HELLENISTI!: Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa [Illustrated] 3515116222, 9783515116220

Das Altgriechische hat wie das Lateinische seine Funktion als Literatursprache mit dem Ende der Antike nicht verloren, s

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German Pages 389 [394] Year 2017

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
ΠΡΟΟΙΜΙΟΝ
ΑΡΧΗ ΚΑΙ ΑΚΜΗ NEUBEGINN UND BLÜTE IN DER RENAISSANCE
PHILIPP MELANCHTHON UND SEINE GRIECHISCHEN DICHTERSCHÜLER
LIVIUS UND DIE VULGATA MIT DER GRÄZITÄT BESCHENKT
GRIECHISCHE VERSEPISTELN IM 16. JAHRHUNDERT
DER TROJA-MYTHOS IN DEN EIGENEN DICHTUNGEN LORENZ RHODOMANS
SCITIS, QUANTO SEMPER AMORE GRAECARUM RERUM FLAGREM
ΜΟΥΣΑ ΠΑΙΖΟΥΣΑ ANAKREONTISCHES AUS BAROCK UND ROKOKO
DICHTEN UND TEETRINKEN
ANAKREON AN SEIN DEUTSCHES ALTER EGO
ΣΠΟΥΔΟΓΕΛΟΙΑ ERNSTES UND HEITERES AUS DEM 19. JAHRHUNDERT
ARCHÄOLOGIE ALS OPFERDIENST
DER HOFRAT UND DER PRINZ
VON DER PHILOLOGENZUNFT UND ANDEREM UNGEZIEFER
ΕΥΡΩΠΗ ΕΛΛΗΝΙΖΟΥΣΑ AUS- UND ÜBERBLICKE IN EUROPÄISCHER PERSPEKTIVE
GRAECA PER ITALIAE FINES
THE TRANSFER OF GREEK PINDARIC ODE FROM ITALY TO THE NORTHERN SHORES
INDICES
INDEX PERSONARUM
INDEX NOMINUM GEOGRAPHICORUM
INDEX RERUM MEMORABILIUM
INDEX GRAECUS
VERZEICHNIS DER BEITRÄGER
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HELLENISTI!: Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa [Illustrated]
 3515116222, 9783515116220

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HELLENISTI! Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa Herausgegeben von Stefan Weise

Klassische Philologie Franz Steiner Verlag

Palingenesia – 107

Stefan Weise (Hg.) HELLENISTI!

PALINGENESIA Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft Begründet von Rudolf Stark Herausgegeben von ChrIStoPh SChubErt Band 107

HELLENISTI! Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa Herausgegeben von Stefan Weise Internationales Symposium an der Bergischen Universität Wuppertal vom 20. bis 21. November 2015

Franz Steiner Verlag

Coverabbildung: Phönix in einem Mosaik aus Antiochia am Orontes, jetzt im Louvre. Fondation Eugène Piot, Monuments et Mémoires, publ. par l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 36, 1938, 100. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11622-0 (Print) ISBN 978-3-515-11632-9 (E-Book)

INHALTSVERZEICHNIS Stefan Weise Prooimion ................................................................................................................ 7 ΑΡΧΗ ΚΑΙ ΑΚΜΗ NEUBEGINN UND BLÜTE IN DER RENAISSANCE Stefan Rhein Philipp Melanchthon und seine griechischen Dichterschüler ............................... 15 Niklas Holzberg Livius und die Vulgata mit der Gräzität beschenkt. Olympia Moratas Laus Q. Mucii Scaevolae und ihre Paraphrase des 46. Psalms ............................. 47 Paul A. Neuendorf Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert. Johannes Clajus d. Ä. (1535–1592) an die Gelehrten seiner Zeit ......................... 63 Thomas Gärtner Der Troja-Mythos in den eigenen Dichtungen Lorenz Rhodomans ................... 109 Walther Ludwig Scitis, quanto semper amore Graecarum rerum flagrem. Motive für den Höhepunkt des humanistischen griechischen Dichtens um 1600 ....................... 125 ΜΟΥΣΑ ΠΑΙΖΟΥΣΑ ANAKREONTISCHES AUS BAROCK UND ROKOKO Stefan Weise Dichten und Teetrinken. Zum anakreontischen griechischen Teegedicht De Thea herba von Johann Gottfried Herrichen (1629–1705) ........................... 149 Regina Höschele Anakreon an sein deutsches Alter Ego. Bruncks Widmungsgedicht für Johann Wilhelm Ludwig Gleim .................................................................... 203

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Inhaltsverzeichnis

ΣΠΟΥΔΟΓΕΛΟΙA ERNSTES UND HEITERES AUS DEM 19. JAHRHUNDERT Michael Hillgruber Archäologie als Opferdienst. Das Hyperboreer-Gedicht Eduard Gerhards ........ 221 Peter Witzmann Der Hofrat und der Prinz. Karl August Böttigers carmina Graeca für den Prinzen Johann von Sachsen ................................................................... 253 Martin Holtermann Von der Philologenzunft und anderem Ungeziefer. Zu den altgriechischen Komödien von Julius Richter (1816–1877) ........................................................ 285 ΕΥΡΩΠΗ ΕΛΛΗΝΙΖΟΥΣΑ AUS- UND ÜBERBLICKE IN EUROPÄISCHER PERSPEKTIVE Filippomaria Pontani Graeca per Italiae fines. Greek poetry in Italy from Poliziano to the present ............................................................................... 311 Janika Päll The Transfer of Greek Pindaric Ode from Italy to the Northern Shores: From Robortello to Vogelmann and further ........................................................ 349 INDICES Index personarum ................................................................................................ 369 Index nominum geographicorum ......................................................................... 377 Index rerum memorabilium .................................................................................379 Index Graecus ..................................................................................................... 385 Verzeichnis der Beiträger .................................................................................... 389

ΠΡΟΟΙΜΙΟΝ Stefan Weise Der vorliegende Band „Hellenisti! ‒ Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa“ versammelt einerseits Beiträge von Referenten und Teilnehmern des gleichnamigen Symposiums, das vom 20. bis 21. November 2015 an der Bergischen Universität Wuppertal stattfand, andererseits noch zwei zusätzliche Beiträge, die sich thematisch und inhaltlich sehr gut in den gesteckten Rahmen einfügten. Dabei ist klar, dass es sich bei der Weite des Themas nur jeweils um kleine Ausschnitte handeln kann, die Licht in diese bisher noch wenig erforschte Literatur bringen können, aber dennoch wichtige Signalfeuer für dessen weitere Erkundung sein mögen. Als man sich im Westen Europas ‒ von einigen wenigen Ausnahmen im Mittelalter einmal abgesehen ‒ ab der Renaissance wieder der intensiven Beschäftigung mit der griechischen Sprache zuwandte, gehörte zu dieser Wiederaneignung, die ihren Ausgangspunkt in Italien nahm, neben der Wiederentdeckung und erneuten Lektüre antiker griechischer Texte auch deren Nachahmung in eigenen griechischen Produktionen. Die Skala dieser Texte reicht von kleinen Paratexten und Gelegenheitsgedichten über Supplemente, Übersetzungen und Paraphrasen bis hin zu Gelehrtenbriefen, Traktaten, Festreden, Gedichtsammlungen oder gar ganzen Epen. Selbst Anleitungen zum mündlichen Austausch in Form von Gesprächsbüchlein fehlen nicht. Somit ist fast die ganze Breite antiker Gattungen präsent und zum Teil durch Entlehnungen aus dem zeitgenössischen Umfeld und Umformungen noch erweitert oder in spezifischer Weise adaptiert worden. Als umfangreichstes Beispiel für diese Literatur aus unserer Gegenwart kann man die im Jahr 1995 veröffentlichte Ἀστροναυτιλία des Tschechen Jan Křesadlo (Pseudonym von Václav Pinkava, 1926–1995) anführen, ein auf Altgriechisch verfasstes hexametrisches Epos von über 6000 Versen Umfang, das Sprache und Motive von Homers Ilias und Odyssee mit moderner Science Fiction verbindet. Für Deutschland kann man vor allem von zwei chronologischen Kulminationspunkten sprechen, in denen diese Art von Literatur besonders gepflegt wurde, nämlich einerseits dem Renaissance-Humanismus und andererseits dem Neuhumanismus. Ihnen sind in diesem Buch besonders die Abschnitte Ἀρχὴ καὶ ἀκμή – Neubeginn und Blüte in der Renaissance sowie Σπουδογέλοια ‒ Ernstes und Heiteres aus dem 19. Jahrhundert gewidmet. Aber auch dazwischen und danach gab es eine Vielzahl altgriechischer Schriften unterschiedlichen Inhalts. Dabei wirkten in allen diesen Zeiten vor allem prägende Persönlichkeiten, die die aktive Anwendung des Griechischen in ihre Schülerkreise getragen und verbreitet haben. Für den Anfang ist in Deutschland neben Johannes Reuchlin und Erasmus

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Stefan Weise

von Rotterdam die Person Philipp Melanchthons (1497‒1560) entscheidend. Er bildet daher auch durch den Beitrag von Stefan Rhein über Melanchthons griechischen Schülerkreis in Wittenberg den Auftakt für den ersten Abschnitt. Rhein arbeitet ein ganzes Netzwerk unterschiedlicher Personen heraus und zeigt ihre Bedeutung als Griechischschreiber sowie ihre jeweilige Verbindung zu Melanchthon auf. Zu Melanchthons griechisch schreibenden Schülern gehören u.a. Johannes Caselius, Paul Dolscius, David Chytraeus und Michael Neander. Ebenfalls in Melanchthons Zeit fällt auch das Wirken der italienischen Humanistin Olympia Morata (1526–1555), die später nach Deutschland emigrierte. In ihr griechisches Œuvre führt Niklas Holzberg anhand einer Prosa-Bearbeitung des Livius über Q. Mucius Scaevola und einer poetischen Paraphrase des 46. Psalms im Sapphicum ein. Wiederum in das nähere Umfeld von Melanchthon weist der Beitrag von Paul A. Neuendorf, der eine Edition der Gedichtepisteln von Johannes Clajus d. Ä. (1535– 1592) an führende deutsche Humanisten seiner Zeit wie Melanchthon selbst, Joachim Camerarius, Caspar Peucer und andere vorlegt. In Melanchthons weiteren Wirkungskreis gehört auch vermittels seines Ilfelder Lehrers Michael Neander der Dichter Lorenz Rhodoman (1546‒1606), der nach dem einhelligen Urteil der Zeitgenossen einer der besten griechischen Dichter der Renaissance überhaupt in Deutschland war. Über den Troja-Mythos in seinen eigenständigen Dichtungen, vor allem über das Trojanische Pferd als Gleichnis für die der Schule in Ilfeld entströmende Schülerschar, informiert beredt der Beitrag von Thomas Gärtner. Zusammenfassend handelt schließlich über die unterschiedlichen Gründe für diesen ersten Höhepunkt des humanistischen griechischen Dichtens in Rhodomans Zeit um 1600 Walther Ludwig in seinem Beitrag. Als besondere Motivation für die Humanisten macht er die Hoffnung auf eine Union von Protestanten und griechischer Orthodoxie sowie eine mögliche Angliederung Griechenlands an das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ namhaft. Dabei kommen neben Rhodoman als weitere führende Dichter und Propagatoren auch noch Martin Crusius (1526–1607) und Nikolaus Reusner (1545–1602) zu Wort. Dass, wie bereits angedeutet, auch zwischen Renaissance- und Neuhumanismus griechische Gedichte entstanden sind, wird in dem anschließenden Abschnitt Μοῦσα παίζουσα ‒ Anakreontisches aus Barock und Rokoko anhand zweier anakreontischer Texte von Johann Gottfried Herrichen (1629‒1705) über den Tee und von Richard François Philippe Brunck (1729‒1803) an den „deutschen Anakreon“ Johann Wilhelm Ludwig Gleim belegt, die in den Beiträgen von Stefan Weise und Regina Höschele behandelt werden. Gleichsam in Vorbereitung darauf hat bereits Ludwig ans Ende seines Beitrages eine stilistische und quellenkritische Analyse vom Anfang eines anakreontischen Epithalamiums von Nikolaus Reusner gestellt, so dass sich von hier aus auch Verbindungslinien von der Renaissance ziehen lassen, die eine gewisse Kontinuität andeuten. Als prägend für neualtgriechisches Dichten im Neuhumanismus, das im folgenden Abschnitt Σπουδογέλοια ‒ Ernstes und Heiteres aus dem 19. Jahrhundert thematisiert wird, kann man u.a. den Philologen Gottfried Hermann (1772‒1848) anführen, der behauptet, die Qualität der Edition eines griechischen Dichters würde sich am deutlichsten zeigen, wenn der Editor dem Text einen eigenen „Prolog von

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zwanzig Versen“ voranstellen müsste (Opuscula, Vol. VI, 72f.). Hermann selbst hat im Übrigen u.a. Dramenausschnitte von Schiller ins Griechische übersetzt (Opuscula, Vol. V, 355–361). Ihm folgten im Verlauf des 19. Jahrhunderts Theodor Kock (1820‒1901), der Goethes „Iphigenie“ ins Griechische übertrug, und August Dühr (1806–1896), der das Gleiche mit Goethes „Hermann und Dorothea“ tat. Aber es gibt in dieser Zeit nicht nur griechische Übersetzungen, sondern auch etliche eigenständige Texte. Aus der ersten Hälfte des 19. Jhs. stammt das Hyperboreer-Gedicht von Eduard Gerhard (1795‒1867), das in dem Beitrag von Michael Hillgruber vorgestellt wird und gleichsam eine Art Gründungsurkunde des späteren Deutschen Archäologischen Instituts darstellt. Auch Karl August Böttiger (1760‒1835) verfasste etliche griechische Gedichte, die sogar zum Teil in der lokalen Presse veröffentlicht worden sind. In sein griechisches Dichten sowie dessen Formen und Funktionen führt der Beitrag von Peter Witzmann ein. Ein Höhepunkt in dieser Richtung sind dann am Ausgang des 19. Jhs. die drei griechischen Komödien im aristophanischen Stil des Berliner Gymnasialprofessors Julius Richter (1816‒1877), eines Schülers von August Boeckh (1785–1867), der selbst zusammen mit Karl Lachmann (1793–1851) etwa 1829 anlässlich eines Berlinaufenthaltes der russischen Kaiserin Alexandra Feodorowna eine griechische Ode verfasst hat. Über Einordnung und Intention vor allem der ersten Komödie Richters, die den Titel Ἶπες/„Das Ungeziefer“ trägt, gibt der Beitrag von Martin Holtermann beredte Auskunft. Gerade am Fall Richter wird im Übrigen besonders deutlich, dass Rezeptionsgeschichten und -bände zu antiken Autoren künftig auch eine „neualtgriechische Abteilung“ im Blick haben sollten. – Am Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts ist nochmals besonders Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848‒ 1931) prägend, der sich selbst in griechischer Fassung u.a. Φιλομώμιχος nannte. Seine griechischen und lateinischen Gedichte wurden nach seinem Tode gesammelt und unter dem Titel Ἐλεγεῖα (Berlin 1938) herausgegeben. Viele seiner Schüler haben selbst noch griechische Gedichte verfasst. So weist etwa Walther Ludwig in seinem Beitrag auch auf ein bewegendes griechisches Epigramm des jüdischen Gelehrten und Wilamowitz-Schülers Paul Friedländer (1882–1968) hin. Im Zuge der Restaurationsbestrebungen nach dem Zweiten Weltkrieg findet griechisches Dichten nochmals in der Zeitschrift „Alindethra“ ein Zuhause. Und schließlich ziert auch heute noch manche Festschrift ein griechisches Gedicht. Aber es wäre falsch, seinen Blick nur auf Deutschland verengen zu wollen. Griechische Literatur der Neuzeit ist ein europäisches Phänomen. Dem wird nochmals im letzten Abschnitt Εὐρώπη Ἑλληνίζουσα ‒ Aus- und Überblicke in europäischer Perspektive Rechnung getragen. Ihren Ausgangspunkt nimmt die altgriechische Literatur im Westen, wie gesagt, zuerst in Italien. Polizian (1454‒1494) hat mit seinen griechischen Gedichten die byzantinischen Lehrer in den Schatten gestellt. Mit Witz und Sprachgewandtheit hat er Vorbilder für die folgenden Generationen in ganz Europa geschaffen. Einen Überblick über die Entwicklung griechischen Dichtens in Italien von der Renaissance bis in die Gegenwart verschafft der Beitrag von Filippomaria Pontani. Dabei führt er nicht nur eine Vielzahl von

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Stefan Weise

Textbeispielen an, sondern weist auch in entsprechenden Quellenapparaten die jeweiligen Vorbildautoren nach. Das jüngste Beispiel seines Überblicks stammt im Übrigen aus dem Jahr 2015! Mindestens ebenso wichtig wie Italien sind natürlich Frankreich, die Niederlande und England. Von den Franzosen könnte man etwa Henricus Stephanus, Guillaume Budé, die beiden Scaliger und aus späterer Zeit Pierre Daniel Huet (1630‒1721) nennen. Sie sind hier wenigstens durch den schon erwähnten Beitrag über das anakreontische Gedicht Bruncks von Regina Höschele gegenwärtig. Auch die Niederlande sind durch Gedichte von Petrus Francius (1645–1704) vertreten. Erwähnung verdienen aber ebenso Hugo Grotius (1583–1645) und Daniel Heinsius (1580–1655). In England lebt die Tradition griechischen Dichtens und Schreibens teilweise bis in jüngste Zeit in Form der Sir William Browne Medal an der Universität Cambridge und des Gaisford Prize an der Universität Oxford fort. Viele berühmte Philologen und Gelehrte haben dabei hervorragende Kabinettstücke ihrer Kunst geliefert. Besonders erwähnenswert sind neben anderen eine Reihe von Herodot-Parodien, namentlich u.a. George Stuart Robertsons (1872–1967) „Herodotus in Britain“ (1895), John Davidson Beazleys (1885–1970) „Herodotus at the Zoo“ (1907) und Christian James Fordyces (1901–1974) „Herodotus in Ireland“ (1921). Der erwähnte Robertson hat auch als Teilnehmer der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit (1896) eine griechische Ode verfasst, die er bei der Abschlussfeier im Athener Stadion vortrug. In jüngerer Zeit hat die fortlebende Begeisterung für das Griechische auf der Insel sogar eine altgriechische Übersetzung des ersten Bandes der Harry-Potter-Saga von Andrew Wilson hervorgebracht. Doch das Griechische verbreitete sich nicht nur in den Nordwesten, sondern auch in den Nordosten. Über die Verbreitung pindarischen Dichtens auf Griechisch von Italien in die nördlichen Länder des Baltikums und darüber hinaus berichtet Janika Päll in ihrem Beitrag, der durch seine Konzentration auf eine Gattung nochmals einen abschließenden internationalen Querschnitt bietet. Dabei findet schließlich auch einmal Griechenland selbst Erwähnung. Dieser kurze Überblick möge zur Einstimmung genügen. Es dürfte deutlich geworden sein, dass wir am Anfang der Erforschung einer bisher weitgehend unbekannt gebliebenen Literatur stehen, die in ihrer ganzen Erstreckung noch vermessen werden muss. Die Beiträger dieses Bandes haben dafür bereits wichtige Impulse in ihren bisherigen Publikationen und Tagungen geliefert. Explizit soll an dieser Stelle auch an die von Janika Päll im vorletzten Jahr organisierte Tagung „Humanist Greek in Early Modern Europe“ erinnert werden. Meine Hoffnung ist, dass ihre in diesem Band versammelten Beiträge zu weiterer Beschäftigung mit altgriechischer Literatur der Neuzeit Anregung geben werden. Dabei ist die Beschränkung auf Europa natürlich eher praktischen Erwägungen geschuldet und keineswegs exklusiv gemeint. Ein Blick auf das orthodox geprägte Russland oder die USA würde sicher weitere Beispiele enthüllen. Doch um es mit Horaz zu sagen: sunt denique fines. Am Schluss möchte ich mich noch bei den vielen helfenden Kräften bedanken, die das Zustandekommen des Symposiums und des vorliegenden Bandes ermöglicht haben. An erster Stelle gilt mein Dank der Bergischen Universität Wuppertal und der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften in Person des Dekans,

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Spectabilis Gerrit Walther. Dann möchte ich die großzügige Förderung der Tagung und des Bandes durch die Freunde und Förderer der Universität, das Graduiertenkolleg „Dokument ‒ Text ‒ Edition“ sowie die Fachschaft der Fakultät für Geistesund Kulturwissenschaften hervorheben. Des Weiteren danke ich ganz herzlich Herrn Kollegen Arne Karsten, der sich als Vorsitzender des „Forschungszentrums Frühe Neuzeit“ für die Tagung eingesetzt hat. Zudem haben zur Planung und Organisation der Tagung ganz wesentlich meine beiden Kollegen Stefan Freund und Christoph Schubert beigetragen. Ihnen, vor allem Christoph Schubert, der den Band in die Reihe „Palingenesia“ aufgenommen, die Beiträge nochmals gründlich durchgesehen und das Erscheinen in vielerlei Weise befördert und ermöglicht hat, gilt mein besonderer Dank. Aber auch meine anderen Kolleginnen und Kollegen, Katharina Pohl, Hedwig Schmalzgruber, Elisabeth Lösch, Martin Schmidt, Oliver Humberg sowie unser Sekretär Gerhard Menzel sollen nicht unerwähnt bleiben, da sie sowohl singend und spielend als auch moderierend und organisierend einen wichtigen Beitrag zum Symposium geleistet haben. Ganz besonders danke ich weiterhin meiner studentischen Hilfskraft Katrin Schürmann für ihre Hilfe beim Symposium und der Erstellung der Druckfassung dieses Bandes sowie den anderen engagierten Studenten, die viel Zeit und Mühe in die Einstudierung von Julius Richters Komödie Ἶπες investiert haben, die am Abend des 20. November im Rahmen des Symposiums in Wuppertal ihre Uraufführung erlebte. Weiterhin gilt mein Dank Katharina Stüdemann und Sarah Vanessa Schäfer vom Franz Steiner Verlag für die Betreuung des Bandes. Zuletzt aber möchte ich mich bei meiner Frau und meiner Familie für Ihre Unterstützung und Geduld sowie nochmals namentlich bei meinem Doktorvater Michael Hillgruber und den weiteren Beiträgern bedanken, die mit ihren Forschungserträgen die Essenz dieses Bandes ausmachen. Ohne sie und ihre grundlegenden Forschungen im Bereich des Humanistengriechisch wären das Symposium und dieser Band nicht möglich gewesen. Εἰρήσθω ταῦτα, νῦν δ’, ὦ τᾶν, ἑλληνίζωμεν.

ΣΤΕΦΑΝΟΣ ΤΟΙΣ ΦΙΛΟΜΟΥΣΟΙΣ ΕΥ ΠΡΑΤΤΕΙΝ Ἀνακρέοντα νυκτὸς εἶδόν ποχ’ ἁδὺ ῥέγκων τὸν Τήϊον μελικτάν, τὸν φίλτατον λυριστάν. ἀλλ’ οὐκ ἐφαίνεθ’ οὕτως εὔθυμος, ὡς εἰώθει· πικρὸν δὲ δάκρυ χεῦεν, λυγρὰς τρέφεν μερίμνας. ‘Ἀνάκρεον, τί πάσχεις;’ τότ’ ἠρόμην γέροντα, ἐκεῖνος ‘αἶ’ στέναζεν, ‘αἰαῖ κακῆς μερίμνης. νῦν χρημάτων γε πᾶσι μόνον μέλει βροτοῖσι. Μούσας δὲ καὶ χορείαν, μολπὰς δὲ καὶ χελώνην Ἑλληνικήν τε γλῶσσαν μισεῦσιν ἢ πτύουσι.’ τοιαῦτ’ ἀναιμόσαρκον φάσμ’ εἶπ’ Ἀνακρέοντος. ἐγὼ δ’ (ὄναρ γὰρ ἦεν)· ‘θρυλούμενον τόδ’ ἐστίν,’ ἔφην, ‘σοφῶν λάλημα. καὶ νῦν μέλει τοιαῦτα.’ σύγγραμμ’ ἄρ’ οἵ τι δῶκα, λαβὼν δ’ ὃς αὖ βόησεν· ‘ὅσοι φιλεῖτε Μούσας, ὅσαι φιλεῖτε Φοῖβον, πάρεστε δεῦρο πάντες, πάρεστε δεῦρο πᾶσαι, καὶ εὐφρόνως δέχεσθε τὸ βιβλίον γε τοῦτο· σοφωτάτων ἔνεισιν ἀνδρῶν τε καὶ γυναικῶν σπούδασμα καὶ μάλιστα Ἑλληνικαί γε Μοῖσαι.’ ὣς εἶπε καὶ χορεύων φύγεν γέρων φίλοινος· τοιοῦτον οὖν ὄνειρον εἶδόν ποχ’ ἁδὺ ῥέγκων.

ΑΡΧΗ ΚΑΙ ΑΚΜΗ NEUBEGINN UND BLÜTE IN DER RENAISSANCE

PHILIPP MELANCHTHON UND SEINE GRIECHISCHEN DICHTERSCHÜLER Stefan Rhein

Abstract: Besides his reformatory work Philipp Melanchthon ranks as one of the most influential humanist authors of the 16th century. Since his schooling in Pforzheim and his studies in Tübingen he was conversant with the Graeca. Thus Greek poetry from Melanchthon is known since 1515. In Wittenberg he became an inspiring example for his students, some of which started to write Greek poems likewise. Among these were Johannes Caselius, Martin Heinrich, Caspar Peucer, Johannes Schelhammer, Johannes Bökel, Matthäus Röseler, Georg Cracow, David Chytraeus, Joseph Wurtzler, Paul Dolscius and Michael Neander. They will be presented with their poetical oeuvre and their relationship to Melanchthon. 

ANFANGSSTÜCK: VON GRIECHISCHER TRAGÖDIE UND GRIECHISCHEN TATTOOS Bei der Suche nach der gegenwärtigen Präsenz der griechischen Antike, ihrer Sprache und Literatur fällt der Blick zumeist auf die erstaunliche Renaissance der griechischen Tragödie auf deutschen Bühnen mit Peter Steins Inszenierung der „Orestie“ als eindrucksvollem Höhepunkt. Dort war sogar in Ausschnitten der griechische Originaltext zu hören, um die Suggestivkraft der griechischen Sprachpoesie erlebbar zu machen.1 Mochte in der Tragödie auch die bis heute aktuelle Sache der Demokratie verhandelt werden, so wurde durch die Verwendung der originalen, gemeinhin unverständlichen Sprache zugleich die historische Ferne des Stücks inszeniert; Modernität des Stoffes und Alterität der Sprache verschränkten sich zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk. Neben dem literarischen Höhenkamm hat die Sprache des alten Athens noch einen ganz unerwarteten Sitz im Leben gefunden, quasi unter die Haut gehend; denn zu den Angeboten deutscher TattooStudios zählen auch altgriechische Texte, kurze Weisheiten und Verse, die als besonders geheimnisvoll angepriesen werden, nicht zuletzt weil „die Mehrheit der Leute dieses Alphabet im Unterschied zu anderen Sprachen nicht versteht“.2 1 2

Vgl. mit breitem Horizont (vom 16. bis ins 21. Jahrhundert) Flashar 22009. So www.herrtattoos.com/griechischen-und-hellenischen-ursprungs-tattoos (mit eindrucksvollen Illustrationen). Vgl. auch www.tattoo-sprueche.de. Ein populäres Vermittlungsmedium antiker Stoffe sind zudem die filmischen Blockbuster wie „Gladiator“, „Troja“ oder „300“, die Verfilmung der Schlacht bei den Thermopylen, vgl. Nisbet 2008 und Lochmann/Späth/Stähli 2008.

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Stefan Rhein

1. JOHANNES REUCHLIN – DER ERSTE GRIECHISCHE DICHTER DEUTSCHLANDS Fremd und unverständlich, gleichwohl auratisch als Träger kultureller, philosophischer und theologischer Überlieferung erschien die griechische Sprache auch den Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts. Ihr Wissen muss als rudimentär eingeschätzt werden, auch an den Universitäten; wohl nur zehn Gelehrte in Deutschland beherrschten Ende des 15. Jahrhunderts die griechische Sprache, so Louis Kukenheim.3 In Deutschland begann die Rezeption des Griechischen außerhalb der universitären Curricula mit Rudolf Agricola, Erasmus von Rotterdam und insbesondere Johannes Reuchlin, den Martin Sicherl als „Begründer des Griechischen in Deutschland“ einführt.4 Reuchlin zählt auch zu den ersten griechischen Dichtern Deutschlands. Denn Sicherl hat in seiner forschungsgeschichtlich bedeutsamen Studie zu Johannes Cuno drei autographe Verse Reuchlins präsentiert, die dieser für seinen Schüler Cuno wohl während der gemeinsamen Heidelberger Jahre (1496–1498, 1499) aufsetzte. Es handelt sich dabei um exemplarische Lehrverse für die Metren Hexameter und Jambus; inhaltlich sind sie mit dem Tod der Patronin der Artistenfakultät, der Hl. Katharina, verknüpft.5 15 Jahre später, wohl im Oktober 1514, entstand ein griechisches Gedicht aus fünf elegischen Distichen, ein Lobgedicht auf Konrad Peutingers Tochter Konstanze, das mit der erotischen Feuer- und Flammenmetaphorik spielt und durch den eigenen Hinweis Reuchlins auf Dionysius Areopagita den sublim-philosophischen Eros aufruft.6 Als primus Grajarum literarum restaurator primusque Poeta wird Reuchlin von Georg Litzel an den Beginn der griechischen Dichtung in Deutschland gestellt. Georg Litzels 1730 erschienene Historia Poetarum Graecorum Germaniae stellt insgesamt 145 Dichter vor und ist bis heute eine wichtige Quelle für Recherchen auf dem Gebiet der griechischen Dichtkunst in Deutschland. Griechische Verse aus der Feder Reuchlins sind ihm allerdings nicht bekannt gewesen; er hat sie vielmehr aus der allgemeinen Beschäftigung des Gelehrten mit antiker Literatur, aus brieflichen Hinweisen zum poetischen Unterricht und aus der göttlichen Begabung Reuchlins geschlossen.7 Auch von Erasmus sind griechische Verse und Gedichte überliefert, die v.a. nach 1507 entstanden, jambische Gebetsverse an die Mutter Gottes, Epitaphien u.a. auf Johann Froben oder als sein letztes griechisches Gedicht der Dialog zwischen einem Gelehrten und einem Buchhändler auf dem Titelblatt der von Simon Grynaeus besorgten und 1531 in Basel gedruckten Ausgabe der Werke des Aristoteles.8 Von Beginn an verbindet demnach die Beschäftigung mit der griechischen Literatur und ihrer Sprache die philologische mit der poetischen Perspektive.

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So Kukenheim 1951, 7. Zu den frühen Lernbeziehungen deutscher mit griechischen Humanisten vgl. Geanakoplos 1994. Sicherl 1993. Zu Reuchlin vgl. Dörner 2013, 596–606 (zu den Graeca). Sicherl 1978, Tafel I. Zu den griechischen Versen Reuchlins vgl. Rhein 1989, 70–79. Vgl. Lizelius 1730, bes. 11. Vgl. Vredeveld 1993, XXV.

Philipp Melanchthon und seine griechischen Dichterschüler

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Sprachverständnis und Sprachbeherrschung, Grammatik und Dichtung, Rezeption und Produktion wurden im humanistischen Diskurs als Einheit verstanden.9 2. DIE INSTITUTIONALISIERUNG DER GRIECHISCHSTUDIEN AN DEN UNIVERSITÄTEN LEIPZIG UND WITTENBERG Von den vereinzelten Archegeten der Gräzistik und zugleich des griechischen Dichtens abgesehen, die die Graeca meist privatissime betrieben, gilt für die Institutionalisierung der griechischen Studien das Wirken Melanchthons an der Universität Wittenberg als initiierend. So nimmt die anregende Studie von Asaph Ben-Tov zur Rezeption des Griechischen in Deutschland nicht ohne Grund ihren Ausgangspunkt bei der Lehrtätigkeit und dem Werk Philipp Melanchthons.10 Als Melanchthon am 25. August 1518 in Wittenberg ankam, war der Kurpfälzer in Kursachsen kaum bekannt, kein Wunder, war er doch bis Sommer 1518 erst mit einigen Vorreden und Gedichten sowie seinen Institutiones graecae grammaticae hervorgetreten.11 Die Wittenberger Professoren kannten wenn überhaupt nur Griechischdozenten aus Leipzig, was wiederum dem Umstand geschuldet ist, dass die Griechischstudien in Deutschland erstmals an der Leipziger Universität eine feste Organisationsstruktur bekamen. Der erste Griechischprofessor an einer deutschen Universität war ein Engländer, Richard Croke, der 1515 mit seiner Lehrtätigkeit begann. Mag auch in seinem einzigen gräzistischen Werk, seinen Tabulae graecas literas compendio discere cupientibus [...] utiles, erschienen 1516 in Leipzig, kein dichterisches Beiwerk von seiner Feder enthalten sein, so indizieren gleichwohl die beiden, vor den Widmungsbrief Crokes an den Leipziger akademischen Senat gesetzten griechischen Distichen seines Schülers Gregor Coelius Aubanus, dass bereits dieser frühe Griechischunterricht Grammatik und eigenständige Sprachübung verband.12 Crokes bester Schüler und seit 1517 Nachfolger war Petrus Mosellanus, ein junger Gelehrter aus der Moselregion, der in der Geschichte der Reformation durch seine Eröffnungsrede zur Leipziger Disputation 1519 und in der Bildungsgeschichte durch seine Paedologia, einer Sammlung von Schülergesprächen, einen Namen hat. In der Gräzistik hat er sich durch die erste Aristophanes-Edition in Deutschland und 9

Eine Geschichte der produktiv-poetischen Aneignung der klassischen griechischen Literatur ist angelegt bei Weise 2011, bes. 399–406. 10 Ben-Tov 2009. Die Anfänge des Griechischen an der Universität Erfurt seien zumindest kurz erwähnt, die eng mit dem Namen Nikolaus Marschalk verbunden sind. Marschalk hat in der 1502 erschienenen Erfurter Ausgabe der Introductio ad litteras hebraicas den Text des Aldus Manutius mit zwei Distichen eingeführt, das zweite als epigramma graecum de laude litterarum graecarum in Griechisch und in lateinischer Übersetzung, vgl. den Abdruck bei Bauch 1896, 72. 11 Melanchthons griechische Grammatik ist aufgenommen bei Claus Nr. 1518.5. 12 Vgl. CROCUS 1516, fol. A1v. Zu Croke (um 1489–1558) vgl. Horawitz 1884, 432f. (mit Abdruck der griechischen Verse des Aubanus). Vgl. auch Bauch 1896, 177–183 (Croke). 183– 189 (Mosellan). Zu seiner Grammatik vgl. auch Graecogermania 109. Zu den wenigen bekannten Daten zu Coelius Aubanus vgl. Bräuer/Leonhardt/Schindler 2008, 202.

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durch Übersetzungen, etwa von Lukian oder Gregor von Nazianz, hervorgetan, indessen nicht durch griechische Verskunst. Als der Wittenberger Griechisch-Lehrstuhl besetzt werden sollte, war für Luther und Spalatin Mosellan der Favorit, da etwa Spalatin ihm gerade in der griechischen Sprache eine große Kompetenz attestierte, so in einem Gutachten gegenüber Kurfürst Friedrich dem Weisen: „so gelehrt und verständig in der lateinischen und griechischen Sprache, dass er sehr wohl aus der griechischen Sprache in die lateinische transferiert, welches der Universität zu großem Nutzen und Gedeihen würde.“13 Wenn Mitteldeutschland sich im 16. Jahrhundert als ein Zentrum der Griechisch-Studien erweist, dann dürfen neben der Bedeutung Melanchthons und Wittenbergs Mosellan und Leipzig nicht vergessen werden, haben doch dort so profilierte Gelehrte wie Joachim Camerarius, Christoph Hegendorf und Georg Agricola studiert, die literarisch, aber insbesondere institutionell – Hegendorf als Leipziger Griechischprofessor, Agricola als Rektor des städtischen Gymnasiums in Zwickau (schola Graeco-latina) und Camerarius als wohl bedeutendster Gräzist im Deutschland des 16. Jahrhunderts – den Griechischunterricht beförderten. Mosellans Wirken stellt eine Blütezeit der studia humaniora in Leipzig dar, die nach seinem frühen Tod 1524 keine Fortsetzung erfuhr – auch aus konfessionellen Gründen, da das albertinische Sachsen unter Herzog Georg bis 1539 katholisch blieb und sich allen Einflüssen aus Wittenberg verschloss.14 Der Niedergang der griechischen Studien in Leipzig in den 1520er und 1530er Jahren illustriert übrigens eindrücklich ex negativo den Einfluss der Konfession auf die griechischen Studien, da diese bei den auf die biblischen Quellen orientierten, humanistisch gebildeten Reformatoren positiv besetzt waren und besonders gepflegt wurden.15 3. PHILIPP MELANCHTHON UND DER REUCHLINKREIS Es gehört zu den Glücksfällen der Wittenberger Universitätsgeschichte, dass bei der Besetzung des Griechisch-Lehrstuhls der Kurfürst das letzte Wort hatte, der für seine von ihm gegründete Landesuniversität eigentlich Johannes Reuchlin gewinnen wollte, den in Deutschland ohne Zweifel bekanntesten vir trilinguis. Doch der 13 Zitiert nach Hartfelder 1889, 63; vgl. auch Weide 2014, 36. 95 u. 210 Nr. 149. Zu Mosellanus (1493–1524) vgl. Flood 2010 (mit bibliographischen Hinweisen u.a. auf die Ausgabe des Aristophanes und die Übersetzungen von Lukian, Isokrates, Gregor von Nazianz) sowie Rhein 2010b. 14 Vgl. Rudersdorf 2015, 212f. Zu Agricola (1494–1555) vgl. Naumann 1994, v.a. die Beiträge von Ute Rosenbaum (149–156: Zur Entwicklung einiger städtischer Lateinschulen des sächsischen Erzgebirges unter dem Einfluss des Humanismus) und Karlheinz Hengst (157–165: Georgius Agricolas Latein-Grammatik im Kontext von Raum und Zeit) und Dohrn-van Rossum 2011. Zu Hegendorf (1500–1540) vgl. Löhr 2014, sowie zu seiner Isokrates-Beschäftigung Rosa 1984, 104–109. 15 Zum konfessionellen Kontext der Rezeption der griechischen Antike vgl. ausführlich die Studie von Ben-Tov 2009, z.B. 135: “Lutheran scholar's confessional identity was a central component of their intellectual make-up, and that, as with their historical writings, their interest in Greek had a significant confessional context and motivation”.

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damals schon 63-Jährige lehnte ab und empfahl seinen Verwandten Philipp Melanchthon, so dass dieser am 28. August 1518 mit seiner Antrittsvorlesung die Griechischstudien an der Leucorea eröffnete – als überhaupt erst zweiter Griechischprofessor an einer deutschen Universität. Kurfürst Friedrich der Weise und wohl v.a. sein engster Berater Georg Spalatin, der auch für den Aufbau der Schloss- und Universitätsbibliothek zuständig war, hatten im Übrigen ihr Auge auf eine besondere Mitgift des neuen Professors geworfen, auf die berühmte Humanistenbibliothek Reuchlins. Es ist auffällig, dass im Vorfeld der Berufung Melanchthons ausschließlich Bücherfragen abgehandelt wurden, z.B. wie der Transport der offenkundig schon respektablen Büchersammlung des 21-Jährigen bewerkstelligt werden sollte: Man vereinbarte eine Übergabe auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Thomas Anshelm. Dass die Bibliothek Reuchlins, deren griechische Abteilung immerhin über 50 Bände umfasste, auch nach seinem Tod in Pforzheim blieb, ist das Ergebnis der zunehmenden Entfremdung zwischen dem altgläubig gebliebenen Reuchlin und dem jungen Reformator, die zur Enterbung Melanchthons führte.16 Die humanistische Ausbildung und literarische Sozialisation Melanchthons vor seiner Zeit in Wittenberg vollzogen sich in einem überaus graecophilen Milieu. Neben Reuchlin ist hier insbesondere sein Pforzheimer Lehrer Georg Simler zu nennen, der nach der ersten gedruckten, typographisch und inhaltlich kaum brauchbaren, 1501 in Erfurt erschienenen Griechischgrammatik von Nikolaus Marschalk 1512 eine Einführung in die griechische Sprache veröffentlichte, die die Formenlehre auch mit Hilfe exemplarischer griechischer Zitate antiker Autoren vermittelte.17 Eingeführt wird die Sammlung der grammatischen Schriften Simlers, darunter das Isagogicum sive introductorium in literas Graecas, mit einem griechischen Distichon des Pforzheimers Nikolaus Gerbel: Ὁ Νικόλαοσ Γερβέλλιος τοῖς σπουδαῖοισ Πολλὸι γραμματικὴν ἀλλὸι δὲ γράφουσι λατίνην Ἡ βίβλοσ ἑλλαδικὴν καὶ πολυκάρπον ἔχει „Nikolaus Gerbel an die Studienbeflissenen. Viele andere schreiben eine lateinische Grammatik: dieses Buch enthält eine griechische, die viel Frucht bringt.“18

Gerbel, von Beruf Jurist, gehörte in den Reuchlin-Kreis, edierte zahlreiche antike Texte, brachte eine Handausgabe des griechischen Neuen Testaments heraus und verfasste eine umfängliche griechische Landeskunde.19 Neben Simler war nach 16 Vgl. Rhein 2014b, 219f., zur Übergabe der Bücher bei der Frankfurter Buchmesse 225. Zu Reuchlins Bibliothek vgl. Dall’Asta 2010. 17 Vgl. Förstel 1999, 45–56. Zu Simler (um 1474–1535/6) vgl. Pohlke 2013, auch zu Simlers lateinischen Titelepigrammen; ein Beispiel ist abgedruckt und übersetzt in Kremer 1997, 102, hier außerdem lateinische Distichen u.a. von Johannes Hiltebrant und Nikolaus Gerbel (= Musiphilus). 18 Vgl. Pohlke 1997, 47. Vgl. auch Graecogermania 138f. mit Abb. auf S. 131. 19 Zu Gerbel (um 1485–1560) vgl. Scheible 1996, 63–67, und Dall’Asta 2010b, mit Hinweisen auf „kleinere begleitende Carmina“ zu den von ihm korrigierten und herausgegebenen Druckwerken auch in Griechisch.

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dem „Kurtzen Bericht“ über Melanchthons Sterben von 1560 auch Johannes Hiltebrant prägend für den jungen Schüler, denn er las „an den Feiertagen privat lectiones in Griechischer sprache, den höret Philippus gantz vleissig, also das er in kurtzer zeit die sprache zimlich verstehen lernet“.20 Auch wenn von Simler und von Hiltebrant selbst keine griechischen Verse erhalten sind und sie sich auf den grammatischen Unterricht konzentrierten, so ist die Pforzheimer Lateinschule der Ort, an dem Philipp Schwarzerd erstmals und nachhaltig mit der griechischen Sprache in Berührung kam, offensichtlich von ihr auch begeistert war und als Humanistennamen eben nicht „Pullisolus“, sondern „Melanchthon“ erhielt. Reuchlin, Simler, Hiltebrant, dazu die Druckerei Thomas Anshelm, die erste dreisprachige Druckerei Deutschlands, bildeten also das Umfeld für den Griechisch-Adepten Melanchthon, nicht nur in Pforzheim, sondern später auch in Tübingen, wo sie sich alle wieder trafen und zusammenarbeiteten. Der inspirierende Mittelpunkt war zweifelsohne Reuchlin, dem sich Melanchthon bis ans Lebensende verbunden fühlte. Der bereits erwähnte „Kurtze Bericht“ erzählt von den letzten Tagen, Begegnungen, Träumen, Gebeten etc. Melanchthons, in denen übrigens Luther kein einziges Mal erwähnt wird, hingegen Reuchlin Melanchthon noch am Tag vor seinem Tod in den Sinn kam, als er frierend eine Schlafhaube aus Leinen anzog, „wie er sie auch des tags zu tragen pflegte, wenn er daheimen war, und sagt, er hette es von dem berühmbten man, Doctor Johan Reuchlin, gelernet“.21 In diesem offensichtlich persönlich nahen und inspirierenden Arbeitskontext trat Melanchthon 1515 erstmals als griechischer Dichter an die Öffentlichkeit, mit Versen in Publikationen der Druckerei Anshelm, die Melanchthon als Korrektor betreute. Aus dieser frühen Zeit ist übrigens ein bislang unbekanntes griechisches Gedicht Melanchthons an seinen Schüler Paul Geraeander erst jüngst bekannt geworden, ein Distichon auf dem Titelblatt der Einführung von Theodor Gaza in die griechische Sprache, die bei Thomas Anshelm um 1515 in Tübingen erschien. Melanchthon warb als Korrektor für diese Publikation mit folgenden Versen:

20 Müller 1910, 53. Zu Hiltebrant (um 1480–1514/5) vgl. Mertens 2010, hier 1124 zu lateinischen Titelepigrammen, und ausführlich Mertens 1972. 21 Müller 1910, 76. Vgl. auch Rhein 2010a.

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ΦΙΛΙΠΠΟΣ ΤΩ Γεράνδρῳ. Ταῦτα φιλέλλησιν μοῦσαι θεοδώρικ’ ἔθηκαν. Οὐδέ τϊ μουσώσῃ νοῦν φίλ’ ἄεργον ἔχων. „Philipp dem Ger(ae)ander. Dies Werk von Theodoros haben die Musen den Griechischfreunden gegeben. Aber Du wirst nichts in der Musenkunst erreichen, mein Freund, wenn du einen arbeitsscheuen Sinn hast.“22

4. PHILIPP MELANCHTHON – LEHRER DER DICHTUNG Doch im Folgenden soll es nicht um die griechischen Dichtungen Melanchthons gehen; sie begleiten und kommentieren Leben und Werk Melanchthons von seinen frühen Studentenjahren bis in die letzten Lebensjahre, sie dokumentieren Freundschaften und kollegiale Beziehungen und explizieren eine Vielzahl an Themen aus Geschichte, Theologie und Gegenwart. Im Werk Melanchthons sind sie ein Parergon und zugleich in seiner Konzeption sprachlicher Didaxe ein wichtiges Ziel, nämlich die fremde Sprache nicht nur zu rezipieren, sondern ihr Verständnis durch kreatives Schaffen zu vertiefen.23 Das war das Ziel, doch wie sah die Realität aus? Wie sehr hat Melanchthons Vorbild in Wittenberg gewirkt? Hat er Studenten zum griechischen Dichten anregen und bilden können? Gelang es ihm, ein solches kreatives Umfeld, wie er es selbst in Pforzheim und Tübingen genießen durfte, in Wittenberg zu etablieren? Den Schritt vom Tübinger Melanchthonkreis zum Wittenberger Melanchthonzirkel geht die einschlägige Forschung meist auf astrologischen Bahnen und zieht die Parallelen in den naturkundlichen Beschäftigungen, doch lassen sich beide Gruppierungen auch mit Blick auf ihr Verhältnis zum Griechischen vergleichen. Denn der Tübinger Kreis widmete sich intensiv der griechischen Sprache und Literatur und auch in Wittenberg wurde Melanchthon der Mittelpunkt einer neu einsetzenden Beschäftigung mit dem Erbe Athens.24 Obgleich Melanchthon ex officio Griechischprofessor war, zeit seines Lebens Griechischvorlesungen hielt und dadurch und durch seine einschlägigen Publikationen, etwa seine in vielen Auflagen gedruckte griechische Grammatik oder seine griechische Chrestomathie, eine ganze Schülergeneration in den Griechisch-Studien geprägt hat,25 ist die Frage nach seinen Griechisch-Schülern nicht einmal in dem umfassenden Sammelband „Melanchthon in seinen Schülern“ eigens behandelt worden. Vorgestellt werden hier 22 GAZA 1515. Vgl. den Abdruck in Claus Nr. 1515.4; laut Claus nur ein Exemplar in der Staatsbibliothek München. Vgl. MBW Nr. 6a. Zu Melanchthon als Korrektor vgl. Rhein 1997 und Lagler 2010. 23 Zu den griechischen Gedichten Melanchthons vgl. Rhein 1987. Zur Poesie als sprachliches und moralisches Bildungsmittel vgl. Mundhenk 2011. 24 Vgl. Dall’Asta 2011. Zu Melanchthons Leidenschaft für das Studium der griechischen Sprache als Folge seiner oberrheinischen humanistischen Bildungserfahrungen vgl. die Hinweise bei Asche 2010. Zum Buchdrucker Thomas Anshelm vgl. Reske ²2015, 843 (Pforzheim). 104f. (Tübingen). 25 Zum Gräzisten Melanchthon vgl. Förstel 1997, 35–57; Rhein 1999; Löhr 2001.

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Schüler in den Fächern Geschichte, Theologie, Jurisprudenz, Physik, Medizin und lateinischer Poesie, aber nicht in der griechischen Sprache, deren Literatur für den Wittenberger Praeceptor doch zum Kernbestand, ja zur Grundlage jeder universitären Bildung gehörte. So hat sich Heinz Scheible in seiner Einführung zu dem genannten Sammelband mit Hinweisen auf wenige Schüler insbesondere aus den 1520er Jahren begnügen müssen und als vielleicht bedeutendsten Gräzistik-Schüler Michael Neander hervorgehoben, ohne das poetische Handlungsfeld auch nur zu streifen.26 Für die lateinische Dichtung ist die Frage nach dem Vorbild Melanchthon rasch beantwortet: Seit Georg Ellinger spricht man von einem älteren und einem jüngeren Wittenberger Dichterkreis, deren Mitglieder in ihren poetischen Themen wie astronomische Erscheinungen, naturwissenschaftliche Phänomene, Bildbeschreibungen etc. maßgeblich von Melanchthon beeinflusst sind. Namen wie Johannes Stigel, Georg Sabinus, Simon Lemnius oder für die spätere Zeit Johannes Major, die sich auch selbst als Schüler Melanchthons verstanden, illustrieren die Qualität der Wittenberger Dichtkunst.27 In Wittenberg entstand ein produktiver Literatenkreis, der dem verehrten Praeceptor eng verbunden war und ihm zu seinem Tod mit einer Vielzahl von Epitaphien und Epikedien die letzte Ehre erwies. Gesammelt wurde dieser poetische Abschied in der Anthologie Orationes, Epitaphia et Scripta […] de morte Philippi Melanthonis, die zum Jahreswechsel 1561/62 in Wittenberg erschien und heute als erste umfangreiche nekrologische Sammelausgabe im deutschsprachigen Raum gilt.28 In ihr sind insgesamt 43 Autoren versammelt, von denen zahlreiche – etwa als Mitglieder des älteren und jüngeren Wittenberger Dichterkreises – noch heute wissenschaftliche Beachtung finden. So sind u.a. Georg Sabinus, Johannes Stigel, Petrus Lotichius Secundus, Johannes Gigas, Joachim Camerarius und Johannes Major mit z.T. ausführlichen Epitaphien vertreten. Die Sprache dieser Sammlung auf Melanchthons Tod ist fast durchweg Latein. Nur Johannes Matthesius ist mit der deutschsprachigen „Grabschrifft des Gottseligen und Hochgelarten Herrn Philippi Melanthonis, meines lieben Praeceptoris und Freunde“ vertreten. In griechischer Sprache nahmen fünf Dichter Abschied: Martin Crusius, Johannes Caselius, Martin Heinrich, Caspar Peucer und Johannes Posselius. Drei von ihnen haben in Wittenberg studiert und können als Schüler Melanchthons apostrophiert werden: Caselius, Heinrich und Peucer.29

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Scheible 1997, 13–18. Vgl. Ellinger 1929, 65–149. Vgl. auch Fleischer 1989. Vgl. Bogner 2006, 42–90. ORATIONES 1561/62, fol. T7r-v (Matthesius), fol. (mit Hand) T1r-v (Peucer), fol. (mit Hand) T3v–5r (Crusius), fol. a6v–b1v (Caselius), fol. c5r–7r (Heinrich), fol. c8r–d1r (Posselius).

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5. MELANCHTHONS GRIECHISCHE DICHTERSCHÜLER I: JOHANNES CASELIUS, MARTIN HEINRICH UND CASPAR PEUCER Johannes Caselius schrieb sich zum Wintersemester 1551/52 an der Leucorea ein, wurde 1553 Magister und betrieb nach Studien in Leipzig und Frankfurt/Oder ab 1558 eine Privatschule in Wittenberg.30 In seinen Wittenberger Jahren entfaltete er eine große poetische Produktivität, deren Ergebnisse z.B. in den Scripta publice proposita nachzulesen sind. In diesen Scripta publice proposita, der Zusammenstellung der universitären Anschläge und Verlautbarungen, erscheinen nur wenige griechische Gedichte, so dass neben den Graeca Melanchthons die Präsenz des Caselius auffällt. Unter dem Datum 16. Oktober 1556 ist ein Epicedium für Heinrich Paxmann, einen Kollegen aus der Philosophischen Fakultät, zum Tod von dessen Frau Margarete überliefert.31 Wenige Monate später, im Februar 1557 anlässlich des Todes des jungen Johannes a Gron, wird die Einladung des Rektors zur Beerdigung von einem ausführlichen Epitaphium des Caselius ergänzt.32 Ein weiteres Trauergedicht, diesmal auf Georg, den kleinen Sohn des damaligen Rektors Matthäus Blochinger, erscheint Ende April 1558 in den Scripta publice proposita.33 Und die Reihe der griechischen Epitaphien aus der Feder des Caselius wird Anfang August des gleichen Jahres aus Anlass des Todes von Georg Baron von Lamberg fortgesetzt.34 Doch nicht nur in den Scripta waren griechische Gedichte des Caselius in Wittenberg präsent. So zieren zwei Distichen von ihm auch das Titelblatt des 1555 bei Johannes Krafft gedruckten lateinischen Carmen de missione spiritus sancti von Melchior Saur.35 Dass Caselius Teil des poetischen Wittenberger Netzwerkes war, lässt das Epitaphium erkennen, das er für Barbara, die Tochter des Georg Sabinus und Enkelin Melanchthons, verfasste.36 Auch den literarischen Abschied für den 1558 verstorbenen Johannes Bugenhagen beschloss er mit einem

30 Zu Biographie und Werk des Caselius (1533–1613) vgl. Sdzuj 2011. Vgl. auch MBW 11, 275. Zu seinem Verständnis der griechischen Literatur als Voraussetzung für eine umfassende Paideia vgl. Ludwig 2003a, 195–216 (196–198: Abdruck, Übersetzung und kurze Interpretation eines griechischen Gedichts des Caselius zum Wert der Bildung). Vgl. auch Graecogermania 195–201 (zur Aristoteles-Beschäftigung). Ellinger 1929, 147–149 ordnet Caselius als letzten großen Melanchthonschüler in den jüngeren Wittenberger Dichterkreis ein, zitiert allerdings nur aus seinen lateinischen Dichtungen, die vielleicht, so Ellinger, durch die „Vorliebe für den griechischen Vers“ nicht völlig ausgereift gewesen seien. 31 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1559, fol. 15r–16r. 32 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1559, fol. 62v–63r. 33 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1559, fol. 171r. 34 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1559, fol. 206r–207r. 35 SAUR 1555; Caselius spielt in seinen griechischen Versen (mit κύκνος = Schwan) auf den Herkunftsnamen von Melchior Saur, nämlich Cygnaeus, also aus Zwickau gebürtig, an. 36 SABINUS 1563, fol. d8r. Dieses Gedicht kennt auch Lizelius 1730 (S. 178), der Caselius ausführlich als Philologen und Poeten würdigt (ebd. 173–180). In der erweiterten Ausgabe der Poemata des Sabinus von ca. 1563 sind griechische Gedichte auch von Camerarius (fol. d7rv), von Veit Amerbach (fol. d7v) und von Matthias [Garbitius] Illyricus (fol. d7v–8r) abgedruckt.

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griechischen Epicedium.37 1559 gab Lucas Backmeister in Wittenberg Gebete Melanchthons in Prosa und Versform heraus, eine Sammlung, die mit sieben griechischen Versen des Caselius eingeleitet wird.38 Offenkundig hatte Caselius bei Melanchthon rasch und sehr erfolgreich die griechische Sprache und Dichtkunst erlernt, so dass er während seiner Wittenberger Zeit in den 1550er Jahren dort zum produktivsten griechischen Dichter avancierte. Seine dankbare Schülerschaft formuliert er in seinem Epitaphium mit dem Titel Ἐπιτάφιον τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς καὶ διδασκάλου ἡμῶν Φιλίππου Μελάγχθονος, φιλοσόφου διδαχῇ τε καὶ ἀρετῇ διαφέροντος καὶ θεολόγου ὁσιωτάτου („Epitaph für Philipp Melanchthon, den Vater in heiligen Dingen, unseren Lehrer, den Philosophen, der sich durch Lehre und Tugend auszeichnete, und überaus frommen Theologen“). Sich selbst stellt er als φιλοδιδάσκαλος vor, als dem Lehrer in Liebe, Verehrung und Dankbarkeit verbundenen Schüler. Ganz folgerichtig beginnen die 106 Verse seines Epitaphiums mit einem lauten Wehklagen über den großen Schmerz, den der Tod des Verehrten hervorgerufen habe.39 Martin Heinrich aus Sagan ist der zweite Schüler, der für die genannte Redenund Gedichtsammlung auf Melanchthons Tod ein griechisches Epitaphium beisteuerte. Im griechischen Titel wird der Verstorbene als „Vater und unser geliebtester und verehrungswürdigster Lehrer“ eingeführt. Jede der insgesamt 15 Strophen, bestehend aus je fünf Versen, setzt mit einem gleich lautenden Musenanruf ein, der den rhetorischen Anspruch der Verse eindrücklich unterstreicht: Ἄρχετε λευκόρεαι τοῦ πένθεος, ἄρχετε μοῦσαι („Hebt an, ihr Musen aus Wittenberg, hebt an mit eurem Klagegesang“). In der Reden- und Gedichtsammlung zum Tod Melanchthons schließen sich noch zwei kürzere griechische Gedichte Heinrichs an. Zusammen mit zwei ausführlichen lateinischen Gedichten Heinrichs – das eine lässt die Kirche über den Verlust trauern, das andere ist ein Monolog des Reformators über sich selbst (Philippus Melanchthon de se ad posteritatem) – sind sie nicht nur in der genannten nekrologischen Sammlung, sondern auch in einer gesonderten Teilpublikation in Wittenberg erschienen.40 Heinrich, gebürtig aus dem niederschlesischen, bis 1549 kursächsischen Sagan, war im August 1551 in Wittenberg immatrikuliert worden und wurde später ein Kenner der hebräischen Sprache, so dass er an der Leucorea Vorlesungen über das Alte Testament und das Hebräische hielt.41 Zuvor, in seinen Wittenberger Studienjahren, widmete er sich auch der griechischen Dichtkunst, von der aus seiner Feder einige Beispiele erhalten sind. So führt er seine Gedichtpublikation In Natalem Domini ac Servatoris nostri Jesu Christi, 1558 in 37 MELANCHTHON 1558, fol. E4a-5b. Vgl. Claus Nr. 1558.96. Im gleichen Jahr erschien der Carminum libellus von Johannes Schosser, in dem Gedichte von Melanchthon und von Caselius gemeinsam publiziert wurden (vgl. Claus Nr. 1558.118). 38 Vgl. MELANCHTHON 1559 (vgl. Claus Nr. 1559.70). Zum Werk des Caselius vgl. die Auflistung bei Flood 2006, 296–301 (u.a. mit Auflistung seiner zahlreichen Beiträge zu den Publikationen anderer). 39 ORATIONES 1561, fol. a6v–b1v. 40 ORATIONES 1561, fol. c5r–7r (die drei griechischen Gedichte); vgl. HEINRICH 1560 (zum Inhalt vgl. Hammer Nr. 238). 41 Zu Heinrich (gest. 18.10.1584) vgl. Zobel 1993, 219 und v.a. Ludwig 2003b, 103–105.

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Wittenberg gedruckt, auf dem Titelblatt mit einem Christusgebet aus vier griechischen Distichen ein. Das poetische Miteinander mit seinem Lehrer wird auf der nächsten Buchseite offensichtlich, da Melanchthon sieben lateinische Distichen beisteuerte, die in den Gedichtausgaben als Gebet anlässlich Neujahr notiert werden.42 In den Scripta publice proposita werden zum Tod des aus Pommern stammenden Studenten Laurentius Rhang im Juni 1566 griechische Verse Heinrichs auf das Grab des Verstorbenen abgedruckt.43 In späteren Jahren versiegte Heinrichs griechische Dichterader und das Latein wird die alleinige Sprache seiner Verskunst, so z.B. 1576 bei seiner Elegie zum Tod des Sohnes von Kurfürst August, Prinz Friedrich, der nicht einmal ein Jahr alt wurde, 1579 bei seinem Gedicht zur Hochzeit von Johannes Menz oder 1581 anlässlich seiner Gratulation an den erfolgreichen neuen Magister Georg Wesel. 1572, bei der Epitaphiensammlung auf den Wittenberger Studenten Johannes Mercner aus Königsberg, steuerte Heinrich ein lateinisches Grabgedicht bei, während die Aufgabe des griechischsprachigen Abschieds Joachim Georg aus Halberstadt zufiel, von dem keine weiteren Werke überliefert sind.44 Bei der Durchsicht durch das gedruckte Werk Martin Heinrichs drängt sich der Eindruck auf: Der Schüler Melanchthons ist zum Tod des verehrten Lehrers besonders engagiert in Graecis, als wolle er gegenüber dem Verstorbenen seine Kompetenz und große Dankbarkeit für die griechische Dichtkunst letztmalig unter Beweis stellen, bis dieser Elan dann im Alltag der universitären Lehrverpflichtungen allmählich erstarb. Caselius hingegen blieb auch nach seinen Wittenberger Studienjahren ein produktiver griechischer Dichter, was nicht zuletzt die Ausgabe seiner griechischen und lateinischen Gedichte von 1668 dokumentiert.45 Die beiden anderen Verfasser der in der Sammelschrift auf Melanchthons Tod überlieferten griechischen Gedichte, Martin Crusius und Johannes Posselius, haben nicht in Wittenberg studiert und können deshalb nicht dem unmittelbaren Schülerkreis Melanchthons zugerechnet werden. Posselius darf gleichwohl als Enkelschüler bezeichnet werden, da sein prägender Griechisch-Lehrer seinerseits bei Melanchthon gelernt hatte, Arnold Burenius, der in der Universität Rostock Rhetorik und Sprachen lehrte, nachdem er zuvor u.a. bei Melanchthon studiert hatte und von ihm nach Mecklenburg empfohlen worden war.46 42 HEINRICH 1558. Das Gedicht Melanchthons in CR 9, 721. Der Druck ist bei Claus nicht verzeichnet. Im gleichen Jahr, 1558, veröffentlichte Heinrich sein Gedicht De angelis, das ebenfalls mit einem Gedicht Melanchthons, einer Aufforderung zum Literaturstudium, verknüpft wird (CR 10, 531, Nr. 96). Vgl. Claus Nr. 1558.77. 43 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1572, fol. F2v–3r. 44 M. Heinrich, Elegia in obitum illustrissimi Principis D. Friderici Saxoniae Ducis […], Wittenberg: Johannes Krafft, 1576. Lateinische Gedichte Heinrichs in: Carmina in honorem nuptiarum […] Johannis Mencii […], Wittenberg: Anton Schöne, 1579, in: Gratulationes […] luvenis Georgii Weselii […], Wittenberg: Johannes Krafft, 1581, und in: Epitaphia in obitum pium et felicem […] luvenis Johannis Mercneri [...], Wittenberg: Clemens Schleich und Anton Schöne, 1572. Zahlreiche weitere Beispiele bei Ludwig 2003b, 103. 45 CASELIUS 1668. 46 ORATIONES 1561, fol. (mit Hand) T3v–5r (Crusius). c8r–d1r (Posselius). Zu Crusius (1526– 1607) vgl. Graecogermania, 411–413, und Wilhelmi 2012. Der junge Posselius soll 1542–45

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In der Vielzahl der lateinischen Gedichte auf Melanchthons Tod stellen griechische Gedichte eine Ausnahme dar.47 Gesammelt sind diese auch in den Scripta publice proposita, unter dem Jahr 1560 im Kapitel Scripta lugubria et deplorantia, wo bei den eigens auf das Grab Melanchthons mitgeteilten Gedichten neben Sabinus und Stigel auch Melanchthons Schwiegersohn und enger Schüler Caspar Peucer mit griechischen Versen vertreten ist, Verse, die mit dem Titel Veritas plorans ad tumulum Philippi Melanthonis auch in der oben genannten nekrologischen Sammelschrift vorkommen.48 Doch die Göttin der Wahrheit, die hier am Grab trauert, stellt eine Variation aus der Anthologia Planudea dar, da durch Austausch weniger Wörter aus dem Grab des Aias das Grab Melanchthons wird. Diese Parodie ist übrigens von Melanchthon selbst vorformuliert worden, da er fast 12 Jahre zuvor die Πίστις, also den Glauben, an Luthers Grab klagen ließ, was Peucer nur geringfügig auf Melanchthons Tod hin variierte und statt der Πίστις die Ἀτρέκεια, die Wahrheit, einfügte. Meist wird dieses Verfahren als Parodia sacra verwendet, indem die pagane Antike durch christliches Sprachmaterial übertroffen bzw. übersteigert wird.49 Peucer, der Schwiegersohn Melanchthons, wird zumeist unter Medizin, Astronomie/Astrologie oder kryptocalvinistischer Theologie rubriziert, doch zählt er auch zu den Dichtern Wittenbergs. Seine Dichtungen sind vielfältig in Formen und Themen und wurden sogar, wie etwa bei den Gedichten auf Cranach-Porträts der Wettiner, von Kurfürst August beauftragt. Peucer bediente sich auch des Griechischen für seine Dichtungen, so z.B. bei den Versen auf den Namen Margarethe anlässlich der Eheschließung des David Chytraeus.50

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von Burenius im Griechischen unterrichtet worden sein, vgl. Rhein 1996, 48 (mit Hinweis auf Johann Bernhard Krey, Andenken an die Rostockschen Gelehrten aus den drei letzten Jahrhunderten, Rostock 1815, 42). Zu Posselius vgl. Lizelius 1730, 117–121. Zum Verhältnis Melanchthons zu Burenius vgl. Rhein 1993, 99. Posselius hielt sich übrigens zumindest 1560 in Wittenberg auf und übermittelte Briefe zwischen Rostock und Wittenberg (MBW Nr. 9239. 9246. 9252f.). Zu Johannes Posselius (1528–1591) und seiner griechischen Calligraphia sowie seinem griechischen Gesprächsbüchlein vgl. Weise 2011, 403f. Ähnlich sieht es bei den Grab- und Gedenkreden aus, die durchweg in Latein geschrieben wurden – mit der Ausnahme der Rede des Henricus Paulinus, die 1560 in Wittenberg erschien und dem Rat der Stadt Emden gewidmet war. Paulinus wurde am 12.8.1559 an der Leucorea immatrikuliert und wurde später Jurist. Die griechische Rede liegt ediert und übersetzt vor in: Reeken 1990. SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1561, fol. P5v (im Buch falsche Lagenangabe P3). S. oben Anm. 29. Zu Melanchthons Parodiae sacrae vgl. Rhein 1987, 310–313, zu den griechischen Versen auf den Tumulus Lutheri vgl. ebd., 315f. Die Parodia von Peucer wurde nicht nur in den Scripta publice proposita und in der Sammelschrift auf Melanchthons Tod abgedruckt, sondern auch in der von Georg Sabinus herausgegebenen Sammlung der Epitaphien auf Melanchthon (vgl. Hammer Nr. 262) und in der Germania des Aegidius Periander, Frankfurt/Main 1576, 755 (vgl. Hammer Nr. 381). Vgl. auch Claus Nr. 1560.160. Vgl. Hammer Nr. 121. Zu Peucer (1525–1602) vgl. Koch/Weber 2002. Den Dichter Peucer erwähnt Ellinger 1929, 132f. nur kurz bei der Darstellung des jüngeren Wittenberger Dichterkreises. Zu den griechischen Versen auf Margarethe Chytraeus und v.a. zu ihrem Kontext der lutherischen Eheauffassung vgl. Ludwig 2008.

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In den Gedichtausgaben zu Melanchthons Tod tritt eine eindrucksvolle Schar von Poeten auf, die ihrem Respekt für den Lehrer und ihr literarisches Vorbild beredten, aber durchweg lateinischen Ausdruck verliehen. Mit Johannes Caselius, Martin Heinrich und Caspar Peucer ist der Ertrag dieser ersten Durchsicht zu gering, um damit die Existenz eines Wittenberger griechischen Dichterkreises belegen zu können. Hilfreich bei der weiteren Suche können Gedichtausgaben sein, in denen Gedichte Melanchthons zusammen mit Gedichten seiner Schüler publiziert wurden. 6. GRIECHISCHE DICHTUNGEN IN DEN SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA DER UNIVERSITÄT WITTENBERG: JOHANNES SCHELHAMMER UND JOHANNES BÖKEL Doch zuvor sollen die Scripta publice proposita noch auf weitere griechische Gedichte, die nicht im Zusammenhang mit Melanchthons Tod stehen, durchgeschaut werden, um die Präsenz der griechischen Dichtkunst im universitären Alltag der Leucorea feststellen zu können. Die Scripta publice proposita dokumentieren die Vorlesungsankündigungen, Anschläge, Verlautbarungen, Mitteilungen, Erlässe und offiziellen Einladungen der Universität aus den Jahren 1540 bis 1569.51 Die ersten dort abgedruckten zeitgenössischen griechischen Verse gehören in das Jahr 1552 und stammen von Melanchthon, ein Rätsel zum Buchstaben-Zahlenwert des Flusses Main und zwei Gedichte zu den Grenzen Deutschlands.52 Nach anonymen Versen, einer griechischen und lateinischen Wortspielerei, tritt der nächste Dichter griechischer Verse erst wieder 1556 zu Tage, Johannes Schelhammer, mit einem Epitaphium auf den in Wittenberg verstorbenen Nürnberger Studenten Jeremias Schutz. Schelhammer ist 1556 noch mit einem weiteren griechischen Epitaphium in den Scripta publice proposita präsent, diesmal anlässlich des Todes von Johannes Forster.53 Schelhammer, 1527 im fränkischen Staffelstein geboren, besuchte nach der Nürnberger Oberen Schule ab Juni 1555 die Wittenberger Universität und wurde von Melanchthon gefördert, indem er ihn für den Kirchendienst empfahl und ihm eine Sonderzuwendung des Nürnberger Rates verschaffte. In einem Stammbucheintrag genau an Melanchthons Todestag gedenkt er „unseres Vaters und Lehrers“. Ab 1562 amtierte Schelhammer als Pfarrer an St. Lorenz in Nürnberg, ohne weiter literarisch aufzufallen.54 Im Oktober 1556 erscheint das erste griechische Epitaphium von Johannes Caselius in den Scripta publice proposita, gefolgt von weiteren im Februar 1557, im April 1558 und im August 1558, die zeitlich sicherlich dichteste Ansammlung von griechischer Dichtung am schwarzen Brett der Leucorea, die sich der kreativen Präsenz des Caselius in Wittenberg verdankt, bis dieser dann 1560 zu Studienzwecken nach Italien aufbricht.55 51 52 53 54

Vgl. exemplarisch Domtera-Schleichardt 2014. Edition, Übersetzung und Kommentar in Rhein 1987, 270–272 (zum Rätselgedicht). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1556, fol. Ee4r–v und D8v–E1r. Zu Schelhammer vgl. Hasse 2000, 328f. Melanchthons Empfehlungsschreiben in MBW Nr. 8927. 8928. 8949 (April/Mai 1559). 55 Siehe oben.

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1560 dichtete auf den Tod von Elisabeth, der am 14. August verstorbenen Tochter des Georg Major, Johannes Bokelius ein ausführliches griechisches Epicedium. Bokelius oder Bökel ist als Kritiker der Hexenverfolgungen in der einschlägigen Forschung bekannt. Er studierte ab 1550 an der Artistenfakultät und auch an der theologischen Fakultät in Wittenberg bei Melanchthon, bis er sich Ende der 1550er Jahre dem Medizinstudium zuwandte. Er gehört zur großen Schar der Studenten, für die das Griechische vorrangig die Sprache der wichtigsten medizinischen Autoritäten war und somit den direkten Weg zum Arztberuf eröffnete. Johannes Bökel wurde später Leibarzt am Hof der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel und Medizinprofessor in Helmstedt, so dass von ihm medizinische Traktate (z.B. über Liebestränke), aber keine Poesien mehr überliefert sind.56 Erst wieder für das Jahr 1565 wurden griechische Verse in den Scripta publice proposita veröffentlicht, verfasst von Simon Stein über Lucrezia. Sie stehen vielleicht nicht zufällig nach einer Einladung des Rektors zur jährlichen Melanchthon-Gedenkfeier, die ansonsten immer zum Todestag am 19. April stattfand, diesmal aber in den Mai verlegt werden musste und von Johannes Major mit der fünften seiner Parentalia ausgestaltet werden sollte. Die griechischen Verse erscheinen wie ein respektvoller postumer Gruß an den größten Gräzisten der Leucorea.57 Im letzten Band der Scripta publice proposita erscheint dann das bereits erwähnte Epitaph des Martin Heinrich auf Laurentius Rhang.58 7. MELANCHTHONS GRIECHISCHE DICHTERSCHÜLER II: MATTHAEUS RÖSELER, GEORG CRACOW UND DAVID CHYTRAEUS Für die Ausgaben, in denen Gedichte Melanchthons mit denen seiner Schüler gemeinsam herausgebracht wurden, kann exemplarisch die Sammlung der Gedichte zur Hochzeit des Rostocker Professors David Chytraeus mit Margarethe Smedes stehen, die 1553 in zwei Auflagen gedruckt wurde. Neun Jahre später erschienen die Stücke in einer nochmals erweiterten Auflage, diesmal sogleich in der Titelei als Sammlung von Gedichten und Reden de coniugio ad D. Davidem Chytraeum erkennbar. Melanchthon ist mit einem griechischen Gedicht vertreten, gefolgt von Caspar Peucer, dessen bereits erwähnte ebenfalls griechische Verse über den Namen Margarethe in Melanchthons lateinischen Versen über das gleiche Thema ihre Entsprechung finden. Walther Ludwig hat die Ausgabe von 1562 auf ihr protestantisches Eheverständnis hin untersucht und die dominierende Präsenz Melanchthons hervorgehoben.59 Melanchthons Einfluss schlägt sich auch bei der Sprachenwahl nieder, denn von den insgesamt 17 Gedichten wurden sechs in griechischer Sprache verfasst. Melanchthon hatte sich ungewöhnlich intensiv bei befreundeten Gelehrten 56 Zu Bökel vgl. Kauertz 2001, v.a. 122–142. Sein Epicedium in: SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1556, fol. Y8r–Z1r. 57 SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1568, fol. Hh7r–v. 58 Siehe Anm. 43. 59 Vgl. Ludwig 2008.

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um Epithalamien für seinen Schüler David Chytraeus bemüht. Zwei Hochzeitsgedichte Melanchthons stehen programmatisch am Beginn, ein lateinisches und ein griechisches. Die weiteren griechischen Gedichte stammen außer von Caspar Peucer weiterhin von Matthaeus Röseler, von Georg Cracow und von David Chytraeus. Alle drei haben die Leucorea besucht und bei Melanchthon studiert. Röseler, der seit dem Wintersemester 1541/42 an der Leucorea immatrikuliert war, ist als Dichter durch die Versifizierung der hippokratischen Aphorismen wie auch durch eigene griechische Gedichte hervorgetreten. Zwei Publikationen aus dem Jahr 1549, aus dem letzten Jahr seiner Wittenberger Studienzeit, sind hier zu nennen: Röseler verfasste ein astrologisches Werk mit fast durchgängig lateinischen Gedichten unter dem Titel Urania. Auf dem Titelblatt wirbt ein griechisches Distichon Melanchthons für die Astrologie, dass nämlich die Sterne Zeichen der göttlichen Vorsehung seien und deshalb die Astrologie Gott gefalle. Erweitert wird der Gedichtband durch ein Carmen De utilitate astrologiae von Georg Cracow. Beide Autoren sind auch mit griechischen Gedichten vertreten, die sich an den Leser wenden und das Buchthema vorstellen. Röseler und Cracow sind nicht die einzigen Wittenberger Dichter, die auf Anregung Melanchthons astronomisch-astrologische Phänomene zum Gegenstand ihrer Dichtung machten, wie die zahlreichen Beispiele etwa aus der Feder von Georg Sabinus oder Johannes Stigel illustrieren. Melanchthon empfahl die Urania Röselers Fürst Joachim von Anhalt und bat den Fürsten um weitere Förderung für den jungen Autor.60 Auch das zweite Werk Röselers aus dem Jahr 1549 bietet auf dem Titelblatt griechische Verse Melanchthons, diesmal die oft zitierten über das evangeliumsgemäße Verständnis der keuschen Ehe; Röseler leitet damit sein griechisches Carmen gratulatorium zur Eheschließung von Johannes und Gertrud Thomae ein.61 Ein Jahr später, 1550, verfasste er ein Epitaphium auf seine verstorbene Mutter, beklagte in 17 griechischen Distichen, die er auch ins Lateinische übersetzte, ihren Verlust und betete für ihre ewige Ruhe. Auch bei dieser Publikation kam es zu einer Zusammenarbeit mit Georg Cracow, denn von diesem stammen auf dem Titelblatt die drei griechischen Distichen, die eher allgemein das Schicksal der menschlichen Vergänglichkeit betrauern.62 Cracow hat sich, wie an den genannten Beispielen zu ersehen ist, intensiv mit der griechischen Dichtkunst beschäftigt, seitdem er im Mai 1542 mit 17 Jahren von Rostock an die Leucorea wechselte. Nicht nur in der Beschäftigung mit den Graeca war

60 Zu Röselers 1554 in Rostock erschienener Versifizierung des Hippokrates vgl. MBW Nr. 6957 (Vorwort Melanchthons vom 1.9.1553). Titelaufnahme der Urania in Claus Nr. 1549.98. Melanchthons griechisches Distichon in CR 10, 545 Nr. 125. Die griechischen Verse Röselers auf fol. G8v und fol. H3r–5r, die Cracows auf fol. A2r–3r. Zu den astronomisch-astrologischen Gedichten Melanchthons und seiner Schüler vgl. Bauer 1998, 140–145. Die Empfehlung Melanchthons an Fürst Joachim in MBW Nr. 5689 (2.12.1549). Zu Röseler vgl. Lizelius 1730, 92 (mit kurzem Verweis auf die griechische Versifizierung des 127. Psalms, das Epithalamium für Chytraeus und die Urania, ohne Kenntnis bibliographischer Daten), und Grewolls 2011, 360. 61 Titelaufnahme in Claus Nr. 1549.97. 62 RÖSELER 1550.

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Cracow Melanchthon verbunden, sondern auch in Theologicis, da er 1574 als Philippist des Hochverrats angeklagt wurde und im Jahr darauf im Gefängnis starb.63 In der genannten Sammlung zur Hochzeit des Chytraeus tritt der Bräutigam ebenfalls als Dichter mit zwei griechischen Epithalamien für Rostocker Gelehrte auf (Johannes Bocer, Eberhard Lothmann). Chytraeus genoss das Privileg, als 14jähriger Student von Melanchthon in seine schola domestica aufgenommen und dort insgesamt vier Jahre unterrichtet und gebildet worden zu sein. Zuvor studierte er in Tübingen, wo er bei Joachim Camerarius Griechisch lernte, so dass er bei seinem Vorstellungsgespräch in Wittenberg Melanchthon mit seinen guten Kenntnissen beeindrucken konnte. Die Beziehung zu Melanchthon wurde besonders eng; er war der erste in den Vorlesungen, verließ sie als letzter und begleitete den verehrten Lehrer auf dessen Spaziergängen, so eine zeitgenössische Biographie über Chytraeus. Seine hervorragende Sprachkompetenz ermächtigte Chytraeus, sich in den 1570er und 1580er Jahren in griechischsprachigen Briefwechseln mit Vertretern der Ostkirche auszutauschen.64 ZWISCHENSTÜCK: „UNSERE ZEIT IST TAUB, DIE GRIECHISCHEN AUTOREN ZU HÖREN“ Gedichte Melanchthons sind erstmals Januar 1528 von Johannes Reiffenstein in einer Sammlung publiziert worden.65 In dieser Farrago sind Gedichte Melanchthons und die seiner Schüler sowie ergänzend poetische Stücke insbesondere von Jakob Micyllus gesammelt. Reiffenstein studierte von Februar 1523 bis Frühjahr 1528 an der Leucorea, kam in engen Kontakt mit Melanchthon und war Schüler der schola domestica. Die Autoren der Farrago gehören ebenfalls in den engsten Umkreis Melanchthons, z.B. Franz Burchard, Georg Sabinus, Johannes Silberborner oder Erasmus Ebner. Melanchthon selbst ist mit drei griechischen Gedichten vertreten, zwei Epitaphien und Versen Ad Regem, mit denen er dem in einem Dichterwettbewerb unter den Hausschülern als König ausgezeichneten Schüler poetisch huldigte – ganz ohne Zweifel ein Signal des Lehrers an die Schüler, die griechische Verskunst als Krönung ihrer eigenen poetischen Bemühungen anzustreben. Doch kein einziger Schüler war in diesen Jahren in der Lage, dem Praeceptor mit eigenen griechischen Versen nachzueifern. Nur zwei lateinische Versübersetzungen von Homerstellen sind in der Farrago zu finden, aus der Ilias (2,182–206) von Johannes Silberborner und aus der Odyssee (9,5–11) von Georg Sabinus. Silberborner war im Wintersemester 1523/24 in Wittenberg immatrikuliert worden und begleitete Melanchthon 63 Zu Cracow (1525–1575) vgl. MBW 11, 308f., und Zerbe 2013, 120f. Griechische Gedichte von ihm z.B. in: CRACOW 1550, fol. A 2rv. Melanchthon schrieb für ihn die Rede De imperatore Ludovico Bavaro, die er 1558 rezitierte (vgl. Claus Nr. 1558.95). 64 Vgl. ausführlich Keller 1997 und Benga 32008, Kap. 3.1 („Das Leben des Humanisten und des lutherischen Theologen David Chytraeus“). Vgl. auch Rhein 2000, 13–17, und MBW 11, 286f. Zu Leben und Werk des Chytraeus vgl. Czaika 2011, ohne das poetische Schaffen zu erwähnen. 65 FARRAGO 1528. Titelaufnahme in Claus Nr. 1528.5. Beschreibung der Sammlung bei Rhein 1987, 52f.

