Hexerei- und Zaubereidelikt in der Literatur von 1450 bis 1550: Mit Hinweisen auf die Praxis im Herzogtum Bayern [Reprint 2020 ed.] 9783112300152, 9783112300053


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German Pages 203 [204] Year 1972

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literatur
Einleitung
1. Teil: Begriffsbestimmung
2. Teil: Kompetenzregelungen
3. Teil: Strafbarkeit
Schlußwort
Anhang I
Anhang II
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Hexerei- und Zaubereidelikt in der Literatur von 1450 bis 1550: Mit Hinweisen auf die Praxis im Herzogtum Bayern [Reprint 2020 ed.]
 9783112300152, 9783112300053

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Siegfried Leutenbauer Hexerei- und Zaubereidelikt in der Literatur von 1450 bis 1550

Münchener Universitätsschriften • Juristische Fakultät Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung

herausgegeben im Auftrag der Juristischen Fakultät von Sten Gagner Arthur Kaufmann Dieter Nörr

Band 3

1972

^P

J. Schweitzer Verlag • Berlin

Siegfried Leutenbauer

Hexerei- und Zaubereidelikt in der Literatur von 1450 bis 1550 Mit Hinweisen auf die Praxis im Herzogtum Bayern

1972

J. Schweitzer Verlag • Berlin

Gedruckt mit Unterstützung aus den Mitteln der Münchener Universitätsschriften

ISBN 3 8059 0226 3

© Copyright 1972 by J. Schweitzer Verlag Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten Satz: Studio Feldafing - Druck: W. Hildebrand, Berlin

Vorwort Die folgende Darstellung soll nicht der Frage nach der Entstehung der Hexenprozesse nachgehen. Dargestellt werden soll die juristische Behandlung des Hexerei- und Zaubereideliktes in dem Zeitraum, in dem die Massenverfolgung der Hexen und Zauberer durch geistliche und weltliche Behörden begann und in dem mit diesen Verfolgungen auch eine Hexenspezialliteratur entstand. Dabei ist es erforderlich, neben dieser Spezialliteratur auch Literatur über Ketzerei allgemeiner Art heranzuziehen. Die juristischen Erörterungen in dieser neu entstehenden, sich mit dem Hexenwesen befassenden Literatur sind auch von Interesse im Hinblick auf einen Vergleich mit der Darstellung im „Malleus maleficarum", jenem für die spätere Praxis so bedeutungs- und verhängnisvollem Werk der Inquisitoren Institoris und Sprenger. Dazu bildet diese Literatur auch die Grundlage für die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beginnenden Massenprozesse im Herzogtum Bayern. Ein Vergleich zwischen den in der Literatur vertretenen Meinungen und der Praxis dieses Gebietes ist für den behandelten Zeitraum mangels Quellenmaterials nicht möglich; jedoch ist auf die Praxis hingewiesen, soweit sich Belege dafür erbringen ließen. Die Arbeit hat, abgesehen von einigen geringfügigen Erweiterungen in den Anmerkungen, der juristischen Fakultät der Universität München im Wintersemester 1970/71 als Dissertation vorgelegen. Sie ist betreut worden von Prof. Dr. Sten Gagner, dem ich für seine hilfreiche Unterstützung sehr zu Dank verpflichtet bin. Auch für die Anregungen, die mir von Priv. Doz. Dr. Schlosser und den Teilnehmern des Seminars Prof. Gagners gegeben wurden, bedanke ich mich. Siegfried Leutenbauer

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Quellenverzeichnis Literatur Einleitung

V XIII XXI 1

1. Teil: Begriffsbestimmung

3

A) Die verwendeten Begriffe I) Der Rahmen für die Taten der Hexen II) Lateinische Begriffe 1) laniae, lamiae, striges 2) malefici 3) venefici 4) sortilegi, superstitiosi, negromantici 5) phitonici, phitonissae 6) Sprachgebrauch in den päpstlichen Erlassen III) Deutsche Bezeichnungen IV) Zusammenfassung

3 3 5 5 7 9 12 14 14 15 18

B) Der Hexenglaube im einzelnen I) Flug und Sabbat 1) Die Flugvorstellung 2) Die Bedeutung des Fluges für den Hexenglauben 3) Der Streit um die Realität des Hexenfluges (I) Tatsachenberichte, Legenden und Lebenserfahrung . . (1) Aussagen der Hexen (2) Augenzeugen (3) Allgemeine Gesichtspunkte (4) Legenden (II) Theologische Fragen (III) Allgemeine (rechtliche) Schlüsse (IV) Auseinandersetzung mit dem Canon Episcopi (1) Geschichte des Canons (2) Bedeutung des Canons für diese Frage (3) Die Auseinandersetzung in der Literatur in zeitlicher Reihenfolge (4) Stellungnahme der Päpste II) Die Tierverwandlung III) Das Verhältnis Teufel/Hexe/Zauberer 1) pactum cum daemone

18 18 18 19 19 20 20 21 21 22 23 25 26 26 26 27 38 38 39 39

VIII

Inhaltsverzeichnis

2) invocatio daemonis 3) Zauberei ohne Hilfe des Teufels

42 44

2. Teil: Kompetenzregelungen

47

A) Die Zuständigkeit der Inquisitoren I) Hexerei/Zauberei als Ketzerei und Apostasie Hexerei/Zauberei als Ketzerei a) Die Hartnäckigkeit b) Der error in intellectu aa) Ketzerei in Apostasie enthalten bb) Trennung von Ketzerei und Apostasie, aber Gleichbehandlung cc) Apostasie als Verdachtsgrund

47 48 48 49 50 51

II)

III) IV)

V)

51 51

Hexerei-/Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste" 1) Die Formel 2) Verständnis der Formel 3) Einzelfälle; das Gutachten des Oldradus da Ponte 4) Der entscheidende Richter Zuständigkeit aufgrund päpstlicher Erlasse Die Theorie der Inquisitoren Institoris und Sprenger („Malleus maleficarum") (I) Zuständigkeit der weltlichen und der bischöflichen Gerichte (II) Gegen die Argumente der spanischen Inquisitoren (III) Möglichkeit der Kompetenzübertragung (IV) Zusammenfassung der Theorie (V) Zur Praxis des Institoris (VI) Verbreitung des Hexenhammers in der Literatur Zuständigkeit der Inquisitoren auch für weltliche Verbrechen der Hexen?

B) Zuständigkeiten im einzelnen I) Inquisitoren und Bischöfe II) Der Rat der rechtserfahrenen Männer III) Beteiligung weltlicher Juristen? C) Die Auslieferung an die weltliche Macht I) Die Auslieferung wegen erwiesener Ketzerei 1) Zuständigkeit der Inquisitoren („cognoscere") 2) Rechte und Pflichten der weltlichen Richter a) Gegensätzliche Auffassung von legistae und canonistae

51 51 52 53 58 60 61 62 64 66 67 67 69 71 73 73 76 78

80 80 80 80 . . 80

Inhaltsverzeichnis

II)

IX

b) Ausnahmen von dem Grundsatz der Verpflichtung des weltlichen Richters, ohne Uberprüfung zu handeln 81 aa) Richter hält den Ausgelieferten für unschuldig . . . . 81 bb) Nichtiges Urteil bei Unzuständigkeit des Inquisitors . 82 c) Argumente gegen die Ansicht der canonistae (Alciatus) . . 82 d) Gültigkeit der genannten Grundsätze nur für das crimen mere ecclesiasticum; Grundsätze für das delictum mixtum 83 e) Hexerei/Zauberei als delictum mixtum? 84 Auslieferung wegen weltlicher Vergehen? 86 1) Die „Überlassung" an den weltlichen Richter 86 2) Die Möglichkeit der Doppelbestrafung 89 a) Grundsatz 89 b) Ausnahmen 90

D) Der Prioritätsgrundsatz 1) Der Prioritätsgedanke in den Beschwerden der deutschen Nation von 1523 2) Stellungnahme in der Literatur 3) Praxis und Gesetzgebung a) Folgerungen aus der Gesetzgebung? b) Zauberei und Ketzerei in Bayern c) Regelungen bei den Wiedertäufern d) Das Ketzergerichtsprivileg von 1526

93 93 94 96 96 97 101 102

E) Zulässigkeit der Selbstjustiz?

104

3. Teil: Strafbarkeit

105

Zum Aufbau der Darstellung

105

A) Allgemeine Begründung der Strafbarkeit 1) Göttliches Recht 2) Kanonisches Recht 3) Weltliches Recht 4) Hexerei als crimen laesae maiestatis divinae 5) Zum Aufbau der Autoren

106 106 107 107 109 109

B) Die Strafbarkeit der überführten Hexe I) Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe 1) Begründung für die Todesstrafe a) Bei Hexen, die zugleich Ketzer sind b) Bei Hexerei, die nicht mit Ketzerei verbunden ist c) Art der Hinrichtung

110 110 110 110 110 111

X

Inhaltsverzeichnis 2) Möglichkeit, von der Todesstrafe abzusehen? a) Bei nur geträumter Teilnahme am Sabbat? b) Im Hinblick auf die Verursachung der Hexenwerke? aa) Keine Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bb) Berücksichtigung (Weier gegen Molitor) c) Im Hinblick auf andere Umstände des Einzelfalles (Alter, Geschlecht, Stand)? 3) Die Konfiskation der Hexengüter a) Allgemeines b) Hinweise auf Bayern 4) Möglichkeiten der Überführung a) Voraussetzungen für die Überführung b) Bedeutung des Geständnisses c) Einzelne Beweisregeln aa) Aussagen von Mittätern bb) Teufel in Gestalt von Menschen cc) Kinder von Hexen d) Indiziep für die Folter e) Gottesurteil 5) Hinweise auf die Regelungen in der Carolina und die sich daraus ergebenden Streitfragen a) Zur Todesstrafe b) Zur Konfiskation c) Zur Folter II) Strafe für die bereuende, gestehende Hexe 1) Die Todesstrafe für die reumütige Hexenketzerin 2) Dagegen: Möglichkeit der Zulassung zur Buße; Voraussetzungen der beachtlichen Reue (X, 5 , 7 , 9 ) a) „continuo" b) „sponte" c) Die Buße („carcer perpetuus", Abänderungsvorbehalt, Bußarten, Geldbuße) 3) Handhabung ähnlicher Fälle in der Praxis Bayerns a) Lutheraner b) Wiedertäufer c) Juden

C) Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexe; Verdachtstrafen I) Die einzelnen Verdachtstrafen 1) suspicio violens 2) suspicio vehemens 3) levis suspicio

112 112 113 114 115 117 118 118 119 120 120 122 124 124 125 127 128 128 129 130 130 131 131 132 134 135 138 139 142 142 143 144

. . . . 145 145 145 146 147

Inhaltsverzeichnis

II)

III)

IV)

4) infamia 5) völlige Unschuld Abiuratio und purgatio canonica 1) Abiuratio a) Bereich b) Durchführung 2) Purgatio canonica 3) Zur Einstufung von Abiuratio und Purgatio Mißlingen von Abiuratio und Purgatio 1) Abiuratio 2) Purgatio Der Rückfall

XI

147 148 148 148 148 149 150 151 152 152 153 153

D) Strafbarkeit der Zauberer

156

E) Schwarzkünstler und Wahrsager

157

F) Gegensatz von Ius canonicum und Ius civile

159

G) Vorteilszauber 1) Strafbarkeit; Abgrenzung erlaubt-unerlaubt 2) Beweisregeln 3) Theorie des Cajetanus

161 161 164 166

Schlußwort

168

Anhang I 1) Prozesse in Bayern 2) Synodalbeschlüsse a) Synode von 1490 (Salzburg) b) Synode von 1512 (Regensburg) c) Synode von 1569 (Salzburg)

170 170 174 174 174 175

Anhang II Wortlaut des Canon Episcopi

177 177

I) QUELLENVERZEICHNIS 1) Handschriftliche Quellen a) Allgemeines Staatsarchiv München (Allg. StA) „Hexenakten" Nr. 50: Fragmente eines Zauberbuches („Nigromantiae in isto libro sunt conceptae, 1532"); ,Jiochstift Augsburg, Neuburger Abgabe", Lit. 1271/1: Der Herrschaft und Trigews Röttenwang Ordnungen . . . angefangen 1529 „Reichsstadt Regensburg", Lit. Nr. 598: Chronik Regensbuigs von 1500 bis 1600 aus dem 17. Jhd. „Reichsstadt Regensburg", Lit. Nr. 496: Acta, das Wirken der Prädikanten und die Durchführung der Reformation in Regensburg betr., 1542

b) Staatsarchiv für Oberbayern (Kreisarchiv) „Rentmeister-Literaiien" (RL), Fasz. 55/56/58-63: Rechen- und Vitztumhändelbticher des Landschreiberamtes Burghausen (im Oktober 1969 abgegeben an das Staatsarchiv Landshut) „General-Bestände" (GR): Fasz. 1206, Nr. 2: Mandate gegen Gotteslästerer Fasz. 1254, Nr. 2: Acta, Religionsdifferenzen zwischen Katholiken u. Protestanten sowie mit d. Wiedertäufern im dt. Reich betr., de 1521-17 . . Bekämpfung der Reformation in den einzelnen Rentämtern Fasz. 1255, Nr. 3: Differenzen und Verhältnisse zwischen Katholiken und ProteFasz. 1258, Nr. 14: stanten Fasz. 1260, Nr. 19: Acta, die Wiedertäufer in Bayern betr., 1535-1811

c) Staatsarchiv Nürnberg „EichstätterLiteralien", Nr. 13: Altes Eichstätter Halsgerichtsbuch (auszugsweise in Fotokopien)

d) Stadtarchiv München „Zimelie", Nr. 23: Straff-Buech, 14./15. Jahrhundert „Stadtgericht", Nr. 865/1-2; 891; 892: Urgichten ab 1440

e) Staatsbibliothek München, Handschriftenabteilung Eichstätter Gerichtsordnung: Eichstätter Gerichtsordnung, geg. v. Bischof Johannes (ca. 1450), Cgm. 507, Blatt 530 ff. Lori, Joh. Georg von: Das Blaue Buch oder Sammlungen zum Baierschen Kirchen Recht (18. Jhd.), Cgm. 2181 Mandatenbuch: Mandatenbuch aus der Zeit der Herzöge Wilhelm und Ludwig (1526-1599), Cgm. 2536

XIV

QueUenverzeichnis

Perneder, Andreas: Verzaichnus, Was sich sonderlich in Bayrn von 1506 bis aufs 1529. Jar . . . begeben, Cgm. 1594, (s.a. unter 12) Unbekannte Verfasser: Alphabetische Sach- und Inhaltsangabe der bayerischen bis ca. 1700 erschienenen Verordnungen, 1700, Cgm. 2545 Augsburgischer „Modus procedendi in Malefiz-Sachen" mit Angabe der von 1348 bis 1757 peinlich Bestraften, Cgm. 2026

2) Gedruckte Quellen Anmerkungen: Gesetze des in Frage kommenden Zeitraumes, die nach 1800 herausgegeben wurden, sind unter dem Namen des Herausgebers zitiert; die Fundstelle befindet sich unter II (Literatur). Die in Klammern angegebene Jahreszahl bezieht sich auf das Jahr der Entstehung des Werkes. Fundstellenhinweise für die Angaben zur Person befinden sich bei I 2 a £ . . „(Tr)" bedeutet, daß das betreffende Werk zitiert ist nach dem Abdruck in: Tractatus illustrium in utraque tum Pontificii, tum Caesarei iuris facúltate Iurisconsultorum, Band 11, 2; Venedig 1584. Die Bibel ist zitiert nach der deutschen Ausgabe von Hamp/Stenzel/Kiirzinger, Aschaffenburg 1965. Römisches Recht ist zitiert nach: Corpus iuris Civilis 1. Band: Institutiones, Digesta; hrsg. v. P. Krueger und Th. Mommsen, Berolini 1908 2. Band: Codex Iustinianus; hrsg. v. P. Krueger, Berolini 1915 3. Band: Novellae; hrsg. v. R. Schoell u. G. Kroll, Berolini 1912 Kanonisches Recht ist zitiert nach: Corpus Iuris Canonici, hrsg. v. Aemilius Friedberg 1. Band: Decretum Gratiani, Lipsiae 1876 (zit. in d. Reihenfolge: causa, questio, canon) 2. Band: Decretales, Lipsiae 1880 (zit. in d. Reihenfolge: über, titulus, capitulum) Albertinus, Arnaldus

Alciatus, Andreas

Arles, Martin de

Tractatus de agnoscendis assertionibus catholicis, et hereticis, (Tr) (ca. 1540) (ca. 1490-1544, Inquisitor in Valencia, ab 1534 Bischof von Patti in Sizilien) 1) De Lamiis seu Strigibus scitu non indigna; in: Parergon Juris (lib.8, c.22) (ca. 1515) 2) De officio iudicis ordinarli (Commentario in titul. Juris canonici de officio . . . ) 1) in Band 4 und 2) in Band 3 der „Opera omnia", Basileae 1582 (1492-1550, Mailänder Jurist, Prof. der Rechte in Avignon, Mailand, Bourges, Bologna, Pavia und Ferrara) Tractatus de superstitionibus, (Tr) (ca. 1515) (seinem Tractatus zufolge: professor in sacra theologica ac canonicus et archidiaconicus . . . in ecclesia Pamplunensi regni Navariae)

Quellenverzeichnis Augustinus, Auielius

Bambeiger HGO Bayerisches Landesrecht

Beschwerden Brant, Sebastian

Brunus, Conradus

Butrio, Antonius de

Cajetanus, Thomas

Carerius, Ludovicus

Carolina

Carpzov, Benedict

Cassinis, Samuel de

XV De civitate dei, Turnholti 1955 („Corpus Christianorum", Series Latina, Bd. 48) ( 3 5 4 - 4 3 0 , Manichäer, 387 zum Christentum bekehrt; Lehrer der Beredsamkeit in Tagaste, Karthago, Rom, Mailand; ab 395 Bischof von Hippo Regius/Nordafrika) Bambergische Halßgerichts und Rechtliche Ordnung / inn peinlichen Sachen zu volnfarn . . . , O.A. 1543, (1507) 1) Das Buch d. gemeinen Landpot, Landesordnung und gebreuch d. Fürstenth. in obern u. nidern Bayern, O.A., (1516) 2) Reformation des Bayr. Landesrechts nach Christi unseres Heiligmachers Geburt im 1518. Jahr, München 1518 3) Bayerische Landesordnung von 1553, Ingolstadt 1553 Die 100 Beschwerden der gesammten deutschen Nation von 1523; hrsg. v. G.M. Weber, Erlangen 1829 Das Narrenschiff; übertragen v. H A . Junghans, Stuttgart 1966,(1494) (1458/Straßburg - 1521/Straßburg; ab 1500 Syndikus in Strafiburg, ab 1503 Stadtschreiber; jurist. Arbeiten, lat. Gedichte, deutsche Moralsatiren, Flugblätter) De haereticis et schismaticis, (Tr) (1548? ) ( 1 4 9 1 - 1 5 6 3 , Doktor der Rechte, Dozent in Tübingen (1531/46), Domherr von Regensburg, Freising und Augsburg; Kanzler der Bayer. Regierung in Landshut) Super secunda primi Decretalium, Lugduni 1556 (um 1338/Bologna - 1408/Bologna; Doktor beider Rechte; Lehrtätigkeit in Bologna, Perugia, Florenz, Ferrara; in Perugia auch Vikar des Bischofs; Mitglied der Gesandtschaft, die 1407 mit Gegenpapst Benedikt XIII. über die Aufhebung des Schismas verhandelte) 1) De maleficiis; in: Opuscula questiones et quolibeta omnia, Venetiis 1542, (1500) 2) Summula peccatorum, O.A., 1526, (1523) (1469/Gaeta - 1534/Rom; ab 1508 General des Dominikanerordens, ab 1517 Kardinal von S.Sisto; 1518 auf dem Reichstag zu Augsburg (Luther)) De haereticis, (Tr) (nach Schulte, Quellen: Louis Carier; nach Jöcher, Gelehrtenlexikon: aus Reggio in Calabrien) Des aller durchleuchtigsten / großmächtigsten / unüberwindlichsten Keyser Carls des Fünfften / und des Heyligen Römischen Reichs peinliche Gerichtsordnung, Frankfurt/M. 1565, (1532) (s.a. unter II; Zoepfl, Heinrich) Practica Novae Imperialis Saxonicae Rerum Criminalium, Wittebergae 1670 (1595/Wittenberg - 1966/Leipzig; Jurist; ab 1620 im Leipziger Schöppenstuhl; 1636: Leipziger Oberhofgericht; 1644: kursächsischer Hofrat; 1645: Dekan der Leipziger Juristenfakultät; 1653: Mitglied d. kurfür st 1. Geheimrat-Kollegiums in Dresden; ab 1661 wieder am Leipziger Schöppenstuhl) Questio lamiarum, (1505); abgedr. in: Hansen, Quellen, S. 263 ff. (geb. in d. Nähe Turins, gest. in d. Nähe Mailands; theolo-

XVI

Castro, Alphonsa

Clagspiegel Como, Bernhardus de

Consultationes

Copia Recessus Dalham, Florian Dalhammer, Florian Damhouderius, Jodocus

Dodo, Vincentíus

Geminianus, Dominicus deS.

Goblerus, Justinus

Godelmann, Joh. Georg

Quellenverzeichnis gische und philosophische Studien in Paris; lebt im Kloster S. Angeli vor Mailand; zur Zeit der Abfassung seiner Schrift Minoriten - O b ser vant) De iusta Haereticorum punitione; in: Opera omnia, 2. Bd., Parisiis 1578, (1547) (ca. 1495/Zamora - 1557; 1530 Prof. der Theologie, 1557 zum Erzbischof von Compostella designiert) Richterlicher Clagspiegel, hrsg. v. Seb. Brant, Straßburg 1516, (ca. 1450)(zu Brant s. dt.) 1) Lucerna inquisitorum haereticae pravitatis, Romae 1584 2) Tractatus de strigiis, Romae 1584, (ca. 1508) (gest. 1510, Dominikaner, Inquisitor (wohl in d. Lombardei)) Consultationes Saxonicae, hrsg. v. Schneidevinus / Wesenbrecius / Thomingius u.a., (ca. 1570) 1. Bd.: Decisiones et Discussiones, Frankfurt 1599 2. Bd.: Resolutiones et Decisiones, Urseiiis 1601 (Schneidevinus, Joh.: 1519/Stolbeig - 1568/Zerbst, begraben in Wittenberg; Jurist; ab 1549 Prof. in Wittenberg; Beisitzer des Schöppenstuhls, des Hofgerichts und des Consistoriums. Wesenbrecius (oder Wesenbecius), Matth. W.: 1531/Antwerpen - 1586/Wittenberg; Jurist; Vorlesungen in Jena ab 1557; Nachfolger Schneidevinus' als Lehrer des römischen Rechts in Wittenberg ab 1568; dort auch Beisitzer des Schöppenstuhls und des Consistoriums. Thomingius, Jakob Th.: 1518 (oder 1524) /Schwerin - 1576 / Leipzig; Jurist; ab 1558 Ratsherr und Prokonsul von Leipzig, auch Beisitzer des Schöppenstuhles) Copia Recessus Monachiensis Concordatorum cum Ordinariis Bavariae, celebrati 1583; München 1617 Concilia Salisburgensia, O.A., 1788 Canonica Rohrensis, Ratisb. 1784 Praxis rerum criminalium, Antverpiae 1554 (1507/Brügge - 1581/Antwerpen; Doktor der Rechte; Syndikus in Brügge; im Dienst Karls V. und Philipps II.) Apologia contra questionem de lamiis Samueli de Cassinis, O.A., (1506) (Dominikaner aus der Lombardei, Lehrtätigkeit im Dominikanerkloster in Pavia; (Eintragungen in den betr. Ordensregistern wiedergegeben - beginnend 1496 - bei Hansen, Quellen, S. 274)) Lectura super secunda parte "VI. Ii. decretalium, Venetiis 1477 (Schüler des Antonius de Butrio; 1407 Vikar des Bischofs von Modena; Prof. in Bologna; Auditor Camerae in Rom) Augustissimi Imperatoris Caroli Quinti De Capitalibus Judiáis Constitutio, Basileae 1543 (1503/04/St. Goar a. Rhein - 1567/Frankfurt a.M.; Jurist; in gräflich nassauischen, bischöflich münsterischen und herzoglich braunschweigischen Diensten; ab 1559 im Dienst des Rates der Reichsstadt Frankfurt) Tractatus de magis, veneficiis et lamiis, Frankf. 1601, (1590) (1559/Tuttlingen-Württemberg - 1611/Dresden; Jurist; ab

Quellenverzeichnis

XVII 1580 Prof. in Rostock, ab 1592 als kursächsischer Hofrat in Dresden)

Goldast, Melchior

Grillandis, Paulus de

Hochstraten, Jacobus

Igneus, Johann

Institoris, Henr./ Sprenger, Jac.

Jacquerius, Nicolaus

Kelheimer Hexenhammer Kemnat, Matthias Widmann von

Keysersberg, Johann Geiler von Kreittmayr, Wig. X.A. Freiherr von (Hrsg.)

Rechtliches Bedencken /Von Confiscation der Zauberer und Hexen-Güther, Bremen 1661, (1629) (genannt „von Haimisfeld", 1578/Espen - Thurgau 1635/Gießen; Geschichtsforscher und Jurist, Kanzler der Universität Gießen) 1) De haereticis et eorum poenis 2) Tractatus de sortilegiis 1) und 2): (Tr), (ca. 1525) (Doctor utriusque juris; seinen Traktaten nach mehrfach Richter in Hexenprozessen (in der Nähe Roms); geb. in Florenz, tätig auch in Rom und Bologna) Tractatus magistralis declarans quam graviter peccent quaerentes auxilium a maleficis, Köln 1510 (1460/Hochstraten-Brabant - 1527/Köln; ab 1507 Prior des Dominikanerklosters und Prof. d. Theologie in Köln; ab 1508 Inquisitor in d. Kirchenprovinzen Köln, Mainz und Trier) An rex francie recognoscat imperatorem; in: Opera omnia, Papie 1513,(1510) (= Igneus, Franz; französischer Rechtsgelehrter zur Zeit Ludwigs XII. (dieser von 1498 bis 1515); lehrt Rechte in Orleans; zweiter Präsident des Parlaments von Rouen) Malleus maleficarum, (Nürnberg? ) 1496, (1486) (s.a. unter II: J.W.R. Schmidt) (Institoris: ca. 1430/Schlettstadt b. Straßburg - 1505, Inquisitor in Oberdeutschland und Böhmen (vgl. Hansen, Quellen S. 380 ff.. Sprenger: ca. 1436/Basel - 1495/Straßburg; Inquisitor in Oberdeutschland, Mainz, Trier und Köln; Prof. d. Theologie in Köln; aufgrund einer Madonnaerscheinung 1475 Gründung einer Rosenkranzbruderschaft in Köln) Flagellum hereticorum fascinariorum, Frankfurt 1581, (1458) (geb. in Burgund, gest. 1472; Inquisitor in Nordfrankreich und Böhmen) Absoluta Generalia circa Confessionem veneficarum; Faksimileausgabe der Originalhandschrift aus dem Kelheimer Stadtarchiv, München-Pullach 1967 Chronik Friedrichs I. des Siegreichen; in: Quellen und Erört. zur bayer. u. dt. Geschichte, Bd. II, München 1862, (ca. 1475) (gest. 1476, Hofkaplan des Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz in Heidelberg; Prof. der Dichtkunst in Heidelberg) Die Emeis, Straßburg 1516, (1508) (1445/Schaffhausen - 1510/Straßburg; Prof. d. Philosophie und Theologie in Freiburg und Basel; ab 1478 Prediger im Straßburger Münster) Anmerkungen über den Codicem Juris Bavarici Criminalis . . . von einem unbenannten Authore verfertiget, München 1756 (der Autor bezeichnet sich als Mitarbeiter bei der Abfassung des Gesetzes; Kreittmayr: 1705/München - 1790/München; Jurist; 1725:

XVIII

Krenner, Franz Kress, Joh. Paul

Laudensis, Martinus Lopez, Joannes Luther, Martin

Lutzenburgus, Bernardus de

Masuerius, Jo. Mirandula, Jo. Fr. P. Molitor, Ulricus

Murner, Thomas

Nettesheim, Agrippa von

Quellenverzeichnis Hofrat in München; 1740: pfalzbayerischer Beisitzer des rhein. Reichsvicariatshofgerichts; 1745: Ernennung zum Edelmann; 1758: zum Kanzler in Bayern ernannt; 1790: Reichsvicariatshofgerichtskanzler; Verfasser d. Cod. jur. criminalis Bavarici (1751), d. Cod. jur. Bav. judicalis (1753) und d. Cod. jur. Bav. civilis (1756)) Baierische Landtagshandlungen in den Jahren 1492-1568, 24 Bände, München 1803 Commentatio succincta in Const. Crim. Caroli V. Imperatorem, Hanoverae 1730 (1667/Hummelshayn-Voigtland - 1741/Helmstädt; Jurist, Prof. in Helmstädt, dort rector magnificus (1722 / 1731 / 1736; ab 1730 großbritannischer, ab 1731 braunschweigischwolfenbüttelscher Hofrat) De crimine laesae maiestatis, (Tr, Band 11,1) (geb. in Lodi, ab 1438 Prof. in Pavia für das Digestum vetus, ab 1445 Prof. in Siena) Allegatio in materia haeresis, (Tr) (geb. in Segovia, gest. 1496 in Rom; Prof. in Salamanca; Vikar des Kardinals von Siena, des späteren Papstes Pius III.) Tischreden, 6 Bände; in: Luthers Werke, hrsg. v. E. Kroker, Weimar 1912 ff. (1483/Eisleben - 1546/Eisleben; Begründer d. Protestantismus; Studium d. Rechtswissenschaft; aufgrund eines Gelübdes 1505 Eintritt in das Kloster der Erfurter Augustinereremiten; philosoph. u. theolog. Vorlesungen in Wittenberg; Prof. für Bibelerklärung) Catalogus hereticorum, O.A., 1526, (1522) (gest. 1535/Köln; Dominikaner aus Luxemburg; in Köln in den Orden eingetreten; Doktor d. Theologie; Hofprediger und Beichtvater Herzog Wilhelms zu Jülich; General-Inquisitor von Köln) Practica forensis, Francoforti, 1571 Strix, sive de Ludificatione Daemonum,Bononia 1523 (= Mirandola, ca. 1469-1533; Fürst der Herrschaft Mirandola bei Modena, Neffe des Humanisten Giovanni Pico M.) 1) De laniis et phitonicis mulieribus, teutonice unholden vel hexen, o A . (1489) 2) Tractatus von den bösen weibern, die man nennet die hexen, o.A. (dt. Fassung von 1) (geb. in Konstanz; vor 1470 in Pavia promoviert zum Doctor decretorum; praktiziert als Advokat und Prokuratur u.a. in Rom und im bischöfl. Hofgericht in Konstanz; später Prokurator und Redner am kaiserlichen Kammergericht (bezeugt für 1495 und 1501)) Tractatus perutilis de plutonico contractu, oA., (1499) (1475/Oberehnheim - 1537/Oberehnheim; Prediger, Prof. der Theologie und der Rechtswissenschaft; Verfasser einer Vergilübertragung, von Moralsatiren und von Lehrbüchern der Logik, der Metrik und der Rechtswissenschaft) De incertitudine et Vanitale scientiarum, O.A., 1536 (1486/Köln - 1535/Grenoble; in den Diensten Maximilians, Karls V., Franz I. v. Frankreich und Margaretes v. Österreich; Sekretär, Offizier, Arzt, Theologe, Historiker, Philosoph)

Quellenverzeichnis Nider, Johann

Pegna, Franciscus

Perneder, Andreas

Plantsch, Martin

Ponzinibius, Joan. Franc. Prierias, Sylvester

Reichsabschiede

Reiffenstuel, F. Anacletus

Repertorium

Schannat, J.Fr./ Hartzheim, J.

Schmalzgrueber, Franciscus

Sender, Clemens

XIX Formicarius, O.A., 1470, (1435/37) (ca. 1380—90/Isny-Schwaben - 1438/Nürnberg; Prof. d. Theologie in Wien; ab 1427 Prior des Dominikanerklosters in Nürnberg) Annotationes in tractatum de strigiis Bernardi Comensis, s. dt., s.a. „Vignate" (1540/Villaroya de los Pinares - 1612/Rom; von Papst Gregor XIII. zum Mitglied der „Correctores romani" ernannt (Herausgabe des cic 1582); ab 1604 Dekan der Rota Romana) Von Straff und Peen aller und jeder Malefitz / handlungen ain kurtzer Bericht; hrsg. v. W. Hunger, Ingolstadt 1544 (geb. Ende d. 15. Jhd. in Ried, gest. 1543 in München; 1518 in Ingolstadt immatrikuliert; unter Herzog Wilhelm V. Hofrat in München) Opusculum de sagis maleficis,Phorce 1507, (1505) (ca. 1460/Dornstetten - 1533/Tübingen; in Tübingen 1477 immatrikuliert; 1490 Rektor der Universität Tübingen; 1494 Doktor der Theologie; Kanzelredner, Priester) Tractatus de lamiis, (Tr), (ca. 1520) (weltlicher Jurist aus Piacenza, Näheres nicht bekannt) De strigimagarum daemonumque mirandis, Rome 1521, (1520) (1460-1523; Dominikaner; tätig in Bologna, Padua, Mailand, Verona, Como und Rom; ab 1512 Magister Sacri Palatii in Rom; Inquisitor in Oberitalien) Kurtzer Begriff Aller Im Heil. Rom. Reich Teutscher Nation aufgerichteter . . . Reichs-Abschiede; verfaßt von C.R., Regensburg 1720 Ius canonicum universum; 2. Bd. München 1702; 5. Bd. a.a.O. 1714 (1641/Tegernsee - 1703/Freising; Franziskaner; Lektor der Theologie und d. kanonischen Rechts im Ordenshaus in Freising; Lehrer des Kirchenrechts am furstbischöfl. Lyzeum in Freising) Repertorium inquisitorum pravitatis hereticae; hrsg. von Qu. Mandosius und P. Vendramin; Venetiis 1575, (1494) (der Autor ist unbekannt; nach seinen eigenen Angaben ist er Spanier (aus Valencia? ), Notar, Inquisitor und gehört keinem Orden an; das Werk wurde revidiert von Michael Albert, einem Juristen aus Valencia) Concilia germaniae, Köln 1765 1) Judicium ecclesiasticum (= Decretalium Gregorii IX. Liber II), Ingolstadt 1726 2) Crimen fori ecclesiastici (= Decret. Gregorii IX. Liber V), Ingolstadt 1727 (1663/Griesbach-Oberbayern - 1753/Dillingen; Jesuit; Prof. der Logik und der Moral; tätig in Ingolstadt und Dillingen) Die Chronik der Stadt Augsburg bis 1536; hrsg. v. Friedr. Roth, Leipzig 1894 („Chroniken schwäb. Städte", Augsbg., 4. Band) (1475/Lauingen-Donau - (wahrscheinlich) 1537/Augsburg; ab 1486 im Benediktinerkloster St. Ulrich in Augsburg)

XX Simanca, Jacobus

Socinus, M.

Spee, Friedrich

Spina, Bartholomäus de

Sterzinger, Don Ferdinand

Tengler, Udalricus und Christoph

Theatrum

Thomasius, Christian

Quellenverzeichnis De catholicäs institutionibus, (Tr), (ca. 1554) (seinem Traktat zufolge: „Pacensis episcopus"; wohl identisch mit Diego de Simancas (der bei Schulte, Quellen, genannt ist), bzw. mit Didacus Simancas (den Jöcher, Gelehrtenlexikon, anführt); dieser bei Schulte und Jöcher angefiihrte Simancas war Bischof von Badajoz = Pacensis Colonia und Verfasser eines Traktates „Institutiones catholicae" (Schulte; bei Jöcher: wie hier); dieser geb. in Cordova; lehrt ius canonicum und civile (letzteres ab 1540); königlicher Rat in Valladolid, Bischof von Ciudad, Badajoz und Zamora; Consultor bei der Inquisition) Tractatus de sortilegiis, (ca. 1465), (zit. nach dem nicht vollständigen Abdruck in Hansen, Quellen, S. 212) (1401/Siena - 1467/Siena; Prof. d. Kirchenrechts in Padua und Siena; von Papst Pius II. zum Konsistorialadvokaten ernannt) Cautio criminalis seu de processibus contra sagas Uber; dt. v. J F . Ritter; Köln/Graz 1967, (1631) (= von Langenfeld; 1591/Kaiserswerth - 1635/Trier; Dichter (Verfasser der „Trutznachtigall"); Jesuit; wirkt als Lehrer und Geistlicher, zuletzt in Trier, wo er an der Pest stirbt) Novus malleus maleficarum, Köln 1581; enthaltend: 1) De strigibus, (1523) 2) In Ponzinibium de lamiis, (1523) 3) Tractatus de praeeminentia sacrae theologiae super alias omnes scientias, et praecipue humanarum legum, (1525) (ca. 1480/Pisa - 1546/Rom; Schüler des Prierias; Prof. der Theologie in Bologna und Padua; ab 1542 Magister Sacri Palatii in Rom) Geister- und Zauberkatekismus, München 1783 (1721/Schloß Liechtenwörth - 1786/München; Prof. für Moraltheologie, Philosophie und Kirchenrecht; tätig in Prag und München; 1769-1779 Direktor der Hist. Kl. d. Bayer. Akad. d. Wissensch.) Leyenspiegel, Ingolstadt? 1518, (1510) (Udalricus: ca. 1440/Heidenheim b. Nördlingen — 1511/Höchstädt an d. Donau; 1479-1483 Oberxatsschreiber in Nördlingen, dann pfalz-neuburgischer Landvogt in Höchstädt; Christoph: Sohn des U.; Geistlicher, Prof. des kanonischen Rechts in Ingolstadt) Theatrum de veneficis, hrsg. v. Abr. Sawr., Frankfurt 1586 (Sawr: 1545/Frankenberg-Hessen - 1593/Marburg; Jurist; 1568 kaiserlicher Notar in Speier; 1575 Advokat und Prokurator am hessischen Samthofgericht in Marburg) 1) Über die Folter; übersetzt u. hrsg. v. R. Lieberwirth, Weimar 1960 2) Dissertatio de crimine magiae; Dissertatio de origine ac progressu processus inquisitorii sagas; mit dt. Übersetzungen hrsg. v. R. Lieberwirth, Weimar 1967 (1655/Leipzig - 1728/Halle; Rechtslehrer und Philosoph; Vorlesungen in Leipzig, Berlin und Halle; einer der Führer der deutschen Aufklärung)

Literatur Tostatus, Alphons M.

Trithemius, Johann

Turrecremata, Joan. a

Vi ce comes, Hyeronimus Vignate, Ambrosius de

Vindler, Hans Weier, Johann

Wormser Reformation

XXI Opera omnia, 9. Band, Köln 1613, (ca. 1440) (ca. 1400/Madrigal b. Salamanca - 1455; Bischof von Abula; Prof. der Theologie in Salamanca) Tractatus de reprobis atque maleficis, Frankfurt 1581, (1508) (1462/Trittenheim-Mosel - 1516/Würzbuig; Benediktiner; ab 1483 Abt von Sponheim, ab 1506 Abt in Wiirzburg) Commentarius in Decretum Gratiani, 3. Band, Venetiis 1578, (ca. 1445) (1388-1468/Rom; lebt in Paris und Spanien; Präfekt von Flandern; seit 1439 Kardinal; tätig auf dem Baseler Konzil 1431/49) Lamiarum sive striarum opusculum,Mailand 1490, (ca. 1460) (gest. ca. 1477; Dominikaner; Provinzial der Ordensprovinz Lombardia superior; ab 1448 Prof. d. Logik in Mailand) Tractatus de haeresi (cum commentariis Fr. Pegnae), (Tr) (ca. 1468) (geb. in Lodi; Doctor utriusque juris; Rechtslehrer in Padua, Bologna und Turin (dort seit 1452)) Das buch der tugent, Augsburg 1486, (1411) (gest. 1419 in der Nähe Bozens; 1407 Pfleger des Gerichts Stein; 1416 Amtmann Herzog Friedrichs an der Etsch) De praestigiis daemonum, dt. v. J. Fuglinus, Frankfurt 1586, (in: „Theatrum"), (1563 mit Zusätzen) (1515-1588/Wiirzburg; Kalvinist; Schüler des Agrippa von Nettesheim; Leibarzt des Herzogs von Jülich-Cleve) Der Stat Wormms Reformacion: Statuten, ordenung, Satzung die alle Stette . . . nützlich, oA. 1509, (1498)

Fundstellenhinweise: Die Angaben zu den Personalien sind entnommen aus den Traktaten der jeweiligen Autoren, aus Hansen, Quellen; Schulte, Quellen; Riezler, Geschichte; ferner aus: Allgemeine deutsche Biographie, hrsg. von d. hist. Commission bei d. Königl. Akademie d. Wissensch, in München, Leipzig 1875/1912; Allgemeines Gelehrtenlexikon, 4 Bände, von Chr. G. Jöcher, Leipzig 1750/1751; Fortsetzung und Ergänzungen dazu von Joh. Chr. Adelung und H.W. Rotermund, Band 1 bis 6, Hildesheim 1784/1897 (mit Ergänzungsband)

II) LITERATUR

Abegg, J.F.H.

Amman, Hartmann Barnheim, Friedrich

Über das religiöse Element in der PGO und den Einfluß der religiösen Verhältnisse des Zeitalters auf die Abfassung derselben; in: Archiv des Criminalrechts, Beilagenheft von 1852, Halle Der Innsbrucker Hexenprozeß von 1485; in: Zeitschrift des Ferdinandeums f. Tirol u. Vorarlberg, 34. Heft, 1890, Seite 1 ff. Erotik und Hexenwahn, Stuttgart/Bad Cannstatt 1965

XXII Baroja, Julio Caio Baschwitz, Kurt Byloff, Fritz Croissant, Werner Dordett, Alexander Eichmann, E. Enhueber, J.B. Ettinger, Ignaz Ficker, Julius Flatten, Heinrich Freyberg, Max Freiherr von

Friedberg, Emil Friedrich, Paul Garns, Pius Bonifacius Gengier, H.G. Groß, Carl Guitton, Jean Hansen, Joseph

Helbing, Franz Henner, Camillo Hen tig, Hans von Hinschius, Paul Hiereth, Sebastian

Literatur Die Hexen und ihre Welt; dt. v. S.u.B. Hübner; mit einer Einführung und einem ergänzenden Kapitel v. E. Peuckert; Stuttgart 1967 Hexen und Hexenprozesse, München 1963 1) Das Verbrechen der Zauberei (crimen magiae), Graz 1902 2) Hexenglaube und -Verfolgung in den österreichischen Alpenländern, Berlin/Leipzig 1934 Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer Unterschiede im deutschen Hexenprozeß, jur. Diss. Mainz 1953 Die juristische Verantwortlichkeit der Inquisitionstribunale; in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, 1954, Heft 1, Seite 18 ff. Kirche und Staat, 2. Bd.: Von 1122 bis zur Mitte des 14. Jhd., Paderborn 1914 Conciliorum Ratisboniensum brevis recensio, O.A., 1768 Zur Lehre von den Religionsvergehen; in: Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 203, Breslau 1919 Die gesetzliche Einführung der Todesstrafe für Ketzerei; in: Mitteilungen des Instituts f. österreichische Geschichtsforschung, 1,1880, S. 177 ff. Der Häresieverdacht im Codex Juris Canonici, Amsterdam 1963 1) Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung, 4 Bde., Leipzig 1836/39 2) Rede über den historischen Gang der bayr. Landesgesetzgebung bis auf die Zeit Maximilians I., München 1834 Lehrbuch des katholischen und des evangelischen Kirchenrechts, 6. Aufl., Leipzig 1909 Die Hexenbulle Papst Innocens VIII. „Summis desiderantes" aus dem Bullarium Magnum, Leipzig 1905 Series episcoporum ecclesiae catholicae, Graz 1957 Die strafrechtliche Lehre vom Verbrechen der Vergiftung, 1. Heft (historischer Teil), Bamberg 1842 Die Beweistheorie im canonischen Proceß, 2 Bde., Wien/Innsbruck 1867/70 Der geteilte Christus, dt. v. H.F. Gottwald, Würzburg 1965 1) Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung d. großen Hexenverfolg., Aalen 1964 2) Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahnes und der Hexenverfolgung im Mittelalter, Bonn 1901 Die Tortur - Geschichte der Folter im Kriminalverfahren aller Völker und Zeiten, Berlin, O.A. Beiträge zur Organisation und Competenz der päpstlichen Ketzergerichte, Leipzig 1890 Die Strafe, 2 Bde., Berlin/Göttingen/Heidelberg 1954 Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, 6 Bände, Graz 1959 Die bayerische Gerichts- und Verwaltungsorganisation vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, München 1950 (Einfühlung zu: „Historischer Atlas von Bayern", hrsg. v. d. Kommission f. bayr. Landesgeschichte)

Literatur His, Rudolf Homeyer, G.

Huizinga, Johan Klotz, Reinhold Knapp, Hermann Kunstmann, Hartmut H.

Lea, Henry Charles

Lieberwirth, Rolf Lipowsky, Felix Joseph Malblank, Jul. Friedr. Masters, R.E.L. Maurer, G.L. von Merzbacher, F. Mirbt, Carl Motzenbäcker, Rudolf Müller, Karl Otto

Otto/Schilling/Sintenis (Hrsg.) Paulus, Nikolaus Plöchl, Willibald M. Potthast, Augustus Regnet, Carl Albert

Riezler, Sigmund Robbins, R.H. Schmeller, J A . / Frommann, G.K. Schmidt, Eberhardt

XXIII Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 2 Bde., Weimar 1935 Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften; bearbeitet von Borchling/Eckart/v. Gierke, Weimar 1931 Herbst des Mittelalters, Stuttgart 1969 Handwörterbuch der lateinischen Sprache, 2 Bände, Graz 1963 Das alte Nürnberger Kriminalrecht, Berlin 1896 Zauberwahn und Hexenprozeß in der Reichsstadt Nürnberg; Schriftenreihe des Stadtarchives Nürnberg, Bd. 1; jur. Diss. Mainz 1970 Geschichte der Inquisition im Mittelalter; bearbeitet von H.Wieck und M.Rachel; hrsg. v. J.Hansen; 3 Bde., Bonn 1913 Die Einführung der Folter in das mittelalterlich - deutsche Strafverfahren; Einleitung zu Thomasius, Folter, s. dt. Geschichte des baierschen Kriminalrechts, München 1803 Geschichte der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V., Nürnberg 1873 Die teuflische Wollust; dt. v. Ortmann und Alfredsson, München 1968 Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freising, Stuttgart/Tübingen 1839 1) Die Hexenprozesse in Franken, 2. Aufl., München 1970 2) Das Alte Halsgerichtsbuch des Hochstifts Eichstätt; in: ZRG, Germ. Abt., 1956, S. 385 ff. Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, Tübingen 1911 Die Rechtsvermutung im kanonischen Recht, München 1958 Heinrich Institoris, der Verfasser des Hexenhammer und seine Tätigkeit als Hexeninquisitor in Ravensburg 1484; in: Württemberg. Vierteljahreshefte f. Landesgesch., 1910, S. 397 ff. Das Corpus Juris Civilis ins Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter, 7 Bde., Leipzig 1830/33 Hexenwahn und -prozeß vornehmlich im 16. Jhd., Freiburg 1910 Geschichte des Kirchenrechts; Bd. 2 (2. Aufl.): 1962, Bd. 3 (2. Aufl.): 1970, Bd. 4 (1. Aufl.): 1966; Wien/München Regesta Pontificum Romanorum, 2 Bde., Graz 1957 Von Zauberapparaturen und Hexenakten im Reichsarchiv zu München; in: Archivai. Zeitschr., 6. Bd., S. 244 ff., München 1881 Geschichte der Hexenprozesse in Bayern, Stuttgart 1896 The Encyclopedia of Witchcraft and Demonology, London 1959 Bayerisches Wörterbuch, Aalen 1961 1) Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Göttingen 1965

XXIV

Schmidt, J.W.R. Schmidt, Richard Schmitz, Herrn. Jos. Schneller, Georgius Schulte, Joh. Fr. von Seckel, E.

Siebenkees, Joh. Chr. Simon, Matth.

Sinnacher, Franz Anton Soldan, Wilhelm/ Heppe, Heinr. Solleder, Fridolin Spindler, Max (Hrsg.) Staber, Josef

Steinhausen, Georg Sturm, Friedrich Sugenheim, S. Ullmann, Walter Vekenö, E. van der Wächter, Carl Georg von Wächter, Oskar Walchner, K.

Literatur 2) Der Inquisitionsprozeß in ober- und niederbayrischen Rechtsquellen des 15. und 16. Jhd.; in: Festschrift fiir Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag, S. 32 ff., Bonn 1963 Der Hexenhammer; Übersetzung des Malleus maleficarum von H. Institoris, s. dt.; 3 Bände, Berlin 1920 Königsrecht, Kirchenrecht und Stadtrecht beim Aufbau des Inquisitionsprozesses, Leipzig 1914 Die Bußbücher und die Bußdisziplinen der Kirche, 2 Bde., Graz 1958 Indiculus conciliorum in Bojaria, Ingolstadt 1793 Die Geschichte der Quellen des Canonischen Rechts, 4 Bde., Stuttgart 1875/80 Paläographie der juristischen Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts und der juristischen Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts; aus d. Nachlaß hrsg. v. Erich Genzmer, Weimar 1953 Materialien zur Nürnberger Geschichte, 2 Bde., Nürnberg 1792 Die evangelische Bewegung der Reformationszeit in Wasserburg und das Ketzergerichtsprivileg der bayrischen Herzöge von 1526; in: Zeitschr. f. bayr. Kirchengesch., Heft 30 (1961), S. 121 ff. Beiträge zur Geschichte d. Bischöfl. Kirche Säben und Brixen in Tyrol, Brixen 1828 Geschichte der Hexenprozesse; hrsg. v. Max Bauer, 2 Bde., München oA. München im Mittelalter, Manchen/Berlin 1938 Handbuch der bayrischen Geschichte, 2 Bde., München 1967 Ein altbayerischer Beichtspiegel des 15. Jahrhunderts; in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1963, hrsg. von d. Kommission f. bayer. Landesgesch. b. d. Bayer. Akad. d. Wissensch., Volkach b. Würzburg 1963 Quellen und Studien zur Geschichte der Hexenprozesse; in: Beiträge zur Kulturgeschichte, 2. Heft, Weimar 1897 Symbolische Todesstrafen, Mainz 1961 Baierns Kirchen- und Volkszustände im 16. Jhd., Gießen 1842 Die Machtstellung des Papstes im Mittelalter, dt. v. G. Möser-Mersky, Graz/Wien/Köln 1960 Bibliographie der Inquisition (ohne Hexenwesen), Hildesheim 1963 Die gerichtliche Verfolgung der Hexen und Zauberer in Deutschland vom 15. bis zum 18. Jahrhundert; in: Beiträge zur deutschen Geschichte, Tübingen 1845 Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland, Stuttgart 1882 Die HGO Kaiser Maximilians I. für die Stadt Radolphzell; in: Eranien zum deutschen Recht, hrsg. v. R. Falck, 2. Lieferung, Heidelberg 1826, Seite 67 ff.

Literatur Wendt, Chr. v.

Wenger, Leopold Westenrieder, L. Wilman, R.

Wimmer, Friedr. Wohlhauptei, Eugen Zoepfl, Friedrich Zoepfl, Heinrich

XXV Die Tyroler Malefiz-Ordnung von 1499 wirklich Quelle der Bambergensis und Carolina; in: Bayerische Annalen, Nr. 137; 1834, 2. Hälfte; Blatt f. Literatur Nr. 91 Die Quellen des römischen Rechts, Wien 1953 Rechtbuch des Ruprecht von Freising, München 1802 Zur Geschichte der römischen Inquisition in Deutschland im 14. und 15. Jahrhundert; in: Sybel'sche Historische Zeitschrift, 41. Bd., 1879 Bibliographie des bayrischen Concordats vom Jahre 1583, München 1853 Aequitas canonica, Paderborn 1931 Hexenwahn und Hexenverfolgung in Dillingen; in: Zeitschrift f. bayr. Landesgesch., Bd. 27,1964, S. 235 ff. Die PGO Karls V. (mit den Projekten von 1521 und 1529) nebst der Bamberger und Brandenburger HGO, Leipzig/Heidelberg 1883

EINLEITUNG Im „Alten Halsgerichtsbuch" des Hochstiftes Eichstätt1 finden sich mehrere Eintragungen, in denen von „Zauberern", von „Unholden" oder von , . H e x e n " die Rede ist 2 . Das Verfahren, das gegen diese Personen angewendet wurde, ist zumeist nicht näher geschildert; in den Eintragungen ist nur festgehalten, welcher Taten die Betreffenden überführt und ob sie gütlich oder peinlich befragt wurden. Eine etwas nähere Darstellung im Hinblick auf das Verfahren findet sich jedoch in einer Eintragung, die sich auf das Jahr 1532 bezieht. Es heißt hier:3 „Anno domini millesimo quingentésimo Tricésimo Secundo am mitwochen nach dem hailigen pfingstag Sein Elsbeth Beßwangerin und margaretha schmidin beide von Styrun (? ) auf bevelch der weltlichen Rethe zu Eystet durch hansen W. . . Castner zu Sandses. daselbst zu Stirun In Iren heusern vengklich angenommen und auf zweyen karn hehr gen Eystet Ins ambthauß bracht worden, Und nachdem man vil und mangerlay anzaig und erfarung gehabt das obgenantte zway weiber mit Zauberey Unnd dem teufl umgangt und unhuldsche werk getriben. haben die weltlichen Rethe deselben weiber der gaistlichen Oberkait das ist meins gd. hem . . . gegen denselben Zu Inquirieren Uberantwurt. Als aber meins gd. hem . . . und weltlichen Rethe auß verhörter kundtschaft Zeugknuß Unnd Irer der weiber selbst gutlich bekantnuß sovil gefunden das sie solche weiber der weltlichen oberkait. uf Vorgeend des gaistlichen Richters erkantnus: widerumb uberantwurtten lossen. haben die weltlichen Rethe solche zwee Person mermaln gutlich und peinlich besprochen und frogen lossen Die hoben Ir Zauberey und unhuldsche werck gutlich und peinlich bekant In manigerlay weg. Wie man solchs In deren aufgeschriben Iren urgichten findt Unnd nach dem nergenantte Zway weiber auf Iren urgichten behart gutlich und Peinlich sein sie nach viel gepflognem Rate darnach am donerstag nach Sant Bartholmes tag . . . hir Zu Eystett mit dem feier vom leben zum tod gericht worden."4 Dieses Neben- oder Miteinander von geistlichen und weltlichen Behörden findet sich auch in einem Bericht, der den Fall eines 80-jährigen Mannes schildert, der eine Zauberin (incantatrix) um Hilfe ersuchte, ihre Ratschläge befolgte und deshalb vor Gericht gestellt wurde (1469 in Augsburg). Das weltliche Gericht verurteilte ihn zum Tode durch Ertränken, begnadigte ihn aber wegen seines früheren ehrbaren Lebenswandels, seines hohen Alters und seines Geisteszustan1

VgL dazu Merzbacher, Halsgerichtsbuch

2

Neben den von Merzbacher a.a.O. genannten: S. 125'; 141; 152; 217'/218; 243*; 326'

3

S. 150

4

In den anderen diesbezüglichen Eintragungen ist dieses Tätigwerden der „geistlichen Oberkait" nicht erwähnt; ob es sich um eine Ausnahme oder um die Regel handelt, kann im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit aber dahingestellt bleiben.

2

Einleitung

des („immo delirii ratione") zu einer Geldstrafe zugunsten des Findelhauses. Die Mitglieder des geistlichen Gerichtshofes legten ihm zur weiteren Abbüßung (satisfactio) auf, am zweiten Sonntag nach Pfingsten nach dem Hochamt, während alle Plätze voller Leute waren, halbnackt ein hölzernes Kreuz mitten durch die Stadt zu tragen. Begleitet wurde er von dem geistlichen Henker (carnifex spiritalis), einem Dominikanermönch, der ihn dabei mit Ruten schlug s . Die Frage, die sich aus diesen Beispielen ergibt, ist: wie kommt es zu der Zuständigkeit und Strafmöglichkeit sowohl der weltlichen als auch der geistlichen Behörden? Die Klärung dieser Frage ist Ausgangspunkt der Darstellung der in diesen Berichten angesprochenen Taten in der Literatur der Zeit, in die diese Berichte fallen, von 1450 bis 1550. Eine Lösung der Frage ist nur möglich, wenn dargelegt wird, welche Vorwürfe gegen diese Personen erhoben wurden, was also unter einem „Zauberer" oder einer „Hexe" zu verstehen ist (1. Teil der Arbeit). Ausgehend davon sollen dann die Zuständigkeitsregelungen (2. Teil) und die Strafmöglichkeiten (3. Teil) untersucht werden.

5

Augsburger Chronik des 1577 verstorbenen A.P. Gassarus; insoweit abgedruckt bei Hansen, Quellen, S. 578; darauf stützt sich eine ausgeschmückte deutsche Fassung im Augsburger „Modus procedendi" eines unbek. Verf. (18. Jhd.); S. 22

1. Teil: Begriffsbestimmung A) DIE VERWENDETEN BEGRIFFE

I) Der Rahmen für die Taten der Hexen und Zauberer Unter den Ratsakten der Stadt Kelheim befindet sich ein aus der Zeit von 1500 bis 15501 stammendes Schriftstück mit dem Titel: „Absoluta Generalia circa Confessionem veneficarum. Fragstuckh auf alle Articul, in welchen die Hexen und unholden auf das allerbequemist möge Examinirt werden."2 Es kann davon ausgegangen werden, daß dieser für die Praxis bestimmte Fragenkatalog alle3 die Vorwürfe enthält, die gegen Hexen und Unholde erhoben wurden: dabei wird in diesem Schriftstück nicht zwischen Hexen und Unholden unterschieden, so daß die Fragen für beide gelten, diese Begriffe sich hier also entsprechen. Der Fragenkatalog ist in zwölf Hauptpunkte unterteilt. Sie geben ein Bild von dem Themenkreis, in dem sich die Vorwürfe gegen Hexen bewegen; sie lauten: (I) Absoluta generalia Confessionem (13 Fragen; warum die Angeklagte Hexerei betreibe, wie sie zur Hexe geworden sei; ob, unter welchen Umständen und auf welche Weise sie mit dem Teufel einen Vertrag geschlossen habe und welchen Inhalt dieser Vertrag habe); (II) Circa punctum malefactorum (4 Fragen: ob, warum, mit wem und wo sie Vieh und Leute durch Pulver und Salben getötet oder an der Gesundheit geschädigt habe); (III) Circa sacrilegia (11 Fragen: ob sie den religiösen Pflichten - Beichte und Kommunion — nachgekommen sei; ob und auf welche Weise sie die bei der Kommunion erhaltenen Hostien mißbraucht habe; ob sie Gott, Maria oder die Heiligen gelästert oder verfälschte Gebete gesprochen habe; dazu einige Fragen, die Glaubensdinge betreffen: die Gegenwart Christi in der Wandlung, die Bedeutung der Mutter Gottes und der Heiligen als Fürsprecher); (IV) Circa punctum: Ausfahren (24 Fragen: wann, wie oft und aufweiche Weise sie zu Zusammenkünften ausgefahren sei; was bei diesen Zusammenkünften geschehen sei; ob jemand anwesend gewesen sei, dem man habe Ehrerbietung bezeugen müssen); (V) Circa puncta: Keller, Cammer und stell fahren (12 Fragen: ob, auf welche Weise und mit wem sie in (Getränke-) Keller gefahren sei; ob mit oder ohne Buhlteufel; ob, warum und aufweiche Weise sie Menschen „gedruckht" habe); 1 2 3

So die Auskunft des Stadtarchives Kelheimer Hexenhammer; s. Quellenverz. Nicht erwähnt ist der Vorteilszauber

4

Die verwendeten Begriffe

(VI) Circa punctum: khinder ausgraben (6 Fragen: wie oft, wo und mit wem sie Kinder ausgegraben habe; was sie mit diesen gemacht habe); (VII) Circa puncta: weiter, reiffen, und Nebel machen (4 Fragen: ob, warum und auf welche Weise sie das gemacht habe; ob Schäden eingetreten seien); (VIII) Circa Complices (10 Fragen: ob und wie oft sie welche Personen mit oder ohne Buhlteufel auf den Zusammenkünften gesehen habe; ob sie bei ihren Aussagen auch bei einer Gegenüberstellung bleibe); (IX) Adoratio Diaboli (5 Fragen: wie oft und an welchen Orten der Teufel neben den Hexen-Tänzen zu ihr gekommen sei; ob sie ihn als Gott angebetet und was sie mit ihm getrieben habe); (X) . . . mixtura carnalis (6 Fragen: wie oft, wann und auf welche Weise der Teufel neben den Hexen-Tänzen mit ihr Unzucht getrieben habe); (XI) . . . morbi incurabilis (1 Frage: wie sie unheilbare Krankheiten verursacht habe); (XII) discordia inter conjuges (1 Frage: wieviele Ehen sie zerstört habe). Diese Fragen lassen sich in vier Hauptpunkte zusammenfassen: Bündnis mit dem Teufel; Flug durch die Luft und Teilnahme an „Hexen-Tänzen" und „Zusammenkünften"; Verehrung des Teufels und Lästerung Gottes; Verursachung von Schäden bei Mensch, Tier und Sachen. Keine Auskunft gibt der Fragenkatalog darüber, ob alle diese Punkte vorliegen müssen, um von einer „Hexe" sprechen zu können; zur Klärung dieser Frage ist daher die Literatur heranzuziehen. Das Wort „Hexe" wird, bedingt durch die Abfassung der Traktate in lateinischer Sprache und die Herkunft der Autoren, in der Literatur dieser Zeit kaum gebraucht. Ulrich Molitoris, ein „doctor decretorum", verfaßte 1489 auf Ersuchen des Erzherzogs Sigmund von Österreich eine Schrift, die sich mit Fragen des Hexenwesens beschäftigte und die er in deutsch und lateinisch abfaßte („Tractatus von den bösen weibern, die man nennet die hexen" bzw. „De laniis et phitonicis mulieribus, teutonice unholden vel hexen") 4 . Seine Ergebnisse lassen für die oben gestellte Frage nach den „unabdingbaren" Vergehen der Hexen keine Schlußfolgerung zu. In Tenglers „Leyenspiegel" ist ein Kapitel5 überschrieben mit „Von kätzerey/ warsagen/schwartzer kunst/zauberey/unholden etc.", wobei später gesprochen wird von den „Unholden oder Häxen/im Latein Phitonisse/oder Maleflce genant" 6 . Darin wird für alle auftauchenden strittigen Fragen verwiesen auf den „Malleus maleficarum" der Inquisitoren Institoris und Sprenger 6 . 4

s. Quellenverz.

Lateinische Begriffe

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Diese Hinweise auf die lateinischen Ausdrücke - im Fragenkatalog: veneficae; bei Tengler: Phitonisse, Malefice; bei Molitor: lanii, phitonici — legen es nahe, zuerst die wesentlich umfangreichere in lateinischer Sprache geschriebene Literatur zu diesem Themenkreis zu verwerten und von den Begriffsinhalten der dortigen Bezeichnungen auf die der deutschen zu schließen. Ausgegangen soll dabei werden von den vier oben angeführten Hauptpunkten: Fähigkeit zum Flug durch die Luft, Fähigkeit zur Zauberei allgemein, Bündnis mit dem Teufel, Lästerung Gottes. Da die letzten Punkte fast ausnahmslos vorliegen (wenn auch die Intensität des darauf gerichteten Verhaltens zum Teil verschieden ist), sind sie zur Abgrenzung der Begriffe voneinander nicht geeignet; abgestellt wird deshalb nur auf die beiden ersten Punkte.

II) Lateinische Begriffe 1) laniae, lamiae, striges Diese hier genannten Bezeichnungen werden fast ausnahmslos gebraucht von Autoren, die die Realität des Hexenwesens im Hinblick auf die oben angeführten Punkte bejahen. Die so bezeichneten Personen schließen ein Bündnis mit dem Teufel, wobei sie diesen als Gott verehren; sie vollbringen Zauberwerke und sie begeben sich fliegend oder durch die Luft reitend zu Zusammenkünften mit dem Teufel und anderen Personen ihrer Art: dem Teufelssabbat7. Abweichungen ergeben sich nur in Einzelheiten bei der Darstellung der Macht dieser Personen, also im Hinblick auf die Frage, welche Art von Zauberwerken sie vollbringen können; insbesondere bei der Frage, ob sie Menschen in Tiere verwandeln können und umgekehrt8 und wie ihr Zusammenwirken mit dem Teufel vor sich geht. Abweichungen ergeben sich auch bei der etymologischen Erklärung der Bezeichnungen.

5

S. 104' ff.; dieses Kap. war in der Erstausgabe (1509) nicht enthalten und wurde auf Ersuchen Ulrich T. von seinem Sohn Christoph und anderen Rechtsgelehrten aus Ingolstadt eingefügt; (in einem Brief an seinen Vater führt Chr. dazu aus, ihm als Canonisten gezieme es nicht, sich über das weltliche Recht zu äußern); vgl. dazu und zur Behandlung der Zauberer und Hexen in der Ausgabe von 1S09: Hansen, Quellen, S. 296 ff.; zur großen Bedeutung des Leyenspiegel für die Praxis s. Riezler, Hexenprozesse, S. 132 ff.

6 7 8

Tengler, Leyenspiegel, S. 105 Ablehnend bezüglich dieses Punktes: Alciatus, De Lamiis und Molitor, Böse Weiber Nähere Ausführungen dazu, zum Ritt durch die Luft und zum Bündnis mit dem Teufel unter 1 B.

6

Die verwendeten Begriffe

Im Verhältnis von „lamia" und „lania" wird zumeist das Wort „lamia" verwendet 9 . Diese Bezeichnung wird gebraucht wegen der Ähnlichkeit dieser Frauen mit einem gewissen wilden Tier mit einer species humana und einem corpus bestiale 10 ; nach Prierias11 haben diese Wesen Pferdefüße, sehen ansonsten aber aus wie Menschen. Daneben wird auch die Ableitung von „lama" = vorago (Sumpf, Abgrund) vertreten 12 . Nach Alciatus 13 , der die Realität des Fluges verneint, geht diese Bezeichnung zurück auf Lamia, eine Geliebte des Jupiter, die von diesem ein Kind bekam. Die erbitterte Juno tötete das Kind und verwandelte die Frau in ein wildes Tier, das fremde Kinder raubte und tötete. Molitor, der die Realität des Fluges ebenfalls verneint, leitet dieses Wort ab von „laniare" (zerfleischen) und spricht deswegen nicht von „lamia", sondern von „lania" 14 . Alciatus führt an, das Wort „lamia" sei die Bezeichnung der „veteres" gewesen, heutzutage spreche man dagegen von „striges" 15 . Auch für dieses Wort gibt es mehrere Erklärungsversuche. Die eine Ansicht leitet es ab von „strix", der Ohreule: der Schrei dieses Nachtvogels klingt ähnlich wie die Rufe, mit denen die Hexen sich nachts zu ihren Werken zusammenfinden; wie diese sind auch die Hexen besonders nachts unterwegs 16 , um ihre Zauberwerke zu vollbringen und den Kindern das Blut auszusaugen 17 . Die zweite Ansicht leitet das Wort „striges" ab von „stix", der Bezeichnung für 9

10

Im altgriechischen Glauben war die Lamia ein Spukgeist, der Müttern ihre Kinder raubte; später verstand man darunter gespenstische weibliche Wesen, die Jünglinge an sich lockten, um ihnen das Blut auszusaugen; - dtv-Lexikon Simanca, De institutionibus catholicis, t. 37, Nr. 2

11 12 13

Prierias, De strigimagarum mirandis, lib. 1, c. 2 a.A. Mirandula, Strix, üb. 1 Alciatus, De Lamiis. - A. Brück in „Religion in Geschichte und Gegenwart", 3. Aufl., Tübingen 1959, 3. Bd. („Hexen"), datiert auf 1530; dies entspricht der Zeit der Niederschrift, die Entstehung liegt um ca. 1515 (vgl. Hansen, Quellen, S. 310).

14 15

Dieselbe Ableitung bei Albertinus, De assertionibus catholicis, q.24, nr.2 Alciatus, De Lamiis; Bartolus de Sassoferrato schreibt in einem Gutachten von 1341/42: „Mulier striga - latine: lamia . . . " (Hansen, Quellen S. 64)

16

Albertinus, De assertionibus catholicis, q.24, nr.2; Simanca, De institutionibus cath., t. 37, nr.2 Alciatus, De lamiis; insoweit deckt sich dies mit der Erklärung bei Klotz, Wörterbuch: „strix, die Ohreule, die nach den märchenhaften Vorstellungen der Alten den Kindern in der Wiege das Blut aussog und giftige Milch aus eigenen Brüsten einmelkte."

17

Lateinische Begriffe

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ein „infernum" oder einen „palus infernalis"; als „striges" werden die hier behandelten Personen deshalb bezeichnet, weil sie „diabolicae et infernales" sind 1 8 . Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wird gesehen in dem griechischen Wort „stigitos" = tristitia : die Zaubereien dieser Frauen führen bei vielen Menschen zu großer Trauer 18 . Prierias hält diese Begriffe nicht für umfassend genug: so berücksichtigen sie nicht, daß es sich um „apostatae voluptuosi" und „malefici" handelt. Im Hinblick auf ihr doch meist nächtliches Treiben und ihre Zauberwerke spricht er von „strigimagae"; das weibliche Geschlecht dieses Wortes sieht er gerechtfertigt durch das Übergewicht der Frauen in dieser Sekte 1 9 . 2) Malefici Im Gegensatz zu den vorher genannten Bezeichnungen werden zur Erklärung des Wortes „maleficus" nicht nur Beispielsaufzählungen, sondern zum Teil auch Definitionen gegeben. „Maleficus" ist danach der, der mit Hilfe des Teufels reale Wirkungen hervorrufen kann 2 0 . Jedoch stellt die Bezeichnung, wie man aufgrund dieser Definition annehmen könnte, keinen Oberbegriff dar, sondern ist untergeordnet den Begriffen „superstitiosus" oder „sortilegus" 21 ; sie ist eine Sammelbezeichnung aber insofern, als der Maleficus alle Arten von Zauberei ausüben kann. Übereinstimmung besteht darüber, daß der Maleficus Schäden verursachen, Krankheit, Zeugungsunfähigkeit, Haß und Liebe hervorrufen kann; darüberhinaus hat der Maleficus jedoch, soweit diese Möglichkeit bejaht wird, in Erweiterung der vorhin genannten Definition grundsätzlich auch die Fähigkeit zum Flug durch die Luft; auch nimmt er an Teufelsversammlungen teil (so etwa bei Como, Institoris, Grillandis, Dodo, Spina, Tengler, Hochstraten). Während bei den Bezeichnungen lamiae und striges aber — wobei im folgenden nur gesprochen wird von den Autoren, die die Realität des Fluges bejahen — der Flug durch die Luft im Vordergrund steht, jedenfalls aber nicht unbeachtet 18 19 20 21

Como, De strigiis, § 1 Prierias, De mirandis strigimagarum, lib. 1, c.2, pct.2; diese Bezeichnung taucht wieder auf bei Grillandis, De sortilegiis, q.7, nr.l Dodo, Apologia, cap. „quarta conclusio"; Arles, De superstitionibus, ni. 63/64; s. auch Cajetanus, Summula, S. 368 „Sortilegus" wird bei Arles, De superstitionibus, n r . l l ff. LS.v. „maleficus" verwendet; die „mulieres sortilegae et maleficae" bezeichnet er als „Broxae" (s. dazu unter 4: „sortilegus proprie" bzw. „laige"). Der Oberbegriff bei Arles ist „superstitiosus". Ausgehend davon, daß der Flug durch die Luft nicht möglich sei, führt er aus, die Ausdrücke „Malefici, Magi, Incantatores, Divini et Negromantici" bezeichneten „communiter" dasselbe (nr. 63/64).

