus allen Brunnen der Gelehrsamkeit schöpfen kann.117 Auf jede Sachfrage, die man zu Jonas stellen kann, versucht Hieronymus eine konkrete Information zu geben. Aus anderen Büchern des Alten Testaments oder auch aus der jüdischen Exegese lässt sich einiges über die familiäre Herkunft des Jonas ermitteln (war er der Sohn der Witwe von Sarepta?).118 Der griechische Historiker Herodot verzeichnet die tatsächliche Zerstörung von Ninive – wenn auch nicht, wie Hieronymus irrtümlich angibt, unter dem Mederkönig Astyages, sondern unter dessen Vorgänger Kyaxares.119 Und mit „Tharsis“, wohin das Schiff segeln soll, das Jonas betreten hat, könnte die Küstenstadt Tarsus in Kilikien gemeint sein, wie Josephus schrieb. Oder sollte man eher an einen fern gelegenen gleichnamigen Ort in Indien denken, von dem im 2. Buch der Chronik die Rede ist, oder den Namen vielleicht noch besser allegorisch deuten, wie es die jüdischen Gelehrten machen, denen zufolge „Tharsis“ mit dem Meer gleichzusetzen sei? Für „Joppe“, wo sich Jonas einschiffte, bedarf es solcher alternativen Deutungen nicht. Hier ist die Hafenstadt gemeint, die Hierony235
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mus selbst gesehen hat, und mit wenigen Sätzen zeichnet er ihre Bedeutung nach: Einst wurden hier die Zedern des Libanon geschlagen, und noch heute wird dem Besucher der Felsen der Andromeda gezeigt: „der gelehrte Leser kennt ja die Geschichte.“120 Der gebildete christliche Leser wird auch zu schätzen gewusst haben, dass Hieronymus die klassische Literatur ins Spiel bringt, um die Glaubwürdigkeit des wundersamen Aufenthalts des Propheten im Bauch des Wales oder auch die literarische Qualität des Buches Jonas herauszustellen:121 Bewundernswert in ihrer Kürze sei doch die Nachfrage der Matrosen an Jonas, wer er sei, woher er komme, wohin er wolle! „Diese Kürze haben wir doch auch an Vergil so oft geschätzt“. Um dies zu belegen, zitiert Hieronymus die Verse aus dem 8. Gesang der Aeneis, mit denen Pallas, der Sohn des Euander, Aeneas und seine Leute, die gerade am Ufer des Tiber gelandet sind, nach ihrer Herkunft befragt: „Wer seid ihr, von welchem Haus und welchem Geschlecht? Bringt Frieden ihr oder den Krieg uns?“122 Neben allen diesen Facetten einer vielseitigen und mehrschichtigen Exegese steht eine antijüdische Deutungskategorie, die Hieronymus mit vielen anderen christlichen Bibelinterpreten nicht nur der Spätantike teilt: Er versteht das Wirken eines Propheten wie Jonas als Beleg für die Heilsgeschichte, in deren Verlauf sich Gott vom jüdischen Volk abwenden wird, weil es nicht an den Messias glauben will. Darin liegt das eigentliche Leitmotiv der Interpretation nicht nur dieses Prophetenbuches.123 „Welche Veränderung“, so ruft Hieronymus aus, „das Volk, das einst Gott gedient hat, forderte dann: ‚Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!‘“124 Deshalb wird der Alte durch den Neuen Bund ersetzt, und während den Heiden der Weg zum Heil offensteht und von ihnen auch beschritten wird, sind die Juden aus der Perspektive der Kirchenväter auf alle Zeit von Gott verworfen, seit der Messias erschienen ist. Konkret auf das Buch Jonas angewandt, lautet die Deutung: „Ninive hat sich zum Glauben bekannt, während Israel in der Ungläubigkeit verhaftet blieb.“125 Diese antijüdische Deutung der christlichen Heilsgeschichte wird als „Substitutionstheologie“ bezeichnet.126 Sie hat mit ihrer hemmungslosen Überhöhung des eigenen Glaubens das Verhältnis der beiden so eng miteinander verwandten Buchreligionen über Jahrhunderte vergiftet und dem Antisemitismus Vorschub geleistet. 236
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Mit einer spezifischen, rückwärtsgewandten Anwendung der Substitutionstheologie auf die prophetischen Bücher des Alten Testaments gelangt Hieronymus zu einer abstrusen Erklärung, warum Jonas den Befehl Gottes nicht ausführen will. Wenn die Einwohner von Ninive, die für das Heidentum stehen, durch den Propheten mit Gottes Wort konfrontiert und so zur Einsicht gelangen würden (was auch tatsächlich geschieht), dann wäre der spätere Neue Bund präfiguriert. Jonas, der um die Uneinsichtigkeit der Juden weiß, will sich Gottes Zugriff entziehen, um nicht zum Werkzeug einer Heilsgeschichte zu werden, die das Judentum aus seiner privilegierten Gottesnähe herausreißen wird: „Der Prophet [Jonas] weiß, weil ihm dies durch den Heiligen Geist eingegeben ist, dass die Bußfertigkeit der Heiden den Untergang des Judentums bedeutet. Und weil er sein Vaterland liebt, neidet er nicht etwa Ninive das Heil, sondern er fürchtet um sein eigenes Volk. […] Er fürchtet also, dass sich die Einwohner von Ninive unter dem Eindruck seiner Predigt zur Buße entschließen werden und dass Israel gänzlich von Gott aufgegeben wird.“127 Nicht nur Jonas’ Handeln wird auf diese Weise erklärt; auch das Verhalten der Matrosen passt Hieronymus zufolge in das Schema. Er versteht den Vers I, 14 so, als wollten die Seeleute Jonas nicht über Bord werfen; sie hätten dies nur gezwungenermaßen getan, weil es Gottes Willen entsprochen habe. Glaubt man hier nicht, so fragt Hieronymus, Pilatus zu sehen, wie er seine Hände wäscht und erklärt, unschuldig an Jesu Blut zu sein? Und auch die Matrosen stehen stellvertretend für die Heiden, die im Gegensatz zu den Juden nicht wollen, dass Christus stirbt: „Sie sprechen gegen das Vergießen unschuldigen Blutes. Die Juden aber sagen: ‚Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.‘ Und deshalb werden sie nicht erhört, strecken sie auch ihre Hände zum Himmel, denn diese sind voller Blut.“128
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Bethlehem als Zentrum theologischer Gelehrsamkeit Für die Arbeit an Übersetzungen und Kommentaren erwies sich die Ansiedlung in Bethlehem als hilfreich. Viele Details in den Büchern des Alten Testaments – Ortsnamen etwa oder Namen von Pflanzen (vgl. oben zur „Kürbisfrage“) – ließen sich hier durch eigene Anschauung klären. Zudem war es möglich, sich bei den gelehrten Juden Palästinas Rat zu holen. Im Vorwort zu seiner Übersetzung der Bücher der Chronik, die noch der zweiten Phase (der erneuten Revidierung auf der Grundlage der „Septuaginta“) angehört, stellt Hieronymus fest, dass in den „Septuaginta“-Handschriften, die ihm vorlägen, viele Namen falsch übersetzt und dabei so verfremdet seien, dass ihr hebräischer Ursprung gar nicht mehr zu erkennen sei. Und er berichtet auch, er habe aus Tiberias einen gelehrten Juden nach Bethlehem kommen lassen, um einen Fachmann konsultieren zu können. Nach eingehender Prüfung seiner Kenntnisse habe er sich von diesem Mann bei der Textverbesserung und Übersetzung helfen lassen.129 Hinweise dieser Art gibt Hieronymus häufiger; sie lassen erkennen, dass sich um ihn herum ein Zentrum spätantiker Gelehrsamkeit bildete. Immer wieder von Paula und Eustochium oder auch den Briefpartnern aufgefordert, seine Arbeit fortzusetzen, hat Hieronymus – wohl auch unter Einsatz der finanziellen Mittel, die Paula bereitstellte – jüdische Gelehrte herangezogen.130 Ob diese während ihrer Mitarbeit wohl auch im Kloster wohnten? Sie stellten jedenfalls eine unabdingbare Hilfe dar, denn ohne ihre Sprach- und Bibelkenntnisse wäre Hieronymus nicht in der Lage gewesen, seine Revision so schnell und gründlich durchzuführen, wie es ihm in enger Zusammenarbeit tatsächlich gelang. Im Vorwort zur Übersetzung der Bücher Tobias und Judith, die ihn erneut auch mit der chaldäischen (das heißt aramäischen) Sprache konfrontierten, beschreibt Hieronymus seine Arbeitsmethode.131 Da das Chaldäische dem Hebräischen sehr nahestehe, habe er den besten Experten in beiden Sprachen, den er finden konnte, um Unterstützung gebeten und die Arbeit im Verlauf eines einzigen Tages durchgeführt, indem er das, was sein Übersetzer ihm in Hebräisch vorgetragen habe, in lateinischer Sprache seinem Sekretär diktiert habe.132 Hieronymus muss zu diesem Zeitpunkt das Hebräische zumindest passiv bereits gut beherrscht haben, doch Zeit für die Behand238
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lung von Detailfragen blieb bei einer solchen Direktübersetzung kaum. Gleichwohl sagt Hieronymus mit Blick auf das Buch Judith, er habe den Text verbessert. Das ist wohl so zu verstehen, dass Hieronymus die hebräische Übersetzung seines Mitarbeiters mit der Fassung der „Septuaginta“ verglich, bevor er seine neue lateinische Fassung diktierte. Welche Schwierigkeiten er beim Erwerb der hebräischen Sprache zu überwinden hatte (S. 82), schildert Hieronymus noch einmal in seinem um 392 verfassten Vorwort zur Übersetzung des Buches Daniel. Hier gab es gute Gründe, über semitische Philologie zu sprechen, denn dieses Buch war zum Teil in hebräischer und zum Teil in chaldäischer Sprache geschrieben. Das sei auch der Grund dafür, so meint Hieronymus, dass die in der „Septuaginta“ vorliegende griechische Übersetzung so lückenhaft sei und statt ihrer die von Theodotion angefertigte Übersetzung im Gottesdienst verwendet werde. Er selbst habe schon früh angefangen, mit aller Kraft Hebräisch zu lernen, doch habe er es mit viel Zeit und Energie kaum fertiggebracht, die „keuchenden und zischenden Worte“ dieser Sprache auch auszusprechen. „Ich schien wie durch ein unterirdisches Gewölbe zu laufen, in dem nur einige wenige Lichtschimmer auf mich fielen, und als ich schließlich zum Buch Daniel gelangte, da wurde ich von einem solchen Gefühl der Erschöpfung erfasst, dass ich in meiner Verzweifelung meinte, alle meine bisherigen Anstrengungen seien sinnlos gewesen. Doch mein Hebräisch-Lehrer machte mir Mut und zitierte zu meinem großen, dauerhaften Nutzen die [aus Vergils ‚Georgica‘ stammenden] Worte: ‚Stetige Arbeit überwindet alle Hindernisse‘, und so begann ich damit, Chaldäisch zu lernen, obwohl ich mir bewusst war, im Hebräischen nur ein Halbwissen zu besitzen. Und bis zum heutigen Tag, so muss ich gestehen, kann ich das Chaldäische besser lesen und verstehen als aussprechen. Ich sage dies alles, um Euch [gemeint sind die Adressaten der Widmung, Paula und Eustochium] die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Buch Daniel zu erläutern, dass in seinen hebräischen Abschnitten weder die Geschichte von Susanna noch den Gesang der drei Männer im Feuerofen und auch nicht die Erzählung vom Drachen zu Babel enthält.“133 Die genannten Stücke, die Hieronymus in der „Septuaginta“ vermisste, werden heute als apokryphe Bücher des Alten Testaments geführt. Da 239
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für sie kein hebräisches Original gefunden werden konnte, hat auch Hieronymus sie nicht in das Buch Daniel integriert, sondern seiner Übersetzung angehängt. Er berichtet zudem von einer Diskussion über die Echtheit dieser Abschnitte. Einwände philologischer Art, wie sie einst von Africanus gegen Origenes vorgebracht worden seien, wären noch in seiner Gegenwart von einem jüdischen Gelehrten wiederholt worden. Die philologische Kritik verwies darauf, dass bestimmte etymologische Erklärungen, die von Daniel vorgebracht werden, nur in der griechischen Sprache Sinn machten, weshalb hier eine hebräische oder chaldäische Urfassung abzulehnen sei. Da Hieronymus noch weitere Argumente des jüdischen Gelehrten, eine Gegenrede durch „einen von uns“ und eine erfolgreiche Replizierung des Juden erwähnt, gewinnt man den Eindruck, hier einem Lehrvortrag oder einem interkonfessionellen Streitgespräch zur Textkritik des Alten Testaments beizuwohnen. Die Diskussion könnte in Bethlehem stattgefunden haben, auch wenn Hieronymus dies nicht ausdrücklich sagt. Wie hier die Arbeit an den Kommentaren verlief, beschreibt Hieronymus in seinem Vorwort zum 3. Buch seines Galater-Kommentars von 389 und in seinem Vorwort zu seinem Matthäus-Kommentar, den er 398 abschloss. Schon 389 entschuldigt er den langsamen Fortgang seiner Arbeit mit der Schwäche seiner Augen und seines Körpers. Er schreibe seine Kommentare auch nicht mit eigener Hand, und so könne er, anders als Vergil, von dem es doch heiße, er habe seine Gedichte mit äußerster Sorgfalt verfasst, die Langsamkeit seiner Arbeit nicht durch einen besonders gepflegten Stil wettmachen.134 Vielmehr müsse er einen Schreiber beschäftigen und diesem fortlaufend diktieren, was ihm gerade einfalle. Zögere er, würde der Schreiber, der offensichtlich nach Zeilen bezahlt wurde, unruhig: „Wenn ich nachdenken möchte und hoffe, etwas besser hervorzubringen, dann spüre ich den stillschweigenden Tadel meines Schreibers; er ballt seine Faust, zieht die Augenbraue hoch und macht durch sein ganzes Benehmen klar, dass er wohl umsonst gekommen sei.“135 Im Vorwort zum Matthäus-Kommentar klagt Hieronymus erneut über eine lange Krankheit, die es ihm unmöglich gemacht habe, sich intensiv mit der theologischen Literatur auseinanderzusetzen.136 Deshalb habe er nur hier und da einige „Blüten der spirituellen Deutung“ in 240
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seinen Kommentar eingeflochten, der sich weitgehend darauf beschränke, das Evangelium in neuer Übersetzung und mit kurzem Kommentar zu präsentieren. Eusebius von Cremona, dem der Kommentar gewidmet ist, und die übrigen Leser sollten sich vor Augen halten, wie viel Zeit für die Erstellung eines Kommentars gebraucht würde, zunächst für das Diktat, das die Schreiber notierten, dann für die Abschrift auf den Blättern, die anschließend korrigiert werden müsse, und schließlich für die Erstellung einer sauberen Kopie.137 387, als er seinen Kommentar zum Epheserbrief fertigstellte, hatte er im Vorwort zum 2. und 3. Buch noch vermerkt, dass er bisweilen tausend Bibelverse am Tag kommentieren würde.138 Dabei ginge es nicht um ‚polierte‘ Literatur, sondern um die Vermittlung der Heilslehren, und dazu habe er zumeist (wie Luther nach ihm) eine einfache Umgangssprache verwendet.139 Dass dies theologisch riskant sein konnte, vermerkte Hieronymus einige Jahre später, 406, als er sein Vorwort zum 3. Buch seines Amos-Kommentars diktierte.140 Während er mit dieser Arbeit beschäftig war, sei er schwer erkrankt und dann zu früh wieder an die Arbeit gegangen. „Während andere mit dem Schreiben zögern und ihr Werk mehrfach korrigieren“, habe er sich wieder seinem Sekretär anvertraut. Zu diktieren, bedeute aber immer, sich dem Zufall in die Hände zu geben und so den eigenen Ruf, was Wissen und Glauben anbelange, aufs Spiel zu setzen. Aber er könne eben nicht mehr mit eigener Hand schreiben, und er wolle ja auch die Heiligen Schriften nicht mit stilistischer Raffinesse und rhetorischer Kunst kommentieren, sondern mit „Gelehrsamkeit und einfacher Wahrheit“.141 Im Vorwort zum 7. Buch seines Hesekiel-Kommentars, geschrieben unter dem Eindruck der Einnahme Roms durch Alarich im Jahr 410, berichtet Hieronymus, dass er alt und schwach geworden sei wie Isaak. Mit dem wenigen Licht, das er nachts habe, um seiner Arbeit nachzugehen – denn tagsüber müsse er sich um die Flüchtlinge aus Italien kümmern –, könne er die Texte kaum lesen, aber auch beim Tageslicht seien die Buchstaben zu klein für ihn. Trotzdem diktiert er weiter, und auch dies geschieht nun nachts. So ist Hieronymus froh darüber, dass die Nächte mit dem Winter länger werden.142 Ein ständiges Ärgernis ist ihm dagegen die Kritik an seiner Arbeit, an den Übersetzungen wie an den Kommentaren. Schon in Rom während der Anfänge des Übersetzungsprojekts war sie laut geworden, und trotz aller Erklärungen und Rechtfertigungen wollte sie nicht 241
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mehr verstummen. Mit jedem neuen Text, den Hieronymus in revidierter Fassung herausbrachte, drohten neue Streitigkeiten, und dann verband sich die Kritik an Übersetzungen und Kommentaren auch noch mit anderen Streitfragen, wie vor allem mit der um die Orthodoxie der Lehren des Origenes. Mit Augustinus und Rufin verschafften sich dabei zwei gewichtige Stimmen aus dem Westen des Reiches Gehör, die sowohl die Wissenschaftlichkeit als auch die Rechtgläubigkeit des gelehrten Mönchs von Bethlehem infrage stellten.
Augustinus kritisiert Hieronymus … Aber das Übersetzungsvorhaben war schon für sich allein ein Stein des Anstoßes, wie sich bereits im ersten brieflichen Kontaktversuch zwischen Augustinus und Hieronymus zeigt, der in die Mitte der neunziger Jahre des 4. Jahrhunderts fällt. Der Brief, der seinen Adressaten erst Jahre später erreicht hat,143 ist ein wichtiges Zeugnis für die skeptische Haltung, die den neuen Bibelübersetzungen in der lateinischen Kirche entgegengebracht wurde. Augustinus, der damals noch Presbyter war, bevor er wenig später Bischof im nordafrikanischen Hippo Regius wurde, wandte sich mit Worten größter Verehrung an den Mönch in Bethlehem, um im Namen „der gesamten Gelehrtenwelt der afrikanischen Kirchen“ Hieronymus um die Fortsetzung seiner Arbeit zu bitten. Nur solle er sich doch darauf konzentrieren, weitere Werke des Origenes ins Lateinische zu übersetzen.144 Der Westen bedürfe der Erklärungen, die von den griechischen Theologen niedergeschrieben worden seien. Das, womit sich Hieronymus aber vorrangig beschäftige, die Heiligen Schriften neu und – wie Augustinus dann erfuhr – sogar aus dem Hebräischen zu übersetzen, gefällt ihm nicht. Nur so, wie Hieronymus anfangs mit dem Buch Hiob verfahren sei, solle er weiterarbeiten, also an Revisionen, die von der „Septuaginta“ ausgingen und für die textkritische Zeichen verwendet würden, um dem Leser deutlich zu machen, welche Zusätze der neue Text enthielte. Allerdings könne er sich, so Augustinus in seinem ersten Brief weiter, nicht erklären, warum die früheren Übersetzer, die Siebzig der „Septuaginta“ ebenso wie die späteren, so viele Abschnitte des Alten Testaments übersehen hätten. Sie hätten vielleicht unklare Stellen weggelassen, aber an solchen müsste dann ja wohl auch Hieronymus scheitern. Mit dem Übrigen wären doch wohl auch die Frühe242
Augustinus kritisiert Hieronymus …
ren zurechtgekommen. Augustinus fordert Hieronymus dazu auf, auf diese Überlegung zu reagieren, ohne ausdrücklich zu sagen, was sein letztes Argument impliziert: dass Hieronymus eigenmächtig in den Text der Heiligen Schriften eingegriffen und ihn mit Abschnitten ergänzt hat, die offensichtlich der göttlichen Inspiration entbehren. Hieronymus war über den Brief, der neben dem bemüht freundschaftlichen Ton doch viel Tadel und Vorwurf enthielt, ziemlich verärgert. Augustinus hatte ihm auch vorgehalten, mit seiner Deutung eines Abschnitts des Galaterbriefes falsch zu liegen, und diesen Punkt in einem weiteren Brief noch einmal ausführlicher dargelegt, der, um 397 geschrieben, erst fünf Jahre später in Bethlehem eintraf.145 Hier ging es um die Frage, wie Paulus’ Bericht über seinen Konflikt mit Petrus in Antiochia (Gal. 2,11 ff.) zu verstehen sei: Hatte es diesen Streit tatsächlich gegeben oder war er ein Scheingefecht gewesen, um die Judenchristen zur Aufgabe der mosaischen Kultregeln zu bewegen?146 Mit dieser Interpretation hatte Hieronymus im Vorwort seines Galater-Kommentars von 387 die gemeinsame Autorität der Apostel zu retten versucht: Petrus habe in der Gemeinschaft mit den Juden, die er zum christlichen Glauben führen wollte, an der Befolgung der Gesetze nur aus missionarischen Gründen festgehalten, um den Juden nicht einen zu schnellen Wechsel der Lebensformen abzuverlangen. Und Paulus, der sich bei anderer Gelegenheit genauso verhalten habe, habe mit seiner scheinbaren Mahnung an Petrus dann das eigentliche Ziel der Mission, die Abkehr vom jüdischen Glauben und die Hinwendung zu Christus, in Erinnerung rufen wollen. Augustinus aber hielt ein solches Votum zugunsten einer ‚Scheinlüge‘ des Petrus für gefährlich. Würde man dieses Argument akzeptieren, dann wäre jeder beliebigen Interpretation der Heiligen Schriften Tür und Tor geöffnet. Hieronymus’ erste Reaktion (die ihrerseits erst nach zwei Jahren bei Augustinus eintraf) bestand darin, dem theologischen Disput mit dem Hinweis auf das eigene hohe Alter auszuweichen.147 Nachdem er aber weitere Anfragen des Augustinus erhalten hatte, verfasste er schließlich doch eine umfangreiche Entgegnung.148 Augustinus hatte zuletzt noch einmal das Problem der Übersetzung angesprochen, wobei ihm jetzt auch die Hiob-Fassung des Hieronymus vorlag, die dieser aus dem Hebräischen übersetzt hatte. Warum fehlten nun in dieser Übersetzung die textkritischen Zeichen, die es in der Fassung, die auf der Grundlage der „Septuaginta“ entstanden war, so reichlich gab? Mit 243
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der neuen Übersetzung war für Augustinus die Autorität der „Septuaginta“ erneut infrage gestellt, was er nicht akzeptieren wollte. Und so sprach er ganz deutlich aus, dass er es „lieber sehen würde“, wenn Hieronymus „die griechischsprachigen kanonischen Schriften übersetzen würde, die den siebzig Übersetzern zugeschrieben werden“.149 Dass Hieronymus diese Arbeit zu großen Teilen längst geleistet hatte, wusste Augustinus wohl noch nicht.150 Er begründete seine Forderung mit der Gefahr, dass es zu großen Differenzen im Bibelgebrauch der lateinischen und der griechischen Kirche kommen würde, wenn man Hieronymus’ neue Übersetzungen aus dem Hebräischen verwenden wollte. Auch ließen sich dann strittige Übersetzungsfragen nicht mehr klären, da man kaum über hebräische Bibeln verfüge. Und Augustinus illustriert diese Gefahr mit dem Beispiel der Gemeinde von Oea, in der Hieronymus’ Jonas-Übersetzung zu Tumulten geführt hatte (S. 144). Die Antwort, die Hieronymus Augustinus schließlich gab,151 ist eine polemische Apologie, die auch mit dem ‚Totschlagargument‘ der Häresie arbeitet. Wieder verweist Hieronymus auf sein hohes Alter. Von ihm sollte man doch keine theologischen Abhandlungen mehr erwarten.152 Aber ein Bischof wie Augustinus sollte sich gut überlegen, was er niederschreibe. Andere zu kritisieren sei leichter, als in den eigenen Aussagen die Orthodoxie zu wahren.153 Ausdrücklich bezichtigt Hieronymus seinen ‚Briefpartner‘, mit dem Einspruch gegen die Galater-Interpretation in einen Irrglauben abzugleiten, denn wenn man behaupte, Paulus und Petrus hätten tatsächlich die jüdischen Kultgesetze befolgt, dann falle man „in die Häresie des Cerinth und des Ebion“.154 „Diese Leute“, so erläutert Hieronymus sein scharfes Argument, „glaubten an Christus und wurden von den Vätern einzig deswegen als Ketzer verurteilt, weil sie das Zeremonialgesetz mit dem Evangelium Christi vermengten und sich so zum Neuen bekannten, dass sie das Alte nicht aufgaben.“155 Dass er selbst in seinem Galater-Kommentar ältere Exegesen zusammengestellt hatte, um den Leser über mögliche Deutungen zu unterrichten, sei wohl kaum so „verwerflich, wie die unseligste Häresie [der Ebioniten] erneut in die Kirche einzuführen“. Aber genau das tue Augustinus mit seiner Galater-Deutung. Hieronymus gelingt es, Augustinus theologisch in größte Bedrängnis zu bringen, denn er kann ihm vorhalten, die eigentliche Grundlage des christlichen Glaubens infrage 244
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zu stellen, das heißt den Neuen Bund, der die Aufgabe des Alten Bundes und damit der Gesetzestreue bedeute. Hier zeigt sich, wie zwei hochgebildete Theologen der Spätantike mit scharfen Waffen gegeneinander kämpfen,156 und es hat Augustinus einige Mühe gemacht, angesichts dieses Häresievorwurfes wieder festen orthodoxen Boden unter die Füße zu bekommen.157 Nicht weniger scharf reagierte Hieronymus auf die Kritik an seinen Übersetzungen. Augustinus habe wohl gar nicht verstanden, wozu es der textkritischen Zeichen bedurfte. Hieronymus wusste nicht, dass Augustinus der griechischen Sprache nicht mächtig war, und so konnte er seinem Widersacher empfehlen, doch zum Vergleich einmal die „Septuaginta“ in der Urfassung ohne die Verbesserungen und textkritischen Zeichen des Origenes zu lesen. Sich gegen neue Übersetzungen (des Hieronymus) auszusprechen, bedeute nichts anderes, als anderen Theologen das Wort zu verbieten, während man selbst (also Augustinus) munter Kommentare verfasse. Und noch einmal erklärt Hieronymus, warum die Rückkehr zur „hebräischen Wahrheit“ so wichtig sei: Nur aus ihr ließen sich die Stellen wiedergewinnen, die „von den Juden unterdrückt oder verfälscht worden“ seien.158
… und behält das letzte Wort Als Augustinus in den Jahren nach dem Tod des Hieronymus an den letzten Büchern seines „Gottesstaates“ arbeitete, kam er im 18. Buch auf die „Septuaginta“ und ihre Übersetzungen zu sprechen. Anders als die untereinander streitenden heidnischen Philosophen hätten die jüdischen Gelehrten Einhelligkeit und damit göttliche Inspiration bewiesen, als sie im Auftrag des Ägypterkönigs Ptolemaios Philadelphos die hebräische Bibel übersetzten (S. 225). Obwohl später noch weitere Übersetzungen angefertigt wurden, sei die „Septuaginta“ von der Kirche übernommen worden, „als ob sie die einzige wäre“, und das gelte bis auf den heutigen Tag. In den lateinischen Kirchen sei entsprechend eine Übersetzung der „Septuaginta“ in Verwendung. Augustinus findet nun zwar anerkennende Worte für Hieronymus, den „höchst gelehrten, in allen drei Sprachen bewanderten Mann“, der die Heilige Schrift „nicht aus dem Griechischen, sondern dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt hat“. Aber gleichwohl hielten die lateinischen Kirchen an der früheren Übersetzung fest, weil, und dies ist und bleibt Augustinus’ Mei245
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nung, doch kein Übersetzer „höheres Ansehen gewinnen könne als die Siebzig“, sodass deren Arbeit also als die beste Grundlage für alle weiteren Bibelversionen zu gelten habe.159 Denn in ihnen habe der göttliche Geist genauso gewirkt wie in den Propheten. Wenn sich eine Abweichung zwischen der „Septuaginta“ und anderen Übersetzungen zeige, so liege das daran, dass die Siebzig, von göttlichem Geist erfüllt, selbst wie Propheten gewirkt hätten und ihre Übersetzung also einen „tieferen, prophetischen Geist“ beinhalte. Das ist eine unausgesprochene, aber klare Zurückweisung der Arbeit des Hieronymus, dem Augustinus zwar Gelehrsamkeit zuspricht, nicht aber göttliche Inspiration. Augustinus baut sein Argument noch weiter aus: Die von der Textkritik „mancher Männer“ (gemeint sind Origenes und Hieronymus) ermittelten Abschnitte, die in der „Septuaginta“, nicht aber in der hebräischen Vorlage enthalten seien, seien solche, die der göttliche Geist eben nur durch die Siebzig habe verbreiten wollen, während entsprechend die hier fehlenden, aber in der hebräischen Fassung erhaltenen Teile nur durch die Propheten vermittelt werden sollten. Wie steht es aber um Abschnitte im Text, die hebräisch und griechisch vorliegen, sich aber widersprechen? Etwa in dem Vers des Buches Jonas, in dem den Einwohnern von Ninive mit dem Untergang ihrer Stadt gedroht wird: in drei Tagen (so die „Septuaginta“) oder in vierzig Tagen (so die hebräische Fassung)? Hier – und an anderen Stellen dieser Art – liegt nach Augustinus kein Widerspruch vor, und deshalb sei auch nicht die eine Fassung besser als die andere. Vielmehr diene der scheinbare Widerspruch der religiösen Belehrung: Es komme nicht auf historische Fragen an, sondern auf den übergeordneten Sinn. Da sowohl die drei als auch die vierzig Tage auf Christus verwiesen, sei es so, „als wollten die siebzig Übersetzer, die zugleich Propheten waren, den Leser, der nur an dem geschichtlichen Verlauf der Begebenheit hängen bleiben möchte, vom Schlaf aufrütteln zur Erforschung einer verborgenen Weissagung und ihm gleichsam zurufen: ‚Suche hinter den vierzig Tagen einen, in welchem du auch die drei Tage zu entdecken vermagst; die eine Zeitspanne wirst du in seiner Himmelfahrt, die andere in seiner Auferstehung finden.‘“160
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Der Streit um Origenes