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als einziger Schüler neben Franz Burchard auf dessen erste Urlaubsreise von Wittenberg nach Bretten. Der spätere Jurist in Speyer und Worms ist m.W. niemals mit (griechischen) Versen hervorgetreten, während sich Georg Sabinus, der spätere Schwiegersohn Melanchthons, als überaus produktiver Dichter erwies, sein umfangreiches gedrucktes poetisches Œuvre indessen keine griechischen Stücke enthält.66 Ebenfalls eine lateinische metrische Fassung einer griechischen Weisheit stammt von Erasmus Ebner, der den Satz des Isokrates, dass der Baum der gebildeten Tugend bittere Wurzeln, aber süße Früchte besitze, in einen einfachen Zweizeiler fasst: Radices virtutis habet licet arbor amaras ǀ Praedulces fructus proferet illa tamen.67 Ungefähr neun Jahre nach der Ankunft Melanchthons war offensichtlich die Lage des Griechischen in Wittenberg eher bescheiden. Mag auch Walter Friedensburg in seiner Wittenberger Universitätsgeschichte Melanchthons Ankunft als Startpunkt einer „wahren Revolution in dem Studiengang der akademischen Jugend“, die sich nun mit größtem Eifer auf das Griechische stürze, verstehen wollen,68 so war die Realität eher von mühseligem Alltag geprägt: Vorlesungen mit einfachen sprachlichen Erläuterungen oder mit nur geringer Zuhörerzahl, z.B. in einer Demosthenes-Vorlesung 1524/25 mit vier Studenten, oder mit drohendem Abbruch, den Melanchthon mit einem Appell, die Studenten sollten doch zur Vorlesung zurückkehren, so geschehen 1536 bei einem Ptolemaios-Zyklus, abzuwenden suchte. Melanchthons Ankündigung einer Demosthenes-Vorlesung im Frühjahr 1533 illustriert mit ihrer Klage über das fehlende studentische Interesse an den griechischen Autoren die Realität der Griechischstudien wohl nicht nur in Wittenberg: „Ich hoffe, ich könnte durch den Reiz der zweiten Olynthischen Rede Zuhörer einladen, Demosthenes kennenzulernen. Denn was könnte angenehmer und besser sein als die Beschäftigung mit dieser Rede? Wie ich aber sehe, ist unsere Zeit taub, diese Autoren zu hören. Denn mit Mühe habe ich nur wenige Hörer behalten, die aus Verehrung zu mir nicht davonlaufen wollten und denen ich wegen ihrer Verpflichtung mir gegenüber dankbar bin. Dennoch will ich auch weiterhin meine Pflicht erfüllen – auch wenn, wie man sagt, das Mahl unerwünscht ist; bis heute

66 FARRAGO 1528, fol. D7v–8r und fol. E7rv. In der erweiterten Ausgabe der Poemata des Georg Sabinus (z.B. Leipzig: Steinman, 1581) sind nur Graeca fremder Federn abgedruckt. Zu Leben und Werk des Sabinus (1508–1560) vgl. Kühlmann 1997, 499–539. 1240–1270. Die Farrago besteht neben den Gedichten der schola domestica aus Gedichten des Jakob Micyllus, die ein Jahr zuvor in der Ausgabe des Hodoeporicon samt den Epicedien auf Nesen und Mosellan veröffentlicht wurden (Titelaufnahme in Claus Nr. 1527.46). Dort sind auch die beiden griechischen Epitaphien von Melanchthon auf Nesen und Mosellan abgedruckt, nur erweitert durch griechische Verse des Camerarius (fol. C8v), so dass sich 1527 der Kreis der potenziellen griechischen Dichter als sehr überschaubar erweist. 67 FARRAGO 1528, fol. E3r. Zu Ebner (1511–1577) vgl. Schultheiß 1959 und MBW 11, 383. Der v.a. als Politiker und Diplomat in Nürnberg tätige Melanchthonschüler ist nur selten als Dichter in Erscheinung getreten, z.B. mit einem Epigramma in einer Theokrit-Ausgabe (Theocriti Syracusani Eidyllia trigintasex […], Frankfurt: Peter Brubach, 1553, fol. A3r–4r). 68 Friedensburg 1917, 120.

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habe ich die alten gelobten Schriftsteller ausgelegt. Morgen werde ich mit der vierten Philippischen Rede des Demosthenes beginnen.“69 8. GRÄZISTIKKOLLEGEN MELANCHTHONS AN DER LEUCOREA: JANUS CORNARIUS, JOACHIM CAMERARIUS, FRANZ BURCHARD UND VEIT OERTEL Die Mühen des gräzistischen Alltags hielten Melanchthon nicht ab, von seiner ersten Vorlesung über Homer im Wintersemester 1518/19 bis in sein letztes Lebensjahr mit einer Euripides-Vorlesung fast durchgängig an der Leucorea als Griechischprofessor zu wirken.70 Neben ihm waren über die Jahre verteilt Janus Cornarius, Joachim Camerarius und Franz Burchard insbesondere mit dem Basisunterricht der griechischen Grammatik beschäftigt, und auch Veit Oertel, dem am 4. August 1541 förmlich die lectio Graeca anvertraut wurde, obgleich Melanchthon weiterhin griechische Vorlesungen hielt, bot regelmäßig Lektionen zur griechischen Grammatik an.71 Cornarius hat seine Kompetenz der griechischen Sprache nicht poetisch, sondern für eine Medizinerlaufbahn eingesetzt, was, wie bereits erwähnt, nicht selten geschah, da das medizinische Wissen vorrangig auf den griechischen Textcorpora eines Hippokrates oder Galen beruhte.72 Auch von Burchard ist keine griechische Gedichtzeile bekannt, sondern ihn führte sein Weg nach seinen 1520 begonnenen Studien- und Lehrzeiten an der Leucorea in die Politik und Verwaltung, da er ab 1536 als kursächsischer Rat und Vizekanzler amtierte. Bei seinen diplomatischen Reisen griff er nicht selbst zur Dichterfeder, sondern nahm Johannes Stigel mit, der als poetischer Berichterstatter von Reichstagen und Auslandsreisen literarische Kunde gab.73 Bei Veit Oertel scheinen die Griechischstudien sowohl literarisch als auch pragmatisch motiviert gewesen zu sein, da sie auch ihn zu einer ärztlichen Praxis ertüchtigten, die er neben seiner artistischen Lehrtätigkeit in Wittenberg ausübte. Oertel hat darüber hinaus in seinen gräzistischen Veröffentlichungen u.a. Sophokles, Theokrit und Thukydides behandelt, hat auch lateinisch 69 Zitiert nach Rhein 1999, 57f. mit weiteren Angaben zum oft bescheidenen Niveau der Zuhörer und enttäuschenden Besuch der Griechischvorlesungen. 70 Zu seiner gräzistischen Vorlesungstätigkeit vgl. die chronologische Auflistung in Rhein 1999, 64–69. 71 Vgl. Kathe 2000, 60f. und 459f. mit der präzisen Abfolge: „1518–1525 Philipp Melanchthon / (1520–1521 Janus Cornarius) / (1521–1523/24 Janus Cornarius [„Griechische Grammatik“ in Verbindung mit der Lektion „Lateinische Grammatik“]) / 1525–1526 Joachim Camerarius / 1526 –1535 Franz Burkard (Burchard) / 1535–1541 Philipp Melanchthon (als Verwalter) / (1536–1541 Veit Oertel [I] von Windsheim) / 1541–1570 Veit Oertel (I) von Windsheim“. 72 Zu Cornarius (1500–1558) vgl. MBW 11, 305 und Koch 2007, 305f. 73 Zu Burchard (1504–1560) vgl. MBW 11, 241f. Zu seinem Abschied aus der Universität schrieb ihm Melanchthon einen ausführlichen Brief, in dem er an die gemeinsame Zeit erinnerte, ihn vor der Politik warnte und ihm tiefe und ewige Freundschaft versicherte (MBW Nr. 1690, 19./20.1.1536). Von Burchard erhalten ist nur eine rhetorische Abhandlung aus dem Jahr 1534, vgl. MBW Nr. 1506. Zu Stigel als poetischem Begleiter Burchards vgl. Meckelnborg/Schneider 2015, 14.

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gedichtet (z.B. ein Epithalamium auf Georg Major d. J. und seine Frau Gertrud Drachstedt aus Eisleben), doch sind griechische Verse von ihm nicht überliefert.74 Neben Melanchthon ist also unter den Griechischlehrern an der Leucorea nur Joachim Camerarius als poeta Graecus hervorgetreten, der hier allerdings nur von 1521 bis 1526 wirkte und seine gräzistische Ausbildung bereits in seinem Leipziger Studium durch Croke und Mosellan erfuhr. Der „produktivste und kompetenteste deutsche Gräzist des 16. Jahrhunderts“ – so Walther Ludwig – hat sein eigenes Dichten immer nur als Parergon begriffen, gleichwohl ein stattliches poetisches Œuvre hinterlassen, das in griechischer Sprache von Psalmenparaphrasen über Eklogen bis hin zu versifizierten katechetischen Texten reicht.75 9. GRIECHISCHE DICHTERSCHÜLER MELANCHTHONS III: JOSEPH WURTZLER, PAUL DOLSCIUS UND MICHAEL NEANDER Auch wenn die ersten Suchbohrungen nach griechischer Dichtkunst in der Begräbnisliteratur auf den verstorbenen Praeceptor, in einigen Sammeleditionen mit Gedichten Melanchthons und seiner Schüler sowie in der universitären poetischen Praxis der Scripta publice proposita kein reiches Ergebnis erbrachten, vergebens waren sie gleichwohl mit Blick auf Johannes Caselius, Martin Heinrich, Caspar Peucer, Johannes Schelhammer, Johannes Bokelius, Matthaeus Röseler, Georg Cracow und David Chytraeus nicht. Doch damit ist der Kreis der von Melanchthon geförderten griechischen Dichter noch nicht ausgefüllt. Walther Ludwig hat in seiner grundlegenden Studie „Hellas in Deutschland“ zu Recht auf Melanchthons prägendes Beispiel „zur Ausbreitung des griechischen Dichtens im protestantischen Raum des 16. Jahrhunderts“ hingewiesen: „Nachweislich hat er bei Freunden und Schülern die Neigung geweckt, griechische Verse zu schreiben.“ Und er nennt Joachim Camerarius, Paulus Dolscius, Jakob Micyllus und Michael Neander als die bekannten Autoren.76 74 Vgl. Müller 1910, 129–134. Zu Oertel vgl. auch Koch 2007, 320. In der Leichenrede auf ihn von Joachim von Beust werden nur die Übersetzungen aus dem Griechischen und keine eigenständigen Dichtungen erwähnt (Scriptum in funere clarissimi viri Viti Ortelii Winshemii […] propositum, Wittenberg: Schleich und Söhne 1570). Zu Oertel (1501–1570) Mundhenk 2015, 628 zu den Gelegenheitsgedichten. Zur Sophokles-Übersetzung Oertels von 1546, die wortwörtlich auf Melanchthons Diktat in einer Vorlesung zurückgeht, vgl. Rhein 1999, 56. 75 Vgl. Ludwig 2003c, 97. Zu Leben und Werk des Camerarius (1500–1574) vgl. Hamm 2011. Zur Studienzeit des Camerarius vgl. Asche 2003, bes. 46f. Zu seinen griechischen Dichtungen vgl. Weng 2003, 175–205 und Mundt/Schäfer 2004. 76 Ludwig 1998, 55. Wohl zu den unerwarteten griechischen Dichtern Wittenberger Provenienz zählt Simon Lemnius, Mitglied des älteren Wittenberger Dichterkreises. Er verfasste bereits in seiner Augsburger Schulzeit, also um 1532/33, griechische Verse, darunter Übertragungen von Hymnen, intensivierte aber seine Griechischstudien in seinen Wittenberger Jahren unter dem Einfluss Melanchthons (1534–1538). Vor allem Homer stand hier im Mittelpunkt, eine Beschäftigung, die in die vollständige hexametrische lateinische Übersetzung der Odyssee mündete. Ein griechisches Gedicht aus der Wittenberger Zeit ist z.B. als Beigabe zu Stigels Prognosticon auf das Jahr 1536 abgedruckt worden. Vgl. Mundt 2015, 93 (Wc 13).

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Bei Camerarius ist der entsprechende Austausch im intensiv geführten Briefwechsel mehrfach belegt, etwa wenn Melanchthon den Freund am 11. März 1535 zu griechischen Epigrammen für Neudrucke der Apologie und der Loci77 oder am 18. November 1542 zu etwa 20 griechischen Verse für die Edition seines Danielkommentars auffordert.78 Den Austausch über griechische Dichtung betreibt Melanchthon auch mit anderen Freunden und Bekannten, etwa wenn er Veit Dietrich eine griechische Ekloge zur Stellungnahme zusendet,79 wenn er die griechische Nachdichtung des 133. Psalms durch Camerarius an Spalatin, Bucer, Kilian Goldstein und Leonhard Stöckel schickt,80 wenn an ihn die Bitte von David Chytraeus herangetragen wird, ein griechisches Epithalamion in Wittenberg drucken zu lassen (denn der Drucker in Rostock besitze keine griechischen Lettern)81 oder wenn er dem Studenten Nikolaus Selnecker wegen eines griechischen Gedichts über eine Mondfinsternis ein großes Lob gegenüber seinem Vater ausspricht.82 Dass ein eigenes griechisches Gedicht die Tür zu Melanchthon öffnen konnte, wusste wohl auch Hiob Magdeburg, als er am 10. Dezember 1548, wie er selbst schreibt, seine Scheu überwand und sich erstmals aus Meißen an Melanchthon wandte – mit einem griechischen Gedicht auf den verstorbenen Caspar Cruciger.83 Melanchthons Briefwechsel in Sachen Griechisch umfasst auch die Empfehlung von Griechischdozenten. So empfahl er am 12. Oktober 1537 Matthias Garbitius an die Universität Tübingen und führte als Leistungsnachweis auch die Kompetenz, griechische Gedichte zu verfassen, an. Der aus Kroatien stammende Garbitius hatte eine besondere philologische Förderung durch Camerarius auf der Oberen Schule in Nürnberg erfahren und studierte u.a. in Wittenberg drei Jahre lang, insbesondere bei Melanchthon, den er in einem späteren Brief mit praeceptor humanissime anspricht. Aus seinen Wittenberger Jahren ist sein längstes griechisches Gedicht überliefert, ein Epithalamium auf Georg Sabinus und Anna Melanchthon mit 164 Versen, worauf sich Melanchthons Empfehlung also stützen konnte. Dieses Empfehlungsschreiben ist übrigens auch mit Blick auf die universitäre Bedeutung von Latein vs. Griechisch aufschlussreich, denn während Melanchthon für die griechische Vorlesung Garbitius für geeignet hält, empfiehlt er der Tübinger Universität Camerarius als den besseren Kandidaten für die lateinische Vorlesung, da diese von sehr viel mehr Zuhörern besucht werde und die Erklärung lateinischer Texte hinsichtlich ihrer rhetorischen Struktur schwieriger und hinsichtlich ihres öffentlichen Gebrauchswerts wichtiger sei.84

77 78 79 80 81 82 83 84

MBW Nr. 1551. MBW Nr. 3090. Melanchthons Dank dafür: MBW Nr. 3110. MBW Nr. 3329. MBW Nr. 3502. 3514. 3515. 3625. MBW Nr. 7755. MBW Nr. 6591. MBW Nr. 5375. Zu Garbitius (um 1505–1559) vgl. Illic 2011, 65–69 (mit Hinweisen auf seine griechischen Gedichte). Vgl. auch MBW 12, 118. Das Empfehlungsschreiben Melanchthons in MBW Nr. 1951; Abb. in: Köpf 2010, 189.

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Doch nicht nur zur Tübinger Universität pflegte Melanchthon engen Kontakt, sondern auch die Universität Rostock durfte sich über unterschiedliche Hilfestellungen freuen. So hat Melanchthon diese Hochschule gefördert, indem er Empfehlungen für Lehrstuhlbesetzungen verfasste (u.a. auch für Johannes Posselius) oder den mecklenburgischen Herzögen die Fürsorge um ihre Landesuniversität nachdrücklich ans Herz legte.85 Auch der Griechischunterricht wurde von seinen Schülern maßgeblich beeinflusst, obgleich dessen universitäre Institutionalisierung sich über Jahrzehnte hinzog. Janus Cornarius wechselte nach seiner Griechisch-Dozentur an der Leucorea nach Rostock, blieb dort aber nicht einmal 18 Monate (1526/27), da die Studentenzahlen fast völlig zusammenbrachen. Der Melanchthonschüler Burenius versuchte danach, höchstwahrscheinlich außerhalb des offiziellen Curriculums, auf bescheidenem Niveau Griechischunterricht anzubieten. In den 1550er Jahren kam neuer Rückenwind für die griechischen Studien in Rostock mit der Berufung des David Chytraeus (1551), des Johannes Posselius (1553/54) und des Johannes Caselius (1560), doch erst 1564 wurde in einer neuen Ordnung der Artistenfakultät ein Professor Graecae linguae fest eingerichtet und mit Posselius besetzt.86 Neben den bereits genannten Gelehrten bemühten sich weitere um die Festigung der Griechischstudien in Rostock, so z.B. der Professor für Physik und Moralphilosophie Joseph Wurtzler. Dieser hatte sich 1551 an der Leucorea eingeschrieben und in seinem bis 1559 dauernden Studium eine hohe Kompetenz der griechischen Sprache und Literatur erworben. Neben Editionen und Übersetzungen zeichnete sich Wurtzler v.a. durch seine griechischen Gedichte aus, die in zahlreichen Ausgaben erschienen, übrigens auch in den Scripta publice proposita, in denen nach Wittenberger Vorbild die Verlautbarungen der Universität Rostock von 1560 bis 1567 veröffentlicht wurden. Noch in seiner Wittenberger Zeit (1556) erschienen von ihm u.a. griechische Versifikationen von Psalmen, die Melanchthon mit einem Gedicht einführte.87 Er verfasste einen griechischen Hymnus über die Auferstehung Christi und griechische Widmungsgedichte zu seinen eigenen Textübersetzungen. 1561 erschien in Wittenberg seine lateinische Übersetzung von Basilius und Plutarch, die er durch drei Bücher griechischer carmina ergänzte. Seine enge Verbundenheit mit Melanchthon kommt übrigens auch in diesen Gedichten zur Sprache.88 Melanchthons Dichterschüler haben also den Anspruch ihres Lehrers der kreativen Sprachbeherrschung auch in ihren eigenen Arbeitskontexten verwirklicht und wurden dadurch wiederum zu Vorbildern griechischer Dichtkunst. Empfehlungen hat Melanchthon nicht nur für seine Schüler geschrieben, sondern auch für deren literarische Werke. Bereits erwähnt habe ich Röselers Urania, die Melanchthon Fürst Joachim von Anhalt besonders ans Herz legte. Hinzu kommt 85 86 87 88

Vgl. ausführlich Rhein 1993. Vgl. ausführlich Rhein 1996. WURTZLER 1556. Vgl. Claus Nr. 1556.84. Vgl. Rostocksche Sachen 1739, 81–89, hier: 84. Zu Wurtzlers griechischen Studien und Gedichten vgl. Krabbe 1854, 542–546, und Rhein 1996, 51. Wurtzler steuerte griechische Gedichte auch der Edition der Kraichgau-Rede des David Chytraeus (Wittenberg: Johannes Krafft, 1562) zu (fol. D5r–6r: Epitaph auf Matthäus Chytraeus). Zu Wurtzlers Basilius-Beschäftigung vgl. Toepfer 2007, s.v.

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noch das Psalterium des Paul Dolscius, eine griechische Versifizierung der Psalmen. Dolscius hat durch seine 1559 in Basel erschienene griechische Übersetzung der Confessio Augustana einen Platz in der Reformationsgeschichte erhalten, einen Platz, der durch eine jüngst erschienene Studie von Reinhard Flogaus überzeugend gegen eine vermeintliche Autorschaft des berühmteren Melanchthon nunmehr gesichert ist.89 Doch hier soll der vielseitige Dichter interessieren, den Georg Litzel in seiner Historia Poetarum Graecorum Germaniae als Stern am deutsch-griechischen Himmel hervorhebt, der alle seine Vorgänger weit überstrahle. Litzels Tonlage ist im Falle des Dolscius nicht nur schwärmerisch, sondern v.a. kämpferisch, denn schon er polemisiert gegen alle Zweifler an dessen Verfasserschaft z.B. bei der griechischen Fassung der Confessio Augustana oder bei der griechischen Versifizierung des Psalters, die beide fälschlicherweise Melanchthon zugeschrieben wurden. Litzel kennt die wichtigsten Werke des Dolscius offenkundig aus eigener Durchsicht und stellt sie mit ihren Formaten, Druckorten, Erscheinungsjahren und literarischen Beigaben vor. Auch die griechische Psalterausgabe hat in der Tat nicht Melanchthon gedichtet, sondern er hat nur eine Praefatio, wie bereits Zeitgenossen berichten, beigesteuert. Ob es sich dabei um den Widmungsbrief oder um das ausführliche griechische Einführungsgedicht (Πρὸς τοὺς ἐντυγχάνοντας, also an die Leser) handelt, ist umstritten, seit Beat R. Jenny und Heinz Scheible stilistische Unterschiede des lateinischen Prosabriefs mit einem anderen Text Melanchthons zum gleichen Thema, nämlich zur Hochschätzung Polizians der pindarischen Oden vor den Psalmen, zu entdecken meinten. Doch scheint mir die 4 ½-seitige griechische Einführungselegie nicht von Melanchthon zu stammen, dessen griechische Verskunst noch viel stärker als im Lateinischen die epigrammatische Kürze betrieb und sich von den großen Gattungen wie auch von einem poetischen Unterfangen größeren Umfangs fernhielt.90 Vielmehr wird auch die Elegie Paul Dolscius gehören, dessen griechische Gedichte vom kleinen Zweizeiler bis hin zu den großen Formen reichen. Dolscius, 1526 in Plauen geboren, immatrikulierte sich mit 19 Jahren an der Leucorea und wurde dort 1551 Magister, danach Schulrektor an der Marienschule in Halle. Noch in seiner Wittenberger Zeit veröffentlichte er die ersten Gedichte, die sich während seiner Jahre in Halle zu einem ansehnlichen griechischpoetischen Œuvre auswuchsen. Das Psalterium ist dabei sicherlich sein bekanntestes Werk, da es die seit der Antike erste griechische Versifikation aller Psalmen

89 Vgl. Flogaus 2015 (mit ausführlicher Vorstellung von Leben und Werk des Dolscius und überzeugender Beweisführung für Dolscius als Verfasser der Confessio Augustana Graeca). Vgl. auch MBW 11, 359. 90 MBW Nr. 7279 (die Verfasserfrage wird in der Online-Edition des Melanchthon-Briefwechsels diskutiert). Zu der Ausgabe vgl. auch Griechischer Geist aus Basler Pressen, GG 59 (online auf www.unibas.ch). Flogaus 2015, 14 schließt sich Scheible an (Widmungsbrief nicht von Melanchthon, sondern von Dolscius), doch diskutiert er nicht das Problem der Zuweisung der Einführungselegie an Melanchthon (so Scheible) oder an Dolscius. Zu Melanchthon als Dichter der kleinen Formen vgl. Fuchs 2008, 46–49 und Rhein 1987, 35f. (mit Hinweisen auf vereinzelte lateinische Gegenbeispiele, z.B. das 83 Distichen umfassende Epithalamium für David Chytraeus).

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darstellte. Weitere metrische Paraphrasen in Griechisch verfasste er zu den alttestamentlichen Büchern Salomo und Sirach sowie Distichen auf die Evangelientexte des Kirchenjahres. Mit diesen griechischen Übertragungen reiht sich Dolscius in ein Umfeld ein, in dem Autoren wie Lukas Lossius, Joachim Camerarius und Valentin Wagner seit den 1540er Jahren neue biblische und katechetische „Lehrmittel für den griechischen Schulunterricht an den evangelischen Gymnasien“ entwickelten.91 Die Hochachtung für sein Können belegt Martin Crusius, der ein längeres Gedicht des Dolscius an den Anfang seiner Germanograecia setzte.92 Melanchthons Einsatz für seine Schüler lässt sich gerade auch an seinen Griechischzöglingen illustrieren. Neben Garbitius und Dolscius soll dies noch an Michael Neander exemplarisch dargelegt werden. Neander kam mit 18 Jahren zum Studium nach Wittenberg und wurde danach von Melanchthon zunächst als Lehrer nach Nordhausen und 1550 nach Ilfeld empfohlen, wo er ab 1559 als Rektor und Verwalter bis zu seinem Tod amtierte.93 Für Neander gehörte der Griechischunterricht, den er übrigens für seine Schüler ab dem 13. Lebensjahr verpflichtend vorsah, zu den Hauptsäulen der Ausbildung. In seinem „Bedencken an einen guten Herrn und Freund, wie ein Knabe zu leiten und zu unterweisen“ rät er nicht nur zur Sprachverbesserung durch Verseschreiben („Griechische versus zu schreiben wolten im sehr förderlich sein“), sondern gibt dem Lehrer und Schüler sogleich die Titel einiger von ihm verfasster Lehrwerke zur Hand, um mit ihrer Hilfe das Können zu perfektionieren.94 Denn er verfasste zahlreiche einschlägige, durch ihre Prägnanz ausgezeichnete Lehrwerke, z.B. die Graecae linguae Erotemata von 1553, die Melanchthon mit einem Vorwort einführte – mit ausdrücklichem Lob für den Fleiß des Neander. Neander selbst beendet den Band mit einem ausführlichen griechischen Brief an Melanchthon, den er als seinen väterlichen Lehrer anspricht, nachdem er zuvor an Justus Jonas griechische Distichen richtete.95 Seine Grammatik fasste er im gleichen Jahr in übersichtliche Graecae linguae tabulae zusammen, die er in einem zweiten Teil mit eigenen praktischen Beispielen erweiterte, u.a. einer griechischen Hochzeitsrede und einem ausführlichen griechischen Epigramm an die Jugend der in der schlesischen Heimat Neanders gelegenen Stadt Sagan.96 Von dem engen Verhältnis zu Melanchthon spricht auch die Leichenpredigt des

91 Flogaus 2015, 32. Lucas Lossius, der 1530–1532 bei Melanchthon hörte, gab 1545 eine griechische Catechesis heraus (Wittenberg: Hans Lufft, 1545); zu Lossius (1508–1582) vgl. Onkelbach 1984. Zu den ebenfalls 1545 erschienenen Capita pietatis des Camerarius, einem Katechismus in griechischen Versen, vgl. Graecogermania 347f. Valentin Wagner gab 1550 einen griechischen Katechismus heraus; zu seinem Studium an der Leucorea vgl. Reinerth 1968. 92 Vgl. Flogaus 2015, 11–16. 93 Zu Leben und Werk Neanders (1525–1595) vgl. Steiger 2015. 94 NEANDER 1582, fol. 27r–31v, hier: fol. 30r. 95 NEANDER 1553, fol. a2r–4r (Vorrede Melanchthons), fol. P2r–4v (Distichen), fol. P5r–7r (Brief). Titel in Claus Nr. 1553.8; Vorrede Melanchthons in MBW Nr. 6746, Brief des Neander in MBW Nr. 6720. Zu den Erotemata vgl. auch Griechischer Geist aus Basler Pressen, GG 53 (online auf www.ub.unibas.ch). 96 Vgl. Griechischer Geist aus Basler Pressen, GG 52 (online auf www.ub.unibas.ch). Auch hier ist Melanchthon vertreten, diesmal mit griechischen Versen (vgl. Claus Nr. 1553.9).

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Valentin Mylius auf Neander von 1595; er sei Melanchthon zunächst empfohlen worden, welcher „da er seine Mores und herrliches tapffers Ingenium gespüret und vermerckt / als bald ein besonders Vater Auge auff ihn geworffen / und ihn sehr lieb gewonnen hat. Weil er auch wegen seines studierens und grossen unablessigen fleisses / den er in seinen studijs täglichen daselbst angewendet / gesehen und erfahren hat / das er von tage zu tage ein rechter Newer Mann / und Newer Mensch worden / hat er ihn als seinen eigenen Son gehalten / und ihn forthin nicht anders denn seinen lieben Sohn Neandrum zu nennen pflegen.“97

Erstmals 1558 veröffentlichte Neander eine griechische Übersetzung des Kleinen Katechismus Luthers und ist damit Teil der bereits erwähnten Bewegung im evangelischen Schulwesen, durch griechische Übertragungen katechetischer Texte Sprachkenntnisse und Glaubenslehre gemeinsam zu vermitteln, oder wie Neander auf dem Titelblatt programmatisch ausführt: unde et pietatem et linguam Graecam adolescentes discere possunt. Die Publikation setzt mit einem ausführlichen jambischen griechischen Gedicht Neanders auf Martin Luther ein, der in der Überschrift als Mann Gottes, Prophet Deutschlands, dritter Elias, Mörder des Antichristen, höchster Kirchenlehrer, göttlicher Schriftgelehrter und Lenker des letzten Jahrtausends apostrophiert wird.98 Es gab übrigens auch Schüler, die sich offensichtlich nur wenig mit der griechischen Verskunst beschäftigten, dies dann aber gern in ausdrücklicher Verehrung für Melanchthon taten, nicht zuletzt deswegen, um ihm besonders zu gefallen. So hat Paul Eber, der durch seine deutschen Kirchenlieder über das 16. Jahrhundert hinaus bekannt geworden ist und auch zahlreiche lateinische Gedichte schrieb, nur vier eher schmucklose griechische Verse verfasst, die er seinem geliebten Lehrer in das Geschenkexemplar des von ihm verfassten Calendarium historicum einschrieb: 2 4

Παῦλος ὁ πλεῖστα λαβὼν παρά σου, ἀποδοὺς δ’ ἔτι μηδέν, ἀλλά σοι, ὅσσα γ’ ἔχει, πάντα ὀφειλόμενος ὡς πατρὶ υἱὸς ἑῷ, ὀλίγην δόσιν ἀντὶ μεγίστων τήνδ’ εὐεργεσιῶν δῶκε, Φίλιππε, βίβλον.

„Paul hat sehr viel von Dir bekommen, aber noch nichts dafür gegeben; / [2] alles aber, was er besitzt, schuldet er Dir, / wie ein Sohn seinem Vater; als geringe Gegengabe für die größten / [4] Wohltaten schenkte er Dir, Philipp, dieses Buch.“99

97 MYLIUS 1595, fol. 26r. Zu Neanders Rezeption der griechischen und byzantinischen Literatur, Kultur und Wissenschaft in Nachfolge Melanchthons vgl. ausführlich Ben-Tov 2009, z.B. 70– 75. 124–130. 148–150. 165–168 etc. 98 Zitate aus der zusammen mit seinem Schüler Johannes Mylius herausgebrachten erweiterten Ausgabe: NEANDER 1564, fol. a2r-4v. Neander hat eine Fülle weiterer griechischer Gedichte verfasst, die als Beigaben zu Werken anderer Autoren oder in eigenen Veröffentlichungen überliefert sind. Zu Neanders griechischen Werken vgl. Lizelius 1730, 92–97 und Graecogermania 348–350. 99 Vgl. Rhein 2011, 251. Vgl. auch dens. 2014b, 214.

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10. SCHLUSSSTÜCK: ANKUNFT DER PAIDEIA IN WITTENBERG Melanchthon gab 1525 die Institutio puerilis literarum graecarum heraus, eine Chrestomathie, in der er einen griechischen Lektürekanon von neutestamentlichen Texten bis hin zu Passagen aus Homer, Hesiod, Sophokles, Euripides, Demosthenes, Plato, Herodot und Theokrit vorlegte, einen Kanon, der Textkenntnis mit moraldidaktischen Intentionen verband, am Ende aber von der lectio zur scriptio führen sollte.100 Diesen Schritt ging Melanchthon programmatisch selbst, wenn er die Chrestomathie mit einem griechischen Gedicht abschließt, einem Lobpreis auf die Paideia: Sie hat sich in Griechenland und Italien vor den Feinden versteckt, bis sie nun zum Volk der erst spät lernenden Deutschen gekommen ist (ἥκω Γερμανῶν λαὸν ἐς ὀψιμαθῶν) und hier wie eine Königin aufgenommen wurde: 2 4 6

Δεῦτ’ οὖν Γερμανῶν παῖδες, κἀμῆς ἀπὸ πατρῶν ἀντ’ εὐεργεσίης, δῶρα λάβοιτε χερός ὠκύγραφον κάλαμον, τόν μοι πόρε μείλιχος Ἑρμῆς. Ὅπλα γάρ ἐστι δέον ταῦτα μάλ’ ὔμμε φορεῖν, Παιδείας φίλα δῶρ’, ὑμέας δ’ εἰς ἀνέρας ἄξω, ἔσται ἐφ’ ὧν χρυσέη δεύτερον αὖ γενεή.

„Wohlan, ihr Kinder der Deutschen, aus meiner Hand sollt ihr für eurer Väter / [2] Wohltat als Geschenke / die schnellschreibende Feder bekommen, die mir der freundliche Hermes gab. / [4] Denn es ist sehr nötig, dass ihr diese Werkzeuge mit euch tragt, / liebe Geschenke der Paideia; ich aber werde euch zu Männern führen, / [6] unter deren Leitung es zum zweiten Mal ein goldenes Geschlecht geben wird.“

Melanchthon verknüpft hier die Translatio-Idee mit der Renaissance-Vorstellung und entwirft ein neues goldenes Geschlecht gebildeter Männer. Als Melanchthon dies 1525 schrieb, schien der Appell an seine Studenten noch weit weg von einer Erfüllung zu sein. Doch die Männer der schnellen Feder waren nicht mehr fern, die griechischen Dichter Wittenbergs, die das Erbe Athens an der Elbe unter der Leitung Melanchthons zum Blühen brachten.

100 Titelaufnahme bei Claus Nr. 1525.19. Das im Folgenden zitierte Gedicht wird ausführlich vorgestellt von Rhein 1987, 144–152.

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LITERATUR a) Primärliteratur CASELIUS 1668 = JOANNIS CASELII ‖ CARMINVM ‖ GRÆCORUM ET ‖ LATINORVM ‖ CENTURIA PRIMA, ‖ […] ‖ Hinc inde collegit & interpretatus est ‖ JUSTUS à DRANSFELD. ‖ GOETTINGÆ ‖ Excudebat JUSTUS NIHTMANN, ‖ ANNO M DC LXVIII. (= VD17 23:280619V). CRACOW 1550 = EPITHALAMI=‖ON SCRIPTVM PAVLO GV=‖SEBELIO LONGICAMPI=‖ano & eius Sponsæ, pudicissimæ ‖ uirgini , Magdalenæ ‖ Monieræ, ‖ Per Fridericum Dedekindum. ‖ Elegia gratulatoria Græcè scripta à ‖ Georgio Cracouio Pomerano. ‖ VVITEBERGÆ. ‖ M. D. L. (= VD16 C 5645). CROCUS 1516 = M. R. CROCI, LONDONIENSIS, TABVLAE. ‖ GRECAS LITERAS COMPENDIO DIS=‖cere cupientibus, sane q[uam] vtiles, in quibus ‖ hec habentur contenta. […] [Leipzig: Valentin Schumann, 1516]. FARRAGO 1528 = FARRA‖GO ALIQVOT EPI=‖GRAMMATVM, ‖ Philippi Melanchthonis, ‖ & aliorum quorundam ‖ eruditorum. ‖ Opusculum sanè elegans ac nouum. ‖ Haganoæ per Iohannem Secerium. ‖ An. M. D. XXVIII. ‖ Mense Ianuario. (= VD16 R 836). GAZA 1515 = THEODORI GA‖ZÆ LIBER PRIMVS ‖ de Rudimentis Græ‖carum Literarum ‖ […] ‖ Tubingæ ex Charisio ‖ Thomæ Anshelmi. (= VD16 T 798). HEINRICH 1558 = IN NATALEM ‖ DOMINI AC SERVATO=‖RIS NOSTRI IESV CHRISTI, DEI ‖ & Mariæ uirginis Filij, Carmen […] ‖ A ‖ M. MARTINO HENRICO ‖ […] ‖ VVITEBERGAE ‖ ANNO 1558. HEINRICH 1560 = EPICEDION. ‖ IN OBITVM RE=‖VERENDI ET CLARISSI=‖MI VIRI, PIETATE, ERVDITIONE ET ‖ uirtute præstantis D. PHILIPPI MELANTHONIS […] ‖ A ‖ M. MARTINO HENRICO ‖ Saganensi. ‖ VITEBERGÆ ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M. D. LX. (= VD16 H 2066) MELANCHTHON 1558 = ORATIO ‖ DE VITA REVERENDI ‖ uiri Domini Iohannis Bugenha-‖gij Pomerani […] Anno ‖ 1558. die quarto ‖ Augusti. ‖ VVITEBERGAE. ‖ ex officina typographica ‖ Viti Creutzer. (= VD16 M 3830). MELANCHTHON 1559 = FORMAE ‖ PRECATIO=‖NVM PIARVM COLLE=‖CTÆ EX SCRIPTIS REVE=‖RENDI VIRI D. PHI=‖LIPPI MELAN=‖THONIS. ‖ A ‖ LVCA BACKMEISTERO ‖ Luneburgensi. ‖ […] ‖ VITEBERGAE ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M. D. LIX. (= VD16 M 2339). MYLIUS 1595 = Leichpredigt ‖ Auff der Begrebniß ‖ Des Ehrwirdigen/ ‖ Achtbarn / Hoch und Wolgelahrten ‖ Herrn Magistri Michaelis Neandri , welcher ‖ den 26. Aprilis […] ‖ 1595. Jahrs zu Ilefeldt in GOtt sanfft und seliglichen endt=‖schlaffen […] ‖ Gehalten durch ‖ Valentinum Mylium Elricensem […] ‖ Gedruckt zu Leiptzig / durch Abraham ‖ Lamberg/ 1595. (= VD16 ZV 19586). NEANDER 1553 = Græcæ linguæ ‖ EROTEMATA […] ‖ MICHAELE NEANDRO ‖ Sorauiensi autore. ‖ Cum Præfatione Philippi Melan-‖chthonis. ‖ BASILEAE, PER IOAN-‖nem Oporinum. [1553]. (VD16 N 375). NEANDER 1564 = KΑΤΗΧΗ-‖ΣΙΣ ΜΑΡΤΙΝΟΥ ΤΟΥ ΛΟΥ-‖θέρου, ἡ μικρὰ καλουμένη, ἑλληνι‖κολατίνη. ‖ CATECHESIS ‖ MARTINI LVTHERI ‖ parua, Græcolatina, postre-‖mùm recognita. ‖ […] ‖ Omnia Græcolatina, descripta, exposita ‖ & edita studio & opera MICHAE-‖LIS NEANDRI Sora-‖uiensis. ‖ BASILEAE, PER IOAN-‖nem Oporinum. [1564]. NEANDER 1582 = MICHAELIS ‖ NEANDRI ‖ Bedencken/ ‖ An einen guten Herrn ‖ und Freund. ‖ Wie ein Knabe zu leiten/ ‖ und zu unterweisen […] ‖ Auffs newe zum dritten mal ‖ vbersehen und gebessert. ‖ M. D. LXXXII. (= VD16 N 349). ORATIONES 1561 = ORATIONES, ‖ EPITAPHIA ‖ ET SCRIPTA, QVÆ ‖ EDITA SVNT DE MORTE ‖ Philippi Melanthonis omnia […] ‖ VITEBERGÆ. ‖ M. D. LXI. (= VD16 O 863).

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RÖSELER 1550 = De OBITV MA=‖TRIS SVÆ CARMEN ‖ MATTHÆI ROSLE=‖RI LVCANI. ‖ […] ‖ VVITEBERGÆ. ‖ M. D. L. (= VD16 R 2835). SABINUS 1563 = Poemata ‖ GEORGII ‖ SABINI BRANDE=‖BVRGENSIS V. CL. ‖ ET NVMERO LI=‖BRORVM ET ALIIS AD-‖ditis aucta , & emen-‖datius denuo ‖ edita. ‖ IN OFFICINA VOEGELIANA. ‖ Cum Priuilegio Quinquennij. [Leipzig 1563] (= VD16 S 135). SAUR 1555 = CARMEN DE ‖ MISSIONE SPIRITVS SANCTI, ‖ AD CLARISSIMVM VIRVM, PRVDENTIA ET ‖ uirtute præstantem D. Hieronymum Rauscher, ‖ Prætorem inclytæ urbis Lipsiæ, ‖ Scriptum ‖ A ‖ MELCHIORE SAVR ‖ Cygnęo. ‖ […] ‖ VVITTEBERGAE ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M. D. LV. (= VD16 S 1891). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1556 = SCRIPTO=‖RVM PVBLICE ‖ PROPOSITORVM A GV=‖BERNATORIBVS STVDI=‖ORVM IN ACADEMIA ‖ VVITEBERGEN=‖SI ‖ TOMVS SECVN=‖DVS. ‖ […] ‖ VVITEBERGÆ ‖ EXCVSVS APVD HÆRE=‖DES GEORGII ‖ RHAVV. ‖ ANNO M. D. LVI. (= VD16 W 3760). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1559 = SCRIPTORVM ‖ PVBLICE ‖ PROPOSITO=‖RVM A GVBERNA=‖toribus studiorum in Academia ‖ VVittebergensi ‖ TOMVS TERTIVS. ‖ COMPLECTENS AN=‖num 1556. & tres se=‖quentes. ‖ VVITEBERGÆ ‖ EXCVSVS AB HÆ=‖redibus Georgij Rhauu. ‖ 1559. (= VD16 W 3761). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1561 = SCRIPTORVM ‖ PVBLICE ‖ PROPOSITORVM ‖ A GVBERNATORIBVS ‖ studiorum in Academia ‖ VVitebergensi. ‖ TOMVS ‖ QVARTVS. ‖ […] ‖ VVITEBERGÆ ‖ EXCVSVS AB HÆRE-‖dibus Georgij Rhauu. ‖ ANNO ‖ M. D. LXI. (= VD16 ZV 23887). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1568 = SCRIPTORVM ‖ PVBLICE ‖ PROPOSITORVM ‖ A GVBERNATORIBVS ‖ studiorum , in Academia ‖ VVitebergensi. ‖ TOMVS ‖ SEXTVS. ‖ […] ‖ VVITEBERGÆ ‖ EXCVDEBAT IOHAN. ‖ SCHVVERTEL. ‖ ANNO ‖ M. D. LXVIII. (= VD16 ZV 15569). SCRIPTA PUBLICE PROPOSITA 1572 = SCRIPTORVM ‖ PVBLICE ‖ PROPOSITORVM ‖ A GVBERNATORIBVS ‖ studiorum doctrinæ in Academia ‖ VVitebergensi. ‖ TOMVS SEPTIMVS. ‖ […] ‖ VVITEBERGÆ ‖ Excudebant Clemens Schleich et An=‖tonius Schöne. ‖ ANNO ‖ M. D. LXXII. (= VD16 ZV 15570). WURTZLER 1556 = PSALMI ‖ ALIQVOT DA=‖VIDIS CARMINE LYRICO ELE=‖GIACO ET HEROICO RED=‖DITI. ‖ AVTORE ‖ M. IOSEPHO VVVRTZLERO ‖ […] ‖ VVITTEBERGAE ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M. D. LVI. (= VD16 B 3445).

b) Sekundärliteratur Asche 2003 = M. Asche, Joachim Camerarius in Leipzig und Erfurt (1512/13–1521) – Studien- und Jugendjahre im Zeichen des Humanismus, in: Kößling/Wartenberg 2003, 43–60. Asche 2010 = Ders., Die Tübinger Wurzeln der Wittenberger Bildungsreform. Melanchthon als Traditionswahrer eines vorreformatorischen christlichen Humanismus, in: Lorenz 2010, 161–173. Bauch 1896 = G. Bauch, Die Anfänge des Studiums der griechischen Sprache und Litteratur in Norddeutschland, in: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 6 (1896), 47–98. 163–193. Bauer 1998 = B. Bauer, Philipp Melanchthons Gedichte astronomischen Inhalts im Kontext der natur- und himmelskundlichen Lehrbücher, in: G. Frank/S. Rhein (Hgg.), Melanchthon und die Naturwissenschaften seiner Zeit, Sigmaringen 1998, 137–181. Ben-Tov 2009 = A. Ben-Tov, Lutheran Humanists and Greek Antiquity. Melanchthonian Scholarship between Universal History and Pedagogy, Leiden 2009. Benga 32008 = D. Benga, David Chytraeus (1530–1600) als Erforscher und Wiederentdecker der Ostkirchen, Gießen 32008. Bogner 2006 = R. Bogner, Der Autor im Nachruf. Formen und Funktionen der literarischen Memorialkultur von der Reformation bis zum Vormärz, Tübingen 2006.

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Philipp Melanchthon und seine griechischen Dichterschüler

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LIVIUS UND DIE VULGATA MIT DER GRÄZITÄT BESCHENKT Olympia Moratas Laus Q. Mucii Scaevolae und ihre Paraphrase des 46. Psalms Niklas Holzberg

Abstract: Using two significant examples, this paper offers an introduction to the range of works, now only partly extant, written by Olympia Morata (1526–1555) in Ancient Greek, the texts in question being the Laus Mucii Scaevolae and a reworking of Psalm 46 in Sapphic stanzas. The Laus is an adaptation of the well-known episode in Livy (2,12–13), whose narrative skills were perceptively appreciated by Morata and transposed by her into an elegant Attic prose that lost none of the original art. For her Hellenization of the Biblical psalm she did not follow the version found in the Septuaginta, but relied instead on her own perfect command of the language used in archaic epos – knowledge, we may assume, also displayed in her Observationes in Homerum, a work unfortunately now lost – and thus created an impressive poem which simultaneously gave expression to her deep personal faith.

EINFÜHRUNG Eine der faszinierendsten Gestalten unter den westeuropäischen Humanisten, die in den ersten hundert Jahren nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Türken (1453) die Literatur der Hellenen rezipierten, ist, wie ich meine, Olympia Fulvia Morata. Denn die Tochter eines Prinzenerziehers am Hof der Este in Ferrara verfasste schon als etwa Sechzehnjährige griechische Texte in Prosa und Vers, die das Niveau vergleichbarer Elaborate ihrer älteren männlichen „Kollegen“ durchaus erreichten. In den letzten 15 Monaten ihres nur 29 Jahre währenden Lebens1 – 1526 geboren, starb sie bereits 1555 –, trug sie sogar zu den Anfängen der Gräzistik an der Universität Heidelberg bei, indem sie, in Kontakt u.a. mit Jakob Micyllus (1503–1558), der dort 1533–1537 als Professor für Griechisch gewirkt hatte, Privatunterricht in dieser Sprache erteilte.2 Da die junge Frau, die ab 1550 mit ihrem Mann, dem Arzt Andreas Grundler, in Schweinfurt lebte, 1553 bei der Zerstörung dieser Stadt durch die vereinigten Truppen Bambergs, Würzburgs und Nürnbergs fast ihre gesamte Habe verlor, ist von ihren Schriften und Gedichten wenig mehr als das erhalten, was sie in Heidelberg rekonstruierte. In griechischer Sprache sind

1 2

Vgl. dazu Holzberg 1982 und Holzberg 2015. Holzberg 1987.

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Niklas Holzberg

es außer einem Brief an Kilian Sinapius, den Bruder ihres Griechischlehrers Johannes Sinapius,3 von 1542/43, eine mit Laus Q. Mucii Scaevolae betitelte Nacherzählung der Geschichte von dem römischen Helden sowie metrische Paraphrasen von Psalmen – 1, 2, 23, 34, 46, 70, 125 und 150, davon sechs in daktylischen Hexametern, eine, 46, in sapphischen Strophen und eine, 150, in elegischen Distichen. Diese Texte sind zusammen mit den übrigen Briefen und weiteren Prosa-Opuscula in lateinischer Sprache in einer Ausgabe der von der Morata hinterlassenen Latina und Graeca abgedruckt, die Celio Secondo Curione 1558 publizierte und die dreimal neu aufgelegt wurde.4 Unter den nicht überlieferten Werken befanden sich Observationes in Homerum, deren Verlust sehr zu bedauern ist, da die Morata Ilias und Odyssee offensichtlich bestens kannte. 1. ZUR LAUS Q. MUCII SCAEVOLAE Bei der Laus Q. Mucii Scaevolae, die ich im Folgenden näher betrachten möchte – danach widme ich mich der Paraphrase des 46. Psalms –, haben wir es nicht, wie der Titel zunächst suggeriert, mit einer zur Gattung Enkomium gehörenden Schrift zu tun, sondern mit einer Bearbeitung der Einzelerzählung des T. Livius in seinem Geschichtswerk Ab urbe condita (2,12,1–13,5). Aber die Autorin hat den Ausführungen zur Person des römischen Heros und zu dem von ihm vertretenen Patriotismus mehr Platz eingeräumt als der Historiker, und da alles, was Mucius bei der Morata zusätzlich sagt, vom Leser ausgesprochen positiv aufgenommen sein will, liegt eine gewisse Verwandtschaft mit einer Lobschrift vor. Auf der anderen Seite nahm die Morata, wie ich deutlich zu sehen meine, anhand des von ihr zur Adaptation gewählten Textes intuitiv wahr, wie kunstvoll eine livianische Einzelerzählung aufgebaut ist.5 Denn sie lehnt sich an die Gliederung ihrer Vorlage an und erweitert das Mucius-Porträt genau an den Stellen, an denen die von Livius vorgegebene narrative Struktur es besonders sinnvoll erscheinen lässt. Der Historiker präsentiert uns, wie gewohnt, eine Triade mit einem von den kurzen Abschnitten „Exposition“ (I) und „Schluss“ (III) gerahmten breiten Mittelstück (II), und da man hier wiederum drei Teile unterscheiden kann, II.a, b und c, fühlt man sich wie auch sonst oft bei Livius an ein fünfaktiges Drama erinnert. Während der Schauplatz der Rahmenabschnitte Rom ist, spielt das im Mittelstück berichtete Geschehen im Feldlager des Etruskerkönigs Porsenna jenseits des Tiber. Im zentralen der drei Abschnitte des Mittelstücks und im Expositionsteil hält der livianische Mucius jeweils eine Rede, 3 4

5

Zu ihm vgl. Holzberg 1987, 86 (mit weiterer Lit.) und Flood/Shaw 1997. MORATA 1580; dies ist die vierte und vollständigste Auflage, der in derselben Offizin erschienene Ausgaben von 1558, 1562 und 1570 vorausgingen; hier wird nach der Ausgabe von 1580 zitiert. Von der Paraphrase des Psalms 46 ist außerdem ein Autograph erhalten (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 10363, Bl. 103r-v). Eine deutsche Übersetzung des Briefs an Sinapius, der Laus und der Paraphrasen von Psalm 23 und 46 enthält zusammen mit einem Faksimile des Autographs Kößling/Weiss-Stählin 1991, 40f. und 168–176. „Klassisch“ zu diesem Thema immer noch Burck 1934 (zu Scaevola ebd. 56–58); vgl. zur narrativen Technik des Livius jetzt auch Pausch 2011.

Livius und die Vulgata mit der Gräzität beschenkt

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weshalb es sich anbot, im Dienste einer ausführlicheren Charakteristik des Helden in beide ῥήσεις mehr Text einzubringen, als die Vorlage aufweist, und so verfuhr die Morata denn auch. Folglich umfasst ihre Exposition6 gegenüber der des Historikers (12,1–5), die aus 126 Wörtern besteht, 363 Wörter, von denen 240 auf die Rede entfallen; der livianische Mucius spricht nur 23; analog haben wir bei der Morata in II.b7 336 Wörter, davon 209 in der Rede, bei Livius (12,8–13 inicit) 158, davon 82 in der Rede. Die übrigen Abschnitte stimmen im Umfang etwa überein: II.a ist bei der Morata nur um Weniges länger als bei Livius, II.c und III sogar kürzer.8 Der eigentlichen Erzählung schickt die Morata folgende Einleitung voraus (9, Z. 1–8):9 Ὅτι μὲν τὴν πατρίδα στέργειν προσήκει καὶ χαριστήρια τροφῶν αὐτῇ ἀποδιδόναι, πρόδηλόν γε πᾶσι, καὶ οὐδαμῶς ἀπόῤῥητον, ὅτι δὲ καὶ εἰκότως ᾄδονται παρὰ πάντων, ὅσοι ὑπὲρ αὐτῆς κινδύνους τε καὶ καμάτους ὑπομεῖναι ἐτόλμησαν, οὐδὲ τοῦτο ἔξαρνος ἄν τις εἴη. ἐμοὶ δὲ, κἀν τοῖς μάλιστα, λόγου καὶ ἐπαίνου ἄξιος δοκεῖ ὁ μούκιος, περὶ οὗ τὸ νῦν ἔχον ἔρχομαι λέξουσα. „Dass man die Heimat lieben und ihr Dank für die Ernährung abstatten muss, ist allen deutlich und kein Geheimnis; dass aber auch billigerweise diejenigen von allen in Liedern gepriesen werden, die für sie Gefahren und Mühen wagten, auch dies wird keiner leugnen. Mir aber scheint auch unter diesen Mucius der Rede und des Lobes am meisten wert zu sein, über den ich mich jetzt zu sprechen anschicke.“

Schon diese kurze Textprobe zeigt, dass die etwa 16-jährige Italienerin eine gewandte attische Prosa schreibt, und das setzt sich bis zum Ende ihres Textes fort. In ihrem griechischen Brief an Kilian Sinapius, den man als eine Art Widmungsepistel betrachten kann, bezeichnet die Morata ihr kleines Opus als ἱστορία,10 also als historische Einzelerzählung. Dadurch, dass in der Vorbemerkung für lobenswert und ruhmwürdig erklärt wird, wer aus Patriotismus Gefahren und Mühen erträgt, bekommt die Geschichte einen Leitgedanken und gleicht somit Exempelerzählungen, wie wir sie in der antiken Literatur in klassischer Form bei Valerius Maximus lesen; 6 7 8

MORATA 1580, 9 Z. 8b οὗτος bis 10 Z. 27a ᾤχετο. MORATA 1580, 11 Z. 8a ἔπειτα bis 12 Z. 18a κατέκαυσεν. II.a: 12,6f. = 52 Wörter ~ MORATA 1580, 10 Z. 27b–11 Z. 8a = 85 Wörter; II.c: 12,13 (quam)– 16 = 105 Wörter ~ MORATA 1580, 12 Z. 18b–28 ἐπιβουλὴν = 87 Wörter; III: 13,1–5 = 113 Wörter ~ MORATA 1580, 12 Z. 29–13 Z. 9 = 77 Wörter. 9 Wie alles Folgende ist der Text nach der Ausgabe der Opera (MORATA 1580, vgl. Anm. 4) von 1580 zitiert, aber in normalisierter Form. Fehler in der Wiedergabe des in der handschriftlichen Vorlage vermutlich korrekten Textes (s. Anm. 28) sind stillschweigend ausgebessert. Der gesamte Text ist noch einmal im Anhang in originaler Gestalt mit kritischen Hinweisen abgedruckt. Es seien folgende orthographische Auffälligkeiten kurz angemerkt: 1) Die Eigennamen sind durchgehend kleingeschrieben; 2) Bei αὐ- ist der Spiritus im Druck in der Regel auf dem Alpha statt auf dem Ypsilon; 3) Bei Krasis werden die Wörter bisweilen getrennt gesetzt (z.B. 9 Z. 10f. κ’ ἀνδραγαθίᾳ, siehe auch die Psalmparaphrase V. 2 χ’ εἷλαρ etc.). 3) Enklitika und präpositionale Ausdrücke werden bisweilen zusammengeschrieben (12 Z. 6 ἐπιτοπολὺ, Psalmparaphrase V. 6 Εἴκε). 4) Majuskeln tragen weder Akzente noch Spiritus (siehe vor allem die Psalmparaphrase). 10 MORATA 1580, 75 Z. 7.

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auch dieser Autor berichtet von Mucius Scaevola, wenn auch wesentlich kürzer als Livius, aber es geht ihm eben nur darum, anhand des Beispiels die Bewährung der Tugend patientia zu dokumentieren.11 In Abschnitt I der eigentlichen Erzählung skizziert Livius kurz die Ausgangslage – Getreideteuerung in Rom und Belagerung durch Porsenna – und schildert dann, wie der diese Situation als indignum empfindende und zu einer alles beendenden Tat entschlossene adulescens nobilis Mucius, nachdem er den Plan, sua sponte zu agieren, verworfen hat, dem Senat sein Vorhaben darlegt und, von diesem zu seinem Unternehmen autorisiert, sich auf den Weg macht, den Dolch im Gewande. Während Livius ihn lediglich sagen lässt, er sei nicht auf Beute und Rache für Plünderungen aus, sondern habe ein maius facinus im Sinn, legt die Morata ihm eine lange patriotische Rede in den Mund, durch die er bestätigt, dass er, wie die Vorbemerkung verkündet, λόγου καὶ ἐπαίνου ἄξιος ist: Die Römer, ausgehungert und Porsennas Heer an Kampfkraft nicht gewachsen, kämen, wenn sie dem König die Stadt übergäben, unter die Knechtschaft eines Tyrannen. Doch Römerart sei es, γενναίως ἀποθανεῖν μᾶλλον ἢ μετ’αἰσχύνης βιῶναι, und weil er einsehe, dass andere im Moment für Aktionen zu sehr vom Krieg erschöpft seien, wolle er sich heimlich zu den Feinden begeben und versuchen, den Unrecht tuenden König zu bestrafen, indem er ihn entweder töte oder irgendein anderes edles Wagnis (τόλμημα) vollbringe. Erstmals zeigt sich deutlich, dass es der Morata wichtig ist, das heldenhafte Profil ihres Mukios weitaus plastischer hervortreten zu lassen, als man es bei Livius findet, und dabei die Vorbildlichkeit seiner inneren Einstellung zu betonen, hier seiner Bereitschaft zu Tod statt Schande. Es gibt deshalb in der Rede kaum Berührungen mit dem Wortlaut der Vorlage; dieser wird nur unmittelbar vorher erkennbar – cui indignum videbatur entspricht χαλεπῶς φέρων – und gleich danach durch τὸ ξίφος ὑποκόλπιον φέρων ᾤχετο als „Zitat“ von abdito intra vestem ferro proficiscitur. Im zweiten Falle bemerkt man die Absicht der Textbearbeiterin, eine Entsprechung zu der Gliederungsmarke der Vorlage zu schaffen. Nachdem die Morata in Abschnitt II.a nur wenig länger als Livius berichtet hat, wie der junge Römer, weil er den gerade Sold auszahlenden „Rechnungsführer“12 für den König hält, diesen ersticht, gestaltet sie, wie erwähnt, das Zentrum ihrer Version der Geschichte wiederum als narrativen Beleg für die Ruhmwürdigkeit patriotischen Handelns aus. Wieder ist es eine Rede, die die Morata, z.T. von Livius abweichend, zum Instrument einer breiten Selbstaussage des Mucius macht. Dieser verweist, als er nach dem Mord an dem scriba vor Porsenna steht, bei dem Historiker ausgiebig auf die lange Reihe junger Männer von seiner Art, die ihm auf dem Fuß folgen würden. Das Motiv begegnet uns auch bei der Morata, aber ihrem Mukios geht es bei der Warnung vor der Gefahr für den König vor allem um dies: Im Kriege siege man nicht durch πλῆθος und ἰσχύς, sondern die Feinde erlitten ihre 11 Val. Max. 3,3,1. Vermutlich kannte das „Wunderkind“ auch diese Version; mit ἐτόλμησαν könnte auf patientia angespielt sein. Sicherlich nicht herangezogen hat die Morata die überlange Version des Dionysios von Halikarnass (5,27ff.); die wenigen verbalen Entsprechungen beschränken sich auf einzelne Wörter wie γραμματεύς, die sich der Bearbeiterin des LiviusTextes von selbst anboten. 12 So bzw. „Refü“ nannte man den Mann, als ich bei der Bundeswehr war.

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Niederlage durch die ταῖς ψυχαῖς ἐρρωμενέστεροι. Dieser Römerjüngling droht Porsenna primär mit der „Schlagkraft“ seelischer Stärke von seiten seiner (angeblich) nach ihm kommenden „Ebenbilder“, nicht mit ihrem longus ordo, der ja durchaus „Menge“ und körperliche Gewalt evoziert. Bei der Morata ist es also erneut die innere Haltung eines Römers, auf welcher der Schwerpunkt liegt. Seelische Stärke ermöglicht Todesverachtung, und diese Haltung verbindet dann wieder Mukios mit Mucius, als beide das Verbrennen der eigenen Rechten mit etwa denselben Worten begründen: Porsenna solle erkennen, wie wertlos das corpus bzw. das σῶμα denjenigen sei, die magna gloria bzw. τιμὴ καὶ ἀρετὴ καὶ τὸ κλέος begehrten.13 Livianische Formulierungen lässt die Morata auch an drei Stellen anklingen, an denen sie ein effektvolles Spiel mit Worten imitiert: Aus Mucius als metuendus magis quam metuens (12,8) wird bei ihr φοβῶν δὲ μᾶλλον ἢ φοβούμενος,14 aus dem Polyptoton hostis hostem occidere volui (12,9) πολέμιος τῶν πολεμίων γενόμενος15 und aus dem Wahlspruch facere et pati fortia Romanum est (12,9) πράττειν γὰρ ἅμα καὶ πάσχειν δεινὰ πρὸς ῥωμαίων ἐστίν.16 Wortwörtlich übertragen ist auch die Quintessenz der Drohung des livianischen Mucius, hoc tibi iuventus Romana indicimus bellum (12,10); die Morata, die schon vorher Gliederungsmarken gesetzt hat, platziert diesen Satz effektvoll am Ende der zweiten langen Rede des Römers: τοιοῦτον σοὶ τὸν πόλεμον καταγγέλλει ἡ ῥωμαίων νεότης.17 Am Schluss des Mittelabschnitts von Teil II, der die Rede enthält, steht die Szene, in der Mucius seine Hand ins Feuer legt, und hier „zitiert“ der griechische Text dextramque accenso … foculo inicit (12,13) durch τὴν δεξιὰν εἰς τὸ πῦρ … ἐνέβαλε.18 Diese Tat, zu Beginn von Abschnitt II.c jeweils aus der Perspektive des Königs von Livius als miraculum (12,13), von der Morata als δυσχερὲς καὶ ἀθέατον θέαμα bezeichnet19 – dabei spielt δυσχερές nicht gerade geschmackvoll auf die verbrannte χείρ an, aber vielleicht ist das unbeabsichtigt20–, bewirkt sowohl, dass der König Mucius gestattet, nach Rom zurückzukehren, als auch seine Bereitschaft zum Frieden. Die Morata, die primär an dem jungen Mann interessiert ist und an der Beendigung des Kriegs nur insoweit, als sie Mucius verdankt wird, bringt ihre Fassung rasch zu Ende, indem sie sich bei den Abschnitten II.c und III jeweils auf das für ihr Konzept Wesentliche beschränkt. In II.c. „zitiert“ sie mehr oder weniger wörtlich die Rede, mit der Porsenna Freispruch und Freilassung des Mucius rechtfertigt (12,14 abi … te … dimitto ~ ἄπιθι … ἀφίημί σε).21 Da der König jetzt erklärt, er würde den Wagemut des jungen Mannes gutheißen, wenn er seinem Vaterland nützte (12,14 si pro mea patria ista virtus staret … ~ εἰ ἀντ’ἐμῆς τῆς

13 14 15 16 17 18 19 20 21

Liv. 12,13 ~ MORATA 1580, 12 Z. 14f. MORATA 1580, 11 Z. 14f. MORATA 1580, 11 Z. 16f. MORATA 1580, 11 Z. 27f. MORATA 1580, 12 Z. 10f. MORATA 1580, 12 Z. 16f. MORATA 1580, 12 Z. 19. Immerhin folgt dann gleich ein eindeutig beabsichtigtes Wortspiel. MORATA 1580, 12 Z. 22 und 27.

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πατρίδος τοιαῦτα τολμήσειας …),22 wird dem Patriotismus des Mucius erneut Lob gespendet, und das ist ja das in der Vorrede zur griechischen Mukios-Erzählung angekündigte Leitthema. Nichts damit zu tun hat dagegen die bei Livius nun durch Mucius gemachte „Enthüllung“, es gebe dreihundert junge Adlige in Rom, die sich verschworen hätten, wie Mucius vorzugehen, auf ihn sei das erste Los gefallen und mit weiteren „Einzelkämpfern“ sei fest zu rechnen. Das kürzt die Morata auf einen Satz zusammen, indem sie lediglich berichtet, Mukios habe Porsenna aus Dankbarkeit die ἐπιβουλή verraten. Aber das versteht man nur, wenn man die entsprechende Passage bei Livius liest. In Abschnitt III erwähnt der Historiker kurz, dass Mucius den Beinamen „Scaevola“ erhielt, verweilt länger bei den Friedensverhandlungen Porsennas mit den Römern und sagt zum Schluss, wegen seiner virtus habe der Senat dem Mucius trans Tiberim einen ager geschenkt, den man später Mucia prata genannt habe. Die Morata, die offenkundig nur ihr Mukios-Porträt abrunden möchte, begnügt sich mit der Feststellung, dass Porsenna Frieden gewünscht habe und dieser auch vereinbart worden sei; dann beendet sie ihre Geschichte mit der Nennung des Beinamens und – darin Livius ganz exakt folgend – mit dem Hinweis darauf, dass Mukios ὑπὲρ τὸν τύβριν einen ἀγρός bekommen habe, der später als λειμὼν τοῦ μουκίου bezeichnet worden sei. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die etwa 16-jährige Griechischelevin bei ihrer Adaptation einer berühmten livianischen Einzelerzählung bemerkenswert eigenständig vorging, indem sie ihre Version konsequent als Exempel für Erwerb von Lob und Ruhm durch die patriotische Bereitschaft zur Konfrontation mit Gefahren und Strapazen gestaltete. Das Textstück ist überdies lesenswert als Beleg für das hohe Niveau, das die Bemühungen um aktive Beherrschung der attischen Prosa schon in der Mitte des Seicento erreichen konnten. Wie hoch es ist, kann man z.B. leicht ermessen, wenn man einen Ἑλληνιστί verfassten Brief, den Willibald Pirckheimer, einer der führenden Pioniere der griechischen Studien in Deutschland, am 10.3.1503, also nur rund dreißig Jahre vor der Entstehung der Laus Q. Mucii Scaevolae, an Konrad Celtis schickte,23 danebenhält: Dort ist die „attische Prosa“ nicht nur nicht elegant, sondern wimmelt überdies von Fehlern. 2. ZUR PARAPHRASE DES 46. PSALMS Sehen wir nun, wie sich die Morata auf das Verfassen hellenischer Poesie verstand! Mit ihrer griechischen Versifizierung von Psalmen stand sie in einer Tradition, die in der Spätantike wurzelte: Dem Bischof Apollinaris von Laodikeia (4. Jh. n.Chr.) wird eine Metaphrasis Psalmorum zugeschrieben, bei der es sich um eine an das Vorbild der Septuaginta angelehnte Paraphrase der Psalmen in homerischen Hexametern handelt.24 Aus der Zeit der Renaissance sind als Bearbeiter von Psalmen in 22 MORATA 1580, 12 Z. 24f. 23 Reicke 1940, Nr. 59. 24 Golega 1960; Andrew Faulkner bereitet z.Z. in Heidelberg eine kritische Ausgabe dieser Texte und eine Untersuchung dazu vor.

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griechischen Versen vor allem Paulus Dolscius (1525–1589), Florent Chrestien25 (1541–1596) und Aemilius Portus (1550–1614/15) zu nennen. Dass die 16-jährige Morata Apollinaris kannte, ist eher unwahrscheinlich, und die jüngste der Psalmenversifizierungen, das Δαβίδου προφήτου καὶ βασιλέως μέλος. Psalterium Prophetae et Regis Davidis versibus elegiacis redditum des Dolscius, erschien 1555, also im Todesjahr der Morata. Aber auch ohne dass Abhängigkeit möglich ist, wäre ein Vergleich der Paraphrasen von Psalmen, die die junge Frau schrieb, mit den entsprechenden Umdichtungen der genannten Autoren aufschlussreich. Doch eine solche Untersuchung würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen.26 Ich möchte mich deshalb damit begnügen, erste Überlegungen zur Interpretation einer der von der Morata verfassten metrischen Paraphrasen, derjenigen des 46. Psalms, anzustellen. Sie verdient spezielle Aufmerksamkeit, weil in diesem singulären Falle das Versmaß nicht wie bei den anderen Texten der daktylische Hexameter bzw. das elegische Distichon ist, sondern die sapphische Strophe.27 Hier zunächst der Text in Synopse mit dem Wortlaut der Vulgata, der vermutlichen Vorlage:28 Ψαλμ. μ ς.

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ΤΩν ὀιζυρῶν βροτέων ἀρήγων Χ’εἷλαρ ἄῤῥηκτον πέλεται Θεὸς μοῦ, Ος κ’ἀοσσητὴρ μόνος ἤλυθεν τοῖς πολλὰ μογοῦσι.

Deus noster refugium et virtus;

Τοὔνεκ’ οὐ δείσεις ἐμὸν ἦτορ οὐδὲν Εἴκε προὐφθαλμῶν ἅμα πᾶσαν αἶαν Κ’οὐρέ’ὠθεῖσθαι σκιόεντα λεύσῃς εἰς ἁλοσύδνην,

propterea non timebimus dum turbabitur terra, et transferentur montes in cor maris.

Ην γὰρ αἴπειν’ὑψικόμων κάρηνα 10 Οὐρέων πλήρης στυγεροῖσι πόντος Ρεύμασιν, κ’ἀυτὴν ὀροθύνοι αἶαν Εὐρυοδείην. Εσθ’ ὁμῶς κρήνη πόλεως θεουργοῦ Ιερὴ λευκὸν προχέουσα ῥεῖθρον,

adiutor in tribulationibus quae invenerunt nos nimis.

sonuerunt, et turbatae sunt aquae eorum; conturbati sunt montes in fortitudine eius. fluminis impetus laetificat civitatem Dei:

25 Andrist/Lukinovich 2005; zu weiteren Gräzisierungen des Psalters vgl. Weng 2003 und Weise 2011. 26 Ein Standardwerk zur Psalmendichtung ist immer noch Bach/Galle 1989. 27 Kurze Überlegungen zu der Hexameter-Paraphrase von Psalm 23 bietet Holzberg 2000. 28 Mit dem Text der Septuaginta weist derjenige der Morata keinerlei Berührungen auf. Mein Abdruck der Paraphrase von Psalm 46 folgt der Version in der Ausgabe der Opera (MORATA 1580, 232. 234), ist aber, soweit es die Fehler im Text betrifft, mit Hilfe des Autographs (vgl. Anm. 4) emendiert. Siehe auch die Hinweise in Anm. 9. Die Abweichungen vom Druck sind in der adnotatio critica vermerkt.

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Niklas Holzberg 15 Δῶμα θέλξει χρυσοφανὲς Θεοῦ τοῦ αἰὲν ἐόντος.

sanctificavit tabernaculum suum Altissimus.

Τῇ πόλει ταύτῃ γε γὰρ ἶϕ’ἀνάσσει Αὐτὸς ἀνθρώπων βασιλεὺς, θεῶν τε Κοίρανος, κ’οὐδεὶς πόνος, οὐδὲν ἀυτὴν 20 ἄλγος ἱκάνει.

Deus in medio eius,

Φῦλα μὲν λαῶν μεγαλοκρατούντων Πολλὰ καὶ πολλοὶ βασιλεῖς ἐς ἡμᾶς Ορμέονται, τῶν θορύβῳ κλονεῖται ἠχέτα γαῖα.

non commovebitur; adiuvabit eam Deus mane diluculo. conturbatae sunt gentes et inclinata sunt regna: dedit vocem suam, mota est terra.

25 Αὐτὰρ ὁ κρείων κρατερὸς μαχήμων Κοίρανος, πάσης στρατιᾶς ἀγαυὸς Αρχὸς, ἡμῶν χ’ἡμετέρων ἀρωγὸς κ’οὖρος ἐφάνθη.

Dominus virtutum nobiscum;

Ωθνος ἀνθρώπων μαθὲ πάντ’ ἐκείνου, 30 Ως κάλ’ ὡς θηητὰ τέτυκται ἔργα, Εν τε γῇ κᾀν δώμασιν οὐρανοῖο ἀστερόεντος.

venite et videte opera Domini, quae posuit prodigia super terram.

Τὴν μάχην αἰνὴν βροτέων καθεῖλε, Τὤγκυλον τόξον κατέαξεν, ἄξεν 35 Εγχος ἀυτοὺς δ’ ἂν πυρὶ κῇε ῥινοὺς λαμπετόωντι.

auferens bella usque ad finem terrae. arcum conteret et confringet arma, et scuta comburet igne.

Εἰς ἐμ’ ἄθρησον, πολέμαρχος εἶπε Κοίρανος, ποῖον κράτος, ὅπλα ποῖα, Εστί μοι; μoῦνος κρατέω βροτῶν τε 40 κ’οὐρανιώνων.

vacate et videte quoniam ego sum Deus: exaltabor in gentibus et exaltabor in terra.

Αὐτὸς ὁ κρείων κρατερὸς μαχήμων, Κοίρανος, πάσης στρατιᾶς ἀγαυὸς Αρχὸς, ἡμῶν χ’ἡμετέρων ἀρωγὸς κ’οὖρος ἐφάνθη.

susceptor noster Deus Iacob.

Dominus virtutum nobiscum; susceptor noster Deus Iacob.

Adn. crit.: 2 ἀῤῥηκτον ed. ǀ Θεός μου deb. ‖ 3 ἤλυσθεν ed. ‖ 4 μοδοῦσι ed. ‖ 6 πάσαν ed. ‖ 7 οὔρε’ deb. ǀ λεύσσῃς deb. ‖ 14 προχουέσα ed. ‖ 15 θέλξουσι ed. ‖ 18 θεῶντε ed. ‖ 29 μάθε deb. ‖ 31 Εντε ed. ǀ κᾂν ed. (deb. κἀν) ‖ 34 ἆξεν deb. ‖ 35 κῇ ἐρίνους ed. ‖ 39 μούνος κρατεω βροτῶντε ed.

Die sapphische Strophe wählte die Morata vielleicht, weil sie sich wenigstens partiell mit der größten Dichterin der Hellenen identifiziert haben könnte.29 Sie dürfte 29 Auf eine Stufe stellt die beiden Frauen Ofemianus I.C. in einem Epigramm, das in der Ausgabe der Opera von 1580 (MORATA 1580, 256) abgedruckt ist (Originalwortlaut): Εἴ σαπφὼ δεκάτη μουσάων ἐστὶν ἀδόντων ǀ Ενδεκάτη γράφετ’ Ολύμπια θειοτάτη. Es dürfte von dem (mit Blick auf AP 11,571,7f.) von Willibald Pirckheimer auf Hrotsvit von Gandersheim gedichteten Zweizeiler angeregt sein: Εἰ Σαπφὼ δεκάτη Μουσάων ἐστὶν ἀδόντων / Ῥόσβιδ ἑνδεκάτη

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aber deren Metrik nicht anhand der in verschiedenen griechischen Texten zitierten Fragmente, sondern anhand von Horazens im Sapphicum geschriebenen Oden erlernt haben; das ergibt sich, wie ich meine, allein schon daraus, dass von den insgesamt 33 Elfsilblern immerhin 9 mit einem einsilbigen Wort beginnen,30 was auch bei Horaz im Gegensatz zu Sappho mehrfach vorkommt. Es ist zudem denkbar, dass die Morata sich inhaltlich von Oden, in denen Augustus als Gott gepriesen wird, also vor allem 1,2 und 1,12, inspirieren ließ;31 eindeutige intertextuelle Bezüge habe ich aber bisher keine feststellen können. Da die Morata sich bei der sprachlichen Gestaltung primär an den beiden Homerischen Epen orientierte, machte sie die Vulgata-Version zum Ausgangspunkt für eine kuriose Form der Gattungskreuzung von Lyrik und Epos: Lyrisch ist das Metrum, episch sind (wie in den anderen Psalmenparaphrasen der Morata) die Diktion und speziell die Bildersprache. Nehmen wir als Beispiel die zehnte Strophe. Aus vacate et videte quoniam ego sum Deus wird da, wörtlich im Deutschen wiedergegeben, „Schau auf mich, sprach der Polemarch, der Herrscher, welche Macht, welche Waffen ich habe“, und aus exaltabor in gentibus et exaltabor in terra „allein habe ich Gewalt über die Sterblichen und die himmlischen Götter“. Nun, die Aussage des Originals in lateinischer Übertragung stimmt mit derjenigen der Paraphrase einigermaßen überein. Aber die Lexeme der Vorlage, die hier und im übrigen Psalm einer eher schlichten Sprache angehören, sind durch solche ersetzt, die nicht nur – wie etwa οὐρανιώνων32 – gesucht homerisch wirken, sondern das fromme Bekenntnis zu dem Gott des Alten Testamentes und seiner Allmacht in einen wuchtigen, an Pathos kaum zu überbietenden epischen und eher heidnisch klingenden Götterhymnos verwandelt. Nun hat wiederum Luther, der Psalm 46 beim Verfassen seines Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott“ im Auge hatte, wie man allgemein annimmt, die hebräische Lyrik in einen streitbaren Gesang transformiert, der zu einer Art Marseillaise des Protestantismus wurde, also den Bibeltext ebenfalls stark verändert; trutzige Verse wie „Und wenn die Welt voll Teufel wär / und wollt uns gar verschlingen, / so fürchten wir uns nicht so sehr, / es soll uns doch gelingen“ sind vom Wortlaut des Psalms noch weiter entfernt als die Elfsilbler und Adonei der Morata. Aber im Rahmen biblischer Diktion bleibt der Reformator durchaus, während man Μοῦσα καταγράφεται (zitiert nach Holzberg 1981, 95; dort weitere Lit.). Für den Hinweis auf diesen intertextuellen Bezug sei Stefan Weise herzlich gedankt.  30 1, 3, 9, 13, 17, 30, 31, 33, 37. Monosyllaba vor und nach der fünften Silbe und am Versende, die Horaz meidet, hat auch die Morata selten: zweimal (23, 35) nach, einmal (17) vor der fünften Silbe, fünfmal am Versende (2, 3, 15, 18, 39), wobei der Ausklang mit τε (18, 39) besonders homerisch klingt. Stets lang ist auch die vierte Silbe des Elfsilbers. 31 Die Morata könnte sich für die Wahl des Versmaßes auf diese Horaz-Oden gestützt haben, bes. auf Hor. carm. 1,2, da dort ebenfalls ein Unwetterszenario und Augustus als göttlicher Retter im sapphischen Versmaß präsentiert werden (Hinweis Stefan Weise). Dies lässt sich gut zum Beginn des Psalms und damit von Moratas Nachdichtung in Beziehung setzen (V. 1–11). Zur Verwendung und Charakteristik der sapphischen Strophe bei Horaz vgl. u.a. Numberger 31993, 60f. Zur Verwendung von Horaz als metrischem Vorbild für lyrische Maße in griechischen Gedichten von Humanisten vgl. Andrist/Lukinovich 2005, 696f. 702. 32 Man könnte auch mit „Uranionen“ übersetzen. Das Wort wird in z.B. in Hom. Il. 5,898 für die Titanen verwendet!

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bei der Morata denn doch eines fragen sollte: Hat sie nicht vielleicht zu den von ihr verwendeten Wörtern primär deswegen gegriffen, weil sie mit dem Versmaß Probleme hatte und daher in ihrem Wörterbuch so lange suchte, bis sie Lexeme mit der passenden Prosodie fand? Ich glaube nicht, dass man diese Frage beantworten kann, bevor man die Psalmenparaphrasen der Morata gründlich analysiert hat. Das wäre nach den zahlreichen biographistischen Morata-Arbeiten mit ihrer ständigen Artikulation der Hochachtung vor einer Frau, die schon als „Wunderkind“ philologisch und theologisch mehr wusste als mancher gestandene Mann, eine dringend notwendige Aufgabe der Renaissanceforschung. Ja, es ist höchste Zeit für eine exakte gräzistische Analyse dieser Dichtungen, durchgeführt von Spezialisten, die sich der Morata nicht patriarchalisch-schulterklopfiκῶς, aber auch nicht unter dem Einfluss streitbarer gender studies nähern.33

33 Ich verzichte darauf, die einschlägige Literatur zu zitieren; einiges findet man am Ende von Holzberg 2015. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts sei wie immer Regina Höschele und Maria Anna Oberlinner herzlich gedankt, für Literaturhinweise Stefan Weise.

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3. APPENDIX Griechischer Text von Moratas Laus Q. Mucii Scaevolae nach der Edition von 1580 [p. 9]

Laus Q. Mutij Scæuolæ. ΟΤΙ μὲν τὴν πατρίδα στέργειν προσήκει, καὶ χαριστήρια τροφῶν ἀυτῇ ἀποδιδόναι, πρόδηλόν γε πᾶσι, καὶ οὐδαμῶς ἀπόῤῥητον, 4 ὅτι δὲ καὶ εἰκότως ἄδονται παρὰ πάντων, ὅσοι ὑπὲρ ἀυτῆς κινδύνους τε καὶ καμάτους ὑπομεῖναι ἐ6 τόλμησαν, οὐδὲ τοῦτο ἔξαρνος ἄν τις εἴη. ἐμοὶ δὲ, κᾂν τοῖς μάλιστα, λόγου καὶ ἐπαίνου ἄξιος δοκεῖ ὁ μούκιος, περὶ οὗ τὸ 8 νῦν ἔχον ἔρχομαι λέξουσα. οὗτος γὰρ ῥωμαῖος ὢν τῶν εὐπατρίδων καὶ ἐπιφανῶν, νεανίσκος δὲ, περὶ πλείστου ποιήσας 10 σῶσαι τὴν πατρίδα, πολλοὺς καὶ τῶν γερόντων ἀρετῇ κ’ ἀνδραγαθίᾳ ὑπερέβαλε. σιτοδείας γάρ ποτε ἰσχυρᾶς γενο12 μένης ἐν τῇ πόλει, πορσέννας ὁ τῶν ἑτρουσκῶν βασιλεὺς πολέμιος τότε τῶν ῥωμαίων γενόμενος, βεβαίως ἤλπισε 14 ὑποχείριον ἀυτὴν ποιῆσαι. ὅ,τι ὁ μὲν μούκιος χαλεπῶς φέρων, διενόησεν ἅμα καὶ τὴν πόλιν τοῦ λιμοῦ καὶ τῆς 16 πολιορκίας ἀπαλλάττειν, καὶ τῷ βασιλεῖ ὧν ἐπεποιήκει δικαίαν δίκην ἐπιθεῖναι. πρῶτον οὖν μηδενὸς συνειδό18 τος, ἐπὶ τὰ τῶν πολεμίων στρατόπεδα ὁρμᾶσθαι ἔγνω. δεδιὼς δ’ ὅμως ὡς μὴ λαθούσης τῆς γερουσίας ἀποφεύγων 20 ἀφεστηκέναι νομίζοιτο, ἐν συλλόγῳ τῆς γερουσίας οὔσης τὸ διανοούμενον ἀυτῇ ἀνεκοίνωσε, τοιῶνδέ τινων λόγων 22 ἀρξάμενος· ἐν οἵοις ἐσμὲν, καὶ ἐς ὅσον κίνδυνον, ὦ ἄνδρες ῥωμαῖοι, ἐλθεῖν μέλλει ἡ πόλις, ὁρᾶτε. ὁ γὰρ πορσέν24 νας ἐς ἡμετέραν ἐρχόμενος, μεγίστων κακῶν αἴτιος ἡμῖν ὑπῆρχε, λιμοῦ τε ἅμα καὶ πολέμου. καὶ ὁ μὲν λιμὸς 26 τῇ τῶν ἐπιτηδείων ἀπορίᾳ ἀδιάλυτος ἡμῖν ἐπετελέσθη· ὁ δὲ πόλεμος οὐκ εὐδιάλυτος. ἢν γὰρ ἐπὶ πολλοὺς ὀλίγοι __________________________________________________________________ 2

Sim.: 9 ~ Liv. 2,12,2 adulescens nobilis ‖ 11–14 ~ Liv. 2,12,1 Obsidio erat nihilo minus et frumenti cum summa caritate inopia, sedendoque expugnaturum se urbem spem Porsinna habebat ‖ 17sq. ~ Liv. 2,12,3 primo sua sponte penetrare in hostium castra constituit. ‖ 18–21 ~ Liv. 2,12,4 dein metuens ne si consulum iniussu et ignaris omnibus iret, forte deprehensus … retraheretur ut transfuga, … senatum adit

__________________________________________________________________ App. crit.: 4 ᾄδονται deb. ǀ πάντων, Schubert] πάντων. ed. ‖ 8sq. εὐπατριδων ed. ‖ 10 γερόντον ed. ‖ 14 ὑποσχείριον ed. ǀ ὄ,τι ed. (pro ὃ vel τοῦτο) ‖ 21 τοίωνδέτινων ed. ‖ 25 λιμοῦτε ed. ǀ λιμός ed. ‖ 26 ἀπορία ed. ǀ ἐπετελέθη ed.