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Die verwendeten Begriffe

bleibt, scheint von einem Maleficus auch gesprochen werden zu können, wenn die Flugfähigkeit nicht gegeben ist; Flugfähigkeit scheint also nicht Voraussetzung für die Bezeichnung als „Maleficus" zu sein 22 , zumindest tritt dieser Gesichtspunkt zum Teil sehr stark in den Hintergrund. Das hat zur Folge, daß ,,Maleficus" bei denselben Autoren die Bezeichnung darstellt für den bloßen Zauberer und den Zauberer mit Flugfähigkeit. Bei den Anschuldigungen etwa, die Institoris, einer der Verfasser des Malleus maleficarum, bei den Prozessen von Innsbruck (1485) 23 gegen die der haeresis maleficarum beschuldigten Personen erhob, findet sich kein Hinweis auf Flug durch die Luft und Teilnahme am Sabbat; wie auch im Malleus maleficarum nicht der Sabbat, sondern die Zauberei im Vordergrund steht 2 4 . Nicht als malefici sieht Institoris dagegen die Personen an, die sich (nur) mit Weissagungen beschäftigen („divinati"), auch wenn dabei der Teufel angerufen wird; ebenfalls keine malefici sind die, durch deren Zauberkünste den Zuschauern etwas vorgespielt wird, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist: zum Beispiel die Verwandlung eines Menschen in ein Tier (bei Institoris: „Magi") 25 . Die Unterscheidung zwischen Malefici und Divinati und Magi ist nicht so zu verstehen, daß sich ihre Fähigkeiten gegenseitig ausschlössen; der Maleficus besitzt auch die Fähigkeiten des Divinatus und des Magus, ist also als der Höherstehende anzusehen. Eine ausdrückliche und innerhalb der gesamten Darstellung eingehaltene Unterscheidung zwischen flugfähigen und nicht flugfähigen Zauberern findet man nur bei Weier 26 , der — ausgehend davon, daß die Flüge nur geträumt würden —

22

Wo die Flugfähigkeit durchweg abgelehnt wird, ist dies von diesem Ausgangspunkt her sowieso der Fall (etwa bei Arles a.a.O.; dessen Werk wird von Hansen, Quellen 308 datiert auf ca. 1515, von Robbins, Encyclopedia, S. 145, auf ca. 1460);vgl. die obige Definition und Anm. 25). Unterscheidung zwischen dem nur schadensstiftenden „maleficus" und den (auch) nachtfahrenden „lamiae" und „striges" bei Castro, De punitione haeret. lib. 1, c.15

23

S. dazu Amman, Innsbr. H.prozeß und Sinnacher, Geschichte, S. 627 ff.

24

Hansen, Zauberwahn, 477 ff., erklärt dies mit der Absicht der Verfasser, die weltlichen Mächte zur Verfolgung dieser Personen zu veranlassen; die Betonung der angerichteten Schäden sei dafür geeigneter gewesen. Darauf beruhe im Malleus maleficarum auch die Wahl des Namens „maleficae". Das Werk selbst ist im übrigen in erster Linie von Institoris verfaßt worden (Hansen, Quellen, 360 ff.), unter dessen Namen es daher im folgenden zitiert wird. Institoris, a.a.O., p . l , q.16; q . l ; Tengler, Leyenspiegel, S. 1047105'; Grillandis, De sortilegiis, q.2; 3; 7; „Magi" in diesem Sinn auch bei Castro, De punitione haeret, üb. 1, c.14 Weier, De praestigiis daemonum; z.B. lib. 2, c.l; vgl. dazu auch „Zusammenfassung" unter IV

25

26

Lateinische Begriffe

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aufgrund dieser Unterscheidung zu verschiedenen strafrechtlichen Konsequenzen gelangt 2 7 . Die Bezeichnung „Maleficus" rührt her von dessen Werken; nur bei Institoris 2 8 wird die Bezeichnung abgeleitet von „mal® de fide sentire". 3) „Venefici" Auch der Begriff des Veneficus wird in dem umfassenden Sinn des Maleficus gebraucht; es kann darunter sowohl der bloße Schadenszauberer als auch der flugfähige Zauberer verstanden werden. Der Untertitel des „Theatrum de veneficis" 2 9 lautet: „ V o n Teufelsgespenst und Zauberern und Gifftbereitern/ Schwarzkünstlern / H e x e n und Unholde . . . . " Daneben versteht man darunter jedoch auch den Giftmörder, ohne dabei einen Zusammenhang mit der Zauberei herzustellen. Diese Doppeldeutigkeit des Begriffes erklärt sich aus seiner Entwicklung: 3 0 27

Freilich nur für die Personen, denen nur Flug und Teilnahme am Sabbat vorgeworfen werden, nicht aber daneben auch Zauberei, die auch Weier für möglich hält. Die Trennung zwischen flugfähigen Zauberern (den Hexen) und nicht flugfähigen Zauberern wird später offenbar genauer eingehalten; vgl Goldast, Bedencken, S. 35 ff. (der auch den Begriff des „quasi-Zauberers" einführt). Sterzinger, Zauberkatekismus, S. 31, definiert 1783: Man sei der Ansicht, „daß Zauberey eine Kunst sey, kraft welcher man durch Beschwörungen und Karaktere den Teufel zu bannen weis, mit ihm ein ausdrückliches Bündniß eingehet, und mit so bedungener Hilfe des Teufels verschiedene über die menschliche Macht und Kräften sich erstreckende Dinge ausübet, und hervorbringt." „Eine Hexe ist eine solche Person, die mittelst eines geheimen, oder ausdrücklichen Bundes mit dem Teufel durch die Luft zu dem Sabbath fährt, dort tanzet, schwelget und Unzucht treibt; dem Nächsten Schaden zufüget, Donner und Hagelwetter erregt, und andere Unthaten wirket." (Die Schadenszufügung, die hier bei der Zauberei nicht erwähnt ist, ist bei Institoris Merkmal des „Maleficus" auch dann, wenn der Vorwurf des Fluges und der Sabatteilnahme nicht erhoben wird. Der „Zauberer" hier entspricht daher eher den „Divinati" und „Magi" bei Institoris.) In den von Kreittmayr hrsg. „Anmerkungen über d. Cod. Jur. Bav. Crim." eines Anonymus von 1756 findet sich die Unterscheidung in bezug auf die Flugfähigkeit jedoch nicht. Es ist dort definiert (zu § 7 des 7. Kap. im l.Teil d. Gesetzes): „Hexerey. Ist nach gemeiner Beschreibung eine Bündniß mit dem Teufel, kraft welcher man sich demselben gegen die von ihm versprochenen Vorteile als eigen Ubergibt", wobei die Realität des Bündnisses streitig sei. „Zauberey. Ist eine Geschicklichkeit allerhand Dinge über des Menschens natürliche Kräfte durch teuflische Hülfe auszurichten"; sie gründe sich auf obiges Bündnis und sei deshalb ebenfalls streitig. „Aberglauben. Ist ein Irrthum, da man menschlich- und natürlichen Dingen eine übernatürliche und Göttliche Kraft beymesset"

28

Institoris, Malleus, p . l , q.2 a.E.

29 30

S. Quellenverz. „Theatrum" VgL dazu Gengier, Verbrechen der Vergiftung, S. 125 ff.

und Abegg, PGO, S. 44 ff.

10

Die verwendeten Begriffe

Bei der Vergiftung, die zunächst als spezielles Tötungsdelikt angesehen wird (so in der lex Cornelia de sicariis et veneficis), tritt im Laufe des Mittelalters der Charakter der verräterischen Tötung in den Vordergrund; das Delikt wird mit dem Zaubereiverbrechen kombiniert und als Glaubensvergehen angesehen. Seit Ende des 15. Jahrhunderts tritt jedoch wieder eine Trennung dieser beiden Delikte ein. Im Clagspiegel und in Tenglers Leyenspiegel sind Vergiftung und Zauberei nur bei Tötungsdelikten zusammengebracht insofern, als sowohl die Tötung durch Gift als auch durch Zauberei nach der lex Cornelia de sicariis et veneficis geahndet wird 3 1 . Auch in der Bamberger Halsgerichtsordnung von 1507 und in der Peinlichen Gerichtsordnung von 1532 ist die Trennung bereits vollzogen. Goblerus 32 übersetzt zwar den Art. 109 PGO, „straff der zauberer", mit „Poena veneficorum. Si quis hominibus veneno dammum d e d e r i t . . . . " und weist bei der Erläuterung hin auf die lex Cornelia de sicariis et veneficis. Bei anderen Vorschriften übersetzt er aber Zauberer mit „malefici et mathematici" (Art. 21) und spricht von „incantationes et malefici", ohne den Begriff des veneficus zu gebrauchen (Art. 43) 3 3 . Zur Klärung der Frage, wie Giftmorddelikt und Zauberei im bayerischen Raum zueinander standen, wie also der Begriff „veneficus" hier gebraucht wurde, ergeben sich folgende Anhaltspunkte 34 : Das Kapitel „Welichs mörder haissent" des Rechtsbuches des Ruprecht von Freising wird 1436 gegenüber der Ausgabe von 1 3 3 2 3 5 erweitert um: und wär dem andern vergifft zu essen gibt davon er sterbin mues (in der Fassung von 1473: auch der ainem gifft eingeit zue essenn davon er stirbt), dye haissen wir all mörder . . ." 3 6 . Die hier vorgenommene Trennung der Tötung durch Gift von der Zauberei läßt aber nicht den Schluß zu, daß zwischen beiden keine Verbindung mehr bestehe; so heißt es im selben Rechtsbuch im l . B u c h , cap. 113 in den Fassungen von 1436 und 1473: „ . . . welich kristn menschnn ungelaubig sein und dy mit zauberey unnd mit gifft umbgeen dy sol man auf

31

Clagspiegel, S. 139'; Tengler, Leyenspiegel, S. 104'; 102': nach diesem Gesetz sollen auch die bestraft werden, „die mit vergifft/zauberei/oder anderen verbotten sachen/die zuertödten/zu Latein genant Venefici/Malefici/Incantatores/Ifhitonisse . . . " ; „Veneficus" ist hier wohl nur der Giftmörder.

32

Goblerus, PGO, S. 120

33

Gegen diese Auffassung und Übersetzung des Goblerus: Kress, Commentatio, S. 2 5 4

34

Im norddeutschen Raum war die Trennung erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts vollzogen; vgl. dazu auch Weier, De praestigiis daemonum,lib. 3, c.35

35

S. Westenrieder, Rechtsbuch, S. 4 2 ; Maurer, Stadtrechtsbuch, S. LVI, datiert auf 1328

36

Zit. nach Maurer, a.a.O., S. 2 5 9 ; in einer Handschrift von 1441 fehlt dieser Zusatz; über den großen Einfluß dieses Rechtsbuches: Maurer, S. L X X I ff.

Lateinische Begriffe

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einer hurt prennen . . ," 3 7 ; der Giftmord verliert also den Charakter der Zauberei und wird zu einem Tötungsdelikt, die Vorstellung vom Giftdelikt als Glaubensvergehen ist aber wohl noch vorhanden 3 8 . Bei den landschaftlichen Beratschlagungen des Herzogtums Bayern taucht ab 1471 mehrere Male der Vorschlag auf, unter die Vicedomhändel aufzunehmen: „wer einen todtschlüge, heimlich mordete oder Kind vertäte" 3 9 . Diese Fassung wird in die Landesordnung des Herzogs Ludwig von Landshut übernommen 4 0 und findet sich wieder im „Landgebot oder Landesordnung in Gerichts- und Polizeisachen" des Herzogs Georg von 1491, ebenso in einem landschaftlichen Entwurf zur Erklärung der Landesfreiheit 4 1 . Im ersten herzoglichen Entwurf dagegen heißt es hier: „wer einen Todschlag tut oder mit Gift oder in anderer Gestalt einen heimlich mordet, oder ein Kind vertut". In dieser Fassung wird diese Vorschrift („Todschlag" wird durch „freventlich" erweitert) in den endgültigen Entwurf von 1501 aufgenommen unter Punkt 9; eine Regelung bezüglich Schadenszaubers findet sich unter Punkt 1 5 4 2 . Gleicher Wortlaut und gleiche Einteilung finden sich dann auch in der Landesfreiheitserklärung von 1508 und 1 5 4 1 4 3 . Diese Einteilung läßt wohl den Schluß zu, daß Giftdelikte und Zauberei juristisch zumindest in der Praxis der weltlichen Gerichte nicht mehr in Zusammenhang gebracht werden 4 4 . Dafür sprechen auch die verschiedenen Hinrichtungsarten: während die Hinrichtung der Zauberer durch das Feuer oder — bei Gnadenerweisen — durch das Schwert erfolgt, finden sich bei Giftmorden: Tod durch Radbrechen (1429/Augsburg) 4 5 ; Lebend ig-Begraben

37 38

Maurer, S. 135 ff. In den Dekreten der Augsburger Bistumsynode von 1610 heißt es, der seelsoigerischen Behandlung durch den Bischof seien vorbehalten: „ . . . veneficium, incantationes magicae, maleficium" (F. Zoepfl, Hexenwahn, S. 236); auch hier ist „veneficium" wohl nicht mehr als Zauberei zu verstehen; der Zusammenhang ergibt sich auch hier wohl aus seiner Einstufung als Glaubensdelikt.

39 40 41 42

Krenner, Krenner Krenner, Krenner,

43

Krenner, Landtagshandlungen, Bd. 17, S.73 ff.; bzw. Bd. 20, S. 214 ff.; ebenso in der „Erclärung der Landesfreihait in Obern und Nidern Bairn widerumb verneut im 1553. Jar." (1. Teil, Art. 16, Nr. 9) Der oben zit. „Kelheimer Hexenhammer" allerdings spricht von den „Hexen und Unholden" als „Venefici" Unbek. Verf.; Augsb. Modus proc. S.13'

44 45

Landtagshandlungen, Landtagshandlungen, Landtagshandlungen, Landtagshandlungen,

Bd. 7, S.280, 374,401 Bd. 7, S. 472 ff. Bd. 12, S. 337., bzw. Bd. 16, S. 3 ff. Bd. 16, S.107 ff.

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Die verwendeten Begriffe

(1513/München 46 ; 1522/Nürnberg4 7 ; 1537/Bezirk Mauerkirchen4 8 ) , Wassertod (1537/Bezirk Mauerkirchen 49 ). Auch Institoris, der in seinem Malleus maleficarum nicht von venefici spricht, geht wohl von der Trennung von Vergiftung und Zauberei aus. In den bereits oben erwähnten Prozessen von 1485 in Innsbruck prüft er bei der Tötung eines Mannes, ob sie durch Vergiftung oder durch Zauberei erfolgt ist 5 0 . Er entscheidet sich für Zauberei: die Täterin habe sich — wie sich in den Verhören ergeben habe — seit ihrer Jugend mit Zauberei beschäftigt; darüberhinaus habe sie Umgang gehabt mit Personen, die der Zauberei, des Ehebruchs und einer schlechten Lebensführung verdächtig seien; auch ihre Lebensführung habe bei ihr zu einem schlechten Ruf geführt; die Erfahrung schließlich lehre: „regula generalis est, quod omnes malefice a iuventute carnalitatibus et adulteriis servierunt variis"; es sei deshalb davon auszugehen, daß die Frau eine Zauberin sei und den Mann durch Zauberei getötet habe. (Die Zuständigkeit des Inquisitors ist daher gegeben.) 4) Sortilegi, superstitiosi, negrcttnantici Zur Definition des Begriffes „sortilegus" wird herangezogen Dekr. Gr., p. 2; 26; 1; es heißt dort: „Sortilegi sunt, qui sub nomine fictae religionis per quasdam, quas sanctorum seu apostolorum vocant sortes, divinationis scientiam profltentur, aut quarumcumque scripturarum inspectione futura promittunt." Bei Grillandis51 allerdings und — ihm folgend — bei Damhouder5 2 bezeichnen diese Ausführungen den „sortilegus proprie"; „sortilegus large" wird definiert als der, „qui diabolicam religionem professus est et noxia quaque superstitiosa aut elusoria daemonis instrictione componit"; in dieser Definition ist jede Art von Sortilegium enthalten. „Sortilegium" ist also der Oberbegriff, der sich in viele Arten gliedern läßt. Die drei wichtigsten sind: (1) die species divinativa: die Weissagung der Zukunft und die Auskunft über die unbekannte Vergangenheit; die diese Kunst Ausübenden sind die „sortilegi proprie" oder „incantatores"; dabei können zwei Gruppen unterschieden werden: 46

Stadtarchiv; „Stadtgericht"; Nr. 865/2

47 48 49

Siebenkees, Materialien, S. 599 Kreisarchiv; RL; Fasz. 61; Nr. 273; S. 114' Wie Anm. 6; S. 115'; Wassertod allerdings auch bei Zauberei; vgl. das in der Einleitung erwähnte Beispiel aus Augsburg Amman, Innsbr. H.prozeß S. 39 f. Grillandis, De sortilegiis, q. 1 ff. Damhouder, Praxis, c.61, nr. 80 ff.; er beruft sich nicht ausdrücklich auf Grillandis

50 51 52

Lateinische Begriffe

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die, die den Teufel ausdrücklich anrufen, die „negromantici"; und die, die den Teufel stillschweigend anrufen, die „augures", die ihr Wissen aus der Betrachtung irgendwelcher Dinge oder aus der Beobachtung der Handlungen von Menschen ziehen s3 ; (2) die species amatoria: der Liebeszauber, auch der Heilzauber; (3) die species malefica oder venefica: die gefährlichste und hassenswerteste Art, die zu Schadenszauber jeglicher Art fähig ist. In anderem Zusammenhang, bei der Prüfung der Realität des Fluges durch die Luft 5 4 , kommt Grillandis zu dem Ergebnis, der Flug durch die Luft sei den „sortilegae" - die Begriffe „large" und „proprie" verwendet er hier nicht möglich; bei der Prüfung dieser Frage spricht er ohne zu unterscheiden von „sortilegae", „strigimagae", „lamiae" und „malefici", erweckt also durch seine undifferenzierte Ausdrucksweise den Anschein, als wäre der Flug durch die Luft auch den augures, den bloßen Wahrsagern, möglich: eine Ansicht, die von niemandem vertreten wird. Die Aufteilung in „sortilegi large" und „sortilegi proprie" wird im allgemeinen nicht vorgenommen5 5 . Unter „sortilegi" werden vielmehr gewöhnlich die Personen verstanden, die Grillandis als „sortilegi proprie" bezeichnet 56 . Die — auch nur stillschweigende — Anrufung des Teufels wird nicht immer als Voraussetzung für die Bezeichnung als sortilegus angesehen: sortilegus ist auch, wer aufgrund seiner außergewöhnlichen Kenntnisse oder durch die Anrufung Gottes etwa die Zukunft in gewissen Fällen ohne Hilfe des Teufels voraussagen kann und dessen Unterstützung nur erfleht, wenn die eigenen Fähigkeiten nicht ausreichen und Gott seine Hilfe nicht gewährt 57 ; auch als allgemeiner Oberbegriff über alle Arten von Zauberei taucht die Bezeichnung „sortilegus" ansonsten nicht auf, wird aber als Oberbegriff für alle Arten von Wahrsagerei

53

Castro, De punitione haeret. lib.l. c.13 bezeichnet den im Dek.Gr. definierten Personenkreis ebenfalls als „sortilegi proprie", stellt diesen Begriff aber, anders als Grillandis, den negromantici und augures gegenüber; der gemeinsame Oberbegriff bei Castro ist „divinatores".

54 55

Grillandis, De sortilegiis, q.7, nr . 31 Ähnliche Aufteilung - von Bedeutung für die Zuständigkeit der geistlichen oder der weltlichen Gerichte - bei den „divinatores" (im Hinblick auf die Regelung in X, 5, 21, 1); Repertorium, „divinatores"; Castro, De punitione haeret, lib. 1, c. 13; vgl. 2 C I 2 d,e. Simanca, De institutionibus cath., t.62, nr.l; Cajetanus, Summula, S.485; Castro, a.a.O. 1.1, c.13; Como, Lucerna, „sortilegia"; Repertorium 724/725; anders Arles, De superstitionibus, der Malefici, Magi, Incantatores, Divini und Negromantici gleich-

56

stem (nr. 63/64). 57

Lutzenbuigus, Catalogus, lib. 2; Castro, De punitione haeret. lib. 1, c.13

14

Die verwendeten Begriffe

v e r w e n d e t 5 8 , wobei ihm entsprechen die Begriffe „magici", „invocatores daemonum" und „necromantici"; die Beschwerden der deutschen Nation von 1523 stellen „necromantia" und ,magicae artes" g l e i c h 5 9 . Als allgemeiner Oberbegriff für jede Art von Zauberei wird gewöhnlich die Bezeichnung „superstitiosi" gebraucht 6 0 . 5) Phitonici, phitonissae Die beiden Begriffe bezeichnen im allgemeinen eine Gattung von Wahrsagern 6 1 , werden von deutschen Autoren aber den Malefici - so Tengler 6 2 — und den laniae — so Molitor 6 3 — gleichgestellt und mit Hexen und Unholden übersetzt. Wohl von diesen Werken ausgehend 6 4 taucht dieser Ausdruck dann auf in Synodal-Beschlüssen (Regensburg 1512; Salzburg 1 5 6 9 ) 6 5 ; auch dabei wird unter „Pythonissae" mehr verstanden als die bloße Wahrsagerei; ob darunter auch die Flugvorstellung und die Teilnahme am Sabbat fallen, läßt sich nicht entnehmen 6 6 . 6) Sprachgebrauch in den päpstlichen Erlassen V o n den päpstlichen Erlassen des hier behandelten Zeitraumes sind, weil sie die Art der Vergehen schildern, insbesondere von Interesse:

58 59

Simanca, De institutionibus cath., t.62 nr.l; s. Anm. 56 Beschwerden Nr. 68; Lutzenburgus, a.a.O. lib. 2; für die etwas andere Bedeutung des Wortes „magi" bei Institoris, Malleus malef., s.o. unter „Malefici". Für die einzelnen Arten von Wahrsagerei vgl. Dekr.Gr., p.2, 26,3/4,1; p.2, 26, 5, 14; darunter (26, 5, 14, § 2): „Nigromantici sunt quorum precantationibus videntur resuscitari mortui, divinare et ad interrogato respondere"; die Bezeichnung wird hier also nicht als Oberbegriff der Wahrsagerei verwendet. a.a.O. § 2: Magi: „hi sunt, qui permissa Dei elementa concutiunt, mentes hominum turbant minus confidentium in Deo, ac sine ullo veneni haustu violentia tantum carminis interimunt". „Magi" entspricht hier nicht den „Magici" im obigen Sinn.

60

Institoris, a.a.O., p.l, q.l; Arles, a.a.O., Nr. 50 ff.; auch Grillandis spricht von „sortilegium" als „quaedam superstitio noxia" Institoris, a.a.O., p . l , q.16, (in p.l, q.l bezeichnet er Pythones aber als Personen, durch die der Teufel rede und Wundertaten vollbringe); Arles, a.a.O., nr. 50 ff.. Dekr.Gr., p.2, 3/4, 1, § 6: „Phitonissae a Phithonio Apolline dictae, quod is auctor fuerit divinandi".

61

62

Tengler, Leyenspiegel, S. 105

63 64 65 66

Molitor, De laniis, Titel; er verneint jedoch die Realität des Fluges Zum Einfluß von Tenglers Leyenspiegel: Riezler, Hexenprozesse, S. 132 ff. Zusammenstellung einschlägiger Regelungen in Synodal-Beschlüssen im Anhang I Ob also zugrundeliegen die Ausführungen Molitors, der die Realität des Fluges verneint, oder die Tenglers, der die Realität bejaht. Die Schreibweisen (PythonissaePhytonissae) wechseln.

Deutsche Bezeichnungen

15

die Bulle Innozenz' VIII. vom 5.12.1484 („Summis desiderantibus", die „Hexenbulle"), die die Inquisitoren Institoris und Sprenger ermächtigt, in Oberdeutschland gegen Personen, die Verbrechen der in der Bulle geschilderten Art begehen, vorzugehen; eine undatierte Bulle Julius II. (1503—1513) an den Inquisitor von Cremona; ein Dekret Hadrians VI. vom 20.7.1523 an den Inquisitor von Como. In diesen Dekreten werden neben den Schaden hervorrufenden Zaubereien auch die Handlungen geschildert, die typisch für den Sabbat sind, freilich nicht notwendig auf dem Sabbat geschehen müssen 67 (etwa: Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, Mißbrauch der Sakramente, Verhöhnung des Kreuzes). Flug und Sabbat werden jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Die Dekrete sprechen auch jeweils nur von „personae utriusque sexus"; Bezeichnungen wie „lamiae", „striges" oder „venefici" tauchen nicht auf. Von einer „secta maleficorum" 6 8 wird dagegen gesprochen in einem Dekret Innozenz' VIII. vom 18.6.1485 an den Herzog Sigmund von Österreich, das sich auf die bereits erwähnten, von Institoris 1485 in Innsbruck geführten Prozesse bezieht 6 9 .

III) Deutsche Bezeichnungen Ausgehend von den Übersetzungen, entsprechen den lamiae und striges die ,.Hexen" 70 und „Unholde" 7 1 , den sortilegi und magi die „Wahrsager" und „Schwarzkünstler" und den malefici die „Zauberer" 72 . Im Hinblick auf die oben (unter I) erwähnten Abgrenzungskriterien - Flug durch die Luft, Teilnahme am Sabbat und Fähigkeit zum Schadenszauber - ergibt sich: „Hexe" ist die Person, die durch die Luft fliegen kann und an Teufelsversammlungen teilnimmt; „Zauberer" ist die Person, die mit Hilfe des Teufels Schaden verursachen (und auch Vorteile) verschaffen kann.

67 68 69 70 71

Vgl. etwa die diesbezüglichen Fragen im „Kelheimer Hexenhammer" unter IX; X; Nicht: „maleficarum" Die zitierten Dekrete insoweit gedr. b. Hansen, Quellen, 24 ff. Zur Etymologie des Wortes „Hexe" vgl insbes. J. Franck in Hansen, Quellen, S. 614 ff. (Geschichte des Wortes Hexe) Vgl. die Unterscheidung zwischen den beiden nachtfahrenden Frauen, der „striga holda" und der „striga unholda" bis um ca. 1000; Schmitz, Bußbücher, Bd. 1, S. 762 ff. Vindler reimt in seinem „buch der tugent": „Etlich seynd so wolgelert / Das sy sich mit gewalt / An nemen eyner katzen gestalt / So vindt man denn zauberyn unreyn / Die den leuten den weyn / Trinckent aufl den kelleren vorstolen / Die selben heysset man unholen." (S. 150) - Zur Tierverwandlung s.B. II

72

Tengler, Leyenspiegel, S. 104*/105; Clagspiegel S. 139' a.E.

16

Die verwendeten Begriffe

In geringerem Maße wird dagegen „Zauberin" auch als Synonym für „Hexe" gebraucht und mit der Flugvorstellung verbunden 73 . Zumindest bei Tengler, bei dem die „Hexe" dem „Maleficus" des Malleus maleficarum entspricht, ist darüberhinaus die Flugfähigkeit auch nicht Voraussetzung für die Bezeichnung als „Hexe" 74 (wobei die Begründung dieser Annahme mit dem Hinweis auf den Malleus maleficarum freilich dadurch geschwächt wird, daß die Übersetzungen Tenglers — wie die Gleichstellung von .jMaleficae" und „Phitonissae" zeigt —, nicht allzu genau sind; in seinen den „Hexen" vorzulegenden Fragen 75 , die er allerdings ausdrücklich als nicht abschließend bezeichnet, taucht der Flug oder ein einwandfreier Hinweis auf den Sabbat nicht auf 76 )Die Hexe beherrscht alle Fähigkeiten des bloßen Zauberers, dieser wiederum die der Schwarzkünstler (Vorgaukelungen von Verwandlungen, Täuschung der Sinne auf jegliche Art) und der Wahrsager. Im folgenden wird das Wort „Zauberer" verwendet im Sinne des „bloßen" Zauberers, der die Flugfähigkeit nicht besitzt, „Hexe" im Sinne von Zauberin mit Flugfähigkeit 77 .

IV) Zusammenfassung Wie bereits ausgeführt, besitzt die Hexe auch die Fähigkeiten des Zauberers. Insofern ist daher die Klage Weiers, es würde zwischen Hexen und Zauberern nicht differenziert und die Strafbarkeit der Hexen aus der der Zauberer entnommen 78 , nicht begründet (wenn man davon absieht, daß eine Hexe nicht notwendigerweise auch Zaubereien ausgeübt haben muß, obwohl sie die Fähigkeit dazu hätte). Ansonsten ist die Klage, daß nicht genügend differenziert werde, freilich — wie schon die Doppeldeutigkeit des Wortes „Zauberer" zeigt — berechtigt. Auch wenn zu Beginn einer Darstellung, wie etwa bei Grillandis 79 , genaue Definitio73

So von Kemnat, Chronik, S. 117

74

Dasselbe gilt auch für Institoris. In einem Begleitschreiben, das er einem Exemplar des Hexenhammers beilegt, den er dem Nürnberger Rat auf dessen Aufforderung hin übersendet (1491), spricht er von „sölich personen mit namen unholden oder hegksen". (Kunstmann, Zauberwahn in Nürnberg, S. 12/203).

75

Tengler, a.a.O., S. 105 ff.

76

Bei Molitor, Böse Weiber, ist die Flugfähigkeit ebenfalls nicht Voraussetzung für die Bezeichnung als „Hexe"; allerdings hält dieser die Ausfahrten der Hexen für nur geträumt und nicht wirklich möglich. Inwieweit mit diesen Begriffen Ketzerei notwendig verbunden ist, wird für Lit. und Praxis im 2. Teil erörtert

77 78

Weier, De praestigiis daemonum, 1.2, c.l

79

Grillandis, vgl. unter 4): „sortilegi"

Zusammenfassung

17

nen gegeben werden, so werden diese im weiteren Verlauf der Ausführung nicht eingehalten und die Bezeichnungen der einen Art für die Charakterisierung einer anderen verwendet (Grillandis bei der Prüfung der Realität des Fluges; vgl oben unter 4): „sortilegi"). So wird mit der Existenz von Vorschriften, insbesondere auch Bibelstellen, die sich nur auf Wahrsagerei beziehen, die Realität des Hexenwesens mitbewiesen; inwieweit dabei freilich die ungenaue Ausdrucksweise die Ursache für diese Beweisführung oder umgekehrt diese Ausdrucksweise durch diese Art der Beweisführung bedingt ist, muß hier dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für Grundsätze des Verfahrens und der Strafbarkeit, wo das strenge Vorgehen und die strenge Bestrafung mit der Schwere der Verbrechen der Hexen begründet wird. Auf dem Wege der gleichen Bezeichnungen und unter Hinweis auf die zu den Hexen gemachten Ausführungen gelangen diese Grundsätze dann auch bei Zauberern und Wahrsagern zur Anwendung. Steht dann aber fest, daß Schwarzkünstler, Zauberer und Hexen nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln sind, so besteht an der Abgrenzung kein großes Interesse mehr.

B) DER HEXENGLAUBE IM EINZELNEN I) Flug und Sabbat 1) Die Flugvorstellung1 Die Vorstellungen über den Flug der Hexen gehen in Detailfragen auseinander. Im wesentlichen ergibt sich jedoch folgendes Bild: Die Hexe fliegt nicht aus eigener Kraft, sie wird vom Teufel getragen. Sie selbst allerdings ist der Meinung, sie fliege ohne Hilfe des Teufels aufgrund ihrer eigenen Fähigkeiten. Der Flug ist zu jeder Tageszeit möglich; während des Fluges kann die Frau vom Teufel unsichtbar gemacht werden 2 . Bestimmte Zeremonien, die mit einer Anrufung des Teufels verbunden sind und die die Hexe vor dem Flug auf Anordnung des Teufels auszuführen hat (Verbrennen von Kräutern, Einreiben mit Salben), sind ohne Einfluß auf die Macht der Hexen und werden vom Teufel nur vorgeschrieben, damit die Hexen durch diese Handlungen dokumentieren, daß sie sich seinem Willen unterwerfen. Daneben können auch Personen, die dies nicht wollen („inviti"), vom Teufel zum Sabbat getragen werden 3 . Ein Ritt auf Tieren oder Gegenständen ist nicht möglich. Dagegen kann der Teufel die Gestalt von Tieren oder Gegenständen annehmen und die Hexen in dieser Gestalt durch die Luft tragen; er kann daneben auch die Sinne der Hexen täuschen in der Weise, daß sie glauben, auf Tieren zu reiten. Während der Ausfahrt der Hexen werden deren Nachbarn darüber getäuscht dadurch, daß ein Teufel die Gestalt der Hexe annimmt und deren Platz einnimmt. Nicht am Sabbat teilnehmende Hexen können erfahren, welche Personen daran teilnehmen, indem der Teufel ihnen den gerade stattfindenden Sabbat vorspiegelt 4 . Neben dieser realen Ausfahrt ist durch Einflußnahme des Teufels auch eine nur geträumte möglich. Daneben wird auch die Ansicht vertreten, die Hexen würden aus eigenen Kräften (aufgrund ihrer Zeremonien) ausfahren, der Flug auf echten Tieren sei möglich und auch die Täuschung der Nachbarn erfolge aus eigener Kraft. 1 2 3

4

Vgl. Como De strigiis, § 1 ff.; vgL hierzu und zum folgenden: Hansen, Zauberwahn, S. 450 ff. Prierias, De mirandis strigimagarum lib. 2, c.l, pct. 5 Die dazu erforderliche permissio dei wird dabei gegeben entweder wegen der Sünden dieser Personen oder „ex Dei dispositione propter aliquod mysterium" (so Albertinus, De assertionibus cath q.24; nr.13; Prierias, De mirandis strigimagarum 1.2, c.l, pct.4; lib. 1, c.2, pct.2). Bei der Bestrafung der Hexen wird auf diese Möglichkeit nicht eingegangen. Nach Tostatus, Opera, 9. Bd. (p.l, c.IV, q.47, S. 399 Rdnr. C), ist dieser Fall selten und ein Spezialfall, grundsätzlich können die Dämonen die Menschen zu nichts zwingen. Prierias, a.a.O., lib. 2, c.l, pct.5

Flug und Sabbat

19

Der Sabbat dient in erster Linie der Verehrung des Teufels, der Verhöhnung des christlichen Glaubens und dem Abschluß der Verträge mit dem Teufel. Das Vergnügen der Hexen steht erst an zweiter Stelle. Schließlich dient der Sabbat auch der Weiterbildung der Hexen auf dem Gebiet der Zauberei. 2) Die Bedeutung des Fluges für den Hexenglauben Die Flugvorstellung ist einer der am heftigsten umkämpften Punkte der gesamten Literatur dieses Zeitraumes. Dieser Streit ergibt sich notwendigerweise aus der Bedeutung, die diese Vorstellung für den Hexenprozeß hat. Vor allem ist die Realität des Sabbats in Frage gestellt, wenn die Realität des Fluges verneint wird (wenn auch für die in der Nähe wohnenden Hexen die Möglichkeit besteht, zu Fuß zum Versammlungsort zu gelangen5). Aus dem Geschehen auf dem Sabbat aber ergibt sich die Berechtigung zu dem strengen Vorgehen gegen die Hexen; dort wird Christus verleugnet, dem Glauben in abscheulichster Form abgeschworen und der Teufel verherrlicht; dort findet der Geschlechtsverkehr mit dem Teufel statt, werden Kinder getötet und verspeist. Auch der Pakt mit dem Teufel wird zumeist auf dem Sabbat geschlossen; dieser aber und die anderen Vorfälle berechtigen die Inquisition zum Eingriff. Dazu kommt, daß mit der Verneinung der Realität des Sabbats auch die Möglichkeit genommen ist, Hexen zu verurteilen, denen — aufgrund der Angaben anderer Hexen — nur die Teilnahme an einem Sabbat vorgeworfen werden kann 6 . Dazu kommt schließlich auch die psychologische Wirkung, die die Schilderung des Sabbats auf das „Publikum" hat. Will man den Hexenprozeß angreifen, so liegt es deshalb nahe, bei dieser Vorstellung anzusetzen und die Realität des Fluges zu verneinen. Wegen seiner Bedeutung soll dieser Streit im folgenden deshalb ausführlich dargestellt werden. 3) Der Streit um die Realität des Hexenfluges Der Streit um die Realität wird geführt im Bereich der Tatsachenberichte, der Legenden und der Lebenserfahrung, im Bereich der Theologie und im Bereich des Rechts. Die folgende Darstellung faßt die am meisten gebrauchten Argumente zusammen, wobei — mit Ausnahme bei der Darstellung des Canon Episcopi — nicht Rücksicht genommen ist auf die zeitliche Reihenfolge, in der sie auftauchen. Die Zuteilung der einzelnen Argumente an bestimmte Gruppen wird nicht von den zitierten Autoren vorgenommen; sie erfolgt hier der Übersicht halber 7 . 5 6

Como, De strigiis § 2; Prierias, a.a.O., lib. 2, c.l pct.4 Freilich ist auch Bestrafung bei nur geträumter Teilnahme möglich; vgL im 3. Teil

7

Auf eine genaue Abgrenzung der Gruppen zueinander kann - etwa Theologie und Recht - hier verzichtet werden.

Der Hexenglaube im einzelnen

20

(I) Tatsachenberichte, Legenden und Lebenserfahrung Die Tatsachenberichte bilden bei dem Großteil der Verfasser den Ausgangspunkt. Die Schilderungen werden als wahr angesehen und dann versucht, theologische (permissio Dei) und rechtliche (Canon Episcopi) Probleme mit dieser Erkenntnis in Einklang zu bringen. Dagegen wird bei Verfassern, die die Realität verneinen, von theologischen und rechtlichen Problemen ausgegangen; anhand der Lösung dieser Probleme werden die Tatsachenberichte dann als unwahr entlarvt. (1) An erster Stelle der Tatsachenberichte stehen die Aussagen der Hexen selbst; Como erwähnt dabei ausdrücklich, daß es sich um freiwillige Aussagen handelt 8 . Die Schilderungen der Hexen entsprechen der Wahrheit. Dies ergibt sich aus der Übereinstimmung in der Darstellung der Vorgänge auf dem Sabbat, die vorliegt, gleichgültig wo die Prozesse stattfinden. Dazu kommt, daß die Hexen ihnen bisher völlig unbekannte Gegenden beschreiben können, die sie bei ihrer Ausfahrt überflogen haben; ebenso auch bisher unbekannte Personen, die auf dem Sabbat anwesend waren 9 . In diesem Zusammenhang wird auch auf die Existenz der Gesetze gegen die Zauberer hingewiesen (wobei Zauberer und Hexenmeister stillschweigend gleichgesetzt werden), auch auf die große Zahl der Prozesse und Verurteilungen; beides dient als Beweis für die Realität der Flüge (zum Beispiel: Tostatus: 10 „nam saepe hoc inventum est et iudicialiter punitur"; Dodo: 11 „Mors enim corporalis non infligitur nisi propter corporate et grave peccatum"; Como: 12 „ . . . nam Ecclesia non punit crimina nisi sint manifesta et vere deprehensa"). Dagegen wird argumentiert 13 , die Kenntnis bisher unbekannter Personen und Gegenden beruhe auf Vorspiegelungen des Teufels. Dem wird entgegengehalten, jeder Mensch sei fähig - was jeder aufgrund eigener Erfahrungen bestätigen könne — Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. Bei den im Canon Episcopi genannten Frauen, die diese Unterscheidung nicht zu treffen vermögen, liege dies daran, daß hier eine Täuschung durch die Göttin Diana vorliege 14 .

8

Como, De strigiis § 2

9 10 11

Vicecomes, Opusculum, cap. „Utrum lamiae . . . vere et non fantastice . . . ad ludum eant"; Como, De strigiis, §§ 2, 3 Tostatus, a.a.O., p . l , c.4, q.47 Dodo, Apologia, „conclusiones principales";

12

Como, De strigiis § 3

13 14

Molitor, Böse Weiber, 5. u. 11. Dialog Prierias, De mirandis, lib. 2, c.2; ein inkonsequentes Argument, weil die Göttin Diana nach Ansicht Prierias' in Wirklichkeit ein Teufel in Gestalt der Diana ist; zum Can. Ep. vgl. unten (IV)

Flug und Sabbat

21

Die Berichte der Hexen werden schließlich auch deshalb zurückgewiesen, weil sie gegen das ius und die natura verstoßen und weil in Kriminalsachen ein Beweis durch Geständnisse allein nicht möglich ist1 s . (2) Weiter werden in diesem Bereich auch die vielen Berichte von Augenzeugen 16 angeführt, die entweder einen Sabbat oder auch Flüge von Hexen beobachtet haben. Als konkrete Beispiele werden dabei insbesondere genannt: Der Bericht des Benediktiners Hieronymus, den ein Mädchen mit Hilfe einer Hexe veranlaßte, einen Sabbat zu besuchen; von diesem zurückgekehrt, bereute er sein Tun und gestand alles dem Bischof 17 . Der Bericht von drei Personen 18 , die sich von der Realität des Sabbats überzeugen wollten und deshalb ein Übereinkommen mit einer Hexe trafen, die ihnen Zeit und Ort eines Sabbats mitteilte. Als sie diesen heimlich beobachteten und dabei viele bekannte Personen sahen, fiel die Versammlung auf Befehl des Teufels über sie her — Deo ob eorum curiositatem permittente — und verprügelte sie so sehr, daß sie innerhalb von 14 Tagen starben. ( j ) Für und gegen die Realität sprechen im übrigen auch die folgenden Gesichtspunkte: Wird Katzen, die in Häuser eindringen und von denen man annimmt, es seien verwandelte Hexen, ein Glied abgeschnitten, so fehlt dies später oft der Frau, die man als Hexe verdächtigte 19 - dagegen wird angeführt der Canon Episcopi, demzufolge eine Verwandlung in Tiere nicht möglich ist. Die Hexen schlucken die Hostien, die sie in der Kirche empfangen, nicht hinunter, weil sie sie auf dem Sabbat benötigen; also findet der Sabbat auch wirklich statt. Die Hexen kennen die Zukunft und können unheilbare Krankheiten heilen; dieses Wissen können sie nur auf einem Sabbat erworben haben2 0 . Prierias21 berichtet von Knaben und Mädchen, die durch Inquisitoren bekehrt wurden und diesen auf deren Verlangen die Sabbattänze vorführten. Dabei mußte jeder Betrachter anerkennen, daß diese sonderbaren Tänze menschliche Kunstfertigkeit überstiegen und — insbesondere auch im Hinblick auf das geringe Alter der Tanzenden - von diesen unmöglich „auf Erden" gelernt werden konnten. (Prierias schlägt vor, man solle einige dieser Kinder nach Rom bringen, um die

15

Ponzinibius, De Lamiis, Rndnr. 52

16

„catholicae personae", wie Como, De strigiis, § 3, betont

17 18 19 20 21

Prierias, De mirandis strigimagarum 1.2, c.2 Prierias, a.a.O.; Como, De strigiis, § 3 Beispiel bei Luther, Tischreden, 3. Bd. Nr. 3491 (Hexe in Gestalt einer Maus) Vicecomes, Opusculum lamiarum cap. „Utrum lamiae . . . ad 'ludum eant"; Prierias, De mirandis strigimagarum 1.2, c.2

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Der Hexenglaube im einzelnen

dortigen Zweifler zu überzeugen; dieser Vorschlag scheint aber unter Hinweis auf den Canon Episcopi abgelehnt worden zu sein). Schließlich können die Ausfahrten der Hexen auch deshalb nicht allein auf Träumen beruhen, weil viele Frauen sofort nach dem Essen zum Sabbat gehen. Zu diesem Zeitpunkt sind Träume aber nicht möglich, weil dann von den im Magen liegenden Speisen Dämpfe in das Gehirn gelangen, die eventuelle Träume verdunkeln. Dazu kommt, daß manche Menschen überhaupt nicht träumen 2 2 . Gegen die Realität spricht, daß es - entgegen den Berichten der Hexen — nicht möglich ist, aus einem verschlossenen Haus auszufahren; aufgrund der geringen Durchmesser der Schornsteine ist auch eine Ausfahrt durch diese nicht möglich2 3 . Keine Beweiskraft hat die Behauptung, Frauen, die auf einem Sabbat gewesen sein sollen, seien zum selben Zeitpunkt an einer anderen Stelle gesehen worden; dies deshalb, weil der Teufel, um die Mitmenschen zu täuschen, die Gestalt der betreffenden Frau annimmt und weil auch eine Person sich zugleich an zwei verschiedenen Orten aufhalten kann: „in uno quidem naturaliter, in alio vero divina virtute" 2 4 . (4) Keine Beweiskraft gegen die Realität des Fluges kommt auch der Legende vom hlg. Germanus zu, die sehr oft angeführt wird: Germanus traf in einer Gaststätte auf eine Anzahl von feiernden, zur Ausfahrt bereiten Personen, die aussahen wie die Nachbarn des Gastwirtes. Germanus schickte Leute zu den Nachbarn, die feststellten, daß diese Nachbarn alle zu Hause waren. Daraus wird gefolgert, die Gestalten in der Gaststätte seien Dämonen in Gestalt der Nachbarn gewesen. Diese Legende sagt aber nichts aus über die Möglichkeit, daß eine Person zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten sein kann 2 5 . Und schließlich müßte von 22 23

Vicecomes, Opusculum lamiarum cap. „Uttum lamiae . . . ad ludum eant"; Vicecomes a.a.O.; A. Lercheimer, ein Schüler des Ph. Melanchthon, („Ein Christlich Bedenken unnd Erinnerung von Zauberey") („Theatrum"; 280 ff.), der sich gegen die Realität des Fluges ausspricht, führt aus: „Es ist wahrlich wider alle Vernunft und Verstand, daß ein erwachsener alter Mensch . . . sollt durch ein Rauchloch fahren, das oft so eng ist, daß kaum eine Faust hindurchgeht oder eine Katz hindurchkriechen kann. Ich will geschweigen, daß sie die weißen Schleier damit sie sich zum Tanz geziert haben, würden im Rauchloch mit Rost beschmutzen. Ja sie bekennen zuzeiten, daß sie durch ein Löchlein geschlüpft seien, darin einer kaum einen Finger stecke. Wer solches glaubt, der kann auch glauben, daß Feuer kalt sei und Eis warm." Er weist auch darauf hin, daß die alten Frauen kaum mehr die Kraft für die Sabbattänze hätten: „Es gehört mehr zum Tanz dann rote Schuh: es gehören auch starke Beine dazu, ist ein Sprichwort."

24

Prierias, De mirandis strigimagarum lib. 2, c . l , pct. 5

25

Vicecomus a.a.O.; Prierias, a.a.O., lib. 2, c.2

Flug und Sabbat

23

diesen „subtiles argumentatives" erst nachgewiesen werden, welche nun die echten Nachbarn und welche Dämonen in Gestalt der Nachbarn waren2 6 . (II) Theologische Fragen Im Bereich der Theologie sind zwei Fragen zu klären: Kann der Teufel Menschen tragen? Will er sie tragen? Daß ersteres möglich ist, folgt aus der heiligen Schrift und den Werken der Philosophen. Danach werden die Gestirne (coela, orbes) bewegt per intelligentias, die Engel (angeli) genannt werden. Die Dämonen nun waren ursprünglich (gute) Engel; bei der Trennung von diesen haben sie ihre Eigenschaften nicht verloren, sie entsprechen noch denen der Engel und sind zum Teil sogar vielfältiger, da beim Sturz der Dämonen nicht nur Engel niedrigen Ranges aus dem Himmel verbannt wurden. Wer aber Gestirne bewegen kann, kann auch gleichzeitig viele Menschen tragen2 7 . Diese Ansicht wird auch durch die heilige Schrift belegt, in der sich ein Beispiel befindet für einen Flug mit Hilfe eines guten Engels (Daniel in der Löwengrube, Daniel 14, 36: „Da faßte der Engel des Herrn den Habakuk am Scheitel, trug ihn an den Haaren seines Hauptes und versetzte ihn in einem Atemzug nach Babylon an den Rand der Grube") und ein Beispiel für einen Flug mit Hilfe eines Dämons (Versuchung Jesu, Matth. 4, (5): „ . . . da nahm der Teufel Jesus mit in die heilige Stadt, stellte ihn auf die Zinne des Tempels . . . " ) . Insbesondere die Matthäusstelle wird immer wieder hervorgehoben 28 und betont, daß Christus dabei zwar Gott sei, aber auch ein homo naturalis und deshalb bezüglich der Schwere mit jedem anderen Menschen vergleichbar2 9 . Zur Ausübung dieser seiner Macht benötigt der Teufel jedoch die Erlaubnis Gottes (permissio Dei). Dies folgt aus dem Beispiel des Job (1, 12: „Da sprach der Herr zum Satan: Wohlan, alles, was sein ist, ist deiner Hand überlassen; nur nach ihm selbst strecke deine Hand nicht aus . . . " , 2, 6 u.a.), aus Rom. 13, 1: „Non est enim potestas nisi a deo" (Übersetzung bei Hamp . . . : denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott) und aus der Tatsache, daß ehrbare und fromme Menschen vor den Angriffen des Teufels sicher sind: Justus non subiacet Daemoni 30 . Wegen der Sünden der betreffenden Personen oder irgendeines Mysteriums wird 26 27

Prierias, a.a.O. Tostatus, Opera, 9. Bd., p.l, c.4, q.47; Albertinus, De assertionibus cath., q.24, Nr.13

28

Mirandula, Strix, lib. 2; Albertinus, a.a.O., q.24, Nr.13; Tostatus, a.a.O., p . l , c.4, q.47, Rdnr.F Grillandis, De sortilegiis, q.9, Nr.32; Tostatus, a.a.O. Vignate, De haeresi, q . l l , art. 1, Rndnr. 142 ff.

29 30

24

Der Hexenglaube im einzelnen

dem Teufel auch erlaubt, Menschen wegzutragen, die dies nicht wollen (inviti); diese Fälle sind allerdings selten, da Gott sie verhindert 31 . Damit ist zugleich gesagt, daß es sich um eine permissio negativa32 handelt: Gott muß dem Teufel die betreffende Gewalt nicht jedesmal verleihen, sondern er hindert den Teufel nur nicht daran, die Macht auszuüben, die er ihm von Anfang an gegeben hatte. Diese permissio gibt Gott insbesondere aus drei Gründen:3 3 zur Prüfung der Glaubensstärke, zur Übung der Geduld und zur Offenlegung der verborgenen inneren Tugenden anderer; als Warnung vor der ewigen Verdammnis, zur Läuterung des Betroffenen und zur Abschreckung der anderen; als Beginn der ewigen Verdammnis. Die Begründung dafür, daß es früher keine Hexen gab, liegt in der fehlenden permissio. Erst in der jetzigen Zeit sieht Gott sich wegen des unerhörten Glaubens- und Sittenverfalles und der Schlechtigkeit der Welt allgemein veranlaßt, diese zu geben. Von dieser permissio schließlich will der Teufel auch Gebrauch machen und seine Macht ausüben, weil er die Menschen zur Sünde veranlassen und in ihr Verderben stürzen will, wo immer er kann. Diese Beweisführung bleibt nicht unbestritten. Im Hinblick auf die Macht des Teufels wird die Auslegung der Matthäusstelle angegriffen 34 : Christus sei nicht vom Teufel getragen worden, sondern habe sich freiwillig und vom heiligen Geist geführt auf die Zinne des Tempels gestellt, um sich gegen den Versucher auf die Probe zu stellen; daß er vom Teufel getragen worden sei, kann nicht angenommen werden (incredibile). Auch würde ein derartiges Geschehen einen actus miraculosus darstellen. Ein solcher aber sei nicht möglich in producendo actum peccati; auf dem Sabbat geschehe dies jedoch 3 5 . Die permissio könne ebenfalls nicht bejaht werden. Die Annahme, Gott würde den Flug zulassen, weil er auch anderes Böse erlaube, sei ein Schluß a separatis auf eine allgemeine Regel, der nach dem Gesetz nicht möglich sei 3 6 . Schließlich würde diese permissio auch bedeuten, daß Gott die Begehung von Sünden begünstige; das aber sei undenkbar 3 5 . 31 32

Tostatus, a.a.O.; Prietias, De mirandis strigimagarum lib. 2, c.2 Dodo, Apologia, cap. „conclusiones pricipales"

33 34 35

Vgl. ausführlich Institoris, Malleus malef., lib. 1, q.JO Alciatus, De lamiis Samuel de Cassinis, Questio lamiarum, zit. b. Hansen, Quellen, S. 262 ff.

36

Ponzinibius, De lamiis, Rndnr. 59

Flug und Sabbat

25

Diese Argumente werden zurückgewiesen unter ausführlicher Darlegung und Abwägung der Gründe, die zur permissio Dei führen 3 7 . Ein actus miraculosus liegt im übrigen nicht vor, weil der Teufel nur seine ursprüngliche Macht ausübt (permissio negativa, s.o.). Dem Argument, der Teufel benötige die Ausfahrt nicht, um die Hexen zu den Sünden des Sabbats zu verführen, weil er die Hexen auch zu Hause aufsuchen könne 3 8 , wird begegnet mit dem Hinweis 39 , daß der Teufel bereits allein mit der Ausfahrt in besonders hohem Maße Schaden anrichten könne, weil die Seelen der getragenen Personen allein dadurch schon Schaden nähmen4 0 . (III) Allgemeine (rechtliche) Schlüsse Die hier angeführten Argumente entstammen dem Werk des weltlichen Juristen Ponzinibius 41 , der sehr entschieden gegen die Realität des Fluges und des Sabbats aufgetreten und deshalb auch — von Prierias und Bartholomäus de Spina — heftig bekämpft worden ist (vgl. auch die Auslegung des Canon Episcopi durch Ponzinibius). (1) Bei Zweifeln in einer Streitfrage soll das gutgeheißen werden, was für die Seelen der Menschen von Vorteil ist ; dies ist hier die Verneinung der Realität, da die Menschen dadurch von ihrem bösen Verlangen nach einer Teilnahme am Sabbat abgehalten werden. (2) Gegen die Realität spricht ein argumentum a minus verisimili: der Flug und die angeblichen Vorfälle auf dem Sabbat sind unwahrscheinlich (longe a verisimili) und deshalb als nicht möglich anzusehen. (3) Gegen die Realität spricht der Canon nec mirum (Decr.Gr., p.2; 26; 5; 14): dort scheint ausgedrückt zu sein, daß alles, was aufgrund dämonischer Künste geschieht, verursacht wird durch die ars magica, negromantica, hydromantica oder eine andere ähnliche, die alle als fantastica und non vera bezeichnet werden. Ex generalitate dieses Textes muß daher auch das, was durch Teufelskunst geschieht — damit auch der Hexenflug — als phantastice bezeichnet werden. (4) In Kriminalsachen ist denen, die eine Tatsache leugnen, ebensoviel Glauben zu schenken wie denen, die sie bestätigen. 37 38

Dies ist insbes. die Absicht des Werkes von Dodo (Apologia contra questionem de lamiis Samueli de Cassinis) Ponzinibius, De lamiis, Rndni. 59

39 40

Prierias, De mirandis strigimagarum, lib. 2, c.2 Hansen, Zauberwahn, S. 468, führt aus, der Flug sei deshalb nicht in die Hexenbulle Papst Innocenz* VIII. aufgenommen worden, weil der Flug als solcher kein Verbrechen sei; aufgenommen worden seien nur die Verbrechen, die ein Eingreifen der Ketzerrichter gerechtfertigt hätten.

41

Ponzinibius, De lamiis, Rndnr. 45 ff., 60

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Der Hexcnglaube im einzelnen

Dazu kommt, daß die Verneinung hier vernünftiger und richtiger und mehr der Wahrheit zu entsprechen scheint; vor allem auch deshalb, weil die Hexen mit dem Teufel, dem Vater der Lüge, zusammenarbeiten. Es spricht deshalb eine praesumptio iuris für diese Ansicht (ja sogar die Aussage des Rechts; dies in bezug auf den Canon Episcopi). Gegen eine praesumptio iuris aber ist ein Beweis nicht zulässig. Gegen dieses Argument führt Bartholomäus de Spina4 2 aus, der Beweis gegen eine praesumptio iuris sei — so auch hier — zugelassen, wenn er notwendig sei, um diese Rechtsaussage richtig verstehen zu können. Auch wenn ein Beweis auf dem Gebiet des Rechts (in iure) nicht zulässig sei, so sei er es jedenfalls in der höherstehenden Wissenschaft von der Theologie, deren Aufgabe es sei zu überprüfen, ob diese praesumptio mit dem Text der Bibel übereinstimme oder ob sie ihn ignoriere. Im übrigen könne gegen eine determinatio der Theologen weder ein Rechtssatz noch eine rechtsgültige praesumptio iuris angeführt werden. (IV) Die Auseinandersetzung mit dem Canon Episcopi4 3 (Decretum Gratiani, Secunda pars, causa 26, qu.5, c.12) (1) Der Wortlaut dieses Canons geht zurück auf ein Fragment, das spätestens dem 9. Jahrhundert angehört und stammt wahrscheinlich aus einem karolingischen Kapitular oder Synodalstatut 44 . Um 1000 wird der Text irrtümlicherweise einem Konzil von Ancyra zugeschrieben, das 314 stattgefunden und auf dem man sich mit Zauberei befaßt hatte. Gelegentlich wird es auch zugeordnet einem im 12. Jahrhundert verfaßten, aber irrtümlich Augustinus zugeschriebenem Traktat „De spiritu et anima" 4 5 . Die Bestimmung wird von den Kanonisten akzeptiert und in die aufeinanderfolgenden Sammlungen von Regino (um 900), Burcard, Ivo und Gratian (um 1140) aufgenommen. Letzterer gibt ihr den Stempel unbedingter Autorität 4 6 . (2) Die Bedeutung dieses Canons für die Frage der Realität der Hexenflüge wird immer wieder betont 4 7 . Er wird bezeichnet als das Fundament der Gegenmei42 43 44 45 46

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Spina, In Ponzinibium, c.2 Wortlaut im Anhang II Hansen, Quellen, S. 38; Riezler, Hexenprozesse, S. 22, schreibt es „der Kirchenversammlung von Ancyra um 900" zu. Hansen, Quellen, S. 38; so zum Beispiel von Mamoris, Flagellum maleficorum, 1462, zit. b. Hansen, Quellen, S. 210 Lea, Inquisition, Bd. 3, S. 551; zur Bedeutung der Dekretensammlungen allgemein vgl. Ulimann, Machtstellung des Papstes, S. 520 ff., bei dem auch der Ausspruch aus dem Jahr 1043 zitiert ist: „Constat et indubitanter verum et catholicam auctoritatem Dei esse legem. Quis ergo contra canones facit, contra legem Dei facit". Tostatus, Opera, 9. Bd., p.l, c.4, q.47, Rndnr.E; Jacquerius Flagellum, S. 61; Como, De strigiis, § 4; Prierias, De mirandis strigimagaxum, lib. 2, c.2; Grillandis, De sortilegiisqu.7,Nr. 1

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nung und als ein Hindernis zur Ausrottung der Hexensekte. Fast alle Traktate dieser Zeit nehmen, zum Teil sehr ausführlich, auf ihn Bezug. Während aber in den Schriften, die sich für die Realität aussprechen, im allgemeinen eine längere Darlegung über den Canon zu finden ist, begnügen sich die Vertreter der Gegenansicht — mit Ausnahme des Ponzinibius — meist mit einem bloßen Hinweis. (3) Die Autoren, die sich mit den Hexenflügen beschäftigen, greifen bei der Lösung des Problemes des Canons Episcopi immer wieder zurück auf die Darstellung dieser Frage bei den Autoren, die sich mit den Flügen der Ketzer beschäftigen 48 . In Bibelkommentar des Tostatus4 9 ist dazu bei der Erörterung der Matthäusstelle ausgeführt: Die Absicht des Canons ist nicht, den Glauben zu verbieten, daß Menschen vom Teufel getragen werden können. Verboten werden soll nur der Glaube, daß ein Ritt mit Diana möglich und daß Diana eine Göttin sei. Daß dies die Absicht des Canons ist, ergibt sich aus der darin angeführten Klage, daß eine große Zahl von Menschen diesen Glauben annehme und dadurch vom rechten Weg abkomme. Weiter ergibt sich dies aus der Aussage des Canons, daß der einem heidnischen Glauben verfalle, der an ein göttliches Wesen neben dem christlichen Gott glaube. Dieser Klage durch diese Aussage Rechnung zu tragen, ist der Zweck des Canons. Da ein Ritt mit einer Göttin Diana also nicht möglich ist, derartige Ritte andrerseits aber durch die Aussagen Beteiligter belegt sind, muß gefolgert werden, daß diese Ritte stattfinden mit dem Teufel in Gestalt der Diana. Ein weiterer Irrtum, den der Canon bekämpfen soll, liegt darin, daß die Frauen zu diesem Ritt befohlen würden; dies ist nicht möglich, denn es liegt nicht in der Macht der Dämonen, Menschen zu etwas zu zwingen. Die Ausfahrt eines Unwilligen (invitus), die Tostatus als möglich ansieht, bezeichnet er bei der Erörterung des Canons als selten und als Spezialfall, zu dem er nicht Stellung nimmt. Im Kommentar des Turrecremata5 0 zum Decretum Gratiani steht im Mittelpunkt der Erörterung die Frage, ob dem Inhalt des Canons zugestimmt werden kann; als Inhalt wird dabei angesehen, daß die Ausfahrt mit Diana und Herodias nicht möglich ist. Dem wird zugestimmt, weil es eine Göttin Diana nicht gibt und weil der Ehebrecherin Herodias, die in die Hölle verdammt wurde, nie erlaubt würde, die Hölle zu verlassen, um mit den Frauen durch die Luft zu reiten.

48 49 50

Vgl. Hansen, Zauberwahn, c.3 ff. Tostatus a.a.O. Turrecremata, Commentarius in Decr. Gratiani, 3. Bd., S. 333 ff.

Der Hexenglaube im einzelnen

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Allerdings verbietet der Canon nicht die Annahme, daß der Teufel Menschen durch die Lüfte tragen kann; es ist ein Unterschied, ob man behauptet, man reite mit einer Göttin Diana, die es nirgends gibt, oder ob man behauptet, man werde vom Teufel getragen. Ersteres ist nicht möglich, letzteres dagegen wohl. Der Ritt auf Diana geschieht in Wirklichkeit nur in spiritu, das heißt wohl, den Frauen wird dies vom Teufel vorgegaukelt, der Teufel nimmt aber nicht die Gestalt der Diana an. Da diese Auslegung des Canons die Gegner offenbar nicht überzeugt, geht der Inquisitor Jacquerius, der beklagt, daß der Canon die Ausrottung der Sekte verhindere, einen Schritt weiter und greift vor allem die Bedeutung des Canons an (auctoritas). Gratian hat - so führt er aus — den Dekreten jeweils deren autores vorangestellt, damit der Leser beurteilen kann, welche Bedeutung er den einzelnen Dekreten beilegen soll. Das Konzil von Ancyra, dem das vorliegende Dekret nach Gratian entstammt, war kein concilium generale vel universale, sondern nur ein concilium particulare. Von der Bedeutung dieses Dekretes sind deshalb Abstriche zu machen, sie ist nicht so groß wie die einer statuta oder doctrina sanctorum Doctorum; die doctores aber sprechen sich für die Realität des Fluges aus. Das Ansehen (reputatio) dieses Canons ist auch deshalb nicht so groß wie das der anderen Dekrete dieser Sammlung, weil er — wie sich aus seinem Inhalt ergibt — leichtsinnig und grob artikuliert worden ist. So wird versucht, die Aussagen der Frauen anhand der Beispiele des Ezechiel und des Paulus als falsch hinzustellen. Wenn Ezechiel aber sagt, er sei nur in seiner Vorstellung in Jerusalem gewesen, so schließt das noch nicht aus, daß er auch körperlich hätte dort sein können; daß dies möglich ist, ergibt sich aus anderen Beispielen (Habakuk). Gegenstände können ja nicht nur in der Vorstellung, sondern auch in Wirklichkeit wahrgenommen werden. Auch die Aussage des Paulus ist, da dieser selbst nicht wußte, ob er körperlich im Himmel war oder ob nur seine Seele dort war, ungeeignet zum Beweis der Aussage des Canons, der Flug finde nicht wirklich statt. Jedoch wird der Canon Episcopi dadurch nicht gegenstandslos (obwohl ihm auch bezüglich der Tierverwandlung nicht zugestimmt wird): ihm ist insofern beizupflichten, als er die, die Diana die im Canon genannten Eigenschaften zubilligen, als Glaubensverräter bezeichnet 51 . Im übrigen bestehen zwischen den Frauen des Canons und den Hexen Unterschiede, die eine Anwendung des Canons auf die Hexen nicht rechtfertigen. Diese Unterschiede sind vor allem darin zu sehen, daß die Dämonen den Hexen

51

Jacquerius, Flaggellum fascinariorum, Kap. 9, S. 61 ff.

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wahrnehmbar erscheinen, während die Frauen des Canons dies nur glauben. Dazu kommt, daß die Hexen auch Malefizien bewirken können 5 2 . Im weiteren Verlauf wechseln sich Zustimmung und Ablehnung ab; die Stimmen, die sich für die Realität aussprechen, sind jedoch, soweit ersichtlich, in der Überzahl. Nach Vicecomess 3 sagt der Canon Episcopi aus, es sei falsch, zum Sabbat zu gehen. Damit sei zugleich gesagt, daß dies möglich sei. Bei Socinus 54 beruht der Flug auf vom Teufel bewirkten Illusionen; Vignate5 5 , der sich ausführlich mit dem Geschehen auf dem Sabbat beschäftigt, geht von der Realität aus (bezüglich des Geschehens auf dem Sabbat kommt er zu dem Ergebnis, daß sehr vieles von dem, was die Hexen berichten, unmöglich ist, vieles dagegen wahrscheinlich möglich). Institoris 56 verweist wieder darauf, daß sich der Canon nicht auf die Hexen beziehe: insgesamt — so führt er aus — gibt es vierzehn verschiedene Arten von Aberglauben. Die Frauen des Canons fallen unter die Gattung der Pythones, die Hexen unter die der Malefici. Wer Angehöriger der einen Gattung ist, ist nicht notwendig auch Angehöriger der anderen. Der Canon bezieht sich nur auf die Pythones (durch die der Dämon redet und Wundertaten vollbringt); von ihm kann daher nicht darauf geschlossen werden, daß alle Ausfahrenden, gleichgültig welcher Gattung sie angehören, nur in ihren Träumen ausfahren. Als wesentlicher Inhalt des Canons ist festzuhalten: neben Gott gibt es kein weiteres höchstes und göttliches Wesen; mit Diana oder Herodias auszufahren, heißt, mit dem Teufel in deren Gestalt auszufahren. Molitor3 7 , ein weltlicher Jurist, vertritt dagegen wieder die Ansicht, bei den Ausfahrten handele es sich um Träume; ebenso der Philosoph Samuel de Cassinis5 8 , nach dem die gegenteilige Ansicht aufgrund des Canons Episcopi als ketzerisch angesehen werden muß. In der Antwort von Dodo 59 auf diese Schrift wird unter anderem wieder die Ansicht vertreten, der Canon beziehe sich nicht auf die Hexen der Gegenwart. Zu dieser Aussage macht nähere Ausführungen der Inquisitor Bernhard von Como. Danach gab es die Sekte der Hexen weder zur Zeit des Konzils von Ancyra, noch zur Zeit der Aufnahme des Dekretes in die Sammlung des Gratian. 52 53 54 55 56 57 58 59

Jaoquerius, a.a.O., Kap. 7, S. 36 ff. Vicecomes, Lamiarum opusculum, cap. „Utrum lamiae . . . ad lud um eant" Socinus, Tractatus de sortilegiis Vignate, De haeresi, qu.12, art.l (Rndnr. 144) Institoris, Malleus malef., lib. l , q.l Molitor, Böse Weiber, 5. u. 11. Dialog Samuel de Cassinis, Questio lamiarum (1505), zit. b. Hansen, Quellen, S. 262 Dodo, Apologia contra questionem de lamüs Samueli de Cassinis

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Der Hexenglaube im einzelnen

Vielmehr entstand die Hexensekte — wie sich aus den Archiven der Inquisition von Como ergibt — erst um das Jahr 1350 6 0 . Aber auch wenn die Hexensekte der im Canon genannten entspricht, steht dieser der Realität des Fluges nicht entgegen: Augustinus berichtet, daß die Apostel Petrus und Jakobus von den Dämonen realiter und corporaliter von Ort zu Ort getragen worden seien; niemand behauptet, daß der Canon diesem Bericht widerspreche. Folglich widerspricht er auch der Realität des Hexenfluges nicht 6 1 . Tenglers einflußreicher6 2 Leyenspiegel verweist6 3 für die strittigen Fragen des Hexenwesens auf den Malleus maleficarum des Institoris. Martin de Arles wiederum bezieht sich auf den Canon Episcopi und nennt die Flüge fantastice und mentaliter 64 . Auch Alciatus führt aus, im Hinblick darauf, daß diese Angelegenheit auf dem Konzil von Ancyra bereits entschieden worden sei, nehme er an, daß dies alles nur in der Fantasie geschehe und neige damit mehr der Ansicht des päpstlichen Rechts und der (italienischen) doctores zu, als der der Theologen6 5 . Offenbar stehen sich hier zwei Ansichten gegenüber. Von den diesbezüglichen Schriften der doctores ist jedoch, soweit ersichtlich, nur die Abhandlung des Juristen Ponzinibius6 6 bekannt. Die erste Hälfte seines Traktates widmet Ponzinibius der Frage, ob er als Jurist berechtigt sei, zum Problem des Hexenfluges Stellung zu nehmen. Als Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, führt er an:6 7 die tractatores divinarum scripturarum sind allein die Theologen; die theologia ist eine scientia superior et magis digna; auch liegt die lex imperialis in der Rangordnung unterhalb der lex Dei, was zur Folge hat, daß die theologia nicht durch die scientia legalis interpretiert werden kann; ius canonicum und civile können nicht Gegenstand einer scientia sein: hier wird nämlich nicht von den Ursachen her argumentiert (cognoscere per causas), sondern man stützt sich auf die Aussagen der Gesetze (auctoritas legum), indem man sagt: das oder das meint das Gesetz; Inhalt der Gesetze ist zudem die simplicitas, die subtilitas berücksichtigen sie nicht; 60

Como, De strigiis, § 4

61 62

Como, a.a.O., § 5 Riezler, Hexenprozesse, S. 132 ff.

63 64 65

Leyenspiegel, S. 105 Martin de Arles, De superstitionibus, S. 11 ff. Alciatus, De lamiis

66 67

Ponzinibius, Tractatus de lamiis Ponzinibius, a.a.O., Rndnr. 2 ff.