Der Streit um Origenes Eine der heftigsten dogmatischen Auseinandersetzungen der Spätantike wurde um die Frage der Rechtgläubigkeit des Origenes (185– 254) geführt. Der große Gelehrte aus Alexandria hatte als einer der Ersten an einem Ausgleich zwischen der christlichen Glaubenslehre und der philosophischen Tradition gearbeitet und mit seiner allegorischen Auslegung der Heiligen Schriften eine Deutungsebene eröffnet, die den Ansprüchen gebildeter Leser gerecht wurde.161 Da Origenes dabei auch platonische Ideen für seine christliche Theologie übernahm und zum Beispiel von einer Präexistenz der Seele ausging, die nur vorübergehend mit dem menschlichen Körper verbunden würde, musste es früher oder später zu kritischen Nachfragen kommen: Wie weit entsprachen seine Lehren den Grundsätzen des christlichen Glaubens? Origenes war selbst schon in einen Konflikt mit Demetrius, dem Bischof seiner Heimatstadt Alexandria, geraten und hatte sich daraufhin 231 in Caesarea, einer Küstenstadt Palästinas, niedergelassen. Es lässt sich nicht sicher sagen, ob der Dissens zwischen Demetrius und Origenes allein in der Priesterweihe begründet lag, die Origenes ein Jahr zuvor während seiner ersten Reise in Caesarea empfangen hatte, oder ob auch dogmatische Differenzen eine Rolle spielten. Ein halbes Jahrhundert nach dem Tod des christlichen Gelehrten aber sahen sich Pamphilus (240–309) und Eusebius von Caesarea (260–339) veranlasst, eine Verteidigung der Lehren des von ihnen verehrten Origenes zu verfassen. Noch einmal ein knappes Jahrhundert später entzündete sich dann erneut ein Konflikt um diesen Theologen, der diesmal die Kirche des Ostens gänzlich zu entzweien und auch den Westen in große Unruhe zu versetzen drohte. Nicht nur Jerusalem und Alexandria waren alsbald in den Streit involviert, sondern auch Konstantinopel und Rom.162 Hieronymus hat in einem gehörigen Maß dazu beigetragen, dass der Konflikt solche Ausmaße annahm, und er hat dabei wenig Rücksicht darauf genommen, dass sein Hauptkontrahent kein anderer war als sein früherer Freund Rufinus von Aquileia. Paradox erscheint, dass beide, Rufin wie Hieronymus, dem Werk des Origenes zutiefst verpflichtet waren und es auch während der langjährigen Auseinandersetzung blieben. Beide versuchten auf ihre Weise, ihre eigene Nähe zu 247
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Origenes zu rechtfertigen und Teile seines Werkes vor dem Vorwurf der Häresie zu bewahren. Dafür überzogen sie sich gegenseitig mit heftigen Vorwürfen, schmiedeten feindliche Koalitionen und nutzten die Mittel spätantiker Kommunikation, Briefe wie Apologien, um ihre Position durchzusetzen. Und da Hieronymus und Rufin in lateinischer Sprache schrieben und zudem neue lateinische Übersetzungen von Werken des Origenes anfertigten, musste der Konflikt auch die Kirche des Westens erfassen. Nicht alle ihre Schriften, die im Verlauf des Streites entstanden, sind überliefert, doch lassen sich aus dem umfangreichen Material sowohl der Ablauf des Konflikts als auch die verschiedenen inhaltlichen Ebenen gut rekonstruieren.163 Dabei fällt nicht nur ein eigentümliches Licht auf die Persönlichkeit des Hieronymus, der eine seiner engsten Freundschaften auf dem Altar der Rechtgläubigkeit geopfert hat.164 Da Hieronymus im Verlauf des Streites um Origenes Stellung zu grundsätzlichen Fragen nehmen musste, die etwa sein Verhältnis zur klassischen Bildung oder sein Verständnis der Aufgaben eines Übersetzers betrafen, ist die nähere Betrachtung auch für solche Fragen aufschlussreich, die über den Rahmen der Dogmengeschichte hinausreichen. Es war Epiphanius von Salamis, mit dem Hieronymus seit längerer Zeit bekannt war, der durch seine Schriften und dann vor allem durch seine energischen Interventionen in Jerusalem die Affäre in Bewegung setzte. Epiphanius war 382 gemeinsam mit Hieronymus und Paulinus von Antiochia nach Rom gereist, um von Damasus Unterstützung im antiochenischen Schisma zu erlangen (S. 130), und er hatte 385 Hieronymus, als dieser wieder auf dem Weg in den Osten war, auf der Insel Zypern empfangen. Damals war Epiphanius bereits als Autor hervorgetreten, und Hieronymus dürfte gewusst haben, dass der Bischof von Salamis mit Origenes gerade dem Theologen ablehnend gegenüberstand, dem er selbst entscheidende Anregungen für die eigene Arbeit verdankte. Ob man in Rom oder auf Zypern über die beiden antihäretischen Traktate gesprochen hat, die Epiphanius bereits in den siebziger Jahren des 4. Jahrhunderts verfasst hatte, ist nicht überliefert. In seiner später, gegen Ende des Jahrhunderts geschriebenen christlichen Literaturgeschichte „Über die berühmten Männer“ vermerkt Hieronymus, die Bücher, die Epiphanius über und gegen „alle Häresien“ geschrieben habe, würden sowohl von den Gebildeten der Sache wegen als auch von der breiteren Leserschaft ihrer Sprache wegen gelesen.165 248
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Und sicher waren sie auch in seiner Bibliothek im Kloster von Bethlehem vorhanden. 374 hatte Epiphanius seinen ersten Angriff gegen die Häresien und dabei vor allem gegen Origenes, in dem er den geistigen Urvater des Arianismus erblickte, veröffentlicht.166 Der Titel dieser Schrift lautet „Der Festgeankerte“ und versprach dem Leser Aufschluss über häretische Dogmen, die in großer Anzahl aufgelistet wurden. Das wiederholte Epiphanius in der zweiten antihäretischen Schrift, die er im weiteren Verlauf der siebziger Jahre niederschrieb. Sie trägt den Titel „Hausapotheke“ oder „Gegen die Häresien“. Auch diese Schrift sollte also Schutz gegen die krank machenden Verirrungen der Häretiker bieten. Achtzig häretische Lehren werden hier angeführt und verurteilt. Mit Epiphanius’ Angriffen geriet einer der größten christlichen Theologen unter Häresieverdacht. Zu Origenes’ Leistungen zählen nicht nur die zahlreichen Kommentare zu den Büchern des Alten und Neuen Testaments, von denen sich die nachfolgenden Exegeten allen Bedenken zum Trotz über Jahrhunderte beeinflussen ließen. Auch seine „Sechsfache“ (Hexapla), eine Zusammenstellung des hebräischen Textes mit griechischen Übersetzungen des Alten Testaments, war ein einflussreiches und vielfach bewundertes Werk. Der hier von Origenes verfolgte wissenschaftliche Ansatz bestand darin, den ursprünglichen Wortlaut und Sinn der Heiligen Schrift durch einen breit angelegten kritischen Textvergleich zu erschließen. Diesem Ansatz und damit dem Vorbild Origenes folgte später Hieronymus, als er sich an die Arbeit machte, die Übersetzungen der Heiligen Schriften zu revidieren oder neue Übersetzungen anzufertigen. Bis in die neunziger Jahre des 4. Jahrhunderts sind Hieronymus’ Vorworte zu seinen Übersetzungen, seine Kommentare und Briefe mit bisweilen geradezu überschwänglichen Lobpreisungen des Origenes gefüllt167 und es ist auch daran zu erinnern, dass er seine literarische Laufbahn unter anderem mit Übersetzungen des Origenes begonnen hatte.168 Umso überraschender ist seine schnelle Bereitschaft, den Einwänden und Forderungen des Epiphanius nachzugeben, als dieser 394 nach Jerusalem kam und hier mit Nachdruck gegen diejenigen predigte, die er für Anhänger der Theologie des Origenes und damit für Häretiker hielt. Ein Jahr zuvor hatte Epiphanius zunächst seinen Mitarbeiter Atarbius ins Heilige Land gesandt, der die Mönchsgemeinschaften auf den 249
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antiorigenistischen Kurs seines Bischofs verpflichten sollte. Auf diesen Besuch reagierten Rufin und Hieronymus unterschiedlich: Während sich Rufin weigerte, Atarbius zu einem Gespräch zu empfangen, wurde er von Hieronymus in Bethlehem freundlich aufgenommen.169 Hieronymus scheint sofort den Forderungen des Epiphanius nachgekommen zu sein und sich gegen die Lehren des Origenes, die Epiphanius für häretisch erklärt hatte, gestellt zu haben. Dass er dem Druck sogleich nachgab, kann nicht allein mit seiner alten und recht engen Bekanntschaft mit Epiphanius erklärt werden. Vielmehr muss ihn die Situation, die durch den Besuch des Atarbius entstanden war, an die Schwierigkeiten erinnert haben, in die er während seines Aufenthalts in der Wüste von Chalkis geraten war (S. 108 ff). Schon damals hatte er sich inquisitorischen Nachfragen ausgesetzt gesehen und die Wüste verlassen müssen, um nicht in endlose Auseinandersetzungen um das rechte Glaubensbekenntnis verwickelt zu werden. Diesmal wollte er wohl von vornherein klarstellen, dass er auf der Seite derjenigen stand, die als Wächter des rechten Glaubens galten. Ähnlich hat sich Hieronymus später auch im Streit um die Orthodoxie des Priscillianus verhalten, dessen streng asketische Lehre er zunächst begrüßte, dann aber heftig verurteilte.170 Nach der Untersuchung, die Atarbius in Palästina durchgeführt hatte, waren die Fronten des zukünftigen Konflikts schon erkennbar. Und doch erlaubte Johannes, der Bischof von Jerusalem, seinem Amtsbruder, in seiner Kirche zu predigen, als Epiphanius 394 persönlich in Jerusalem erschien. Epiphanius nutzte diese Gelegenheit zu einem so nachdrücklichen Angriff auf die Anhänger des Origenes, dass Johannes ihn während der Predigt unterbrach, um weitere Ausfälle zu verhindern. Um aber nicht selbst als Häretiker dazustehen, legte der Bischof von Jerusalem öffentlich ein Glaubensbekenntnis ab, das den Vorstellungen des Epiphanius entsprach. Der Konflikt war damit jedoch nicht beendet. Zwar schien es in Jerusalem keine Häretiker zu geben. Ein Verdacht blieb aber doch an Johannes haften. Und auch in Bethlehem lebten Mönche, die mit der harten Linie nicht einverstanden waren, die Epiphanius verfolgte. Als dieser nach Bethlehem kam, gelang es Hieronymus, ihn vorsichtshalber sogleich wieder zur Abreise zu bewegen; die Stimmung hier im Kloster scheint recht feindlich gewesen zu sein. Wenig später hat Epiphanius Palästina wieder verlassen, um nach Zypern zurückzukehren. 250
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Bald gab es ein neues, zusätzliches Problem. Hieronymus hielt auch jetzt noch konsequent daran fest, persönlich nicht für sakrale Handlungen zuständig zu sein; diese Bedingung hatte er Jahre zuvor anlässlich seiner Priesterweihe gestellt. So verhielten sich auch die anderen Presbyter, die sich – möglicherweise auch nur vorübergehend – im Kloster aufhielten. Sie wollten auf diese Weise jedem Konflikt mit dem Bischof von Jerusalem von vornherein aus dem Weg gehen.171 Da nun aber angesichts der Konfrontation, die Epiphanius heraufbeschworen hatte, keine Unterstützung aus Jerusalem oder durch den örtlichen Klerus mehr zu erwarten war, wandten sich einige Mönche an Epiphanius, als dieser sich noch in Palästina aufhielt. Und der Bischof von Salamis schuf Abhilfe, indem er kurzerhand Paulinianus, den Bruder des Hieronymus, zum Presbyter weihte. Das aber war ein Verstoß gegen das Kirchenrecht, denn die Priesterweihungen fielen allein in die Kompetenz des Bischofs, der der jeweiligen Kirchenprovinz vorstand. Für Bethlehem war also Johannes von Jerusalem zuständig, der auch sofort gegen die Eigenmächtigkeit des Epiphanius protestierte. Nun sah sich Epiphanius veranlasst, ein Rechtfertigungsschreiben zu verbreiten, indem er zugleich zu einem neuen Angriff gegen die vermeintlichen Origenisten in Jerusalem ausholte. Er verlangte von Johannes, zu den häretischen Lehrmeinungen des Origenes Stellung zu nehmen. Epiphanius zufolge bestand die zentrale dogmatische Irrlehre des Origenes darin, dass er Christus Gottvater unterordnete. Indem Origenes damit die Natur Christi von der Natur Gottes getrennt habe, müsse er als Vordenker des Arianismus betrachtet werden. Neben diesem grundlegenden theologischen Fehler sei auch die Auffassung von der Präexistenz der menschlichen Seele inakzeptabel und ebenso Origenes’ Lehre, dass es keine Auferstehung des Fleisches gebe. So unsympathisch ein „Häresienjäger“ wie Epiphanius heute auch erscheint,172 kommt man nicht umhin festzustellen, dass seine Einwände aus der Perspektive der Theologie des ausgehenden 4. Jahrhunderts berechtigt waren. Die heutige Kirchengeschichtsschreibung sieht denn auch in Origenes einen Vertreter des sogenannten Subordinatianismus.173 Da das Seelenheil eines jeden Gläubigen von seiner Rechtgläubigkeit abhing, ging es hier nicht um Nebensächlichkeiten, für die sich nur die Fachtheologen zu interessieren hatten. Hinzu kamen politische Aspekte, auch wenn diese für Epiphanius selbst vielleicht keine Rolle spielten. In der ‚Reichskirche‘, die seit Konstantin unter kaiserlichem 251
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Schutz stand, sich aber auch selbst als Stütze des Imperiums verstehen sollte und wollte, konnten divergierende Lehren, jedenfalls soweit sie die Grundlagen des Glaubens betrafen, nicht hingenommen werden, ohne mit den kirchlichen Verwerfungen auch politische zu riskieren. Seitdem die Christologie des Arius über Alexandria hinaus im Osten des Reiches Anhänger gefunden hatte, war die Diskussion um die Natur Christi nicht mehr abgebrochen, und es hatte sich in der Reichspolitik schon unter den Söhnen Konstantins deutlich gezeigt, welche destabilisierenden Kräfte hier losgetreten worden waren.174 So erschwerten sowohl theologische als auch politische Vorbehalte jede offene Diskussion über Fragen des Glaubens, und es lag nahe, dass sich die Kontrahenten in den theologischen Diskussionen nicht als Partner verstanden, sondern als Gegner, deren fehlerhaften Meinungen kein Platz eingeräumt werden durfte. So gesehen, zeigen sich im Streit um Origenes strukturelle Probleme einer von religiösen Dogmen durchdrungenen Gesellschaft. Eine freie, durch Gespräch und Toleranz geprägte Entfaltung des christlichen Glaubens und Denkens, die etwa Erasmus im Zeitalter der frühen Kirche sehen wollte, hat es so weder für Epiphanius oder Hieronymus, noch Johannes oder Rufin gegeben. Jeder theologische Streit musste mit einer neuen, umfassenderen Formulierung des Glaubensbekenntnisses beendet werden, die der unterlegenen Seite nur die Wahl ließ zwischen Unterordnung oder Ausschluss. Auf die Forderungen, die Epiphanius vorgetragen hatte, ging Johannes nicht ein. Stattdessen verkündete er, dass jeder exkommuniziert sei, der die Weihe des Paulinianus anerkennen würde. Damit geriet Hieronymus in eine schwierige Lage, denn er musste entweder die Mönche seines Klosters oder aber seinen Bischof gegen sich aufbringen. Paulinianus verließ Bethlehem, um zukünftig dem Klerus des Epiphanius auf Zypern anzugehören, doch dieser Kompromiss war Johannes nicht genug: Er exkommunizierte Hieronymus und mit ihm die Klostergemeinschaften von Bethlehem. Ihnen war damit auch der Besuch in der Geburtskirche von Bethlehem untersagt. Nun war der Streit zwischen Epiphanius und Johannes zunächst in griechischer Sprache geführt worden. In Bethlehem war aber ein Mann zu Besuch, der des Griechischen nicht mächtig war. Um ihn, Eusebius von Cremona, mit dem Inhalt des Konflikts besser vertraut zu machen, übersetzte Hieronymus den Brief, den Epiphanius an Jo252
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hannes gerichtet hatte, ins Lateinische. Vielleicht hatte Hieronymus gehofft, seine Übersetzung würde nur in Bethlehem gelesen. Im Verlauf des Jahres 395 gelangte die lateinische Fassung jedoch nach Jerusalem und in die Hände von Johannes und Rufin, die in ihr einen erneuten Angriff auf ihre Rechtgläubigkeit sehen mussten. Johannes wandte sich daraufhin an die staatlichen Autoritäten und erlangte in Konstantinopel einen gegen Hieronymus und seine Anhänger gerichteten Ausweisungsbefehl.175 Zur Durchführung dieser Anordnung kam es nur deshalb nicht, weil die politische und militärische Situation im Osten des Reiches und auch in Palästina durch zeitgleiche Angriffe der Hunnen erschüttert wurde. Johannes ließ sich davon aber nicht beirren und suchte Unterstützung an anderer, diesmal kirchlicher Stelle, indem er die guten Kontakte nutzte, die Rufin zur Kirche von Alexandria und im Besonderen zu dem Presbyter Isidorus besaß. Isidor galt als Anhänger der origenistischen Theologie und verfügte über Einfluss bei Theophilus, dem Bischof von Alexandria. Als Isidor brieflich eine Reise nach Jerusalem ankündigte, wurde sein Schreiben in Bethlehem abgefangen. Man handelte schnell, indem man eine Kopie der Übersetzung, die Hieronymus von der Epistel des Epiphanius angefertigt hatte, nach Alexandria schickte, und tatsächlich bewirkte diese Intervention, dass sich Theophilus nicht mehr so eindeutig für Johannes und Rufin aussprach, wie anfangs zu erwarten gewesen war. Vielmehr brachte Isidor zwei Briefe nach Jerusalem, mit denen ein Ausgleich zwischen den Konfliktparteien bewirkt werden sollte. Der Bischof von Jerusalem wurde aufgefordert, sich genau an das orthodoxe Glaubensbekenntnis zu halten, während Hieronymus und Epiphanius ermahnt wurden, die Bestimmungen des Kirchenrechts einzuhalten. Johannes, der sich größeren Beistand aus Alexandria erhofft hatte, sorgte nun seinerseits dafür, dass Hieronymus das für ihn bestimmte Schreiben nicht erhielt. Außerdem verfasste er eine Antwort auf den Brief des Theophilus, die er zudem ins Lateinische übersetzen ließ. Jetzt galt es aus seiner Sicht, auch den Westen und vor allem den Bischof von Rom von der eigenen Rechtgläubigkeit zu überzeugen. Johannes rechnete wohl damit, dass Hieronymus’ Übersetzung bald den Weg in den Okzident finden würde; mit seiner literarischen Offensive hat er dies allerdings selbst provoziert. Während also Johannes seine 253
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Apologie zusammen mit Kopien der Briefe des Theophilus nach Rom zum dortigen Bischof Siricius expedierte, schickte Hieronymus eine Fassung seiner Epiphanius-Übersetzung an Pammachius, den ehemaligen Senator und Ehemann von Paulas Tochter Paulina, der sich nach dem Tod seiner Frau im Jahr 397 zum mönchischen Leben entschlossen hatte. In Pammachius hatte Hieronymus einen treuen und einflussreichen Gefolgsmann, über den sich die christliche Öffentlichkeit Roms beeinflussen ließ. An ihn richtete Hieronymus zusammen mit dem Epiphanius-Brief eine Abhandlung über die Kunst der Übersetzung, die zugleich eine Verteidigung gegen die Vorwürfe der Gegner darstellte, er habe den Epiphanius-Brief fehlerhaft übersetzt.176 Der nicht genannte Rufin muss sich hier sagen lassen, nicht verstanden zu haben, dass schon die siebzig Übersetzer der „Septuaginta“ und ebenso auch die Apostel und Evangelisten hebräische Zitate aus dem Alten Testament nicht wörtlich, sondern dem Sinn nach übersetzt hatten, wie es im Übrigen auch Cicero mit einigen griechischen Texten und Euagrius mit der Vita des Antonius gemacht hätten.177 Statt sich selbst zu dem Vorwurf zu erklären, einer Häresie anzuhängen, falle Rufin „über einen armen Übersetzer her“.178 Mit den Briefen und Apologien, die so nach Rom gelangt waren, hatten Johannes und Hieronymus den Konflikt um Origenes in der gesamten Kirche des Imperiums verbreitet. Keiner von ihnen rechnete wohl noch mit einer Verständigung, und doch kam es plötzlich zu einem Friedensschluss. Es lässt sich nicht recht erkennen, ob Theophilus noch einen weiteren, diesmal erfolgreichen Versuch zur Aussöhnung unternommen hat, oder ob die Initiative, wie schon Lenain de Tillemont (1637–1698), der bedeutendste Kirchenhistoriker des 17. Jahrhunderts, vermutet hat, eher von Melania ausgegangen war, die viele Jahre zuvor gemeinsam mit Rufin nach Jerusalem gekommen war und hier die neuen Klöster finanziert hatte.179 Vielleicht war es nicht Melania allein, könnte sie doch auch Paula für das Versöhnungswerk gewonnen haben. Beide wussten von der alten Freundschaft zwischen Hieronymus und Rufin, beide hatten sich mit ihren geistlichen ‚Vätern‘ zum frommen Klosterleben entschlossen, und beiden könnte das theologische Gezänk mit all den dogmatischen Spitzfindigkeiten zuwider gewesen sein. Wer aber auch immer hinter der Verständigung stand, sie wurde mit der Aufhebung der Exkommunikation des Hieronymus 254
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zum Gründonnerstag des Jahres 397 eingeleitet und durch einen öffentlichen Handschlag vollzogen, mit dem sich Hieronymus und Rufin einige Wochen später beim Pfingstgottesdienst in der Jerusalemer Auferstehungskirche begrüßten.180 Man wüsste gerne, ob sie sich hier mit aufrichtiger Zuversicht begegneten. Es gab weitere äußere Zeichen der Verbundenheit: Als Rufin sich kurz nach Pfingsten 397 per Schiff auf den Weg nach Italien machte, gehörte Hieronymus zu dem Kreis von Freunden, die ihn zum Hafen geleiteten. Doch kurz zuvor war schon Vincentius abgereist, dem Hieronymus nicht nur seine Schrift „Gegen Johannes“ mitgegeben hatte, sondern auch den Kommentar zum Buch Jonas. Gewidmet war dieser Kommentar Chromatius, dem Bischof von Aquileia, und aus eben dieser Stadt stammte Rufin. Dieser erfuhr erst nach seiner Ankunft in Rom von dem Pamphlet, das Hieronymus gegen Johannes geschrieben hatte, und es verwundert nicht, dass er die Vorgehensweise des Hieronymus als hinterlistigen Verrat empfand. Bald gab es für Rufin einen Anlass, das Werk des Origenes vor der christlichen Öffentlichkeit Roms, die diesem Kirchenlehrer kritisch gegenüberstand, zu verteidigen. Rufin traf mit einem gelehrten Christen namens Macarius zusammen, der sich mit einer Widerlegung der heidnischen Astrologie beschäftigte und wissen wollte, was von den dafür einschlägigen Ausführungen des Origenes, etwa über die Präexistenz der Seele oder die göttliche Providenz, zu halten sei.181 Rufin verwies auf die Apologie des Origenes, die Pamphilus geschrieben hatte, und erklärte sich bereit, dieses Werk zu übersetzen. Ihm kam insofern eine besondere Schlagkraft zugunsten des Origenes zu, als sie von einem der Märtyrer der letzten Christenverfolgung verfasst worden war. Neben der Übersetzung schrieb Rufin eine kurze Abhandlung „Über die Textverderbnis der Schriften des Origenes“, mit der er zu zeigen versuchte, dass die vermeintlichen häretischen Aussagen im Werk des Origenes nur spätere Einschübe seien. Häretiker hätten auf diese Weise versucht, die Autorität des großen Gelehrten zu missbrauchen. Reinige man die Schriften des Origenes von diesen Ergänzungen, dann trete die Rechtgläubigkeit des Verfassers klar zutage.182 Rufin verband diese recht abenteuerliche Textkritik mit einem Angriff auf Epiphanius und Hieronymus. Hieronymus sei doch bereits selbst schon einmal der Häresie der Apollinaristen erlegen, und Epiphanius habe seine heftigen 255
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Angriffe auf Origenes nur geschrieben, um zu verbergen, wie stark seine eigene Theologie von dem großen Gelehrten abhänge.183 Nachdem er die Arbeit, Origenes zu verteidigen und seine Werke im Westen zu verbreiten, einmal begonnen hatte, wollte Rufin davon nicht wieder ablassen. 398 widmete er sich einem der Hauptwerke des Origenes, der aus vier Büchern bestehenden Schrift „Über die Grundsätze“ (de principiis).184 Zunächst übersetzte er die ersten beiden Bücher der Schrift und versah diesen Teil mit einem Vorwort, in dem er Hieronymus zu seinem Kronzeugen für die Bedeutung des Origenes machte. Er lobte nicht nur seinen ehemaligen Freund für das Engagement, mit dem sich dieser der Übersetzung des Origenes gewidmet hatte, sondern zitierte auch aus den Vorworten, die Hieronymus seinen Übersetzungen vorangestellt hatte und in denen auch er Origenes als bedeutenden Theologen gefeiert hatte. Und auch für methodische Fragen, denen sich ein Übersetzer zu stellen habe, verwies er auf Hieronymus als seinen Vorgänger. Eine besondere Spitze dieses geschickten Angriffs bestand darin, dass Rufin mit den Kommentaren zu den PaulusBriefen auch Schriften des Hieronymus anführte, die dieser als eigene Werke ausgegeben hatte, obwohl es sich tatsächlich weitgehend um Übersetzungen des Origenes handelte. Hieronymus hatte sich hier des Plagiats schuldig gemacht, eines Tatbestandes, der schon in der Spätantike – und bei anderer Gelegenheit auch von Hieronymus selbst – als wissenschaftliches Fehlverhalten verstanden und kritisiert wurde.185 Noch bevor Rufins Übersetzung der „Grundsätze“ veröffentlicht war, hatten Hieronymus’ Freunde, Pammachius und mit ihm Oceanus, der 395 Hieronymus in Bethlehem besucht hatte, sich eines Exemplars bemächtigen können. Eine Kopie davon schickten sie nach Bethlehem, verbunden mit der dringenden Aufforderung, Hieronymus solle auf diese ihrer Meinung nach entstellte Fassung mit einer eigenen, textnäheren Übersetzung reagieren. Außerdem machten sie in Rom Stimmung gegen Rufin, wobei Marcella, eine jener Aristokratinnen, mit denen Hieronymus während seiner Jahre in Rom eng verbunden gewesen war, sogar versuchte, vom Papst Siricius eine offizielle Verurteilung Rufins zu erlangen.186 Damit allerdings hatte sie keinen Erfolg. Siricius war nicht daran gelegen, sich in dem Streit eindeutig zu positionieren, zumal auch Rufin über einflussreiche Anhänger verfügte. Nicht nur Macarius, sondern auch Apronianus, der Schwiegersohn der Melania, standen auf seiner Seite. Später mischte sich auch Melania selbst in die 256
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Auseinandersetzungen ein, nachdem sie 400 von Jerusalem nach Rom zurückgekehrt war. Gleichwohl zog Rufin es vor, Rom zu verlassen und nach Aquileia zu gehen; zuvor hatte er ein Schreiben von Siricius erhalten, mit dem seine Rechtgläubigkeit bestätigt wurde.187 Hieronymus reagierte auf das Drängen der Freunde in Rom mit einer Doppelstrategie: Einerseits verfasste er einen freundlichen, ermahnenden Brief an Rufin, um seine Bereitschaft zu demonstrieren, an der in Jerusalem erreichten Versöhnung weiter festzuhalten.188 Andererseits antwortete er Pammachius und Oceanus mit einer weiteren Epistel, in der er die von Rufin angefertigte Origenes-Übersetzung scharf kritisierte.189 Dieser Brief war das Begleitschreiben zu Hieronymus’ eigener Übersetzung der „Grundsätze“ des Origenes, die im Winter 398/399 entstanden war. Sie ist nicht erhalten, da die römischen Freunde das Werk für kontraproduktiv hielten; sie fürchteten, eine weitere lateinische Fassung würde der häretischen Theologie des Origenes nur noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen. So ist man auf einen späteren Brief des Hieronymus angewiesen, um einen Eindruck von seiner Übersetzung zu gewinnen. Da die 409 geschriebene Epistel 124 einige Zitate aus der Übersetzung beinhaltet, lässt sich erkennen, dass Hieronymus bei seiner Übersetzung recht polemisch verfahren war. Er scheint etliche Abschnitte, in denen Origenes eher dialektisch argumentiert hatte, auf häretische Positionen zugespitzt zu haben, um so den Gegenbeweis gegen Rufin führen zu können. Damit aber verstieß er gegen seine eigenen Prinzipien, die er kurz zuvor in seinem Brief „Über die Kunst des Übersetzens“ entwickelt hatte.190 In seinem Brief an Pammachius und Oceanus hatte Hieronymus dargelegt, wie er seinen eigenen Umgang mit den Schriften des Origenes verstanden wissen wollte. Er behauptete, Origenes nur wenige Male gelobt zu haben, und dies sei allein mit Blick auf dessen exegetische Leistungen geschehen. In der theologischen Arbeit habe er sich, wie an seinen Kommentaren zum Epheser-Brief oder zum Buch Kohelet zu sehen sei, von Origenes dagegen in keiner Weise beeinflussen lassen. Während er selbst also nicht als Origenist bezeichnet werden könne, würden sich Rufin und dessen Anhänger weit vom nikänischen Bekenntnis entfernen, wenn sie etwa bei dem Problem der Auferstehung der Körper Origenes’ Lehren folgten. Wenn Rufin meine, er könne mit seiner These von den häretischen Interpolationen das Werk des Origenes reinigen, so liege er genauso falsch wie mit seinem Versuch, den 257