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[p. 10] τεταγμένοι ἴωμεν, περιττεύσουσιν ἡμῶν οἱ πολέμιοι, καὶ πολλαπλασίους ὄντας εὖ δεξόμεθα. ἢν δ’ αὖ τῷ πορ‹-› σέννᾳ τὴν πόλιν προδώσομεν, καὶ ἀυτὸς τὴν πόλιν 4 λαβὼν, ἡμῶν ἄρξει, μηδεπώποτε τῆς δουλείας ἀπαλλάττεσθαι δυνησόμεθα. πᾶσι γὰρ τοῖς τυράννοις ἄσβεστός 6 τις ἔμφυτός ἐστιν ἔρως πρὸς τὸ ἄρχειν. ἐάσομεν οὖν κινδυνεύεσθαι τὴν πατρίδα, τὸν βίον ἡμῶν τῆς ἐλευθερίας προ8 κρίναντες; ἀλλὰ γενναίως ἀποθανεῖν μᾶλλον, ἢ μετ’ αἰσχύνης βιῶναι, πρὸς ῥωμαίων τρόπου ἐστί. τὸ μὲν γὰρ τελευ10 τῆσαι πάντων τὴν πεπρωμένην κατακρῖναι ἐπιστάμεθα· τὸ δὲ καλῶς ἀποθανεῖν ἴδιον τοῖς σπουδαίοις ἡ φύσις 12 ἀπένειμεν. ἐγὼ δὲ τοὺς μὲν ἄλλους οὐδὲ λοιδορῶ, οὐδ’ αἰτιῶμαι νῦν μέλλοντας. ἀπειρήκασι γὰρ οἱ πλεῖστοι βαδίζον14 τες, καὶ τρέχοντες, καὶ ὅπλα φέροντες: ἀλλὰ τὸ ἐμοὶ δοκοῦν κάλλιστον ἔσεσθαι δράσαντι, τοῦτο ἐξηγήσομαι. δεινῶς 16 γὰρ, ὦ ἄνδρες, ἐπιθυμῶ ἐπικρυπτόμενος πορεύεσθαι ἐπὶ τοὺς πολεμίους, πειρασόμενος σὺν τοῖς θεοῖς ἀμύνεσθαι ἀδι18 κοῦντα τὸν βασιλέα, ἢ ἀυτὸν φονεύσας, ἢ ἄλλο τι δράσας γεν‹-› ναῖον τόλμημα, ὃ καὶ τῶν ὀψιγόνων τις εὖ εἶποι. ἀλλὰ καὶ 20 τοῦτο καλῶς μὲν ἐξηργασμένον πᾶσιν ὑμῖν καὶ τῇ πατρίδι καλὸν ἔσται· κακῶς δὲ πεπραγμένον, οὐκ ἄλλῳ τινὶ 22 πλὴν ἐμοὶ κακόν. χρὴ δ’ ὅμως ὑμᾶς ἐς τὸ κοινὸν καταθέντας τοῦτο σκοπεῖν, καὶ συλλεγέντας βουλεύεσθαι. ἢν 24 γὰρ τοῦτο καὶ ὑμεῖς ἐν καλῷ νομίζεται, πορεύομαι. τοιαδέ τινα λέξαντος, ἅπαντες τὴν βουλὴν ἐπῄνεσαν, ἀυτόν 26 τε ἀφήκεσαν. ὁ δ’ ἀποδραμὼν, καὶ τὸ ξίφος ὑποκόλπιον φέρων ᾤχετο, ἀφικόμενος δὲ εἰς τὸ πεδίον, ἔνθα 28 ἐστρατοπεδεύοντο οἱ ἑτρουσκοὶ, παρέστη τῷ βασιλικῷ βήματι, ὅπου τῇ στρατιᾷ τὸν μισθὸν ἐκποριοῦντά τινα ἑώ30 ρακε τῷ βασιλεῖ παρακαθιζόμενον ἐμφερῆ τῷ ἐκεί__________________________________________________________________ 2

Sim.: 15-19 ~ Liv. 2,12,5 Transire Tiberim, inquit, patres, et intrare, si possim, castra hostium volo …; maius si di iuvant in animo est facinus. ‖ 25 ~ Liv. 2,12,5 adprobant patres ‖ 26-30 ~ Liv. 2,12,5sq. abdito intra vestem ferro proficiscitur. Ubi eo venit, in confertissima turba prope regium tribunal constitit. Ibi cum stipendium militibus forte daretur et scriba cum rege sedens pari fere ornatu

__________________________________________________________________ App. crit.: 2 ἐυδεξόμεθα ἦν ed. ‖ 4 ἄρξεις ed. ‖ 12sq. αἰτιώμαι ed. ‖ 19 deb. εἴποι ‖ 20 deb. ἐξειργασμένον ‖ 24 νομίζητε (?) ‖ 24sq. deb. τοιάδε τινὰ ‖ 26 ἀφήκεσαν ὁ ed.

Livius und die Vulgata mit der Gräzität beschenkt

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[p. 11] νου σχήματι, καὶ παμπλείστοις τῶν δορυφόρων, ὥσπερ καὶ ἀυτὸν τὸν βασιλέα περικυκλωθέντα. ἦν δ’ οὗτος ὁ τοῦ βασι‹-› λέως γραμματεὺς. ἀπορῶν δ’ ὁ μούκιος, εἰ οὗτος ἂν ἀυτὸς 4 ὁ βασιλεὺς εἴη, ἐρωτᾶν δ’ ὅμως οὐ τολμῶν, ὡς οὐκ ἀκίνδυνον τοῦτο νομίζων ἔσεσθαι, οὐ μὴν οὐδ’ ἄπρακτος ἐπαναχω6 ρεῖν βουλόμενος, ὡς οὐ καλὸν τοῦτ’ ἔσεσθαι ὑπολαμβάνων, τοῦ μὲν βασιλέως ἥμαρτεν, ἀντὶ δ’ ἐκείνου τὸν γραμματέα κα8 τέκτανεν. ἔπειτα δ’ ἀναστραφεὶς, καὶ τὴν ἀπόδρασιν βουλευόμενος, αἵματι στάζον τὸ ξίφος ἐν χεροῖν φέρων, ὡς ἐ10 πιμάρτυρα τοιούτου καὶ τοσούτου τολμήματος, συνθεούσης πανταχόθεν τῆς στρατιᾶς πρὸς τὴν βοάν τε καὶ κραυγὴν, 12 ὑπὸ τῶν σωματοφυλάκων ὡς ἐπὶ θανάτου συνειλήφθη, ἀνελκόμενος πρὸς τὸ βῆμα, ὅπου ὁ βασιλεὺς ἦν. ἀλλὰ καὶ 14 τότε μήτε ὠχριῶν μήτε παντοῖος γενόμενος, φοβῶν δὲ μᾶλλον ἢ φοβούμενος, τοιαῦτ’ ἐπαῤῥησιάσατο· ἐγὼ μέν 16 τοι ὁ μούκιος ῥωμαῖος ὢν τυγχάνω, πολέμιος τῶν πολεμίων γενόμενος. καὶ πάλαι δὴ ἀκριβῶς ἐμαυτὸν πέπεικα, ὅτι 18 ἐκ παντὸς τρόπου ὠφελητέα ἡ πατρὶς, ἄλλως τε, καὶ μάλιστα ὁπόταν ἐν πόνῳ καθεστηκυῖα κινδυνεύει. νῦν οὖν ἀυτὴν τε‹-› 20 τρυμμένην εἰς τὸ ἔσχατον κακοῦ, καὶ πεπολιορκισμένην παρὰ σοῦ ἑωρακὼς, δεῦρο παρὰ τῶν ῥωμαίων ἀυτεμόλη22 σα, τήν τε ψυχὴν καὶ τὸν βίον τὸν ἐμὸν ἐν οὐδενὶ λόγῳ ποιούμενος, ἀλλὰ καὶ οὐδενὸς ἀπολειπόμενος πόνου, ἐφ’ ᾧ τε σὲ 24 τὸν ἀδικοῦντα κακῶς ἀντιποιεῖν. ἕτοιμοι γάρ εἰσιν οἱ ῥωμαῖοι μήτ’ ἀδικεῖν, μήτ’ ἀυτοὶ ἀδικεῖσθαι. ἀλλ’ ἐπειδὴ σφαλεῖ26 σα ἡ χεὶρ ἀπέτυχεν, οὐδὲν χαλεπαίνω τὴν ἀστοχίας δίκην δωσόμενος. πράττειν γὰρ ἅμα καὶ πάσχειν δεινὰ πρὸς ῥωμαί28 ων ἐστίν, οὐ λείψονται δέ σοι καὶ ἄλλοι τῆς ἀυτῆς γνώμης μετέχοντες. ὥστε ἐπειδὴ πόλεμον μᾶλλον ἢ εἰρήνην ἄγειν, καὶ __________________________________________________________________ 2

Sim.: 3–8 ~ Liv. 2,12,7 timens sciscitari uter Prosinna esset, ne ignorando regem semet ipse aperiret quis esset, quo temere traxit fortuna facinus, scribam pro rege obtruncat. ‖ 8–15 ~ Liv. 2,12,8 Vadentem inde qua per trepidam turbam cruento mucrone sibi ipse fecerat viam, cum concursu ad clamorem facto comprehensum regii satellites retraxissent, ante tribunal regis destitutus, tum quoque … metuendus magis quam metuens … inquit ‖ 15–17 ~ Liv. 2,12,9 Romanus sum, inquit, civis; C. Mucium vocant. Hostis hostem occidere volui. ‖ 27–29 ~ Liv. 2,12,9sq. et facere et pati fortia Romanum est. Nec unus in te ego hos animos gessi; longus post me ordo est idem petentium.

__________________________________________________________________ App. crit.: 7 ἀντί δ’ ed. ‖ 15 ἤ ed. ǀ ἐπαῤῥησιάσατο∙] ἐπαῤῥησιάσατο. ed. ‖ 18 ἄλλωστε ed. ‖ 19 καθεστηκυία ed. ‖ 20 ἔχατον ed. ‖ 23 ἀπολοιπόμενος ed. ‖ 28 ἐστιν οὐ ed. ǀ μείψονται ed. ‖ 29 ὥς τε ed.

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Niklas Holzberg

[p. 12] ἐχθρὸς ῥωμαίων μᾶλλον ἢ φίλος καλεῖσθαι προὔκρινας, σκεπτέον ὅπως μὴ ἀπαρασκευαστοτέρῳ μαχοίμεθά σοι. ἠπιστησάμεθα γὰρ, ὅτι οὔτε πλῆθός ἐστιν, οὔτε ἰσχὺς, ἡ ἐν τῷ 4 πολέμῳ τὰς νίκας ποιοῦσα, ἀλλ’ ὁπότεροι ἂν ταῖς ψυχαῖς ἐῤῥωμενέστεροι ἴωσιν ἐπὶ τοὺς πολεμίους, τούτους ὡς 6 ἐπιτοπολὺ οἱ πολέμιοι οὐ δέχονται, διὸ καὶ ἡμεῖς οὔτε λόχους ἢ φάλαγγας, οὔτε στρατιὰν προσάξομεν, ἀλλ’ εἷς καθ’ 8 ἑνὸς μαχήσῃ, οὔτ’ ἐν πεδίῳ, ἀλλ’ ἐντὸς τῆς σκηνῆς, καὶ παρ’ ἀυτῷ τῷ βήματι, ἐν ᾧ καθήμενος τυγχάνεις, ὥ10 σπερ καὶ τὸ νῦν. τοιοῦτον σοὶ τὸν πόλεμον καταγγέλλει ἡ ῥωμαίων νεότης. ὁ δὲ βασιλεὺς βαρέως ἀχθόμενος φανερὸς 12 ἦν, καὶ ἐκπληχθεὶς τῷ κινδύνῳ, πῦρ ἀνακαίειν ἐκέλευσεν. ὁ δὲ μούκιος πρὸς ἀυτὸν στραφεὶς, ὦ βασιλεῦ, εἶπεν, ἰδοῦ 14 ὡς καταφρονοῦσι τοῦ θανάτου, οἷς ἡ μὲν τιμὴ καὶ ἡ ἀρετὴ καὶ τὸ κλέος προσφιλέστερα τοῦ σώματός ἐστιν. ἅμα τε τοῦτ’ εἰ16 πὼν, τὴν δεξιὰν εἰς τὸ πῦρ ἀυτομάτως καὶ προπετῶς ἐνέβαλε, καὶ ὥσπερ ἔξω ἑαυτοῦ γενόμενος, ἢ καὶ πᾶσαν 18 τὴν αἴσθησιν ἀφῃρημένος, τὴν χεῖρα κατέκαυσεν. ὁ δὲ βασιλεὺς εἰσορῶν τοῦτο τὸ δυσχερὲς καὶ ἀθέατον θέαμα, 20 ἀυτὸς μᾶλλον ἢ ὁ κεκακωμένος χαλεπαίνεσθαι ἐφάνη. σβέννυσθαι οὖν τὸ πῦρ ἐκέλευσεν, ἀυτὸς δὲ τὸν νεανίσκον 22 προσειπὼν· σὺ μὲν, ἔφη, ὦ νεανίσκε, ἄπιθι δὴ, εἰς σαυ‹-› τὸν μᾶλλον ἔτι ἢ εἰς ἐμὲ δεινὰ τετολμηκὼς. παραινέσαιμι 24 δ’ ἄν σε πρὸς τὰ ὅμοια καὶ τὸ λοιπὸν τολμῆσαι, εἰ ἀντ’ ἐμῆς τῆς πατρίδος τοιαῦτα τολμήσειας. νῦν δ’ ὅμως, ὅτι 26 σε κατανενόηκα ἄνδρα ἀγαθὸν καὶ φιλόπατριν εἶναι, ἐπὶ τούτοις ἀφίημί σε. ὁ δὲ μούκιος, ἅτε ἀμειψόμενος τὸν βα‹-› 28 σιλέα χάρισιν ἀξίαις, ἐμήνυσεν ἀυτῷ τὴν ἐπιβουλήν. ὁ δὲ βασιλεὺς ἀφηκὼς τὸν μούκιον, καὶ πάλιν τοῖς ῥω__________________________________________________________________ 2

Sim.: 10sq. ~ Liv. 2,12,10 Hoc tibi iuventus Romana indicimus bellum. ‖ 11–17 ~ Liv. 2,12,12sq. Cum rex simul ira infensus periculoque conterritus circumdari ignes minitabundus iuberet …, ‚En tibi‘ inquit, ‚ut sentias quam vile corpus sit iis qui magnam gloriam vident‘; dextramque accenso ad sacrificium foculo inicit. ‖ 17–21 ~ Liv. 2,12,13 Quam [sc. dextram] cum velut alienato ab sensu torreret animo, prope attonitus miraculo rex cum … prosiluisset amoverique ab altaribus iuvenem iussisset, … inquit ‖ 22–27 ~ Liv. 2,12,14 ‚Tu vero‘ inquit, ‚in te magis quam in me hostilia ausus. Iuberem macte virtute esse, si pro mea patria ista virtus staret; nunc iure belli liberum te, intactum inviolatumque hinc dimitto.‘ ‖ 27sq. ~ Liv. 2,12,15sq. Tunc Mucius, quasi remunerans meritum, …

__________________________________________________________________ App. crit.: 2 μαχοίμεθάσοι ed. ‖ 4 ἄν ed. ‖ 6 δέσχονται ed. ‖ 13 βασιλεῦ,] βασιλεῦ ed. ‖ 15 ἅματε ed. ǀ τοῦτ’, εἰπὼν ed. ‖ 23 ἐμέ ed. ‖ 24 ἄνσε ed. ‖ 26 κατα νενόηκα ed.

Livius und die Vulgata mit der Gräzität beschenkt

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[p. 13] μαίοις διὰ φιλίας ἰέναι βουλόμενος ἔπεμψεν ἅμα πρέσ‹-› βεις, δοῦναί τε καὶ λαβεῖν πιστὰ ἀυτοὺς κελεύων, εἰς τοσοῦτον ἐτάραξεν ἀυτὸν ἐπικρεμάμενος παρὰ τῶν συμπνε4 όντων ὁ κίνδυνος. οὕτω γοῦν ὁ μὲν πόλεμος διελύθη. ὁ δὲ μούκιος, ἔπειτα ἀπὸ τῆς δεξιᾶς τῆς κεκολοβωμένης σκαι‹-› 6 βόλας ἐπονομάσθη· ᾧ τινι καὶ το καλλιστεῖον ἐδωρήθη παρὰ τῆς συγκλήτου, ἀγρὸς αὐτοῦ ἀπαντικρὺ τῆς πόλε8 ως ὑπὲρ τὸν τύβριν κείμενος, ὅντινα καὶ εἰς τοὔπισθεν λειμῶνα τοῦ μουκίου ἐπικαλεσθῆναι λέγουσι. __________________________________________________________________ 2

Sim.: 1–4 ~ Liv. 2,13,1sq. … legati a Prosinna Romam secuti sunt; adeo moverat eum et primi periculi casus … et subeunda dimicatio totiens quot coniurati superessent, ut pacis condiciones ultro ferret Romanis ‖ 4–6 ~ Liv. 2,13,1 cui postea Scaevolae a clade dextrae manus cognomen inditum ‖ 6–9 ~ Liv. 2,13,5 Patres C. Mucio virtutis causa trans Tiberim agrum dono dedere, quae postea sunt Mucia prata appellata. _______________________________________________________________________________ App. crit.: 2 δοῦναιτε ed. ‖ 4 οὓτω ed. ‖ 6 ἐπωνομάσθη deb.

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Niklas Holzberg

LITERATUR a) Primärquelle MORATA 1580 = OLYMPIÆ ‖ FULVIÆ ‖ MORATÆ, FOE-‖MINÆ DOCTISSIMÆ, AC ‖ planè diuinæ, Opera omnia cum eru=‖ditorum testimonijs. ‖ […] ‖ BASILEAE ‖ EX OFFICINA PETRI PERNAE ‖ M. D. LXXX.

b) Sonstige Literatur Andrist/Lukinovich 2005 = P. Andrist/A. Lukinovich, Poesis et mores. Florent Chrestien, JosepheJuste Scaliger et les Psaumes en vers grecs du Bernensis A 69, in: A. Kolde/A. Lukinovich/A.L. Roy (Hgg.), κορυφαίῳ ἀνδρὶ. Mélanges offertes à André Hurst, Genève 2005, 673–715. Bach/Galle 1989 = I. Bach/H. Galle, Psalmendichtung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Untersuchungen zur Geschichte einer lyrischen Gattung, Berlin usw. 1989 (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der Germanischen Völker; 95). Burck 1934 = E. Burck, Die Erzählungskunst des T. Livius, Berlin 1934 (= Problemata; 11); Zweite, um einen Forschungsbericht vermehrte, photomechanische Auflage, Berlin/Zürich 1964. Flood/Shaw 1997 = J.L. Flood/D.J. Shaw, Johannes Sinapius (1505–1560): Hellenist and Physician in Germany and Italy, Genève 1997. Golega 1960 = J. Golega, Der Homerische Psalter. Studien über die dem Apolinarios von Laodikeia zugeschriebene Psalmenparaphrase, Ettal 1960 (= Studia Patristica et Byzantina; 6). Holzberg 1981 = N. Holzberg, Willibald Pirckheimer. Griechischer Humanismus in Deutschland, München 1981 (= Humanistische Bibliothek; I 41). Holzberg 1982 = Ders., Olympia Morata (1526–1555), in: Fränkische Lebensbilder Bd. 10, Neustadt a. d. Aisch 1982, 141–156. Holzberg 1987 = Ders., Olympia Morata und die Anfänge des Griechischen an der Universität Heidelberg, in: Heidelberger Jahrbücher 31 (1987), 77–93. Holzberg 2000 = Ders., Hans Sachs und Olympia Morata, in: D. Klein (Hg.), Vom Mittelalter zur Neuzeit. Festschrift für Horst Brunner, Wiesbaden 2000, 559–568. Holzberg 2015 = Ders., Art. „Morata, Olympia (Moretto)“, in: W. Kühlmann et al. (Hgg.), Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, Berlin 2015, 475–480. Kößling/Weiss-Stählin 1991 = R. Kößling/G. Weiss-Stählin, Olympia Fulvia Morata: Briefe. Aus dem Lateinischen, Italienischen und Griechischen. Mit Einleitung, Anmerkungen, Literaturund Personenverzeichnis, Leipzig 1991. Numberger 31997 = K. Numberger, Horaz. Lehrer-Kommentar zu den lyrischen Gedichten, Münster 3 1997. Pausch 2011 = D. Pausch, Livius und der Leser. Narrative Strukturen in ab urbe condita, München 2011 (= Zetemata; 140). Reicke 1940 = E. Reicke (Hg.), Willibald Pirckheimers Briefwechsel. In Verbindung mit Arnold Reimann gesammelt, hg. und erläutert. Bd. 1, München 1940 (= Humanistenbriefe; 4). Weise 2011 = S. Weise, Μοῦσα Ἁλληνική. Griechische Gedichte hallescher Gelehrter, in: M. Hillgruber/R. Lenk/S. Weise (Hgg.), HYPOTHESEIS. Festschrift für Wolfgang Luppe zum 80. Geburtstag = APF 57/2 (2011), 399–429. Weng 2003 = G. Weng, Camerarius’ griechische Gestaltung des 133. Psalms – nur eine Paraphrase, in: R. Kößling/G. Wartenberg (Hgg.), Joachim Camerarius, Tübingen 2003, 175–205.

GRIECHISCHE VERSEPISTELN IM 16. JAHRHUNDERT Johannes Clajus d. Ä. (1535–1592) an die Gelehrten seiner Zeit Paul A. Neuendorf

Argumentum: Ioannes Claius maior Hertzbergae Saxonum natus anno 1570° Graecorum poematum libros Witebergae curavit imprimendos. E quibus epistulas ad summos viros (puta Melanchthonem, Camerarium, Peucerum, Thaborem) versibus conscriptas hoc loco edidi et versionem Theodiscam adieci. Claius ille enim quamquam rectore Sibero apud Grimmenses artibus imbutus et Lipsiae Camerario magistro linguae Graecae usus erat, tamen studiis doctrinae intermissis nondum baccalaureus ab ipso Melanchthone commendatus in patria suscepit scholae gubernacula. Difficultatibus autem quibusdam adductus paulo post in Silesiam se contulit et in schola Goldbergensi docendi munere functus est. Eo igitur tempore has confecit epistulas, ut non solum viros doctos sibi amicos faceret, sed etiam amicitiam eorum versibus scribendis coleret celebraretque. Qua de causa hae epistolae nobis illius aetatis usum linguae Graecae, amicitiae cultum, vitam demonstrant.

EINLEITUNG1 Bei den Recherchen zu dem von Volker Leppin und Daniel Gehrt herausgegebenen Tagungsband der Forschungsbibliothek Gotha „Paul Eber (1511–1569). Humanist und Theologe der zweiten Generation der Wittenberger Reformation“ (Gotha, 2014) geriet der Druck IOHANNIS CLAII ‖ HERTZBERGENSIS ‖ Græcorum poematum li=‖ bri sex. ‖ WITEBERGÆ ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M.D.LXX (= VD16 C 3991) in das Blickfeld der Mitarbeiter der Gothaer Studienstätte Protestantismus. Dieser äußerst seltene Druck enthält die griechischen Dichtungen des aus Herzberg stammenden Humanisten und Theologen Johannes Clajus d. Ä. (1535–1592), der besonders für die erste Deutsche Grammatik Bekanntheit erlangte.2 In dem 1570 erschienenen Druck, der nur eine Auflage erfahren sollte, sind die meisten griechischen Dichtungen von Clajus gesammelt herausgegeben. Der Band 1

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Der vorliegende Aufsatz ist ein überarbeiteter und gekürzter Teil meiner Masterthesis aus dem Jahr 2014. Die Arbeit wurde am Institut für Altertumswissenschaften der Friedrich-SchillerUniversität Jena eingereicht und von Herrn Prof. Dr. Rainer Thiel sowie Herrn PD Dr. Oliver Ehlen begutachtet. Ein Vortrag über die Arbeit folgte im Juni 2014 in Halle (XV. Aquilonia 2014). Clajus 1578.

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Paul A. Neuendorf

ist in sechs Bücher gegliedert, denen ein Widmungsgedicht an Kurfürst August vorangeht. Die ersten beiden Bücher enthalten Betrachtungen über Sonntagsevangelien des ganzen Jahres. Das dritte Buch birgt „heilige Betrachtungen“3 über die Grundsätze der christlichen Lehre. Auf die 14 Versepisteln des vierten Buchs folgen Trauergedichte, Grabschriften und Sinngedichte im fünften Buch. Der letzte Teil des Bandes schließt mit Betrachtungen zu Hesiods „Erga“. Bei genauerer Betrachtung der Briefsammlung erwiesen sich ein Teil der Adressaten als bedeutende Gelehrte und Theologen der frühen Neuzeit. Ebenso wie Episteln an Joachim Camerarius (1500–1574), Caspar Peucer (1525–1602) und den erwähnten Paul Eber gehört auch ein Brief an Philipp Melanchthon (1497–1560) zum Corpus, der der Zweigstelle „Melanchthon–Briefwechsel“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bis dahin noch unbekannt war. Der Herzberger Humanist publizierte jedoch auch Briefe an heute weniger bekannte Gelehrte wie beispielsweise Sigismund Melanchthon (1537–1573), den Neffen des großen Wittenberger Gelehrten, oder an Humanisten aus dem schlesischen Raum wie Martin Thabor (1524–1579), Georg Helmrich (1526–1580) oder Christoph Schilling (†1583). Das für diese Arbeit verwendete Exemplar des Drucks Græcorum Poematum libri sex stammt, wie die Gothaer Signatur „Ilf II 8° 02931“ verrät, ursprünglich aus der Schulbibliothek der Ilfelder Klosterschule Michael Neanders. Wenn der Druck für Unterrichtszwecke genutzt wurde, konnten die enthaltenen Dichtungen als Stilmuster für das Verfassen von griechischen Versen gedient haben. Zumindest liegt es nahe, dass Clajus sein Werk als Lehrbuch konzipiert hatte. Die Tatsache aber, dass der Druck keine weitere Auflage erhalten sollte, spricht gegen eine ausgeprägte Benutzung im Unterricht.

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Goldhagen 1751, 29.

Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert

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1. JOHANNES CLAJUS D. Ä. – EINE BIOGRAPHISCHE EINFÜHRUNG Johannes Clajus4 wurde am 24. Juni 1535 in Herzberg an der schwarzen Elster geboren.5 Über seine Kindheit gibt lediglich der Eintrag in das Grimmenser Album „ein armer elender ways, dem sein vatter vor etzlichen Jaren yn gott verstorben“6 ein wenig Aufschluss bezüglich seiner Herkunft und Familienverhältnisse. Clajus besuchte von 1550 bis 1555 mittels eines kurfürstlichen Stipendiums7 die neu gegründete und von Adam Siber (1516–1584)8 geleitete Fürstenschule in Grimma.9 4

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6 7

8 9

Zur Forschungsgeschichte: Die Gedichte, die zum Druck Græcorum Poematum libri sex gehören, liegen bisher noch in keiner publizierten Übersetzung oder modernen Edition vor. Mitte des 18. Jhs. veröffentlichte Johann E. Goldhagen eine kleine Schrift über Clajus, in der er die wenigen Informationen, die er aus des Herzbergers Schriften selbst zieht, darlegt (Goldhagen 1751). Ferner wird ein unvollständiges, aber mit Regesten versehenes Werkverzeichnis des Gelehrten geboten. Goldhagen erwähnt zwar die griechischen Briefe, listet aber nur die ihm bedeutend erscheinenden Empfänger auf: Melanchthon, Camerarius, Eber und Peucer. Theodor Perschmann, der die Briefe ebenfalls erwähnt (Perschmann 1874), gesteht ihnen zwar durchaus reiche biographische Informationen zu, beschränkt seine Ausführungen jedoch auf die Wiedergabe des zwölften Briefs (Perschmann 1874, 18). Der 1981 erschienene Aufsatz von Ernst Fischer ist im Ganzen eine Zusammenfassung von Goldhagen, Perschmann und der Bendelebener Chronik (Fischer 1981). Anlässlich des 400. Todestages von Clajus erschien etwa zehn Jahre später nochmals eine Festschrift, die sich die Bendelebener Zeit von Clajus zum Schwerpunkt setzt (Höfer/Lange/Schaller 1992). Sie geht im biographischen Teil nicht über die bisherige Forschung hinaus. Die letzte Monographie zu Clajus, die überarbeitete Dissertation der Germanistin Heike Drobner-Dechering, gibt zwar einen umfangreichen Überblick zur Biographie des Humanisten und listet sämtliche Publikationen von Clajus sowie die einschlägige Forschungsliteratur auf (Drobner-Dechering 22010), inhaltlich ist sie aber weitgehend von ihren Vorgängern abhängig. Der letzte Beitrag zur Clajusforschung ist der Artikel von Joachim Telle, der dem Leser neben einem kurzen Abschnitt zur Vita ein hilfreiches Literaturverzeichnis angibt (VL16 2, 1–6). Perschmann stellte als erster das korrekte Geburtsjahr fest. Goldhagen setzte es fälschlicherweise einige Jahre früher an (vgl. Perschmann 1874, 9). – Damals gehörte Herzberg zum ernestinischen Sachsen; nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg verloren die Ernestiner die Kurwürde und auch den Herzberger Raum zugunsten der albertinischen Linie. Heute liegt es in Brandenburg. Das Wappen der Stadt zeigt einen roten Hirsch, was verdeutlicht, dass sich der Stadtname von „Hirschberg“ ableitet. Clajus nennt seine Heimat in den Gedichten mehrfach in der Art ὀνομαζομένη ἔλαφός τε καὶ οὖρος (vgl. Brief 5, V. 49). Lorenz 1850, 2. Durch die Vergabe von Stipendien war es möglich, die Schulen auch für begabte Kinder aus ärmlichen Verhältnissen zu öffnen. Von den 230 Schülern in Grimma wurden 100 von Pfarrern und Schulmeistern oder Magistraten der jeweiligen Städte vorgeschlagen, 76 Plätze standen adligen Schülern zu und 54 Plätze konnte der Kurfürst selbst vergeben (vgl. Gössner 2003, 35). Ein Vorteil, der auch unserem Clajus zu Gute kam: auch die Stadt Herzberg durfte eine Freistelle in Grimma besetzen. Die Wahl fiel auf Clajus (vgl. Perschmann 1874, 10). Perschmann zufolge wurde Siber seinem Schüler Clajus ein väterlicher Ersatz (vgl. ders. 1874, 11). Im Jahr 1543 initiiert Herzog (ab 1547 Kurfürst) Moritz von Sachsen umfassende Erneuerungen des Bildungswesens und lässt in der neuen Landesordnung drei zu gründende protestantische Fürstenschulen vorsehen. Neben Schulpforta und Meißen, die ohne Verzögerung gegründet wurden, sollte ebenfalls in Merseburg eine Schule eröffnet werden. Doch der heftige Widerstand des Merseburger Bischofs vereitelte den Plan, weshalb die geplante Schule erst 1550

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Paul A. Neuendorf

Die Tatsache, dass den vorherigen Lehrern in Herzberg – da sie ihn wohl für das Stipendium empfohlen haben müssen – sein Potential auffiel, zeigt, dass er nicht nur die dortige Schule besuchte, sondern auch durch schulische Leistungen glänzte.10 In Grimma konnte er seine philologische Ausbildung vertiefen; der Unterricht sowie Speise und Kleidung wurden vom Kurfürst finanziert.11 Auf Anordnung des Kurfürsten August von Sachsen (1526–1586) sollten Melanchthon und Camerarius 1554 Visitationen in der Fürstenschule zu Grimma durchführen und durch Auslese der unbegabteren Schüler die Gesamtzahl der Lernenden auf 100 reduzieren.12 Diese Visitationen fanden vom 11. bis zum 24. September statt,13 bei denen sich auch die ersten Begegnungen zwischen den Professoren und dem jungen Clajus begeben haben werden. Aufgabe der Visitatoren war es nämlich nicht nur, die Berichte des Rektors und der Lehrer zu begutachten, sondern ebenfalls jeden einzelnen Schüler zu überprüfen.14 Begleitet wurden die beiden Griechischprofessoren unter anderen von Wolfgang Meurer (1513–1585),15 der ebenfalls an dem Entwurf der Ordnung für die kurfürstlichen Landesschulen mitwirkte.16 Um Kosten zu sparen,17 wurden auf kurfürstlichen Befehl die Überprüfungen der Landesstipendiaten schärfer kontrolliert. Neben den von Melanchthon geleiteten Examina und dem Unterricht durch einen Präzeptor wurde auch verlangt, dass ebenjene Studenten ihre Kenntnisse durch schriftliche Arbeiten unter Beweis zu stellen hatten.18 Da der junge Herzberger bereits ein Jahr später – finanziert durch ein kurfürstliches Stipendium – das Studium in Leipzig, dem „berühmten Sitz der Wissenschaften“,19 aufnahm, ist davon auszugehen, dass die Visitatoren Clajus für sehr begabt und weiterhin für eines Stipendiums würdig erachteten. Das Studium, das Clajus besonders dazu nutzte, seine griechischen Sprachkenntnisse bei seinem Lehrer Camerarius zu vertiefen, musste er noch vor dem Baccalaureat beenden, vermutlich weil er sich mit Anna Starcke verlobte und sie

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gegründet wird, – jedoch in Grimma. Alle drei Bildungseinrichtungen sollten in sechs Jahren zur Universitätsreife führen (vgl. Hermann 2009, 486 und Ratajszczak 2009, 65, bes. Anm. 150). Dass die Wahl der dritten Schule auf die Stadt Grimma fiel, ist vermutlich Melanchthon und Camerarius zu verdanken, die den Kurfürsten in dieser Angelegenheit berieten (vgl. Höfer/Lange/Schaller 1992, 20). Die Stadtschule war, wie im Weiteren noch ausgeführt wird, von Melanchthon seit 1538 geprägt. Clajus kam also bereits in seiner Heimat in den Genuss, Latein, möglicherweise auch schon Griechisch zu lernen (vgl. Drobner-Dechering 22010, 32; hier ist auch der Lehrplan aufgeführt). Vgl. Goldhagen 1751, 9. Vgl. MBW Nr. 7377 sowie Gössner 2003, 38. Vgl. MBW Nr. 7382. Vgl. MBW Nr. 7382. Vgl. MBW Nr. 7381, 7382. Vgl. MBW Nr. 5614. Der Wille, bei der Ausbildung seiner Untertanen zu sparen, zeigt sich auch daran, dass Kurfürst August im Januar 1555 anordnete, die Schülerzahlen in Grimma auf 100 zu reduzieren (MBW, Nr.7377). Vgl. Hasse 1997, 59. Goldhagen 1751, 9.

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schließlich im Juli 1558 heiratete.20 Diese Hochzeit verhinderte zwar nicht das Studium an sich, wohl aber das kurfürstliche Stipendium.21 Da Clajus auf finanzielle Unterstützung angewiesen war und ohne diese das Studium nicht fortsetzen konnte, mag der Grund für die zeitige Eheschließung wohl nicht (nur) im „Wunsch des Verliebten nach kirchlich sanktionierter Zweisamkeit“22, sondern eher in einer anstehenden Dreisamkeit gelegen haben. In dieser misslichen Lage fand Clajus Hilfe bei seinem Gönner Melanchthon, der ihn mit einem am 14. August 1558 verfassten Schreiben erfolgreich als Schulmeister nach Herzberg empfahl.23 Das Lehramt in Herzberg war eine Prestigestelle:24 Herzberg war die erste Schule, an der die humanistisch geprägte Schulordnung Melanchthons in Kraft trat (1538).25 Die Schule in jener Elsterstadt war demnach einerseits Prototyp, andererseits Vorzeigepädagogium der Wittenberger Humanisten.26 Der damals 23-jährige Clajus trat die Stelle als Schulrektor in Herzberg noch im gleichen Jahr an.27 Ihm untergeordnet waren die Stellen des Kantors und des Küsters.28 Jedoch wurde Clajus nach kürzester Zeit seiner Herzberger Stelle überdrüssig. Die Briefe 5 und 6 an seinen ehemaligen Lehrer Camerarius und den kürzlich ernannten Generalsuperintendenten Wittenbergs Paul Eber zeugen von seinem Unmut und seinem Wunsch, die Heimatstadt endlich verlassen zu dürfen. Genaue Gründe gibt Clajus hierfür nicht an, deutet nur vage Unrecht an, das er von seinen Landsleuten erfahren hat.29 Tatsächlich wurde Clajus 1560 nach Schlesien 20 Vgl. Drobner-Dechering 22010, 49. 21 Es fand sich kein Beweis, dass Studenten die Ehe nicht gestattet war. In den Kirchbüchern Wittenbergs finden sich sogar Eintragungen von Ehen zwischen Studenten und jungen Wittenbergerinnen (vgl. Gössner 2003, 65). Möglicherweise gab es jedoch, was Stipendiaten anbelangte, strengere Regeln. Es ist vorstellbar, dass Kurfürst August, der – wie gezeigt wurde – gern an der Bildung sparte, nicht gewillt war, auch die Familien seiner Stipendiaten zu finanzieren, sodass er ihnen Eheschließungen untersagt haben könnte. 22 Höfer/Lange/Schaller 1992, 9 und ohne Angabe zitiert Drobner-Dechering 22010, 48. 23 MBW Nr. 8694. Ein Abdruck samt Transkription findet sich bei Höfer/Lange/Schaller 1992, 23–27. 24 Dass Studenten in ihren Heimatstädten Ämter vermittelt bekamen, war jedoch durchaus üblich und ist vielfach belegt in den thüringischen oder sächsischen Pfarrerbüchern (vgl. Thüringer Pfarrerbuch sowie Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen 2003–2009). 25 Der Abdruck einer Abschrift befindet sich in Hartfelder 1892, 10–14. Nach der Reformation hielt es der Stadtrat Herzbergs für nötig, eine Schule zu errichten, die die Stadt zu finanzieren habe, weshalb er sich nach Wittenberg an Luther und Melanchthon mit dem Anliegen wandte, dass sie ihnen eine angemessene Schulordnung entwerfen mögen (vgl. Drobner-Dechering 2 2010, 30f.). 26 Melanchthon war bereits seit längerer Zeit mit Herzberg verbunden: 1521 musste die Leucorea aufgrund einer Seuche nach Herzberg ausweichen (MBW Nr. 181), 1538 und 1555 empfahl der Wittenberger Professor Lehrpersonal dorthin (vgl. MBW Nr. 2025 und 7428) und seit 1533 führte er Visitationen in jener Stadt durch (WA 59, 186 und MBW Nr. 1388). 27 Neben einer fehlenden Alternative begünstigte vermutlich die unmittelbare Nähe zu seiner eigenen Familie, aber auch zu der seiner Frau die Entscheidung nach Herzberg zu ziehen. 28 Vgl. Drobner-Dechering 22010, 51. 29 In Tradition von Goldhagen stehend, geben alle späteren Autoren spekulierend an, Clajus sei aufgrund seiner Armut in Herzberg nie als Lehrer akzeptiert worden (vgl. Perschmann 1874,

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an die hochberühmte Schule in Goldberg berufen,30 die unter dem 1556 verstorbenen Valentin Trozendorf (1490–1556), dessen großer Name tausende Schüler aus dem ganzen Reich in den kleinen Ort gezogen hatte, ihre Blüte erlebte.31 Vermutlich hatte auch Wolgfang Meurer, den Clajus seit der Schulzeit in Grimma als Visitator kannte, dazu beigetragen, ihn nach Schlesien zu vermitteln. Meurer war nämlich in der Tat persönlicher Freund von Trozendorf und dürfte über die nötigen Kontakte nach Schlesien verfügt haben.32 Unter Rektor Heinrich Paxmann (1531–1580) erhielt Clajus die fünfte Lehrerstelle als Kantor.33 Neben Gesangsunterricht gehörte auch der lateinische Anfängerunterricht zu seinen Aufgaben. Dass Clajus die Kantorstelle übernahm, weist darauf hin, dass er in Herzberg beträchtlichen Problemen ausgesetzt gewesen sein musste: Kantoren verdienten weitaus weniger als ein Rektor; die Stelle war eher für Junggesellen in der Übergangszeit nach ihrer Studienzeit gedacht.34 Als Paxmann 1563 ab- und Martin Thabor als Rektor eingesetzt wurde, beförderte Letzterer Clajus in die dritte Lehrerstelle; fortan unterrichtete er in allen biblischen Sprachen. Ab 1569 wirkte Clajus als Rektor im benachbarten Ort Frankenstein im Fürstentum Münsterberg (heute Ząbkowice Śląskie).35 Im Oktober 1567 immatrikulierte sich Clajus als vierzehnter durch ein Stipendium geförderter Student an der Leucorea. Dass er sich dort einschrieb, bedeutet, dass er gleichzeitig Student, Stipendiat und Lehrer beziehungsweise Rektor war und sich dies offensichtlich auch nicht ausschloss. Da es vor der Magisterprüfung keine weiteren Prüfungen gab,36 war es Clajus ohne Hindernisse möglich, bis zu seiner Magisterprüfung weiterhin in Schlesien zu bleiben, als Lehrer/Rektor zu arbeiten und sich dort auf die Prüfung vorzubereiten.37 Es ist sogar daran zu denken, dass die Immatrikulation nur so früh erfolgte, um Zugang zu der finanziellen Förderung durch das Stipendium zu erlangen, sodass er den Lebensunterhalt seiner Familie

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12f. oder Drobner-Dechering 22010, 55). Der tatsächliche Grund kann bei derzeitiger Quellenlage jedoch nicht geklärt werden. Clajus schreibt im neunten Brief (V. 14), dass er zwei Jahre in Herzberg lehrte. Zu Trozendorf und Goldberg s. besonders Bauch 1921. Von 1538 bis 1540 schickte Meurer seinen jüngeren Bruder – obwohl dieser das Studium bereits in Leipzig aufgenommen hatte – auf die Goldberger Schule. Hierbei schlossen Meurer und Trozendorf Freundschaft (vgl. Bauch 1921, 166). Vgl. Drobner-Dechering 22010, 59. Vgl. Herrmann 1940, 227. Vgl. Goldhagen 1751, 12. Dies zeigt sich daran, dass sich viele Studenten erst am Tag ihrer Magisterprüfung immatrikulierten. Drobner-Dechering geht irrtümlich davon aus, dass es eine Regelstudien- oder gar Mindeststudienzeit gab und sich Clajus sein vorheriges Leipziger Studium darauf anrechnen ließ (vgl. dies. 22010, 88). Das Stipendium, das zum Magister führen sollte, war jedoch nicht mit einer Mindestdauer, sondern nur mit einer Höchstdauer von vier Jahren beschränkt (vgl. Gössner 2003, 105). Merkwürdig hingegen ist, dass für das Stipendium ein Baccalaureat vorausgesetzt wurde (vgl. UBUW 1, 342), das Clajus aufgrund seines Studienabbruchs eigentlich nicht besaß. Es ist daran zu denken, dass Clajus dies durch seine vielen Publikationen ausgleichen konnte.

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besser bewältigen konnte.38 Nach der Promotion zum Magister im Jahr 1570 trat Clajus die Stelle des Rektors in Nordhausen an,39 die er bis 1573 besetzte.40 Er widmete sich dort insbesondere der hebräischen Sprache und übersetzte auf Anraten seines guten Freundes Michael Neander (1525–1595),41 des Ilfelder Rektors, den kleinen Katechismus Luthers.42 Die Besonder- und Neuheit der erstmals 1572 erschienenen Ausgabe ist, dass neben der deutschen Luther’schen Version sowie einer lateinischen und griechischen auch eine hebräische Übersetzung steht. Das Werk sollte 13 Auflagen erhalten43 und fand vermutlich als Lehrbuch im Sprachunterricht Verwendung.44 Von 1572 bis zu seinem Tod am 11. April 1592 übernahm Clajus das Pfarramt in Bendeleben bei Frankenhausen nahe dem Kyffhäuser.45 In dieser schaffensreichen Periode seines Lebens entstand u.a. die erste deutsche Grammatik, mit der Clajus einen bedeutenden Beitrag zu einer einheitlichen deutschen Literatursprache leistete.46 2. DIE GRIECHISCHE DICHTUNG VON JOHANNES CLAJUS D. Ä. 2.1. Beobachtungen zum inhaltlichen und sprachlichen Aufbau der Sammlung Bei der formalen Anordnung der Briefe ist zunächst neben der Chronologie nur bedingt ein System zu erkennen. Der Umfang reicht von 10 bis zu 58 Versen. Über 30 Verse umfassen nur die Briefe 3, 5, 8, 10 und 12. Die längsten Briefe richten sich an den Freund Christoph Schilling (Brief 10) und den Lehrer Camerarius (Brief 5, hier sogar mit eigener poetischer Ἐπιγραφή). Den Rahmen der Sammlung bilden dagegen jeweils zwei kürzere Briefe (1, 2 und 13, 14). In metrischer Hinsicht treten die Briefe 3, 5, 6 und 7 hervor, da Clajus für sie den Hexameter verwendet, während der Rest der Sammlung im elegischen Distichon steht. Die Hexameterbriefe sind jeweils an herausragende Personen gerichtet: Melanchthon (Brief 3), Camerarius (Brief 5), Eber (Brief 6) und Peucer (Brief 7). Zweimal richten sich zwei Briefe an denselben Briefpartner, der dadurch besonders herausgehoben wird: Brief 1 und 5 an Clajus’ Lehrer Camerarius sowie Brief 11

38 Zur Zeit der Magisterprüfung im Jahr 1570 bestand die Familie Clajus aus seiner Frau, seinen vier Kindern und ihm selbst (vgl. Goldhagen 1751, 13). 39 Die Stipendiaten mussten sich bei Studienbeginn verpflichten, später im Kurfürstentum zu dienen (vgl. Gössner 2003, 105). 40 Die Stelle war auf drei Jahre befristet (vgl. Perschmann 1874, 21). 41 Vgl. Goldhagen 1751, 15. 42 CLAIUS 1572. 43 Vgl. Drobner-Dechering 22010, 100 Anm. 13. 44 1582 gab Neander eine Polyglottausgabe des kleinen Corpus Doctrinæ, teils mit eigenen, teils mit Übersetzungen von seinen Schülern in Wittenberg heraus (vgl. Gehrt 2012, 180). 45 Goldhagen geht davon aus, dass sich Clajus erst ab 1576 dort aufhielt und vermutet, dass sich der Herzberger zwischenzeitlich in Erfurt in unbekannter Form betätigte (vgl. dens. 1751, 15; 16). 46 Vgl. Drobner-Dechering 22010, 24.

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und 12 an Martin Thabor. Bei Brief 3 und 4 richten sich die Briefe zunächst an Melanchthon und dann seinen Neffen Sigismund Melanchthon. Einen inhaltlichen Rahmen kann man vielleicht darin erkennen, dass am Schluss der Sammlung ein Propemptikon für einen Studierwilligen steht, der nach Wittenberg aufbrechen möchte und dort auf die vorherigen Adressaten Peucer und Meurer als Lehrer treffen wird. Damit kommt er in eine ähnliche Situation wie Clajus, der sich am Anfang für die Unterweisung durch seinen Lehrer Camerarius in Leipzig bedankt. Ansonsten dient als roter Faden Clajus’ eigener Werdegang vom Studium in Leipzig über Herzberg nach Goldberg. Kohärenz schaffen auch manche inhaltliche Wiederholungen und Bezugnahmen. So richtet Clajus nicht nur zwei Briefe an Camerarius, sondern erwähnt in Brief 9 auch einem anderen Adressaten gegenüber, dass er Camerarius’ Schüler war (Brief 9, V. 11f.). Brief 9 kommt dabei auch sonst besondere Bedeutung zu, da er durch die kurze Autobiographie (V. 8–20) einen Überblick über die sonstigen biographischen Andeutungen gibt. Dabei finden sich als typische Briefthemen der Dank für Unterweisung (Brief 1 und 5) und Wohltaten (Brief 11 und 12) von Gönnern, Hilfegesuche (Brief 5 und 6), Freundschaftsanfragen (Brief 4 und 9), kurzer Gruß (Brief 2), Freude über Heimkehr eines Briefpartners (Brief 3), gute Reisewünsche (Brief 7, 10 und 14) sowie die Klage über ausbleibende Briefe (Brief 13). Damit ist ein Repertoire an typischen Briefsituationen geschaffen, das auch von anderen nachgeahmt werden kann. Wiederholte Themen werden teilweise dadurch variiert, dass sie sich an Personen unterschiedlicher Stellung (z. B. Brief 7, 10 und 14) richten. Brief 1 (eleg. Dis., 14 Verse), Adressat: Joachim Camerarius, Ort/Datum: Leipzig, 1554–57 Inhalt: Dank und gute Wünsche an den Lehrer Brief 2 (eleg. Dis., 12 Verse), Adressat: Wolfang Meurer, Ort/Datum: Leipzig, 1555–57 Inhalt: Gruß Brief 3 (Hex., 44 Verse), Adressat: Philipp Melanchthon, Ort/Datum: Leipzig, 1557 Inhalt: Freude über Melanchthons Heimkehr Brief 4 (eleg. Dis., 22 Verse), Adressat: Sigismund Melanchthon, Ort/Datum: Leipzig, 1557–58 Inhalt: Kontaktaufnahme und Freundschaftsanfrage Brief 5 (Hex., 50 Verse), Adressat: Joachim Camerarius, Ort/Datum: Herzberg, 1559 Inhalt: Dank für Unterricht, Klage über schlechte Aufnahme in Herzberg, Bitte um Abhilfe Brief 6 (Hex., 22 Verse), Adressat: Paul Eber, Ort/Datum: Herzberg, 1559 Inhalt: Erinnerung an gemeinsame Zeit mit Laurenz Starcke in Wittenberg, Bitte um Versetzung Brief 7 (Hex., 25 Verse), Adressat: Caspar Peucer, Ort/Datum: Goldberg, um 1560 Inhalt: Peucer als Erbe von Melanchthons Ruhm, Wunsch für gute Rückreise aus Herzberg Brief 8 (eleg. Dis., 34 Verse), Adressat: Abraham Seiler, Ort/Datum: Goldberg, um 1560 Inhalt: Gute Wünsche, Versicherung der Verehrung und Freundschaft, Fortsetzung der humanistischen Studien Brief 9 (eleg. Dis., 28 Verse), Adressat: Johannes Sager, Ort/Datum: Goldberg, um 1560 Inhalt: Freundschaftsanfrage, Kurzvorstellung Brief 10 (eleg. Dis., 58 Verse), Adressat: Christoph Schilling, Ort/Datum: Goldberg, 1560–63 Inhalt: Propemptikon an den Freund Brief 11 (eleg. Dis., 18 Verse), Adressat: Martin Thabor, Ort/Datum: Goldberg, 1560–63

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Inhalt: Dank und gute Wünsche an Goldberger Rektor Brief 12 (eleg. Dis.), Adressat: Martin Thabor, Ort/Datum: Goldberg, 1563–65 Inhalt: Dank für Wohltaten und für Einladung zum Essen, unbekannter Anschlag auf Clajus Brief 13 (eleg. Dis., 10 Verse), Adressat: Georg Helmrich, Ort/Datum: Goldberg, 1563–65 Inhalt: Klage über Schweigen des Freundes Brief 14 (eleg. Dis., 20 Verse), Adressat: Johannes Ladislaus, Ort/Datum: Goldberg, 1565 Inhalt: Propemptikon für Studium des Freundes in Wittenberg

In den Briefen spricht Clajus häufig von σχεδιάσματα/„Improvisationen“ (Brief 11, V. 7; Brief 13, V. 5), σχεδιάζειν/„improvisieren“ (Brief 3, V. 20; Brief 4, V. 17; Brief 7, V. 25) oder φλυαρεῖν (Brief 2, V. 11; Brief 6, V. 21) für sein Schreiben und entschuldigt sich für seine σφάλματα/„Fehler“ (Brief 1, V. 6. 10; Brief 2, V. 10; Brief 6, V. 22). Weiterhin nennt er seinen Gesang φαῦλος/„schlecht“ (Brief 6, V. 3), die Wörter ἄκομψος/„simpel“ (Brief 4, V. 18), die Gedichte σμικρός/„klein“ (Brief 4, V. 20; Brief 9, V. 4) und sich selbst noch unbekannt (Brief 4, V. 4; Brief 9, V. 17). Dies gehört sicher zur Brieftopik. Auf der anderen Seite bezeichnet er sich nämlich stolz in archilochischer Manier als θεράπων ἐννέα Πιερίδων (Brief 9, V. 8) und vergleicht sich mit einem verkannten Propheten (Brief 5, V. 33–38; Brief 6, V. 16f.), der sich Anerkennung wünscht (Brief 9, V. 19). Wenn man ferner hinzunimmt, dass seine Briefe offensichtlich Erfolg haben – auf Melanchthons Vermittlung hin wird er Rektor in Herzberg (Brief 5, V. 47f.), nach seiner Bitte um Versetzung bei Camerarius und Eber ist er tatsächlich in Goldberg (Brief 7, V. 12) –, kann man dahinter auch eine gewisse Didaxe über den richtigen Umgang mit Gönnern und Gelehrten sehen. Dazu gehört auch der eigene Aufstieg und die Aufforderung zu humanistischen Studien bei anderen (Brief 8 und 14). Gezielte Kontrapunkte sind die Briefe 12 und 13, da sich Clajus in dem einen über ausbleibende Briefe eines Freundes beklagt und in dem anderen einen sonderbaren Anschlag berichtet. Doch umso mehr tritt wieder der letzte Brief hervor. Dieser insgesamt didaktische Zug zeigt sich schließlich auch in der Sprache. Zu den häufigeren sprachlichen Vorbildern zählen Homer und Hesiod, von denen Clajus mehrfach Klauseln entlehnt. Ferner fallen aber auch einige besondere Anspielungen bzw. Zitate ins Auge. So zitiert Clajus zweimal das Christuswort, dass der Prophet im eigenen Land nicht akzeptiert werde (jeweils in unterschiedlichen Fassungen, siehe Brief 5, V. 38; Brief 6, V. 17). In Brief 10 zitiert er offen Cicero und Herodot (V. 15–18), verdeckt Theognis (V. 23f.) und verweist ferner auf ein deutsches Sprichwort (V. 39f.). Schließlich scheinen sich Brief 2 und 13 an Martial anzulehnen. Unter das Vokabular mischen sich auch vereinzelt Wörter aus der Bibel (παντοκράτωρ, ὑπερασπιστής) oder der Prosa (ζηλωτής, καλλιγραφίη

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παιδευτής). Zudem finden sich natürlich auch etliche geographische47 sowie personelle Eigennamen48, lexikographisches Wortgut (ἰσοετής, νίφαργος, χαιρέκακος), wenige Neologismen (Brief 2, V 8: ἐλλοριεύς, Brief 3, V. 39: συντελίη) oder Neuprägungen (Brief 13, V. 3: στιχίζειν). Einige Formeln sind bei Clajus sehr beliebt und finden sich sehr häufig in den Briefen, so dass zunächst der Eindruck von Einförmigkeit entsteht. Bei genauerer Beobachtung zeigt sich allerdings, dass Clajus fast stets kleine Variationen anbringt. Sechsmal bspw. benutzt Clajus die homerische Versklausel πρόφρονι θυμῷ (vgl. Hom. Od. 16,257), wandelt dabei den übrigen Vers aber trotz ähnlicher Aussage stets leicht ab: Brief 1, V. 9; Brief 2, V. 9; Brief 3, V. 43; (Brief 3, V. 3); Brief 4, V. 50; Brief 10, V. 57; Brief 11, V. 7. Aber auch die Klausel selbst wird variiert, indem Clajus daneben auch ὁμόφρονι θυμῷ (Brief 3, V. 10), πολυγηθέϊ θυμῷ (Brief 7, V. 13) und εὔφρονι θυμῷ (Brief 9, V. 3) oder πρόφρονι … νόῳ (Brief 4, V. 12) verwendet. Eine mehrfach wiederholte, aber leicht variierte Junktur ist ferner die Anrede ἴστορ ἐλευθερίου λόγου: Brief 7, V. 2f. πανάριστε λόγοιο | ἴστορ ἐλευθερίου, Brief 8, V. 4 ἴστορ ἐλευθερίων ὦ πανάριστε λόγων, Brief 11, V. 4 τῶν ἑπτὰ λόγων ἴστορ ἐλευθερίων. Daran zeigt sich auch die besondere Stellung, die Clajus den freien Künsten und der Bildung zuweist. Solche Wiederholung setzt Clajus offensichtlich auch bewusst ein, um bestimmte Verbindungslinien zu betonen. So spricht er sowohl Melanchthon als auch den von ihm als Melanchthon-Erben stilisierten Peucer mit der Formel χαῖρε λόγων φέγγος an: Brief 3, V. 40; Brief 7, V. 22. 47 Siehe für Herzberg: Ἐλλοριεύς (Brief 2, V. 8); für Goldberg (und seine Bewohner): Γολδπυργικὸν ἄστυ (Brief 6, V. 12; Brief 9, V. 15), Γολδπυργιεύς (Brief 11, V. 1); für Grimma: Γρίμμη (Brief 9, V. 10); für Leipzig: Λειψιακῆς χθονὸς πτολίεθρον (Brief 5, V. 11; Brief 9, V. 11); für Löwenberg: Λεοβέργα (Brief 14, V. 15); für Meißner Land: Μεισνίς (Brief 9, V. 10); für den Fluss Mulde: Μώλδη (Brief 3, V. 13); für Schlesien: Σειλεσίη (Brief 9, V. 15), Σειλέσιος (Brief 10, V. 29); für Wittenberg und die Leukorea: Λευκορίη (Brief 10, V. 30), Λεύκορις (Brief 14, V. 1), Λευκορίς (Brief 6, V. 8; Brief 7, V. 4); für Worms: Οὐορματία (Brief 3, tit.). 48 Clajus: Κλάϊος (Brief 2, V. 7; 4, V. 4. 10; 5, V. 30. 46; 6, V. 4; 9, V. 25; 10, V. 58); Joachim Camerarius: (Ἰωαχεῖμος) Καμεράριος (Brief 1, tit.; Brief 5, tit. V. 2), Καμεραριάδης (Brief 9, V. 12); für Johannes Cellarius: Κελλάριος (Brief 14, V. 13); für Paul Eber: Παῦλος Ἐβῆρος (Brief 6, tit.; Brief 14, V. 9); für Adam Francisci: Φράγκισκος Ἄδαμος (Brief 14, V. 13); für Georg Helmrich: Γεώργιος Ἑλμερεικός (Brief 13, tit.); für Johannes Ladislaus/Lasla: Ἰωάννης Λαοδισλαός (Brief 14, tit.); für Laurentius Ludovicus: Λωδοϊκὸς Λαυρέντιος (Brief 14, V. 15); für Philipp Melanchthon: Φίλιππος Μελάγχθων (Brief 3, tit. V. 2; Brief 4, V. 5 [nur Phil.]. 7; Brief 5; V. 47; Brief 7, V. 5 [nur Phil.]); für Sigismund Melanchthon: Σιγισμούνδος (?) Μελάγχθων (Brief 4, tit. [σιγισμούνδῳ]); für Wolfgang Meurer: Βόλγαγγος (?) Μευρῆρος (Brief 2, tit. [βολγάγγῳ] V. 1); für Caspar Peucer: Γάσπαρ (?) Πευκῆρος (Brief 7, tit. [γάσπαρι] V. 2. 22; 14, V. 8), für Georg Sabinus: Σαβῖνος (Brief 7, V. 8); für Johannes Sager: Ἰωάννης Ῥητήρ (Brief 9, tit.); für Abraham Seiler: Ἀβράαμος (?) Σειλῆρος (Brief 8, tit.: ἀβραάμῳ); für Christoph Schilling: Χριστόφορος Σχίλλιγγος (Brief 10, V. 7. 29); Laurenz Starcke: Λαυρέντιος Ἰσχυρός (Brief 6, V. 9f.); für Martin Thabor: Μαρτῖνος Θάβωρ (?) (Brief 11, tit.: θάβορι); für Martin Wilisch: Ὀϊλίσχιος (Brief 5, V. 27).

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Vereinzelt finden sich auch komplett wiederholte Verse (aber auch hier wenigstens mit einer kleinen grammatischen Variation): Brief 5, V. 49 = Brief 6, V. 5 (συλλήβδην ὀνομαζομένη/ῃ ἔλαφός τε καὶ οὖρος). Fast identisch, aber doch wieder stets variiert sind: Brief 4, V. 21: νῦν δ’ ἔῤῥωσο κακῶν διάγων ἀπάνευθε μεριμνῶν Brief 5, V. 43: νῦν δ’ ἔῤῥωσο κακῶν βιοτεύων χωρὶς ἁπάντων Brief 6, V. 18: νῦν δ’ ἔῤῥωσο κακῶν διάγων ἔκτοσθεν ἁπάντων Brief 7, V. 33: νῦν δ’ ἔῤῥωσο κακῆς διάγων ἔκτοσθε νόσοιο

Hier zeigt Clajus natürlich seine copia verborum und führt ferner die Flexibilität des Griechischen vor Augen. Ein aufmerksamer Leser kann leicht eine Fülle unterschiedlicher Ausdrücke sammeln, die Ähnliches bezeichnen, ohne dass man sich genau wiederholt. Es überrascht daher auch nicht, dass sich nicht nur einzelne variierende Formeln, sondern auch, wie oben dargelegt, Briefsituationen mit Variationen wiederholen. Insgesamt wird also auf diese Weise deutlich, dass Clajus die Sammlung sowohl unter sprachlich wie inhaltlich verschiedenen Aspekten als Mustersammlung konzipiert hat, die zugleich die humanistische Freundschaft feiert. 2.2. Beobachtungen zur Metrik Die griechische Dichtung der frühen Neuzeit orientierte sich gemäß der Divise ad fontes in Prosodie und Metrik besonders an den antiken Dichtern; an erster Stelle steht hierbei natürlich Homer.49 Daher bezeichnet Stefan Rhein die Dichtung des 16. Jahrhunderts als „Autoritätenprosodie“ und nicht als „Regelprosodie“.50 Dies setzt voraus, dass man die Autoritäten hervorragend kennt und führt dazu, dass Besonderheiten und Ausnahmen bei Homer beispielsweise als Vorbild dienen und schließlich zur Regel werden.51 Über diesen Formenreichtum spricht Melanchthon folgendes Urteil aus: Græcorum est tanta varietas, ut propemodum regulis comprehendi non possit52 („Die Vielfalt der Griechen ist so groß, dass sie beinahe nicht durch Regeln festgehalten werden kann“). Homer bricht in den Augen der Humanisten, die die konsonantische Kraft des nicht mehr geschriebenen Digammas53 noch nicht kannten,54 öfters die Regel zur Hiatvermeidung, wie bspw. in Hom. Il. 1,7: Ἀτρεΐδης τε ἄναξ. Obgleich nun schon Melanchthon forderte, Hiate zu vermeiden,55 stand es den Dichtern in Berufung auf Homer frei, diese Regel zu missachten, dabei ihre Kundigkeit in Bezug auf die homerischen Epen unter Beweis zu stellen 49 50 51 52 53 54

Vgl. Rhein 1987, 41. Vgl. ebd., 41. Vgl. ebd., 41. CR 20, 380. Rhein 1987, 42. Diese war erst seit Richard Bentley (1662–1742) bekannt, der das geschwundene Digamma 1726, spätestens 1732 wiederentdeckte (vgl. Brink 1986, 76). 55 CR 20, 65.

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oder sogar – wie erwähnt – homerische Ausnahmen und Besonderheiten sowie Missverstandenes (wie im Falle des Digammas) zu Regeln zu erheben. Auch Clajus, der meistens Hiate verhindert, schreibt in Brief 4, V. 10: καί τε ἐπιστήμην, oder in Brief 12, V. 16: οἷά τε οὐκ. Auffällig ist ebenso der nicht völlig einheitliche Gebrauch von ζ als Doppel- oder einfachem Konsonanten.56 Clajus misst in Brief 4, V. 6 vor ζ wie vor ξ und ψ eine Positionslänge: ἕζετο δεξιόφιν (– ∪∪ – ∪∪ ∪) und ebenso im ersten Vers von Brief 10: ἄλλο τί τις ῥέζοι (– ∪∪ – – –). Im sechsten Vers von Brief 11 hingegen steht vor ζ keine Positionslänge: Νέστορι ζῆθι βίον (– ∪∪ – ∪∪ ∪). Möglicherweise liegt bei dieser doppelten Messweise abermals eine Orientierung an Homer vor, bei dem ζ als einfacher Konsonant eine Besonderheit darstellt, wie beispielsweise in Hom. Il. 2,824: Οἳ δὲ Ζέλειαν (– ∪∪ – ∪).57 Die homerische Ausnahme beflügelte und berechtigte so die dichterische Freiheit des Humanisten.58 Ebenso schwankt Clajus in der Messung der Formen von καλός und folgt damit ganz den epischen Vorbildern:59 Clajus misst teilweise κᾰλός, teilweise κᾱλός, wobei κᾰλός weitaus häufiger ist, womit er sich vom Gebrauch in den homerischen Epen unterscheidet und sich die Ausnahmen bei Hesiod zur Regel macht. Ein kurzes α begegnet beispielsweise in Brief 1, V. 1/8, V. 27 χαῖρε καλῶς (– ∪ ∪–) oder in Brief 13, V. 9/14, V. 17 ζῆθι καλῶς χαλεπῶν (– ∪∪ – ∪∪ –).60 In Brief 3, V. 5 wird καλά sogar vor στ kurz gemessen: καὶ καλὰ στέργοντες (– ∪∪ – – – –).61 Ein ᾱ steht nur einmal: Brief 2, V. 2 καλὸν ἐόντα (– ∪∪ – ∪ . Falsche bzw. ungewöhnliche Vokalmessungen sind: Ἰσχῠρός (Brief 6, V. 10: hier aber Eigenname), μάκᾱρα (Brief 9, V. 2, vgl. aber LSJ 1073 s.v. μάκαρ). In der Regel misst Clajus vor dem Doppelkonsonanten ξ eine Positionslänge. In Brief 5, V. 12 hingegen macht Clajus eine Ausnahme (oder einen Fehler?)62 und setzt eine Kürze vor ξ: ἄρχων ὁ ξιφηφόρος (– – ∪∪ – ∪∪). Vokale vor muta cum

56 In späteren Jahren legt Clajus sich fest und erklärt in seiner Grammatik den Buchstaben ζ als consonans duplex (vgl. CLAIUS 1580, 6) und führt ferner aus: Omnis Positio longa est, vt: ἄρτος, ῥίπτω, τύπτω, φράζω, […] (ebd. 421). 57 Vgl. West 1982, 17. 58 In der griechischen Dichtung Melanchthons erscheint das Phänomen, also ζ als einfacher Konsonant nur zweimal: in Nr. 150.6 sowie in Nr. 237.12 (die Nummern beziehen sich auf die Zählung bei Rhein 1987, 47). 59 Bei Homer finden sich stets die Formen von καλός mit ᾱ. Hesiod hingegen misst lang (Hes. Th. 22. 68. 911; Op. 198) und kurz (Th. 585; Op. 63). 60 Ebenso in Brief 3, V. 34 (ὅ,ττι δέδωκε καλὸν); Brief 8, V. 11 (εὐδοκιμεῖν δὲ καλῶς). 24 (σεῦ καλὸν οἶδα νόον); Brief 9, V. 20 (ἐν σφετέρῃσι καλοὺς). 24 (καὶ στέργοντα καλὸν); Brief 12, V. 35 (χαῖρε καλῶς διάγων); Brief 13, V. 4 (εὖ, τε καλῶς τε γράφειν); Brief 14, V. 11 (πολλοὺς καλά σοι φρονέοντας). 14 (τὸν καλὸν ἐν τέχναις). 61 Eine lateinische Lizenz, siehe Crusius 81967, 7 (Hor. sat. 2,3,43). Vgl. auch Brief 3, V. 6 ἐνταῦθᾰ στεναγμοῖς. 62 Dafür spricht in Clajus’ Grammatik die ausnahmslose Festlegung von ξ als consonans duplex, vor dem eine Positionslänge stehen muss (vgl. CLAIUS 1580, 420). Aber die Lizenz, dass ξ keine Positionslänge bewirkt, findet sich auch sonst in gr. Gedichten von Humanisten. Siehe Pontani 2002, CXXIX.

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liquida werden wie bei Homer teils lang, teils kurz gemessen (correptio Attica):63 Brief 6, V. 9 ὃς μὲν ἐκλήθη (– ∪∪ – –), aber V. 13 ἐκ πατρίδος αἴης (– – ∪∪ – –). Die Sprache der Briefe orientiert sich an der der homerischen Epen. Clajus nutzt Formen wie ἰητρόν/ἰητρῶν (Brief 2, V. 2/7, V, 2), εἵνεκα (Brief 8, V. 10) oder ἐών statt des attischen ὤν (Brief 9, V. 17).64 Zwar zitiert der Schreiber im dritten Brief (V. 22) von Hesiod ὄσσαν ἱεῖσι,65 nutzt bei anderen Vokabeln jedoch die attische Schreibweise mit ττ statt σσ wie in Formen von πράττειν (Brief 1, V. 13; 2, V. 5; 9, V. 1; 10, V. 8). Ebenso kommt γλώττης (Brief 2, V. 3) und φυλάττεο (Brief 3, V. 11) vor, die bei Homer und Hesiod stets mit σσ geschrieben werden. Ebenfalls wie Homer macht Clajus von der metrischen Dehnung Gebrauch, um einzelne Wörter im Hexameter verwenden zu können: οὔνομα für ὄνομα oder οὖρος für ὄρος (Brief 6, V. 2 und 5). Auch die epische Zerdehnung, die in der Ilias beispielsweise im dritten Buch, Vers 325 in ὁρόων vorkommt, wird in den Briefen an mehreren Stellen nachgeahmt: z.B. εἰσορόωντες (Brief 3, V. 14). Die Formen sind zwar richtig gebildet, teilweise in der griechischen Epik aber nicht nachzuweisen wie προσδοκόων (Brief 8, 31) oder προσδοκόωσα (Brief 12, V. 28). 2.3. Orthographische Besonderheiten Der an heute Schreibkonventionen gewöhnte Leser wird sich vielleicht über einige orthographische Besonderheiten wundern, die kurz stichpunktartig benannt seien. Alle Eigennamen werden kleingeschrieben (dies ist hier zur besseren Lesbarkeit geändert). Bei Diphthongen stehen Akzent und/oder Spiritus häufiger auf dem ersten anstelle des zweiten Vokals. Auch dies wurde hier der heutigen Norm angepasst. Bei der Krasis von καὶ ἐμέ schreibt Clajus regelmäßig κᾀμέ (Brief 4, V. 13; 5, V. 12 [dort κᾄμ’]. 27; 9, V. 5; 11, V. 8; 12, V. 35; 13, V. 8) statt κἀμέ wie man es heute erwarten würde. Ferner werden bei Krasis von καί mit aspiriertem Wort die Wörter getrennt geschrieben: Brief 5, V. 18 χ’ ὥς, 6, V. 13 χ’ ἡμᾶς, 9, V. 27 χ’ ὥστε.66 Auffällig ist die Akzentuierung von Enklitika. Alle erhalten entgegen heutigem Usus einen Akzent, wenn davor ein Paroxytonon steht:67 a) zu τε: Brief 1, V. 14; 3, V. 14; 4, V. 15; 9, V. 2; 12, V. 6. 22; 13, V. 3; b) zu τις/τι: Brief 3, V. 35 (ἄλλο τὶ); 5, V. 25; 6, V. 7; 10, V. 1. 8. 37; 12, V. 29; c) zu με/σε/σοι: Brief 8, V. 17; Brief 9, V. 15. 23. 27; 12, V. 5; Brief 14, V. 7. Dagegen gelten Personalpronomina nach Präpositionen entgegen heutiger Konvention als enklitisch, vgl. z.B. Brief 4, V. 6 παρά σοι oder Brief 12, V. 20 εἴς με. 63 Vgl. West 1982, 16f. 64 Jedoch nutzt Clajus neben γίγνου (Brief 12, V. 37) auch γινόμενον (Brief 10, V. 24), das erst nach Aristoteles üblich wurde (vgl. LSJ 349 s.v. γίγνομαι). 65 Vgl. Hes. Th. 10. 43. 66 Vgl. dazu Pontani 2002, CXXIII Anm. 135. 67 Vgl. dazu Pontani 2002, CX.

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Enklitisches τε wird ferner oft mit dem vorangehenden Wort zusammengeschrieben, ebenso manche adverbielle Ausdrücke wie διαπαντός (vgl. LSJ 406 s.v.): Brief 5, V. 32. 44; Brief 6, V. 12; Brief 12, V. 35; Brief 13, V. 9. Schließlich setzt Clajus anstelle des Hochpunkts den im Deutschen geläufigen Doppelpunkt. 3. DIE 14 GRIECHISCHEN VERSEPISTELN: EDITION UND ÜBERSETZUNG (1) An Joachim Camerarius68 [in Leipzig] [Leipzig, 1554–1557]69 Ἰωαχείμῳ Καμεραρίῳ. 2 4 6 8 10 12 14

ΧAῖρε καλῶς λυγρῶν ὦ ἐπίστατα νόσφιν ἁπάντων, πολλὰ δέ σοι δόμεναι εὔχομαι ἐσθλὰ θεῷ. μὴ χαλεπῶς ἕξῃς, ὅτʼ ἀναιδείῃφι πιθήσας ἄλλον ἐπʼ ἄλλον ἄγω εἰς τεὸν ὦπα λόγον. ὠφελέειν γὰρ ἐμοῦ σε πόνον σπουδήν τε συνῆκα τῷ περιαιρῆσαι σφάλματʼ ἐμεῖʼ ἐπέων. σοὶ δʼ ἂρ ἐγὼ πολλὴν χάριν οἶδα, διδάσκαλε θυμῷ, νῦν τε καὶ ἐρχομένῳ, ὡς ἐπέοικε, χρόνῳ. καὶ νῦν τοῦτο μέλος παρʼ ἐμοῦ λαβὲ πρόφρονι θυμῷ καὶ ἁτινοῦν εὗρες βούλεο σφάλμαθʼ ἑλεῖν. τοῦτό μοι ἥδιστον παρά σου συμβήσεται ἔργον, σοὶ δὲ χάριν δοῦναι βούλομʼ ὀφειλομένην. χαῖρε, καὶ εὖ πράττειν δοίη σοι νόσφι μεριμνῶν ἄμβροτος, ἀΐδιος, παντοκράτωρ τὲ θεός.

Adn. crit.: 1 ἐπίστατα] ἐπιστάτα debuit (cf. LSJ 659 s.v. II 2), sed vide etiam Claii ep. 3,2 ‖ 2 εὔχομαι] ἔυ- ed. ‖ 3 ἀναιδείῃφι πιθήσας] cf. Hes. Op. 359 (ἀναιδείηφι) ‖ 9 πρόφρονι θυμῷ] cf. Hom. Od. 16,257 et al. ‖ 14 παντοκράτωρ … θεός] cf. LXX Regn II 5,10.

Übersetzung: „Sei wohl gegrüßt, mein Meister, fern von allen Bekümmernissen. [2] Ich bete zu Gott, dass er Dir viel Gutes gewähre. Sei bitte nicht ungehalten,70 weil ich – meiner Frechheit vertrauend – [4] ein Anliegen nach dem anderen vor Dein Angesicht bringe. Ich bin mir nämlich bewusst, dass Du meine Arbeit und meinen Eifer [6] 68 Zur Biographie von Camerarius (1500–1574) siehe Wartenberg 1997; Hamm 2011; Mundt 2004, mein Aufsatz in: Gehrt/Salatowsky 2014, 32–33. 69 Im Druck CLAIUS 1570, [P2v]–P3r. 70 Zu V. 3 μὴ χαλεπῶς ἕξῃς: Clajus hat wohl die Form ἕξῃς entweder als Konjunktiv Aorist oder als Futur aufgefasst. Die korrekte Form für den zu erwartenden Konjunktiv müsste σχῇς lauten.

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durch das Korrigieren meiner dichterischen Fehler unterstützt. Dir also, mein Lehrer, weiß ich im Herzen großen Dank [8] sowohl jetzt, als auch – wie es sich schickt – in der kommenden Zeit. Nimm nun auch dieses Lied von mir wohlwollenden Herzens entgegen [10] und sei gewillt, die Fehler, welche auch immer Du findest, zu tilgen. Damit wird sich mir das von Dir her angenehmste Werk ergeben, [12] ich aber möchte Dir den Dank, den ich Dir schuldig bin, abstatten. Lebe wohl und möge der unsterbliche, [14/15] ewige und allmächtige Gott Dir die Gunst erweisen, dass es Dir ohne Kummer wohl ergehe.“ (2) An den Arzt Wolfgang Meurer71 [in Leipzig] [Leipzig, 1555–1557]72 Βολγάγγῳ Μευρήρῳ ἀρχιάτρῳ. 2 4 6 8 10 12

ΠΡὸς τὸν Mευρῆρον πολύϊδριν σπεῦδε Θάλεια, ἰητρὸν χαλεπῶν καλὸν ἐόντα νόσων: Ῥωμαίων φωνῆς γλώττης τʼ ἔμπειρον Ἀχαιῶν, ποιητῶν τʼ ἀγαθοὺς ἀμφαγαπῶντα λόγους. καὶ τὸ μὲν εὖ πράττειν ἀρχὴν προλέγουσα πρεπόντως αἶψά μιν αἰδήμων τόνδε πρόσειπε λόγον. τοῦτό σοι ὁ Κλάϊος πολλῆς ἄνερ ἄξιε τιμῆς Ἐλλοριεὺς στέλλει τοὖπος ἔμεν ξένιον. εὐχόμενός σε λαβεῖν φαῦλόν περ πρόφρονι θυμῷ, συγγνώμην θʼ αὑτοῦ σφάλμασι πᾶσιν ἔχειν. ὣς εἰποῦσα πλέον φλυαρεῖν τι φυλάττεο Mοῦσα, κεῖνον δʼ εὖ θέσθαι τοὐμὸν ἔολπα μέλος.

Adn. crit.: tit. βολγάγγῳ μευρήρῳ ed. ‖ 1 μευρῆρον ed. ǀ θάλεια ed. ‖ 3 ῥωμαίων … ἀχαιῶν ed. ‖ 4 ἀμφαγαπῶντα] cf. Hes. Op. 58 ‖ 6 αἰδήμων] ἀι- ed. ‖ 7 κλάϊος ed. ‖ 8 ἐλλοριεὺς ed. ‖ 9 εὐχόμενός] ἐυ- ed. | πρόφρονι θυμῷ] cf. Hom. Od. 16,257 (vide etiam Claii ep. 1,9 et al.) ‖ 10 αὑτοῦ] ἁυ- ed. ‖ 11 μοῦσα ed.

71 Der 1513 in Altenberg geborene Meurer besuchte die Lateinschulen in Pirna und Dresden, studierte in Leipzig (Magister 1534) und wurde 1535 Konrektor der Thomasschule in Leipzig, hiernach Rektor an der Nicolai-Schule. Meurer unternahm in den folgenden Jahren eine Italienreise, um seine Studien südlich der Alpen fortzusetzen; spätestens im Sommer 1544 kehrte er nach Leipzig zurück. Melanchthon hatte Meurer mit Nachdruck als Physik-Professor erfolgreich an die Alma mater Lipsiensis empfohlen, an der er mehrfach das Rektorat übernahm (Ende 1548 Promotion zum Doktor der Medizin). Wie der Korrespondenz zu entnehmen ist, arbeitete Meurer eng mit Melanchthon und Camerarius zusammen und stand, wie es scheint, in einem durchaus freundschaftlichen Verhältnis zu ihnen (z.B. MBW Nr. 5807 und 8986). Meurer starb 1585 als Stadtphysikus, Ratsherr und Professor der Medizin. 72 Im Druck CLAIUS 1570, P3r.

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Übersetzung: „Eile zum viel wissenden Meurer, Thaleia,73 [2] der ein tauglicher Arzt gegen üble Krankheiten ist: er ist der Sprache der Römer und der Mundart der Griechen kundig [4] und nimmt die trefflichen Worte der Dichter herzlich an. Und wenn Du ihm zuerst, wie es sich gehört, die Begrüßung vorweg gesagt hast, [6] sprich sogleich schamvoll zu ihm folgende Rede: ‚Dies Lied schickt Dir, ehrwürdiger Mann, Dein Clajus [8] aus Herzberg74 als seine Freundschaftsgabe. Er bittet, dass Du das gewiss schlichte Werk wohlwollenden Gemütes annimmst [10] und dass Du mit all seinen Fehlern Nachsicht walten lässt.‘ Wenn Du in dieser Weise gesprochen hast, hüte Dich, Muse, vor mehr Gerede. (12) Ich aber bin voller Hoffnung, dass jener mein Lied gut aufnimmt.“ (3) An Philipp Melanchthon auf seiner Rückkehr von Worms75 [Leipzig, 1557]76 Φιλίππῳ Μελάγχθονι ἀπ’ Οὐορματίας ἐπανελθόντι. 2 4 6 8

ΧΑῖρε κλέος Μουσῶν, ἀνδρῶν ἀντάξιε πάντων, πρόστατα χαῖρε λόγων ἀγαθῶν τριπόθητε Μελάγχθων. ἔρχεαι ἀλλοδαπῆς ἠλπισμένος ἄμμιν ἀπʼ αἴης. πάντες ἐπιστήμῃ σὲ κεκασμένοι ἄνδρες ἀπόντα καὶ καλὰ στέργοντες σεμνῶν γυμνάσματα Μουσῶν ἀκαμάτοις κραδιῶν καλέσαντʼ ἐνταῦθα στεναγμοῖς. ἔρχεαι εὐκταῖος πάντων πεποθημένος εὐχῇ. πάντα δὲ νῦν δέχεταί σε πάλιν προσιόντα φιλητὸν τέρψει σὺν πολλῇ λυπούμενά περ τὸ πάροιθε.

73 Auffällig an dieser Versepistel ist die Invokation an Thaleia. Thaleia oder Thalia, gemäß Hesiod (Th. 75–79) eine der neun Musen und Tochter des Zeus und der Mnemosyne (ebd. 50–54), ist die Muse, der zuerst der Wirkungskreis der Komödie, später der leicht tänzelnden Dichtung überhaupt sowie der Epigramme zugeschrieben wird (Vgl. RE Bd. V, A, 1, s.v. „Thaleia, Thalia (Θάλεια, Θαλία) 1“, 1204–1206, hier: 1204). Clajus greift mit der Invokation der Muse als Nachrichtenzustellerin ein Epigramm Martials (Mart. 10,20 [21],1–4) auf: Nec doctum satis et parum severum, | Sed non rusticulum tamen libellum | Facundo mea Plinio Thalia | I perfer: […]. 74 Zu V. 8, Ἐλλοριεύς: eine Wortneuschöpfung von Clajus. Sie geht auf die ältere Bezeichnung Herzbergs „Hirschberg“ zurück, vgl. Brief 9, V. 9: φῦσε πατρίς μʼ ἐλάφων ἄπο κʼ οὔρεος οὔνομʼ ἔχουσα und bildet aus ἔλαφος und οὖρος das Wort ἐλοριεύς. Das doppelte λ steht, um die Länge am Anfang des Metrums durch Position zu erklären. 75 Zu Melanchthon (1497–1570) siehe zuletzt Scheible 1997. Mit zwölf Jahren erhielt er 1509 durch seinen Verwandten Johannes Reuchlin (1455–1522) die Humanistenweihe und trat von da an unter dem Namen Melanchthon auf (Selbst nannte er sich in Briefen meist einfach Philippus. Durch einen leichten Sprachfehler gehindert, konnte er seinen Nachnamen nicht korrekt aussprechen, weshalb er ab 1531 konsequent die kürzere Form Melanthon nutzte). Siehe auch Rhein in diesem Band. 76 Im Druck CLAIUS 1570, P3r–[P4r].