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jeder Gelehrte soll sich bei seinen Erörterungen auf sein Gebiet beschränken. Dennoch — so führt Ponzinibius aus - kann auch ein doctor legum zu dieser Frage Stellung nehmen, und zwar aus folgenden Gründen6 8 : Zweifel an Glaubensfragen sind dem Papst vorzulegen, doch können zur Klärung der Zweifel auch die canones herangezogen werden; aufgrund der engen Beziehungen zwischen canones und leges (ratione connexitatis et imitatione) muß dies auch für die leges gelten; Gegenstand der scientia legalis sind nicht nur die Gesetze, sondern auch Glaubensfragen (fides). Dies folgt daraus, daß sie nicht nur der Ethik, sondern auch der Theologie unterworfen ist, was sich wiederum daraus ergibt daß die Gesetze vieles enthalten, was sich auf Gott bezieht und den Glauben berührt. Die scientia iuris darf deshalb nicht verachtet werden. Nach ausfuhrlichen Darlegungen kommt er zu dem Ergebnis: scientia iuris est certissima, nobilissima et omni honore digna. Contemnentes iuris doctores detestandi sunt velud pecudes. Scientia iuris civilis sapientia est, et res sanctissima. (Damit begründet er auch seine Forderung, in die Inquisitionsgerichte müßten weltliche Juristen aufgenommen werden 69 .) Bezüglich des Canons Episcopi führt Ponzinibius dann aus 7 0 : Hauptzweck des Canons ist es nicht darzulegen, daß Diana keine Göttin sei Hauptzweck ist vielmehr, den Irrtum zu beseitigen, daß der Flug dieser Frauen in corpore geschehe. Dies ergibt sich aus der Anordnung des Canons (distinctio et recitatio). Nachdem nämlich erwähnt wird, daß die Frauen bezeugen, sie würden auf Tieren reiten, und nachdem die große Zahl der Getäuschten angeführt wird, wird erklärt, daß dies alles falsch sei. Schlußfolgerung ist nicht nur - aufgrund der Beispiele des Ezechiel und des Paulus, die ja einen anderen Flug betreffen als den, den die Frauen angeblich erleben —, daß dies alles durch einen bösen oder guten Geist geschieht: sondern auch und vor allem, daß alles, was diesem ähnlich ist, nur in spiritu und nicht in corpore geschieht. Das Argument, es handele sich bei den Hexen um eine andere Sekte als die im Canon genannte, ist nicht gerechtfertigt. Zwar unterscheiden sich die Schilderungen der Frauen des Canons von denen der Hexen in einzelnen Punkten - etwa: hier Flug auf einem göttlichen Wesen, dort Flug mit dem Teufel —, im Hauptpunkt aber stimmen sie überein: beide glauben, der Flug geschehe in corpore. Diese Übereinstimmung aber reicht aus, um von einer Ähnlichkeit zwischen den beiden Fällen sprechen zu können. Da weiter aber das Argument 68 69

70

Ponzinibius, a.a.O., Rndnr. 8 ff. Für eine von den Theologen unabhängige Stellung des Juristen tritt auch Igneus, An rex francie recognoscat imperatorem (col. 40 ff.), ein; er wird angegriffen von Simanca, De institutionibus cath., tit.36, nr.9 Ponzinibius, a.a.O., Rndnr. 49 ff.

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de similibus ad similia erlaubt ist, kann gefolgert werden, daß der Canon für die Hexen gilt. Dies insbesondere auch deshalb, weil im Canon ein entsprechender Hinweis enthalten ist ( „ . . . qui talia credit et his similia fidem perdit"). Bei einem Hinweis dieser Art ist das betreffende Gesetz immer sehr weit (latissime) auszulegen. Die Auslegung des Canon Episcopi in diesem Sinn kann nicht durch Argumente, sondern nur durch Spitzfindigkeiten (sophisticae) widerlegt werden. Ein weiteres Argument spricht gegen die Realität: Die Sprache ermöglicht es, Unterscheidungen zu treffen. Durch gute Differenzierung kommt man der Wahrheit am nächsten, weshalb immer die Ansicht, die das tut, als die bessere anzusehen ist. Trotz dieses Grundsatzes und obwohl den Verfassern des Canons auch die Matthäusstelle71 bekannt war, ist in diesem Canon nicht differenziert worden; vielmehr werden als Beispiele nur der Fall des Ezechiel und der des Paulus herangezogen. Daraus ist zu folgern, daß die Verfasser des Canons nicht wollten, daß auch andere Beispiele berücksichtigt werden sollen. Auf diese Beispiele, damit auch auf die Matthäusstelle, kann deshalb nicht zurückgegriffen werden. Auch kann aus diesen (anderen) seltenen Stellen nicht ein Gesetz oder eine Regel abgeleitet werden. Weil Lazarus von den Toten auferweckt wurde, sieht sich ja auch niemand veranlaßt, daraus eine Regel über die Auferstehung von den Toten abzuleiten. Die Ansicht, die sich für die Realität ausspricht, ist deshalb irrig; die Inquisitoren sollen diesem Irrglauben abschwören. Diesen Ausführungen des Ponzinibius treten entgegen der Inquisitor Prierias72 und vor allem dessen Schüler Bartholomäus de Spina 73 . Prierias vertritt wieder die Ansicht, es handele sich bei den Hexen um eine andere Sekte, auf die der Canon nicht anwendbar sei. Und zwar lägen die Unterschiede sowohl im Glauben als auch in den Werken. Näher führt er dazu aus: Die Unterschiede liegen im Glauben, denn die Frauen des Canons glauben an einen spiritus bonus und an ein göttliches Wesen neben Gott; sie glauben an die Möglichkeit der Tierverwandlung und daran, daß sie zum Dienst an ihrer Göttin befohlen werden. Die Hexen glauben an keinen dieser Punkte. Sie liegen in den Werken, denn die Frauen des Canons verleugnen nicht ausdrücklich den Glauben, mißbrauchen keine Sakramente und bewirken keine Malefizien wie die Hexen. Die Sekte der Hexen ist in den Canones nirgends 71 72

S.o.; Versuchung Jesu; Matth. 4, (5) Prierias, De mirandis strigimagarum, lib. 2, c.2

73

Barth, de Spina: „In Ponzinibium de lamiis" und „Tractatus de praeeminentia sacrae theologiae super alias omnes scientias, et praecipue humanaium legum".

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angeführt; dieser Ansicht ist auch Papst Innozenz VIII., der in seiner Bulle 74 ausspricht, diese Sekte sei erst neulich entstanden, und zwar um 1404 7 5 . Auch die Wendung „qui talia et his similia credit" führt nicht dazu, daß der Canon auf die Hexen Anwendung findet. Denn auch wenn man die Ansicht vertritt, daß die beiden Sekten in ihrem Glauben und in ihrem Tun übereinstimmen, so unterscheiden sie sich dennoch in einer Weise, die dazu fuhrt, daß sie zwar unter denselben Oberbegriff (genus) fallen, aber einer anderen Art (species) angehören. Die Unterscheidung kann dabei getroffen werden in drei Punkten: (a) Bei dem Begriff der Häresie (genus haeresis, genus fidei): die Sekte des Canons glaubt an ein göttliches Wesen neben Gott und ist deshalb als eigentlich häretisch (haeretica proprie) zu bezeichnen; die Sekte der Hexen glaubt (unmittelbar) nichts Häretisches, sie erweckt durch ihr Verhalten aber den Anschein der Häresie (haeresim sapire), die Häresie ist in ihrem Fall deshalb zu vermuten (haeretica presumptive). Während die Hexen vom Glauben abfallen, indem sie ihn verleugnen, ist dies bei den Frauen des Canons expresso verbo nicht der Fall. (b) Bei dem Begriff des Aberglaubens (genus superstitionis): zu den einen spricht der Teufel nur und bewirkt Wunderbares, die anderen veranlaßt er zu wirklichen Akten des Aberglaubens und zu Zaubereiverbrechen. (c) Bei dem Begriff der Täuschung (genus illusionis): bei den Frauen des Canons wirkt die Täuschung auf den Verstand der Frauen ein, so daß sie Falsches glauben; bei den Hexen ist dies dagegen nicht der Fall. Diese drei Unterscheidungsmerkmale rechtfertigen es zu behaupten, daß die Hexen nichts dem Glauben der Frauen des Canons Ähnliches glauben. Inhalt des Canons ist damit: die Behauptung der Frauen, sie ritten auf einer wahren Göttin und auf echten Tieren, ist falsch. Die Beispiele der Visionen des Ezechiel und des Paulus sagen nur aus, daß diese Täuschung bei diesen Frauen im Schlaf und in deren Fantasie erfolgt. Bartholomäus de Spina spricht Ponzinibius die Berechtigung ab, hier Stellung nehmen zu können. Die Rechtswissenschaft basiert auf dem lumen naturale und der authoritas hominum, die Theologie basiert auf dem lumen divinum und der authoritas Dei. Die Theologie ist deshalb die Herrin, die Jurisprudenz die Magd. Die Magd ist einer großen Strafe würdig, wenn sie sich in die Angelegenheit der 74

75

„Summis desiderantibus" vom 5.12.1484; bezieht sich wohl auf § 1, der beginnt: „Sane nuper ad nostrum non sine ingenti molestia pervenit auditum . . . " ; der Flug der Hexen ist darin nicht erwähnt; s.o. A II 6 Worauf sich diese Jahreszahl, die noch einmal wiederholt wird, bezieht, ist nicht bekannt; ev.: 1484, Erlaß der Bulle durch Inn. VIII.

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Der Hexenglaube im einzelnen

Herrin einmischt. Die Frage der Realität des Hexenfluges aber ist eine rein theologische Frage, über die daher nur Theologen urteilen können 7 6 . In bezug auf den Canon Episcopi greift Bartholomäus de Spina den Gedanken des Inquisitors Jacquerius auf und wendet sich gegen die Bedeutung des Canons 77 . (a)Mit anderen 78 ist er der Meinung, daß Gründe für den Verdacht der Ungültigkeit des Konzils von Ancyra und damit des Canon Episcopi vorliegen (suspectum de falsitate). Viele Konzile nämlich werden von Häretikern und Schismatikern besucht oder sie werden nicht in der erforderlichen Weise durchgeführt, zum Beispiel ohne oder gegen den Willen des Papstes. Dabei werden dann oft Constituta beschlossen, die zwar einiges Wahre enthalten mögen, die aber nichtsdestoweniger von der Kirche nicht anerkannt und zum Teil sogar verdammt werden. Da vom Konzil von Ancyra weder bekannt ist, wann es abgehalten wurde und auch nicht, wer es einberufen hat, brauchen dessen Beschlüsse nicht befolgt zu werden, bevor nicht seine Autorität, was bisher nicht geschehen ist, nachgewiesen ist. (b) Für die Tatsache, daß es sich um ein von der Kirche nicht gebilligtes und um kein katholisches Konzil handelte, spricht, daß der Text einige Unklarheiten (obscura) enthält, so zum Beispiel die Aussage, der Hexenflug sei nicht möglich; dies widerspricht der Schrift (Matthäus 4, Habakuk) und der Ansicht aller Theologen. (c) Dieser Verdacht ist auch deshalb angebracht, weil der Canon — ausgehend von dem Inhalt, den die Gegner der Inquisition ihm geben — unverständlich ist, albern und völlig unbrauchbar 7 9 . Ausgehend von der Lehre der Philosophen, nach der es möglich ist, daß der Teufel Menschen durch die Luft trägt, ist zu sagen: Mit den Worten des Paulus kann diese Lehre nicht widerlegt werden. Das „non esse" des Canons führt nicht zum „non posse"; wie ja auch niemand sagt: Petrus non est Papa, ergo non potest Papa. Auch ein Schluß vom Partiellen zum Universellen ist nicht möglich. Dies ist ein bei allen sapientes logici bekanntes und grundlegendes Prinzip („quae etiam pueris et idiotis clare constant"). Danach ist es zum Beispiel nicht möglich zu sagen: ein Mensch ist gut, also sind alle Menschen gut. Die Gegner der Inquisition argumentieren aber diesem Prinzip zuwider, wenn sie behaupten: Paulus und Ezechiel sind nicht getragen worden, also kann keiner getragen werden. Da dieser 76 77 78 79

Barth, de Spina Praeeminentia, cap. 5 Barth, de Spina, De strigibus, cap. 21 Ohne nähere Artgaben Spina, De strigibus, c.22

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Schluß nicht möglich ist, ist der ganze Sinn hinfällig, der in den Canon hineingelesen wird. Autorität dieses Canons ist daher abzulehnen und der Beweis erbracht, daß dieses Konzil nicht vom heiligen Geist erfüllt und daher auch nicht verum bonum riteque congregatum war. (d) Aber auch wenn man unterstellt, daß das Konzil richtig einberufen worden ist, kann aus dem Canon Episcopi aus zwei Gründen nichts hergeleitet werden® 0 : (aa) Für alle verbindlich wäre nur ein Generalkonzil. Ob es sich hier um ein solches handelte oder nur um ein Synodalkonzil, ist nicht bekannt. Da es in der Aufzählung der Generalkonzilien bei Gratian fehlt ist aber letzteres möglich. Dafür spricht auch, daß sich die Glossatoren der älteren Zeit nicht damit beschäftigt haben. Erst die Glossatoren der jüngsten Zeit haben den Canon Episcopi aufgegriffen, das Verbot des Glaubens an den Hexenflug aber nicht als Inhalt des Canons angesehen 81 . Als Argumente für die Einstufung als Generalkonzil werden angeführt: das Wort „perpetuo", das zur Unterscheidung des General- vom Partikularkonzil diene und die Anordnung an die Bischöfe, die auch eine determinatio fidei enthalte; beides könne aber nur von einem über dem Bischof Stehenden angeordnet werden, also dem Papst oder einem Generalkonzil. Dagegen ist aber zu sagen, daß über die Bischöfe nichts Näheres ausgesagt ist; es kann sich daher auch nur um die Bischöfe eines Bezirkes handeln. Schließlich ist der Satz, der die Pflicht der Bischöfe ausspricht, nicht als Befehl gedacht, sondern er ist so zu verstehen, als sei gesagt worden: allen ist zu verkünden, daß diese Lehre als die wahre berücksichtigt werden muß. So kann aber auch jemand sprechen, der nur ein Lehramt innehat. Es kann sich daher auch um ein Partikularkonzil handeln, das nicht allen, sondern nur den ihm Unterworfenen Lehren erteilen und Vorschriften machen kann 8 2 . (bb) Bei Zweifelsfragen der vorliegenden Art sind diese dem Papst vorzulegen, der die causae fidei entscheiden kann. Hier ist eine derartige Vorlage und damit Entscheidung aber nicht mehr nötig, weil der Papst des öfteren den Inquisitoren die Erlaubnis gegeben, die Privilegien verliehen und zugestimmt hat, daß sie gegen die, die derartige Taten verüben, vorgehen (quasi contra haereticos)8 3 . Auch daraus, daß der Canon in das Corpus Iuris Canonici aufgenommen wurde, kann keine maßgebende Bedeutung hergeleitet werden, da diese Aufnahme nicht aufgrund der authoritas und des Willens des Papstes, sondern aufgrund des Willens des Gratian erfolgte. 80 81 82 83

Spina, a.a.O., c.23; S. 141 ff. Wobei er auf Tunrecremata (s. dazu oben) verweist Das Arg., das sich auf das Wort „perpetuo" bezieht, wird nicht beantwortet. Derartige Dekrete sind hier nicht angeführt. In „De strigibus", cap.3, ist jedoch ein Breve Hadrians VI. vom 20.7.1523 an den Inquisitor von Como abgedruckt; s. dazu oben A II 6

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Zusammenfassend ist daher zu sagen: Handelte es sich um kein Generalkonzil, so steht es im Gegensatz zu den Episteln des päpstlichen Stuhles und braucht nicht berücksichtigt zu werden. Handelte es sich um ein Generalkonzil, so braucht dieses Dekret dennoch nicht berücksichtigt zu werden, weil keine Verpflichtung besteht, Ungereimtem und Unvernünftigem (absurda et irrationabilia) zuzustimmen. Wohl aber besteht eine Verpflichtung zu einer am Glauben orientierten Auslegung. Ein Konzilsbeschluß verpflichtet nicht, wenn er gegen die heilige Schrift verstößt; ob dies der Fall ist, ist durch glaubensorientierte Auslegung festzustellen; entscheidend ist dabei der Sinn der heiligen Schrift, den die sancti doctores communiter in ihr sehen. (e) Setzt man die Gültigkeit (wohl entgegen der Ansicht des Bartholomäus) des Canons voraus so fuhrt die am Glauben orientierte Auslegung zu dem Ergebnis, daß der Glaube an die Realität des Hexenfluges durch ihn nicht verboten wird. Inhalt des Canon Episcopi ist danach (im Anschluß an Turrecremata): Folgende Meinungen sind als häretisch zu bezeichnen: es gäbe eine Göttin Diana oder Herodias; man würde beim Dienst für diese Göttinnen auf echten Tieren durch die Luft reiten; die Täuschung, der diese Frauen unterliegen, würde durch einen guten Geist verursacht; die Verwandlung von einer species in eine andere könne außer von Gott auch von irgendjemand anderem bewirkt werden 8 4 . Die Meinung des Ponzinibius ist deshalb falsch. Seine Folgerung, die Inquisitoren sollten ihrer Ansicht abschwören, macht ihn in der Häresie vehementer suspectus 85 . ( „ 0 miram viri praesumptionem, o detastandam insaniam": Wenn diese Ansicht richtig wäre, müßte ja auch der Papst abschwören! Soll die Ansicht von der Realität des Hexenfluges als widerlegt gelten durch die Argumentation eines wahnsinnigen Juristen, die alle gelehrten Theologen zu einem Lachen reizt? ) 8 6 . Diese beiden Argumente - Nicht-Anwendbarkeit und fehlende Authentizität — werden auch in der Folgezeit angeführt, ersteres Argument wird dabei öfter

84 85 86

Spina, De strigibus, c.26 Also zweite Verdachtsstufe; s. 3. Teil Spina, In Ponzinibium, c.4

Flug und Sabbat

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herangezogen8 7 . Neue Begründungen dazu tauchen, soweit ersichtlich, nicht auf. Lediglich bei Grillandis8 8 findet sich dazu ein neuer Gedanke: Die Auslegung des Canons hat sich an der ratio legis zu orientieren. Die ratio principalis des Canons ergibt sich aus der Stelle „Illud non est omittendum . . . " . Es sollte also der dort näher bezeichnete Irrtum der Frauen bekämpft werden, insbesondere der, daß es ein weiteres göttliches Wesen neben Gott gäbe. Dieser Irrtum ist die Ursache für alle anderen. Da er auf die Hexen nicht zutrifft, ist der Canon nicht auf sie anwendbar. Dies ergibt sich auch aus der Wortwahl des Canons. In seinem ersten Teil spricht der Canon von der ars sortílega et magica und von Frauen „huiuscemodi sceleris"; in seinem zweiten Teil dagegen (beginnend mit § 1: „Non est omittendum . .") spricht er von „quaedam sceleratae mulieres". Wenn dieser zweite Teil auch für die im ersten Teil genannten Frauen — die Hexen — hätte gelten sollen, so wäre dies durch verba repetitiva ausgedrückt worden, zum Beispiel durch: mulieres praedictae. Hier aber sind verba diversa verwendet worden. Aus der verschiedenen Wortwahl ergibt sich notwendigerweise, daß sich die beiden Sekten unterscheiden und daß die Ausführungen des Canons über den Flug der einen Sekte nicht auf den Flug der anderen Sekte übertragen werden können. Wenn auch keine neuen Argumente mehr auftauchen, so wird der Streit um den Canon um 1550 dennoch wohl nicht als ausdiskutiert angesehen 89 ; Albertinus

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Mirandula, Strix, lib.2; Albertinus, De assertionibus cath., qu.24, Nr. 24; gegen die Authentizität Castro, De punitione haeret, lib.l, c.2 a.E., der darauf hinweist, daß dieser Canon nicht in die neue (nach Hansen, Quellen, 343,1538 von Peter Crabbe in Köln herausgegebene) Dekretensammlung aufgenommen worden sei; gegen die Auth. später auch Binsfeld; Riezler, Hexenprozesse, S. 44. Nicht erwähnt ist die Hexensekte dagegen bei Lutzenburgus (Hansen, Quellen, 412: Luxemburg), Catalogus hereticorum. Luther nimmt eine schwankende Stellung ein; er hält den Flug über kurze Entfernungen für möglich, über längere nicht; an anderer Stelle hält er den Flug ohne Differenzierung für möglich; Paulus, Hexenwahn, S. 20 ff. (27)

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Grillandis, De sortilegiis, qu.7, nr. 32 ff. In dem von A. Sawr 1586 hrsg. „Theatrum de veneficis" (s. Quellenverz. „Theatrum") beklagt der Verleger Basseus in seiner Vorrede die „Schläffrigkeit" vieler Regenten und Richter, die nicht glaubten, daß es Hexen gäbe, obwohl es doch nötig sei, „daß die Obrigkeit nicht schlaffe/ sonder . . . kein Holtz/kolen/Stro/noch Fewer spare/damit dem grausamen Unglück gewehret/GOttes ehr/so vil an inen ist/gerettet/ und ihr selbst eigen . . . Leib und Leben gefristet werde". Mit dem Canon setzen sich zum Beispiel auch auseinander: Weier, Fichard, Godelmann, auch Thomasius („de origine . . . " , § 11 und öfter); kein Hinweis fmdet sich dagegen in dem berühmten Werk gegen die Hexenprozesse von F. Spee, Cautio criminalis (1632).

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Der Hexenglaube im einzelnen

schreibt ca. 1540, er werde die Frage der Realität ausführlich darlegen, „quia scio apud excellentes iuris peritos de hoc quaestione aliquid dubitatum" 9 0 . Überwiegend wird aber die Ansicht vertreten, der Canon betreffe eine andere Sekte als die der Hexen und sei auf diese deshalb nicht anwendbar. (4) Stellungnahme der Päpste Die päpstlichen Erlasse dieses Zeitraumes nehmen zur Frage der Realität von Flug und Sabbat nicht ausdrücklich Stellung 91 , wenn auch Vergehen aufgezählt werden, die gewöhnlich auf dem Sabbat verübt werden. Näheres hierzu siehe oben unter A II 6 (Sprachgebrauch in den päpstlichen Erlassen).

II) Die Tierverwandlung Wird die Weitergeltung des Canon Episcopi bejaht, werden die Bedenken gegen seine Authentizität also nicht in den Vordergrund gestellt, so ist zugleich zu einer anderen Frage Stellung genommen: der Möglichkeit, jemanden in ein anderes Lebewesen zu verwandeln9 2 . In Übereinstimmung mit dem Canon wird diese Möglichkeit im hier behandelten Zeitraum vom Großteil der Autoren verneint 93 . Die Autoren, die diese Möglichkeit bejahen 94 , weisen vor allem hin auf Moses und die Zauberer des Pharao9 s , auf Apuleius und dessen Verwandlung in einen Esel und auf die Verwandlung der Gefährten des Odysseus durch Circe. Nach Ansicht aller Autoren besteht freilich die Möglichkeit, daß Hexen oder andere Personen durch Täuschungen des Teufels ihren Mitmenschen in anderer

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Albertinus, De assertionibus cath., q.24, ni.l Riezler, Hexenprozesse, S. 84, schreibt im Hinblick auf Flug und Sabbat und die Hexenbulle von 1484: „Die Inquisitoren hatten jedenfalls auch die Aufnahme dieser Punkte beantragt aber an der Kurie wollte man dem Canon Episcopi nicht direkt widersprechen". S. 44 ff. vermutet er ebenfalls, Sabbat und Flug seien nicht erwähnt, um sich mit diesem Canon nicht auseinandersetzen zu müssen; ähnlich Thomasius (de origine); § 50 ff. Hansen, Zauberwahn, S. 468, führt dagegen aus, der Flug als solcher sei kein Verbrechen gewesen, habe deshalb das Eingreifen der Ketzerrichter nicht rechtfertigen können und sei deshalb nicht aufgenommen worden (vgl. aber dazu oben B I (II) a.E.). Vgl. Canon Episcopi a.E. Vgl. statt vieler: Como, De strigiis, § 7; s. auch Anm. 94) Jacquerius, Flagellum fascinariorum cap.9, S. 70 ff.; Mirandula, Strix, lib.l; Spina, De strigibus, c.32, Vicecomes, Opusculum lamiarum cap. „Utrum lamiae . . . ad ludum eant" Exodus 7, 11, 12: „ . . . Aaron warf seinen Stab vor den Pharao und seine Diener hin und er ward zur Schlange. Da ließ der Pharao die Weisen und Zauberkünstler rufen. Vermöge ihrer Geheimkünste vollbrachten die Wahrsagepriester Ägyptens dasselbe".

Das Verhältnis Teufel-Hexe/Zauberer

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Gestalt — etwa als Katzen — erscheinen, während in Wirklichkeit ihre menschliche Gestalt nicht verändert wird9 6 .

III) Das Verhältnis Teufel-Hexe/Zauberer Voraussetzung für das Gelingen eines Zauberwerkes ist grundsätzlich das Vorliegen von zwei Punkten: das Vorliegen der permissio Dei (die bereits oben unter B I (II) behandelt wurde) und (das hier zu behandelnde) Zusammenwirken von Teufel und Hexe. Bei der Darstellung dieses Zusammenwirkens ergeben sich zum Teil erhebliche Unterschiede9 7 . 1) Das pactum cum daemone Voraussetzung für das Eingreifen des Teufels ist ein enges Verhältnis zwischen Hexe und Teufel, das im Regelfall zustande kommt durch das „pactum cum daemone"; „pactum" wird also im Sinne von „Vertrag" gebraucht, kann daneben aber auch das sich aufgrund des Vertrages ergebende Vertrauensverhältnis zwischen Teufel und Hexe bezeichnen; Trithemius 98 spricht von einer „cooperatio familiaris" aufgrund des pactums. Das pactum wird gewöhnlich geschlossen auf Initiative des Teufels: er wendet sich an unzufriedene Personen und verspricht, die Gründe ihrer Unzufriedenheit abzustellen, ihnen also Macht, Einfluß, Reichtum oder Gesundheit zu verschaffen, gehaßte Nachbarn zu schädigen und sexuelle Wünsche zu befriedigen; die Gegenleistung der Hexen besteht — in dieser Reihenfolge — darin, dem christlichen Glauben zu entsagen, den Teufel als Gott anzuerkennen, sich dessen Willen zu unterwerfen und Böses zu t u n 9 9 . Dabei kann der Teufel Frauen leichter überreden als Männer: „propter fragilitatem sexus, carnalem concupiscentiam, insatiabilem, qua in eis fortius

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Institoris, Malleus malef., lib.l, q.10; nach Institoris und Castro (De punitione haeret.) ist die Fähigkeit, diese Täuschung (mit Hilfe des Teufels) zu verursachen, den „Magi" eigen; s.o. A II 2 (malefici) Folgerungen aus der Art des Zusammenwirkens für die Strafbarkeit der Hexen s. 3 B I 2 b Trithemius, De maleficiis, S. 469 Die Aussage, der Vertrag würde geschlossen, um Mitmenschen zu schädigen (so Hansen, Zauberwahn, S. 7) läßt die Motive der Menschen und auch das Hauptmotiv des Teufels - die Lästerung Gottes, die auf die Lästerer zurückwirkt - außer Betracht.

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Der Hexenglaube im einzelnen

regnat quam in viris" 1 0 0 . Darüberhinaus wendet sich der Teufel auch deshalb an die Frauen, weil er ein Interesse daran hat, daß möglichst viele Menschen von der Möglichkeit erfahren, mit ihm einen Vertrag zu schließen und „quia (mulieres) linguam lubricam habent, et ea, quae mala arte sciunt, eis comparibus foeminis vix celare possunt" 1 0 1 . Dazu kommt schließlich, daß sie auch aufgrund ihrer Leichtgläubigkeit leichter zu überreden sind als Männer. Neben den Frauen wendet er sich vorzugsweise an die „magis simplices" und an die rustici, damit er dann später die, die ihm nicht ohne weiteres glauben würden, durch die Handlungen dieser leichtgläubigen Menschen überzeugen kann 1 0 2 . Die Initiative zu diesen Gesprächen geht vom Teufel aus; er wendet sich in Menschengestalt - aber immer als Teufel erkennbar: durch einen langen Schwanz, durch einen Pferdehuf, durch seinen Geruch — an die betreffenden Personen und überredet sie. Der Vertragsabschluß findet in diesen Fällen meist gleich bei dieser Zusammenkunft statt, ist aber auch erst möglich auf dem Sabbat, zu dem er die Vertragswilligen einlädt 10 3 . Der Gesprächspartner der betreffenden Person kann aber auch eine Hexe sein, die die Angesprochene zum Besuch eines Sabbats einlädt, wobei dann der Vertrag unter Einhaltung gewisser Zeremonien geschlossen wird 1 0 4 . Ist der Vertrag geschlossen, so wird die betreffende Person zwar zur Hexe, jedoch bestehen innerhalb der Hexen gewisse Rangunterschiede, die sich äußern in dem Umfang der zauberischen Fähigkeiten. Der Grund für diese Rangunterschiede liegt darin, daß die neugewonnenen Hexen dem Teufel noch nicht so ergeben sind wie die länger dienenden; längeres Bündnis mit dem Teufel führt daher zu höherer Macht. Der Umfang der Macht hängt daneben auch davon ab, mit welchem Teufel welcher Rangordnung ein pactum geschlossen wird 1 0 5 . Diese Rangunterschiede sind auch die Erklärung dafür, daß der Teufel manchen Hexen bei der Folter hilft, diese nicht als schmerzhaft zu empfinden, während er 100

Albertinus, De assertionibus cath., q.24, nr.4; vgl. dazu Paulus, Hexenwahn S. 195 ff. („Die Rolle der Frau in der Geschichte des Hexenwahnes"); auch Hansen, Quellen, S. 416 ff. („Die Zuspitzung des Hexenwahnes auf das weibliche Geschlecht"); zur sexuellen Seite des Hexenwahnes vgl. auch R.E.L. Masters, Teuflische Wollust, der S. 44 ff. auf die größere Empfänglichkeit der Frauen für die Halluzinationen und erotische Wahnvorstellungen hervorrufende Hysterie und Schizophrenie hinweist. — Vgl. dazu auch das Kapitel von W.E. Peuckert bei Baroja, Hexen und ihre Welt, S. 285 ff.

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Arles, De superstitionibus, S. 90 ff. (im Anschluß an Nider, Formicarius) Spina, In Ponzinibium, c.3

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Schilderung eines Sabbats statt vieler: Kemnat, Chronik, S. 113 ff. Aus den Fragen des „Kelheimer Hexenhammer" zum Beispiel ergibt sich die Möglichkeit der schriftlichen Verschreibung an den Teufel Trithemius, De maleficiis, S. 469

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Das Verhältnis Teufel-Hexe/Zauberer

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andere, wie die Erfahrung zeigt, selbst im Kerker tötet, indem er ihnen das Genick umdreht 1 0 6 . Das Motiv für die Initiative des Teufels liegt in seiner Absicht, die Menschen zu schädigen, wo er kann; dies ist ihm insbesondere möglich dadurch, daß er die Menschen veranlaßt zur Lästerung Gottes und zur Durchführung von Werken, die dem christlichen Glauben widersprechen. Dabei besteht grundsätzlich Einigkeit darin, daß die Hexen zwar glauben, die fraglichen Zauberwerke würden durch sie selbst verursacht, daß die Verursacher in Wirklichkeit aber die Teufel sind; die Teufel sind die „authores principales" 1 0 7 , die auf Wunsch der Hexen tätig werden 10 8 . Von einigen Autoren wird betont, daß zur Verursachung das Zusammenwirken beider erforderlich ist: der Dämon kann ohne Hexe, die Hexe ohne Dämon keine Wirkungen hervorbringen 1 0 9 . Nach Trithemius 110 gebraucht der Teufel den Willen (!) der Hexe wie ein Künstler sein Instrument; der auf den Schadenseintritt gerichtete Wille der Hexe ist Voraussetzung für den Schadenseintritt 111 ; erforderlich ist, so Trithemius, eine „animo furens ac depravata volúntate maléfica". Gewisse Zeremonien, die die Hexen ausfuhren, um einen Erfolg herbeizufuhren, sind völlig ohne Wirkung 112 . Sie sind vom Teufel nur angeordnet, um die Hexen in ihrem Glauben an selbständige Macht zu stärken und immer wieder dokumentiert zu sehen, daß diese sich seinem Willen unterwerfen und damit gegen den christlichen Glauben verstoßen. Nach Martin de Arles 113 haben diese Zeremonien aber auch den Sinn einer Signalwirkung: sieht der Teufel nämlich 106

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Andererseits wird aber auch angenommen, diese Hexen würden vom Teufel getötet, wenn sie sich auf der Folter schwach gezeigt hätten, weil der Teufel verhindern möchte, daß seine Geheimnisse oder andere Hexen verraten würden. Von der Möglichkeit, diese Hexen unempfindlich gegen die Folter zu machen, macht der Teufel bei diesen Hexen niederer Rangstufe trotz der Gefahr des Verrates demnach nicht Gebrauch. Albertinus, De assertionibus cath.,q.24; nr.21; ausführlich dazu Plantsch De sagis maleficis, S. 12' ff. Nider, Formicarius, c.7; Molitor, Böse Weiber, 9. Dialog; Vicecomes, Opusculum, cap„Utrum lamiae . . . ad ludum eant"

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Institoris, Malleus malef., lib.l, q.2; Dodo, Apologia, cap. „circum primum principale"

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Trithemius, De maleficis, S. 469 Insoweit auch Murner, De phitonico contractu, BL 10

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Daneben ist freilich auch eine natürliche „Beeinflussung" denkbar, etwa durch die auf irgendeine Art erfolgte Einführung von Fremdkörpern in Menschen und Tiere oder auch durch Gifte und Salben, in deren Herstellung die Hexen vom Teufel auf dem Sabbat unterrichtet werden; Grillandis, De sortilegiis, q.5, n r . l l ; q.6, nr.l ff.; q.3, nr.9 ff.

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Arles, De superstitionibus, Nr. 67 ff.

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Der Hexenglaube im einzelnen

die Zeremonien, so weiß er aufgrund des mit den Hexen geschlossenen Vertrages oder aufgrund seines Wissens und seiner Kenntnis der Menschen von den Anfängen der Welt und der Zeit der Götzenverehrung 1 1 4 , welche Handlung er nach dem Willen der Hexe bzw. des Anrufenden vornehmen soll. Will der Teufel persönlich irgend jemanden schädigen, fehlt ihm aber die permissio Dei, so kann er - so Grillandis 115 — die Hexen „tamquam instrumentis" benutzen und durch sie den Schaden herbeiführen (zum Beispiel Kinder töten lassen), wobei er ihnen behilflich ist, etwa indem er ihnen im Finsteren leuchtet oder verschlossene Türen aufsperrt. Ähnliche Ausdrücke gebraucht Arles 1 1 6 ; hier werden Zauberer „ministerialiter" und „instrumentaliter" tätig; allerdings soll der Schaden hier nicht auf Wunsch des Teufels, sondern auf Wunsch des Zauberers eintreten 1 1 7 . Ein dem des Grillandis ähnlicher Gedanke findet sich bei Molitor 1 1 8 : wird dem Teufel von Gott auferlegt, irgendjemanden zu strafen, so veranlaßt der Teufel eine Hexe zu der Bitte an ihn, diese Strafe durch sie, die Hexe, auszufuhren. Während Grillandis aber auf die fehlende permissio abstellt, legt Molitor diese zugrunde und geht von der Unfähigkeit des Teufels aus, aus eigener Kraft Ursachen setzen zu können. Allerdings kann der Teufel die Menschen zu nichts zwingen 1 1 9 , kann sie sich aber durch Schläge gefügig machen und dadurch zur Einhaltung ihrer Verträge veranlassen. 2) Die invocatio daemonum Neben dem pactum cum daemone besteht noch die Möglichkeit einer „invocatio daemonum", ohne daß ein bereits abgeschlossener Vertrag Voraussetzung dafür wäre. Dieser Begriff taucht insbesondere auf, aber nicht ausschließlich, bei der Behandlung der Wahrsager und auch der Zauberer, wenn die Realität des Fluges und des Sabbats nicht anerkannt wird. Die invocatio kann expresse geschehen oder aber tacite oder implicite; eine Anrufung in Form des implicite liegt dabei vor, wenn jemand sich zauberischer

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Dies bei fehlendem Vertrag bei bloßer Anrufung; s. unten 2): „invocatio" Dies bedeutet, daß den Hexen die permissio Dei gegeben wird; dieser Gedanke, soweit ersichtlich, nur bei Grillandis, De sortilegiis, q.6, nr.20 ff. Arles, De superstitionibus, S. 67 ff. Tätigwerden auf Wunsch der Hexe auch bei Alciatus, De lamiis, der von „mandare" spricht; Nider, Formicarius, cap.7; Molitor, Böse Weiber, 9. Dialog; Vicecomes, Opusculum lamiarum, cap. „Utrum lamiae . . . ad ludum eant" Molitor, Böse Weiber, 9. Dialog Tostatus, Opera, 9. Bd., q.l, c.IV, q.49, S. 399 unter C; anders in gewisser Weise Arles, De superstitionibus, S. 11 ff.: Dämonen können Beischlaf eizwingen.

Das Verhältnis Teufel-Hexe/Zauberer

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Riten bedient; die Ausdrücke tacite und implicite werden in diesem Fall zum Teil gleichbedeutend verwendet 12 0 . Die invocatio wird angesehen als eine Art Vertragsangebot des Anrufenden, das der Teufel entweder annehmen kann oder muß; die invocatio führt in diesem Fall zu einem pactum, wobei das Eingreifen des Teufels die „Vertragsannahme" bedeutet. Andererseits wird aber auch die invocatio schon als „Vertragsannahme" angesehen, kommt also das pactum bereits mit der invocatio zustand e 1 2 1 . Im Regelfall führt die invocatio daher zum pactum cum daemone. Dieses durch die invocatio zustandegekommene pactum unterscheidet sich jedoch von dem unter 1) behandelten pactum, bei dessen Abschluß sich Teufel und Mensch gegenüberstehen, insofern, als bei letzterem eine ausdrückliche Verleugnung des christlichen Glaubens vorliegt („expressa professio diabolica"), während dies bei ersterem nicht der Fall ist („tacita professio diabolica") 122 ; auch das durch die invocatio zustandegekommene pactum fuhrt aber zu einer gewissen amicitia und familiaritas 12 3 . Etwas abweichend davon ist die Darstellung bei Trithemius 12 4 , der die Entwicklung eines derartigen Freundschafts- und Vertrauensverhältnisses schildert. Es entsteht dadurch, daß die Maleficae aufgrund ihres eigenen freien Willens immer boshafter und dadurch den Teufeln immer ähnlicher werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß auch bei den Teufeln Unterschiede bestehen: so sind etwa die Teufel, die von der Erde entfernt wohnen, von subtilerer Natur als die groben Teufel, die in der Erde wohnen. Aufgrund dieses Vertrauensverhältnisses glauben die Maleficae, Gewalt über die Teufel zu haben, während diese in Wirklichkeit ihren „Befehlen" nur gehorchen, um sie zu veranlassen, in ihrer Bosheit zu verharren. Das Verhältnis Teufel-Malefica ist also genau konträr zur Vorstellung der Maleflca: die homines mali befehlen den Dämonen, ihre Bosheit macht sie diesen ähnlich, die Ähnlichkeit macht sie zu Vertrauten (familiares) und diese Vertrautheit macht sie zu Dienern des Teufels (proprii et subiecti). Im

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Wohl deshalb weil mit der implicite-Anrufung regelmäßig eine tacite-Anrufung verbunden sein wird; umgekehrt ist dies aber nicht notwendig. Arles, De superstitionibus, Nr. 67 ff.; Spina, In Ponzinibium, apol.4, spricht von einem pactum „ex hoc facto" Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Anrufende Wahrsagerin, Schwarzkünstlerin oder Zauberin bleibt und nicht zur Hexe wird; zur Abgrenzung von Zauberern und Hexen ist dieser Unterschied nicht geeignet, weil bei den Darstellungen jeweils nur vom „pactum cum daemone" ohne nähere Differenzierung gesprochen wird. Grillandis, De sortilegiis, q.10, nr.3 ff. Trithemius, De maleficis, S. 452 ff.

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Der Hexenglaube im einzelnen

Lauf dieser Entwicklung wird explicite oder implicite 125 ein Vertrag geschlossen, dessen Besonderheit darin liegt, daß sich die Maleficae dem Teufel überlegen fühlen. (Freilich ist daneben auch reale Macht über die Teufel denkbar, wie sie etwa die Exorcisten besitzen und wie sie in Matthäus 10,1 zum Ausdruck kommt: „Er (Christus) rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Gewalt, die unreinen Geister auszutreiben . . .") 1 2 6 . 3) Zauberei ohne Hilfe des Teufels Daneben gibt es auch einen Bereich, in dem durch Zauberei Ursachen hervorgebracht werden können, ohne die Hilfe des Teufels in Anspruch nehmen zu müssen 127 . Dodo 1 2 8 nennt diesen Bereich den der „effectus naturales" im Rahmen der ars magica; insbesondere zählt er dazu die Kunst des Wettermachens. Nach anderen Autoren liegt dieser Bereich nicht fest, sondern hängt ab vom jeweiligen Können und Wissen der Zauberer bzw. Wahrsager12 7 . Selten - so Trithemius 12 9 — ist es dagegen möglich, den Teufel durch entsprechende Zeremonien, von denen man von irgendwoher Kenntnis hat, zur Hilfe zu veranlassen, ohne ein pactum mit ihm geschlossen zu haben oder zu schließen; erforderlich für die Hilfeleistung des Teufels ist neben der Anrufung nämlich zusätzlich, daß der Anrufende zu den „familiares" der Dämonen zählt130.131.

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Ob dieser implicite-Vertragsabschluß bereits beim ersten „Befehl" erfolgt, wird nicht gesagt (vgl. dazu Trith. unter 3). Klar ist auch nicht, ob die „homines mali" erst durch diesen Vertrag zu Maleficae werden. - Der Ausdruck „homines mali" wohl als Wortspiel zu dem folgenden „malivolentia" (hier übersetzt mit „Bosheit").

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Der Zwang des Teufels, auf eine invocatio hin zu erscheinen, wird auch von anderen Autoren erwähnt, doch fehlen dazu nähere Ausführungen, so daß dieser Zwang sich auch aus einem bereits vorliegenden Vertragsverhältnis ergeben kann; vgl. etwa Grillandis, De sortilegiis, q.3, nr.15. Lutzenburgus, Catalogus, lib.2; Castro, De punitione haeret., lib.l, c.13; Institoris, Malleus malef., p.3, q.introd. (die „divinatores artificiales), vgl. oben unter „sortilegi", A II 4. - Im späteren Verlauf der Hexenprozesse spielt Zauberei ohne Hilfe des Teufels eine viel größere Rolle; vgl. etwa die Auslegung des Art. 109 PGO (3 B I 5 a) Dodo, Apologia, cap. „quarta conclusio" in „circa secundum principale"

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Trithemius, De maleficis, S. 468

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Was aber auch allein aufgrund der bisherigen Taten der Fall sein könnte; vgl. die Ausführungen d. Trith. oben unter 2)

Das Verhältnis Teufel-Hexe/Zauberer 131

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Uber die Herkunft der im Hexenglauben enthaltenen Vorstellungen vgl. insbes. Hansen, Zauberwahn. - Merzbacher zufolge (in: Lex. f. Theologie u. Kirche, hrsg. v. J. Höfer/K. Rahner, 5. Bd., Freibuig 1960; Stichwort „Hexenprozeß", „Hexe") „reichen die Wurzeln des Hexenwahnes in die antike und germanische Mythologie zurück", zum Alp- und Vampirglauben. Im Mittelalter habe sich germanischer und orientalischer Hexenglaube verbunden. Nach der Darstellung im Gr. Brockhaus (Wiesbaden 1954, Stichwort „Hexe") wird die germanische Vorstellung, „die sich aus der Frage nach der Ursache von Unglück und Schädigung ergibt", im Mittelalter unter dem Einfluß der Kirche „von Vorstellungen wie Teufelspakt, Hexensekte und Buhlschaft überlagert, die teils an antike, teils an orientalische Vorstellungen anknüpfen". E. Stjglmayr (in: D. Religion in Gesch. u. Gegenwart, HWB f. Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v. K.Galling, 3. Aufl., Tübingen 1959; 3. Bd., Stichwort „Hexe" II) weist insbesondere hin auf Pakt und Buhlschaft mit dem Teufel und Flug durch die Luft und gelangt zu dem Ergebnis: „Religionsgeschichtlich gesehen läßt sich daher mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß sich der Begriff Hexe in erster Linie aus den Vorstellungen über den Schamanismus entwickelt hat. Dazu kommt die Uberlagerung durch das Christentum. Die alten heidnischen Vorstellungen werden mit dem Prinzip des Bösen verbunden; dadurch erklärt sich die enge Verbindung der Hexe mit dem Teufel." Für den heutigen „Hexenglauben" in Afrika und die Behandlung der Hexen dort vgl.: Lucy P. Mair, Magie im schwarzen Erdteil („Witchcraft"), dt. v. H. MiklikStampa/E. Rößler, München 1969 (in d. Reihe „Kindlers Universitätsbibl."). Über heutiges „Hexenwesen" in England (wobei „Hexe" anders verstanden wird als hier dargelegt): Gerald B. Gardner, Ursprung und Wirklichkeit der Hexen („Witchcraft Today"), dt. v. U.v. Mangoldt, Weilheim 1965; der Verfasser gibt an, selbst einer Hexengemeinschaft anzugehören. Für den heutigen „Hexenglauben" in Deutschland: Eberhard Wagner, Der Hexenglaube in Franken heute (Problematik u. Ergebnisse einer Umfrage), in: Jahrbuch f. fränkische Landesforschung 30; 1970; (mit weit. Hinweisen).

2. Teil: Kompetenzregelungen A) DIE ZUSTÄNDIGKEIT DER INQUISITOREN Ein Blick auf die Stellung der hier behandelten Autoren 1 zeigt, daß es sich zum Großteil um Theologen handelt; auch die Zahl der Inquisitoren ist nicht gering (Hochstraten, Albertinus, Como, Institoris, Sprenger, Jacquerius, Prierias). Dieser Umstand erklärt sich aus der Entwicklung der Hexenprozesse aus den Ketzerprozessen2. Aus dieser Entwicklung erklärt sich auch die Tatsache, daß den Zuständigkeitsregelungen, insbesondere im Hinblick auf die Zuständigkeit der Inquisitoren, soviel Aufmerksamkeit gewidmet wird, und zwar sowohl der Zuständigkeit der Inquisitoren gegenüber den weltlichen, als auch der Zuständigkeit innerhalb der geistlichen Gerichte, der Abgrenzung also zwischen dem Jurisdiktionsbereich des Bischofs und dem des Inquisitors. Die Verfolgung ketzerischen Verhaltens ist 1231/1232 von Papst Gregor IX. auf die Dominikaner und Franziskaner übertragen worden; diese sehen sich infolgedessen als die Beschützer der Christenheit. Der heilige Dominikus wird gezeichnet als ein bellender Hund mit einer brennenden Fackel im Maul, weil er bis in die Gegenwart — so Institoris, der selbst Dominikaner und Inquisitor ist 3 — die ketzerischen Wölfe von der Herde Christi zurückscheucht. Der Inquisitor ist der Gärtner, der den Acker Christi pflegt. Er soll weise und erfahren sein und sowohl in der Theologie als auch in der Jurisprudenz durch seine Kenntnisse hervorstechen und er soll die Dekrete kennen, die sich auf das Vorgehen gegen Ketzer und deren Bestrafung beziehen. Bei der Ausübung seines Amtes schließlich muß er tapfer sein wie Samson, der den Löwen tötete und wie Elias, der die Propheten Baals töten ließ (3 Könige 18, 21 ff.) 4 . Den Inquisitoren ist aufgetragen die Verfolgung ketzerischen Verhaltens. Ihre Zuständigkeit für Hexen und Zauberer kann daher nur begründet werden, wenn diese ketzerische Eigenschaft oder Qualität besitzen. Zur Zuständigkeit der Inquisitoren kann man daher auf drei Wegen gelangen: 1 2 3 4

S. Quellenverz. Dazu Hansen, Zauberwahn, cap. 3 ff.; zur Entwicklung dei Ketzer- und Hexenprozesse s.a. Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 398 ff. Institoris, Malleus malef., p.l, q.l Lutzenbuigus, Catalogus haeret., lib.l, c.16. - Nettesheim, De incertitudine scientiaium, c.96 spricht von den Inquisitoren als „isti sanguisitibundi vultures", die sich fortwährend Zuständigkeiten außerhalb ihrer Jurisdiktionsgewalt anmaßten und durch Geldgier auszeichneten; Nettesheim hatte 1519 in Metz eine als Hexe angeklagte Frau erfolgreich gegen einen Inquisitor verteidigt.

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Die Zuständigkeit der Inquisitoren

man kann ein den Hexen und Zauberern eigenes Verhalten von vornherein als ketzerisch qualifizieren oder einem ketzerischen Verhalten gleichstellen (unten I); oder man kann deren Verhalten als ketzereiverdächtig betrachten und aufgrund dieses Verdachtes gegen sie einschreiten (unten II) 5 ; daneben besteht auch die Möglichkeit, bei der Zuständigkeit der Inquisitoren auf ihre Jurisdiktionsgewalt erweiternde päpstliche Erlasse abzustellen, so daß die Frage der Ketzerei in den Hintergrund gerückt werden kann (unten III).

I) Hexerei/Zauberei als Ketzerei und Apostasie Hexerei/Zauberei als Ketzerei6 Unter Hinweis auf den Pakt mit dem Teufel und — bei Hexen — die Teilnahme am Sabbat wird vom Großteil der Autoren lapidar festgestellt, es handele sich bei Zauberern und Hexen um Ketzer und die Zuständigkeit der Inquisitoren, bzw. der geistlichen Gerichte überhaupt, sei gegeben. Bei Tengler7 etwa heißt es: „Von kätzerey / warsagen / schwartzer kunst / zauberey / unholden / etc. — Wer mit den Übeln und missethaten / in diesem Titel ermeldet / würt begriffen / der verschuldt sich vorderst wider Göttlich und Christenliche gesatz." Und später: „Dieweil dann der unholden / und ander vorberürten kätzer missethaten / wider den Christlichen glauben sind / so werden sie nit unbillich durch die Geystlichen richter gerechtvertigt..." Genauere Darstellungen erfolgen dann, wenn die Zuständigkeit der Inquisitoren und der geistlichen Richter mit im Mittelpunkt des Werkes steht. Dabei wird dann ausgeführt: Um Häresie bejahen zu können, müssen vier Voraussetzungen vorliegen: es muß ein error in intellectu vorhanden sein; dieser Irrtum muß sich auf den Glauben beziehen, auf eine Glaubensdefinition der Kirche oder auf die Art und Weise, wie man zu leben hat, um in das Paradies gelangen zu können; der Irrende

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Im jetzigen kanonischen Recht ist nach Motzenbäcker, Die Rechtsvermutung, S. 485, bei Zauberei Häresieverdacht denkbar; es besteht dabei aber „kein Befehl, Häresie zu vermuten. Der Verdacht ist vielmehr dem klugen Ermessen Uberlassen. Dies setzt eine Prüfung der Glaubenshaltung voraus" (während in Fällen des gesetzlichen Häresieverdachtes, wozu Zauberei nicht zählt, der Oberhirt den Betreffenden ohne weitere Nachforschung über die Glaubenshaltung auffordern kann, den Verdacht zu beseitigen).

6

Im folgenden Behandlung der „normalen" Hexe; zum Sonderfall der nur geträumten Hexenwerke vgl. 3 B I 2 a, b Tengler, Leyenspiegel, S. 1047105

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Hexerei/Zauberei als Ketzerei und Apostasie

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muß getauft sein und der Irrtum muß hartnäckig (pertinaciter) aufrechterhalten werden 8 . Institoris9 nennt eine weitere Voraussetzung: der Irrtum muß sich auf eine Wahrheit bezüglich der Göttlichkeit oder Menschlichkeit Christi beziehen; ansonsten liegt nicht Ketzerei vor, sondern Apostasie. Schwierigkeiten bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ergeben sich in zwei Punkten: bei der Hartnäckigkeit und beim error in intellectu. a) Die Hartnäckigkeit Sie wird, soweit auf sie überhaupt eingegangen wird, bejaht, ohne auf den Einzelfall abzustellen: sie ergibt sich aus den Aussagen der Hexen, aus ihrer Bereitschaft, dem Teufel zu dienen und aus dem Vorsatz, wieder an einem Sabbat teilzunehmen 10 . Bernhard von Como 11 unterscheidet zwar zwischen dem hereticus large (der, der sich im Glauben irrt) und dem hereticus stricte (der, der sich hartnäckig irrt); im weiteren Verlauf seiner Darstellung spricht er dann aber nur noch vom „hereticus", auch wenn das Merkmal der Hartnäckigkeit fehlt (das damit praktisch entfällt). (Dieses Begriffspaar findet sich auch bei Grillandis12 : hereticus large ist jeder, der die der Kirche von Gott und den Päpsten verliehenen Privilegien angreift; unter den Begriff des hereticus stricte (= proprie) fällt jeder Glaubensirrtum, wobei hartnäckiger Zweifel genügt. Bei Institoris 13 ist hereticus large der, der aufgrund einer praesumptio iuris als Ketzer anzusehen ist, wobei ein error in intellectu nicht vorzuliegen braucht; hereticus proprie ist der, bei dem wirklich ein error in intellectu vorliegt). Generell als nicht gegeben angesehen wird das Merkmal der Hartnäckigkeit von dem die Realität des Hexenwesens verneinenden Arzt Weier 14 ; Hartnäckigkeit 8 9 10 11 12

13 14

Como, Lucerna, „Haeresis", § 47 Institoris, Malleus malef., p.3, q. introductoria Vicecomes, Opusculum lamiarum cap. „An strie sint velud heretice iudicande" Como, Lucerna, „Errans in fide" Grillandis, De haereticis, q.2, nr. 1 ff.; als Verfasser der im Quellenverz. angeführten Werke des Grill, sind in (Tr) angegeben: bei 1): Pauli Chirlandi Castellionis; bei 2): Pauli Girlandi; hier wird der Schreibweise bei Hansen, Quellen, S. 337, gefolgt; die beiden Traktate sind dort zusammengefaßt; aus Widmung und Gliederung ergibt sich jedoch, daß sie sich entsprechen. Institoris, Malleus malef., p.3, q. introductoria Weier, De praestigiis daemonum, lib.6, cap.8; genauer dazu in 3 B I 2 b bb (im Rahmen der Auseinandersetzung Weiers mit einer strafbarkeitsbegründenden Konstruktion Molitors)

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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liegt ihm zufolge erst dann vor, wenn der Irrende belehrt 15 worden ist — auch Eva müßte sonst als Ketzerin angesehen werden. Sind die „alten Weiblein" aber erst belehrt worden, so hängen sie ihrem Irrtum nicht weiter an und können deshalb nicht als hartnäckig bezeichnet werden. Ähnlich heißt es im Repertorium16 bei der Definition des „Haereticus" — allerdings ohne jeglichen Hinweis auf Hexen oder Zauberer —: „ . . . errans per simplicitatem nullo modo potest dici haereticus . . . nam qui per simplicitatem errat, non pertinaciter credit" 17 . b) Der error in intellectu Größere Schwierigkeiten als bei der Hartnäckigkeit ergeben sich für die Autoren bei der Voraussetzung des error in intellectu. Nach Institoris kann eine Hexe auch im Glauben irren; es muß dies aber nicht der Fall sein. Ein Irrtum liegt nicht vor, wenn eine Person einen Vertrag mit dem Teufel um weltlicher Vorteile willen abschließt, sich dabei aber über die Macht des Teufels, die Macht Gottes oder andere Glaubensaussagen völlig im klaren ist 18 . Allgemein aber wird das Problem darin gesehen, daß die Hexen, da sie nicht (nur) durch einen Irrtum verführt werden, sondern dem Glauben völlig entsagen, als Apostaten anzusehen sind (Bartholomäus de Spina19 kommt zu diesem Ergebnis aufgrund eines Vergleiches mit den Frauen des Canon Episcopi — Decr. Gratiani, sec. pars, 26; 5; 12 —, die vom Teufel auf ähnliche Weise wie die Hexen getäuscht werden und im Canon als „infideles" bezeichnet werden).

15 16 17

Zum Erfordernis der Belehrung vgl. Castro lib.l, c.9/10 Repertorium, „Haereticus" Von diesem Grundsatz könnte bei Hexen und Zauberern aber, ebenso wie vom Erfordernis der Ermahnung und Belehrung, abgegangen werden mit dem Argument, das Verhältnis Teufel-Gott sei jedem bekannt, ein Irrtum, auch „per simplicitatem", deshalb nicht möglich und eine Belehrung nicht erforderlich. Diese Argumentation wird aber, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich gebraucht. Vgl. aber die Begründung des Jacquerius zur Todesstrafe für reumütige Hexen (3 B II 1). Vgl. auch Albertinus, De assertionibus cath., der ausführt (q.30, nr.30 ff.): „Haereticus pertinax est negans ea que publice praedicantur in Ecclesia, puta, quod Christus non fuit crucifixus". Das Gott-Teufel-Verhältnis wird ebenfalls darunter zu zählen sein. Vgl. auch Albertinus (q.30, nr.34): „Rusticus" (s. „per simplicitatem") „non excusatur in iis quae publice praedicantur in Ecclesia".

18

Institoris, Malleus malef., p.3, q. introductoria; Folgerungen des Inst, unter 2 AIV. Prierias, De mirandis strigimagarum, löst dieses Problem, indem er insoweit nicht spricht von „heretici proprie", sondern - aufgrund der von den Hexen vorgenommenen Handlungen - von „heretici praesumptive" (lib.3, c.l, pct.4; vgl. seine Ausführungen zur Zuständigkeitstheorie des Institoris), 2 AIV (VI)

19

Spina, De strigibus, c.29

Hexerei- und Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste"

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Das Problem der Apostasie wird auf drei Arten gelöst: aa) Man nimmt an, im Begriff des vom Glauben abgefallenen Apostaten sei der Begriff des Ketzers enthalten 20 . Apostasie ist keine species diversa zur Häresie, sondern eine Art Häresie, bei der nur ein erschwerender Umstand hinzugefügt ist 2 1 . Bei Grillandis2 2 wird die Frage der Apostasie mit der Frage der Hartnäckigkeit vermischt: zwar können die Hexen eigentlich nicht als „hereticae strictae" bezeichnet werden, vielmehr handelt es sich eher um „apostatae perfidiae"; bei längerem hartnäckigen Verharren in der Apostasie geht diese aber in Häresie über, so daß danach alle Häretiker als Apostaten anzusehen sind, bb) Die zweite Möglichkeit besteht darin, Apostasie zwar von der Ketzerei zu trennen, für Apostasie aber die Grundsätze der Häresie anzuwenden; das heißt, gegen Apostaten nach den Regeln des Ketzerverfahrens vorzugehen2 3 . Da die Sünden der Apostaten aber schwerer sind als die der Hexen, müssen sie, sofern dies noch möglich ist, schwerer bestraft werden 24 . cc) Schließlich kann von der Apostasie ausgegangen und diese als Anzeichen für das Vorliegen von Häresie gewertet werden im Rahmen der Formel des „sapere heresim manifeste"; Apostasie kann also Ketzereiverdacht begründen. Vgl. dazu unter II).

II) Hexerei- und Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste" Die Zuständigkeit der Inquisitoren kann sich auch daraus ergeben, daß man zwar dahingestellt sein läßt, ob es sich bei Hexen und Zauberern in allen Fällen um Häretiker handelt, daß man deren Taten aber als ketzereiverdächtig einstuft und die Eingriffsmöglichkeit der Inquisitoren aufgrund dieses Verdachtes als gegeben ansieht. 1) Die Formel „heresim sapere manifeste" Konkret ausgesprochen wird die Eingriffsmöglichkeit aufgrund eines Verdachtes in einem Erlaß Papst Alexanders IV. vom 13.12.1258 an die in Italien tätigen 20 21

22 23 24

Como, Lucerna, „Apostata"; Brunus, De haereticis, lib.l, c.2, nr.24 Spina, De strigibus, cap.3; Repertorium, S. 5 3 und 55; (der Verfasser des Repertorium ist unbekannt; er war Inquisitor; sein Werk ließ er durch den Juristen Michael Albert in Valencia revidieren; vgl. Hansen, Quellen, S. 246 Grillandis, De sortilegiis, q.7, nr.35; De haereticis, qu.2, nr.2 ff. Vicecomes, Opusculum lamiarum, cap. „An strie sint velud heretice iudicande"; Repertorium, „Poena", S. 598 Albertinus, De assertionibus cath., q.2, nr.3

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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Inquisitoren des Dominikaner- und Franziskanerordens2 5 . Auf eine Anfrage dieser Inquisitoren hin wird bestimmt, daß sie sich mit der Verfolgung von sortilegi und divinatores nur dann zu befassen hätten, wenn deren Vergehen „manifeste heresim saperent". Von Bonifaz VIII. wird diese Bulle in die Sammlung der päpstlichen Dekrete aufgenommen (in sexto, 5,2,8;hier § 4 2 6 ) . Dies ist wohl auch der Grund dafür, daß die Autoren von dieser Formel ausgehen, obwohl die darin zum Ausdruck kommende Einschränkung von Papst Nikolaus V. ausdrücklich aufgehoben wird; in einer Bulle vom 1.8.1451 an den Generalinquisitor von Frankreich wird dieser unter anderem ermächtigt, gegen divinatores vorzugehen „etiam si heresim non sapiunt manifeste" 2 7 . Die Formel des heresim sapere manifeste, die sich in der Bulle nur auf sortilegi und divinatores bezieht, wird in der Literatur allgemein gebraucht, also auch auf Hexen und Zauberer bezogen. Geht man von einem Oberbegriff „sortilegus" aus 2 8 , so ergibt sich diese Möglichkeit schon daraus; bei Autoren, die diesen Oberbegriff nicht vertreten, erfolgt diese Ausdehnung ohne Begründung2 9 . 2) Verständnis der Formel Liegen die Voraussetzungen der Formel des heresim sapere manifeste vor, so wird vom Großteil der Autoren nicht von einem Ketzereiverdacht, sondern von vollendeter Ketzerei ausgegangen oder aber von einer „heresis presumptive" gesprochen, die der bewiesenen Ketzerei gleichzustellen ist 3 0 . Diese Gleichstellung führt nicht nur zu Auswirkungen für das Beweisverfahren und damit für Strafmaß und Straftat in den einzelnen Fällen, sondern sie trifft inkludent auch eine zweifache Regelung bezüglich der Zuständigkeit: während es 25 26

27

28 29

30

Insoweit gedr. b. Hansen, Quellen, S.l „Sane, quum negotium fidei (quod summe privilegiatum exsistit), per occupationes alias non debeat impediri: pestis inquisitoris haereticae, a sede apostolica deputati, de divinationibus aut sortilegiis, nisi haeresim saperent manifeste, intromittere se non debent, nec punire talia exercentes, sed eos relinquere suis iudicibus puniendos." Insoweit gedruckt bei Hansen, Quellen, S. 19; ein etwas zweideutiger Text in einer Bulle Alexanders V. vom 30.8.1409 an den Inquisitor von Avignon (Hansen, Quellen, S. 16 f.), in der dieser angewiesen wird, gegen sortilegi, divini, daemonum invocatores etc. vorzugehen „una cum dioecesanis locorum ordinariis et alias, prout de iure fieri consuevit . . . usque ad definitivam sententiam inclusive". - Das „consuevit" kann sich auch auf die hier behandelte Formel beziehen. - Zum Verhältnis Bischof-Inquisitor s. 2 B I S.o. „Sortilegi" (1 A l l 4) Mit Ausnahme des Institoris, vgl. unter IV. Jedoch sind bei diesen Autoren, woraus man eine Begründung ableiten könnte, sortilegi und alle anderen Arten von Zauberei/Hexerei einem gemeinsamen Oberbegriff untergeordnet („superstitiosi"); Spina, De strigibus, S.22; Prierias, De mirandis strigimagarum, c.l, pct.4 Vgl. Grillandis, De sortilegiis, q.10, nr.18 ff.; Prierias, a.a.O., lib.3, c.l, pct.4; zur Auslegung bei Institoris s. unter IV

Hexerei- und Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste"

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sich bisher bei den „sortilegi" und „divinatores" nur um einen Streit im Hinblick auf die Zuständigkeit innerhalb der geistlichen Behörden handelte (Bischof-Inquisitor) und die daneben stehende Zuständigkeit der weltlichen Gerichte bejaht wurde, wird nunmehr die Kompetenz der Inquisitoren für diese Fälle bejaht und zugleich durch die Gleichstellung mit Ketzerei — und ausgehend von der alleinigen Zuständigkeit der geistlichen Behörden bei Ketzerei — die Stellung der geistlichen gegenüber der der weltlichen Behörden gestärkt; zumindest gilt dies für die Fälle der Zauberei, bei denen die Voraussetzungen dieser Formel als erfüllt angesehen werden, ein weltlicher Schaden aber nicht entstanden ist (Magie, Wahrsagerei) (vgl. dazu 2 C/D) 3 1 . Bei der Auslegung der Formel ergibt sich ein Streit insofern, als der Begriff „manifeste" (auch) im Sinn von „notorie" verstanden und damit das Erfordernis aufgestellt wird, das betreffende Verhalten müsse in der Öffentlichkeit bekannt sein; zumindest müßten diesbezüglich Zweifel bestehen. Sind die betreffenden Handlungen nicht bekannt geworden (occulte), so liegen die Voraussetzungen der Formel nicht vor 32 (und ist - im geistlichen Bereich — nicht der Inquisitor, sondern der Bischof zuständig). Überwiegend wird dieses Verständnis der Formel abgelehnt: „manifeste" ist als Adverb anzusehen, das sich nicht auf die betreffende Tat bezieht, sondern auf das „sapere". Der Text spricht nicht von „sortilegis manifestis heresim sapientibus", sondern von „sortilegis heresim sapientibus manifeste" 3 3 . 3) Einzelfälle; das Gutachten des Oldradus da Ponte Für die Frage, welche Handlungen im einzelnen die Voraussetzungen der Formel erfüllen, bildet den Ausgangspunkt fast aller Erörterungen ein Gutachten des Oldradus da Ponte, eines berühmten, in Padua und Bologna tätigen Juristen, der eine wegen ketzerischer Zauberei Angeklagte vor von Papst Johannes XXII. bestellten Richtern (einem Erzbischof und einem Bischof) verteidigte. Die 31

Diese Gleichstellung spricht auch gegen die Ansicht Henners, der 306 ff. (Beiträge zur Organisation d. Ketzerger.) ausführt: „Durch die Bulle Innozenz* VIII. wurde die Hexerei ein eigener Kompetenzgrund für das Einschreiten der Inquisitoren, nicht nur ein Verdachtsgrund für die Ketzerei". Nach der Gleichstellung war „Hexerei" gleich Ketzerei und die Möglichkeit des Einschreitens gegeben, der Bulle bedurfte es also eigentlich nicht. Im übrigen wird nicht abgestellt auf die „Hexerei", sondern auf bestimmte Handlungen oder allgemein auf die in der Hexerei enthaltene Ketzerei oder Apostasie. Vgl. auch unter 2 A III: Allgemeinverbindlichkeit dieser Bulle?

32

Repertorium, „Sap.her.man." S. 420, „divinatores" S. 268; Carerius, De haereticis, nr. 24 („manifeste et notorie"); Socinus (zit. b. Hansen, Quellen, S. 214) spricht von „sortilegia sapiunt heresim manifest am".

33

Prierias, De mirandis strig., lib.3, c.l, pct.2 a.E.; Albertinus, De assertionibus cath., q.23, nr.68

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Die Zuständigkeit der Inquisitoren

Abhandlung des Oldradus, auf die sich die Erörterungen der Autoren stützen, stammt etwa aus den Jahren 1323—1327 und trägt den Titel: „An de heresi ex suspitione vehementi quis condempnetur; quis sit heresis et an sortilegia vel dare pocula amatoria sint heretica" 3 4 . Oldradus vertritt die Ansicht, „sortilegia simplicia", Liebeszauber und die Einnahme ungeweihter Hostien würden nicht heresim sapiunt manifeste. Seiner Ansicht nach ergibt sich dies aus folgendem: aus der Tatsache, daß der Titel „De sortilegiis" (X, 5, 21) an anderer Stelle untergebracht ist als c. Accusatus, § sane des Titels „De haereticis" (in sexto, 5, 2, 8, § 4), in dem von dieser Formel die Rede ist; (ohne nähere Erläuterung) aus X, 3, 41, 7; (Inhalt: „Gravius peccat qui simulat conficere, et non conficit, quam ille, qui conficit inmortali (crimine"); und aus ff. de penis 1. si quis aliquid äbortiviis (D 48,19, Nr. 38, § 5 (? ): Wer einen Liebestrank reicht, wird wegen des bösen dadurch gegebenen Beispieles bestraft, auch wenn er dies nicht aus Arglist getan hat). Zudem scheint Abbilder zu verfertigen, um die Liebe einer Frau zu erwecken, mehr ein Fall von Aberglauben als von Häresie zu sein; für diese Ansicht spricht folgendes: die Handlungen müssen unterschieden werden: werden die Dämonen angerufen und von ihnen Aussagen über die Zukunft erwartet, so liegen hier die Voraussetzungen der Formel vor, weil der Schöpfung (den Dämonen) zuerkannt wird, was nur dem Schöpfer eigen ist (Isaias 41, 21—23: Kündet, was in der Zukunft kommt, auf daß wir merken, daß ihr Götter seid!"); werden die Dämonen aber angerufen zur Verfuhrung einer Frau, so erfüllt solches Tun, wenn es auch als Todsünde anzusehen ist, nicht die Voraussetzungen der Formel, weil vom Teufel etwas verlangt wird, was ihm eigen ist, nämlich jemand in Versuchung zu bringen; (Matthäus 4, (7): „Jesu sprach zu ihm (dem Teufel): . . . Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen"; es ist dies jedoch nicht auf Liebe oder Keuschheit bezogen). Jedoch gilt dies nur, wenn die Anrufung „per modum imperii" durchgeführt wird 3 S ; erfolgt sie „per modum adorationis", so ist der Anrufende ein Häretiker „vel heresim sapit manifeste" 3 6 . Diese Argumentation des Oldradus wird angegriffen insbesondere von Bartholomäus de Spina: „Unum Oltradi apud quosdam Juristas famosum dictum de Lamiis reprobatur" 3 7 . Er fuhrt aus: Die Argumentation des Oldradus wider34 35

Abgedr. b. Hansen, Quellen, S. 55 ff. Die Möglichkeit einer derartigen Anrufung wird bezweifelt unter Hinweis auf Job 41, (25): keine Macht auf Erden ist der des Teufels vergleichbar.

36 37

Es folgen weitere Ausführungen des Oldradus zum konkreten Fall. Spina, In Ponzinibium, apologia 4

Hexerei- und Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste"

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spricht den Regeln der Logik, weil sie einen Schluß a particulari ad universalem negativi enthält. Es ist zwar richtig, daß eine invocatio daemonum in der von Oldradus geschilderten Art keine Ketzerei enthält in der Form, daß dem Teufel zuerkannt wird, was allein Gottes ist. Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, daß diese invocatio eine Ketzerei in anderer Form enthält. Allerdings ist nicht erstaunlich, daß Oldradus das nicht berücksichtigt, ist er doch ein schlichter Jurist (purus Jurista), der nach eigenem Bekenntnis keine gründlichen Kenntnisse von den Unterschieden der einzelnen Arten der Häresie hat und der deshalb nicht geeignet ist, darüber zu urteilen, welche Tatsachen für das Vorliegen von Häresie sprechen. Es handelt sich hier um eine theologische Frage. Dabei ist festzustellen, daß nach der Lehre der sancti doctores und der sancti theologi jede invocatio „ex hoc sapit heresim manifestam" 3 8 , weil sie immer und unzertrennbar verbunden ist mit einem „pactum infidelis amicitiae cum daemone tacitum vel expressum". Jede invocatio führt daher zur Apostasie, Apostasie aber gehört zum Bereich der Häresie (ad heresim pertinere). Die invocatio beinhaltet nur keine Häresie oder familiaritas „in loquendo praecipue cum arreptitiis, etiam si mala sit"; auch nicht bei jedem Befehl, insbesondere „ex parte Dei", wie etwa bei den Exorzisten. In diesen Fällen liegt aber keine ,.invocatio" im hier (von Oldradus) verwendeten Sinn vor, die begriffsnotwendig Unterwürfigkeit verlangt. Niemand verneint auch, daß gottlose Bitten Götzenbildern gegenüber die Voraussetzungen der Formel erfüllen, auch wenn der Bittende angibt, er habe dies nur getan, um vom Teufel etwas zu erreichen, was diesem von Natur aus möglich sei. Er kann die Erfüllung seiner Bitte aber nur erreichen, wenn er mit dem Teufel ein pactum tacitum oder expressum geschlossen hat: dieses pactum ist deshalb „ex hoc facto" als zustandegekommen anzusehen. Was für die Anrufung der Götzenbilder gilt, gilt aber erst recht für die unmittelbare Anrufung der Dämonen. Das notwendige pactum allein also führt schon zur Bejahung der Ketzerei, ohne daß es einer Prüfung der Art der invocatio bedarf. Dazu kommt, daß jede invocatio mit einer adoratio verbunden ist. Dies folgt daraus, daß eine invocatio nur Gott gegenüber vorgenommen werden darf 3 9 und deshalb nur in Form der adoratio vorgenommen werden kann 4 0 ; eine invocatio im Befehlston gibt es nicht. Der Ansicht des Oldradus kann daher nicht gefolgt werden, seine Darstellung kann vor den Augen der Gelehrten nicht standhalten. Zu einem dem Gutachten des Oldradus widersprechenden Ergebnis kommt auch Grillandis41 durch eine der des Prierias ähnlichen Argumentation: zwar ist eine 38

Nicht „manifeste"; so allerdings wieder an anderen Stellen.