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Märtyrer Pamphilus zum Zeugen der Orthodoxie des Origenes aufzurufen. Denn die Apologie des Origenes stamme gar nicht von Pamphilus, sondern von Eusebius von Caesarea, dessen Hinwendung zur arianischen Häresie hinlänglich bekannt sei.191 Hieronymus geht bei diesem Angriff aber nicht so weit, Origenes gänzlich aufzugeben; vielmehr solle man dem Rat des Paulus folgen, „alles zu prüfen und das Gute zu übernehmen“. Mit diesem Argument ließ sich auch rückblickend gut erklären, warum sich Hieronymus so intensiv mit Origenes beschäftigt hatte. Pammachius und Oceanus waren indes von der umfangreichen Sendung, die ihnen aus Palästina zugestellt worden war, wenig angetan und entschieden, nur den Brief zu publizieren, in dem Hieronymus die Übersetzung Rufins attackiert und seine eigene Stellung zu Origenes verteidigt hatte. Hieronymus’ eigene Übersetzung und sein Brief an Rufin wurden dagegen kurzerhand einbehalten. Während sich Rufin in Aquileia aufhielt, verstarb Siricius im November 399. Der neue Bischof von Rom, Anastasius I., nahm, möglicherweise unter dem Einfluss von Pammachius und Marcella, eine weniger vermittelnde Position ein als sein Vorgänger und stellte sich klar gegen die Origenisten. Auch in Alexandria veränderte sich die Situation zuungunsten von Johannes und Rufin. Hier war Theophilus in einen Streit mit Isidor geraten, der seinerseits die „Langen Väter“ unterstützte, Mönche in der Nitrischen Wüste, die als Anhänger des Origenes galten. Theophilus erhob gegen Isidor den Vorwurf der Häresie und veranstaltete ein Konzil, dessen Beschlüsse durch Arcadius, den Kaiser in Konstantinopel, sanktioniert wurden.192 Auch Anastasius wurde über die antiorigenistischen Maßnahmen informiert, die in Alexandria ergriffen worden waren und zu denen sogar eine Strafexpedition in die Nitrische Wüste gehörte, mit der die Mönche diszipliniert werden sollten. Der Bischof von Rom wurde daraufhin auch selbst tätig, indem er eine schriftliche Aufforderung an seine Amtsbrüder in Mailand und Aquileia richtete, die Lehren des Origenes zu verurteilen. Angesichts dieser Entwicklungen senkte sich die Waagschale deutlich zugunsten des Lagers, dem sich Hieronymus schon früh angeschlossen hatte. Nun sah sich wieder Rufin genötigt, seine Rechtgläubigkeit unter Beweis zu stellen. Zu diesem Zweck verfasste er im Verlauf des Sommers des Jahres 400 eine kurze Apologie, mit der er sich an Anastasius wandte.193 Zunächst legt er ein schriftliches Glaubensbekenntnis ab, 258
Der Streit um Origenes
um keinen Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit aufkommen zu lassen.194 Nur bei der strittigen Frage nach der Herkunft der Seele erklärt er, keine schlüssige Antwort geben zu können, da sich die Meinungen der christlichen Autoren widersprächen; die Kirche verlange nur das Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer der Seele, sage aber nichts Genaueres über den Prozess ihrer Entstehung. Schließlich äußert sich Rufin zu seiner Übersetzung der Werke des Origenes. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen, sei doch unübersehbar ein Akt bösen Willens. Wenn an den Lehren des Origenes etwas falsch sei, könne man dies doch nicht dem Übersetzer vorwerfen. Und er habe nur deshalb Teile des griechischen Textes nicht übertragen, da er zu der Auffassung gelangt sei, sie stammten nicht von Origenes, der sich an anderer Stelle zu den entsprechenden Themen ganz orthodox geäußert habe. Und er sei, so betont Rufin, weder ein Verteidiger oder Anhänger des Origenes noch der Erste, der seine Werke übersetzt habe. Bald nach dem Abschluss dieser ersten Apologie begann Rufin mit der Arbeit an einer zweiten, ausführlicheren Verteidigung, die sich diesmal direkt gegen Hieronymus und den Brief richtete, den dieser einige Zeit zuvor an Pammachius und Oceanus geschrieben hatte. Zwei Jahre lang arbeitete Rufin an dieser „Verteidigung gegen Hieronymus“, was seinem Gegner in Bethlehem nicht verborgen blieb.195 Noch bevor die Schrift vollendet war, hatte sich Hieronymus bereits ans Werk gemacht, seinerseits eine Entgegnung zu verfassen, die früher fertig wurde als Rufins Apologie.196 In ihr klagte Hieronymus über die Trägheit seines Gegenspielers, die es ihm unmöglich mache, Vorwürfe zu entkräften, die ihm noch nicht genau bekannt seien. Als dann Rufins Schrift endlich vorlag, gab es für Hieronymus deshalb Grund genug, zu einem weiteren Gegenschlag auszuholen. So entstand 402 eine Antwort auf Rufins Ausführungen, die als zweite Apologie (oder als das 3. Buch der ersten Apologie) des Hieronymus gezählt wird.197 Inzwischen hatte auch Rufin, nachdem er seinerseits die erste Apologie des Hieronymus erhalten hatte, zu einer erneuten Verteidigung angesetzt. Sie ist nicht erhalten, doch geht aus der Entgegnung des Hieronymus (seiner zweiten Apologie) hervor, dass sich Rufin bitter über die hinterhältige Art beklagt haben muss, mit der Hieronymus die Jerusalemer Versöhnung hintertrieben hatte. Rufin muss gedroht haben, Geheimnisse über Hieronymus’ Leben preiszugeben, die diesen vor Gericht bringen würden. Um welche Verfehlungen 259
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aus jener Zeit, in der beide noch enge Freunde waren, es sich handeln sollte, ließ Hieronymus allerdings im Dunkeln.198 Auf die zweite Apologie des Hieronymus hat Rufin nicht mehr reagiert. Von seiner Seite aus war alles gesagt, und ohnehin würde sich Hieronymus kaum beruhigen lassen. Denn obwohl Chromatius, der Bischof von Aquileia, Hieronymus dazu aufgerufen hatte, eine versöhnlichere Haltung einzunehmen, war der Ton in seiner zweiten Apologie kaum freundlicher als zuvor, wenn es auch Abschnitte gab, in denen sich Hieronymus nachgiebig zeigte: „Welche Erbauung kann es den Zuhörern gewähren, wenn zwei Greise um der Ketzer willen die Schwerter gegeneinander ziehen, zumal doch beide als gute Katholiken gelten wollen. […] Mit demselben Eifer, mit dem wir einst den Origenes lobten, laß ihn uns jetzt verdammen, da die ganze Welt ihn verdammt hat. […] Vergib Du mir, daß ich des Origenes Gelehrsamkeit und Schriftkenntnis in meiner Jugend und bevor ich seine Ketzerei genauer kennen lernte, gelobt habe, und ich will Dir‘s verzeihen, daß Du als Mann mit grauem Haupte eine Apologie seiner Bücher geschrieben hast.“199 Für eine Versöhnung war es aber viel zu spät. Auch von der Sache her war sie unmöglich, denn wenn die eigene Rechtgläubigkeit infrage gestellt war, konnte keiner der Beteiligten nachgeben. In den kommenden Jahren sollte Hieronymus nicht damit aufhören, den ehemaligen Freund mit bösen Worten zu verfolgen. Noch über seinen Tod hinaus wurde Rufin von Hieronymus mit einer ganzen Reihe von Schimpfnamen belegt. Als Hieronymus im Winter 411/412 die Nachricht erhielt, dass Rufin, der zuletzt in Messina gelebt hatte, verstorben war, jubilierte er über den „unter der Sonne Siziliens zerdrückten Skorpion“ und über die „vielköpfige Hydra, die nun endlich ihr Zischen gegen uns eingestellt hat“.200
Ein Leben ohne Sünde? Im Vergleich zu diesen heftigen Ausfällen, mit denen Hieronymus viele Jahre lang seinen früheren Freund Rufin überzogen hat, ist die Tonlage in seiner letzten großen dogmatischen Auseinandersetzung eher gemäßigt. Es geht ihm hier weniger darum, den persönlichen Feind zu vernichten, als den theologischen Fehler zu korrigieren. Und 260
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nur zögerlich hat er sich in seinem hohen Alter, in den Jahren nach 411, überhaupt darauf eingelassen, Stellung zur Lehre des Pelagius (360– 420) zu nehmen.201 Am Ende entsteht aber doch ein „Dialog gegen die Pelagianer“, in dem Hieronymus zwei zentrale Sätze der pelagianischen Theologie diskutiert: dass der Mensch, wenn er nur wolle, ohne Sünde leben und dass er dabei auch die Gebote Gottes leicht erfüllen könne. Diese aus dem Postulat der Freiheit des menschlichen Willens entwickelten Ideen standen im Widerspruch zum Dogma der Erbsünde und zur Gnadenlehre, wobei Letztere ihre schärfste Ausprägung erst durch Augustinus und in dessen Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus finden sollte. Vor dem „Dialog gegen die Pelagianer“ hatte sich Hieronymus in einigen Briefen eher ausweichend zu dem theologischen Problem geäußert, das drängend geworden war, nachdem Pelagius und sein Schüler Caelestius ihre Anschauungen zunächst in Nordafrika und dann auch in Palästina verbreitet hatten. Pelagius, dessen Herkunft sich nicht genau bestimmen lässt – er stammte aus Irland oder von der britischen Insel –, hatte in den achtziger Jahren des 4. Jahrhunderts zeitgleich mit Hieronymus in Rom gelebt. Möglicherweise waren sich die beiden Mönche damals begegnet, doch wird das in keiner Quelle ausdrücklich gesagt. Beide aber traten als scharfe Kritiker des verweltlichten römischen Klerus in Erscheinung, wobei sich Pelagius zugleich gegen das Dogma der Erbsünde aussprach, weil es die christliche Botschaft, der Mensch könne durch den Glauben erlöst werden, zu konterkarieren schien. Warum sollte sich der Gläubige um sein Seelenheil bemühen, wenn er dieses in keiner Weise durch eigene Anstrengung gewinnen konnte? Eine Theologie, die den Menschen allein von der göttlichen Gnade abhängig machte, verwandelte Pelagius zufolge den Gläubigen in ein passives Objekt inmitten einer Welt ohne Heil. Unausweichlich musste Pelagius mit dieser Theologie in einen Widerspruch zu Augustinus geraten.202 Aber Pelagius hatte zunächst über viele Jahre, bis zur Eroberung Roms durch Alarich im Jahr 410, seine Ansichten ungehindert verbreiten können. Dann aber flohen Pelagius und Caelestius wie viele andere Römer mit ihnen vor den Westgoten nach Nordafrika. Damit gaben sie Augustinus den Anlass, ihre Lehren von einem Konzil prüfen und verurteilen zu lassen. Die Synode von Karthago, die 411 unter der Leitung des Tribunen Flavius Marcellinus abgehalten wurde, sollte vor 261
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allem dazu dienen, den alten, nach wie vor virulenten Konflikt mit den Donatisten zu lösen. Aber man beriet auch über Caelestius, der sich zuvor in der Kirche von Karthago um das Amt eines Presbyters beworben hatte, und verurteilte schließlich die von ihm vertretenen Anschauungen. Während Caelestius anschließend trotzdem in Nordafrika blieb, wich Pelagius einer weiteren Auseinandersetzung mit Augustinus aus und reiste in den Osten des Reiches, wo er ab 412 in Jerusalem lebte. Wenig später erhielt Hieronymus Besuch aus Nordafrika: Augustinus hatte seinen getreuen Mitarbeiter Orosius auf die weite Reise geschickt, um dem gelehrten Mönch in Bethlehem zwei Briefe mit theologischen Fragen zu überbringen. Dass Augustinus seine Schreiben nicht erneut den Unwägbarkeiten des spätantiken Postverkehrs aussetzen wollte, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie wichtig ihm eine Rückversicherung bei Hieronymus im Pelagianischen Streit war. Doch Hieronymus war wenig geneigt, sich auf eine tiefer gehende Diskussion der christlichen Sünden- und Gnadenlehre einzulassen. Zu mehr als einer vorsichtigen Distanzierung von Pelagius sah er sich zunächst nicht in der Lage.203 Kurz zuvor hatte Hieronymus eine Anfrage des Marcellinus bereits mit dem Hinweis beantwortet, Augustinus wisse in solchen Fragen besser Bescheid als er selbst.204 Die vorsichtige Haltung des Hieronymus zu Pelagius zeigt sich auch in seinem Brief an Ktesiphon, der aus dem Jahr 415 stammt. Einerseits stellt Hieronymus die Lehren des Pelagius in einen Zusammenhang mit anderen, älteren Häresien, so wie er dies auch in der Einleitung zu seinem „Dialog gegen die Pelagianer“ machen wird. Geprägt sei diese theologische Irrlehre vom Gedankengut der Stoa, und sie erweise sich zugleich als Fortsetzung des Origenismus, Manichäismus und Priscillianismus. Andererseits greift Hieronymus weder Pelagius noch Caelestius persönlich an, so wie auch sein „Dialog“ in freundlichem Ton eine ausführliche Diskussion zwischen dem rechtgläubigen „Atticus“ und seinem pelagianischen Kontrahenten „Kritobulos“ vorführt, ohne dass auch nur einmal der eigentliche Begründer der neuen Häresie genannt würde. Andere Gegner, mit denen Hieronymus zuvor zu tun hatte, wie Helvidius, Jovinian oder auch Rufin werden dagegen einzeln aufgeführt. Es sei sein „sehnlichster Wunsch“, so schreibt Hieronymus im Prolog zum Dialog, „dass die Irrlehren verdammt, die Menschen aber gebessert werden“.205 262
Ein Leben ohne Sünde?
Orosius, der damals noch in Bethlehem weilte, ging einen anderen Weg. Er klagte Pelagius vor Johannes, dem Bischof von Jerusalem, der Häresie an und bewirkte auf diese Weise, dass im Juli 415 eine Synode veranstaltet wurde.206 Hier und ebenso auf der bald folgenden Synode von Diospolis vermochte sich Pelagius jedoch so geschickt zu verteidigen – nicht zuletzt, indem er die inkriminierten Theologeme dem Caelestius zuschrieb –, dass er freigesprochen wurde. Und er hatte mittlerweise so viel Anhang unter den Mönchen Jerusalems gewonnen, dass diese einen Vergeltungsschlag gegen Hieronymus ausführten: Ihn machten die Pelagianer für die kirchenrechtliche Verfolgung ihres Vordenkers verantwortlich.207 Inwieweit auch Johannes von Jerusalem hinter dem gewaltsamen Angriff auf das Kloster in Bethlehem stand, muss offenbleiben. Der Verdacht aber war naheliegend, und so wurde der Bischof wenig später vom Papst Innozenz I. ermahnt, seiner Aufsichtspflicht im Heiligen Land nachzukommen. Paula und Eustochium, so schrieb der Papst, hätten ihm über das Unglück berichtet, das über ihre Klöster in Bethlehem hereingebrochen sei.208 Auch Hieronymus war von den Vorgängen erschüttert. Es hatte einen Toten gegeben, und Teile der Klöster waren in Flammen aufgegangen.209 Längere Zeit über konnte man sich in den Klöstern nicht mehr aufhalten. Besonders getroffen war er gewiss von den Schäden, die der Brand in der Bibliothek seines Klosters angerichtet haben wird.210 Pelagius nutzte die Erfolge, die er auf den Synoden von Jerusalem und Diospolis errungen hatte, auf die Dauer wenig. Die scharfen Einsprüche, die Augustinus gegen seine Theologie erhoben hatte, und wohl auch die Zurückweisungen durch Hieronymus, wenngleich sie theologisch weniger fundiert waren als die des Augustinus, trugen dazu bei, dass sich zwei weitere nordafrikanische Synoden, die 416 in Karthago und in Mileve abgehalten wurden, erneut mit dem Pelagianismus beschäftigten und ihn erneut als Häresie verurteilten. 417 folgte dann ein entsprechendes Urteil des Papstes Innozenz I., der Pelagius und Caecilian exkommunizierte. Angesichts dieser Entwicklung richtete Hieronymus ein Glückwunschschreiben an Augustinus, in dem er ihn als „Neubegründer des alten Glaubens“ bezeichnete und versprach, „keine Stunde mehr vergehen zu lassen“, ohne Augustinus’ Namen zu lobpreisen.211 263
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Triumph des Glaubens und Verfall des Staates Hieronymus gehörte der ersten Generation von Christen an, die unter christlichen Kaisern geboren wurden. Die letzten Verfolgungen der Kirche unter Diokletian und Galerius kannten sie nur mehr aus Büchern und Erzählungen, aber die innerchristlichen Konflikte sowie die Herrschaft Julians führten ihnen vor Augen, von wie viel Unsicherheit auch das neue, von Konstantin eingeleitete christliche Zeitalter Roms erfüllt war. Triumphgefühle gegenüber dem offensichtlich unterlegenen Heidentum mischten sich mit Entrüstung über den sittlichen Verfall des Klerus,212 vor allem aber über ‚Glaubensbrüder‘, die konträre dogmatische Positionen vertraten und als Häretiker die gottgewollte Einheit der Kirche bedrohten. Als dann im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts die außenpolitische Schwäche des Imperiums immer offenbarer wurde, konnte die Freude über die konstantinische Wende auch in Verzweiflung umschlagen: Schickte Gott die Barbaren, um die Christen für den desolaten Zustand zu strafen, in den die Kirche durch den fortwährenden dogmatischen Hader und die zahllosen Häretiker geraten war? In Bethlehem wurde Hieronymus immer aufs Neue von den Nachrichten über die Angriffe und Plünderungen der Barbaren aufgeschreckt und dies nicht nur, weil seine alte Heimat Stridon und seine neue Heimat in Palästina, Letztere auch der Flüchtlingsströme wegen, davon betroffen waren. Ihm fiel es auch schwer, sich eine Kirche ohne den schützenden Raum des Imperiums vorzustellen, in dem sich der christliche Glaube mit dem Erbe der antiken Bildung und Kultur hatte verbinden können. Seitdem Hieronymus während seines Aufenthalts in Konstantinopel damit begonnen hatte, sich mit der Geschichte des Imperiums zu beschäftigen (S. 129 f.), hat er die religiösen, politischen und militärischen Ereignisse kommentiert und die tieferen Zusammenhänge der Reichs- sowie der christlichen Heilsgeschichte zu ergründen versucht. In Briefen, die er etwa an Marcella oder Oceanus schreibt, und auch in seinen Kommentaren betont Hieronymus gerne, wie sehr der christliche Glaube die Welt verwandelt habe. In rhetorischer Tradition verwendet er dabei den Topos der Überbietung, wenn er von einem neuen christlichen Adel spricht, mit dem die frommen Frauen den alten Adel überträfen. Sie, die schon von ihrer Herkunft her der Elite 264
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angehören, zeichneten sich durch ihre Heiligkeit noch einmal mehr aus (S. 13). Wie sehr Hieronymus dabei in den Kategorien der römischen Kultur denkt, zeigt sich eindrücklich in dem Trostbrief, den er 399 an Oceanus sandte, als dieser den frühen Tod seiner Ehefrau Fabiola zu betrauern hatte. In dem langen Nachruf, den er Fabiola widmet, beschreibt Hieronymus den Trauerzug, mit dem sie in Rom zu Grabe getragen wurde, ein Ereignis, an dem er selbst gar nicht teilgenommen hatte: „Was für eine ausgezeichnete Persönlichkeit Rom mit Fabiola, als sie noch lebte, sein eigen nannte, wurde bei ihrem Tode kund. Noch hatte sie ihren Geist nicht ausgehaucht und die Christo geschuldete Seele zurückgegeben, so versammelte auch schon ‚der geflügelte Ruf, der Bote gewaltiger Trauer‘ das Volk der ganzen Stadt zum Leichenbegängnis. Psalmen ertönten, und oben an die vergoldeten Decken der Tempel schlug der Widerhall des Halleluja. […] Mit Fabiolas Siegesfeier können nicht einmal die Triumphe des Furius über die Gallier, des Papirius über die Samniter, des Scipio über Numantia und des Pompejus über die Völkerschaften des Pontus verglichen werden. Diese haben nur Leiber überwunden, sie aber hat die Bosheit ihres Geistes unterjocht.“213 Eine solche Siegesfeier der christlich-asketischen Lebensführung steht im Gegensatz zu den weltlichen Ehren, denen die Heiden noch immer nachstreben. Ihre Ämter und Auszeichnungen sind leerer Tand und gefährlicher Irrtum, denn sie führen in die ewige Verdammnis. Das hatte Hieronymus noch während seines Aufenthalts in Rom an Marcella geschrieben, nachdem ihn die überraschende Nachricht vom Tod der Lea erreicht hatte (S. 254 f.). Damals hatte er die fromme Lea mit dem stolzen Heiden Praetextatus kontrastiert, der als ehemaliger Stadtpräfekt und designierter Konsul ebenfalls gerade verstorben war. Richtig verhält sich nur derjenige, der sein Leben im christlichen Geist führt. Auf weltliche Ämter und Würden gilt es zu verzichten, so, wie Hieronymus dies einst für sich selbst entschieden hatte. Dass auch männliche Mitglieder der römischen Senatsaristokratie diesen Weg beschreiten, erfüllt Hieronymus mit großer Freude und Zuversicht: Die römische Welt verwandelt sich doch wenigstens in dieser Hinsicht zum Besseren! Das zeigt sich auch an Pammachius, dem Schwiegersohn Paulas, der ihre Tochter Paulina geheiratet hatte. Als Paulina nach 265
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einer Ehe, die zehn Jahre gewährt hatte, aber kinderlos geblieben war, 397 verstarb, entschied sich Pammachius dazu, Mönch zu werden (S. 158). Durch das entschlossene Handeln christlicher Amtsträger verlieren die traditionellen Kulte an Boden. Gerade in Rom, der alten „Hauptstadt der Welt“, ist der Untergang des Heidentums sichtbar. Die Stadt, in der Hieronymus nach seiner Flucht im Jahr 385 nur noch ein Sündenbabel sehen wollte, wird ihm zum Inbegriff der christlichen Stadt, die mit einem gesunden sozialen Druck alle ihre Einwohner auf den rechten Weg führt. Solche geradezu euphorischen Vorstellungen entwickelt Hieronymus schon in seinem 387 entstandenen Kommentar zum Galaterbrief: Das Volk von Rom besuche fortwährend und mit größtem Eifer die Kirchen und die Gräber der Märtyrer (wie auch er es in seiner Studienzeit getan hatte, wenn auch weniger intensiv). Wo sonst im Reich halle das Amen der betenden Gläubigen so donnerstark wider wie in der Hauptstadt des Imperiums, während die heidnischen Tempel leer blieben und zerfielen?214 Ähnliche Bilder malt Hieronymus später auch in seiner Abhandlung über die rechte Erziehung, die er 401 für Laeta verfasste: „Das goldene Kapitol strotzt von Schmutz, und alle Tempel Roms sind mit Ruß und Spinngeweben bedeckt. Die Hauptstadt der Welt hebt sich aus ihren Angeln, und eine große Masse, die früher die halbverfallenen Tempel füllte, eilt jetzt zu den Gräbern der Märtyrer. Wen nicht die kluge Einsicht zum Glauben führt, den wird bald die Rücksicht auf die Mitmenschen zum Glauben nötigen.“215 Und diese Verwandlung geschieht überall im Reich! Hochstehende Amtsträger (wie der mit Paula verwandte Gracchus) lassen sich taufen und zerstören heidnische Heiligtümer,216 wie dies auch von den Kaisern angeordnet wird. Auf den Fahnen der Armeen, auf den Gewändern und Insignien der Herrscher ist das Kreuz zu sehen, und die Christianisierung macht an den Grenzen des Imperiums nicht halt, sondern umfasst die ganze Welt: „Bereits ist der ägyptische Serapis Christ geworden! Zu Gaza trauert Marnas hinter verschlossenen Türen und sieht täglich mit Furcht der Zerstörung seines Heiligtums entgegen. Aus Indien, Persien und Äthiopien besuchen mich täglich ganze Scharen von 266
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Mönchen. Der Armenier hat seinen Köcher weggelegt, die Hunnen lernen das Psalterium, die kalten Regionen Skythiens erwärmen sich an der Glut des christlichen Glaubens. Das Heer der rot- und blondhaarigen Geten führt Zelte mit, um in ihnen den christlichen Gottesdienst zu feiern. Vielleicht kämpft es gerade deshalb so glücklich gegen uns, weil sie denselben Gott verehren wie wir.“217 Mit dem Serapeion in Alexandria, das 391 zerstört wurde, führt Hieronymus ein besonders prominentes Beispiel für den sichtbaren Untergang der heidnischen Kulte an, wurde die Pracht dieses Heiligtums doch noch wenige Jahre zuvor von Ammianus Marcellinus mit der des Kapitols in Rom verglichen.218 Daneben steht der 401 gerade aktuelle Fall des Heiligtums des Marnas in Gaza, das einen ersten kaiserlichen Zerstörungsbefehl im Jahr 399 noch überstanden hatte. In der Vita, die der Diakon Marcus dem Bischof Porphyrius von Gaza gewidmet hat, wird dies damit erklärt, dass sich der kaiserliche Beauftragte vor Ort von den Anhängern des Kults habe bestechen lassen.219 Aber Marcus kann doch den letztendlichen Triumph des Christentums über Marnas verkünden. Denn noch im gleichen Jahr 401, als Hieronymus in Bethlehem seinen Brief an Laeta verfasste, war es Porphyrius gelungen, mithilfe seines Amtsbruders Johannes Chrysostomus in Konstantinopel Zugang zur Kaiserin Eudoxia zu finden und dann mit ihrer Hilfe anlässlich der Tauffeierlichkeiten für Eudoxias kleinen Sohn Theodosius (den späteren Kaiser Theodosius II.) dem Kaiser Arcadius einen erneuten Befehl zur Zerstörung abzuringen. Nachdem der Marnastempel zerstört worden war, wurde auf seinen Ruinen eine Kirche errichtet.220 Schon in seinem Anhang zur Chronik Eusebs, den Hieronymus zu Beginn der achtziger Jahre des 4. Jahrhunderts in Konstantinopel geschrieben hatte, werden etliche Angriffe germanischer Völker, Plünderungszüge und Schlachten vermerkt. Wie darüber hinaus an der Beschreibung zu sehen ist, die Hieronymus im Nachruf auf Paula von der gemeinsamen Reise durch das Heilige Land gegeben hat, sind ihm auch die kriegerischen Ereignisse, von denen das Alte Testament berichtet, stets präsent gewesen (S. 176). Ließ sich aus ihnen auf einen zielgerichteten und gottgelenkten Ablauf der Weltgeschichte schließen? Was war von der langen Reihe von Kriegen zu halten, von denen im Mythos, in der Dichtung oder in der Geschichtsschreibung erzählt wurde? Sie kamen offensichtlich auch in der christlichen Gegenwart 267
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der Spätantike nicht zum Abschluss. Für Hieronymus, der Vergils „Aeneis“ in großen Teilen auswendig kannte, hätte es naheliegen können, die augusteische Geschichtsdeutung zu übernehmen, der zufolge die Römer mit ihrer Expansion eine kulturelle Mission erfüllt hatten, und tatsächlich hat er diese Linie im Sinne der eusebianischen Reichstheologie für die Geschichte des christianisierten Reiches fortgeschrieben: Die durch Augustus geeinte Mittelmeerwelt bot den Rahmen für die Ausbreitung des christlichen Glaubens und wurde so zuletzt, nach einer langen Zeit von Verfolgung und Bewährung der Christen, zum christlichen Imperium. In einigen seiner Kommentare zu den Prophetenbüchern des Alten Testaments übernimmt Hieronymus diese augusteisch-eusebianische Deutung, so im Kommentar zum Buch Micha, den er um 390 geschrieben hat, und im Kommentar zu Jesaia, entstanden gegen Ende des Jahrhunderts. Zu Jesaias Ankündigung des messianischen Friedensreiches („Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen [...]“) erklärt Hieronymus, dass eben dies unter der Herrschaft der römischen Kaiser geschehen sei. Vor Christi Geburt hätten konkurrierende Staaten um die Macht gekämpft, nach seiner Geburt aber zur Zeit des Kaisers Augustus seien Kriege dieser Art nicht mehr geführt worden.221 In Hieronymus’ Gegenwart bestand indes kaum noch ein Anlass, optimistisch auf die Stärke des Imperiums zu vertrauen. Die Zeitgeschichte war von inneren wie äußeren Kriegen erfüllt und musste jeden aufmerksamen Beobachter skeptisch werden lassen, ob das Imperium den hohen Ansprüchen der immer wieder propagierten Friedensmission noch entspräche. Hatten christliche Denker wie Origenes ein christlich-römisches Friedensreich für die Zukunft erhofft und Euseb diesen Zustand unter Konstantin der Verwirklichung nahe gesehen, so gibt es bei Hieronymus nur mehr einige wenige Aussagen, die in den Kontext der eusebianischen Reichstheologie gestellt werden können. Bei ihm überwiegt die Sorge um das Reich, die im Verlauf der Jahre nach der Schlacht bei Adrianopel 378 nur immer größer wurde. Allmählich muss sich für Hieronymus der Eindruck ergeben haben, dass der Bestand des Reiches ernsthaft gefährdet war, und er hat die Folgen der militärischen wie politischen Schwäche des Imperiums in Bethlehem direkt und indirekt erleben müssen. In seiner tiefen, wenn auch problematischen Verbundenheit mit der römischen Kultur hat er den sichtbaren Niedergang schmerzhaft empfunden. Ob er den theo268
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logischen Ausweg, den Augustinus mit seinem „Gottesstaat“ beschritt, überhaupt zur Kenntnis genommen hat, ist ungewiss, aber die hier vorgenommene Negierung des römischen Staatswesens wäre ihm wohl kaum sympathisch gewesen. Dafür fühlte er sich zu sehr als Römer. Der letzte Eintrag in seiner Fortführung der Chronik war dem „beklagenswerten Krieg in Thrakien“ gewidmet, in dessen Verlauf die römischen Legionen von den Goten vernichtend geschlagen wurden. Kaiser Valens, der verletzt fliehen konnte, wurde verfolgt und mitsamt der Hütte, in der er notdürftig untergekommen war, verbrannt. So erhielt der arianische Kaiser nicht einmal eine Grabstätte. Düsterer hätte Hieronymus die Chronik kaum beenden können. Als er diese Zeilen schrieb, hatte er indes noch hoffen können, dass die Maßnahmen des neuen, orthodoxen Kaisers Theodosius I. das Gotenproblem lösen würden. Nach der Schlacht bei Adrianopel waren die Goten mit ihrem Versuch gescheitert, Adrianopel und Konstantinopel zu erobern, und hatten sich stattdessen darauf verlegt, in den Provinzen vom westlichen Balkan bis Griechenland zu plündern. Gleichzeitig kam es zu Pogromen an den gotischen Söldnern, die in den Städten Kleinasiens stationiert waren. In dieser angespannten Lage gelang es Theodosius, von Thessaloniki aus eine erfolgreiche Kampagne gegen die Goten zu führen, die sich schließlich darauf einließen, einen Vertrag mit dem Kaiser zu schließen. In diesem Gotenvertrag aus dem Jahr 382 einigten sich beide Seiten darauf, dass den gotischen Stämmen steuerfreie Ländereien zur Siedlung angewiesen, die gotischen Krieger aber als Söldner in den römischen Heeresdienst aufgenommen werden sollten.222 Damit war ein Modell für die Zukunft entwickelt, das einen friedlichen Ausgleich versprach; auch für die römische Seite konnte es vorteilhaft sein, Siedler und militärische Schlagkraft zu gewinnen. Solche Verträge sollten für die nähere Zukunft des (west)römischen Reiches der Kompromiss sein, in den kriegerische Auseinandersetzungen immer wieder mündeten, doch waren die Probleme auf diese Weise nicht dauerhaft zu lösen. Denn die Autonomie, die den Germanen zugestanden wurde, machte sie unberechenbar, zumal ihre Könige weiterhin auf Erfolge kriegerischer Art angewiesen waren, um sich über die so gewonnene Beute zu legitimieren.223 Hinzu kam der sichtbare Autoritätsverlust der Kaiser, der sich aus der Eigenständigkeit germanischer Siedlungsgebiete auf römischem Boden ebenso ergab 269