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σεῦ τʼ ἐπὶ νοστήσει ξύμπαντες ὁμόφρονι θυμῷ τερπόμενοι χαίρουσι, παρʼ Ἄλβιδος οἵτινες ὄχθας, οἵτε πολυφλοίσβου πόλιν ἐγγύθʼ ἔχουσιν Ἐλύστρου, οἵτε παρὰ ξανθῆς ναίουσιν ῥεύματα Μώλδης. εὐφροσύνῃ τὲ σέθεν πάλιν εἰσορόωντες ὀπωπὴν γηθοῦσιν φρεσὶν ἐν σφετέρῃσι, φατοί τʼ ἄφατοί τε, σμικροὶ σὺν μεγάλοις, πενιχροὶ καὶ πλοῦτον ἔχοντες, εὖ θʼ ἅμα παιδείας ἥκοντες ἀμύμονες ἀνδρῶν, κοὐδὲν ἐπιστάμενοι Μουσῶν τʼ ἀμελεῖς γεγαῶτες. πολλὰ δὲ χαρμοσύνης σημήϊα πάντες ἱέντες, οἱ μὲν ἔπος σχεδιάσσαντες κλείουσί σε μολπῇ, οἱ δὲ βοήσαντες καὶ ὑπʼ εὐφροσύνης κροτέοντες τήνδʼ ἑνὸς ἐκ στόματος περιγηθέες ὄσσαν ἱεῖσι: χαῖρε φόως ἱερὸν, μάλα χαῖρʼ ὦ νόστιμον ἦμαρ, οἴκαδʼ ἐλευθερίων ἀγαγὸν κοσμήτορα τεχνῶν. καὶ σὺ δὲ χαῖρε λόγων τῶν τʼ ἐννέα πρόστατα Mουσῶν. ἡμεῖς δʼ ἐρχομένῳ συγχαίρομεν, ὡς ἐπέοικε, ἠδὲ θεῷ πολλὴν χάριν εἴδομεν, οὗνεκα γαίην σαυτὸν ἐς ἡμετέρην πάλιν ἄμμιν ἀνήγαγε σῶον, ἔκ τε κακῶν πάντων, ἐχθρῶν τʼ ἀπὸ ῥύσσατο φωτῶν, εὐχόμενοί σε λυγρῶν διάγειν ἀπάνευθε μεριμνῶν, εὔρωστόν τε πολυχρονίου μῆκος βιότοιο καὶ βίον ἰσοετῆ ζῆν Νέστορι νόσφι πόνοιο. καὶ θεὸς, ὃς καθʼ ἑὴν γνώμην δόμεναί τε, καὶ αὖθις, ὅ,ττι δέδωκε καλὸν, δύναται θνητοῖς ἀφελέσθαι, ἄλλο τὶ σοὶ δοίη ἀγαθὸν σέθεν ἀντὶ γυναικὸς οἰχομένης πρόσθεν, πέπρωτο γάρ οἱ ἀποθνῄσκειν. νῦν δʼ ἂρ ἐπερχομένου μέλλουσαν ὁμῶς ἐνιαυτοῦ ὦ βέλτιστʼ ἀνδρῶν ἀγαθήν σοι ἐπεύχομαι ἀρχὴν βελτίονα προκοπὴν, καὶ συντελίην παναρίστην. χαῖρε λόγων φέγγος, τεχνῶν περικαλλὲς ἄγαλμα, τῶν πολιοκροτάφων στέφανος, καὶ ὄνειαρ ἐφήβων, οὔνομʼ ἔχων ἐνὶ παντοδαπῇ τηλέκλυτον αἴῃ. χαῖρε καὶ ἡμέτερον ξένιον τόδε πρόφρονι θυμῷ δέξαι, καὶ νεαρῆς γυμνάσμασιν ἥδεο Μούσης.

Adn. crit: tit. φιλίππῳ μελάγχθονι ἀπ’ οὐορματίας ed. ‖ 1 μουσῶν ed. ‖ 2 πρόστατα] deb. προστάτα (cf. Claii ep. 1,1) ǀ μελάγχθων ed. ‖ 3 ἄιης ed. ‖ 5 μουσῶν ed. ‖ 7 ἐυκταῖος … ἐυχῇ ed. ‖ 10 ὁμόφρονι θυμῷ] cf. Hom. Il. 22,263 ‖ 8 προσίοντα ed. ‖ 10 συτ’ ed. ‖ 10sq. θυμῷ τερπόμενοι] cf. Hom. Il. 19, 313; Od. 16, 26; 21, 105 ‖ 11 ὅιτινες ed. ǀ ἄλβιδος ed. ‖ 12 ὅιτε ed. ǀ ἐγγυθ’ ed. ǀ ἐλύστρου ed. ‖ 13 ὅιτε ed. ǀ ῥέυματα μώλδης ed. ‖ 14 ἐυφροσύνῃ ed. ‖ 15 φατοί τ’ ἄφατοί τε] cf. Hes. Op. 3 (ἄφατοί τε φατοί τε) ‖ 17 εὖθ’ ed. ‖ 18 μουσῶν ed. ǀ γεγαῶσες ed. ‖ 20sq. ὁι … ὁι ed. ‖ 21 ἐυφροσύνης ed. ‖ 22 ὄσσαν ἱεῖσι] cf. Hes. Th. 10. 43 ‖ 23 νόστιμον ἦμαρ] cf. Hom. Od. 1,9 et al. ‖ 24 ὄικαδ’ ed. ‖ 25 πρόστατα] vide supra v. 2 ǀ μουσῶν ed. ‖ 26 ὡς ἐπέοικε] cf. Hom. Od. 20,293; 24,481 ‖ 29 ἔκτε ed. ǀ φώτων ed. ‖ 31 ἔυρωστόν ed. ‖ 32 νέστορι ed. ‖ 35 τὶ σοὶ] exspectaveris τί σοι, sed vide cap. 2.3. ‖

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36 ὀιχομένης ed. ǀ ὁι ed. ‖ 40 λόγων φέγγος] cf. Phil. De somnis 1,164 ǀ περικαλλὲς ἄγαλμα] cf. Hom. Od. 18,300 ‖ 41 πολιοκροτάφων] cf. Hom. Il. 8,518; Hes. Op. 181 (Solmsen) ‖ 42 ἄιῃ ed. ‖ 43 πρόφρονι θυμῷ] cf. Hom. Od. 16,257 (vide etiam ep. 1,9) ‖ 44 μούσης ed.

Übersetzung: „Sei gegrüßt, Ruhm der Musen, der Du gleichviel wert wie alle Männer zusammen bist, [2] sei gegrüßt, Meister der tüchtigen Wissenschaften, dreimal ersehnter Melanchthon! Du kommst von fremdem Land, wirst von uns erwartet. [4] Alle mit Wissenschaft geschmückten Männer, weil sie Dich Abwesenden und die schönen Übungen der heiligen Musen lieben, [6] riefen Dich hierher mit unermüdlichem Seufzen ihrer Herzen zurück. Erwünscht kommst Du, von dem Gebet aller herbeigesehnt. [8] Alles nimmt Dich aber nun mit großem Vergnügen auf, Dich Geliebten, der Du wieder heimkommst, obwohl doch vorher alles traurig war. [10] Und es freuen sich einmütig über Deine Heimkehr und jubeln allesamt, die rings an den Ufern der Elbe, [12] und die die Stadt nahe an der laut rauschenden Elster bewohnen, und die nahe des Verlaufs der goldenen Mulde wohnen. [14] Und mit Heiterkeit – Dein Angesicht wieder in Verehrung erblickend – freuen sich in ihren Gemütern sowohl die Berühmten als auch die Unberühmten, [16] die einfachen Leute mit den Bedeutenden, die Bedürftigen und die Reichen, und zugleich die untadeligen Männer, die reichlich Bildung besitzen,77 [18] und diejenigen, die nichts wissen und sich nicht um die Musen scheren. Alle aber schicken viele Zeichen ihrer Freude, [20] die einen dichten Dir Lieder aus dem Stegreif und preisen Dich mit ihrem Gesang, die anderen aber entsenden unter Rufen und Freudenlärm [22] aus einem Munde sehr froh folgende Rede: ,Sei gegrüßt, heiliges Licht, sei vielmals gegrüßt, o Tag der Heimkehr, [24] der Du den Meister der freien Künste nach Hause geführt hast! Aber auch Du, Meister der Künste und der neun Musen, sei gegrüßt! [26] Wir aber wollen uns mit Dir bei Deinem Kommen freuen, wie es sich gehört, und Gott großen Dank wissen,78 [28] weil er Dich79 zu unserem Land wieder wohlbehalten zurückgebracht hat und aus allen Übeln und von den feindlichen Männern befreite, [30] und wir beten, dass Du fern von jammervollen Sorgen Dein Leben führst und über die Dauer eines langen Lebens gesund [32] und dem Nestor gleich an Jahren fern von Mühen lebst. Und Gott, der die Macht hat, gemäß seines Plans zu geben und, [34] was für ein Gut er auch gegeben hat, wieder den Sterblichen zu entreißen, möge Dir ein anderes Gut für Deine Frau geben,80 [36] die zuvor gegangen ist, denn es war ihr vom Schicksal bestimmt zu sterben.‘ Nun aber wünsche ich

77 Zu V. 17 εὖ … παιδείας ἥκοντες: vgl. LSJ 767 s.v. ἥκω 2c: „εὖ ἥκειν τινός to be well off for a thing, have plenty of it“. 78 Zu V. 26f. συγχαίρομεν ... εἴδομεν: Der kurzvokalische Konjunktiv εἴδομεν steht bei Homer häufig (vgl. Schwyzer/Debrunner I, IX, 1, 790); συγχαίρομεν ist als ebensolcher aufzufassen. 79 Zu V. 28 σαυτόν: Das Reflexivum ist hier ganz unklassisch statt des Personalpronomens σέ gebraucht. 80 Katharina Melanchthon starb am 11. Oktober 1557, während ihr Gatte beim Wormser Religionsgespräch verhandelte.

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Dir gleichwohl den bevorstehenden Beginn des kommenden Jahres [38] als besseren Fortgang, o Bester der Männer, und ein sehr gutes (Jahres)ende.81 [40] Lebe wohl, Glanz der Künste, schönste Zierde der Kunstfertigkeiten, Krone der an den Schläfen Ergrauten, und Nutzen der Jünglinge, [42] der Du einen in aller Herren Länder weit berühmten Namen trägst. Lebe wohl und nimm dies hier als unser Freundschaftsgeschenk wohlwollend [44] an und erfreue Dich an den Übungen der jugendlichen Muse!“ (4) An Sigismund Melanchthon [in Wittenberg]82 [Leipzig, Dez. 1557 – Mai 1558]83 Τῷ Σιγισμούνδῳ Μελάγχθονι. 2 4 6 8 10 12 14 16 18

ΠΡὸς πατρὸς θείου ζηλωτὰ σέθεν πανάριστε, τῆς δόξης τʼ αὐτοῦ κληρονόμʼ ἠδʼ ἀρετῆς, χαῖρε καὶ εὖ θέσθαι τόδε πρόφρονι βούλεο θυμῷ ἀγνώστου δόμενον πὰρ Κλαΐοιο μέλος. ὅς ποτʼ ἀριστήσας Μουσῶν παρὰ πατρὶ Φιλίππῳ ἐγγυτάτω παρά σοι ἕζετο δεξιόφιν, οὐκ εἰδὼς τὸ πάροιθε, Μελάγχθονα τὸν σοφὸν ἄνδρα πρὸς πατρὸς θεῖον σοίγε προσηκέμεναι. ἐξ ὁσίου δὲ μαθὼν ἐπέων σέθεν οὔνομʼ ἔπειτα καί τε ἐπιστήμην, καὶ γένος, ἠδʼ ἀρετὴν. κεῖνος ἂρ ὁ Κλάϊος στέλλω τόδε τοὖπος ἔγωγε, εὐχόμενός σε λαβεῖν πρόφρονι τοῦτο νόῳ. κᾀμὲ τιθέντα φίλων σέθεν ἐν τάξει καταριθμεῖν, τῶν τε λόγων στέργειν εἵνεκʼ ἐλευθερίων. συγγνώμην τὲ νέμειν, ὅτι ἄγνωστός σε προσειπεῖν τολμήσας σαυτῷ τοῦτον ἔγραψα λόγον. οὐχ ὡς βουλοίμην, ἀλλʼ ὡς δύναμαι σχεδιάζων, Ἑλλήνων φωνῇ ῥήματʼ ἄκομψα λαλῶν. ἀλλʼ ἐπιεικείης πέρι σῆς πολλή μοι ἔπʼ ἐλπίς,

81 Zu V. 39 συντελίην: Das Wort ist nicht belegt. Da Clajus dem Adressaten zuvor ein gutes neues Jahr wünscht, ist hier an ein gutes Jahresende zu denken. 82 Sigismund Melanchthon, der Neffe des großen Wittenberger Reformators, wurde wie sein Onkel in Bretten geboren und immatrikulierte sich unter „Sigismundus Melanthon Bretten“ im Oktober 1549 in Wittenberg. Als Bakkalar der freien Künste schrieb er sich anschließend in Heidelberg ein und erlangte 1554 den Magistergrad. Hiernach hielt er sich offenbar wieder bei seinem Onkel in Wittenberg auf, wo er bis mindestens Ende des Jahres 1557 blieb (MBW Nr. 8409. 8432. 8447). Nach Aufenthalten in Joachimsthal und Nürnberg reiste Sigismund Melanchthon im Januar 1560 mit einem Empfehlungsschreiben seines Onkels (MBW Nr. 9181) nach Heidelberg und wurde zum Professor für Physik ernannt (1562 Promotion zum Doktor der Medizin). Er wurde schließlich Professor der Pathologie und starb 1573 als einer der berühmtesten Ärzte des 16. Jahrhunderts. 83 Im Druck CLAIUS 1570, [P4rv].

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οὔ σε παραβλέψειν σμικρὸν ἐόν περ ἔπος. νῦν δʼ ἔῤῥωσο κακῶν διάγων ἀπάνευθε μεριμνῶν, σοὶ δʼ ὑπερασπιστὴς αἰὲ γένοιτο θεός.

Adn. crit.: tit. τῷ σιγισμούνδῳ μελάγχθονι ed. ‖ 4 κλαΐοιο ed. ‖ 5 μουσῶν ed. ǀ φιλίππῳ ed. ‖ 7 μελάγχθονα ed. ‖ 10 καίτε ed. ‖ 11 κλάϊος ed. ‖ 12 ἐυχόμενός ed. ‖ 13 τεθέντα ed. ‖ 14 ἕινεκ’ ed. ‖ 18 ἑλλήνων ed. ‖ 22 ὑπερασπιστὴς] cf. LSJ 1859 s.v. ǀ αἰὲ (ἀιὲ ed.)] cf. Hdn. De prosodia catholica 497,8f

Übersetzung: „Deines Onkels väterlicherseits trefflichster Nacheiferer, [2] seines Rufes und seiner Tugend Erbe, sei gegrüßt und nimm wohlwollend dieses [4] vom unbekannten Clajus gegebene Gedicht gut auf. Der setzte sich einst zum Frühstück84 beim Vater der Musen, Philipp, [6] sehr nahe bei Dir hin, zu Deiner Rechten, weil er vorher nicht wusste, dass Melanchthon, der weise Mann, [8] Dein Onkel väterlicherseits ist. Aus den Worten des Frommen aber erfuhr ich Deinen Namen dann [10] und auch Deine Einsicht, Deine Abstammung und Deine Tugend und ich freilich, jener Clajus also, schicke dieses Lied, [12] und bitte, dass Du es wohlwollend annimmst. Und dass Du mich zu der Reihe Deiner Freunde setzt und zählst [14] und mich der freien Künste wegen liebst. Und dass Du Nachsicht walten lässt, weil ich Dich unbekannterweise anzusprechen [16] wagte und Dir85 selbst diese Verse schrieb. Nicht weil ich es möchte, sondern weil ich nur dazu im Stande bin, wenn ich aus dem Stegreif dichte, [18] und schlichte Worte in der Sprache der Griechen schreibe. Aber ich habe die große Hoffnung auf Deine Billigung, [20] dass Du das Werk, obwohl es freilich minderwertig ist, nicht verachten wirst. Nun aber lebe wohl und verbringe Dein Leben fernab von üblen Sorgen. [22] Möge Dir Gott stets Beschützer sein.“ (5) An Joachim Camerarius [in Leipzig] Herzberg, [Frühjahr 1559]86 Ἰωαχείμῳ Καμεραρίῳ. ἐπιγραφὴ τῆς ἐπιστολῆς. 2

ΤΑῦτα πατὴρ Μουσῶν, σοφίης κάλλιστον ἄγαλμα, γράμματα δεξάσθω Καμεράριος, ᾧ κεν ἅπαντες ἦτορ ἐπιστήμῃ τέχνῃ τε κεκασμένοι ἄνδρες,

84 Es ist eigentümlich, dass Melanchthon mit seinen Hausgenossen, Freunden und Verwandten speiste. Wie genau Clajus in diese Runde kam, ist ungewiss. Zu vermuten ist, dass Clajus zwischen dem 23. und 31. Dezember 1557 bei Melanchthon in Wittenberg war, um ihn nach seiner Heimkehr aus Worms zu begrüßen, eventuell einer Trauerfeier für Melanchthons Frau beizuwohnen und ihm bei der Gelegenheit auch Brief 3 zu überreichen. 85 Zu V. 16 σαυτῷ. Siehe oben Anm. 79. 86 Im Druck CLAIUS 1570, [P4v]–Qr.

Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert

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ἧ θέμις ἔσθʼ, ἑνὸς ἐκ στόματος πρωτεῖα νέμουσι. καί τε γὰρ οὗτος ἀνὴρ φωνῆς κλέος Ἑλλάδος ἐστί. ἐπιστολή.

6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44

ΧΑῖρε καὶ ἀργαλέης ἔκτοσθεν ζῆθι νόσοιο, χαῖρε διὰ πλείστης ἀχθησομενώτατε τιμῆς: ὃς σπουδῇ τε σέθεν καὶ ἀπειρεσίοισι πόνοισι ἤματα καὶ νύκτας μοχθῶν, γέγαας μέγʼ ὄνειαρ ἠϊθέοισι λόγους παιδευθῆναι φιλέουσιν. ἔσθʼ ὅτε Λειψιακῆς ἤμην χθονὸς ἐν πτολιέθρῳ, κᾄμʼ ἔτρεφεν δαπάνῃσʼ ἄρχων ὁ ξιφηφόρος ᾗσι (οὕνεκά οἱ πολλὴν χάριν οἶδα καὶ εἴσομαι αἰεὶ, εἰς ἔτεʼ ἐξ ἐτέων, ἐσόκεν βίος ἔμπεδος ἔσται) καὶ τότε παιδευτὴς ἐμὸς ἦς πισυνώτερος ἄλλων ῥήματα παιδεύσας ἐμέ πως Ἑλληνικὰ βάζειν, οὐκ ἀπανηνάμενός ποτʼ ἔπη μοὶ πολλὰ κατορθοῦν. χʼ ὥς μοι ὄχʼ ὠφέλιμος γέγονας τότε, καί μὲν ἔγωγε σῆς εὐεργεσίης ἐπιλήσομαι οὔποτε ταύτης. εἰσέτι δʼ αἴθʼ ὄφελον μίμνειν παρά σοί τε καὶ ἄλλοις ἀνδράσιν, οἵτε λόγοις πεπυκασμένον ἦτορ ἔχουσι, ὧν τε καὶ ὑψόροφον τὸ μέγα κλέος οὐρανὸν ἥκει: αἴτια δʼ ἐστὶν, ἅπερ τόδε μὴ ἐάουσι γενέσθαι. ποῖ φέρομαι λαλέων; σιγᾶν δέον, ἀλλὰ καὶ ὀκνῶ κρυπταδίων τὶ λόγων προφέρειν, σὺ δὲ φέρτατε πάντων εὖ ἔτι μοὶ φρονέεις μεμνημένος αἰὲν ἐμεῖο. κᾀμοὶ νῦν χαίρειν ἐκ σοῦ Ὀϊλίσχιος εἶπε (φίλτατος ὤν μʼ ἕταρος, πατριωτάων ὄχʼ ἄριστος) ὥστε μὲ γινώσκειν τὴν σεῦ κραδίην καὶ ἔρωτα, ὅττʼ ἔτι σοὶ Κλαΐοιο μέλει, ὡς πρόσθʼ ἐμεμήλει, πολλάκι θʼ ὡς ἂν ἔχῃ τὰ πράγματʼ ἐμεῖο μεταλλᾷς. πολλὴν δʼ οἶδα χάριν σοὶ τοὔνεκα, καὶ διαπαντὸς σπουδάσσω τοιοῦτος ἔμεν, σέθεν οἷον ἔρωτος ἄξιον, ἔν τʼ ἀγαθῶν θέμεναι βουλήσῃ ἀριθμῷ. εἰμὶ δὲ παιδευτὴς τῷ νῦν ἐν πατρίδι γαίῃ, πάσχων οἷʼ ἔπαθεν πατρὸς υἱὸς ἐπουρανίοιο, πολλάκι καὶ τέκτων καὶ τέκτονος υἱὸς ἀκούσας. πᾶς γὰρ ἄτιμος ἑῇ ἐν πατρίδι ἐστὶ προφήτης. εὔχομʼ ἂρ οὖν, σὺ δʼ ἐμὴν φωνῆς κλέος Ἑλλάδος εὐχὴν δέξαι, καὶ ῥύσσαι μʼ ἤδη κακὰ πολλὰ παθόντα. καὶ δὸς ἐμοὶ πατρίδος τόπον ἄλλον ἀπόπροθι γαίης οἵστισιν οὖν βίοτον διάγειν με πάρʼ ἀνδράσι βούλει. νῦν δʼ ἔῤῥωσο κακῶν βιοτεύων χωρὶς ἁπάντων. χαῖρε, καὶ ὥσπερ ἔχεις, μνήσθητι ἐμεῦ διαπαντός, ἤματι ταῦτα τρίτῳ γράψας Ἐλαφηβολιῶνος

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μηνὸς Ἰωάννης Κλάϊος σοὶ γράμματα πέμπει, ὅντε κυβερνήτην ποίησε σχολῆς ὁ Μελάγχθων πατρίδος ἐν γαίῃ, τῆς Σαξονίδος δὲ πόληι, συλλήβδην ὀνομαζομένῃ ἔλαφός τε καὶ οὖρος, εὐχόμενός σε λαβεῖν παρʼ ἕθεν μάλα πρόφρονι θυμῷ.

Adn. crit.: tit. ἰωαχείμῳ καμεραρίῳ ed. ‖ 1 μουσῶν ed. ‖ 2 καμεράριος ed. ǀ ᾧκεν ed. ‖ 4 ἧ θέμις ἔσθ’] cf. Hom. Il. 9,33. 276; 19,177; Od. 14,130, sed Homerus habet ἣ θέμις ‖ 5 καίτε ed. ǀ ἑλλάδος ed. ‖ 9 μέγ’ ὄνειαρ] cf. Hom. Od. 4,444 ‖ 11 λειψιακῆς ed. ǀ ἤμην] cf. NT Mt 23,30 ‖ 13 ὁι ed. ǀ ἀιεὶ ed. ‖ 14 ἐις ed. ‖ 15 ἦς] cf. LXX Ruth 3,2 et al. ‖ 16 Ἑλληνικὰ (ἑ- ed.) βάζειν] cf. ἄρτια βάζειν Hom. Il. 14,92; Od. 8,240; ἀνεμώλια βάζειν Od. 4,837; 11,464 ‖ 17 ἀπανηνάμενός (cf. A. Eu. 972)] ἀπανηάμενος ed. ‖ 19 ἐυεργεσίης ed. ‖ 23 ἄιτια ed. ‖ 26 ἀιὲν ed. ‖ 27 ὀϊλίσχιος ed. ‖ 30 κλαΐοιο ed. ‖ 35 ἐν πατρίδι γαίῃ] cf. Hom. Il. 3,244 etc. ‖ 38 cf. NT Mk 6,4 (Mt 13,57; Lk 4,24), vide etiam Claii ep. 6,17 ‖ 39 ἔυχομ’ ed. ǀ ἑλλάδος ἐυχὴν ed. ‖ 40 κακὰ πολλὰ παθόντα] cf. Hom. Od. 13,131 ‖ 45 ἐλαφηβολιῶνος ed. ‖ 46 ἰωάννης κλάϊος ed. ‖ 47 μελάγχθων ed. ‖ 48 σαξονίδος ed. ‖ 49 cf. Claii ep. 6,5 ǀ οὖρος,] οὖρος. ed. ‖ 50 ἐυχόμενός ed. ‖ πρόφρονι θυμῷ] cf. Hom. Od. 16,257 (vide etiam ep. 1,9).

Übersetzung: „Widmung: Diese Schrift soll der Vater der Musen, die schönste Zierde der Weisheit, [2] Camerarius in Empfang nehmen, dem immer wieder alle Männer, die am Herzen mit Wissenschaft und Kunst geschmückt sind, [4] wie es sich gehört, einstimmig den Siegespreis zuteilen. Denn dieser Mann ist auch der Ruhm der griechischen Sprache. Brief: [6] Sei gegrüßt und lebe fern von schmerzlicher Krankheit, sei gegrüßt, der Du durch die meiste Ehre bedrückt werden wirst, [8] der Du sowohl mit Deinem Eifer als auch mit Deinen unermesslichen Lasten an Tagen und Nächten Dich abmühst und so ein großer Beistand [10] für die unvermählten Jünglinge geworden bist, die in den Künsten unterrichtet zu werden lieben. Als ich einst in Leipzig war [12] und mich der Herrscher, der Herzog, durch ein Stipendium ernährte, (weshalb ich ihm großen Dank weiß und es immer tun werde, [14] von Jahr zu Jahr, solange bis mein Lebensunterhalt beständig sein wird), da warst Du mein Lehrer, vertrauter als die anderen, [16] und lehrtest mich griechische Wörter zu sprechen und hast Dich niemals verweigert, mir viele Worte zu korrigieren. [18] Und weil Du mir damals sehr hilfreich gewesen bist, werde ich meinerseits diese Deine Wohltätigkeit niemals vergessen! [20] Aber würde ich doch noch immer bei Dir und auch den anderen Herren sein, die ein mit den Künsten geschmücktes Herz tragen [22] und deren großer Ruhm auch zum hochreichenden Himmel gelangt; Schuld aber sind Umstände, die dieses nicht geschehen lassen. [24] Wohin soll das Geschwätz führen? Es ist nötig zu schweigen, ich aber scheue mich auch, etwas von verborgenen Neuigkeiten vorzubringen, Du aber, Trefflichster von allen, [26] bist mir noch

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wohlgesonnen und gedenkst meiner stets. Und von Dir richtete mir nun Wilisch87 Grüße aus, [28] (der ein sehr lieber Freund von mir ist, und der weitaus Beste meiner Landsmänner), sodass ich, was Dein Herz und Deine Liebe angeht, erkenne, [30] dass Dir Clajus noch am Herzen liegt, wie er Dir zuvor am Herzen lag, und dass Du oft neugierig nachfragst, wie sich meine Angelegenheiten verhalten. [32] Großen Dank weiß ich Dir deshalb und stets werde ich bemüht sein, so beschaffen zu sein, dass ich Deiner Liebe [34] würdig bin und Du mich in die Reihe der Besten setzen wollen wirst. Ich bin aber im Augenblick Lehrer in der Heimat, [36] und ich leide, was der Sohn des himmlischen Vaters erlitten hat, und höre, was der Sohn des Welterbauers und auch der Welterbauer oft gehört hat. [38] Jeder Prophet ist nämlich in seinem eigenen Vaterland ungeachtet.88 Also bitte ich, Du aber, Ruhm der griechischen Sprache, nimm meine Bitte an [40] und errette mich, weil ich bereits viel Übel erlitten habe! Und gib mir einen anderen Ort, fern von der heimatlichen Erde, [42] bei welchen Leuten auch immer Du willst, dass ich dort mein Leben führe. Nun aber lebe wohl und verbringe Dein Leben ohne alle Übel. [44] Lebe wohl, und – wie Du es immer tust – halte mich stets in Erinnerung! Am dritten Tag des Elaphebolion89 [46] schreibt und schickt Dir diesen Brief Johannes Clajus, den Melanchthon als Schulleiter [48] in seiner Heimat einsetzte, in einer Stadt Sachsens, die zusammenfassend Hirsch und auch Berg genannt wird, [50] und er hofft, dass Du es von ihm sehr wohlwollend annimmst.“ (6) An Paul Eber90 [in Wittenberg] [Herzberg, 1559]91 Τῷ Παύλῳ Ἐβήρῳ. 87 Bei dem Eigennamen ὀϊλίσχιος dürfte es sich um den Herzberger Martin Wilisch handeln (Hinweis Stefan Weise). Siehe http://d-nb.info/gnd/119870746. Im VD16 werden ihm zwei Schriften zugewiesen, die ihn als Respondenten in einer disputatio an der Universität Leipzig im Jahr 1561 (VD16 ZV 28539) sowie Verfasser einer lateinischen Elegie im Jahr 1557 (VD16 ZV 20558) ausweisen. Im Titel wird er jeweils als Hertzbergensis bezeichnet, was die Identität mit der von Clajus gemeinten Person äußerst wahrscheinlich macht. 88 Vgl. Mk 6,4: καὶ ἔλεγον αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς ὅτι οὐκ ἔστιν προφήτης ἄτιμος εἰ μὴ ἐν πατρίδι αὐτοῦ καὶ ἐν τοῖς συγγενεῦσιν αὐτοῦ καὶ ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ. 89 Ἐλαφηβολιῶνος ist der neunte Monat des athenischen Kalenders, der im März/April anzusetzen ist (vgl. Trümpy 1997, 6). 90 Der 1511 in Kitzingen geborene Eber immatrikulierte sich im Sommersemester 1532 an der Leucorea (biographische Angaben finden sich in Gehrt/Leppin 2014) (Promotion zum Magister 1536). Von 1543 bis 1557 hatte er die Professur für Rhetorik und Physik, hiernach bis 1558 die Professur für Hebräisch und Altes Testament inne; währenddessen war er außerdem Schlossprediger. 1558 wurde Eber ordiniert und Stadtpfarrer sowie Superintendent des Wittenberger Kurkreises. Bis zu seinem Tod 1569 war er Professor für Theologie. Nach dem Tod Melanchthons trat Eber dessen Erbe an, wodurch er selbst zu einer gewichtigen Instanz nicht nur für akademische Angelegenheiten, sondern auch für kirchenpolitische und theologische Fragen sowie bei Kirchen- und Lehrpersonal wurde. 91 Im Druck CLAIUS 1570, [Qv].

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ΧAῖρε θεοῦ κῆρυξ, ἀνδρῶν ὑπερέξοχε πάντων, Ταρσῆος ζηλῶν δύναμίν τε καὶ οὔνομα Παύλου, καὶ τόδʼ ἔπος, καὶ τήνδʼ ᾠδὴν φαύλην πὲρ ἐοῦσαν πὰρ Κλαΐου δέξαι, τὸν πατρὶς ἔφυσεν ἄρουρα, συλλήβδην ὀνομαζομένη ἔλαφός τε καὶ οὖρος. νῦν δὲ σχολεῖον ἐκεῖ, καθάπερ θέμις ἐστὶ, κυβερνᾷ. ἔσθʼ ὅτε καὶ σὺ μέλος τὶ ἐμοὶ πολυγηθὲς ἔδωκας, ἐν τῇ Λευκορίδος παρά σοι γεγαῶτι πόληϊ, συγγενέος μετʼ ἐμοῦ, Λαυρέντιος ὃς μὲν ἐκλήθη Ἰσχυρὸς, ἐν χάρταις εὑρήσεις οὔνομα σοῖσι, ὅς τε παρόντι παρὼν τάδε σοὶ ἐμὰ δῶρα δίδωσι. πρόφρων δʼ αὐτὰ δέχου, μνήσθητι δʼ ἐμεῦ διαπαντὸς, καὶ τοῦ συγγενέος, χʼ ἡμᾶς ἐκ πατρίδος αἴης εἰς ὁτιοῦν βούλει μέρος, οὑστινασοῦν ποτὶ λαοῦς πέμπε παρʼ ἡμετέροις κακὰ πάσχοντας πατριώταις. οἶσθα γὰρ οἷα παθὼν ἐν Ναζαρὲθ εἶπεν ὁ Χριστὸς, ὅττι προφητάων οὐδεὶς ἐν πατρίδι δεκτός. νῦν δʼ ἔῤῥωσο κακῶν διάγων ἔκτοσθεν ἁπάντων. ὄλβιος ἴσθι θεοῦ χρησμῶν πισυνώτατε κῆρυξ. ζῆθι πολυχρόνιος μεμνημένος αἰὲν ἐμεῖο, καί μοι συγγνώμην νέμε πεφλυαρηκότι ταῦτα. εἰ δέ που ἥμαρτον, τὸ σφάλμʼ εὖ βούλεο θέσθαι.

Adn. crit.: tit. τῷ παύλῳ ἐβήρῳ ed. ‖ 2 ταρσῆος … παύλου ed. ‖ 4 κλαΐου ed. ‖ 8 λευκορίδος ed. ‖ 9sq. λαυρέντιος … ἰσχυρὸς ed. ‖ 10 ἑυρήσεις ed. ‖ 11 παρόντι παρὼν] cf. Gal. Hipp. Fract. 18b, 321, 8 ‖ 13 ἄιης ed. ‖ 16 ναζαρὲθ … χριστὸς ed. ‖ 17 cf. NT Lk 4,24 (Mt 13,57; Mk 6,4), vide etiam Claii ep. 5,38 ‖ 20 ἀιὲν ed. ‖ 22 ἐι ed.

Übersetzung: „Sei gegrüßt, Verkünder Gottes,92 der Du alle Männer überragst, [2] Nacheiferer der Fähigkeit und auch des Namens des Paulus von Tarsos!93 Nimm dieses Gedicht und diese Ode, obwohl sie schlicht ist, [4] von Clajus an. Den brachte das Vaterland hervor, das zusammengefasst Hirsch und auch Berg genannt wird. [6] Nun aber leitet er, ganz wie es sein muss, dort die Schule. Als Du mir einst ein hoch erfreuendes Lied schenktest, [8] als ich bei Dir in der Stadt der Leucorea war, da war mit mir ein Verwandter da, der Laurenz [10] Starcke94 genannt wurde. In Deinen Büchern wirst Du seinen Namen finden. Dieser gibt Dir, wenn er mit Dir zusammen

92 Zu V. 1 θεοῦ κῆρυξ: Seit 1558 war der Wittenberger Professor Eber auch Stadtprediger und Superintendent. 93 Die Verknüpfung mit Paulus von Tarsos (Apostel Paulus) liegt bei gleichem Vornamen nicht fern; auch Luther schrieb an Eber: tu vocaris Paulus, moneo igitur, ut exemplo Pauli studeas constanter conservare et tueri doctrinam, quam Paulus tradidit (Zitiert nach Sixt 1843, 19 Fn.). 94 Es handelt sich hierbei eher nicht um einen direkten Blutsverwandten, sondern um einen Angehörigen seiner Ehefrau Anna Starcke, der während des Rektorats von Clajus ebenfalls in

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trifft, meine Geschenke. [12] Nimm sie denn wohlwollend entgegen und gedenke meiner und meines Verwandten stets. Schicke uns aus der väterlichen Heimat [14] zu welchem Erdteil Du auch immer willst, zu irgendwelchen Völkern, uns, die wir bei unseren Landsleuten Schlimmes erleiden! [16] Denn Du weißt, was Christus in Nazareth erlitt und deshalb sagte, dass keiner der Propheten in seinem Vaterland willkommen ist.95 [18] Nun aber lebe wohl, verbringe Dein Leben fern von allen Übeln, sei glücklich, Du gehorsamster Verkünder der Sprüche Gottes. [20] Lebe viele Jahre und gedenke meiner stets, und hab Nachsicht mit mir, obwohl ich dieses unnütze Zeug schreibe. [22] Wenn ich aber irgendwo Fehler gemacht habe, nimm das Vergehen gut auf!“ (7) An Caspar Peucer [in Goldberg]96 [Goldberg, um 1560]97 Τῷ Γάσπαρι Πευκήρῳ ἀρχιάτρῳ. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

ΧΑῖρε κακῶν ἔκτοσθε νόσων, ἔκτοσθε μεριμνῶν, ἰητρῶν Πευκῆρε κλέος, πανάριστε λόγοιο ἴστορ ἐλευθερίου, ἀρετῇ τε κεκασμένε πάσῃ, χαῖρε σχολῆς ἐνὶ Λευκορίδος νῦν δόξα πόληϊ, κληρονόμε κλέεος τοῦ σεῦ ἑκυροῖο Φιλίππου. ὅντε μὲν ἄνδρα θεὸς πολλῶν ὕπο λυγρὰ παθόντα γῆς ἄπο πρὸς μεγάλου μετενήνοχε θῶκον Ὀλύμπου, τὸν γαμβρὸν δʼ ἕτερον τὸν τίμιον ἄνδρα Σαβῖνον εἷλε μόρος, σὲ δὲ νῦν ἴδμεν διαδέγμονα μοῦνον τῆς ἑκυροῦ δόξης. ὦ τρὶς καὶ τετράκις ἄμμι χαῖρε βίον διάγων μακάρως μήκιστον ἐν αἴῃ. νῦν δʼ ἂρ ὅτι ξεῖνος Γολδπυργικὸν ἄστυ προσῆλθες πᾶσι φίλος, μάλα συγχαίρω πολυγηθέϊ θυμῷ σῇσιν ὁδοιπορίῃς, χάριν εἰδὼς, ὡς ἐπέοικε, ἐν στήθεσσι θεῷ πάντʼ ἐσθλὰ βροτοῖσι διδόντι, σῆς ὑπὲρ εὐτυχίης ἐν μέχρʼ ἐνταῦθα κελεύθοις, καί σοι ἐπευχόμενος παρʼ ἐκείνου νόστιμον ἦμαρ, ὥς σε παλινδρομέειν ποτί σευ παῖδάς τʼ ἄλοχόν τε, ἠδʼ ἀνόσους πάντας σώους θʼ εὑρισκέμεν οἴκοι. ἴσθι πολυχρόνιος, καὶ σεῦ κλέος οὐρανὸν ἥξῃ

Herzberg lebte. Im August 1553 immatrikulierte sich Starcke unter Laurentius Fortis in Wittenberg. Das Wittenberger Ordiniertenbuch, das von Eber begründet wurde, gibt an, dass Starcke 1560 als Diakon nach Schlieben berufen wurde (WOB II, 1895, 1). Hiernach wurde er 1568 Pfarrer in Wilda (FB Gotha, Chart. A 126, Bl. 510r–511v), anschließend Hofprediger und Superintendent in Brieg. 95 Lk 4,24: ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι οὐδεὶς προφήτης δεκτός ἐστιν ἐν τῇ πατρίδι αὐτοῦ. 96 Zu Caspar Peucer (1525–1602) siehe u.a. Bauch 1921; Koch 2002; Junghans 2005. 97 Im Druck CLAIUS 1570, [Qv]–Q2r.

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λαμπρὸν, ἀπειρέσιον, θαυμαστὸν, ἀεί τε τεθηλός. χαῖρε λόγων φέγγος, Πευκῆρε περίκλυτε χαῖρε, καὶ τάδʼ ἔπη ἐσθλῷ εὖ θέσθαι βούλεο θυμῷ, εἰσορόων κραδίην μᾶλλον γράψαντος ἀρίστην, ἢ καλλιγραφίην ἐν τῷ σχεδιάσματʼ ἐρευνῶν.

Adn. crit.: tit. τῷ γάσπαρι πευκήρῳ ed. ‖ 2 πευκῆρε ed. ‖ 4 λευκορίδος ed. ‖ 5 φιλίππου ed. ‖ 7 ἀπὸ ed. ǀ ὀλύμπου ed. ‖ 8 σαβῖνον ed. ‖ 10 τρὶς καὶ τετράκις] cf. Hom. Od. 5,306sq. ‖ 11 ἀίῃ ed. ‖ 12 γολδπυργικὸν ed. ‖ 16 ἐυτυχίης ed. ‖ 17 νόστιμον ἦμαρ] cf. Hom. Od. 1,9; 3, 233; 5, 220 etc. ‖ 18 παῖδάς τ’ ἄλοχόν τε] cf. Hom. Od. 13,334 ǀ ἀλοχόν ed. ‖ 19 ἑυρισκέμεν ed. ‖ 20 ἥξῃ] pro ἵξει vel ἵξοι (?), cf. Claii ep. 2,3; 10,55 ‖ 22 πευκῆρε ed. ‖ 25 καλλιγραφίην] verbum pedestre, cf. Plu. De Pyth. 397c.

Übersetzung: „Sei gegrüßt, fern von schlimmen Krankheiten, fern von Kummer, [2] Peucer, Du Ruhm der Ärzte, weitaus bester Kenner der freien Künste, geschmückt mit jeder Tugend, [4] sei gegrüßt, der Du jetzt der Ruhm in der Stadt der hohen Schule Leucorea bist, Du Erbe des Ruhmes Deines Schwiegervaters Philipp.98 Den Mann zwar, der von Vielen Unheil erlitten hat, [6] den hat Gott von der Erde zum Sitz des gewaltigen Olymps entrückt, [8] den anderen Schwiegersohn aber, den ehrenwerten Herrn Sabinus99 hat der Tod genommen, Dich aber wissen wir jetzt als einzigen Nachfolger [10] des Ruhmes deines Schwiegervaters. O drei- und viermal sei uns willkommen, lebe glückselig ein sehr langes Leben in Ewigkeit! [12] Nun aber also, weil Du als Gast nach Goldberg kamst – allen als Freund –, wünsche ich mit fröhlichem Gemüte [14] Glück für Deine Reise, weil ich Gott Dank weiß, wie es sich gehört, in meiner Brust, der den Menschen alle guten Dinge gibt, [16] für Dein Glück auf den Wegen bis hierhin, und erflehe für Dich von Gott den Tag der Heimkehr, [18] dass Du einst wieder zurückkehrst zu Deinen Kindern und Deiner Frau, und Du alle gesund und wohlbehalten zu Hause findest. [20] Lebe lange Zeit und Dein Ruhm soll den Himmel erreichen, glänzend, unendlich, wunderbar und in steter Blüte. [22] Lebe wohl, Du Glanz der Künste, hochberühmter Peucer, lebe wohl, und sei gewillt, dieses Lied guten Willens aufzunehmen, [24] und schau lieber auf das tüchtige Herz des Schreibenden, als dass Du Eleganz in dieser Stegreifdichtung suchst.“

98 Zu V. 5 κληρονόμε κλέεος τοῦ σεῦ ἑκυροῖο Φιλίππου: Peucer heiratete Melanchthons Tochter Magdala (1529–1575). Nach dem Tod Melanchthons wurde Peucer zum einflussreichsten Mann der Leucorea (vgl. Scheible 2001, 279). 99 Georg Sabinus (*1508), Melanchthons Schwiegersohn, ist 1560 in Frankfurt/Oder gestorben. Zu Leben und Werk siehe u.a. Flood 2006, IV 1778f.

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(8) An den Arzt Abraham Seiler [in Liegnitz]100 [Goldberg, um 1560]101 Τῷ Ἀβραάμῳ Σειλήρῳ ἀρχιάτρῳ. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34

ΧAῖρε καὶ ἀργαλέων ἔκτοσθεν ζῆθι μεριμνῶν, χαῖρε καὶ εὖ θέσθαι βούλεο τόνδε λόγον, ὃν φιλίης ἕνεκα στέλλειν τῷ νῦν σοὶ ἔδοξα, ἴστορ ἐλευθερίων ὦ πανάριστε λόγων, εὐχόμενος πρῶτόν σοι τόνδʼ ἐνιαυτὸν ὑπάρχειν εἰς τὸ τέλος πάσης ἔμπλεον εὐτυχίης. καὶ μὲν ἅπαν κατέχειν σὲ δέον κατακείμενον οἴκοι, τόν τε βίον διάγειν ὄλβιον ἠδʼ ἄνοσον. ἐν τιμῇ δʼ αἰεὶ πᾶσιν περίφημον ἄγεσθαι, εἵνεκα τῆς ἀρετῆς, ὡς ἐπέοικε, τεῆς. εὐδοκιμεῖν δὲ καλῶς παρὰ τοῖς δυνατοῖσι μάλιστα, ἠδʼ ἔμεν ὑψηλοῖς ἡγεμόνεσσι φίλον. ταῦτα μὲν οὖν αἰεί σοι ἐπεύχομαι ἐσθλὰ γενέσθαι, ἄπλετος ὡς ἕρδειν πρός σʼ ἐκέλευσεν ἔρως. ὣς γὰρ σεῦ ἔραμαι ἀνδρῶν ἀντάξιε πάντων, ὥστε καὶ οὐκ ἔμεναι φίλτερον ἄλλον ἐμοί. καὶ γὰρ ἐλευθερίοις σὲ κεκασμένον οἶδα λόγοισι, καὶ διὰ τοῦτο φίλον πᾶσιν ἐόντʼ ἀγαθοῖς. τί πλεόνεσσι λαλῶ; περί σευ κλέος ἐστὶ τοσοῦτο, ὥστε μοὶ ἐμποιεῖν καὶ τὸν ἔρωτα σέθεν. καὶ σὺ μὲν ὡσαύτως φιλέειν ἐμὲ βούλεο θυμῷ, εὔχομʼ ἔρωτος ἔχειν τήνδʼ ἀπόλαυσιν ἐμοῦ. οὐδʼ ἀπορῶ τι γράφων τάδε φέρτατε, κοὐδὲν ἀπιστῶ, ὡς γὰρ ἐμοὶ δοκέειν, σεῦ καλὸν οἶδα νόον. γευσάμενος δὲ τεῆς φιλίης οὐκ εἰμὶ ἄπειρος. καὶ σέθεν εὐνοίην ῥᾴδιόν ἐστι μαθεῖν. χαῖρε καλῶς διάγων, καὶ ἐλευθέρῳ ἀνδρὶ πρεπούσας, ὥσπερ ἔχεις, σπουδὰς μήποτε λῆγε φιλεῖν. κήδεο τῶν Μουσῶν καὶ τῶν Μούσας φιλεόντων, παντὶ τρόπῳ τʼ ἀγαθοὺς αἰὲν ὄφελλε λόγους, προσδοκόων μελέτης μισθὸν παρʼ ἄνακτος Ὀλύμπου ᾧ μέλεται ὁσίων ἱερὰ ἔργα βροτῶν. νῦν δʼ ἔῤῥωσο κακῆς διάγων ἔκτοσθε νόσοιο, θέσθαι τʼ εὖ σχέδιον βούλεο τοῦτο μέλος.

100 Über den Empfänger des Briefs, Abraham Seiler, ist wenig bekannt. Etwas Aufschluss geben die Jahrbücher der Stadt Breslau, in denen vermerkt ist, dass Seiler am 17. November 1583 mit 52 Jahren verschied (vgl. Pol 1821, 115). Er wird ferner als „der Arzney Doctor, Fürstl. Briegischer Rath und Leibmedicus“ bezeichnet. Seiler war außerdem als Dichter tätig (vgl. Schindler 1706, 286). 101 Im Druck CLAIUS 1570, Q2rv.

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Adn. crit.: tit. τῷ ἀβραάμῳ σειλήρῳ ed. ‖ 1 ζῆθι] cf. AP 10,43,1 ‖ 4 λόγων. ed. ‖ 5 ἐυχόμενος ed. ‖ 6 ἐυτυχίης ed. ‖ 7 ὄικοι ed. ‖ 8 τόντε ed. ‖ 9 ἀιεὶ ed. ‖ 10 ἕινεκα ed. ‖ 11 ἐυδοκιμεῖν ed. ‖ 13 ἀιέι ed. ‖ 14 ἔρδειν exspectaveris ‖ 15 ἀνδρῶν ἀντάξιε πάντων] cf. Claii ep. 3,1 ‖ 22 ἔυχομ’ ed. ‖ 26 ἐυνόιην ed. ‖ 29 μουσῶν … μούσας ed. ‖ 30 ἀιὲν ed. ‖ 31 ὀλύμπου ed.

Übersetzung: „Sei gegrüßt und lebe frei von harten Sorgen, [2] sei gegrüßt und sei gewillt, diese Schrift gut aufzunehmen, die ich Dir jetzt unserer Freundschaft wegen zu schicken beschloss, [4] Du vollkommen Gelehrtester der freien Künste. Ich wünsche Dir als erstes, dass Dir dieses Jahr [6] bis zum Ende mit jedem Glück angefüllt sei. Und dass Du alles Nötige zu Hause vorliegen hast, [8] Du Dein Leben in Wohlstand und ohne Krankheit führst und hochberühmt bei allen in Ehre gehalten wirst [10] wegen Deiner Tugendhaftigkeit, wie es sich gebührt. Und dass Du besonders bei den Regenten in gutem Rufe stehst [12] und den erhabenen Fürsten lieb seist. Dass also diese Güter Dir zuteil werden, wünsche ich, [14] wie es mir Dir gegenüber meine unermessliche Liebe102 zu tun befahl. So nämlich liebe ich Dich, der Du bist gleichviel wert wie alle Männer zusammen, [16] sodass mir auch kein anderer lieber ist. Ich weiß nämlich auch, dass Du Dich durch die freien Künste auszeichnest [18] und deshalb allen tüchtigen Männern lieb bist. Was schwatze ich noch mehr? Dein guter Ruf ist so groß, [20] dass er mir auch die Zuneigung zu Dir einflößt. Auch Du sei gewillt, mich genauso im Herzen zu lieben, [22] ich bitte darum, Genuss an meiner Liebe zu Dir zu haben. Und nicht leide ich Mangel, während ich dies hier schreibe, noch zweifle ich, [24] denn ich kenne, wie mir scheint, Deinen guten Geist. Weil ich aber von Deiner Freundschaft gekostet habe, bin ich ihrer nicht unkundig, [26] und es ist leicht, Dein Wohlwollen zu erkennen. Lebe wohl und lass es Dir gut gehen, und die sich für einen freien Mann ziemenden [28] Studien, wie Du es schon tust, zu pflegen, lass niemals ab. Kümmre Dich um die Musen und um die Musenfreunde [30] und auf jede Weise mehre stets die guten Wissenschaften und erwarte für die Hingabe Lohn vom Herrscher des Olymp, [32] dem die heiligen Werke ehrfürchtiger Männer am Herzen liegen. Nun aber lebe wohl und führe Dein Leben frei von übler Krankheit, [34] und nimm dieses flüchtig verfasste Gedicht gut auf.“

102 Insgesamt lässt sich besonders in den Versen 14 bis 25 eine Anhäufung von Begriffen aus dem Wortfeld „Liebe“ feststellen. Diese „ausgeprägte Liebesmetaphorik“ (Dall’Asta 2001, 57), die in Humanistenbriefen durchaus eine gewisse Verbreitung fand, führte oft zu Missverständnissen, die letztlich den Schreibern homoerotische oder gar päderastische Neigungen unterstellten (vgl. ebd., 57). Man vergleiche etwa das 1514 entstandene griechische Gedicht Reuchlins an die zehnjährige Konstanze Peutinger (siehe Rhein 1989, 74). Hier wie beim Brief an Seiler ist das erotische Verlangen ganz im Sinne Platons ὡς ἔπος εἰπεῖν als platonische Liebe zu verstehen: Eros als Liebe des Guten zum Guten wegen des Guten (vgl. Pl. Smp. 205d–206a).

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(9) An Johannes Sager [in Breslau]103 Goldberg, [um 1560]104 Τῷ Ἰωάννῃ Ῥητῆρι. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22

ΧΑῖρε καὶ εὖ πράττων χαλεπῆς ἀπάνευθε μερίμνης παντὸς ἄνευ τὲ πόνου ζῆθι μάκαρα βίον. χαῖρε καὶ εὖ θέσθαι μέμνησο τόδʼ εὔφρονι θυμῷ στελλόμενον παρʼ ἐμοῦ σμικρὸν ἐόν περ ἔπος. κᾀμὲ τεῶν ἑτάρων καταριθμήσας ἐνὶ τάξει ἄξιον ἡγεῖσθαι βούλεο σῆς φιλίης. καίπερ ἔτʼ ἄγνωστος τότε οὔνομα καὶ τὸ πρόσωπον, εἰμὶ δʼ ὅμως θεράπων ἐννέα Πιερίδων. φῦσε πατρίς μʼ ἐλάφων ἄπο κʼ οὔρεος οὔνομʼ ἔχουσα, ἔτρεφε δὲ Γρίμμη Μεισνίδος οὖσα πόλις. Λειψιακῆς δὲ χθονὸς μάλʼ ἐϋκτίμενον πτολίεθρον πὰρ Καμεραριάδῃ εἶδε διδασκόμενον. εἶτα πάτρην δʼ ἡκὼν μελανύδρου ἐγγύθʼ Ἐλύστρου ὡς δίετες σμικρὴν ᾠκονόμησα σχολὴν. νῦν δʼ ἐνὶ Σειλεσίῃ μὲ ἔχει Γολδπυργικὸν ἄστυ κοσμηθεῖσι λόγοις ὧδε συνόντα βροτοῖς, ἔνθα δʼ ἄγνωστος ἐὼν (πέλεται γὰρ ἐτήσιος ὥρη, ἦμος ἀφικνούμην τήνδʼ ἀπʼ ἐκεῖθε πόλιν) γνωστὸς ἐπεύχομʼ ἔμεν πολλοῖς κλυτὸν οὔνομʼ ἔχουσι, ἐν σφετέρῃσι καλοὺς εἰδόσι φρεσσὶ λόγους. πρὸς σὲ δὲ νῦν ἥκω τούτου χάριν ὦνερ ἄριστε, σῆς ἐπιτεύξεσθαι εὐχόμενος φιλίης.

103 Über Johannes Sager ist nur wenig bekannt. Vgl. Bauch 1921; Vincentz 1918; Kliesch 1961. Während seiner Studienzeit in Wittenberg (immatr. 1549) schloss er Freundschaft mit Melanchthon und dessen Hausgenossen David Chytraeus (1531–1600). Von 1552 bis 1569 unterrichtete er (vor allem Griechisch) an der St. Elisabeth Schule in Breslau, war dort aber aufgrund „seines herrischen Wesens“ (Vincentz 1918, 373) wenig beliebt. 1557 veröffentlichte Sager in Breslau die überarbeitete lateinische Grammatik des englischen Humanisten Thomas Linacre (1460–1524), die bis dahin als zu schwierig für die Jugend galt, weshalb Sager sie in Tabulæ und Questiones aufbrach. Melanchthon hatte sich ein Jahr zuvor anscheinend geweigert, das Werk in Wittenberg drucken zu lassen. Zumindest ist auf die Bitte hin, das Lehrbuch zu veröffentlichen, kein Wittenberger Druck oder auch nur ein Widmungsschreiben von Seiten Melanchthons bekannt. Im Vorwort, einem lateinischen Distichon, erklärt Sager programmatisch: Huc lege Grammaticu[m], quo no[n] est doctior alter, | Nec quisquam facili est utilitate prior. „Lies hierzu den Grammatiker, der der Gelehrteste ist und dem niemand an Einfachheit und Nutzen voraus ist“. Diese Verse sind als Affront gegen die Auffassung Melanchthons, der die Grammatik Linacres ablehnte, zu verstehen. Sager scheint die Grammatik somit ohne den Segen der Wittenberger Gelehrten und bewusst gegen deren Meinung in der melanchthonisch geprägten Schule nutzen zu wollen und stieß hierdurch vermutlich auf gewissen Unmut seines schlesischen Umfeldes. 104 Im Druck CLAIUS 1570, Q3r.

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δεξάμενος τοίνυν κραδίην μὲ νίφαργον ἐόντα, καὶ στέργοντα καλὸν, καὶ στυγέοντα κακόν: ἡδίστων τάξει Κλάϊον πρόσγραψον ἑταίρων, ἐλπίδος ἐν θυμῷ οὔτι σφαλησόμενος. χʼ ὥστε μὲ πιστεύειν, τάδʼ ἔχειν ὣς, οὔδʼ ἀπορῆσαι, σοῖσιν ἀμειβόμενος πληροφόρει μʼ ἔπεσιν.

Adn. crit.: tit. τῷ ἰωάννῃ ῥητῆρι ed. ‖ 2 μάκαρτα ed. ‖ 8 πιερίδων ed. ‖ 10 γρίμμη μεισνίδος ed. ‖ 11 λειψιακῆς ed. ‖ ἐῢκτιμένον ed.; ad clausulam (ἐυκτίμενον πτολίεθρον) cf. Hom. Il. 2,501. 505. 546. 569 etc. ‖ 12 καμεραριάδῃ ed. ‖ 13 ἥκων (?) ǀ ἐλύστρου ed. ‖ 15 σειλισίῃ ... γολδπυργικὸν ed. ‖ 19 κλυτὸν οὔνομ’] cf. Hom. Od. 9,364 (ὄνομα κλυτόν) ‖ 20 ἐιδόσι ed. ‖ 22 ἐυχόμενος ed. ‖ 23 νίφαργον] cf. Hsch. ν 594: νίφαργον· νιφάδι λελευκασμένον ‖ 25 κλάϊον ed.

Übersetzung: „Sei gegrüßt und lass es Dir gut gehen, fernab von bedrückender Sorge, [2] und lebe ohne jede Mühe ein glückliches Leben. Sei gegrüßt und bedacht, dies von mir [4] geschickte Gedicht, obwohl es klein ist, gutgesinnten Herzens wohl aufzunehmen. Sei gewillt, auch mich in die Reihe Deiner Freunde zu zählen und [6] mich Deiner Freundschaft für würdig zu erachten. Obwohl ich damals noch mit Namen und Angesicht unbekannt war, [8] bin ich gleichwohl ein Verehrer der neun Musen.105 Es brachte mich meine Heimat hervor, die den Namen von Hirschen und vom Berg hat, (10) es zog mich aber Grimma groß, eine Stadt des Meißnischen (Landes). Die sehr schön gebaute Stadt des Leipziger Landes aber [12] sah mich als Schüler bei dem Kamerariaden (= Camerarius). Dann aber kam ich in die Heimat, sehr nahe an die schwarzwässrige Elster, [14] weil ich zwei Jahre lang eine kleine Schule geleitet habe. Nun aber hat mich die Stadt Goldberg in Schlesien, in der ich nun auf diese Weise mit Menschen, [16] die mit Wissenschaft geschmückt sind, verkehre, dort aber bin ich unbekannt (es ist nämlich gerade ein Jahr, [18] seit ich von dort zu dieser Stadt kam). Ich wünsche, den vielen, die einen berühmten Namen haben, bekannt zu sein, [20] die in ihrem wissenden Verstand die schönen Wissenschaften kennen. Deshalb aber komme ich nun zu Dir, o trefflichster Mann, [22] 105 Zu V. 8 εἰμὶ δʼ ὅμως θεράπων ἐννέα Πιερίδων: Die hier vorliegende Versepistel scheint eine Antwort auf Sagers Lehrbuch zu sein. In diesem nämlich befindet sich noch vor der eigentlichen Widmung ein griechisches Gedicht in elegischem Versmaß, in dem der Autor die Leser zu Fleiß und Eifer ertüchtigt und die freien Künste (αἱ τέχναι ἀγαθαί, V. 17) lobt. Am Ende des Gedichts folgt der Aufruf: Δεῦτε μὲν οὖν παῖδες νεαροὶ κ’ αὐτοὶ φιλόμουσοι, | τέχνην τὴν πρώτην νῦν ἀναγνῶτε βραχύ (V. 22f.) „Nun auf denn, ihr jungen Knaben und ihr Musenfreunde selbst, lest jetzt gleich diese erste Lektion!“ Der Autor setzt als Unterschrift Ῥητήρ unter das Gedicht, das griechische Äquivalent zu seinem Nachnamen Sager (eine Nebenform zu ῥήτωρ), die Clajus in der Überschrift zu seinem Gedichtbrief übernimmt. Clajus scheint sich selbst als φιλόμουσος angesprochen zu fühlen: in seiner Kontaktaufnahme charakterisiert er sich als ein ebensolcher Musenfreund. Inwiefern Clajus durch seinen Brief an Sager ein bildungspolitisches Statement zugunsten Sagers und gegen Wittenberg geben wollte, ist fraglich (siehe die vorhergehende Fußnote). Wahrscheinlich wollte Clajus durch sein Schreiben lediglich mit einem der Gelehrten in seiner näheren Umgebung in Kontakt treten, um eine humanistische Freundschaft durch das Verfassen von griechischen Briefen gedeihen zu lassen.

Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert

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weil ich erbitte, Deine Freundschaft zu erlangen. Nimm mich also auf, der ich ein reines Herz habe, [24] und das Schöne begehre und das Schlechte verachte: Schreib den Clajus auch zu der Reihe der angenehmsten Gefährten hinzu, [26] und in keiner Weise wirst im Herzen Du Dich in der Erwartung täuschen. Und dass ich Vertrauen habe, dass sich dies so verhält, und ich nicht verzweifele, [28] gib mir volle Gewissheit, indem Du mir mit Deinen Worten antwortest!“ (10) An Christoph Schilling [in Hirschberg]106 [Goldberg, 1560–63]107 Τῷ Χριστοφόρῳ Σχιλλίγγῳ. 2 4 6 8

ἌΛλο τί τις ῥέζοι, τέλος ἄλλο τὶ δʼ αὐτὸν ἱκάνει, μηδέ τε συμφωνεῖ ἔσχατα τοῖς προτέροις. πολλάκι γὰρ πράξων ἀγαθόν τις, ἔτευξε χερείω, πολλάκι δὲ πράξων χείρονα, τεῦξʼ ἀγαθόν. πάντα γὰρ οἰκονομεῖ ὁ θεὸς, καὶ πάντα κυβερνᾷ, ἠδὲ κατὰ γνώμην ἐξετέλεσσεν ἑήν. ὡς κᾀμοὶ συνέβη Σχίλλιγγʼ ὑπερέξοχε πολλῶν, ἄλλο τὶ γὰρ πράττων, ἄλλο τὶ πρόσθʼ ἐνόευν. σεῦ γὰρ ὁδοιπορίῃ τόδʼ ἔπος τὸ προπεμπτικὸν ᾄδω,

106 Das Geburtsdatum des Adressaten, Christoph Schilling (†1583), ist unklar, dürfte aber anhand seiner Immatrikulation in Wittenberg 1555 in den dreißiger Jahren liegen (Biographische Daten finden sich bei Lizelius 1730; Erdmann 1890; Bauch 1911). Nach seinem Wittenberger Studium unternahm Schilling einige Reisen in humanistischer Manier ins Ausland und erscheint anschließend ab 1560 an der St. Elisabeth Schule in Breslau als Lehrer. Doch bereits nach drei Jahren nahm Schilling den Ruf als Rektor der Stadtschule in Hirschberg, ebenfalls Schlesien (heute Jelenia Góra), an. Spätestens ebendort geriet Schilling in konfessionelle Streitigkeiten, die ihn letztendlich seine Stelle kosten sollten: während seines Wittenberger Studiums hatte er sich von philippistische Tendenzen beeinflusst der reformierten Strömung genähert. In Hirschberg lehrte er nun vollends – und nicht nur im Religionsunterricht, sondern auch vor den übrigen Gemeindemitgliedern – mithilfe des Heidelberger Katechismus, der zuerst 1563 von Zacharias Ursinus (1534–1583), ebenfalls einem früheren Melanchthonschüler, übersetzt erschien. Obwohl sich das schlesische Fürstenhaus durchaus vom lutherischen Bekenntnis hin zum calvinistischen neigte, leistete der Hirschberger Pfarrer Balthasar Tilisch (1531–1592) heftigen Widerstand, der letztlich zur Suspension Schillings im Jahr 1566 führte. Als Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1515–1576) im oberpfälzischen Amberg ein Pädagogium gründete, wurde Schilling, der sich bereits vorher in beratender Funktion betätigte, 1566 zum Rektor der Lehranstalt berufen. Das Pädagogium vermittelte vornehmlich die alten Sprachen, um die Schüler auf das Studium an den reformierten Universitäten vorzubereiten. Doch auch von hier musste Schilling nach einiger Zeit abrücken; er wich nach Heidelberg abermals als Rektor einer Schule aus. Doch Schilling war nochmals aufgrund von konfessionellen Streitigkeiten genötigt, sein Amt aufzugeben. Er reiste zum Medizinstudium nach Italien und Frankreich, wo er schließlich 1579 zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Hierauf wurde er als Physikus und Lehrer der alten Sprachen nach Oberösterreich berufen, wo er 1583 in Linz verstarb. 107 Im Druck CLAIUS 1570, [Q3v–Q4r].

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ἐσθλά σοι εὐχόμενος πρὸς πατρὸς οὐρανίου: γραψόμενος μᾶλλον φιλιοῦν ἔπος, ἠδέ σʼ ἑταῖρον θῆσον ἐμοὶ κραδίῃ εὐνοέοντʼ ἀγαθῇ. καὶ γὰρ ἐγὼ πολλοὺς φιλέειν, φιλέεσθʼ ὑπὸ πολλῶν εὔχομαι ἀνθρώπων, οἵτινες εἰσʼ ἀγαθοί. κάλλιστον γὰρ κτῆμα φίλοι καὶ λῷστον ἔασι, ὡς Κικέρων φήσʼ ἐν τῷ περὶ τῆς φιλίης. καὶ φίλον Ἡρόδοτος συνετόν τε καὶ εὔνοον ἄνδρα ἔξοχʼ ὑπὲρ πάντων τίμιον ἔμμεν ἔφη. καί τις ἑὸν θησαυρὸν, ὃν ἡγήσαιτο ἄριστον, λῷστά τε δείξασθαι κτήματα βουλόμενος, εἰς δύο δακτυλόφιν γνωστοὺς κατέδειξεν ἑταίρους, ὧν ᾔδη πισύνας ἐν πραπίδεσσι φρένας, σημειῶν χρυσοῦ φίλον ἄξιον ἀντερύσασθαι ἐν χαλεποῖς πιστὸν πράγμασι γινόμενον. τοῖσδεσιν οὖν πεισθεὶς συνετῶν ῥηθεῖσιν ὑπʼ ἀνδρῶν πολλοὺς τεῦξʼ ἑτάρους, καὶ σὲ μάλιστʼ ἔθελον. ἀλλὰ μεταξὺ γράφειν ἔπος, ᾧ φιλοῖμί σʼ ἑταῖρε, οὔασιν ἐμβλήθη ἄλλος ἐμοῖσι λόγος. φὰς ἀπὸ Σειλεσίων ἴμεναι Σχίλλιγγον ἀρούρης μακρὰν καὶ χαλεπὴν Λευκορίηνδε ὁδόν. πρόσθεν ἂρ οὖν γνώμης ἀποβὰς τὸ προπεμπτικὸν ᾆσμα γραπτέον ἡγοῦμαι τῆσδʼ ἀπιόντι χθονός. ἄλλʼ ἐσπουδάσθη μοὶ πρώην, ἄλλο δʼ ἐτύχθη, τῶν πότερον δʼ εἴη βέλτιον, οὐ νοέω, ἡδὺ δὲ γοῦν καθαρῇ φιλότητι συνόντας ὁμιλεῖν, ἀλλὰ διαιρεῖσθαι τοὺς δύο, παγχάλεπον. ἔστι δʼ ἀκίνδυνος βίος, ἢν μίμνῃ τὶς ἐν οἴκῳ, αὐτὰρ ὁδοιπορέειν πολλάκι λυγρὰ φέρει. ὡς καταμαρτυρέει τουτὶ Γερμανίδι φωνῇ τόνδε τρόπον λεχθὲν ῥῆμα παροιμιακῶς. τέρπεσθαι στρατιαῖς ἀκόλουθον Ἄρηος ἐόντα, καὶ μακρὰν γαμέειν, πλεῖν θʼ ὑπὲρ ὠκεανόν· οὐδενὶ ταῦτα βροτῷ καταθύμια πάντοτʼ ἔασι, κίνδυνος δὲ τρισὶν τοῖσδεσʼ ἔνεστι πολύς. τοὔνεκʼ ἀπερχομένου σέθεν ἡμετέρης ἀπὸ γαίης, ἄχθομʼ ὁδοιπορίης κηδόμενος χαλεπῆς. καὶ θεὸν εὐχῇσιν μάλα λίσσομαι ἀκαμάτοισιν, ὥς σοι πᾶν ἐθέλοι λυγρὸν ἀμυνέμεναι. καὶ μὲν ἀπʼ οὐρανόθεν καταπέμπειν ἄγγελον αὑτοῦ ἐσθλὸν ὀδοιπορίης ἡγεμονῆα τεῆς. ἀλλʼ ὅταν ἦλθε χρόνος περιτελλομένων ἐνιαυτῶν, γῆς σε παλινδρομέειν ποιῇ ἀπʼ ἀλλοδαπῆς. οἴκαδέ τʼ ἂψ ἀγαγὼν σοῖσιν μέγα χάρμα φίλοισι, σοὶ καταγηράσκειν δοίη ἐν ἡσυχίῃ.

Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert

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καὶ σέθεν οὐνόματος ποιῇ κλέος οὐρανὸν ἥκειν, ἐν τῷ νῦν βιότῳ πάντα δέοντα διδούς. χαῖρε καὶ εὖ θέσθαι τόδʼ ἔπος μάλα πρόφρονι θυμῷ, ἔν τε φίλοις Κλάϊον βούλεο σοῖσιν ἔχειν.

Adn. crit.: tit. τῷ χριστοφόρῳ σχιλλίγγῳ ed. ‖ 1 ΑΛλο ed. ‖ 3 χερείω] cf. Greg. Naz. Carm. 558, 8 ‖ 5 ὀικονομεῖ ed. ‖ 7 σχίλλιγγ’ ed. ‖ 10 ἐυχόμενος ed. ‖ 12 ἐυνοέοντ’ ed. ‖ 14 ἔυχομαι … ὅιτινες ἐισ’ed. ‖ 15sq. cf. Cic. Lael. 55 ‖ 16 κικέρων ed. ‖ 17 ἡρόδοτος ed. ǀ σύνετόν ed. ǀ ἔυνοον ed. ‖ 17sq. laudat Hdt. 5,24,3 (κτημάτων πάντων ἐστὶ τιμιώτατον ἀνὴρ φίλος συνετός τε καὶ εὔνοος) ‖ 22 φρένας,] φρένας. ed. ‖ 23sq. cf. Thgn. 77. 79 ‖ 29 σειλεσίων … σχίλλιγγον ed. ‖ 30 λευκορίηνδε ed. ‖ 31 ἆσμα ed. ‖ 35 δέ ed. ‖ 39 γερμανίδι ed. ‖ 40 λεχθὲν … παροιμιακῶς] cf. Str. 11,2,16 ǀ ρῆμα ed. ‖ 41 ἄρηος ed. ‖ 41sq. proverbium invenire non potui, sed cf. TPMA 10,442 s.v. „Soldat“ 1 ‖ 51 περιτελλομένων ἐνιαυτῶν] cf. Hom. Il. 2, 551 ‖ 52 ποιοῖ exspectaveris ‖ 53 ὄικαδέ ed. ǀ μέγα χάρμα] cf. Hom. Il. 24,706 ‖ 55 ποιοῖ exspectaveris ǀ κλέος οὐρανὸν ἥκειν] cf. Hom. Il. 8,192; Od. 9,20 (sed ibi semper ἵκει pro ἥκειν: forte Claius fallitur itacismo) ‖ 58 κλάϊον ed.

Übersetzung: „Mag jemand das eine machen, etwas anderes aber kommt schließlich zu ihm, [2] und deshalb harmoniert das Letzte auch nicht mit dem Vorherigen. Oft nämlich, wenn einer Gutes tun will, erreicht er Schlechteres, [4] und oft, wenn er Schlechteres tun will, erreicht er Gutes. Alles nämlich verwaltet Gott, lenkt alles [6] und vollendet es nach seinem Entschluss. So geschah es mir, Schilling, der Du vielen überlegen bist: [8] ich hatte nämlich zuvor eines im Sinn, führte aber etwas anderes aus. Dieses Reiselied singe ich begleitend für Deine Reise, [10] und wünsche Dir Gutes vom himmlischen Vater her; und will lieber ein Lied schreiben, das Freunde macht, und das Dich mir zum Gefährten [12] machen soll, der mir mit gutem Herzen wohlgesonnen ist. Denn auch viele zum Freund zu haben und vielen Menschen, die aufrichtig sind, Freund zu sein, [14] wünsche ich. Der schönste und liebste Besitz sind nämlich Freunde, [16] wie Cicero in seiner Schrift über die Freundschaft sagt.108 Auch Herodot sagt, dass ein verständiger und auch wohlwollender Mann [18] über allem wertvoll sei. Und wenn jemand seinen Schatz, den er für am wichtigsten hält, als seinen liebsten Besitz zeigen möchte, zeigt er mit den Fingern auf seine beiden befreundeten Gefährten, [20] deren vertraute Gesinnung in ihrem Verstand er kennt, und zeigt so, dass er einen Freund gleich hoch wie Gold schätzt, [24] der in Notlagen verlässlich ist. Im Vertrauen auf diese Worte verständiger Männer also [26] wollte ich viele zu Freunden machen, besonders aber Dich. Beim Schreiben des Lieds aber, mit dem ich Dich, Gefährte, herzen wollte, [28] wurde eine andere Kunde in meine Ohren geschleudert, die besagt, dass Schilling vom Land der Schlesier weg [30] den langen und mühseligen Weg zur Leucorea geht.109 Ich 108 Vgl. Cic. Lael. 55: quid autem stultius quam cum plurimum copiis facultatibus opibus possint, cetera parare quae parantur pecunia, equos famulos vestem egregiam vasa pretiosa, amicos non parare, optumam et pulcherrimam vitae ut ita dicam supellectilem? 109 V. 30 μακρὰν καὶ χαλεπὴν Λευκορίηνδε ὁδόν: Die Wegstrecke von Hirschberg nach Wittenberg beträgt rund 300 Kilometer.

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bin denn also von der vorherigen Absicht abgekommen, [32] und glaube, dass ein Reiselied geschrieben werden muss für den, der von dieser Gegend fortgeht. Das eine wurde jüngst von mir mit Eifer betrieben, etwas anderes aber wurde verfertigt, [34] welches von beiden aber besser sein dürfte, weiß ich nicht. Lieblich aber wenigstens ist es, dass diejenigen, die in reiner Freundschaft verbunden sind, miteinander umgehen, [36] aber ganz schwierig ist es, die beiden zu entzweien. Das Leben ist gefahrlos, wenn man zu Hause bleibt, [38] das Reisen hingegen bringt oft Unglück, wie in deutscher Sprache [40] das Sprichwort auf folgende Weise bezeugt: Es freut den Gefolgsmann des Ares auf Feldzügen zu sein, [42] in der Ferne zu heiraten und über den Ozean zu segeln: Keinem Sterblichen ist das immer erwünscht [44] und die Gefahr in diesen drei Dingen ist groß! Deshalb, weil Du fort von unserem Land gehst, [46] bin ich sehr bedrückt, weil ich mich wegen der mühseligen Reise sorge. Und ich flehe heftig mit unermüdlichen Gebeten zu Gott, [48] dass er jedes Unheil von Dir abwenden möge, und dass er vom Himmel her seinen Engel hinabschicke [50] als tüchtigen Reiseführer. Aber sobald110 die Zeit der umlaufenden Jahren kommt, [52] soll er bewirken, dass Du aus dem fremden Land zurückkehrst. Und wenn er Dich nach Hause zurückgeführt hat, Deinen Freunden zur großen Freude, [54] möge er Dir ein ruhevolles Altern gewähren. Und er soll bewirken, dass Deines Namens Ruhm den Himmel erreicht, [56] und im jetzigen Leben alles Notwendige darreichen. Lebe wohl und sei gewillt, dies Lied sehr wohlwollend aufzunehmen [58] und Clajus unter Deinen Freunden zu haben.“

110 V. 51 ὅταν ἦλθε: Die Verbindung ὅταν mit Indikativ ist nachklassisch (vgl. LXX Ex 16,3).

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11) An Martin Thabor [in Goldberg]111 [Goldberg, 1560–63]112 Τῷ Μαρτίνῳ Θάβορι. 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Tῶν Γολδπυργιέων ἐνὶ τηλεκλυτῷ πτολιέθρῳ παιδευτῶν τε κλέος, τῶν τε νέων ὄφελος, βελτίστους φιλέων, πεφιλημένε δʼ αὖ ὑπʼ ἀρίστων, καὶ τῶν ἑπτὰ λόγων ἴστορ ἐλευθερίων: χαῖρε καὶ οὐλομένης διάγων ἔκτοσθε μερίμνης ὄλβιον ἰσοετῆ Νέστορι ζῆθι βίον. καὶ τάδε δεξάμενος σχεδιάσματα πρόφρονι θυμῷ φαῦλά περ εὖ θέσθαι βούλεο, κᾀμὲ φίλει, καὶ τὸν ἐμεῦ βίοτον μὴ λῆγʼ ὅσον οἷον ὀφέλλειν, καὶ πόνον ὠφελέειν καὶ κλέος, ὥσπερ ἔχεις. αὐτὰρ ἐγὼ σπουδὴν ποιήσομαι αἰὲν ἐναλλὰξ, ὡς δοκέοιμι τεῆς ἄξιος ὢν φιλίης. εὖ τε παθὼν ὑπό σου μεμνημένος εἴσομαι ἐσθλὴν ἀντʼ εὐεργεσίης, ὡς ἐπέοικε, χάριν. νῦν δέ σοι ἐῤῥῶσθαι εἰπὼν οὐ πλείονα γράψω, ἀλλὰ σὺ συγγνώμην τοῖσδʼ ἐπέεσσιν ἔχε, οἷσιν ἐμαυτὸν ἐγὼ ἀσκεῖν ἐθέλησα μάλιστα, ὃς νῦν παμπόλλῳ οὐκ ἐμόγησα χρόνῳ.

111 Der 1524 geborene Martin Thabor aus dem niederschlesischen Glogau (heute Głogów) besuchte die Schule ebendort und begab sich bereits mit 13 Jahren zur Wittenberger Universität, jedoch vorerst ohne sich dort einzuschreiben (zur Biographie vgl. besonders Bauch 1921). Nach zwei Jahren verweilte er für die gleiche Dauer in Krakau; hiernach kehrte er zur Leucorea zurück und schrieb sich 1542 als „Martinus Thabar“ als Student ein. Er besuchte die Vorlesungen Luthers und Melanchthons und studierte neben den drei biblischen Sprachen auch die philosophischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen. 1546 – und damit im Jahr der Erlangung der Magisterwürde – vermittelte ihn Melanchthon als Mathematiklehrer, Astronom und späteren Griechischlehrer an die Goldberger Schule seines ehemaligen Schülers und Freundes Valentin Trozendorfs. Der Schulbetrieb in Goldberg wurde Ende der 1540er bis Anfang der 1550er Jahre von finanziellen Nöten, der oft fehlenden Unterstützung durch Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg (hiervon zeugt ein Brief Melanchthons an den Herzog, in dem er um den Fortbestand der Goldberger Schule bittet, vgl. MBW, Nr. 7111) und auch von Seuchen behindert; als am 17. Juli 1554 ein Brand fast die ganze Stadt niederbrannte, musste auch die Schule geschlossen werden. Thabor übernahm die Leitung des Wiederaufbaus sowie die Aufgabe, die nötigen finanziellen Mittel einzutreiben. Er heiratete die Witwe des ehemaligen Bürgermeisters Georg Helmrich d. Ä. und wurde so zum Stiefvater von Georg Helmrich d. J., dem Empfänger von Brief 13. Nach dem Tod Trozendorfs im Jahr 1556 wurde Thabor zum Rektor ernannt; noch im gleichen Jahr konnte er mit seinen Schülern das neue Gebäude in Goldberg beziehen. Bereits zwei Jahre später legte er das Rektorenamt freiwillig, vermutlich aus politischen Gründen zugunsten Heinrich Paxmanns ab. 1563 übernahm Thabor zum zweiten Mal das Amt des Rektors, nachdem Paxmann, der als erster Nicht-Trozendorfschüler nach Goldberg kam, als Rektor entlassen wurde. Thabor starb 1579 in Goldberg. 112 Im Druck CLAIUS 1570, [Q4r].

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Adn. crit.: tit. τῷ μαρτίνῳ θάβορι ed. ‖ 1 γολδπυργιέων ed. ǀ τηλεκλύτῳ ed.; ad verbum cf. Hom. Il. 19,400; Od. 1,30 ‖ 6 ἰσοετῆ] cf. Apollon. Lex. s.v. οἰέτεας (p. 119,4 Bekker) ǀ νέστορι ed. ‖ 11 ἀιὲν ed. ‖ 14 ἐυεργεσίης ed.

Übersetzung: „Ruhm der Lehrer in der weitberühmten Stadt der Goldberger [2] und Nutzen der Jugend, weil Du die Besten liebst und Du wiederum von den Tüchtigsten geliebt bist, [4] Kenner der sieben freien Künste: Sei gegrüßt und verbringe Dein Leben fern von verderbender Sorge. [6] Lebe wie Nestor lang und in Wohlstand. Und sei gewillt, diese Stegreifdichtung, wenn Du sie wohlwollenden Herzens annimmst, [8] obwohl sie freilich minderwertig ist, gut aufzunehmen und mir Freund zu sein. Und lass nicht davon ab, mein Leben so sehr wie nur möglich zu bereichern [10] und Mühe und Ruhm zu fördern, wie Du es zu tun pflegst. Ich aber werde mich dafür stets bemühen, [12] dass ich Deiner Freundschaft würdig erscheine. Weil ich Wohltaten von Dir empfing, werde ich Dir, dieser gedenkend, [14] für diese Gefallen immer braven Dank wissen, wie es sich ziemt. Nun aber sage ich Dir Lebewohl und will nicht noch mehr schreiben. [16] Du aber hab mit diesen Worten Nachsicht, mit denen ich mich besonders üben wollte, [18] der ich mich nun sehr lange Zeit nicht mehr angestrengt habe.“ (12) An denselben [Martin Thabor in Goldberg] [Goldberg, Herbst–/Wintermonate 1563–65]113 Τῷ αὐτῷ. 2 4 6 8

ΚΑλλιόπης θεράπων, ἀρετῇ πεπυκασμένε πάσῃ, δόξα σχολῆς μούνη καὶ κλέος ἡμετέρης, σοὶ μὲν ἐγὼ μνήμων χάριν (ἧ θέμις) οἶδα μεγίστην σῆς ὑπὲρ εὐνοίης καὶ καθαρῆς φιλίης, ὅττι μὲ οὐχ ὥσπερ πολλοὶ, φιλέεις ἀγορεύων, ἀλλʼ ὄντως στέργεις ἐκ κραδίης τὲ ὅλης. φευκτέον ἀνθρώπους ἄλλʼ ἐν φρεσὶ λάθρα νοεῦντας, ἄλλο δὲ βάζοντας, ὡς Ἀΐδαο πύλας.

113 Blätter [Q4r]–[Rv] im Druck Græcorum Poematum libri sex. Bereits von Perschmann wurde dieses Gedicht in die letzten Tage von Clajus’ Goldberger Zeit datiert (ders. 1874, 18 und Drobner–Dechering 22010, 80). Hierfür liegt jedoch kein Beweis vor. Zwar hat Clajus Goldberg, obwohl er sich dort durchaus sehr wohl fühlte und regen Kontakt mit seinen Kollegen pflegte, sehr plötzlich verlassen und sich ins weitaus weniger bedeutende und bekannte Frankenstein begeben. Die Abreise jedoch mit diesem „Akt der Roheit“ (Perschmann 1874, 18) nicht nur zu verbinden, sondern auch zu begründen, ist allzu willkürlich. Zudem spricht die chronologische Anordnung im Druck dagegen: Gemäß dieser muss die Epistel nach 1563 und vor 1565 verfasst worden sein, weshalb der Vermutung Perschmanns zu widersprechen ist. Ein viel wahrscheinlicherer Grund für den Ortwechsel ist, dass die Besoldung als Rektor in Frankenstein höher gewesen sein dürfte als die in Goldberg in der dritten Lehrerstelle.