39 40

Z.B. 1 Könige 18, 24 ff.; Richter 10, 6 ff. Die Definition der „invocatio" verbietet also die Möglichkeit der Trennung in „per modum imperii" und „per modum adorationis".

41

Grillandis, De sortilegiis, q.10, nr.5

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Unterscheidung danach möglich, ob Werke erfleht werden, die in der (natürlichen) Macht des Teufels liegen, oder ob Werke erfleht werden, die allein Gott bewirken kann, wie Lebewesen zu erschaffen oder in die Zukunft zu schauen. Es kann aber nicht nur auf die Werke abgestellt werden. Zu beachten ist, daß es zwei Möglichkeiten gibt, um vom Teufel Hilfe zu erlangen: entweder durch eine professio diabolica expressa (Ableugnung des christlichen Glaubens und neuerliche Taufe im Namen des Teufels), bei der die Voraussetzungen der Formel immer gegeben sind; oder durch eine professio diabolica tacita (keine völlige Ableugnung, keine ausdrückliche Verehrung des Teufels), bei der nach den Grundsätzen des Oldradus vorzugehen ist. Bezüglich des Sakramentenmißbrauches führt Grillandis dann aus4 2 : Liebeszauber mit Hilfe einer geweihten Hostie scheint die Voraussetzungen der Formel nicht zu erfüllen, weil mit Hilfe eines Sakramentes, also der Macht Gottes, die allein der göttlichen Macht und Kenntnis unterliegenden Geheimnisse der Herzen der Menschen erforscht werden sollen. Aus dem (oben 2 A II 1 zit.) c. Accusatus, § sane, ergibt sich jedoch das Gegenteil. Abzustellen ist nicht auf die Wirkung allein, sondern auf den ganzen Vorgang. Dabei ist zu bedenken, daß die Verwegenheit (temeritas) des Christen, der die Sakramente zu solchen Dingen mißbraucht, doch sehr groß ist. Eigentlich wird hier auch nicht die Hilfe des Sakramentes oder der Macht Gottes erfleht, sondern die des Teufels. Die Anflehung des Teufels liegt im Mißbrauch der Sakramente, zu dem sich die Anrufenden in ihrem pactum 4 3 verpflichtet haben. Dem steht nicht entgegen, daß die Liebe als solche keine Sünde ist und deshalb auch nicht den Verdacht der Häresie erweckt. Denn dies gilt nicht für die irdischen „dilectiones carnis" im Hinblick auf deren Ziel, den Geschlechtsverkehr. Nach Simanca 44 ist die Formel des sapere heresim manifeste so zu verstehen, daß die divinatores nicht in den Zuständigkeitsbereich der Inquisitoren fallen, die zaubern „sola animi levitate", weil es sich dann nicht so sehr um heresis, als vielmehr um phrenesis (Wahnwitz, Irrsinn) handelt. Albertinus4 5 unterscheidet zwischen der „coniuratio daemonis ad bonum" im Namen Jesu Christi, die erlaubt ist 46 , und der „coniuratio daemonis ad malam", bei der für die Frage, ob die Voraussetzungen der Formel erfüllt sind, auf die zugrundeliegende intentio abzustellen ist; wie bei Oldradus also darauf, ob vom Teufel begehrt wird, was allein in der Macht Gottes liegt. 42

Grillandis, De sortilegiis, q.10, nr.8 ff.

43 44 45 46

Das pactum ist hier also Voraussetzung Simanca, De institutionibus cath., tit. 21, ni. 11 ff.; tit. 30 Albertinus, De assertionibus cath., q . l l , nr.7 ff. Exorzismus (Markus 16, 17: „ . . . In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben

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Der Großteil der Autoren folgt jedoch grundsätzlich der Argumentation des Oldradus und stellt darauf ab, ob das Begehrte nur in der Macht Gottes oder auch in der des Teufels liegt. Dabei ergibt sich im einzelnen: Die Voraussetzungen der Formel sind nicht erfüllt bei zulässigem Exorzismus 4 7 und, so die überwiegende Meinung, beim Liebeszauber (in der Form der Reichung oder Mischung einer „pocula amatoria" oder — so der gängige Ausdruck - in Form der Anrufung „ad tentandam pudicitiam mulieris") 4 8 . Dagegen sind die Voraussetzungen erfüllt: bei der Aufdeckung von Verbrechen durch Betrachten des Wassers, von Losstäbchen und ähnlichem 4 9 ; bei der Anrufung zur Verwandlung in andere Geschöpfe (Menschen in Gänse, Katzen u s w . ) 5 0 ; bei der Erforschung der Zukunft und der Geheimnisse der M e n s c h e n 5 1 ; bei der Anrufung in Form eines Götzendienstes, bei Gebrauch geweihter Hostien, bei Durchführung einer Art T a u f e 5 2 . Die Voraussetzungen sind, wie schon im letzten Punkt der Aufzählung angedeutet, immer erfüllt, w e n n die Anrufung „per m o d u m adorationis" geschieht; denn w e n n es schon Ketzerei ist, einen Ketzer zu verehren (vgl. in sexto, 5 , 2 , 8 , § 2), so ist es erst recht Ketzerei, den Teufel zu v e r e h r e n 5 3 . 47 48

Dazu und zur Zulässigkeit des Heilzaubers insgesamt, s. 3G Albertinus, De assertionibus cath., q . l l , nr.2 ff. (der zur Glosse zu § sane, die die Unterscheidung des Oldradus nicht enthält, anmerkt: „non est vera absolute"); Como, Lucerna, „imagines facere" und „daemones invocare"; Socinus (zit. bei Hansen, Quellen, S. 212 ff.) cap.9; Alciatus, De officio, c.l, nr.105; Vignate, De haeresi, qu.15; Repertorium, „daemon" S. 246 und „sapere" S. 420/421; Ponzinibius, De lamiis, nr.82; Brunus, De haereticis, lib.l, c.2, nr.24, der aber von „superstitiosi" spricht; Geminianus, Glosse zu „sacerdotes", in sexto, 5, 2, 8, § 8. Das im Allg.StA aufliegende Zauberbuch enthält mehrere Formeln „De amore"; von einer Anrufung des Teufels ist nicht ausdrücklich die Rede (Wortlaut etwa: Blatt 2: „Item nym ein hawsschwalben zungen und leg die in deine münd und welche fraw oder Junckfraw dir gevelt die küß So gewinnt sy dich an der stat hold". „Nym ein natterpalg do das gifft von sey Und prenn den zu pulver und strew es auff die frawen wo du wild So gewinnt sy dich hold").

49 50 51

Albertinus, De assertionibus cath., q . l l , nr.9; Como, Lucerna, „divinatio" Albertinus, a.a.O., q . l l , nr.6 Castro, De punitione haeret., lib.l, c.13; Simanca, De institutionibus cath., tit.21, nr.12; Albertinus, a.a.O., q . l l , nr.7 ff.; Repertorium „Daemon" S. 246; nach Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.l bei der Erforschung der Vergangenheit (beim Handlesen nur dann, wenn Zukunft vorausgesagt wird, und zwar hier auch dann nicht, wenn sie nur als wahrscheinlich vorausgesagt wird); ähnlich Cajetanus, Summula, S. 28, 312; vgl. auch Brant, Narrenschiff, S. 235; vgl. auch 3 E Socinus a.a.O.; Albertinus a.a.O., q.23, nr.66 ff.; Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.7; Castro a.a.O., lib.l, c.13

52 53

Albertinus a.a.O., q . l l , nr.4

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Die Zuständigkeit der Inquisitoren

Bezüglich der Strafbarkeit der angeführten Verhaltensweisen ergeben sich jedoch noch Bedenken allgemeiner Art. Denn auch Christus, der nichts Unerlaubtes beging (1 Petrus 2,22: „Christus tat keine Sünde und in seinem Munde fand sich kein Trug"), hatte selbst den Teufel befragt (Markus 5, 9: „Und er fragte ihn: Wie heißt du? Und er antwortete ihm: Legion ist mein Name, denn unserer sind viele"). Folglich muß es auch den Menschen erlaubt sein, Unbekanntes vom Teufel zu erfragen. Für die Erforschung der Zukunft wird dabei noch zusätzlich verwiesen auf das Beispiel Sauls, der sich von einer Totenbeschwörerin Samuel herbeirufen läßt, um diesen über den Ausgang des Krieges mit den Philistern zu befragen (1 Samuel 28). Daß derartige Befragungen jedoch nicht erlaubt sind, ergibt sich demgegenüber aus Deuteronomium 18, 10 ff. („Niemand finde sich bei dir, der Wahrsagekünste, Zeichendeuterei, Geheimkünste und Zauberei betreibt, niemand, der Bannungen vornimmt, einen Toten- oder Wahrsagegeist befragt oder Auskunft bei den Toten sucht. Denn ein Greuel für den Herrn ist jeder, der solches tut . . . " ) , auch aus c. Illud, Dekr. Gr., p.2, 26, 2, 6, § 5 („Omnes igitur artes huiusmodi vel nugatoriae vel noxiae supersticionis, ex quadam pestifera societate hominum et daemonum quasi pacta infidelis et dolosae amicitiae constituta, penitus sunt repudiandae et fugiendae Christiano") 54 . 4) Der entscheidende Richter Hand in Hand mit dem Streit darüber, welche Handlungen heresim sapiunt manifeste, geht die Frage, ob der jeweilige Richter entscheiden kann, ob die Voraussetzungen der Formel vorliegen 55 . Simanca 56 führt dazu aus, es sei eine „notissima regula iuris", daß jedesmal, wenn es zweifelhaft sei, ob jemand in einer bestimmten Sache Richter sein könne, diese Frage durch den Richter selbst entschieden werde. Die Entscheidungsbefugnis auch in den hier vorliegenden Streitfragen liege „iure, ratione et usu" bei dem jeweiligen Richter. Ponzinibius5 7 geht ebenfalls von diesem Grundsatz aus, verneint aber dessen Anwendbarkeit bei den Hexenprozessen unter Hinweis auf die Glosse („in dubio 54 55

Vignate, De haeresi, q.7 Darstellung des Streites bis ca. 1450 bei Hansen, Zauberwahn, S. 279 ff., der zu dem Ergebnis kommt, es seien zumeist ohne eigene Stellungnahme die Meinungen anderer aufgezählt worden, was zur Folge gehabt habe, daß tatkräftigen Inquisitoren kein Widerstand entgegengesetzt worden sei.

56

Simanca, De institutionibus cath., t.30, nr.16 ff.; ebenso Repertorium, „sap. her. man." S. 421, wo darauf abgestellt wird, daß es sich nicht um ein „dubium in iure, sed in facto" handele; anders wohl Prierias, s.u. Zur Frage, ob der weltliche Richter die Unzuständigkeit des geistlichen Richters rügen kann: unten C I

57

Ponzinibius, De lamiis. nr.79

Hexerei- und Zaubereiverbrechen als Taten, die „sapiunt heresim manifeste"

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non habet iurisdictionem") zu dem zitierten § sane. Nach Prierias58 ist diese Glosse keinesfalls zu verstehen als: „in dubio, an factum sit patratum nec ne; sed in dubio, an haec sapiant heresim". Auch Vignate5 9 weist zu diesem Problem ebenfalls — ohne nähere Erläuterung — auf diese Glosse hin, will also wohl wie auch Prierias — die Zuständigkeit der Bischöfe bejahen. Der Bischof wäre nach dieser Ansicht danach zuständig, wenn zwar feststeht, welche Handlungen begangen wurden, wenn aber nicht feststeht, ob diese Handlungen sapiunt heresim manifeste (etwa, weil die Gesinnung der Handelnden nicht bekannt ist; derartige Fälle sind etwa: unverständliche Gebete, an sich unsinnige Zeichen und ähnliches 60 ). Nach Como 61 kann der Inquisitor selbst darüber entscheiden, wenn zwar feststeht, daß eine Handlung sapit heresim, aber zweifelhaft ist, ob sie heresim sapit manifeste; eine Theorie, die in der Praxis wohl zu gleichen Ergebnissen kommen wird wie die erstgenannte (Simanca) 62 . Liegt Zauberei vor, die nicht sapit heresim manifeste, und bei der kein Schaden verursacht wird, so ist zu prüfen, ob sie dann neben dem Zuständigkeitsbereich des Bischofs auch dem der weltlichen Macht unterliegt. Socinus6 3 hält sowohl den geistlichen als auch den weltlichen Richter für zuständig (während die Zuständigkeit des Inquisitors die der weltlichen Macht — wegen der zugrundeliegenden Ketzerei — ausschließt), weil derartige Handlungen sowohl vom geistlichen als auch vom weltlichen Recht verboten und mit Strafe belegt werden. Zwischen diesen beiden entscheidet dann die Priorität „secundum regulas . . . traditas in c. Cum sit generale" (X, 2, 2, 8: Inhalt: „Malefactores ecclesiorum in utroque foro convenire possunt") 6 4 .

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Prierias, De mirandis strigimagarum, üb.3, c.l, pct.2; Unterpunkte 4 und 6

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Vignate, De haeresi, q. 11 a.E. So Pegna in der Anmerkung zu Vignate, a.a.O. q . l l , a.E.; Pegna weist auch darauf hin, daß diese Ansicht zurückgehe auf Eymericus, Archidiaconus, J. Andreae und J. Monachus. Como, Lucerna „Inqu.her.prav." § 29; Carerius, De haereticis, nr. 24

61 62

In einer Eichstätter Gerichtsordnung von ca. 1450 (S. 533; s. Quellenverz.) wird ausgeführt: Wo es streitig sei, „ob die sach geistlich oder weintlich were die selb erkanntnuß soll durch den geistlichen und nit durch den weintlichen richter bescheen"; zur Abgrenzung zwischen Bischof und Inquisitor ist nichts ausgeführt.

63 64

Socinus, zit. b. Hansen, Quellen, S. 212 ff.; cap. 9 Ausführlicher zu diesem Prioritätsgrundsatz und den Ausfuhrungen des Socinus: 2 D 2

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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III) Zuständigkeit aufgrund päpstlicher Erlasse Die Zuständigkeit der Inquisitoren im Verfahren gegen die Hexen wird schließlich auch bejaht in der Bulle „Summis desiderantibus" Papst Innozenz' VIII. vom 5.12.1484 (der „Hexenbulle") 6 5 . Zwar wurde diese Bulle nur an die „Inquisitores Alemaniae" gesandt, doch gilt sie auch für alle anderen Inquisitoren. Dies muß, so führt Bartholomäus de Spina 6 6 aus, daraus gefolgert werden, daß ähnliche Dekrete in das Corpus Juris aufgenommen worden sind, wie c. Ut officium (in sexto, 5, 2, 11) zeigt; dieses cap. nämlich wende sich an alle Inquisitoren, obwohl die Bulle dieses Inhalts nur an die Inquisitoren einer Provinz geschickt worden war; letzteres ergibt sich aus dem Wortlaut dieses cap.: (vor § 1): „mandamus, quatenus ubique in praefata provincia . . . " . Dagegen wird argumentiert 6 7 , diese Bulle (des c. Ut officium) gelte nur deshalb für alle Inquisitoren, weil sie in das CIC aufgenommen worden sei; das heißt also: Aufnahme nicht, weil von Anfang an allgemeinverbindlich; sondern: allgemeinverbindlich, weil Aufnahme. Gegen diese Ansicht wendet Bartholomäus de Spina ein: Die Kompetenz der Inquisitoren zur Aburteilung der Malefici ergibt sich — schon vor Erlaß der Hexenbulle — aus der Formel des „sapere heresim manifeste". Da die Bulle eine Antwort des Papstes auf eine Frage der Inquisitores Alemaniae, deren Kompetenz betreffend, darstellt, beinhaltet sie nur eine Darlegung des alten Rechts, schafft aber kein neues. Daraus ergibt sich, daß diese Auslegung des ius commune durch den Papst ein ius generale schafft, obwohl die Bulle nur an bestimmte Personen gerichtet ist. Im übrigen ist davon auszugehen, daß immer, wenn der Papst zu einem auftauchenden Problem Stellung nimmt, er nur altes Recht auslegt; dies auch dann, wenn er in einer Weise antwortet, die der der Neuschöpfung von Recht entspricht. Diese Behauptung ergibt sich daraus, daß neues Recht seiner Natur nach sich auf zukünftige Fälle bezieht. Aber auch wenn die Bulle neues Recht enthalten sollte, würde sie dennoch für alle Inquisitoren gelten. Denn sie ist nicht nur im Hinblick auf die Inquisitores Alemaniae erlassen worden (aufgrund einer „affectio particularis"). Anlaß für ihren Erlaß war vielmehr Glaubenseifer und Eifer in bezug auf das Inquisitionsamt 6 8 . Zudem ergibt sich aus der Bulle, daß die Inquisitores Alemaniae „ex ipso suo officio" gegen die in der Bulle genannten Personen vorgehen können; konsequenterweise muß dies dann auch für alle anderen Inquisitoren gelten, die mit der 65 66 67 68

In der aber von „Hexen" nicht die Rede ist; vgl. oben 1 A II 6 Spina, De strigibus, c.3; S. 20 ff. Vgl. Spina, a.a.O. c.3; S. 32 ff. Vgl. den Absatz 1 der Bulle; abgedr. b. Hansen, Quellen, S. 25 ff.; Mirbt, Quellen, S. 182 ff. (nicht vollständig)

Die Theorie von Institoris und Sprenger

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gleichen Machtbefugnis ausgestattet sind. Gilt dies aber, so ist die Verfolgung dieser Personen nicht auf die in der Bulle genannten Orte beschränkt. Alle Bedenken schließlich werden ausgeräumt durch die Bulle Julius II. an den Inquisitor von Cremona 6 9 , in der diesem die Jurisdiktionsgewalt über diese Personen zuerkannt wird, und durch die Bulle Hadrians VI. vom 20.7.1523 7 0 , in der das in der Bulle Julius' II. ausgesprochene Recht für alle in der Lombardei tätigen Inquisitoren bejaht wird 7 1 .

IV) Die Theorie von Institoris und Sprenger („Malleus maleficarum" - „Hexenhammer") Die bisher angeführten Ausgangspunkte der Autoren — Hexerei/Zauberei verbunden mit Ketzerei oder Apostasie oder jedenfalls verdachtbegründend für das Vorliegen dieser Delikte — zeigen die Absicht dieser Autoren, die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte, insbesondere die der Inquisitoren, zu bejahen. Die gegensätzliche Absicht ergibt sich aus dem Malleus maleficarum der beiden Inquisitoren H. Institoris und J. Sprenger 7 2 . Das Hauptanliegen (principalis intentio) des Hexenhammers ist es, die Inquisitoren Oberdeutschlands — also die Verfasser — „propter arduitatem negotii" von der Hexeninquisition zu entlasten, indem man deren Bestrafung „ihren Richtern" überläßt. Damit aber trotz des Nicht-Eingreifens der Inquisitoren in demselben Maße wie vorher für die Unversehrtheit des Glaubens und das Heil der Seelen gesorgt werde, ist dieses Werk (als Leitfaden für diese „anderen" Richter) geschrieben worden 7 3 .

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1503-1513; Datum nicht bekannt; abgedr. b. Hansen, Quellen, S. 31; im Wortlaut z.T. mit der Hexenbulle von 1484 übereinstimmend. Hansen, Quellen, S. 45 Lea, Inquisition, Bd. 3, S. 604, Anm. 1, bezeichnet die Hexenbulle als „allgemeingültig"; für die Frage, ob sie „ex cathedra" erlassen wurde: vgl. Riezler, Hexenprozesse, S. 69; zur Bedeutung der päpstlichen Dekrete, abgesehen von ihrer rechtlichen Bedeutung, vgl. Ulimann, Machtstellung d. Papstes, S. 520 ff. Vgl. zu diesem Werk: „Der Malleus maleficarum und seine Verfasser" in Hansen, Quellen, 360 ff.; dt. Übersetzung von J.W.R. Schmidt, s.dt. („Hexenhammer") Institoris, p.3, q. introductoria. - Lea, Inquisition, Bd. 3, S. 575, nennt es eine „Abwälzung der Verantwortlichkeit". Byloff, Verbrechen d. Zauberei, S. 350, der den Hexenhammer „ein in der ganzen Weltliteratur an geradezu pathologischer Beschränktheit im Vereine mit geistiger Aufgeblasenheit und schamlosestem Zynismus unerreichtes und unerreichbares Literaturerzeugnis" nennt, schreibt über die Absicht des Hexenhammer: „Mit dem Expansionsbedürfnis der kirchlichen Jurisdiktion, welche Ketzerei und Magie als delicta mere ecclesiastica behandelte, streitet die

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Die Zuständigkeit der Inquisitoren

Für eine Entlastung der Inquisitoren sind drei Wege möglich: indem die Zuständigkeit allein der Bischöfe, die Zuständigkeit allein der weltlichen Gerichte oder die gemeinsame Zuständigkeit dieser beiden bejaht wird. (I) Zur Begründung dafür, daß diese Entlastung möglich ist, entwerfen die Verfasser folgenden Gedankengang: 7 4 ( 1 ) C. Accusatus, § sane (in sexto, 5, 2 , 8, § 4 ) 7 5 spricht zwar von divinationes und sortilegii, es kann aber auch auf Hexen (bei Institoris: „Maleficae") angewendet werden. Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten: a) Divinati und Malefici werden in foro conscientiae mit der gleichen Strafe b e l e g t 7 6 ; wer aber auf die gleiche Weise bestraft wird, für den ist auch dasselbe Gericht zuständig. b) Die Schuld bei Divinati und Malefici ist die gleiche: beide erwarten die

Gefahr, einen Großteil der Inquirierten wegen Reue laufen lassen zu müssen. Darum führte das fanatische Bestreben der Verfasser des matleus, die Zauberer und Hexen auf den Scheiterhaufen zu bringen, zu einem direkten Appell an die weltlichen Behörden, ihre Jurisdiktionsgewalt über das crimen magiae in Anspruch zu nehmen". (Ein wohl nicht zwingender Schluß, wenn man die Anforderungen für eine beachtliche Reue berücksichtigt. Für den behandelten Zeitraum ist auch nicht ersichtlich, worauf die Ansicht gestützt werden könnte, Magie und Zauberei würden als delicta mere eccl. behandelt; es gilt dies nur für die darin enthaltene Ketzerei; vgl. 2CI2e und 2CII2). Eb. Schmidt, Einführung § 202, führt aus: „Die Kirche sah in der inquisitorischen Verfolgung der Zauberer und Hexen ihr wirksamstes Mittel im Kampf gegen die Ketzer. Es galt, den Ketzer in der Volksmeinung zu einem unheimlich-gefährlichen Feind zu machen und ihn dadurch zu isolieren; die Inquisition hatte dann seine physische Vernichtung zu bewirken. Diesem Ziel diente der im Auftrag Innocenz' VIII. ausgearbeitete Hexenhammer." — Wie noch darzustellen ist, haben die verbreitetsten Werke, der Hexenhammer und der insoweit auf ihm basierende Leyenspiegel, zwar betont, daß Hexerei eine äußerst schwere Sünde sei, den Begriff „Ketzerei" im juristischen Sinn aber nur zurückhaltend gebraucht (Ketzerei regelmäßig nur aufgrund einer praesumptio oder fictio) (freilich hat die „Volksmeinung" diese Unterscheidung wohl nicht getroffen). Worauf sich im übrigen die Ansicht stützt, der Hexenhammer sei „im Auftrag" Innocenz' VIII. geschaffen worden, ist nicht ersichtlich; die Hexenbulle besagt dafür nichts. 74 75

Institoris, Malleus malef., p.3, q. introductoria Wortlaut s. 2 A II 1 (Anm.)

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Unter Berufung auf Dekr. Gr., p.3, dist.2, c.95 (worin von Divinati und Malefici aber nicht die Rede ist (Inhalt: „Ystrionibus (et Magis) sacra non committantur misteria")) und offenbar X, 5, 21, 1, in dem von sortilegia und divinationes gesprochen wird; ansonsten wird diese Vorschrift aber nur auf nicht-ketzerische Zauberer und vor allem Wahrsager bezogen, vgl. 3 D, E

Die Theorie von Institoris und Sprenger

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Schädigung der Kreaturen von den Dämonen 7 7 und beide fordern von den Dämonen, was sie von Gott erbitten sollten. (2) Werden Hexen von Inquisitoren an die weltliche Macht übergeben, so geschieht das um der Ketzerei willen. Hexerei kann aber auch ohne Ketzerei geschehen, wenn nämlich kein error in intellectu vorliegt: zum Beispiel handelt es sich nicht um Ketzerei, wenn eine Hexe den Leib Christi schmäht in dem Bewußtsein, daß es sich wirklich um den Leib Christi handelt, dies aber dennoch tut aufgrund ihres Paktes mit dem Teufel. Sie begeht zwar eine große Sünde, aber es handelt sich nicht um Ketzerei; sie unterliegt daher nicht der Zuständigkeit der Inquisitoren. Auch die Verehrung des Teufels führt nicht notwendigerweise zur Ketzerei; nämlich dann nicht, wenn sie nur äußerlich geschieht (unter Anführung des Beispiels Salomos, der den Göttern seiner Frauen aus Gefälligkeit (propter complacentiam) Verehrung (reverentia) entgegenbrachte. (1 Könige 1 1 ) 7 8 . Auch wenn die Hexen auch innerlich den Glauben ableugnen, sind sie nicht als Ketzer zu beurteilen, sondern als Apostaten und unterliegen nicht der Zuständigkeit der Inquisitoren. Dies ist auch nicht der Fall, wenn man Apostaten und Ketzer gleichstellt, denn aus Nov. 17 (de mandatis principum), I I 7 9 ergibt sich klar, daß nur der praeses und damit der weltliche Richter vorgehen kann gegen jemand, der den Glauben bekämpft. (3) Der oben zitierte § sane spricht von „suis iudicibus", verwendet also den Plural. Im Decretum Gratiani, p. 2, 26, 5 12 („Canon Episcopi") werden die Bischöfe zur Bekämpfung der Hexensekte bestimmt 8 0 . Da der § sane im Plural spricht, also sowohl von den weltlichen, als auch von den geistlichen Richtern, werden 77

Die Bezeichnungen Divinati und Sortilegi werden von Institoris ansonsten nicht im Sinn von Schadenszauberer, sondern im Sinn von Wahrsager und Schwarzkünstler gebraucht.

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Dasselbe Beispiel bei J. Lopez, Allegatio in materia haeresis, § 2, Nr. 8, der Häresie und Apostasie bei Vorliegen eines bloßen „actus infidelitatis" verneint. „Neque occasione religionum haeresumque quaestionis permittas alicui provinciam commovere aut aliter quandam praeceptionem iniungi provinciae cui praesides; ipse vero providebis cum competenti utilitate fiscalibus, et quae talia sunt perscrutar^ et non permittere aliquid circa nostras fieri praeceptiones occasione religionum. Si vero canonicum sit quod quaeritur, una cum metropolita provinciae haec disponere et decernere, sive episcopi dubitent sive alii quidam, et causae dare deo amabilem et decibilem terminum, qui et decentem orthodoxam custodiat fidem et idemnitatem procuret fiscalibus et nostras subiectos servet inviolatos." Bei der Frage der Realität des Hexenfluges vertritt Institoris die Ansicht, der Canon Episcopi sei auf Hexen nicht anwendbar; s. 1 B I 3 (IV) (3)

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Die Zuständigkeit der Inquisitoren

die Hexen damit jedenfalls den Diözesangerichten unterstellt. Wollen diese sich entlasten, so können sie dies mit folgender Begründung: im c. Ut inquisitionis, § „Prohibemus" (in sexto, 5, 2, 18) heißt es:,JProhibemus quoque districtius potestatibus, dominis temporalibus et rectoribus eorundemque o f f i c i a l i b u s . . . , ne ipsi de hoc crimine (haeresis), . . . cum mere sit ecclesiastium, quoquo modo cognoscant vel iudicent . . . " . Wenn es sich also umgekehrt — wie bei den Hexen — wegen der weltlichen Schäden um ein nicht rein geistliches Verbrechen handelt, müssen diese Verbrechen wegen dieser Schäden vom bürgerlichen Richter bestraft werden. (4) Schließlich: wie soll, wenn Untersuchung, Urteil und Bestrafung nicht dem weltlichen Richter obliegen, erklärt werden, daß die weltlichen Gesetze diesen Themenkreis behandeln im C. de maleficis et mathematicis? a) Allerdings besteht — bei grundsätzlicher Strafkompetenz (auch) der weltlichen Richter - die Möglichkeit, daß die doctores legum die Bestrafung der Hexen auf den geistlichen Richter übertragen (nach Nov. 123, c. 21, § l 8 1 ) . b) Auch wird durch die Strafkompetenz der weltlichen Macht nicht die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen, wie sich aus den canones ergibt (zum Beispiel X, lib. 5, t. 7, c. 9/10/13/15); die Strafanordnungen in den canones und den leges sind im übrigen ein Argument für die Möglichkeit der gleichzeitigen Bestrafung durch beide Gerichte. c) Die Gesetze bestimmen, daß Kleriker wegen ihrer Taten vom geistlichen Richter abgeurteilt werden; da bei den Hexen sowohl Glaubens- als auch weltliche Schäden zur Debatte stehen, gehören sie folgerichtig vor beide Richter. (II) Antworten auf die Argumente der spanischen Inquisitoren. (1) Die spanischen Inquisitoren sind der Ansicht, daß alle Arten von Zauberern und Wahrsagern unter ihre Kompetenz fallen; daneben alle, die auf irgendeine Weise die Dämonen anrufen, Gott lästern oder die ein Jahr lang exkommuniziert gewesen sind und noch viele mehr. Dies führt dazu, daß die auctoritas der Bischöfe geschwächt wird, den Inquisitoren noch größere Lasten auferlegt werden und die weltlichen Richter für ein ihnen von den Inquisitoren übertragenes Amt eine vernünftige Begründung fordern. Für diese ihre Ansicht berufen sich diese Inquisitoren auf die Aussprüche von Thomas, Albertus, Bonaventura und anderer; auch auf das Decretum Gratiani, p. 2, 26, 5, 12 (Canon Episcopi; Text siehe Anhang II), wo derartige abergläubische Weiber „infideles" genannt werden: Unglaube eines Christen aber sei gleichzustellen mit

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Die Vorschrift bezieht sich nur auf das Zusammenwirken von weltlichen und geistlichen Behörden bei der Bestrafung geistlicher Personen; Wortlaut s. 2 C I s d (Anm.)

Die Theorie von Institoris und Sprenger

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Ketzerei; ihr Hauptargument aber entnehmen sie dem § sane des c. Accusatus (der Formel des sapere heresim manifeste). (2) Gegen diese Argumentation, insbesondere die Berufung auf den § sane, ist einzuwenden: a) Auszugehen ist davon, daß die Inquisitoren nur zuständig sind, wenn es sich um Ketzerei und ein crimen manifestum handelt. Es kann jemand nicht aufgrund einer Tat als Ketzer verurteilt werden, wenn diese ohne Ketzerei begangen werden kann und dies auch konkret der Fall ist. Der Betreffende unterliegt nicht der Kompetenz der Inquisitoren, diese können ihn aber seinen Richtern überlassen (in sexto, 5, 2, 8, § 4). Auch Zauberei kann, wie schon oben ausgeführt, ohne Ketzerei geschehen. Die Anrufung des Teufels etwa ist nur dann Ketzerei, wenn ihr eine falsche Meinung über die Macht und die Kenntnisse des Teufels zugrundeliegt; etwa, daß der Dämon den freien Willen der Menschen nötigen könne oder daß er alles tun könne, worum er gebeten werde, auch wenn Gott dies nicht zulasse. Gewöhnlich liegt einer Anrufung ein derartiger Irrtum jedoch nicht zugrunde, so daß diese Anrufungen zwar als schwere Sünde, nicht aber als Ketzerei anzusehen sind. b) Allerdings wird argumentiert: Richter des Verborgenen ist Gott. Die Kirche kann nur nach dem urteilen, was erkennbar ist. Was im Verstand vor sich geht, ob also ein error in intellectu vorliegt oder nicht, kann nur nach äußeren Taten beurteilt werden. Wer also so handelt, wie Ketzer handeln, ist als Ketzer anzusehen. Dazu ist auszuführen: Es gibt zwei Arten von Urteilen: das Gottes, der in das Innere des Menschen sieht, und das der Menschen. Wer nach dem Urteil Gottes als Ketzer anzusehen ist, ist in Wahrheit — natura rei — ein Ketzer. Wer dagegen nach dem Urteil der Menschen als Ketzer anzusehen ist, braucht deswegen natura rei noch kein Ketzer zu sein. Die Frage, ob aufgrund seines Verhaltens auf Ketzerei geschlossen werden darf, ist verschieden zu beantworten: die canonistae werden diesen Schluß aufgrund einer praesumptio iuris ziehen; die theologi werden dagegen sagen — sub correctione sedis apostolice — daß dies ex natura rei nicht der Fall sei, was auch immer die praesumptio iuris aussage. Dies deshalb, weil einem derartigen Verhalten, wie ausgeführt, Ketzerei nicht zugrundeliegen muß. Da dem Verhalten also zwei verschiedene Ursachen zugrundeliegen können, sind weitere Nachforschungen nötig. Der Begriff des „manifeste" nun (in § sane: s.o.) ist zu verstehen im Sinn von „intrinsece et ex natura rei". Nur für diese Fälle ist daher die Kompetenz der Inquisitoren begründet. Personen, die wegen ihres Verhaltens aufgrund einer

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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praesumptio iuris 82 als Ketzer anzusehen sind, fallen unter die Kompetenz der Ordinarien. Die nötige Erforschung der inneren Ursachen dieses Verhaltens wird im übrigen nicht schwierig sein8 3 . c) Die Hexenbulle Innozenz' VIII. steht diesem Ergebnis nicht entgegen; sie schließt die Kompetenz der Ordinarien nicht aus schafft also keine neue Regelung. Diese Bulle ist den Inquisitoren nur als Anregung übergeben worden (potius in partem sollicitudinis), die diese, soweit dies möglich, ist, auch befolgen 84 . (3) Gegen die hier angeführte Begründung wird auch vorgebracht: wer einen Ketzer anbetet, ist selbst ein Ketzer (in sexto, 5, 2, c. 2 und 8). Da aber der, der den Dämon anbetet, schwerer sündigt als der, der einen Ketzer anbetet, ist dieser erst recht ein Ketzer. Auch dagegen ist aber anzuführen, daß der, der einen Ketzer anbetet, nur dann ein „hereticus proprie" ist, wenn er sich im Glauben irrt. Tut er es aus anderen Gründen, etwa um seines Vorteiles willen, so ist er wiederum nur als Ketzer aufgrund einer praesumptio iuris anzusehen und unterliegt nicht der Kompetenz der Inquisitoren, sondern der der Bischöfe. (III) Übertragung der Kompetenzen Aus dem c. Multorum (Clem, 5, 3, 1) ergibt sich im übrigen, das der Inquisitor seinen Aufgabenbereich bei der Verfolgung der Ketzer auf die Bischöfe übertragen kann. Wenn aber auch die Zauberer der Jurisdiktionsgewalt der Inquisitoren nicht unterworfen zu sein scheinen, so ist doch festzuhalten, daß die Ordinarien, wenn sie sich von der Hexeninquisition befreien und sie den weltlichen Richtern überlassen wollen, dies nicht mit der Leichtigkeit tun können, wie die Inquisitoren die Inquisition den Bischöfen überlassen können. Dies deshalb, weil es eine Angelegenheit des geistlichen Richters ist, hier zu untersuchen und zu urteilen und Sache des weltlichen Richters nur, auszufuhren und zu strafen (X, lib. 5, t. 7, c. 9/10/13/15). Dennoch scheint es, daß in der Hexenketzerei allerdings nur in dieser (und bei Zauberei) — die Bischöfe die Aufgabe des Untersuchens und Urteilens an die weltlichen Richter abtreten können. Es handelt sich hier nämlich nicht um ein delictum mere ecclesiasticum, sondern mehr — wegen der weltlichen Schäden — um ein crimen civile. Auch sind 82 83

84

An anderer Stelle: Actio iuris Der dazu gegebene Leitfaden stellt eine Aufzählung verschiedener Verhaltensweisen dar; der Schluß vom äußeren Verhalten auf die innere Einstellung ist daher doch erforderlich. Diese Bulle als verbindliche Regelung bei Spina; vgl. oben 2 A III

Die Theorie von Institoris und Sprenger

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(weltliche) leges speciales zur Bestrafung der Hexen geschaffen worden, die sich auf den ganzen Verhandlungsgang (und nicht nur auf die Ausführung des Urteils) beziehen. Auch würde eine derartige Übertragung .wohl sehr viel zur Ausrottung der Hexen beitragen, da dann von der Öffentlichkeit gefürchtete Richter die Sache behandelten; daneben ist auch zu bedenken, daß von den (weltlichen) Oberen strengste Rechenschaft gefordert werden könnte. Dem geistlichen Richter vorbehalten bliebe nur die Verhängung einer Buße. (IV) Zusammenfassung Kurz zusammengefaßt vertritt Institoris damit folgende Ansicht: Zauberei enthält Verstöße gegen weltliches und kirchliches Recht; für die weltlichen Verbrechen ist der weltliche, für die geistlichen der geistliche Richter zuständig; und zwar nebeneinander, nicht im Sinne von entweder - oder. Handelt es sich bei dem Zauberer um einen haereticus proprie, so ist im Rahmen der geistlichen Gerichtsbarkeit der Inquisitor zuständig. Das ,.manifeste" in § sane, c. Accusatus, ist in diesem Sinne zu verstehen. Ob es sich um einen haereticus proprie handelt, hängt davon ab, ob ein error in intellectu vorliegt; dies kann nicht anhand äußerer Verhaltensweisen festgestellt werden 8 5 . Regelmäßig wird dies nicht der Fall sein, sondern von einem haereticus nur aufgrund einer praesumptio oder fictio gesprochen werden können, die Zuständigkeit der Inquisitoren damit nicht begründet sein. Der Inquisitor kann seine Kompetenz auf den Bischof übertragen. Die Möglichkeit der Übertragung der Untersuchungs- und Urteilungskompetenz der Bischöfe auf die weltlichen Richter wäre wünschenswert; ob sie besteht, ist fraglich. Dem Bischof verbliebe in diesem Fall allein die Verhängung der poenitentia. Der Hexenhammer geht in seiner Darstellung davon aus, daß der weltliche Richter die Untersuchung vornehmen kann 8 6 . (V) Zur Praxis des Institoris8 7 Institoris war zur Zeit der Abfassung des Hexenhammers im süddeutschen Raum tätig. Wie er seine Theorie in der Praxis handhabte, ist nicht eindeutig festzustellen. Offenbar wollte er — dem Hauptanliegen seines Werkes entsprechend — durch seine Tätigkeit die Hexenverfolgung erst einmal in Gang setzen und offenbar war es seine Absicht, die weltlichen Behörden mit der Führung von Hexenprozessen vertraut zu machen. Im Malleus maleficarum 88 berichtet 85 86 87 88

Die dafür gegebene Anleitung läuft aber wieder darauf hinaus. Institoris, a.a.O., p.3, q. introd. a.E. Institoris ist als der eigentliche Verfasser anzusehen, Hansen, Quellen, S. 360 ff. Institoris, a.a.O., p.2, q . l , c.4

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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Institoris von Hexen, die „von uns" (Inquisitor und Notar) „dem weltlichen Arm zur Bestrafung überlassen worden sind, besonders . . . . in der Stadt Ravensburg". Nach den von Müller89 zitierten Urkunden zur Hexenverfolgung in Ravensburg scheint aber bereits die Untersuchung durch die weltlichen Behörden erfolgt zu sein, wobei der Anstoß zur Untersuchung freilich ausging von Institoris, den aufgrund seiner Aufforderungen in seinen Predigten Verdachtsmomente mitgeteilt wurden. Für diese Annahme könnten sprechen die Ratschläge, die Institoris den städtischen Behörden gab über zu beachtende Punkte bei der Verhaftung und der Folter 9 0 . So heißt es in einem Urfehdebrief einer in Ravensburg angeklagten und wieder freigelassenen Frau: „Als dann ain swärer, grosser unlumd des bösen, sindtlichen Übels der hexeri uff mich gangen und des mergkliche ursach und anlaitung vorhanden gewesen ist, da durch ich in der fürsichtigen ersamen und wisen burgermaister und rates allhie zu Rauensperg vengknus komen bin und mit mir dieselben min gnedig herrn wol witers und herters möchten fürgenommen han, denn daß sie mit mirbarmhertzkaitgetailt . . . " . Allerdings kann dies auch nur auf das Strafmaß und nicht auf die Untersuchung bezogen werden. An einer anderen Stelle des Hexenhammers 91 heißt es: aufgrund eines Unwetters „wird von uns unter Zustimmung des Rates (der Stadt Ravensburg) . . . . 14 Tage hindurch über die Ketzerei der Hexen eine Untersuchung veranstaltet." Weiter heißt es aber: eine der beschuldigten Frauen „wurde am folgenden Tag in Gegenwart des Notars von dem Stadtvorstand oder Bürgermeister, einem großen Eiferer für den Glauben, und von anderen, die ihm aus der Zahl der Ratmitglieder beigeordnet waren, den leichtesten Fragen ausgesetzt" (letzteres auf die Folter bezogen). Die Befragung wurde dabei von dem Notar vorgenommen. Bei den von Institoris ab 1485 in Innsbruck durchgeführten Hexenprozessen erschienen bei der zweiten Welle der Zeugenvernehmungen (für die erste ist dies nicht bekannt) Ordensbrüder des Institoris, sehr selten aber ein Deputierter des Bischofs, der seine Kompetenz auf Institoris übertragen hatte, oder ein Vertreter des Erzherzogs. (Der Bischof hatte Institoris ermahnt, zum Prozeß Vertreter des Erzherzogs zuzuziehen)9 2 . Im übrigen wurde das Urteil hier nicht von Institoris allein gefällt, sondern von einem Kollegium 93 , innerhalb dessen Institoris auch die Rolle des Anklägers

89 90

K.O. Müller, Institoris in Ravensburg, S. 406 ff. Müller ist, gestützt auf Zitate aus dem Hexenhammer, der Ansicht, daß die weltlichen Behörden nur zur Strafvollstreckung herangezogen wurden.

91 92 93

Institoris, a.a.O., p.2, q . l , c.14 Amman, Innsbrucker Hexenprozeß, S. 32 Wohl dem „Rat erfahrener Männer"; vgl. 2 B II

Die Theotie von Institoris und Sprenger

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innehatte 94 . Das Kollegium setzte sich zusammen aus dem Abgesandten des Bischofs, dem Canonicus von Passau, dem Pfarrer von Axam, dem Inquisitor selbst, dreien seiner Ordensbrüder und zwei Notaren; Vertreter der weltlichen Macht waren nicht beteiligt. (VI) Die Verbreitung des Hexenhammer9 5 (1) Die Zuständigkeitstheorie des Institoris wird, soweit ersichtlich, nur erwähnt vonPrierias 96 . Prierias unterscheidet bei der Frage der Zuständigkeit der Inquisitoren die Ansicht der Inquisitoren Deutschlands („Henr.Inst. et Socius ac reliqui Germaniae superioris Inquisitores") und die „opinio Hispanorum". Letztere hält er für die richtige9 7 : Die Tatsache, daß Handlungen sowohl ketzerischen als auch anderen Motiven entspringen können, verhindert die Zuständigkeit der Inquisitoren nicht. Legt man nämlich diesen Ausgangspunkt zugrunde, so kann nie mit Sicherheit gesagt werden, welche Handlung einer ketzerischen Gesinnung entspringt und welche nicht. Konsequenterweise kann dann niemand mehr als Häretiker überführt und verurteilt werden: „quod est absurdum". Gegen die Ansicht des Institoris spricht auch c. Contra (in sexto, 5, 2, 13), wonach gegen Christen, die Juden waren und wieder zum Judentum zurückgekehrt sind, wie gegen Ketzer vorgegangen werden kann: obwohl doch aus Erfahrung feststeht, daß diese Rückkehr häufig nicht aus ketzerischer Gesinnung, sondern aus Armut erfolgt. Weiter spricht dagegen die Formel des sapere heresim manifeste, bei der es entgegen der Ansicht des Institoris nicht darauf ankommt, ob die die dortgenannten Handlungen Ausführenden wirklich Häretiker sind; dies ergibt sich aus der Wortwahl: abgestellt wird nämlich nicht auf die „sortilegi" und „divini", abgestellt wird vielmehr allein auf die „sortilegia" und „divinationes", also auf die Taten der sortilegi und divini (der Text spricht nicht von sortilegis und divinatoribus, sondern von sortilegiis und divinationibus). (2) Weitere namentliche Bezugnahme findet sich bei Mirandula im Hinblick auf

94 95

Amman, a.a.O., S. 65 ff. Bezogen nur auf die Literatur bis 1550.

96

Prierias, De mirandis strigimagarum, üb. 3, c. 1

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Prierias, a.a.O.: „Caeterum . . . opinionem hanc (des Inst.) voluntatem potius dixeris, quam opinionem: quippe ipsimet opinantes viderunt se suam non posse firmare sententiam, nisi per antiqua iura, limitata per nova". Worauf er sich mit letzterer Wendung bezieht, führt er nicht aus.

Die Zuständigkeit der Inquisitoren

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die Auslegung des Canon Episcopi: er verweist auf die „Germani Theologi Jacobus et Henricus" 9 8 . Tenglers Leyenspiegel", das Buch für die Praxis, verweist für alle Fragen, die das Hexenwesen betreffen, auf den Hexenhammer. Bei Simanca 100 finden sich, ohne Bezugnahme auf den Hexenhammer, Ausführungen für die Bestrafung von Hexen (nicht von Wahrsagern), die keine Ketzer sind; ebenso bei Grillandis 101 . Agrippa von Nettesheim 10 2 schildert den Fall einer von ihm verteidigten Frau, die der Folter unterworfen wurde deshalb, weil ihre Mutter als sortilega verbrannt worden war; der die Folter anordnende Inquisitor beruft sich dazu auch auf den Hexenhammer. C.G.Wächter 103 weist darauf hin, daß der Hexenhammer „lange Zeit eine bedeutende Auctorität bildet, von dem selbst Damhouder sagt, daß er wie ein Gesetz observirt werde" und beruft sich dafür auf eine Stelle von Damhouder, bei der es heißt: 1 0 4 „ . . . ita recepta est in hoc scribendi genere, eorum authoritas, pro lege (quamvis utique nullis corroboretur legibus) apud omnes habentur". Neben dem Hexenhammer sind dabei auch erwähnt Grillandis, Troilus Malvetuus 105 , Arles, Trithemius und Ponzinibius. Aufgrund der Aufnahme von Trithemius 106 und insbesondere Ponzinibius, der die Realität des Hexenwesens bekämpft (vgl. 1 B I), muß diese Stelle Damhouders aber wohl mit Vorsicht aufgenommen werden 10 7 .

98

Mirandula, Strix, lib.2

99 100 101 102

Tengler, Leyenspiegel, S. 104 ff. Simanca, De institutionibus cath., tit. 37, nr.18 Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.9 ff. Nettesheim, De incertidudine scientiarum, cap. 96

103 104 105 106

C.G. Wächter, Verfolgg. d. Hexen, S. 280 Damhouder, Praxis, cap. 61, nr. 140 a.E. Ein einschlägiges Werk dieses Autors ist nicht bekannt Trithemius wird von Goldast 62 ff. (neben Dr. Faustus und Wagner, Agrippa von Nettesheim und Weier) des ausdrücklichen Paktes mit dem Teufel beschuldigt.

107

Die Autorität des Hexenhammer in späterer Zeit soll damit nicht angezweifelt werden.

Zuständigkeit der Inquisitoren auch für weltliche Verbrechen der Hexen?

V) Zuständigkeit der Inquisitoren auch für weltliche Verbrechen der Hexen?

71 108

Übereinstimmung besteht darin, daß die Zuständigkeit der Inquisitoren sich nur auf das Ketzereidelikt beschränkt 1 0 9 . Daneben wird aber auch geprüft, ob nicht die Zuständigkeit für Ketzerei auch die Zuständigkeit für die dabei von der Hexe angerichteten weltlichen Schäden nach sich zieht, obwohl letztere primär nicht gegeben ist. Dazu wird argumentiert, daß der geistliche Richter bei einem häretischen Wucherer auch über die Rückgabe der Zinsen entscheiden könne; auch könne der geistliche Richter, der eine Scheidung ausspreche, auch über die Rückgabe der Geschenke urteilen. Dieser Ausgangspunkt aber kann schon nicht gebilligt werden, er widerspricht dem ausdrücklichen Verbot des c. Accusatus (in sexto, 5, 2, 8, § 5; Inhalt: „Inquisitores haeresis de quaestionibus usurarum se intromittere non possunt") 1 1 0 . Ist aber der Ausgangspunkt falsch, kann auch die Folgerung nicht richtig sein. Auch das Argument, die Verbrechen würden mit Hilfe der Dämonen begangen und deshalb der Zuständigkeit der Inquisitoren unterliegen, schlägt nicht durch. Denn die causa catholicae fidei hat nichts mit Kindermorden und anderen weltlichen Verbrechen zu t u n 1 1 1 . Schließlich wird die Zuständigkeit des geistlichen Richters auch nicht dadurch erweitert, daß jemand, der principaliter wegen Häresie angeklagt ist, incidenter ein Mordgeständnis ablegt 1 1 2 . Wegen dieses Verbrechens kann der Betreffende nicht bestraft werden, weil diesbezüglich nicht verhandelt wird. Ein vor einem unzuständigen Richter abgelegtes Geständnis schadet nicht, auch wenn es principaliter erfolgt. Der Inquisitor wird aufgrund dieses Geständnisses — entgegen der Ansicht einiger 113 — nicht zuständig, weil eine Vergrößerung seines Zuständigkeitsbereiches durch irgendeine Person nicht möglich ist; der Inquisitor ist ein iudex delegatus, dessen Jurisdiktionsgewalt begrenzt ist (in sexto, 5 , 2 , 1 0 und 8, §4).

108 109 110 111 112 113

Vgl. dazu unter 2 C II (Auslieferung wegen weltlicher Vergehen) Institoris, Malleus malef., p.3, q.31 a i . ; Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4; Castro, De punitione haeret, lib.l, c.16 a £ . Argumente bezüglich der Scheidung finden sich nicht. Albertinus, De assertionibus catholicis, q.25, nr. 71 Albertinus a.a.O.; ausgehend davon, daß eine Auslieferung an den weltlichen Richter wegen weltlicher Verbrechen nicht möglich ist; vgl. 2 C II Albertinus nennt Ant. de Butrio; Autoren, die die Zuständigkeit der Inquisitoren auch für weltliche Verbrechen bejahen, sind in dem hier behandelten Zeitraum für die Hexenliteratur nicht ersichtlich.

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Die Zuständigkei: der Inquisitoren

Dazu kommt, daß viele den Jurisdiktionsbereich nur deshalb erweitern wollen, um der Bestrafung entgehen zu können oder eine mildere Strafe auferlegt zu bekommen 1 1 4 . Im übrigen kann der geistliche Richter Mörder zwar nicht mit der Todesstrafe, wohl aber mit anderen Strafen belegen 1 1 5 : der Exkommunikation, die auch dem Erfordernis der Todesstrafe genügt; im kanonischen Recht ist darunter nämlich nicht die mors corporalis zu verstehen, sondern die mors spiritualis 116 .

114 115 116

Wohl so zu verstehen, daß reumütige Ketzer dann, auch wenn sie gemordet hätten, nicht ausgeliefert werden dürften. Albertinus a.a.O. i.V. mit q.25, nr. 19 ff.; s.Anm. 112 im 2. Teil zu A „Duplex est mors, quaedam temporalis, quae est separatio animae a corpore. Altera civilis, ut excommunicatio, per quam separatur anima a gratia Dei: nam Deus est vita animarum."

B) ZUSTÄNDIGKEITSABGRENZUNG IM EINZELNEN I) Inquisitoren und Bischöfe1 Im Verhältnis zu den Bischöfen, denen die geistliche Gerichtsbarkeit grundsätzlich zusteht, sind die Inquisitoren befugt, ohne deren Mitwirkung Personen gefangennehmen zu lassen, das Verbot auszusprechen, einen bestimmten Ort zu verlassen, die Bewachung zu stellen und Fesseln anlegen zu lassen2. Sie können Häretiker oder der Häresie Verdächtige auch in den schweren Kerker überführen lassen; freilich - so Como3 - nur aus Zwecken der besseren Bewachung, nicht zur Strafe. Dabei können die Inquisitoren auch eigene Gefängnisse unterhalten: wenn dies nämlich für den Bischof erlaubt ist, muß dies a fortiori auch für den Inquisitor gelten, dessen Jurisdiktionsgewalt größer ist, „cum sit delegatus"4. Aus demselben Grund - die iurisdictio ist „maior et nobilior" - hat auch ein Verdächtiger, wenn er sowohl durch den Inquisitor, als auch durch den Bischof geladen wird, der Ladung des Inquisitors zuerst Folge zu leisten. Abgesehen von der Möglichkeit, die eigenen Kompetenzen auf den Bischof oder Inquisitor zu übertragen, kann der Inquisitor ohne Bischof (und der Bischof ohne Inquisitor) dagegen nicht jemanden in den schweren Kerker legen, insoweit dies nicht zur Bewachung, sondern als Strafe dient, zum Beispiel jemanden veranlassen soll, ein Geständnis abzulegen5. Zusammen müssen beide auch vorgehen bei der Verurteilung zur Folter und beim endgültigen Urteil. (Clem, 5, 3, 1, § 1; in sexto, 5, 2, 12, § privandi). Bei letzterem ergibt sich jedoch ein Streit aufgrund des Wortlautes in Clem, 5, 3, 1, § 1 ( „ . . . aut ad sententiam procedere contra e o s . . . " ) . Während der Freispruch, soweit ersichtlich, nach der Meinung aller von Bischof und Inquisitor allein ausgesprochen werden kann, sind die Fälle der Auferlegung der abiuratio und der Buße strittig. Como6 vertritt die Ansicht, beide seien nicht „contra" und könnten deshalb vom Inquisitor allein auferlegt werden; anderer Auffassung sind Prierias, Simanca und der Verfasser des Repertorium 7 . Pegna8 hält letztere Ansicht (unter Berufung auf Eymericus) 1

Zur Kompetenz der Bischöfe vgl. Henner, Org. d. Ketzerger., S. 253 ff.

2 3 4 5

Simanca, De institutionibus catholicis, t.34, nr.22 Como, Lucerna, „Inqu. haer. pr.", § 13 Como, Lucerna, „carceres", § 1 Repertorium, „inquisitores", S. 473; so die Auslegung der Regelung Clem, 5. 3, 1, § 1: „ . . . Duro tarnen tradere carceri sive arcto, qui magjs ad poenam quam ad custodiam videatur . . . episcopus sine inquisitore . . . non v a l e b i t . . . " .

6

Como, Lucerna, „Abiuratio"; „Absolvere"

7

Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.l, pct.l a £ . ; Simanca, De institutionibus catholicis, t.34, nr.22; Repertorium, „Carcer", S. 96 Pegna in der Anmerkung zu Como, Lucerna „Absolvere"

8

74

Zuständigkeitsabgrenzung im einzelnen

für „tutior". Prierias9, der das Urteil gegen einen diffamatus für „contra" hält, führt ergänzend aus, daß Argumente, die nicht auf dieses „contra" abstellen, hinfällig sind (etwa: die Regelung in sexto, 5, 11, vor § 1, (Instruktion für die Inquisitoren) erwähne den Bischof nicht und die Möglichkeit der Zulassung zur Buße werde dort ausgesprochen), weil die Vorschrift Clem. 5, 3, 1 (in der die „contra" — Regelung enthalten ist) als das neuere Recht vorgeht. Keine Hinweise — auch nicht bei Bartholomäus de Spina, der sich mit der Allgemeinverbindlichkeit der Hexenbulle auseinandersetzt 10 — finden sich dagegen auf verschiedene Bullen, in denen diese Rechte der Bischöfe weitgehend aufgehoben werden, die Alleinzuständigkeit der Inquisitoren begründet wird oder die Bischöfe verpflichtet werden, bei der Verfolgung der Hexensekte mitzuwirken. Bereits in der Bulle des Papstes Nikolaus V. vom 1.8.1451 an den Generalinquisitor von Frankreich, Hugo Lenoir, wird diesem das Privileg erteilt, — unter anderem — gegen divinatores vorzugehen, „dioecesanorum locorum . . . licentia super hoc minime requisita" 11 . In der Hexenbulle Innozenz' VIII. vom 5.12.1484 heißt es (§§ 2,3) „ . . . tarnen nonnulli clerici et laici . . . in locis praedictis huiusmodi inquisitionis officium exequi non licere et ad personarum earundem super excessibus et criminibus antedictis punitionem, incarcerationem "et correctionem admitti non debere, pertinaciter asserere non erubescunt . . . Nos igitur . . . eisdem inquisitoribus in illis officium inquisitionis huiusmodi exequi licere et ad personarum earundem super excessibus praedictis correctionem, incarcerationem et punitionem admitti debere . . . statuimus". Dies als Aufhebung der Rechte der Bischöfe zu bezeichnen, geht aber wohl zu weit 1 2 . Die Bischöfe werden wohl nur verpflichtet (anders als in der oben angeführten Bulle Nicolaus' V.), von ihrer Mitwirkungsbefugnis positiv Gebrauch zu machen; wie sie sich etwa bei der Festsetzung der Strafe oder Buße zu verhalten haben, wird nicht festgelegt 13 .

9 10 11 12 13

Prierias, De mirandis strigimagaium, lib.3, c.4, pct.4 Vgl. oben 2 A III; Institoris sieht die Hexenbulle als nicht verbindliche Anregung an. Z.T. abgedi. b. Hansen, Quellen, S. 19 So Henner, Org. d. Ketzerger., S.312, wenn er ausführt, daß der Inquisitor den Prozeß abschließen konnte, ohne die Bischöfe zu hören. Dafür spricht auch, daß Spina, der von der Allgemeinverbindlichkeit dieser Bulle ausgeht, die Kompetenz der Bischöfe "bei seiner Auseinandersetzung mit der Bulle nicht erwähnt. Auch die von Henner herangezogene Bulle Hadrians VI. von 1523 („Dudum, uti nobis"), in der auf ein Schreiben eines Inquisitors hin auf die einem anderen Inquisitor erteilte Erlaubnis verwiesen wird, kann Henners Ansicht nicht stützen. In dieser Bulle heißt es: „ . . . et contra ipsasque personas, quas in praemissis culpabiles repireret, una cum locorum ordinaxiorum vicariis, quatenus voluissent

Inquisitoren und Bischöfe

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Weitergehend allerdings eine Bulle Alexanders VI. von 1501 1 4 : „Eapropter . . . committimus et mandamus, ut etiam soli (honesto tarnen comitatu per vos eligendo associati) contra easdem . . . inquiratis easque iustitia mediante puniatis et compescatis. Et ut melius commissionem huiusmodi exequi positis, contra illas vobis plenam et omnimodam harum serie concedimus facultatem 15 , constitutionibus et ordinationibus apostolicis necnon indultis et concessionibus forsan pro tempore factis caeterisque contrariis quibuscunque non obstantibus". Wie die Bischöfe die Bullen in den einzelnen Fällen verstanden, bedürfte einer näheren Untersuchung. Hier sei nur hingewiesen auf die von Institoris 1485/86 in Innsbruck durchgeführten Prozesse; Institoris war dabei im Besitz der oben erwähnten Hexenbulle 16 . An den Erzherzog, der anfrägt, wie mit dem Inquisitor zu verfahren sei, schreibt der Bischof: „ . . . berüet die sach unser bischoflich Amt, wo ain Inquisitor von des heilign stuels zu Rom wegen chumbt, sein wir schuldig mit sambt dem Inquisitor darin zu handeln unnd unsern gewalt ihn auch lassen brauchen . . . " . In einem Schreiben an den Inquisitor beruft er sich jedoch auf seine Kompetenz nach Clem, 5, 3, 1; er überträgt sie aber, da er krank sei, an den Inquisitor („ . . . sed ne opus inceptum nostra impediatur absentia . . . " ) . Unter dem Einfluß des Vorgehens des Institoris ändert er aber seine Meinung und betont, im Gegensatz zu seinem Schreiben an den Erzherzog, seine Kompetenz. In einem Brief vom 8.2.1486 an einen Chorherrn schreibt er 1 7 : Institoris „bedunkt mich aber propter senium ganz chindisch sein worden . . . Ich hab Im geraten, daß Er in sein Closter ziehen und da beleiben: ipse realiter mihi delirare videtur". Zwar wolle Institoris seine Untersuchungen wohl noch weiter führen, aber: „Ich laß In aber darzue nit khomen . . . Ich mues ex officio ordinario darinn handeln, und bedarf sein gar nit darzue. Ich nem In auch nit interesse, iuxta dictaium personarum demerita conigere et punire deberet et valeret, secundum modum contra alios haereticos a iure et sacris canonibus statutum . . ." (z.T. gedruckt bei Hansen, Quellen, S. 34 ff.). Pegna (zu Como, De strigiis und Como, Lucerna, S. 156) verweist auf diese Bulle und meint, mit den Bischöfen zusammenzuarbeiten , sei sicherer und anständiger (tutius et decentius), bzw.: wenn auch die auctoritas der Inquisitoren größer sei: „non tarnen decet episcopos contemnere" (zu Como, Lucerna, „Jurisdictio"). - Die oben erwähnte Bulle Nicolaus' V. ist bei Henner nicht angeführt. 14 15

Henner a.a.O.: 1494; zum Datum vgl. Hansen, Quellen, S. 31, Anm. 2; z.T. gedruckt bei Hansen, Quellen, S. 31 Henner führt an anderer Stelle (S. 215) aus, die Worte „facultatem concedimus" beinhalteten mehr einen guten Rat als eine verbindliche Norm; letzteres wäre der Fall bei „iubemus" oder „volümus".

16

Vgl. die Darstellung bei Amman, Innsbr. H.prozeß

17

Sinnacher, Geschichte, S. 627 ff.

Zuständigkeitsabgrenzung im einzelnen

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darzue . . . " In einem Schreiben an Institoris vom Aschermittwoch 1486 heißt es: „ . . . Es scheint nicht anständig zu sein, daß sich E.P. wegen jener Personen einmische: dies steht vielmehr mir zu" 1 8 .

II) Inquisitoren und der „Rat erfahrener Männer" bei der Urteflsfällung In den Urteilsformeln des Hexenhammer findet sich jeweils, mit unwesentlichen Abweichungen, die Formel, das Urteil sei gefällt worden zusammen mit einem Rat erfahrener Männer. Über die rechtliche Stellung dieses Rates gibt er keine Auskunft. Gesprochen wird von „de multorum et magnorum Consilio in iure peritorum ac etiam religiosorum"19 ; „in et super his sano et maturo Consilio peritorum . . . condemnamus"2 0 ; „sane cum vellemus . . . videre clare . . . an fores infectus haeresis labe, nec ne processus meritis actitatis solenne tarn in sacra theologia facultate quam in iure canonico et civili peritorum coram nobis consilium ordinavimus congregari scientes quod secundum canonica instituta integrum est iudicium quod plurimorum sententiis confirmatur. et habito in et super omnibus et singulis actis et actitatis in causa praesentia sano maturo ac digesto Consilio peritorum . . ,"2.1 ; „ . . . consilium . . . iussimus congregari et habito Consilio . . ," 2 2 ; „ . . . consilium fecimus congregari et habito . . . Consilio «2 3

Bei Prierias, der sich im allgemeinen eng an den Hexenhammer anlehnt, ist nur zu finden: „habito Consilio"; Hinweise auf die Art der Zusammenkunft und der Einberufung fehlen. Nach Albertinus24 ist bei der Prüfung der Rechte und Pflichten des Rates auf den Wortlaut des jeweiligen Gesetzes abzustellen. In c. Statuta quaedam (in sexto, 5,2, 20, § iubemus tarnen) heißt es: Für den Fall, daß die Bekanntgabe der Namen der Zeugen gefährlich ist, wird angeordnet: „iubemus, quod . . . ipsorum nomina non publice, sed secreto coram 18 19

Übersetzung von Sinnacher Institoris, Malleus malef., p.3, q.23 a.E.; q.24

20 21 22 23

Institoris, a.a.O., p.3, q.25 Institoris, a.a.O., p.3, q.27, q.26, q.32, q.20 Institoris, a.a.O., p.3, q.28 Institoris, a.a.O., p.3, q.30, q.31 ;die Formel findet sich nicht bei der Verurteilung zur Folter (p.3, q.22); bei der Verurteilung der unbußfertigen, nicht rückfälligen Hexe (p.3. q.29); bei der Verurteilung einer „diffamata" (p.3, q.21); beim Ausspruch der Exkommunikation gegenüber Flüchtigen (wohl aber bei der dieser Exkommunikation nach einem Jahr folgenden Verurteilung (p.3, q.32)).

24

Albertinus, De assertionibus cath., q.26; insbesondere nr. 11 ff.

Inquisitoren und der „Rat erfahrener Männer" bei der Urteilsfällung

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episcopo . . . (vel inquisitoribus) . . . ac nihilominus, sive episcopus, sive inquisitores processerint, aliquibus aliis personis providis et honestis iurisque peritis, quos ad hoc vocari, et eis per totum processum, super quo deliberandum est, seriöse manifestari et integraliter explicari, et de ipsorum consilio ad sententiam vel condemnationem procedi volumus, exprimantur . . . " . Albertinus stellt ab auf die Worte „de consilio". Wird das Wort „de" verwendet, dem eine stärkere Bedeutung beikommt als dem Wort „cum", so heißt dies, daß der Inquisitor den Rat der Männer einholen und ihn befolgen muß; ein Akt, der ohne diesen Rat vorgenommen wird, ist nichtig. Dies gilt allgemein für die „causa haeresis", eine Beschränkung ist nicht vorgesehen2 5 . Ist der Richter der Ansicht, der Ratschlag dieser Männer sei ungerecht (iniustum), so ergibt sich: handelt es sich um iudices imperiti und idioti, wie dies allgemein der Fall ist bei den praesides, denen (deshalb) assessores beigegeben werden, so sündigen diese Richter nicht, wenn sie dem Rat ihrer assessores folgen; handelt es sich dagegen um iudices periti, so brauchen diese einem consilium iniustum seu iniquum nicht zu folgen; in diesem Fall ist der höherstehende oder der Generalinquisitor oder der Papst zu befragen. Bartholomäus de Spina 26 vertritt die Ansicht, die Kirche habe die Inquisitoren nicht in der Weise eingeschränkt, daß sie den Willen des von ihnen einberufenen Rates befolgen müßten. Diese Einberufung des Rates sei vielmehr als das von der Kirche an den Inquisitor verliehene Vorrecht anzusehen, sich nach Art rechtsprechender Fürsten Räte und Gehilfen beizuladen; es stehe deshalb auch in der Macht der Inquisitoren, nach ihrem eigenen Willen zu urteilen. Bei den schon mehrmals erwähnten2 7 Innsbrucker Hexenprozessen von 1485/86 wurden die Urteile von einem Kollegium gefällt, innerhalb dessen Institoris als Ankläger auftrat, aber offenbar auch Richterfunktion ausübte. Das Kollegium setzte sich zusammen aus einem Abgesandten des Bischofs, dem Canonicus von Passau, dem Pfarrer von Axam und drei Ordensbrüdern des Institoris; anwesend waren auch zwei Notare, die aber wohl nicht zu diesem Kollegium zählten. Entgegen den Ausführungen des Institoris wurden die Angeklagten hier auf Beschluß des Kollegiums freigesprochen; man ging also wohl — wie Albertinus —

25 26

27

Auf c. Ut commissi (in sexto, 5, 2, 12) beruft Albertinus sich nicht; es heißt dort: „ . . . advocandi quoque . . . peritos quoslibet, ut vobis ^sistant et in huiusmodi ferendis sententiis praebeant consilium opportunum . . . " . Spina, In Ponzibium; apologia 3, cap. 5; im Rahmen der Entgegnung auf die Forderung des Ponzinibius, weltliche Juristen am Ketzerverfahren zu beteiligen; s. unten 2 B III Vgl. oben 2 AIV (V)

78

Zuständigkeitsabgrenzung im einzelnen

von der Bindung des Inquisitors an die Entscheidung des Rates aus 2 8 . Als Begründung für den Freispruch wurde angegeben, das Verfahren sei nicht nach den Rechtsvorschriften geführt worden. Der Verteidiger hatte Institoris unter anderem vorgeworfen, seine in der (Hexen-) Bulle niedergelegten Kompetenzen überschritten zu haben insofern, als - neben anderem — kein vom Bischof vereidigter Notar anwesend gewesen sei, Institoris Fragen über Vergehen gestellt habe, die in der Bulle nicht genannt seien und außerdem die Angeklagten habe gefangennehmen lassen, bevor die Verfahren in rechtlicher Weise gegen sie eröffnet worden seien.

III) Beteiligung weltlicher Juristen am Inquisitionsverfahren? Vertritt man die Ansicht, das Hexenwesen sei keine Realität, so stellt sich die Frage, wie die Verfolgung der Hexen verhindert werden kann. In diesem Rahmen ist die Forderung des Ponzinibius zu sehen, am Inquisitionsverfahren weltliche Juristen zu beteiligen2 9 . Die Beschäftigung mit dem Recht, so führt Ponzinibius aus, ist als Wissenschaft anzusehen3 0 , die für die disputationes theologales förderlich ist; insbesondere ist sie dies dort, wo über die Realisierung der Gerechtigkeit gesprochen wird. Die doctores als die tractatores criminalium sind deshalb während des ganzen Inquisitionsverfahrens zur Unterstützung heranzuziehen, und zwar in der Weise, daß sie in den Rat der erfahrenen Männer aufzunehmen sind; c. Ut commissi und c. Statuta quadam (in sexto, 5, 2, 12 und 20) 3 1 sind in dieser Weise zu verstehen. Gegen diese These wendet sich Bartholomäus de Spina3 2 . Zwar ist zuzugeben, daß die Gesetze für einige disputationes theologales förderlich sind; jedoch trifft dies nicht für alle zu; ihr förderliches Wirken entspricht vielmehr der unterwürfigen Art der Mägde. Ponzinibius („hic homo") will Richter und Kritiker der Theologen sein. Es ist aber festzuhalten, daß die Juristen sind die „tractatores criminalium civilium, non autem spiritualium"; unter letztere Verbrechensart 28

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Vgl. dazu Henner, Org. d. Ketzeiger., S. 142 ff.: in sexto, 5, 2, 20 regele nicht die Frage der Bindung an die Entscheidung des Rates, sondern nur die Frage, ob der Rat überhaupt anzuhören sei; eine grundsätzliche Bindung der Inquisitoren sei abzulehnen, weil die Möglichkeit der Bestellung des Rates nur fakultativ sei (gestutzt auf: in sexto, 5, 2,12; s. Anm. 25); in sexto, 5, 2, 20 (auf den sich Albertinus stützt) sei eine Ausnahme, die aber freilich praktisch immer vorliege. Ponzinibius, De lamiis, nr. 66 Vgl. auch die Darstellung der Meinung des Ponzinibius oben unter 1 B I 3 In beiden ist vom Rat der rechtserfahrenen Männer die Rede; vgl. oben II Spina, In Ponzinibium, apologia 3, cap. 5

Beteiligung weltlicher Juristen am Inquisitionsverfahren?