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wie aus den immer wieder neuen Plünderungen der ins Reich aufgenommenen oder in das Reich eindringenden Germanen. Dass Westund Ostrom im Umgang mit den Germanen zu keiner gemeinsamen Linie fanden, verschärfte die Krise noch einmal mehr. Zu Beginn der achtziger Jahre war dies noch nicht abzusehen, doch während der nachfolgenden Jahrzehnte, die Hieronymus in Bethlehem verbrachte, wurde die Bedrohung für das Reich immer größer und die Hoffnung auf eine dauerhafte Wende zum Besseren immer geringer. Als Hieronymus 396 an seinen Freund Heliodor schrieb, um diesen über den Tod seines Neffen Nepotian zu trösten, ist seine Bilanz der letzten Jahre bereits niederschmetternd: „Seit mehr als zwanzig Jahren wird zwischen Konstantinopel und den Julischen Alpen täglich römisches Blut vergossen. Skythien, Thrakien, Makedonien, Thessalien, Dardanien, Dakien, Epirus, Dalmatien und ganz Pannonien werden von Goten, Sarmaten, Quaden, Alanen, Hunnen, Vandalen und Markomannen auf das schlimmste verheert.“224 Gewiss sind die dramatischen Worte und die eindringlichen Schilderungen von den Qualen, denen die christliche Bevölkerung ausgesetzt war, auch dem Versuch geschuldet, den Schmerz Heliodors über den Verlust Nepotians zu lindern. Aber Hieronymus malt das düstere Bild vom Untergang des christlichen Imperiums auch aus eigener Betroffenheit; es gelingt ihm kaum mehr, auf eine bessere Zukunft zu hoffen: „Wie viele ehrwürdige Frauen und Gott geweihte Jungfrauen von vornehmer Abstammung und aus guter Familie waren der Grausamkeit dieser wilden Tiere preisgegeben? Bischöfe wurden gefangengesetzt, Priester und Kleriker in den verschiedensten Ämtern ermordet. Kirchen wurden zerstört, Altäre verwandelte man in Pferdekrippen, die Gebeine der Märtyrer grub man aus. Überall Trauer, überall Leid, alles rief des Todes Bild wach. Die römische Welt stürzt zusammen, aber unser stolzer Nacken will sich nicht beugen.“ An diesem Befund sollte sich zu Lebzeiten des Hieronymus nichts mehr ändern. Von den Goten, die sich ab 382 als Föderaten auf dem Reichsboden aufhielten, sollte weiter Gefahr ausgehen, nachdem den Reichsregierungen in Ravenna und in Konstantinopel die Fähigkeit zur 270
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einvernehmlichen Politik verloren gegangen war. Hatte Theodosius noch mithilfe der Westgoten 394 den Usurpator Eugenius besiegt, so hatte sich der Aufenthalt der Goten in Italien zur Bedrohung entwickelt, die Stilicho, als Heermeister der eigentliche Regent im Westen, nur dadurch abwenden zu können glaubte, dass er sie in den Osten zurückschickte: In Konstantinopel sollten sie sich ihren Lohn abholen oder ihn sich auch mit Gewalt verschaffen. Da man aber auch im Osten nicht bereit war, zur Lösung des Gotenproblems die staatlichen Kassen zu ruinieren, sah sich der Westgotenkönig Alarich alsbald zu Plünderungen gezwungen. Erst als die Truppen vor den Mauern Konstantinopels erschienen, war der Präfekt Rufinus zu Verhandlungen bereit. Geld gab es aber für die Goten nur gegen das Versprechen, wieder in den Westen abzuziehen. Was Alarich vor Konstantinopel erlebt hatte, sollte sich dann Jahre später vor den Mauern Roms wiederholen. Nachdem die Goten zunächst durch Griechenland gezogen waren, dabei Theben und Korinth belagert, Athen sogar eingenommen und gebrandschatzt hatten, befanden sie sich kurz nach der Jahrhundertwende wieder in Italien. Stilicho vermochte ihren Angriff 402 noch einmal abzuwehren, doch fühlte sich der Kaiser Honorius in Mailand nicht mehr sicher; jetzt wurde der Sitz der Regierung nach Ravenna verlegt. Kaum hatten Honorius und Stilicho 404 in Rom einen Triumph gefeiert, erfolgten neue germanische Angriffe auf Italien, diesmal vom Goten Radagais angeführt. Nur mithilfe hunnischer und gotischer Truppen konnte Stilicho auch diesen Angriff abwehren. Zwei Jahre später fiel Gallien in die Hände der Sweben, Vandalen und Alanen, denen sich 407 der Usurpator Constantinus III. entgegenstellte. Diese Ereignisse machten es Stilicho unmöglich, gemeinsam mit Alarich auf dem Balkan zu operieren, wie es eigentlich verabredet gewesen war. Alarich fühlte sich erneut getäuscht und verlangte von Honorius, dass ihm die Kosten der militärischen Expedition erstattet würden, die er für den Westen unternommen hatte. Stilicho konnte den Senat in Rom dazu bewegen, die verlangten 4000 Pfund Gold aufzubringen, doch verlor er selbst den Rückhalt beim Kaiser. Honorius wurde von einer starken antigermanischen Fraktion gezwungen, seinen fähigen Heermeister – Hieronymus wird ihn wenig später als „halbbarbarischen Verräter“ bezeichnen – aufzugeben. In völliger Fehleinschätzung der militärischen Kräfteverhältnisse glaubte die Kamarilla um den Oberhofmarschall (magister officiorum) Olympius, sich durch ein Attentat auf Stili271
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cho des Germanenproblems entledigen zu können. Der Mordanschlag, der 408 in Ticinum erfolgte, führte aber nur dazu, dass sich die militärische Gefolgschaft Stilichos, die aus 30.000 Germanen bestanden haben soll, dem Westgoten Alarich anschloss. Die ethnische Verwandtschaft schien eine verlässlichere Basis für das Überleben im Reich zu sein als der Dienst unter dem treulosen Kaiser.225 Alarich seinerseits hatte längst begriffen, dass Verträge mit dem Römischen Reich nicht viel wert waren. Um Honorius, der sich nunmehr im uneinnehmbaren Ravenna befand, zur Zahlung von Subsidien zu zwingen, marschierte er mit seinen Truppen gegen Rom, das nur noch von seinen hohen (und von Stilicho instand gesetzten) Aurelianischen Mauern geschützt wurde, bei längerer Belagerung aber in große Not geriet. Zweimal, 408 und 409, konnte Alarich durch diese Strategie Geldzahlungen erpressen, bevor ihm 410 auch die Einnahme der Stadt gelang. Ob die Plünderung christlich gemäßigt erfolgte, wie Augustinus und Orosius behaupten, oder mit dem erschreckenden Ausmaß von Gewalt, über das Hieronymus spricht, wird noch heute kontrovers diskutiert.226 Aber die psychologische Wirkung der Einnahme Roms war allemal desaströs. Roms Herrschaft schien an ihr Ende gelangt. Das war jedenfalls der Eindruck, den die Ereignisse auf Hieronymus machten. Er war, wie er wenig später an Principia schrieb, ganz mit den Auseinandersetzungen um Origenes beschäftigt, als die ersten Nachrichten über die Einnahme Roms zu ihm gelangten: „Während sich diese Ereignisse in Jerusalem abspielten, traf uns ein schreckliches Gerücht aus dem Abendland: Rom werde belagert und das Leben der Bürger um Gold verkauft. Die Geplünderten seien aber von neuem eingeschlossen worden, um nach ihren Gütern auch noch ihr Leben zu verlieren. Das Wort bleibt mir in der Kehle stecken, und Schluchzen mischt sich beim Diktieren in meine Stimme. Die Stadt wird erobert, welche die ganze Welt unterjocht hat, ja sie wird eine Beute des Hungers, ehe das Schwert sie schlägt, und kaum einige wenige bleiben übrig, um in die Gefangenschaft geschleppt zu werden. Der Wahnsinn zwingt die Hungernden, zu entsetzlichen Nahrungsmitteln zu greifen; gegenseitig zerfleischt man sich die Glieder, und die Mutter schont nicht ihren Säugling und verzehrt den, welchen sie kurz zuvor geboren hat.“227 272
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Warum hatte die jüngere Geschichte diesen Verlauf genommen? Schon Jahre zuvor, im Brief an Heliodor von 396, hat Hieronymus eine klare Antwort gegeben, die auch als Lösung für das Problem gemeint war: Das Unglück ist sowohl durch die häretischen oder ungläubigen Kaiser als auch durch das sündhafte Leben der Untertanen hervorgerufen worden und kann nur durch Buße und Gottvertrauen beendet werden. Hieronymus füllte damals etliche Seiten mit seiner Klage über die schlechten Herrscher, die von ihnen verursachten Bürgerkriege, über traurige Einzelschicksale hoher Amtsträger und über die Schrecken, die jüngst durch die Hunnen ausgelöst worden waren. Seine Ausführungen wirken wie eine assoziative Aneinanderreihung einzelner Aspekte, bei der Hieronymus zwischen Beschreibung und Kritik wechselt. Lang ist die Liste der Herrscher, deren Fehlverhalten notiert wird; sie beginnt mit dem Arianer Constantius, dem ungläubigen Julian und Jovian, dessen früher, durch eine Kohlenvergiftung erfolgter Tod „allen zeigte, wie wenig menschliche Kraft auf sich hat“. Valentinian stand den Verwüstungen seiner Reichshälfte hilflos gegenüber und starb am Blutsturz, Valens im Krieg gegen die Goten, Gratian durch die Hand von Mördern und auch Valentinian II. und die ephemeren Usurpatoren Prokop, Maximus und Eugenius wurden schnell zu Opfern des Machtkampfes. Ausgenommen von dieser Kaiserliste, die sich wie eine Fortsetzung von Laktanz’ Schrift „Über die Todesarten der Verfolger“ liest, sind nur die allerchristlichsten Herrscher Konstantin und Theodosius I. Doch anders als Laktanz kann Hieronymus nicht mehr durchgängig mit dem Kriterium der Ungläubigkeit (oder, modifiziert, der häretischen Falschgläubigkeit) argumentieren, denn letztlich hatte sich die Lage auch unter Theodosius nicht verbessert. Hieronymus kann nur feststellen, dass die Herrschaft ein unsicheres und gefährliches Geschäft sei, was auch an den drei ehemaligen Konsuln Abundantius, Rufinus und Timasius gezeigt wird, deren hochstrebende Karrieren mit Verbannung oder Ermordung endeten. Im direkten Anschluss an diese eindringlichen Hinweise auf das Versagen kaiserlicher Herrschaft und auf die Peripetien menschlicher Schicksale hatte Hieronymus in seinem Brief an Heliodor auch das geographische Ausmaß des römischen Machtverlustes beschrieben und die germanischen Stämme genannt, die den Zusammenbruch der Ordnung bewirkten: Goten und Sarmaten, Quaden und Alanen, Vandalen und Markomannen. Während diese Völker schon seit Jahrzehn273
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ten den Balkanraum mitsamt Griechenland verwüsteten, spielte sich jüngst nicht minder Schreckliches auch im Osten des Reiches ab. Denn im vergangenen Jahr (395) seien plötzlich, so klagt Hieronymus, „die Wölfe des Nordens gegen uns losgelassen worden“. Gemeint sind hier wieder die Hunnen. Hieronymus geht auf die (schlecht überlieferten) historischen Hintergründe dieses Einfalls nicht näher ein. Er will nur deutlich machen, dass das gesamte Reich zu kollabieren droht, sind doch die Städte belagert, Klöster geplündert, unzählige Gefangene fortgeschleppt und Palästina und Ägypten, Phönizien und Arabien in Furcht und Schrecken versetzt worden. Die Situation, so schließt Hieronymus seine Beschreibung, sei kaum angemessen zu schildern; selbst den großen Historiker Thukydides oder Sallust würden dafür die Worte fehlen. Der verstorbene Nepotian ist glücklich zu schätzen, dass er all dies nicht mehr miterleben muss.228 Wieder stellte sich die Frage, wie diese schlimmen Ereignisse zu erklären waren. Und die Antwort fand Hieronymus wieder in der Sündhaftigkeit der Menschen, die Gott gegen sich aufbringen, statt auf ihn als einzig mögliche Hilfe zu setzen. Es ist das einfache, alttestamentliche Konzept des Bundes zwischen Gott und seinem Volk, das, wird es untreu, mit der Strafe seines Herrn rechnen muss. Dafür bedient sich Gott der Barbaren und so müssen die Römer erleben, dass sie nicht einmal den Hunnen standhalten können, die kaum als Menschen zu bezeichnen sind: „Schon längst fühlen wir den Zorn Gottes, den wir beleidigt haben, ohne ihn zu versöhnen. Unseren Sünden verdanken die Barbaren ihre Macht, unserer Laster wegen wird das römische Heer geschlagen. Als ob es mit diesen Niederlagen nicht genug wäre, fallen noch viel mehr Menschen den Bürgerkriegen als dem feindlichen Schwerte zum Opfer. […] Wie unglücklich sind wir, wenn wir Gott so sehr mißfallen, daß sich sein Zorn gegen uns wilder Barbaren bedient! […] Wenn wir uns aufrichten wollen, müssen wir uns zuvor in Demut niederwerfen. Es ist eine Schande für uns, zu blöde, als daß man es glauben könnte: Das römische Heer, der Bezwinger und Beherrscher der Welt, läßt sich von Leuten besiegen, ja schon bei ihrem Erscheinen in Furcht und Schrecken jagen, die nicht einmal gehen können und sich wie tot vorkommen, sobald sie die Erde berühren. Wir aber wollen die Stimme der Propheten nicht 274
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verstehen: ‚Tausend werden vor einem fliehen, der sie verfolgt.‘ Wir versäumen es, die Ursachen der Krankheit und damit die Krankheit selbst aus dem Wege zu räumen. Täten wir dies, dann möchten sogleich die Pfeile vor den Lanzen, die Mützen vor den Helmen, die Gäule vor den Rossen den kürzeren ziehen.“229 Mit seiner theologischen Erklärung kann Hieronymus die Probleme auf die zentralen Fragen des wahren Glaubens und der rechten christlichen Lebensführung reduzieren. Er braucht keine genaueren Kenntnisse über die Vorgänge an den Kaiserhöfen, über militärische oder finanzielle Ressourcen, über die Schwierigkeiten der Integration von Germanen in das Römische Reich. Aber was machten der fromme Kaiser Theodosius, der seine Untertanen zum orthodoxen Glauben führen wollte, und seine nicht minder frommen Söhne so falsch, dass sie die Unterstützung Gottes verlieren mussten? Hieronymus’ Empörung über die Sündhaftigkeit seiner Zeitgenossen ist als Kategorie denkbar unscharf und rein exklamatorisch, und doch spricht ein apokalyptisches Bewusstsein aus seinen Worten, das mehr als nur Rhetorik ist. Hieronymus erinnert sich an eine von Herodot geschilderte Szene aus den Perserkriegen (VII 44 f.): Xerxes hatte einst bei seiner Heerschau in Abydos einen Scheinkampf zur See veranstalten lassen und war dann bei dem Gedanken über die Kürze des Lebens in Tränen ausgebrochen: Keiner seiner vielen Untertanen, die ihm in den Krieg gegen Griechenland gefolgt waren, würde in hundert Jahren noch am Leben sein. Könnte man heute, so überführt Hieronymus dieses Bild in eine Endzeittheologie, auf eine hohe Warte treten, um die ganze Welt zu überschauen, dann wären bereits „die Ruinen des ganzen Erdkreises zu sehen, auf dem Volk gegen Volk und Reich gegen Reich kämpft“.230 Hier spricht weniger der gelehrte Mönch, der sich der römischen Kultur verpflichtet fühlt, als vielmehr der alttestamentliche Prophet, dem alles Weltliche vergänglich erscheint. Jahre noch vor der Einnahme Roms durch Alarich zieht Hieronymus in wenigen Zeilen bereits einen Schlussstrich unter die römische Geschichte. Aber so wenig er eine genauere Analyse der Situation vornimmt, so weit entfernt ist er auch von einer theologisch-philosophischen Durchdringung der ‚Weltgeschichte‘, wie sie dann nach dem Fall Roms von Augustinus erarbeitet worden ist. Hieronymus’ Sache war dies nicht; er neigt vielmehr zur dramatischen und appellativen Schilderung, die 275
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dem moraltheologischen Ziel dient, und wenn sich seine Beobachtungen insgesamt auch zu einem negativen Befund über die Zukunftsfähigkeit des Imperiums verdichten, wird er den einmal gezogenen Schlussstrich doch auch wieder infrage stellen. Wie sehr seine Stellungnahmen und Bewertungen mit den grundsätzlichen Anliegen seiner praktischen Moraltheologie verbunden sind, zeigt sich in dem Brief, den er 409 an Geruchia geschrieben hat, eine junge wohlhabende Witwe aus Gallien, die er davon abhalten möchte, sich erneut zu verheiraten.231 Der Brief ist eine ausführliche Abhandlung über das Thema der nur einmal verheirateten Frau, die nach dem Tod ihres Partners dauerhaft in ihrer Witwenschaft verbleiben sollte. Dieses schon in vorchristlichen Zeiten hochgehaltene Ideal – es gibt etliche Inschriften, die römische Frauen für die Enthaltsamkeit nach der einen Ehe loben – ist von den Christen aufgegriffen und theologisch begründet worden. Das Problem für die Christen bestand darin, dass sowohl das Alte Testament als auch die Briefe des Paulus Argumente gegen die einmalige Ehe lieferten, sodass sich keine eindeutige moraltheologische Position zu ergeben schien. War nicht das Gebot in Genesis 1,28: „Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde“ als Aufforderung Gottes zu verstehen, nach dem Tod des Ehepartners eine neue Verbindung einzugehen? Hatte nicht Paulus den jungen Witwen empfohlen, sich wieder zu binden, wenn sie anders ihre Begierde nicht eindämmen konnten? In seinem Brief an Geruchia setzt sich Hieronymus ausführlich mit diesen Einwänden auseinander. Was im Buch Genesis zu lesen sei, das habe zwar einst gegolten, doch nun sei das Ende der Zeiten hereingebrochen. Deshalb sei an eine andere Lehre des Paulus zu erinnern: „Uns gilt nur das Wort: ‚Die Zeit ist kurz.‘“232 Im Anschluss an die theologischen Überlegungen, die Hieronymus in den ersten Kapiteln seines Briefes an Geruchia ausbreitet, folgt mit der Zeitgeschichte sein stärkstes Argument: Warum sollte man noch heiraten, wenn das Reich in Trümmer fällt? Auf diesen Punkt hin entfaltet Hieronymus aufs Neue ein düsteres Gemälde von den Zuständen in großen Teilen des Imperiums. Der „Schiffbruch“ sei bereits erfolgt, auch wenn die Menschen noch nicht begriffen hätten, dass die Ankunft des Antichristen unmittelbar bevorstehe.233 Hieronymus orientiert sich an Jesu Predigt über die Endzeit (Mt. 24) und greift den Vers über die „werdenden und stillenden Mütter“ heraus, denen es in der großen Bedrängnis der Endzeit schlecht ergehen werde. Seine Interpretation ist direkt auf 276
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Geruchia gemünzt: Schwangerschaft und Mutterschaft sind die unausweichlichen Folgen einer Ehe, vor der sich die Adressatin des Briefes hüten soll. Und man erlebt bei der Lektüre des Briefes mit, wie Hieronymus während seines Diktats von den Schrecken der Apokalypse ergriffen wird und nicht mehr innehalten kann, bevor er das Bild umfassender Zerstörung gemalt hat, das sich ihm so sehr aufdrängt. Was als kurze Ergänzung beginnt – „einiges Wenige von dem gegenwärtigen Übel“ wolle er in Erinnerung rufen –, wird zur umfassenden Schadensbilanz, die nicht mehr nur den Balkan, sondern inzwischen auch Gallien umfasst. Denn dem Einfall der Germanen über den Rhein, der sich am Ende des Jahres 406 ereignet hat, und den nachfolgenden Angriffen noch weiterer Eindringlinge sind ungezählte Menschen zum Opfer gefallen. Wieder zählt Hieronymus die feindlichen Stämme auf: „Quaden und Vandalen, Sarmaten und Alanen, Gepiden und Heruler, Sachsen, Burgunder und Alemannen“, und hinzu kommen noch die „Feinde aus Pannonien“, mit denen wohl die Hunnen gemeint sind. Beinahe ganz Gallien ist verloren. Wie sehr ist das Reich in seinem Verfall zu beklagen! So konkret, wie Hieronymus in der Benennung der eindringenden Völker und Stämme ist, so genau verzeichnet er auch die Städte und Provinzen, die überfallen und zerstört worden sind. Teile Galliens kannte er aus eigener Anschauung, und darüber hinaus versetzten ihn Briefe und Besucher aus dem Westen in die Lage, sich ein recht genaues Bild von der Situation zu machen. Seine gekonnte Rhetorik bedeutet hier nicht, dass er übertreibt. Er schrieb an eine Betroffene, die in der Narbonensis, nicht weit von Aquae Sextiae (Aix-en-Provence), lebte und deren Familie ihren Wohlstand aus ihrem Landbesitz bezog.234 Geruchia und andere Leser des an sie gerichteten Briefes, der von Hieronymus wieder für ein breiteres Publikum geschrieben wurde,235 werden auch diese letzten Kapitel mit großer Aufmerksamkeit gelesen haben: Hier wurde ihr Schicksal beschrieben. Es ist ein langer Klageruf, in dem Hieronymus die Städte und Regionen Galliens nennt, die den Germanenzügen zum Opfer gefallen sind: Mainz, wo Tausende in der Kirche ermordet wurden, Worms, Reims, Amiens, Arras, auch das Gebiet der Moriner an der Kanalküste, weiterhin Tournay, Speyer, Straßburg, die Städte Aquitaniens und der Novempopulana, auch die Umgebungen von Lyon und Narbonne. Nur Toulouse konnte sich verteidigen, was als Verdienst des Bischofs Exuperius zu werten sei. Hieronymus erwähnt Exuperius auch in anderen 277
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Briefen und im Vorwort des zweiten Buches seines Zacharias-Kommentars, den er ihm gewidmet hat, doch nennt er keine Details der Maßnahmen, mit denen der Bischof seine Stadt schützte.236 Da aus seinen Bemerkungen aber deutlich wird, dass Exuperius sein eigenes Vermögen und das der Kirche einsetzte, um die Armen in Toulouse zu ernähren,237 wird er wohl mit diesen Mitteln auch den militärischen Schutz finanziert haben. Für das 5. Jahrhundert sind einige Beispiele für Bischöfe gallischer Städte überliefert, die so handelten.238 In seinem Brief an Geruchia bleibt Hieronymus nicht bei der Situation in Gallien stehen. Auch Hispanien ist bedroht und lebt in der Angst vor baldigen Angriffen. Unter Verwendung des Stilmittels der „Auslassung“ weitet Hieronymus den Blick noch mehr. Zwar will er nicht weiter klagen, aber eben dies tut er: Der Balkan sei nun schon seit dreißig Jahren nicht mehr unter römischer Kontrolle. Beinahe überall wird also Krieg im Inneren des Reiches geführt. Und kaum einer der Lebenden kann sich noch an einen anderen Zustand erinnern. Nur die Greise (wie Hieronymus selbst) haben in ihrer Jugend den Frieden erlebt, während die Jungen nur Krieg und Bürgerkrieg kennen. An diese bedenkenswerte Überlegung schließt Hieronymus die Frage an, in welchem Geschichtswerk denn das gegenwärtige Unglück angemessen dargestellt werden sollte. Wer das Reich nicht in glücklicheren Zeiten erlebt habe, dem fehlten die richtigen Kategorien, um die Zeitgeschichte zu beschreiben. Der fatale Unterschied zu früheren Zeiten lässt sich indes schnell auf den Punkt bringen: „Rom muß innerhalb seiner Grenzen kämpfen, nicht zur Mehrung seines Ruhms, sondern zur Rettung seiner Existenz.“ Die Eigenart des Geschichtsdenkens, die sich bei Hieronymus beobachten lässt, wird auch im Brief an Geruchia offenbar: So sehr er von prophetischem Erschrecken erfüllt ist, fehlt seinem eschatologischen Denken doch die Konsequenz. Er ist als Mönch noch so sehr Römer, dass er theologische und politische Aspekte neben- oder sogar gegeneinanderstellt, ohne darin einen Widerspruch zu sehen. Wenn der Antichrist kommt, gibt es keine Rettung mehr für das Reich. Doch im Eifer seines Diktats wechselt Hieronymus von der theologischen zur politischen Ebene, um nach den Fehlern zu fragen, die das Unglück verursacht haben. Nun geht es nicht mehr um Sündhaftigkeit und Gottesferne, die zum letzten Strafgericht führen; vielmehr ist ein Versagen der Reichsleitung zu diagnostizieren. Dieses darf nicht den Kaisern 278
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angelastet werden, denn Honorius und Arcadius sind „streng gottesfürchtig“. Hervorgerufen wurden die Missstände durch die „Treulosigkeit eines halbbarbarischen Verräters, der mit unseren Reichtümern unsere Feinde gegen uns bewaffnete“.239 Damit ist, wie bereits erwähnt, Stilicho gemeint, der 407 die Forderungen Alarichs gegenüber Kaiser und Senat durchgesetzt hatte (S. 271). Solche Fehler lassen sich vermeiden, und insofern impliziert die Kritik, die Hieronymus hier äußert, auch die Möglichkeit einer Besserung der Verhältnisse. Dabei sind der Staatskunst enge Grenzen gesetzt. Zu den großen Zeiten der römischen Vergangenheit wird man nicht mehr zurückkehren können. Früher konnte Rom die Angriffe eines Brennus, Hannibal und Pyrrhus rächen, indem die Länder, aus denen die Feinde stammten, der römischen Herrschaft unterworfen, Gallien, Nordafrika und Griechenland zu Provinzen des Imperiums gemacht wurden. Heute aber könnte man höchstens noch „den besiegten Feinden das abnehmen, was wir einmal an sie verloren haben“. Das wäre schon viel, und es ist vielleicht erreichbar. Alles andere aber bedeutet den Untergang der römischen Welt, doch ein solcher erscheint Hieronymus jetzt, nachdem er sich Roms Geschichte in Erinnerung gerufen hat, undenkbar. Und mit Vergil ruft er aus: „Was wird überhaupt noch bestehen können, wenn Rom untergeht?“240 Entsetzt über den Verfall der römischen Stärke steht Hieronymus hier doch noch ganz im Banne der römischchristlichen Reichsideologie, auch wenn diese durch starke Zweifel erschüttert ist. Und wie im Erschrecken über die düstere Bilanz fügt er noch die aufschlussreiche Bemerkung hinzu, dass die Klage, die er führe, gefährlich sei „sowohl für den, der sie hört, als auch für den, der sie formuliert. Läßt man uns doch nicht einmal die Freiheit zu klagen.“ Selten wird in der Spätantike so deutlich ausgesprochen, dass die öffentliche Meinung unter staatlicher Kontrolle steht. Dies aber in einem „offenen“ Brief zu sagen, bedeutet zugleich, nicht mehr recht an die Effizienz des kaiserlichen Geheimdienstes zu glauben. Am Ende seines Briefes steigert Hieronymus die Klage über den Verfall des Reiches zu einer Conclusio, die die Zeitgeschichte wieder mit dem Eheproblem verbindet. Warum sollte man in diesen hoffnungslosen Zeiten heiraten, gar zum zweiten Mal? Wird der neue Ehemann nicht zwangsläufig entweder zum Soldaten oder zum Deserteur werden müssen? Statt des Polterabends wird es nur Kriegstrompeten geben, statt der Brautjungfern nur Klagefrauen.241 279
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Tod und Bestattung Der Verfall des Reiches und der Verlust der eigenen Gesundheit, die Auseinandersetzungen um Origenes und Pelagius, die gewaltsamen Angriffe, denen die Klöster in Bethlehem ausgesetzt waren, die Sorgen um ihren Unterhalt und zuletzt, 419, auch noch der Tod der Eustochium verdüsterten die letzten Jahre des Hieronymus, der gleichwohl an seiner Arbeit festhielt, solange er dies vermochte. Als er von Augustinus aufgefordert wurde, im Pelagianischen Streit noch einmal das Wort zu ergreifen, erklärte er dies von der Sache her für überflüssig. Was der „Pseudodiakon“ Anianus von Celeda, der schon auf der Synode von Diospolis als Anhänger des Pelagius aufgetreten war, gegen seinen „Dialog gegen die Pelagianer“ vorgebracht habe, erweise ihn doch schon deutlich genug als „Gotteslästerer“. „Es wäre eine Kleinigkeit, auf diese Torheiten und Albernheiten zu antworten.“242 Nur wenige Nächte würde er für eine Entgegnung brauchen, „wenn mir der Herr das Leben schenkt, und es mir nicht an Schreibern fehlt.“ Bislang habe er die Arbeit nicht in Angriff genommen, da er durch seine Die Grabstätte des Hieronymus in Bethlehem.
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Krankheiten und vor allem durch den Tod der Eustochium von solchen Nebensächlichkeiten abgehalten worden sei. Eine Replik auf Anianus hat Hieronymus nicht mehr geschrieben. Im Alter von zweiundsiebzig Jahren ist er am 30. September 420 in Bethlehem verstorben.243 Bei ihm waren die jüngere Paula, die inzwischen etwa zwanzig Jahre alt war und anstelle von Eustochium die Leitung des Frauenklosters übernommen hatte, und wohl auch Albina, Pinianus und Melania die Jüngere, die Hieronymus in seinem letzten Brief an Augustinus erwähnt. Albina war die Tochter Melanias der Älteren, die lange Zeit mit Rufin in Jerusalem gelebt hatte, bevor sie nach Rom zurückgekehrt war. Doch Albina, ihr Mann Pinianus und die Tochter Melania hatten nun ihrerseits in Bethlehem Zuflucht vor den Wirrnissen gesucht, die sich im Westen des Reiches abspielten.244 Seine letzte Ruhestätte fand Hieronymus unter der Geburtskirche in Bethlehem, nicht weit von Paulas Grab entfernt.245 Eine ehrende Inschrift, wie er sie für Paula verfasst hatte, scheint man ihm nicht gewidmet zu haben, obwohl er nicht nur als Mitbegründer der Klöster, sondern mehr noch als „Kirchenvater“ zu loben gewesen wäre. Die Gruft, in der der heutige Besucher Bethlehems auf eine grob behauene Nische mit einem aus jüngerer Vergangenheit stammenden steinernen Porträt des Kirchenvaters stößt, mag wohl seine Grabstätte darstellen. Man kann nur hoffen, dass er tatsächlich in Bethlehem seine einzige ‚letzte‘ Ruhestätte gefunden hat und die mittelalterlichen Translationsberichte nichts anderes als fromme Legenden sind.