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τοὔνεκά σοι πολλὴν χάριν οἶδα καὶ εἴσομαι αἰεὶ, γνοὺς σὸν ἀκίβδηλον καὶ νιφόεντα νόον. ἀλλὰ καὶ αὖθις ἔχω χάριν ὠγαθὲ πάγχυ μεγίστην ἀντʼ εὐποιϊέων εἰς ἐμὲ πρόσθε τεῶν. οὕνεκά με πρόχθες μεγάλην ἐπὶ δαῖτʼ ἐκάλεσσας ξὺν πολλοῖς λαμπρῶς καὶ μεγαλοπρεπέως. ἰχθυδίων παραθεὶς ἡμῖν μέγα πλῆθος ἀρίστων, οἷά τε οὐκ εἴη πᾶσι κατῆμαρ ἔχειν. εὔοδμόν τʼ ἐδίδως ζυθὸν, νηπενθέα τʼ οἶνον, εὐξάμενος φαγέειν μείλιχος ἠδὲ πιεῖν. νῦν δέ μʼ ὀδυρόμενον παύροις κακοδαίμονʼ ἀκούσῃς, εἵνεκα τῶν ἐνίων ὕβριος εἴς με νέων. οὐκ ἔτι δʼ εἰσὶ νέοι, Σατανᾶ θεράποντες ἔασι, ζηλοῦντες σπουδὴν ἔργα τὲ χαιρεκάκου. ὡς σέο πρόχθες ἰὼν ἀπὸ δώματος οἴκαδʼ ἀνῆλθον (νυκτὸς δʼ ἦν ὥρη ὡς δυοκαιδεκάτη) καὶ κατεκεκλίμην ἐπʼ ἐμὸν λέχος (ἐν δʼ ὑποκαύστῳ εὕδομεν, οὗ κλίνη ἵσταται ἡμετέρη, τεξομένης ἀλόχοιο περιπλομένων δέκα μηνῶν ἐξ οὗ ἐκίσσησε, προσδοκόωσα τόκον) ἐξαπίνης θυρίδʼ ἐμβάλλων λίθον ἡμετέρῃ τὶς ἔῤῥηξεν κύκλους ἕνδεκα τοῦ ὑάλου. ἦχον ἀκούσαντι χλοερὸν δέος αὐτίκʼ ἐπῆλθε, μᾶλλον ἐμεῦ δʼ ἀλόχου στέρνον ἔδεισε φόβῳ. ταῦτα μεταξὺ γράφων ὑβριστικὰ γράμματʼ ἀνέγνων, ἐνθάδε ταῖς σπουδαῖς ἐνδιατριβομένων. χαῖρε καλῶς διάγων, κᾀμὲ στέρξῃς διαπαντὸς εἰς τέλος, ὡς τῷ νῦν, ὣς ἐπιόντι χρόνῳ. καὶ ὑπερασπιστὴς γίγνου μοὶ φέρτατε πάντων, τῷ νῦν δυστυχίῃ ἑσταότʼ ἐν χαλεπῇ.

Adn. crit: tit. τῷ ed. ‖ 1 ΚἈλλιόπης ed. ‖ 3 ἧ] pro ᾗ (?), cf. Claii ep. 5,4 ‖ 4 ἐυνόιης ed. ‖ 7 νοεῦντας] cf. Hes. Op. 261 ‖ 8 Ἀΐδαο (ἀΐδαο ed.) πύλας] cf. Hom. Il. 5,646; 23,71 ‖ 9 ἔισομαι ἀιεὶ ed. ‖ 12 ἐυποιϊέων ed. ‖ 16 ἔιη ed. ‖ 17 ζῦθον debuit ‖ 18 ἐυξάμενος ed. ‖ 21 οὐκἔτι ed. ǀ νέοι,] νέοι ed. ‖ σατανᾶ ed. ‖ 22 χαιρεκάκου] EM 808,6 ‖ 23 ὄικαδ’ ed. ‖ 26 ἕυδομεν ed. ‖ 31 χλοερὸν δέος] cf. Hom. Il. 7,479; 8,77; 17,67 etc. (ibi semper χλωρὸν δέος) ‖ 34 ἐν διατριβομένων ed. ‖ 35 στέρξῃς] pro στέρξαις (?), cf. Claii ep. 1,3; 7,20 ‖ 36 ἐις ed.

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Übersetzung: „Verehrer der Kalliope,114 mit jeder Tugend Bekränzter, [2] einziger Ruhm und Ehre unserer Schule, Dir weiß ich, mich wohl erinnernd, wie es recht ist, den größten Dank [4] für Dein Wohlwollen und Deine reine Freundschaft, weil Du mir nicht wie viele nur mit Worten Freund bist, [6] sondern mich tatsächlich und aus ganzem Herzen liebst. Man muss Menschen meiden, die das eine verborgen im Innern denken, [8] etwas anderes aber sagen, wie die Tore des Hades. Deshalb weiß ich Dir großen Dank und werde es immer tun, [10] da ich Deinen ehrlichen und reinen Sinn erkenne. Aber auch bin ich wiederum ganz und gar dankbar, mein Guter, [12] für Deine früheren Wohltaten mir gegenüber, und weil Du mich vorgestern zu einem großen Festmahl [14] mit vielen riefest, leuchtend und prachtvoll. Eine große Menge von vortrefflichem Fisch hast Du uns aufgetischt, [16] wie nicht jeder sie täglich haben kann. Und Du serviertest wohlriechendes Bier und kummerstillenden Wein, [18] und batest höflich zu essen und zu trinken. Nun aber höre mich Unglücklichen mit wenigen Worten klagen, [20] wegen einer Gewalttat von einigen jungen Burschen gegen mich. Keine jungen Burschen sind es mehr, sondern Diener des Teufels! [22] Denn sie streben eifrig nach den Werken des Schadenfreunds. Als ich vorgestern von Deinem Haus ging und heimkehrte [24] (es war nachts etwa die zwölfte Stunde) und ich mich auf mein Ehebett niedergelegt hatte (wir schlafen in einem beheizten Raum, [26] in dem unser Ehebett aufgestellt ist, weil meine schwangere Frau den zehnten Monat hinter sich brachte, [28] seit sie den Hunger der Schwangeren115 verspürte, da sie eine Geburt erwartet), da warf plötzlich irgendjemand einen Stein durch unser Fenster [30] und zerbrach elf Fensterscheiben! Augenblicklich befiel mich mit dem Lärm grüngelbe Furcht, [32] die Brust meiner Frau aber geriet noch mehr als meine in Furcht. Ich schreibe Dir nun und habe inzwischen diese unverschämte Nachricht [34] von denen, die sich hier mit solchen Anstrengungen die Zeit vertreiben, gelesen.116 Lebe wohl, verbringe Dein Leben schön und sei mir stets ein Freund [36] bis zum Ende, wie nun, so auch in der kommenden Zeit. Und werde mir Beschützer, o Bester von allen, [38] der ich mich in diesem jetzigen Unglück befinde.“

114 Kalliope, die vornehmste der neun Musen (Hes. Th. 79), erscheint bei Pindar als Muse der Künste (Pi. O. 10,14) und bei Properz als die der Dichtkunst (Prop. 1,2,28). 115 Zu V. 28 ἐξ οὗ ἐκίσσησε: Von κίσσα – „'longing' of pregnant women, craving for strange food“ (LSJ 954 s.v. κίσσα II). 116 Zu V. 33, ταῦτα μεταξὺ γράφων ὑβριστικὰ γράμματʼ ἀνέγνων: Perschmann und von ihm abhängig Drobner-Dechering gehen davon aus, dass Clajus am folgenden Tag eine Nachricht überbracht wurde (vgl. Perschmann 1874, 18 und Drobner-Dechering 22010, 80). Hierfür gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt. Eine förmliche Stellungnahme der Schüler ist ohnehin unwahrscheinlich, viel eher kann von einer Schmähschrift ausgegangen werden, die mit dem Stein bis vor Clajus’ Bett geworfen wurde.

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(13) An Georg Helmrich [in Goldberg]117 [Goldberg, 1563–65]118 Γεωργίῳ Ἑλμερεικῷ. 2 4 6 8 10

Τίπτε μοὶ οὔτι γράφεις ἑτάρων πολὺ φίλτατε πάντων; ἢ χρόνον ἡσυχίαν τίπτε τοσοῦτον ἄγεις; ἴσως ἐκπονέεις ἀκριβῶς κόμψως τὲ στιχίζειν, ἠδὲ πρόνοιαν ἔχεις εὖ, τε καλῶς τε γράφειν; αὐτὰρ ἐγὼ σπουδὴν μεταθεὶς σχεδιάσματα ταῦτα ἐν τῷ νῦν στέλλω, καὶ δέομαί σε λαβεῖν. τέρπεο τοιούτοις, ὄφρα τῶνδε ἀμείνονα πέμψω, κᾀμὲ φίλει πισταῖς ἐν φρεσὶν, ὥσπερ ἔχεις. ζῆθι καλῶς χαλεπῶν διαπαντὸς ἄνευθε μεριμνῶν, σεῦ δʼ ἀλόχῳ χαίρειν ἐξ ἐμέθεν σὺ λέγε.

Adn. crit.: tit. γεωργίῳ ἑλμερεικῷ ed. ‖ 3 στιχίζειν] cf. LXX Ez 42,3, sed hic significat versus facere

Übersetzung: „Warum schreibst Du, weitaus Liebster von allen Freunden, mir denn nicht? [2] Oder warum hältst Du eine so lange Zeit Ruhe? Vielleicht arbeitest Du sehr genau daran und hast die Absicht, den Brief schmuckvoll in Verse zu bringen [4] und gut und schön zu scheiben?119 Ich hingegen dichte statt mit Fleiß aus dem Stegreif und

117 Georg Helmrich d. J. (1526–1580), Sohn des gleichnamigen Rektors und Bürgermeisters in Goldberg, besuchte die heimatliche Schule unter Trozendorf und erlangte im Anschluss an ein Wittenberger Studium (immatr. 1548) 1549 den Magistergrad (zur Biographie s. bes. Bauch 1921, Rummel/Finke 1984). Zwei Jahre später berief ihn sein ehemaliger Lehrer Trozendorf als Griechischlehrer zurück nach Goldberg. Als Konrektor wurde er dem Schulmeister eine große Hilfe. Nach dem großen Brand in Goldberg (Juli 1554) wich das Kollegium samt den meisten Schülern nach Liegnitz, um dort im ehemaligen Kloster unabhängig von der Liegnitzer Schule den Schulbetrieb wiederaufzunehmen. Durch die Feuersbrunst verlor Helmrich fast sein gesamtes Hab und Gut und schätzte den Verlust allein seiner Bücher auf 400 Taler. Im Oktober 1554 setzte Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg den gerade erst vom Stadtrat gewählten Rektor der Liegnitzer Schule St. Peter und Paul Heniochus zugunsten Helmrichs ab, wo er bis zum Sommer 1556 wirkte. Trozendorf verfügte so nach Weggang Helmrichs nur noch über zwei Lehrer: Thabor und Heniochus. Sobald der Unterricht in Goldberg nach dem Brand wieder aufgenommen werden konnte, kehrte Helmrich dorthin zurück. Er wurde Rektor zu St. Peter und Paul in Liegnitz und hiernach in Goldberg selbst. Helmrich war wie sein Vater als Dichter bekannt und erhielt zu einem unbekannten Datum die Dichterkrone (vgl. Flood 2006 (2), 832). 118 Im Druck CLAIUS 1570, [Rv]. 119 Der Topos, der dem Empfänger unterstellt nicht zu antworten, weil er zu lange an wohlklingenden Versen arbeite, obwohl der Dichter selbst kunstvolle Elegien dichtet, ist den Humanisten bestens von Martial bekannt (Mart. 7,46): Commendare tuum dum vis mihi carmine munus | Maeonioque cupis doctius ore loqui, | excrucias multis pariter me teque diebus, | et tua de nostro, Prisce, Thalia tacet. | divitibus poteris musas elegosque sonantes | mittere: pauperibus munera πεζὰ dato.

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[6] schicke nun dies, und bitte Dich, es anzunehmen. Ergötze Dich an diesen Worten, bis ich Besseres als dieses schicke [8] und sei mir im vertrauten Herzen Freund, wie Du es immer tust. Lebe wohl und stets fern von schlimmen Sorgen, [10] richte aber Deiner Frau Grüße von mir aus.“ (14) An Johannes Ladislaus [in ?]120 [Goldberg, Frühsommer 1565]121 Ἰωάννῃ Λαοδισλαῷ. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

ΛΕύκοριν ἐντεῦθεν βούλει νῦν ὦ’ταν ἀπελθεῖν, καὶ συνομιλήσεις Πιερίδεσσιν ἐκεῖ. οἰωνοῖσιν ἂρ οὖν ἔρχευ πολὺ φίλτατʼ ἀρίστοις ἄγγελον εἰληχὼς ἡγεμονῆα θεοῦ. ὃς μακράν σε ὁδὸν χαλεπῶν ἔκτοσθεν ἁπάντων πρὸς κοσμηθέντας γράμμασιν ἄνδρας ἄγοι. ἔνθα σοὶ ἐξέσται παιδευτοῦ ἀνδρὸς ἀκοῦσαι, τοῦ μὲν Πευκήρου, τοῦ κλέος ἐστὶ μέγα. ἠδὲ διδάσκοντος μέθοδον πρὸς Ὄλυμπον Ἐβήρου, κήρυκος πισύνου τοῦ ζαθέοιο λόγου. εὑρήσεις δὲ φίλων πολλοὺς καλά σοι φρονέοντας, εἵνεκα σῆς ἀρετῆς ἰδμοσύνης τε λόγων. Κελλάριον μάλα σοὶ γνωστὸν, Φράγκισκον Ἄδαμον, τὸν καλὸν ἐν τέχναις ἄρτι λαχόντα κλέος. καὶ τὸν Λωδοϊκὸν Λαυρέντιον, ὃν Λεοβέργα ἐκ τῶν ἓξ πόλεων οὖσα μία τρέφετο. ζῆθι καλῶς διάγων, καὶ δαίμονι χρώμενος ἐσθλῷ οἱστισινοῦν ἔσεαι νόσφιν ἐμεῖο τόποις. εὐπραγέων δὲ φίλους ἐν μνήμῃ βούλεο θέσθαι, ὡς σέο καὶ ἡμεῖς οὐκ ἐπιλησόμεθα.

120 Der gebürtige Dresdener Johannes Ladislaus, auch Lasla genannt, besuchte von 1554 bis 1558 die Meißener Fürstenschule St. Afra, deren Rektor seit 1546 Georg Fabricius (1516–1571) war (biographische Angaben bei Hantzsch 1906, Gössner 2003). Das Alter der Kinder musste bei der „Einschulung“ in die Fürstenschulen bei mindestens 12 und höchstens 15 Jahren liegen, weshalb das Geburtsjahr von Ladislaus zwischen 1539 und 1542 liegen dürfte. Nach der Meißner Schulzeit studierte Ladislaus ab dem Wintersemester 1558 in Leipzig. Nach einer Reisezeit, vermutlich als Präzeptor einiger polnischen Adligen, immatrikulierte sich Ladislaus 1565 in Wittenberg. Er wurde Rektor in Schleusingen, Halle (1576) und ab 1582 an seiner ehemaligen Schule St. Afra. In Meißen lehrte er die calvinistischen Grundsätze und stieß damit, obgleich ein Großteil der Lehrerschaft gleichgesinnt war, auf Widerstand. Letztendlich wurde Ladislaus bei der Schulvisitation 1592 der calvinistischen Lehren überführt und suspendiert. Er flüchtete sich ins pfälzische Amberg und erhielt – nun unter Gleichgesinnten – die Stelle des Prorektors am städtischen Gymnasium. 121 Im Druck CLAIUS 1570, [Rv]–R2r.

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Adn. crit: tit. ἰωάννῃ λαοδισλαῷ ed. ‖ 1 ὦ’ταν] pro ὦ τᾶν, cf. LSJ 1755 s.v. τᾶν ‖ 2 πιερίδεσσιν ed. ‖ 3 ὀιωνοῖσιν ed. ‖ 8 πευκήρου ed. ǀ τοῦ] τοῦ, ed. ‖ 9 ὄλυμπον ἐβήρου ed. ‖ 11 ἑυρήσεις ed. ‖ 13 κελλάριον … φράγκισκον ἄδαμον ed. ‖ 14 λαχοντα ed. ‖ 15 λωδοικὸν λαυρέντιον … λεοβέργα ed. ‖ 19 ἐυπραγέων ed.

Übersetzung: „Du willst nun, mein Guter, von hier zur Leucorea aufbrechen und [2] wirst dort mit den pierischen Musen vertraut werden. Geh nun also unter besten Vorzeichen, mein weitaus Liebster, [4] mit einem Engel Gottes als Wegführer. Dieser möge Dich den langen Weg fern von allen Schwierigkeiten [6] zu den mit Wissenschaften geschmückten Männern führen! Da selbst wird es Dir möglich sein, Lehrmeister zu hören, [8] zum einen Herrn Peucer, dessen Ruhm groß ist, zum anderen Herrn Eber, wie er den Weg zum Olymp lehrt, [10] den ergebenen Verkünder der heiligen Lehre. Du wirst aber viele an Freunden finden, die Dir gut gesinnt sind [12] wegen Deiner Tugend und Deiner Verständigkeit in den Künsten: den Dir wohl bekannten Cellarius122 und Adam Francisci123 (wirst Du treffen), [14] der doch gerade in den

122 Johannes Cellarius war Schüler des Wittenberger Theologen Paul Eber. Er trat besonders 1574 in Erscheinung, als er seine Mitschriften der Predigten seines Lehrers in Kursachsen veröffentlichen wollte und dazu den Kurfürsten um Erlaubnis bat (vgl. Hasse 2000, 339f.). Unter dem Namen Johann Cellerus/Johannes Cellerus Bohaemus findet sich ein Eintrag im Verzeichnis von Flood zu den gekrönten Dichtern (vgl. ders. 2006, I 302). Demnach wurde der Namensträger, der aus Böhmen stammt oder dort wirksam war, vor 1588 vermutlich von Paul Schede Melissus (1539–1602) zum poeta laureatus gekrönt. Die Bezeichnung als μάλα σοὶ γνωστόν (V. 13) erweckt den Eindruck, dass Keller wie Ladislaus aus Dresden stammt oder zumindest eine Zeit lang dort verbrachte, sodass sich die beiden ebenda begegnen konnten. Eine weitere Möglichkeit ist, dass sie gemeinsam die Fürstenschule St. Afra besuchten. 123 Adam Francisci wurde 1540 im schlesischen Jägerndorf (heute Krnov) geboren (biographische Angaben fnden sich in Bauch 1921, WOB, 2, 1894). Ab 1557 besuchte er die Goldberger Schule, reiste 1559 „heimlich auf einen Monat nach Wittenberg, um Melanchthon zu hören“, musste aber in seine Heimat zurückkehren, um seine bedürftigen Eltern zu unterstützen. Somit konnte er weiterhin bis 1560 die Trozendorfsche Schule besuchen. Erst hiernach immatrikulierte sich Francisci an der Leucorea, wurde 1564 zum Magister promoviert und vier Jahre später in die philosophische Fakultät aufgenommen. 1572 folgte die Ordination in Wittenberg. Von 1572 an war Francisci im Kirchendienst in Franken tätig, nachdem er vom Markgrafen Georg Friedrich I. von Brandenburg-Ansbach (1539–1602) berufen wurde. Francisci starb 1593.

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Künsten prächtigen Ruhm erlangt hat, sowie Laurentius Ludovicus124, den Löwenberg, [16] das eine von den sechs Städten ist,125 aufgezogen hat. Lebe wohl, hab eine gute Zeit und sei guten Mutes, [18] an welchen Orten auch immer Du fern von mir sein wirst. Mach es gut und sei gewillt, Deine Freunde in Erinnerung zu halten, [20] wie auch wir Dich nicht vergessen werden.“

124 Laurentius Ludovicus stammt aus einer Bauernfamilie aus Siebeneichen bei Löwenberg, heute Lwówek Śląski (biographische Angaben finden sich bei Litzel 1730, Bauch 1921). Seine ersten Schuljahre waren für „sein langsam Jngenium“ von wenig Erfolg gekrönt, „so daß er binnen 4 Jahren in der Schule nicht einen Buchstaben zum andern konte [sic] setzen lernen“ (Jöcher Bd. 2,2588 s.v. „Ludovius, Laurentius“). Er wechselte anschließend nach Goldberg und wurde Schüler Trozendorfs, dessen Erziehung sich auch für den jungen Ludovicus als ertragreich erwies. Obwohl er sich 1558 in Frankfurt/Oder immatrikulierte, kehrte er kurze Zeit später nach Goldberg und Liegnitz zurück. Erst nach dem Tod Trozendorfs (1556) begab sich Ludovicus 1558 zum Studium nach Wittenberg, wo er Schüler Melanchthons und zum Magister promoviert wurde. Nach sieben Jahren als Student, Privatlehrer und Theologe tritt Ludovicus 1565 in Görlitz als Lehrer auf und wirkt von 1584 bis zu seinem Tod im Jahr 1594 als Rektor. Ludovicus machte es sich gemeinsam mit seinen ehemaligen Kommilitonen aus Goldberg, Martin Thabor und Georg Helmrich, zur Aufgabe das Andenken an Trozendorf zu erhalten und publizierte dessen „Nachlass“, – heute eine der wichtigsten Quellen zur Goldberger Schule unter Trozendorf. 125 Welche die fünf übrigen Städte sein sollen, ist ungewiss. Doch wurde Löwenberg „zum Mittelpunkt der umliegenden deutschen Waldhufendörfer“ (Köbler 72007, 392).

Griechische Versepisteln im 16. Jahrhundert

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LITERATUR a) Primärliteratur CLAIUS 1570 (ed.) = IOHANNIS CLAII ‖ HERTZBERGENSIS ‖ Græcorum poematum li=‖ bri sex. ‖ WITEBERGÆ ‖ EXCVDEBAT IOHANNES ‖ CRATO. ‖ ANNO M.D.LXX (= VD16 C 3991). CLAIUS 1572 = CATECHESIS ‖ MINOR ‖ D. MARTINI LV–‖THERI ‖ GERMANICE, LATI= ‖ NE, GRÆCE ET ‖ Ebraice ‖ Edita studio & opera ‖ IOHANNIS CLAII ‖ Hertzbergensis. ‖ VVitebergæ Anno M.D.LXXII ‖ Excudebat Ioannes ‖ Crato (= VD16 L 5020). CLAIUS 1580 = IOHANNIS CLAII ‖ HERTZBERGENSIS, ‖ GRAMMATICÆ ‖ Græcæ Erotemata, ‖ IN QVIBVS NON TANTVM ‖ COMMVNIS IN DECLINATIO-‖nibus & coniugationibus ratio, sed etiam dia-‖lecti ad Poëtarum cognitionem neces-‖sariæ suis singulæ locis ‖ indicantur. ‖ LIPSIAE, ‖ IN OFFICINA TYPOGR. ‖ Iohannis Rhambæ, Anno ‖ M.D.LXXX (= VD16 C 3990).

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Paul A. Neuendorf

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DER TROJA-MYTHOS IN DEN EIGENEN DICHTUNGEN LORENZ RHODOMANS Thomas Gärtner

Abstract: The paper examines in which way the German philhellenist Lorenz Rhodoman makes use of the mythic example of the Trojan war in his own poems, i.e. (1) the didactic introduction to his edition of the Posthomerica by Quintus of Smyrna, (2) the simile of the Trojan horse, applied in several poems to Neander’s school of Ilfeld, and (3) his epyllion Troica.

EINFÜHRUNG Als klassischer Philologe hat sich Lorenz Rhodoman,1 der von 1545 bis 1606 lebte, mehrfach mit Literatur über den Trojanischen Krieg befaßt, insbesondere mit den Posthomerica des kaiserzeitlichen Dichters Quintus von Smyrna: Auf das Jahr 1573 subskribiert, aber erst 1577 erschienen ist seine Teilausgabe der letzten drei Bücher der Posthomerica;2 schließlich gegen Ende von Rhodomans Leben, im Jahr 1604, erschien seine krönende Gesamtausgabe der Posthomerica3 mit einer reichen Zahl flankierender Paratexte aus Rhodomans eigener Feder. Ferner besorgte er dazwischen, im Jahr 1585, eine gediegene kommentierte philologische Ausgabe der berühmten Troja-Rede des Dion Chrysostomos.4 In diesem Beitrag geht es nicht um die philologischen Qualitäten Lorenz Rhodomans, von denen jeder Apparat einer modernen kritischen Ausgabe des Quintus von Smyrna beredtes Zeugnis ablegen könnte. Es geht um seinen eigenen kreativen dichterischen Umgang mit dem Gegenstand der Posthomerica, dem Trojanischen Krieg. Dieser dichterische Umgang soll an drei Beispielen erörtert werden.

1

2 3 4

Kurze Abrisse über altgriechische Dichtung in der Neuzeit bieten Ludwig 1998, 53–59 (hier 56 zu Rhodoman) und Weise 2011, 402–404 (hier 403 mit Anm. 17 zu Rhodoman). Aus früherer Literatur zu berücksichtigen ist immer noch Lizelius 1730 (hier 154–173 zu Rhodoman). Zum Leben und Werk Rhodomans existiert eine ausführliche Monographie von Lange 1741. Siehe auch Perschmann 1864 und Gärtner 2016. In NEANDER 1577. Siehe RHODOMAN 1604. Siehe RHODOMAN 1585.

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Thomas Gärtner

1. DIE LESEANLEITUNG IN DER WIDMUNG DER POSTHOMERICA Das erste dieser drei Beispiele ist die Widmung der Teilausgabe von 1577 an den Lübecker Bischof Eberhard von Holle (1531/2–1586). Noch unter deutlichem Einfluß der eigenen Schulausbildung bei Michael Neander in der berühmten Klosterschule in Ilfeld stehend, widmet Rhodoman sein erstes größeres philologisches Werk dem Bischof. Bemerkenswerterweise hat er sich von dieser Widmung auch lange nach dem Tod des Widmungsadressaten im Jahr 1586 nicht distanziert; er wiederholt Teile dieser griechisch-lateinischen Hexameterdichtung auch in seiner Gesamtausgabe von 1604, allerdings mit einigen Änderungen am Textbestand. Eine kritische Ausgabe der Widmungsrede, die dieser geänderten Textversion Rechnung trägt, befindet sich im Druck und erscheint demnächst in einem von Hartmut Wulfram herausgegebenen Sammelband über das Phänomen der humanistischen Dedikation.5 Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang die ausgehobene Textpartie, in welcher Rhodoman den Bischof unterrichtet, was der mythische Trojanische Krieg eine frühneuzeitliche Führungspersönlichkeit noch lehren könne (διδάξει, V. 206).6 Der Inhalt dieser Lehre wird in anaphorischen ὡς-Sätzen (ab V. 207) formuliert. Es handelt sich zunächst um moralisierend-politische Gemeinplätze, nämlich das von Gott vorbestimmte Ende großer Herrschaften (V. 207f.), dann um die verderbliche Wirkung moralischer Lasterhaftigkeit bei Volk und Anführern (V. 209f.), um die Nutzlosigkeit menschlichen Widerstands gegen Gott (V. 210f.); ein misogyner Hinweis auf die korrumpierende erotische Wirkung von Frauen (V. 212) darf nicht feh-

5 6

Siehe Gärtner 2017. NEANDER 1577 (Quinti Smyrnaei […]), 12–15/RHODOMAN 1604, [†† 5v–6r. 7v]: [205] Τροίη μὲν πολύολβος, ἀϊστωθεῖσα δ’ ὀπίσσω ǀ πρόρριζον τάδε πάντα πολύφρονα φῶτα διδάξει· ǀ ὡς τέλος ἄτρεπτον μεγάλῃς Θεὸς ὥρισεν ἀρχῇς, ǀ ᾧ πεσέειν χρέος ἐστὶν, ἐπὴν εἰς ἄκρον ἵκωνται· ǀ ὡς δέ τ’ ἀτασθαλίῃσιν ὁμῶς λαῶν τε καὶ ἀρχῶν ǀ [210] κοιρανιῶν μέγα κάρτος ἀμείβεται· ὡς δέ τ’ ἀβληχρὸν ǀ πᾶν κάρτος καὶ μῆχος, ὅταν Θεὸς ἀντία βαίνῃ· ǀ ὡς κακὰ πολλὰ λόχευσεν ἀναίσιμα φίλτρα γυναικῶν· ǀ πολλάκις ὡς σύμπασα πόλις κακοῦ ἀνδρὸς ἐπαυρεῖ, ǀ εἷς δέ τ’ ἀνὴρ ἀγαθὸς λαόν τε καὶ ἄστυ σαώζει· ǀ [215] ὡς κρύφιος δόλος ἤνυσ’, ὃ μὴ φανερὴ δύνατ’ ἀλκή· ǀ πολλάκις ὡς μεθύουσι καὶ ἀτρεμέουσιν ἀκαίρως ǀ ἐχθρὸς ὑπὲρ κεφαλῆς ἐπὶ τέρψει πῆμα κορύσσει, ǀ ὡς ἡμεῖς θαλίῃσι μεμηλότες ἠδὲ χορείαις ǀ φιλτροτόκοις τε γυναιξὶ καὶ ἠλεμάτως τρυφόωντες, ǀ [220] πολλὰ δ’ ἄωρα τελεῦντες ἀταρβέες εὐδιόωμεν, ǀ Τυρκῷ δ’ αὖ τὰ μεταξὺ καὶ ἀλλοδαποῖσι τυράννοις ǀ κείρειν Τευτονίην χθόνα λείπομεν, ἄχρι καὶ ἐλθεῖν ǀ εἰς πρόπυλον, φανερῆς δ’ οὐδεὶς ἐμπάζεται ἄτης. [205] en primum florens opibus, mox diruta Troia ǀ exemplo docet ipsa suo, quod Numina regnis ǀ constituant metas, quas non transcendere possunt; ǀ quod plerunque trahant, cum ventum ad summa, ruinas; ǀ quod populi rabies et iniqua libido regentum ǀ [210] exitium pariat regni; quod nulla potestas ǀ invitis valeat divis, solertia nulla; ǀ illicitus quod amor clades accersat acerbas; ǀ saepe quod unius totam scelus hauriat urbem, ǀ unius et virtus contra tota agmina servet; ǀ [215] quod dolus efficiat, quae vis non ulla peregit; ǀ saepe quod incautis et onustis pectora Baccho ǀ perniciem volvat supra caput impiger hostis: ǀ sic, dum nos structaeque dapes laetaeque choreae ǀ foemineique iuvant lusus et splendor inanis ǀ [220] ociaque haud matura, omnis dum cura sepulta est, ǀ interea patrios nobis stertentibus agros ǀ barbarici vastant reges et ad intima ferro ǀ haud segni penetrant – sed quis ea damna moratur?

Der Troja-Mythos in den eigenen Dichtungen Lorenz Rhodomans

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len, ebensowenig ein Hinweis darauf, wie ausschlaggebend die Wirkung eines einzelnen guten oder bösen Staatsbürgers sein kann (V. 213f.) und wie die List schließlich über die militärische Wehrkraft obsiegt (V. 215). Weitaus konkreter als diese Gemeinplätze ist die Lehre, die in den Vv. 216– 223 entfaltet wird. Hier heißt es: „[…] daß oftmals gegen Leute, die trunken und zur Unzeit furchtlos sind, der über ihrem Haupte stehende Feind im Moment ihrer Ergötzung eine Katastrophe ins Werk setzt – wie jetzt wir, uns um Festlichkeiten, um Reigentänze und um Liebe erregende Frauen bekümmernd und töricht uns dem Luxus hingebend und vieles Unzeitige vollbringend, furchtlos in den schönen Tag hineinleben, dabei aber inzwischen dem Türken und ausländischen Tyrannen das deutsche Land zur Brandschatzung preisgeben, bis er schließlich vor unsere Tore tritt – und dabei kümmert sich keiner um das vor Augen stehende Verderben.“ Hieran schließen sich ab V. 224 wieder eher allgemeine Überlegungen über die Wechselhaftigkeit des Lebens von Führerpersönlichkeiten wie Priamos an. Es soll eine konkrete politische Lehre aus dem Untergang Trojas gezogen werden. Die Trojaner, die sich in der letzten Nacht arglos Wein, Weib und Gesang hingeben, werden verglichen mit den Deutschen, die sich in ihren Aktivitäten wenig von der nahezu vor den Toren stehenden Türkengefahr beeindrucken lassen. Diese Blickweise auf den Trojanischen Krieg ist für den Klassischen Philologen, insbesondere für den Latinisten, ungewohnt, der gemäß dem Aeneas-Apolog der Aeneis Vergils in der Zerstörung Trojas eine typische Intrige der listigen Griechen gegen die arglosen Ahnherren der Römer zu sehen gewohnt ist und – gemäß dem bekannten Dictum des Aeneas – die Wesensart der Griechen im Allgemeinen aus der einen Intrige Sinons abzuleiten geneigt ist.7 Ganz anders wird hier die weinselige Verträumtheit der Trojaner gegeißelt und als Paradigma politisch-militärischer Unachtsamkeit behandelt. Dabei wird der Mythos bis an den Rand seiner Flexibilität verbogen: Genaugenommen war nämlich die Zerstörung Trojas eben keine den Trojanern erkennbare φανερὴ ἄτη (V. 223), um die man sich einfach hätte „kümmern“ können. Es handelte sich vielmehr um eine pure Kriegslist, wie Rhodoman in V. 215 ausdrücklich konstatierte. Man erkennt also, daß der Troja-Mythos durchaus auch andere Interpretationsmöglichkeiten zuläßt, wenn man sich einmal von der vergilischen, pro-trojanischen Betrachtungsweise löst. Eine solche Preisgabe der trojanisch-römischen Position läßt sich auch in dem zweiten, nunmehr folgenden Beispiel Rhodomanschen Umgangs mit dem Troja-Mythos erkennen.

7

Verg. Aen. 2,65f.: accipe nunc Danaum insidias et crimine ab uno ǀ disce omnis.

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Thomas Gärtner

2. DAS GLEICHNIS VOM TROJANISCHEN PFERD IN DER AUTOBIOGRAPHISCHEN SCHRIFT ΒΙΟΠΟΡΙΚΟΝ (UND IN ANDEREN SCHRIFTEN) In einer autobiographischen Schrift namens βιοπορικόν8 (offenkundig eine neologistische Analogiebildung zu ὁδοιπορικόν) blickt Rhodoman auf den ersten Teil seines Lebens zurück; dabei klagt er einerseits über die materielle Not seiner Jugend, bekundet aber andererseits Dankbarkeit, daß er in die große Zeit der lutherischen Reformation in Deutschland hineingeboren ist und die Segnungen der postreformatorischen Schulausbildung genießen darf. In diesem Zusammenhang vergleicht er die Schüler, die aus der Ilfelder Schule Michael Neanders ausströmen (in dieser Schule begann Rhodoman selbst seine Arbeit am Quintus von Smyrna), u.a. mit den griechischen Kämpfern, welche das trojanische Pferd verlassen:9 „Die führende Stellung unter diesen hält Finckelthaus inne und nach diesem Leute von überallher, die die Saat der Wissenschaften hier und dort über die männerreiche Erde der Deutschen verteilten, von Ilfeld ausschwärmend, wie Bienen aus einem Bienenstock und der Heroenschwarm aus der Seite des trojanischen Pferdes.“

Ein Doppelgleichnis, einerseits mit einem ausschwärmenden Bienenvolk und andererseits mit den das Holzpferd verlassenden griechischen Kämpfern, wird auf die Ilfeld verlassende und sich in ganz Deutschland verteilende Schülerschaft Neanders angewandt. Der Vergleich einer Schule mit dem Trojanischen Pferd entstammt, wie Walther Ludwig gezeigt hat, 10 Cic. de orat. 2,94: ecce tibi est exortus Isocrates … cuius e ludo tamquam ex equo Troiano meri principes exierunt („Siehe, vor Dir erhob sich Isokrates, aus dessen Schule wie aus dem Trojanischen Pferd nichts als führende Männer hervorgingen.“) Das Bienengleichnis erinnert dagegen an Quintus Smyrnaeus 6,322–366: […] μάλα δ’ ὦκα κίον προπάροιθεν ὁμίλου, προφρονέως δ’ οἴμησαν ἀπ’ ἄστεος. ἀμφὶ δὲ λαοὶ πολλοὶ ἕπονθ’, ὡς εἴ τε μελισσάων κλυτὰ φῦλα ἡγεμόνεσσιν ἑοῖσι διηρεφέος σίμβλοιο ἐκχύμεναι καναχηδόν, ὅτ’ εἴαρος ἦμαρ ἵκηται.11

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Bioporikon (subskribiert 1582), in: CRUSIUS 1585, 348–355; kritische Ausgabe: Gärtner 2017; deutsche Übersetzung mit kommentierenden Bemerkungen: Ludwig 2014. 9 CRUSIUS 1585, 353: [181] τῶν δὲ λέλογχεν ὁ Φιγκελθούσιος ἄκρα, ǀ παντοδαποὶ δ’ ἐπὶ τῷδε λόγων σπόρον ἔνθα καὶ ἔνθα ǀ δασσάμενοι κατὰ γαῖαν ἀγήνορα Τευτονιδάων ǀ Εἰφέλδης προιόντες, ἅτ’ ἐκ σίμβλοιο μέλισσαι ǀ [185] Δαρδανίου ἵππου λαγόνων ἡρώϊος ἐσμός. [181] … et illos ǀ prima tenet doctus mihi Fincelthusius inter ǀ ex variis missos terris, qui munera spargunt ǀ doctrinae loca per varia in Germanide terra, ǀ quos ut mellificis volucres emittit ab antris ǀ [185] duratei vel equi partum schola docta Neandri. Zu Finckelthaus siehe Lizelius 1730, 123f.; http://d-nb.info/gnd/11967176X. 10 Ludwig 2014, 160 Anm. 96. 11 Vgl. hierzu Maciver 2012. Ich schulde den Hinweis auf die Stelle wie auf diesen Aufsatz Frau Stefanie Schmerbauch (Salzburg).

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„Sehr schnell marschierten sie vor der Schar her und stürzten begierig von der Stadt weg; ringsum aber folgten viele Völker, wie wenn berühmte Bienenvölker ihren Anführern folgen, sich summend aus einer überdachten Wabe ergießend, wenn der Frühlingstag herbeikommt.“

Hier ist die Verbindung zwischen dem Bienenschwarm und einem militärischen Geschehen im Trojanischen Krieg, welches sich bei Rhodoman in einem Doppelgleichnis bekundet, in der Verbindung zwischen Comparatum und Comparandum vorgegeben. Daß dieses Doppelgleichnis für Rhodoman programmatische Bedeutung hatte, zeigt die Tatsache, daß er es in zwei späteren Schriften modifiziert wiederholt. In der Ilfelda, seinem Lobgesang auf Ilfeld und seine Schule,12 heißt es folgendermaßen:13 „Und wie einst aus dem menschenfassenden Pferde im Inneren Trojas eine unzählige Leibesfrucht von kampfestüchtigen Elitekriegern kam, die für die Griechen ein gewaltiges Licht, für die Trojaner jedoch Schmerz waren: So wird auch aus Deinen (sc. Ilfelds) Seiten ein unbeschreiblicher Schwarm von Männern geboren, welcher prunkt durch sein Wissen und nützlich ist für die anderen – woher sich für Dich (sc. Ilfeld) weitreichender Ruhm erhob.“

Hier erfährt man also schon etwas mehr über den aus Ilfeld ausströmenden Schwarm geistiger Elitekämpfer: Er prunkt durch sein Wissen und ist von Nutzen für die übrige Bevölkerung Deutschlands; dies muß man im Lichte der gedanklichen Welt Rhodomans so ausdeuten, daß er mit seiner Bildung hilft, die Reformation in Deutschland weiter voranzutreiben.

12 Siehe RHODOMAN 1581. Das Gedicht wurde bereits 1864 von Karl Volckmar in deutsche Hexameter übertragen. Siehe Volckmar 1864, 7–17. 13 RHODOMAN 1581, 18–21 (Verszählung nach Volckmar 1864): [281] ὡς δέ ποτ’ ἐξ ἵππου βροτοχανδέος ἔνδοθι Τροίης ǀ νήριθμος τόκος ἦλθεν ἀριστήων μενεχάρμων, ǀ οἳ Δαναοῖς μέγα φέγγος ἔσαν καὶ Τρώεσιν ἄλγος· ǀ ὣς καὶ σῶν λαγόνων ὠδίνεται ἄσπετος ἀνδρῶν ǀ [285] ἐσμὸς ἐπιστήμῃ κομόων καὶ χρήσιμος ἄλλοις, ǀ ἔνθεν σοὶ κλέος ὦρτο διηνεκές. [281] ac velut heroum peperit densa agmina quodam ǀ instar montis equus clarae intra moenia Troiae, ǀ Troianis qui pestis erant, sed lumen Achivis: ǀ sic etiam ex utero tibi plurima turba virorum ǀ [285] doctorum prodit, quorum est opus utile multis. ǀ hinc aeterna tibi laus provenit. Volckmars Übersetzung (siehe Anm. 12) lautet: „Wie einstmals aus dem Bauch des gewaltigen Pferdes in Troja ǀ Dichte Haufen erschienen im Kampf ausharrender Helden, ǀ Troja zum Leid, hell leuchtende Sterne der Rettung den Griechen, ǀ So auch kommet hervor aus deinen Hallen beständig ǀ Wissenschaftkundiger Jünglinge Schwarm gar Manchen zum Segen. ǀ Deshalb blüht dir ein ewiger Ruhm.“ (Volckmar 1864, 13f.). – Die nicht aspirierte Form ἐσμός wurde hier und oben in Anm. 9 – entgegen dem sonst durchgeführten Prinzip der Textnormalisierung – beibehalten, da sie sich so in den Drucken sowie in einer handschriftlichen Fassung der Ilfelda findet, welche in einer Weimarer Hs. als Teil des Dedikationsapparats einem wahrscheinlich nicht zum Druck gekommenen Buchprojekt beigegeben ist (vgl. die Abbildung in der Appendix). Zu dieser offensichtlich verbreiteten Form vgl. auch Pontani 2002, CVIII Anm. 113. CXIV (Hinweis von Stefan Weise).

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Eine weitere Wiederaufnahme findet das Trojagleichnis im Hymnus scholasticus, in Rhodomans Hohem Lied auf die Bedeutung der Schulbildung.14 Hier werden unter der Rubrik Vtilitas publica das Trojagleichnis und das Bienenbild hintereinandergeschaltet.15 Das Trojagleichnis erfährt hier folgende Ausprägung: „Das ganze Land legt lauthals Zeugnis ab, daß Ilfeld dem gebärenden Schoß des alten Pferdes gleicht. Wie nämlich aus diesem die kampferprobte Blüte der Griechen hervorsprang, die den Griechen Ruhm, den Trojanern aber Verderben brachte, so stürzte von hier (sc. aus Ilfeld) die geistbeseelte Elite des Harzes hervor und vernichtete kraftvoll die barbarischen Unsitten der Gottlosigkeit und des Unwissens und vermehrt Euren Ruhm.“ (Gemeint ist der Ruhm der angeredeten Herren von Hohnstein)

In dem anschließend separat gestalteten Bienengleichnis heißt es, daß die ausschwärmenden Bienen „die Honigwaben der Weisheit hervorbringen (σοφίης μελικηρίδας ὠδίνοντα).“ Die hier zu beobachtende Separierung von Troja- und Bienen-Gleichnis führt zu dem Ergebnis, daß das kollektive Wirken der ausschwärmenden Wesen zunächst im Troja-Gleichnis negativ (Vernichtung von Gottlosigkeit, d.h. unreformiertem Christentum, und Unbildung) und dann im Bienen-Gleichnis positiv (Produktion der Weisheitswaben) formuliert wird. Dabei werden die griechischen Krieger im hölzernen Pferd wertmäßig durchaus positiv, d.h. als elitäre Verfechter eines kollektiv-nützlichen Ziels, nämlich der Vernichtung Trojas bzw. auf der Gleichnisebene der Verbreitung der Reformation, betrachtet. Wieder zeigt sich Rhodoman von der seit Vergil üblichen, pro-römischen bzw. pro-trojanischen Betrachtungsweise des Mythos unbeeindruckt. Man mag sich darüber hinaus sogar fragen, ob die von ihm damit eingenommene pro-griechische und anti-trojanische Haltung auch konkret seine Ablehnung gegen die genealogischen Ausläufer, also Rom als Heimat des römisch-katholischen Papstes, zum Ausdruck bringen soll. Einen weiteren Niederschlag findet der Vergleich zwischen der Ilfelder Schule Neanders und dem Trojanischen Pferd in einem lateinischen Gedicht (melos) nach Art der horazischen Odendichtung, welches in einer Glückwunschpublikation anläßlich der (wohl relativ spät stattgefundenen) Promotion des Johannes Dacianus erhalten ist.16 14 Hymnus Scholasticus, in: NEANDER 1585, 1–57. 15 Vtilitas publica (NEANDER 1585, 46–49): μαρτυρίην δέ τε πᾶσα βοᾷ χθὼν, ὥσπερ ἔοικεν ǀ Εἰλφέλδη γονίμοισι παλαιοῦ κεύθεσιν ἵππου. ǀ ὡς γὰρ τοῦδ’ ἔκθρωσκε μενέκλονον ἄνθος Ἀχαιῶν ǀ εὐκλείην Δαναοῖσι φέρον, Τρώεσσι δ’ ὄλεθρον, ǀ ὣς θάλος Ἑρκυνίης πεπνυμένον ἔνθεν ὀροῦον ǀ βάρβαρα δυσσεβίης τ’ ἀδαημοσύνης τε κραταιῶς ǀ ἤθε’ ἀπημάλδυνε καὶ ὑμῖν κῦδος ἀέξει. ǀ σίμβλῳ δ’ Εἰλφέλδην μελικευθέϊ φασὶν ὁμοίην, ǀ ἔνθεν μουσοπόλων μάλα ταρφέα φῦλα μελισσῶν ǀ ἐκπέταται σοφίης μελικηρίδας ὠδίνοντα ǀ τῇ καὶ τῇ· φήμης δ’ ὑμῖν χάρις ἔνθεν ἱκάνει. omnis proclamat regio, ceu Palladis ille ǀ quod sit equus docto praegnans Ilfeldia fetu. ǀ nam velut exsiluit flos armiger inde Pelasgum ǀ ad decus aeternum Danais Troiaeque ruinam, ǀ sic florem Hercyniae mittit sacer ille recessus, ǀ quo cadat impietas et barbarus intereat mos ǀ vestraque laus totum resonet cantata per orbem. ǀ sunt, quibus alveolo similis schola vestra videtur, ǀ ex quo musarum volitent examina, passim ǀ doctrinae dulci stipent quae nectara fetu: ǀ gratia et hinc vobis iucundi spiret honoris. 16 Siehe DACIANUS 1594, A1v–A3r.

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Hier figuriert Dacianus als einer der zahlreichen Schüler Neanders, welche diesem „Pferd“ entsteigen: tot prodierunt gymnasio e tuo (sc. Neandri) viri celebres Palladis artibus, prodesse qui novere multum consilio eloquioque vitae, praegnante quot nec Troicus ille equus profudit alvo Graiugenum duces, quando decennali premebat Graecia barbariem duello. hinc Dacianus prodiit et meus […]17

Eine besondere individualisierende Ausprägung erhält das Gleichnis hier, indem Dacianus, dessen „siegreiche Heimkehr“ nach dem Austritt aus dem „Pferd“, sprich seine Promotion, wohl einige Zeit auf sich warten ließ, mit Odysseus verglichen wird, der nach der Zerstörung Trojas noch zehn weitere Jahre irren mußte: sic bina oberrat Telemachi parens per lustra, postquam diruit Ilion, multis licet votis redire Icariae ad thalamos laboret. diu petitam sic quoque lauream sero capessis […]18

Eine ähnliche werthafte Präferenz der Griechen gegenüber den Trojanern, wie sie sich in diesen auf den Trojanischen Krieg bezüglichen Gleichnissen zeigt, wird auch in einem anderen Gleichnis des späten Rhodoman deutlich: In der letzten Phase seines Schaffens (1602) widmet er der Hochzeit zwischen Christian II. von Sachsen und Hedwig eine Festschrift namens Hymenaeus Saxonicus.19 Hier vergleicht er die glückwünschende Anteilnahme der Musen an dieser frühneuzeitlichen Hochzeit mit ihrer früheren Beteiligung an der mythischen Hochzeit zwischen Peleus und Thetis:20 „Denn wie ja die Musen, als der Aeacide im pferdereichen 17 DACIANUS 1594, A2rv. Übersetzung: „So viele in den Künsten der Pallas hochberühmte Männer traten aus Deinem (Neanders) Gymnasium hervor, welche dem Leben durch Entschlußkraft und Beredsamkeit viel zu nützen wußten, in welcher Zahl nicht einmal jenes berühmte Trojanische Pferd aus seinem schwangeren Leib Griechenführer entströmen ließ, als Griechenland das Barbarentum in zehnjährigem Krieg bedrängte. Eben von dort trat auch mein Freund Dacianus hervor […]“. 18 DACIANUS 1594, A2v. Übersetzung: „So irrte auch zehn Jahre hindurch der Vater Telemachs umher, nachdem er Troja zerstört hatte, mochte er auch in vielen Gebeten sich um die Rückkehr zum Ehegemach der Tochter des Ikarios (Penelope) bemühen. So erreichst auch Du spät den lange erstrebten Lorbeer […]“. 19 Siehe RHODOMAN 1602. 20 ὡς γὰρ δὴ Μοῦσαι, Λαπιθῶν ὅτ’ ἐν ἱππάδι χώρῃ ǀ ἔκγονον Αἰγαίου ποτὲ Νηρέος ἤγαγε νύμφην ǀ ἐς λέχος Αἰακίδης, λιγυρῶς Ὑμεναῖον ἄεισαν, ǀ εὐχόμεναι τὰ κράτιστα, τὰ καὶ Θεὸς

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Land der Lapithen seine Braut, die vom aegaeischen Nereus abstammte, einst in sein Ehebett führte, dort schallend das Hochzeitslied sangen und das Beste wünschten, was Gott auch zur Erfüllung brachte, indem er der Ehe Ruhm, Eintracht und Reichtum verlieh; aus dieser Ehe aber entstand der den Göttern gleichwertige Achill, für die Trojaner Kummer und Elend, jedoch Licht und Turm für die Griechen; denn er breitete Hektor am Boden aus, die wehrhafte Verteidigung seiner Vaterstadt; so haben sich die Musen auch jetzt versammelt in Deiner Halle (d.h. derjenigen Christians II.) “ usw. Der Troja-Zerstörer und Hektor-Bezwinger Achill, dessen Zeichnung in dem Parzenlied in Catulls carm. 64 ja in der modernen Latinistik durchaus zwiespältig gesehen wird, dient hier als ein zweifellos positives mythisches Paradigma für den der Ehe des Sachsenfürsten Christian II. zu wünschenden Nachwuchs (der historisch übrigens infolge von Christians frühem Tod ausblieb), ähnlich wie die dem trojanischen Pferd entströmenden griechischen Krieger als positives Pendant der gebildeten Ilfelder Schüler Neanders (zu denen auch Rhodoman selbst gehörte) verwendet wurden. Der Philhellene Rhodoman nimmt sich das Recht, seinen Blick auf den Trojanischen Krieg auch philhellenisch kolorieren zu dürfen. 3. RHODOMANS EIGENE TROJADICHTUNG TROICA Das dritte Beispiel, welches hier für den kreativen dichterischen Umgang Rhodomans mit dem Trojanischen Krieg angeführt werden soll, ist seine eigene, recht umfängliche epische Trojadichtung mit dem Titel Τρωικά. Zuerst publiziert wurde sie 1588 von Neander innerhalb einer Sammlung mehrerer Epyllia Rhodomans,21 dann aber 1604 von diesem selbst unter die bereits erwähnten Paratexte seiner großen Gesamtausgabe des Quintus von Smyrna aufgenommen. In der späteren Fassung von 1604 erhalten die Τρωικά ein neues Prooemium,22 das von einem deutlich gesteigerten poetologischen Selbstbewußtsein zeugt. Hier ist die Rede von einer Translation der Musen vom Parnass nach Deutschland, wo sie „Altes und Neues besingen sollen“, ὅσσα Θεῷ τ’ ἐπίηρα βροτῶν τ’ εἰς χρῆσιν ἱκάνει, „was Gott gefällig ist und den Menschen zum Nutzen gereicht“ – dies ist

ἐξετέλεσσε ǀ κῦδος ὁμοφροσύνην τε γάμῳ καὶ πλοῦτον ὀπάζων· ǀ ἐκ δὲ γάμου τοῦδ’ ὦρτο θεοῖς ἀτάλαντος Ἀχιλλεὺς, ǀ Τρωσὶν ἄχος καὶ πῆμα, φάος καὶ πύργος Ἀχαιοῖς· ǀ Ἕκτορα γὰρ πρήνιξεν, ἐρυμνὸν πατρίδος ἄλκαρ· ǀ ὣς καὶ νῦν μεγάροισι τεοῖς ἐνὶ συμβεβαυῖαι, ǀ νύμφιε πᾶσιν ἀγητὲ, γαμήλιον ἠπύουσι. 21 Siehe NEANDER 1588. 22 RHODOMAN 1604, 2f. (Troica mit neuer Seitenzählung): [1] Μνημοσύνη λιγυράς ποτ’ ἐγείνατο πότνια μούσας, ǀ δῶκε δὲ Παρνησοῦ ζάθεον κλέτας ἀμφιπολεύειν. ǀ νῦν δὲ πατὴρ μετένασσεν Ὀλύμπιος ἐς χθόνα σεμνῶν ǀ Γερμανῶν καὶ ἄνωγε παλαιά τε καινά τ’ ἀείδειν, ǀ [5] ὅσσα Θεῷ τ’ ἐπίηρα βροτῶν τ’ εἰς χρῆσιν ἱκάνει. [1] Mnemosyne doctas peperit veneranda camenas ǀ Parnassique dedit sacras habitare latebras. ǀ nunc pater aetherius claros in Teutonis agros ǀ transtulit has, nova ut inveniant antiquaque condant, ǀ [5] quae sint grata Deo, quae sint accommoda vitae.

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wieder im Sinne der Rhodomanschen Programmatik als ein Wirken für den Bildungsbetrieb im Sinne der Reformation zu verstehen. Wenn die griechischen Musen tatsächlich nach Deutschland wandern, so mag man in dem neuen „Hellenentum deutscher Nation“, welchem sich Rhodoman zugehörig fühlt, in beinahe geschichtsrevisionistischer Betrachtungsweise die wiedererstarkten Antipoden Trojas und damit auch des aus trojanischen Wurzeln entstandenen päpstlichen Roms sehen. Hinzu kommt der mehrfach bei Rhodoman geäußerte aktuell-politische Gedanke, daß die Musen von den Türken aus Griechenland vertrieben wurden und daher Zuflucht in einer neuen Heimat benötigen. Welchen Sinn verfolgt die Rhodomansche Trojadichtung vor dem Hintergrund ihrer antiken Vorläufer? Darüber geben die auf das in der Neufassung geänderte Prooemium folgenden Verse Aufschluß.23 Rhodoman will den Mythos von Anfang bis Ende, also von der Gründung Trojas bis zum Ende der Nostoi der Griechen, erzählen „und das in einer Gestalt zusammenführen, was die (antiken) Sänger verstreut in mehreren epischen Dichtungen verströmen ließen: Ich aber will es in Kurzform sagen (καὶ δέμας εἰς ἓν ἄγειν, σποράδην ὅσα χεῦαν ἀοιδοὶ ǀ πλειοτέροις ἐπέεσσιν· ἐγὼ δ’ ὀλίγοισιν ἐνίψω).“ Rhodoman hatte ja an antiken Dichtungen nur die Ilias mit einer Sequenz aus dem letzten Kriegsjahr, den Nostos des Odysseus in der Odyssee und die Füllung der dazwischenliegenden Lücke durch die Posthomerica des Quintus von Smyrna vor sich. In den folgenden Abschnitten bestimmt Rhodoman dann die intendierten Zielpersonen seines Werks, das sich an Schüler, nicht an wissenschaftlich Gebildete richten soll, und dann den Nutzen seines Werkes, der sich im reformatorischen Bildungsbetrieb ergeben soll – beides wohlbekannte Axiome in der Poetologie Rhodomans. Natürlich kann hier keine durchgehende quellenkritische Behandlung der Τρωικά geleistet werden – es sei nur angedeutet, daß Rhodoman gelegentlich durchaus unklassische Erzählvarianten, so beispielsweise die Liebe Achills zur trojanischen Prinzessin Polyxena aus Dares Phrygius, berücksichtigt und in bestes episches Griechisch umsetzt. Hier kann nur kurz auf zwei Partien gegen Ende des Epyllions eingegangen werden, die in komplementärer Weise gut die Tendenz von Rhodomans Gestaltung beleuchten. Die erste enthält das gemeinsame Grabepigramm für Paris und Oinone, seine frühere Ehefrau, die er um Helenas willen verließ und die ihm nach seiner Verwundung im Kampf eine ihr mögliche Heilung verweigerte – der Stoff gehört nicht der klassischen Troja-Epik an, sondern taucht erstmalig bei hellenistischen Mythogra-

23 RHODOMAN 1604, 2f. (Troica): [6] καὶ ταῖς νῦν θαλερῇσιν ὀρώρεται ἐν φρεσὶν ὁρμὴ ǀ εἰπεῖν ἐξ ἀρχῆς Τρώων φάτιν ἄχρι τελευτῆς ǀ Ἀργείων θ’ ἱδρῶτα κακόν τ’ εἰς πατρίδα νόστον ǀ καὶ δέμας εἰς ἓν ἄγειν, σποράδην ὅσα χεῦαν ἀοιδοὶ ǀ [10] πλειοτέροις ἐπέεσσιν· ἐγὼ δ’ ὀλίγοισιν ἐνίψω. [6] quas nunc afflatas caelo sacer impetus urget ǀ historiam Troiae facili deducere versu ǀ proeliaque Argivum reditumque per omnia tristem. ǀ quae sparsim cantant vates, ceu corpore in uno ǀ [10] nunc damus, et sic multa iuvat comprendere paucis.

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phen auf und ist insbesondere aus den Heroidenbriefen Ovids und den Posthomerica des Quintus von Smyrna bekannt. Das von Nymphen des Ida-Gebirges formulierte Grabepigramm lautet folgendermaßen:24 „Hier ruhen Paris, die Schande der Männer und der Frevler gegen die Frauen, und Oinone, der unbefleckte Ruhm der Ehe, an einem Ort, obwohl sie nicht den einen gleichen Brand der sinnenversengenden Liebe verspürten. Merket auf, Ihr Menschen: Gott befiehlt, das Eheband, welches er selbst verlieh, auch bis zum Untergang zu behüten.“

Rhodoman sieht also in dem gemeinsamen Grab von Paris und Oinone eine faktisch doch noch erfolgende Manifestation der Unverbrüchlichkeit der Ehe, welche Paris durch seine neue Ehe mit Helena frevelhaft verletzt hat, gewissermaßen ein Zeichen dafür, daß sich die von Gott gesetzte Moralität schließlich doch – trotz des Zuwiderhandelns der Menschen – unweigerlich durchsetzt. Ein exaktes Supplement hierzu bildet Rhodomans Darstellung von Helenas Tod, welche die Erzählung der Τρωικά beschließt. Hiernach wird Helena als eine „den Menschen Verderben bringende Erinye“ (βροτολοιγὸν … Ἐριννύν) aus ihrer Heimat vertrieben und irrt als Verbannte nach Rhodos.25 Dort gerät sie in den Machtbereich einer Polyxene, der Gattin des vor Troja umgekommenen Tlepolemos. Diese Polyxene zürnt der Helena wegen ihrer Verwitwung und schickt sich mit ihren Dienerinnen zu einer Intrige an, die vom Erzähler der Τρωικά als ein ἀοίδιμον ἔργον ausdrücklich gebilligt wird: Sie sendet Helena, „die zur Todesgöttin der Menschen geworden war“ (κῆρα βροτῶν γεγαυῖαν), zu den echten Todesgöttinnen der Unterwelt, indem sie sie an einem Baum aufknüpfen läßt. Dieses Ereignis wird vom Erzähler im nächsten Abschnitt gewertet als 24 RHODOMAN 1604, 90f. (Troica): [1378] ‘ἔνθα Πάρις δήλημα βροτῶν, ἀλίτημα γυναικῶν ǀ Οἰνώνη τε γάμου καθαρὸν κλέος εἰν ἑνὶ κεῖσθον ǀ [1380] οὐχ ἕνα πυρσὸν ἔχοντε νοοφλεγέθοντος Ἔρωτος. ǀ φράζεσθ’, ἄνθρωποι· κέλεται θεὸς, ἥντινα λέκτρων ǀ ζεύγλην αὐτὸς ἔδωκε, καὶ εἰς μόρον ἄχρι φυλάσσειν.’ [1378] ‘hic Paris Oenoneque iacent, haec gloria casti ǀ coniugii, ille viris pestis labesque puellis, ǀ [1380] quamvis non unus cor usserit ignis amoris. ǀ mortales, servate tori inviolabile vinclum, ǀ quod Deus ipse ligat, postremam et sancit ad horam.’ 25 RHODOMAN 1604, 112–115 (Troica): [1713] πλάζετο δ’ εἰς Ῥοδίων ἅλιον πέδον, οὗ κλυτὸν οἶκον ǀ ναῖε Πολυξείνη μονοδέμνιος, ἥ ποτε λέκτροις ǀ [1715] Τληπολέμου καυχᾶτο μέγα κλέος ἀμφιβαλέσθαι. ǀ ἀλλὰ τότ’ ἐν θαλάμοισι πολυθρήνοισι θάασσε ǀ δηρὸν ἄνανδρος ἐοῦσα καὶ ὃν ποθέεσκεν ἀκοίτην ǀ μυρομένη Τροίης ὑπὸ τείχεσι Δαρδανιώνης ǀ δαμνάμενον κρατερῷ Σαρπηδόνι· τοὔνεκα κείνῃ ǀ [1720] πλαζομένῃ κατὰ νῆσον ἐμήδετο δύσμορον οἶτον, ǀ ὅττι μιν αὐτὴ θῆκεν ἀριστέος εὖνιν ἀκοίτου ǀ κείνης μαρναμένοιο πολυστυγέων περὶ λέκτρων. ǀ αἶψα δ’ ἅμ’ ἀμφιπόλοισιν ἑαῖς ἐπ’ ἀοίδιμον ἔργον ǀ ζωσαμένη ποτὶ κῆρας ἐλεγχιστοῦ θανάτοιο ǀ [1725] κῆρα βροτῶν γεγαυῖαν ἀνήρπασεν, ἀμφὶ δὲ πρέμνῳ ǀ ὑψιλόφῳ βροχίδεσσιν ἀναρτήσασα τράχηλον ǀ ῥηξίγαμον λώβημα δι’ ἠέρος ὗψι κρέμασσε, […]. [1713] Vndicolas igitur Rhodios adit, hic ubi sedes ǀ clara Polyxeinae, sibi quae lugebat ademptum ǀ [1715] Tlepolemum, cuius nympham torus ante bearat. ǀ sed tunc in thalamis desertis maesta sedebat ǀ iam pridem desiderio liquefacta mariti, ǀ quem Phrygiae quondam Troiae sub moenibus altis ǀ fortis Sarpedon occiderat: ergo vaganti ǀ [1720] insula in hac Helenae letum meditatur acerbum, ǀ ipsam quod consorte tori viduasset amico, ǀ dum gerit illius propter connubia bellum. ǀ nec mora: cum ancillis facinus memorabile coeptans ǀ mortis ad obscenae parcas hanc abripit, antehac ǀ [1725] quae fera parca hominum fuerat, laqueoque superbum ǀ insertans collum suspendit in aëre labem ǀ coniugii, cuius scelerate vincula rupit, […].

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„ein Zeichen für die damals lebenden und die später auf die traurige Erde kommenden Menschen, daß Gott über alle, deren Sinn Kypris in Brand setzt mit frevelhaften Liebesbanden, welche gegen das Gesetz der Ehe verstoßen, eine Strafe ergießt, welche nicht maßvoll verläuft, sondern mit langwährender Schande und Tränen in den Hades führt, wo die Eumeniden diejenigen, die das Recht niedertrampeln, stets mit schaudernswerten Peitschen aufreiben.“ 26

Die moralisierende Tendenz ist exakt komplementär zu dem Lob, welches der Oinone in ihrem Grabepigramm zuteil wird; etwa die Vorstellung, daß die Liebesgottheit den Verstand der Liebenden in Brand setzt (ὅσων φρένα Κύπρις ἀναίθοι), rekurriert unmittelbar auf dieses Epigramm (πυρσὸν … νοοφλεγέθοντος Ἔρωτος). Natürlich greift Rhodoman die mythologische Version von Helenas Tod auf Rhodos nicht aus der Luft, sondern entnimmt sie einer Quelle. Hierbei handelt es sich in diesem Fall um die mit der spartanischen Version konkurrierende Erzählung der Rhodier über den Tod der Helena, die Pausanias in seinem dritten Buch referiert – auch um ein Aition für den rhodischen Kult der „Helena am Baume“, der Ἑλένη Δενδρῖτις zu liefern. Selbstverständlich vermeidet es Rhodoman seinerseits konsequentermaßen, die Möglichkeit einer Vergöttlichung dieser unmoralischen Helena auch nur anzudeuten. Bei Pausanias heißt es,27 daß die Rhodierin (sie trägt hier den Namen Polyxo) „gegen die badende (Helena) ihre Dienerinnen ausgeschickt habe, gleich Erinyen gekleidet; und diese Frauen nehmen sich dann Helena vor und erhängen sie an einem Baum.“ Das Erinyen-Motiv taucht hier nur in einer rationalisierten Form auf, nämlich derart, daß die Dienerinnen der Polyxo Erinyen gleich gekleidet sind, also wohl nach dem Willen der Polyxo die Funktion von Rachegöttinnen übernehmen sollen. Dagegen tauchen in Rhodomans Ausdeutung dieser Episode tatsächlich Eumeniden auf, die in der Unterwelt die Ehebrecher grausam auspeitschen. D.h. Rhodoman erhebt die eschatologische Dimension, die in der rhodischen Version bei Pausanias 26 RHODOMAN 1604, 114f. (Troica): [1728] σῆμα βροτοῖς τότ’ ἐοῦσι καὶ ὕστερον εἰς χθόνα λυγρὴν ǀ ἐρχομένοις, ὅτι πᾶσιν, ὅσων φρένα Κύπρις ἀναίθοι ǀ [1730] φίλτροις οὐχ ὁσίοισι γάμων παρὰ τεθμὸν ἰοῦσιν, ǀ ἀμφιχέει ποινὴν θεὸς οὐ κατὰ μέτρον ἰοῦσαν, ǀ σὺν δὲ διηνεκέεσσιν ἐλέγχεσι καὶ δακρύεσσιν ǀ εἰς Αΐδαο φέρουσαν, ὅπη τὰ δίκαια πατεῦντας ǀ Εὐμενίδες φρικτῇσιν ἀεὶ ξαίνουσιν ἱμάσθλαις. [1728] ut foret exemplum tunc vivis atque futuris ǀ posthac, quod cunctis, quorum cor Cypris adurit ǀ [1730] ignibus haud sanctis, ut iura marita resolvant, ǀ accumulet poenas sine fine modoque furentes, ǀ quae cum perpetuis lacrimis probrisque sub Orcum ǀ praecipitant, ubi, qui proculcant iura, flagellis ǀ horrendis caedunt Furiae exacuuntque dolores. 27 Paus. 3,19,9f.: Ῥόδιοι δὲ οὐχ ὁμολογοῦντες Λακεδαιμονίοις φασὶν Ἑλένην Μενελάου τελευτήσαντος, Ὀρέστου δὲ ἔτι πλανωμένου, τηνικαῦτα ὑπὸ Νικοστράτου καὶ Μεγαπένθους διωχθεῖσαν ἐς Ῥόδον ἀφικέσθαι Πολυξοῖ τῇ Τληπολέμου γυναικὶ ἔχουσαν ἐπιτηδείως· [10] εἶναι γὰρ καὶ Πολυξὼ τὸ γένος Ἀργείαν, Τληπολέμῳ δὲ ἔτι πρότερον συνοικοῦσαν φυγῆς μετασχεῖν τῆς ἐς Ῥόδον καὶ τῆς νήσου τηνικαῦτα ἄρχειν ὑπολειπομένην ἐπὶ ὀρφανῷ παιδί. ταύτην τὴν Πολυξώ φασιν ἐπιθυμοῦσαν Ἑλένην τιμωρήσασθαι τελευτῆς τῆς Τληπολέμου τότε, ὡς ἔλαβεν αὐτὴν ὑποχείριον, ἐπιπέμψαι οἱ λουμένῃ θεραπαίνας Ἐρινύσιν ‹ἴσα› ἐσκευασμένας (add. Valckenaer; aliter Siebelis Ἐρ. εἰκασμένας)· καὶ αὗται διαλαβοῦσαι δὴ τὴν Ἑλένην αἱ γυναῖκες ἀπάγχουσιν ἐπὶ δένδρου, καὶ ἐπὶ τούτῳ Ῥοδίοις Ἑλένης ἱερόν ἐστι Δενδρίτιδος.

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durch die Ausstaffierung der Dienerinnen nur symbolisch angedeutet wird, zur faktischen Realität; bei ihm sind die Eumeniden strafende Instanzen eines Gottes, der die Unverbrüchlichkeit der Ehe schützt. Es ist bezeichnend für die humanistische Arbeitstechnik Rhodomans, daß er selbst dieses christliche, unantike Motiv eines göttlichen Schutzes der Ehe durch eine Neumontierung antiker Mythologeme formuliert. Die moralisierende Tendenz ist so stark, daß Rhodoman die Τρωικά abschließt mit einem persönlichen Wunsch, selbst die Ehe unbefleckt zu halten:28 „Möge mir ein reiner Sinn eignen und die Satzungen einer unbefleckten Ehe bewahren (ἀκηρασίου τε φυλάσσοι ǀ θεσμὰ γάμου).“ Damit wird unmittelbar an die Formulierung in Oinones Grabepigramm angeknüpft (κέλεται θεὸς, ἥντινα λέκτρων ǀ ζεύγλην αὐτὸς ἔδωκε, καὶ εἰς μόρον ἄχρι φυλάσσειν). Man erkennt hier recht deutlich, wie die moralisierend-theologische Intention Rhodomans mythologische Variantenwahl kanalisierte: Sowohl die Aufnahme des nachklassischen hellenistischen Oinone-Mythos als auch die Adaptation der raren rhodischen Version über Helenas Tod sind durch diese Wirkungsabsicht bestimmt.

28 RHODOMAN 1604, 114f. (Troica): [1740] εἴη μοι νόος ἁγνὸς ἀκηρασίου τε φυλάσσοι ǀ θεσμὰ γάμου· σκολιὸν γὰρ ἀεὶ τίσις εἰς λέχος ἕρπει, ǀ ὡς τόδ’ ἐν ἱστορίῃσι διηνεκὲς ἐστὶν ἰδέσθαι, ǀ ἔξοχα δ’ ἐν Τρώων Ἑλένης τ’ ὀλεσήνορος ἄτῃ. [1740] casta mihi mens sit, quae pacta iugalia servet: ǀ nam furta ad thalami divum gravis ultio serpit, ǀ historia ut testis demonstrat id omne per aevum, ǀ exitio imprimis Helenae Troiaeque ruina.

Der Troja-Mythos in den eigenen Dichtungen Lorenz Rhodomans

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APPENDIX: RHODOMAN-AUTOGRAPH

Abb. 1 Fol. 19v aus der Weimarer Rhodoman-Handschrift (Fol 67) mit dem griechischen Text des Pferdegleichnisses aus der Ilfelda (siehe Pfeil).

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LITERATUR a) Primärquellen CRUSIUS 1585 = GERMANO=‖GRAECIAE ‖ LIBRI SEX: ‖ In quorum prioribus tribus, ORATIO‖ NES: in reliquis CARMINA, Græca ‖ & Latina, continentur. ‖ OB GRAECAE LINGVAE STVDIVM, QVOD ‖ iampridem Alpes in Germaniam transvolavit, diligenter ‖ retinendum, & ad plurimarum rerum, quæ ab anno ‖ M.D.LXVI. usque ad tempus præsens contige-‖runt non iniucundam cognitio-‖nem, editi. ‖ AVCTORE ‖ MARTINO CRVSIO, VTRIVSQVE LIN‖guæ in Tybingensi Academia Professore. ‖ Cum Indice copiosissimo. ‖ BASILEAE, ‖ PER LEONARDVM OSTENIVM, ‖ SEBASTIANI HENRICPETRI ‖ IMPENSA [1585] (= VD16 C 6110). DACIANUS 1594 = ΣΥΓΧΑΡΙΣΤΙΚΑ ‖ IN HONOREM ‖ DOCTISS. ET ORNATISS. ‖ VIRI M. IOHANNIS DACIANI […] ‖ Ad diem 30. M. Sextil. Anno ‖ M D XCIV. ‖ IENÆ ‖ Sub incude typographica Tobiæ ‖ Steinmanni, ann. ut. sup. (= VD16 ZV 14832). NEANDER 1577 = Opus aureum ‖ ET ‖ SCHOLASTICVM, ‖ In QVO CONTI=‖NENTVR ‖ PYTHAGORÆ CAR=‖mina aurea, Phocylidis, Theognidis ‖ & aliorum poëmata, quæ se-‖quens pagella enumerabit. ‖ EDITA OMNIA STV=‖dio & cura ‖ Michaëlis Neandri ‖ Sorauiensis. ‖ LIPSIAE ‖ CVM PRIVILEGIO [1577]. (Pars altera) (=VD16 ZV 16036). NEANDER 1585 = PHYSICES, ‖ Siue ‖ COLLECTIO=‖NVM PHYSI=‖CARVM, ‖ Pars altera: ‖ ITIDEM EXCERPTA ‖ ET DESCRIPTA, ‖ DE ‖ Praelectionibus & notatio=‖nibus varijs ‖ MICHAELIS NEANDRI. ‖ Eius partis capita præcipua exhibet ‖ sequens pagina. ‖ LIPSIÆ, ‖ ANNO M. D. LXXXV. (=VD16 N 413). NEANDER 1588 = ARGONAVTICA. ‖ THEBAICA. ‖ TROICA. ‖ ILIAS PARVA. ‖ POEMATIA ‖ GRAECA AVCTORIS ‖ ANONYMI, SED PERERVDITI, ‖ & incredibili planeq; diuinâ & Homericâ facili-‖tate & suauitate composita ; Ac nuper admodum sublata ‖ & prolata è bibliotheca summi & eruditi viri, vbi diu ha-‖ctenus delituerant , & descripta non sine molestia & ‖ labore ex exemplari malè scripto & edita ‖ in vsum studiosæ iuuentutis. ‖ […] ‖ MICHAEL NEANDER. ‖ 1588. ‖ LIPSIÆ. (=VD16 R 2088). RHODOMAN 1581 = ILFELDA ‖ HERCYNICA ‖ SITA AD EAM PARTEM ‖ VETERIBVS GRÆCIS AC ‖ Latinis scriptoribus celebratę sylvę ‖ Hercyniæ, quæ sola hactenus vetus ‖ ac celebre suum nomen in illis ‖ tantùm locis reti-‖net, ‖ DESCRIPTA ‖ Carmine Græcolatino à M. Laurentio ‖ Rhodomanno […] ‖ FRANCOFVRTI ‖ Apud Andream Wechelum, ‖ M. D. LXXXI. (1581) (= VD16 R 2096). RHODOMAN 1585 = HOMERVS CONFVTATVS ‖ A ‖ DIONE CHRYSOSTO-‖MO, PHILOSOPHO, VT ANTIQVO ‖ & Sapiente, ita paucis hactenus noto & lecto, in ‖ oratione de ILIO NON CAPTO: qua & hi-‖storia belli Troiani verisimilior exponitur, & ra-‖tionibus luculentis ac probabilibus ostenditur, ple-‖raq. in Homeri Poësi commentitia esse & falsa, ‖ ad laudem Græcorum, qui tamen eo bel-‖lo victi, & vituperationem Troiano-‖rum, qui victores exstiterunt, ‖ conficta: ‖ […] ‖ In latinum sermonem conuersum, & a notis logi-‖cis atq; historicis expositum, & à mendis ‖ compluribus repurgatum, ‖ a ‖ M. LAVRENTIO RHODOMANNO, ‖ […] ‖ ROSTOCHII ‖ Typis Stephani Myliandri. ‖ Anno 1585. (= VD16 D 1810). RHODOMAN 1602 = ὙΜΕΝΑΙΟΣ ‖ ΣΑΞΟΝΙΚΟΣ. ‖ Votum Nuptiale, ‖ Serenißimo Celsißimoq; Principi ‖ ac Domino, ‖ Dn. CHRISTIANO II. ‖ DVCI SAXONIÆ […] ‖ Dedicatum à Musis Græcis, ‖ INTERPRETE ‖ LAVRENTIO RHODOMANO […] ‖ Prid. Id. Septemb. Auspicatiß. Anno M D. CII. ‖ VVITEBERGAE, Imprimebat Iohan. Faber. (=VD17 14:008546R). RHODOMAN 1604 = Ἰλιὰς Κοίντου Σμυρναίου; ‖ SEV ‖ QVINTI CALABRI ‖ PARALEIPOMENA, ‖ Id est, ‖ Derelicta ab HOMERO, XIV. libris com-‖prehensa: […] ‖ Latine olim reddita & correcta ‖ A ‖ LAVRENTIO RHODOMANO. ‖ […] ‖ HANOVIÆ, Typis Wechelianis apud Claudium ‖ Marnium & heredes Ioannis Aubrii. ‖ M DC IIII. (= VD17 3:004717X).

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b) Sonstige Literatur Gärtner 2016 = T. Gärtner, Art. „Rhodoman(nus), Lorenz (Laurentius)“, in: VL 16, Bd. 5 (2016), 300–310. Gärtner 2017 = Ders., Zwei Widmungstexte im Schrifttum des Philhellenen Lorenz Rhodoman, in: H. Wulfram (Hg.), The Tradition of Dedication – La tradizione della dedica – Die Tradition der Widmung (2017) (in Vorbereitung). Lange 1741 = M. LAVRENTII RHODOMANI ‖ GRAECAE LINGVAE QVONDAM IN ACADEMIA ‖ IENENSI, ET HISTORIARVM IN ACADEMIA VITE-‖BERGENSI, PROFESSORIS LONGE CELEBERRIMI, ‖ INTER POETAS GRAECOS ‖ POST RENATAS LITTERAS PRINCIPIS, ‖ VITA ‖ ET ‖ IN GRAECAS CVM PRIMIS LITTERAS ‖ MERITA ‖ EX IPSIVS RHODOMANI SCRIPTIS ‖ ALIISQVE MONVMENTIS FIDE ‖ DIGNIS RECENSVIT ‖ M. CAROLVS HENR. LANGIVS, ‖ […] ‖ LVBECAE ‖ SVMTIBVS IONAE SCHMIDT MDCCXLI. Lizelius 1730 = M. GEORGII LIZELII ‖ HISTORIA ‖ POETARVM ‖ GRÆCORVM ‖ GERMANIÆ ‖ A RENATIS LITERIS ‖ AD NOSTRA VSQVE TEMPORA. ‖ VBI ‖ EORVM VITAE, POEMATA ‖ ET IN PRISCOS POETAS GRÆCOS ‖ MERITA RECENSENTVR. ‖ FRANCOFVRTI ET LIPSIÆ ‖ APVD IO. PAVLVM ROTHIVM ‖ […] ‖ M DCC XXX. Ludwig 1998 = W. Ludwig, Hellas in Deutschland. Darstellungen der Gräzistik im deutschsprachigen Raum aus dem 16. und 17. Jahrhundert vorgelegt in der Sitzung vom 30. Januar 1998, Hamburg 1998 (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V., Hamburg; 16,1). Ludwig 2014 = Ders., Der Humanist Laurentius Rhodomanus als griechischer Dichter Laurentios Rhodoman und seine Autobiographie von 1582, in: NLJ 16 (2014), 137–171. Maciver 2012 = C.A. Maciver, Representative Bees in Quintus Smyrnaeus’ Posthomerica, in: CP 107 (2012), 53–69. Perschmann 1864 = T.W.H. Perschmann, De Laurentii Rhodomani vita et scriptis, in: Zu der öffentlichen Prüfung sämmtlicher Klassen des Gymnasiums zu Nordhausen, welche den 18. und 19. März 1864 veranstaltet werden soll, sowie zu dem am 21. März Statt findenden Redeactus ladet ehrerbietigst ein Dr. Karl August Schirlitz, Nordhausen [1864], 1–21. Pontani 2002 = F. Pontani (Hg.), Angeli Politiani Liber epigrammatum Graecorum, Roma 2002 (= Edizione nazionale dei testi umanistici; 5). Volckmar 1854 = K. Volckmar, Laurentius Rhodomann’s Lobgedicht auf Ilfeld, nebst einem Anhange ähnlicher Gedichte, in: Programm des Königlichen Pädagogiums zu Ilfeld Ostern 1854, Nordhausen 1854, 1–88. Weise 2011 = S. Weise, Μοῦσα Ἁλληνική. Griechische Gedichte hallescher Gelehrter, in: M. Hillgruber/R. Lenk/S. Weise (Hgg.), HYPOTHESEIS. Festschrift für Wolfgang Luppe zum 80. Geburtstag = APF 57/2 (2011), 399–429.

c) Abkürzungen VL 16 = W. Kühlmann u.a. (Hgg.), Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, Berlin u. a. 2011–.

d) Bildnachweis Abb. 1 Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek/Fol 67, fol. 19v.

SCITIS, QUANTO SEMPER AMORE GRAECARUM RERUM FLAGREM Motive für den Höhepunkt des humanistischen griechischen Dichtens um 1600 Walther Ludwig

Abstract: The article investigates the position of Martinus Crusius and Laurentius Rhodomanus within the development of the usage of ancient Greek as a literary language in early modern times and studies especially the Greek writings and the aims of these humanists. The article discovers that the culmination of Greek poetry, written by German humanists before and around 1600, is in part motivated by hopes of German Lutherans on a future union with the Greek orthodox Church and a future conquest of Greece and Constantinople by the Holy Roman Empire. A detailed interpretation of an Anacreontic Greek poem of Nicolaus Reusner further illustrates the poetical art of this humanist Greek poetry and its place in everyday life.