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aber fällt das Verbrechen der Häresie. Die Theologen sind nicht nur die primi tractatores dieses Verbrechens, sie sind auch die iudices exterminatores. An den Rat der erfahrenen Männer sind sie im übrigen auch nicht gebunden3 3 . Dazu kommt, daß die Inquisitoren eigene und verschiedenartige Wege der Prozeßführung haben und bei der Auferlegung von Bußen auf Gewohnheiten zurückgreifen; beides aber ist den Juristen oft nicht bekannt. Dies fuhrt dann oft dazu, daß sie zu einem Hindernis bei der Durchführung des Inquisitionsamtes und für die Inquisitoren unangenehm werden (molesti sunt), wenn sie versuchen, deren Verhalten bei der Zeugen- oder Angeklagtenbefragung nach Maßgabe des modus communis einzuschränken 34 . Ihre Mitwirkung ist deshalb abzulehnen. Auch Institoris lehnt die Beteiligung weltlicher Juristen offenbar ab. In einem Schreiben des Bischofs Georg Golser an Institoris aus Anlaß der Hexenverfolgung in Innsbruck 1485 35 heißt es: „Bonum tarnen videretur, quod P.V. aliquos ex doctis consilariis illustrissimi et potentissimi principis nostri adhiberet, seu ab eis darf consilium expeteret". In dem dann einberufenen Consilium befinden sich jedoch keine Vertreter oder Angehörige der weltlichen Macht 36 .

33 34

Vgl. oben II Hansen, Quellen, S. 67 3, führt den Fall der Stadt Metz an, wo nach einer aufgrund des Urteils eines Inquisitors erfolgten Hexenverbrennung beschlossen wurde, daß in Zukunft bei den Prozessen der Inquisitoren weltliche Richter zugegen sein sollten.

35 36

Sinnacher, Geschichte, S. 627 ff.; vgl. oben II Darüberhinaus hatte der Erzherzog den Bischof beauftragt, selbst einen Kommissar zu ernennen, wohl um selbst niemanden entsenden zu müssen.

C) DIE AUSLIEFERUNG AN DIE WELTLICHE MACHT 1

I) Die Auslieferung wegen erwiesener Ketzerei 1) Zwar sind bei der Ketzerei, und damit auch regelmäßig bei der Hexerei, die Inquisitoren zuständig. Ihre Kompetenz beschränkt sich jedoch darauf festzustellen, ob jemand als Ketzer anzusehen sei (cognoscere). Die Verurteilung und Bestrafung liegt im Zuständigkeitsbereich der weltlichen Macht (condemnare et punire) 2 . Die Auslieferung an die weltliche Macht erfolgt, um die Ketzer mit der gebührenden Strafe (animadversio debita) zu belegen, wenn diese nicht bereuen und nicht zur Kirche zurückkehren; was die Priester nicht per doctrinae sermonem erreichen können, soll die weltliche Macht gebieten per disciplinae terrorem. 2) Rechte und Pflichten des weltlichen Richters Im Rahmen des Auslieferungsgrundsatzes besteht ein heftiger Streit darüber3, ob der weltliche Richter verpflichtet ist, die sententia der geistlichen Richter „oculis clausis" durchzuführen; „sine aliqua . . . visione" wird in einer Bulle Papst Innozenz' VIII. gefordert, da Häresie ein delictum mere ecclesiasticum sei4. a) Gegensätzliche Auffassung von legistae und canonistae Die Ansicht, der weltliche Richter könne ein neues Verfahren durchfuhren und danach über processus, sententia inquisitoris und crimen (erneut) urteilen, ist — so Albertinus5 — die Ansicht von „plures famosissimi doctores", denen die legistae folgen. Nach dieser Ansicht braucht der weltliche Richter nicht tätig zu werden, bevor er sich nicht von der iustitia processus überzeugt hat. Begründet wird diese Ansicht mit einer Konstitution Justinians die vom crimen mixti6 fori spricht, bei dem sowohl der geistliche als auch der weltliche Richter ein Urteil fällen können 7 .

1

Zur Strafbarkeit siehe den 3. Teil

2

Simanca, De institutionibus cath., q.3G, nr. 3 ff.

3

Vgl. dazu Albertinus, De assertionibus cath., q.25; Simanca, a.a.O., q.36

4

Abgedr. b. Hansen, Quellen, S. 29 f.

5

Albertinus, a.a.O., q.25, nr.43 ff.

6

Vgl. zu diesem Ausdruck 2 C I 2 d, e; auf welche Konstitution Bezug genommen wird, wird nicht gesagt.

7

Vgl. auch unten c);

Die Auslieferung wegen erwiesener Ketzerei

81

Die gegenteilige Ansicht — der weltliche Richter als merus executor, der das vorhergehende Verfahren nicht überprüfen kann und die sententia des Inquisitors ohne Aufschub zu vollstrecken hat - ist dagegen aber, so Albertinus weiter, richtiger und vertretbarer; sie wird auch durch die Gewohnheit als richtig bestätigt und entspricht dem allgemeinen Urteil der Kanonisten 8 ; gestützt wird diese Ansicht auf c. Ut inquisitionis9. Die Auslieferung des Häretikers an die weltliche Macht geschieht „tamquam de superiori ad inferiorem; unde inferior solum habet exequi, et non cognoscere de crimine"; der weltliche Richter ist ein „merus executor". Könnte der weltliche Richter über eine bereits entschiedene Ketzereiangelegenheit erneut urteilen, so wäre das Urteil des geistlichen Richters „illusorie" 10 . b) Ausnahmen Diese nach Ansicht der canonistae bestehende Verpflichtung des weltlichen Richters zur sofortigen Vollstreckung des Urteils ohne Überprüfung desselben gilt aber nicht ausnahmslos. aa) Steht für den weltlichen Richter fest, daß die sententia des geistlichen Richters rechtswidrig (iniusta) ist, so braucht er sie nicht gegen sein Gewissen auszuführen, weil die Hilfe des weltlichen Armes nur zu Dingen zu gewähren ist, die Gott wohlgefällig sind und nur auf diese Weise ein nicht wiedergutzumachender Schaden vermieden werden kann. Der weltliche Richter braucht also niemanden hinzurichten, den er für unschuldig hält. Vielmehr soll er die Angelegenheit an den Inquisitor zurückgeben, damit dieser erneut und gerechter darüber urteilen kann 1 1 . (Freilich besteht auch die Möglichkeit, daß der geistliche Richter, wenn er will, auch von einem zweiten weltlichen Richter Hilfe erbitten und den ersten weltlichen Richter übergehen (omittere) kann 1 2 .) Dieser Meinung kann aber, so Simanca 13 , nicht zugestimmt werden; sie ist falsch 8

Simanca, De institutionibus cath., q.36, nr 3 ff.; Albertinus, De assertionibus cath., q.25, nr. 43 ff.; Como, Lucerna, „Executio contra Damnatores", § 6; Pegna führt in seiner Anm. bei Como aus, die sofortige Ausfuhrung des Urteils der geistlichen Richter sei zur Praxis geworden.

9

10 11 12

In sexto, 5, 12, 18, § prohibemus: „Prohibemus quoque districtius potestatibus, dominis temporalibus et rectoribus eorundemque officialibus supra dictis, ne ipsi de hoc crimine (haeresis), quum sit ecclesiasticum, quoquo modo cognoscant vel iudicent aut exsecutionem, sibi pro huiusmodi crimine a dioecesano vel inquisitoribus seu inquisitore iniunctam, prompte, prout ad suum spectat .officium, facere seu adimplere d e t r e c t e n t . . . " . Albertinus, a.a.O., q.25, nr.43 Alciatus, De officio, c.l, nr. 101 ff. (110) Alciatus, De officio, c. 1, nr. 29

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Simanca, De instit. cath., t.36, nr. 3 ff.

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und gefährlich. Denn woher soll der weltliche Richter wissen, daß der von dem geistlichen Richter als Häretiker Bezeichnete unschuldig ist? Aus den Akten kann er dies nicht entnehmen, weil er sie, so der Grundsatz, nicht einsehen darf. Aufgrund eines Gefühles (conscientia) aber soll kein Urteil gefällt werden 1 4 . bb) Der weltliche Richter kann prüfen, ob das Urteil des Inquisitors nichtig ist deshalb, weil der Inquisitor unzuständig gewesen ist. Ein nichtiges Urteil braucht nämlich nicht vollzogen zu werden. Daß der weltliche Richter grundsätzlich nicht befugt ist, über Häresie zu urteilen, steht nicht entgegen, weil er hier nicht über das Vorliegen von Häresie, sondern über die Nichtigkeit eines Urteiles entscheidet 15 . Dagegen spricht, so wieder Simanca 1 6 , daß der weltliche Richter die sententia des geistlichen Richters sofort zu vollziehen hat, ohne die Angelegenheit weiter zu prüfen. Auch ist die Möglichkeit sehr gering, daß ein Inquisitor trotz Unzuständigkeit in einer Sache urteilt, denn die Inquisitoren sind gelehrte und weise Männer; dazu kommt, daß die sententia abgefaßt wird zusammen mit dem Rat der erfahrenen Männer und schließlich auch vor Klerus und Volk öffentlich verlesen wird, wobei der Sachverhalt kurz geschildert wird, so daß der Inquisitor mit einem großen Aufsehen rechnen müßte, wenn er rechtswidrigerweise von seiner Zuständigkeit ausgegangen wäre. c) Argumente gegen die Meinung der canonistae Die Meinung, die die Rechte, insbesondere das Informationsrecht des weltlichen Richters einschränkt, bleibt nicht ohne Widerspruch. Alciatus führt dazu aus 1 7 : Der Begründung durch c. Ut inquisitionis, § prohibemus 18 ist entgegenzuhalten: der dort gebrauchte Begriff „cognoscere" ist von seinem Wesen her („proprie") zu verstehen als gerichtliche Untersuchung mit Anhörung der Parteien. Diese Regelung hindert den weltlichen Richter aber nicht daran, die Prozeßakten zu seiner Information einzusehen. Auch daß die sententia des geistlichen Richters „prompte" ausgeführt werden soll, steht diesem Informationsrecht nicht entgegen, denn dieser Begriff wird modifiziert durch die Erfordernisse, die das Amt des ausführenden Richters stellt. „Prompte" erfolgt die Ausführung einer sententia demgemäß auch dann, wenn sie möglichst bald nach Einsicht in das Prozeßgeschehen stattfindet.

14 15 16

Auf die Kenntnis des Sachverhaltes durch die Verlesung des Urteils (unten bb) wird nicht eingegangen. Alciatus, De officio, c.l, nr. 101 ff. Simanca, De instit. cath., t.36, nr.3 ff.; Albertinus, De assert. cath., q.25, nr.43 ff.

17 18

Alciatus a.a.O. Vgl. oben a)

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Diese Ansicht führt im übrigen auch zu einem Ausgleich im Hinblick auf die Praxis einiger Inquisitoren, die Hals über Kopf über gewisse Frauen urteilen. Nach Alciatus 19 besteht daher für den weltlichen Richter die Möglichkeit, die Vollziehung einer sententia eines Inquisitors abzulehnen, wenn er — auf Drängen der Parteien (also der Angeklagten) - sich die Prozeßakten ansieht und zum Beispiel feststellt, daß die Frau wegen der Anfertigung eines Liebestrankes verurteilt wurde (weil der Inquisitor dann nicht zuständig ist, vgl. oben 2 A II 3 ) 2 0 . Diese Ablehnungsmöglichkeit hat er auch dann, wenn die Frau beschuldigt wurde, an einem Sabbat teilgenommen zu haben (weil die Realität der Flüge und des Sabbats zu verneinen ist). Allerdings ergibt sich für Alciatus das Problem, daß der weltliche Richter, der eigentlich nur der executor ist, sich in jede Untersuchung einmischen könnte mit der Argumentation, er wolle die Rechtmäßigkeit nachprüfen. Zu klären ist deshalb, ob der weltliche Richter auch dann als ausführendes Organ tätig werden muß, wenn ihn der geistliche Richter nicht mit dem Prozeßinhalt vertraut macht. Das ist zu bejahen, es besteht keine Mitteilungspflicht für den geistlichen Richter. Bekommt der weltliche Richter aber auf andere Weise Einblick in den Prozeß (etwa - wie in den erwähnten Beispielsfällen - dadurch, daß sich ihm die Angeklagte offenbart), so kann er das Urteil auf seine Gerechtigkeit hin überprüfen und die Vollziehung verweigern. Daneben kann er die Vollziehung auch dann verweigern, wenn etwas extra-iudicialiter gemacht werden soll; geistlicher und weltlicher Richter stehen in diesem Bereich nämlich auf gleicher Stufe, so daß der weltliche dem geistlichen nicht zu folgen braucht. d) Regeln für das crimen mixtum Die bisher aufgeführten Grundsätze gelten, wie hervorgehoben wird 2 1 , nur für das crimen mere ecclesiasticum. Handelt es sich dagegen um ein crimen mixtum, so kann der weltliche Richter jederzeit selbst untersuchen, auch dann, wenn der geistliche Richter bereits ein Urteil gefällt hat; Hilfe braucht er nur zu leisten, wenn er mit dem Prozeß vertraut gemacht wird (§ si vero crimen; Nov. 123,21, § l ) 2 2 . Der Grund dafür 19 20 21 22

Alciatus, De officio, c.l, nr.104 ff. Auf diese Ansicht des Alciatus weist besonders hin Simanca, a.a.O., t.36, nr. 8 Albertinus, a.a.O., q.25, nr.65 ; Alciatus, De officio, c.l, nr.102 Diese Vorschrift bezieht sich allerdings nur auf geistliche Personen. Die Bezugstelle vor § 1 lautet: „Si quis contra aliquem clericum aut monachum aut diaconissam aut monastriam aut ascetriam habet aliquem actionem . . . " . Der § 1 lautet: „Si vero crimen fuerit quod adversus quamlibet memoratarum reverentissimarum personarum inferatur, si quidem episcopum aliquis accusatur et

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liegt darin, daß der weltliche Richter hier selbst urteilt. Jedoch gilt dieser Grundsatz dann nicht, wenn der Bischof sein Urteil nach Maßgabe der canones selbst vollstrecken will und vom weltlichen Richter nur verlangt, „ut concedat sibi familiam"; der weltliche Richter ist dann als executor anzusehen und kann daher nicht selbst untersuchen2 3 . e) Hexerei/Zauberei als delictum mixtum? Aufgrund des verschiedenartigen Verhältnisses zwischen geistlichem und weltlichem Richter je nachdem, ob ein delictum ecclesiasticum oder ein delictum mixtum vorliegt, ist der Charakter des Hexerei- und Zaubereideliktes zu klären. Dabei ist festzuhalten, daß die Hexerei unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden kann: im Hinblick auf die (regelmäßig) darin enthaltene Ketzerei und im Hinblick auf die verübten weltlichen Verbrechen. Einen dieser beiden Gesichtspunkte nun kann man in den Vordergrund schieben und die Zuständigkeitsfrage allein gestützt auf diesen Punkt zu klären versuchen. So legt etwa Simanca das Hauptgewicht auf die Häresie der Hexen und betont dazu, die Inquisitoren seien besser geeignet, gegen sie vorzugehen, weil sie verborgene (secreta) Kerker hätten, in denen für die Einwände der Advokaten kein Platz sei und weil sie beim Verhör, was Fragen und Ermahnungen betreffe, geschickter seien; mit Recht hätten deshalb bereits die Vorfahren die Kompetenz der Inquisitoren bejaht und würde sie deshalb auch heute bejaht 2 4 . Institoris, der im Rahmen der hier behandelten Literatur insoweit eine Einzelmeinung vertritt, betont dagegen die weltlichen Verbrechen („hoc crimen maleficarum non est mere ecclesiasticum. immo potius civile propter damna que inferuntur temporalia"; - „maleficorum autem crimen non videtur mere ecclesiasticum, sed etiam civile")2 s und rückt die Zuständigkeit der weltlichen Behörden in den Vordergrund; allerdings ist zur Alleinzuständigkeit erforderlich, daß der geistliche Richter seine Kompetenz abtritt 2 6 . ipse veritatem invenire potuerit, ab honore aut gradu hunc secundum ecclesiasticas regulas eiciat, et tunc competens iudex hunc comprehendat et secundum leges litem examinans fidem imponat". - Im folgenden: wenn Anklage zuerst beim weltlichen Richter erhoben wird, sollen die Protokolle an den Bischof ausgehändigt werden; wenn dieser die Tat für beweisen hält, soll er den Betroffenen degradieren; wenn nicht: Verschiebung der Degradierung unter Sicherheitsleistung und Meldung an den höheren weltlichen Machthaber, der darüber entscheidet. 23 24 25 26

Alciatus, De officio, c.l, nr. 120 Simanca, De institutionibus cath., t.37, nr. 13 ff.; damit soll aber nicht die Alleinzuständigkeit der Inquisitoren begründet werden. Institoris, Malleus malef., p.3, q. introd.; p.2, q . l , c.16; Zweck dieser Ausführungen ist es, die Zuständigkeit (auch) der weltlichen Gerichte bejahen zu können. Institoris, a.a.O., p.3, q. introd. a.E.

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Im Regelfall steht bei den Erörterungen die Ketzerei im Vordergrund, wird daraus aber nicht die Alleinzuständigkeit des geistlichen Richters abgeleitet. Ausgegangen wird vielmehr, wie dies auch bei Institoris der Fall ist, von der Zuständigkeit der geistlichen Richter für die Ketzerei und der Zuständigkeit der weltlichen Richter für die weltlichen Verbrechen der Hexen und Zauberer2 7 . Zuständig ist daher sowohl der weltliche als auch der geistliche Richter und insofern könnte von einem delictum mixtum oder delictum mixti fori 2 8 gesprochen werden. Bedenken bestehen aber deswegen, weil das Verbrechen der Hexerei eigentlich in zwei Delikte aufgeteilt und jedes dieser Delikte für sich betrachtet wird. Gerade dies aber ist — zumindest in dieser ausgeprägten Form bei den delicta mixta 29 ansonsten nicht der Fall. So werden etwa das sortilegium und die divinatio, die in X, 5, 21, 1 genannt sind, zwar als delicta mixta angesehen, doch wird diese Vorschrift nur bezogen auf die „divinatores meri", gegen die der Vorwurf der Ketzerei nicht erhoben werden kann (im Gegensatz zu den „divinatores non meri, sed ad haereses contracti") 3 0 . Für die hier zu lösende Frage, welche der oben (a—d) angeführten Grundsätze im Verhältnis zwischen geistlichem und weltlichem Richter zur Anwendung kommen, ist aufgrund der Aufteilung des Hexereideliktes in Ketzerei einerseits und weltliche Verbrechen andererseits daher von folgendem auszugehen: Urteilt der geistliche Richter über eine nicht mit Ketzerei verbundene Zauberei, so sind die Grundsätze für das delictum mixtum anzuwenden (oben d). Urteilt der geistliche Richter, wie dies regelmäßig der Fall sein wird, über eine mit Ketzerei verbundene Hexerei oder Zauberei, so sind die Grundsätze für das crimen mere ecclesiasticum (oben a—c) anzuwenden — daß Ketzerei ein crimen mere ecclesiasticum darstellt, ist einhellige Meinung. Untersuchungsmöglichkeit (nur) des weltlichen Richters ist allein zu bejahen im Hinblick auf die weltlichen Verbrechen, wobei diese Untersuchungsmöglichkeit nicht den Weg zu einer Überprüfung des Ketzereitatbestandes eröffnet 3 1 . 27 28 29 30

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Vgl. oben 2 A V; für die Praxis vgL 2 D Diese Bezeichnung wird für die Hexerei verwendet von Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 406; allgemein zu diesen Begriffen: Hinschius, Bd. 6, S. 40 ff. Aufzählung dieser delicta bei Hinschius, Kirchenrecht, S. 42, Anm. 1 Repertorium, ,.Divinatores"; Castro, De punitione haereticorum, lib.l, c.l3. - Wegen dieser Vorschrift scheint es auch bedenklich, wenn Kunstmann, Zauberwahn in Nürnberg, ausführt (S. 11), das Zaubereidelikt habe von dem Zeitpunkt an zu den delicta mixti fori gezählt, als es wegen des damit verbundenen Schadenszaubers unter die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte gefallen sei. Albertinus, De assertionibus cath., q.25, nr.43; freilich führt die Untersuchung der weltlichen Verbrechen wegen des Zusammenhanges im Regelfall auch zu einer Überprüfung der ketzerischen Handlungen; dazu wird von den Autoren, die sich mit dem hier behandelten Thema befassen (insbes. Simanca, Albertinus, Alciatus) nicht Stellung genommen.

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Die Mitwirkung der weltlichen Macht kann im übrigen durch kirchliche Zwangsmittel erzwungen werden (in sexto, 5, 2, 11, § 2 : „per censuram ecclesiasticam")3 2 3 3

II) Die „Auslieferung" wegen weltlicher Veigehen 1) Die „Überlassung" Der geistliche Richter hatte keine Möglichkeit, über die weltlichen Verbrechen der Hexen zu befinden. Zu klären war deshalb, ob und inwieweit er den Zu dem hier vertretenen Ergebnis vgl. die allg. Ausführungen insbesondere von Hinschius und Plöchl (s. Anm. 28). Bei dem von Hinschius für die Annahme des delictum mixtum zit. Schmalzgrueber heißt es in Crimen fori, tom. I, tit. XXI, n.51: „Quis sit Judex in crimen magiae, et Sortilegii? crimen hoc mixti fori est, ita, ut non tantum Clericos, sed etiam Laicos, huius criminis reos, judicare, et punire Judex Ecclesiasticus possit." Zu beachten aber Judicium, tit.I, n.62: „Quaenam causae sint mixti fori? . . . 8. Causae blasphemiae, divinationis, seu magiae illicitae, sortilegii, nisi saperent haeresim; tunc enim ad solius Judicis Ecclesiastici cognitionem spectarent." Auch der von Merzbacher und Hinschius zit. Reiffenstuel bezeichnet sortilegium und magia zwar als delicta mixti fori (Jus canonicum, 5. Bd., tit. XXI, n.18), betont aber bei der Behandlung der crimen mixti fori, daß Ketzerei ein crimen mere eccl. sei (a.a.O., 2. Bd., tit.II, n.158/159). 32

Repertorium, „Brachium"; Nicht-Vorgehen kann auch als Begünstigung gewertet werden. Beispiele für die Verweigerung der Hinrichtung von Hexen (Venedig): Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 404; vgL auch die Bulle Leo X. vom 15.2.1521 an die Bischöfe im venetianischen Gebiet (Hansen, Quellen, S. 32). Zur Behandlung von gegen die Interessen der Inquisitoren verstoßenden Gesetzen: Henner, Org. d. Ketzerger., S. 214 ff.

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Zur .juristischen Verantwortlichkeit" für die Hinrichtung führt Dordett, Jurist. Verantwortl. d. Inqu. tribunale, aus (S. 32 ff.; ihm folgend Flatten, Häresieverdacht, S. 48, Anm. 55): Aufgrund eines Vertrages seien die weltlichen Machthaber verpflichtet, gegenüber den von der Kirche Ausgelieferten nach den weltlichen Gesetzen vorzugehen; sie hätten die Vollzugsorgane daher mit der notwendigen Vollmacht ausgestattet. Die bei der Auslieferung durch den geistlichen Richter üblicherweise vorgebrachte Fürbitte, von der Todesstrafe abzusehen, scheine einer juristischen Fiktion gleichzukommen und sie beinhalte die juristische Distanzierung von dem Vollzug des Urteils. - Nachweise dazu, auch bezüglich von Gegenansichten („Scheincharakter" der Fürbitte), bei Dordett, a.a.O., S. 32 ff..Die hier behandelten Autoren untersuchen diese Frage, soweit ersichtlich, nicht. Zur Beurteilung der .juristischen Verantwortlichkeit" vgl. aber auch die Stellung des weltlichen Richters als „merus executor" (oben 2 C I 1); vgl. auch Socinus cap.9 (Hansen, Quellen, S. 212 ff., 214): et indixi, quod crimen haeresis in tantum est mere ecclesiasticum, quod secularis minime potest se de illo intromittere, excepta duntaxat facti executione, quam etiam. secularis minime solum ad mandatum exxlesie imponere p o t e s t . . . " .

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weltlichen Richter am Verfahren vor dem geistlichen Gericht beteiligen oder die Angeklagte dieser Verbrechen wegen ausliefern durfte. Albertinus 34 vertritt dazu die Ansicht, daß eine Hexe, die vor dem Inquisitor einen Mord oder ein anderes von den leges civiles mit der Todesstrafe bedrohtes Verbrechen gesteht, wegen dieser weltlichen Verbrechen nicht an den weltlichen Richter zur Aburteilung ausgeliefert werden darf; diese Hexe ist vielmehr wieder — wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind — in die kirchliche Gemeinschaft aufzunehmen. Um nicht in die Irregularität zu verfallen 3 5 , soll der geistliche Richter im übrigen dabei auch beachten, daß er dem weltlichen Richter weder den Prozeßinhalt mitteilen, noch eine Abschrift des Geständnisses übergeben darf, wenn der weltliche Richter aufgrund dieser Angaben die Todesoder eine Körperstrafe auferlegen könnte. Auch bei der (öffentlichen) Verlesung der sententia dürfen derartige Geständnisse nicht erwähnt werden. Das Argument, auf diese Weise würden die von den Hexen begangenen weltlichen Verbrechen ungesühnt bleiben, schlägt nicht d u r c h 3 6 . Denn man soll nichts Unerlaubtes tun, um einen an sich wünschenswerten Erfolg herbeizuführen. Man soll für das weltliche Wohl der Menschen zwar tun, was man kann (hier: durch Bestrafung von Verbrechen); man soll dafür aber nicht sündigen, auch nicht in noch so geringem Maße. Denn jeder soll Gott über alles lieben und Gott zuliebe auf alles verzichten (Lukas 14, 26: Jünger Christi kann nicht sein, wer sich nicht von allem lossagt). Jeder ist gehalten, mehr Sorge um das Heil seiner Seele, als um das der Seele eines anderen zu tragen (Matthäus 22, 39: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" (— aber nicht mehr als dich)). Institoris und Prierias lösen dieses Problem, indem sie die Zulässigkeit einer Auslieferung zwar verneinen, ein bloßes Uberlassen und ein Nicht-Hindern der Gefangennahme aber als möglich ansehen. So heißt es in den Ausführungen des Institoris bei der Behandlung der reumütigen Hexe, die verurteilt wird zu lebenslänglichem Kerker und dazu, an der Kirchentüre Buße zu stehen: „Dum autem ipse induitur et ad portam ecclesie deducitur Judex ecclesiasticus non se amplius intromittat si curia secularis contentatur bene quidem. si non agat ad libitum" 3 7 ; letzteres bezieht sich dabei wohl auf die ausgesprochene Kerkerstrafe und den Abänderungsvorbehalt 3 8 . Daß es sich nicht um eine .Auslieferung" handelt, ergibt sich auch aus einer

34 35

Albertinus, De assertionibus cath., q.25, nr.66 ff. Auf die Irregularität weist auch Simanca, De institutionibus cath., hin (t.37, ni.17)

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Albertinus, a.a.O., q.25, nr.72; s.a. oben 2 A V Institoris, Malleus malef., p.3, q.27 a.E.; Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pet. 10 a.E. Zum Abänderungsvorbehalt vgl. 3 B. II 2 c

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Stelle im Rahmen der allgemeinen Erörterungen: 3 9 „In hac tarnen heresi licet ecclesiasticus iudex recipiat ut sie ad penitentiam. civilis tarnen propter fore facta circa damna temporalia ultimo supplicio punire potest: nec ecclesiasticus ipse impediet qui licet non eum tradat ad puniendum tarnen relinquere potest". Prierias, der sich ansonsten meist eng an den Wortlaut des Malleus maleficarum hält, spricht an dieser Stelle nur davon, daß auch der weltliche Richter bestrafen kann, nicht aber davon, wie die Hexe in die Hände des Richters gelangt 4 0 . Zur Frage, ob dem weltlichen Richter die Prozeßergebnisse mitgeteilt werden dürfen, finden sich bei Institoris keine Ausführungen 4 1 . Im Hinblick auf die Urteilsverkündung führt er an, es solle verlesen werden: „ . . . per nos . . . in multiplici pravitate maleficarum deprehensum. exprimantur articuli". Ob darunter auch die Angabe der weltlichen Verbrechen zu verstehen ist, kann daraus nicht entnommen werden 4 2 . Auch Simanca 43 ist der Meinung, der weltliche Richter könne die ihm übergebenen Hexen wegen der weltlichen Verbrechen verurteilen; er spricht dabei von den „lamias relictas". Diese Bestrafung darf allerdings nicht erfolgen aufgrund der Erkenntnisse, die vor dem geistlichen Richter gewonnen wurden. Das von Simanca gebrauchte Wort „relinquere" ist deshalb ebenfalls nur im Sinn von „überlassen", nicht im Sinn von „ausliefern" zu verstehen. Diese seine Aussage modifiziert Simanca jedoch durch eine Ausnahmeregelung: Hexen können dem weltlichen Richter übergeben (tradere) werden, wenn sie von diesem wegen Kindestötung, Beschwörung u.a. ergriffen worden und wegen ihrer incidenter begangenen Häresie, die im Verlauf der Untersuchung entdeckt wird, an das geistliche Gericht ausgeliefert worden sind. Der weltliche Richter ist zu dieser Auslieferung verpflichtet 4 4 . Auch wenn die Hexen wegen ihrer Häresie bereits vom geistlichen Richter bestraft worden sind, können sie noch vom weltlichen Richter wegen ihrer weltlichen Verbrechen bestraft werden. - Die

39 40 41

42 43 44

Institoris, a.a.O., p.3, q.19 a.E. Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.2 a.E. In der Praxis waren, zumindest bei seiner Tätigkeit in Ravensburg, Vertreter der weltlichen Macht bei den Verhören zugegen; Institoris, a.a.O., p.2, q . l , c.14, vgl. oben 2 A IV (V) Nach Hansen, Zauberwahn, S. 417 ff. waren Vertreter der weltlichen Behörden im allgemeinen bei der Schlußsitzung und Urteilsverkündung anwesend. Simanca, De institutionibus cath., t.27, nr.18 So Masuerius, Practica forensis, S. 49, nr. 14 („tradendus est"), auf den sich Simanca beruft. (Näheres über Masuerius konnte nicht in Erfahrung gebracht werden; die früheste, in der Staatsbibliothek München vorhandene Ausgabe seiner „Practica forensis" datiert von 1513). Ebenso Pegna (zu Como, De strigiis); Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4 a.A.

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Einführung dieser Ausnahmeregelung wird durch die Praxis notwendig: zumindest in Deutschland und Frankreich liegt das Hauptgewicht bei der Verfolgung der Hexen auf Seiten der weltlichen Behörden. In Deutschland sind ab etwa 1500, jedenfalls aber um 1550 (der Zeit, in der Simanca seinen Tractatus verfaßte) keine Inquisitoren mehr in Hexensachen tätig. Aufgrund dessen und aufgrund des regelmäßig primären Zugriffes der weltlichen Behörden wird diese Ausnahmeregelung zur einzigen Möglichkeit, die Häresie der Hexen vor die geistlichen Gerichte zu bringen. Zugleich wird — in der Theorie — diese Ausnahme dadurch zur Regel4 s . 2) Die Möglichkeit der Doppelbestrafung Es ist bereits ausgeführt worden, daß die Einstufung von Hexerei und Zauberei als delicta mixti fori im Hinblick auf die Trennung von weltlichen Verbrechen und Ketzerei Bedenken begegnet 46 . Diese Trennung führt — darin besteht Einigkeit — dahin, daß sowohl die Ketzerei als auch die weltlichen Verbrechen unabhängig voneinander bestraft werden können. Jedoch kann diese Trennung nicht immer durchgeführt werden; bei den bereits erwähnten „meri divinatores" ist dies zum Beispiel der Fall, bei Zauberei also, die nicht mit Ketzerei verbunden ist. Bei der Bestrafung dieser Delikte knüpfen weltliches und geistliches Gericht an dieselbe Betrachtungsweise an, so daß hier jedenfalls von einem delictum mixti fori gesprochen werden kann 4 7 . In diesen Fällen nun ist fraglich, ob auch hier sowohl das geistliche als auch das weltliche Gericht unabhängig voneinander bestrafen können oder ob die Bestrafung durch das eine Gericht die durch das andere ausschließt. a) Der Grundsatz Alciatus führt zu diesem Probelm aus 48 : Gegen die Möglichkeit einer Doppelbestrafung sprechen folgende Gesichtspunkte: die Regelung in D 48, 2, 14 („Senatus censuit, ne quis ob idem crimen pluribus legibus reus fieret"); die Regelung in D 4, 9, 6, § 4 („Possumus furti vel damni iniuriae actione uti cum nautis, ut certi homines factum arguamus: sed una contenti esse debebimus . . . sed si absolutus sit exercitor hac actione, deinde agatur cum nauta, exceptio 45 46 47 48

Nach dieser Regelung wird wohl verfahren im eingangs angeführten Beispielsfall (Eichstätt 1532) („Einleitung") Oben 2 C I 2 e; vgl. auch Hansen, Zauberwahn, 4.Kap. Dies wohl auch dann, wenn durch die nicht-ketzerische Zauberei ein Schaden entstanden ist. Alciatus, De officio, c.l, nr.128 ff.

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dabitur, ne saepius de eiusdem hominis admisso quaeratur ..."); und die Vorschrift in sexto, 2,12,2 („Cum quidem saeculares iudices, dum coram eis excipitur de re per ecclesiasticum iudicem iudicata, in casu, quo ad eum pertinet cognitio de consuetudine vel de iure, recusent excipientes audire in derogationem iurisdictionis ecclesiasticae et contemptum: decernimus . . ."(Zwang durch censuras)). Richtig ist nach Alciatus jedoch die Meinung, die die Zulässigkeit der Doppelbestrafung bejaht. Dafür nämlich sprechen die folgenden Gründe: die Vorschriften in C 1,2 („De sacros. Eccl."; ohne nähere Angaben); die Regelung in sexto, 5, 9, 5 (Inhalt, Punkt 9: „Dicit, potestates saeculares nihilominus poenis legalibus contra tales uti debere, et hunc constitutionem etiam facere observari .."); die Tatsache, daß der geistliche Richter aufgrund fehlender Jurisdiktionsgewalt keine Blutstrafe verhängen kann (X, 3, 50, 9), der weltliche Richter aber an der Verhängung einer derartigen Strafe nicht gehindert werden soll4 9 ; die Regelung in N 123, 21, § 1 („Si vero crimen" 50 ), wonach der weltliche Richter in einer causa criminalis auch dann untersuchen kann, wenn bereits der geistliche Richter untersucht und bestraft hat; verneinte man die Möglichkeit der Doppelbestrafung, so würde die Jurisdiktionsgewalt des weltlichen Richters durch den geistlichen Richter eingeschränkt, eine derartige Einschränkung ist aber nicht möglich; und letzten Endes liegt der Grund für die Zulässigkeit der Doppelbestrafung aber darin, daß eine dem einen Gesetz gegenüber begangene offensio nicht durch die satisfactio nach den Vorschriften eines anderen Gesetzes aufgehoben wird. b) Ausnahmen Dieser Grundsatz unterliegt allerdings vier Einschränkungen: (1) Er gilt nicht, wenn das crimen mixtum principaliter nach weltlichem Recht bestraft werden soll: wenn der Betroffene einmal vom weltlichen Richter bestraft worden ist, kann er nicht mehr vom geistlichen Richter bestraft werden. Dies ergibt sich aus X, 2, 2, 8, wonach die sacrilegi durch die Kirche deshalb bestraft werden, weil deren Bestrafung von den weltlichen Richtern, die sie eigentlich vornehmen müßten, unterlassen wird 51 . 49 50 51

Auslieferung ist ja, da Ketzerei nicht vorliegt, nicht möglich Wortlaut s. 2 CI 2 d (Anm.) Sacrilegium wird als delictum mixti fori angesehen, Hinschius, Kirchenrecht, Bd.6, S. 42. Anm. 1. Wortlaut von N 123, 21, § 1: „Cum sit generale, ut actor forum rei sequatur

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(2) Bei einem crimen principaliter ecclesiasticum kann der weltliche nach einer Bestrafung durch den geistlichen Richter nicht mehr „in totum", sondern nur noch „de excessu" bestrafen; zum Beispiel: hat der geistliche Richter jemanden als Wucherer bestraft, so kann der weltliche Richter (nur) noch wegen Betruges vorgehen, weil dieses Verbrechen einer selbständigen Strafe (poena arbitraria) unterliegt. (3) Der weltliche Richter kann auch dann nicht mehr bestrafen, wenn die nach dem kanonischen Recht zu verhängende Strafe eine poena legitima et ordinaria und der des weltlichen Rechts ähnlich ist. Diese Meinung wird, so Alciatus, von vielen autoritates5 2 vertreten und deshalb in der Praxis nach ihr vorgegangen. Alciatus selbst hält sie „in puncto iuris" nicht für richtig: die ratio vielmehr führe zur gegenteiligen Ansicht, daß nämlich durch die Auferlegung der kirchlichen Strafe nicht ein Verstoß gegen das weltliche Gesetz gesühnt werden könne. (4) Schließlich wird auch die Ansicht vertreten, ein vom Papst zur Untersuchung irgendeines Verbrechens entsandter geistlicher Richter sei auch zur Verhängung der Blutstrafe berechtigt; insoweit sei er vom Verbot, die Blutstrafe zu beantragen, dispensiert. Spreche ein solcher Richter jemanden frei, so könne der weltliche Richter gegen diesen nicht mehr vorgehen. Alciatus hält diese Ansicht als der „opinio communis" widersprechend nicht für richtig. Einschränkungen bei der Möglichkeit der Doppelbestrafung macht auch Albertinus 5 3 . Einwände gegen die grundsätzliche Zulässigkeit der Doppelbestrafung werden ihm zufolge, gestützt auf Hostiensis, daraus hergeleitet, daß Gott nicht zweimal in der gleichen Angelegenheit urteile. Albertinus trägt diesen Einwänden Rechnung, indem er darauf abstellt, ob es sich bei der von dem geistlichen Richter verhängten Strafe um eine „poena integra" handelt oder nicht. Ist dies

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(conveniens est, ut apud iudices saeculares raptores prius conveniantur. Sed si iustitiam exhibere contempserint, aut iudices ex quacunque causa fuerint negligentes, quia iudicandi sunt sacrilegi ab ecclesia, de crimine ilio censuram poteris in eos ecclesiasticam exercere.) Verum quoniam saeculares iudices in exhibenda iustitia personis ecclesiasticis saepe in iudicio sunt remissi, (iam per consuetudinem) in favorem ecclesiae est introductum, ut malefactores suos, qui sacrilegi sunt censendi, venerabilium locorum rectores possint sub quo maluerint iudice convenire." So auch Albertinus, De assertionibus cath., q.25, nr.58/59

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Albertinus, a.a.0., q.25, nr.58 ff.

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Die Auslieferung an die weltliche Macht

nicht der Fall, das heißt, ist der Angeklagte nicht „sufficienter punitus", dann kann der weltliche Richter bestrafen „in eo quod restât". 54 Zu betonen ist dabei erneut, daß diese Ausführungen nicht das Häresiedelikt betreffen. Häresie, auch die der Hexen, ist ein crimen mere ecclesiasticum, „ita ut laicus de illo nullo modo se possit intromittere" 5 5 .

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Nach Hansen, Zauberwahn, S. 299, war die doppelte Verurteilung im 15. Jhd. häufig; später wurde das als erstes eingreifende Gericht ausschließlich tätig. Vgl. auch „Einleitung": Fall Augsburg 1469. Alciatus, De officio, c.l, nr.73; Albertinus, a.a.O., q.25, nr.65

D) DER PRIORITÄTSGRUNDSATZ IN DER PRAXIS

1) Der Prioritätsgedanke in den Beschwerden der deutschen Nation von 1523 Prüft man die Frage, wie der Doppelzuständigkeit von geistlichen und weltlichen Gerichten in der Praxis Rechnung getragen wird, so stößt man auf den Grundsatz der Priorität. In den Beschwerden der deutschen Nation von 15231 heißt es unter der Nummer 70: Bei Rechtsfällen von gemischter Zuständigkeit (promiscuae iurisdictionis), die vor geistlichen und weltlichen Gerichten bestraft werden können, ist es in der Regel so, daß die weltlichen Richter, wenn sie ihre Jurisdiktionsgewalt ausüben wollen, von den geistlichen Richtern unter Androhung der Exkommunikation davon abgehalten werden, dies zu tun. Obwohl Meineide, Ehebruch, Hexereiverbrechen (maleficorum praestigiae) und andere Straftaten sowohl vom geistlichen als auch vom weltlichen Richter bestraft werden können, je nachdem, wer zuerst einschreiten will, eignen sich doch die geistlichen Richter diese Straffälle ausschließlich „contra omnia iura" zu 2 . Diese Aussage der Beschwerde Nummer 70 erweckt den Anschein, als schließe das Eingreifen des einen Gerichtes die Zuständigkeit des anderen aus. Dies hätte zur Folge, daß die geistlichen Gerichte auch die weltlichen Verbrechen und die weltlichen Gerichte auch die Ketzerei abzuurteilen hätten, bzw. daß Ketzerei und weltliche Verbrechen je nach dem ersteingreifenden Gericht unberücksichtigt blieben. Während sich nun Anhaltspunkte dafür, daß die geistlichen Gerichte auch die weltlichen Verbrechen der Hexen mitbeurteilen, nicht ergeben3, ist dies im Verhältnis von weltlichem Gericht und Ketzerei nicht so eindeutig zu klären. Das weltliche Gericht hat vier Möglichkeiten: es kann selbst über das Vorliegen von Ketzerei entscheiden, es kann zur Klärung dieser Frage geistliche Behörden hinzuziehen, es kann die Klärung dieser Frage völlig einem geistlichen Gericht überlassen und

1 2

Quellenverz. „Beschwerden" Nach Hansen, Zauberwahn, S. 524, Anm. 1, gibt diese Stelle der Gravamina „lediglich ältere Beschwerden über die Ausdehnung der geistlichen Gerichtsbarkeit auf Kosten der weltlichen wider, beweist also für 1522 nichts". - Nähere Ausführungen dazu macht Hansen nicht. Prozesse gegen Hexen unter Beteiligung geistlicher Behörden sind aus dieser Zeit aus Deutschland nicht bekannt (nur: Metz 1519/20, vgl. Hansen, Quellen, S. 512)

3

Vgl. aber die Ausführungen zur Strafbarkeit der reumütigen Hexe (3 B II 1)

94

Der Prioritätsgrundsatz in der Praxis

es kann die Ketzerei völlig unberücksichtigt lassen, den Betroffenen also auch nicht an das geistliche Gericht übergeben4. 2) Stellungnahme in der Literatur Auch in der Literatur finden sich Ausführungen darüber, wie die Doppelzuständigkeit in der Praxis gehandhabt werden soll. Dem Leyenspiegel, der für die Praxis von großer Bedeutung war, lassen sich dazu folgende Anhaltspunkte entnehmen: Er scheint davon auszugehen, daß das Ketzereidelikt auch von dem weltlichen Richter überprüft werden kann. Ketzer, Wahrsager, Zauberer, Unholden usw. verschulden sich „vorderst wider Göttlich gesatz". Ihre Bestrafung erfolgt „mit geystlichen penen / nach gestalt der kätzerey . . . Wo sie auch darumb vor den weltlichen verurteylet / so mögen sie nach der gewonheyt mit dem feur gepeinigt"5. Im Kapitel „Forma Citation wider Unholden" wird ausgeführt, nach den durch Anzeigen bekanntgewordenen Tatsachen „mag alßdann eyn weltlicher Richter berhätig werden / ob jhm gebürn wolle / solchs der geystlichen oder weltlichen Oberhand ferrer anzubringen". Eine Klarstellung bringt Tengler dann jedoch im Kapitel „Wie die unholden peinlich zufragen sein mögen" 6 . Dort heißt es: auch die geistliche Obrigkeit kann wegen der Beleidigung Gottes und der Seelenschäden gegen Hexen vorgehen, „obgleich wol summarie zu procediern / nichtsminder der Weltlichen Oberkeyt gezimen / wo solch übelthaten / so gar offenbar seind / und überhand nemen wollen . . . so mag man den Christlichen glauben zu hilff / handthabung und guten stattung mit dem feür / und andern aller grausamlichsten peenen . . . mit rath haben zustraffen / abzutilgen / und die geystlicheyt im nammen Gottes damit unbelästigt lassen". Diese primäre Zuständigkeit des weltlichen Gerichtes, die bei Tengler offenbar auch das Ketzereidelikt mitumfaßt, ergibt sich wohl auch aus den von Alciatus vertretenen Einschränkungen bezüglich der Zuständigkeit beim delictum mixtum 7 , hier also nach dem zu diesem Begriff Ausgeführten8 nur bei Zauberei, die nicht mit Ketzerei verbunden ist. Für die Behauptung, daß bei Zauberei das ersteingreifende Gericht die 4

Von Bedeutung dafür ist in der Praxis wohl auch die Besetzung der Gerichte. Gerichte auf geistlichen Territorien werden dieses Problem wohl anders gelöst haben als Gerichte auf weltlichen Territorien. Hier soll dieser Frage nur nachgegangen werden anhand der Literatur und der Gesetzgebung; kurz soll auch versucht werden, die Praxis in Bayern zu klären.

5

Tengler, Leyenspiegel, S. 104 ff.

6

Tengler, a.a.O., S. 106'ff.

7 8

Vgl. oben 2 C II 2 b (1) VgL oben 2 CI 2 e

Stellungsnahme in der Literatur

95

Zuständigkeit des anderen ausschlösse, führt Hansen auch Socinus an und beruft sich auf die Stelle 9 : „nam cum tale crimen utroque iure prohibitum sit et gravissimis poenis expiatum . . . merito et mixtum tarn ab ecclesiastico quam a seaculari iudice iudicatur, preventionique locum esse non ambigitur" 10 . Diese Auslegung scheint fraglich; der Satz ist im Zusammenhang zu sehen. Socinus führt aus: sortilegia, die sapiunt heresim manifestam, unterliegen allein dem geistlichen Richter, weil Häresie ein rein geistliches Verbrechen ist. Dann zählt er die Fälle auf, in denen die Voraussetzungen dieser Formel vorliegen; dazu bemerkt er, daß bei der Anrufung des Teufels in bestimmten Fällen - zum Beispiel beim Liebeszauber — keine Häresie angenommen werden könne : „quare concludendum est, quod de sortilegiis ceterisque huiusmodi tarn ecclesiasticus quam secularis cognoscere potest pariter et punire. nam cum tale crimen . . . (der oben zitierte Satz)". Darauf schließt sich an, daß Inquisitoren nur vorgehen können, wenn die Voraussetzungen der Formel des „sapere heresim manifeste" erfüllt sind. Es scheint daher eher die Auslegung richtig, daß die weltlichen Gerichte nur bei den sortilegia zuständig sind, die die Voraussetzungen der Formel nicht erfüllen, also nicht mit Ketzerei verbunden sind. Dafür spricht auch der Hinweis auf c. Cum sit generale, der auf die „sacrilegi" abstellt; sacrilegium aber Wird als (nicht mit Ketzerei verbundenes) delictum mixtum angesehen 11 . Die Regel, daß der erste Zugriff die Zuständigkeit des anderen Gerichtes ausschließt, gälte somit nur für Zauberei ohne Ketzerei; diese Beschränkung entspräche der, die auch Alciatus für die Primärzuständigkeit des weltlichen Gerichtes macht 1 2 . Die Ansicht Tenglers, daß auch mit Ketzerei verbundene Zauberei allein vor den weltlichen Gerichten abgeurteilt werden soll, wird ansonsten, soweit ersichtlich, in der Literatur nicht vertreten. Institoris kommt zwar im Ergebnis zu dieser Forderung; die Jurisdiktionsgewalt über Ketzerei liegt bei ihm jedoch grundsätzlich bei den geistlichen Behörden, die diese ihre Jurisdiktionsgewalt aber auf die weltlichen Behörden übertragen sollen 13 .

9 10

Hansen, Zauberwahn, S. 460; Socinus insoweit abgedr. in Hansen, Quellen, S. 214 secundum regulas a maioribus traditas in c. Cum sit generale"; Wortlaut des c.

11

Cum sit generale (X, 2, 2, 8): oben 2 C II 2 b (1) (Anm.) Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 42, Anm. 1

12

Alciatus, oben 2 C II 2 b (1)

13

Ob diese Übertragungsmöglichkeit besteht, ist zwar fraglich, Institoris geht aber von ihr aus; vgl. oben 2 A IV. Hansen, Zauberwahn, S. 466, geht dagegen davon aus, daß Institoris den Zuständigkeitsbereich der geistlichen Gerichte geschmälert habe.

Der Prioritätsgrundsatz in der Praxis

96

Pegna zufolge 14 kann der Inquisitor den weltlichen Richter zwingen, eine gefangene Hexe zu übergeben, wenn diese der Häresie verdächtig ist. Dies ist „certissimum et verissimum" und ergibt sich aus der „ratio criminis Ecclesiastici"; die weltlichen Richter sind auch verpflichtet, ihre Akten offenzulegen. 3) Praxis und Gesetzgebung Welcher dieser Meinungen man in der Praxis (des bayerischen Raumes) folgt, ob man die geistlichen Behörden also irgendwie am Verfahren vor dem weltlichen Gericht beteiligt, sie ein selbständiges Verfahren durchfuhren oder sie „im nammen Gottes damit unbelästigt" läßt, kann wegen des geringen Quellenmaterials kaum festgestellt werden. Mitentscheidend ist dabei aber wohl, inwieweit man Zauberei (notwendig) als mit Ketzerei verbunden ansieht. Ist dies nämlich nicht der Fall, handelt es sich also um Zauberei ohne Ketzerei und damit um ein „echtes" delictum mixti fori, so ist nach den oben ausgeführten Grundsätzen 15 nicht unbedingt ein Eingreifen der geistlichen Behörden erforderlich, ja sogar ausgeschlossen, wenn die weltlichen Behörden einschreiten. a) Folgerungen aus der Gesetzgebung? Gesetzliche Regelungen, die eine Verbindung zwischen Zauberei und Glaubensvergehen herstellen, geben keine eindeutige Auskunft über die Stellung der geistlichen Gerichte. In der Wormser Reformation von 1498 etwa heißt es nur (6. Buch, 2. Teil, Titel 10): „Von straffe der zauberer. Die so Zauberen oder zauberey treyben / zu latin genant Malefici. Oder die sich understeen der schwartzen kunnst: oder zukünfftige dingen zu sagen wider unnsern christlichen glauben denselben zu schwechen / segenen / oder andere verbotten kunst treyben: sollen nach gestalt der sach an jren leben oder leyben gestrafft werden". Am ehesten kann eine Beteiligung der geistlichen Behörden noch herausgelesen werden aus der Anordnung in der Bambeiger Halsgerichtsordnung von 1507. Dort heißt es in c. 130: „Straff der ketzerey. Item wer durch den ordentlichen geistlichen richter für einen Ketzer erkant und dafür dem weltlichen richter geantwortet wurde . . .' cl 6 ; der darauffolgende c. 131 lautet: 14

Pegna; Kommentar zu Como, De strigiis; ebenso Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4 a.A.; Masuerius, Practica forensis, S. 49', nr. 14; vgl. auch Simanca (Möglichkeit der Auslieferung wegen weltlicher Verbrechen bei vorheriger Ubergabe durch den weltlichen Richter), oben 2 C II 1; s.a. den in der Einleitung geschilderten Fall aus Eichstätt von 1532

15

Vgl. 2 C I 2, e

Praxis und Gesetzgebung

97

„Straff der Zauberey. So yemant den lewten durch Zauberey schaden oder Nachteyl zufüget, sol man straffen vom leben zum tode, und man sol solche straff gleich der ketzerey mit dem fewer thun. Wo aber yemant Zauberey gebraucht, und damit niemant keinen Schaden gethan hette, sol sunst gestrafft werden, nach Gelegenheit der sach, darinnen die Urteyler Rats gebrauchen sollen, als vom radtsuchen geschrieben stet". Andere Gesetze beinhalten zwar Regelungen bezüglich der Ketzerei, stellen aber keine Beziehung zur Zauberei her. Im Rechtsbuch des Ruprecht von Freising von 1473 etwa heißt es (1. Buch, cap. 200): „Man sol ketzer ruegnn mit geistlichnn gericht . . 7 ; sinngemäß die gleiche Regelung findet sich in einer Eichstätter Gerichtsordnung von 1450 1 8 . In anderen Gesetzen wiederum wird, ebenfalls ohne Verbindung zur Zauberei, die Strafe für Ketzerei festgelegt ohne Aussage darüber, wer über sie zu befinden hat. So zum Beispiel in der Halsgerichtsordnung von Radolphzell (1S06) von Maximilian I.: „Welcher oder welche Person Im selber den Tod tuet, seinen Herrn verrat, christlichen Glauben verlaugnet, oder sein Vater und Mueter umbringt, um das er die Erb, die sein Leib und Guet verfallen" 19 . Diese Regelung ist auch enthalten in der Tiroler Malefiz-Ordnung von 1499 in den §§28 ff. 2 0 ; bei Schwierigkeiten in der Rechtsfindung ist dabei vorgesehen (§ 58), daß Rat bei anderen Städten oder Gerichten eingeholt werden kann; für Ketzerei ist jedoch keine besondere Anordnung getroffen. Zauberei ist in beiden Gesetzen nicht erwähnt 21 . b) Zauberei und Ketzerei in Bayern Für den Raum des Herzogtums Bayern ergeben sich für die Frage der Verbindung 16

In die PGO Karls V. von 1532 ist dieser Artikel nicht aufgenommen; der Art. 109 der PGO dagegen („Straff der Zauberey") entspricht - bis auf die Wendung „gleich der ketzerey" - der zitierten Vorschrift der Bambeiger HGO.

17 18

Maurer, Stadtrechtsbuch, S. 217 Eichstätter GO; S. 532'; eventuell beruht die Übergabe im Ausgangsfall Eichstätt (vgl. Einleitung) auf dieser Regelung.

19 20

Walchner, HGO f. Radolphzell, S. 84 f. Abgedr. bei Wendt, Tyroler Malefiz-Ordnung; daneben findet sich hier auch die Bezeichnung „ketzer" („§ 15. Kirchenpruchl. § 16. prenner. § 17. ketzer § 18. velscher der Munfi Silber und Gold (sollen) mit dem prannd (gericht werden)"); Zauberei ist nicht erwähnt. Nach Lieberwirth, Einführung d. Folter, S. 18, galt die Verbindung von Hexerei/Zauberei mit Ketzerei nicht immer; am Ende des 18. Jahrhunderts war sie „schon lange nicht mehr vorhanden"; ohne genauere Ausführungen weist er dabei hin auf die Stellung dieser Delikte im System der Territorialgesetzgebung.

21

98

Det Prioritätsgrundsatz in der Praxis

von Zauberei und Ketzerei Anhaltspunkte aus der Entwicklung der Vicedomhändel. Auf dem Landtag des vereinigten ganzen Landes von 1506 in Landshut wird im ersten landschaftlichen Entwurf zu einer Erklärung der Landesfreiheit2 2 zu den Vicedomhändeln gezählt: „Nr. 17. Alle Zauberei, wie das kaiserliche geschriebene Recht die zu strafen befiehlt, dadurch man Vieh 23 und Leuten Schaden zufügt". Der erste herzogliche Entwurf nennt: „Nr. 16. Wer Zauberei treibt, die zu Schaden kommen"; dieser Fassung wird in der landschaftlichen Gegenschrift zugestimmt. Auf dem Landtag des vereinigten Landes von Landshut 1507 heißt es dann in dem landschaftlichen Entwurf zur Erklärung der Landesfreiheit mit den herzoglichen Abänderungen und Zusätzen: „Wer Zauberei treibt, die zu Schaden kommen, die sollen an dem Leib gestraft werden" 2 4 . Diese Formel wird beibehalten auf dem Landtag von 1508 und dem von 1514/15 2 5 . Die Stellung des Zaubereideliktes ist dabei folgende: 10: Münzverbrechen, 11: Notzucht, 12: widernatürliche Unzucht, 13: falscher Eid und falsches Zeugnis, 14: Zauberei, 15: Diebstahl, 16: Kirchendiebstahl, Entweihung des Friedhofes. In einem — im Wortlaut nicht bekannten — Entwurf der Landschaft schließlich wird die Zauberei mit dem Raub zusammengebracht; dies ergibt sich aus einer fürstlichen Erklärung auf dem Landtag von 1516, in der es heißt 26 : ,.Erstlich so befinden Ihr Frtl.Gdn., daß in dem Vitzdom-Artikel, die Zauberei berührend, ein Leibstraf, über das sonsten in keinem Vitzdom-Artikel von keiner Straf Meldung bescheh, benanntlich angezeigt wurde, deshalb Ihrer Gdn. Gutbedenken und Begehr wäre, daß dieselbig Leibstraf in solchem Artikel auch unterlassen, und heraussen bleib. Und nachdem Ihre Gdn. die Rauberey diesem Artikel angehängt 22 23

Krenner, Landtagshandlungen, Bd. 16, S. 3 ff. Im „Landgebot oder Landesordnung in Gerichts- und Polizeisachen" des Herzogs Georg von 1491 (Krenner 12, 337 ff.) heißt es in bezug auf das Begnadigungsrecht: „Item, wer den andern sein Vieh bey Nacht ertödte, oder hächsenete, das wissentlich erfindet". Schmellers „Bayerisches Wörterbuch" setzt zwar „hechsen" gleich dem Wort „hexen", definiert aber „hächsen" mit „die Sehnen durchschneiden". „Hechsen" als „Hexen" auch in einem Schreiben der Stadt Ravensburg an den Erzherzog Sigmund von Österreich vom 17.12.1484 (K.O. Müller, Institoris in Ravensburg, S. 400).

24

Krenner, a.a.O., 16, 107 ff.; es ist dies die einzige Bestimmung, bei der eine Strafe angegeben ist.

25

Krenner, a.a.O., 17, 73 ff. bzw. 20, 214 ff.

26

Krenner, a.a.O., 20, 366 ff.

Praxis und Gesetzgebung

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befinden, des trügen Ihre Gdn. Beschwerung, denn die Rauberey möcht nirgends baß noch gleicher als dem Diebstahl, allda sie vor auch angehangen2 7 , zugestellt werden". Ausschuß und Fürsten einigen sich dann darauf, Zauberei und Räuberei in zwei getrennten Artikeln aufzuzählen. In der Landesfreiheit von 1516 28 ist dann folgende Reihenfolge eingehalten: 10: Münzdelikte, 11: Notzucht, 12: widernatürliche Unzucht, 13: falscher Eid und falsches Zeugnis, 14: „wer Zauberey treibt, die zu schaden kumen" 2 9 , 15: Diebstahl, 16: Raub, 17: Delikte auf dem Kirchhof. Das Wort, .Ketzerei" taucht nicht auf. Diese Einreihung der Zauberei und insbesondere auch ihre Verbindung mit dem Raub rechtfertigt wohl den Schluß, daß die Praxis zumindest auch von Zauberei ohne Ketzerei ausgeht.3 0 Bestätigt wird dies durch die Strafen, die im Rentmeisteramt Burghausen für Zauberei verhängt werden 31 : sie entsprechen in Art und Höhe denen des Diebstahles. Allerdings finden sich bei diesen Eintragungen auch Bemerkungen, die für eine Verbindung mit dem Ketzereidelikt sprechen könnten. So heißt es in einer Eintragimg des Jahres 1521 32 :„Cunnzin von der Schundhub ist gestraft das sy in ainem Layb prot ainen strickh verpacken. Und den geopfert. Darumb das sy vor Zeyten gehört hat, wer das thue, dem mög man nichts stellen, gibt unglaubens und zauberey halb 2 Pfund Pfennig". 1527 33 ist an einer Stelle ausgeführt: „ . . . Damit wider die Cristlich kirch Zauberey getriben . . . " ; und 1530 3 4 : „ . . . Ainen schätz graben wollen unnd . . . (verschiedene Gegenstände) . . . alß Zauberey und Unglauben gebraucht . . . " . Daß mit diesen Wendungen aber ein Verhalten als die Voraussetzungen des Ketzereideliktes erfüllend gekennzeichnet werden soll, ist wohl nicht anzunehmen. Eher sind diese Ausdrücke hier nur im untechnischen Sinn gebraucht. Ähnliche Wendungen tauchen auch auf bei Sodomie („ . . . umb Ketzerey willen, so er mit ainer Kue

27

28 29 30 31 32 33 34

Nr. 15 des Entwurfes von 1515: „Ein jeder Diebstahl, der mit Recht peinlich bestraft werden mag (= über 6 Regensbuiger oder 15 Münchner Schilling). Desgleichen Rauberey". Krenner, Landtagshandlungen Bd. 20, S. 489 ff. Ebenso 1553; „Erklärung der Landesfreihait in Obern uund Nidern Bairn widerumb verneut im 1553. Jahr", München, o A . Nach dem Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751 (1. Teil, 7. Kap., §§ 7/8) kann Ketzerei in Hexerei und Zauberei enthalten sein, es muß dies aber nicht sein. Vgl. dazu Anhang I Kreisarchiv, RL, Fasz. 58, Nr. 258, S. 9' a.a.O., Fasz. 59, Nr. 263, S. 45 a.a.O., Fasz. 59, Nr. 266, S. 39

100

Der Prioritätsgrundsatz in der Praxis

begangen . . ," 3 5 ) und bei Blutschande ( wider die Christlich Ordnung kätzerisch gehanndlt . , . " 3 6 ) . Goldast allerdings37 spricht 1629 von der Sodomie als einer „species haereseos": „Dann in Allgaw / Tyroll / der Schweitz / Pündten / Wallis / Ober Elsaß / und deren orten wird ein solcher Unmensch ein Ketzer genandt / auch in gemein als ein Ketzer / mit Fewer gestraffet". Aufgrund der vergleichbaren Ausdrücke bei Zauberei einerseits und bei Sodomie und Blutschande (die nicht mit Ketzerei im juristischen Sinn verbunden sind) andererseits, dürften diese Wendungen auch hier nicht auf das Ketzereidelikt hinweisen 38 . Damit soll freilich nicht gesagt sein, daß eine derartige Verbindung nie vorgenommen wird. In einer Eintragung aus dem Jahre 1541 3 9 etwa heißt es: „ . . . ist mit Aberglauben / unnd verdächtlichen gebethen umbgangen. die leüt gelemnt für Krannckhaitn unnd das die mannen Ire Weiber nit schlagen, also ain lauf zu Ir gemacht / deshalb vennklich einkommen, durch das Regiment in straff erkhennt / unnd soll füro Irs Irthumbs absteen: 5 Pfd. Pf.". Die letzere Wendung legt es nahe, hier von einer Verbindung zwischen Zauberei und Ketzerei zu sprechen. Ob zur Stützung dieser Ansicht auch der Kelheimer Hexenhammer4 0 herangezogen werden kann, ist fraglich, da dieser von Hexen, nicht aber nur von bloßer Zauberei spricht. Er ist jedoch - zusammen mit der oben zitierten Stelle aus den Rechnungsbüchern — ein Indiz dafür, daß die Ketzerei der Hexen bzw. Zauberer vor dem weltlichen Gericht behandelt wird 4 1 . Die in diesem Katalog genannten Fragen beschränken sich nicht auf die Punkte, die die Verursachung weltlicher Verbrechen betreffen; sie beziehen sich auch — und ausführlich — auf das Geschehen auf dem Sabbat, die Verehrung des Teufels und die Lästerung Gottes; in Punkt III schließlich („circa sacrilegia") tauchen auch folgende Fragen auf: „8. Ob sie glaubt, daß die heilige Himmelskönigin und Junckfrau Maria auch andere auserwählte Gottes für sie bitten und fiirsprecher sein khönden? 35

36 37 38 39 40 41

a.a.O., Fasz. 61, Nr. 280, S. 131* (1544), wobei die Todesstrafe (Verbrennen zusammen mit der Kuh) verhängt wird (ähnlich a.a.O., Fasz. 63, Nr. 285, S. 26). Sodomie wird als delictum mixti fori angesehen, Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 42, Anm. 1 a.a.O., Fasz. 61, Nr. 275, S. 145 (1539); auch Blutschande wird als delictum mixti fori angesehen, Hinschius, a.a.O. Goldast, Bedencken Von Confiscation, S. 54 f. Wobei freilich nicht bekannt ist, ob die hier genannten Personen nicht auch noch vor ein geistliches Gericht gestellt wurden. a.a.O.; Fasz. 61, Nr. 277, S. 47* Vgl. 1 A I Dabei wird aufgrund der dort ausführlich behandelten weltlichen Verbrechen davon ausgegangen, daß es sich um einen für ein weltliches Gericht bestimmten Fragenkatalog handelt.

Praxis und Gesetzgebung

101

9. Was sie uf die pilder in der khirchen gehalten, und vom Weichpronn? 10. Ob sie glaubt, wann der priester in dem Ambt der heiligen Meß die heiligen hostien und den Kelch ufhebt, das es der wahre Leib und das Blut Jesu Christi sey"? Freilich ist damit nichts über die Möglichkeit gesagt, zu den Verfahren vor dem weltlichen Gericht auch geistliche Behörden hinzuzuziehen. Ob dies der Fall ist und nach welchen Regeln dabei verfahren wird, kann nicht geklärt werden 4 2 . c) Regelungen bei den Wiedertäufern Etwas eindeutiger sind die Belege für die Behandlung der Ketzerei der Wiedertäufer. Dabei ist aber doch fraglich, ob von der Behandlung der Wiedertäufer auf die der Hexen geschlossen werden kann. Nahe liegt die Vermutung, daß, wenn geistliche Gerichte bei den Verfahren gegen Wiedertäufer nicht beteiligt sind, sie dies erst recht nicht sind bei denen gegen Hexen. Denn bei den Wiedertäufern handelt es sich um die Feststellung einer Irrlehre, bei den Hexen um den auch für einen Nicht-Theologen feststellbaren völligen Abfall vom Glauben 43 . Die Wiedertäufer werden gelegentlich von den weltlichen Richtern „zur geistlichen Buße gelassen" (Anordnung, entblößten Hauptes, mit nackten Füßen, einem Holzkreuz und einer brennenden Kerze vor der Kirchentüre zu stehen); die geistlichen Gerichte sind in diesen Fällen offenbar nicht beteiligt 44 . Die Praxis schwankt jedoch. In einem Antwortschreiben der Herzöge Wilhelm und Ludwig an den Pfleger und die Räte von Ingolstadt vom 27.9.1535 45 auf eine die Behandlung von Wiedertäufern betreffende Anfrage heißt es: Unnd ist darauf unnßer maynung, das Ir ettlich gelert, unnd dißer Sachen tauglich unnd geschickte priester zu Ingolstadt verordnet, die mit guetlicher Christenlicher unnterweißung . . . " die Gefangenen zum Widerruf und zur Annahme der 42

Vgl. auch die Synodalbeschlüsse im Anhang II. Über einen Versuch Maximilians I., geistliche Gerichte zu Hexenprozessen hinzuzuziehen (1604): Riezler, Hexenprozesse, S. 204. Verschiedene geistliche Behörden erhalten von Papst Clemens VIII. auf Bitten Maximilians die Vollmacht, gegen Zauberer und Hexen vorzugehen, auch wenn dadurch das Inquisitionsamt berührt werde. - Daß von der Vollmacht Gebrauch gemacht worden wäre, ist nach Riezler a.a.O. nicht nachzuweisen.

43

Ein derartiger Schluß läßt das Bestreben der geistlichen Behörden, ihren Zuständigkeitsbereich möglichst weit zu stecken, außer Betracht; ebenfalls die Tatsache, daß Wiedertäufer auch, zum Teil überwiegend, unter dem Gesichtspunkt des Landfriedens betrachtet werden, vgl. 3 B II 3 b. Perneder, Verzaichnus, S. IT Kreisarchiv, GR, Fasz. 1260, Nr. 19.

44 45

Der Prioritätsgrundsatz in der Praxis

102

geistlichen Buße bewegen sollen; im übrigen aber sollen „unnßere Rate alß laisch stannds" gegen die Wiedertäufer vorgehen. In einem Schreiben vom 8.10.1535 46 an die Räte von Ingolstadt wird bezüglich der Belehrung nur mehr von „Gelehrten" gesprochen. Im Abschied des Reichstages von Speyer heißt es 1529 in § 6: „Daß alle und jene Wiedertäufer . . . vom natürlichen Leben zum Tod . . . nach Gelegenheit der Person ohne vorgehend des geistlichen Richters Inquisition gerichtet und gebracht werden" 4 7 . Diese Regelung taucht im Herzogtum Bayern auf in einem Mandat der Gebrüder Wilhelm und Ludwig von 1544 4 8 ; im Mandat gegen die Wiedertäufer von 1530 49 ist dieser Passus dagegen noch nicht enthalten. Zusammenfassend kann zur Behandlung der Wiedertäufer im Herzogtum Bayern, insbesondere auch aufgrund der Schilderungen Perneders5 0 , gesagt werden, daß geistliche Gerichte sich in der Regel wohl nicht mit ihnen befassen, daß Geistliche aber gelegentlich herangezogen werden, um ihnen ihre Irrtümer aufzuzeigen und sie zum rechten Glauben zu bekehren. d) Das Ketzergerichtsprivileg von 1526 Auch das Ketzgerichtsprivileg von 1526 51 gibt keine eindeutige Auskunft über die Zuständigkeitsregelungen bezüglich des Ketzereideliktes. Papst Hadrian hatte den bayerischen Herzögen das Privileg erteilt 5 2 , mit Hilfe einiger höherer Kloster- und Weltgeistlicher gegen Ketzer vorgehen zu können (offenbar nur gegen Lutheraner) 53 , wenn die zuständigen Bischöfe auf ihre Aufforderung hin nicht tätig würden; die „haeresis lutheriana" wird dabei bezeichnet als „haeresis pestifera et venefica54". Clemens VII. übernimmt diese Erlaubnis (5.2.1526) und benennt namentlich eine bestimmte Anzahl von

46 47 48 49 50 51 52

a.a.O., Fasz. 1255, Nr. 3/19 Abegg, PGO, S. 40, Anm. 64 Mandatenbuch, S. 151 ff. Mandatenbuch, S. 146 ff. Perneder, Verzaichnus, S. 27 ff. Lit.verz. „Simon" Dies aufgrund einer Bitte der Herzöge, die sich jedoch nur auf das Vorgehen gegen Priester bezog. Beschwerde gegen diese Bitte erhob der Bruder der Herzöge, Ernst, der Administrator von Passau, in einem Schreiben an die Herzöge (1523; Kreisarchiv, GR; Fasz. 1258, Nr. 14)

53 54

Simon, Ketzergerichtsprivileg, S. 154/155 Hervorhebg. v. Verf.

Praxis und Gesetzgebung

103

Bischöfen, die in das vom Herzog einzuberufende Gericht aufzunehmen sind. Er spricht dabei von Verfahren gegen Jutherani et alii heretici criminosi" und von „similes facinorosie"; ob darunter auch Hexen und Zauberer verstanden werden, ist nicht ersichtlich 5 s .