Hieronymus-Reliquien In Rom allerdings meinte man, seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die Überreste des Heiligen zu besitzen. Sie seien, so berichtet ein um 1290 verfasster Text mit dem Titel „Auf welche Weise der Leichnam des glückseligen Hieronymus nach Rom überführt wurde“, auf ausdrücklichen Wunsch des Heiligen an den Tiber gelangt.246 Der in Bethlehem unter der Geburtskirche bestattete Hieronymus habe die von den Sarazenen eroberte Stadt verlassen und nach Rom zurückkehren wollen, weshalb er einem Mönch im Traum erschienen sei. Hieronymus habe diesen Mönch dazu aufgefordert, ihn zu exhumieren und nach Italien zu bringen. Der Mönch zögerte nicht, seiner frommen Pflicht nachzukommen, grub den gut erhaltenen Heiligen aus und 281
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brachte seine Überreste nach Rom, um ihnen eine neue letzte Ruhestätte in der Kirche Santa Maria Maggiore zu verschaffen. Während Jacobus von Voragine diese Verlegung noch nicht kennt, wird sie in der Hieronymus-Literatur des 14. Jahrhunderts aufgegriffen, so etwa von Giovanni d’Andrea, der für die Verbreitung des Hieronymus-Kults im späten Mittelalter eine große Rolle spielte.247 Die genauere Datierung des Translationsberichts ergibt sich aus der Nachricht, der 1292 verstorbene Papst Nicolaus IV. sei in der genannten Kirche „neben dem Grab des glückseligen Hieronymus“ beigesetzt worden.248 Wie so manche Reliquien christlicher Heiliger hatten auch die vermeintlichen Überreste des Hieronymus eine wechselvolle Geschichte. Angeblich soll der Reliquienschatz in Santa Maria Maggiore vollständig eingetroffen sein. Hieronymus’ Überreste wurden zunächst passenderweise in der Nähe der Geburtsgrottenkapelle in den Boden der Kirche eingebracht. Es muss am Ende des 13. Jahrhunderts dort bereits auch einen Altar des Heiligen Hieronymus gegeben haben, denn ab 1295 wurde Pilgern, die diesen Altar besuchten, ein Ablass gewährt.249 1395 wurden die Reliquien unter einen neuen Altar des Heiligen Hieronymus umgebettet, den der Kanoniker Stefano Ottaviani de’ Guaschi gestiftet hatte. 1428 fanden sie dann wieder eine neue Bleibe in einer silbernen Urne, für deren Herstellung Kardinal Pietro Morosini 100 Florine bereitgestellt hatte; die Reliquien sollten so auf würdigere Weise als bisher verehrt werden. Um 1463 gab Kardinal Guillaume d’Estouteville in der Werkstatt des römischen Bildhauers Mino da Fiesole ein Hieronymus-Denkmal in Auftrag, in das auch die Reliquien des Geehrten eingefügt wurden.250 1587 veranlasste Sixtus V. den Abbau dieses Denkmals, um den Zugang zu einer neuen Kapelle zu öffnen, in der er später selbst beigesetzt werden wollte. Die Geburtsgrottenkapelle wurde in einer eindrucksvollen und von Domenico Fontana (1543–1607) bildlich dokumentierten Ingenieursarbeit vollständig in die neue Sixtinische Kapelle der Kirche Santa Maria Maggiore verlegt. Bei diesen Umbauten verschwanden die Reliquien des Heiligen Hieronymus, die erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wiederaufgefunden wurden. Im Heiligen Jahr 1750 entdeckte man wunderbarerweise unter dem Hochaltar von Santa Maria Maggiore ein silbernes Knochenbehältnis, in dem sich die Überreste des Kirchenvaters befunden haben sollen, was von Benedikt XIV. anlässlich des Festes des Heiligen Hieronymus auch offiziell bestätigt wurde. Nun wurde Hieronymus 282
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gemeinsam mit den Reliquien des Evangelisten Matthäus unter dem neuen Hochaltar der Kirche beigesetzt.251 Während man in Rom behauptete, der ganze Körper des Hieronymus befinde sich in Santa Maria Maggiore, verbreiteten sich weitere Hieronymus-Reliquien über ganz Europa. Besonders wertvoll erschien der Kopf des Hieronymus, der an verschiedenen Stellen aufbewahrt wurde. Ein Exemplar befand sich zunächst in Köln und wurde von dort 1593 für Philipp II. nach Spanien überstellt. Weitere HieronymusKöpfe wurden in Cluny und in der Kathedrale von Nepi (nördlich von Rom) verehrt. Neben dem Kopf vervielfältigten sich auch andere Teile seines Körpers, die Eingang fanden in die Reliquienschreine zahlreicher Kirchen und in die Heiltumskammern mehr oder weniger frommer Herrscher.252 Wenn sich etliche dieser Spuren einer intensiven Hieronymus-Verehrung und der Glaube an die Wirksamkeit der Reliquien inzwischen auch verloren haben, wird sein Leben und Werk Beachtung finden, solange man nach den Anfängen der christlichen Geschichte Europas und nach den in ihr wirksamen geistigen und kulturellen Kräften fragen wird.
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Quellen und Literatur Unter den älteren Ausgaben der Werke des Hieronymus sind die Bände 22–30 der Patrologia Latina (PL) zu nennen, erschienen in den Jahren 1845–1846, nachgedruckt 1960. PL 22 enthält auch die beiden im Text erwähnten (S. 134, 214) mittelalterlichen Hieronymus-Viten. Kritische Texteditionen finden sich in den Bänden 54–56 des Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL), erschienen 1910–1996, sowie in den Bänden 72–80 des Corpus Christianorum, Series Latina (CCSL), erschienen 1959–2005. Die Chronik des Hieronymus wurde 1929 von R. Helm als Band 47 der „Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte“ (bzw. als Bd. 7 der in dieser Reihe edierten Schriften Eusebs) herausgegeben. Eine erweiterte 2. Auflage erfolgte 1956, Nachdrucke dieser Ausgabe 1984 und 2013. Ein „Werkverzeichnis mit Literaturhinweisen“ sowie eine umfangreiche Bibliographie zur Hieronymus-Forschung bietet Fürst, Hieronymus 364–429.
Hieronymus-Schriften in deutscher Übersetzung (Auswahl):
Augustinus – Hieronymus. Epistulae mutuae / Briefwechsel, übersetzt und eingeleitet von A. Fürst, 2 Teilbd., Turnhout 2002. Ausgewählte Schriften des heiligen Hieronymus, Kirchenlehrers, nach dem Urtexte übersetzt von P. Leipelt, 2. Bd., Kempten 1872–1874 (Bibliothek der Kirchenväter). Commentarius in Ionam prophetam – Kommentar zu dem Propheten Jona. Lat. / deutsch, übersetzt und eingeleitet von S. Risse, Darmstadt 2003. Des Heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte historische, homiletische und dogmatische Schriften, übersetzt von Ludwig Schade, München 1914 (Bibliothek der Kirchenväter, Bd. XV). Des Heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe, 2 Bd., übersetzt von Ludwig Schade, München 1936–1937 (Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Bd. XVI und XVIII). Der Koheletkommentar des Hieronymus. Einleitung, revidierter Text, Übersetzung und Kommentierung von E. Birnbaum, Berlin 2014. Liber locorum et nominum. Onomastikon der biblischen Ortsnamen. Lat. – deutsch, übersetzt von G. Röwekamp, Darmstadt 2017.
Hieronymus-Schriften in englischen und französischen Übersetzungen (Auswahl):
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290
Anmerkungen Einleitung
1 Abb. bei Bettina Vaupel, Der Hase am Südhimmel. Albrecht Dürer und die Kartierung der Sterne, Monumente – Magazin für Denkmalkultur in Deutschland 26, 2016, 58–63, hier 62 f. Siehe auch: M. Bischoff (Hg.), Weltvermesser – Das goldene Zeitalter der Kartographie (Katalog zur Ausstellung vom 13. September bis 6. Dezember 2015 Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, Lemgo), Dresden 2015, 157, 267–269. 2 Alle weiteren Jahresangaben beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, auf die Zeit nach Christi Geburt. 3 Amerise, Girolamo 23–28. 4 Vgl. Kelly, Jerome 108 f. 5 Favez, Saint Jérôme 28–33. 6 Zur Wirkungsgeschichte des Hieronymus, die sich auch in zahlreichen Kunstwerken niedergeschlagen hat, Jungblut, Darstellung; Paris, Saint Jérôme; Rice, Saint Jerome in the Renaissance; Hamm, Hieronymus-Begeisterung, bes. 151–157. 7 Augustinus, De civitate Dei XVIII 42 f. (diesen Abschnitt des Werkes verfasste Augustinus nach dem Tod des Hieronymus). 8 Augustinus, De peccatorum meritis et remissione et de baptismo pavulorum III 6 (PL 44, 192): ... sanctus Hieronymus, qui hodieque in litteris ecclesiasticis tam excellentis doctrinae fama ac labore versatur ... 9 Cassianus, Contra Nestorium VII 26 (CSEL XVII 384): Hieronymus, catholicorum magister, cuius scripta per universum mundum quasi divinae lampades rutilant. Vgl. Kelly, Jerome 130; Rice, Saint Jerome in the Renaissance 217, Anm. 79. 10 Gregor von Tours, Praef. in gloria martyrum (MGH, Scr. Merov. I 487): Hieronymus presbyter et post Paulum bonus doctor Ecclesiae. 11 Rice, Saint Jerome in the Renaissance 32. 12 Drobner, Lehrbuch der Patrologie 59–61. 13 Rice, Saint Jerome in the Renaissance 33.
1. Kapitel: Eine Trauerfeier in Rom
1 Zu Blesillas Tod und Grablege Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 287–291. 2 Ep. 39,1. Verwendet wird hier, bisweilen in leicht modernisierter Form, die Übersetzung von Ludwig Schade: Des Heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe, 2 Bd., München 1936–1937 (Bibliothek der Kirchenväter 2. Reihe, Bd. XVI und XVIII). Das gilt auch für die „Ausgewählten historischen, homiletischen und dogmatischen Schriften“ (BdKV 1. Reihe, Bd. XV, München 1914), übers. ebenfalls von L. Schade (darunter die Mönchsbiographien). 3 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 154–170; Feichtinger, Frauenaskese 168–274, zu Blesilla 222–225. 4 Ep. 108,1: … nobilis genere, sed multo nobilior sanctitate. 5 Ep. 108,5. 6 Ep. 39,1. 7 Ep. 39,5 f. 8 Ep. 39,6. 9 Rebenich, Jerome 20. 10 Ep. 22,15. 11 Ep. 22,17; Kol. 3,5; vgl. auch 1. Kor. 9,27; 2. Kor. 12,7. 12 Ep. 22,5. 13 Ep. 22,10. 14 Ep. 22,17. 15 Ep. 22,5. 16 Ep. 22,19. 17 Ibid. 18 Ep. 22,20. 291
Anmerkungen
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
Ep. 22,21. Ep. 22,11. Ep. 22,13. Ep. 22,5: … virgines carne, non spiritu … Ep. 22,27. Ep. 22,28. Ep. 22,23. Ep. 22,16. Ep. 22,29. Ibid. Schade übersetzte: „… Heimat, Eltern, Schwestern …“; vgl. aber den lat. Wortlaut: … parentibus, sorore, cognatis … Hagendahl, Latin Fathers and the Classics 92 f.; Lauster, Verzauberung 113 ff. Brown, Augustinus von Hippo 36; Flasch, Augustin 54 f., 174 f.; Rosen, Augustinus 27 f. Feichtinger, Der Traum des Hieronymus 61 f. Zum Motiv der Folter Antin, Recueil sur saint Jérôme 75–80. Feichtinger, Der Traum des Hieronymus 60. Hagendahl, Latin Fathers and the Classics 91. Der größte Teil der Untersuchung Hagendahls (100–328) ist der Frage gewidmet, wie stark Hieronymus die heidnisch-lateinische Literatur rezipierte. R. J. Barrow, Lawrence Alma-Tadema, London 2001, 173–177 (Abb. 174).
2. Kapitel: Kindheit und Jugend
1 Chronologische Untersuchungen zur Vita des Hieronymus bei Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 41–53; Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 3–63; Nautin, Études de chronologie hiéronymienne. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 22, vermutet, Hieronymus habe bewusst kaum Angaben zu den ersten Jahrzehnten seines Lebens gemacht, in denen er noch eine weltliche Karriere verfolgte. Dafür spricht auch, dass keine Briefe aus dieser Zeit überliefert sind. Das gilt aber auch für die Jahre zwischen 378 und 382 sowie zwischen 386 und 393: Kelly, Jerome 57, 141. 2 Zöckler, Hieronymus 23; Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 45–48; Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 3–12; Antin, Recueil sur saint Jérôme 33; Jay, Sur la date de naissance de saint Jérôme 262–280; Booth, The Date of Jerome’s Birth 346–353; Rice, Saint Jerome in the Renaissance 203, Anm. 2; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 22. 3 Barceló, Constantius II. 33 ff.; ders., Das Römische Reich im religiösen Wandel 50 f.; Clauss, Ein neuer Gott 349–354. 4 Ep. 14. 5 Ep. 52,1: ... adolescens, imo et paene puer … 6 Eyben, Die Einteilung des menschlichen Lebens im römischen Altertum (zur dreistufigen Einteilung: 153–155, 164, 166); Marrou, Geschichte der Erziehung 431 f.; D. Bormann in: R. Baumgarten – J. Christes (Hgg.), Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike 74 f.; Amerise, Girolamo 29–42. 7 Vita Hil. 3. Zur Vita des Hilarion vgl. Fuhrmann, Die Mönchsgeschichten des Hieronymus 41–54. 8 Ep. 52,1: „Jetzt aber, wo mein Haar gebleicht und die Stirne gefurcht ist …“ 9 Auch in seiner um 395 geschriebenen Vita des Einsiedlers Malchus bezeichnet sich Hieronymus als „Greis“ (senex); vgl. Booth, The Date of Jerome’s Birth 346. 10 De situ et nominibus locorum Hebraicorum. Zu diesem Werk Zöckler, Hieronymus 166–170; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 196. 11 Zur Lokalisierung Jericke, Abraham in Mamre 38 f. 12 Gen. 18,1–22. Demandt, Über allen Wipfeln 24. 13 Leeb, Konstantin und Christus 87. 14 Euseb, Vita Const. III 52 f. 15 Demandt, Über allen Wipfeln 25. Der auch Itinerarium Burdigalense genannte Pilgerbericht findet sich lat.-dt. bei K. Brodersen (Hg.), Aetheria/Egeria. Reise ins Heilige
292
Anmerkungen
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Land, Berlin 2016. Hier S. 62: ... ibi basilica facta est iussu Constantini mirae pulchritudinis. Zu Egeria auch Penth, Pilgerfahrten 57–63. De situ et nomin. loc. Hebraic. (PL 23, 936; Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bd. 11/1 [Eusebius, Bd. III/1], Leipzig 1904, 77). Demandt, Über allen Wipfeln 24 zur begrifflichen Nähe im Hebräischen (Eiche: elon, Terebinthe: elah) und zur Ähnlichkeit der beiden Bäume. Zöckler, Hieronymus 21. Comm. in Abacuc II, III 14/16 (CCSL LXXVI A 645). Zur antichristlichen Politik Julians Bidez, Kaiser Julian 170–173, 189–196; Browning, The Emperor Julian 162–177; Rosen, Julian 233–236, 249–260, 270–275. R. Klein in: R. Baumgarten – J. Christes (Hgg.), Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike 146. Nautin, Études de chronologie hiéronymienne (1974) 272. Comm. in Abdiam, prol. (CCSL LXXVI 350,35 ff.). Booth, The date of Jerome’s Birth 350 f. akzeptiert diese Angabe. Ed. Mommsen, Chron. Min. I (1892), 451 (zum Jahr 331): Basso et Ablabio. Hieronimus nascitur. S. 469 (zum Jahr 420): Theodosio VIIII et Constantio III. […] Hieronimus presbyter moritur anno aetatis suae XCI prid. kal. Octobris. Sie widersprechen auch der Aussage des Hieronymus, der gallische Rhetor Patera habe in Rom gelehrt, bevor er selbst geboren worden sei (ep. 120). Patera hat, wie Ausonius belegt, Rom gegen Ende der 30er Jahre verlassen. Dazu Booth, The Date of Jerome’s Birth 347. Prospers Angabe akzeptiert von Kelly, Jerome 1, 337. Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 105. Vgl. Buli´c, Wo lag Stridon, die Heimat des Hlg. Hieronymus?; ders., Stridone luogo natale di S. Girolamo; Margeti´c, Jeronimou ‘oppidum Stridonis’; Šanjek, À la recherche de Stridon. Zu diesem Werk Murphy, St. Jerome as an Historian 129 f.; Kelly, Jerome 174–178 (176: „pioneer patrology“); Borgeais, La personnalité de Jérôme. De vir ill. 135: Hieronymus patre Eusebio natus, oppido Stridonis, quod a Gothis eversum, Dalmatae quondam Pannoniaeque confinium fuit. Zu dem Plünderungszug der Goten im Jahr 376 n. Chr. vgl. Mócsy, Pannonia and Upper Moesia 339. Comm. in Sophoniam I 2: Testis Illyricum est, testis Thracia, testis in quo ortus sum solum, ubi, praeter caelum et terram et crescentes vepres et condensa silvarum, cuncta perierunt. Ep. 66,14. Dazu Mócsy, Pannonia and Upper Moesia 344. H. Volkmann, Art. Oppidum – I. Italisch-Römisch, DNP 8, 2000, Sp. 1261. Ausbüttel, Verwaltung der Städte 6. Ep. 7. Mócsy, Pannonia and Upper Moesia 273. Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 69 mit Anm. 1. Vgl. zu Cavalleras Überlegungen auch Kelly, Jerome 4 f. Palladius, Historia Lausiaca 125. Bratož, Frühes Christentum 516. Il confine nord-orientale dell’Italia romana; dies., Emona was in Italy not in Pannonia; dies., The Problem of the Border between Italy, Noricum, and Pannonia. Zu der hier vorgeschlagenen Lokalisierung auch Margeti´c, Jeronimou ‘oppidum Stridonis’. Ep. 6,2. Zöckler, Hieronymus 20 mit Anm. 2. Zum Konzil G. Gottlieb, Das Konzil von Aquileia, Annuarium Historia Conciliorum 11, 1979, 287–306. Ep. 7,4. Comm. in Esaiam VII 19,5/11 (CCSL LXXIII 280). Vgl. Džino, Becoming Slave, Becoming Croat 71. Ep. 11 f. Ep. 12. 293
Anmerkungen
47 Nathan, The Family in Late Antiquity 130–132. Ein Beispiel dafür bei Gennadius, vir. ill. 50 (Enterbung zweier Schwestern, die Nonnen geworden waren). Vgl. auch Hagendahl – Waszink, Hieronymus 125. 48 Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 146 ff.; kritisch dazu Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 76 f. 49 Apol. contra Rufin. I 30. 50 Ep. 66, 14: … ut semirutas villulas, quae barbarorum effugerunt manus, et parentum communium census venderet. 51 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 22, Anm. 7. 52 Alföldy, Personennamen 197; Kelly, Jerome 6; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 22. 53 Kelly, Jerome 7. 54 Markschies, Das antike Christentum 65–67. Hieronymus hat den Namen seines Vaters ein einziges Mal auch für sich selbst verwendet: Im Vorwort zu seiner Ausgabe der Chronik Eusebs nennt er sich „Eusebius Hieronymus“; vgl. Kelly, Jerome 5 mit Anm. 15. 55 … de parentibus christianis … 56 Ep. 82,2,2: Nos nec Ecclesiam scindimus, neque a patrum communione dividimur: sed ab ipsis, ut ita dicam, incunabulis catholico sumus lacte nutriti. 57 Ep. 7,6. 58 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 47. 59 Ep. 6,2. 60 Ep. 13. Vgl. Kell, Jerome 31, 34 f. 61 So etwa Libanios in Antiochia. Dazu J. Wintjes, Das Leben des Libanius, Rahden/Westf. 2005, 148 f. 62 Hennings, Briefwechsel 23 mit Anm. 31. 63 Kaster, Guardians of Language 114–123. 64 Marrou, Geschichte der Erziehung 334–352, 431 f.; R. Klein in: R. Baumgarten – J. Christes (Hgg.), Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike 147. 65 Demandt, Die Spätantike 479. 66 Demandt, Die Spätantike 485; Schlange-Schöningen, Bildungswesen 114–121. 67 Commemoratio Professorum Burdigalensium 1. 68 Chronik, ed. Jeanjean / Lançon, 90. Augustinus vermerkt dagegen, die Statue sei auf dem Forum Romanum errichtet worden (Conf. VIII 2). 69 Und dies trotz der rühmenden Erwähnung der Stadt durch Ausonius (in seinem Ordo urbium nobilium). Vgl. Calderini, Aquileia Romana 65; 331 f. zu den wenigen inschriftlich bezeugten Professoren der Stadt. 70 Rice, Saint Jerome in the Renaissance 1. 71 So aber Booth, The Date of Jerome’s Birth 353. Vgl. dagegen z. B. Hagendahl – Waszink, Hieronymus 118. 72 Ep. 2,1. Vgl. Murphy, The Irascible Hermit 5. 73 Zu Donatus Holtz, Donat et la tradition de l’enseignement grammatical (zur Biographie: 15–23); ders., Aelius Donatus (zu Leben und Werk: 109–114). 74 Contra Rufin. I 30: … nunc cano et recalvo capite saepe mihi videor in somnis, comatulus et sumpta toga, ante rhetorem controversiolam declamare; cumque experrectus fuero, gratulor me dicendi periculo liberatum. Vgl. Kelly, Jerome 15. 75 De Labriolle, Le songe de St. Jérôme 229 f. 76 Contra Rufin. I 16. 77 Zu Julians Rhetorenedikt Bidez, Kaiser Julian 170–173; Giebel, Kaiser Julian Apostata 137–141; Rosen, Julian 270–275. 78 Schlange-Schöningen, Bildungswesen 141–145. 79 Hadot, Marius Victorinus. 80 De viris ill. 101. 81 Augustinus, Conf. VIII 2; 5. 82 Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, De sancto Ieronimo, Kap. 19. Zu Jacobus und seiner Hieronymus-Vita Collins, A Life Reconstituted 33 f., 39–45; zur Bedeutung der Le294
Anmerkungen
genda Aurea für die Hieronymus-Verehrung im späten Mittelalter Hamm, HieronymusBegeisterung 148 f. 83 Ep. 2. 84 Ep. 4,2. 85 Ep. 7,4: … lubricum adolescentiae iter. 86 Ep. 125,2 an Rusticus aus dem ersten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts. 87 Ep. 22,7. Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 129–131. 88 CTh. XIV 9,1. Demandt, Die Spätantike 480. 89 Comm. in Ezech. XII 40,5/13 (CCSL LXXV 556 f.). Zu Hieronymus’ Studienjahren in Rom vgl. auch Henne, Saint Jérôme 18–20. 90 Murphy, Rufinus of Aquileia 18. 91 Ep. 3,5. Pellistandi, Vocation monastique 17. 92 Zu Rufinus’ Geburtsort und zu seinen Eltern Murphy, Rufinus of Aquileia 1–6. 93 Vgl. Augustinus, Conf. VIII 2 (Victorinus als „Lehrer so vieler vornehmer Senatoren“); Hieronymus, ep. 105,3 (an „rhetorisch geschulten Aristokratenjünglingen“ bestehe „in Rom kein Mangel“). 94 Anders Rebenich, der ausführt, dass die Taufe Ausdruck einer echten Bekehrung hätte sein müssen. Da ein solches Bekehrungserlebnis allein im Traumbericht zum Ausdruck kommt, verbindet Rebenich Traum und Taufe und verlegt diesen entscheidenden Umschwung nach Trier (Hieronymus und sein Kreis 37–41). Vgl. auch Cavallera, The Personality of St. Jerome 20 f. 95 Ep. 15,1: … unde olim Christi vestimenta suscepi. In Ep. 16, ebenfalls an Damasus, wird diese Aussage wiederholt: Ego igitur, ut ante iam scripsi, Christi vestem in Romana urbe suscipiens nunc barbaro Syriae limite teneor (Kap. 2). 96 Dass Hieronymus sein Leben nach der Taufe als sündig erfahren hat, erklärt er in ep. 18,11: quia semel spiritu baptizatus, rursum tunicam pollui … 97 Vgl. ep. 22 an Eustochium, Kap. 30: … bibliotheca, quam mihi Romae summo studio ac labore confeceram, carere non poteram. 98 Vgl. z. B. ep. 47,3 (an Desiderius). 99 Schlange-Schöningen, Galen von Pergamon 28, Anm. 38. 100 Murphy, Rufinus of Aquileia 14; Hagendahl, Latin Fathers and the Classics 93; Kelly, Jerome 13 f.; Nautin, Lettre 38; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 94; Rice, Jerome in the Renaissance 3: Alle stimmen darin überein, dass Hieronymus erst in Antiochia richtig Griechisch gelernt habe. So wird er auch erst hier, vermittels der Schriften des Alexander von Aphrodisias und des Porphyrius, die Logik des Aristoteles kennengelernt haben (dazu ep. 50,1 und Kelly 16 f.). 101 P. L. Schmidt in: Herzog (Hg.), Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 257 (§ 550,2). 102 Apol. contra Rufin. I 17; Comm. in Jes., prolog. 103 Sivan, Palestine 277–279. 104 Ep. 107,4. 105 Ep. 107,9. 106 Ep. 107,12. 107 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. I 188; Gemeinhardt, Das lateinische Christentum 385. 108 Ep. 70,2. 109 Ep. 70,4. Vgl. auch Antin, Recueil sur saint Jérôme 158 f., bes. 158 zu Hieronymus’ Comm. in Tit. I 9. 110 Ep. 70,6. 111 Ep. 70,2; vgl. auch ep. 66,8. Hieronymus bezieht sich dabei auf Deut. 21,11 ff.