1. MARTIN CRUSIUS Am Mittag des 15. Juni 1580 trafen sich die Lehrer und Freunde des soeben zum Doktor beider Rechte promovierten Gregor Lienhardt im am Tübinger Marktplatz gelegenen Gasthof zur Goldenen Krone zu einem festlichen Doktorschmaus. Lienhardt war in Ulm an der Donau geboren worden als Sohn des dortigen gleichnamigen Lateinschulrektors Gregor Lienhardt,1 der ihn auch zuerst unterrichtet hatte. Anschließend hatte er in Tübingen, Wittenberg, Heidelberg und sogar in Paris studiert und war dann zum Erwerb des Doktorgrades wieder nach Tübingen zurückgekehrt. Nach dem Essen verteilte einer der Gäste ein 90 griechische Hexameter umfassendes Gedicht mit hexametrischer lateinischer Übersetzung unter den übrigen Teilnehmern des convivium und trug es der Versammlung wohl auch vor. Es war der Tübinger Professor der griechischen und lateinischen Sprache Martin Crusius (1526–1607), der den jungen Lienhardt nicht nur früher in Tübingen unterrichtet hatte, sondern auch selbst bei dessen Vater in Ulm seit 1540 Logiergast gewesen war und vom Frühling 1541 an bei ihm Griechisch gelernt hatte.2 Gregor Lienhardt d. Ä. war am 29. Dezember 1560 63-jährig gestorben, und Crusius nahm nun die Gelegenheit wahr, in den Panegyrikus auf dessen soeben promovierten

1 2

Vgl. Greiner 1920, 21f. 25f. 28f. Vgl. Ludwig 1998, 28–82. Zu Crusius außerdem Ludwig 2004a und Ludwig 2004b.

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Sohn auch eine Lobrede auf die pädagogischen Leistungen seines Vaters einzufügen, der seinerseits seine Griechischkenntnisse während eines Studiums in Ingolstadt und Tübingen bei keinem Geringeren als Johannes Reuchlin erworben hatte. Crusius nahm dieses Gedicht 1585 in seine Germanograeciae Libri sex auf.3 Dieser Folioband sollte dazu dienen, die Gräzisierung der Deutschen zu dokumentieren, und er konnte in dieser Ausgabe nun in der Kommentierung dieses Gedichts noch ausführlicher auf Reuchlin und die Frage eingehen: Quomodo Graecae Linguae cognitio in occidentem et ad nos in Germaniam pervenit? Seine diese Frage beantwortende Darstellung ist für uns aufschlußreich, da sie durch ihre LehrerSchüler-Genealogie bewußt macht, wie nahe Crusius sich noch dem Beginn der Translatio des Griechischen ins Abendland fühlte. Er sah sich in der sechsten Generation der abendländischen Griechischkenner und in der dritten in Deutschland. Am Beginn steht Emanuel Chrysoloras, der 1398 die griechische Literatur nach Italien gebracht habe, wo sie 700 Jahre lang vermißt worden sei. Er habe Griechisch in Venedig, Florenz, Rom und Pavia unterrichtet und sei 1415 in Konstanz gestorben. Sein Grabstein kann noch heute im dortigen Insel-Hotel, dem ehemaligen Dominikanerkloster, besichtigt werden. Nach Chrysoloras sei die griechische Literatur in Italien verbreitet worden durch Bessarion, Georgius Trapezuntius, Joannes Argyropolus, Marullus Tarchaniota, Demetrius Chalcondyles, Janus und Constantinus Lascaris sowie durch Marcus Musurus. Die zweite Stufe oder Generation aber habe Gregorius Tiphernas vertreten, der aus der Schule von Chrysoloras nach Frankreich gekommen sei und die griechische Sprache nach vielen Jahrhunderten nach Paris zurückgeführt habe, die dritte der dem Gregorius Tiphernas in Paris als Lehrer des Griechischen folgende Hermonymus Spartiata, der dort 1478 unterrichtet habe. Die vierte war dann Reuchlin, der Griechisch von letzterem in Paris gelernt habe. Seine Griechischkenntnisse habe 1491 auch Demetrius Chalcondyles in Florenz anerkannt, und Reuchlin sei es gewesen, der das Griechische wie das Hebräische nach Deutschland gebracht habe. Joannes Argyropolus habe, Reuchlins Kenntnisse des Griechischen bewundernd, in Rom gesagt: Post nostrum exilium Graecia transvolavit Alpes. Etwa zur gleichen Zeit, 1509, sei das Griechische von Italien auch nach England gelangt. Guilelmus Grocinius, ein Schüler des Demetrius Chalcondyles, habe es als erster in Oxford gelehrt. Die fünfte Generation der Griechischkenner waren in Deutschland die vielen Schüler von Reuchlin, darunter Gregor Lienhardt, von dem Crusius seine Kenntnisse in dieser Sprache zuerst erworben hatte. Crusius konnte sich deshalb als Enkelschüler Reuchlins betrachten. Seine Darstellung der Entwicklung der griechischen Studien im Abendland machte Emanuel Chrysoloras zum geistigen Urururgroßvater von Martin Crusius. 3

CRUSIUS 1585, 207–209, Kommentar: 231(recte: 233)–236. Gregor Lienhardt heiratete im auf seine Promotion folgenden Jahr, am 11. April 1581, Caecilia geborene Rohr, verwitwete Gerlach. Das Epithalamium von Crusius zu dieser Hochzeit ist abgedruckt in: CRUSIUS 1585, 253–256, Kommentar: 271f. Es wurde zuerst 1581 von Georg Gruppenbach in Tübingen gedruckt, diese Ausgabe ist jedoch nur in der Universitätsbibliothek Breslau nachgewiesen (nicht eingesehen), siehe Wilhelmi 2002, 226, Nr. 37.

Scitis, quanto semper amore Graecarum rerum flagrem

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Daß er die griechische Sprache liebe,4 erklärte Crusius in seiner 1570 am Tag der heiligen Catharina (25. November) in Tübingen in der damals neuen Aula zum Antritt seines zweiten Dekanats gehaltenen Vorlesung De conservanda lingua Graeca mit den Worten: Hanc enim valde amo: in hac discenda potiorem aetatis meae partem traduxi.5 Und 1582 schrieb er in einer Kommentierung seines griechischen Gedichts für den aus Konstantinopel und dem Heiligen Land zurückgekehrten evangelischen Theologen Salomon Schweicker: Scitis autem, reverendi Domini et amici, quanto semper amore Graecarum et Orientalium rerum flagrem.6 Was waren die Motive für seine von ihm Liebe genannte Begeisterung für die Sprache und Literatur der Griechen, die schon früh bei ihm bemerkbar war? Als er 1570 über die Notwendigkeit der Bewahrung der griechischen Sprache sprach, bezog er sich am Anfang auf den dreisprachigen Titulus Crucis.7 Er bezeichnete die dort laut dem Evangelium des Lukas (23, 38) und des Johannes (19, 19–20) verwendeten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Lateinisch als die heiligste, die weiseste und die mächtigste Sprache. Der Heiland habe sie durch diesen Kreuzestitel besonders den Theologen zu lernen empfohlen. Im folgenden wird jedoch dem theologischen Studium keine herausgehobene Rolle zuteil. Der Nutzen des Griechischen wird für alle wissenschaftlichen Universitätsdisziplinen betont. Vor allem scheinen es Crusius das Alter und der unerschöpfliche Reichtum der griechischen Literatur, die in beidem die lateinische weit übertrifft, sowie ihre Kontinuität bis in seine eigene Zeit und ihre große frühere geographische Verbreitung in Europa, Asien und Afrika angetan zu haben. Er illustriert diesen Gedanken, indem er eine chronologische Liste griechischer Autoren an den Anfang seiner Begründung und Verteidigung des griechischen Studiums setzt. Sie umfaßt 1530 Jahre vor und 1560 Jahre nach Christi Geburt und beginnt mit dem Corpus Hermeticum, das er in die Zeit von Mose um 1530 v.Chr. setzt.8 Angeschlossen werden Orpheus und Musaeus, die 1271 v.Chr. gelebt hätten, und Homer, der auf 1000 oder 842

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Vgl. dazu auch Wendebourg 1994, 119. Siehe CRUSIUS 1585, 2–23 (hier 2). Zu diesem teilweise für den Titel dieses Beitrags verwendeten Satz siehe CRUSIUS 1582, B6v. Vgl. zum Titulus Crucis Thiede 2000 und Bella 2002. Die Autoren Thiede und d’Ancona argumentieren hier ausführlich und kenntnisreich für die Echtheit des Holzstücks, das in der römischen Kirche Santa Croce in Gerusalemme als das von Kaiserin Helena nach Rom verbrachte Fragment des Titulus Crucis aufbewahrt und als solches verehrt wird. Die Radiocarbon-Datierung dieses Holzstücks ergab kurz danach jedoch die Jahre 996–1146 n.Chr. (siehe Bella 2002). In diese Zeit fällt auffälligerweise auch die Siegelaufschrift des Kastens des Titulus Crucis, der 1492 mit der Reliquie bei einer Renovierung der Kirche gefunden wurde. Sie nennt als Besitzer des Kastens: Gerardus Cardinalis S. Crucis. Er hatte diese Stellung 1123–1144 (siehe Milani 2000, 276: „egli provvide a restaurare completamente S. Croce“) und regierte 1144–1145 als Papst Lucius II. Rigato 2002 diskutiert laut Bella 2002, 688, die Möglichkeit, daß es sich bei dem Fragment um eine Kopie des Originals handele. CRUSIUS 1585, 3: Primus itaque, quem ego novi, et antiquissimus Autor, Mercurius Tris megistus Philosophus est: qui 1530. annis ante Christum hominem natum fuit, temporibus scilicet Mosis.

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v.Chr. datiert wird.9 Es folgen 36 Autoren vor der Geburt Christi,10 dann nach der Geburt Christi die Evangelisten und Apostel sowie 52 Autoren bis Justinian11 und etwa weitere 27 bis zu den Predigten des Priesters Alexius Rarturus aus Korfu, die μιξοβαρβάρῳ sermone 1560 in Venedig gedruckt worden seien.12 Dieses Druckjahr lag nur 10 Jahre vor seiner Vorlesung. Eine direkte Vorlage für diese Liste von über 120 griechischen Autoren oder Autorengruppen gibt es anscheinend nicht. Crusius scheint sie aus seinen eigenen Kenntnissen und natürlich auch mit Hilfe literaturgeschichtlicher Werke wie dem von Lilius Gregorius Gyraldus, Historiae poetarum tam Graecorum quam Latinorum Dialogi, Basel 1545, zusammengestellt zu haben. Es ist bemerkenswert, daß er die gesamte Literatur in griechischer Sprache als einen einheitlichen Erkenntnisgegenstand auffaßte, daß sein Interesse der byzantinischen und der nach 1453 entstan-

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CRUSIUS 1585, 3: Orpheus et Musaeus Poetae, vixerunt ante Christum 1271. Princeps poetarum Homerus, quibusdam 1000. annis ante Servatorem fuisse traditur: aliis vero, 842. 10 CRUSIUS 1585, 3f. nennt immer mit hier in der Regel weggelassenen Jahres- und Herkunftsangaben sowie gelegentlichen Bemerkungen zu ihren Tätigkeitsfeldern oder Werken weiter die vorchristlichen Autoren Hesiodus, Tyrtaeus, Anacreon, Theognis, Phocylides, Pythagoras, Pindarus, Aeschylus, Sophocles, Euripides, Herodotus, Aristophanes, Hippocrates, Euclides, Cebes, Thucydides, Xenophon, Platon, Aristoteles, Isocrates, Demosthenes, Aeschines, Lycurgus, Theophrastus, Theocritus, Aratus, Lycophron, Callimachus, Apollonius Rhodius, Archimedes, Polybius, Nicander, Diodorus Siculus, Dionysius Halicarnasseus, Dioscorides und Dionysius Afer. 11 CRUSIUS 1585, 4 nennt zwischen den Evangelisten und Kaiser Justinian in der gleichen Weise folgende Autoren: Strabo, Philo Iudaeus Alexandrinus, 40. tempore videlicet Evangelistarum et Apostolorum, Proclus Lycius, Epictetus, Iosephus, Dionysius Areopagita Martyr, Lucianus, Pausanias, Arrhianus, Appianus, Aelianus, Plutarchus, Dion Chrysostomus Prusaeus, Soranus Ephesius, Galenus, Claudius Ptolemaeus, Artemidorus, Iustinus Martyr, Aristides, Hermogenes, Athenaeus, Athenagoras, Aphthonius, Alexander Aphrodisiensis, Ammonius, Hermeas, Plotinus, Origines, Dion Cassius, Porphyrius Tyrius, Iamblichus, Ioannes Stobaeus, Athanasius Alexandrinus Episcopus, Eusebius, Oribasius Sardianus, Themistius, Basilius Magnus, Gregorius Nyssenus, Gregorius Nazianzenus, Libanius, Ioannes Damascenus, Epiphanius Salaminis Cypri Episcopus, Theon Aegyptius, Nectarius, (Ioannes) Chrysostomus, Synesius Cyrenensis Episcopus, Nemesius Emesenus Episcopus, Heliodorus, Nonnus, Sozomenus, Theodoretus, Cyrillus Alexandriae Episcopus, Coluthus, Novellae institutiones Iustiniani Graecae, circa annum 530 compositae. 12 CRUSIUS 1585, 4f. nennt nach Kaiser Justinian bis zum Jahr 1560 ebenso: Procopius, Socrates Ecclesiasticae historiae scriptor, Simplicius, Euagrius Scholasticus, praeter Conciliorum priorum Canones, etiam Nicaeni secundi, quod 789 habitum est, Canones Graece extant, Leo Imperator, Theophylactus, Georgius Cedrenus, Michael Psellus, Ioannes Xiphilinus, Ioannes Zonarus, Isaacius et Ioannes Zezae, Eusthatius Thessalonicensis Episcopus, Nicetas Acominatus Choniata, Nicephoras Gregoras, Theodori Metochitae discipulus, Ioannes Cantacuzenus Imperator, Nicephorus, Georgius Gemistus Pletho, Bessarionis praeceptor, Epistola Constantinopolitanae Ecclesiae ad Pragenses anno 1451 Graece scripta extat, biennio scilicet ante Graeci Imperii amissionem, Laonicus Chalcocondyles, Arsenius Monembasiae episcopus, Antonius Eparchus Corycaeus, qui 1543 elegantem Epistolam ad Philippum Melanchthonem Graece scripsit. Alexii Rarturi, Sacerdotis et chartophylacis apud Corcyreos, conciones (sed hae iam μιξοβαρβάρῳ sermone) ab ipsomet Venetiis 1560 excusae sunt.

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denen griechischen Literatur ebenso galt wie der heidnischen und christlichen griechischen Literatur der Antike und wie umfangreich seine Kenntnisse der griechischen Literatur in allen ihren Epochen gewesen sind. Er möchte, daß diese griechische Literatur nun in Deutschland nicht nur mit großem Nutzen und Vergnügen rezipiert, sondern auch fortgesetzt wird, denn er glaubt, daß die Literatur in der klassischen griechischen Sprache ebenso fortgesetzt werden kann, wie dies mit der klassischen lateinischen Literatur durch die Humanisten seit Petrarca geschah. So hielt er schon 1547 als Student im Sturmschen Gymnasium in Straßburg einen öffentlichen griechischen Vortrag, und hatte schon 1545 dort auch ein griechisches Gedicht verfaßt. Sein erstes gedrucktes griechisches Gedicht war ein Epyllion in 306 Hexametern, das die im 13. Kapitel des Buches Daniel überlieferte Geschichte von Susanna und den beiden lüsternen Alten behandelt und das 1555 in Straßburg gedruckt wurde.13 Seine ersten beiden Bücher mit vermischten griechischen Gedichten (Poematum Graecorum libri duo) erschienen dann 1566 in Basel. Sie enthalten sowohl biblische Versifizierungen als auch Gelegenheitsgedichte. Seine im Vorwort gegebene Begründung für die Veröffentlichung war, daß er sich gegenüber Griechenland, das sich so hoch verdient gemacht habe, als dankbar erweisen müsse (me erga bene meritam Graeciam ἀντιπελαργεῖν14 gratum esse debere). Crusius wußte, daß Melanchthon, der die Griechischstudien im Bereich der Protestanten mit Erfolg propagierte, gelegentlich griechische Epigramme verfaßt hatte, und er hatte sicher auch die griechischen Epigramme Polizians und andere griechische Dichtungen wie z.B. die der Olympia Morata gelesen. Durch die Zahl und den Umfang seiner griechischen Verskompositionen übertraf Crusius jedoch bald diese und andere humanistische Vorgänger. Zudem wurde die griechische Sprache von ihm und Zeitgenossen auch für Prosakompositionen benützt (für Briefe und Reden15 und sogar für historiographische Schriften16). 13 CRUSIUS 1555. Auf dem digitalisierten Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen (http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/DkI3_qt_1/0004) hat Crusius auf der Titelseite eingetragen: Martini Crusii. Accepi Argentinae 22. mart: 1555. 14 Zu dem Begriff des ἀντιπελαργεῖν vgl. Ludwig 1998, 31f. 15 Die von Crusius und seinen Schülern an der Universität Tübingen gehaltenen griechischen Reden veröffentlichte Crusius mit lateinischen Übersetzungen in: CRUSIUS 1585, 46–110. 16 Eine kleinere historiographische Ausarbeitung veröffentlichte Crusius 1584 im Anhang zu seiner verkürzten lateinischen Nacherzählung von Heliodors Aethiopica: CRUSIUS 1584, 7–67 (eigene Seitenzählung zu: Narratio de periculis quae ipsius parentes tempore Smalcaldici belli experti sunt, ab ipso MDLI conscripta). Der Heidelberger Professor für Ethik Simon Stenius (1540–1619) veröffentlichte eine griechische Biographie des Herzogs Moritz von Sachsen (s. STENIUS 1593). Und der Heidelberger Professor der Rechte und Hofrat Marquard Freher (1565–1614), der diese beiden griechischen Texte in einen historiographischen Sammelband (FREHER 1611, 424–446 und 447–459) aufgenommen hatte, erhielt zusätzlich noch von dem Heidelberger Hofrat Ludwig Camerarius (1573–1651) das noch unveröffentlichte Manuskript einer von dessen Großvater Joachim Camerarius (1500–1574) in griechischer Sprache verfaßten Geschichte des Schmalkaldischen Krieges, das mit einer Ergänzung durch Simon Stenius und dessen lateinischer Übersetzung des Ganzen gleichfalls in diesem Band, 387–423, veröffentlicht wurde.

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In seinem soeben erwähnten Vortrag von 1570 beklagte Crusius am Ende die türkische Unterdrückung von Griechenland. Er hält zwar fest, daß noch heute von den cives Byzantini und in allen Städten Griechenlands die griechische Sprache, wenn auch in verdorbener Form, verwendet werde. Aber es gebe in Athen keine Schulen und keine Bildung mehr (nullae Scholae, nulla eruditio est), jedoch in Konstantinopel noch einen Patriarchen: Et tamen adhuc Patriarcha aliquis praeest. Nostrae pietatis est, pro miserrima gente Deum orare.17 Die Sätze offenbaren, daß Crusius damals über die Verhältnisse der Griechen noch nichts Näheres wußte, keine genaueren Kenntnisse über den Patriarchen in Konstantinopel hatte und von den anderen Patriarchen kaum etwas wußte. Er hatte erfahren, daß die griechische Sprache bei den Griechen barbarische Züge angenommen habe, hatte die moderne griechische Sprache jedoch noch kaum beachtet und nur in den Predigten des Rarturus etwas kennenlernen können. Der Beginn seiner griechischen Texte und seines griechischen Dichtens, also seiner Begeisterung für das Griechische fiel damit in eine Zeit, als er noch ohne Kontakt zu den damals im Osmanischen Reich lebenden Griechen war. Er erwartete keine griechischen Leser, sondern erstrebte eine Erneuerung der, wie er es sah, im Land der Griechen nicht mehr gepflegten griechischen Literatur auf deutschem Boden. Eine Änderung dieser Situation trat erst ab 1573 ein, als er über den Tübinger Absolventen Stephan Gerlach, den evangelischen Prediger in der kaiserlich-römischen Botschaft in Konstantinopel, in Kontakt mit dortigen Patriarchen und anderen orthodoxen Geistlichen kam18 und durch Gerlach auch Informationen über die Bildung der damaligen Griechen und die von ihnen verwendeten Sprachen erhielt. Das hatte zwei Folgen. Erstens gewann das Griechische über das nach Deutschland geflohene Griechenland hinaus, d.h. jenseits seiner innerdeutschen humanistischen Präsenz eine praktische Funktion. Es konnte für den Kontakt mit gebildeten Griechen innerhalb des Osmanischen Reichs verwendet werden, ein Umstand, der dann aber auch die Bedeutung griechischer Dichtungen in Deutschland verstärken mußte, da solche Dichtungen möglicherweise in Zukunft auch mit lebenden Griechen ausgetauscht werden konnten. Der theologische Briefwechsel mit den Geistlichen in Konstantinopel gab dazu noch kaum Gelegenheit (Crusius konzentrierte sich hier auf seine theologischen Ziele), aber der Nachfolger Gerlachs in Konstantinopel, der bereits zuvor genannte Salomon Schweicker, brachte 1581 aus dem damals venezianischen Candia in Kreta (die Stadt heißt heute Iraklio) in seinem Stammbuch19 immerhin 17 CRUSIUS 1585, 18. 18 Vgl. dazu insgesamt Wendebourg 1986. 19 CRUSIUS 1582, C2v–E1r hat 38 im Orient gemachte griechische oder lateinische Einträge aus dem Stammbuch von Schweicker/Schweigger bekannt gemacht. Das Stammbuch selbst, das zeitweise im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien war (Cod. Ser. nov. 2973), wurde 2004 aus ihr zur Restitution in Privatbesitz übergeben und ist deshalb zur Zeit leider unzugänglich. Den Angaben von Werner Wilhelm Schnabel, RAA (Internet) unter: 1577_schweigger, über einen Teil der Einträge in diesem Stammbuch liegt nicht die sprachgetreue Abschrift von Crusius zugrunde, sondern letztlich SCHWEIGGER 1608, 334–340, wo nur 16 dieser Einträge und zwar jeweils in deutscher Übersetzung aufgeführt sind.

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eine Freundschaftserklärung von dem dortigen Gelehrten Joannes Morzinos in der Form eines aus zwei Distichen bestehenden klassisch formulierten Epigramms mit:20 Γνήσιος εἰμὶ φίλος: καὶ τὸν φίλον, ὡς φίλον, οἶδα. Τοὺς δὲ κακοὺς, διόλου πάντας ἀπαναίνομαι, Οὐδένα θωπεύω πρὸς ὑπόκρισιν. Οὓς δ’ἄρα τιμῶ: Τούτους ἐξ ἀρχῆς μέχρι τέλους ἀγαπῶ. Ich bin ein echter Freund, und ich erkenne den Freund als einen Freund. Die schlechten aber lehne ich alle gänzlich ab. Keinem schmeichle ich zum Schein. Die aber, die ich ehre, die liebe ich von Anfang bis zum Ende.21

Zweitens entwickelte sich durch Gerlachs Erklärungen zur sogenannten barbarogriechischen Sprache des Volks das sich steigernde Interesse von Crusius an der griechischen Volkssprache, das ihn zu lexikalischen Sammlungen, zum Erwerb volkssprachlicher Texte und sogar zu einer Tübinger Vorlesung über eine volkssprachliche Nachdichtung der für homerisch geltenden Batrachomyomachie führte.22 2. LAURENTIUS RHODOMANUS Crusius’ Freund, der gleichfalls lutherische und 20 Jahre jüngere Laurentius Rhodomanus (1546–1606),23 teilte mit ihm die Begeisterung für die griechische Sprache und die Praxis griechischen Dichtens. Ihm hatte Michael Neander in der 1562–

20 CRUSIUS 1582, E1r. Das Epigramm stammt letztlich aus AP 10,117 (Phokylides) bzw. aus APl 1,85 (εἰς φιλίαν), 5 (Ἄδηλον). In V. 2 steht dort jeweils abweichend nur ἀποστρέφομαι statt des von Morzinos verwendeten selteneren poetischen ἀπαναίνομαι (Man beachte die Prosodie!). Der Privatgelehrte Morzinos, zu dem Crusius kommentierend bemerkt: tantum literis deditus, besaß also entweder eine Handschrift oder einen Druck der Anthologia Planudea oder einen Auszug aus ihr. Er scheint diese Herkunft seines Epigramms Schweicker aber nicht mitgeteilt zu haben. Sein Eintrag besteht zunächst aus mehreren Zeilen eines persönlichen prosaischen Textes, in dem er Schweicker freundschaftlich versichert, ihn nie zu vergessen. Dieser Text schließt mit dem Satz: καὶ σοῦ χάριν τὸ γράμα [sic] καὶ τοὺς στίχους ποιῶ. Ιωάννης Μορζῆνος, ὁ Κρής („Und dir zuliebe mache ich die [vorausgegangene] Niederschrift und die [folgenden] Verszeilen. Joannes Morzinos, der Kreter“). Es folgen das Epigramm und die Datumsangabe: α ϕ π α αὐγούστῳ ιη („1581, August 18.“). 21 Schweicker hat das ihm offensichtlich gefallende Epigramm in deutsche Prosa und außerdem in deutsche Reime übersetzt: „Ich bin von Art ein guter Freund/ der ein Freund als ein Freund erkennt/ die schalckhaftigen gelten bey mir nichts/ ich schmeichle auch keinem aus gleisnerey/ von welchen ich aber etwas halt/ die hab ich lieb von anfang biß ans end/ Oder daß ichs auch in Reimen faß: Ich bin von Art ein guter Freund/| Und halt den Freund auch als ein Freund/| Bey mir wenig die Schelck gelten/| Die Schmeichler thu ich auch schelten/| Wen ich zum Freund auffnimb einmal/| Von dem ich gwißlich nicht abfall.“ (SCHWEIGGER 1608, 339). 22 Vgl. Eideneier 1994, Moennig 1997 und Wilhelmi 2002, 275–364 („Die Bibliothek Martin Crusius“). 23 Vgl. Ludwig 2014a.

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1567 von ihm besuchten lutherischen Klosterschule in Ilfeld das Griechische nahegebracht. Rhodomanus berichtet später dankbar, daß er nicht nur Neanders Vorlesungen (publicas in schola praelectiones) hörte, sondern von Neander auch Privatunterricht in Griechisch (privatas etiam quasdam exercitationes) erhielt.24 1589 schickte Rhodomanus seinem griechisch verfaßten historischen Epos Palaestina eine Epistola dedicatoria voraus,25 die er an seine „Patrone“, seinen früheren Lehrer Michael Neander (1525–1595), den herzoglich sächsischen Kanzler Dr. iur. utr. Marcus Gerstenberger (1553–1613), den damaligen Rektor des Braunschweiger Gymnasiums, den Poeta laureatus Caesaris und Dr. med. Nicodemus Frischlin (1547–1590), den gelehrten Breslauer Patrizier Jakob von Monau (1546–1603)26 und den Tübinger Professor Martin Crusius adressierte. In dieser Epistola dedicatoria verteidigte er über das rezeptive Studium des Griechischen hinaus die Praxis griechischen Dichtens durch Humanisten gegen damals durchaus vorhandene Kritiker und Skeptiker und machte dabei den wünschenswerten theologischen Kontakt der deutschen Protestanten zu orthodoxen griechischen Geistlichen ausdrücklich zu einem Argument für seine Sache:27 Attamen lingua Graecorum, utcunque hactenus inter nos servata, magnum adhuc usum habet in politicis negotiis et ecclesiasticis. […] Quid eventurum vero putas in tractationibus theologicis? Quis, quaeso, has administrabit et expediet, quando nemo Graecae linguae studium impendit [impedit ed. 1589]28 ulterius, quam ut quomodocunque intelligat? Surdi forte non essemus omnes inter fabulae cum Graecis actionem: at ne mutas personas plures quam ex re nostra sit, in theatrum afferamus, metuendum est. Interea non tam alieni et remoti sunt Graeci a nobis, ut de religione non sit cum ipsis agendum. Omnes equidem hoc desideramus (id quod et e viribus studendum est), ut in communis Ecclesiae corpus, et eiusdem fidei ac confessionis societatem, nobiscum conjungantur. Quae vero cum illis actio commode et feliciter procedet, si loquelam ipsorum non in ore et calamo geramus? Doch die Sprache der Griechen, wie immer sie bei uns bewahrt worden ist, hat heute einen großen Nutzen in politischen und kirchlichen Geschäften. […] Was aber, glaubst du, wird in theologischen Verhandlungen geschehen? Wer, bitte, wird sie handhaben und durchführen, wenn niemand mehr der griechischen Sprache darüber hinaus, als daß er sie irgendwie versteht, sein Bemühen zuwendet? Es würden vielleicht nicht alle taub sein in der Handlung eines Dramas mit den Griechen. Aber daß wir mehr stumme Personen, als für uns vorteilhaft ist, auf die Bühne bringen, ist zu fürchten. Unterdessen sind die Griechen uns nicht so fremd und fern, daß man nicht mit ihnen über die Religion verhandeln müßte. Alle wünschen das zwar (und wir 24 RHODOMANUS 1604, †2r. Zur Dankbarkeit von Rhodomanus gegenüber Neander vgl. auch Ludwig 2014a, 157–160. Mag. Michael Neander war 1559–1595 Rektor in Ilfeld, das damals unter der Vogtei der Grafen zu Stolberg, Wernigerode und Hohenstein stand, weshalb Rhodomanus ihn in seinem an die gräflichen Brüder Wolfgang Ernst (1546–1606), Johann (1549– 1612) und Heinrich (1551–1615) zu Stolberg gerichteten Dedikationsbrief von RHODOMANUS 1604 auf Bl. †2r Antistes ille Musarum vester MICHAEL NEANDER nennt. Nach Ilfeld berufen hatte Neander noch ihr Vater Wolfgang Graf zu Stolberg (1501–1562). Vgl. zu letzterem und seinen Söhnen Jacobs 1908. 25 RHODOMANUS 1589, 9–23. 26 Vgl. Schimmelpfennig 1885. 27 RHODOMANUS 1589, 19f. 28 Ich verdanke diese Verbesserung einem Diskussionsbeitrag von Thomas Gärtner, Köln, während der Wuppertaler Tagung.

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sollten uns nach Kräften darum bemühen), daß sie in den Leib der (einen) gemeinsamen Kirche und in eine Gemeinschaft desselben Glaubens und desselben Bekenntnisses mit uns verbunden werden. Welche Verhandlung wird jedoch mit ihnen angenehm und glücklich vorankommen, wenn wir ihre Sprache nicht im Mund und in der Feder führen?

Obwohl die theologischen Unionsverhandlungen der württembergischen Lutheraner mit dem Patriarchat in Konstantinopel schon Anfang der achtziger Jahre gescheitert waren,29 setzte Rhodomanus hier noch seine Hoffnungen auf erneute Bemühungen (und auch Crusius selbst blieb mit Geistlichen in Konstantinopel in Verbindung).30 Dazu bringt Rhodomanus ein weiteres Argument ins Spiel, das in der gerade zitierten Passage seiner Ausführungen von mir eben noch ausgelassen wurde: Sumamus hoc nobis, quod Dei benignitate aliquando contingere possit, et quod Graeci avide expectant et quod monarchia Germanorum omni Palladis et Martis contentione eniti debebat, nimirum, Graecos imperio nostro (ut ita loquar) incorporari. Tum certe Graeca enuntiatione cum illis agendum: nec vulgari tantum et semibarbara, sed et erudita, ne ludibrio et contemptui illis exponi velimus. Tum liquide appareret, utrum communem et necessarium usum Graeca eloquentia haberet, necne. Nehmen wir einmal an, daß durch Gottes Güte einmal geschehen könnte, was sowohl die Griechen sehnlichst erwarten und um was die Monarchie der Deutschen sich mit aller Anstrengung des Geistes und der Waffen bemühen sollte, nämlich daß die Griechen unserem Reich sozusagen inkorporiert werden. Dann ist sicherlich in der griechischen Sprechweise mit ihnen zu verhandeln, und zwar nicht nur in der volkstümlichen und halbbarbarischen, sondern auch in der gebildeten, um uns nicht ihrem Spott und ihrer Verachtung auszusetzen. Dann würde klar erscheinen, ob die griechische Redefähigkeit einen allgemeinen und notwendigen Nutzen hat oder nicht.

Um diese allzu optimistischen Überlegungen zu verstehen, ist es nötig, daran zu erinnern, daß die türkische Niederlage in der Seeschlacht von Lepanto im Jahr 1571 den Mythus der türkischen Unbesiegbarkeit sowohl bei den christlichen Mächten, als auch bei den unterdrückten Völkern des Osmanischen Reiches zerstört hatte. In der Folge regten sich Hoffnungen auf eine Befreiung, die gelegentlich zu von den Türken rasch niedergeschlagenen Erhebungen führten.31 Im habsburgischen Raum wurde um 1585 ein Brief des persischen Schahs Mohammed Khodabanda an den 29 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Wendebourg 1986, 127–151. 30 Ich verdanke den Hinweis auf Angaben zu Briefen von Crusius an griechisch-orthodoxe Geistliche in der Zeit von 1597–1604 in: Göz 1927–1958, der Freundlichkeit von Paul A. Neuendorf, FU Berlin, der eine Dissertation vorbereitet mit dem Arbeitstitel: „‘Daraus kündten auch die graeci lärnen‘ – Martin Crusius (1526–1607) als akademischer Lehrer und Verbreiter des Luthertums im Orient.“ Klaus Conermann, Wolfenbüttel, machte mich ferner darauf aufmerksam, daß der Patriarch Kyrillos I. von Konstantinopel (Konstantinos Lukaris 1572–1638, im Amt seit 1620) sich unter dem Einfluß eines niederländischen Predigers in seinem Glaubensbekenntnis von 1629 zum Calvinismus bekannte (verworfen 1638 von einer konstantinopolitanischen Synode). Dieses Glaubensbekenntnis erregte zwar im Westen einiges Aufsehen, scheint aber dort keinen neuen Impuls für das Verfassen griechischer Schriften gegeben zu haben. Vgl. Conermann 1998, 478–480 (Brief des Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg vom 28.10.1629), und dens. 2009, 837–844 (Brief von Martin Opitz vom 25.7.1630). 31 Vgl. Wendebourg 1986, 139.

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spanischen König Philipp II. gefälscht, in dem der Schah Philipp auffordert, als sein Verbündeter gegen den osmanischen Sultan in den Krieg zu ziehen, Griechenland, Syrien und Ägypten zu erobern und sich selbst zum Kaiser in Konstantinopel zu machen. Die habsburgische Dynastie hätte so die kaiserliche Herrschaft im Westund Oströmischen Reich besessen. Der Brief wurde beim Druck einer französischen Kopie im Jahr 1585 immerhin von französischen Diplomaten für echt gehalten, so daß er Besorgnisse um die Stellung des französischen Königs gegenüber einer derartigen habsburgischen Übermacht auslöste, und Dr. iur. utr. Nicolaus Reusner (1545–1602) nahm diesen Brief in lateinischer Übersetzung 1590 in seine in Frankfurt am Main gedruckte mehrbändige Sammlung der Epistolarum Turcicarum Libri XIV auf, wodurch er als authentischer Brief des Schahs erscheinen mußte.32 1595 erschien in Tübingen auch noch ein deutschsprachiges Lesedrama eines Paul Pantzer, betitelt „Tragoedia von den dreyzehen Türckischen Fürsten“, in dem die Hoffnung ausgesprochen wird, daß der derzeitige Sultan Murad III. der letzte osmanische Sultan sein werde.33 Der „Lange Türkenkrieg“, den Österreich und der Kaiser 1593–1606 gegen den Sultan führten, war so wenigstens in seiner ersten Zeit bei manchen von großen Hoffnungen begleitet, so daß Rhodomanus mit seinen Vorstellungen nicht allein stand. Nach Beendigung des „Langen Türkenkriegs“ war solcher Optimismus jedoch im allgemeinen verflogen. Die Produktion der zahlreichen griechischen Gedichte protestantischer Humanisten in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts scheint jedoch teilweise von solchen Vorstellungen einer möglicherweise baldigen politischen Befreiung der Griechen und ihrer eventuellen konfessionellen Vereinigung mit den Protestanten bestärkt worden zu sein. Das war speziell bei der möglicherweise umfangreichsten humanistischen griechischen Dichtung der frühen Neuzeit der Fall, dem 1589 in Frankfurt am Main gedruckten historischen Epos Palaestina von Rhodomanus, das man vermutlich als den Höhepunkt des griechischen Dichtens deutscher Humanisten bezeichnen kann. In ihm beschreibt Rhodomanus die Geschichte des Heiligen Landes von Adam bis zur türkischen Herrschaft in der Gegenwart. Aus der dem Epos vorangestellten Epistola dedicatoria stammten die eben zitierten Stellen. Dieses Epos’ wegen wurde Rhodomanus von seinen Zeitgenossen der deutsche Homer, Homerus Biblicus und alter Homerus genannt.34 In zwei der Palaestina gleichfalls vorausgeschickten Briefen von Neander an Rhodomanus und die Leser der Palaestina35 gibt Neander eine Liste von aktuellen und potentiellen Befürwortern und Bewunderern der griechischen Dichtung von Rhodomanus. Im ersten, datiert Ilfeld, den 14. August 1587, schreibt er, er habe das Epos bisher nur flüchtig ansehen können, ist aber des Lobes voll und behauptet, sein Urteil würde geteilt

32 Vgl. Ludwig 2014b. 33 Siehe Ludwig 2014a, 170. 34 Siehe Ludwig 2014a, 144–146. Adam Theodor Siber (1563–1616) schrieb in einem in RHODOMANUS 1604, †7v gedruckten Gedicht folgenden Pentameter: Iure mihi triplex semper Homerus erit. Er meinte damit sozusagen die Dreieinigkeit von Homer, Quintus Smyrnaeus und Laurentius Rhodomanus. 35 RHODOMANUS 1589, 3 und 4–8.

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von Chytraeus, Caselius, Crusius, Frischlinus, Henricus Stephanus, Plantinus, Leonclavius und Dresserus. Er kündigt eine ausführlichere Würdigung an, wenn er die Palaestina ganz gelesen habe. Sie ist in seinem zweiten Brief, datiert Ilfeld, den 1. September 1588, enthalten. In ihm zitiert er Stellen aus zwei Briefen des David Chytraeus, in denen dieser Rhodomanus außerordentlich rühmt, und erklärt selbst, daß seinem positiven Urteil über die Palaestina viele bekannte Humanisten zugestimmt hätten oder, wenn sie noch leben würden, sicher zustimmen würden. Er nennt dabei namentlich36 Argyropolum Byzantinum, Gazam Thessalonicensem, Musurum et Trapezuntium, utrumque Cretensem, & Hieronymum Spartiatam, […] Budaeum, illum multiscium, Reuchlinum trilinguem sui saeculi phoenicem, Erasmum παντοδαῆ, Philippum Melanthonem, τὸν νοῦν τῶν παρ’ ἡμῖν σοφῶν, Camerarium, τὸν ἑλληνικώτατον […], reverendissimum & clarissimum D. Chytraeum, Henricum Stephanum, meritis in rem publicam literariam per Europam celeberrimum, et discipulum eius Fridericum Sylburgium, et nobilissimum Lewenclaium, doctissimum Crusium, Zwingerum, Frischlinum, Caselium, Dresserum. Das Epos umfaßt insgesamt 3590 griechische Hexameter. Dem griechischen Text steht jeweils eine hexametrische lateinische Übersetzung gegenüber, die Rhodomanus auch hergestellt hatte. Buch I erzählt von Adam bis zu Jakobs Sohn Joseph (326 V.), Buch II von Mose bis Samuel (291 V.), Buch III von König Saul bis zur babylonischen Gefangenschaft (1086 V.), Buch IV von der Rückkehr nach Palaestina bis zu den Makkabäern (719 V.), Buch V von diesen bis zu König Herodes (548 V.), Buch VI von Herodes bis Christus (257 V.), Buch VII von Christus bis Paulus (251 V.), Buch VIII von der Zeit der römischen Herrschaft bis zur Eroberung von Jerusalem durch Kaiser Titus (634 V.) und Buch IX von der römischen und der mohammedanischen Herrschaft, von den Staaten der Kreuzritter und von der türkischen Herrschaft, am Ende von den unterdrückten orientalischen Christen der Gegenwart (478 V.). Erwähnt werden hier die damaligen vier christlichen Patriarchen von Konstantinopel, Antiocheia, Jerusalem und Alexandria, namentlich Jeremias (II.) von Konstantinopel. Rhodomanus kommt dabei auch auf den prinzipiell übereinstimmenden Glauben der abendländischen und orientalischen Christen, der sich auf das gemeinsame Bekenntnis zu Gottes Wort gründe, und auf die im Orient noch eingemischten irrtümlichen Lehren zu sprechen. Denn den orientalischen Christen leuchte noch nicht das jetzt bei den Deutschen erschienene (d.h. das von Luther verkündete) Licht der Wahrheit: οὐ γὰρ δὴ τοῖόν σφι νοήματα φέγγος ἰαίνει | ἀτρεκίης, οἷον μάλα νῦν παρὰ Τεύτοσι λάμπει. | […] quia non ita luce patescit | Illustri verum, seros ut Teutonas ambit.37 In seiner Epistola dedicatoria gibt Rhodomanus an, seine poetischen griechischen Vorbilder seien Homer, Quintus von Smyrna38 und Hesiod gewesen, in Buch 36 RHODOMANUS 1589, 6f. 37 RHODOMANUS 1589, 306f. (Buch 9, V. 458–459). 38 Das intensive Studium des Quintus Smyrnaeus und der übrigen nachhomerischen Epik über den Trojanischen Krieg durch Rhodomanus geht aus RHODOMANUS 1604 hervor. In RHODOMANUS 1604, †5r stellt er, nachdem er für das Schreiben griechischer Prosa in erster Linie Plutarch empfohlen hatte, fest: Ad eloquentiam igitur poeticam apud Graecos sufficiat Home-

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VIII habe er für die Zerstörung Jerusalems die Beschreibung der Zerstörung Trojas durch Tryphiodor imitiert, in Buch IX sei das Versinken des Kaisers Friedrich Barbarossa im Fluß Saleph dem Versinken des Hylas bei Apollonius von Rhodos nachgebildet. Die Bücher I–III und VII könnten schon Anfänger (tyrones) lesen, die übrigen Bücher erst die in der griechischen Sprache Fortgeschritteneren (provectiores). Die lateinische Übersetzung habe er zuletzt hinzugefügt, damit die adolescentes den griechischen Text auch privat lesen könnten. Ich benützte für meine Lektüre eine Ausgabe der Palaestina in Privatbesitz. Der Quartband im Format 24 x 15 cm ist auf vier Bünden in blindgeprägtes Schweinsleder gebunden, hat erneuerte lederne Schließbänder und zeigt auf dem Vorderdeckel oben die schwarz eingeprägten Initialen L O H und unten ebenso die Jahreszahl 1594. Der erste Besitzer des Bandes, der ihn hatte binden lassen, war vermutlich Lorenz Oheim aus Halle (Laurentius Ohemius Hallensis), der sich 1587 in Wittenberg, 1593 in Jena und 1599 in Leipzig immatrikulierte und den Band offenbar 1594 kaufte.39 Auf dem Vorderdeckel ließ Oheim als Plattenstempel (8,6 x 5,0 cm) das große, vielteilige und von den Säulen des Herkules umgebene Reichs-

rus, & Iliados continuator Cointus, Homeri simillimus. Dieses durch Gedichte von Adam Theodor Siber und Friedrich Taubmann (1565–1613) empfohlene Werk enthält u.a. eine Ausgabe der 14 Bücher des Quintus Smyrnaeus mit einer lateinischen Übersetzung durch Rhodomanus (S. 127–709, es folgen zahlreiche zusätzliche textkritische Bemerkungen) und zwei größere griechische Dichtungen von ihm, eine ΙΛΙΑΣ ΜΙΚΡΑ Id est, Singulorum Homeri & Cointi librorum Periochae (S. 1–125), und ΤΡΩΙΚΑ, id est, Totius historiae Troianae Epitome: Ex variis Auctoribus decerpta; & Graecolat. carmine exposita (S. 1–115). Ein Hinweis auf den Verbreitungskreis dieser Ausgabe gibt ein in Privatbesitz befindliches Exemplar. Es ist in Pergament gebunden, das auf dem Vorderdeckel in Blindprägung die Initialen M G W und die Jahreszahl 1663 zeigt. Auf der Titelseite steht handschriftlich κτῆμα M. Georgij | Weißij, Leucopet[raei]. Es handelt sich um Georg Weise oder Weißius (1636–1594) aus Weißenfels (damals Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Weißenfels), der 1650–1655 Schüler in Schulpforta, seit 1655 Student in Leipzig war, 1659 dort den Magistergrad erwarb, 1663 (im Jahr seines Bucherwerbs) als Magister docens lehrte und Theologie studierte und 1665 Leipzig als Theologiae Baccalaureus verließ, um dritter Lehrer an der Fürstenschule in Schulpforta zu werden. Seit 1571 wirkte er als Pfarrer in Mutzschen bei Grimma, 1680–1687 war er Superintendent in Colditz, wo er in einer Veröffentlichung 1683 als Licentiatus Theologiae bezeichnet wird, und 1687–1694 Oberpfarrer und Superintendent in Tennstedt. Vgl. Erler 1909, wo jedoch das theologische Baccalaureat irrtümlich auf 1682 datiert wird (siehe dagegen Melich 1665), und Albrecht-Birkner 2009 sowie für seine zahlreichen Veröffentlichungen VD17. Das Buchexemplar gelangte, wie ein Stempel („Ex| Bibliotheca| Gymn. Alteb.“) auf der Rückseite des Titelblatts verrät, später in die Bibliothek des Gymnasiums der herzoglich sächsischen Residenzstadt Altenburg (gegründet 1522 als „Schola Altenburgensis“, 1713 umbenannt in „Herzogliches Friedrichs-Gymnasium“, aufgelöst 1947). Das nicht in Wilisch 1721 aufgenommene Exemplar befand sich 1721 noch nicht in der Bibliothek dieses Gymnasiums. Es wurde in der DDR-Zeit wie damals üblich zusammen mit dem übrigen reichen gymnasialen Buchbestand veräußert. In Wilisch 1721, 168 findet sich aber ein anderes Buch von Rhodomanus zu Quintus Smyrnaeus, das in VD 16 nicht erscheint und vom Karlsruher virtuellen Katalog nicht angezeigt wird: Cointi Smyrnaei Ilii Excidii Libri II. et Reditus Graecorum capta Troia, Liber vnus. Exposuit Laur. Rhodomanus, Lips. 1573, 4. mai. Vgl. dazu Gärtner in diesem Band. 39 Die Ausgabe RHODOMANUS 1589 ist auch in Wilisch 1721, 174 angegeben.

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wappen mit der Unterschrift DES H ROMISCHEN KEISERTUMS WAPN einprägen, auf dem Hinterdeckel (9,1 x 5,0 cm) das große und vielteilige kursächsische Wappen mit der Unterschrift VON. GOTTES. GNADEN. AVGVSTVS| HERZOG TZV. SACHSSEN. CHURFUR.40 Die beiden Plattenstempel in den Mittelfeldern werden von je zwei Bändern mit Rollenstempeln umgeben. Sie zeigen innen einen 1,5 x 18,2 cm großen Stempel mit vier biblischen Figuren (Salvator, David, Paulus, Johannes) und gängigen Bibeltexten, außen einen 1,3 x 14,3 cm großen Stempel mit vier mit Namen versehenen Klassikerköpfen (Lukrez [LVCRE], Cicero [CICERO], Caesar [IVLIUS], Vergil [VIRGILI]).41 Der prächtige und symbolisch aussagekräftige Einband zeugt für das damalige Ansehen des fünf Jahre zuvor gedruckten Epos. Es kommt wohl nicht von ungefähr, daß nach dem Wegfall des bei der Abfassung der Palaestina existenten ideologischen, d.h. theologischen und politischen Hintergrundes es nicht mehr zu so vielen und so ausgedehnten griechischen Dichtungen deutscher Humanisten kam, auch wenn meist einzelne kleinere griechische Gedichte aus Liebe zur griechischen Sprache und Literatur immer wieder komponiert wurden.42 Beispielshalber seien hier nur die 1702 in Wittenberg erschienenen Poemata Latina et Graeca des dortigen Professors Conrad Samuel Schurzfleisch angeführt sowie aus dem 20. Jahrhundert die emotional sehr berührenden griechischen Epigramme, die Paul Friedländer verfaßte und unter denen sich ein Epigramm auf den 75. Geburtstag von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff von 1923 und ein Epigramm aus dem amerikanischen Exil über sein früheres deutsches Vaterland von 1948 befinden. Friedländer selbst hat diese Epigramme 1968 in seinem Sammelband „Studien zur antiken Literatur und Kunst“ zusammengestellt.43 3. EIN ANAKREONTISCHES EPITHALAMIUM NIKOLAUS REUSNERS Schließen möchte ich mit einem Hinweis auf einen deutschen Humanisten, dessen zahlreiche auch vom Ende des 16. Jahrhunderts stammende griechische Gedichte bisher noch kaum beachtet wurden. Der Jenaer Professor der Rechte Nikolaus

40 Unter dem kursächsischen Wappen stehen die Initialen des Formschneiders V V, dessen Arbeitsort unbekannt ist; vgl. zu ihm Haebler 1928–1929, Bd. 1, 471f., und Bd. 2, 347, sowie Nagler 1879, 278. 41 Vgl. Haebler, 1928–1929, Bd. 2,21 (A.2), der die Klassikernamen teilweise nicht richtig gelesen hat. 42 Die beste Übersicht für die frühe Neuzeit gibt bis jetzt immer noch Lizelius 1730, wo insgesamt 145 Autoren griechischer Gedichte genannt werden. Die längeren aristophanisch stilisierten griechischen Komödien des Berliner Gymnasialprofessors Julius Richter (1816–1877; vgl. Süß 1911, 165–174 und 221–223), die von Martin Holtermann in diesem Band behandelt werden und von denen eine während der Wuppertaler Tagung von der Theatergruppe Klassische Philologie der Bergischen Universität aufgeführt wurde, scheinen eine Ausnahme darzustellen. 43 Siehe FRIEDLÄNDER 1969, 681f. Vgl. dazu Weise 2011, 424f. und Hillgruber 2013, 105 (mit metrischer deutscher Übersetzung).

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Reusner, der durch seine zahlreichen lateinischen Gedichtbücher und andere Schriften bekannter ist, hat in Jena 1593 in seinem Operum Pars prima betitelten Oktavband auf S. 257–283 einen Elegorum Graecanicorum Liber singularis (darin auch eine Elegie an Crusius) und auf S. 284–296 einen griechischen Epistolarum Heroidum liber singularis veröffentlicht, in Pars tertia auf S. 519–559 einen Epigrammatum Graecorum liber singularis, der auch Epigramme an Crusius und Rhodomanus enthält, und in Pars secunda auf S. 83–112 einen hexametrischen griechischen Liber hymnorum und auf S. 202–261 zwei griechische Bücher Epodon, in denen sich zuerst pindarisierende, in Strophe, Antistrophe und Epodos gegliederte Oden und dann anakreonteische Gedichte befinden, die die eigentlich spätantiken, 1554 und erweitert 1556 in Paris von Guillaume Morel für Henricus und Robertus Stephanus gedruckten und damals dem frühgriechischen Lyriker Anakreon selbst zugeschriebenen Gedichte zum Vorbild haben.44 Diese griechischen Anakreonteen hatten bekanntlich alsbald begeistert und lateinische Nachbildungen und auch solche in anderen Sprachen ausgelöst.45 Der Wittenberger Professor Friedrich Taubmann betitelte 1597 ein ganzes Buch seiner Gedichte Anacreon latinus.46 Schon um 1556 hatte der Niederländer Carolus Utenhovius (1536–1600) ein griechisches Trauergedicht in anakreontischen Versen auf die im Oktober 1555 verstorbene Olympia Morata verfaßt.47 Als ein Beispiel für Reusners griechische Anakreonteen, und um die griechischen Gedichte der deutschen Humanisten wenigstens durch die Interpretation einiger Verse konkret zu veranschaulichen, sei zum Abschluß ein Stück aus Reusners Epithalamium für den ihm befreundeten Arzt Georg Wirth und seine Frau Anna geborene Lossel zitiert, übersetzt und in seiner Gestaltung und Vielschichtigkeit interpretiert. In diesem Epithalamium treten vier Sprecherinnen auf, die, falls die Hochzeit in Jena stattfand, vermutlich in einer Rezitation des Gedichts vor den Hochzeitsgästen durch vier Jenaer Studenten repräsentiert wurden: zuerst kam Venus als Gratiarum dux, dann die drei Grazien mit den Namen Aglaia, Euphrosyne und Thalia.48 44 Vgl. ANACREON 1554, ANACREON 1556a und ANACREON 1556b. Zu der Erstausgabe von 1554 vgl. Schreiber 1982, 129–131. Je ein Exemplar der beiden Ausgaben von 1556 wurde von dem angesehenen französischen Buchbinder Nicolas Denis Derome (1731–1788) in rotem Maroquinleder mit Goldprägungen zusammengebunden (Etikett unten auf dem Spiegel: „red morocco, g. e. by Derome“). Der jetzt in Privatbesitz befindliche Band war im Besitz des englischen Renaissanceforschers William Roscoe (1753–1831), der seine große Büchersammlung 1816 in Liverpool versteigern lassen mußte (siehe Quaritsch 1969, 236–240), und später im Besitz des britischen Bibliographen für das British Museum Frederic Sutherland Ferguson (1878–1967), wie ein Eintrag auf dem Vorsatz („Bot. at W. Roscoe’s Sale 1816“) und das Etikett Ex Libris F. S. Ferguson oben auf dem Spiegel beweisen. 45 Die Entdeckung und Publikation der Anacreontea (ANACREON 1554) durch Henricus Stephanus „was a sensation of the first class and the starting-point for a new branch of modern literature“ (Pfeiffer 1976, 109). 46 Siehe TAUBMANN 1597, 123–142. 47 Siehe MORATA 1562, 258–260. 48 Zu Venus als Führerin der Chariten siehe ALCIATUS 1551, 175 (Gratiae, V. 1: Tres Charites Veneri assistunt, dominamque sequuntur) und dazu ALCIATUS 1621, 686–691. REUSNER

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Venus sind sieben anakreontische Strophen, den drei Grazien danach je sechs zugeteilt. Der Part der Venus lautet:49

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Πάρεστε δεῦρο νύμφαι, Διὸς εὐχάριστα τέκνα, Χάριτες χαρῶν ἄνασσαι καὶ ποτνίου Ἔρωτος, ἰοειδέος δὲ πηγὰς Βοιωτίας [Βοιωκίας ed. 1593] λιποῦσαι, Λαδωγενεῖ Κυθήρῃ ἑτάραι πάρεστε κεδναί. ἐκεῖ μὲν ἔργον ἡδὺ, χάριέν τε κόσμιόν τε, Διὶ καρτερῷ φίλιστον, προσῆκον ὔμμιν ἔργον. ἐκεῖ γλυκεῖα Κύπρις ἀλοχοῖν δυοῖν ἀρέσκει, ἐκεῖ λύκαινα Κύπρις γάμον ἀρτύει ἐραστόν. Χάριτες πάρεστε σεμναὶ, ἀλόχω δύω δέεσθε, κροτάφους ῥόδοις στέφουσαι ἴοις τε καλλιφύλλοις. ἀλόχω δύω δέεσθε, ὡς σὰρξ μία γενοίτην ὡς πολλὰ τέκνα κοίτης εὐδαίμονος τεκοίτην. Χάριτες πάρεστε κεδναὶ, Θεῷ χάριν διδοῦσαι, Χάριτες πάρεστε σεμναὶ, αἶνον γάμου λέγουσαι.

Kommet hierher, ihr Nymphen, des Zeus anmutige Kinder, ihr Grazien, Herrinnen der Freude und des mächtigen Eros! [5] Die Quellen des veilchenfarbigen Böotien verlassend, kommet, fürsorgliche Gefährtinnen, zur am Ladon geborenen Kythere! Da ist eine angenehme Aufgabe, [10] eine anmutige und schöne, eine dem starken Zeus sehr liebe, eine euch zukommende Aufgabe. Dort gefällt die süße Kypris dem ehelichen Paar, [15] dort fügt die wölfische Kypris den willkommenen Ehebund zusammen. Ehrwürdige Grazien, kommet, bindet das eheliche Paar 1591, M1r–v ließ dieses Epigramm des Alciatus zusammen mit weiteren Epigrammen über die Grazien Aglaia, Thaleia und Euphrosyne abdrucken. Vgl. auch Comes 1584, 415: Omnes tamen scriptores Veneris asseclas putarunt Gratias, und Nisbet 1970, 64f. (zu Horaz carm. 1,4,5– 7). 49 REUSNER 1593, 223f.: Georgio Wirthio Medico, et Annae Losselianae. Chorus Gratiarum. Venus Gratiarum dux. Zur Verbreitung dieser Ausgabe: ein in Privatbesitz befindliches, in schwarz ornamentiertes Pergament gebundenes Exemplar trägt auf dem Vorsatz den handschriftlichen Eintrag: ILLVSTRISSIMO CELSIS‖SIMOQ. PRINCIPI ‖ ac Domino ‖ D. LVDOVICO ‖ LANDGRAVIO ‖ Hassiae ‖ PRINCIPI CLEMEN‖TISSIMO ‖ OBSEQUII FIDELIS ‖ ergo ‖ D D ‖ N. REVSNERVS ‖ D. Der Band gelangte später in die Bibliothek auf Schloß Nordkirchen in Westfalen (Exlibris mit Allianzwappen des Nicolaus Franz Maria Alexander Graf EsterházyGalántha-Forchtenstein und seiner 1833 geehelichten Gemahlin Maria Reichsgräfin von Plettenberg-Mietingen).

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Walther Ludwig zusammen, nachdem ihr eure Schläfen mit Rosen [20] und mit schönblättrigen Veilchen bekränzt habt! Bindet das eheliche Paar zusammen, damit es ein Fleisch werde und damit es viele Kinder im glücklichen Ehebett zeuge! [25] Fürsorgliche Grazien, kommet und danket Gott, ehrwürdige Grazien, kommt und sprecht einen Segen über die Ehe!

Der einschmeichelnde, wiegende Rhythmus der anakreontischen Verse, die metrisch als anaklastische ionische Dimeter bzw. als katalektische jambische Dimeter bezeichnet werden können (an erster Stelle stehen meist zwei Kürzen, gelegentlich eine Kürze oder eine Länge), verfehlt nie seine Wirkung. Reusner wollte die Verse auch für ein anakreontisches Thema, die Liebe, hier sittsamer- und christlicherweise die eheliche, verwenden. Er benützte charakteristische Leitworte der griechischen Anakreonteen50 und ahmte diese auch stilistisch durch die mehrfachen Wortwiederholungen sowie durch Wortanklänge und Reimbildungen nach. Die zahlreichen Dualformen betonen das ehelich verbundene Paar. Zugleich spickte Reusner sein Gedicht mit ein paar Wörtern, deren Herkunft und Bedeutung auch der im Griechischen gebildete Hörer erfragen mußte. Λαδωγενής (V. 7) ist ein nur bei dem spätantiken Lexikographen Hesychios belegter Beiname der Aphrodite, da sie nach einer singulären Mythenversion am Fluß Ladon in Arkadien geboren sein soll, während sie nach den verbreiteteren Sagenversionen bei Kythera oder Zypern dem Meer entstieg, weshalb sie auch Κυθήρη (Anacreont. 14,11) oder Κύπρις genannt wird. λύκαινα (V. 15) ist ein nur im Orphischen Hymnus auf Aphrodite belegter Beiname derselben (Orph. H. 54,11),51 und die Orphischen Hymnen zählten bis weit ins 18. Jahrhundert (zuletzt in der Ausgabe von Matthias Gesner, Leipzig 1764) zur vorhomerischen ältesten und damit besonders ehrwürdigen griechischen Dichtung. Hinter dem Fortschritt von der süßen zur wölfischen Kypris steht vermutlich der Gedanke an den Weg vom Liebesspiel zur sexuellen Vereinigung mit der jungfräulichen Braut. Da λύκαινα mit Sicherheit aus den Orphischen Hymnen stammt, wurde von Reusner wahrscheinlich auch der kurze orphische Hymnus auf die Chariten (Nr. 59,1–7) als Quelle verwertet, in dem die drei Schwestern Aglaie, Thaleia und Euphrosyne schon als Töchter des Zeus und Erzeugerinnen der Freude bezeichnet werden. Die Chariten oder Grazien waren eine im Humanismus der Renaissance beliebte Vorstellung mit vielfachen Möglichkeiten der Verwendung und Allegorisierung.52 Ihre Bezeichnung als χαρῶν ἄνασσαι (V. 3) erinnert an ihre bekannte Etymologie ἀπὸ τῆς χαρᾶς id est a gaudio im damals verbreiteten mythologischen Leitfaden des sogenannten Phornutus.53 Ihr Attribut der Ehrwürdigkeit (σεμναί, V. 17. 27) geht auf Pindar zurück, der die Chariten des böotischen Orchomenos, die Töchter des starken Zeus, Aglaia, Euphrosyna und Thalia, in seiner 14. Olympischen Ode so besingt. Reusner wählte als Pendant das für sie neue Attribut κεδναί, 50 Vgl. z.B. zu V. 19f. Anacreont. 5,3f. τὸ ῥόδον τὸ καλλίφυλλον | κροτάφοισιν. 51 Im homerischen Aphrodite-Hymnus (V. 70f.) wird Aphrodite als Mutter der Tiere von grauen Wölfen (πολιοί τε λύκοι) und anderen wilden Raubtieren (Löwen, Bären, Panthern) begleitet. 52 Vgl. Wind 1968, 26–35. 326f. 53 Vgl. z.B. Phornuti Speculatio de deorum natura Iodoco Velareo interprete, in: Hyginus 1578, Bl. 151v–170v, hier 156r. Iacobus Micyllus hatte bereits der 1535 in Basel gedruckten Ausgabe der Fabulae Hygins diesen mythologischen Text neben anderen hinzugefügt.

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das ihre eifrige Fürsorglichkeit ausdrücken soll. Venus ruft die Grazien von den Quellen Böotiens herbei, denn laut dem Servius-Kommentar zu Aeneis 1,720 badeten die Grazien in einer der Venus heiligen Quelle bei Orchomenos.54 Laut Theognis (1,15–18) kamen die Chariten zur Hochzeit des Kadmos nach Theben. Reusner wollte sie deshalb auch bei der Hochzeit seines Freundes Georg Wirth auftreten lassen. Das Gedicht imaginiert die Anwesenheit der Venus und der Grazien nun am Ort dieser Hochzeit. Die Hörer des Gedichtvortrags werden in die goldene mythische Zeit des alten Hellas versetzt, als die Chariten und andere Götter noch auf Erden weilten. Reusner hat den antiken Mythus jedoch zugleich christianisiert. In dem Finalsatz ὡς σὰρξ μία γενοίτην wird der auf 1. Mose 2,24 zurückgehende Evangelist Matthaeus (19,6) mit Jesu Worten zur Ehe zitiert: ὥστε οὐκέτι εἰσὶν δύο ἀλλὰ σὰρξ μία. Und der „starke Zeus“ ist dann auch eine Allegorie für den christlichen Gottvater, dem unter der allgemeinen Bezeichnung Θεός am Ende Dank gesagt wird. Reusners griechisches Epithalamion für Georg Wirth ist so ein Amalgam des antiken heidnischen Griechenlands, des christlichen Glaubens und der deutschen Gegenwart. In seinem Stil und seiner Versgestaltung ist es in die Tradition des griechischen Lyrikers Anakreon gestellt. Reusner wollte damit in einer Distanz von über 2000 Jahren einen Beitrag zur Erneuerung der von diesem begründeten Dichtungsform leisten und glaubte, das müssen wir annehmen, an die Zukunft dieses exorbitanten Unternehmens, dessen Kontexte und Entwicklungen wir in dieser Tagung besser kennenlernen wollen.

54 Vgl. Comes 1584, 416: Primus omnium mortalium Gratiis templum erexit Eteocles quidam rex Orchomeniorum: nam saepius ad Orchomenios has lotum ire solitas ad fontem Acidalium dixerunt antiqui, ut testis est Strabo libro nono.

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LITERATUR a) Primärquellen ALCIATUS 1551 (1997) = André Alciat, Les Emblèmes, fac-simile de l’édition lyonnaise MacéBonhomme de 1551, préface de P. Laurens, table de concordance de F. Vuilleumier, Paris 1997. ALCIATUS 1621 = ANDREAE ALCIATI ‖ EMBLEMATA ‖ CUM COMMENTARIIS ‖ [...] ‖ OPERA ET VIGILIIS ‖ IOANNIS THUILII MARIAEMONTANI TIROL. ‖ […], Patauij apud Petrum Paulum Tozzium, ‖ Sub Signo SS. Nominis IESV. 1621. ANACREON 1554 = ΑΝΑΚΡÉΟΝΤΟΣ ‖ Τηΐου μέλη. ‖ ANACREONTIS ‖ Teij odae. ‖ AB HENRICO STEPHANO ‖ luce et Latinitate primum donatae, ‖ LVTETIAE ‖ Apud Henricum Stephanum ‖ M. D. LIIII. ANACREON 1556a = ΑΝΑΚΡΕΟΝΤΟΣ, ‖ ΚΑΙ ΑΛΛΩΝ ΤΙΝΩΝ ‖ λυρικῶν ποιητῶν μέλη. ‖ ANACREONTIS ET ALIORUM ‖ Lyricorum aliquot poetarum Odae. ‖ IN easdem Henrici Stephani observationes. ‖ EAEDEM Latinae. ‖ TYPIS REGIIS ‖ PARISIIS, M. D. LVI. ‖ Apud Guil. Morelium, in Graecis typographum ‖ Regium. ‖ & Rob. Stephanum. ANACREON 1556b = ANACREON-‖TIS TEII ANTIQUISSI-‖mi poetae lyrici Odae ab Helia An‖drea Latinae factae, ‖ [...] ‖ LVTETIAE ‖ Apud Robertum Stephanum ‖ & Guil. Morelium ‖ M. D. LVI. CRUSIUS 1555 = MARTINI ‖ CRVSII ‖ POEMATION DE SUSANNA ‖ Helciade, Graece & ‖ Latine ‖ ARGENTORATI ‖ Blasius Fabricius ‖ excudebat ‖ M. D. LV. (= VD16 C6140). CRUSIUS 1582 = D. SOLOMONI [sic] ‖ Schvveigkero Sultzensi, qui Con-‖stantinopoli in Aula Legati Imp. Rom. aliquot ‖ annos Ecclesiastica fuit: & in Aegypto, Palaesti-‖na, Syria peregrinatus est: ‖ Gratulatio scripta ‖ A ‖ MARTINO CRVSIO ‖ [...] ‖ ARGENTORATI ‖ Excudebat Nicolaus Wyriot. Anno ‖ M. D. LXXXII. (= VD16 C6105). CRUSIUS 1584 = MARTINI CRV-‖SII AETHIOPICAE ‖ HELIODORI HI-‖storiae Epitome. ‖ CUM OBSERVATIO-‖NIBUS EIVSDEM. ‖ [...] ‖ EIVSDEM DE PARENTI-‖bus suis narratio. ‖ [...] ‖ FRANCOFVRTI ‖ Excudebat Ioannes Wechelus, Im-‖pensis Bernardi Iobini. ‖ M. D. LXXXIIII. (= VD16 H1676). CRUSIUS 1585 = GERMANO-‖GRAECIAE ‖ LIBRI SEX: ‖ In quorum prioribus tribus, ORATIO‖NES: in reliquis CARMINA, Graeca ‖ & Latina, continentur. ‖ [...], BASILEAE ‖ PER LEONARDVM OSTENIVM, ‖ SEBASTIANI HENRICPETRI ‖ IMPENSA. (1585 = VD16 C6110). FREHER 1611 = GERMANIC-‖ARUM RERUM SCRIPTO-‖RES VARII, FERE HACTENUS ‖ INCOGNITI. ‖ [...] ‖ TOMVS TERTIVS. ‖ [...] ‖ HANOVIAE, ‖ Impensis Claudii Marnii haeredum, Ioannis ‖ & Andreae Marnii, & Consort. ‖ M. DC. XI. (= VD17 547:647466V). FRIEDLÄNDER 1969 = P. Friedländer, Studien zur antiken Literatur und Kunst, Berlin 1969. MORATA 1562 = OLYMPIAE ‖ FULVIAE MORA-‖TAE FOEMINAE DOCTISSI-‖MAE AC PLANE DIVINAE ORA-‖tiones, Dialogi, Epistolae, Carmina ‖ tam Latina quam Graeca: cum ‖ eruditorum de ea testimo-‖nijs et laudibus. ‖ [...] BASILEAE ‖ APVD PETRVM PERNAM ‖ M. D. LXII. REUSNER 1591 = NICOLAI REVSNERI LEORINI ‖ AUREOLO-‖RVM EMBLEMATVM ‖ LIBER SINGVLARIS. ‖ [...] ‖ Argentorati apud Bern. Iobinum. ‖ M. D. XCI. (= VD16 R1381). REUSNER 1593 = OPERVM ‖ NICOLAI ‖ REVSNERI LEO-‖RINI SILESII IVRISCON-‖SVLTI ET CONSILIARII ‖ SAXONICI ‖ PARS SECUNDA ‖ Continens libros ‖ EPICORUM II. ‖ HYMNORUM I. ‖ ODARUM II. ‖ EPODON II. ‖ PHILOTESIORUM III. ‖ SILVARUM I. ‖ 1593 ‖ IENAE, ‖ Apud Tobiam Steinmannum. (= VD16 R1368). RHODOMANUS 1589 = ΠΟΙΗΣΙΣ ΧΡΙΣΤΙΑΝΗ ‖ ΠΑΛΑΙΣΤΙΝΗΣ, ΗΤΟΙ ‖ ΑΓΙΑΣ ΙΣΤΟΡΙΑΣ, ΒΙΒΛΙΑ ‖ ΕΝΝΕΑ. ‖ POESIS CHRISTIANA. ‖ PALAESTINAE, SEV ‖ HISTORIAE SACRAE, LIBRI ‖ NOVEM. ‖ Ubi ex S. Bibliis, Iosepho, Historia Ecclesiastica, & aliunde, continua se-|rie recitantur praecipua, quae in PALAESTINA seu TERRA SANC-‖TA, ab vltima

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inde memoria, ad hanc ferme aetatem vsque, Deus, S. ‖ Patres, Iudices, Reges, Prophetae, Ethnarchae, Pontifices, Macedones, ‖ Asmonaei, Herodes, Christus, Apostoli, Romani, Agareni, Turcae, & ‖ Argonautae nostri, aliique interim gesserunt. ‖ Ad usum Scholasticae iuventutis Graecolatina poesi ita concinnati, ‖ ut ab omnibus ubique Christianis, bonarum artium studiosis, cum ‖ fructu & voluptate, legi poßint. ‖ AVTHORE ‖ LAVRENTIO RHODOMANO. ‖ [Wechel-Signet] ‖ FRANCOFVRDI ‖ Apud Andreae Wecheli heredes, ‖ Claudium Marnium & Ioan. Aubrium. ‖ MDLXXXIX. (= VD16 R2105). RHODOMANUS 1604 = Ιλιὰς Κοίντου Σμυρναίου; ‖ SEV ‖ QVINTI CALABRI ‖ PARALEIPOMENA, ‖ Id est, ‖ Derelicta ab HOMERO, XIV. libris com-‖prehensa: ‖ In quibus Historiam Belli TROIANI, ab interitu HE-‖CTORIS ad excidium & calamitosi Graecorum redi-‖tus; Homerico orationis genere persequitur. ‖ Latine olim reddita & correcta ‖ A ‖ LAURENTIO RHODOMANO. ‖ Nunc accessit ‖ EPITOME GEMINA, tum Homeri & Cointi, ‖ tum universa historia Troiana. ‖ Itemque DIONIS CHRYSOSTOMI Oratio ‖ DE ILIO NON CAPTO. ‖ Auctore & interprete eodem. ‖ [Wechel-Signet] ‖ HANOVIAE, Typis Wechelianis apud Claudium ‖ Marnium & heredes Ioannis Aubrii. ‖ M DC IIII. (= VD 17 3:0004717X). SCHWEIGGER 1608 = Ein newe Reyßbeschreibung auß ‖ Teutschland ‖ Nach ‖ Constantinopel ‖ und Jerusalem. ‖ [...] | Durch Salomon Schweigger / damal Diener ‖ am Evangelio übers dritt Jar zu Constantinopel etc. ‖ [...] ‖ Gedruckt und verlegt zu Nürnberg / durch ‖ Johann Lantzenberger. M. DCVIII. (= VD17 23:246653P; auch 1613, 1619 und 1639). STENIUS 1593 = VITA ‖ Fortissimi et laudatissimi Ducis DD. ‖ MAURICII ‖ SAXO-‖NIAE QUONDAM ELE-‖CTORIS ‖ Graece conscripta ac in Latinum sermo-‖nem conversa, ‖ A ‖ Simone Stenio Lomacensi, ‖ HEIDELBERGAE ‖ Typis IOSVAE HARNISCH. ‖ M. D. XCIII. (= VD16 S8873). TAUBMANN 1597 = Frid. Taubmani ‖ MELODAESIA ‖ sive ‖ EPULUM MUSAEUM. ‖ [...] ‖ LIPSIAE ‖ SUMPTIBUS THOMAE SCHURERI ‖ ANNO M. D. IIIC. (= VD16 T224; auch 1604).

b) Sonstige Literatur Albrecht-Birkner 2009 = Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Redaktion V. Albrecht-Birkner, Bd. 9, Leipzig 2009, 305. Bella 2002 = F. Bella und C. Azzi, 14C Dating of the ‚Titulus Crucis‘, in: Radiocarbon 44/3 (2002), 685–689. Comes 1584 = NATALIS CO-‖MITIS MYTHOLO-‖GIAE, SIVE EXPLICATIO-‖NIS FABVLARVM, Libri decem: ‖ [...] FRANCOFVRTI ‖ Apud haeredes Andreae Wecheli, ‖ MDLXXXIIII. (= VD16 C4973). Conermann 1998 = K. Conermann (Hg.), Die deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts, Fruchtbringende Gesellschaft, Reihe I, Abt. A, Köthen, Bd. 2, Tübingen 1998. Conermann 2009 = Ders. (Hg.), Martin Opitz, Briefwechsel und Lebenszeugnisse, Bd. 2, Berlin 2009. Eideneier 1994 = H. Eideneier, Martinus Crusius Neograecus und die Folgen, in: H. Eideneier (Hg.), Graeca recentiora in Germania. Deutsch-griechische Kulturbeziehungen vom 15. bis 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1994 (= Wolfenbütteler Forschungen; 59), 123–136. Erler 1909 = G. Erler (Hg.), Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559-1809, Bd. 2, Leipzig 1909, 488. Göz 1927–1958 = W. Göz/E. Conrad (Hgg.), Diarium Martini Crusii, 3 Bde., Tübingen 1927–1958. Greiner 1920 = H. Greiner, Geschichte der Ulmer Schule, in: Württembergische Kommission für Landesgeschichte (Hg.), Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg, Bd. 2, 1. Halbbd., Stuttgart 1920, 1–90. Haebler 1928–1929 = K. Haebler, Rollen- und Plattenstempel des XVI. Jahrhunderts, Leipzig 1928– 1929.

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Walther Ludwig

Hillgruber 2013 = M. Hillgruber, Paul Friedländer, in: F. Stengel (Hg.), Ausgeschlossen. Zum Gedenken an die 1933–1945 entlassenen Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, Halle an der Saale 2013, 101–109. Hyginus 1578 = C. IVLII ‖ HYGINI, AV-‖GVSTI LIBERTI, ‖ FABULARUM LIBER, AD ‖ OMNIVM POETARVM LECTIONEM ‖ mire necessarius, & nunc denuo excusus, ‖ [...] ‖ Quibus accesserunt similis argumenti, ‖ [...] ‖ PHORNVTI De natura deorum, sive poeticarum fabula‖rum allegoriis, speculatio. ‖ [...] ‖ PARISIIS ‖ Apud Ioannem Parant Via Iacobaea ‖ M. D. LXXVIII. Jacobs 1908 = E. Jacobs, Art. „Wolfgang Graf zu Stolberg und Wernigerode“, in: ADB 22 (1908), 566–576. Lizelius 1730 = M. GEORGII LIZELII ‖ HISTORIA ‖ POETARUM ‖ GRAECORUM ‖ GERMANIAE ‖ A RENATIS LITERIS ‖ AD NOSTRA VSQUE TEMPORA. ‖ [...] ‖ FRANCOFVRTI ET LIPSIAE ‖ APVD IO. PAVLVM ROTHIVM ‖ BIBLIOPOL. VLMENS. ‖ M. DCC. XXX. (= VD18 10200835). Ludwig 1998 = W. Ludwig, Hellas in Deutschland. Darstellungen der Gräzistik im deutschsprachigen Raum aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Hamburg 1998 (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V. Hamburg; 16/1). Ludwig 2004a = Ders., Das Geschenkexemplar der Germanograecia des Martin Crusius für Herzog Ludwig von Württemberg, in: Ludwig 2004c, 295–319. Ludwig 2004b = Ders., Martin Crusius und das Studium des Griechischen in Nordeuropa, in: Ludwig 2004c, 320–332. Ludwig 2004c = Ders., Miscella Neolatina. Ausgewählte Aufsätze 1989–2003, edenda curavit A. Steiner-Weber, Bd. 1, Hildesheim/Zürich/New York 2004 (= Noctes Neolatinae; 2.1). Ludwig 2014a = Ders., Der Humanist Laurentius Rhodomanus als griechischer Dichter Laurentios Rhodoman und seine Autobiographie von 1582, in: NLJ 16 (2014), 137–171. Ludwig 2014b = Ders., Türkisches und persisches Latein? Sultan Murad III. und Schah Mohammed Kohdabanda als Autoren in Reusners Epistolae Turcicae, in: Ders., Opuscula Historico-Philologica, Ausgewählte Aufsätze 2008–2013, edenda curavit A. Steiner-Weber, Hildesheim/Zürich/New York 2014 (= Noctes Neolatinae; 19), 187–240. Melich 1665 = Propempticum, Quo Virum Praecellentem, Atque Praeclarissimum, Dn. M. Georgium Weissium, S. S. Theolog. Baccalaureum Dignissimum, Praeceptorem Atque Patronum Suum Colendissimum, Ex Alma Philyrea Abiturum, Et In Schola Portensi Docendi Munus Rite Subiturum Comitatur Johannes Henricus Melchius L. L. Studiosus, Lipsiae, Literis Christiani Michaelis M.DC.LXV. (= VD17 125:030458G, nicht eingesehen, nur in der Ratsschulbibliothek Zwickau nachgewiesen, zitiert nach VD 17). Milani 2000 = G. Milani, Lucio II., in: Enciclopedia dei Papi, Bd. 2, Istituto della Enciclopedia Italiana 2000, 276–279. Moennig 1997 = U. Moennig, On Martinus Crusius’s collection of Greek vernacular and religious books, in: Byzantine and Modern Greek Studies 21 (1997), 40–78. Nagler 1879 = G.K. Nagler, Die Monogrammisten, Bd. 5, München 1879. Nisbet 1970 = R.G.M. Nisbet/M. Hubbard, A Commentary on Horace: Odes Book 1, Oxford 1970. Pfeiffer 1976 = R. Pfeiffer, A History of Classical Scholarship from 1300–1850, Oxford 1976. Quaritsch 1969 = B. Quaritsch, Contributions towards a Dictionary of English Book-Collectors, Nieuwkoop 1969. Rigato 2002 = M.-L. Rigato, Il Titolo della Croce di Gesù, Diss. Pontificia Univ. Gregoriana, Rom 2002. Schimmelpfennig 1885 = A. Schimmelpfennig, Art. „Monau, Jakob“, in: ADB 22 (1885), 162f. Schreiber 1982 = F. Schreiber, The Estiennes, New York 1982. Süß 1911 = W. Süß, Aristophanes und die Nachwelt, Leipzig 1911. Thiede 2000 = C.P. Thiede und M. d’Ancona, Das Jesus-Fragment. Kaiserin Helena und die Suche nach dem Kreuz. Aus dem Englischen von U. Enderwitz und M. Noll, München 2000 (englische Erstausgabe London 2000).

Scitis, quanto semper amore Graecarum rerum flagrem

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Weise 2011 = S. Weise, Μοῦσα Ἁλληνική. Griechische Gedichte hallescher Gelehrter, in: M. Hillgruber/R. Lenk/S. Weise (Hgg.), HYPOTHESEIS. Festschrift für Wolfgang Luppe zum 80. Geburtstag = APF 57/2 (2011), 399–429. Wendebourg 1986 = D. Wendebourg, Reformation und Orthodoxie. Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel in den Jahren 1573–1581, Göttingen 1986. Wendebourg 1994 = Dies., „Alles Griechische macht mir Freude wie Spielzeug den Kindern“. Martin Crusius und der Übergang des Humanismus zur griechischen Landeskunde, in: H. Eideneier (Hg.), Graeca recentiora in Germania. Deutsch-griechische Kulturbeziehungen vom 15. bis 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1994 (= Wolfenbütteler Forschungen; 59), 113–122. Wilhelmi 2002 = T. Wilhelmi, Die griechischen Handschriften der Universitätsbibliothek Tübingen. Sonderband Martin Crusius. Handschriftenverzeichnis und Bibliographie, Wiesbaden 2002 (= Handschriftenkataloge der Universitätsbibliothek Tübingen; 2: Die griechischen Handschriften). Wilisch 1721 = INDEX ‖ BIBLIOTHECAE ‖ QVAE ‖ DIVINIS AVSPICIIS ‖ ET ‖ TAM PII TAM INTEGRI TAM SAPIENTIS ‖ PATRIAE PATRIS ‖ MVNIFICENTIA ‖ IN VSVM ‖ ILL. GYMNASII FRIDERICIANI ‖ ALTENBVRGI ‖ AVGESCIT ‖ ITA CONCINNATVS ‖ VT SIT AD INSTAR ‖ LOCORVM COMMVNIVM ‖ REI LIBRARIAE ‖ CVRA ET LABORE ‖ CHRISTIANI FRIDER. WILISCH, ‖ LIEBSTADIENSIS. ‖ ALTENBVRGI ‖ IO. LVDOV. RICHTERVM, ‖ MDCCXXI (= VD18 90086341). Wind 1968 = E. Wind, Pagan Mysteries in the Renaissance, New York 1968.

ΜΟΥΣΑ ΠΑΙΖΟΥΣΑ ANAKREONTISCHES AUS BAROCK UND ROKOKO

DICHTEN UND TEETRINKEN Zum anakreontischen griechischen Teegedicht De Thea herba von Johann Gottfried Herrichen (1629–1705) Stefan Weise

Argumentum: Iohannes Gothofredus Herrichen vel Cyrillus (1629‒1705), rector scholae Nicolaitanae Lipsiensis, cum alia carmina Graeca composuit, tum etiam odam quandam, quae De Thea herba inscribitur. Hoc poematium et novitate propositi et linguae elegantia inter aequales erat celebrius. Quo factum est, ut viri docti etiam post mortem poetae usque ad saeculum undevicesimum saepius eius poematii facerent mentionem. Nos igitur, ut intelligamus, quid sit, quo viri docti huius carminis lectione ita delectati sint, hac in symbola primum formam, linguam, propositum inspicimus, tum, quae sit carminis cum rebus et tempore coniunctio, investigamus, denique Cyrilli carmen cum duobus a Petro Francio (1645‒1704) de eodem proposito Graece scriptis carminibus Anacreonticis conferimus. Contendimus enim Cyrillum et Francii carmina Graeca et Petri Petiti (1617‒1687) epos Latinum, quod De vi & praestantia Thiae Sinensis inscribitur, novisse atque partim esse imitatum, partim aemulatum. Quo demonstratur poetas Graecos recentiores non solum auctoribus veteribus, verum etiam sui ipsorum temporis usos esse auctoribus.