55

Der Schluß des Breves, der dessen Gültigkeit festlegt bis zur Ausrottung der lutherischen Sekte, spricht dagegen. Nach Simon wurde aufgrund dieser Ermächtigung nur ein Verfahren (Wasserburg) durchgeführt. (1523 wird in München ein Ketzer von weltlichen Richtern zum Tod durch das Schwert verurteilt (im Gefängnis der Herzöge von Bayern; „ . . . und hat daselb wekennt vor den verordenten fürstlichen obrigkeit, auch vor geschworem gericht und baider burgermaister . . . " ) ) ; Stadtarchiv, „Stadtgericht", 865/2. Für Hexerei/Zauberei kann für das Gebiet des Herzogtumes Bayern kein Nachweis dafür erbracht werden, daß geistliche Behörden in irgendeiner Form am Verfahren beteiligt waren. (Auch das Konkordat von 1583, das sich auch mit Zuständigkeitsfragen befaßt, nimmt dazu nicht ausdrücklich Stellung; vgl. Freyberg, Geschichte, Bd. 3, S. VII ff.). Vgl. aber die Synodalbeschlüsse im Anhang I

E) ZULÄSSIGKEIT DER SELBSTJUSTIZ

Die Frage, ob jeder ohne richterliche Befugnis aus eigener Machtvollkommenheit (propria auctoritas) gegen Hexen vorgehen kann, wird allgemein verneint mit der Begründung, man könne sonst Mittäter aus Furcht vor Verrat oder auch persönliche Feinde unter diesem Vorwand töten 1 . Vignate2 hält Selbstjustiz ebenfalls für verboten: insbesondere, so führt er aus, in den Fällen, in denen es sich nicht um einen haereticus manifestus handelt. Pegna bemerkt dazu in seiner Anmerkung, die gegenteilige Ansicht könne darauf gestützt werden, daß die haeretici bannati und diffidati seien3. Diese Worte würden so verstanden, daß die Personen, auf die sie zutreffen, straflos getötet werden könnten. Pegna selbst bezeichnet diese Ansicht „sumrao iure" für richtig, hält es aber für sicherer, wenn die Tötung der Häretiker nur aufgrund der auctoritas Ecclesiae geschieht. Freilich kann man dem entgegenhalten, daß Privatpersonen, die einen Häretiker töten, dies nicht tun aufgrund einer auctoritas privata, sondern eben aufgrund der auctoritas Ecclesiae, die diese Personen ja zu haeretici banniti et diffidati gemacht hat 4 . Aufgrund eines Statutes des Concilii Tolesani5 hält er seine Ansicht - Verbot der Tötung durch jedermann — jedoch für richtig.

1

Clagspiegel, S.140; zurückgehend auf C 18, 9

2

Vignate, De haeresi, q.15

3

Friedrich II.; Konst. vom 22.11.1220; § 5 : omnes haereticos . . . perpetua dampnamus infamia, diffidamus et bannimus . . . " ; MGH; L, 2, 244

4

Bezogen auf die Bulle „Ad extirpanda" Innozenz* IV., die die Ketzergesetze Friedrichs II. bestätigt.

5

„Et in quos reperint haereticos . . . adhibita cautela ne fugere possint episcopo vel dominis locorum . . . studeant intimare, ut amimadversione debita puniantur".

3. Teil: Strafbarkeit Die Prozesse gegen die Hexen entwickeln sich aus den Ketzerprozessen1. Dies bringt es mit sich, daß es sich bei den Verfassern der beginnenden Hexenspezialliteratur2 zum Großteil um Geistliche und Theologen handelt. Dies wiederum führt dazu, daß bei der Behandlung der Hexen Vergehen gegen die „weltliche" Ordnung kaum näher erörtert werden. Im Vordergrund steht, entsprechend dem Hauptgewicht bei der Prüfung der Zuständigkeit, die Bestrafung der Hexen im Hinblick auf ihre Ketzerei und Apostasie. Der Aufbau der meisten der einschlägigen Traktate dieser Zeit ist folgender: allgemeine Begründung der Strafbarkeit der Hexen; Prüfung der Frage, ob Häresie vorliegt; Anwendung der Vorschriften des Ketzerverfahrens auf die Hexen. Die beiden ersten Gesichtspunkte werden dabei zumeist im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeitsregelungen, der erste auch bei der Prüfung der Realität des Hexenwesens3 abgehandelt. Der Übersicht halber wird dieser Aufbau getrennt und der erste Gesichtspunkt hier bei der Strafbarkeit der Hexen behandelt. Da die Frage, ob und wann bei Hexen und Zauberern Ketzerei vorliegt, bereits bei der Darstellung der Zuständigkeitsregelungen geprüft worden ist, kann darauf verwiesen werden. Darzulegen sind hier somit nur die allgemeine Begründung der Strafbarkeit (unter A) und die Anwendung der Vorschriften des Ketzereiverfahrens auf das Verfahren gegen Hexen und Zauberer (unter B ff.). Ausgehend davon, daß die Hexe sich der Ketzerei schuldig macht — oder der Apostasie, die aber nach den Grundsätzen der Ketzerei behandelt wird — ergibt sich auch, daß entsprechend dem Ketzereiverfahren bei der Gliederung zu unterscheiden ist danach, ob die Hexe überführt ist, ob sie überführt und reumütig ist, oder ob eine Überfuhrung nicht möglich, ein bestimmter Verdacht jedoch vorhanden ist.

1 2

3

Vgl. dazu Hansen, Zauberwahn, c.3 ff., c.6 a.A. Die Entwicklung dei Hexenspezialliteratur fällt zusammen mit dem Beginn der großen Massenverfolgungen durch geistliche und weltliche Behörden von etwa 1450 bis 1550; Byloff, Verbrechen d. Zauberei, S. 330 ff. (gestützt auf Hansen, Zauberwahn) Aus der Existenz allgemeiner Strafvorschriften für „Hexen" wird dann auf die Realität des Hexenwesens geschlossen, z.B. Spina, De strigibus, c.3; Institoris, Malleus malef., p.l, q . l ; vgl. 1 A IV

A) ALLGEMEINE BEGRÜNDUNG DER STRAFBARKEIT Die Strafe für die Hexe ist grundsätzlich die Todesstrafe. Zur Begründung wird im Rahmen der allgemeinen Ausfuhrungen verwiesen auf göttliches, kanonisches und weltliches Recht. 1) Göttliches Recht Die Bezugstellen des göttlichen Rechts, dem im Rahmen dieser Begründung das Hauptgewicht zukommt 1 , sind: Deuteronomium 18 (10 ff.): „Niemand finde sich bei dir, . . . , der Wahrsagekünste, Zeichendeuterei, Geheimkünste und Zauberei betreibt, niemand, der Bannungen vornimmt, einen Toten- oder Wahrsagegeist befragt oder Auskunft bei den Toten sucht. Denn ein Greuel für den Herrn ist jeder, der solches tut; um dieser Greuel willen vertreibt sie der Herr, dein Gott, vor dir." Leviticus 19 (26 ff.); 20 (6); 20 (27): „Ihr sollt weder Wahrsagerei noch Zauberei treiben . . . Wendet euch nicht an die Toten- und Wahrsagegeister." „Wendet sich aber jemand an Toten- und Wahrsagegeister, um ihnen buhlerisch nachzulaufen, will ich wider einen solchen mein Antlitz wenden und ihn aus seinem Volke ausrotten." „Ist in einem Mann oder Weib ein Toten- oder Wahrsagegeist, so sollen sie des Todes sterben. Steinigen soll man sie, Blutschuld belastet sie." Exodus 22 (17): „Eine Zauberin darfst du nicht am Leben lassen." 1 Chronik 10(13/14): „So starb denn Saul um seiner Treulosigkeit willen, die er gegen den Herrn verübt hatte. Er hatte das Wort des Herrn nicht beachtet und auch den Totengeist befragt, um Auskunft zu suchen. Den Herrn aber befragte er nicht. Daher ließ dieser ihn sterben . . ," 2

1

Zur Bibel als Rechtsquelle und -grundlage vgl. Eb. Schmidt, Einführg., § 1 2 8 ; Merzbacher, Hexenprozesse, S. 51. Mosaisches Recht und Carolina s. Abegg, PGO, S.22 ff.

2

Institoris, Malleus malef., p . l ; q . l ; Spina, De strigibus, cap.3; Tengler, Leyenspiegel, S. 105

Allgemeine Begründung der Stiafbarkeit

107

2) Kanonisches Recht Die Vorschriften des kanonischen Rechts 3 werden in erster Linie herangezogen zur Begründung der Realität des Zauberwesens: sie wären nicht geschaffen worden, wenn es keine Zauberer gäbe. Eine Schwierigkeit sieht .man hier4 insofern, als die kanonischen Vorschriften, die die Todesstrafe nicht aussprechen, sich nicht so sehr beziehen auf Hexen (malefici), als vielmehr auf Wahrsager (divinatores), die aber freilich beide unter den Oberbegriff der superstitio noxia fallen 5 . Diese Schwierigkeit wird jedoch umgangen dadurch, daß man auf die kanonischen Vorschriften nur sekundär abstellt: die „sancti doctores Ecclesiae" halten die Hexen der strengsten Strafe für würdig und diese doctores berufen sich auf die Canones. Bezug genommen wird dann nicht unmittelbar auf die Canones, sondern auf die doctores 6 . Die herangezogenen Vorschriften sind: Decretum Gratiani, sec. pars, causa 26, q.5 („per totum et per divum"), in der von allen Arten der Wahrsagerei, aber auch von „magi" und „malefici" die Rede ist (c. 14, § 1); a.a.O., q. 2, die sich ebenfalls mit Wahrsagerei und Zauberei befaßt, wobei insbesondere abgestellt wird auf c. 6 („Institutiones hominum que sint supersticiosae vel non"); a.a.O., q. 4, mit der gleichen Inhaltsrichtung, hier insbesondere c. 1 („De multiplici genere divinationis"); Decr. Gr., tertia pars, dist. 2, c. 95 (keine Teilnahme eines Zauberers an der Kommunion). Ergänzend wird auch auf neues Kirchenrecht verwiesen7: auf die Hexenbulle Papst Innozenz' VIII. von 1484, in der vor allem Zuständigkeitsfragen behandelt werden, und auf eine Bulle Papst Julius II. an den Inquisitor Bergomensis8. 3) Weltliches Recht Im Rahmen des weltlichen Rechts wird herangezogen der Codex De maleficis et mathematicis et ceteris similibus; hierbei insbesondere l.nemo (Zauberer um Rat zu fragen und Zauberei auszuüben ist verboten, Enthauptungen als Strafe), 3

Zur Bedeutung der Dekretensammlung s. Ulimann, Machtstellung d. Papstes, S. 520 ff.

4 5

Jedoch nicht beim göttlichen Recht Institoris, a.a.O., p.3, q. introductoria

6 7

So ausgeprägt bei Spina, De strigibus, cap.3 Spina, De strigibus, cap. 3, der aber ansonsten die Ansicht vertritt, die Hexenbulle gebe nur altes Recht wieder, s. 2 A III Diese ist bei Hansen, Quellen, S. 31 ff. nicht erwähnt; angeführt ist eine Bulle dieses Papstes an den Inquisitor von Cremona zwischen IS03 und 1513, die auch Zuständigkeitsfragen betrifft.

8

108

Allgemeine Begründung der Strafbarkeit

l.nullus (Verbot menschenschädigender Zauberei, auch des Liebeszaubers; Straflosigkeit des Vorteilzaubers) und 1. culpa (Gleichstellung des Lehrers des Verbotenen mit dessen Schüler)9. Institoris führt dazu aus 1 0 , daß die angeführten Stellen zwar nur von sortilegi11 sprächen. Wenn die dort angedrohten Strafen aber schon für diese gälten, gälten sie umso mehr für die Hexen; dies sowohl in Bezug auf die Konfiskation, als auch auf die Todesstrafe („publicatio bonorum et decapitatio") 12 . Der Hinweis auf diesen Codex fehlt zum Teil bei Autoren, etwa bei Bartholomäus de Spina, die die Strafbarkeit ansonsten ausführlich behandeln. Dies ist wohl damit zu erklären, daß bei diesen Autoren im Vordergrund die Kompetenz der geistlichen Richter steht, diese wiederum aber aus diesem Codex, der die Ketzerei nicht ausdrücklich erwähnt, nicht gefolgert werden kann 1 3 . Jedoch wird der Codex auch zur Bestrafung der Zauberer im Hinblick auf deren ketzerisches Tun herangezogen. In Tenglers Leyenspiegel heißt es etwa 1 4 : nach Abschluß des Verfahrens „mag eyn Richter berhätig werden / ob / und wie er ein solch böß person / von jrer abtrinnigkeyt des Christenlichen glaubens / ketzerlichen boßheyt / übelthaten und verkerten willens wegen / damit sie den allmechtigen Gott getretten / und sich dem Teufel ergeben / straffen / oder tödten lassen mög." In einer Randglosse wird dabei hingewiesen auf den hier zitierten Codex, l.multi 1 5 (C 18, 6, in dem die Todesstrafe für Zauberer verhängt wird quoniam naturae peregrini16 sunt").

9 10 11 12

13

14 15 16

Arles, De superstitionibus, Rdnr. 102 ff.; Institoris, Malleus malef., p.l, q.l Institoris, a.a.O., p.l, q.14 a.E. Dieser Begriff beinhaltet bei Institoris jedenfalls nicht Flug und Teilnahme am Sabbat „Decapitatio" bei J.W.R. Schmidt Ubersetzt mit: „Entziehung von Ehrenrechten". Von dieser Möglichkeit ist im zitierten Codex jedoch nicht die Rede. Nur in 1. Etsi wird davon gesprochen, daß die „corpora honoribus praeditorum" der Folter ihrer Würde wegen nicht entgehen können. Im Zusammenhang mit einer Klage über einige doctores iuris, die die Realität des Hexenwesens verneinen, weist Spina darauf hin, daß diese doctores eine Menge von Gesetzen anführten, die nicht zum Thema gehörten, weil die leges humanae allein das menschliche Treiben regeln sollten, aber nicht Handlungen beurteilen, die mit dem Teufel begangen würden. Vielmehr könnten diese Gesetze nur in Übereinstimmung mit den zugrundegelegten Erkenntnissen der Theologie Strafen für diese Handlungen festsetzen; Spina, In Ponzinibium, ap.l, c.3 Tengler, Leyenspiegel, S. 107 Ebenso Molitor, Böse Weiber, a.E. Dieser Ausdruck wird auch interpretiert als „peregrini naturae humanae", s. Otto/Schilling u.a., Bd. 6, S. 347, Anm. 80. - Damhouder, Praxis (c.61,nr.81), spricht von den Zauberern als von „hostes humanae salutis et humani generis inimici".

Allgemeine Begründung der Strafbarkeit

109

4) Hexerei als crimen laesae maiestatis divinae Zur Strafbarkeit 17 wird auch verwiesen auf das crimen laesae maiestatis: wenn die Verhängung der Todesstrafe (und die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens) schon bei diesem erlaubt sei, dann ist dies erst recht der Fall bei der Häresie, bei der nicht die maiestas humana, sondern die maiestas divina angegriffen wird 1 8 . Laudensis 19 fuhrt dazu aus: „Lata est differentia inter crimen haeresis, et crimen laesae maiestatis . . . nec est aliqua comparatio offensae Dei ad offensam hominis, immo esset quasi hereticum velle aequiparare hominem Deo et dicere ita gravem esse offensam quae contra illum committitur, sicut contra Deum." Gesprochen werden darf deshalb bei der Hexerei nur von einem crimen laesae maiestatis divinae, nicht aber nur von einem crimen laesae maiestatis. 20 5) Zum Aufbau der Autoren Wie bereits ausgeführt, werden die bisher angeführten strafbegründenden Normen vom Großteil der Autoren, insbesondere den geistlichen, nur bei der Prüfung der Realität und — in geringerem Maße — auch bei der Prüfung der Zuständigkeit erwähnt. Ein Bruch in den Ausfuhrungen ergibt sich dann insofern, als bei der Prüfung der Strafbarkeit nicht mehr auf diese Vorschriften zurückgegriffen wird. Gegenstand der Darstellung sind allein die Strafvorschriften im Hinblick auf die Ketzerei. Bibelstellen etwa werden nicht herangezogen, um - zum Beispiel - die Todesstrafe für die reumütige Hexe zu begründen; auch wird, wiederum als Beispiel, nicht geprüft das Verhältnis zwischen den Bibelstellen, die die Todesstrafe fordern und Vorschriften des kanonischen Rechts, nach denen reumütige Ketzer — und damit auch Hexen — zur Buße zugelassen werden können.

17 18

Und vor allem auch für Verfahrensfragen Repertorium, „Haereticus", S. 416 („a fortiori"), „Poena" (für die Konfiskation)

19

Laudensis, De crimine laesae maiestatis, S. 28', .Anm. 9; der Abdruck des betreffenden Traktates in (Tr) ist zum Teil überschrieben mit M. Laudensis, zum Teil mit „unbekannter Verfasser"; nach Schulte, Quellen, Bd. 2, S. 396, ist Laudensis Verfasser eines Traktates über Majestätsverbrechen.

20

Im Clagspiegel heifit es S. 140: „Zu dieser verclagung (der Zauberer) würt ein yeglicher zu gelassen als obs crimen lese majestatis wer / wann sölchs verseret und verletzt über die massen die m a i e s t a t . . . . " (Hervorhebung durch d. Verf.).

B) DIE STRAFBARKEIT DER ÜBERFÜHRTEN HEXEN

I) Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe 1) Begründung für die Todesstrafe a) Bei Hexerei, die mit Ketzerei verbunden ist Die Strafe für den „normalen", nicht bereuenden Ketzer ist die Todesstrafe. Davon abzugehen gibt es bei den Hexen keinen Anlaß, da deren Häresie verwerflicher und schändlicher ist als jede andere. Jedoch sollen in dem — seltenen1 - Fall, daß eine Hexe nicht bereut, die Richter sich bemühen, die wohlbewachte und gefesselte Beklagte zur Bekehrung zu bewegen 2 . Gegen die Todesstrafe sprechen sich, soweit ersichtlich, nur aus Weier 3 , der die Realität des Hexenwesens verneint und Nettesheim, dessen Stellung zum Hexenwesen nicht klar wird; letzterer beruft sich für seine Ansicht auf Decr. Gr. p., 3., dist. 4., c. 94 („Plerique ex ludeis, qui dudum ad Christianam fidem promoti sunt, nunc blasphemantes Christum non solum Iudaicos ritus perpetrasse noscuntur, sed etiam abhominandas circumcisiones exercere. De quibus . . . hoc sanctam decrevit concilium, ut huiusmodi transgressores pontiflcali auctoritate correcti ad cultum Christianae dignitatis revocentur, ut quos propria voluntas non emendat animadversio sacerdotalis coherceat. Eos autem, quos circumciderunt, si filii eorum sunt, a parentum consortio separentur; si servi, pro iniuria corporis sui libertati tradantur.") 3 b) Bei Hexerei ohne Ketzerei Ist die Hexerei nicht mit Ketzerei verbunden oder führt die Ketzerei nicht zur Todesstrafe (s. 3 B II), so wird die Strafe entnommen bei Tötung durch Zauberei aus lex Cornelii de sicariis (Tengler4 dazu: „doch werden solche weibs person gewonlich im fewr oder wasser vom leben zum tod gericht / oder zu äschen verbrant"), im allgemeinen aber aus dem Codex de maleficis et mathematicis (C. 18)5 und aus den einzelnen Gesetzen, gegen die verstoßen wird (Diebstahl, Mord usw.) 6 . In der Anwendung des Codex de maleficis et mathematicis ergeben sich jedoch Schwierigkeiten aufgrund des Wortlautes in lex nemo (C. 18, 5: Todesstrafe für 1

So Institoris, Malleus malef., p.3, q.29; Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, p.12

2

Jacquerius, Flagellum fascinariorum, c.27

3 4

Vgl. unten 3 B I 2 b bb, Nettesheim, De incertitudine scientiarum, c.96 Tengler, Leyenspiegel, S. 102'

5

Tengler a.a.O., S. 107; Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.9 ff.

6

Simanca, De institutionibus cath., t.37, nr.18

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

111

Ratfrager) und lex nullus (C. 18, 3: Konfiszierung der Güter und Verbannung der Ratfrager). Grillandis erklärt den Unterschied dadurch, daß nach dem Tatbestand des lex nullus der Zauberer nur herbeigerufen, Zauberei aber nicht ausgeübt werde; in lex nemo sei dies jedoch der Fall. Die Erklärung für die schwere Strafe in lex nemo liege darin, daß die dort genannten Personen an die Macht der Zauberer glaubten; der Einladende in lex nullus dagegen könne auch ein Unerfahrener sein oder jemand, der nicht an die Macht der Zauberer glaube und werde deshalb milder bestraft. Im übrigen stellt Grillandis nicht wie etwa Simanca auf die einzelnen verübten weltlichen Verbrechen ab, sondern fordert für jede Art von Zauberei die Todesstrafe (stellt also nicht den Erfolg im Hinblick auf den weltlichen Schaden, sondern die zauberische Handlung selbst in den Mittelpunkt) 7 . c) Die Hinrichtungsart Die Hinrichtungsart für Ketzer ist die Feuerstrafe. Sie war 1224 von Friedrich II. für das Gebiet der Lombardei angeordnet, 1231 auf Sizilien und 1232 auf das ganze Reich ausgedehnt worden 8 , war aber in Deutschland auch schon vorher üblich 9 . Diese Gesetze wurden durch mehrere Bullen bestätigt 10 . Auch für die Hexen ist die Hinrichtungsart die Feuerstrafe (die angegebenen Bibelstellen nennen als Hinrichtungsart nur das Steinigen, der Codex de maleficis et mathematicis nennt: Verbrennung, Enthauptung, Tötung durch wilde Tiere und Tod auf der Foltermaschine) 11 . Zur Begründung der Feuerstrafe wird nicht ausdrücklich auf die Hinrichtung der Ketzer verwiesen; auf sie wird aber wohl Bezug genommen, wenn dabei abgestellt wird darauf, daß die Verbrennung „ex consuetudine" erfolge 12 . Tengler 13 führt daneben an, die Verbrennung erfolge deshalb, weil sie im Vergleich zur Enthauptung die größere Strafe sei. Institoris 14 sieht den Grund darin, daß es sich um Frauen handelt. 7 8 9 10

11 12 13 14

Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.27 Vgl. Ficker, Einfuhrung der Todesstrafe f. Ketzerei; Dordett, Jurist. Verantw. d. Inqu. tribunale, S. 29 Ficker, a.a.O., S. 177 ff. Potthast, RegestaNr. 15378, 15448, 17383, 19423. Nach Riezler, Hexenprozesse, S. 38, wurde der Verbrennungstod für Ketzer von Innozenz IV. eingeführt. Zum Charakter der Regelungen Friedrichs II. (weltlich oder kirchlich) vgl. die gegensätzlichen Auffassungen von Dordett a.a.O., S. 29, und Henner, Org. d. Ketzerger., S. 214 Zur Symbolik der Feuerstrafe s. Sturm, Todesstrafen, S. 98 ff., 173 ff.; His, Strafrecht, Bd. 2, S. 16 ff.; Hentig, Strafe, Bd. 1, S. 310 ff. Vicecomes, Lamiarum opusculum, cap. „Utrum lamiae . . . ad ludum eant"; Tengler, Leyenspiegel, S. 104' Tengler, a.a.O., S. 119 Institoris, Malleus malef., p.l, q.l

Die Stiafbarkeit der überfühlten Hexen

112

Handelt es sich bei der Verurteilung um eine schwangere Frau, so ist die Vollziehung des Urteils im übrigen bis nach der Niederkunft aufzuschieben 15 . 2) Möglichkeit, von der Todesstrafe abzusehen? a) Bei nur geträumter Teilnahme am Sabbat? Nach der übereinstimmenden Ansicht derer, die die Realität des Fluges und des Sabbates bejahen, ist auch eine nur geträumte Ausfahrt und eine nur geträumte Teilnahme am Sabbat möglich. Angaben darüber, wie festgestellt werden kann, ob jemand wirklich oder nur in seinen Träumen an einem Sabbat teilgenommen hat, fehlen; sie sind aber auch entbehrlich, weil eine nur geträumte Teilnahme an der Strafbarkeit nichts ändert. Zur Begründung der Strafbarkeit in diesen Fällen wird vor allem abgestellt auf das Tun und Wollen der betreffenden Personen nach dem Traum. Da diese Personen sich nach ihren Träumen an die ihnen im Traum gemachten Anordnungen des Teufels halten - wobei dahingestellt sein kann, ob diese Einflüsterungen wirklich vom Teufel stammen oder von ihnen völlig ohne Einwirkung des Teufels geträumt wurden —, kultische Handlungen begehen, im Vertrauen auf den (im Traum) mit dem Teufel geschlossenen Bund Zaubereien ausführen und somit ihren Träumen in wachem Zustand und mit freiem Willen zustimmen, handelt es sich bei diesen Personen um Ketzer. Wer im Traum etwas Häretisches wahrnimmt und dieser Wahrnehmung in wachem Zustand zustimmt, ist ein Häretiker 16 . Die hier in Frage kommenden träumenden Personen glauben fest daran, sie hätten nicht gesündigt, obwohl sie auch davon überzeugt sind, den Glauben verleugnet und den Teufel als Gott verehrt zu haben. Die Todsünde, die sie begehen, liegt nicht in ihrem Traum als solchem, weil bei dem Handeln im Traum die eigene Überlegung fehlt; sie liegt aber in der nachfolgenden freien Zustimmung (Como: „ratione complacentiae cum delectatione sequenti in vigilia cum deliberato consensu") 17 . Etwas modifiziert ist diese Ansicht bei Vicecomes 18 , der neben der nachträglichen Zustimmung auch auf den dem Traum vorhergehenden Willen dieser Personen hinweist: das geträumte Treiben auf dem Sabbat, insbesondere der 15

16 17 18

Beispiel für eine derartige Aufschiebung bei der Hinrichtung einer Giftmörderin: Kreisarchiv, RL, Fasz.61,Nr.273, S. 115' (1537, Tod durch Ertränken). In Eichstätt (1529) wird eine wegen Zauberei (offenbar Liebeszauber) Angeklagte aufgrund ihrer Schwangerschaft (nur) an den Pranger gestellt und aus der Stadt gewiesen, Staatsarchiv Nürnberg, Eichst. Halsgerb., S. 217' f. Jacquerius, Flagellum fascinariorum, c.28 Como, De strigiis, § 9; Simanca, De institutionibus cath., t.37, nr.14; Vicecomes, Lamiarum opusculum, c. „Respensiones ad prima argumenta in contrariam partem" Vicecomes, a.a.O.

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

113

Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, ist auch deshalb strafbar, weil die Betreffenden sich regelmäßig schon vor dem Traum in Gedanken mit diesen Vorgängen beschäftigt haben. Die Begründungen stellen entweder lapidar fest, die Strafbarkeit ergebe sich aus der nachträglichen Zustimmung oder aber es wird aus dieser nachträglichen Zustimmung der Tatbestand der Ketzerei konstruiert. Ergibt sich die Strafbarkeit aber allein aus dem Ketzereidelikt, so wird sie problematisch, wenn - bei entsprechendem Handeln in wachem Zustand - das Vorliegen von Ketzerei verneint werden müßte und die Strafbarkeit sich allein aus der Verübung weltlicher Verbrechen ergäbe. Dieses Bedenken wird jedoch nicht behandelt. Auch fehlt ein ausdrücklicher Hinweis darauf, daß die Annahme einer nachträglichen Zustimmung auch zur Bestrafung wegen der nur geträumten weltlichen Verbrechen berechtige — andererseits wird die Konstruktion über die nachträgliche Zustimmung aber auch nicht ausdrücklich auf das Ketzereidelikt beschränkt. Ergänzend wird bei der Prüfung der Strafbarkeit in diesen Fällen auch hingewiesen auf eine Stelle bei Augustinus („delectari falso crimine crimen est verum") 19 und auf den Canon Episcopi:20 auch die dort genannten Frauen träumen nur, was sie für wirklich erlebt halten; folglich handelt es sich auch bei den die Hexenwerke nur träumenden Personen um Ketzer, denn die im Canon genannten Frauen werden dort als „infideles" bezeichnet, infidelitas aber ist bei einem getauften Menschen gleichzusetzen mit Häresie 21 . Da die im Canon genannten Frauen nicht straflos bleiben, ist auch die Ansicht widerlegt, Träume und Täuschungen würden auf einem humor melanconicus beruhen, der den freien Willen und den Gebrauch der Vernunft ausschlösse; der Canon bezeichnet die Frauen als „sceleratae", mißt ihnen also Verantwortung zu2 2 . b) Keine Todesstrafe im Hinblick auf die Verursachung der Zauberwerke? 2 3 Die überwiegende Ansicht geht, bei Unterschieden in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Teufel und Hexe, davon aus, daß die Hexen und Zauberer ihre Werke nicht selbständig vollbringen können; der Erfolg wird entweder allein vom Teufel aufgrund einer Bitte oder Anregung oder von Teufel und Hexe in notwendiger Zusammenarbeit verursacht 24 . 19 20

So von Como, De strigiis, § 9; (Augustinus, De civitate Dei, lib.18, c.12 a.E., S. 604) Zum Canon Episcopi s. 1 B I 3 (IV)

21 22

Como, De strigiis, §§ 9 , 1 0 Jacquerius, Flagellum fasc., c.28; Spina, De strigibus, c.24; Vicecomes, Lamiarum opusc., c. „An strie sunt velud heretice iudicande"

23

Hier sind auch die Autoren berücksichtigt, die die Realität des Hexenwesens verneinen, die der Zauberei aber bejahen.

24

VgL dazu 1 B III

114

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

aa) Erörterungen bezüglich der Strafbarkeit folgen diesen Feststellungen jedoch kaum; wenn dies doch der Fall ist, so ändert sich am Ergebnis der Strafbarkeit nichts. Molitor etwa, ein weltlicher Jurist, der den Flug durch die Luft als Täuschung ansieht und davon ausgeht, daß der Teufel die Zauberwerke vollbringt, begründet die Strafbarkeit der Zauberer auch hier über das Ketzereidelikt. Er führt aus: zwar vollbringt der Teufel die Zauberwerke, die Verfehlung der Zauberer liegt aber darin, daß sie den Anfechtungen und Einflüsterungen des Teufels nicht widerstehen, sich ihm ergeben, ihm opfern „unnd also an dem glauben abtrynnig werden, und in sölich lasterlich ketzerei vallen"; daraus ergibt sich die Folgerung für ihre Strafbarkeit: „Das man sölich böß weiber von irer abtrinnikait. und ketzerei. auch von irs verkerten willens wegen, die dann also von unserm allermiltesten got seyen gewichen, und sich dem teuffei haben ergebnn und dem nach auß kaißerlichen rechten sol und mag man sy tödten. und diß steet geschriben im kaiserlichen rechtbuch Codices de malificis et mathematicis. lege multi" 2 s . Ausgehend von dieser Annahme kann die Verursachung der Zauberwerke damit allenfalls berücksichtigt werden, wenn die Zauberer gezwungen werden, entsprechende Handlungen auszuführen oder sie als bloßes „Werkzeug" in den Händen des Teufels anzusehen sind. Dodo 2 6 fuhrt aus, das Argument, die Hexen könnten nicht bestraft werden, weil sie als instrumenta des Teufels anzusehen seien, sei nicht gerechtfertigt. Denn einmal handele es sich um instrumenta animata, die freiwillig handeln könnten und zum anderen hätten sich diese Personen, auch wenn sie jetzt mit dem Teufel in dieser Weise verbunden seien, sich diesem doch vorher freiwillig unterworfen. Auch die Tatsache, daß die Dämonen sie jetzt durch Schläge zur Einhaltung ihrer Vertragspflichten zwängen, könne daher nicht als Entschuldigung gewertet werden 2 7 . Simanca weist auch darauf hin 2 8 , daß das mit dem Teufel geschlossene pactum wieder aufgehoben werden kann. Das „vulgus iniperitum", so führt er aus, ist 25 26 27

28

Molitor, Böse Weiber, a.E.; zu lex multi vgl. 3 A 3 a.E. Dodo, Apologia, „Circa secundem principale" - „quarta conclusio" Auch wird häufig darauf hingewiesen, daß der Teufel die Menschen zu nichts zwingen könne; man könne ihm - zum Beispiel durch Anrufung der Mutter Gottes widerstehen. - Allerdings kann der Teufel nicht einwilligende Personen zum Sabbat tragen (s. 1 B I); daneben müssen auch rechtschaffene Frauen den Beischlaf durch einen Iijcubus-Dämon erdulden (Arles, De superstitionibus, Nr. 11 ff.) (die Dämonen sind an sich neutralen Geschlechts, können sich aber sowohl in einen Incubus Dämon männlichen, als auch in einen Succubus - Dämon weiblichen Geschlechts verwandeln). Simanca, De institutionibus cath., t.63, nr.13

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

115

zwar der Meinung, dies sei nur mit Zustimmung des Teufels möglich; jedoch handelt es sich hier um „pacta scelerata et nefaria", die deshalb nichtig sind, weil sie verstoßen „contra naturae leges atque divines". Das pactum kann aufgehoben werden durch das sacramentum poenitentiae, denn es geht nicht an, daß durch die Kunst der Dämonen die Ausübung der göttlichen Barmherzigkeit und Gnade verhindert werden kann. Alciatus 29 sieht die Zauberinnen auch als Auftraggeber: wenn auch nicht anzunehmen ist, daß sie bestimmte Dinge persönlich ausführen (zum Beispiel: nachts trotz verschlossener Räume zu Kindern schleichen und sie bezaubern), so scheinen sie dazu doch ihre „Lemures" zu beauftragen; in diesem Fall handeln sie nicht im Traum, setzen auch nicht unmittelbar selbst eine Ursache, können aber wegen der Auftragserteilung bestraft werden. Albertinus, der diese Fragen ausführlich behandelt 3 0 , zieht bei der Begründung der Strafbarkeit der mit Hilfe des Teufels vorgehenden Hexe einen Vergleich: wie der Überbringer eines Giftbriefes zu bestrafen ist, obwohl er den Mord nicht veranlaßt hat, ist auch die Hexe zu bestrafen; es ergibt sich dies aus den „regulis generalibus iuris; nam qui occasionem damni dat damnun dedisse videtur". Dazu kommt auch bei Albertinus, daß der Vertrag mit dem Teufel, aufgrund dessen die Hexen tätig werden, freiwillig geschlossen wurde. bb) Die Konstruktion, die Strafbarkeit der Hexen bei Nicht-Verursachung der Zauberwerke und bei nur geträumten Taten und Ausfahrten über das Ketzereidelikt zu begründen, ermöglicht es — wie dies gerade bei Molitor der Fall ist —, auch dann zur Strafbarkeit der „Hexen" zu gelangen, wenn man Flug und Sabbat als nicht möglich ansieht. Ausgehend davon, daß Flug und Sabbat nur geträumt werden, ist es dagegen das Anliegen des Arztes Johann Weier, eines Schülers des Agrippa von Nettesheim, die Straflosigkeit derer zu begründen, denen nur Flug und Teilnahme am Sabbat vorgeworfen werden kann (die Möglichkeit, durch Zauberei Ursachen zu setzen, bejaht Weier); er setzt sich daher mit der Konstruktion eines Ketzereideliktes auseinander 31 . Eine derartige Konstruktion ist nicht möglich. Hexen sind keine Ketzer, weil es am Merkmal der Hartnäckigkeit f e h l t 3 2 . Die Hexen - „von natur Melancholisch / nicht wohl bey Sinnen / leichtlich verzagt / schwaches vertrawens gegen Gott" 29 30 31 32

Alciatus, De lamiis Albertinus, De assertionibus cath., q.24, nr.19 ff. Weier, De preastigiis daemonum, lib.6, c.8; zit. J. Fuglinus, s. Quellenverz. „Weier" Vgl. 2 A I 1 a

nach der Übersetzung von

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Die Strafbarkeit der überführten Hexen

— werden getäuscht darüber, was sie tun und können daher nicht als Ketzer angesehen werden. Ketzer ist nur, „wer vorhin einmal oder zwey ob seinen Irrthumen und falscher vergiffter Opinion und meynung angesprochen worden / er aber solches unangesehen verharrlicht und halßstarrigliche darinnen furtrücke . . . Ein irrthumb und jrriger wohn so im gemüt / machet keinen Ketzer / aber deß willens hartneckigkeit" 3 3 . Unter Hinweis auf das Beispiel vom verlorenen Schaf (Lukas 15, 1 ff.) hält er es für besser, „diese alten Mütterlein / welche an jrem Gemüt / vom Teuffei gar so verletzt / jnen auch das Hirn so gar verrückt / unnd mit falsch vorschwebenden bildern entrüstet" sind, gründlich zu ermahnen und im christlichen Glauben zu unterweisen, damit sie neuen Verführungsversuchen des Teufels aufgrund ihrer Kenntnisse besser widerstehen können. Die Meinung insbesondere des Molitor ist auch deshalb nicht richtig, weil ein „tacitus consensus" zwischen Teufel und Hexe nicht vorliegt, denn „der ganze Handel ist eine imagination, die nur im Geist geschieht". Wo ein Verhältnis bestimmt wird von Betrug, Gewalt, Furcht, Irrtum und Unwissenheit, kann ein consensus nicht bestehen. Dazu kommt, daß der Teufel die Hexen mit Gewalt zwingt, seinen Anordnungen zu folgen und man dieser Gewalt nicht widerstehen kann; insbesondere hat der Teufel auch Gewalt über das Gemüt der Menschen und kann daher ohne deren Wollen die betreffenden Träume verursachen 3 4 . Da die Hexen also, auch wenn man von der Realität der Flüge und des Sabbates ausgeht, keine Ketzer sind und geträumte oder gedachte Taten keinen gemeinen oder öffentlichen Schaden verursachen können, müssen die — noch dazu „unsinnigen" — Hexen straflos bleiben — „dem gemeinen Sprichwort nach / Gedancken seyn Zoll frey". Daran ändern auch die Vorschriften bezüglich der Zauberer nichts, weil diese auf die Hexen nicht anwendbar sind, da es sich um zwei verschiedene Arten von Tätern handelt. An anderer Stelle begründet Weier dagegen seine Forderung, von der Todesstrafe für Hexen abzusehen, mit der Annahme des Ketzereitatbestandes: da die Hexen „an ihrem Gemüt so verstaucht vom Teufel am narrenseil umbher geschleifft werden", sollen sie nicht verbrannt, sondern wie Ketzer behandelt und bei Bekenntnis ihrer Irrtümer weder mit der Todes-, noch mit einer Leibstrafe belegt werden (unter Berufung auf Ponzinibius und Alciatus) 3 s .

33

Zur Stützung verweist er auf das Gutachten des Oldradus da Ponte (s. 2 A II 3) und das der Sorbonne von 1398 (s. Hansen, Zauberwahn, c.4), die den Hexen ebenfalls die Ketzereigenschaft abgesprochen hätten.

34 35

Weier, a.a.O., lib.l, c.27 Weier, a.a.O., lib.l, c.17; zur Behandlung der reumütigen Hexe s. 3 B II. In den Consultationes Saxonicae (l.Bd., lib.l, p.4, q.68) heißt es: „Deß Wieri rationes seyn nicht sehr wichtig / als der ein Medicus und nicht ein Jurist gewesen". Bei Goldast 62 ff. wird Weier neben Trithemius, Dr. Faustus, dessen Schüler Wagner

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c) Keine Todesstrafe im Hinblick auf Umstände des Einzelfalles? Bei der „einfachen" Ketzerei spielen bei manchen Autoren Intelligenz und Geisteszustand bei der Bestrafung eine Rolle. So werden der rusticus und der idiota unter gewissen Voraussetzungen von der Häresie entschuldigt oder wird allgemein ein Glaubensirrtum, der durch die simplicitas einer Person hervorgerufen wird, nicht berücksichtigt; für Kleriker dagegen werden zum Teil härtere Strafen g e f o r d e r t 3 6 . Entsprechende Hinweise finden sich jedoch nicht bei der Darstellung der Strafbarkeit der Hexen. Soweit ersichtlich, klingt derartiges nur bei Weier an, der, wie ausgeführt, auf den Geisteszustand und die Intelligenz der „alten Mütterlein" abstellt; bei der Bestrafung der Zauberer fuhrt er auch aus, daß Frauen geringer zu bestrafen seien als Männer, die ihnen an Verstand und Tugend überlegen seien. Auch Socinus, der die Realität des Hexenwesens ebenfalls verneint, berücksichtigt bei der Bestrafung der Zauberer die qualitas delicti und den animus delinquentis 3 7 .

und Agrippa von Nettesheim zu den Personen gezählt, die sich dem Teufel mit ihrem Blut verschrieben haben, um zu Macht, Gewalt und Reichtum zu gelangen und dabei die Pflicht übernommen haben, auf den Sabbaten zu erscheinen und die Menschen zu gefährden und zu betrügen (auch durch Verbreitung falscher Ansichten bezüglich des Hexenwesens). Weier selbst schreibt im Kap. „Beschluß des Buches: „Für das ander werden mich on zweiffei etliche eigensinnige Theologi / als ob inen von mir zu kurtz geschehe / anbellen. Die weil ich / so meiner Profession ein Arzt / die Heilige Schrift zu erkleren mich underwunden hab". Er weist dabei darauf hin, daß auch der Evangelist Lukas ein Arzt gewesen war. 36 37

Albertinus, De assertionibus cath., q.12, nr.4; q.30, nr.26; Como, Lucerna, „Errans in fide"; „Clerici", § 4; vgl. aber 2 A I 1 b (Anm.) Weier, a.a.O., lib.6, c.22; Socinus b. Hansen, Quellen, S. 212 ff. (s. 3 F). In den „Consultationes Saxonicae" wird 1570 gefordert, die Strafe solle sich bestimmen „secundum circumstantias delicti et qualitates personarum" (Bd.l, p.4, q.60 und besonders Bd.2, p.4, q.7). In der im folgenden erlassenen Kriminalordnung des Kurfürsten August von Sachsen von 1572 wird jedoch ohne Berücksichtigung dieser Forderungen schon allein das Bündnis mit dem Teufel mit dem Feuertod bestraft (was z.B. in der Carolina nicht ausgesprochen und dort daher zur Streitfrage wird); Zauberei ohne Bündnis führt zum Tod durch das Schwert, wenn ein Schaden entstanden ist („Des Fürsten . . . August Herzogen von Sachsen . . . Verordnungen und Constitutionen", Dresden 1572, S. 74 f.). Soldan, Hexenprozesse, (Bd. 2, S. 15) fuhrt diese Regelung darauf zurück, „daß im protestantischen Land der Fürst als summus episcopus auch das geistliche Moment vertrat". Bei Gotteslästerung wird eine Unterscheidung getroffen danach, ob sie unbedacht aus „bewegter hitz", Zorn, Trunkenheit oder „der gleichen Zufäll" oder aber „frevenlich" geschieht; auch wird berücksichtigt, ob es sich um einen Adeligen handelt oder nicht. So zum Beispiel im Mandat des Königs Maximilian gegen Gotteslästerer vom 7.8.1495 (Worms), (Kreisarchiv, GR, Fasz. 1206, Nr. 2).

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Als Institoris 1485 mit der Hexenverfolgung in Innsbruck beginnt, richtet der Erzherzog Sigmund eine Anfrage an den Bischof Georg Golser, wie zu verfahren sei3 8 . In seiner Antwort führt der Bischof bezüglich der Bestrafung aus, der Erzherzog solle dem Inquisitor zwar bei der Bestrafung helfen, solle aber versuchen, diesen zu veranlassen, den weniger Schuldigen Gnade zu erweisen. Die volle Strenge des Gesetzes sei möglichst nur zur Geltung zu bringen bei Verunehrung von Bildern in gotteslästerlicher Weise durch Geißelhiebe oder Nadelstiche und bei Tötung durch Zauberei. Im übrigen solle nur mit ,,Penen und Penitenzen" 39 bestraft werden; die, die weniger gefehlt hätten und durch andere verführt worden seien, sollten nur mit Kirchenstrafen belegt werden. Sollte der Inquisitor einem derartigen milden Vorgehen jedoch nicht zustimmen, so solle der Erzherzog seine Hilfe bei der Bestrafung aber dennoch nicht verweigern. 3) Die Konfiskation a) Allgemeines Neben der Todesstrafe steht die Konfiskation der Güter der Hexen (X, 5, 7, 13, § 1: „Damnati vero praesentibus saecularibus potestatibus aut eorum ballivis relinquantur animadversione debita puniendi, clericis prius a suis ordinibus degradatis, ita, quod bona huiusmodi damnatorum, si laici fuerint, confiscentur: si vero clerici, applicentur ecclesiis, a quibus stipendia receperunt"). Die Konfiskation erfolgt „ipso iure" 4 0 , nach Grillandis durch Urteil des geistlichen Richters 41 . Auch nach dem Tod von Häretikern können deren Güter noch konfisziert werden4 2 , und es kann jemand auch noch nach seinem Tod 38

S. Amman, Innsbr. H.pr.; Sinnacher, Geschichte, S. 627 ff.

39 40

Wohl: Geld- und Kirchenstrafen In sexto, 5, 2, 19 (Inhalt: „Bona haereticoium ipso iure sunt confiscata . . . Sed apprehensio bonorum fieri non debet per dominum saecularem, nisi prius pronunciatum fuerit super crimine per iudicem ecclesiasticum, qui hoc possit"); Como, Lucerna, „Bona her."; - „ipso facto" bei Ponzinibius, De lamiis, nr. 75

41

Grillandis, De sortilegiis, q.5, nr.8 unter Hinweis auf X, 5, 7, 10 (Inhalt: „Bona haereticorum confiscantur, et in terris ecclesiae applicantur fisco ecclesiae, in terris imperii iudicis saecularis fisco, et procedit, etiamsi catholicos habent filios") (in sexto, 5, 2, 19 - s. Anm. 40 - wird nicht erwähnt). - Ebenso Repertorium, „Poena", S. 590 Como, Lucerna, „Bona her.": „possunt declarari esse confiscata"; da Como von der ipso-iure-Konfiskation ausgeht, kommt dem „declarare" wohl keine konstitutive Wirkung zu. Verfahren gegen Tote vor Gericht geregelt in der HGO von Nürnberg von 1481 (abgedr. b. Siebenkees, Materialien, 2.Bd., S. 543 ff.). Enthauptung eines bereits durch Selbstmord um das Leben gekommenen Wiedertäufers in Augsburg 1527 (S. 37' ff. im „Modus procedendi" eines unbek. Verfassers)

42

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zum Ketzer erklärt werden, um die Güter konfiszieren zu können. Wenn allerdings die Söhne und Neffen des Betreffenden katholisch sind und die Güter ihrer häretischen Eltern 40 Jahre lang besessen haben, so ist die Konfiskation ausgeschlossen4 3 . Ansonsten können aber konfiszierte Güter den katholischen Söhnen von Ketzern „ex quadam misericofdia" zurückgegeben werden; ein begnadigter Ketzer erhält sein Gut nur zurück, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird 4 4 . Die Aufteilung der Güter erfolgt bei Como 4 5 nach der Bulle „Ad extirpanda" Papst Innocenz' IV. vom 15.5.1252 46 : ein Teil an die örtlichen Behörden, ein Teil an die officiales zur Ausübung ihrer Pflichten und zur Deckung ihrer Unkosten und ein Teil wird verwendet zur Ausrottung der Häretiker. Nach Tenglers Leyenspiegel, der wohl die Praxis wiedergibt, verfallen die Güter der Geistlichen „iren kirchen", die Güter weltlicher Personen dem „gemeynen Fisco" 4 7 . Martin de Arles 48 beruft sich für die Konfiskation der Güter der Zauberer daneben auf den C. de mal. et math.; dort ist jedoch nur von der Konfiskation der Güter derjenigen die Rede, die einen Wahrsager in ihr Haus holen (C 18, 3)49. b) Hinweise auf das Herzogtum Bayern Im Herzogtum Bayern scheint der Versuch gemacht worden zu sein, die Konfiskationsmöglichkeiten zumindest einzuschränken. Im landschaftlichen Entwurf zu einer Erklärung der Landesfreiheit auf dem Landtag des vereinigten ganzen Landes von 1506 in Landshut heißt e s 5 0 : „Der Übeltäter Gut, so vom Leben zum Tod gerichtet werden, soll ihren Geltern 5 1 , Weibern, Kindern oder Erben bleiben". Nach dem herzoglichen Entwurf soll das Gut der Hingerichteten aufgeteilt werden: „Die Hälfte an den Landesfürsten, die Hälfte an die Gläubiger, Weib und Kinder, jedem nach Gestalt der Gerechtigkeit". 43 44 45

Como, Lucerna, „Bona her." Como, a.a.O., „Filii heret." Como, a.a.O., „Bona her."

46 47

Potthast, Regesto, Nr. 14592 Tengler, Leyenspiegel, S. 104'; diese Regelung entspricht wohl auch der in X, 5, 7, 10 und X, 5, 7, 13, § 1. Arles, De superstitionibus, nr. 102 ff. Klagen über den verhängnisvollen Einfluß der Konfiskationsmöglichkeit auf den Eifer der Inquisitoren bei Weier, lib.3, c.14 (Randglosse: „Es ist den Ketzermeistern nicht um die Religion zu tun, sondern ums Geld und Gut derer, die sie zum Feuer verdammen") und bei Nettesheim, c.96. Krenner, Landtagshandlungen, Bd. 16, S. 3 ff. Geltem = Gläubiger; Schmeller, Wörterbuch, Bd. 1, S. 905

48 49

50 51

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In der landschaftlichen Antwort heißt es dann: man wollte in dem Entwurf „aus Mitleid keinen Eigennutz suchen, denn Leib und Gut verlieren ist schwer; es sei denn ein Verbrechen, darum der Leib gestraft und dazu sein verlassen Gut konfisziert werden möge, das die Gelehrten wohl wissen". Bei diesem Verständnis der Konfiskationsmöglichkeit bleibt es auch im folgenden (bei Streit bezüglich der Frage, ab welcher Schadenssumme sie bei Diebstahl möglich ist). Daneben besteht aber offenbar die Möglichkeit für die Erben, die im Verfahren vor den weltlichen Gerichten konfiszierten Güter zurückzukaufen 5 2 . 4) Möglichkeiten der Überführung a) Voraussetzungen für die Überführung Die Verurteilung der Hexen erfolgt durch eine sententia diffinitiva. Zur Findung des Urteils kann dabei, obgleich es sich bei dem Verfahren im Hinblick auf die Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte um ein gemischtes handelt, „summarie, simpliciter et de piano" 5 3 vorgegangen werden 5 4 , da es sich (im wesentlichen) um eine causa fidei und das Verbrechen der Häresie handelt 5 5 . Nach der Darstellung bei Prierias5 6 kann der Angeklagte auf vier Arten überführt werden: durch das Recht, nämlich durch Folterwerkzeuge und Zeugen; durch die evidentia facti (zum Beispiel Tatfolgen: verhexte Tiere); durch Rechtsauslegung (zum Beispiel: öftere Nichtbefolgung einer Vorladung); aufgrund einer suspicio violenta. Die Fälle der suspicio teilt er ein in die suspicio temeraria, die für den Betroffenen keine Folgen hat, und in die suspicio probabilis, die Folgen zeitigt und die wiederum eingeteilt wird in die suspicio modicus (oder parva oder levis), die suspicio magna und die suspicio maxima (oder violenta). Die Täterschaft des Betroffenen ist nur bei letzterer Art der suspicio gewiß. Diese Gewißheit in Form der suspicio violenta kann „de iure" herbeigeführt werden durch eine Fiktion oder eine Festsetzung bezüglich einer Tatsache, wogegen ein Beweis zulässig 52

Kreisarchiv, RL, Fasz. 60, Nr. 270, S. 26 (1534): Giftmörder, Rückgabe gegen 15 Pfund Pfennig; a.a.O. 60, 271, 11 (1535): Wiedertäufer, 7 Pfund Pf.; a.a.O. 60, 272, 26 (1536): Wiedertäufer, 12 Pfund Pf.

53

S. in sexto, 5, 2, 20

54

Für die genaue Darstellung des Verhandlungsganges kann verwiesen werden auf Hinschius, Kirchenrecht, Bd. 6, S. 441 ff.; Lea, Inquisition, Bd. 3, S. 578 ff.

55

Institoris, Malleus malef., p.3, q.19; Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4; Como, Lucerna, „Convincere"

56

Prierias, a.a.O., lib.3, c.4 a.A.

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ist 5 7 . In der Praxis ist diese letzte Verdachtsstufe gegeben, wenn jemand einem Häretiker Ehrfurcht bezeugt oder ihn anbetet, an der Kommunionsfeier der Häretiker teilnimmt oder die Riten einer häretischen Sekte befolgt. Während die suspicio violenta bei Institoris und Prierias in Anlehnung an die Glosse zu Dekr. Gr., p. 2, 2, 1, l 5 8 als ausreichend zur Überführung angesehen wird, wird sie von ihnen aber - unter Hinweis auf X, 2, 23, 14 5 9 — dennoch nicht als ausreichend angesehen, um jemanden als Ketzer verurteilen zu können 6 0 (die betreffende Person wird aber einem Ketzer gleichgestellt und aus diesem Grunde ausgeliefert, so daß diese Argumentation zu keiner unterschiedlichen Behandlung führt; vgl. 3 C 11). Bei der Erörterung der Frage schließlich, wie vorzugehen ist, wenn der Angeklagte leugnet, führt Institoris im Hinblick auf die Überführung des Angeklagten aus 6 1 : Der Richter hat auf drei Punkte zu achten: auf die Bescholtenheit, auf die Aussagen der Zeugen und auf die evidentia facti 6 2 , wobei man bei letzterem Punkt aber besser von „indicia facti" spricht, weil der Teufel hier nicht in offenkundiger Weise (manifeste) vorgeht; indicia sind zum Beispiel eingetretene Schäden, Zauberinstrumente oder allgemein gehaltene Drohungen mit darauffolgendem Schadenseintritt. Treffen diese drei Punkte zusammen, so ist die Betroffene als offenkundig in der Ketzerei der Hexen ertappt anzusehen und an die weltliche Macht auszuliefern. Nicht ausreichend ist das Vorliegen von Zeugenaussagen allein; sie genügen auch nicht, wenn Bescholtenheit hinzukommt 6 3 . Nicht eindeutig dagegen ist die Stellungnahme des Institoris zu der Frage, ob 57

Prierias, a.a.O.; an anderer Stelle im selben Kapitel hält er beim Vorliegen der suspicio violenta den Gegenbeweis generell für nicht zulässig.

58

Inhalt: „Nos in quemquam sententiam ferre non possumus, nisi aut convictum aut sponte confessum". Glosse zu „convictum" (auf die sich die Darstellung des Prierias offensichtlich stützt): „Quatuor sunt modi convincendi, aut iure scilicet instrumentis vel testibus, aut facti evidentia, aut iuris interpretatione, ut saepius citatum esse reum, aut violenta suspicione seu praesumtione."

59

Inhalt: „Propter praesumtionem etiam vehementem non debet quis de grave crimine condemnari". (Die „praesumtio violenta" wird hier also offenbar der „suspicio violenta" gleichgestellt; daß die susp. violens der susp. vehemens gleichzustellen sei, wird ansonsten jedoch weder von Prierias noch von Institoris gefordert)

60

Institoris, Malleus malef., p.3, q.19; er widmet der Urteilsfoimel für den Fall der suspicio violenta deshalb auch ein eigenes Kapitel, s. 3 C I 1.

61

Institoris, a.a.O., p.3, q.7

62

Vgl. zu diesem Ausdruck die zit. Glosse

63

Institoris, a.a.O., p.3, q.2

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Die Strafbarkeit der überführten Hexen

Zeugenaussagen zusammen mit indicia facti die Auslieferung an die weltliche Macht rechtfertigen. An einer Stelle nämlich 64 führt er aus, daß ein Zusammentreffen der drei Punkte nicht erforderlicht ist; er begründet dies mit der Ansicht der Juristen, nach der die Überführung eines „normalen" Ketzers möglich sei durch die evidentia facti oder durch Zeugenaussagen — erst recht muß deshalb bei der Hexenketzerei von einer Überführung ausgegangen werden, wenn beide Punkte zusammentreffen. Er schließt diese Betrachtung aber ab mit dem Satz: „ . . . unde ubi evidens factum in alia heresi solum sufficeret hic adiungimus tria". Dieser Satz könnte so verstanden werden, daß alle drei Punkte zusammentreffen müssen; im Regelfall freilich ist dies, so Institoris, sowieso der Fall. Als Zeugen können nur Todfeinde nicht berücksichtigt werden 6 5 . Mittäter und Bescholtene6 6 können dagegen aussagen, allerdings nicht zugunsten der Angeklagten (hergeleitet aus: in sexto, 5, 2, 5: „in fidei favorem c o n c e d i m u s . . . , ut participes vel socii criminis ad testimonium admittantur . . . contra hereticos . . . " ) ; zur Folter berechtigen die Aussagen von Mittätern nur, wenn mehrere übereinstimmende Angaben vorliegen, wenn zur Aussage einer Mittäterin Bescholtenheit hinzukommt oder das eintritt, wessen die Angeklagte von einer Mittäterin beschuldigt wird (zum Beispiel Verhexung eines Tieres). Um jemand der Hexerei zu überführen, müssen dabei, neben den genannten Punkten, mindestens sechs beeidete Zeugenaussagen vorliegen. Diese sechs Aussagen brauchen sich jedoch nicht alle auf dieselben Punkte zu beziehen: ein Teil der Zeugen kann über die Bescholtenheit aussagen, ein Teil über eine bestimmte Zaubertat, ein Teil über eine andere; die Aussagen müssen nur in ihrer Substanz übereinstimmen, darin nämlich, daß die Angeklagte eine Hexe sei6 7 . b) Bedeutung des Geständnisses Auch wenn die Hexe aufgrund der oben genannten Gesichtspunkte für überführt angesehen wird, kann sie — so erfordert es die allgemeine Gerichtspflege (communis iusticia) - nicht ohne Geständnis hingerichtet werden 6 8 . Zur Erlangung des Geständnisses wird bei der aufgrund der genannten Gesichtspunkte überführten Frau deshalb die Folter angewendet — die damit im Ergebnis nicht mehr der Sachverhaltserforschung dient, sondern zur Strafe wird 6 9 . Die Betroffene wird nicht mehr „ad custodiam", sondern „ad penam" im Gefängnis

64

Institoris, a.a.O., p.3, q.2

65

Institoris, a.a.O., p.3, q.4; Anleitung, wie Todfeindschaft festgestellt werden kann, in p.3, q.5 und 12

66 67 68

Institoris, a.a.O., p.3, q.4 Institoris, a.a.O., p.3, q.7 Institoris, a.a.O., p.3, q.13; ein auf dem forum poenitentiae abgelegtes Geständnis genügt nach Ponzinibius, De lamiis, nr. 72, zur Verurteilung nicht.

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festgehalten 7 0 , wobei - gestützt auf die Gewohnheit - eine Freilassung gegen Bürgschaft oder Kaution nicht mehr möglich i s t 7 1 . Ein auf der Folter abgegebenes Geständnis muß aber dem Richter gegenüber nach Abschluß der Folter wiederholt w e r d e n 7 2 . Bei der Verhängung der Folter ist grundsätzlich sorgfältig alles abzuwägen; während der Richter allerdings in anderen Fällen zur Verhängung der Folter weder gern bereit sein, noch leichtfertig dabei verfahren soll, gilt dies in diesem Fall n i c h t 7 3 . Da sich in der Praxis gezeigt hat, daß leugnende (aber überführte) Hexen oft noch nach langer Zeit gestehen, weil man ihnen für den Fall des Geständnisses wahrheitsgemäß verspricht, sie nicht an die weltliche Macht auszuliefern 7 4 , und da sich auch o f t gezeigt hat, daß die Zeugenaussagen — aus welchen Gründen auch immer — falsch sind, sollen nicht gestehende Angeklagte mindestens ein Jahr im Kerker verbleiben. Dabei sollen der Richter und Freunde der Angeklagten diese zu einem Geständnis zu bewegen versuchen. Auch soll der Richter die Glaubwürdigkeit der Zeugen erneut überprüfen. Bleiben die Zeugen bei ihren Aussagen und leugnet die Angeklagte weiter, so ist sie dem weltlichen Gericht auszuliefern 7 5 .

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71 72 73 74

75

Institoris spricht von „tormenta"; zur Verwendung dieses Begriffes i.S. von Strafe s. Lieberwirth, Einführg. d. Folter, S. 21. Aus der Tatsache, daß die Angeklagte gefoltert wird, auch wenn sie ein Geständnis ablegen will, folgert Masters, Teufl. Wollust, S. 155, daß es bei der Folter nur darum ging, den Angeklagten die Qualen der Tortur nicht zu ersparen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß ein sofortiges Geständnis den Verdacht erweckt, es sei auf Einflüsterung des Teufels abgegeben und deshalb unrichtig; letzteres insbesondere im Hinblick auf eventuelle Mittäter. Dieser Einfluß des Teufels soll durch die Folter ausgeglichen werden. Eine Rechtfertigung der Folteranwendung ist deshalb auch in diesem Fall möglich. Institoris, a.a.O., p.3, q.14; die Ausführungen des Institoris über Vorsichtsmaßregeln und Durchführungsmöglichkeiten (insbesondere: die Vornahme mehrerer Foltern ist möglich, weil es sich nicht um eine zweite Folterung, sondern um eine „Fortsetzung" der ersten handelt, eine erneute Verurteilung zur Folter also nicht erforderlich ist) schließen sich an diese Fallgestaltung an, also an die Tatsache, daß die Frau bereits überführt ist. Institoris, a.a.O., p.3, q.8 a.E. Institoris, a.a.O., p.3, q.14 a.E. Institoris, a.a.O., p.3, q.13 a.E. Institoris, a.a.O., p.3, q.31; „wahrheitsgemäß" bezieht sich nur auf die gestehende und bereuende Hexe ( ad cor reductus presertim veraciter informatus, quod non tradetur brachio seculari, sed ad miseriocordiam admittitur . . ."); weltliche Verbrechen sind jedoch außer acht gelassen. - S. auch unten. Institoris, a.a.O., p.3, q.31, q.7; Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pct.14. - Diese Auslieferung kann nur im Hinblick auf die Todesstrafe erfolgen, die daher offenbar, im Gegensatz zu den anfänglichen Ausführungen des Institoris, auch dann verhängt wird, wenn kein Geständnis vorliegt.

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Die Strafbarkeit der überführten Hexen

Institoris erörtert auch die Frage, ob der Richter einer bereits überführten, aber nicht gestehenden Hexe für den Fall eines Geständnisses das Leben versprechen darf, obwohl dann eigentlich die Todesstrafe verhängt werden müßte. Institoris zufolge werden dazu drei verschiedene Meinungen vertreten: (1) Das Versprechen ist möglich, die Hexe ist aber lebenslänglich bei Wasser und Brot einzukerkern; wobei ihr diese Strafe aber vorher nicht bekanntgegeben, vielmehr ihr nur ihr Leben zugesichert werden soll und dieses Verfahren beschränkt ist auf die Hexen, die andere Hexen verraten oder Behexte heilen wollen. (2) Das Versprechen ist möglich, gilt aber nur für einen gewissen Zeitraum, nach dessen Ablauf die Hexe hingerichtet werden kann. (3) Das Versprechen kann vom weltlichen Richter ohne Bedenken abgegeben und dennoch die Todesstrafe verhängt werden, wobei das Urteil dann jedoch von einem anderen Richter gefällt werden muß. Institoris stellt die Entscheidung des Richters, welcher Meinung er folgen will, in dessen Ermessen. Gegen die erste Meinung hat er jedoch insofern Bedenken, als die Heilung durch Zaubermittel seiner Ansicht nach nicht erlaubt und bei der Nennung anderer Hexen zu berücksichtigen ist, daß der Teufel, der Vater der Lüge, der Verräterin beistehen wird. Im übrigen heilt das Geständnis jeden Verfahrensmangel denn: crimen est factum notorium per confessionem. Es kann nicht widerrufen werden, wenn es freiwillig abgegeben worden ist, es sei denn, es wird nachgewiesen, daß es aufgrund eines Irrtumes erfolgt ist. Ein in „calore iracundiae" abgelegtes Geständnis kann nur verwertet werden, wenn es zu anderer Zeit beharrlich wiederholt wird. Nach Como gilt ein Geständnis auch, wenn es vor einem inkompetenten Richter abgegeben w i r d 7 6 . Und schließlich ist die Beweiskraft eines Geständnisses stärker als gegenteilige Aussagen von Mittätern; dies gilt beim crimen laesae maiestatis und gilt deshalb a fortiori auch beim crimen haeresis 7 7 . c) Einzelne

Beweisregeln

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß, da der Sabbat im Geheimen stattfindet, im Verfahren vorzugehen ist „ex coniecturis et praesumtionibus" 7 8 . aa) Aussagen von Mittätern Da die Hexen sich real auf dem Sabbat befinden, ist zu prüfen, ob zu ihrer

76

Aber: der geistliche Richter darf den Inhalt eines vor ihm abgelegten Geständnisses nicht dem weltlichen Richter mitteilen; vgl. 2 C II 1

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Como, Lucerna, „Confessio, §§ 2 ff.

78.

Como, De strigiis, § 14

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

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Überführung auch Aussagen anderer Sabbatteilnehmer verwertet werden können79. Diese Verwertungsmöglichkeit ist grundsätzlich zu bejahen (in sexto, 5 , 2 , 5 : „In fidei favorem concedimus, ut in negotio haereticae pravitatis excommunicati et participes vel socii criminis ad testimonium a d m i t t a n t u r . . . " ) . Da die Erfahrung aber lehrt, daß derartige Zeugen auch unschuldige Personen beschuldigen aufgrund von Einflüsterungen und Versprechungen, aufgrund der Folter und aus Angst, soll bei den Aussagen dieser Personen besonders auf die Glaubwürdigkeit geachtet werden (zum Beispiel: durch Berücksichtigung der Übereinstimmung mehrerer Aussagen, der Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Verhalten bei Anklage und Folter) 8 0 . Abgelehnt wird die Möglichkeit, Aussagen von Mittätern zu verwerten, von Ponzinibius, der die Realität des Hexenwesens verneint. Da die Frauen aufgrund von Täuschungen des Teufels nur glauben, auf dem Sabbat zu sein, können sie nicht gegen andere aussagen. Konsequenterweise bleibt bei Ponzinibius auch die infamia unberücksichtigt, die von personis suspectis ausgeht 8 1 . Im übrigen stellt Ponzinibius hohe Anforderungen an den Nachweis der Hexerei: wenn bereits beim normalen Verbrechen hohe Anforderungen gestellt werden, so gilt dies umso mehr hier, wo jemand zugleich criminaliter und civiliter bestraft wird und wo sich der schlechte Ruf des Verurteilten auf die Nachkommenschaft überträgt 8 2 . bb) Teufel in Menschengestalt Übereinstimmung besteht darin, daß der Teufel die Gestalt eines beliebigen Menschen annehmen und in dieser auf dem Sabbat erscheinen k a n n 8 3 . Ponzinibius weist darauf hin und stützt damit seine Ansicht, die Aussagen von Mittätern könnten nicht verwertet werden, auch wenn von der Realität des Sabbats ausgegangen werde. Gegen diese Argumentation führt Bartholomäus de Spina aus 8 1 : Da den Aussagen einer Hexe Glauben geschenkt wird, wenn sie sich auf die Aussagende selbst beziehen, ist ihnen auch Glauben zu schenken, wenn sie sich auf andere beziehen. Die Frage, ob der Teufel in Gestalt anderer Personen auf dem Sabbat erscheinen könne, ist eine Frage der permissio Dei. Diese wird dann gegeben, wenn die betreffenden Personen bereits früher einen anderen Sabbat besucht haben, so 79 80 81 82 83

Vgl. dazu auch 3 B I 4 a Jacquerius, Flagellum fascinariorum, c.26, S. 174; Como, De strigiis, § 13;Simanca, De instit. cath., t.37, nr.15 ; Clagspiegel 145. Ponzinibius, De lamiis, nr.67 ff.; dagegen Spina, In Ponzinibium, Apologia 3, c.3 Insoweit übernommen aus dem Gutachten des Oldradus da Ponte; vgl. zu diesem 2 A II 3 Als Beispiel: Como, De strigiis, § 6

126

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

daß dieses damalige — nicht bewiesene — Verhalten auf diese Weise bestraft werden kann; ob es sich bei den betreffenden Personen bei dem jetzt in Frage stehenden Sabbat in Wirklichkeit um Dämonen in deren Gestalt handelte, ist daher nicht von Bedeutung. Allerdings erlaubt Gott auch, daß Unschuldige verurteilt werden. Wenn es sich um „amici Dei" handelt, wird sich deren Unschuld jedoch herausstellen oder aber alles, was sie als Unschuldige erdulden müssen, wird sich zu ihrem Vorteil wenden, zum Beispiel durch Vergebung ihrer Sünden. Dabei steht auch fest, daß eine derartige permissio nur in Ausnahmefällen gegeben wird. Aufgrund dieser Ausnahmefälle darf ein Prozeß gegen solcherart beschuldigte Personen aber nicht unterlassen werden. Denn dies würde bedeuten, daß alle diesbezüglichen bereits ergangenen Urteile aufgehoben werden müßten; dies wiederum würde zu Ungerechtigkeiten und falschen Ergebnissen führen und die von Gott der ganzen Welt gegebene Ordnung verletzen. Auch Jacquerius nimmt zu diesem Problem Stellung 8 4 . Behauptet der Angeklagte, nicht er, sondern der Teufel in seiner Gestalt habe am Sabbat teilgenommen, so ist folgendermaßen zu verfahren: Der Angeklagte soll mit dem Einwand nur gehört werden, wenn er beweisen kann, daß es sich um den Teufel in seiner Gestalt handelte. Dazu genügt nicht der Nachweis, daß er selbst irgendwo an einem anderen Ort gesehen worden ist, weil es sich auch in diesem Fall um den Teufel in seiner Gestalt gehandelt haben kann. Der Nachweis kann nur erbracht werden, indem bewiesen wird, daß der Teufel die permissio Dei hatte, in Gestalt des Angeklagten auf dem Sabbat zu erscheinen; dabei ist jedoch zu beachten, daß diese permissio auf einem geheimen Ratschluß Gottes beruht, von dem die Menschen keine Kenntnis haben. Wollte man anders verfahren, wäre der Weg zur Ausrottung der Hexensekte in hohem Maße versperrt. Alciatus bringt diese Problemstellung dazu, die Realität des Sabbats überhaupt zu verneinen 8 5 . Die recentiores theologi, so fuhrt er aus, beantworten das Argument, die angeklagte Frau sei zum selben Zeitpunkt an einem anderen Ort gesehen worden, mit dem Hinweis darauf, diese Zeugen seien durch die Dämonen getäuscht worden. Warum aber nimmt man denn nicht an, daß der Dämon bei seinesgleichen, die Frau aber bei ihrem Ehemann war? Warum geht man davon aus, daß der wirkliche Körper der Frau auf einem unwirklichen (fictus) Sabbat gewesen ist, der unwirkliche Körper des Dämons aber in einem

84 85

Jacquerius, Flagellum fascinariorum, c.26, S. 173 Alciatus, De lamiis; (Hansen, Zauberwahn, S. 500, vermutet, daß sich dieses Gutachten des Alciatus auf die Tätigkeit des Inquisitors Bernhard von Como bezieht).