3. Kapitel: Im Westen und im Osten des Reiches 1 2 3 4
CTh. XIV 9,1 (12.3.370). Vgl. Demandt, Die Spätantike 480. CTh. XIV 1,1. Étienne, Ausone 45–52. Demandt, Die Spätantike 534–542. 295
Anmerkungen
5 Comm. in Abdiam, prol. (CCSL LXXVI 350,35 ff.); vgl. Booth, The Date of Jerome’s Birth 350 mit Anm. 17. 6 Kelly, Jerome 27; Hagendahl – Waszink, Hieronymus 119; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 33; Fürst, Hieronymus 152. 7 Zöckler, Hieronymus 34. 8 Ep. 123; vgl. Zöckler, Hieronymus 35 mit Anm. 1. 9 Adv. Jovinianum II 6. R. Andres, Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie, Leipzig 1887, 14 hielt Hieronymus’ Aussage für glaubwürdig (Hieronymus „schildert als Augenzeuge …“). 10 Amm. Marc. XXVI 4,5. Kelly, Jerome 27, hat die ansprechende Vermutung geäußert, Hieronymus habe in Trier Attacoten erlebt, die auf dem Feldzug des Jahres 369 gefangen worden seien. 11 Amm. Marc. XXVII 8,5. Demandt, Die Spätantike 141. 12 Comm. in Epist. Pauli Apostoli ad Galatas 2,3 (CCSL LXXVII A 83): Galatas excepto sermone Graeco, quo omnis oriens loquitur, propriam linguam eandem habere quam Treviros. 13 K. Strobel, Die Galater: Geschichte und Eigenart der keltischen Staatenbildung auf dem Boden des hellenistischen Kleinasien. Bd 1: Untersuchungen zur Geschichte und historischen Geographie des hellenistischen und römischen Kleinasien I, Berlin 1996, 140 f. mit Anm. 97. Vgl. dagegen Kelly, Jerome 26, der die entsprechende Kenntnis des Hieronymus auf Laktanz zurückführt. 14 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 12. 15 Ep. 3,4. 16 Ep. 3,5. 17 Ep. 123. 18 Piganiol, L’empire chrétien, 316 f.; J.-M. Carrié, Art. ‚Agens in Rebus’, in Bowersock – Brown – Grabar, Late Antiquity 278 f. 19 Antin, Recueil sur saint Jérôme 377 f.; Kelly, Jerome 25 f.; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 35–41; Pellestrandi, Vocation monastique 15 f., 25; Henne, Saint Jérôme 24. Courcelle zitiert die Ortsangabe aus Hieronymus’ Brief auf S. 183 f., Anm. 6, geht aber nicht näher darauf ein. 20 Kelly, Jerome 25; vgl. Symmachus, Pan. von 369 (MGH Auc. Ant. VI/1, 46). 21 Heinen, Frühchristliches Trier 175 f. 22 Ep. 5,2. 23 Demandt, Die Spätantike 140. 24 Demandt, Die Spätantike 140 mit Anm. 38. Man könnte den Aufenthalt am Rhein auch mit Valentinians Feldzug vom Herbst 371 in Zusammenhang bringen; nach Ausweis von CTh. XV 7,2 hat sich der Kaiser damals in Mainz befunden (vgl. Seeck, Regesten 242). Zu Ausonius’ Teilnahme an den Feldzügen von 368/369 auch P. L. Schmidt in: Herzog (Hg.), Handbuch der lateinischen Literatur der Antike 279 (§ 554). 25 Augustinus, Conf. VIII 6. 26 Ibid.: … erant autem ex eis, quos dicunt Agentes in Rebus. 27 Ibid. 28 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. I 18. 29 Courcelle, Recherches 183. 30 Augustinus, Conf. VIII 6. 31 Courcelle, Recherches 187. 32 Kelly, Jerome 31, vermutet, Hieronymus habe nach der längeren Abwesenheit nun seine Familie wiedersehen wollen. Vgl. auch Henne, Saint Jérôme 30. 33 Bertrand, Die Evagriusübersetzung der Vita Antonii 27. 34 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 59. Zu einer noch älteren, ersten lat. Übersetzung der Vita des Antonius Kelly, Jerome 30, Anm. 22; Rebenich, Der Kirchenvater Hieronymus als Hagiograph 34, Anm. 61. 35 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 12. 36 Brown, Augustinus von Hippo 98–107; Rosen, Augustinus 83–91. 296
Anmerkungen
37 Aquileienses clerici quasi chorus beatorum habentur. 38 Anders Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 44; er versteht unter chorus ein „Klerikerkloster“. Ein solches wird für Aquileia tatsächlich durch Rufinus belegt, der in seiner Apologia berichtet, schon zur Zeit seiner Taufe in einem monasterium gelebt zu haben (PL 21, 543; dazu Murphy, Rufinus of Aquileia 22). Vgl. aber auch Hieronymus’ Brief 30,14 an Paula, wo er den Kreis von frommen Frauen, der sich in ihrem Haus versammelt, als castitatis chorus bezeichnet. 39 Ep. 7. 40 Zur Abfassungszeit vgl. Kelly, Jerome 39 mit Anm. 19. 41 Zöckler, Hieronymus 40 f. 42 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. II 76 mit Anm. 1; Opelt, Hieronymus’ Streitschriften 21 mit Anm. 47 (Hieronymus bezeichnet dann auch Rufinus mit diesem Schimpfwort). 43 Zu Euagrius Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 52–75; Fürst, Hieronymus 190–193. 44 Bertrand, Die Evagriusübersetzung der Vita Antonii 24. 45 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 63 f. 46 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 67 f. diskutiert die Möglichkeit eines Zusammentreffens in Aquileia. 47 Ep. 22,30. Vgl. Abel, Saint Jérôme et Jérusalem 132. 48 Zur Frage nach der Reiseroute des ersten Abschnitts (auf dem Land- oder Seeweg) und zu den Begleitern Kelly, Jerome 37; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 79–84. Auf der Reise hat Hieronymus auch Athen besucht (Comm. in Zachariam III 12,1/3; CCSL LXXVI A 862). Dazu auch Henne, Saint Jérôme 33. 49 Vgl. ep. 3. 50 Lançon, Maladie et médecine 356. 51 Oftmals wird der Traum in Antiocheia lokalisiert, z. B. von Rice, Jerome in the Renaissance 3. Rice sieht in dem Traum „a conversion more profound than the earlier ones that had led him to put on at baptism the vestimenta Christi …“ (6 f.). Der Traum habe Hieronymus veranlasst, die geplante Reise nach Jerusalem aufzugeben und in die Wüste zu gehen. Vgl. auch Kelly, Jerome 41 über „the frightening dream, or rather nightmare, which can fairly be said to have effected his second conversion“. 52 Ep. 22,30. Zum Motiv der Krankheit in literarischen Traumberichten, die Hieronymus gekannt haben dürfte, De Labriolle, Le songe de St. Jérôme 232–234. 53 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 53 f. 54 Theodoret, Mönchsgeschichte, Kap. 10. 55 Ibid. 56 Kelly, Jerome 41 mit Anm. 26. Dagegen Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 79, Anm. 347. 57 Ep. 2. 58 Ep. 3,1. 59 Ep. 3,2. 60 Ep. 3,4. 61 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 87. Aus diesem Chalkis stammte vermutlich der neuplatonische Philosoph Iamblichus: Edwards, Religions 44. 62 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 105. 63 Festugière, Antioche païenne et chrétienne 252, 311. 64 Vita Ant. 12 ff. 65 Ep. 5,1, 7,1. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 87 f. 66 Ep. 15,2. 67 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 88 mit Anm. 407. 68 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 88–96. Zur Datierung der Vita Malchi Kelly, Jerome 170. 69 Vita Malchi 3. 70 Vita Malchi 2. 71 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 86–97; ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 363. 297
Anmerkungen
72 Für einen längeren Aufenthalt in Maronia spricht allerdings der regelmäßige Kontakt zu Euagrius, den Hieronymus in seinen Briefen bezeugt (ep. 7,1, 15,5); dazu Kelly, Jerome 48. 73 Ep. 22,7. Vgl. dazu Brown, Keuschheit der Engel 382. In Kap. 30 verwendet Hieronymus für seinen Verzicht auf Familie und gutes Essen den Ausdruck castrare: Um des Himmelsreiches willen habe er „sich gleichsam selbst verschnitten“. 74 Ibid. 75 Ep. 17,2; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 93 betont den topischen Charakter dieser Aussage. 76 Athanasius, Leben des Heiligen Pachomius 10. Vgl. Rousseau, Pachomius 87–104. 77 Ep. 5,2. Zu Florentinus Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 102–104. Zu Hieronymus’ Briefen aus der Wüste Festugière, Antioche païenne et chrétienne 415–418. 78 Ep. 125,11. 79 Ep. 125,12. Zur Fortsetzung seiner Bemühungen um die hebräische Sprache auch während der Jahre in Rom Kelly, Jerome 84. 80 Matteo Bosso im 15. Jahrhundert.; vgl. Rice, Jerome in the Renaissance 205, Anm. 26. 81 Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 58. 82 Rebenich, Jerome 16 f., erinnert an die Aufforderung, die Paulinus von Nola in seiner ep. 58 formulierte: „Verlasse die Städte und ihren Lärm, lebe auf einem bescheidenen Grund, suche Christus in der Einsamkeit.“ 83 Zur Vita Leclerc, Antoine et Paul; Fuhrmann, Die Mönchsgeschichten des Hieronymus 69–82; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 127 f.; ders., Der Kirchenvater Hieronymus als Hagiograph; ders., Inventing an Ascetic Hero (darin 13 f. zum großen Erfolg dieser Vita). 84 Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 160–163. Anders Kelly, Jerome 60 f. (Abfassung in Antiochia). Vgl. auch Rebenich, Inventing an Ascetic Hero 17 f. 85 Merkt, Das frühe christliche Mönchtum 8. 86 In de vir. ill. 98 nennt Hieronymus die Vita des Antonius ein „berühmtes Werk“ (insigne volumen). 87 Brown, Die letzten Heiden 114. 88 Chronik, zum Jahr 356. 89 Vita Pauli 1. 90 Vita Pauli 4. Dazu Leclerc, Antoine et Paul 258, 260. Auch Hilarion, dem Hieronymus ebenfalls eine Vita gewidmet hat, soll sich um die klassische Bildung bemüht haben; vgl. Fuhrmann, Die Mönchsgeschichten des Hieronymus 53. 91 Athanasius, Vita Antonii 1. 92 Vita Pauli 5. 93 Rebenich, Inventing an Ascetic Hero 24 f. 94 Zur Beschreibung von Paulus’ Wohnstätte – einem locus amoenus – Leclerc, Antoine et Paul 261. 95 Vita Pauli 6. Vgl. Kelly, Jerome 47. 96 Über den Raben verbindet Hieronymus seinen Paulus mit Elias (1. Kön. 17,6); vgl. Leclerc, Antoine et Paul 263. 97 Vita Pauli 17. 98 Ibid. Vgl. dazu Rebenich, Inventing an Ascetic Hero 23 f.; ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 369: da Hieronymus hier auch seine potentielle Leserschaft kritisiert, handelt es sich um „a brilliant antithesis“. 99 Jungblut, Hieronymus 137–160. 100 Rice, Jerome in the Renaissance 71–79, 83. 101 Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 313–348; Hamm, Hieronymus-Begeisterung 129 f. 102 Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa 10. 103 Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa 107–119. 104 Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa 153–162; zur Intensität der Bußpraxis im 14. Jahrhundert Rice, Jerome in the Renaissance 79 f. 298
Anmerkungen
105 Jungblut, Hieronymus 142; Rice, Jerome in the Renaissance 75 f. 106 Jungblut, Hieronymus 139. Vgl. auch Antin, Recueil sur saint Jérôme 291–295, 388. 107 Jungblut, Hieronymus 151–166. 108 Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 49 mit Abb. 41 auf S. 64. 109 Kenneth Clarc, Piero della Francesca, London 1951, Abb. 15. 110 Jungblut, Hieronymus 167; R. van Marle, The development of the Italian Schools of Painting, Haag 1927, Abb. 71 (Museo di Castelvecchio Verona. Das Bild wurde mit 16 anderen Werken im Nov. 2015 aus dem Museum gestohlen). 111 Jungblut, Hieronymus 143; vgl. U. Procacci, La Galleria dell’Accademia di Firenze, Rom 1951, 49, 57. 112 Jungblut, Hieronymus 143: „Predigt, Meditation, Vision, Pilgerfahrt, Geißeln, Buße sind dargestellt als Versuch, die Heimsuchung abzuwenden.“ 113 Jungblut, Hieronymus 146; Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 177 (Abb. 133). 114 Vgl. z. B. S. Fischer, Hieronymus Bosch. Malerei als Vision, Lehrbild und Kunstwerk, Köln 2009, 48 f., 88–91, 95–102. 115 Zur verhältnismäßig seltenen Darstellung von Eulen auf Hieronymus-Bildern und ihrem denkbar breiten Symbolgehalt Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 274–280. 116 W. Fraenger, Hieronymus Bosch, Dresden 1975, 336 ff.; ders., Hieronymus Bosch in seiner Auseinandersetzung mit dem Unbewußten (1951), in: ders., Von Bosch bis Beckmann. Ausgewählte Schriften, Dresden, 1977 S. 5–24. 117 Fraenger, Hieronymus Bosch in seiner Auseinandersetzung mit dem Unbewußten 14. 118 Fraenger, Hieronymus Bosch in seiner Auseinandersetzung mit dem Unbewußten 11. 119 L. Harris, Hieronymus Bosch und die geheime Bildwelt der Katharer, Stuttgart 1996. 120 Harris, Hieronymus Bosch 144 f. 121 Harris, Hieronymus Bosch 188. 122 Harris, Hieronymus Bosch 185. 123 Jungblut, Hieronymus 170 f.; Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 117 (Abb. 93). 124 Jungblut, Hieronymus 173. 125 Jungblut, Hieronymus 184; vgl. M. J. Friedländer, Die Altniederländische Malerei. Pieter Bruegel und Nachträge zu den früheren Bänden, Leiden 1937, 118 f. mit Nachtrag-Tafel XXIX; L. Münz, Pieter Bruegel, Zeichnungen, London 1962, Abb. 21. 126 D’Achiardi, Intorno a tre Quadri della Pinacoteca Vaticana 248 f. (mit Taf. V); Oertel, Pontormos büßender Hieronymus 114 f.; Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 70 (Abb. 48). 127 A. Scharf, Filippino Lippi, Wien 1950, Abb. 50 (Florenz, Akademie; entstanden um 1485). 128 B. Berenson, L. Lotto, Mailand 1955, Taf. 342 f. 129 Oertel, Pontormos büßender Hieronymus 111 f. 130 H. E. Wethey, The paintings of Titian. Bd. 1: The religious paintings, London 1969, Abb. Nr. 155, 160, 171 f., 195. Vgl. Jungblut, Hieronymus 204 f. 131 Jungblut, Hieronymus 209. 132 Jungblut, Hieronymus 211. 133 R. Schoch, Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. 1. Kupferstiche, Eisenradierungen und Kaltnadelblätter, München 2001, 40. Zur Chronologie der Hieronymus-Bilder Dürers vgl. Hamm, Hieronymus-Begeisterung 130 f., Anm. 4. Vgl. auch ders., 221–224; 230–233 zur „Synthese von Humanismus und Frömmigkeit im Hieronymus-Bild“ Dürers. 134 National Gallery London.
4. Kapitel: In den Hauptstädten
1 Chronik, zum Jahr 329. 2 Vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Klassiker der Theologie: Von Tertullian bis Calvin, München 2005, 66. 3 Edwards, Synods 370. 4 Zu Apollinaris, seiner Theologie und Rezeption vgl. zuletzt die Aufsätze in Bergjan – Gleede – Heimgartner (Hgg.), Apollinarius. 299
Anmerkungen
5 Ep. 84,3. Zum Problem der Datierung Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 150; Jay, Jérôme auditeur; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 98 f.; P. Andrist, The Two Faces of Apollinarius: A Glimpse into the Complex Reception of an Uncommon Heretic in Byzantium, in: Bergjan – Gleede – Heimgartner (Hgg.), Apollinarius, 285–306, hier 300 f. (Datierung auf die Jahre 377–379). 6 Ep. 7,2 zufolge sprachen die Mönche nur Syrisch; vgl. Kelly, Jerome 49. Vgl. auch Kelly 173 mit Anm. 22 (zur Vita Hilarii als Quelle für die Sprachenvielfalt im spätantiken Syrien). 7 Predigt über den Psalm 91 (BdKV Bd. XV 221 f.). 8 Ep. 16,2. 9 Ep. 15,1. 10 Ep. 15,2. Zu den beiden Briefen an Damasus vgl. Kelly, Jerome 53 f.; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 108–114. 11 Ep. 16,2: „Die hier in drei Parteien zerrissene Kirche bemüht sich geschäftig, mich zu sich herüberzuziehen. Die in der Umgegend wohnenden Mönche suchen ihr althergebrachtes Ansehen gegen mich geltend zu machen.“ 12 Ep. 16,2. 13 Ep. 17,4. Zum Schreiben Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 104–105. 14 Ep. 17,2. 15 Ep. 17,2. 16 Vgl. Anatolios, Discourse on the Trinity 439 f.; Lyman, Heresiology 300. 17 Ep. 17,3. 18 Kelly, Jerome 52. 19 Contra Ioh. 41; vgl. Kelly, Jerome 200; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 98. 20 Kelly, Jerome 36 vermutet, Hieronymus habe weiterhin Gelder aus Stridon bezogen. 21 Ep. 17,2. 22 Zur Datierung und zum Inhalt der Schrift Opelt, Hieronymus’ Streitschriften 12–27; Jeanjean, Saint Jérôme et l’hérésie 21–26; Cibis, Lucifer von Calaris 35 f. 23 Kelly, Jerome 62–64; J. Diognon in: Herzog, Restauration und Erneuerung 486 f.; Löhr, Western Christianities 16. Zur Biographie Lucifers s. Cibis, Lucifer von Calaris 23–34. 24 Contra Lucif. 4. Vgl. Opelt, Hieronymus’ Streitschriften 15. 25 Hier. Chronik, zum Jahr 362. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 118. 26 Dagegen Grützmacher, Hieronymus, Bd. I 201, der in Damasus den Auftragsgeber der Schrift sieht und sie in Hieronymus’ römische Zeit datiert. Auch Batiffol, Les sources de l’„Altercatio Luciferiani et Orthodoxi“ 93, votiert für eine Abfassung erst in Rom. 27 Murphy, St. Jerome as an Historian 116 f. 28 Contra Lucif. 19. 29 Zu Gregor vgl. z. B. von Campenhausen, Griechische Kirchenväter 101–113; Leppin, Kirchenväter 37–47. 30 Ep. 50,1; 52,8; de vir ill. 117; apol. contra Rufin. I 13. Vgl. Mathieu, Grégoire de Nazianze et Jérôme 118 f. 31 Kelly, Jerome 71; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 120 f.; ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 366. 32 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 121–127; ders., Jerome 22. 33 Leppin, Theodosius 71. 34 Grützmacher, Hieronymus Bd. I 177; Karmann, Melitius von Antiochien 459, Anm. 19. 35 Zur Synode Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 116; Karmann, Melitius von Antiochien 458. 36 Leppin, Theodosius 71–79. Vgl. auch Kelly, Jerome 67 mit Anm. 43. 37 Leppin, Theodosius 74 f. 38 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 115–119; ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 364 f. Vgl. auch Kelly, Jerome 67. 39 Ortiz de Urbina, Nizäa und Konstantinopel 194; Norris, Greek Christianities 83–86. 40 Leppin, Theodosius 78. 41 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 141. 300
Anmerkungen
42 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 141 f.; Leppin, Theodosius 81. 43 Ep. 79,11. Zum Brief Kelly, Jerome 216 f.; Rebenich, Asceticism, Orthodoxy and Patronage 367. Zur Resonanz der Briefe und Schriften des Hieronymus auch seine ep. 48,2 (mit dem bedauernden Horaz-Zitat nescit vox missa reverti); dazu Kelly 187. 44 Ep. 79,1. 45 The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. I, Cambridge 1971, 620. 46 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 121 f. 47 Ep. 79, 5. 48 The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. I, Cambridge 1971, 251; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 214 f., 223. 49 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 126; 214 f. datiert Rebenich die Bekanntschaft auf die Jahre nach Hieronymus’ Übersiedlung nach Bethlehem; vgl. ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 368 und ders., Jerome 24: Hier wird die Bekanntschaft jeweils mit Hieronymus’ Aufenthalt in Konstantinopel verbunden. 50 Joannou, Die Ostkirche 246. 51 Jeanjean – Lançon, Saint Jérôme – Chronique, 19–26. Die Übersetzungen der Predigten des Origenes zu Ezechiel und Jeremias hat Hieronymus in Antiochia angefertigt: Nautin, Lettre 34. 52 Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 204 zur exzeptionellen Stellung, die Hieronymus dann durch seine Hebräisch-Kenntnisse gewann. 53 Murphy, St. Jerome as an Historian 118–122; Kelly, Jerome 72–75. 54 Origenis Homiliae in Ezechielem: Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bd. 33 (Origenes, Bd. VIII), Leipzig 1925, 318. Zu Vincentius Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 132 Anm. 651. Zum Brief an Vincentius, der der Übersetzung der Predigten des Origenes vorangestellt ist, Nautin, Lettre 27–29. 55 Zu späteren Unterstützungen, die Hieronymus vonseiten seiner wohlhabenden „Freunde“ empfing, Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 133. Die Schwäche seiner Augen, die Hieronymus beklagt, hat spätere Künstler veranlasst, ihn mit einer Brille auszustatten. Vgl. zu diesem anachronistischen Element Paris, Saint Jérôme 27 (mit Abb. eines Gemäldes von Jan Metsys), sowie das im Besitz der britischen Königsfamilie befindliche Gemälde von Georges de la Tour (Saint Jérôme – Georges de la Tour, Exposition Vic sur Seille 1er sept. – 20 déc. 2013, Saint-Étienne 2013, S. 122: Katalog Nr. 5). 56 Chronik ed. Helm, S. 212; 215. 57 Rebenich, Jerome 27 f. Vgl. auch ders., Asceticism, Orthodoxy and Patronage 373. 58 Chronik ed. Helm, S. 7. Zu Hieronymus’ Plänen, historische Schriften zu verfassen, Murphy, St. Jerome as an Historian 115, 127. Zu seiner Einschätzung der ‚außenpolitischen’ Lage Palanque, St. Jerome and the Barbarians 176 f. In seiner „Vita des Malchus“ (Kap. 1) hatte Hieronymus angekündigt, später einmal „die Geschichte von der Ankunft des Erlösers bis auf unsere Zeit, d. h. von den Aposteln bis auf den Verfall in unseren Tagen niederzuschreiben“. Dieses nicht umgesetzte Vorhaben wird am Anfang des sogenannten Martyrologium Hieronymianum zitiert, einer Auflistung frühchristlicher Märtyrer, die vorgibt, von Hieronymus verfasst worden zu sein (Acta sanctorum Bd. 71, Turnhout 1894 [ND 1971]). 59 Clauss, Ein neuer Gott 221. 60 A. Wlosok in: Herzog, Restauration und Erneuerung 366. 61 Vgl. dagegen die Überlegungen von Edwards, Religions 33–35 (326 als mögliches Todesjahr des Arnobius). 62 Zum Jahr 329: Iuvencus presbyter natione Hispanus evangelia herocis versibus explicat. 63 Zum Jahr 330: Metrodorus philosophus agnoscitur. 64 Vgl. Jeanjean – Lançon, Saint Jérôme – Chronique 79, Anm. h. 65 Zum Jahr 336; Hieronymus nennt den Namen der Tochter (Eunomia) hier nicht. 66 Zum Jahr 353. 67 Zum Jahr 354. 68 Zum Jahr 355: florentissime docent. 69 Zum Jahr 358. 301
Anmerkungen
70 Zum Jahr 363. Vgl. Jeanjean – Lançon, Saint Jérôme – Chronique 98, Anm. f. 71 Zum Jahr 368: Libanius Antiochenus rhetor insignis habetur. 72 Hieronymus vermerkt auch die Tätigkeit von gebildeten hohen Amtsträgern (z. B. zum Jahr 345: Titianus, vir eloquens, als praefectus praetorio Galliarum). 73 Zu Eusebs Umgang mit der antiken Bildung Winkelmann, Euseb von Kaisareia 143. 74 Clauss, Athanasius 12, 165; ders., Ein neuer Gott 358. 75 Macedonius: zu den Jahren 342 und 359; Apollinaris: zum Jahr 365; Eunomius: zum Jahr 373. 76 Zum Jahr 335: Constantinus cum liberis suis honorificas ad Antonium litteras mittit. Zum Jahr 356: Sarmata, Amatas et Macarius discipuli Antonii insignes habentur. 77 Zum Jahr 377: insignes habentur. Diesen Eintrag soll Hieronymus später, nachdem der Konflikt mit Rufin aufgekommen war, aus seinem Exemplar der Chronik wieder gelöscht haben (Rufin, apol. contra Hier. II 28). 78 Zum Jahr 374. 79 Antonius Monachus CV aetatis anno in heremo moritur. 80 … solitus multis ad se venientibus de Paulo quodam Thebaeo mirae beatudinis referre ... 81 … cuius nos exitum brevi libello explicuimus. 82 Rebenich, Asceticism, Orthodoxy and Patronage 374. 83 Zum Jahr 362: … qui se numquam haereticorum communione polluerat … 84 Zum Jahr 360: … exilii iustissimam causam subita fidei mutatione delusit. 85 Vgl. Jeanjean – Lançon, Saint Jérôme – Chronique 99, Anm. d; Anatolios, Discours of the Trinity 442. 86 Constantio Romam ingresso ossa Andreae apostoli et Lucae evangelistae a Constantinopolitanis miro favore suscepta. 87 Nicomedia terrae motu funditus eversa vicinis urbibus ex parte vexatis. Paulinus Trevirorum episcopus in Frygia exulans moritur. 88 Zum Jahr 341. 89 Omnes paene toto orbe ecclesiae sub nomine pacis et regis Arrianorum consortio polluntur. 90 Zum Jahr 366: Valens ab Eudoxio Arrianorum episcopo baptizatus nostros persequitur. 91 Zum Jahr 378. 92 Zum Jahr 378: In quo deserente equitum praesidio Romanae legiones a Gothis cinctae usque ad internecionem caesae sunt. Ipse imperator Valens ... ad cuisdam villulae casam deportatus est. Quo persequentibus barbaris et incensa domo sepultura quoque caruit. 93 Zum Jahr 378: ... deserente equitum praesidio ... 94 Zum Jahr 348: Bellum Persicum nocturnum aput Singaram, in quo haut dubium victoriam militum stolidditate perdidimus. 95 Jeanjean – Lançon, Saint Jérôme – Chronique 47–53. 96 Zum Jahr 356: Julians Sieg über die Alamannen; zum Jahr 377: Gratians Sieg über die Alamannen bei Argentovaria. 97 Zum Jahr 373: Sieg über Sachsen, zugleich Vorrücken der Burgunder bis zum Rhein; zum Jahr 375: Sarmaten verwüsten Pannonien. 98 Ep. 127,7. 99 Ortiz de Urbina, Nizäa und Konstantinopel 244–249. 100 Sozom., Kirchengeschichte 7,11. Vgl. Kelly, Jerome 57 f.; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 142. 101 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 94; ders., Jerome: The „vir trilinguis“ 58–63; Newman, How should we measure Jerome’s Hebrew competence?, bes. 132 mit Anm. 7 (weitere Literatur) und 134 f. (begrenzte, vor allem mündliche Hebräisch-Kenntnisse des Hieronymus, der stark von seinen jüdischen Gesprächspartnern abhängig war). Vgl. auch Stemberger, Hieronymus und die Juden seiner Zeit, 66 f. 102 Cavallera, Saint Jérôme, Bd. I 75; Joannou, Die Ostkirche 266–271. 103 Zum Konzil Pietri, Roma Christiana, Bd. I 866–872; Piganiol, L’Empire chrétien 249. 104 Ritter, Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte 230–235; Mühlenberg, Apollinaris 159–171; H. Ch. Bennecke, „Apollinaristischer Arianismus“ oder „arianischer Apol302
Anmerkungen
linarismus“ – Ein dogmengeschichtliches Konstrukt? „Arianische“ Christologie und Apollinarius von Laodicea, in: Bergjahn – Gleede – Heimgartner (Hgg.), Apollinarius, 73–92. 105 Kelly, Jerome 81; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 143. 106 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 74. 107 Zur Geschichte des Kanons des Neuen Testaments Metzger, The Canon, dabei zu Hieronymus bes. 234–236. 108 Rade, Damasus 145–147; Reutter, Damasus 468–513. 109 Clauss, Athanasius 212 f. 110 Neil, Christian culture 318. 111 Rice, Jerome in the Renaissance 35–37. 112 In der Legenda Aurea wird ihm diese Stellung unter dem Papst Liberius zugeschrieben: Kap. 33. 113 Rice, Jerome in the Renaissance 35. 114 Rice, Jerome in the Renaissance 37. 115 Rice, Jerome in the Renaissance 23; 209, Anm. 3. 116 Rice, Jerome in the Renaissance 35. 117 Paris, Saint Jérôme 27. 118 Rice, Jerome in the Renaissance 37, Abb. 13. 119 Rice, Jerome in the Renaissance 108. 120 Heute in der National Gallery in London. 121 Abb. 32 bei Rice, Jerome in the Renaissance; heute im Detroit Institute of Arts. 122 Zöckler, Hieronymus 91; Murphy, The Irascible Hermit 7; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 144. 123 Ep. 123,9 (geschrieben 409): … ante annos plurimos, quum in chartis ecclesiasticis juvarem Damasum, Romanae urbis episcopum, et Orientis atque Occidentis synodicis consulationibus responderem … 124 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 144 mit A. 23. Vgl. schon Piagniol, L’Empire chrétien 255 und Kelly, Jerome 82 f. 125 Hieronymus spricht von einem hospitiolum („kleiner Gasthof“), ohne dessen Lage näher anzugeben: ep. 42,3; vgl. Kelly, Jerome 85 mit Anm. 30. 126 Ep. 45,3. 127 De vir. ill. 103. 128 Vgl. Rade, Damasus 148–159; Reutter, Damasus 111–153. D. Trout (Hg.), Damasus of Rome. The Epigraphic Poetry, Oxford 2015. 129 Hieronymus anwortete mit ep. 20, in der er auf der Grundlage seiner Hebräisch-Kenntnisse darlegte, dass das Neue Testament einige Begriffe (wie „Amen“ oder „Halleluja“) aus dem Hebräischen übernommen habe. 130 Ep. 36. Zu weiteren theologischen Untersuchungen, die Hieronymus an Damasus adressiert hat (ep. 18A und 18B), Kelly, Jerome 78. 131 Hieronymus zitiert aus dem ansonsten nicht überlieferten Schreiben des Damasus in seinem Antwortbrief (ep. 21,1). 132 Ep. 21,2 f. 133 Ep. 21,34. 134 Damasus als Urheber der Bibelrevision z. B. bei Rade, Damasus 144 f.; Antin, Recueil sur saint Jérôme 128. 135 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 150 f. 136 Klauser, Liturgiesprache 185. 137 Skehan, St. Jerome and the Canon 273–279; Fürst, Hieronymus 83–91. 138 Kelly, Jerome 88; 158 f. (zum Ausmaß seiner Revision des Alten Testaments); 161 (zum Stand der Neuübersetzungen aus dem Hebräischen Ende 392); Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 51. Vgl. auch Kelly 65 zu Hieronymus’ Behauptung (de vir. ill. 3), er habe eine Kopie der hebräischen Fassung des Matthäus-Evangeliums (= Nazaräerevangelium) angefertigt, sowie 78 und 223 als Beispiele dafür, wie Hieronymus seine Abhängigkeit von Origenes verdeckt (zu ep. 18A,15 und zum Matthäus-Kommentar). Vgl. auch Kelly 292 zur Abhängigkeit von Hieronymus’ Zacharias-Kommentar von Didymus 303
Anmerkungen
sowie Batiffol, Les sources de l’„Altercatio Luciferiani et Orthodoxi“ 102 f. zu Hieronymus’ Übernahmen aus Ps.-Tertullians Libellus adversus omnes haereses. 139 … tot enim sunt exemplaria pene quot codices. Vgl. Favez, Saint Jérôme 13 f. 140 Ep. 27,3. Zum Brief vgl. Kelly, Jerome 89 f. 141 Ibid. 142 Fürst, Origenes 85–93. 143 Praefatio evangeliorum ad Damasum (PL 29, 558). Hieronymus nahm Lucianus später in seinen Schriftstellerkatalog auf und stellte ihm ein positives Zeugnis aus, während Hesychius hier übergangen wird und überhaupt nur durch wenige Hinweise im Werk des Hieronymus bekannt ist. 144 … pius labor, sed periculosa praesumptio 145 Praefatio evangeliorum ad Damasum (PL 29, 559). 146 Ep. 27,1. 147 Fürst, Efeu oder Kürbis?; Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 59 f.; Kugelmeier, Translatio – traditio – veritas 162, 171 f. Zum Vorwurf, Hieronymus habe aufgrund fehlerhafter Übersetzung Mose zum „Gehörnten“ gemacht, Zwink, Die lateinische Biblia Sacra Vulgata 19 f. Zur Wirkung von Hieronymus’ Bibelübersetzung auf die Sprache der Kirche im Westen Marc’Hadour, La Vulgate en Occident 466. 148 Ep. 112,21. Zu Hieronymus als Übersetzer Weigert, Hebraica veritas 25–67; Kugelmeier, Translatio – traditio – veritas 166–173 (zu ep. 106 an die Goten Sunnia und Fretela, in der Hieronymus die mit der Übersetzung verbundenen Schwierigkeiten reflektiert; vgl. zu diesem Brief auch Zeiller, Saint Jérôme et les Goths). 149 Zu dem zugrunde liegenden Konzept, Frauen und Männer als „geistliche Personen“ zu sehen, sowie zur Anziehungskraft, die von Hieronymus ausging, Brown, Keuschheit der Engel 379 f. (380: Hieronymus als ein „monastischer Jean-Jacques Rousseau“). 150 Kelly, Jerome 92–96; 305; Fürst, Hieronymus 211 f. 151 Ep. 127,1. Zum Brief Cain, Rethinking Jerome’s Portraits of Holy Women 52–56. 152 Ep. 127,2. 153 Antin, Recueil sur saint Jérôme 316; Hartmann, Frauen in der Antike 146. Zum Ideal der Jungfräulichkeit und der Ablehnung der Ehe vgl. Kelly, 102; Brown, Keuschheit der Engel, bes. 384 f. 154 Ep. 127,4. 155 Ep. 127,5. Zu Pachomius und seiner Klosterregel, die Hieronymus erst 404 n. Chr. in die lateinische Sprache übersetzt hat, Kelly, Jerome 133, 280–282; Elm, Virgins of God 289; Lauster, Verzauberung 144; Clauss, Ein neuer Gott 280 f. 156 Clauss, Athanasius 102, 113. 157 Kelly, Jerome 92; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 157. 158 Ep. 127,8. 159 Ep. 39,5. Vgl. Fürst, Hieronymus 215 f. 160 Zu Melania und Rufinus Hunt, Holy Land Pilgrimage 168–171. 161 Ep. 4,2. 162 Rebenich, Jerome 38. 163 „Drei Bücher über die Jungfrauen an die Schwester Marcellina“; „Über die Jungfräulichkeit“; „Unterweisung einer Jungfrau und die immerwährende Jungfräulichkeit der heiligen Maria an Eusebius“; „Ermunterung zur Jungfräulichkeit“. 164 Fuhrer, Augustinus 168. 165 Hunter, Helvidius, Jovinian, and the Virginity of Mary 51–58. 166 De vir. ill. 32. Vgl. Grützmacher, Hieronymus Bd. I 270. Zur Frage, ob Helvidius tatsächlich Kleriker war, Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 176, Anm. 223. 167 Gegen Helvidius 1. Zu dieser Schrift Kelly, Jerome 104–107 (106: „a dialectical masterpiece“); Hunter, Helvidius, Jovinian, and the Virginity of Mary 48–50. 168 Vgl. Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. II Leipzig 1878, 558 f. (s. v. Bonosus, Bonosianer). 169 Gegen Helvidius 16. 170 Gegen Helvidius 5. 304
Anmerkungen
171 Gegen Helvidius 6. 172 Gegen Helvidius 14. 173 Gegen Helvidius 14. 174 Gegen Helvidius 19. 175 Gegen Helvidius 20. 176 Ep. 127,7. 177 Ep. 127,10. Vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 127. 178 Ep. 39,1. 179 Ep. 127,5. 180 Ep. 24,2. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 157; Cain, Rethinking Jerome’s Portraits of Holy Women 49–51. 181 Ep. 24,3. 182 Ep. 24,3: Jejunium pro ludo habuit, inediam pro refectione. 183 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 157. 184 Ep. 23,2. Hier spricht Hieronymus ausdrücklich von einem monasterium. 185 Ep. 23,1. 186 Kahlos, Vettius Agorius Praetextatus 35–49. 187 Ep. 23,3. Vgl. Kahlos, Vettius Agorius Praetextatus 160–162. 188 Rice, Jerome in the Renaissance 206, Anm. 35, H. D. Russell, Claude Lorrain, 1600–1682, Washington 1982, Nr. 27, 140 f. – Ostia wurde zwar auch in der Spätantike noch als Hafen genutzt, doch dürfte Hieronymus von Portus aufgebrochen sein, wo Pammachius wenige Jahre später seine Pilgerherberge errichtete (ep. 66,11); vgl. Kelly, Jerome 116. 189 Ep. 108,6. 190 Ep. 66,6. 191 Ibid. 192 Ep. 66,13. 193 Ep. 66,11. Vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 105; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 199. 194 Ep. 108 (Nachruf auf Paula), 4. Zu diesem Brief Kelly, Jerome 278 f. 195 Ep. 107,3. Vgl. Vuolanto, Children and Asceticism 188. 196 Fürst, Hieronymus 227 f. Vgl. zum Brief und zu Hieronymus’ Erziehungsvorschlägen, die zum Teil von Quintilian übernommen sind, auch Hagendahl, Latin Fathers and the Classics 196–202; Kelly, Jerome 273–275. 197 Ep. 108,3. 198 Ep. 108,1. 199 Ep. 108,2. 200 Ep. 45,3. 201 Ep. 108,5; 15. 202 Ep. 108,5. 203 Ep. 108,4. 204 Vgl. zu den Geschwistern ep. 108,6. 205 Ep. 108,2. Vgl. auch ep. 45,3. 206 Ep. 107,5. 207 Ep. 22,28. 208 Kelly, Jerome 82; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 159 f. 209 Hier., Contra loh. 8. Vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 319; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 161; Clauss, Ein neuer Gott 212. 210 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 152. 211 Ep. 127,9. 212 Ep. 45,2. 213 Ep. 45,6. 214 Jungblut, Hieronymus 4. 215 Rice, Jerome in the Renaissance 33 (Abb. 1). 216 Jungblut, Hieronymus 6. Vgl. A. Goldschmidt, Elfenbeinreliefs aus der Zeit Karls des Großen, Jahrbuch der Kgl. Preuß. Kunstsammlungen, Berlin 1905, 47 f. 305
Anmerkungen
217 Jungblut, Hieronymus 6. 218 Jungblut, Hieronymus 8–10; Rice, Jerome in the Renaissance 26–28. 219 H. Schade, Studien zu der karolingischen Bilderbibel aus St. Paul vor den Mauern in Rom, Wallraf-Richartz-Jahrbuch 21, 1959, 9 f., 22, 1960, 13 f. 220 Jungblut, Hieronymus 8.