EINFÜHRUNG Die zu Anfang der Neuzeit in Europa eingeführten Genussmittel Tee, Kaffee, Schokolade und Tabak prägen bis heute unseren Alltag. Ursprünglich als Luxusgüter für die Oberschicht gehandelt, wurden sie durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert zu Massenprodukten, die heute sowohl im öffentlichen wie privaten Bereich kaum mehr wegzudenken sind. Viel zu ihrer Verbreitung haben die Diskussionen über ihren gesundheitlichen Nutzen durch frühneuzeitliche Gelehrte beigetragen, die in ihnen eine Art Allheilmittel sahen. So nimmt es auch nicht wunder, dass man diese neuen Genussmittel bald zu Themen der Kunst und Literatur machte.1 Unter 1

Es gibt mehrere neulateinische Gedichte zu Tee, Kaffee und Tabak. Der erste Band der Sammlung Poëmata didascalia bspw. enthält aus dem Jahr 1685 ein Gedicht von Pierre Petit auf den Tee (dazu ausführlich unten) mit dem Titel Thia Sinensis (siehe Poëmata didascalia 1749, 24‒ 42) sowie zwei Gedichte auf den Kaffee, einmal das Gedicht Caffaeum von Guillaume Massieu aus dem Jahr 1738 (ebd. 168‒177) und einmal das Gedicht Faba arabica von Thomas Bernard Fellon aus dem Jahr 1696 (ebd. 178‒189). Zu diesen drei Gedichten siehe Ludwig 1982, 172. Vgl. auch Clos 1869, 106. 108. Lateinische Texte zum Tabak hat Dirk Sacré zusammengestellt. Siehe dens. 1986 und 1989.

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Musikfreunden beispielsweise ist heute noch aus dem achtzehnten Jahrhundert die sogenannte Kaffeekantate „Schweigt stille, plaudert nicht“ (BWV 211) von Johann Sebastian Bach bekannt.2 Leipzig als Messeort war natürlich früh an dieser Entwicklung beteiligt. So hat schon etwa fünfzig Jahre vor der Entstehung von Bachs Kantate der Rektor der Leipziger Nikolaischule Johann Gottfried Herrichen (1626‒ 1705) am Ende des 17. Jahrhunderts ein griechisches Lobgedicht auf den Tee verfasst. Dieses Gedicht mit dem Titel De Thea herba, das auch in seiner Zeit eine größere Bekanntheit unter Kennern genoss, bietet sich besonders an, die zeitgeschichtliche Prägung neuzeitlicher Literatur in altgriechischer Sprache, die den Rahmen dieses Bandes bildet, sowie deren Verquickung mit antiken Traditionen und ihre spezifische Transformation zu zeigen.3 Dazu werden im Folgenden zunächst die formalen Charakteristika des Gedichtes untersucht sowie Aufbau und Inhalt paraphrasiert, dann einzelne Themen und Topoi näher in den Blick genommen, darauf die Biographie des Dichters und der zeitgeschichtliche Hintergrund vorgeführt und abschließend das Gedicht mit anderen Gedichten zum selben Thema verglichen. 1. FORMALE CHARAKTERISTIKA VON HERRICHENS GEDICHT Der Text von Herrichen besteht aus einem Widmungsepigramm an Friedrich Benedikt Carpzov4 im Umfang von fünf (bzw. acht) Distichen und dem eigentlichen Gedicht aus 44 vierzeiligen Strophen. Wie man sieht, gibt es zwei leicht verschiedene Fassungen, die sich vor allem hinsichtlich der Länge des Widmungsepigramms unterscheiden.5 Die kürzere Fassung von fünf Distichen ist offensichtlich die ältere. 2

3 4 5

Der Text zu Bachs Kantate stammt von dem unter dem Namen „Picander“ bekannten Christian Friedrich Henrici, weist aber am Schluss von Bachs Vertonung eine Erweiterung auf, deren Autorschaft umstritten ist. Er ist unter dem Titel „Uber den Caffe. CANTATA.“ ohne die Erweiterung erstmals 1732 in einer Gedichtsammlung Picanders erschienen. Bach dürfte ihn (neben anderen Komponisten) im Laufe des Jahres 1734 vertont haben. Vgl. Schulze 22007, 729– 732; kritischer Bericht bei Neumann 1970, 195–198. Vor allem in der neulateinischen Literatur fand (und findet) man die Neigung, neuzeitliche Erfindungen in der antiken Sprache darzustellen. Vgl. dazu Sacré 1986, 540 und vor allem Wiegand 1984. Im griechischen Text V. 2 ΚΑΡΠΖΩΥ (H,E)/Καρπζῶυ (A) geschrieben. Da das Ypsilon hier nicht als Vokal zählt, dürfte Herrichen es wohl in neugriechischer Weise als „v“ ausgesprochen haben. Genau genommen sind es eigentlich drei Fassungen: Der Einzeldruck von Ende 1685/Anfang 1686 (A), ein Abdruck des Gedichtes bei Hennin (H) und die letzte Fassung in der postumen Gesamtedition von Herrichens Gedichten aus dem Jahr 1717 (E). Der Abdruck des Gedichts bei Hennin ist von dem Einzeldruck abhängig und wohl nicht im eigentlichen Sinne textkritisch relevant. Es gibt geringe textliche Abweichungen, die auf Korrekturen Hennins zurückgehen werden. Die größte Abweichung zwischen A und H stellt die Ersetzung von Ἀλεκτρυών (im Sinne von Franzose) (V. 103) durch Ο Γάλλος, οἱ bei Hennin dar. – Zwischen dem Einzeldruck und der Gesamtedition kommen neben der Erweiterung des Widmungsgedichts noch ein paar weitere Abweichungen hinzu, die meist der orthographischen oder grammatischen Korrektur dienen: V. 13 σῇ … χύτρῃ A  σᾷ … χύτρᾳ E, V. 26 νῶθαρ A  νῶκαρ E, V. 28 Ἀνέρα

Dichten und Teetrinken

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Sie findet sich auf einem Einzeldruck des Gedichts. Die längere Fassung ist in der postumen Gesamtausgabe von Herrichens Poemata Graeca et Latina aus dem Jahr 1717 abgedruckt. Es ist nicht ganz sicher zu entscheiden, ob die Erweiterung auf Herrichen selbst, seinen Erben August Herrichen oder den Herausgeber Johann Albert Fabricius (1668–1736) zurückgeht. Sicher ist jedoch, dass Herrichen noch zu Lebzeiten angefangen hat, seine Gedichte zu sammeln und für eine Neuedition vorzubereiten.6 Daher wurde diesem Aufsatz und der Edition in der Appendix auch die letzte Fassung zugrunde gelegt.7 Den strophischen Teil nach dem Widmungsepigramm überschreibt Herrichen als ΜΕΛΥΔΡΙΟΝ (A)/Melydrion (E), also „kleines Lied“. Der Terminus findet sich in der Antike in der bukolischen Dichtung bei Theokrit und Bion, woher ihn auch Herrichen übernommen haben wird.8 Dies ist durch Herrichens sonstige Vorliebe für Theokrit und die Bukoliker wahrscheinlich (siehe unten 4.). Dazu passt weiterhin, dass das Gedicht im dorischen Dialekt abgefasst ist, für den Herrichen ebenfalls eine besondere Vorliebe besaß. So findet sich etwa dorisches Alpha statt Eta (z.B. V. 27: σελάνας, 36: γάρυϊ), -σδ- statt Zeta (V. 36: φράσδειν, 109: σκαρίσδει), die Kontraktion ευ statt ου (z.B. V. 31: χαρίζευ) sowie die Endung -oντι statt -ουσι (V. 53–55: καλεῦντι) und -ως statt -ους (z.B. V. 130: ἀτμώς, 178: τροχίσκως). Allerdings gibt es durchaus auch ionische Formen,9 so dass man exakterweise eher von einer dorisierenden Patina statt einer konsequenten Anwendung des dorischen Dialektes sprechen müsste. Auf dem Titelblatt des älteren Einzeldrucks ist die dorische Färbung des Gedichts allerdings schon durch den Untertitel Doricum MELYDRION angezeigt und damit deutlich markiert. Die Dorisierung sticht aber auch deshalb besonders hervor, da sie in gewissem Widerspruch zur metrischen Form steht: Die Strophen bestehen nämlich aus zwei ionischen anaklastischen Dimetern (also Anacreonteen), einem Hemiambus und einem Adoneus, einer strophischen Kombination also, die nicht antik ist:10 κνώσσειν A  κνωσσέμεν ἀνήρ E, V. 35 σοὶ A  τοὶ E, V. 37 εὑρέτας A  εὑρετὰς E, V. 41 Χιναεὺς A  Χινανεὺς E, V. 101 Σβεκο-Βριττο-Βέλγο-Τεύτων A  Σβεκο-Βριττο-ΒελγοΤεύτων E, V. 104 Τᾶςδε A  Τᾶςδὲ E, V. 105 ἀναχμέει A  ἀναστομοῖ E. 6 Nach der Rezension der Gesamtausgabe von 1717 in den deutschen Acta Eruditorum (Rez. Herrichen 1718b) hat Herrichen die Gedichte „noch bey seinem Leben zusammen schreiben lassen“ (498). Sein Erbe August Herrichen habe sie dann „Herrn Fabricio zugesendet“, der sie schließlich herausgab. Dabei wurde auch korrigierend eingegriffen: „Denn die vorher eingeschlichene [sic!] Druckfehler hat man ietzo verbessert“ (l.l.). Vgl. Fabricius’ Vorwort in HERRICHEN 1717. 7 Allerdings wurden nicht alle Lesarten aus E übernommen, wenn sie falsch zu sein scheinen (V. 28: καθῆκον verlangt AcI; V. 89. 90. 91. 104). Im Apparat der Edition wurden folgende Orthographica nicht berücksichtigt: a) Fehlende Akzente/Spiritus bei Majuskeln (in E vorhanden!), b) unterschiedliche Positionierung des Akzents bei Diphthongen. Beides sind typische Phänomene für griechische Drucke des 16. und 17. Jhs. 8 Theoc. 7,51; Bion Fr. 5,1. Vgl. LSJ 1100 s.v. μελύδριον II. 9 Siehe z.B. V. 1 ὁππότε (statt dorisch ὁππόκα), 21 λύρη (statt λύρα), 179 Ζωῆς (aber V. 191 ζωᾶς). 10 Die hier auch in der Edition gewählte Darstellungsweise mit eingerücktem dritten und weiter eingerücktem vierten Vers findet sich nicht in der ersten Druckfassung (A = HERRICHEN

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∪∪—∪—∪—x ∪∪—∪—∪—x x—∪—∪—x —∪∪—x Diese Strophenform mag einerseits durch den abschließenden Adoneus auf die sapphische Strophe deuten, die Herrichen selbst häufig an anderer Stelle verwendet hat,11 andererseits verweist sie durch den Hemiambus und die zwei ionischen Dimeter klar auf das Vorbild Anakreon bzw. die Carmina Anacreontea (hier kurz CA), die zu dieser Zeit noch größtenteils als Werk des Anakreon galten.12 Dieser Eindruck wird auch sogleich bestätigt, da Herrichen gleich in der ersten Strophe direkt auf Anakreon Bezug nimmt (V. 19). Der erwähnte Widerspruch ergibt sich nun daraus, dass weder Anakreon noch die Anakreonteen in der Regel den dorischen Dialekt verwenden, so dass Herrichen hier sprachlich wie formal weitgehend Neuland betritt.13 Immerhin gibt es mehrere Ausnahmen besonders in der zweiten Hälfte der Carmina Anacreontea.14 Im elften Gedicht der Sammlung etwa tritt ein dorisch sprechender Knabe auf, der ein Wachsbild des Eros loswerden möchte,15 und in anderen Gedichten findet sich vielfach dorisches Alpha statt ionischem Eta.16

11 12

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[1685]). Dort erscheint nur der vierte Vers eingerückt. Die zusätzliche Einrückung des dritten Verses ist zuerst bei Hennin (H = HENNIN 1700) und dann auch in der letzten Fassung (E = HERRICHEN 1717). Siehe HERRICHEN 1717, 77–88 (Sappho christiana). 351–355. Zusätzlich sind auch mehrere Gedichte in stichischen Adoneen zu erwähnen. Siehe dens. 1717, 381–394. Zur Auffindung der Gedichte und ihrer Zuschreibung siehe Labarbe 1982, 146–148; Rosenmeyer 1992, 1–8. 74–77. Zu den Versmaßen der CA siehe West 21993, XIVf. Es findet sich dort auch schon teilweise strophische Gliederung. Siehe ebd. XVI. Für die Wahl des Adoneus als Strophenschluss kann man auch darauf verweisen, dass sich der Hemiambus in den CA durch Anaklase auch in folgender Form findet (Pherekrateus): x — — ∪ ∪ — x (z.B. durchgehend CA 19; ferner CA 44,2). Vgl. West 21993, XIV. Auch das seit Sophronios in byzantinischen Anakreonteen verwendete κουκούλ(λ)ιον endet mit der Folge — ∪ ∪ — —. Vgl. Labarbe 1982, 162 Anm. 78; West 21993, XV. In Kombination mit einem anaklastischen ionischen Dimeter verwendete Herrichen den Adoneus erstmals in einem Gedicht aus dem Jahr 1663 (HERRICHEN 1717, 358f.). – Später verwendet nochmals Eyth Adoneen in seinen „Anakreontika“, siehe EYTH 21840, 14 (Nr. XI). 17 (Nr. XVI). Siehe Sens 2014, 99. Allerdings gibt es schon von Geldorp ein dorisches Anacreonteum. Siehe GELDORP 1559, F 2v–[F 5r]. Auch Reusner hat in seinen Epodenbüchern zwei dorische Traueroden auf den Tod von Trozendorf. Reusner lehnt sich dabei ganz deutlich an das Epitaphium Adonidis an. Siehe REUSNER 1593 (II), 254–256 (Lamentatio Chrysoridis). 256f. (AD CHRYSORIN Παραμυθία). Siehe West 21993, XI Anm. 1. Umfassend zum Dialekt in den CA siehe jetzt Sens 2014 (dort 104–107 speziell zum Dorischen). CA 11,6‒11: ὃ δ’ εἶπε δωριάζων· | λάβ’ αὐτὸν ὁππόσου λῇς, | ὅπως ἂν ἐκμάθῃς νιν. | οὐκ εἰμὶ κηροτέχνας, | ἀλλ’ οὐ θέλω συνοικεῖν | Ἔρωτι παντορέκτᾳ. Siehe zum Dialekt in diesem Gedicht Rosenmeyer 1992, 170f. und mit anderer Deutung Sens 2014, 109–112. CA 35,5 (τᾶς). 13 (ἁ). 14 (τᾶς).

Dichten und Teetrinken

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Man könnte als antikes Vorbild auch auf die dorischen Hymnen des Synesios verweisen.17 Im Corpus Theocriteum gibt es schließlich ein dorisches Epigramm auf Anakreon (Theoc. Ep. 17) und ein Gedicht im Hemiambus auf den toten Adonis ([Theoc.] 33 Εἰς νεκρὸν Ἄδωνιν).18 Letzteres könnte nochmals einen semantischen Kontext für den Adoneus als Strophenschluss in einem dorisch-anakreontischen Gedicht geliefert haben. Immerhin ist dadurch Herrichens Dialektwahl zumindest nicht ganz ohne Vorbild.19 Eine inhaltliche Begründung für die Wahl des Dorischen mag auch im Bezug auf Pindar liegen, der gleich zu Anfang zitiert wird (V. 1f. Διρκαῖος … μελῳδός). Auch hier kann man als antikes Vorbild auf eines der Carmina Anacreontea verweisen, in dem neben Anakreon und Sappho auch das Πινδαρικὸν μέλος genannt wird (CA 20).20 Metrum und Dialektwahl entsprechend zeigt auch das Vokabular einen interessanten Mischcharakter.21 Einerseits sucht Herrichen darin durch Übernahme bestimmter Wendungen und Wörter bewussten Anschluss an Anakreon bzw. die CA,22 andererseits ist dies wenig aufdringlich und er greift auch auf viele andere

17 Auf Kenntnis des Synesios könnte die φόρμιγξ in V. 22 deuten. Sie findet sich weder bei Anakreon noch in den CA erwähnt, dafür aber am Anfang von Synesios’ neuntem Hymnos (in Verbindung mit Anakreon): Ἄγε μοι, λίγεια φόρμιγξ, ǀ μετὰ Τηΐαν ἀοιδάν ~ vgl. Herrichen V. 21f. Τί δὲ σὰ λύρη λιγεῖα, ǀ λαλιεστάτα τί φόρμιγξ. Vgl. auch Synes. hymn. 5,69f.: μέγα χαῖρε, ῥίζα κόσμου, ǀ μέγα χαῖρε, κέντρον ὄντων ~ Herrichen V. 41f. Μέγα Χινανεὺς, Ἰάπων, ǀ Μέγα χαῖρέ μοι Χιαμέ. Aber siehe auch Hom. Od. 24,402. 18 Das Adonis-Gedicht wird häufiger mit den CA zusammen abgedruckt. Siehe z.B. Stephanus 1560, 410–418. Zu intertextuellen Bezügen zwischen den CA und den Bukolikern siehe Rosenmeyer 1992, 170–178. Ein Bezug zu Theokrit ist auch in einem griechischen anakreontischen Gedicht von Alard hergestellt, das sogar eine sprachliche Parallele zu Herrichen aufweist. Siehe ALARD 1624, C 2v. Dort V. 1–4: Μοῦσαι ὅταν πάρεισι, ǀ εὕδουσιν αἱ μέριμναι, ǀ ὀλιγωρέων τὰ κόσμου ǀ θελῶ [sic!] καλῶς ἀείδειν ~ Herrichen V. 138–142: Λάλον οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ ǀ Κακὰς νότοις μερίμνας ǀ Δῶμεν, ἑταῖροι. ǀ Ὀλιγωρέω τὸν οἶνον, ǀ Ὀλιγωρέω τὸ νέκταρ […]. 19 Interessanterweise verbindet Herrichen auch an anderer Stelle Anakreon mit dem Dorischen. Ein erstes anakreontisches Gedicht von Herrichen mit dorischem Einschlag stammt bereits aus dem Jahr 1656 (HERRICHEN 1717, 356f.). An anderer Stelle heißt es: Θέσθον Ἀνακρείοντα χερῶν ἄπο, Δώριον ᾆσμα („Legt Anakreon aus der Hand, den dorischen Gesang“). Siehe HERRICHEN 1717, 302. 20 Vgl. dazu auch Sens 2014, 100f. Die Mischung (Anakreon/Pindar/Sappho) lässt sich übrigens auch sonst auf Herrichen anwenden, der neben anakreontischen Gedichten auch eine Sappho christiana (HERRICHEN 1717, 77‒88) und mehrere pindarische Oden (ebd. 368‒381) geschrieben hat (siehe unten 4.). 21 Vgl. dazu die Beobachtung Trillers: „[…] sintemal der obgedachte Herrichen, oder Cyrillus, in diesen und andern griechischen Gedichten, dermaßen wohl ausgesuchte, reine und alte Worte und Redensarten braucht, daß ich zweifele, ob Theocritus, Moschus und Bion, oder Pindarus und Anakreon, allezeit die Reinlichkeit und Hoheit der griechischen Sprache, in ihren Gedichten und Liedern, mit so großer Sorgfalt, als dieser Herrichen gethan, in Acht genommen.“ Siehe Triller 31750, 583. 22 Siehe V. 17f. (… πεπωκώς ǀ Ἑκατοντάκις δέπαστρον) ~ Kontrastimitation zu CA 34,3 (ὀλίγην δρόσον πεπωκώς), V. 23 (καρώθη) ~ CA 14,18 (καρωθείς); 52Α,3 (κάρωσον), V. 37 (εὑρετὰς ποάων) ~ CA 38,3 (ἐφευρετὰν χορείας), V. 40 (μελῳδός) ~ CA 1,2 (μελωιδός), V. 62

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Quellen zurück. Auffällig sind dabei vor allem einige deutliche Rückgriffe auf Homer (V. 20. 188).23 Aber das Spektrum reicht noch weiter: Der Komödien-sprache angehören κοπρών (V. 16), σμάω (V. 25), ῥοφέω (V. 110 passim), σοβέω (V. 187), φρές (V. 174); der medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachprosa (siehe unten 3.) u.a. φλέγμα (V. 117), κεφαλαλγία (V. 122), ἀπεψία (V. 123), ὀρθόπνοια (V. 125); der Bibelsprache καμμύω (V. 29), βδελυκτός (V. 35). Lexikographische oder poetische Sammlerstücke sind νῶκαρ (V. 26), ῥύπασμα (V. 129) und σκαρίζω (V. 109). Für manchen Neologismus schließlich mag sogar das Französische Pate gestanden haben: Χινάς (V. 13)/Χινα(ν)εύς (V. 41) ~ Chinois; Θῆ (V. 55) ~ le thé, Καφέ (V. 106) ~ le café.24 Stilistisch bemüht sich Herrichen um einen leichten, anakreontischen Stil, der sich in einer weitgehend parataktischen Syntax25 und in der allerdings nicht verschwenderischen Anwendung typischer Stilmittel26 wie Parallelismus,27 Anapher/Epipher,28 Antithese,29 Alliteration,30 Wiederholung31 sowie von Imperativen bzw. Hortativen zeigt.

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(κλαδίσκοι) ~ CA 18,13 (κλαδίσκωι), V. 138 (Λάλον οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ)/185 (Λάλον οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ) ~ CA 12,7 (λάλον πιόντες ὕδωρ), V. 175 (θές) ~ CA 14,8.11 (θές). Vermutlich homerisch inspiriert sind außerdem die Wendungen Δῖαν ἐς αὖραν (~ Hom. Od. 19,540 ἐς αἰθέρα δῖαν) und Θέα Θεὰ ποάων (~ Hom. Il. 5,381 et al. δῖα θεάων). Auch der Dual ποδοῖιν (V. 62) und Vokabeln wie ἀλωή (V. 82), ἐναλίγκιος (V. 190), θέσκελος (V. 148) oder ἴκελος (V. 68) zeigen homerische Färbung. In den neulateinischen Traktaten findet sich sowohl die Form Sinensis als auch Chinensis zur Bezeichnung des „Chinesen“. Jacob Spon hat in seiner lateinischen Übersetzung eines frz. Traktats ebenfalls die Formen caphé und thé beibehalten (siehe Spon 1685; speziell zur Form caphé ebd. 4f., zur Form thé ebd. 102). Da Herrichen Spon selbst nennt (V. 94), hat er sie vielleicht daher übernommen. Ein paar Hinweise auf ungewöhnliche Formen (a) und Konstruktionen (b): a) V. 7 ξυνίοι (vgl. Blass/Debrunner § 94,3), 8 ἐρίσω (vgl. Blass/Debrunner § 74), 22 λαλιεστάτα (siehe KG § 155,5b), 131 διδοῖ (vgl. KG § 285,1), 177 Θέτι, b) ἐάν + Indikativ (V. 4. 15) (vgl. Blass/Debrunner § 373,3); ἐάν + Optativ (V. 161); Potentialis ohne Modalpartikel (V. 6) (in der Dichtung nicht ungewöhnlich, siehe KG § 395,1). Zu den typischen Stilmitteln Parallelismus, Anapher, Wiederholung und Antithese in den CA und späteren anakreontischen Gedichten siehe Labarbe 1982, 169–171; Rosenmeyer 1992, 77– 93. Als Kontrast zu Herrichen kann man dabei etwa den überdeutlichen Einsatz anakreontischer Wendungen und Stilistika bei Francius benennen (siehe unten 5.). Siehe V. 77f. Μόνα τιμάασθε φύλλα, | Μόνα συλλέγεσθε φύλλα, V. 97f. Μεγάλᾳ θροεῦσιν ὀμφᾷ, | Πινυτᾷ γράφουσι χειρί, V. 137f. Σάον οὖν πιόντες ὕδωρ, | Λάλον οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ. Siehe V. 41f. Μέγα …, | Μέγα, V. 53f. Ἔνιοι …, | Ἔνιοι, V. 77f. Μόνα …, | Μόνα, V. 141f. Ὀλιγωρέω …, | Ὀλιγωρέω, V. 149f. τὶ …, | Τὶ …, τὶ …, 153f. Τισὶ …, | Τισὶ …, etc. Als Epipher: V. 77–79 … φύλλα, ǀ … φύλλα, ǀ … φύλλα. Siehe V. 89–92: Τὰ κάτω γάρ ἐντι μείζω, ǀ Τὰ δ’ ἄνω λίαν γε μείω· ǀ Τὰ ταῦτα δή ’στ’ ἀρείω, ǀ κεῖνα χερείω. Hier kommt auch noch der Endreim hinzu. Siehe V. 13f. Χινάδι χύτρᾳ, ǀ Ἐν χάρτῃ, V. 21f. λύρη λιγεῖα | Λαλιεστάτα, V. 30 δύνῃ δίεσθαι, V. 34 βοτάναν βροτοῖσι, V. 55f. Θῆ δὲ θεῖον ǀ Θάμνιον, V. 88 Μάσσονα μικροῦ, V. 108 Ἄμμιν ἀρέσκει, V. 123 Ἀπεψίαν ἀμύνει, V. 174 φρείατος φρές. Siehe V. 110 καλὸν οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ ~ V. 138 Λαλὸν οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ ~ V. 185 Λαλὸν οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ, V. 145 Διὸς εὐκλεὴς ὁ Κῶρος ~ V. 162 Διὸς εὐθαλὴς ὁ Κῶρος.

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Bei der Prosodie zuletzt fallen die homerische Lizenz, dass Zeta (allerdings nur bei ζῆν und dessen Derivaten) keine Positionslänge bewirkt,32 sowie vereinzelt Zerdehnung (V. 77 τιμάασθε) und metrische Kürzung (V. 81 ξερανθῇ statt ξηρανθῇ) auf. Falschmessungen sind äußerst selten.33 Schließlich überwiegt correptio Attica.34 2. AUFBAU UND INHALT DES GEDICHTS Vor weiteren Detailbeobachtungen soll zunächst ein inhaltlicher Überblick über das Gedicht als ganzes gegeben werden. Im Widmungsgedicht (V. 1‒16) geht Herrichen von dem vielverwendeten Pindarzitat „Wasser ist das Beste“ vom Beginn der ersten olympischen Ode aus. Herrichen erläutert, dass Pindar damit den Tee gemeint habe (V. 3). Während gewöhnliches Wasser nur den Schmutz reinige (φοιβᾷ λύματα), reinige das Tee-Wasser den Geist (V. 10). Dieser Übergang erschien Herrichen (oder dem Herausgeber) im Nachhinein wohl zu abrupt. Die erst in der postumen Ausgabe ergänzten Verse 4‒9 begründen zunächst, wie Pindar an den Tee denken konnte, wo er diesen doch noch gar nicht kannte: als Seher und Stimme der Musen habe er prophetische Gabe gehabt (V. 5f.). Weiterhin wird die Unterscheidung zwischen gewöhnlichem Wasser und Tee-Wasser, die in V. 10 unvermittelt begegnet, vorbereitet. Im Wasser der Hippokrene und im Tee wirke eine Kraft (ἓν … μένος). Sowohl das Wasser der Hippokrene wie das des Tees seien besser als gewöhnliches Wasser (V. 7‒9). Nun erst folgt die Unterscheidung: gewöhnliches Wasser reinige Schmutz, Tee-Wasser aber den Geist.35 Und wie der Geist dem Körper überlegen sei, so auch der Tee dem (gewöhnlichen) Elsterwasser (Ἐλυστρείου) (V. 11f.). Mit der Erwähnung der Elster36 leitet der Dichter zum Widmungsträger über, dem Leipziger Friedrich Benedikt Carpzov (siehe unten 4.). Dieser habe ihm neulich in chinesischem Geschirr (Χινάδι χύτρᾳ) Tee gereicht, wofür sich der Dichter nun mit einem Tee auf Papier revanchieren möchte. Wenn es Carpzov gefalle, möge er es drucken lassen, wenn nicht, wegwerfen (V. 15f.). 32 Siehe V. 44 Κλίματῐ ζῶντες, 169 Ἵνᾰ ζῶμεν, 179 ἦλθε Ζωῆς, 189 ἐστῐ ζωῷ, 191 πρὸ ζωᾶς. Dies findet sich gelegentlich auch in den CA. Siehe CA 3,1; 8,3; 16,1f. (vgl. West 21993, XIII). Ein einmaliges Phänomen ist, dass Psi nicht längend wirkt (V. 11 ἔπλετο ψυχά). 33 Siehe V. 44 Κλίματι (erstes Iota eigentlich kurz), 70 κῐβωτοῖς (ῑ nach LSJ, in älteren Lexika ῐ). 34 Siehe (vornehmlich im Adoneus) V. 2 Ἁδὺ κρέκων, 10 τοῦτο φρένας, 16 κοπρῶνα, 28 Ἀνέρᾰ κνώσσειν, 36 Γάρυῐ φράσδειν, 46 Ψαμάθοιο χρυσέοιο, 62 Ἐπὶ κρᾶτας, 64 Ἀμφὶ βρύουσι, 85 ἔπειτᾰ χρυσοῦ, 101 Σβεκο-Βριττο-…, 116 Λήματᾰ μνάμας, 117 τὸ φλέγμα, 119 ῥύπασμᾰ πλύνει, 125 Ὃ πρὸς ὀρθόπνοιαν, 128 Κύστεῐ θρύπτει, 151 Ἡρᾰκλῆος, 166 οὖσᾰ χρυσός, 174 Ἀπὸ φρείατος, 182 Ἐπῐγνώσομαι, aber mit Positionslänge V. 13 χύτρᾳ, 19 Ἀνάκρεον, 57 σῡχνοῖς, 67 ἐπᾱγρίοις, 121 ποδάγραν, 135 ἀνίκμως, 146 βίβλοις, 154 Ἀφροδίτας, 172 λάβροις. 35 Nun bleibt natürlich als Unstimmigkeit stehen, dass in V. 10 nur noch vom Teewasser (τοῦτο) und nicht mehr vom Wasser der Hippokrene die Rede ist. Ungewöhnlich ist ferner die Verbindung von κᾄν (= καὶ ἐάν) mit Indikativ in V. 4. Möglicherweise handelte es sich wirklich nur um eine spontane handschriftliche Ergänzung des Dichters (oder Herausgebers). 36 Zur Bezeichnung des Flusses Elster als „Elyster“ siehe Graesse/Benedict/Plechl 1972, Bd. II, 18.

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Das Melydrion beginnt nun in den Strophen 1 bis 6 mit einer Art Proöm. Der Dichter verlangt von dem im Todesschlaf (χάλκεον ὕπνον) gefangenen Weintrinker Anakreon dessen Leier, damit er ein den Alten unbekanntes Kraut und das von Anakreon verabscheute Wasser besinge. Dazu bittet der Dichter den Gott Apoll um Beistand. In den Strophen 7 bis 10 leitet Herrichen konkret zum Thema über. Er wendet sich an die südostasiatischen Völker Chinesen, Japaner und Siamesen, die er einerseits wegen ihrer kostbaren Edelsteine, andererseits aber besonders wegen der gesündesten Pflanze (ὑγιεστάτης γε ποίης) glücklich preist. Und er führt die unterschiedlichen Bezeichnungen der Pflanze als „Thia“ (Θῖα), „Tzia“ (Τζία) oder „The“ (Θῆ) an. Damit ist der Dichter bei seinem Gegenstand endgültig angelangt. Im folgenden ersten Hauptteil des Melydrions beschreibt er nun in den Strophen 11 bis 19 zunächst das Aussehen und die Herstellung des Tees. In den Strophen 20 bis 22 kommt er auf dessen Lob durch unterschiedliche Gelehrte und seine Verbreitung in ganz Europa zu sprechen und setzt ihn in Strophe 23 vom Kaffee der Türken und Perser als gesündere Alternative ab. Der erste Hauptteil schließt mit einer Aufforderung zum Teetrinken an Altersgenossen, Greise und Frauen. Der zweite Hauptteil widmet sich der gesunden Wirkung des Tees. In den Strophen 25 bis 31 werden unterschiedliche Leiden und Gebrechen angeführt, gegen die der Tee wirksam ist. Die Liste endet damit, dass er neben körperlichen Gebrechen auch seelische Sorgen und Kummer (ähnlich dem Wein) vertreiben helfe. Dies leitet zu einer Gegenüberstellung mit anderen Getränken und Kräutern in den Strophen 32 bis 38 über. Herrichen führt hier eine Reihe von Pflanzen aus Dioskurides auf. Der Tee aber, so heißt es, übertreffe sie alle, sogar den Wein und den Nektar der Götter. Er ist die gesündeste Pflanze. Auch dieser Teil endet wieder mit einer Aufforderung, dass man, um zu leben, Tee trinken solle. Dies führt zum Abschluss des Gedichtes, der in der Schilderung zur Vorbereitung einer Teerunde von vier Teilnehmern besteht. Die Runde setzt sich neben dem Dichter auch aus dem Widmungsträger Carpzov (hier als Καρπὸς Ζωῆς umschrieben) und einem (καρπὸς) Ἔρωτος (die Identifizierung ist noch nicht gelungen) zusammen. Eine letzte vierte Person bleibt unbekannt.37 Das Gespräch kann sich nun 37 Die Andeutungen bleiben im Text etwas rätselhaft. Dass es sich um vier Teilnehmer handelt, wird dadurch nahegelegt, dass „Martha“ vier Becher decken (V. 177: Θέτι τέσσαρας τροχίσκως) soll. Die folgenden zwei Verse sind zweideutig: Ὁ Καρπὸς ἦλθε Ζωῆς, | Ἦλθεν Ἔρωτος. Man könnte es so verstehen, als ob damit nur Carpzov gemeint sei, der einmal als „Frucht des Lebens“, ein weiteres Mal als „(Frucht der) Liebe“ umschrieben wird („Es kam die Frucht des Lebens, es kam die der Liebe“). Dafür jedoch, dass zwei Personen gemeint sind, spricht der Fortgang, wo von einem unbekannten Dritten gesprochen wird: Τρίτον οὔ, τίς ἐστιν, οἶδα. Als Hypothese könnte man bei der Paraphrase „Frucht der Liebe“ entweder an Carpzovs Frau, Anna Elisabeth (geb. Jäger), oder eines seiner Kinder denken. Vgl. zur Familie Carpzovs Beck 1900, 48. Letzteres ist allerdings wenig wahrscheinlich, da Carpzov erst 1676 heiratete und keines seiner Kinder demnach 1685 das zehnte Lebensjahr erreicht haben dürfte. Es bleibt also, an seine Frau oder einen guten Freund (z.B. Joachim Feller) zu denken (für die Kombination Carpzov/Feller vgl. HERRICHEN 1717, 271). Demnach wären also drei Personen gekommen, wobei der vierte Becher zweifelsohne für Herrichen wäre. „Martha“ als vermutliche Haushälterin bliebe demnach außen vor. Ihre Identifizierung ist mir nicht gelungen. Sie ist wohl

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über die ganze Nacht erstrecken, da der Tee den Schlaf fernhält. Ausgehend davon wird in der letzten Strophe Leben und Tod gegenübergestellt. Der Tee hält munter und lebendig, während der Schlaf dem Tode gleicht. Das Gedicht endet mit der rhetorischen Frage: Wer aber würde den Tod dem Leben vorziehen? (V. 175f.: Τίς πρὸ ζωᾶς Μοῖραν ἕλοιτο;) Zusammenfassend ergibt sich also folgende Gliederung: I) V. 1–16: Widmungsgedicht an Carpzov (Pindar als Lobredner des Tees, Gedicht als Gegengabe für Teerunde bei Carpzov), II) Melydrion: a) Str. 1–10: Einleitung (Nachfolge Anakreons, Thema, Makarismos der südostasiatischen Völker), b) Str. 11–24: erster Hauptteil zu Aussehen, Herstellung und Verbreitung des Tees, c) Str. 25–38: zweiter Hauptteil zur gesundheitsfördernden Wirkung desselben, d) Str. 39–44: Abschluss in Form einer Umsetzung des Gesagten als Teerunde ( Verbindung zum Widmungsgedicht) und Aufforderung zum Teegenuss. 3. ANALYSE EINZELNER MOTIVE Herrichen hat sein Thema klug und ansprechend bearbeitet. Insbesondere fällt trotz der Länge die inhaltliche Geschlossenheit auf. So stellt Herrichen am Schluss durch die Gegenüberstellung von Schlaf bzw. Tod und Leben eine deutliche Verbindung zum Anfang des Melydrions her. Hier hatte er ja vom toten Anakreon dessen Leier gefordert. Für den Tod hat er das homerische Bild des Schlafes gewählt. In Strophe 1 heißt es: Σὺ μὲν Εὐΐου πεπωκώς | Ἑκατοντάκις δέπαστρον, | Ἀνάκρεον, καθεύδεις | χάλκεον ὕπνον („Du, der du den Becher des Euios [= Dionysos] hundertmal getrunken hast, Anakreon, schläfst einen ehernen Schlaf“). Die Junktur χάλκεον ὕπνον ist dem elften Gesang der Ilias entnommen, wo der Tod des Iphidamas durch Agamemnon beschrieben wird.38 Auch am Ende des Gedichtes greift Herrichen wieder in Strophe 43 auf eine homerische Formel zurück, wenn er sagt: Λάλον οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ, | Ἵνα νύχθ’ ὅλαν, ἑταῖροι, | Ἀπ’ ὀμμάτων σοβῶμεν | Νήδυμον ὕπνον („Lasst uns also das gesprächige Wasser schlürfen, damit wir die ganze Nacht, Freunde, von den Augen den tiefen Schlaf verscheuchen“). Homerisch ist hier wiederum die Verbindung νήδυμον ὕπνον (vgl. Hom. Il. 2,2 etc.). Dadurch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich eine deutliche Verbindung von Anfang und Ende des Melydrions hergestellt. Eine weitere sprachliche Verbindung lässt sich übrigens an dieser Stelle auch zwischen dem λάλον ὕδωρ (V. 185) am Ende

nicht identisch mit der in HERRICHEN 1717, 326–329 erwähnten Martha Maria Jacobi. Außerdem steht fest, dass Herrichen unverheiratet geblieben ist, so dass es sich nicht um seine Frau handeln kann. Dies bestätigt eine Mitteilung des Stadtarchivs Leipzig. Im Ratsleichenbuch 1699‒1707 Bl. 207v findet sich folgender Begräbniseintrag: „Sonntag, 1. Febr. 1705 beygesetzt Ein Jungges. 74 Jahren H. Mag. Gottfried Herrchen gewesener Rector auf der Nicolschule, aufm Thomas Kirchhoffe, st. Mittwoch [28.01.1705] Ganze Schule“. „Ganze Schule“ bezeichnet die höchste Begräbnisklasse. Für die Mitteilung danke ich Frau Carla Calov vom Stadtarchiv Leipzig. 38 Vgl. Hom. Il. 11,241: ὣς ὃ μὲν αὖθι πεσὼν κοιμήσατο χάλκεον ὕπνον.

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und der λαλιεστάτα39 φόρμιγξ (V. 22) des Anakreon am Anfang ziehen. Dabei knüpft Herrichen offensichtlich an die CA an, in denen das Thema „Gesprächigkeit“ ebenfalls eine Rolle spielt. So endet CA 15 damit, dass eine bei Anakreon lebende Brieftaube ihren Gesprächspartner auffordert zu gehen und sagt: λαλιστέραν μ’ ἔθηκας, ǀ ἄνθρωπε, καὶ κορώνης („Du hast mich gesprächiger gemacht, Mensch, sogar als eine Krähe!“). Interessant ist nun, dass die Taube zuvor berichtet hatte, dass sie, wenn Anakreon ruht, auf dessen Leier schlafe (κοιμωμένου δ’ ἐπ’ αὐτῶι ǀ τῶι βαρβίτωι καθεύδω). Die Nähe der Motivik sticht sofort ins Auge. Zudem wird dieser Motivkomplex und die Antithese Tod/Leben geschickt mit dem Widmungsträger verbunden. Mit der Umschreibung als Καρπὸς Ζωῆς ist er in die Antithetik unmittelbar eingebunden und da er mit seiner Teerunde Herrichen zur Abfassung des Gedichtes angeregt und zu einer Gegeneinladung animiert hatte, ist er wie der Gesprächspartner in CA 15 Ursache für Herrichens eigene „Gesprächigkeit“. Neben der Antithese Tod/Leben bzw. Schlaf/Munterkeit, die sich auch an anderen Stellen in den CA findet,40 tritt in Herrichens Melydrion noch die Antithese zwischen gesund und schädlich. So werden dem Tee als gesündestem aller Kräuter (V. 50: ὑγιεστάτης γε ποίης, V. 170: ὑγιεστάταν ποάων) Wein und Kaffee gegenübergestellt. Was den Kaffee angeht, ist dies bemerkenswert, da er bei den zeitgenössischen diätetischen Autoren oftmals in ebenso hohem Ruhm stand wie der Tee.41 Herrichen verbindet ihn aber mit einer Gegenüberstellung von Europäern und Orientalen. So heißt es bei ihm in Strophe 22–23 (V. 100–107): Σβεκο-Βριττο-Βελγο-Τεύτων, Ἰταλὸς, Πολῶνος, Οὗννος, Ἀλεκτρυὼν, Ἴβηρες, Τᾶσδε ποθεῦσιν. Ἕο Τοῦρκος, ἠὲ Πέρσης, Καφὲ πινέτω, κ’ ὀλέσθω· Θέα Θεὰ ποάων Ἄμμιν ἀρέσκει. „Der Schweden-Briten-Belgier-Deutsche, Italiener, Pole, Ungar, Franzose und Spanier verlangt nach diesem [sc. Teekraut]. Der Türke oder Perser soll seinen Kaffee trinken und zugrunde gehen. ‚Thea‘, die Göttin der Kräuter, gefällt uns.“

Sprachlich sticht an dieser Stelle das „komische“ Kunstwort Σβεκο-Βριττο-ΒελγοΤεύτων hervor, das zu Herrichens anderen Entleihungen aus der Komödiensprache passt (siehe oben 1.). Ein ähnliches Kompositum hat Herrichen zwei Strophen zuvor verwendet, um die Namen der Gelehrten François Caron, Willem Piso und Cornelis Bontekoe in einen Vers zu drängen (V. 93): Καρο-Πισο-Βοντεκοῖος. Außerdem ist in Strophe 23 das schöne Wortspiel Θέα Θεὰ ποάων (V. 106) bemerkenswert, nicht nur wegen des akustischen und semantischen Spiels mit Θέα, dem „Tee“, und Θεά, der „Göttin“, sondern auch wegen des Anklangs an die homerische 39 Der Superlativ λαλιέστατος ist so nicht belegt. Die belegte Form lautet λαλίστατος (siehe LSJ 1026 s.v. λάλος). Die Erweiterung bei Herrichen ist wohl metri causa gewählt. 40 Zum Thema Tod und Vergänglichkeit in den CA vgl. z.B. CA 36,10; 45,5; 48,9f. 41 Siehe z.B. Spon 1685, 1–100.

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Junktur δῖα θεάων (vgl. Hom. Od. 1,14 et al.), die der Dichter hier vielleicht im Ohr hatte. Der zeitgenössische Hintergrund für den antitürkischen Unterton, der in dem Wunsch ὀλέσθω anklingt, dürften die in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts tobenden Türkenkriege sein, die 1683 in der Belagerung Wiens gipfelten.42 Während Herrichen hier also einen zeitgenössischen Disput aufgegriffen hat, ist die Antithese von Wein und Wasser bzw. Wein- und Wassertrinker schon antik.43 Herrichen hat sich in dem Gedicht gegen Anakreon und z.B. Horaz klar auf die Seite der Wassertrinker gestellt.44 Man könnte etwa als antikes Gegenbeispiel den Anfang von Horaz’ Epistel 1,19 anführen: Prisco si credis, Maecenas docte, Cratino, | nulla placere diu nec vivere carmina possunt | quae scribuntur aquae potoribus.45 Eben dies möchte Herrichen widerlegen, indem er als Wasser- bzw. Teetrinker nun die Leier des Anakreon erklingen lässt.46 Es fällt auf, wie Herrichen

42 Die „Türkengefahr“ greift Herrichen auch in anderen griechischen Gedichten auf. Unter den Elegidia findet sich ein Eucharisticum Pro liberatione de rabie Turcica & pace clementer a Deo data aus dem Jahr 1666 (HERRICHEN 1717, 213–215). Unter den Anacreontica ist auch in einem aus dem Jahr 1692 vom Ὀλοφώιόν τε Τοῦρκον (HERRICHEN 1717, 286) die Rede. Dass die Belagerung Wiens und die Türkengefahr ein großes Thema in diesen Jahren im Umkreis Herrichens war, belegt auch der Briefwechsel zwischen Friedrich Benedikt Carpzov und dem Zwickauer Schulrektor Christian Daum (1662‒1687). Siehe dazu Beck 1900, 91f. Auch ist die Auseinandersetzung mit den Türken von Anfang an ein zentrales Thema in der neualtgriechischen Literatur. Siehe die Beiträge von Ludwig und Pontani in diesem Band. 43 Vgl. dazu z.B. Weinreich 1952, 381‒393 (ausführlicher Exkurs zu Kratinos fr. 199); Suerbaum 1968, 230‒236. 44 Möglicherweise wirkt hier auch ein autobiographisches Moment. Laut Kaemmel soll Herrichen in früheren Jahren stark getrunken haben. Siehe dens. 1909, 207. Vielleicht wollte Herrichen diesem Eindruck durch sein Gedicht betont entgegenwirken. Das würde auch die Häufigkeit des Themas in den übrigen Anacreontica erklären. Siehe übernächste Anm. 45 Dies wurde zum Ausgangspunkt eines entsprechenden Diskurses auch in der neulateinischen Dichtung. Siehe Schäfer 1976, 41. 46 Wein und Wasser vergleicht Herrichen schon in einem Gedicht in Adoneen aus dem Jahr 1679 (HERRICHEN 1717, 387f.). Darin wird die erotisierende und berauschende Wirkung des Weins besonders hervorgehoben (Zeus, Stentor, Polyphem, Ares), die auch den σώφρων ἀνήρ um den Verstand bringt (Μήτεϊ σώφρων ǀ Ἤλιτεν ἀνήρ), während der Wassertrinker vernünftig bleibt (Πῖνέ τις ἀνήρ ǀ Ἠὲ γυνή τις ǀ Ἄγρυφον [an Ἄγρυπνον?] ὕδωρ ǀ Κεῖνος ἰδ’ αὕτη ǀ Μεῖνε σαόφρων). In dem konkreten Fall geht es um die Erlangung des Magistergrads. Der Angesprochene hat als Knabe „Musenwasser“ getrunken und nachts studiert, was nun Apoll mit der Magisterkrone entlohnt. Auf ähnliche Weise stellt Herrichen in einer anderen Ode zu einer Magisterpromotion auch den Wein und das Öl Athenes gegenüber. Siehe HERRICHEN 1717, 304. 307: Ποτὸν ἐμφοροῖεν οἴνου ǀ Ζαθερῶν ἔσω λαρύγγων, ǀ Καὶ κτῆμα πᾶν σπαθῷεν ǀ Παῖδες ἰάκχου. ǀ Σοφίῃ ξυνόντες ὠχρῇ ǀ Φίλα Παλλάδος τε τέκνα ǀ Λαρὴν φιλοῦσι μᾶλλον ǀ Ῥεῦσιν ἐλαίης. Vgl. auch dens. 1717, 280f. 289. Dabei ist Herrichen freilich keineswegs so rigoros, dass er den Wein völlig ablehnt, wie folgende Ausschnitte aus verschiedenen Oden belegen: Καρπούς τε τῆς ὀπώρης ǀ Πολυχανδέεσσι δίσκοις, ǀ Λαθικηδέας τε Βάκχου ǀ Βότρυας οἶσε (HERRICHEN 1717, 311 Magisterpromotion), Σὸν ἦμάρ ἐστι τοῦτο, ǀ Νὺξ σή· δὸς Ἀφροδίτῃ, ǀ Δηοῖ δὸς, ἠδ’ ἰάκχῳ, ǀ Δὸς δὲ Θεῷ σε (HERRICHEN 1717, 327 Thalassio), Τοιόνδε δὴ τὸ τραῦμα ǀ Ἡ νύμφα Βαχκοβοσκίς ǀ Δυνήσεται καθαίρειν ǀ Νάμασιν οἴνου (HERRICHEN 1717, 332 Hymenaeus).

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dabei den Anakreon zwar als formales Vorbild klar benennt (er möchte ja Anakreons Leier benutzen), sich zugleich aber inhaltlich von ihm doppelt absetzt: Sein Thema ist einerseits hinsichtlich der Pflanze neu47 – es geht um eine οὐ παλαιοῖς βοτάναν βροτοῖσι γνωστάν (Str. 5) – und andererseits hinsichtlich des Wassers der Aufforderung Anakreons zum Weintrinken entgegengesetzt (Str. 5: ὕδωρ τε τοὶ βδελυκτόν). Das Gedicht wird damit geradezu anti-anakreontisch, was sich eben auch in der Wahl des dorischen Dialektes widerspiegelt.48 Die Kritik an Anakreons Weingenuss und dessen schädlicher Wirkung klingt schon am Anfang an, wenn es heißt, Anakreon, der hundertmal den Becher des Dionysos getrunken habe, schlafe nun einen ehernen Schlaf, d.h. ist tot (Σὺ μὲν Εὐΐου πεπωκώς ǀ Ἑκατοντάκις δέπαστρον ǀ Ἀνάκρεον, καθεύδεις ǀ Χάλκεον ὕπνον). Die ersten zwei Verse dürften vom Lob der Zikade aus den CA angeregt sein, über die dort gesagt ist, dass sie nur wenig Tau trinke (CA 34,3: ὀλίγην δρόσον πεπωκώς). Diese Kontrastimitation (ἑκατοντάκις – ὀλίγην) soll offensichtlich den (zu) starken Weingenuss Anakreons und dessen tödliche Wirkung hervorheben. An anderer Stelle in Strophe 32 heißt es dann noch in einer Art Priamel: Ὀλιγωρέω τὸν οἶνον, ǀ Ὀλιγωρέω τὸ νέκταρ, ǀ Μίαν Διὸς ποτῆτα, ǀ τοῦτο ῥοφήσων. („Ich achte den Wein gering, ich achte den Nektar gering, das einzige Getränk des Zeus, wenn ich dieses [sc. das (Tee-)Wasser] trinken werde.“) Herrichen nimmt damit auch die Position eines corrector morum ein, der mit seinem Gedicht die Überlegenheit der eigenen Zeit über die pagane und unvernünftige Antike dokumentiert (Man bedenke, dass 1687 die Querelle des Anciens et des Modernes ausbricht!).49 Entsprechend beruht wiederum die Beschreibung der Teepflanze sowie die Darstellung der Wirkung des Tees auf zeitgenössischem naturwissenschaftlich-medizinischem Schrifttum, wie Herrichen selbst in der Gelehrtenliste in Str. 20 offenbart.50 Grundlage für die in der Zeit verbreitete Vorstellung, dass die neuen Genussmittel Tee, Kaffee und Schokolade so gesund seien, war die Humoralpathologie, die auf ein harmonisches Verhältnis der Körpersäfte zielt. Krankheiten wurden stockenden und unreinen Körpersäften sowie Krankheitsstoffen zugeschrieben. Daher 47 Ein Vergleichspunkt besteht allerdings in den Anakreonteen auf die Rose. Siehe CA 44. 55. 48 „Anti-anakreontische“ Anakreonteen finden sich auch unter denen der Byzantiner. Vgl. Labarbe 1982, 168. Zum Spezialfall der christlichen Anakreonteen siehe Zeman 1972, 31f.; Tilg 2014, 192–194. Explizit christlich sind etwa griechische Anakreonteen von Mylius, Pelargus und Margunios. Siehe MYLIUS 1568, [M 6v]–[M 8r]. N 2r–N 3v. O 4r–O 5r. [O 6rv]; MARGUNIOS 1601; LIZELIUS 1730, 207 (vgl. Tilg 2014, 193). 49 Der richtige Umgang mit den paganen Autoren wurde am Ausgang des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts durchaus diskutiert. Vgl. Weise 2011, 406. Hier spielt sicherlich auch pietistischer Einfluss eine Rolle. Man kann dafür auf Herrichens Arbeit für Johann Conrad Dannhauer verweisen. Siehe Lizelius 1730, 291. 50 Die Beschreibung des Tees in den Str. 11–19 scheint im Wesentlichen auf den Ausführungen Willem Pisos zu beruhen, wie mehrere nahezu wörtliche Parallelen nahelegen. Vgl. z.B. V. 61– 64 Πετάλοισι μυρίοισιν ǀ Ἐπὶ κρᾶτας ἐκ ποδοῖϊν ǀ Πολυσχιδεῖς κλαδίσκοι ǀ Ἀμφὶ βρύουσι ~ Piso (bei Carpzov 1685, E v): Caules & ramunculi totius fruticis a pede usque ad verticem, perpetuis & infinitis floribus & foliis, acuminatis, in ambitu crenatis, ornate vestiuntur (wörtliche Parallelen von mir fett gesetzt). Weitere Parallelen sind im Similienapparat der Edition im Anhang.

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legte man großen Wert auf körperliche Aktivität und natürliche Ausscheidungen, die den Körper von solchen Stoffen reinigen und die Säfte in Bewegung halten sollten.51 In dieses Konzept ließ sich der Tee (und auch die anderen neuen Genussmittel) wegen seiner stimulierenden Wirkung und der Konsumationsform als Heißgetränk gut integrieren. In den Str. 25–30 zählt Herrichen daher eine lange Liste der positiven Wirkungen des Tees auf, darunter Stärkung des Gehirns (ἔγκαρον κρατύνει), Reinigung der Nieren (Νεφρῶν ῥύπασμα πλύνει), Erweichung der Milz (Σλᾶνά τε τάκει), Beseitigung von Kopfschmerzen (Κεφαλαλγίαν ἀφαιρεῖ) und Bauchschmerzen (Λαγόνων στρόφως ἐρωεῖ), Verhinderung von Unverdaulichkeit (ἀπεψίαν ἀμύνει), Anregung des Harnflusses (οὖρά τε κινεῖ), Milderung von Podagra (παρηγορεῖ ποδάγραν) und Atemnot (πρὸς ὀρθόπνοιαν ἕρδει), Zerstörung des Blasensteins (Λίθον τὸν ἐν βαθείᾳ ǀ Κύστεϊ θρύπτει), Beseitigung von Trunkenheit (μεθυστικοῖς βοηθεῖ), Beendigung von Husten (βῆχά τε παύει).52 Dies deckt sich etwa mit dem, was zeitgenössische Autoren wie Nicolaas Tulp (1593–1674) von der Wirkung des Tees berichtet (bei Carpzov 1685, E 3 v): neque ipsam solum corpora reddere vegeta, atque arcere calculi dolores, quibus hic neminem dicunt obnoxium, verum etiam tollere dolorem capitis, grauedinem, lippitudinem, destillationem, spiritus difficultatem, ventriculi imbecillitatem, intestinorum tormina, lassitudinem ac somnum.53

Was die abführende Wirkung sowie die gegen Atemlosigkeit (Orthopnoe), Nierenund Blasenstein angeht, kann man ferner den Bericht von Jacob Bontius (1592– 1631) heranziehen (bei Carpzov 1685, E r): phthisicis quoque hic potus prodest & orthopnoicis; tum vesicæ & calculo renum accommodatum esse remedium extra controversiam est, cum sit summe diureticum.54

Die Stärkung von Gehirn und Gedächtnis, Beendigung von Husten, Erweichung der Milz sowie Wirkung gegen Unverdaulichkeit, Podagra und Trunkenheit schließlich werden bei Jacob Spon (1647–1685) erwähnt, der eine ausführliche Beschreibung auch der anderen Wirkungen sowie Erklärungen nach dem Kenntnisstand der Zeit bietet.55 51 Vgl. Menninger 2004, 246‒252. 52 Die Formulierungen gehen zum Teil auf Dioskurides zurück: V. 124 οὖρά τε κινεῖ (vgl. Diosc. 4,46,2; 4,91) und V. 127f. Λίθον τὸν ἐν βαθείᾳ | Κύστεϊ θρύπτει (vgl. Diosc. 3,134,2; 4,91). – Nicht ganz sicher ist, was Herrichen mit Κεφαλᾶς ῥόον (V. 118) meint. Nach Begriffen wie „Schlagfluss“ könnte man an den „Schlaganfall“ denken. Vgl. Spon 1685, 131. 53 Übersetzung: „Er selbst soll (wie man glaubt) nicht nur die Körper aktiv machen und Beschwerden mit dem Blasenstein fernhalten, von denen hier, wie es heißt, niemand betroffen ist, sondern auch Kopfschmerzen, Schnupfen, Augenentzündung, Katarrh, Atembeschwerden, Magenschwäche, Bauchschmerzen, Müdigkeit und Schlaf vertreiben“. 54 Übersetzung: „Dieser Trunk nützt auch den Schwindsüchtigen und Kurzatmigen; dann steht außer Frage, dass er ein geeignetes Heilmittel gegen den Blasen- und Nierenstein ist, da er sehr harnanregend wirkt“. 55 Siehe Spon 1685, 128 (Eadem ratione, isthoc cum Café Thé habet commune quod solvat ebrietatem, corpúsque nimis Baccho pessundatum integritati suæ restituat). 130 (memoriam firmat). 136 (… dyspepsiam … curare). 137 (amaritie sua lienis acidum fermentum mitigare potens). 138f. (Imò sunt quidem pectoris affectus, in quibus Thé … præferendum, præcipue sanguinis

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Die Verbindung zur Medizin wird schließlich noch einmal durch eine Liste heilsamer Pflanzen ergänzt, die der antike Mediziner Dioskurides in seinen 5 Büchern De materia medica behandelt hat. Herrichen führt folgende fünfzehn/vierzehn (8 und 11 sind identisch) Heilkräuter in den Strophen 34 bis 36 an:56 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Διὸς πώγων (= Χρυσοκόμη, Chrysocome, Goldhaar) – Diosc. 4,55 RV (= Berendes 1902, 393) γαλῆς (αἷμα) (= Ἄσπληνος, Milzfarn) – Diosc. 3,134 RV (σκολοπένδριον) (= Berendes 1902, 351 [dort 3,141])57 Ἀθανᾶς (αἷμα) (= Χαμαίπιτυς, Chamaipitys) – Diosc. 3, 158 RV (= Berendes 1902, 363 [dort 3,165]) Ἄρηος (αἷμα) (= Ἄσαρον, Haselwurz) – Diosc. 1,10 RV (= Berendes 1902, 32)58 Ἡρακλῆος αἷμα (= Κενταύριον τὸ μέγα, Großes Kentaurion) – Diosc. 1,26 RV (κρόκος) (= Berendes 1902, 53 [dort 1,25]) oder 3,6 (κενταύρειον τὸ μέγα) (= Berendes 1902, 266f.)59 σίλφιον (Silphion) – Diosc. 3,80 (= Berendes 1902, 316–318 [dort 3,84]) μάραθρον (Fenchel) – Diosc. 3,70 (= Berendes 1902, 308f.) κᾶπος Ἀφροδίτας (= κοτυληδών, Nabelblatt) – Diosc. 4,91 RV (= Berendes 1902, 420 [dort 4,90]) Κρόνου τροφά (= ἵππουρις, Hippuris) – Diosc. 4,46 RV (dort Κρόνου τρόφις) (= Berendes 1902, 388f.) κέστρον (Kestron) – Diosc. 4,1 (= Berendes 1902, 365f.) ὀμφαλὸς Κυθάρας (= κοτυληδών, Nabelblatt) – Diosc. 4,91 RV (dort οὐμβιλίκουμ Βένερις) (= Berendes 1902, 420 [dort 4,90]) πτερὸν ἴβεως (= πεντάφυλλον, Gänsefuss) – Diosc. 4,42 RV (= Berendes 1902, 386f.) λαγώπους (= Hasenklee) – Diosc. 4,17 (= Berendes 1902, 375) σμύρνιον (Smyrnion) – Diosc. 3,68 (= Berendes 1902, 307f. [dort 3,72]) ἀστήρ (Attische Aster) – Diosc. 4,119 (= Berendes 1902, 431f. [dort 4,118])

Die Auswahl der Pflanzen beruht wohl auf ähnlichen medizinischen Wirkungen wie die des Tees.60 Außerdem scheint sich Herrichen bei der Anordnung auch an den mythischen Nebennamen orientiert zu haben: er beginnt mit dem „Bart des

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sputo & tussi ex qualibet ferè causa pendentibus). Vgl. dazu auch kurz Rez. Dufour 1686. – Zu Tulp, Bontius und Spon siehe auch nochmals unten 4. Die Buch- und Kapitelangaben folgen der kritischen Edition von Wellmann 1907‒1914. Die deutschen Bezeichnungen sind der Übersetzung von Berendes 1902 entnommen. Vgl. auch Diosc. 4,59 RV (περιστερεὼν ὀρθός). Vgl. auch Diosc. 3,102 RV (κρίνον βασιλικόν). Vgl. auch Diosc. 3,7 RV (κενταύρειον τὸ μικρόν). Für das „Goldhaar“ (Diosc. 4,55): „erwärmende Kraft“ (~ V. 120), für den „Milzfarn“ (Diosc. 3,124,2): Erweichung der Milz (~ V. 120), gegen Blasensteine (~ V. 127f.); für die Chamaipitys (Diosc. 3,158): gegen Harnverhartung (~ V. 124); für die „Haselwurz“ (Diosc. 1,10): harntreibend (~ V. 124); für das „Nabelblatt“ (Diosc. 4,91): gegen Blasensteine und für Harnfluss; für die Hippuris (Diosc. 4,46): heilsam bei Husten und Orthopnoe; für das Smyrnion (Diosc. 3,68): Besänftigung von Husten (~ V. 132) und Kurzatmigkeit (~ V. 125).

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Zeus“, kommt weiter zum „Blut der Athene“, des Ares und Herakles und schließlich zum „Garten der Aphrodite“, der „Nahrung des Kronos“ und dem „Nabel der Kythere“. Damit trägt er wohl auch der lyrischen Form des Gedichtes ein wenig Rechnung, in dem der Mythos sonst nur eine untergeordnete Rolle spielt. Neben den Musen (V. 5–8) und Apoll, der am Anfang als Heilgott angerufen wird (V. 37f.), wird sonst nur auf den Endymion-Mythos (V. 27f.) angespielt und der Nektar als Göttergetränk (V. 142f.) dem Tee gegenübergestellt. Auch die Umschreibung Διὸς ὁ Κῶρος (V. 145. 162) für Dioskurides ist wohl nur metri causa gewählt. Auf inhaltlicher Ebene dürfte dabei aber wiederum der Gedanke der eigenen Überlegenheit über die pagane Antike eine Rolle spielen. Denn am Ende dieser langen Liste von Heilpflanzen mit göttlicher Heilkraft (V. 148: Θέσκελον ἰσχύν) aus Dioskurides steht natürlich wieder der Tee, der alle in der Antike bekannten Heilpflanzen übertrifft: Hätte Dioskurides den Tee gekannt, hätte er nicht nur fünf Bücher De materia medica, sondern sechs Bücher nur über den einen Tee geschrieben (Str. 37).61 Der ganze Exkurs dient somit wiederum in einer Art Überbietungstopik dem Lob des Tees, der alle paganen Kräuter sowie den göttlichen Nektar übertrifft. Das Gegenbild des schädlichen, weil kalten und lähmenden, Alkohols, das Herrichen dabei auch nochmals implizit anklingen lässt, ist zugleich auf zeitgenössischer sozialer Ebene eine Abgrenzung von traditionellen Formen der Geselligkeit in Tavernen und Bierschenken.62 Der Tee steht für eine neue kultivierte, rationale Form der Geselligkeit unter Freunden, die von geistreichen Gesprächen und Wachsamkeit in nüchternem Zustand geprägt ist.63 Sie ist gerade kein μανῆναι, wie es in den CA häufiger (siehe ebd. 9,3.19; 12,12) gefordert ist, sondern ein gesittetes Zusammensein. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Herrichen nicht einfach das Verb πίνειν aus den CA für das Teetrinken übernimmt, sondern sehr betont an dessen Stelle das Verb ῥοφεῖν („schlürfen“) verwendet und damit neu für die Kultur des „Teeschlürfens“ prägt.64 Anschaulich wird dieser gesellschaftliche Aspekt schließlich in der pittoresken Szene am Ende des Gedichts (Str. 40–43): (40)

Ἴθι νῦν τάχιστα, Μάρθα, Ἀπὸ φρείατος φρὲς ὕδωρ,

61 Schön hat Herrichen diesen Abschnitt durch die Wiederholung ähnlicher Phrasen und Wörter gerahmt. So heißt es zweimal fast identisch in Str. 33 und 37 Διὸς εὐκλεὴς ὁ Κῶρος bzw. Διὸς εὐθαλὴς ὁ Κῶρος. Außerdem verwendet Herrichen jeweils im Adoneus die Vokabel ἰσχύς für die „Wirkkraft“ der Pflanzen. 62 Herrichen hat sich seinen sozialen Aufstieg mühsam erkämpfen müssen. Er galt als hitzig und jähzornig und soll früher selbst stark getrunken haben. Siehe Kaemmel 1909, 207. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Gegenüberstellung von Würfelspiel (κυβεία) und Musenstudium in HERRICHEN 1717, 289. 63 Vgl. dazu besonders Pechlins inscriptio in Carpzov 1685, [C 4v] (dort in Majuskeln mit Orientierung auf die Mittelachse): Pudeat Lyaeum patrem ǀ inventi laticis ǀ et ǀ revocet nutricium nectar ǀ Ceres. ǀ nam et gulam fallunt ǀ et capiti imponunt ǀ et ǀ dum rationem ǀ illam morum magistram, ǀ illam boni et honesti parentem, ǀ evertunt, ǀ multis et infamibus noxis ǀ aperiunt viam. ǀ quo constet ǀ aliud esse animae imperium, ǀ aliud vinosi potus. 64 Wie oben unter 1. schon festgestellt, stammt das Wort vorwiegend aus der Komödiensprache. Herrichen verwendet es in seinem Melydrion insgesamt siebenmal. Siehe V. 100. 110. 135. 138. 144. 169. 185.

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Τὸ πῦρ ἐν ἐσχάρῃ θές, Ζέννυε νᾶμα. Στόρεσον τράπεζαν εὐθύς, Θέτι τέσσαρας τροχίσκως, Ὁ Καρπὸς ἦλθε Ζωῆς, Ἦλθεν Ἔρωτος. Τρίτον οὔ, τίς ἐστιν, οἶδα· Ἐπιγνώσομαι δὲ θᾶσσον, Ὅταν Θέης πινύσκον Πώσομεν ὕδωρ. Λάλον οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ, Ἵνα νύχθ’ ὅλαν, ἑταῖροι, Ἀπ’ ὀμμάτων σοβῶμεν Νήδυμον ὕπνον.

„Geh jetzt rasch, Martha, vom Brunnen hole Wasser, setze das Feuer in den Herd und bringe das Wasser zum Kochen. [41] Decke gleich den Tisch, stell vier Becherchen hin. Die Frucht des Lebens (= Carpzov) kam, es kam die der Liebe. [42] Wer der Dritte ist, weiß ich nicht. Ich werde ihn aber schnell erkennen, wenn wir das klugmachende Wasser des Tees trinken. [43] Lasst uns also das gesprächige Wasser schlürfen, damit wir, Freunde, die ganze Nacht von den Augen den süßen Schlaf verscheuchen.“

Insgesamt weist das Gedicht durch die Freundschaftsthematik und die Betonung der Gesundheit und Vernunft einerseits auf Tendenzen der Aufklärung und nationalsprachigen Anakreontik voraus, andererseits schließt es sich durch seine Berührungspunkte mit naturwissenschaftlicher Fachliteratur und dem exotischen Gegenstand der zeitgenössischen Lehrdichtung an. Damit setzt sich die formale Polyvalenz des Gedichts (siehe oben 1.) auch in der inhaltlichen Gestaltung fort. Mit der Form strophischer anakreontischer Lieder hat Herrichen denn auch nach dem Doricum Melydrion weiter experimentiert. Die entsprechenden Gedichte heißen alle Melydrion oder Odarion. Sie bestehen jeweils aus vierzeiligen Strophen, die immer durch den Adoneus abgeschlossen werden.65 Davor stehen entweder drei anaklastische ionische Dimeter oder drei Hemiamben oder sie erscheinen in abwechselnden Kombinationen wie im Teegedicht. Alle diese Oden sind anlassgebunden und gehen damit ganz von den Carmina Anacreontea ab.66 So finden sich

65 Die Entwicklung hin zur vierzeiligen Form kann man bei den anakreontischen Gedichten in HERRICHEN 1717, 355–367 nachvollziehen. Das früheste Gedicht (S. 355f.) aus dem Jahr 1651 ist noch in stichisch angeordneten anaklastischen ionischen Dimetern. Im nächsten Gedicht (S. 356f.) aus dem Jahr 1656 wechseln sich Hemiambus und anaklastischer ionischer Dimeter regelmäßig ab, so dass Distichen entstehen. Dies wird nochmals in einem längeren Gratulationsgedicht auf S. 362–366 wiederholt. In umgekehrter Reihenfolge (erst anaklastischer Dimeter, dann Hemiambus) findet sich die distichische Form außerdem in Gedichten aus den Jahren 1667 (S. 359f.) und 1674 (S. 360f.). In einem Gedicht aus dem Jahr 1663 (S. 358f.) werden dann erstmals anaklastischer Dimeter und Adoneus zu Distichen verbunden. 66 Diese zeichnen sich gerade durch ihre zeitliche Unbestimmtheit aus. Labarbe spricht von „poèmes intemporels“. Siehe dens. 1982, 168f. Vgl. auch Rosenmeyer 1992, 109–111; Tilg 2014, 184. Allerdings gibt es bereits in byzantinischer Zeit anlassgebundene Anakreonteen. Hier sind besonders mehrere anakreontische Epithalamien zu erwähnen. Siehe Labarbe 1982,

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neben Hochzeits- und Gratulationsgedichten zur Magisterpromotion auch Trauergedichte auf Verstorbene.67 In jedem Fall wird die Gattung auf diese Weise ganz neu geformt und in die meist vorrangig epideiktische Funktion neualtgriechischer Dichtung gestellt, wobei das Teegedicht offensichtlich das erste dieser neuen anakreontischen Gedichte Herrichens war und noch eine Übergangsposition einnimmt, da es nur zum Teil okkasionell ist (wie auch schon die fehlende Datierung anzeigt).68 Mit einigem Recht hat Hederich daher Herrichen (wohl v.a. in Hinblick auf das Teegedicht, aber eben nicht nur) als alter Seculi nostri Anacreon bezeichnet.69 4. DICHTER UND NÄHERE ZEITLICHE EINORDNUNG DES GEDICHTS Zum weitergehenden Verständnis scheint es geboten, noch etwas über den möglichen Anlass des Teegedichts und von der Person des Dichters zu sagen, der durch sein umfangreiches griechisches Werk eine wichtige Figur in der neualtgriechischen Literatur nach ihrem Höhepunkt um 1600 war.70 Johann Gottfried Herrichen

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169 Anm. 126. Die Texte finden sich in Matranga 1850, 561‒565. 568‒571 (Leo Magister). 573‒575 (Georgius Grammaticus). 635f. (Johannes von Gaza). Zur Transformation neulateinischer Anakreonteen zu Okkasionallyrik siehe Tilg 2014, 184– 186. Schon vor Herrichen finden sich entsprechende Typen unter den neuzeitlichen griechischen Anakreonteen. Epithalamien: MYLIUS 1568, l r–l 2v; REUSNER 1593 (II), 223–241; ALARD 1624, [B 8v]–[B 10r]; Trauergedichte: MYLIUS 1568, o r–o 3r; REUSNER 1593 (II), 254–257 (dorisch!); Genethliakon: REUSNER 1593 (II), 246f.; Propemptikon: REUSNER 1593 (II), 248f. Griechische Anakreonteen sind vor Herrichen in Deutschland etwa von Heinrich Castritius Geldorp (1522–1585), Johannes Mylius, Nicodemus Frischlin, Nikolaus Reusner (siehe zu Reusners Anacreontica auch Ludwig in diesem Band) und Lambert Alard verfasst worden. Siehe GELDORP 1559, F 2v–[F 5r] (dorisch!); MYLIUS 1568, [M 6v]–[M 8r]. N 2r–N 3v. O 4r–O 5r. [O 6rv]. a 4r–a5v. [e 6rv] (Hemiambus mit Distichon am Ende). l r–l 2v. o r–o 3r. [o 7v]–[o 8v]; FRISCHLIN 1589, 406–408; REUSNER 1593 (II), 216f. 223–241. 246–249. 254– 257 (dorisch!); REUSNER 1593 (III), 519f. 526f.; ALARD 1624, [B 8v]–[B 10r]. C 2v. C 4v– C 5r (parodia von CA 34). Aber auch im 19. Jahrhundert gibt es noch griechische Anakreonteen. Siehe FRIEDEMANN/MÜNNICH 1810, 75–77. 78f. 80–82. 84f.; EYTH 21840, 9–24 (Sammlung von 28 Anakreonteen). 25–28 („Psyllias“: 6 anakreontische Gedichte über den Floh); RICHTER 1870, 32; RICHTER 1871, 10f. Siehe Hederich 1702, 16. Vgl. Weise 2011, 404. Dass Herrichen auch ältere neualtgriechische Dichter wie Rhodoman las bzw. in der Schule lesen ließ, belegen die Schulakten. Siehe Kaemmel 1909, 259. Zum Höhepunkt um 1600 siehe Ludwig in diesem Band. Zusammen mit den gesammelten Poemata Konrad Samuel Schurzfleischs (Wittenberg 1702) stellt Herrichens Œuvre ein letztes umfangreiches griechisches Gedichtkorpus dar. Nach einem Rückgang zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts beginnt offensichtlich erst mit dem Neuhumanismus wieder eine intensivere Pflege griechischer Literatur in Deutschland. Siehe z.B. FRIEDEMANN/MÜNNICH 1810; EYTH 21840; RICHTER 1870 und 1871. Ein letztes umfangreicheres Korpus stellen die unter dem Titel Ἐλεγεῖα (Berlin 1938) gesammelten Gedichte von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff dar. – Zur Biographie Herrichens vgl. Memoria Rideliana 1708; Elogium 1709; Nova Literaria 1709; Lizelius 1730, 289–303; Jöcher Bd. 2,1559 s. v. HERRICHEN; Forbiger 1826, 31–33; Kaemmel 1909, 207f.

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ist am 12. April 1629 in Karsdorf bei Freyburg an der Unstrut geboren worden. Sein Vater, Peter Herrich bzw. Herrichen, war seit 1617 Prediger in Karsdorf und zuvor Konrektor in Schulpforta.71 Vielleicht rührt letztlich von dieser Stätte auch Herrichens besondere Pflege des Griechischen. Sein Vater scheint sich in jedem Falle mit Nonnos’ Johannes-Paraphrase beschäftigt zu haben. Nach Unterweisung durch den Vater besuchte Herrichen zunächst seit 1646 Schulpforta und seit 1648 das Gymnasium in Halle. Ab 1651 studierte er in Leipzig, musste das Studium allerdings nach zwei Jahren unterbrechen, da ihn der Vater zur Unterstützung nach Hause rief. Obschon Herrichen dort als Nachfolger seines Vaters vorgesehen war, zog es ihn wieder weg. Er ging zunächst nach Nürnberg und dann nach Straßburg. Dort hielt er sich mit Privatunterricht und durch die Gunst des Theologen Johann Konrad Dannhauer (1603–1666) über Wasser, indem er ihn beim Abschreiben seiner zum Druck fertigen Manuskripte und bei der Übersetzung von in seinen Schriften zitierten griechischen Textstellen unterstützte. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1656 war er kurze Zeit in Halle und wurde dann über sieben Jahre lang Erzieher der drei Söhne des Leipziger Theologen Johann Benedikt Carpzov (1607–1657). Diese Aufgabe erfüllte er offensichtlich so zufriedenstellend, dass er vom Rat der Stadt 1664 zum Konrektor der Nikolaischule und schließlich 1676 zu deren Rektor ernannt wurde. Dieses Amt versah er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1693. Zwölf Jahre später, am 28. Januar des Jahres 1705, starb Herrichen im Alter von 74 Jahren. Auch wenn die letzten Jahre seines Rektorates wegen zunehmender Altersbeschwerden unter keinem guten Stern standen,72 verblieb Herrichen in hohem Ansehen. Johann Burckhard Mencken vergleicht ihn in einer akademischen Rede De viris eruditis, qui Lipsiam scriptis atque doctrina illustrem reddiderunt aus dem Jahr 1709 mit dem bekannten griechischen Dichter Lorenz Rhodoman und sagt: Gaudeat VVitteberga LAVRENTIO RHODOMANNO, quo etsi maior illa aetate in Poesi Graeca fuit nemo, eius tamen fama intra Germaniae fines inprimis sese continuit: at nostrum CYRILLVM (ita enim nomine quoque Graeco compellari amabat,) Belgae tanti faciebant, vt eius Anacreonticum de Thea, aliaque mellitissima poemata, certatim recuderent; Itali vero de depravatis veterum lapidum Graecorum fragmentis hunc, tanquam oraculum quoddam, consulebant, quae is felicissime omnium admiratione restituit.73

71 Zu Herrichens Vater siehe Jöcher Erg.-Bd. 2,1958 s.v. Herrich, oder Herrichen, (Petrus). Von seinen Werken werden angeführt: Oratio de matutinis diei horis in universum studiis impendendis […], Leipzig 1609 (= VD17 15:737901U); Analysis Nonni Panopolitani paraphraseos in Joannem und Analysis historiae passionis, Leipzig 1613 (siehe auch Bibliotheca Carpzoviana 1700, Pars posterior, 240 Nr. 150); Logica institutio […], Leipzig 1615 (= VD17 1:080021D). Eine Leichenpredigt für die Mutter, Dorothea Herrichen, findet sich im VD17 unter der Nr. 1:027621X. Offensichtliche Verwandte Herrichens finden sich auch in dessen Poemata als Empfänger, siehe HERRICHEN 1717, 248 (Christian Herrichen). 465 (Charitas Herrichen). 477f. (Christian Herrichen). 72 Siehe Kaemmel 1909, 164f. 73 Mencken 1734, 153. Übersetzung: „Wittenberg soll sich über LORENZ RHODOMAN freuen: wenn auch keiner zu jener Zeit in der griechischen Dichtung bedeutender war als er, blieb sein Ruhm dennoch vor allem auf Deutschland beschränkt. Unseren CYRILLUS jedoch (so nämlich liebte er es, auch mit griechischem Namen angesprochen zu werden) schätzten die Belgier so

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Und noch 1711 und später gedenkt man seiner in Artikeln der Acta Eruditorum und rühmt dort besonders seine poetischen Schriften: Et possent quidem ad commendandam Viri claritatem edecumatissima scripta allegari, queis nihil Musis acceptius, nihilque magis vel eruditione, vel elegantia, cum Gratiis Phœboque ipso contendere de victoria possit. 74

Hervorgehoben wird dann unter anderem auch nochmals Herrichens Teegedicht, von dem es heißt: Ex multis enim quid oda Græca ejus de herba Thee tersius & nitidius? („Denn was von den vielen ist formvollendeter und zierlicher als seine griechische Ode über die Teepflanze?“) Das Teegedicht bleibt auch danach sein bekanntestes Werk und wird bis ins 19. Jahrhundert in Aufsätzen und Monographien zum Tee erwähnt.75 Aus Herrichens 1717 gesammelt erschienenen Gedichten sind neben dem Teegedicht und zahlreichen weiteren Gelegenheitsgedichten noch besonders drei griechische Idyllia hervorzuheben.76 Es handelt sich um mimetische Gedichte im Stile Theokrits, die bezeugtermaßen vor Publikum in der Nikolaischule aufgeführt wurden.77 Das erste dieser Idyllia dramatica hat die Geburt Christi zum Thema, das zweite Tod und Auferstehung und das dritte handelt von den Engeln. Sprecher sind dem Genus entsprechend Hirten. Im ersten tritt noch Mariallis alias Maria und im dritten eine Hirtennymphe hinzu. Das „Weihnachtsidyll“ hat sogar später der Dichter Daniel Wilhelm Triller (1695–1782) ins Deutsche übersetzt, der Herrichen den „berühmte[n] Leipziger Theocritus“ nannte.78 Auch hier kann man also wiederum eine spezifische thematische Gattungsumformung sehen, in diesem Fall in Gestalt

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hoch, dass sie sein anakreontisches Gedicht über den Tee und andere feinste Gedichte im Wettstreit wiederdruckten. Die Italiener aber befragten ihn über verderbte Fragmente griechischer Inschriften gleichsam wie ein Orakel. Zu aller Bewunderung hat er sie auf glücklichste Weise wiederhergestellt.“ Mit certatim recuderent ist wohl der Abdruck des Teegedichts in HENNIN 1700 gemeint. Zur Verbesserung der erwähnten Inschrift siehe Acta Eruditorum 1696, 482f. und 1698, 202. Elogium 1711, 92. Übersetzung: „Und um den Ruhm des Mannes zu preisen, könnte man seine sehr erlesenen Schriften anführen. Nichts ist den Musen willkommener als sie und nichts könnte eher sei es hinsichtlich der Bildung, sei es hinsichtlich der Eleganz mit den Grazien und Apoll selbst um den Sieg ringen“. Vgl. Rez. Herrichen 1718a, 133: Inter odas, quarum heic larga reperitur copia, elegantissimum illud μελύδριον de herba Thea, a Musis velut ipsis dictatum, præ ceteris eminet, quod tanti æstimavit doctissimus Henninius, ut in notis ad Jac. Tollii epistolas itinerarias nova editione dignum censeret; Lizelius 1730, 300–302 (zitiert aus den Acta Eruditorum und Henninius); Triller 31750, [c 8r]; Jöcher Bd. 2,1559 s.v. HERRICHEN: „Er hatte damals in der griechischen Poesie keinen seines gleichen, wie aus seinem Anacreontico de herba thée, so Henninius seinen observ. über Tollii epistolas inserirt, und andern griechischen und lateinischen Gedichten mehr zu sehen, welche D. Joh. Alb. Fabricius 1717 zu Hamburg zusammen drucken lassen.“; Welcome Guest 1861, 300; Clos 1869, 108. – Einige Gedichte Herrichens fanden später auch Eingang in die Schulsammlung Fasciculus poematum Graecorum (Halle 1715/21738) von Hieronymus Freyer. Siehe dazu Weise 2011, 422. Siehe HERRICHEN 1717, 89–167. Vgl. Kaemmel 1909, 270f. Triller 31750, 582. Übersetzung Herrichens ebd. 642–677.