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

127

echten Bett (neben dem Ehemann)? Warum wählt man denn die für die Bestrafung strengere Ansicht aus? Gestützt darauf und unter Hinweis auf den Canon Episcopi lehnt Alciatus die Ansicht der Theologen ab und verneint — in Übereinstimmung „mit dem päpstlichen Recht und den doctores" — die Realität des Sabbats. cc) Kinder von Hexen Simanca 86 führt eine „vulgaris quidam idiotarum opinio" an, die besage, daß die Töchter der Hexen in das Laster ihrer Mütter verfielen („in vitium maternum succedere"). Die Töchter der Hexen würden „necessario" ebenfalls Hexen, weil die Hexen (oder die Hebammen) ihre Kinder dem Teufel zu weihen pflegten, weil die Kinder meist einem Geschlechtsverkehr mit einem Dämon entstammten und weil sie vom mütterlichen Laster wie von einer Krankheit angesteckt würden. Auch ein gewisser Inquisitor hänge dieser Ansicht an. Er bezieht sich dabei wohl auf Institoris, der diese Ansicht mit ausfuhrlicher Begründung vertritt 8 7 . Im Vordergrund steht bei ihm die „Auslieferung" der Kinder an den Teufel durch Mütter und Hebammen mittels einer entsprechenden Weihe. Daneben beruft er sich auch auf die Bibel (Exodus 20, 5: „Ich, der Herr, bin ein Eiferer, der die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern" 8 8 ). Bibelstellen, die aussagen, der Sohn solle nicht für seinen Vater gestraft werden, beziehen sich nicht auf weltliche Strafen, sondern auf die im Jenseits 8 9 . Simanca bezeichnet diese Meinung als eine „opinio stulta, erronea et haeretica". Niemand nämlich kann ohne seinen Willen ein verbrecherisches Leben von dieser Intensität führen und niemals gehen die Sünden der Eltern, die Erbsünde ausgenommen, auf die Kinder über. Luther führt aus 9 0 , bei den Kindern, die aus der „Verbindung" zwischen Teufel und Hexe hervorgingen, handele es sich, da der Teufel nicht als Erzeuger angesehen werden k ö n n e 9 1 , entweder um gestohlene Kinder oder um „Wechselkinder" oder „Kielkröpfe", wobei letztere als Teufel einzustufen sind (Dämonen, die den Platz der Kinder einnehmen) 9 2 .

86

Simanca, De instit. cath., t.37, nr.20

87

Institoris, Malleus malef., p.2, q . l , c.13

88

Bei Hamp/Stenzel:

89

Deuteronomium 24, 16 (vgl. 3 B 5 b; Konfiskation)

ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld nachprüft...".

90

Luther, Tischreden, Bd. 3, Nr. 3676; Bd. 4, Nr. 4513

91

Allgemeine Ansicht ist, daß der Teufel selbst keinen Samen erzeugen kann; er benutzt den Samen von Gehenkten oder den von Männern, bei denen er vorher nächtliche Pollutionen verursacht.

92

Auf diese Darstellung beruft sich Carpzov, Practica, p . l , q.49

128

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

Agrippa von Nettesheim schildert seine Verteidigung einer als Hexe angeklagten Frau (Metz 1519) 9 3 , wobei der anklagende Inquisitor allein deshalb die Folter angewendet wissen wollte, weil die Mutter dieser Frau als „sortilega" verbrannt worden war; für diese seine Forderung beruft der Inquisitor sich unter anderem auch auf Institoris. 94 d) Indizien für die Folter9

5

Für die Frage, wann der Richter zur Folter berechtigt ist, kann eine „certa doctrina" nicht aufgestellt werden. Zu entscheiden, ob die Berechtigung vorliegt, bleibt dem Ermessen des Richters überlassen, der die „qualitas personae et delicti, demonstrationum et suspicionum" berücksichtigen soll9 6 . Nach Perneder 9 7 reicht aus, daß jemand bei der Prüfung „mit seiner rede in der antwort erzittert / erblaicht und die äugen underschlecht"; auch genügen Aussagen eines glaubhaften Zeugen 9 8 und Umgang des Gefangenen mit leichtfertiger böser Gesellschaft. Die Frage, ob die Aussage einer Mittäterin zur Folter berechtigt, wird allgemein verneint. Erforderlich dazu sind mehrere übereinstimmende Aussagen von Mittäterinnen oder die Aussage einer Mittäterin und dazu schlechter Ruf in der Öffentlichkeit oder der Eintritt dessen, wessen die Angeklagte von den Mittätern beschuldigt wird 9 9 . e) Zulässigkeit des

Gottesurteils

Gottesurteile sind verboten. Institoris nennt den Zweikampfund die Eisenprobe und läßt beide nicht z u 1 0 0 . Der Zweikampf nämlich gibt die Möglichkeit, einen Unschuldigen zu töten und ist schon deshalb verboten. Bei der Eisenprobe besteht die Gefahr, daß der Teufel zwischen das glühende Eisen und die Haut der das Eisen tragenden Person einen unsichtbaren Körper legt oder daß er der Angeklagten die verborgenen Kräfte von Kräutern mitteilt, die ein Verbrennen 93 94

95

Nettesheim, De incertitudine scientiarum, c.96 1600 werden in München 11 Personen wegen Hexerei hingerichtet, darunter ein 11-jähriges Kind, das im Mutterleib dem Teufel geweiht und an dessen Stelle ein anderes gestohlenes Kind getauft wurde; Riezler, Hexenprozesse, S. 198 Vgl. dazu: „Consilia und Bedencken etlicher zu unseren Zeiten Rechtsgelehrten Juristen / von Hexen und Unholden / und wie es mit denselbigen in widerholung der Tortur zuhalten / etc." (1567), in: „Theatrum", s. dt.. Zur Folter im Decretum Gratiani vgl. Lieberwirth, Einführg. d. Folter, S. 82 ff.; zur Einführung der Folter im kirchlichen Recht vgl. Flatten, Häresieverdacht, S. 49 f..

96 97 98

Como, Lucerna, „Indicium" Perneder, Straff und Peen, S. 2 Zur Ablehnung der Zeugen vgl. Lea, Inquisition, Bd. 3, S. 758

99 100

Dazu Vignate, De haeresi, q.12, art.2, nr.145 ff.; vgl. auch 3 B I 4 a Institoris, Malleus malef., p.3, q.17

Die Strafe für die nicht bereuende, gestehende Hexe

129

der Haut verhindern, so daß die Wirksamkeit dieser Probe in Frage gestellt ist101. Die Wasserprobe nennt Prierias enthalten, der Gericht verbietet unter Zweikampfes) und p. 2 ,

Institoris nicht. Sie ist jedoch in der Aufzählung des Gottesurteile für das Verfahren vor dem geistlichen Hinweis auf Dekr. Gr., p. 2, 2, 5, 2 2 (Verbot des

2, 5, 2 0 („Ferventis aquae et candentis f e r n iudicium fieri in ecclesia prohibetur"), für das Verfahren vor dem weltlichen Richter die Frage aber offenläßt ( „ . . . quicquid sit de seculari Iudice . . . " ) ' 0 2 .

In der P r a x i s 1 0 3 scheint das Gottesurteil im 16. Jahrhundert in Oberdeutschland nicht mehr angewendet worden zu s e i n 1 0 4 , wenngleich Institoris, der in diesem Gebiet tätig ist, es für nötig hält, sich ausführlich mit dem Gottesurteil in Form der Probe mit dem glühenden Eisen auseinanderzusetzen 1 0 5 . 5) Hinweise auf Streitfragen in der Carolina Mit Ausnahme des Codex de mal. et math. (C. 18) tauchen in der Literatur keine Hinweise auf weltliche Gesetze auf, insbesondere auch nicht auf die Peinliche 101 102

So auch Tengler, Leyenspiegel, S. 106 f. Prierias, De mirandis strigimagarum, Hb.3, c.4, pct.l. Zu „naturwissenschaftlichen" Fragen bezüglich der Wasserprobe vgl. den „Bericht von Erforschung/Prob und erkänntnis der Zauberinnen durchs kalte Wasser . . . " des Arztes H. Neuwalt, deutsch von M.H. Meybaum, von 1584 (in „Theatrum . . . " , 229 ff.); darin greift dieser ein Gutachten des W.A. Scribonius von 1583 an, in dem die Zulässigkeit und insbesondere auch die Richtigkeit der Ergebnisse der Wasserprobe bejaht werden. Scribonius führt darin aus: „Weil nun aber dieser Gebrauch die Zauberinnen zu erkennen / bey etlichen eingeschlichen ist / sonderlich aber in Westphalen eingerisset / daß es fast wie eine Satzung wird / erfordert die not . . . " , dem Ursprung dieses Brauches nachzugehen. Veranlaßt zu seinem Gutachten wird er durch eine Wasserprobe in Lemgo, bei der die Beschuldigten nicht untergehen. Er wundert sich über diesen Brauch, „als der an anderen Orten Deutschlands unerhört" und zieht Erkundigungen ein. Dabei erfährt er, „es sey dieser gebrauch auß etlicher Völckererfahrung und warnemmen / vorschienen Sommer eingerissen . . . " ; alle der Zauberei Verdächtigen würden auf diese Weise examiniert: wer schwimme, sei schuldig; wer untergehe, sei unschuldig. Eine Erklärung dafür wisse man nicht. Diese Erklärung versucht Scribonius in seinem Gutachten zu geben.

103 104 105

Vgl. vorige Anm. Riezler, Hexenprozesse, S. 80 Institoris, Malleus malef., p.3, q.17; ein Fall der Eisenprobe (1483) ist bekannt aus der Gegend von Konstanz (vgl die Urfehde der Angeklagten, die das Gottesurteil als unschuldig auswies, auf S. 42 f. im 4. Bd. des Fürstenbergischen Urkundenbuches bearbeitet von S. Riezler, Tübingen 1879). Für Bahrrechtsfälle (nicht in Zaubereisachen) in Nürnberg 1576/1599 vgl. Siebenkees, Materialien, S. 594. Für Gottesurteile bei Hexerei im 18. Jhd. vgl. Kress, Commentatio,S. 125 (zu Art. 44 PGO).

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

130

Gerichtsordnung Karls V. von 1532, die freilich erst am Ende des hier behandelten Zeitraumes erlassen wird. Die sich an sie in der Folgezeit anschließenden Streitfragen seien deshalb nur kurz dargestellt. a) Zur Todesstrafe Der Artikel 109 der PGO lautet: „Straff der zauberey. Item so jemandt den leuten durch zauberey schaden oder nachteil zufuegt, soll man straffen vom leben zum tode, unnd solle solliche straff mit dem feur thun. Wo aber jemant zauberey gepraucht und damit nymandt schaden gethon hete, soll sunst gestrafft werden nach gelegenheit der sache, darinnen die urtheiler raths geprauchen sollen, alls von rathsuchen hernach geschrieben steet". Streit entsteht aus der Frage, ob die Todesstrafe auch dann zu verhängen ist, wenn zwar kein Schaden entstanden, aber der Glauben verleugnet worden ist. (Art. 109, Satz 2 ) 1 0 6 . Goldast 1 0 7 führt dazu aus, nicht die Todesstrafe, sondern Belehrungsversuche und Verhängung der Abiuratio würden meist von denen gefordert, die die Fähigkeiten der Hexen (Flug, auch Zauberei) bezweifelten. Zum Großteil bestehe aber Übereinstimmung darüber, daß die Todesstrafe zu verhängen sei. (Begründung: Entwicklungsgeschichte, auf die Goldast 1 0 8 verweist, oder: Vertrag mit dem Teufel zu schließen ist ein mindestens ebenso schweres Vergehen wie jemandem Schaden zuzufügen; so etwa Carpzov 10 9 . b) Zur Konfiskation Im Art. 218 heißt es: „ . . . So werden auch an vilen peinlichen gerichten und der selben mancherley missbrauch erfunden . . . Item an etlichen orten, so eyn übelthetter ausserhalb des lasters unser beleidigt Maiestet oder sunnst in ander feilen, so der übelthetter leib unnd gut nit verwirckt vom leben zum tod gestrafft, werden weib und kinder an bettelstabe, und das gut den Herren zugewiesen, und die und desgleichen gewonheyt, Wollen wir, dass eyn jede oberkeyt abschaffen . . . s o l l . . . " . Goldast 1 1 0 weist bei der Auslegung der Vorschrift die Ansicht zurück, die Konfiskation sei nur beim crimen laesae maiestatis möglich; nach ausführlicher Beweiswürdigung legt er dar, daß das Wort „nit" ein Abschreibefehler sei und eigentlich „mit" heißen müßte. Statt „oder" sei daher zu lesen „und"; also: „und auch außerhalb anderer Fälle". 106

107

Vgl. dazu Godelmann, De magis, lib.3, c . l l ; lib.l, c.2; Gutachten vor lib.3; Carpzov, Practica, p.l, q.49; Goldast 62 ff./92 ff.. Nach Byloffs Auslegung (Verbr. d. Zauberei, S. 120 ff.) setzt „Zauberei" hier das Teufelsbündnis voraus (jedoch orientiert sich diese Auslegung nicht an der Meinung der damaligen Juristen). Goldast, Bedencken Von Confiscation, a.a.O.; mit ausführlichen Nachweisen

108 109 110

Goldast, a.a.O., S. 103 ff. Carpzov, Practica, p.l, q.49, nr.27 ff. Goldast, a.a.O., S. 132 ff.

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

131

Die Gegenmeinung beruft sich auf menschliches Mitleid und christliche Barmherzigkeit gegenüber Weib und Kindern und verweist auf Deuteronomium 24, 16 („Väter sollen nicht um ihrer Kinder willen und Kinder nicht um ihrer Väter willen mit dem Tod bestraft werden. Jeder soll nur für seine eigene Schuld den Tod erleiden"). Diese Stelle bezieht sich jedoch - so Goldast - nicht auf die zeitliche, sondern auf die ewige Strafe. Beispiele dafür, daß Unschuldige büßen müssen, sind im übrigen in der Bibel enthalten (Sintflut, Sodom und Gomorrha). Das Gut soll demjenigen gehören, der in dem betreffenden Ort Blutbann oder Malefizgerichtsbarkeit besitzt. Bei Gütern in verschiedenen Bereichen ist umstritten, ob alle Güter konfisziert und dem betreffenden Herrn übergeben werden sollen oder nur die, die auf dem Gebiet liegen, auf dem Tat und Hinrichtung erfolgt sind; Goldast vertritt letztere Ansicht „als der aequitas und Billigkeit gemäß". Sind mehrere Obrigkeiten zuständig, kommt es zur anteilsmäßigen Teilung; die Drei-Teilung zwischen Papst, Bischof und Inquisition gilt nur auf päpstlichem Gebiet. c) Zur Folter Die Voraussetzungen für die Folter werden in der Carolina gegenüber der Bambergensis in Übereinstimmung mit den in der Literatur gestellten Anforderungen verschärft; im folgenden Wortlaut des Art. 55 der Bambergensis, in Klammer die Erweiterungen in der Carolina (Art. 4 4 ) 1 1 1 : „Von Zauberey genügsame Anzeigung. Item so yemant sich erpeut andre Menschen Zauberey zu lernen oder yemant zu bezaubern drohet (und dem bedroheten dergleichen geschiet) Auch sunderliche gemeinschafft und geselschafft mit zauberen oder zauberin hat, oder mit solchen verdechtlichen dingen, geperden, worten und weysen umbgeth, die zauberey uff Ine tragen (unnd dieselbig personn, desselben sonnst auch beruchtiget), das gibt ein redlich anzaigung der Zauberey (unnd genugsam ursach Zu peinlicher frage)". Weggelassen ist in der Carolina der Absatz II der Bambergensis: „Wo dise sunderliche anzeigung der Missetat wider, ein verdachte person nit genugsam erfunden werden mögen, so such weiter davorn in den artickelnn die zu gemeiner anzeygung allerley missetat sein gesaczt am 35 artickel anfallend".

II) Strafe für die bereuende, gestehende Hexe Die Tatsache, daß die Hexe bereut, wirkt sich nicht aus auf ihre Strafbarkeit bezüglich der von ihr begangenen weltlichen Verbrechen. Dagegen ist die Reue von Bedeutung im Hinblick auf das Ketzereidelikt; nur auf dieses bezieht sich die weitere Darstellung. 111

Nach H. Zoepfl., PGO, S. 46 ff.

132

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

Der reumütige „normale" Ketzer wird aufgrund seiner Reue zur Buße gelassen. Die Frage, ob diese Möglichkeit auch bei der Hexenketzerei besteht, ist strittig. 1) Die Todesstrafe für die reumütige Hexenketzerin 112 Der Inquisitor Jacquerius lehnt die Möglichkeit ab, die Hexe zur Buße zuzulassen (1458); dazu führt er fünf Gründe an: 1 1 3 a) Den normalen Ketzern wird die Huld zuteil, nicht an die weltliche Macht ausgeliefert zu werden, weil es sich dabei häufig um solche Personen handelt, die bei der Beschäftigung mit einem Glaubensproblem oder durch ein schlechtes Verständnis der heiligen Schrift zu irrigen Meinungen verfuhrt werden; diese Personen aber können durch Belehrungen auf den rechten Weg zurückgebracht werden. Hexen dagegen fallen völlig vom Glauben ab und entsagen Gott; im Hinblick auf diese Punkte aber — also den Glauben „an sich" — kann Unwissenheit nicht geltend gemacht werden, weil alle Personen von Kindheit an mit der Existenz Gottes und dessen Verhältnis zum Teufel vertraut gemacht werden. Die Hexen verehren dazu den Teufel, von dem sie wissen, daß er von Gott verstoßen wurde. Ihre Ketzerei ist deshalb ungleich schwerer als die normale Ketzerei. Dies auch deshalb, weil mit der Hexenketzerei noch andere Verbrechen verbunden sind (Morde, Unzucht, Apostasie und Idolatrie). b) Das Motiv für den Abfall der Hexen liegt nicht in ihrer Unwissenheit, sondern in ihrer Habsucht, in Rachegedanken und ähnlichem. Die Kirche kann zwar die Unwissenheit der Ketzer durch Unterrichtung beseitigen, nicht aber die Motive der Hexenketzer. c) Der Kirche obliegt nicht nur die Sorge um die Häretiker, sondern auch die um die übrigen Gläubigen; insbesondere hat sie auch die Gläubigen vor den Häretikern zu schützen. Bei normalen Ketzern ist dies möglich dadurch, daß man zum Beispiel deren Namen bekanntgibt, so daß die Gläubigen diesen aus dem Wege gehen können. Den Belästigungen der Hexen kann dagegen nicht vorgebeugt werden. Sie können mit ihren maleficis auch Personen belästigen, die das nicht wollen. d) Würden die Hexen — wie die übrigen Ketzer — nach abiuratio und Buße freigelassen, so würden deren übrige Verbrechen (Idolatrie, Morde, Sodomie) 112

113

Voraussetzung für die Einstufung als „Ketzer" ist die Hartnäckigkeit; auf das Verhältnis von Hartnäckigkeit und Reue wird nicht eingegangen (Ausnahme: Grillandis, vgl. (zur Auslegung des Wortes continuo) 3 B II 2 e). Sieht man vom Erfordernis der Belehrung ab, so schließen sich Hartnäckigkeit und Reue jedoch in keinem Fall aus; vgl. 2 A I 1 a. Jacquerius, Flagellum fascinariorum, c. 27

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

133

unbestraft bleiben, obwohl diese die schwersten Strafen verdienten. Die Nichtberücksichtigung dieser Verbrechen würde dazu führen, daß der Verbrecher, der sich der Häresie nicht schuldig gemacht hat, schwerer bestraft würde als der, der zugleich Häretiker ist. e) Dies wiederum würde dazu führen, daß Personen, die derartige Verbrechen begehen wollen, sich der Hexensekte anschlössen, weil sie dann nicht so schwer bestraft würden. Die Abschreckungswirkung der Strafe wäre damit aufgehoben und die Sekte würde sich noch mehr vergrößern. Ein ähnlicher Gedanke findet sich im Malleus maleficarum des Inquisitors Institoris ( i 4 8 6 ) 1 1 4 : die Todesstrafe der Hexen ergibt sich aus der Schwere ihrer Häresie 115 und der von ihnen angerichteten Schäden und der sonstigen von ihnen verübten Verbrechen, wobei er sich für letzteres auf den Codex de mal. et math. stützt. Die Frage, ob beide Begründungen zusammentreffen müssen (im Hinblick auf die Hexen, denen aufgrund der Aussagen anderer Hexen nur die Teilnahme an Sabbaten vorgeworfen werden kann), wird bei Jacquerius und Institoris nicht ausdrücklich geklärt. Bei Institoris ist dies jedoch indirekt der Fall: während es im ersten Teil 116 seines Werkes den Anschein hat, als reiche die Schwere der Hexenketzerei allein aus, um die Todesstrafe verhängen zu können (a.a.O.: „Ex quibus satis probabile videtur, quod quantumcunque peniteant et ad fidem revertantur non debent sicut alii heretici carceribus perpetuis mancipari, sed ultimo supplicio puniri. et hoc etiam propter damna temporalia . . . " ) , ergibt sich aus seinen Urteilsformeln im dritten Teil 1 1 7 seines Werkes, daß von der Todesstrafe allein aus Gründen der Häresie hier abzusehen ist. Der Doppelbegründung des Jacquerius — Schwere der Häresie einerseits und weltliche Verbrechen andererseits - läßt sich nicht eindeutig entnehmen, weshalb er die Todesstrafe verhängen will. Drei Möglichkeiten sind denkbar: unabhängig davon, ob das weltliche oder das geistliche Gericht für die weltlichen Verbrechen der Hexe zuständig ist und unabhängig davon, ob das Eingreifen der geistlichen Gerichtsbarkeit das der weltlichen ausschließt oder nicht, kann der 114 115

116 117

Institoris, Malleus malef., p.l, q.14 a.E. Ahnlich Grillandis (De sortilegiis, q.7, nr.35); De haeret., q.2, nr.2 ff., der ausführt: bei der Bestrafung von Apostaten (unter die nach seiner Definition auch die Hexen fallen) ist zu unterscheiden: bei dem, der sich simpliciter vom Glauben abwendet und den Teufel verehrt, ist bei Reue Buße zulässig und werden körperliche Strafen nicht verhängt; bei dem, der sich von Christus abwendet und unter Annahme eines neuen Namens ausdrücklich im Namen des Teufels taufen läßt, ist Buße auf dem forum iudiciale nie zulässig. Institoris, a.a.O., p . l , q.14 Institoris, a.a.O., p.3,q.27

134

Die Strafbaikeit der überführten Hexen

geistliche Richter der Ansicht sein, aufgrund der verübten weltlichen Verbrechen sei die Hexe der Barmherzigkeit nicht würdig und könne deshalb nicht zur Buße zugelassen werden; die Auslieferung erfolgt dann allein wegen des Ketzereideliktes; der geistliche Richter kann die Frage der Zulassung zur Buße völlig von dem weltlichen Verbrechen trennen, die Buße zulassen, die weltlichen Verbrechen aber als in seinen Zuständigkeitsbereich fallend ansehen und die Hexe allein dieser weltlichen Verbrechen wegen ausliefern; denkbar ist auch eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten, so daß die Auslieferung erfolgt sowohl wegen des Ketzereideliktes, als auch wegen der weltlichen Verbrechen. Welche Ansicht Jacquerius im Hinblick auf die Zuständigkeit bezüglich der weltlichen Verbrechen vertritt, kann seinem Werk nicht entnommen werden. Seine oben angeführte Theorie erwähnt zwar, daß die weltlichen Verbrechen unbestraft blieben, wenn die Hexen zur Buße zugelassen würden. Im Vorwort zu seinem Buch betont er jedoch allein die Schwere der Häresie der Hexen, und auch die Überschrift des Kapitels, in der er diese Theorie entwickelt, spricht dafür, daß die weltlichen Verbrechen nur berücksichtigt werden sollen im Rahmen der Erwägung, ob die Gnade der Buße zuteil werden soll oder nicht („Quod fascinarii Haeretici iudicialiter deprehensi, super crimen heresis et usu maleficorum non sunt ita admittendi ad consortium fidelium, sicut admittentur heretici ceteri facta abiuratione hereticae pravitatis") 118 .

2) Die Zulassung zur Buße; Voraussetzungen der Reue (X, 5, 7,9) Im allgemeinen werden die Hexen aber zur Buße zugelassen und wird die Schwere ihrer Häresie insoweit nicht berücksichtigt - obwohl in criminibus atrocibus, so Grillandis 119 , die Zulassung regelmäßig als nicht möglich anzusehen ist; auch der Dieb, der eine gestohlene Sache wieder zurückbringt, wird deswegen ja nicht verschont. Weltliche Verbrechen werden als zur weltlichen Gerichtsbarkeit gehörend und ihre Berücksichtigung bei der Prüfung der Zulassung zur Reue deswegen als nicht möglich angesehen; jedoch ist nach dem Verfahren vor dem geistlichen Richter wegen der weltlichen Verbrechen noch ein Verfahren vor dem weltlichen Richter möglich.

118

119

Hansen, Zauberwahn, S. 464, bezeichnet das Vorgehen nach dieser Theorie als einen „offenen Justizfrevel, der nur da gelingen konnte, wo der weltliche Arm gefügig war". Fälle der Praxis, die dieser Theorie folgen, bei Hansen, Zauberwahn, S. 464 Grillandis, De haereticis, q.5

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

135

Auch wenn man die Auslieferung der reumütigen Hexe grundsätzlich ablehnt, so kann diese aber doch zur Regel werden über die Anforderungen, die man, insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt, an die Reue der Hexe stellt. Die Meinungen darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen die Reue einer Hexe zu berücksichtigen ist, gehen auseinander12 0 . Ausgangspunkt der verschiedenen Auffassungen ist c. Ad abolendam (X, 5 , 7 , 9 ) , dessen hier einschlägige Stelle lautet: „Praesenti nihilominus ordinatione sancimus, ut, quicunque manifeste fuerint in heresi deprehensi . . . secularis relinquatur arbitrio potestatis, animadversione debita puniendus, nisi continuo post deprehensionem erroris ad fidei catholicae unitatem sponte121 recurrere, et errorem suum ad arbitrium episcopi regionis publice consenserit abiurare, et satisfactionem congruam exhibere." Der Streit geht dabei um die Auslegung der Worte „continuo" und „sponte". a) „continuo" Bezüglich des „continuo" wird die Ansicht vertreten, dieser Begriff sei gleichzustellen mit „unico contextu"; der Widerruf müsse deshalb ohne zeitlichen Zwischenraum unmittelbar nach der deprehensio 12 2 erfolgen, also noch vor der Zeugenbefragung und der Beweiserhebung, denn innerhalb dieses Zeitraumes liege noch eine res integra vor 12 3 . Daß zumindest nach dem Urteil ein Widerruf nicht mehr möglich sei, ergebe sich daraus, daß c. Excommunicamus II (X, 5, 7, 15) den Verurteilten keine Nachsicht gewähre und daß dort die Rede sei nicht von den „condemnatis", sondern von den „deprehensis in heresi" (§ 1 dieses Cap.: „Si qui autem de praedictis, postquam fuerint deprehensi, redire voluerint 124 ad agendam condegnam poenitentiam, in perpetuo carcere detrudantur..."). Dagegen wird von mehreren Gelehrten („quamplures doctores non levis auctoritatis") 12 5 argumentiert, der Widerruf sei in jedem Stadium des Prozesses möglich, auch noch nach dem Urteil; jedoch nicht mehr nach der Auslieferung 120 121 122

Darstellung des Streites bei Grillandis, De haereticis, q.5; Como, Lucerna, „redire" Hervorhebg. v. Verf. „Deprehensio" wird bei den Ausführungen zumeist nicht als „deprehensio erroris" gebraucht - so aber die Regelung in X, 5, 7, 9 - sondern i.S. v. „Festnahme". Erklärbar ist dies damit, daß eine „deprehensio erroris" an sich nicht nötig ist, weil es sich bei den Hexen um einen völligen Glaubensabfall handelt, bei dem nicht erst darüber belehrt zu werden braucht, daß ein Verstoß gegen die christliche Lehre vorliegt; vgl. 2 A I 1 a (zur Hartnäckigkeit der Hexenketzer). Ausdrücklich findet sich diese Erklärung aber nicht.

123 124

Como, Lucema, S. 105 ff., 139; vgl. Grillandis, De haereticis, q.5 Zum Wortlaut vgl. diesbez. Anm. unter 3 B II 2 c

125

Grillandis, De haereticis, q.5

136

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

an den weltlichen Arm, weil der Verurteilte dann nicht mehr dem Machtbereich des geistlichen Richters unterliege. Prierias 1 2 6 , der Inquisitor, bezeichnet diese weite Auslegung des „continuo" als gottesgefälliger. Zur Begründung fühlt er an: spätere Rechte 1 2 7 enthalten keine zeitlichen Bestimmungen mehr, sondern sprechen unterschiedslos nur noch von denen, die zum Glauben zurückkehren wollen; der Begriff des „continuo" wird gewohnheitsmäßig in diesem weiten Sinne interpretiert; der Ausgangspunkt des Streites, Cap. Ad abolendam (Wortlaut s.o.), spricht von einer deprehensio manifesta, von der aber nur nach einem endgültigen Beweis gesprochen werden kann; dieser wiederum kann zeitlich zusammenfallen mit dem Urteil, so daß für die Möglichkeit des Widerrufes nach Beweiserhebung und nach Erlaß des Urteils keine unterschiedlichen Argumente vorgebracht werden können; dies bedeutet, daß der Widerruf auch noch nach dem Urteil möglich sein muß, bei Strafgesetzen soll die mildere Auslegung, hier also die weite Auslegung des „continuo" zur Anwendung kommen; letzten Endes liegt der Grund für die Schonung der Hexen nicht in dem Zeitpunkt des Widerrufes vor oder nach dem Urteil, sondern in der Tatsache, daß es sich um eine echte Rückkehr zum Glauben handelt; diese aber ist auch noch nach dem Urteil möglich. Grillandis 12 8 führt weitere Argumente für die weite Auslegung an: c. Firmissime (X, 5, 7, 3) besagt, daß jeder Ketzer verbrannt wird, der nicht vor dem Ende seines Lebens zur Kirche zurückgekehrt ist; folglich ist der Widerruf noch bis zur Ausführung des Todesurteils möglich; in der Glosse zu c. Vergentis (X, 5, 7, 10) ist ausgeführt, daß konfiszierte Güter zurückgegeben werden können ex misericordia et pietate canonica; dies setzt voraus, daß die Güter bereits konfisziert gewesen sein müssen, was wiederum nur möglich ist, wenn bereits ein Urteil vorliegt; das bedeutet, daß der Ketzer auch noch nach dem Urteil widerrufen kann; schließlich fehlt es, auch wenn der Widerruf erst nach dem Urteil erfolgt, an zwei wesentlichen Voraussetzungen der Häresie: es fehlt am Irrtum und an der Hartnäckigkeit. Grillandis 129 gleicht den Widerspruch zwischen den beiden Ansichten dadurch aus, daß er die Bestimmung des noch möglichen Zeitpunktes für den Widerruf in das Ermessen des Richters stellt, beschränkt auf die Zeit, in der die Hexe noch nicht ausgeliefert worden ist. 126

Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pct.14

127

Ohne nähere Angaben insoweit; die von Grillandis a.a.O. angeführten Canones stammen von Papst Innozenz III. (1179/1180) und Papst Lucius III. (1181/1185).

128

Grillandis, De haereticis, q.5

129

Grillandis, De haereticis, q.5, Rdnr. 16

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

137

Das Wort „continuo" muß „civili modo" so verstanden werden, daß darin auch die Möglichkeit einer angemessenen Verzögerung enthalten ist. Adverba temporalia — wie continuo, illico, incontinenti, mox — lassen ihrer Eigenart nach (propria natura) eine gewisse Verzögerung zu. Die zulässige Verzögerung ist in den Einzelfällen verschieden, ihre Bestimmung unterliegt dem Ermessen des Richters 130 . Ein weiterer — vermittelnder — Lösungsvorschlag findet sich bei Simanca 131 . Die Ansicht, die Reue eines Ketzers sei auch noch nach der Urteilsfällung beachtlich, weil der Ketzer, solange er sich in den Händen des geistlichen Richters befindet, barmherzig behandelt werden soll, lehnt er ab als „a iure" (c. Ad abolendam) „et ratione longe aversa". Die Ansicht, die Bestimmung des Zeitpunktes liege im Ermessen des Richters, betrachtet er als eine „periculosa opinio explosa": das Leben der Reumütigen soll nicht vom Ermessen des Richters abhängen; der Verfiigungsbefugnis der Richter sind nur Angelegenheiten zu überlassen, die nicht so schwerwiegend sind und die Punkte, die der Gesetzgeber nicht definieren konnte. Besser ist daher, so Simanca, die Ansicht der maiores nostri (wobei er sich auf Gerson beruft), die den Widerruf nur bis zu der sententia definitiva zuließen 132 . Den Bedenken, die sich aus dem c. Ad abolendam ergeben — der Zeitpunkt müßte eigentlich früher festgesetzt werden —, kann man begegnen durch die Anweisung an die Richter, zu beachten, ob es sich um eine echte oder nur um eine gespielte Reue handelt. Wegen seiner Bedeutung für die Praxis ist auch die Stellungnahme des Institoris im Malleus maleficarum von Interesse. Institoris scheint dabei eine extreme Ansicht zu vertreten insofern, als er die Reue auch noch nach der Überlassung an die weltliche Macht als zulässig anzusehen scheint. Bezogen auf die Behandlung der nicht gestehenden Hexe heißt es 13 3 : ,3t si forsan post sententiam et iam relictus134 ad locum ubi est comburendus deductus, dixerit se velle fateri veritatem . . . " , so soll sie aus Barmherzigkeit wie eine bußfertige Ketzerin behandelt werden, „quamvis de rigore iuris nec tali conversione est magna fides a iudicibus fidei adhibenda". Er stützt sich dabei — ohne nähere Ausführungen — 130

Nach Como, Lucerna, „redire" (der durch eine Aufzählung von mehreren Gesetzesstellen darlegt, daß der Begriff „mox" verschiedene Zeiträume umfassen kann), geht diese Auffassung zurück auf Panormitanus, der die nähere Bestimmung in das Ermessen des Richters stellte, wenn eine gesetzliche Zeitbestimmung nicht vorhanden war.

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Simanca, De institutionibus cath., tit. 47, nr. 36 ff. Ebenso Repertorium, „misericordia"; S. 533 ff. Institoris, Malleus malef., p.3, q.31 a.E.; ebenso Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pct.14 Institoris wechselt hier, wie öfter, das Geschlecht; Hervorhebung vom Verf.

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Die Strafbarkeit der überführten Hexen

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auf c. Excommunicamus II (s.o.) und auf die Glosse zu dem Wort „audientia" im c. Ad abolendam. (In dieser Glosse wird u.a. ausgeführt: „Sed si volunt redire, nonne debent audiri et recipi, quia ecclesia non claudit gremium volentibus ad ipsam . . . " ; auch ergebe sich aus dem Decretum Gratiani p. 2, 26, 6, 13, daß Gott nicht den Tod, sondern die Bekehrung des Sünders wünsche.) Im Malleus maleficarum schildert Institoris das Verfahren gegen zwei Hexen 1 3 s , gegen die „von uns" (wohl Institoris und Inquisitionsnotar) vorgegangen wurde. Eine der beiden Frauen wurde, obwohl reumütig, verbrannt. Allerdings waren bei diesem Verfahren, bei dem die Reue offensichtlich unbeachtlich blieb, auch Vertreter weltlicher Behörden beteiligt, so daß die Hinrichtung auch aufgrund der weltlichen Verbrechen (hier: schädlicher Wetterzauber) angeordnet worden sein kann. b) „sponte" Ein nach dem Urteil erfolgter Widerruf muß aber, auch nach der weiten Auslegung des „continuo", nicht schon deshalb die Hinrichtung verhindern. Der Widerruf muß auch „sponte" erfolgen. Dabei liegt die Argumentation nahe, ein Widerruf, der erst angesichts der Folterknechte oder unmittelbar vor der Auslieferung abgegeben werde, erfolge nicht freiwillig, sondern aus F u r c h t 1 3 6 . So wird auch die Auslegung des „continuo" mit der des „sponte" vermischt insofern, als zum Teil bei der Prüfung dieser Fragen nur allgemein von der Zulässigkeit der Reue gesprochen wird, ohne zwischen den beiden Begriffen zu unterscheiden 13 7 . Im übrigen aber ist ein Widerruf nur dann als „sponte" anzusehen, wenn die Reue echt ist und von Herzen kommt 1 3 8 . Die Beantwortung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, unterliegt dem Ermessen des Richters. Bernhard von Como 1 3 9 beruft sich dabei auf die Bulle „Super extirpatione" Papst Innozenz'IV. 1 4 0 und bezeichnet diese Ansicht, ohne zwischen continuo und sponte zu unterscheiden, als „generalis consuetudo officii inquisitionis". Eine Besonderheit ergibt sich bei den rückfälligen Ketzern. Nach Prierias spricht bei diesen die Vermutung fiir die Unbeständigkeit, so daß deren Reue 135 136 137 138 139 140

Institoris, a.a.O., p.2,q.l, c.15 Vgl. Repertorium, „misericordia", S. 536 ff. Vgl. Grillandis, De haereticis, q.5 a.A. und Rdnr. 21; Repertorium, „misericordia"; S. 533 ff. (534) Grillandis, a.a.O., q.5 a.A. Como, Lucerna, „redire", § 6 Diese bei Potthast, Regesta, nicht genannt; eventuell „Ad extirpanda" vom 15.5.1252, Potthast Nr. 14592

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

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grundsätzlich als nicht echt und damit als nicht „sponte" anzusehen i s t 1 4 1 . Grillandis verneint bei Rückfällen zwar ebenfalls die Möglichkeit der Zulassung zur Buße, jedoch können dem Rückfälligen die Sakramente erteilt werden; Reue ist also möglich 14 2 . Wird die Zulässigkeit der Reue bejaht, so ändert sich dennoch am Ergebnis praktisch nichts, da die Hexe noch vor das weltliche Gericht gestellt werden kann. Folge der Reue ist lediglich Absolutions- und Kommunionsmöglichkeit vor der Hinrichtung. Die Rückgabe bereits konfiszierter Güter liegt bei (als zulässig angesehenem) Widerruf der Hexe nach Erlaß des Urteils im Ermessen des Richters 1 4 3 .

c) Die Buße Sieht man die Zulassung zur Buße als möglich und die Voraussetzungen der erforderlichen Reue als gegeben an, so ist die gestehende reumütige Hexe zu bestrafen mit carcer perpetuus 144 bei Wasser und Brot (c. Excommunicamus II; X, 5, 7, 15, § 1: „Si qui autem de praedictis postquam fuerint deprehensi, redire voluerint 145 ad agendam condignam poenitentiam, in perpetuo carcere detrudantur . . . " ) . Dazu ist anzuführen, daß bei den Urteilsformeln des Institoris und des Prierias im Rahmen der Behandlung der suspicio violens, die bei ihnen der Behandlung des überführten Ketzers entspricht, die Möglichkeit offengelassen wird, statt des carcer perpetuus auch eine andere Zeitstrafe zu verhängen 146 . Im Repertorium 141

Prierias, De mirandis strig., lib.3, c.4, pct.14

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Grillandis, De haereticis, q.5, nr.23 Grillandis, De haereticis, q.6; dort auch zur Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Güter bereits anderweitig verwendet worden sind. Allgemein zum Gefängniswesen bei den geistlichen Behörden: Henner, Org. d. Ketzerger. Bei Friedbeig ist zu lesen: „noluerint" („voluerit" dagegen in sexto, 5, 2, 11, vor § 1), ebenso bei H. Boehmerius. In der Ausgabe „Decretales D. Gregorii Papae IX.", Venetiis 1600, von F. Raymundus de Penaforte/Bernardus de Botono Parmensis heißt es dagegen: „voluerint". In der Ausgabe „Decretales Gregorii Noni . . .", Lugduni 1558, von Hugo ä Porta/Antonius Vincentius ist zu lesen: „noluerint"; die dieser Ausgabe beigefügten Glossen sprechen von „redire voluerint". - Der Ausdruck „noluerint" ist im Hinblick auf den Aufbau des Ketzerverfahrens unrichtig; die hier behandelte Literatur geht jedenfalls aus von „voluerint" (ebenso der Wortlaut in sexto, 5 , 2 , 1 1 , vor § 1).

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Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.8; Institoris, a.a.O., p.3, q.25: „te ad talem carcerem ad perpetuum vel ad tale tempus sententialiter condemnamus". Perneder (Straff und Peen, S. 1') zufolge sollen, ohne Bezugnahme auf Hexen, Frauen nicht in ein Gefängnis gesperrt werden, „es wer dann ain gar ubergroß Laster / durch sie begangen / so solle man sie inn ain kloster schliessen / oder etlichen frawen zu

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Die Strafbarkeit der überführten Hexen

ist ausgeführt, ob carcer perpetuus oder carcer ad tempus verhängt werde, liege im Ermessen des Inquisitors14 7 . Damit ergeben sich zwei Auslegungsmöglichkeiten: „carcer perpetuus" im zitierten c. Excommunicamus II wird nicht als lebenslängliches Gefängnis verstanden oder aber diese Regelung wird nicht als zwingend angesehen. Zu dieser Frage wird jedoch nicht Stellung genommen 1 4 8 ; dies freilich ist auch nicht erforderlich, weil die Urteile unter einem Abänderungsvorbehalt stehen. Dieser berechtigt den geistlichen Richter, das Urteil zu mildern oder zu verschärfen. Die Möglichkeit dazu ergibt sich aus c. Ut commissi (in sexto, 5, 2, 12) und wird bereits im Urteil niedergelegt: „retinentes nobis ex scientia, et expresse, ut nobis concedunt Canonica instituta, quatenus dictam poenitentiam possumus mitigare, aggravare, mutare, tollere in toto et in parte, totiens quotiens nobis visum fuerit faciendum" 149 . Vor dieser Verurteilung muß die Hexe ihrer Ketzerei abschwören. Die Abschwörung 150 hebt die Exkommunikation auf, die aufgrund der c. Excommunicamus I und II (X, 5, 7, 13 und 15) bestanden hat. Nach der Abschwörung ist deshalb die Absolution zu erteilen, wobei Buße auferlegt wird nach Maßgabe des c. Ut officium (in sexto, 5 , 2 , 11: „ . . . et iniungatis . . . quod iniungi talibus consuevit"). Die Bußen bestehen darin, für eine bestimmte Zeit oder an bestimmten Tagen Kleider mit aufgestickten Kreuzen zu tragen 1 5 1 , während der bewaren befehlen". Niemand soll zu ewigem Gefängnis verurteilt werden (I, 3'); diese Pein ist „im rechten" verboten, denn die Gefängnisse sind nicht erdacht und erbaut zur Strafe der Gefangenen, sondern zu deren Verwahrung. - Ähnlich die Wormser Reformation von 1498 (6. Buch, 2. Teil, Titel 11): Dann Kercker oder gefengknuß seyndt durch die Rechtsetzer erfunden und zugelassen nit zu straffe / sonder zu verwarung der straffbaren" (weshalb niemand „über etlich monat" darin festgehalten werden und man in der Erforschung der Wahrheit fleißig sein soll). — Dagegen Tengler, Leyenspiegel, (S. 107'): Gefängnisse usw. sind „am mejsten" zur Verwahrung und nicht „zur peen wegen missethäter erfunden / doch seind sie in mancherley weiß zu gebrauchen", und zwar auch zur Verurteilung auf Zeit oder auf ewig. Ebenso Repertorium, „Carcer", S. 96. 147 148

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Repertorium, „Carcer", S. 100 Nach Paulus, Zauberwahn, S. 252 ff./264 ff. wird „carcer perpetuus" in Italien als Gegensatz zum Untersuchungsgefängnis gebraucht; die auf Lebenszeit Eingesperrten werden dort im 16./17. Jhd. in der Regel nach drei Jahren begnadigt. Institoris, a.a.O., p.3, q.25 a.E.; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.8 a.E.; Repertorium, „Poena", S. 599. Dieser Vorbehalt ist bei Institoris nur bei der Urteilsformel im Hinblick auf die suspicio violens erwähnt, gilt aber für alle Urteile; das zit. c. Ut commissi enthält keine Beschränkung. Zur Abschwörung s. 3 C II, III Im Hinblick auf einen Wiedertäufer findet sich in den Ausgabenverzeichnissen des Landschreiberamtes Burghausen die Eintragung (1528): „Unnd auf fürstlichn bevelh demselben Thurner ainen groben Rockh mit Zwaien Weissen Taufsteinen machen lassen, den er sein lebenlang der massen antragen mus, thut 2 Pfd. Pfennig". (Kreisarchiv; RL, Fasz. 59, Nr. 263, S. 101'; „Ausgaben").

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

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Messen mit einer brennenden Kerze vor der Eingangstüre der Kirche zu stehen 1 5 2 , bestimmte Wallfahrten zu machen oder für eine bestimmte Zeit zu fasten 1 5 3 . Auch die Verhängung von Geldbußen ist möglich. Como führt dazu aus 15 4 : an sich kann bei Häretikern keine Geldstrafe verhängt werden, denn entweder ist man von der Schuld der Angeklagten überzeugt, dann ist das gesamte Gut zu konfiszieren; oder man ist nicht davon überzeugt, dann kann keine Strafe auferlegt werden. Dies ist aber nur der Regelfall. Zu beachten ist dazu, daß bei bloßen verba haereticalia (die bei Hexen wohl immer vorliegen werden) eine Geldstrafe verhängt werden kann; zu beachten ist zudem, daß Zeitstrafen aufgrund des Abänderungsvorbehaltes in Geldstrafen umgewandelt werden können 15 5 . Jedoch sollen die Inquisitoren dieses Geld nicht behalten, sondern den Armen oder dem officium übergeben. Ebenso bejaht wird die Möglichkeit der Geldstrafe („pro pauperis") im Repertorium 15 6 unter Hinweis auf c. Accusatus (in sexto, 5, 2, 8, § 6; Inhalt: „Inquisitores possunt compellere heredes fautorum hereticorum, qui tarnen heretici non erant, ad implendum poenitentiam iniunctam in bonis temporalibus; secus, si mortui sint, antequam fuerit poenitentia iniuncta"). Nicht erwähnt ist die Geldbuße bei Institoris, der aber bei den Prozessen von Innsbruck (1485/86) eine der Betroffenen ausgesucht hatte, die seine Auslagen ersetzen sollte 15 7 . Die Nichterfüllung der auferlegten Bußen führt dazu, daß der Betroffene wie ein Rückfälliger behandelt und an die weltliche Macht ausgeliefert wird 15 8 . 152 153 154 155

Riezler, Hexenprozesse, S. 77, erwähnt den Fall einer Zauberin (Freising 1417), wo dies mit geschorenem Haupthaar und entblößtem Oberkörper geschehen mußte. Como, Lucerna, „Ieinium" Como, Lucerna, „Poena pecunaria" Geldleistungen werden in der Praxis offenbar nicht zur „geistlichen Buße" gerechnet. Eintragung im Einnahmeverzeichnis des Landschreiberamtes Burghausen (1527): ein Ehepaar hat sich zur Wiedertaufe überreden lassen, „deßhalb flüchtig worden, des Irrthumbs abgestanden, umb gnad, die Inen ervolgt, angeruffen, unnd geistliche pues bei Inen Pfarrkürchen 3 Suntag erstanden, geben 8 Pfd. Pfg." (Kreisarchiv; RL, Fasz. 59, Nr. 265, S. 30); s. auch Schreiben des G. Golser oben 3 B L 2 c („Penen und Penitenzen")

156 157

Repertorium, „poenitentia", S. 612 ff. Amman, Innsbr. Hexenproz., S. 52. - In der Hexenbulle heißt Inquisitoren in § 2 a.E., die Inquisitoren könnten „corrigere, mulctare (nicht: „multare")". Friedrich, Hexenbulle, S. 5, Verdienst züchtigen, einkerkern, am Leib strafen oder um Geld

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Como, Lucerna („Practicaprocedendi"), § 1. Bei der Kommentierung des Art. 109 PGO führt Goldast, Bedencken Von Confiscation, 1629 aus (S. 104): „Es ist zwar nicht ohn/daß an etlichen Catholischen

es zur Kompetenz der incarcerare, punire et übersetzt mit: „nach büßen."

142

Die Strafbarkeit der überfühlten Hexen

Die Pflicht zur Geldleistung kann sich im übrigen auch aus anderen Gesichtspunkten ergeben. In den Beschwerden der deutschen Nation von 1523 15 9 wird geklagt, die geistlichen Richter würden Personen aufgrund grundloser Denunziationen vor allem wegen Ehebruches und Zauberei vor ihre Gerichte stellen und sie nicht freisprechen, bevor sie nicht ihre Unschuld beschworen hätten. Für eine Ehrenerklärung (restitutionis fidem) aber müßten diese schuldlose Personen dann zwei Dukaten, für deren schriftlichen Nachweis (pro absolutoris litteris) einen Viertel-Dukaten an den geistlichen Richter bezahlen. Agrippa von Nettesheim beklagt diese Praxis ebenfalls16 0 . Auf das Grausamste, so fuhrt er aus, wüten die Inquisitoren „in rusticas mulierculas, . . . , quas sortilegii aut maleficii accusatas". Sie glauben, gegen eine solche Frau solange vorgehen zu müssen, bis die Bedauernswerte verbrannt wird oder dem Inquisitor die Hand vergoldet (manus inaurare), so daß er sich erbarmt und sie freispricht, als habe sie durch die Folter bereits genügend gesühnt. Nicht wenige dieser Frauen werden auch zum Vorteil der Inquisitoren zu einer jährlichen Abgabe zur Vermeidung der neuerlichen Aufnahme des Verfahrens gezwungen.

3) Handhabung ähnlicher Fälle Die Frage nach den Voraussetzungen für die Zulassung zur Buße, insbesondere nach dem Zeitpunkt der Reue, stellt sich auch in anderen Fällen. Es sei hier daher kurz auf Lutheraner, Wiedertäufer und Juden hingewiesen, wobei, da die theoretischen Ausführungen gleichbleiben, auf die Praxis (des Herzogtums Bayern) abgestellt wird. a) Lutheraner Ausführungen zum hier behandelten Fragenkreis finden sich in den Protokollen der Prozesse gegen Anhänger Luthers in Wasserburg (1526) 1 6 1 ; dabei wurde zwei Priestern, gegen die offenbar ein Exempel statuiert werden sollte (auch im Hinblick auf den Sittenverfall des Klerus), die Zulassung zur Buße verweigert, obwohl sie zum Widerruf bereit waren. Orten/da dieses Laster der Zäuberey/durch die Inquisitoren und Geistliche Richter: als zu Rom/Neapolis/ in Sicilien/Spanien/etc. geurtheilt wird/nur diejenige Zauberischen und Hexen/welche hartnäckig/verstockt/und wiederspenstig bleiben . . . zum Tode verdampt werden"; die anderen müssen dem Teufel entsagen und abschwören „und werden alßdann loß und zu den jhrigen wiederumb gelassen. Aber diese Gewohnheit/wird in Teutschlandt/Franckreich und andern Orten/da die Weltliche Obrigkeit dieses Laster zu straffen hat und zu straffen pfleget/nit gehalten." 159 160 161

Beschwerden dt. Nation Nr. 68 Nettesheim, De incertitudine scientiarum, c.96 Vgl. Simon, Ketzereigerichtsprivileg

Strafe für die bereuende, gestehende Hexe

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Der Richter soll den Angeklagten zwar fragen, ob er „revocieren" wolle. Aber „obgleich einer gnad begert, sich bewilligt zu revocieren, und verhofft, es werde mit im als gegen einen ketzer, weil er zu revocieren willig sei, procediert, so ist doch aus offenbarem wissen dasselb unfurträglich, dann die revocierung hat in geistlichen rechten also stat: Alspalt ainer ain irrsal der ketzerei versteht 1 6 2 , so sol er revociern von im selbs freiwillig, nit benötigt noch allererst, so er im gfanknus kombt". Der Widerruf der Priester führte demzufolge zwar - anstelle des Feuertodes nur zur Enthauptung, nicht aber zur Bußmöglichkeit; andere dagegen wurden zur Buße zugelassen und zu ewigem Kerker verurteilt bzw. aus der Haft entlassen. b) Behandlung der Wiedertäufer Bei Betrachtung der Praxis der weltlichen Gerichte in Bayern bezüglich der Wiedertäufer ist zu berücksichtigen, daß die Wiedertäufer zumindest auch 1 6 3 — in Nürnberg und Augsburg 1 6 4 überwiegend — unter dem Gesichtspunkt des Landfriedens betrachtet wurden. Die Wiedertäufer werden grundsätzlich zum Tod durch das Feuer verurteilt. Bei Widerruf werden Männer zum Tod durch das Schwert, Frauen zum Tod durch Ertränken begnadigt. Der Münchner Hofrat Perneder begründet dies mit dem Satz: „Dan die weltlichen Recht sein in dißem fal Lauter"; auf welche Vorschriften er sich bezieht, gibt er nicht a n 1 6 5 . 1528 wird eine Wiedertäuferin zum Tod durch Ertränken begnadigt und erst dann verbrannt, obwohl sie nicht widerruft166. Diese Praxis wechselt jedoch; in anderen Fällen wird, Perneder zufolge, bei Widerruf von der Todesstrafe abgesehen. Regelmäßig werden auch Geldstrafen verhängt 16 7 . 162 163 164

165

166 167

Die „deprehensio erroris". - Wobei während des Prozesses darüber gestritten wurde, ob es dabei auf die Ansicht der Obrigkeit oder auf die der Angeklagten ankomme. Vgl. Gerichtsordnung der Herrschaft Röttenwang; Allg.StA, S. 33 ff. Knapp, Nürnb. Kriminalrecht, S. 267 ff.; Sender, Augsburger Chronik, S. 198 ff.; selten die Todesstrafe, häufig: Durchbrennen der Backen und Herausreißen der Zunge; (vgl. Perneder, Straff und Peen, S. 4: Leibstrafen sollen nicht verhängt werden im Gesicht, „welches nach form und bildnuß unsers erschaffers figuriert und gemacht ist"; s. dazu C 9, 47, § 17: „ . . . facies, quae ad similitudinem pulchritudinis caelestis est figurata . . .") Perneder, Verzaichnus, S. 24'; von anderer Handschrift ist vermerkt: „29/44/51"; die Reichsabschiede von ] 529/44/51, auf die sich diese Bemerkung wohl bezieht, fordern zwar, gegen Wiedertäufer mit Feuer und Schwert vorzugehen; die von Perneder insoweit geschilderten Fälle ereigneten sich jedoch 1527. Perneder, Verzaichnus, S. 27 Fundstelle dafür Anhang I

Die Strafbarkeit der überführten Hexen

144

In einem Mandat der Herzöge Wilhelm und Ludwig von 1530 heißt e s 1 6 8 : da etliche Begnadigungen keine Wirkung gezeigt, die Wiedertäufer sich vielmehr vermehrt hätten, solle, um das Übel auszurotten, keine Gnade mehr gewährt werden. In einem Mandat von 1544 wird bestimmt 1 6 9 , daß Prediger der Wiedertäufer, Aufwiegler, etc. „kains wegs" begnadigt werden sollen. Von den anderen können die, die unverzüglich widerrufen, nach Gelegenheit ihres Standes, ihrer Jugend und anderer Umstände begnadigt werden. c) Die Juden Zur Frage, wie mit Juden zu verfahren sei, die nach ihrer Verurteilung angeben, als Christen sterben zu wollen, führt Tengler 1 7 0 aus, die Hinrichtung müsse aufgeschoben werden, bis der Jude im Gefängnis den christlichen Glauben gelernt habe und getauft sei. Daraufhin sei er erneut zu verurteilen und als Christ hinzurichten, also mit Absolutions- und Kommunionsmöglichkeit (und wohl: Hängen am Hals) 1 7 1 .

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Mandatenbuch S. 146 ff.

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Mandatenbuch S. 149 ff. Tengler, Leyenspiegel, S. 118' Hinrichtung der Juden: Hängen mit den Beinen oben, umgeben von zwei ebenfalls gehängten Hunden; dieses „verkerte gericht" ist nicht im kaiserlichen Recht enthalten, sondern „aus der Richter Macht" entstanden; Tengler, Leyenspiegel, S. 118'

C) STRAFBARKEIT DER NICHT VÖLLIG ÜBERFÜHRTEN HEXEN; VERDACHTSSTRAFEN 1 I) Die einzelnen Verdachtsstufen Wird die Hexe nicht überführt, so besagt dies nicht, daß sie freigesprochen werden muß. Vielmehr kann der geistliche Richter im Hinblick auf die Ketzerei Buße und Strafe verhängen, wobei deren Ausmaß sich danach richtet, in welchem Maße sich die Angeklagte der Ketzerei verdächtig gemacht hat. 1) Die suspicio violens2 Die schwerste Verdachtsstufe, die suspicio violens, hat die Behandlung der Angeklagten als Ketzerin zur Folge, auch wenn es sich in Wirklichkeit nicht um eine Ketzerin handeln sollte, weil die Voraussetzungen des Irrtums oder der Hartnäckigkeit fehlen. Dies ergibt sich daraus, daß ein Gegenbeweis im Rahmen dieses Verdachtes nicht zulässig ist (unter Hinweis auf X, 2, 23, 12 - Inhalt: „Per violentam praesumptionem probatur carnis copula" - und X, 2, 23, 2 — Inhalt: „Ex violenta praesumptione fertur defenitiva"). Suspicio violens liegt vor, wenn jemand eine Drohung gegenüber einem anderen ausstößt — etwa: „faciam tibi quae in brevi senties" - und bei der angesprochenen Person sich irgendeine Wirkung zeigt; sie ist auch dann gegeben, wenn Hexen Ehrerbietung entgegengebracht wird oder wenn jemand aus Wollust an einem Sabbat teilnimmt, aber angibt, er habe Christus nicht verleugnet. Die Gleichstellung dieser Verdachtsstufe mit der erwiesenen Ketzerei führt dazu, daß eine Hexe hier nur dann nicht ausgeliefert wird, wenn sie abschwört und bereut. Die Abschwörung beinhaltet dabei die Aussage, sie entsage jeder Ketzerei und werde nie mehr die Handlungen vornehmen, aufgrund derer die suspicio violens entstand. Zu beachten ist bei der Behandlung dieser Fälle folgendes: da die angeklagten Frauen vor allem im Hinblick auf ihre Drohworte anzuführen pflegen, sie hätten sie nicht in der vom Richter angenommenen Absicht ausgestoßen, sondern „ex vehementi et muliebri passione", sind die Richter der Ansicht, sie könnten diese Frauen nicht dem Feuer übergeben. Die Hexen sind deshalb, wenn sie leugnen (und wegen des fehlenden Geständnisses nicht in der erforderlichen Weise 1

Auch dieser Teil C bezieht sich allein auf das Ketzereidelikt

2

Institoris, Malleus malef., p.3, q.19, q.25; Prierias, De mirandis strig., lib.3, c.4, pct.8; vgl. Flatten, Häresieverdacht, S. 35 ff.

Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexen; Verdachtsstrafen

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überführt sind, aber aufgrund der suspicio violens als überführt gelten) 3 , milder zu behandeln als normale Ketzer und daher nicht sofort auszuliefern. Vielmehr sind weitere Nachforschungen anzustellen und die peinliche Befragung ist weiterzuführen; die Frauen sind mindestens ein Jahr dem Elend des Kerkers (squaloribus carceris) zu überlassen und sehr oft, besonders an Sonn- und Feiertagen, zu verhören. Zugleich soll festgestellt werden, ob auch Bescholtenheit vorliegt. Ist dies der Fall, so soll die Betreffende — obgleich sie an sich hingerichtet werden könnte — dennoch zu purgatio und abiuratio zugelassen und zu carcer perpetuus verurteilt werden. Zur purgatio sind dabei 20 oder 30 Reinigungshelfer erforderlich 4 . Der Grund dafür, daß die Hexe im vorliegenden Fall nicht hingerichtet wird, liegt darin, daß der Richter „pie" vorgehen soll. — Bei dieser Regel, von der Hinrichtung abzusehen, kann freilich nur auf die geistlichen Richter abgestellt werden, weil die weltlichen Richter auf andere Art vorgehen und sich dabei an der Strenge des Gesetzes, nicht aber an der Barmherzigkeit und Billigkeit orientieren 5 . Schwört die Angeklagte ab, so ist sie von der Exkommunikation zu absolvieren und — unter Abänderungsvorbehalt — zu verurteilen zu einer besimmten, vom Maß der Schuld und der Hartnäckigkeit abhängenden Gefängnisstrafe. Daneben auch dazu, für eine gewisse Zeit über alle ihre Kleider ein bleifarbenes Gewand (nach Art eines Mönch-Skapuliers ohne Kapuze) zu tragen und in diesem an bestimmten Zeiten an bestimmten Kirchentüren zu stehen; auf der Vorder- und auf der Rückseite dieses Kleides müssen gelbe Kreuze von drei Handbreit Länge und zwei Handbreit Breite befestigt sein. 2) Suspicio vehemens6 Suspicio vehemens ist die zweithöchste Verdachtsstufe. Sie hegt vor, wenn große und schwere Indizien vorhanden sind, wobei für die Beispielsfälle hingewiesen wird auf c. Accusatus (in sexto, 5, 2, 8, § 2). Danach ist sie gegeben, wenn 3 4

5

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Vgl. 3 B I 4 a, b Ein gewisser Widerspruch zu den Ausführungen des Institoris unter 3 B 14 b, wonach auch bei fehlendem Geständnis (trotz eines entgegenstehenden Gerichtsgebrauches) ausgeliefert werden kann. Die hier geforderte große Anzahl von Reinigungshelfern wird aber, ausgehend vom Mißlingen der Reinigung, ebenfalls in der Regel zur Auslieferung führen. „iuxta rigorum et non semper iuxta aequitatem". Wohlhaupter, Aequitas canonica, S. 139, sieht die aequitas canonica bei Institoris insoweit zur Geltung gebracht, als der Tätigkeit des Inquisitors „gratia" vorausgehe, innerhalb derer Reue und damit Strafverschonung möglich sei und auch einem Verdächtigen „selbst bei suspicio violenta noch im Laufe des Prozesses die via pietatis eröffnet (werde),indem purgatio canonica mit Eidhelfern gestattet (werde)". Institoris, a.a.O., p.3, q.24;Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.7

Die einzelnen Verdachtsstufen

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jemand Ketzer öfter bei sich aufnimmt, sie begleitet, besucht, ihnen Geschenke macht oder ihnen wohlgesinnt ist. Im Urteil wird angeordnet, daß die Angeklagte die Handlungen, aufgrund derer sie vor Gericht gestellt wurde, in Zukunft zu unterlassen hat und welches sonstige Verhalten sie zu beobachten hat, um nicht als rückfällig angesehen werden zu können. Da die Angeklagte, die im Rahmen dieses Verdachtes verurteilt wird, nicht als Ketzerin angesehen werden kann, darf sie auch nicht mit deren Strafe belegt werden: sie darf also nicht lebenslänglich, wohl aber für eine bestimmte Zeit eingesperrt werden; auch darf sie nicht verurteilt werden, Kreuze — die Zeichen des bußfertigen Ketzers — auf den Kleidern zu tragen. Dagegen kann ihr auferlegt werden, an bestimmten Tagen während der Messe am Altar oder an den Kirchentüren zu stehen mit einer brennenden Kerze von einer bestimmten Schwere in den Händen; auch die Verpflichtung zu einer bestimmten Pilgerfahrt und ähnlichem ist möglich. 3) Suspicio levis7 Suspicio levis, die geringste Verdachtsstufe, hegt vor, wenn nur mäßige und leichte Indizien vorhanden sind. Derartige Indizien sind nach Prierias 8 : die Abhaltung von Versammlungen in versteckten Winkeln oder zu den heiligeren Zeiten des Jahres und nicht „ex more divina aut modis consuetis" oder eine heimliche freundschaftliche Beziehung zu Personen, die der Hexerei verdächtig sind 9 . Der Verdacht ergibt sich bei beiden Punkten daraus, daß bei derartigen Gelegenheiten häufig Häresie in Form der Hexerei getrieben wird. Auch hier wird im Urteil ausgesprochen, welches Verhalten die Angeklagten in Zukunft zu unterlassen haben. 4) Infamia 1 0 Infamia liegt vor, wenn nur die Bescholtenheit der Angeklagten nachgewiesen werden kann. Bei welchen Personen die Angeklagte dabei in üblem Ruf steht, ist gleichgültig; nicht berücksichtigt werden nur Todfeinde. Ein Beweisproblem ergibt sich bei der Bescholtenheit insofern, als zu klären ist,

7 8 9 10

Institoris, a.a.O., p.3, q.23; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.6 Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.2 Eine Abgrenzung dieses Merkmales zu den bei der suspicio vehemens genannten Gesichtspunkten wird nicht getroffen. Institoris, a.a.O., p.3, q.21; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.4

Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexen; Verdachtsstrafen

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ob sie durch Zeugen, die den guten Ruf der Angeklagten bestätigen, hinfällig werden, von einer „infamia" also nicht gesprochen werden kann. Como 1 1 führt aus, ein derartiger Gegenbeweis sei als eine „frustratoria probatio" unzulässig. Denn wenn hundert Personen den schlechten Ruf einer Person behaupten und tausend den guten, dann bleibt der schlechte Ruf der Betroffenen dennoch bei diesen hundert Personen bestehen und schon deswegen ist die inquisitio durchzufuhren. (Nach Hostiensis 12 soll die qualitas der Zeugen entscheiden; nach Panormitanus 12 soll danach entschieden werden, ob die Zeugen den Ruf zur selben Zeit an einen bestimmten Ort im Auge haben; wenn ja, soll auf die tauglicheren Zeugen, wenn insoweit keine Unterschiede bestehen, auf die Zahl abgestellt werden; wenn diese gleich ist, auf die größere Wahrscheinlichkeit). Die Angeklagte hat die purgatio canónica zu leisten, wobei sieben, zehn, zwanzig oder dreißig Reinigungshelfer erforderlich sind, je nachdem in welchem Maße, wo und wie oft die Angeklagte bescholten ist. Ob daneben Bußen verhängt werden können und sollen, wird nicht ausgeführt. 5) Völlige Unschuld 13 Ergibt die Beweisaufnahme, daß jemand völlig unschuldig ist („immunis totaliter"), daß also auch keine Anhaltspunkte für den Verdacht der Ketzerei vorhanden sind, so ist die Angeklagte ohne jede Beschwerung freizulassen. Dabei darf im Urteil jedoch nicht ausgeführt werden, daß die Angeklagte schuldlos sei. Vielmehr soll nur gesagt werden, daß ein Beweis gegen sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht möglich war. Dies nämlich hat zur Folge, daß bei einem erneuten Verfahren in derselben Angelegenheit, in dem eine Beweisführung möglich ist, dieses erste freisprechende Urteil einer Verurteilung im zweiten Verfahren nicht entgegensteht 14 .

II) Abiuratio und purgatio canónica 1) Die abiuratio 15 a) Die abiuratio muß vorgenommen werden von allen, die in einer der drei 11

Como, Lucerna, „Infamia", § 9

12 13 14

Zit. nach Como, a.a.O. Institoris, a.a.O., p.3, q.20; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.3 Vgl. X, 5, 1, 6: „De his criminibus, de quibus absolutus est accusatus, non potest accusatio replican".

15

Institoris, a.a.O., p.3, q.23 ff.; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4; vgl. Flatten, Häxesieverdacht, S. 35 ff.

Abiuratici und purgatio canonica

149

Verdachtsstufen (suspicio levis, vehemens, violens) standen und von überführten reumütigen Hexen. Bei letzteren hat sie zur Folge, daß die aufgrund der c. Excommunicamus I und II (X, 5, 7, 13 und 15) exkommunizierten Hexen als in den Schoß der Kirche zurückgekehrt angesehen werden und ihnen deshalb die Absolution zu erteilen ist; gleiches gilt für die Personen, bei denen suspicio violens angenommen wird. Der für die Frage des Rückfalles wichtige Bereich der abiuratio ist verschieden; die Beantwortung der Frage also, ob jeder Ketzerei oder nur der Hexenketzerei abzuschwören ist. Im Fall der suspicio levis beschränkt sich die abiuratio auf die Ketzerei der Hexen. Im Fall der suspicio vehemens läßt sich ein eindeutiges Ergebnis nicht fetstellen, die Urteilsformeln des Institoris sprechen einmal von der Ketzerei der Hexen 1 6 , einmal von Ketzerei aller Art; letzteres für den Fall des Zusammentreffens von suspicio und infamia 17 . Jede Art von Ketzerei betrifft die Abschwörung dagegen bei der suspicio violens. Auch die reumütige gestehende Hexe hat nach Institoris 18 jeglicher Ketzerei abzuschwören; bei Prierias scheint der Bereich der abiuratio dagegen in das Ermessen des Richters gestellt zu sein 1 9 . b) Die abiuratio kann in allen Fällen ausgeführt werden entweder öffentlich in der Kirche in der Umgangssprache oder im Zimmer des Bischofs oder des Richters, wobei sie hier, wenn sie von allen verstanden wird, auch in lateinischer Sprache möglich ist; der Ort der Abschwörung hängt davon ab, ob der Abschwörende in der Öffentlichkeit verdächtigt worden war oder nicht (publice suspectus). Vor der Abschwörung hält ein Prediger eine den einschlägigen Themenkreis behandelnde Predigt, dann wird durch einen Notar oder Geistlichen verlesen, wessen die Betroffene überführt oder verdächtigt ist. Daraufhin erfolgt die abiuratio, wobei die Frau die Abschwörungsformel abliest oder, wenn sie nicht lesen kann, nachspricht, was ihr vom Notar vorgelesen wird. Sie schwört, 16

Institoris, a.a.O., p.3, q.24

17

Institoris, a.a.O., p.3,.q.26; ebenso Prierias a.a.O.; da dieses Zusammentreffen in der Praxis die Regel gewesen sein wird, führt diese Abschwörungsformel hier im Hinblick auf den eher möglichen Rückfall zu einer Verschärfung der Strafen. Institoris, a.a.O., p.3, q.27

18 19

Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct. 10; die zum Teil wörtliche Übereinstimmung der Darstellung des Prierias mit der des Institoris legt es freilich nahe, das Ermessen auf die Buße zu beziehen: Institoris: „ . . . et illam et omnem aliam heresim abiurare et satisfacere, prout . . . voluerunt ordinäre". Prierias: „ . . . et illam et omnem aliam ad libitum Iudicis abiurare, et satisfacere . . . " .

150

Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexen; Verdachtsstrafen

sie bekenne sich zur katholischen Lehre und sie glaube, daß Christus das Hexenwesen verabscheue und entsage deshalb der Hexenketzerei; sie schwört, niemals an diese Ketzerei geglaubt zu haben, noch jetzt oder in Zukunft an sie zu glauben und sich, wenn sie dies dennoch tun werde, der gerechten Strafe zu unterwerfen. Nach der Abschwörung wird sie durch den Richter ermahnt, nicht rückfällig zu werden. Bei der reumütigen Hexe tritt hinzu, daß sie vor der Abschwörung in der Kirche ihre Verbrechen gesteht; dabei wird sie gefragt: hast du dies getan? und sie hat zu antworten: ja. 2) Die purgatio canonica Unterschiede zwischen der Formel der abiuratio und der bei Bescholtenheit vorzunehmenden purgatio ergeben sich insofern, als bei der purgatio der die Zukunft betreffende Schwur fehlt 2 0 . Während bei der abiuratio die vorwärtsgerichtete Besserungsfrage im Mittelpunkt steht, ist dies bei der purgatio mehr die rückwärtsgerichtete Schuld- und Tatbestandsfrage 21 . Sinn der purgatio ist es, der Bescholtenheit durch einen Eid entgegenzutreten2 2 . Sie kann — auch neben der abiuratio - verhängt werden bei bloßer infamia und bei allen drei Verdachtsstufen. Während bei der suspicio violens, die der Überführung gleichgestellt wird, die purgatio von Institoris jedoch erwähnt wird, ist dies bei der überführten Hexe nicht der Fall; aufgrund der Gleichbehandlung von suspicio violens und Überführung müßte die purgatio jedoch auch hier möglich sein. Ansonsten könnte die Möglichkeit der purgatio bei der suspicio violens auch damit erklärt werden, daß Institoris hier eine Möglichkeit zur Hinrichtung verschaffen wollte; der Richter kann nach der Ansicht des Institoris bei der suspicio violens „cum pietate" vorgehen, von der Auslieferung absehen und purgatio und abiuratio anordnen, wobei für die purgatio zwanzig oder dreißig Reinigungshelfer erforderlich sind2 3 ; die große Zahl der Reinigungshelfer legt die Vermutung nahe, daß Institoris über das Nicht-Gelingen der purgatio wieder zur Auslieferung kommen will. Das Erfordernis der purgatio wird im Urteil festgestellt; auch wird ausgeführt, wann, wo und mit wieviel Eideshelfern sie auszuführen ist. Die Anzahl der Reinigungseide und die Orte, an denen sie ausgeführt werden müssen, bestimmen sich danach, wo überall die Betroffene bescholten ist. An dem betreffenden Ort 20

Institoris, a.a.O., p.3,q.21

21

Flatten, Häresieverdacht, S. 35 ff.