5. Kapitel: Auf Pilgerfahrt 1 2 3 4 5 6 7 8
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Contra Rufin. III 22. Ep. 108,7. Ep. 108,7. Schlange-Schöningen, Helenas Reise in das Heilige Land 107. Kelly, Jerome 124; Elm, Virgins of God 273 f. Ep. 108,8. Vgl. auch Penth, Pilgerfahrten 63–66. Saresta [sic], oppidum Sidoniorum in via publica situm: ubi habitavit quondam Elias. Itin. Burd. 583 f.: ciuitas sidona milia viii / inde sarepta milia viiii. / Ibi helias ad uiduam ascendit et petiit sibi cibum. / Mutatio ad nonum milia iiii … Ep. 108,8. Itin. Burd. 585: Ibi est mons carmelus, ibi helias sacrificium faciebat. Itin. Burd. 585: Ibi est balneus cornelii centurionis, qui multas elymosynas faciebat. Anders Kelly, Jerome 118 f. Ep. 108,8: Deinde Antipatra, semirutum oppidum, quod de patris nomine Herodes vocaverat. Vgl. auch den Eintrag im Onomasticon: Nabbe, sive Nobba, ad quam ascendit Gedeon, urbs sacerdotibus separata, quam postea legimus Saulis furore subversam (De situ et nomin. loc. Hebraic. [PL 23, 961]; Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bd. 11/1 [Eusebius, Bd. III/1], Leipzig 1904, 139). Der Rās el-Mešāref am Skopusberg sowie der Rās et -Tamı̄m, der am Osthang des Öl̇ ̇ bergs liegt. … ut aliquid perstringam de fabulis Poetarum … Zum Andromeda-Mythus bei Hieronymus vgl. Ronnenberg, Mythos bei Hieronymus 103–109. In der lateinischen Vulgata des Hieronymus, der dem ursprünglichen hebräischen Wortlaut folgt, wird daraus wieder ein „großer Fisch“ (piscis grandis). W. H. Roscher, Art. Andromeda, in: Wilhelm Heinrich Roscher (Hg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,1, Leipzig 1886, 345–347. In Ioniam I 3b: Scit eruditus lector historiam. In Ioniam I 3b: Hic locus est in quo usque hodie saxa monstrantur in litore in quibus Andromeda religata Persei quondam sit liberata praesido. R. Riesner, Amwas / Nikopolis – Das Emmaus von Lukas 24,13, in: K.-H. und L. Fleckenstein (Hgg.), Emmaus – Nicopolis, Ausgrabungen 2001–2005, Neckenmarkt 2010, 30– 63. Josephus, Jüdische Altertümer 17,10,7–9. Euseb, Chronik, zum Jahr 221. Sunt autdem duo vicini duoecim ferme ab Aelia lapide Nicopolim pergentibus … H. Donner, The Mosaic Map of Madaba. An Introductory Guide, Kampen 1992, 53. Ep. 108,8. Euseb, Kirchengeschichte II 12. Abel, Saint Jérôme et Jérusalem 149. Kelly, Jerome 120; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 193. G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 9. Aufl. München 2011, 14 f.; 20–22. Bidez, Kaiser Julian 197–200. Montefiore, Jerusalem 213 f. Zu Rom vgl. Diefenbach, Kaiserkult und Totenkult 66–72. Schlange-Schöningen, Helenas Reise in das Heilige Land 103 f. Vita Constantini III 41; vgl. auch Eusebs Laus Constantini IX 17. Vita Constantini III 30. Vita Constantini III 26 f.
306
Anmerkungen
37 Penth, Pilgerfahrten 22–27; Schlange-Schöningen, Helenas Reise in das Heilige Land 105 f. Vgl. auch R. L. Wilken, Eusebius and the Christian Holy Land, in: H. W. Attridge – G. Hata (Hgg.), Eusebius, Christianity, and Iudaism, Leiden 1992, 736–760, hier 744. 38 J. W. Drijvers, Helena Augusta. The Mother of Constantine the Great and the Legend of Her Finding of the True Cross, Leiden 1992, 90 f. 39 Ep. 108,9. Kelly, Jerome 122, Anm. 33, weist darauf hin, dass das angeblich von Helena gefundene Kreuz den Pilgern nur selten gezeigt wurde; Paula betete also vor einem „commemorative cross“. 40 Manche Besuchsziele in Jerusalem beruhten auf Angaben in den Apokryphen: Abel, Saint Jérôme et Jérusalem 142–144. 41 Palladius, Hist. Laus. 41. Vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 53; Kelly, Jerome 121, 131. 42 Hunt, Holy Land Pilgrimage 172 f. 43 Fürst, Hieronymus 215. 44 Kelly, Jerome 128; Hunt, Holy Land Pilgrimage 174. 45 Vgl. dagegen Hunt, Holy Land Pilgrimage 172, der auf die Beherbungsmöglichkeiten verweist, die nahe der Grabeskirche lagen. 46 Ep. 108,10. 47 Ep. 108,10. Zu Paulas Vision vgl. Hunt, Holy Land Pilgrimage 87. 48 Ep. 108,10. 49 Ep. 108,11. Der Name der Stadt verweist auf Bildungseinrichtungen oder auf eine frühe Nutzung der Schrift durch die Kanaanäer: M. G. Easton, Illustrated Bible Dictionary, New York 1893, 410. 50 Ep. 108,11. 51 Ep. 108,12. 52 Ep. 108,13. 53 Schade, Hieronymus, Bd. I, 1914, 117, Anm. 3. 54 Eine entsprechende Schilderung findet sich auch in der Kirchengeschichte Eusebs (8,9,1–4); vgl. dazu Clauss, Ein neuer Gott 124 f. 55 Vgl. R. Riesner, Nazaret, in: M. Görg – B. Lang, Neues Bibel-Lexikon, Bd. II, Zürich 1995, 909–912. 56 Rousseau, Pachomius 77–86; Grabner-Haider – Maier, Kulturgeschichte 164 ff.; Merkt, Das frühe christliche Mönchtum 66–83. Zur Lebensweise der ägyptischen Mönche vgl. Mossakowska-Gaubert, Alimentation 27–32. 57 Schade, Hieronymus, Bd. I, 1914, S. 119, Anm. 4. 58 Kelly, Jerome 125; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 194, Anm. 314. 59 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 148. 60 Ep. 108,14. 61 Historia Lausiaca 1. 62 Historia Lausiaca 7. 63 Historia Lausiaca 32. 64 Ep. 108,14. 65 Historia Lausiaca 1.
6. Kapitel: Bethlehem
1 Ep. 46,11: ecce in hoc parvo terrae foramine caelorum conditor natus est. Zu diesem Brief an Marcella vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 298; Maraval, Pèlerinages 346– 350. 2 Homilia de nativitate Domini (CCSL LXXVIII 524 f.). Vgl. Kelly, Jerome 131. 3 Ep. 108,19. Vgl. Brown, Keuschheit der Engel 374 f. 4 Ep. 61,3. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 233; 242. 5 Unter den Mönchen im Kloster in Bethlehem werden sich nicht nur Männer aus dem lateinischen Westen, sondern auch aus dem Osten des Reiches befunden haben. Vgl. zu Hieronymus’ Zuhörerkreis Jay, Jérôme à Bethléem 377. Antin, Recueil sur saint Jérôme 48 weist darauf hin, dass Hieronymus in seinen Predigten in Bethlehem die heidnische Literatur sehr selten zitiert. Vgl. auch Hagendahl – Waszink, Hieronymus 129 zur da307
Anmerkungen
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gegen starken Rezeption heidnischer Autoren in den Bibelkommentaren des Hieronymus sowie Kelly, Jerome 42 f., 84; 213 zu den Entwicklungsstufen in Hieronymus’ Umgang mit der heidnischen Literatur. Kelly, Jerome 135. Möglicherweise, so Kelly, habe Hieronymus seinerseits auch in Jerusalem gepredigt (135 f. mit Anm. 45). Ep. 108, 20. Ep. 71,7. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 294. Ibid. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 197. Das gilt auch für Lucinus, der von der Iberischen Halbinsel aus gegen Ende des 4. Jahrhunderts sechs Schreiber nach Bethlehem schickte; vgl. auch dazu Rebenich, 294 f. Zur Bibliothek in Bethlehem vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 266. Rufin behauptet, Hieronymus habe durch Mönche in Jerusalem Cicero-Texte kopieren lassen: apol. contra Hier. II 11; vgl. Kelly, Jerome 136. Vgl. auch apol. contra Hier. II 8 und dazu Murphy, Rufinus of Aquileia 57. Comm. in Ezechielem VII prol. (CCSL LXXV 277 f.). Vgl. Kelly, Jerome 308. Contra Ioh. 42. Vgl. Kelly, Jerome 137. Hieronymus betont allerdings, dass die Anzahl der Taufbewerber besonders hoch war, weil man aufgrund einer Sonnenfinsternis mit dem baldigen Weltenende gerechnet habe. Apol. contra Hier. II 8. Vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 119; Kelly, Jerome 137. Immerhin ist in dem von Hieronymus übersetzten Brief des Epiphanius aus dem Jahr 394 (ep. 51,1) von „einer großen Anzahl von Mönchen“ (multitudo sanctorum fratrum) im Kloster von Bethlehem die Rede. Vgl. Kelly, Jerome 133. Ep. 66,13; 108,15. Vgl. Kelly, Jerome 132. Ep. 108,17. Ep. 108,19. Zum Beispiel der aus Xenophons Symposium bekannte Nikeratos (3,5). Ep. 108,26. Ibid. Zu diesen Besuchern zählten u. a. Eusebius von Cremona, Oceanus und Artemia, außerdem Vigilantius und Sisinnius, die als Brief- und Geldboten hierhergelangten. Zu beachten ist auch Hieronymus’ Versuch, Paulinus von Nola zur Übersiedlung sowie Lucinus zu einer Pilgerfahrt nach Bethlehem zu bewegen; damit war sicher die Hoffnung verbunden, finanzielle Mittel für die Klöster zu gewinnen. Vgl. zu den genannten Personen Kelly, Jerome 138; 226; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 229 f., 231–234, 240, 244–246, 275, 284, 294, sowie die Einträge bei Fürst, Hieronymus. Über Postumianus, der in den Dialogen des Sulpicius Severus auftritt, ist sogar zu erfahren, dass er ein halbes Jahr bei Hieronymus in Bethlehem verbracht hat; vgl. Cavallera, The Personality of St. Jerome 28; Rebenich, 256 f.; Fürst 234. Ep. 108,15: Et usuras tribuens, versuram quoque saepius faciebat, ut nulli stipem rogantium denegaret. Ep. 108,19; Matth. 16,26. Ep. 66,14. Ep. 108,27. Zu Melania Demandt, Die Spätantike 339. Zu Paulas Vermögen und zu Hinweisen auf Landbesitz Paulas in Epirus Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 193 f. CTh. XVI 2,2. Vgl. bereits CTh. XVI 2,3 aus dem Jahr 329. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 194 f. Zu den gesetzlichen Einschränkungen, denen Kleriker ab 370 im Hinblick auf Erbschaften unterworfen wurden, vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 312. Ep. 108,29. Vgl. Clauss, Ein neuer Gott 258. Ep. 108,31. Vgl. auch Rebenich, Inventing an Ascetic Hero 26 zu Hieronymus’ Vita Pauli: Auch Paulus und Antonius hatten Hieronymus zufolge als milites Christi zu gelten.
308
Anmerkungen
33 Ep. 108,33. Sivan, Palestine 34 f. Vgl. auch Kelly, Jerome 278 f. Um die Bedeutung seines Gedenkbriefes als „Monument der Erinnerung“ herauszustellen, zitiert Hieronymus am Ende (ep. 108,33) wieder einmal Horaz. Dazu Hagendahl, Latin Fathers and the Classics 247. 34 Ep. 46,5. Später, in der Zeit des Konflikts mit Rufinus und Johannes von Jerusalem, hat sich Hieronymus kritisch über Jerusalem als Großstadt geäußert (ep. 58 an Paulinus); vgl. dazu Abel, Saint Jérôme et Jérusalem 133 f.; Hunt, Holy Land Pilgrimage 149–151; Maraval, Pèlerinages 350–353; Penth, Pilgerfahrten 29–31. 35 Ep. 46,10. 36 Ep. 46,11. 37 Ep. 46,12. Zum spätantiken Bethlehem vgl. Kelly, Jerome 129. 38 Einschränkend dazu Kelly, Jerome 155. 39 Jacobus de Voragine, Legenda Aurea, De sancto Ieronimo, Kap. 54–58. 40 A. a. O., Kap. 87. 41 Vaccari, Le antiche vite di S. Girolamo 5–14; Lanzoni, La leggenda di S. Girolamo 30– 35; Rice, Jerome in the Renaissance 23 ff., 208 f. Anm.2. 42 Vaccari, Le antiche vite di S. Girolamo 12–14; G. Huber-Rebenich, Hieronymus und der Löwe, zeigt, dass Hieronymus in dieser Vita wie das Ideal eines Benediktiner-Abtes erscheint. 43 Rice, Jerome in the Renaissance 43. 44 PL 22, 210 ff. 45 Jungblut, Hieronymus 23; Rice, Jerome in the Renaissance 39, 43 ff.; N. Werner, Der Kirchenvater mit dem Löwen. Zur Ikonographie des heiligen Hieronymus, in: Xenia von Ertzdorff (Hg.), Die Romane von dem Ritter mit dem Löwen, Amsterdam 1995, 564 f. 46 Jean Moschus, Le Pré Spirituel, hg. und übers. von M.-J. Rouët de Journel, S. J., Paris 1946, 154–157. Vgl. D. Jäckel, Der Herrscher als Löwe. Ursprung und Gebrauch eines politischen Symbols im Früh- und Hochmittelalter, Köln 2006, 163. 47 Vgl. auch Rice, Jerome in the Renaissance 39, zur Löwengeschichte in der Vita des heiligen Sabas. 48 Vita Pauli 16. 49 Jungblut, Hieronymus 26 f.; Rice, Jerome in the Renaissance 40. 50 De vir. ill. 7; vgl. Rice, Jerome in the Renaissance 1985, 214 Anm. 47. 51 Plinius, Hist. nat. VIII 56. 52 Aulus Gellius V 14. 53 C. Schäfer, Kleopatra, Darmstadt 2006, 175–178. 54 Friedmann, Bestiary 229–268; Paris, Saint Jérôme 39–56. 55 K. Löffler, Schwäbische Buchmalerei in romanischer Zeit, Augsburg 1928, Taf. 28; Jungblut, Hieronymus 28. 56 H. Swarzenski, Die lat. Illuminierten Handschriften des XIII. Jahrhunderts, Berlin 1936, Abb. 169, S. 97; Jungblut, Hieronymus 29 f. 57 Abb. 14 bei Rice, Jerome in the Renaissance 38. 58 J. Porcher, Les Belles Heures de Jean de France, Paris 1953, Taf. 123 ff.; Jungblut, Hieronymus 31 f. 59 Sibylle Lewitscharoff, Blumenberg, Berlin 2011. Vgl. auch Hans Blumenberg, Löwen, Frankfurt a. M. 2001. 60 Metzger, The Text of the New Testament 75 f. 61 K. Brodersen (Hg. und Übers.), Aristeas (Epistolographus) – Der König und die Bibel, Stuttgart 2008. Vgl. auch Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 63 62 Stegmüller, Überlieferungsgeschichte der Bibel 190 f. 63 Metzger, The Text of the New Testament 72. 64 Stegmüller, Überlieferungsgeschichte der Bibel 193 f. 65 Metzger, The Text of the New Testament 76. 66 Metzger, The Text of the New Testament 72. 309
Anmerkungen
67 M.-J. Lagrange, Introduction à l’étude du Nouveau Testament, 2. Teil, Paris 1935, S. 286 f. 68 Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 51. 69 Metzger, The Text of the New Testament 76; Fürst, Briefwechsel 165. 70 Zöckler, Hieronymus 181; Stegmüller, Überlieferungsgeschichte der Bibel 193; dagegen Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 52. 71 Zum Hebräisch-Unterricht, den Hieronymus in Bethlehem bei einem Juden namens Baraninas genommen hat (ep. 84,3), vgl. Kelly, Jerome 134; Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 61 f. Einschränkend zur Reichweite seiner Kenntnisse in dieser Sprache Stemberger, Hieronymus und die Juden 80 f. (74 f. zu Baraninas). 72 Zöckler, Hieronymus 179 f. Zur Bibliothek in Caesarea Kelly, Jerome 135. Gegen die Annahme mehrfacher Reisen des Hieronymus nach Caesarea Stemberger, Hieronymus und die Juden seiner Zeit 72 f. 73 Kelly, Jerome 159. 74 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 205; ders., Jerome: The „vir trilinguis“ 62 f. 75 Es sind 22 oder 24 Bücher, wenn Ruth und die Klagelieder des Jeremias für sich gezählt werden. Vgl. Kelly, Jerome 160 f.; Skehan, St. Jerome and the Canon 263–269. 76 Vgl. das Vorwort zur Übersetzung von Sprüchen, Prediger und Hohelied, gerichtet an Chromatius und Heliodor: PL 28, 1306 f. 77 Comm. in Job, prol. 78 Kelly, Jerome 221; Fürst, Kürbis oder Efeu?; Weigert, Hebraica veritas 40–42. 79 Comm. in Ionam IV 6. 80 Fürst, Kürbis oder Efeu? 317 zu einem ähnlichen, von Soz. I 11,8 f. berichteten Vorfall. 81 Ep. 112,22. Vgl. Fürst, Kürbis oder Efeu? 329. 82 Zu Desiderius Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 244 f. 83 Vgl. dagegen Augustinus, de civitate Dei XVIII 42: Die zweiundsiebzig Übersetzer unter Ptolemaios Philadelphos übersetzen jeder in seiner eigenen Zelle, mit dem Ergebnis, dass sie nicht in einem Wort voneinander abweichen: „Denn es war tatsächlich der eine Geist in ihnen allen“ (quoniam reuera spiritus erat unus in omnibus). 84 Prolog an Desiderius (PL 28, 183). 85 Prolog zu Hiob (PL 28, 1142). 86 W. Winkler, Luther. Ein deutscher Rebell, Berlin 2016, 435 f. 87 U. Klußmann, Eine Bibel für alle, in: A. Großbongardt – J. Saltzwedel (Hgg.), Die Bibel. Das mächtigste Buch der Welt, München 2015, 189 f. 88 Martin Luther, Annotierungen zu den Werken des Hieronymus. Hg. von M. Brecht – C. Peters, Köln 2000. 89 Tischrede Nr. 445. D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Tischreden Bd. I 195. Vgl. Fürst, Hieronymus 15 f. 90 Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 112 (Abb. 90); Winkler, Luther, 2016, 433 f. Erwähnt sei hier auch, dass Luthers Gegenspieler Albrecht von Brandenburg ebenfalls und mehrfach als Hieronymus gemalt wurde und zwar von Luthers Freund Cranach d. Ä. Das erste dieser Bilder stammt aus dem Jahr 1525 (Landesmuseum Darmstadt); hier greift Cranach einen Porträtstich auf, den Dürer 1518 von Albrecht angefertigt hatte. Zwei weitere Gemälde, die Albrecht als Hieronymus zeigen, befinden sich in München und in der Sammlung Ringling Sarasota in Florida (1526: „Albrecht von Mainz als hlg. Hieronymus beim Studieren“), ein drittes in Berlin zeigt Albrecht als Hieronymus beim Studium in der Wüste (Friedmann, A Bestiary for Saint Jerome 124, Abb. 102). Vgl. A. Tacke, Albrecht als heiliger Hieronymus. Damit „der Barbar überall dem Gelehrten weiche“, in: ders. (Hg.), Der Kardinal Albrecht von Brandenburg. Renaissancefürst und Mäzen, Bd. 2: Essays, Regensburg 2006, 117–130. 91 Tischreden Bd. I 487. 92 Tischrede Nr. 445. Vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 9. In der jüngeren Forschung ist oftmals darauf hingewiesen worden, dass Hieronymus’ theologische Fähigkeiten recht begrenzt waren; vgl. z. B. Kelly, Jerome 147 f. zu Hieronymus’ Paulus-Rezeption. 310
Anmerkungen
93 Lössl, Martin Luther’s Jerome 242–246. 94 Rice, Jerome in the Renaissance 138 f.; Lössl, Martin Luther’s Jerome 239 f. mit Anm. 17. 95 Rice, Jerome in the Renaissance 139 f. Vgl. auch Hamm, Hieronymus-Begeisterung 181. 96 Nachweise bei Fürst, Hieronymus 16. 97 Rice, Jerome in the Renaissance 116 ff. 98 Jungblut, Hieronymus 129; Erasmus, Briefe, hg. von W. Köhler, Leipzig 1938, 65 f. 99 Erasmus, Briefe 117 f. 100 Jungblut, Hieronymus 130; Erasmus, Enchiridion, hg. von H. Schiel, Olten 1952, 37 f. 101 C. Augustijn, Hieronymus in Luthers „De servo arbitrio“. Eine Teiluntersuchung zu Luthers Väterverständnis, in: W.-D. Hauschild – W. H. Neuser – C. Peters (Hgg.), Luthers Wirkung (FS M. Brecht), Stuttgart 1992, 193–208, bes. 197. Allerdings hat auch Hieronymus in der Auseinandersetzung mit Pelagius keinen Zweifel am Dogma der Erbsünde gelassen; vgl. Kelly, Jerome 320. 102 Rice, Jerome in the Renaissance 130; Rädle, Biographie als Declamatio 273 f. Zu Erasmus und seiner Hieronymus-Vita vgl. auch Collins, A Life Reconstituted 34–36; 37–45. 103 Rice, Jerome in the Renaissance 136. Zu einer kurzen, hagiographischen Lebensdarstellung des Hieronymus aus der Feder Melanchthons (1546) vgl. Rädle, Biographie als Declamatio. 104 Rice, Jerome in the Renaissance 124. 105 Rice, Jerome in the Renaissance 45 f., 147. 106 Lanzoni, La leggenda di S. Girolamo 22; Jungblut, Hieronymus 46; 155; Rice, Jerome in the Renaissance 149–151. 107 Rice, Jerome in the Renaissance 149 ff., 161 ff. 108 Kelly, Jerome 164. 109 Comm. in Ionam I 3. 110 Kelly, Jerome 165; Birnbaum, Der Kohelet-Kommentar des Hieronymus 11 f. 111 Comm. in Ionam I 5. 112 I 1 f. 113 I 4. 114 I 12. 115 I 3b. 116 IV 10 f. 117 Zu Hieronymus’ Geschichtskenntnissen Rebenich, Hieronymus und die Geschichte, bes. 35 (einschränkend zu seiner Kenntnis der griechischen Historiker). Zu Hieronymus Literaturkenntnis insgesamt Hagendahl – Waszink, Hieronymus 134–136. 118 Prol. 119 Prol. 120 I 3b. 121 II 1. 122 I 8. 123 Vgl. zu entsprechenden Argumenten z. B. im Kohelet-Kommentar Birnbaum, Der Kohelet-Kommentar des Hieronymus 35 f. 124 Comm. in Ionam I 13. Vgl. auch II 9. 125 III 5: Credidit Nineve et Israel incredulus perseverat. Vgl. Kelly, Jerome 301, zu den judenfeindlichen Aussagen im Jesaia-Kommentar. 126 Zur Substitutionstheologie Birnbaum, Der Kohelet-Kommentar des Hieronymus 36. 127 Comm. in Ionam I 3a. Vgl. auch IV 1; 9. 128 I 14. 129 Praefatio in librum Paralipomenon (PL 29, 423). In diesem Vorwort berichtet Hieronymus auch, dass er auf seinen Reisen durch Palästina von gelehrten Juden begleitet worden sei. Vgl. Kelly, Jerome 134 mit Anm. 39; Stemberger, Hieronymus und die Juden seiner Zeit 71. 130 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 204 f. 131 Praefatio in librum Tobiae (PL 29, 25 f.). Vgl. Kelly, Jerome 285. 311
Anmerkungen
132 Vgl. aber Newman, How should we measure Jerome’s Hebrew competence? 133. 133 Praefatio in Danielem (PL 28, 1358 f.). 134 Comm. in epistulam Pauli Apostoli ad Galatas (CCSL LXXVII A 158). 135 Ibid. 136 Zu den gelegentlichen Bemerkungen, die Hieronymus in seinen Briefen über seine schlechte Gesundheit macht, vgl. Lançon, Maladie et médecine 355–357. 137 Comm. in Matheum, praefatio (CCSL LXXVII 5). 138 Kelly, Jerome 145. 139 Comm. in epistulam Pauli Apostoli ad Ephesios (PL 26, 507). Vgl. Antin, Recueil sur saint Jérôme 150. 140 Hier ordnet er seine Kommentararbeit zeitlich ein. Er habe die Propheten nicht ihrer Ordnung nach kommentiert, sondern nach Vermögen und in Reaktion auf entsprechende Bitten. 141 Comm. in Amos III prol. (CCSL LXXVI 300). 142 Comm. in Ezechielem VII prol. (CCSL LXXV 277). Vgl. Palanque, St. Jerome and the Barbarians 193. 143 Fürst, Briefwechsel 13–21. Zum Briefwechsel insgesamt auch Kelly, Jerome 217–220, 263–272. 144 Augustinus, ep. 28,2. 145 Augustinus, ep. 40. 146 Kelly, Jerome 148; Fürst, Briefwechsel 27–51; ders., Hieronymus über die heilsame Täuschung. Vgl. auch Clauss, Ein neuer Gott 13 f. 147 Ep. 102,2: … in scripturarum campo iuvenis senem non provoces. Ähnlich auch in ep. 105,3 an Augustinus, geschrieben 403: Ego quondam miles nunc veteranus … Vgl. weiter Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 236 f., zu Hieronymus’ Verweigerung theologischer Aussagen im Briefwechsel mit Paulinus von Nola. 148 Ep. 112 aus dem Jahr 404 als Antwort auf ep. 71 des Augustinus. 149 Augustinus, ep. 71,4 in der Übersetzung von Fürst. 150 Fürst, Briefwechsel 162, Anm. 177. 151 Ep. 112. Vgl. Kelly, Jerome 269 f. 152 Ep. 112,22 153 Ep. 112,15. 154 Ep. 112,13. 155 Übersetzung Fürst; vgl. auch seine Erläuterungen in den Anm. 258 f. 156 Clauss, Ein neuer Gott 13 f. 157 Augustinus, ep. 82. 158 Ep. 112,20. Weigert, Hebraica veritas 25. Zum wichtigen Konzept der hebraica veritas vgl. Kelly, Jerome 153–167 = Kap. XV: From Septuagint to Hebrew Verity (bes. 160 zum antijüdischen Argument); 169 f. (Ablehnung durch Rufinus); Fürst, Hieronymus 107–111. 159 Augustinus, De civitate Dei XVIII 43. La Bonnardière, Jérôme ‘informateur’ d’Augustin au sujet d’Origène 43, Anm. 10 führt diese Haltung des Augustinus auf Hieronymus’ ep. 75,19 zurück. 160 Augustinus, De civitate Dei XVIII 44. 161 Fürst, Origenes. Theologie der Freiheit 13, 16–18; ders., Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft 83–100. 162 Die Nachrichten über den Konflikt wurden durch Boten und Besucher des Klosters in Bethlehem verbreitet. Eine besonders wichtige Rolle spielte der aus Gallien stammende Presbyter Vigilantius, der sich 395 für längere Zeit bei Hieronymus aufhielt, dann aber überstürzt abreiste und sich später als Anhänger der durch Johannes von Jerusalem, Rufin und Melania gebildeten Gegenpartei auch mit eigenen Schriften in den Streit um Origenes einmischte. Zu ihm, zur ep. 61, die Hieronymus gegen Vigilatius richtete, sowie zu Hieronymus’ späterer Kampfschrift contra Vigilantium vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 100; Kelly, Jerome 286–290; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 232–234; Fürst, Hieronymus 249 f. 163 Vgl. zum Ablauf des Konfliktes Lardet, Saint Jérôme – Apologie 1–75; Jeanjean, Saint 312
Anmerkungen
Jérôme et l’hérésie 38–42. Vgl. auch H. Görgemanns – H. Karpp (Hgg.), Origenes. Vier Bücher von den Prinzipien, Darmstadt 1976, 33–35. 164 Murphy, The Irascible Hermit 9 f. 165 De vir. ill. 114. Vgl. auch Kelly, Jerome 198, der aus dem Eintrag in de vir. ill. erschließt, Hieronymus habe die Schriften des Epiphanius erst später genauer gelesen. 166 Zu den Vorwürfen gegen Origenes Kelly, Jerome 197; Brochet, Saint Jérôme et ses ennemies 108–112. 167 Zöckler, Hieronymus 240. 168 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 131 f. 169 Murphy, Rufinus of Aquileia 68 f.; Lardet, Saint Jérôme – Apologie 30 f. 170 Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 211–219. 171 Contra Ioh. 42. Vgl. Kelly, Jerome 133. 172 Kelly, Jerome 260, und Rebenich, Jerome 43, nennen Epiphanius treffend einen „heresyhunter“. 173 Anatolios, Discourse on the Trinity 437 f. 174 Barcélo, Das Römische Reich im religiösen Wandel 69–88. 175 Lardet, Saint Jérôme – Apologie 35. 176 Ep. 57: de optimo genere interpretandi. Vgl. Bartelink, Hieronymus. Liber de optimo genere interpretandi (Epistula 57), Leiden 1980, 1–5; Kelly, Jerome 203; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 200. 177 Ep. 57,5–7 178 Ep. 57,4. 179 L. de Tillemont, Mémoires pour servir à l’histoire ecclésiastique, Bd. XII, Venedig 1732, 199. Vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 78. 180 Apol. contra Rufin. III 24; 33. Murphy, Rufinus of Aquileia 81. 181 Murphy, Rufinus of Aquileia 83. 182 Rufin, Epiloge to Pamphilus, in: A Select Library of Nicene and Post-Nicene Fathers of the Christian Church, Bd. III: Theodoret, Jerome, Gennadius, Rufinus: Historical Writings, etc., Peabody 1892 (ND 1969), 421–427. Vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 85. 183 Rufin, Epiloge to Pamphilus 426. 184 Brochet, Saint Jérôme et ses ennemies 192–217 ; Kelly, Jerome 231–234. 185 Rebenich, Jerome: The „vir trilinguis“ 53–55. Vgl. auch ders., Hieronymus und sein Kreis 272. Die Frage des Grades der Abhängigkeit muss für viele Schriften des Hieronymus gestellt werden, und dies nicht nur in Bezug auf Origenes. Vgl. z. B. Borgeais, La personnalité de Jérôme, zu seiner Schrift über die „berühmten Männer“, deren erster Teil zwar stark von Euseb abhängt, aber doch eigene Gestaltungen und Wertungen des Hieronymus erkennen lässt. Vgl. auch Kelly, Jerome 64, zum „Dialog gegen die Luciferaner“, 145 f. zu seinen Paulus-Kommentaren und 306 zu Hieronymus’ spätem Kommentar zu Ezechiel. Hieronymus hat seinerseits Ambrosius den Vorwurf gemacht, sich mit fremden Federn zu schmücken: Kelly 143 f. (auch zu den Hintergründen von Hieronymus’ Kritik am Bischof von Mailand); Fürst, Hieronymus 162. 186 Kelly, Jerome 305. 187 Kelly, Jerome 247 mit Anm. 29; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 201–206; Lardet, Saint Jérôme – Apologie 51. 188 Ep. 81. 189 Ep. 84. 190 Kelly, Jerome 303; Lardet, Saint Jérôme – Apologie 52 f. Zu Hieronymus’ eigener Übersetzung der Schrift des Origenes vgl. Crouzel, Jérôme traducteur, bes. 157–161. 191 Ep. 84. 192 Zu Theophilus’ Kurswechsel und seiner neuen Verbindung mit Hieronymus Kelly, Jerome 243 f.; 259–263. 193 PL 21, 623–628. 194 Murphy, Rufinus of Aquileia 134 f. 195 PL 21, 541–624. Zur Apologie Kelly, Jerome 249–251. Vgl. auch Hieronymus ep. 81,2 und dazu Lardet, Saint Jérôme – Apologie 64. 313
Anmerkungen
196 Kelly, Jerome 251–254. 197 Zur Datierung Lardet, Saint Jérôme – Apologie 71. 198 Apol. contra Rufin. III 21. Vgl. Kelly, Jerome 113 f., 254 ; Lardet, Saint Jérôme – Apologie 70. 199 Apol. contra Rufin. III 9. Vgl. Kelly, Jerome 256. 200 Comm. in Ezech. I prol. (CCSL LXXV 3). Vgl. Murphy, The Irascible Hermit 9; Lardet, Saint Jérôme – Apologie 75. 201 Vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 218–221; Kelly, Jerome 309–323 (bes. 312 f. zur ep. 130 an Demetrias); Jeanjean, Saint Jérôme et l’hérésie 63–73, 245–269. 202 Vgl. Brown, Augustinus von Hippo 298–329. Vgl. zur Lehre des Pelagius auch Jeanjean, Le Dialogus Attici et Critobuli 65–71. 203 Ep. 131 f. 204 Ep. 126. 205 Bibl. der Kirchenväter Bd. XV 338 f. Zum Dialog vgl. Kelly, Jerome 319 f.; Jeanjean, Le Dialogus Attici et Critobuli, zur versöhnlichen Haltung des Hieronymus bes. 63 f. Im Prolog zu seinem Jeremias-Kommentar bezeichnet Hieronymus indes Pelagius, ohne seinen Namen zu nennen, als indoctus calumniator („ungebildeten Verleumder“), der es gewagt hat, seinen Epheser-Kommentar zu kritisieren (PL 24, 706). 206 Kelly, Jerome 317 f. 207 Zweifel an der Verantwortung der Pelagianer äußert Fürst, Augustinus Briefe, Bd. II 451, Anm. 793. 208 In der Sammlung der Briefe des Hieronymus als ep. 137. 209 Zöckler, Hieronymus 314 f. 210 Ep. 136 f. Vgl. Kelly, Jerome 322; 327. 211 Ep. 141 (Fürst II 448). 212 Hieronymus, Vita Malchi 1. Vgl. Clauss, Ein neuer Gott 207. 213 Ep. 77,11. Zu Fabiola, die in Rom das erste Krankenhaus hatte bauen lassen (ep. 77,6), vgl. auch Lançon, Maladie et médecine 361. 214 Comm. in Epist. Pauli Apostoli ad Galatas (CCSL LXXVII A 80). Vgl. Sugano, Das Rombild des Hieronymus 20. 215 Ep. 107,1. 216 Ep. 107,2. Vgl. Clauss, Ein neuer Gott 392. 217 Ep. 107,2. 218 Ammianus XXII 16. 219 Marcus Diaconus, Vita Sancti Porphyrii 26 f. 220 Marcus Diaconus, Vita Sancti Porphyrii 41 ff. 221 In Esaiam 2,4 (CCSL LXXIII). Vgl. Sugano, Das Rombild des Hieronymus 97–101. 222 Demandt, Die Spätantike 156 f. 223 Heather, Invasion der Barbaren 56–59; 183–185. 224 Ep. 60,16. Dazu Palanque, St. Jerome and the Barbarians 182–185, 196. Vgl. auch die ep. 77 an Oceanus aus dem Jahr 400 und zu diesem Brief Palanque 180–182. 225 Palanque, St. Jerome and the Barbarians 189 f.; Demandt, Die Spätantike 174–176. 226 Schlange-Schöningen, Augustinus und der Fall Roms 145. 227 Ep. 127,12. Vgl. Kelly, Jerome 304 f. 228 Ep. 60,16 f. 229 Ep. 60,17. 230 Ep. 60,18. 231 Ep. 123. Vgl. Palanque, St. Jerome and the Barbarians 186–188. 232 Ep. 123,12; 1 Kor. 10,11. 233 Ep. 123,15. Vgl. auch ep. 126,2. 234 Ep. 123,7; 13. 235 Ep. 123,17. Zu ep. 123 und 125 Kelly, Jerome 297. 236 Comm. in Zachariam II prol. (CCSL LXXVI A 795). Kelly, Jerome 291. 237 Ep. 125,20. Hieronymus verdankte Exuperius auch finanzielle Unterstützung für die Klöster in Bethlehem; vgl. Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 263 f. 314
Anmerkungen
238 K. F. Stroheker, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948, 72 f.; Rebenich, Hieronymus und sein Kreis 285. 239 Ep. 123,16: scelere semibarbari proditioris … 240 Ep. 123,16 f. Vgl. Palanque, St. Jerome and the Barbarians 199 f. 241 Ep. 123,17. 242 Ep. 143,2. 243 Prosper Aquitanus: ed. Mommsen, Chron. Min. I (1892), 469. Vgl. Zöckler, Hieronymus 319; Murphy, The Irascible Hermit 10. Cavallera, St. Jérôme, Bd. II 56-63, hat dagegen die Auffassung vertreten, Hieronymus sei 419 verstorben. Dagegen Kelly, Jerome 330 f. mit Anm. 28. 244 Melania, Pinianus und Albina hatten zuvor in einem engen Verhältnis zu Pelagius gestanden; vgl. Murphy, Rufinus of Aquileia 213; Kelly, Jerome 328. 245 Kelly, Jerome 332. 246 PL 22, 237–240. Vgl. Rice, Jerome in the Renaissance 220 f., Anm. 17. 247 Lanzoni, La leggenda di S. Girolamo 36–39; Antin, Recueil sur saint Jérôme 44; Hamm, Hieronymus-Begeisterung 147 f. 248 Rice, Jerome in the Renaissance 220 f., Anm. 17. 249 Rice, Jerome in the Renaissance 64. 250 Biasiotti, Le memorie di S. Girolamo 243; Zu einer der Hieronymus-Darstellungen auf dem Altar Antin, Recueil sur saint Jérôme 23–26. 251 Rice, Jerome in the Renaissance 56–59. 252 Rice, Jerome in the Renaissance 57–59, 222 Anm. 24. Vgl. auch L. Cárdenas, Friedrich der Weise und das Wittenberger Heiltumsbuch, Berlin 2002, 50. Zu Philipp II., indes ohne Berücksichtigung des Hieronymus-Kopfes: G. Lazure, Possessing the Sacred: Monarchy and Identity in Philip II’s Relic Collection at the Escorial, Renaissance Quarterly 60, 58–93 (79, Anm. 70 zu einem Knochen des Kirchenvaters).