22

Como, Lucerna, „infamia", § 2: „propter evitandum scandalum"

23

Institoris, a.a.O., p.3, q.25

Abiuiatio und purgatio canonica

151

hat sie dann vor dem Bischof zu erscheinen und ihren Eid zu leisten. Die Eideshelfer haben zu beeiden, daß sie glauben, der Eid der Betroffenen entspreche der Wahrheit. Die Eideshelfer müssen katholisch und gleichen Standes wie die Betroffenen sein und sich im Leben bewährt haben (vita probati); ihre Zahl bestimmt sich danach, an welchen Orten — angesehenen oder weniger angesehenen — die Bescholtenheit besteht, welchen Standes die Betroffene und welcher Art die Bescholtenheit ist; die Eideshelfer müssen die Betroffene aus früherer Zeit her kennen. 3) Zur Einstufung von purgatio canonica und abiuratio Die Einstufung der abiuratio und der purgatio als unmittelbare und mittelbare Beweismittel 24 ist nach der Darstellung des Institoris nicht erschöpfend; die abiuratio ist auch möglich, wenn die Hexe bereits überführt ist (gestehende reumütige Hexe) und auch bei der suspicio violens, die der Überführung gleichgestellt wird. Jedenfalls bei der bereits überführten Hexe kommt der abiuratio 25 daher Beweiskraft allenfalls für die Frage zu, ob die Hexe echte Reue zeigt oder nicht. Abgesehen davon aber, daß sie auch Voraussetzung für die Absolution ist, nimmt sie hier aufgrund der Form, in der sie abzulegen ist — insbesondere: Öffentlichkeit —, auch den Charakter einer Buße an; dies gilt für alle Fälle der abiuratio und der purgatio. Freilich steht die Beweisfunktion wohl im Vordergrund; so heißt es im Clagspiegel2 6 im Kapitel „de purgatione, im lat. canonica", wenn der Richter von Amts wegen vorgehe „und mag nit uff die warheit kommen / kan auch nit beweysenn umb des leümuts willen / so mag der richter den dar zu zwingenn das er sich entschuldige", indem er mit Hilfe von Eideshelfern schwört, nicht getan zu haben, wessen er beschuldigt wird. Riezler 2 7 bezeichnet die purgatio als ein „mildes Verfahren . . . neben den 24 25

Vgl. Flatten, a.a.O., S. 35 ff. Hier genauer: der Bereitschaft zur abiuratio (da die Möglichkeit und das Erfordernis der Ablegung der abiuratio erst sich mit der Zulassung zur Buße ergibt; die Zulassung aber setzt echte Reue voraus, für die diese Bereitschaft ein Indiz sein kann).

26

Clagspiegel, S. 131. - Zur Frage der Beweisfunktion der purgatio führt Groß, Beweistheorie, aus: zum Beweis könne die purgatio nur „in einem ganz uneigentlichen Sinne" gezählt werden (Bd. 1, S. 33). Sie diene nicht der Erforschung der Wahrheit eines Faktums, sondern der feierlichen Beteuerung der Unschuld (Bd. 2, S. 69); sie habe also, da nicht die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache ihr Gegenstand sei, sondern die Frage von Schuld oder Unschuld, keine Beweisfunktion; vielmehr sei sie einzustufen als ein „außerordentliches Rechtfertigungsinstitut" (Bd. 2, S. 86 f.) (Bedenken bestehen dagegen insofern, als eine Rechtfertigung wohl an ein Verhalten des sich Rechtfertigen anknüpfen muß; die infamia, aufgrund derer die purgatio erforderlich wird, kann aber entstanden sein, ohne daß der Schwörende sie in irgendeiner Weise verursacht hat).

27

Riezler, Hexenprozesse, S. 76

152

Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexen; Verdachtsstrafen

Inquisitions- und weltlichen Prozessen, . . . wo die Angeklagte durch Eid ihre Unschuld erhärten konnte". Nach der Darstellung des Institoris gibt es ein derartiges eigenes purgatio-Verfahren nicht. Die purgatio ist immer eingebettet in das Inquisitionsverfahren und ihr Erfordernis wird durch Urteil festgestellt. Die purgatio ist Beweismittel, Buße und Abschluß des Inquisitionsverfahrens, nicht aber ein Verfahren neben dem Inquisitionsverfahren - es sei denn, man versteht unter letzterem nicht das aufgrund einer accusatio2 8 oder eines Gerüchtes eingeleitete amtliche Verfahren, sondern allgemein ausschließlich das Verfahren, in dem die Folter angewendet wird; Anordnung der Folter und Anordnung der purgatio schließen sich jedoch auch dann nicht aus, vielmehr geben übereinstimmende Zeugenaussagen (die zur Bescholtenheit und damit zur Anordnung der purgatio führen) die Berechtigung zur Folter.

III) Mißlingen von abiuratio und puigatio 1) Abiuratio Verweigerung der abiuratio bei der gestehenden Hexe ist gleichbedeutend mit der Weigerung zu bereuen und fuhrt daher zur Auslieferung; zur Auslieferung führt auch die Verweigerung der abiuratio bei der suspicio violens (X, 5 , 7 , 9 , § Praesenti). Verweigert eine auf der Stufe der suspicio vehemens Stehende die abiuratio, so ist nicht vorzugehen nach c. Ad abolendam (X, 5, 7 , 9 ) 2 9 , weil dort ausdrücklich nicht von Verdächtigen, sondern von offenkundig Ertappten gesprochen wird (nämlich: „ . . . quicunque manifeste fuerint in heresi deprehensi . . . " ) , bei denen aber strengere Maßstäbe anzulegen sind als bei den (nur) Verdächtigen. Zur Anwendung kommt hier vielmehr c. Excommunicamus I (X, 5, 7, 13, § 2), wonach die die abiuratio Verweigernde in die Exkommunikation verfällt und bei einjährigem Verharren in dieser als Ketzerin zu bestrafen ist. Gleiches gilt für die suspicio levis (unter Hinweis auf c. Accusatus a.A.; in sexto, 5,2,8)30. 28

Nach Institoris, Malleus malef., p.3, q . l , soll die accusatio nicht zugelassen werden (wegen der Gefahr für den Ankläger, wegen der vielen daraus entstehenden Streitigkeiten und deshalb, weil Hexen im Geheimen tätig sind und weil die accusatio in Glaubenssachen nicht gebräuchlich ist); will jemand im Wege der accusatio vorgehen, so soll der Richter ihn auf die denunciatio verweisen, bzw. die accusatio als denunciatio auffassen.

29

Diese Ansicht wird nach Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.7 teilweise vertreten; Vertreter dieser Meinung konnten nicht gefunden werden. Institoris, a.a.O., p.3, q.19;Prierias, a.a.O., lib.3, c.4, pct.2

30

Der Rückfall

153

2) Purgatio Die Verweigerung der purgatio führt zur Exkommunikation; bei einjährigem Verharren in dieser folgt Verurteilung als Ketzerin (X, 5,7,13, § 2). Mißlingt die purgatio aufgrund einer zu geringen Zahl von Eideshelfern, so wird die Angeklagte als überführt angesehen und wie eine Ketzerin verurteilt (X, 5,7, 13, § 7; es heißt hier nur: die, die sich nicht „ab obiecto reatu purgaverint... canonice puniantur"; die Strafbarkeit als Ketzer ergibt sich jedoch aus der Glosse zu X, 5,3,11, wohin die Glosse zu „purgaverint" verweist) 31 .

IV) Der Rückfall Institoris und Prierias betonen zu ihren Urteilsformeln3 2, der Notar solle jeweils in das Protokoll aufnehmen, aufgrund welcher Verdachtsstufe abgeschworen wird, damit später bei erneuter Ketzerei die richtigen Strafen verhängt werden können. Rückfall bedeutet in allen Fällen die Auslieferung an die weltliche Macht; ist die rückfällige Hexe reumütig, so kann sie kommunizieren und mit dem Sterbesakrament versehen werden. Die Definitionen des „Rückfalles" lehnen sich an an die Wortwahl in c. Accusatus a.A. (in sexto, 5, 2, 8). Danach sind folgende Sachverhalte jeweils als Rückfall einzustufen8 3 : a) Erneute Ketzerei34 — gleichgültig, welcher Art — einer Person, die der Ketzerei überführt war oder bei der suspicio violens vorlag. b) Erneute Ketzerei einer Person, bei der die suspicio vehemens vorlag und die abgeschworen hatte. Dabei handelt es sich hier jedoch nicht um einen „relapsus proprie", sondern — gestützt auf c. Accusatus - um einen „relapsus iuris fictione". Abgelehnt wird die Ansicht, die neuerliche Ketzerei müsse dieselbe sein wie die, der bei der (ersten) suspicio vehemens abgeschworen wurde (eine Frage, die also nur auftaucht, wenn diese Abschwörung nicht sich generell auf jede Ketzerei

31 32 33 34

Institoris, a.a.O., p.3,q.21 Institoris, a.a.O., p.3;Prierias, a.a.O., lib.3, c.4 Institoris, a.a.O., p.3, q.19 und 21; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4; Como, Lucerna, „Relapsus"; Repertorium, „Relapsus" Ob auch suspicio violens ausreicht, wird nicht ausdrücklich ausgeführt; die Wortwahl läßt dies aber vermuten: gesprochen wird von „in heresim committere"

154

Strafbarkeit der nicht völlig überführten Hexen; Verdachtsstrafen

bezog) 35 . Como führt dazu an: eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der Ketzerei ist deshalb nicht erforderlich, weil alle Häresien untereinander durch gewisse gegenseitige Berührungspunkte verbunden sind und in ihrer Nichtigkeit (vanitas) übereinstimmen; auf eine Unterscheidung der einzelnen Häresien kommt es deshalb für die Frage, ob jemand als relapsus anzusehen ist, nicht an 3 6 . Die Todesstrafe in diesem Fall leitet Como her aus c. Accusatus (in sexto, 5, 2, 8) 3 7 in Verbindung mit c. Ad abolendam, § illos quoque (X, 5, 7, 9)38. Dieser Gedanke der Verbindungen der einzelnen Häresien taucht auch im Repertorium a u f 3 9 , ohne daß daraus jedoch die Folgerung Comos gezogen würde; vielmehr wird im Gegensatz dazu bei der Beurteilung des Rückfalles auf die einzelnen Häresien abgestellt, so daß bei einer nicht generellen Abschwörung bei der suspicio vehemens nur der Rückfall in dieselbe Häresie zur Annahme eines „relapsus" führt; die Gegenansicht wird bezeichnet als „nimis rigorosa". c) Rückfall liegt vor, wenn auf eine suspicio violens hin eine Person nach der Abschwörung Ketzer aufnimmt, sie begünstigt oder ähnliches tut (in sexto, 5,2, 8, § 2). Dies ist ein Fall, wo auf eine suspicio violens eigentlich nur eine suspicio vehemens folgt, so daß auch hier von einem „relapsus ficte" gesprochen werden muß 4 0 . d) Rückfall liegt auch vor, wenn eine Person, die die purgatio geleistet hat, in dieselbe Ketzerei zurückfällt (X, 5, 7, 13, § 7 4 1 und X, 5, 7, 9, § ülos quoque) 4 2 ; Rückfall liegt hier nicht vor, wenn es sich um eine andere Ketzerei handelt.

35

So ohne Begründung: Institoris, a.a.O., p.3, q.19; Prierias, a.a.O., lib.3, c.4

36 37

Como, Lucerna, „Relapsus" „Accusatus de haeresi vel suspectus, contra quem de hoc crimine magna et vehemens suspicio orta erat, si haeresim in iudicio abiuravit, et postea committit in ipsa (!), censeri debet quadam iuris Actione relapsus . . . " „Illos quoque, qui post abiurationem erroris, vel, postquam se, ut diximus, proprie antistitis examinatione purgaverint, deprehensi fuerint in abiuratam haeresim recidisse, seculari iudicio sine ulla penitus audientia decernimus relinquendos . . . "

38

39 40 41

Repertorium, „Relapsus", S. 676,674 Repertorium, „Relapsus", S. 676 „ . . . si post purgationem exhibitam in pristinam fuerint relapsi perfidiam, canonice puniantur".

42

Vgl. Anm. 38

Der Rückfall

155

e) Als Rückfälliger schließlich wird auch behandelt, wer als reumütiger Ketzer zur Buße zugelassen wird, bei der Verbüßung seiner Haft aber entflieht 4 3 . Wird eine Person, die im Rahmen einer suspicio levis abgeschworen hatte, der Ketzerei überfuhrt, so wird sie nicht als relapsus angesehen; ihre Buße ist jedoch schwerer als die gewöhnliche (in sexto, 5, 2, 8, a.A.: „ . . . Si autem levis . . . suspicio illa (im ersten Fall) fuerit, quamquam ex hoc sit gravius puniendus: non tarnen debet in haeresim relapsorum puniri") 4 4 . Stellt sich jemand freiwillig, bekennt seinen Irrtum, teilt mit, daß es sich um einen Rückfall handelt und bereut sein erneutes ketzerisches Verhalten, so soll, wenn dieses Verhalten in der Öffentlichkeit noch nicht bekanntgeworden ist, zwar eine sehr schwere Buße, nicht aber die Todesstrafe verhängt werden 45 .

43 44 45

Como, Lucerna, „Fuga" und „Impoenitens"; a.A. Pegna (unter Hinweis auf Eymericus) in der Anm. zu „Fuga" Offenbar (da neueres Recht) der Regelung in X, 5, 7, 9 (Vgl. Anm. 38) vorgezogen. Fraglich ist dabei, ob hier — im Hinblick darauf, daß die Todesstrafe nicht verhängt wird — von einem „relapsus" gesprochen werden kann; vgl. Albertinus, De assertionibus cath., q.25, nr.25; Ponzinibius, De lamiis, nr. 72

D) STRAFBARKEIT DER ZAUBERER1 Im Regelfall schließt der Zauberer ein pactum mit dem Teufel. Dieses pactum fuhrt zur Annahme des Ketzereideliktes. Für die Bestrafung dieser mit Ketzerei verbundenen Zauberei gelten die Ausführungen über die ketzerische Hexe entsprechend: Strafbarkeit aufgrund des Ketzereideliktes einerseits und aufgrund der weltlichen Verbrechen andererseits. Uneinigkeit besteht darin, nach welchen Gesetzen die weltlichen Verbrechen beurteilt werden sollen, wobei dies auch gilt für Zauberei ohne Ketzerei: nach den Gesetzen gegen Zauberer oder nach den Gesetzen, die sich auf die verübten Verbrechen beziehen (Mord, Diebstahl, usw.). Auf die einzelnen verübten Verbrechen wird, soweit ersichtlich, zumindest ausdrücklich nur abgestellt von Simanca2 und wohl auch von Weier3. Ansonsten wird für die Strafbarkeit Bezug genommen auf den Codex de maleficis et mathematicis, und zwar insbesondere in den Büchern für die Praxis (Tengler, Clagspiegel4; auch Perneders Werk5 stellt allgemein auf „Zauberei", nicht aber auf die durch Zauberei verübten Verbrechen ab). Eine Ausnahme wird nur gemacht bei Tötung durch Zauberei; hier greift lex Cornelii de sicariis ein 6 . Im Falle nicht-ketzerischer Zauberei gibt es für den geistlichen Richter kein bestimmtes Strafgebot; er hat dabei abzustellen auf die qualitas delicti und den animus delinquentis 7 .

1

Zum Vorteilszauber s. unter 3 G

2 3 4

Simanca, De institutionibus cath., t.37, nr.18 Weier, De praestigiis daemonum, lib.3, c.l Tengler, Leyenspiegel, S. 107; Clagspiegel, S. 139' f.; Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.9 ff. Perneder, Straff und Peen, S. 6' Tengler, Leyenspiegel, S. 102 Socinus; s. 3 F

5 6 7

E) WAHRSAGER UND SCHWARZKÜNSTLER

Bei Wahrsagern und Schwarzkünstlern ist zu prüfen, ob ihre Taten „heresim sapiunt manifeste". Ist dies der Fall, so sind sie als Ketzer zu bestrafen 1 . Für die Bestrafung der nicht häretischen Wahrsager durch die geistlichen Gerichte wird verwiesen auf X, 21, 1 („In tabulis vel codicibus aut aliis sorte furta 2 non sunt requirenda . . . nec divinationes aliquas in aliquibus rebus quis observare preasumat. Qui autem contra fecerit, quadraginta dies poeniteat") 3 . (Nach Como4 können daneben auch andere Strafen auferlegt werden: so kann der Betreffende zum Beispiel, wie es an einigen Orten geschieht, entehrt werden in der Form des „mitriare"5 oder indem er an den Pranger gestellt oder aus der Diözese gejagt wird. Für letzteres beruft Como sich auf den Canon Episcopi; dieser Hinweis und die Strafe des „mitriare", die nur Sinn hat, wenn bei der Zauberei der Teufel beteiligt ist, legen allerdings die Vermutung nahe, daß diese Strafen für den häretischen Zauberer gedacht sind; für diesen fordert Como aber die Todesstrafe). Die Bestrafung nach X, 21, 1 verhindert nicht eine Bestrafung nach weltlichen Vorschriften, also nach dem C. de mal. et math. 6 . Gänzlich auf diesen Codex stellt der Clagspiegel ab 7 ; Weier dagegen fordert für die Bestrafung unbußfertiger Gaukler Bestrafung nach Billigkeit und Gelegenheit und verweist dabei auf das Alte Testament 8 . Tengler schließlich unterscheidet bei der Wahrsagerei9: 1) Die Wahrsagerei geschieht durch „offenbar anrueffen der bösen geyst / unnd ist nach meynung der Christenlichen lere keyn kunst / sonder eyn aberglaub / 1

Bei der Prüfung dieser Frage wird das durch die Anrufung entstehende pactum zum Teil nicht berücksichtigt und das Vorliegen von Ketzerei daher verneint; vgl. die Kritik von Prierias am Gutachten des Oldradus da Ponte (s. A II 3).

2 3

Andere Leseart: „futura" Repertorium, „Divinatores"; Castro, De punitione haeret., lib.l, c.13; Como, Lucerna, „Sortilegi"; Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr. 2 ff. Como, Lucerna, „Sortilegi" Damit ist wohl gemeint das Aufsetzen einer Mitra mit Teufelssymbolen; vgl. Knapp, Nürnberger Kriminalrecht, S. 274; Malblank, PGO, S. 36 f. (Beispiele aus Nürnberg)

4 5 6 7 8

Ausdrücklich Grillandis, De sortilegiis, q . l l , nr.2 ff.; freilich ist Doppelbestrafung in der Praxis selten; vgl. 2 C II 2 und 2 D Clagspiegel, S. 139'f. Weier, De praestigiis daemonum, lib.6, c.l

9

Tengler, Leyenspiegel, S. 104' f.

158

Wahrsager und Schwarzkünstler

und falsche Weissagung / straffbar zu lernen / zu treiben verbotten"; die Strafe hierfür ist die Feuerstrafe und die Konfiszierung der Güter 1 0 . 2) Die Wahrsagerei geschieht dadurch, daß durch die Beobachtung gewisser Dinge (wie von Händen, Augen, Gestirnen 1 1 , Vogelflügen und -schreien 12 ) auf etwas Bestimmtes (Charakter eines Menschen, Entwicklung des Wetters, Zeitpunkt von Neu- und Vollmond) geschlossen wird; diese Art von Wahrsagerei ist erlaubt, bei Vorhersagen bezüglich eines Menschen jedoch nur dann, wenn der freie Wille des Betroffenen nicht ausgeschaltet w i r d 1 3 . 3) Jedoch sind Vorhersagen auch ohne Anrufung des Teufels auch dann abergläubisch und damit verboten, wenn sie aus anderen Dingen entnommen werden, wie etwa aus der Tatsache, daß einem ein bestimmtes Tier oder eine schwangere Frau begegnet. Auch ist es als Aberglaube verboten, die Zukunft eines Menschen aus Würfeln oder ähnlichem vorauszusagen. Die Strafe für diese Fälle ist nicht angegeben.

10 11 12

Dies spricht dafür, daß Tengler „aberglaub" als Ketzerei versteht. Bezüglich der Gestirne a.A.: Lutzenburgus, Catalogus haeret., „Augures" Hier a.A. der Clagspiegel, gestützt auf C 18,5 und das Wort „augures": Todesstrafe

13

Ähnlich Cajetanus (Summula, S. 28 u. 312), der darauf abstellt, daß die auf diese Weise gemachten Vorhersagen nicht definitiv sein, sondern nur eine Vermutung aussprechen dürfen.

F) DER GEGENSATZ ZWISCHEN IUS CANONICUM UND IUS CIVILIE

Auf das Verhältnis zwischen den Strafvorschriften des kanonischen Rechts und denen des weltlichen Rechts einzugehen, besteht für die Autoren keine Veranlassung. Als die animadversio debita für Ketzer und damit auch für ketzerische Zauberer und Hexen wird von allen die Todesstrafe angesehen. Bei nicht ketzerischer Zauberei ist die Bestrafung sowohl durch den geistlichen Richter nach kanonischem Recht, als auch durch den weltlichen Richter nach weltlichem Recht zulässig1. Von Bedeutung wird die Frage des Verhältnisses zwischen kanonischem und weltlichem Recht daher erst dann, wenn die geistlichen Gerichte von der Verfolgung der Zauberer absehen, die weltlichen Gerichte aber Strafvorschriften anwenden, die denen des kanonischen Rechts nicht entsprechen in der Höhe des Strafmaßes oder in der Annahme der Strafbarkeit als solcher; dies allerdings ist nur der Fall beim Vorteilszauber. Auch dort aber wird nicht auf das Verhältnis eingegangen2. Ausführungen über dieses Verhältnis finden sich in der behandelten Literatur, soweit ersichtlich, nur bei Socinus3. Ihm zufolge ist bei der Bestrafung der Zauberei nach kanonischem Recht abzustellen auf die qualitas delicti und den animus delinquentis; dies sei die Ansicht aller „doctores nostres" 4 . Die Möglichkeit zur Abstufung ergibt sich daraus, daß den hier in Frage stehenden Personen in bestimmten Vorschriften keine bestimmte Strafe auferlegt wird, sondern nur gesagt wird, diese Personen seien Feinde Christi und mit Strafe zu belegen (Dekr. Gr.; p. 2, 26, 5 , 8 : , , . . . Studii tui sit sollicite quaerere, et, quoscunque huiusmodi Christi inimicos inveneris, districta ultione corrigere". — a.a.O., c. 10: „ . . . sunt in pena dirigendi"). Nach weltlichem Recht dagegen sind die Zauberer mit der Todesstrafe zu belegen (C 18, 3). Um diese verschiedenen Strafdrohungen in Einklang zu bringen, schlägt Socinus vor, offenbar von der Gleichrangigkeit der verschiedenen Gesetze ausgehend, daß der geistliche und der weltliche Richter bei der Verhängung der zeitlichen Strafe 1 2 3 4

Vgl. oben 2 C 2 Vgl. Vorteilszauber 3 G Socinus, De sortilegiis, abgedr. b. Hansen, Quellen, S. 212 ff. Er beruft sich dafür jedoch nur auf einen Autor; nach Hansen, Quellen, S. 213 Anm. 1, handelt es sich dabei um Panormitanus. - Vgl. auch die verschiedenen Strafmöglichkeiten bei Wahrsagern und Schwarzkünstlern nach Como, oben 3 G

160

Der Gegensatz zwischen ius canonicum und ius civile

diese variieren sollen im Hinblick auf dolus, condicio, persona, locus, tempus, qualitas, quantitas und eventus. Zu berücksichtigen wäre etwa, mit welcher Absicht die Tat begangen wurde, ob sie mit Häresie oder Idolatrie verbunden war, ob sie an heiligen Orten, an heiligen Tagen, nachts oder im Karneval ausgeführt wurde. Diese für den geistlichen Richter bestehende Möglichkeit hat auch der weltliche Richter, sie ergibt sich für ihn aus D 4 8 , 1 9 , 1 3 („Hodie licet ei, qui extra ordinem de crimine cognoscit, quam vult sententiam ferre, vel graviorem vel leviorem, ita tarnen ut in utroque modo rationem non excedat").

G) DER VORTEILSZAUBER

1) Strafbarkeit Der Vorteilszauber nimmt in der Literatur einen verhältnismäßig großen Raum ein, wohl wegen der Bedeutung, die er für die Praxis hat 1 . Eine Schwierigkeit ergibt sich dabei daraus, daß der Vorteilszauber, insbesondere: Heilung von Kranken, Schutz der Güter von Menschen, „nach Satzung weltlicher recht unstraffbar" ist, weil keiner für ein gutes Werk bestraft werden soll2, nach den Vorschriften des kanonischen Rechts aber verboten ist. Die Benutzung teuflischer oder abergläubischer Mittel ist danach auch dann untersagt, wenn eine Heilung auf andere Weise nicht möglich ist. Herangezogen werden dazu das Verbot in Dekr. Gr., p. 2, 26,7,15 („Infirmitatibus hominum incantationes nihil remedii praestant"), auch p. 2 , 2 3 , 1 , 4 („De his, qui maleficii inpediti coire non possunt") und X, 4, 15, 7 (Möglichkeit der Auflösung der Ehe): die Kirche duldet lieber die Auflösung der Ehe und damit auch eines sakramentalen Bandes, ehe sie erlaubt, Zauberei durch Zauberei zu bekämpfen. Der Grund dafür liegt darin, daß durch eine derartige Zauberei zwar dem Körper genützt wird, die Seele aber Schaden nimmt. Körperschaden aber ist geringer einzustufen als Seelenschaden. Das weltliche Recht, das nur den Zweck hat, das Zeitliche zu bewahren, beachtet diesen Gesichtspunkt nicht 3 . Dies gilt sowohl für zauberische, als auch für nur abergläubische Heilmittel. Der Großteil der Autoren behandelt das Verhältnis zwischen weltlichem und geistlichem Recht nicht, sondern geht von der Strafbarkeit des Vorteilszaubers aus und legt nur dar, wie erlaubte und unerlaubte Heilmittel voneinander abzugrenzen sind. Bei Institoris und Prierias4 werden daneben auch die unerlaubten Heilmittel in zwei Gruppen eingeteilt: 1 2

3 4

Vgl. Arles, De superstitionibus, S. 70. - Viele Zauberformeln dieser Art im Zauberbuch, Allg. StA., Bl. 5 ff., 19 ff. Perneder, Straff und Peen, S. 7 ; Clâgspiegel, S. 139' f. C 18, 4: „Nullis vero criminationibus implicanda sunt remedia humanis quaesita corporibus aut in agrestibus locis innocenter adhibita suffragia, ne maturis vindemiis metuerentur imbres aut ruentis grandinis lapidatione quaterentur, quibus non cuiusque salus aut aestimatio laederetur, sed quorum proficerent actus, ne divina munera et labores hominum sternerentur". Grillandis, De sortilegiis, q.6, nr.20 ff. (q.l, nr.15); Plantsch, De sagis maleficiis, S.24* Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pct.17; Institoris, Malleus malef, p.3, q.34 a.A.

162

Der Vorteilszauber

(1) Die Mittel, die nicht so sehr remedia iUicita, als vielmehr remedia vana sind, weil sie nicht mit einer ausdrücklichen, wenn auch mit einer schweigenden Anrufung der Dämonen verbunden sind; derartiges Vorgehen kann nur 5 in foro animae verboten und bestraft werden; ansonsten sind die Mittel zu dulden. (2) Die Mittel, die an sich unerlaubt sind (remedia illicita simpliciter), weil etwa der Teufel ausdrücklich „oro vel intentione 6 " oder durch äußere Zeichen (zum Beispiel durch Opfer) oder durch gewisse — auslegungsbedürftige — Gebete angerufen wird in der Erwartung, Hilfe zu bekommen. In diesen Fällen ist immer streng zu strafen, weil diese invocationes „sapiunt heresim manifeste". Gleichgültig ist dabei, ob das Maleflzium, das von dem einem genommen wird, auf einen anderen übertragen wird oder nicht; gleichgültig auch, ob der neue Träger des Malefiziums ein Zauberer, ein Tier oder eine Pflanze ist 7 . Der Teufel hilft hier im übrigen deshalb, weil er die Menschen daran gewöhnen will, Hilfe von ihm zu erflehen. Plantsch8 schließlich fuhrt positiv an, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um ein Heilmittel als zulässig ansehen zu können: (1) Das Mittel darf von der Kirche nicht verboten sein. (2) Das Mittel darf, auch wenn es „in se" nicht schlecht ist, keine „species mala" beinhalten (darf zum Beispiel nicht abstammen „ex ritu Judaeorum"). (3) Das Mittel muß „rationabiliter" als Lobpreisung Gottes angesehen werden können. (4) Es darf nichts enthalten, was eine Anrufung der Dämonen bedeuten könnte. (5) Werden Worte aus der Schrift verwendet, so darf in ihnen nichts Falsches enthalten sein: denn Gott ist der Gott der Wahrheit und kann nicht Zeuge von etwas Falschem sein; in einem solchen Fall kann daher keine Heilung von Gott erwartet werden, sondern nur vom Teufel, dem Vater der Lüge (Joh. 8,44). (6) Bei dem Gebrauch heiliger Worte darf nichts hinzugefügt werden, was nicht eine Ehrerbietung Gottes bedeutet (erlaubt ist zum Beispiel das Kreuzzeichen). 5

6 7 8

Dies also nach den Ausführungen an den hier genannten Stellen trotz der schweigenden Anrufung des Teufels! Der Grund dafür liegt wohl darin, daß Institoris die weltlichen Behörden, denen er die Verfolgung der Hexen Ubertragen will, nicht durch weitgehende Forderungen gegen sich und seine Theorie aufbringen will; so beklagt er etwa, daß verschiedene weltliche Herren die „Dienste" von Vorteilszauberinnen in der Weise in Anspruch nehmen, daß sie von allen, die sie aufsuchen, eine Besuchsgebühr erheben. Wie sich die in (1) genannte schweigende Anrufung von der invocatio intentione unterscheidet, ist nicht ausgeführt. Ebenso insoweit Nider, Formicarius, cap.3; Arles, De superstitionibus, nr.70;Como, De strigiis, § 14 Plantsch, De sagis maleficis, S. 39 ff.

Der Vorteilszauber

163

(7) Als subjektive Voraussetzung muß hinzukommen, daß der Eintritt der gewünschten Wirkung nur von Gott erhofft wird. Als diese Voraussetzungen erfüllende Mittel sind insbesondere anzusehen: (1) Bekenntnis der Sünden, aufrichtige Reue und wahre Buße (Gebete, Almosen). (2) Anwendung von Exorzismen und Sacramentalia, die von der Kirche unter Eingebung des heiligen Geistes zur Vertreibung der Dämonen geschaffen wurden, zum Beispiel Weihwasser, geweihtes Salz, geweihte Kerzen, Palmzweige und Kräuter, wobei für die Wirksamkeit dieser Dinge als Heilmittel auf die jeweilige Weiheformel verwiesen wird. Alle diese Mittel beziehen ihre Wirksamkeit nicht „ex se . . . sed praecipue ex institutione et petitione ecclesiae", der Braut Christi 9 . Geiler von Keysersberg behandelt die Heilzauberei in seinen Predigten. In der Predigt am Sonntag Letare führt er dabei an, welche Bedingungen ein Mittel erfüllen muß, das einen Zauber lösen soll 10 . Das Mittel soll sein: „Non prohibitum, nit verboten (weder von Gott noch von der Kirche); Non scandalosum, nit ärgerliche / („Es ist nit genug, daß man sich hüttet vor bösem / auch vor aller gestalt des bösen / . . . solt man dir etwas anthun wider den zauberer / das ein bös gestalt war / so solt du es nit lassen geschehen"); Non inordinatum, geordinet mög sein in got / (denn alles Tun soll zur Ehre Gottes geschehen: diesem Erfordernis entsprechen nicht Gegenmittel, die etwa darin bestehen, den rechten Schuh vor dem linken anzuziehen oder beim Verlassen des Hauses nicht auf die Schwelle zu treten); Non diabolicum, nit teuffels nomen / (keine Verwendung „seltsamer" Namen und Figuren, zugelassen ist nur das Kreuzzeichen); Non falsum, nit üppig / (das Mittel soll „kein Üppigkeit auff sich tragen noch leichtfertig sein"); Non expectatum, nit von den Eltern gehöret" (man soll nicht heilen mit der Begründung, man habe von der Großmutter gehört, wer dies und jenes tue, der werde gesund). Alle Hoffnung soll auf Gott gesetzt werden; verboten ist es daher zu hoffen „in modum, In die weiß / in numerum, In die zal / in materiam, In matery / in tempus, In zeit / in Locum, In stat / in situm, In sitzen oder ston / in situm 1 1 , Gegen Mitternacht".

9 10 11

Plantsch, a.a.O., S. 45 Keyersberg, Emeis, Sonntag Letare; in Klammem Zusammenfassung der jeweiligen Erläuterungen Keyersbergs Im Abdruck in „Theatrum": „in Locum"

Der Vorteilszauber

164

Aussagen über die Bestrafung bei Verwendung unerlaubter Heilmittel enthält die Predigt nicht. Faßt man die Meinungen über die strafrechtliche Behandlung des Vorteilszaubers zusammen, so ergeben sich drei Betrachtungsweisen (1) Straflosigkeit aufgrund des C 18,4 (Clagspiegel, Perneder). (2) Strafbar aufgrund von Vorschriften des Dekretum Gratiani, insbesondere p. 2, 26, 7, 15; ob dabei jede Heilung durch Zauberei für strafbar erachtet wird, ist nicht ersichtlich (Grillandis) 12 . (3) Strafbarkeit nur, wenn die Zauberei mit Ketzerei verbunden ist, also die Voraussetzungen der Formel des sapere heresim manifeste gegeben sind. Heilzauberei, die nicht mit Ketzerei verbunden ist, ist zu dulden (tolerare) (Institoris, Prierias, Albertinus 13 , Tengler) oder ebenfalls zu bestrafen (so offenbar Plantsch, Cajetanus 14 ). Ob sich die Ansichten unter (1) und (3) widersprechen, kann nicht beurteilt werden, weil ketzerische (Heil-) Zauberei bei Perneder und im Clagspiegel nicht angeführt ist und weil nicht ersichtlich ist, ob die nicht-ketzerische Zauberei bei Institoris usw. straflos bleibt aufgrund des Codex de mal. et math. oder aufgrund anderer Erwägungen (etwa: Rücksicht auf die Stimmung in der Bevölkerung oder die Ansichten der weltlichen Herrscher) 15 .

2) Beweisregeln Grenzt man zwischen erlaubten und unerlaubten Mitteln ab, so ergibt sich die Frage, aufgrund welcher Anhaltspunkte in der Praxis zu erkennen ist, daß unerlaubte Mittel gebraucht werden. 12

Die unter 2) angegebenen Ausführungen des Grillandis stellen dagegen auf den Pakt mit dem Teufel ab.

13 14 15

Albertinus, De assertionibus cath., p.l 1, nr.7 ff. Vgl. unten 3) Byloff, Verbr. d. Zauberei, S. 2 definiert: „Zauberer ist, wer im Bunde mit höheren Mächten durch Ubersinnliche Mittel Wirkungen zu erreichen weiß. Sind diese Wirkungen ersprießlich, so handelt der Zauberer mit Hilfe des guten Prinzipes;er ist ein hoch angesehener weit berühmter Wundertäter, ein „Heiliger" i.S.d. kirchlichen Terminologie". Ist die Wirkung zerstörend, so ist der Zauberer ein Werkzeug des Bösen, des Teufels. - Gegen diese Definition ist festzuhalten, daß, wie ausgeführt, Zauberer auch sein kann, wer nicht mit „höheren Mächten" in Verbindung steht. Für die Ausführungen Byloffs über den Vorteilszauber finden sich in der behandelten Literatur keine Anhaltspunkte; sie treffen allenfalls zu für den zulässigen Exorzismus, bei dessen Ausübung jedoch Gott angerufen wird, weshalb hier nicht von einem „Zauberer" gesprochen werden kann.

Der Vorteilszauber

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Prierias16 führt dazu aus: Es ist jeweils eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen, wobei zu beachten ist, daß sich die Personen, die sich unerlaubter Mittel bedienen, zu tarnen versuchen. An vier Punkten kann man jedoch erkennen, ob es sich bei den heilenden Personen um unerlaubte Mittel benützende Zauberer handelt; dies ist der Fall: (1) Wenn die Personen zugeben, die Lehre der bösen Geister zu kennen; oder wenn sie den Zauberer kennen, der die Krankheit verursacht hat oder wenn sie die Art des Zaubers kennen. (2) Wenn sie zwar eine Person von einem Zauber heilen wollen, eine andere aber nicht. (Als Beispiel wird ein Fall genannt, in dem eine Frau die Heilung ablehnte, weil der Zauber für sie zu stark sei. Die Ursache für diese Unfähigkeit liegt darin, daß es Teufel verschiedener Rangstufen gibt und die mit einem Teufel niedriger Rangstufe liierte Hexe nicht den Zauber eines höherrangigen Teufels beheben kann). (3) Wenn bei der Heilung gewisse Einschränkungen gemacht werden (die ihre Ursache ebenfalls in den Rang- und Machtordnungen der Teufel haben); wenn also etwa gesagt wird: ich kann dich heilen, wenn du keine Haare oder Schuppen in der Wunde hast. (4) Wenn die Heilung auf abergläubische Weise vorgenommen wird; etwa dergestalt, daß die Behandlung der verzauberten Person vor Sonnenaufgang erfolgen muß oder auf irgendeine andere Weise, die mit der Krankheit nicht in Beziehung steht; oder wenn nur eine bestimmte Anzahl von Personen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes geheilt werden kann. Im übrigen ist in allen Fällen zu berücksichtigen der Ruf und die Lebensführung der betreffenden Personen. Grillandis17 führt ein weiteres Erkennungsmerkmal an: Insbesondere kranke Bauern rufen oft Frauen um Hilfe an mit der Maßgabe, daß sie nur mit kirchlichen Mitteln geheilt werden wollen. Die Frauen sagen dies zu und sprechen einige Gebete. Dann aber murmeln sie zwei oder drei Worte, die nicht so klingen, als seien sie christlichen Inhalts und die mit den vorhergehenden Gebeten nicht in Zusammenhang gebracht werden können. Um ein unerlaubtes Heilmittel handelt es sich in diesen Fällen dann, wenn diese Worte eine Anrufung des Teufels beinhalten. Dabei ist eine derartige Anrufung nicht anzunehmen, wenn die Krankheit durch das verwendete Mittel auf natürliche Weise geheilt werden kann; ob dies der Fall ist, ist durch ein ärztliches Gutachten 16 17

Prierias, De mirandis strigimagarum, lib.3, c.4, pct.17; Institoris, Malleus malef.,p.3, q.34 Grillandis, De sortilegiis, q.6, nr.20 ff.

Der Vorteilszauber

166

festzustellen. Ist eine derartige Heilung auf natürliche Weise nicht möglich, so liegt ihr notwendigerweise ein zumindest stillschweigender Pakt mit dem Teufel zugrunde.

3) Die Theorie des Cajetanus Stützen sich die Autoren bei der Behandlung des Vorteilszaubers nicht auf den Codex de mal. et math., sondern auf das Ketzereidelikt, so werden Hilfesuchende und Helfende gleichbehandelt 18 . Eine etwas differenziertere Betrachtungsweise findet sich jedoch bei Cajetanus1 9 . Cajetanus stellt seine Untersuchung auf den Hilfesuchenden ab und führt aus: Die Abwendung von Schäden mit Hilfe eines Zauberers scheint erlaubt zu sein. Aus dem Vergleich mit dem Verhalten eines Wucherers ergibt sich, daß man in Notfällen ein unerlaubtes Verhalten eines anderen für sich ausnutzen darf. Augustinus zufolge ist es auch erlaubt, bei einem Friedensschluß den Eid eines anderen anzunehmen, der „per idola" schwört. Da ein derartiger Eid aber nicht weniger schlecht ist als eine einfache Zauberei, muß auch diese erlaubt sein2 0 . Dieses Ergebnis widerspricht aber der Ansicht der Theologen. Cajetanus versucht daher zu vermitteln: Der göttliche Befehl (Hinweise auf das Alte Testament) verbietet es, die Hilfe von Zauberern in Anspruch zu nehmen; der Hilfesuchende muß deshalb bestraft werden, denn wenn er auch aus Not um Hilfe bittet, so tut er dies doch aus freien Stücken. Dagegen ist es jedoch erlaubt, das Anerbieten eines anderen anzunehmen, eine Sünde zu begehen, wenn dies geschehen kann in der Weise, daß der Annehmende an der Sünde des Anbietenden keinen Anteil hat. Dabei sind zwei Möglichkeiten zu beachten:

18 19 20

Tengler, Leyenspiegel, S. 107 Cajetanus, De maleficiis; in Anlehnung daran ähnlich Castro, De punitione haeret., lib.l, c.15 Hochstraten, Quaerentes auxilium a maleficis, (die benutzte Ausgabe schreibt: „hoechstrassen") weist diese Argumente zurück als ausgehend „ab insufficienti divisione"; seiner eigenen Betrachtung liegt zugrunde das auch vom Heilzauberer geschlossene pactum cum daemone, das zur Apostasie führt. - Hochstraten wird namentlich erwähnt bei Nettesheim, De incertitudine scientiarum, C.96 (als „Hoochstratus") als Beispiel für die Vorwürfe (Zuständigkeitsüberschreitung und Vorgehen allein aus finanziellen Gründen), die Nettesheim allgemein gegen die Inquisitoren erhebt. Zum Vorgehen Hochstratens gegen Reuchlin vgl. Lea, Inquisition, Bd. 2, S. 483 ff.

Der Vorteilszauber

167

(1)Die Sünde ist notwendiger Bestandteil einer Handlung (zum Beispiel beim Ehebruch); in diesem Fall ist auch der Hilfesuchende zu bestrafen. (2) Die Hilfeleistung ist für sich betrachtet gut, wird aber durch den Willen des Leistenden schlecht, so daß auch hier die Handlung als Sünde anzusehen ist (zum Beispiel: die „Leihe" vom Wucherer); in diesen Fällen hängt die Sündhaftigkeit und damit die Strafbarkeit vom Willen ab. Diese Unterscheidung gilt auch bei einem Hilfeersuchen an einen Zauberer. Die Auflösung eines Zaubers durch einen Zauberer ist auf zwei Arten möglich: (1) Durch einfache Auflösung oder Zerstörung des auferlegten Zaubers, zum Beispiel durch Auflösung eines Haarbandes oder anderer schadenverursachender Mittel; diese Hilfe, die bloße „dissolutio signi", ist erlaubt. (2) Durch Anrufung der Dämonen oder durch andere Zauberei: derartige Handlungen sind aufgrund ihrer Natur und nach dem Willen des Ausübenden mit einer Sünde verbunden, so daß hier auch der Hilfesuchende zu bestrafen ist. Für den Hilfesuchenden ergibt sich daher: er darf zu einem Zauberer gehen und ihn bitten, einen ihm auferlegten Zauber durch dessen einfache Auflösung von ihm zu nehmen; er darf nicht kommen mit der Bitte, den Zauber aufzulösen durch eine andere Zauberei oder durch die Anrufung der Dämonen; er darf auch nicht Hilfe erbitten, ohne nähere Angaben über deren Art zu machen. Im übrigen darf die Hilfe nur erbeten werden im Hinblick auf einen actus b o n u s 2 1 .

21

Ebenso Cajetanus, Summula, S. 368 ff.; bei Socinus, De sortilegiis (vgl. 3 F) ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, ob es sich um einen Hilfesuchenden oder um einen Helfenden handelt.

SCHLUSSWORT

Zur Begriffsbestimmung: Bei dem Versuch, die von der Literatur des behandelten Zeitraumes verwendeten Begriffe zu definieren, ergibt sich, daß für die neue Vorstellung von der „Hexerei" (vgl. zu diesem Ausdruck 1 A III) zum Teil auf alte Begriffe zurückgegriffen wird (insbesondere: sortilegi), diese alten Begriffe mit neuen Vorstellungen unterlegt, aber dennoch die Ausführungen früherer Autoren zu den Begriffen mit dem ursprünglichen Inhalt übernommen werden. Wo für die neue Vorstellung eigene Begriffe verwendet (lamiae, strigae) und diese in Gegensatz zu den ursprünglichen Begriffen gestellt werden (z.B.: „lamia" im Gegensatz zu „sortilega"), wird dieser Gegensatz im Lauf der weiteren Darstellung zum Großteil wieder verwischt. Dies führt dann mit dazu, daß rechtliche Überlegungen, die nur auf die ursprüngliche Form eines bestimmten Tätertypus' bezogen waren, auch auf den neuen Täterkreis der ,,Hexen" übertragen werden; dasselbe zeigt sich auch umgekehrt. Mit zu dieser Vermischung trägt auch bei, daß es sich bei den Autoren in erster Linie um Theologen und Geistliche handelt, bei denen das Ketzereidelikt der Hexen im Vordergrund steht, dies regelmäßig aber auch bei den ursprünglichen Deliktsformen (einfache Zauberei, Wahrsagerei) bejaht wird. Das Übergewicht der Theologen unter den Autoren ist wohl auch die Ursache dafür, daß die wichtigste Frage bezüglich der Taten der Hexen, die Frage nach der Realität des Hexenfluges, nicht so sehr als ein Problem des empirisch-tatsächlichen Bereiches, sondern in der Hauptsache als ein theologisches und rechtliches Problem aufgefaßt wird (Auseinandersetzung mit dem Canon Episcopi). Diese Problemverschiebung ist aber auch eine Folge der Annahme von der Macht des Teufels: da der Teufel die Möglichkeit der Vorgaukelung und der Täuschung hat, verlieren sinnliche Wahrnehmungen an Aussage- und Beweiskraft. Und schließlich ist die Wissenschaft von der Theologie, deren Vertreter den Großteil der Autoren ausmachen, eine Wissenschaft, deren Aussagen über denen aller anderen Wissenschaften stehen. Zur Kompetenz und zur Strafe: Die Betonung der Ketzerei führt aber nicht dazu, daß Hexerei mit Ketzerei gleichgestellt wird. Die Ketzerei ist ein (in der Regel) in der Hexerei enthaltenes Delikt neben anderen, den weltlichen Verbrechen. Die Trennung von Ketzerei und weltlichen Verbrechen wird grundsätzlich strikt eingehalten und darauf die Kompetenzverteilung zwischen geistlichen und weltlichen Behörden aufgebaut; nur in Ausnahmefällen wird diese Trennung dort abgeschwächt, wo zur Begründung der Strafbarkeit hinsichtlich der weltlichen Verbrechen auf den auch für die Ketzerei mitentscheidenden Tatbestand zurückgegriffen wird (wenn etwa

Schlußwort

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ein unter dem Zwang des Teufels verübtes weltliches Verbrechen mit dem Hinweis auf den freiwillig abgeschlossenen Teufelspakt für strafbar erklärt wird). Nicht immer aber liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Delikt der Ketzerei. Entsprechend der Auffassung, daß (nur) das Ketzereidelikt die Eingriffsmöglichkeit für die Inquisition eröffne, wird auf dieses Delikt dort weniger Wert gelegt, wo die Zuständigkeit der Inquisitoren und auch der anderen geistlichen Behörden nicht im Vordergrund der Ausführungen steht. (Damit ist freilich nur gesagt, daß das Ketzereidelikt im juristisch-technischen Sinn etwas zurücktritt; weiterhin wird auch hier betont, daß es sich bei der Hexerei um eine Glaubensverfehlung schwersten Ausmaßes handele.) Bemerkenswert ist, daß es sich bei den Werken, bei denen dieser Wandel festzustellen ist, um Anleitungen für die Praxis handelt: um den Malleus Maleficarum der Inquisitoren Institoris und Sprenger (demzufolge Ketzerei im engen Sinn in der Hexerei regelmäßig nicht enthalten ist und die Hexen nur aufgrund einer praesumptio iuris als Ketzerinnen angesehen werden können) und um den auf dem Malleus aufbauenden Leyenspiegel von Ulrich und Christoph Tengler. Abschließend muß deshalb noch einmal betont werden, daß die hier gemachten Ausführungen nur bis etwa 1550 gelten. Wie Ketzerei und Hexerei in der folgenden Zeit zueinander standen und welche Stellung die spätere Praxis hierzu bezogen hat, ist nicht untersucht worden; ebenso nicht die Frage, ob sich das Bild der „Hexe" und das des „Zauberers" noch verändert hat.

ANHANG I 1) Prozesse in Bayern Über Hexenprozesse im Raum des Herzogtums Bayern liegen für den hier behandelten Zeitraum kaum konkrete Hinweise v o r 1 . In der weltlichen Gesetzgebung Bayerns taucht der Ausdruck „Hexerei" nicht auf. „Zauberei" dagegen findet sich — wie bereits ausgeführt (2 D ) — in den die Viztumhändel betreffenden Regelungen, wobei die Stellung, die die Zauberei darin einnimmt, den Schluß nahelegt, daß Flug durch die Luft und Teilnahme am Sabbat nicht unter diesen Begriff subsumiert werden. Zaubereifälle als Viztumhändel lassen sich nachweisen in den Rechnungsbüchern bzw. „Viztumbhänndl"-Büchern des Landschreiberamtes Burghausen, die mit dem Jahr 1 4 2 1 / 2 2 beginnen 2 . („Viztumhändel" sind die Vergehen, bei denen

1

2

Nachweise bei Hansen, Quellen, S.445 ff.; Zauberwahn, S. 389 ff.; Riezler, Hexenprozesse, S. 141 ff.. Für die Tätigkeit des Institoris in Rohr: Hansen, Quellen, S. 445 ff.; in Ravensburg: K.O. Müller, Inst, in Ravensburg; in Innsbruck: Sinnacher, Geschichte, S. 627 ff.; Amman, Innsbr. Hexenpr.; Lea, Geschichte d. Inquisition, Bd. 3, S. 604 ff.. Prozesse in Nürnberg und Umgebung: Kunstmann, Zauberwahn in Nürnberg, S. 19 ff., 27 ff.. H.Glaser schreibt bei Spindler, Geschichte, Bd. 2, S.616 (Anm.): „Die Welle der Hexenverfolgung hat im 15. Jhd. auf Bayern übergegriffen" (so auch Hansen, der vom Jahr 1480 ausgeht). Als Beleg dafür können bis jetzt allerdings nur die Schilderungen des Institoris von Verbrennungen in Oberdeutschland herangezogen werden (Malleus maleficarum, lib.l, c.4: in der Diözese Konstanz in fünf Jahren Verbrennung von 48 Hexen); weitere Nachweise nunmehr auch bei Kunstmann a.a.O. (jedoch nicht für das Herzogtum Bayern). Hinzuweisen ist hier auch auf den unter 1 A I angeführten Fragenkatalog („Kelheimer Hexenhammer"), aufgrund dessen Existenz wohl angenommen werden kann, daß derartige Prozesse stattgefunden haben; ferner auf die Beschwerden der deutschen Nation (s. 2 D 1). Für die Erscheinungsformen von Aberglauben und Zauberei vgl. Josef Staber, Ein altbayerischer Beichtspiegel des 15. Jhd. (s. Lit.verz.); Zauberei ist dort behandelt unter dem ersten und zweiten, im Hinblick auf den Schadenszauber auch unter dem fünften Gebot. (In Bearbeitung: Ein Münchner Hexenprozeß; jur. Diss. München, den Zeitraum von 1550 bis 1650 umfassend, voraussichtlich fertiggestellt im Frühjahr 1972; Verfasser: Michael Kunze.) Kreisarchiv, RL, Fasz. 55 ff. (dabei sind von 1444 bis 1458 nicht die einzelnen Vergehen, sondern nur die jeweiligen Gesamtwändelsummen angegeben). Neben Zaubereifällen findet sich darin auch eine große Anzahl von Bestrafungen wegen Beschimpfung mit „Zauberin" oder „Ketzer"; auch wegen „Religionsdelikten" unbedeutenderer Natur (Rumor in der Kirche, Unterbrechen der Predigt, Verweigerung des Opfers, Fluchen, Mißachtung der Priester, Fleischessen an Fasttagen).

Prozesse in Bayern

171

das Recht, sie zu wandeln (das heißt, die von den „strengen Rechten" für sie vorgesehenen peinlichen Strafen in Geldbußen umzuwandeln) dem Viztum vorbehalten ist; die verhängten Geldbußen heißen „Viztumwändel". Ausgeübt wird dieses Recht von den Rentbeamten der Viztümer 3 .) Im folgenden wird eine Übersicht über die in den genannten Rechnungsbüchern enthaltenen Zaubereifälle gegeben4. Obwohl Zauberei erst 1506 zum Viztumhandel erklärt wird 5 , finden sich bereits früher Eintragungen darüber; erklärbar ist dies aus dem Vorgehen der Rentmeister, Angelegenheiten als Viztumhändel zu betrachten, auch wenn sie dazu nicht berechtigt sind 6 . Die Strafen in den angeführten Fällen entsprechen in ihrer Höhe (um etwa drei Pfund Pfennig) der der anderen Delikte (etwa im Vergleich zum Diebstahl), stechen also nicht hervor. Soweit die Art der Zauberei aus der Eintragung ersichtlich ist, ist sie in Klammern angegeben. 1471/72:1 1472/73: 4 1477/78: 1 1478/79: 1 1484/85: 1 1490:1

3 4 5 6 7 8

(versuchter Schadensz ,)7 (darunter: Tötung des Viehbestandes des Bruders; Vorteilsz.: Auffinden eines gestohlenen Pferdes) (Schadensz. und erfolgloser Vorteilsz.: Auffinden von gestohlenem Geld) (Schadensz.) (20 Pfd. Pfg. für einen Mann, der „hat von seim weib8 Zauberey bey acht Jarn gewisst. Ir des gestatt. auch selbs Wucherkäuff getriben". — Verhältnismäßig sehr hohe Strafe; höchste Strafe des Rechnungsjahres; mit 16 Pfd. Pfg. folgt eine Strafe wegen Gotteslästerung)

Daneben finden sich auch Hinweise auf Wiedertäufer (1528 / 29 / 30 / 38 / 44 / 45 / 41 / 55 / 56), auf Lutheraner (1522) und auf die Strafe des Lebendig-Begrabens (1537). Im Hinblick auf das Gefängniswesen sei hingewiesen auf die Kosten für die Ernährung gefangener Personen: für fünf Wiedertäufer betrugen sie bei dreiwöchiger Gefangenschaft zusammen 5 Pfund 5 Schilling Pfennig; für sechs Amtleute betrugen die Speiseund Getränkekosten aus Anlaß der Hinrichtung dieser Wiedertäufer 6 Pfd. 3 Schilling 26 Pfg. - Zum Geldwert vgl. Schmeller I, S. 428 ff. Vgl. Hiereth, Bayer. Gerichtsorg., S. 7 ff. Fälle, in denen Zauberei nicht klar ersichtlich ist (Schatzsuche und Gotteslästerungen, die auch zauberische Handlungen beinhalten könnten), sind nicht berücksichtigt. S. 2 D 3 b S. z.B. Libell der landschaftlichen Beschwerden und Petitionen Nr. 68 (1492), (Krenner, Landtagshandlungen, Bd. 13, S. 185) Soweit Doppeljahrgänge angegeben sind, läuft das Rechnungsjahr von Lichtmeß bis Lichtmeß. Ob und wie die Frau bestraft wurde, ist nicht ersichtlich.

172

Anhang

1493: 2 1494:1 1497: 2 1513: 1 1521:2

1527: 1 1530: 1 1533: 1

1541:2

1543: 1550: 1

(Vorteilsz.: Auffinden von gestohlenem Gut; Zauberei „ainer ee halben") (Vorteilsz.; dazu ein Fall einer unbewiesenen Beschuldigung einer Frau als Zauberin) (dazu eine zurückgenommene Beschuldigung einer Frau als Zauberin) (Vorteilsz.: Verhinderung von Diebstählen; Wahrsagerei: „ . . . und mit den bößen veintn9 gemeinschaft gehabt. Und aus Inen den Leitn wargesagt, den der Fürst zu Zimlicher geltstraff, von wegen seiner vil kinder begnat hat. der nachmals mit tod vergangen ist. geben seine kinder . . . (auch für ein anderes Vergehen)... 6 Pfd. Pfg.") (Schatzsuche mit Zaubermitteln) („ . . . damit einen Affterglauben geuebt . . . " ; die Strafen werden allgemein, nicht nur für Zauberei, vorübergehend höher, hier: 10 Pfd. Pfg.) (Flucht einer Zauberin, Begnadigung durch das „Regiment"; Vorteilsz., zit. unter 2 D 3 b; dazu: widerrechtliche Freilassung einer Frau, die „wettermachens halb in Verdacht gewest") (bestrittener Liebeszauber, Strafe wegen der Flucht der Angeklagten) (Herstellung von Hilfsmitteln für Vorteils- und Schadensz., auf fürstlichen Befehl aufgrund einer Bürgschaft aus dem Gefängnis entlassen)

Ergänzend seien auch Verfahren gegen Hexen und Zauberer angeführt, die im Eichstätter Halsgerichtsbuch10 enthalten sind und die bei Merzbacher 11 nicht erwähnt sind: 9

Im Cod. Jur. Bavarici Criminalis von 1751 heifit es in § 7 des 7. Kap. im 1. Teil sinngemäß: „Böse Gemeinschaft" mit dem Teufel wird bei Schadenszufügung mit dem Schwert bestraft. In den von Kieittmayr hrsg.,.Anmerkungen" eines Anonymus zu diesem Gesetz ist dazu ausgeführt: „Böse Gemeinschaft. Jene nemlich, welche zwar ohne ausdrücklichem Pacto, jedoch durch praemeditiert- und geflissene Beschwörungen mit abergläubischen Ceremonien geschehen. Carpzov . . . wie auch (das) Mandat von Anno 1611. und 1746. gehet noch weiter und extendiert solches sogar auf jene Pacta tacita, welche ohne Beschwörung des Teufels durch blofie Spiegel, Crystall, Wahrsagereyen, Nativitätsstell- und Traum-Deutungen geschehen." (S. 102)

10 11

Staatsarchiv Nürnberg Merzbacher, Halsgerichtsbuch

Prozesse in Bayern

1494:

173

Eine Mutter wird mit ihren zwei Töchtern wegen Zauberei gefangengenommen; eine der Töchter wird, nachdem sie Urfehde geschworen hat, wieder „ausgelassen", die Mutter und die zweite Tochter werden zum Tode verurteilt. 12 Versuch eines Liebeszaubers mit Hilfe eines Totenkopfes. Die Täterin wird 17 Tage in Eisen gelegt und, da sie schwanger ist, (nur) auf den Pranger gestellt und aus dem Stift Eichstätt gewiesen; sie muß Urfehde schwören. 13 Hinrichtung zweier Hexen durch das Feuer. 1 4 Ein Mann wird zum Tod durch Ertränken verurteilt, auf Fürbitten hin aber zum Tod durch das Schwert begnadigt; er hatte sich „syben weiber genumen, Darunder zwo mit einer Wurtz gezauberet, das sy Ime Lieb haben muessen". Eine Frau wird wegen des Verdachtes der Hexerei in das Gefängnis gebracht, begeht dort einen Selbstmordversuch und wird auf Fürbitten hin (nur) auf den Pranger gestellt, auf Lebenszeit aus der Stadt verwiesen und mit Schlägen aus der Stadt getrieben. 15

1529:

1532: 1551:

Aus den einzelnen Eintragungen ergibt sich im übrigen, daß die Befragung während der Folter offenbar nicht auf ein bestimmtes Delikt beschränkt ist, sondern allgemein nach verübten Verbrechen gefragt wird. So gesteht etwa 1530 ein wegen des Diebstahles eines Schafes Angeklagter auf der Folter, er habe Ketzerei begangen; auf seine Fürbitten hin wird er erst mit dem Schwert hingerichtet, bevor er verbrannt wird. 1 6 1 7 12 13

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Seite 150; der Fall ist in der „Einleitung" wiedergegeben Seite 326' bzw. Seite 152 Halsgerichtsbuch, S. 119. - „khain merers bekhennen wollen" taucht in den angeführten Rechnungsb. des öfteren auf (z.B. Fasz.59, Nr.264, S.2; Nr.263, S.29; Fasz.60, Nr.268, S.9') Fälle von Zauberei und Hexerei auf dem Gebiet Nürnbergs s. Siebenkees, Materialien, S. 689; Knapp, Nürnb. Kriminalrecht, S. 273. - Nach Lipowsky, Bayr. Kriminalrecht, S. 81, wurde 1500 in München ein Kapuziner-Mönch Bragadinus wegen Zauberei verbrannt; er beruft sich dabei ohne nähere Angaben auf Thuanus („Hist. sui temporis") — Angaben, das Jahr 1500 betreffend, finden sich darin jedoch nicht. (Nach Jvo Striedinger, Der Goldmacher Marco Bragadino, München 1920 und J.F. Mayer, Münchner Stadtbuch, München 1868, S.454 ff., wird ein Markus Ant. Bragadinus 1591 in München enthauptet, nachdem er ein Jahr lang auf Kosten Wilhelms V. vergeblich versucht hatte, Gold herzustellen.) Hinweise auf Zauberei auch (jedoch nicht im Rahmen von deshalb durchgeführten gerichtlichen Verfahren): Stadtarchiv, Stadtgericht 865/1 und 865/2 (1535).

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2) Synodalbeschlüsse Die Geistlichkeit beschäftigt sich mit Fragen der Zauberei auf den Synoden von 1490,1512 und 1569. 18 a) Synode von 1490 (Salzburg/

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„Sortilegi" und „incantatrices" sind nach den Beschlüssen dieser Synode von der Kommunion auszuschließen. Unter den „Casus reservati Episcopo" ist aufgezählt: „Imponere poenitentias blasphematoribus, aut sortilegis" (unter Bezugnahme auf die Regelung in sexto, 5, 10,2). Unter den „Casus reservati per Spec. 20 descripti" ist unter anderem angeführt: „Sortilegus divinis daemones invocans pro quacunque causa." Weiter ist ausgeführt: „In scriptura pro absolutione ad Episcopum remittuntur: (u.a.) sortilegi, aruspices, augures, divini et daemones invocantes pro quocunque." b) Synode von 1512 (Regensburg)21 Unter den Fällen, die vor das forum ecclesiasticum gehören, sind angeführt: „Item causae publice poenitentium . . . Item in crimine sacrilegii, usurarum, haeresis, Simoniae, excommunicationis, adulterii . . . " . Zauberei oder Hexerei sind nicht ausdrücklich erwähnt. Im Kapitel „De Haereticis et Sortilegis" heißt es: „Detestamur . . . omnesque vanas et superstitiosas observantias, Divinationes videlicet, et sortilegia, artesque maléficas Phitonissarum2 2 . . . " . Bei der Ausübung dieser Gebräuche werden schändliche Gebete an den Altären von Abgöttern gesprochen, Teufel befragt und deren Antworten erwartet. Diese 18

Lori, Kirchen Recht, S. 29, erwähnt auch eine Synode von 1514 in Regensburg, die sich mit Aberglauben und Hexerei beschäftigt haben soll. Diese Synode ist nicht nachweisbar. Sie ist weder angeführt bei G. Schneller (Indiculus conciliorum in Bojaria), noch bei J.B. Enhueber (Conciliorum Ratisboniensum brevis recensio), noch bei Schannat/Hartzheim (Concilia Germaniae). Eventuell handelt es sich um einen Schreibfehler Loris und seine Anmerkung bezieht sich auf die Synode von 1512, die er nicht erwähnt. Sein Hinweis auf 1542 („Straff des Aberglaubens und Kezereien; Reform, conv. Ratisb.") bezieht sich wohl auf das Verhältnis Protestanten-Katholiken; vgl. Allg. StA. „Reichsstadt Regensburg", Lit.Nr. 598 (Chronik), S. 46'/47 und a.a.O. Lit. Nr. 496 (Acta).

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Dalham, Concilia, S. 190 f., 272 ff. Spec = Speculator = Speculum Juris von G. Durandus. (Teilweise bloße Übersetzungen dieses Werkes sind der Clagspiegel und Tenglers Leyenspiegel, so Malblank, PGO, S. 67/110)

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Schannat/Hartzheim, Concilia, S. 84/85,105 ff. Vgl. die weitergehende Bedeutung dieses Begriffes in der Literatur (1 A II 5)

Synodalbeschlüsse

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getäuschten Menschen glauben, durch ihr Tun Güter erlangen und Übel vermeiden zu können. - Sie sollen von den Priestern zum Empfang der Absolution zum Bischof geschickt werden. Diejenigen, bei denen ein derartiges Verhalten bekanntgeworden ist, sind, wenn sie nicht innerhalb von neun Tagen nach einer Ermahnung durch den Priester ihren Irrtümern abgeschworen haben, ipso facto als exkommuniziert anzusehen; die Exkommunikation wird öffentlich bekanntgegeben. In den „Casus episcopales" (in foro poenitentiae) sind neben den Häretikern unter anderen genannt: „Item publici criminosi, quibus publica poenitentia est injungenda . . . Item quilibet excommunicatus a Canone, vel Constitutione . . . Item abutens quomodolibet Sacramentis Ecclesiae . . . " ; auf diese sollen in foro poenitentiae weder Sacerdotes noch saeculares ihre Kompetenz ausdehnen. Vom Empfang der Kommunion sind neben den Häretikern auch ausgenommen: Communio sacra denegatur . . . „Item omnes, qui non habent rectam intentionem sumendi Sacramentum Eucharistiae, prout institutum est: et praecipue, qui volunt cum eodem exercere maleficia, incantationes, aut alias sacrilege ipso abuti; tales enim sapiunt heresim 23 . . . Item artem magicam exercentes, publici lenones, et publice in ludo taxillos, sive Chartas concedentes, vulgo Scholdrer appellati. Item meretrices . . . " . „Item ómnibus incantatoribus, et incantatricibus, utentibus benedictionibus ab Ecclesia non approbatis: item pythonibus, pythonissis, et qui diebus Aegyptiaeis arte magica utuntur, prout nonnullae mulieres vulgo Unholden nuncupatae 24 . . . communio sacra denegari debet." Auch bei der Aufzählung der zu exkommunizierenden Personen schließlich wird ebenfalls auf die „sortilegi" hingewiesen. c) Synode von 1569 (Salzburg f5 Unter den Beschlüssen dieser Synode ist zu finden: „De magicis artibus, sortilegiis, veneficiis, incantationibus divinationibus, et id genus aliis prohibitis . . . " . Verurteilt werden alle divinationes, incantationes, sortilegia, praestigia und die ars magorum et maleficarum, ac Pythonissarum, mit deren Hilfe getäuschte Menschen glauben, Güter erlangen, Übel vermeiden, die Zukunft voraussehen, verborgene Schätze finden und ähnliches mehr vollbringen zu können. Wird jemand des Gebrauches dieser Künste überführt, so soll er nach den „sanctiones Jurium acerrime" bestraft werden. Weiß jemand, daß ein anderer in 23 24 25

Unter Berufung auf Decr. Gr., p.2, 26, 5 , 9 Diese Erklärung des Inhalts des Wortes „Unhold" findet sich, soweit ersichtlich, ansonsten nirgends. Dalham, Concilia Salisb., S. 372 ff.

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diese Irrtümer verstrickt ist oder sonst „daemoniacis familiaritatibus, conventionibus, pactionibus, sive confoederationibus esse deditum", so soll er diesen dem Bischof melden. Der Bischof soll die betreffende Person dann zu bekehren versuchen. Gelingt dies nicht, so soll er nach den kanonischen Vorschriften vorgehen. Hat jemand einen derartigen Irrtum gebeichtet, so soll ihn der Priester zu bekehren versuchen. Gelingt ihm dies nicht und gerät der Betreffende aufgrund dieses seines Verhaltens in schlechten Ruf, so soll sich der Priester wegen der Absolution an den Bischof wenden.

ANHANG II

Wortlaut des Canon Episcopi, Decr. Gr., p. 2,26,5,12 (vgl. 1 B I (IV)) Soweit bei der Auslegung des Canons auf einzelne Worte abgestellt wurde, sind diese hervorgehoben. Item ex Concilio Anquirensi, c. I. Episcopi, eorumque ministri omnibus viribus elaborare studeant, ut perniciosam et a zabulo inventam sortilegam et magicam artem ex parrochiis suis penitus eradicent, et si aliquem virum aut midierem huiuscemodi sceleris sectatorem inveniunt, turpiter dehonestatum de parrochiis suis eiciant. Ait enim Apostolus: „Hereticum hominem post primam et secundam correctionem devita, sciens, quia subversus est qui eiusmodi est." Subversi sunt et a diabolo captivi tenentur qui relieto creatore suo diaboli suffragia querunt, et ideo a tali peste debet mundari sancta ecclesia. § l.Illud etiam non est omittendum, quod quedam sceleratae midieres retro post sathanam conversae, demonum illusionibus et fantasmatibus seductae, credunt se et profitentur, cum Diana nocturnis horis dea paganorum, vel cum Herodiade, et innumera multitudine mulierum equitare super quasdam bestias, et multa terrarum spacia intempestae noctis silentio pertransire, eiusque iussionibus obedire velut dominae, et certis noctibus evocari ad eius servicium. Sed utinam he solae in perfidia sua perissent, et non multos secum ad infidelitatis interitum pertraxissent. Nam et innumera multitudo hac falsa opinione decepta hec vera esse credunt, et credendo a recta fide deviant, et errore paganorum involuuntur, cum aliquid divinitatis aut numinis extra unum Deum arbitrantur. Quapropter sacerdotes per ecclesias sibi commissas populo Dei omni instantia predicare debent, ut noverint hec omnino falsa esse, et non a divino, sed a maligno spiritu talia fantasmata mentibus fìdelium irrogali. § 2. Siquidem ipse sathanas, qui transfigurat se in angelum lucis, cum mentem cuiusque mulieris ceperit, et hanc per infidelitatem sibi subiugaverit, illieo transformat se in diversarum personarum species atque similitudines, et mentem, quam captivam tenet, in sompuis deludens, modo leta, modo tristia, modo cognitas, modo incognitas personas ostendens, per devia queque deducit, et cum solus spiritus hoc patitur, infidelis hoc non in animo, sed in corpore evenire opinatur. Quis enim in somnis et nocturnis visionibus se non extra ipsum educitur, et multa videt dormiendo, que vigilando numquam viderat? Quis vero tam stultus et hebes sit, qui hec omnia, que in solo spiritu fiunt, etiam in corpore accidere arbitretur, cum Ezechiel propheta visiones Domini in spiritu, non in corpore vidit, et audivit, sicut ipse dicit: „Statim", inquit, „fui in spiritu? " Et Paulus non audet dicere se raptum in corpore. Omnibus itaque publice

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annunciandum est, quod qui talia credit et his simüia fidem perdit, et qui rectam fidem non habet, hic non est eius, sed illius, in quem credit, id est diaboli. Nam de Domino nostro scriptum est: „Omnia per ipsum facta sunt." Quisquis ergo credit fieri posse, aliquam creaturam aut in melius aut in deterius immutari, aut transformari in aliam speciem vel in aliam similitudinem, nisi ab ipso creatore, qui omnia fecit, et per quem omnia facta sunt, proculdubio infidelis est, et pagano deterior.