315
Sachregister A Abdias 195 Abraham 14, 27, 194, 211 Abtreibung 17 Acacius (Bischof) 127 Acacius (Statthalter) 27 Adam 16, 53 Adamiten 97 f. Adeodat 50 Adrianopel 123, 130, 268 f. Aelia Flacilla 120 Aemilianus Dexter 121 f. Aemilius Paullus 12 Aeneas 110, 178, 236 Agamemnon 159, 210 agentes in rebus 60 Agypten 84, 88, 11, 148, 165, 174, 189 f., 192, 197 ff., 211, 274 Ahab 175, 196 Aijalon 182 Akko 176 Alamannen 60 f. Alarich 145, 241, 261, 271 f., 275, 279 Albina 146 f., 281 Albinus 158 Alcimus 125 Alexander d.Gr. 176 Alexandria 42, 127, 142, 198, 216, 219, 247, 253, 258, 267 Almaengien, Jacob van 97 Alma-Tadema, Lawrence 22 f., 83 Altdorfer, Albrecht 101 Alypius 62, 64 Amatas 126 Ambrosius 11, 50, 68, 119, 132, 149, 169 Ammianus Marcellinus 267 Amphilochius 115 Anastasius I. (Papst) 258 Andrea, Giovanni d’282 Andreas (Reliquien) 128 Andromeda 179 f., 193, 236 Anianus von Celeda 280 f. Antichrist 196, 276, 278
316
Antiochia 8, 15, 25, 42, 47, 71 ff., 105 ff., 111 ff., 122, 125, 173, 183, 219 Antipatris 177 f. Antonius (Hlg.) 35 f., 62 ff., 74, 76, 80, 82, 84, 86 ff., 100, 105, 126, 147 f., 174, 197, 199, 215 Antonius (Mönch) 35 f. Antonius Marcellinus 148, 189 Apokalypse 277 Apollinaris von Laodicea 106 f., 126, 132 f., 255 Apostel 7, 11, 19, 49, 53, 75, 122, 140, 177, 225, 243, 254 Apronianus 256 Apuleius 52 Aquila 222, 226 Aquileia 33 ff., 39 f., 43, 48 f., 59, 68, 70 ff., 126 Aquileia, Konzil von 119 Arcadius 120 f., 200, 258, 279 Arianer 39, 46, 68, 71, 105 ff., 113 f., 116, 123, 126 ff., 147, 149, 196, 235, 249, 251, 258, 269, 273 Arimathia 178 Aristeas 225 Aristides von Milet 52 Arnobius 124 f. Arsenius 200 Artemis 150 Asella 145, 154, 158 f., 164 Askese 10, 12 f. 15 ff., 23 ff., 34, 36 f., 40 f., 59 f., 63 f., 66 f., 73 f., 82 f., 97 f., 112, 120, 130 f., 145 f., 153 ff., 163 f., 173, 188, 197, 200, 204 f., 209 f., 227, 232, 250, 265 Atarbius 249 f. Athanasius 54, 77, 84, 86, 132, 134, 147, 154, 174, 196, 199 Athen 42, 125, 271 Athena 96 Attacoten 58 Auferstehung 169, 181, 206 f., 234, 246, 251, 257
Augustinus 8, 10 f., 21, 38, 41, 46 f., 50, 62 ff., 74, 144, 148 f., 169, 209, 223 f., 228, 230, 242 ff., 261 ff., 272, 275, 280 f. Augustus 32, 177, 195, 268 Ausonius 43, 51, 57, 61 Auxentius 39, 71, 149
B Beecher-Stowe, Harriet 37 Beleth, Johannes 136 Bellini, Jacopo 92 Benedikt XIV. 282 Benedikt von Nursia 7 Bethlehem 10, 31, 37, 53, 107, 145, 159 f., 165, 174, 183 f., 186, 190 ff., 195, 201 ff., 211 f., 214, 220 f., 238 ff., 243, 249 ff., 263, 281 Bethoron 178, 182 Bethsaida 188 Blesilla 12 f., 15 f., 53, 145, 153, 155, 163 f. Boccaccio, Giovanni 162 Boethius-Diptychon 166 ff. Bonifatius VIII. 11 Bonosus 44, 49 ff., 58 ff., 75, 126 Bonosus (Bischof) 150 Bosch, Hieronymus 89, 94 ff. Brandi, Giacinto 101 Brennus 279 Bril, Paul 101 Bruegel, Jan 101 Burdigala 43, 125, 175 Buße 88 ff., 93 f., 97, 101 ff., 114, 160, 237 Bussi, Giovanni Andrea 231
C Caelestius 261 ff. Caesarea 177, 185, 221, 247 Calvin, Johannes 229 Capua, Synode von 150 Cassiciacum 68 Castagno, Andrea del 93 Castorina 38 ff., 71
Sachregister
Cavallera, Ferdinand 32 ff., 63, 115 Cerinth 244 Chalkis (Wüste) 25, 47, 52, 68, 73, 76 ff., 112. 199, 216, 219, 250 Chalkis (Stadt) 76 Chrestus 125 Chromatius 35, 40, 68, 255, 260 Cicero 8, 15, 19 ff., 45 f., 54 f., 73, 82, 124, 229 f., 254 Clemens von Alexandria 55 Constantinus III. 271 Constantius II. 27 f., 39, 56, 105, 114, 128 f., 196, 273 Cornelius 177 Cornelius Nepos 30 Courcelle, Pierre 61 ff. Cranach d.Ä., Lucas 101 Crispus 57 Cyprian 11, 54, 115
D Dagulf 170 f. Dalmatien 30 ff., 270 Damasus 14 f., 49 f., 58, 72, 81, 108 ff., 116, 119, 130 ff., 137 ff., 143, 149, 163 f., 218 ff., 229 David 170 f., 176, 179, 191 Decius 28, 84 Delfidius 125 Demetrius (Bischof) 199, 247 Demophilus 117 Demosthenes 46 Desiderius 224 Didymus der Blinde 122, 198 Diokletian 32, 56, 264 Diospolis (Lydda) 178 f. Diospolis, Synode von 163, 280 Doketismus 132 Domenichino (Domenico Zampieri) 101 Domitian 28 Donatismus 126 Donatus, Aelius 43 ff., 47, 50, 125 f. Dor 176 Dracilianus 187
Dürer, Albrecht 89, 102 ff., 217 f., 227 f. Dyck, Antoon van 101
E Ebion 244 Efeu 144, 222 ff. Ehe 14, 17, 40, 55, 146 f., 151, 154, 158, 229, 276 f. Ehebruch 17 f. Elagabal 181 Elias 84, 175 f., 195 Emmaus 178, 180 f. Emona 32 ff., 40 Epiphanius von Salamis 14, 120, 130, 133, 173, 248 ff. Erasmus von Rotterdam 226 f., 229 ff., 252 Euagrius 64 f., 70 ff., 78 ff., 84, 108 f., 110, 112, 133, 254 Euanthius 125 Eudoxia 267 Eudoxius 105, 108, 128 Eugenius 271, 273 Eunomius 126 Eusebius (Vater des Hier.) 37 f. Eusebius von Caesarea 26, 122 f., 126, 129, 142, 174, 181 f., 184, 186 f., 247, 258, 268 Eusebius (Bischof von Chalkis) 76 Eusebius (Bischof von Vercelli) 71, 127 Eusebius von Cremona 241, 252 Eustathius 106, 127 Eustochium 15 ff., 22, 41, 47 f., 79 f., 94, 145, 154 f., 157 f., 161, 165, 175, 205 f., 208, 210 f., 222, 238 f., 263, 280 f. Eutropia 27, 174 Eva 17 Exegese 55, 115, 138, 234 ff. Exuperius 277 f.
F Fasten 14, 16, 18, 20, 53, 73, 76, 80, 82, 152, 154, 157, 160, 163, 203, 205 Filogonius 127 Flagellanten 89 Flavianus 14, 118 f., 121, 133 Flavius Marcellinus 261 f. Florentinus 81, 126, 148 Fraenger, Wilhelm 97 f. Franken 129 Fronto 82
G Gabaa 178, 182 f. Gabaon 182 Galater 59 Galenus 8 Galerius 264 Gallien 58 ff., 211, 271, 276 f., 279 Gaza 201, 266 f. Gegenreformation 233 Gelasius 133 Genezareth 185 f., 212 Gennadius (Rhetor) 125 Gennadius von Marseille 149 Georgius 127 Gerasimus 214 f. Geruchia 276 f. Gildo 120 Gnadenlehre 228 f., 261 f. Goten 30 f., 123, 129, 145, 261, 269 ff. Gozzoli, Benozzo 136, 217 Gratian 57, 116, 119, 132, 134, 273 Gregor von Nazianz 11, 115, 117 ff., 121, 128 Gregor von Nyssa 115 Gregor von Tours 10 f. Gregor d.Gr. 11, 168 f. Gregor VI. 89 Grützmacher, Georg 30, 115
H Hadrian 42, 184 f., 188 Hadrian I. (Papst) 170 Hannibal 279 317
Sachregister
Häresie 9, 36 f., 55, 106, 109, 114 f., 123, 126, 128 f., 132, 153, 172, 226, 235, 244 f., 248 ff., 254 f., 257 f., 262 ff., 273 Harris, Lynda 98 ff. Hebron 27, 192 f. Helena 7, 174, 186 ff., 195 Helena von Adiabene 184 Heliodorus 25, 58, 270, 273 Helvidius 149 ff., 262 Hemessen, Jan Sanders von 101 Herodes d. Gr. 177 f., 190, 195 Herodot 235, 275 Herostratos 150 Hesychius 142 Hilarion 26 Hilarius von Poitiers 54, 61, 64, 196 Hiob 54 Hiram 176 Hochmut 18, 230 Homer 30, 46, 124, 180, 205 Homöer 105 Honorius 120 f., 271 f., 279 Horaz 9, 19, 22, 44 f. Hunnen 253, 267, 270, 273 f., 277 Hylas 72 Hymetius 161
I Illyricum 31 ff., 155 Indien 125, 211, 216, 235, 266 Innocentius 64 f., 72 Innozenz I. 263 Innozenz IV. 136 Irene 149 Isidorus (Bischof) 199 ff. Isidorus (Presbyter) 253, 258 Iuvencus 125
J Jacobus de Voragine 47, 125, 134, 187, 212, 214, 282 Jericho 178, 195 Jerusalem 19, 72 f., 126, 148, 165, 174 ff., 183 ff., 195, 199, 211 f., 247 ff., 255, 262, 272 318
Joachim von Fiore 97 Johannes II. (Bischof) 203 f., 250 ff., 258, 263 Johannes Cassianus 10 Johannes Chrysostomus 267 Johannes der Täufer 84, 88 Johannes Moschos 215 Jonas 179 f., 222 ff., 233 ff. Joppe (Jaffa) 178 ff., 193, 233, 235 Joschija 176 Joseph 149, 151, 190, 201, 208 Joseph von Arimathia 178 Josephus 28, 55, 225, 235 Jovian 273 Jovinianus 262 Jovinus 35, 40, 68 Juden 55, 82, 97, 139, 184 f., 195, 198, 211, 224 ff., 236 ff., 240, 243, 245 Julian 28, 45 f., 125, 130, 185, 264, 273 Julianus (Diakon) 34 f., 40, 70 f. Julius Africanus 181 Jungfräulichkeit 15 ff., 40 f., 64, 146, 149 ff., 154, 158, 161 f., 188, 190, 207, 229, 270 Justinian 45, 122
K Kaleb 193 Kanaan 193, 196, 198, 212 Kaphar Barucha 194 Kaphernaum 195 f., 212 Kapitol 155, 266 Karl d.Gr. 170 Karl der Kahle 172 Karmel 176, 196 Karthago 12, 42, 176, 262 Karthago, Synoden von 134, 261, 263 Katakomben 49 f., 138 Katharer 97 ff. Keto 180 Kirjath Sepher 193 Kleopatra 85 Kleophas 181 Konstantin 22, 24 f., 27 f., 45, 57, 106, 129, 174, 185 ff., 189, 202, 209, 251, 264, 268, 273
Konstantinopel 15, 42 f., 115 ff., 120 ff., 125, 127, 186, 267, 269 ff. Konstantinopel, Konzil von 14, 106, 112 f., 116 ff., 128, 130 Ktesiphon 262 Kürbis 96, 144, 223 f., 235, 238 Kyrill I. 187
L Laeta 53, 158 f., 161, 266 Laktanz 57, 273 Lazarus 169 Lea 145, 154 f., 265 Lellis, Teodoro de 231 Lenain de Tillemont, Louis-Sébastien 254 Libanius 125 Liberius 50, 140 Licinianus 11 Lippi, Filippino 101 Lippi, Filippo 137 Lot 194 Lotto, Lorenzo 101 Löwe 7, 86, 93, 96, 104, 137, 195, 212 ff., 232 Lucianus von Antiochia 142 Lucifer von Calaris 113 f., 127 Lukas (Reliquien) 128 Lupicinus 35 Luther 180, 223, 226 ff., 241 Lydda (= Diospolis) 178 f.
M Macarius 27, 186 f. Macedonius 126, 128 Maestro dell’Osservanza 92 Magnus 54 f. Mailand 43, 50 f., 258, 271 Mainz 60 f., 277 Malchus 78 f. Mamre 27, 186, 193 Maniacoria, Nicolaus 136 Manlius Boethius 166 Marc Anton 216 Marcella 141, 143, 145 ff., 153 ff., 202, 211 f., 256, 258, 264 f. Marcianus von Cyrus 76
Sachregister
Marcus (Presbyter) 110 f. Maria 17, 149 ff., 190 ff., 201, 208, 212, 233 Marienverehrung 229, 233 Markion 235 Marmion, Simon 101 Marnas 266 f. Maronia 78 f. Massaeus, Christianus 231 Maximian 28 Maximus (Bischof) 117 f. Maximus (Usurpator) 273 Megiddo 176 Melanchthon, Philipp 229 Melania d.J. 209, 281 Melania d.Ä. 59, 72, 126, 148, 189 f., 194, 197, 199, 254, 256, 281 Meletianer 81, 107, 109 f., 113, 122 Meletianisches Schisma 72, 79, 81, 105 ff., 117 f., 132 f., 248 Meletius von Antiochia 14, 79, 105, 107 ff., 116 ff., 127 f. Metrodorus 125 Micha 198 Minervius 43, 125 Mino da Fiesole 282 Mönche / Mönchtum 9, 14, 18, 36, 39, 49 f., 57, 61 ff., 73, 79 ff., 103, 107 f., 126, 147 f., 158, 162 ff., 183, 197 ff., 213 ff., 229, 232, 250 ff., 258, 263, 267 Morasthi 198 Mose 55, 193, 198
N Naeratius Cerealis 146 f. Naturkatastrophen 129 Nazareth 150, 192, 195 f. Nazarius 125 f. Nebridius d.J. 120 Nebridius d.A. 121 Necho II. 176 Nectarius 119 Nepotian 25 f., 270, 274 Nero 28 Niceas 72 Nicolaus IV. 282
Nikäa 129 Nikäa, Konzil von 106, 118 Nikomedia 129 Ninive 114, 179, 223 ff., 246 Nitrische Wüste 10, 26, 75, 81, 174, 193, 197 ff., 258 Nob 179
O Oceanus 256 ff., 264 Oea 144, 223 f., 244 Orbilius 37, 44 Origenes 9, 37, 39, 50, 55, 82, 122 f., 134, 142, 153, 196, 198, 206 f., 221 f., 225, 229, 240, 242, 245 ff., 268, 280 Orosius 262 f., 272 Othoniel 193 f.
P Pachomius 74, 76, 81, 147 f., 197, 199 f. Palladius 199 Pammachius 29, 31, 158, 160, 208, 254, 256 ff., 265 Pamphilus 247, 255, 258 Pannonien 30 ff., 270, 277 Parmegianino (Girolamo Francesco Maria Mazzola) 233 Pater 43, 125 Patinir, Joachim 101 Paula 12 ff., 18, 22 f., 37, 53, 83, 94, 138, 145 f., 153, 155 ff., 163 ff., 172 ff., 179 ff., 187 ff., 222, 238 f., 254, 263, 266 f. Paula d.J. 53 f., 158 f., 281 Paulina 155, 158, 160, 254, 265 Paulinianus 31, 36 ff., 173, 175, 183 f., 194, 206, 208, 251 f. Paulinus (Bischof von Antiochia) 14, 71, 79, 106 ff., 112 ff., 116 ff., 127 f., 130 f., 133 Paulinus (Bischof von Trier) 129 Paulinus (Bischof von Tyrus) 127
Paulus (Apostel) 7, 11, 16 f., 22, 46, 55, 141 f., 152 f., 175 ff., 183, 207 f., 230, 243 ff., 258, 276 Paulus (Eremit) 15, 66, 80, 83 ff., 105, 127, 148, 215 Pelagius 10, 172, 228, 261 ff., 280 Pelagius I. 134 Pelusium 201 Perseus 7, 180 Petron 52 Petrus (Apostel) 30, 75, 130, 178, 243 f. Petrus von Alexandria 111, 117, 147 Philippus 177 Philon 30, 55 Piancastelli, Giovanni 83 Piero della Francesca 92 Pilatus 237 Pinianus 281 Platon 42, 225, 247 Plautus 19, 45 f., 55, 71 Plinius 82, 216 Plotin 46, 62 Poetovio 34 Pompeius 176 Ponticianus 62 ff. Pontormo, Jacopo da 101 Porphyrius von Gaza 267 Portus 138, 157 f. Praetexta 161 f. Principia 146, 154, 272 Priscillianus 250, 262 Prohairesius 125 Prokop (Usurpator) 273 Prosper von Aquitanien 29 Ptolemaios Philadelphos 225, 245 Pumbedita 185 Pyrrhus 279
Q Quintilian 82
R Radagais 271 Ramath-Lehi 197 Rebenich, Stefan 71, 77 ff., 117, 137, 140 319
Sachregister
Reformation 103 f., 227, 229, 232 f. Reims 56, 277 Reliquienkult 186 f., 196, 229, 281 ff. Rhein 60 f., 277 Rhetorik 8, 16, 25, 29, 41 ff., 51, 56 f., 75, 112, 125, 152, 241, 264, 277 Rom 9 f., 12 ff., 19, 38, 42 ff., 46 ff., 55 f., 59 f., 65, 68, 94, 106, 108 ff., 119, 125 ff., 130 ff., 137 f., 140, 143 ff., 153 ff., 158 ff., 164 f., 170, 173, 184, 186, 188, 198 f., 204, 206, 208, 210, 212, 214 ff., 220 f., 231, 241, 247, 254, 256 f., 265 ff., 271 f., 278 f., 281 ff. Rubens, Peter Paul 101 Rufin 9 f., 36 f. 45, 49 ff., 55, 59, 61, 75, 122, 126, 148, 189 f., 194, 197, 199, 204, 242, 247 f., 250, 252 ff., 262, 281 Rufina 157 f. Rusticus 81
S Sabellius 110 f. Sallust 45 f., 274 Salomon 54 f., 176, 182, 185, 188 Salvina 120 Samaria 195, 197 Sano di Pietro 92 Sarepta 175 Sarmata 126 Saul 179 Schiller, Julius 7, 217 Scipio Aemilianus Africanus 265 Scipio Aem. Africanus Minor 12, 210 Selbstmord 17, 215 Seneca 30 Septuaginta 10, 131, 222 ff., 233, 238 ff., 242, 244 ff., 245 Serapis 266 Singara 130 320
Siricius 164, 254, 256 ff. Sixtus V. 282 Sizilien 129, 260 Sklaven 37, 53, 72, 87, 159, 183 f., 190, 209, 216 Skriptorium 52, 82, 204 Sochoth 197 Sophokles 46 Stilicho 271 f., 279 Straßburg 277 Stridon 8, 30 ff., 37 f., 40, 44, 49, 65, 112, 123, 138, 264 Substitutionstheologie 236 f. Sueton 30 Sünde 10, 16 f., 19, 47 f., 74, 100, 112, 139, 163, 165, 183, 194, 206, 231, 234, 260 ff., 266, 274 Sura 185 Symmachus (Bibelübs.) 222, 226 Symmachus (Rhetor) 60, 149
T Tabita 178 Tabor 192, 195 f., 212 Tarsus 235 Theodosius I. 30, 116 ff., 120 ff., 124, 269, 271, 273, 275 Theodosius II. 43, 267 Theodosius von Rhosos 47, 73 ff., 80 Theodotion 222, 226, 239 Theophilus 39, 253 f., 258 Theophrast 9, 162 Thrakien 31, 72, 129, 269 ff. Thukydides 46, 274 Tiberias 185, 238 Tiglat-Pileser III. 176 Tintoretto, Jacopo 233 Titus 185 Tizian (Tiziano Vecellio) 101 Toulouse 57, 277 f. Toxotius d.Ä. 12, 155 Toxotius d.J. 53, 157 f. Trajan 32 Trier 43, 49, 51, 57 ff., 129, 148, 185, 196 Tyrannus 127
Tyrus 175 f.
U Uccello, Paolo 93
V Valens 105, 116, 123, 129, 269, 273 Valentinian I. 48, 51, 55 ff., 61 ff., 69 ff., 273 Valentinian II. 273 Valerian 28 Valerian (Bischof) 35 Vallarsi, Domenico 231 Vandalen 270 f., 273, 277 Vasari, Giorgio 93, 101 f. Vercelli 69 Vergil 19, 22, 44 ff., 81, 110, 204, 236, 239 f., 268, 279 Veronese, Paolo 101 Vespasian 42 Vettius Agorius Praetextatus 155, 164, 265 Victorinus 43, 45 ff., 50, 125 Vincentius 122 ff., 173, 255 Vitalis 106, 108 f., 127 Vulgata 10, 131, 166, 180 f., 220, 226, 233
W Witwe / Witwenschaft 13, 120, 142, 145, 147, 153, 157, 276 Worms 277 Wüste 8 ff., 25 f., 47 f., 52, 58, 62, 70, 73 ff., 76 ff., 82 ff., 88 ff., 101 ff., 107 ff., 131, 174, 192 f., 197 ff., 204, 215 f., 258
X Xerxes 275
Z Zacharias 188 Zöckler, Otto 58, 115 Zwingli, Ulrich 229 Zypern 173, 248, 252
Informationen zum Buch Heiliger, Kirchenvater und einer der größten Gelehrten der Spätantike Hieronymus kannte das Römische Reich besser als die meisten seiner Zeitgenossen: er verlebte die erste Hälfte seines langen Lebens vorwiegend im Westen des Imperiums, die zweite Hälfte dann im Osten, wo er als Begründer und Vorsteher eines Klosters in Bethlehem großen Einfluss auf die junge Kirche nahm. Sein größtes Werk war sicher die lateinische Übersetzung der Bibel, doch hat er seine Theologie auch durch Briefe, durch Abhandlungen und Kommentare verbreitet. Als Asket und Mönch hat er seine schroffe christliche Morallehre selbst gelebt und sich als Theologe polemisch mit häretischen Lehren auseinandergesetzt. Hoch gebildet auch in der heidnischen Literatur, fühlte sich Hieronymus als Christ und Römer; der sichtbare Verfall des Imperiums erschütterte ihn schwer. Heinrich Schlange-Schöningen beschreibt eindrucksvoll das Leben und Wirken dieses prägenden Kirchenvaters und führt uns dabei auch sein reiches Nachwirken – vor allem in der Kunst – vor Augen.
Informationen zum Autor Heinrich Schlange-Schöningen, geb. 1960, studierte Geschichte, Religionswissenschaft und Philosophie in Berlin und Bordeaux. Er ist Professor für Alte Geschichte an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Er forscht v.a. zur Religions-, Kultur- und Sozialgeschichte der Kaiserzeit und der Spätantike.