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einer parodia christiana. Dasselbe Verfahren findet sich schon dem Titel nach in den Sammlungen Archilochus sacer79 und der Sappho christiana,80 Umformungen der Sonntagsevangelien in trochäische Tetrameter bzw. sapphische Strophen. Den Schwerpunkt hat Herrichen bei seinem poetischem Œuvre ganz offensichtlich in der griechischen Lyrik gesehen. Zu den Gedichten nach der Art des Theokrit, des Archilochos und der Sappho kommen noch pindarische Oden, elegische sowie epische Gedichte, Adoneen und nicht zuletzt die zahlreichen anakreontischen Oden hinzu.81 Damit wollen wir noch einmal zu dem Doricum Melydrion über den Tee zurückkehren und nach seiner Entstehung und Datierung fragen.82 Der Widmungsträger, Friedrich Benedikt Carpzov (1649‒1699), ist Herrichen wohl vertraut: Es ist einer der drei Söhne Johann Benedikt Carpzovs, deren Unterricht Herrichen 1657 übernahm.83 Friedrich Benedikt Carpzov hatte bedeutende öffentliche Ämter inne. Er gehörte seit 1679 dem Rat der Stadt Leipzig an, wurde ein Jahr später Almosenvorsteher und 1690 Ratsbaumeister. Er pflegte als Mitwirker der Acta Eruditorum eine sehr große gelehrte Korrespondenz und erwarb sich eine weithin bekannte Bibliothek.84 Dass Friedrich Benedikt Carpzov ein eifriger Teetrinker war, bezeugt nicht nur Herrichens Gedicht, sondern auch ein Reisebericht des Gelehrten Jakob Tollius (um 1640–1696), der im Jahre 1687 Carpzov in Leipzig besuchte.85 In seinem Reisebrief berichtet er Folgendes von einem Mittagessen bei Carpzov:

79 HERRICHEN 1717, 37–62. 80 HERRICHEN 1717, 77–88. 81 Pindarische Oden siehe HERRICHEN 1717, 368–381 (vgl. dazu auch Päll in diesem Band); elegische Gedichte ebd. 191–263; epische Gedichte ebd. 394–404; Adoneen ebd. 382–394. Zu den schon erwähnten anakreontischen Gedichten kommt noch eine Sammlung mit dem Titel Sophronusae sive virgines quinque prudentes aus dem Jahr 1691 (HERRICHEN 1717, 170– 191), die anakreontische Gedichte im Hemiambus und anaklastischen ionischen Dimeter über Πίστις, Ἐλπίς, Ἀγάπη, Γαλήνη und Σοφία enthält. 82 Da der Einzeldruck des Gedichtes undatiert ist, finden sich in den Katalogen ganz unterschiedliche Angaben. Im VD 17 wird „ca. 1680“ angegeben (VD17 1:622835M). Albert von Haller gibt in seiner Bibliotheca Botanica das Jahr 1684 an (siehe dens. 1771, 624), Kurt Treu „ca. 1690“ (siehe dens. 1973, 123). Richtig allein ist die Angabe bei Clos 1869, 108 Anm. 2. 83 Carpzov erscheint mehrfach als Widmungsträger oder Empfänger von Gedichten seines Lehrers Herrichen, siehe HERRICHEN 1717, 183‒186 (Nominalia, 1691). 193f. (Nominalia, 1688). 224‒226 (Onomasteria, 1693). 235f. (Nominalia, 1690). 243 (Onomasteria, 1663). 249f. (Auf Carpzovs Hochzeit, 1676). 322‒336 (Auf Carpzovs Tod, 1699). 358f. (Beendigung des Unterrichts, 1663). 390f. (Onomasteria, 1684). 435f. (Auf den Tod der Tochter Johanna Teresia, 1684). 470f. (Auf einen Gedichtvortrag Carpzovs, 1667). 499‒502 (Nominalia, 1695). Zu Friedrich Benedikt Carpzov siehe Jöcher Bd. 1,1693f. s.v. CARPZOV (Frid. Bened.). Zu Carpzovs innigem Verhältnis zu Herrichen siehe Beck 1900, 47. 84 Siehe Bibliotheca Carpzoviana 1700. Zu Carpzovs Bibliophilie vgl. Juncker 1699, 10; Beck 1900, 55f. 59f. (Kontakte nach Holland und Frankreich); zu Carpzovs weiter Korrespondenz siehe Juncker 1699, 7. 10; zu Carpzovs Mitwirkung an den Acta Eruditorum siehe Juncker 1699, 11. 85 Zu Tollius siehe F. Koldewey, Art. „Tollius, Jakob“, in: ADB 38 (1894), 423–427.

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extractum convivium est fabulis, & Theae, de cujus tum viribus disputabatur, compotiuncula in Vesperam, cum liberalissimo Hospiti gratas gratias egi, meque domum apprime delectatus contuli.86

Schon am Abend zuvor war Tollius bei Carpzov zusammen mit Herrichen, dem Poetikprofessor Feller87 und dem Dänen Wolf zu Gast. Zum besonderen Lobe Herrichens schreibt Tollius: Multi ibi docti sermones habiti, multaque omnium fuit hilaritas: verum ego & tum & postridie, cum ab eodem CARPZOVIO ad prandium vocatus essem, de Fortuna plurimum conquestus sum, quae HERRICHIUM tam diu in latebris detinuisset, neque Virum tantae in Graeca Lingua peritiae, quantam in nullo hactenus offendi, in lucem Literariam protraxisset: amiceque & blande interminatus sum, nisi dehinc a Rep. Lipsiensi tantum ingenium lautius habeatur, operam me daturum, ut Batavi illum Nostri ad se evocent.88

Als Beweis für Herrichens Talent führt später Heinrich Christian von Hennin in seiner kommentierten Ausgabe von Tollius’ Briefen aus dem Jahr 1700 auch das Doricum Melydrion an, das, wie es bei ihm heißt, bisher nur in Sibyllinis foliis verbreitet gewesen sei.89 Es sei ihm aber durch Carpzov brieflich mitgeteilt worden. Bei den Sibyllina folia wird es sich um den undatierten Einzeldruck handeln.90 Hen-

86 HENNIN 1700, 66. Übersetzung: „Ausgedehnt wurde das Gastmahl mit Geschichten und einem Teetrunk, über dessen Kräfte man dann diskutierte, bis in den Abend, als ich dem freimütigen Gastgeber dankte und mich besonders erfreut nach Hause begab“. 87 Joachim Feller (1628–1691) spielt eine wichtige Rolle im Briefwechsel von Carpzov und Daum. Vgl. Beck 1900, 64. Feller findet sich auch als Widmungsträger oder Empfänger einiger Gedichte Herrichens, siehe HERRICHEN 1717, 38. 179‒182. 498. Zu Feller siehe K. Ritter von Halm, Art. „Feller, Joachim“, in: ADB 6 (1877), 614f. 88 HENNIN 1700, 65. Übersetzung: „Dort führte man viele gelehrte Gespräche und es herrschte viel Fröhlichkeit unter allen: Ich jedoch beklagte mich sowohl damals wie am folgenden Tag, als ich von demselben CARPZOV zum Mittagessen geladen worden war, sehr über das Schicksal, welches HERRICHEN so lange im Verborgenen versteckt gehalten hatte, und einen Mann von solcher Kenntnis in der griechischen Sprache, wie ich sie bei keinem bisher angetroffen habe, nicht ins Licht der gelehrten Welt gebracht hatte. Und so drohte ich in freundlichem und schmeichelndem Tone, dass, wenn ein solches Talent nicht von der Republik Leipzig anständiger gehalten würde, ich mich bemühen würde, dass meine Bataver ihn zu sich berufen würden“. 89 HENNIN 1700, 79: „Quæ TOLLIUS in Viri hujus optimi laudem ait, ea longe sunt infra illius merita & eruditionem. Ut occuramus nasutis, superciliosis & δοκησισόφοις quibusdam Germanici nominis tam in Gallia, quam Belgio obtrectatoribus, qui sibi judicii elegantiam & acrimoniam, Germanis ad summum industriæ aliquam laudem, vitio creati Censores, vindicant; lubet adscribere Johannis Gothofredi HERRICHEN de THEA herba, Doricum Melydrion: nam adhuc in Sibyllinis foliis circumvolitat, & quamvis sit forte prolixius, tamen elegantia fastidium periti Lectoris facile tollet. Debeo illud humanitati Frid. Bened. CARPZOVII, Viri laudandi, in quantum Humanitatis cum Eruditione elegans mistura laudari potest, qui literario commercio illud mecum communicavit. Puta mi Lector, Te lectione fessum, Theæ aliquot sorbillare & libare pocula. itaque audi Musas vere Græcas“. 90 HERRICHEN [1685]. Exemplare dieses Einzeldrucks finden sich z.B. in der Staatsbibliothek Berlin (Sign. 19 an: Xc 571), der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha (Sign. Phil 4° 00199/01 [03]), der Sächsischen Landesbibliothek Dresden (Sign. Diaet. 164,10) sowie

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nins Ausgabe von 1700 bietet damit einen ersten groben terminus ante quem. Genauer lässt sich dieser noch durch einen Brief von Johann Georg Graevius (1632– 1703) an Petrus Francius vom 18. Februar 1686 bestimmen, in dem Graevius dem Francius Herrichens Gedicht zukommen ließ.91 Als terminus post quem bietet sich andererseits eine 1685 von Carpzov herausgegebene Schriftensammlung mit dem Titel Thea sive de herba Sinensi Thee an.92 Sie enthält neben einem längeren hexametrischen Gedicht Pierre Petits (siehe unten 5.) und Inscriptiones von Johann Nikolaus Pechlin (1644/46–1706) über den Tee Exzerpte aus Schriften von Jacob Bontius (1592–1631), Willem Piso (1611–1678) und Nicolaas Tulp (1593–1674).93 In der Widmung erinnert Carpzov den Widmungsträger August Heiland an gemeinsame Teerunden in der Vergangenheit (Carpzov 1685, o.S.): THEAM, cuius potu praeteritis vernalibus nundinis, cum apud nos ageres, lusus inter iocosque simul aliquoties sumus vsi, iterum propino Tibi; non vt nuper in crateribus, ollis, & calcibus fictilibus ad hos vsus aptatis, sed papyro, omnem herbae adeo celebratae naturam, ortum, & virtutes exhibente.94

Da Carpzov in dieser Sammlung gewiss nicht das griechische Gedicht seines Lehrers Herrichen übergangen bzw. unerwähnt gelassen hätte, ist zu vermuten, dass Herrichens Gedicht später, ja vielleicht sogar durch Carpzovs Textsammlung veranlasst entstanden ist und dieser dann für dessen Veröffentlichung als Einzeldruck gesorgt hat.95 Dafür sprechen mehrere Gründe: Zunächst fällt die Ähnlichkeit zwischen dem gerade zitierten Satz aus Carpzovs Widmung und dem Widmungsepigramm an ihn von Herrichen auf, in dem es heißt: Ἄρτι Θέην προὔπινες ἐμοὶ σᾷ Χινάδι χύτρᾳ· | Ἐν χάρτῃ δὲ Θέην σοὶ πάλιν αὖθι φέρω („Gerade trankst du mir

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der Biblioteca Nazionale Centrale Firenze (Sign. 1045.21). Im VD 17 wird der Druck unter der Nummer VD17 1:622835M geführt. Zu Graevius’ besonderer Achtung vor Herrichens Griechischkenntnissen siehe Lizelius 1730, 294. Carpzov 1685. Die Texte von Bontius und Piso sind dem phantastisch illustrierten Band von Piso 1658 entnommen (dort 3. Teil, 87–90). Siehe dazu auch Sirks 1914; Römer 1933. Zu Pechlin siehe kurz A. Hirsch, Art. „Pechlin, Johann Nikolaus“, in ADB 25 (1887), 306f. Übersetzung: „Den Tee, dessen wir uns bei der vergangenen Frühjahrsmesse, als du bei uns weiltest, bei Spiel und Scherz zugleich einige Male bedienten, trinke ich Dir wiederum zu, diesmal aber nicht wie neulich in Mischkrügen, Töpfen und irdenen Bechern, die zu diesem Zwecke geeignet sind, sondern auf Papier, welches das Wesen, die Entstehung und die Vorteile der so gefeierten Pflanze bietet“. Dass Carpzov mehrere Gedichte Herrichens als Einzeldrucke veröffentlichen ließ, ist durch Juncker bezeugt. Siehe Juncker 1699, 8: Ex hoc quippe in bonas litteras amore non effectum est solum, vt, [...] cuncta propemodum Iohannis Godofredi Herrichenii, Viri Clarissimi, ipsius ac TVI quondam Praeceptoris, Carmina Graeca, quod ab exteris quoque illa sciret haberi in pretio, & vt eorum copiam facere vellet saepius sollicitaretur; […] sed & vt Bibliopolis occasio esset bonos libros subiiciendi praelis. Neben dem Teegedicht finden sich im VD17 noch folgende weitere der anakreontischen Oden (HERRICHEN 1717, 263–350) als Einzeldruck (jeweils nur die Nummer ohne VD17): 14:030266N (= HERRICHEN 1717, 269–274); 125:019165G (= a.a.O. 275–280); 14:627021C (= a.a.O. 286–290); 547:694463A (= a.a.O. 326–329). Auffällig ist die sorgfältige Gestaltung der Einzeldrucke. Die Oden beginnen stets mit einer prachtvoll gestalteten Initiale.

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mit deinem chinesischen Topf Tee zu, jetzt bringe ich Dir den Tee auf Papier wieder zurück.“) Außerdem spricht Herrichen am Ende des Widmungsgedichts auch schon von einer Publikation des Gedichtes durch seinen Gönner: Wenn es gefalle, möge er mit diesem Wasser (d.h. dem Tee) viel Papier schwarz machen (V. 15). Weiterhin zeigt die Gelehrtenliste (V. 93–96) in Herrichens Gedicht große Übereinstimmung mit der Schrift Carpzovs: Καρο-Πισο-Βοντεκοῖος, Σπόνιός τε, Τούλπιός τε, Τριγαύτιος, Πετῖτος, Σπέξ τε, καὶ ἄλλοι

Zwar enthält die Sammlung Carpzovs nur Schriften von Petit, Piso und Tulp, aber alle übrigen (Caron, Bontekoe, Spon, Trigault und Specx) werden zumindest darin erwähnt: Jacques/Jacobus Specx (1588–1652) in dem Text von Bontius,96 François Caron (1600–1673) in dem von Piso,97 Corneli(u)s Bontekoe (wahrscheinl. 1640– 1685), Nicolas Trigault (1577–1628) und Jacob(us) Spon(ius) (1647–1685) in einer Literaturliste am Ende des Heftchens (Carpzov 1685, [E 4 v]).98 Über einzelne Berührungspunkte zwischen den Texten von Bontius, Tulp und Spon mit dem Gedicht Herrichens war oben schon die Rede. Sicherstes Indiz für den Zusammenhang von Carpzovs Sammlung und Herrichens Gedicht ist die Erwähnung Petits, der zugleich als sicherer terminus post quem dienen kann, da sein hexametrisches Lehrgedicht über den Tee 1685 entstanden ist. Eine Entstehung von Herrichens Melydrion vor 1685 ist damit ausgeschlossen (wenn man nicht von der nachträglichen Erweiterung einer handschriftlichen Vorlage ausgeht). Für eine Entstehung zwischen 1685 und 1686 spricht ferner die Anordnung in der Gesamtedition von Herrichens Gedichten. Dort steht es am Anfang einer Reihe weiterer Melydria bzw. Odaria, die chronologisch von 1687 bis 1702 angeordnet sind. Das Gedicht, welches dem Teegedicht folgt, ist bereits ein Gedicht an den genannten Tollius, das genau auf das Jahr 1687 datiert ist. Eine letzte Bestätigung für die Datierung zwischen Ende 1685 und spätestens Anfang 1686 ist schließlich eine Rezension in den Acta Eruditorum vom März 1686, wo es heißt: Sed cum Thea Europæis jam satis innotuerit, quod maxima ejus copia quotannis e Sinarum regno afferatur, unde familiaris & velut domestica nobis reddita est, plura de ea commemorare nil attinet. Originem istius, virtutes, utendi modos, & alia circa eam notatu digna quæ occurrunt, venustissimo poemate Latino, quod illustri viro Petro Danieli Huetio inscripsit, superiori anno Parisiis expressit doctissimus Petrus Petitus, omnis philosophiæ & veterum auctorum exacta cognitione, medicæque artis peritia æque ac carminis gloria celeberrimus. Græcis quoque suavissimis anacreonticis odis virtutes hujus herbæ decantarunt Petrus Francius in Amstelodamensi gymnasio, & Johannes Gothofredus Herrichen in Lipsiensi nostro ludo literario,

96 Carpzov 1685, [D4 v]. 97 Carpzov 1685, E r. Zu Caron siehe Bartelds 1930. 98 Zu Bontius siehe Sirks 1914; zu Piso siehe Römer 1933; zu Specx siehe Stapel 1924; zu Tulp siehe Baumann 1914; zu Bontekoe siehe Baumann 1930; zu Spon siehe NBG 55 (1865), 352– 354 (zum Tee 354); zu Trigault siehe NBG 45 (1866), 636f.

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Stefan Weise doctores summe meriti. Horum carmina qui perleget, & istis clarissimi Pechlini de Thea dialogum, Theophili Bibaculi nomine insignitum, quem in Actis anni præterlapsi mense Januar. pag. 45. recensuimus, junget; amore in herbam incitatus, si minus valetudinis ob rationes, curiositatis tamen exsaturandæ gratia, potum decoctæ ex ea aquæ exoptabit.99

Daraus geht nun hervor, dass offensichtlich im Jahr 1685 in dichter Folge drei bekannte Teegedichte entstanden sind: Das lateinische Lehrgedicht Petits, zwei griechische Anacreontica von Petrus Francius und das Melydrion von Herrichen.100 Verbindungspunkt dieser Gedichte ist offensichtlich die Person Friedrich Benedikt Carpzovs, der alle Gedichte in eigenen Editionen nochmals oder im Falle Herrichens erstmals ediert hat. 5. VERGLEICH MIT DEN ANACREONTICA VON PETRUS FRANCIUS Um das genauere Verhältnis dieser Gedichte zueinander zu klären, bietet sich zum Schluss noch ein Vergleich vor allem zu den zwei griechischen Anacreontica von Petrus Francius bzw. Pieter de Fransz (1645–1704), aber auch zu dem Lehrgedicht von Petit an.101 Einen interessanten Einblick in Entstehung und Verbreitung der Gedichte erhalten wir, wie schon angedeutet, durch Francius’ Briefwechsel mit 99 Rez. Dufour 1686, 156f. Übersetzung: „Aber da der Tee den Europäern schon hinreichend bekannt ist, weil jährlich eine sehr große Menge von ihm aus dem Reich der Chinesen eingeführt wird, wodurch er uns bekannt und gleichsam heimisch geworden ist, ist es von keinem Nutzen, mehr über ihn zu berichten. Ursprung, Vorzüge, Arten des Gebrauchs und anderes, was zu ihm sonst noch bemerkt zu werden verdient, hat in einem sehr schönen lateinischen Gedicht, das er dem berühmten Herrn Pierre Daniel Huet gewidmet hat, im vorherigen Jahr in Paris der sehr gelehrte Pierre Petit ausgedrückt, hochberühmt durch seine genaue Kenntnis aller Philosophie und der alten Autoren sowie gleichermaßen durch seine Erfahrung in der Kunst der Medizin und durch den Ruhm seiner Dichtung. In sehr anmutigen anakreontischen Oden haben die Vorzüge dieser Pflanze auch Petrus Francius und Johann Gottfried Herrichen, hochverdiente Lehrer, der eine im Amsterdamer Gymnasium, der andere in unserer Leipziger Schule, besungen. Wer ihre Gedichte lesen und diesen den unter dem Namen Theophilus Bibaculus veröffentlichten Dialog über den Tee des hochberühmten Pechlin, den wir in den Acta des vergangenen Jahres im Monat Januar auf S. 45 rezensiert haben, an die Seite stellt, wird, angetrieben von Liebe zu dieser Pflanze, wenn schon nicht aus Gründen der Gesundheit, dann dennoch um seine Neugier zu befriedigen, das mit ihm abgekochte Wasser zu trinken wünschen“. 100 Meist werden auch später alle drei in einem Atemzug genannt. Siehe Triller 31750, [c 8r]: „Petitus hat vom Thee ein römisch Lied gemacht, / Wovon auch Francius zwey griechische geschrieben; / Allein als Herrichen dergleichen auch vollbracht, / Hat dieser jener Werth, wie Licht die Nacht, vertrieben.“; Welcome Guest 1861, 300; Clos 1869, 108. 101 Zu Francius siehe Jöcher Bd. 2,711f. s.v. FRANCIUS (Petrus); Eckstein 168; Pökel 81. Francius’ Anacreontica in laudem Thiae Sinensis sind mehrfach erschienen, zunächst zusammen mit dem lateinischen Gedicht von Pierre Petit (P = FRANCIUS 1685a), dann als Einzeldruck (L = FRANCIUS 1685b) und nochmals in der zweiten Auflage seiner Poemata (Po = FRANCIUS 1697). Die drei Fassungen differieren leicht. Der erste Druck zeigt noch viele Versehen und Akzentfehler, die zum Teil im zweiten Druck korrigiert sind. Für die Poemata scheint Francius die Gedichte noch einmal intensiver bearbeitet zu haben, so dass es hier und da auch textliche Veränderungen gibt. So wurden offensichtlich mehrfach Verse verändert, um prosodische Fehler zu beseitigen (od. 1,22. 36. 41; od. 2,2. 5. 11. 26f. 53. 55). Wohl versehentlich

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Graevius.102 Danach ergibt sich folgendes Bild: Francius’ Anacreontica und Petits lateinisches Lehrgedicht sind zunächst unabhängig voneinander in der ersten Häfte des Jahres 1685 entstanden.103 Graevius aber hat sie im Druck vereint (FRANCIUS 1685a), wofür Francius wohl noch ein griechisches Widmungsepigramm an Pierre Daniel Huet (1630–1721),104 der auch Widmungsträger von Petits Gedicht ist, und Petit selbst geschrieben hat.105 Nach dieser ersten Edition sind noch einmal Einzeleditionen von Petits und Francius’ Gedichten (nach Graevius mit der falschen Angabe des Druckorts Amsterdam) durch Carpzov zugleich mit dem Einzeldruck von Herrichens Gedicht in Leipzig entstanden.106

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wurde in der (Leipziger?) Ausgabe von 1685 ein Vers des ersten Odarions ausgelassen. Da es hier um die ältere Fassung von 1685 als mögliche Vorlage Herrichens geht, wurde diese dem Abdruck im Anhang zugrunde gelegt, Abweichungen im Apparat vermerkt. Nicht berücksichtigt wurden dabei kleine Abweichung bei der Positionierung der Akzente (z.B. bei Diphthongen) oder deren Fehlen bei Majuskeln (sofern dies durchgehend ist). Eine kurze Besprechung der Poemata findet sich in den Acta Eruditorum 1697, 350f. Francius 1706; Graevius 1707. Dafür dass die Gedichte zunächst nichts miteinander zu tun hatten, spricht auch, dass Petit in den beiden Odaria von Francius nicht mehr angesprochen wird. Stattdessen erwähnt Francius im zweiten Odarion (Francius od. 2,48. 52) seinen Freund Matthaeus Sladus. Zu Sladus (1628– 1689) siehe Pescheck 1821, 454; Eckstein 537; Wijnmann 1933 (ebd. 1039 auch zu griechischen Gedichten desselben). Dass auch Sladus Teegedichte geschrieben haben könnte, legt eine Äußerung aus Graevius’ Briefwechsel mit Francius nahe. Siehe Graevius 1707, 480f. (Nr. 83); Pescheck 1821, 453. Auch von Huet gibt es ein lateinisches Teegedicht. Siehe zu ihm kurz Eckstein 261; Pökel 127. Eine genaue Beschreibung dieses ersten Drucks (FRANCIUS 1685a) gibt Treu 1973, 122f. FRANCIUS 1685b; Carpzov 1685; HERRICHEN [1685]. Vgl. Haller 1771, 629; Pescheck 1821, 453f. (Pescheck geht fälschlich davon aus, dass Petits Gedicht auf Griechisch verfasst worden ist); Treu 1973, 122f. Graevius macht in einem Brief an Francius Mitteilung vom Erhalt des Hexametergedichts von Petit und erwähnt zugleich Francius’ griechische Anacreontica (24. Mai 1685): Carmen quod heri ab amicissimo Petito Parisiis accepi de laudibus Theae, me mirifice cepit, ut inter ejus cetera, quae olim tibi junctim edita misi, tantopere putem eminere, ut inter viburna cupressos. Hinc & non potui non id tecum & cum Broekhusio nostro, formarum Musicarum elegantissimis arbitris, communicare. Quid vobis de illo videatur libere velim mihi pro amicitia nostra significes, & ut tua Graeca de eodem argumento, quae nuperius, cum vobiscum essem, legi cum magna voluptate, mittas, rogo. […] (Francius 1706, 367f. [Nr. 44] = Graevius 1707, 477f. [Nr. 81]) Nachdem Francius dem Graevius die Gedichte offensichtlich geschickt hat, schreibt dieser dem Francius zurück, dass er Petits Gedicht zusammen mit seinen beiden Graeca in Druck geben möchte (23. Juli 1685): […] Carmen Petiti typographo nostris typis describendum dedi. Illi accedent tua Anacreontica perelegantia cum disticho ad Huetium & Petitum. Sed typographus rogat ut Anacreonticorum saltem Latinam versionem adjicias. quod cum tibi sit in promtu, da homini hanc veniam, & quidem propediem, ne illum moreris. […] (Francius 1706, 370 [Nr. 46] = Graevius 1707, 479 [Nr. ]). Mit einem Brief vom 18. September 1685 schickt Graevius dem Dichter Francius ein Druckexemplar mit der Bemerkung, dass sein Sohn die Graeca korrigiert habe. Siehe Francius 1706, 370f. (Nr. 47) = Graevius 1707, 480f. (Nr. 83). In einem Brief vom 18. Februar 1686 schickt Graevius dem Francius den Leipziger Druck zusammen mit dem Gedicht von Herrichen: EN tibi tuam Theam typis denuo commissam Lipsiensibus, quamvis Amstelodamensium nomen prae se ferant, cujus tamen mysterii rationem non intelligo. Accedit rectoris Lipsiensis Doricum carmen de eodem argumento. […] (Francius 1706, 374 [Nr. 52] = Graevius 1707, 486 [Nr. 88]). Über Graevius kam dann

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Bei Francius’ Gedichten handelt es sich nun um zwei Anacreontica (im Folgenden zitiert als Francius od. 1/2), die als Ὠδάριον bezeichnet und jeweils im Hemiambus abgefasst sind.107 Es fallen einige Parallelen zu Herrichen auf, so dass es naheliegt, an eine gegenseitige Abhängigkeit zu denken. Francius’ Gedichte sind allerdings wesentlich einfacher gehalten. Neben der stichischen Verwendung des Hemiambus gibt es zahlreiche Wiederholungen und viel deutlichere Anlehnung an die CA als bei Herrichen. So findet sich im ersten der Odaria siebenmal das Verspaar Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ | Τὴν Σηρικήν τε ποίην als Refrain, womit es sich als parodia von CA 45 und 50 erweist. Außerdem fehlt vollkommen der Lehrcharakter, der Herrichens Melydrion über weite Strecken zu eigen ist. Stattdessen sind Francius’ Anacreontica reine Preisgedichte mit der Aufforderung zum Trinken. Die besondere Wirkung des Tees wird dabei teils mit dionysischer μανία (od. 1,32 Θέλω θέλω μανῆναι), teils mit apollinischem ἐνθουσιασμός (od. 2,26–28) gleichgesetzt, während der gesundheitlich-diätetische Aspekt fast keine Rolle spielt (od. 1,42 σαόφρον ὕδωρ, od. 2,46 + 50 Ἰατρῶν καὶ ἀοιδῶν). Entsprechend stärker ist auch vor allem im zweiten Gedicht die Einbindung mythologischen Personals. Genannt werden: Apoll (od. 1,36; 2,28), Artemis (od. 2,21), Bakchos/Lyaios (od. 2,22f.), Hebe (od. 2,62.66), Kythere (od. 2,13), Narkissos (od. 2,21), verschiedene Nymphen (od. 2,14–17), Zeus (od. 2,32).

wohl auch der Kontakt zwischen Petit und Francius zustande. In Francius’ Posthuma findet sich ein Brief von Petit, in dem sich dieser für das den Anacreontica vorangestellte Widmungsgedicht bedankt: Sed & ipse, an aliis scriptionibus, dicere non habeo, certè carmine illo quod anno superiore edidi, de Theae Sinensis laudibus, me tibi innotuisse intelligo ex epigrammate praefixo Anacreonticis tuis. Quo nomine maximas quantum possum gratias tibi ago. Quam enim ex eo opusculo vix sperare ausus essem immortalitatem, hanc mihi judicio tuo, atque honorifica Musarum mearum mentione planè confectam video. […] (Francius 1706, 369f. [Nr. 53]). Vielleicht steht im Zusammenhang mit den Anacreontica auch ein Dankesbrief von Pierre Daniel Huet, der allerdings wesentlich später vom März 1689 datiert (Francius 1706, 395 [Nr. 71]). 107 Im Gegensatz zu Herrichen ist die Handhabung der Metrik bei Francius weit weniger „glatt“. So sind zum einen – wie auch bisweilen in den CA (vgl. West 21993, XIV) – in die Hemiamben mehrfach anaklastische ionische Dimeter eingeschoben (Francius od. 1,3. 7. 9. 13f. 22. 48; od. 2,2. 23. 26. 27. 54. 57f.), zum anderen figuriert häufiger die dritte Silbe (od. 1,1. 15. 19. 20. 24. 28. 33. 36f. 41; od. 2,11. 28. 32f. 35. 39f. 42–44. 46. 50. 53. 55. 64. 67), vereinzelt die fünfte Silbe (op. 2,47) als Länge (x — — — ∪ — x oder x — ∪ — — — x), sofern man nicht von metrischer Kürzung ausgehen muss. Letzteres ist für die Fälle plausibel, in denen die Länge durch das Iota einer Form des Präsensstammes von πίνω gebildet wird (op. 1,1. 10. 15. 19f. 24. 28. 33. 37. 41; od. 2,28. 32f. 42f. 47; vgl. CA 45,1). Bei den ionischen Dimetern ist entsprechend bisweilen die vierte Silbe lang (od. 1,7. 9. 22. 48; od. 2,26). Metrische Dehnungen liegen in od. 1,44 (φῑλοι) und od. 2,63 (διᾱκονοῖντο, vgl. CA 15,14; 32,6) vor. Unmetrisch erscheint od. 2,5 Θεῆς οὔνομα λαχοῦσα (eine Lösung wäre, Synizese bei θεῆς und Längung von -μα durch das folgende λ- anzunehmen [vgl. CA 28,6]). Dass sich Francius der Probleme bewusst war, zeigen die Umformungen in der Fassung der Poemata. Auch die verwirrenden Optative in od. 2,19f. sowie die Form λοχεῦσα (od. 2,18) hat Francius später korrigiert.

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Eine erste klare Gemeinsamkeit besteht formal in der Aufteilung von Widmungsgedicht in elegischen Distichen und Ode bzw. Oden in anakreontischen Maßen.108 Wie bei Herrichen verweist auch Francius’ Widmungsgedicht gleich zu Anfang auf Pindars ἄριστον μὲν ὕδωρ, welches später auch im zweiten der Anacreontica nochmals aufgegriffen wird (Francius od. 2,11f.): Σὲ μὲν Θηβαῖος ὄρνις | Ἄριστον εἶπεν ὕδωρ („Dich nannte der Vogel von Theben bestes Wasser“). Auch der Bezug auf Anakreon ist natürlich gemeinsam. So heißt es wiederum im zweiten von Francius’ Gedichten (Francius od. 2,23–25): Σὲ μὲν ἀντὶ τοῦ Λυαίου | Ἀνακρέων τε πίνοι | Ἀνακρέων τε μέλποι. („Dich möge anstelle des Weins Anakreon trinken und Anakreon besingen.“) Zu diesen Grundelementen kommen noch etliche weitere einzelne Motive und Topoi hinzu, die die Gedichte von Francius und Herrichen teilen: a) Akustisch-semantisches Spiel mit Tee (Θέα) und „Göttlich“ (θεῖος) oder „Göttin“ (θεά) Bei Francius (Epigramm 6): Θεῖον ὕδωρ Θείη, (od. 2,3–8): Ὕδωρ, Θέη, θέειον, ǀ Θεῖον ποτὸν χέουσα, ǀ Θεῆς οὔνομα λαχοῦσα, ǀ Τίς οὐ βροτῶν φιλεῖ σε, ǀ Τίς οὐ βροτῶν καλεῖ σε ǀ Θεὰν, θεὴν, θεαίνην; Bei Herrichen (V. 55): Καλεῦντι Θῆ δὲ Θεῖον, (V. 107): Θέα Θεὰ ποάων

b) Der Tee überbietet Wein und Nektar Bei Francius (od. 1,9–18): Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, | τὴν Σηρικήν τε ποίην, | Οὔ μοι μέλει ποτοῖο, | Ὑποληνίου δρόσοιο, | Μέλιτός τε νέκταρός τε. Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ | τὴν Σηρικήν τε ποίην | Ἀνθρώπινόν τε νέκταρ | Λείπω τὸ νέκταρ ὑμῖν, | Νέκταρ πίνουσιν ἡδύ. (od. 1,40): Οἶνον πίνοι μὲν ἄλλος. Bei Herrichen (V. 142f.): Ὀλιγωρέω τὸν οἶνον, | Ὀλιγωρέω τὸ νέκταρ | Μίαν Διὸς ποτῆτα, | τοῦτο ῥοφήσων.

c) Der Tee vertreibt Kummer und Sorgen (μέριμναι) Bei Francius (od. 1,19–22): Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, | τὴν Σηρικήν τε ποίην, | Ἀποφεύγουσίν με πᾶσαι | κοπαί τε καὶ μέριμναι. Bei Herrichen (V. 137–140): Σάον οὖν πιόντες ὕδωρ, | Λάλον οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ | Κακὰς νότοις μερίμνας | Δῶμεν, ἑταῖροι.

d) Der Tee verschafft Gemütsruhe (γαλήνη) Bei Francius (od. 1,25f.): στήθεσσιν ἐν φίλοισιν | Πολλὴν ἔχω γαλήνην. Bei Herrichen (V. 114): Φρεσὶν ἀρθμέει γαλάναν

e) Unterschiedliche Völker als Teekonsumenten

108 In seinen Poemata hat Francius die Reihenfolge umgekehrt. Es erscheinen zunächst unter dem Titel Εἰς Θέαν Βοτάνην die Anacreontica und dann das Widmungsepigramm. Siehe FRANCIUS 1697, 468–472 (Anacreontica). 473 (Widmungsepigramm).

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Stefan Weise Bei Francius (od. 2,42–44): Σὲ μὲν πίνουσι Σῆρες, | Σὲ μὲν πίνουσιν Ἰνδοὶ, | Σε πίνουσιν Βαταυοί. Bei Herrichen (V. 101–104): Σβεκο-Βριττο-Βελγο-Τεύτων, | Ἰταλὸς, Πολῶνος, Οὗννος, | Ἀλεκτρυὼν, Ἴβηρες, | Τᾶσδε ποθεῦσιν.

f) Der Tee regt zum Sprechen an Bei Francius (od. 1,34–36): Σοφῶν ἔγωγε κουρῶν, | Ἀπόλλωνός τε Φοίβου | Λάλον πίνω μὲν ὕδωρ. Bei Herrichen (V. 185–188): Λάλον οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ, | Ἵνα νύχθ’ ὅλαν, ἑταῖροι, | Ἀπ’ ὀμμάτων σοβῶμεν | Νήδυμον ὕπνον.

Gerade bei den letzten Versen fällt nochmals die Nähe auf. Herrichen und Francius teilen sich die Junktur λάλον ὕδωρ, die allerdings aus dem zwölften Gedicht der CA stammt (CA 12,7). Daher muss die Gemeinsamkeit nicht zwingend auf gegenseitige Abhängigkeit zurückgehen. Insgesamt spricht aber einiges dafür, davon auszugehen, dass der eine den anderen Dichter kannte, zumal das Hexametergedicht Petits, den Herrichen in seiner Ode erwähnt, zunächst gemeinsam mit Francius’ Anacreontica erschien. Die komplexere Struktur von Herrichens Gedicht lässt vermuten, dass dieser die Vorlage von Francius weiterentwickelt hat, obwohl er ihn selbst nicht in seinem Gedicht erwähnt. Er erwähnt jedoch einen anderen Dichter: Pierre Petit (1617–1687),109 was es wahrscheinlich macht, dass Herrichen bei der Gestaltung seines Gedichtes auch direkt auf dessen hexametrisches Lehrgedicht zurückgegriffen hat. Ein erstes Indiz dafür ist die Bezeichnung des Tees als Θῖα, die Herrichen in Str. 10 (V. 53) erwähnt, ein Spezifikum von Petits Gedicht, der stets die Form Thia mit langem i verwendet.110 Walther Ludwig hat für Petits Gedicht folgende Gliederung vorgeschlagen:111 1–201 55–171 172–201 202–473 202–209 210–227 228–256 257–273 274–333 334–353 354–415 416–429

Einleitung (prooemium maius) Lob Chinas Rückkehr zum Thema Hauptteil Propositio (i) Gestalt der Teepflanze (ii) Ernte und Festtage (iii) Behandlung des Tees und Opferfeiern (iv) Weg des Tees nach Europa Exkurs zur Jesuitenmission (v) Richtige Zubereitung des Tees Vergleich mit Wein

109 Zu Pierre Petit siehe kurz Eckstein 434; Pökel 206; NBG 39 (1862), 710f. 110 Siehe Ludwig 1977, 204. In den anderen bei Carpzov 1685 gesammelten Texten wird in der Regel thea als lateinischer Name verwendet. 111 Das Gedicht liegt in mehreren Ausgaben vor: FRANCIUS 1685a; Carpzov 1685, A r–[C 2v]; Poëmata didascalia 1749, 24–42.Vgl. dazu Ludwig 1977, 201f.

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Erklärungsversuch für besondere Wirkung des Tees Epilog

Der Vergleich zu Herrichens Gedicht enthüllt viele strukturelle Gemeinsamkeiten. So decken sich Herrichen und Petit darin, dass sie vor das eigentliche Thema eine längere Einleitung stellen. Diese enthält bei beiden ein Lob für Chinas Reichtum an Rohstoffen und einen Makarismos der östlichen Völker: O fortunatae gentes, ruft Petit in V. 36, ὑπερόλβιοι μέν ἐστε und εὐτυχεῖς βοῶμεν, sagt Herrichen in V. 45/49.112 Dann folgt bei beiden im Hauptteil zunächst etwas zu Gestalt und Ernte des Tees sowie schließlich zur Zubereitung. Während Petit allgemein von der Zubereitung bei Chinesen und Japanern spricht, personalisiert Herrichen dies, indem er die Vorbereitung einer Teerunde mit Freunden schildert. Das entspricht wiederum dem lyrischen, anakreontischen Charakter von Herrichens Gedicht. Nicht zufällig trifft er sich darin nochmals mit Francius, der ebenfalls in sein zweites Odarion seinen Freund Matthaeus Sladus als Teetrinker integriert und am Schluss an die Darreichung durch schöne Mädchen denkt (bei Herrichen ist es wohl, wie oben dargelegt, die Haushälterin Martha). Als Eigengut Herrichens tritt im Vergleich der zweite Hauptteil zur medizinischen Wirkung des Tees zusammen mit der Gegenüberstellung zu anderen Kräutern aus dem Dioskurides hervor. Außerdem geht mit dem Wechsel des literarischen Genus auch eine deutliche Zurückdrängung des Mythos einher (siehe oben), der bei Petit eine herausragende Rolle spielt. Und doch findet sich hier eine letzte auffällige Gemeinsamkeit. Wie im Anschluss an Vergil im neulateinischen Lehrgedicht üblich, fingiert auch Petit in der Mitte seines Gedichts einen neuen Mythos:113 Danach sei die inspirierende Wirkung der Musenquelle Hippokrene im Altertum auf den Tee zurückzuführen, mit dessen Blättern die Musen, durch Apoll von ihrer Wirkung unterrichtet, das Wasser lange vor Kadmos getränkt hätten. Die Priester hätten dann später das Wasser erwärmt und in Bechern dargereicht, so dass die Dichter, die nichts von dem Tee wussten, dessen Wirkung der Gottheit zuschrieben. Nach Eroberung Griechenlands durch die Römer sei dies in Vergessenheit geraten und die Musen hätten den Tee aus Zorn auf die Römer solange verborgen, bis sie dafür durch Zerstörung und Eroberung ihres Reiches gebüßt hätten. Erst danach sollte der Tee allen bekannt werden. Zwar berichtet Herrichen diesen erfundenen Mythos nicht in seinem Gedicht, aber es scheint so, als würde in der erweiterten Fassung seines Widmungsgedicht (siehe oben) darauf angespielt, wenn es dort heißt: Εἴ τις ὕδωρ ξυνίοι κρήνης, ἣν ὤρυχεν ἵππος, ǀ οὐκ ἐρίσω· δοιοῖς ἓν σχεδόν ἐστι μένος. Das könnte nun eine nachträgliche Adaption sein, aber es stützt trotzdem die Vermutung, dass es eine nähere Verbindung zwischen beiden Texten gibt.

112 Speziell zum China-Bild bei Petit siehe Schindler 2008, 265–268. 113 Siehe Ludwig 1982. Speziell zu dem Mythos bei Petit vgl. ebd. 172 und Ludwig 1977, 206f.

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6. ZUSAMMENFASSUNG Falls die vorgetragenen Vermutungen richtig sind – zeitlich würde nach dem Gesagten nichts dagegen sprechen –, hätte man in Herrichens Teegedicht einen Nachweis von Intertextualität zwischen zwei neualtgriechischen sowie mehreren lateinischen Texten. In dem hier postulierten Rückgriff zum einen auf die (neualt)griechischen Anacreontica von Francius und zum anderen das (neu)lateinische Lehrgedicht von Petit dürfte die Grundlage für Herrichens Neugestaltung und die Erklärung für die ungewöhnliche Gattungskreuzung zu einem „anakreontischen Lehrgedicht“ liegen. Es sollte gezeigt werden, dass neualtgriechische Literatur nicht nur eindimensional als Rezeption und Umformung antiker Vorlagen zu betrachten ist, sondern dass sie wie andere Literatur auch auf vielfache Weise mit ihrer Umwelt und dem Kontext ihrer Entstehungszeit interagiert. Sie wandelt antike Vorbilder in spezifischer Weise um und generiert daraus neue, eigene Formen und Inhalte. Herrichens „dorisch-anakreontisch-didaktisches Preisgedicht mit anakreont(ik)o-sapphischer Strophenform“ auf den Tee exemplifiziert dies in mehrfacher Weise und auf mehreren Ebenen. Zunächst ist es ein Musterbeispiel für die neuzeitliche Transformation antiker Formen und Inhalte (und damit von historischer Kommunikation zwischen Antike und Neuzeit), dann ein Beispiel für den produktiven Austausch innerhalb der europäischen res publica litteraria sowohl auf dem Gebiet der Literatur im engeren Sinne als auch zwischen Naturwissenschaft und Dichtung und schließlich ein Beispiel der beginnenden intensiveren Auseinandersetzung mit Kulturen außerhalb Europas und damit zugleich der Öffnung für neue Inhalte.114 Einender Punkt aber bleibt das Medium der griechischen Sprache, die auch in der Neuzeit noch eine Literatur sui generis et iuris hervorgebracht hat.

114 Die Erweiterung des Weltbilds in der neualtgriechischen Literatur zeigen etwa auch die (griechischen!) Supplemente zu dem geographischen Lehrgedicht von Dionysios Periegetes in den Ausgaben des Engländers Edward Wells ab 1704. Vgl. dazu Jacob 1990, 241–252 (257 Wells’ Ausführungen zu China in frz. Übersetzung); Brodersen 1996, 38f. Außerdem ist auf etliche ethnographische Herodot-Parodien englischer Gelehrter des 19. und 20. Jahrhunderts zu verweisen, die beim Gaisford Prize gekürt worden sind. Siehe die Liste unter https://www.en.wikipedia.org/wiki/Gaisford_Prize [Stand: 20.09.2016]. Für China im Besonderen kann man auch auf sinophile Tendenzen in der neulateinischen Literatur des 17. und vor allem 18. Jhs. verweisen (Hinweis Martin Korenjak, dem an dieser Stelle für seine aktive Teilnahme an der Tagung in Wuppertal herzlich gedankt sei), siehe Korenjak 2016, 151–154. – In Herrichens Gedicht gibt es allerdings trotz der „exotischen“ Pflanze keine intensivere Auseinandersetzung mit den südostasiatischen Kulturen an sich. Sie beschränkt sich lediglich auf die unterschiedlichen Bezeichnungen der Pflanze (Str. 10), die Feststellung der Entfernung (Str. 7) und die Preisung des Reichtums an Edelsteinen (Str. 9). Man könnte höchstens als inhaltliches Element darauf verweisen, dass Herrichen wie die Chinesen den Teegenuss speziell mit Freunden teilen möchte (vgl. dazu die Ausführungen von Piso in Carpzov 1685, D 2r). Die Zubereitung nimmt er allerdings nicht wie die Chinesen selbst vor, sondern seine Haushälterin (?) Martha. Vgl. auch Schindler 2008, 265–268 zum „europäisierten“ China-Bild in Petits Thia Sinensis.

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Abb. 1 Kupferstich von Erasmus Andresohn (1651–1731) mit Darstellung einer Teepflanze aus Carpzovs Leipziger Edition von Pierre Petits Teegedicht aus dem Jahr 1685

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7. APPENDIX a) Herrichens Teegedicht in der Fassung von 1717115 DE THEA HERBA ad Nobilissimum Virum FRIDER. BENED. CARPZOVIUM.

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Ὁππότε Διρκαῖος χρυσᾷ φόρμιγγι μελῳδός Ἁδὺ κρέκων, ΚΑΡΠΖΩΥ, φάσκεν· Ἄριστον ὕδωρ. Φαμί μιν, ἠὲ θέης, ὕδωρ οὐκ ἄλλο νοῆσαι·

Κοινὸν ὕδωρ φοιβᾷ λύματα, τοῦτο φρένας. Ὅσσον ἀρειοτέρη γοῦν σώματος ἔπλετο ψυχά, Τόσσον Ἐλυστρείου Θήϊόν ἐστιν ὕδωρ. Ἄρτι Θέην προὔπινες ἐμοὶ σᾷ Χινάδι χύτρᾳ· Ἐν χάρτῃ δὲ Θέην σοι πάλιν αὖθι φέρω. Αἴχ’ ἅδε, τῷδε πολὺν ποιοῖς μέλαν’ ὕδατι χάρτην· Εἰ μή· δρῷ λευκὸν τῷδε κοπρῶνα Θέη. Melydrion.

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Σὺ μὲν Εὐΐου πεπωκώς 1 Ἑκατοντάκις δέπαστρον, Ἀνάκρεον, καθεύδεις 20 Χάλκεον ὕπνον. (2) Τί δὲ σὰ λύρη λιγεῖα, 5 Λαλιεστάτα τί φόρμιγξ Μεταξύ; μῶν καρώθη Σοὶ σὺν ἀοιδῷ; __________________________________________________________________ Sim.: 1sq. cf. Pi. O. 1,1 ‖ 17sq. cf. CA 34,3; Carm. Pop. 2,8 (PMG 848) ‖ 20 cf. Hom. Il. 11,241 App. crit.: tit. Johannis Gothofredi Herrichen de Thea herba Doricum Melydrion A in frontispicio, om. E | ad … CARPZOVIUM E: Πρὸς τὸν ΦΡΕΔΕΡΙΚΟΝ ΒΕΝΕΔΙΚΤΟΝ ΚΑΡΠΖΩΒΙΟΝ τὸν Βουλευτὴν, Πολυΐστορα, καὶ φιλοθέυδρον εὐκλεέστατον AH ‖ 2 , ΚΑΡΠΖΩΥ, H: , Καρπζῶυ, A: ΚΑΡΠΖΩΥ E ‖ 3 μιν. E ‖ 4–9 desunt in AH. An Cyrilli ipsius aut editoris sint, non liquet ‖ 8 ἐρίσω. AHE ‖ 13 σῇ … χύτρῃ AH ‖ post v. 16 Ο ΚΥΡΙΛΛΟΣ. AH ‖ 21 λίγεια debuit (cf. LSJ 1048 s.v.) 115 Die Siglen sind im Literaturverzeichnis aufgelöst. Die Zählung am linken Rand ist durchgehend, am rechten Rand nur für das Melydrion. Strophennummern stehen links in Klammern.

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Deutsche Übersetzung ÜBER DIE TEEPFLANZE an den edlen Herrn FRIEDRICH BENEDIKT CARPZOV.

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Als der dirkäische Sänger (= Pindar) mit der goldenen Leier lieblich singend, Carpzov, sagte: „Wasser ist das Beste“, da, behaupte ich, hatte er kein anderes Wasser gemeint als das des Tees,

Das gewöhnliche Wasser reinigt den Schmutz, dieses den Geist. Um wie viel besser also als der Körper die Seele ist, ebenso viel besser als das Elster-Wasser ist das des Tees. Neulich reichtest du mir den Tee mit deinem chinesischen Topf dar, auf Papier aber bringe ich dir den Tee wieder zurück. Wenn es gefällt, magst du mit diesem Wasser viel Papier schwarz machen, wenn nicht, soll der Tee damit den Misthaufen weiß machen. Liedchen.

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Du, der du hundertmal den Becher des Euios (= Dionysos) trankst, Anakreon, schläfst einen ehernen Schlaf. Was aber macht deine helltönende Leier, was deine äußerst geschwätzige Phorminx unterdessen? Wurde sie etwa in tiefen Schlaf mit dir, dem Sänger, versetzt?

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Ἄνα! σῶν ἀπ’ ὀμμάτων σμᾶ Βαθὺ νῶκαρ. οὐ καθῆκον 10 Ἐσαιὲν, ὡς σελάνας Ἀνέρα κνώσσειν. (4) Βλεφάρων δὲ καμμυόντων 30 Ἐὰν οὐ δύνῃ δίεσθαι τὸ κῶμ’, ἐμοὶ χαρίζευ 15 Σεῖο χελώναν. (5) Ἐθέλω γὰρ οὐ παλαιοῖς Βοτάναν βροτοῖσι γνωστάν, 35 Ὕδωρ τε τοὶ βδελυκτόν Γάρυϊ φράσδειν. 20 (6) Σοφὸς εὑρετὰς ποάων Ἰδὲ φαρμάκων ὁ Φοῖβος Συναινέοι μενοινάν 40 Τάνδε μελῳδός. (7) Μέγα Χινανεὺς, Ἰάπων, 25 Μέγα χαῖρέ μοι Χιαμέ, Ἀφ’ ἁμέων ἐν ἄλλῳ Κλίματι ζῶντες. 45 (8) Ὑπερόλβιοι μέν ἐστε Ψαμάθοιο χρυσέοιο, 30 Ἰασπίδων, σμαράγδων, Ἠδὲ σαφείρων. (9) Ἀτὰρ εὐτυχεῖς βοῶμεν 50 Ὑγιεστάτης γε ποίης Τοπλεῖον, ἃν παρ’ ὔμμι 35 Γαῖα λοχεύει. (10) Ἔνιοι καλεῦντι Θῖαν, Ἔνιοι Τζίαν καλεῦντι, 55 Καλεῦντι Θῆ δὲ θεῖον Θαμνίον ἄλλοι. 40 (11) Τερένεσσιν, ἀλλὰ συχνοῖς, Ἀνατέλλεται λοβοῖσι Δίπαχυς ἐξ ἀρούρας 60 Δῖαν ἐς αὖραν. __________________________________________________________________ Sim.: 25 ἀπ’ ὀμμάτων cf. CA 26,7 ‖ 26 νῶκαρ cf. Nic. Th. 189 ‖ 27sq. cf. Arist. EN 1178 B; Theoc. 3,49sq. ‖ 37 cf. CA 38,3 ἐφευρετὰν χορείας ‖ 40 μελῳδός cf. CA 1,2 ‖ 41sq. cf. Gul. Pisonem: nullibi terrarum […] nisi in Japoniæ, Chinæ, & Chiam campis colitur (Carpzov 1685, E r); Synes. hymn. 5,69sq. μέγα χαῖρε, …, μέγα χαῖρε (= Hom. Od. 24,402) ‖ 45 cf. Petr. Petitum, v. 36: O fortunatae gentes ‖ 53 Thiam appellat herbam Petr. Petitus ‖ 54sq. cf. Gul. Pisonem: Chinensibus The, Japonensibus Tsia nomen (Carpzov 1685, E r) ‖ 60 cf. Hom. Od. 19,540 ἐς αἰθέρα δῖαν App. crit.: 26 νῶθαρ AH ‖ 28 κνωσσέμεν ἀνήρ; E ‖ 30 διέσθαι H ‖ 35 σοὶ AH ‖ 37 εὑρέτας AH ‖ 41 Χιναεὺς AH ‖ 53 θῖαν E ‖ 54 τζίαν E

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Auf, wisch dir von deinen Augen den tiefen Schlaf. Es geziemt sich nicht, für immer wie Selenes Mann (= Endymion) zu schlafen. Wenn du von deinen einnickenden Augen nicht verscheuchen kannst den Schlaf, schenke mir deine Leier. Denn ich will eine den Alten nicht bekannte Pflanze und das von dir verabscheute Wasser mit meiner Stimme preisen. Der weise Finder der Kräuter und Heilmittel, Phoibos, möge meinem Begehren beistimmen, der Sänger. Sei mir besonders, Chinese, Japaner, sei mir besonders gegrüßt, Siamese, die ihr fern von uns in einer anderen Himmelsgegend lebt. Überaus reich seid ihr zwar an goldenem Sand, Jaspis, Smaragden und Saphiren gesegnet. Aber wir nennen euch glücklich noch mehr für das gesündeste Kraut, das bei euch 35 die Erde hervorbringt. Einige nennen „Thia“, andere nennen „Tzia“, andere wiederum nennen „The“ den göttlichen Strauch. Mit zarten, aber zahlreichen Samenkapseln wächst er zwei Ellen hoch aus dem Acker in die göttliche Luft.

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Πετάλοισι μυρίοισιν 45 Ἐπὶ κρᾶτας ἐκ ποδοῖϊν Πολυσχιδεῖς κλαδίσκοι Ἀμφὶ βρύουσι. 65 (13) Βοτάνα δὲ ταῖς ῥοδῇσι Παρομοιΐη προπέμπει 50 Ἐπαγρίοις ῥόδοισιν Ἴκελον ἄνθος. (14) Τὸ μὲν ἄνθος οὐκ ἐσώθη 70 Καλάθοισιν ἢ κιβωτοῖς, Ἀχρεῖον, οὐδὲν ὀδμᾷ 55 Ῥῖνας ὀφέλλον. (15) Ἐπὶ δ’ αἶαν, οἷα πάπποι, Μεμαρασμένον καταῤῥεῖ, 75 Νόσοις ὄνειαρ οὐδέν, οὐδὲ δὸν ὄσσοις. 60 (16) Μόνα τιμάασθε φύλλα, Μόνα συλλέγεσθε φύλλα, Συνηρεφῆ τε φύλλα, 80 Ξηρὰ ποιεῖσθε. (17) Ὅταν οὖν καλῶς ξερανθῇ 65 Ἐν ὑποσκίοις ἀλωαῖς, Μολιβδίνᾳ τάδ’ ἔνδον Κλείετε θάκᾳ. 85 (18) Μεγάλου δ’ ἔπειτα χρυσοῦ Ἐπὶ γαιέων ἐλάσσω 70 Ἀπεμπολεῖτε χαλόν, Μάσσονα μικροῦ (19) Τὰ κάτω γάρ ἐντι μείζω, 90 Τὰ δ’ ἄνω λίαν γε μείω· Τὰ ταῦτα δή ’στ’ ἀρείω, 75 Κεῖνα χερείω. __________________________________________________________________ Sim.: 61–64 cf. Gul. Pisonem: Caules et ramunculi totius fruticis a pede usque ad verticem, perpetuis & infinitis floribus & foliis […] ornate vestiuntur (Carpzov 1685, E r). ‖ 65–68 cf. Gul. Pisonem: Flores porro fert The […] rosae silvestris Europææ […] simillimos (Carpzov 1685, D 2r) ‖ 73–75 cf. Petr. Petitum: cadit illa, neque ullum / carpendi fructum de se mortalibus affert. ‖ 77sq. cf. Petr. Petitum (v. 228): Sola iuvant folia. ‖ 81–84 cf. Gul. Pisonem: ipsa folia exsiccata & in capsulis plumbeis recondita (Carpzov 1685, D 2rv) ‖ 89–92 cf. Gul. Pisonem: quantum hæc folia sursum magnitudine decrescunt, tantum pretio accrescunt (Carpzov 1685, E r). App. crit: 74 ταταῤῥεῖ E ‖ 89 Τά E ǀ γὰρ ἐντὶ E ‖ 90 Τὰ δ’ H: Τὰδ’ A: Τάδ’ E ‖ 91 δὴ ’στ’ E

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Mit unzähligen Blättern von den Füßen bis zu den Häuptern strotzen die vielfach geteilten Zweiglein ringsum. Den Rosensträuchern ähnlich, bringt die Pflanze eine wilden Rosen ähnliche Blüte hervor. Die Blüte wird als nutzlos nicht in Körben oder Kisten aufbewahrt: in keiner Weise weitet durch Geruch sie die Nasenflügel. Sie fällt wie die Samen auf den Boden, wenn sie vertrocknet ist: Sie hat ja keinen Nutzen gegen Krankheiten noch für die Augen. Allein ehrt ihr die Blätter, allein sammelt ihr die Blätter und die voneinander bedeckten Blätter macht ihr trocken. Wenn sie also gut getrocknet sind auf schattiger Tenne, schließt in ein bleiernes Kästchen ihr sie ein. Ihr verkauft danach für viel Gold in den Ländern die kleinere Kiste, die größere für wenig. Denn die unteren Blätter sind größer, die hohen viel kleiner: Die letzteren freilich sind besser, die ersteren schlechter.

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Καρο-Πισο-Βοντεκοῖος, Σπόνιός τε, Τούλπιός τε, 95 Τριγαύτιος, Πετῖτος, Σπέξ τε, καὶ ἄλλοι 80 (21) Μεγάλᾳ θροεῦσιν ὀμφᾷ, Πινυτᾷ γράφουσι χειρί, Σοφῷ Θέην τε λαιμῷ 100 Τάνδε ῥοφεῦσι. (22) Σβεκο-Βριττο-Βελγο-Τεύτων, 85 Ἰταλὸς, Πολῶνος, Οὗννος, Ἀλεκτρυὼν, Ἴβηρες, Τᾶσδε ποθεῦσιν. 105 (23) Ἕο Τοῦρκος, ἠὲ Πέρσης, Καφὲ πινέτω, κ’ ὀλέσθω· 90 Θέα Θεὰ ποάων Ἄμμιν ἀρέσκει. (24) Ἐνὶ τῷ Θέα σκαρίσδει, 110 Καλὸν οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ Ὁμάλικες, γέροντες, 95 Σύν τε γυναῖκες. (25) Ὃ τὸν ἔγκαρον κρατύνει, Φρεσὶν ἀρθμέει γαλάναν, 115 Ἀναστομοῖ βραδείας Λήματα μνάμας. 100 (26) Ὃ κάτω τὸ φλέγμα σύρει, Κεφαλᾶς ῥόον κατέργει, Νεφρῶν ῥύπασμα πλύνει, 120 Σπλᾶνά τε τάκει. (27) Ὃ παρηγορεῖ ποδάγραν, 105 Κεφαλαλγίαν ἀφαιρεῖ, Ἀπεψίαν ἀμύνει Οὖρά τε κινεῖ. __________________________________________________________________ Sim.: 93–96 = François Caron (1600–1673), Willem Piso (1611–1678), Cornelis Bontekoe (1640 [?]–1685), Jacob Spon (1647–1685), Nicolaas Tulp (1593–1674), Nicolas Trigault (1577–1628), Pierre Petit (1617–1687), Jacobus Specx (1588–1652) ‖ 113–129 cf. Spon 1685, 119–140 necnon Jac. Bontium, Gul. Pisonem, Nic. Tulpium apud Carpzov 1685 laudatos ‖ 120 cf. Diosc. 3,134,3 σπλῆνα τήκειν ‖ 124 cf. Diosc. 4,46,2 (οὖρα δὲ κινεῖ); 4,91 (οὖρα κινεῖ) App. crit.: 101 Σβεκο-Βριττο-Βέλγο-Τεύτων A ‖ 103 Ο Γάλλος, οἱ H ‖ 104 Τᾶσδε H: Τᾶςδε A: Τᾶςδὲ E ‖ 106 ὀλέσθω, E (deb. κὠλέσθω, sed metro repugnat) ‖ 115 Αναχμέει (verbum alibi non legitur; fortasse poetae ἀν-ακμέει pro ἀνακμάζει erat in mente).

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Caron, Piso, Bontekoe, Spon und Tulp, Trigault, Petit, Specx und andere verkünden mit lauter Stimme, beschreiben mit vertrauenswürdiger Hand und schlürfen mit weiser Kehle diesen Tee. Schwede, Brite, Belgier, Deutscher, Italiener, Pole, Ungar, Franzose und Spanier begehren ihn. Der Türke oder Perser soll seinen Kaffee trinken und zugrunde gehen: Thea (Tee), die Göttin der Kräuter, gefällt uns. Das Wasser, in dem der Tee kocht, das schöne, wollen wir schlürfen: Altersgenossen, Greise und zugleich die Frauen. Dieses (Wasser) stärkt das Gehirn, dem Geist verschafft es Gemütsruhe, es öffnet den Willen des trägen Gedächtnisses. Es führt den Schleim nach unten, verhindert den Schlaganfall (?), spült die Verschmutzung der Nieren aus und erweicht die Milz. Es mildert die Podagra, nimmt den Kopfschmerz, wehrt die Unverdaulichkeit ab und bewegt den Harnfluss.

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Ὃ πρὸς ὀρθόπνοιαν ἕρδει, Λαγόνων στρόφως ἐρωεῖ, 110 Λίθον τὸν ἐν βαθείᾳ Κύστεϊ θρύπτει. (29) Ὃ μεθυστικοῖς βοηθεῖ, 130 Διαχεῖ πνέοντας ἀτμώς, Διδοῖ χαλινὰ λυγμῷ, 115 Βῆχά τε παύει. (30) Ὃ τὸ κῆρ, ὃ πᾶν τὸ σῶμα, Ὃ χέρας πόδας τ’ ἰαίνει 135 Ῥοφηθὲν ἢν ἀνίκμως Πνεύμονας ἄρδῃ. 120 (31) Σάον οὖν πιόντες ὕδωρ, Λάλον οὖν ῥοφεῦντες ὕδωρ Κακὰς νότοις μερίμνας 140 Δῶμεν, ἑταῖροι. (32) Ὀλιγωρέω τὸν οἶνον, 125 Ὀλιγωρέω τὸ νέκταρ Μίαν Διὸς ποτῆτα, τοῦτο ῥοφήσων. 145 (33) Διὸς εὐκλεὴς ὁ Κῶρος Πινυτῇς ἐν ᾗσι βίβλοις 130 Καλῶν δίεισι ποιῶν Θέσκελον ἰσχύν. (34) Διὸς ἐν νόσοις τὶ πώγων, 150 Τὶ γαλῆς, τὶ τᾶς Ἀθανᾶς, Ἄρηος, Ἡρακλῆος 135 Αἷμα δύνηται· (35) Τισὶ σίλφιον, μάραθρον, Τισὶ κᾶπος Ἀφροδίτας, 155 Κρόνου τροφά τ’ ἀρήγει, καί τισι κέστρον. 140 __________________________________________________________________ Sim.: 125 cf. Diosc. 3,68,2 πραΰνει ... ὀρθοπνοίας ‖ 127sq. cf. Diosc. 3,134,2 (λίθους τοὺς ἐν κύστει θρύπτει); 4,91 (λίθους θρύπτει) ‖ 132 cf. Diosc. 3,68,2 πραΰνει δὲ καὶ βῆχας ‖ 136 cf. Alc. fr. 374,1 V. τέγγε πλεύμονας ‖ 137sq. cf. CA 12,7 λάλον πιόντες ὕδωρ ‖ 141sq. cf. ALARD 1624, C 2v ὀλιγορέων τὰ κόσμου ‖ 145 = Dioscurides ‖ 149 Διὸς … πώγων cf. Diosc. 4,55 RV ‖ 150 γαλῆς (sc. αἷμα) cf. Diosc. 3,134 RV; 4,59 RV | Ἀθανᾶς (sc. αἷμα) cf. Diosc. 3,158 RV ‖ 151 Ἄρηος (sc. αἷμα) cf. Diosc. 1,10 RV ‖ 151sq. Ἡρακλῆος αἷμα cf. Diosc. 3,6 ‖ 153 σίλφιον cf. Diosc. 3,80 | μάραθρον cf. Diosc. 3,70 ‖ 154 κᾶπος Ἀφροδίτας cf. Pi. P. 5,24; Diosc. 4,91 ‖ 155 Κρόνου τροφά cf. Diosc. 4,46 RV ‖ 156 κέστρον cf. Diosc. 4,1 App. crit.: 125 ἔρδει exspectaveris ‖ 150 τί … τί exsp. (sed Cyrillus in oratione obliqua fere semper pronomine indefinito pro interrogativo uti videtur, cf. v. 153sq. 156sq. 159 [recte v. 6. 21]. Vide e.g. etiam HERRICHEN 1717, 269sq.) ‖ 153sq. Τίσι … Τίσι exsp. ‖ 154 ἀφροδίτας A ‖ 156 καί τισι AE: καὶ τίσι exsp.: καὶ τισὶ H

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Es hilft gegen Atemnot, hält Bauchschmerzen zurück, den Stein in der Tiefe der Harnblase zerreibt es. Es hilft den Betrunkenen, durchströmt diejenigen, die die Dämpfe einatmen, gibt dem Weinen Zügel und beendet den Husten. Das Herz, den ganzen Körper, die Hände und die Füße erwärmt es, wenn es getrunken die trockene Lunge befeuchtet. Wenn wir also dieses heilsame Wasser getrunken haben und das gesprächige Wasser schlürfen, lasst uns in den Wind die üblen Sorgen schlagen, Freunde. Ich achte gering den Wein, ich achte gering den Nektar, das einzige Getränk des Zeus, wenn ich dieses (Wasser) trinken werde. Der berühmte Knabe des Zeus (= Dioskurides) behandelt in seinen vertrauenswürdigen Büchern der schönen Kräuter göttliche Kraft: Was in den Krankheiten der „Bart des Zeus“, was das „Marderblut“, was das „Blut der Athene“, was „des Ares“ und „des Herakles Blut“ vermag; wem das Silphium, der Fenchel, wem der „Garten der Aphrodite“ und die „Nahrung des Kronos“ hilft und wem das Kestron;

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Τινὰς ὀμφαλὸς Kυθάρας, Πτερὸν ἴβεως, λαγώπους, Τινὰς νόσους ἰᾶται 160 Σμύρνιον, ἀστήρ. (37) Ἐὰν οὖν Θέην δεδόρκοι 145 Διὸς εὐθαλὴς ὁ Κῶρος, τόμους ἂν ἓξ ἔπλησεν Ἡ μία ποίη. 165 (38) Ἑτέρας γὰρ ἅδε ποίας Πότιμός τις οὖσα χρυσός 150 Ὑπερφέρει κραταιᾷ Ἰσχύϊ πάσας. (39) Ἵνα ζῶμεν οὖν, ῥοφῶμεν 170 Ὑγιεστάταν ποάων· Πόσιν ῥοφῶμεν ἐσθλὰν 155 Χείλεσι λάβροις. (40) Ἴθι νῦν τάχιστα, Μάρθα, Ἀπὸ φρείατος φρὲς ὕδωρ, 175 Τὸ πῦρ ἐν ἐσχάρῃ θές, Ζέννυε νᾶμα. 160 (41) Στόρεσον τράπεζαν εὐθύς, Θέτι τέσσαρας τροχίσκως, Ὁ Καρπὸς ἦλθε Ζωῆς, 180 Ἦλθεν Ἔρωτος. (42) Τρίτον οὔ, τίς ἐστιν, οἶδα· 165 Ἐπιγνώσομαι δὲ θᾶσσον, Ὅταν Θέης πινύσκον Πώσομεν ὕδωρ. 185 (43) Λάλον οὖν ῥοφῶμεν ὕδωρ, Ἵνα νύχθ’ ὅλαν, ἑταῖροι, 170 Ἀπ’ ὀμμάτων σοβῶμεν Νήδυμον ὕπνον. (44) Ὁ πιὼν γάρ ἐστι ζωῷ 190 Ἐναλίγκιος, καθεύδων Θανόντι. Τίς πρὸ ζωᾶς 175 Μοῖραν ἕλοιτο; __________________________________________________________________ Sim.: 157 ὀμφαλὸς Κυθάρας cf. Diosc. 4,91 RV ‖ 158 Πτερὸν ἴβεως cf. Diosc. 4,42 RV | λαγώπους cf. Diosc. 4,17 ‖ 160 Σμύρνιον cf. Diosc. 3,68 | ἀστήρ cf. Diosc. 4,119 ‖ 175 θές cf. CA 14,8.11 ‖ 185 cf. CA 12,6: λάλον πιόντες ὕδωρ (vide supra v. 137sq.) ‖ 188 = Hom. Il. 16,454 et al. ‖ 191sq. cf. CA 48,9f.: μεθύοντα γάρ με κεῖσθαι / πολὺ κρεῖσσον ἢ θανόντα. App. crit.: 157 Τίνας exsp. ‖ 159 Τίνας exsp. ‖ 171 ἐσθλάν HE.

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welche Krankheiten der „Nabel der Kythere“, der „Flügel des Ibis“, der „Hasenfuss“, welche das Smyrnion, die Aster heilt. Wenn also den Tee erblickt haben könnte der Knabe des Zeus (= Dioskurides) in voller Blüte, hätte sechs Bände dieses eine Kraut gefüllt. Denn die anderen Kräuter übertrifft dieses (Kraut), das eine Art trinkbares Gold ist, an kraftvoller Stärke alle. Um zu leben, lasst uns also schlürfen das gesündeste aller Kräuter, lasst uns dies gute Getränk schlürfen mit begierigen Lippen. Geh jetzt rasch, Martha, vom Brunnen hole Wasser, setze das Feuer in den Herd und bringe das Wasser zum Kochen. Decke gleich den Tisch, stelle vier Becherchen hin. Die „Frucht des Lebens“ (= Carpzov) kam, es kam die der Liebe. Wer der Dritte ist, weiß ich nicht. Ich werde ihn aber recht schnell erkennen, wenn wir das klugmachende Wasser des Tees trinken. Lasst uns also das gesprächige Wasser schlürfen, damit wir, Freunde, die ganze Nacht von den Augen verscheuchen den tiefen Schlaf. Denn wer es trinkt, ist einem Lebendigen ähnlich, wer schläft, einem Toten. Wer würde statt des Lebens den Tod wählen.

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b) Francius’ Gedichte in der Fassung der ersten Ausgabe von 1685116 ΠΡΟΣ Πέτρον Δανιῆλα Ὕεττον καὶ Πέτρον Πετῖτον, Ποιητῶν τε καὶ ὑδροπότων ἄνδρας προσφερεστάτους. 2 4 6

Ναὶ πάντων ἄλλων κάλλιστον, ναὶ μὲν ἄριστον, Πρὶν σοφὸς ὡς εἶπεν Πίνδαρός, ἐστιν ὕδωρ. Κουράων Ἑλικωνιάδων, Φοίβου τε, Πετῖτε, Ἔστιν ὕδωρ θείη, σοῦ πάρα μελπομένη. Ἀθανάτων ποτόν ἐστι, θεῶν ποτόν ἐστιν, Ὕεττε, Θεῖον ὕδωρ Θείη, σοῦ πάρα πινομένη.

Τοῦ Φραγκίου. __________________________________________________________________ P (p. 19) L Po (p. 473) Sim.: 1sq. ἄριστον … ὕδωρ cf. P. O. 1,1 ‖ 3 Πετῖτε = Pierre Petit (1617–1687) ‖ 5 Ὕεττε = Pierre Daniel Huet (1630–1721) App. crit.: tit. Πέτρον … Ὕεττον P: ΠΕΤΡΟΝ ΔΑΝΙΗΛΑ ΥΕΤΙΟΝ L: … Ὑέτιον Po ǀ ΠΕΤΡΟΝ ΠΕΤΙΤΟΝ L ǀ Ποιητῶντε P ǀ ἅνδρας P ‖ 1 ἅλλων P ǀ ἅριστον P ‖ 3 ΠΕΤΙΤΕ L ‖ 4 , Θείη, Po ‖ 5 ΥΕΤΤΕ L ‖ 6 , Θείη, Po ‖ subscriptionem om. Po ǀ Τοὗ P ǀ ΤΟΥ ΦΡΑΓΚΙΟΥ L

__________________________________________________________________ Übersetzung: AΝ Pierre Daniel Huet und Pierre Petit, der Dichter und Wassertrinker hervorragendste Männer. 2 4 6

Ja, von allen übrigen Dingen das Schönste, ja Beste, ist, wie einst der weise Pindar sagte, das Wasser. Der helikonischen Mädchen und des Phoibos Wasser, PETIT, ist der Tee, der von Dir besungen wird. Der Unsterblichen Trunk ist, der Götter Trunk ist, HUET, das göttliche Wasser, der Tee, der von Dir getrunken wird. Von Francius.

116 Die Siglen sind im Literaturverzeichnis aufgelöst.

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Ὠδάριον. 1.

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Liedchen 1.

Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut, Θέαν ἣν καλῶς καλοῦσιν, das man auf schöne Weise Tee nennt, Ὕδωρ μὲν οὐχὶ πίνω, dann trinke ich nicht Wasser, 5 Πίνω μὲν οὐχὶ ποίην· ich trinke auch nicht Kraut: Πίνω δ’ ἐρυθρὸν οἶνον, sondern ich trinke roten Wein, Μέλι μὲν πίνω φέριστον· ich trinke besten Honig: Πίνω δὲ νέκταρ αὐτὸ, ich trinke den Nektar selbst; Ὃ θεοὶ πίνουσι πίνω. was die Götter trinken, trinke ich. 10 Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut, Οὔ μοι μέλει ποτοῖο, ist mir der Trunk egal, Ὑποληνίου δρόσοιο, der Tau der Weinlese, Μέλιτός τε νέκταρός τε. Honig und Nektar sind egal. 15 Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut Ἀνθρώπινόν τε νέκταρ, und den menschlichen Nektar, Λείπω τὸ νέκταρ ὑμῖν, überlasse ich den Nektar euch, Νέκταρ πίνουσιν ἡδύ. die ihr süßen Nektar trinkt. 20 Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut, Ἀποφεύγουσίν με πᾶσαι fliehen von mir alle Κοπαί τε καὶ μέριμναι. Schläge und Sorgen. Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke 25 Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut, Στήθεσσιν ἐν φίλοισιν habe ich in meiner lieben Brust Πολλὴν ἔχω γαλήνην. viel Ruhe. Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Wenn ich Wasser trinke Τὴν Σηρικήν τε ποίην, und das serische Kraut, 30 Θέλω θέλω τ’ ἀείδειν, will ich und will ich singen, Θέλω θέλω χορεύειν, will ich, will ich tanzen, Θέλω θέλω μανῆναι. will ich, will ich rasend sein. __________________________________________________________________ P (pp. 20–23) L Po (pp. 468–472) Sim.: 1 (vide etiam 9. 14. 19. 23. 27. 32) ~ CA 45,1 ὅταν πίνω τὸν οἶνον, 50,1. 5. 9. 13. 17. 21. 25: ὅτ’ ἐγὼ πίω τὸν οἶνον ‖ 6 ~ CA 9,8 πιὼν δ’ ἐρυθρὸν οἶνον ‖ 12 ~ CA 8,1: οὔ μοι μέλει τὰ Γύγεω ‖ 13 cf. CA 59,8 ‖ 22sq. cf. CA 50,6 ‖ 31 cf. CA 38,21: μεθύων θέλω χορεύειν ‖ 32 = CA 9,3.9.19; 12,12 App. crit.: tit. Ὠδάριον. (Ω- P) 1. P: ΩΔΑΡΙΟΝ Α L: Εἰς Θέαν βοτάνην. Po ‖ 3 ᾓν P ‖ 5 om. L ǀ οὑχὶ P ‖ 6 ἐρυθρὸν PL: ἄριστον Po ‖ 7 μἐν P ‖ 8 αὐτό· Po ‖ 9 Θεοὶ L ‖ 10 ὓδωρ P ‖ 12 Οὕ P ‖ 16 Σῃρικήν P ‖ 17 ἀνθρώπινον P ‖ 19 πίνοντες Po ‖ 22 Ἀποφεύγουσίν με PL: ἀποδράουσι Po ‖ 23 Κοπαί L: κὀπαι P: Λύπαι Po ‖ 26 φίλοισιν L: -οιον P: -οισι Po ‖ 28 Ὂταν P ‖ 29 Σηρικἠν P ‖ 30 τ’ om. Po ‖ 31 χερεύειν P.

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Stefan Weise

Ὅταν πίνω μὲν ὕδωρ, Τὴν Σηρικήν τε ποίην, Σοφῶν ἔγωγε κουρῶν, Ἀπόλλωνός τε Φοίβου Λάλον πίνω μὲν ὕδωρ. Πίωμεν οὖν ἑταῖροι, Πίωμεν οὖν ἀοιδοὶ, Πίωμεν οὖν, πίωμεν. Οἶνον πίνοι μὲν ἄλλος· Ἐμοὶ σαόφρον ὕδωρ, Ἐμοὶ τὸ νᾶμα τοῦτο, Φίλον τὸ νᾶμα, φίλοι. Τὴν Σηρικήν τε ταύτην, Ἐρασμίην, ποθεινὴν, Θέαν, ποτῶν φερίστην, Δότε μοι πίνοντι ποίην. Εἰς τὸ αὐτό. 2.

Wenn ich Wasser trinke und das serische Kraut, trinke ich der weisen Mädchen und des Phoibos Apollon gesprächiges Wasser. Lasst uns also trinken, Freunde, lasst uns also trinken, Sänger, lasst uns also trinken, lasst uns trinken. Wein trinke ein anderer: Mir das vernünftige Wasser, mir dieses Nass, das freundliche Nass, Freunde, und dieses serische, angenehme, begehrte Tee-Kraut, der Getränke bestes, gebt mir beim Trinken das Kraut. Auf dasselbe. 2.

Πόη ποῶν φερίστη, Kraut, der Kräuter Bestes, Ὑδάτων φέριστον ὕδωρ, der Wasser bestes Wasser, Ὕδωρ, Θέη, θέειον, Tee, göttliches Wasser, Θεῖον ποτὸν χέουσα, der Du göttlichen Trunk ausgießt, 5 Θεῆς οὔνομα λαχοῦσα, der Du den Namen „Göttin“ erlangtest! Τίς οὐ βροτῶν φιλεῖ σε, Wer von den Sterblichen liebt Dich nicht, Τίς οὐ βροτῶν καλεῖ σε wer von den Sterblichen nennt Dich nicht Θεὰν, θεὴν, θεαίνην; Thea, Thee, Theaine? Ἀρχὴν σοφός σε πάντων Den Ursprung aller Dinge 10 Μιλήσιός ποτ’ εἶπε· nannte Dich einst der milesische Weise: _________________________________________________________________ Sim.: 37 ~ CA 12,7 λάλον πιόντες ὕδωρ ‖ 38‒40 cf. CA. 45,7 πίωμεν οὖν τὸν οἶνον ‖ 46 ἐρασμίην cf. CA 15,1 ἐρασμίη πέλεια ‖ 48 δότε μοι cf. CA 2,1. 9; 18,1 App. crit.: 34 Σηρικὴν P ‖ 36 Ἀπόλλωνός τε L: Ἀπόλλωνὸς τε P: Αὐτοῦ ἔγωγε Po ‖ 37 μὲν PL: τόθ’ Po ‖ 41 οἶνον πίνοι μὲν PL: πίνοι τὸν οἶνον Po ǀ ἅλλος P ‖ 43 Εμοὶ P ‖ 45 Τῆν Σηρικὴν, τε τάντην P ‖ 48 μοῖ P Od. 2 Sim.: 2 cf. CA 44,6: ῥόδον ὦ φέριστον ἄνθος ‖ 9sq. cf. Thales DK 11 A 12 App. crit.: tit. Εἰς τὸ αὐτό (ὰντό P). 2. P: Β L: Ἄλλο. Po ‖ 2 Τ̔δάτων … ὒδωρ P ‖ 4 Θεἵον P ǀ ποτὸν χέουσα PL: τι τυγχάνουσα Po ‖ 5 Θεῆς οὔνομα PL: Κλῆσιν θεῆς Po ‖ 8 dubito, an voluerit θέην vel θέη poeta ‖ 9 Ἀρχὴν L: -ῆν P: -ὸν Po ‖ 10 Μιλήσιός Pescheck: Μιλήσιος PLPo

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Σὲ μὲν Θηβαῖος ὄρνις Dich nannte der thebanische Vogel Ἄριστον εἶπεν ὕδωρ· bestes Wasser: Σὺ τὴν καλὴν Κυθήρην, Du bist es, die die schöne Kythere, Σὺ τὰς καλὰς ἐκείνας, Du, die all jene Schönheiten, 15 Ὅσας ἔχουσι κρῆναι, so viele die Quellen haben, Ὅσας ἔχουσι λίμναι, so viele die Seen haben, Ὅσας ἔχει θάλασσα, so viele das Meer hat, Λοχεῦσα καὶ τεκοῦσα. hervorgebracht (?) und geboren hast. Σὲ μὲν θέλοι ἔσοπτρον, Dich möge als Spiegel wollen, 20 Σὲ μὲν θέλοι λόετρον Dich möge als Bad wollen Νάρκισσος Ἀρτεμίς τε, Narzissus und Artemis. Μαῖαν θέλοι σε Βάκχος. Als Amme möge Dich Bakchos wollen. Σὲ μὲν ἀντὶ τοῦ Λυαίου Dich möge anstelle des Weins Ἀνακρέων τε πίνοι, Anakreon trinken 25 Ἀνακρέων τε μέλποι· und Anakreon besingen: Σὲ μὲν ἀνθ’ ἵπποιο κρήνης, Dich möge anstelle der Pferdequelle Ἑλικωνίης τε πηγῆς, und der helikonischen Quelle Καλὸς πίνοι Ἀπόλλων. der schöne Apollon trinken. Σὲ τῶν θεῶν μέγιστος, Dich möge der Götter Größter 30 Ἀντ’ οἴν’ Ὀλυμπίοιο, anstelle des olympischen Weines, Ἑοῦ ποτοῦ φίλοιο, seines lieben Getränkes, Ὁ Ζεὺς πίνοι καὶ αὐτός. Zeus selbst trinken. Σὲ μὲν πίνει παρ’ Ἰνδοῖς, Dich trinkt bei den Indern Θεῶν πατὴρ καὶ ἀνδρῶν, der Götter und Menschen Vater, 35 Σὲ πίνουσιν μετ’ αὐτοῦ Dich trinken mit ihm Θεοὶ ἕποντες ἄλλοι· die Götter alle im Gefolge: Σὺ γὰρ πόη φερίστη, denn Du bist das beste Kraut, Σὺ γὰρ πόη θεείη, denn Du bist das göttliche Kraut, Ποῶν ἄλλων ἄνασσα, der übrigen Kräuter Herrscherin, 40 Ποῶν ἄλλων θέαινα, der übrigen Kräuter Göttin, Θεῶν ποτὸν καὶ ἀνδρῶν. der Götter und Menschen Trunk. Σὲ μὲν πίνουσι Σῆρες, Dich trinken die Serer, Σὲ μὲν πίνουσιν Ἰνδοὶ, Dich trinken die Inder, Σὲ πίνουσιν Βαταυοί. Dich trinken die Bataver, _________________________________________________________________ Sim.: 11 cf. Hor. carm. 4,2,25 Dircaeum … cygnum ‖ 12 cf. Pi. O. 1,1 ‖ 18 cf. CA 38,7sq. λοχεύθη / … ἐτέχθη ‖ 19 ἔσοπτρον cf. CA 7,3; 22,5 App. crit.: 11 μὲν Θηβαῖος ὄρνις PL: Πίνδαρος, σὲ, φίλη Po ‖ 12 Ἅριστον P ǀ ὕδωρ. Po ‖ 13 κυθήρην Po ‖ 14 Συ Po ‖ 15 κρὴναι P ‖ 17 Ο῍σας P ‖ 18 Λοχεῦσα PL (= λοχεύσασα?): Λοχοῦσα Po (= λοχῶσα?) ǀ τέκουσα P ‖ 19–32 optativi quid sibi velint, fateor me pro certo haud scire ‖ 19 θέλει Po ‖ 20 θέλει Po ‖ 21 ἄρτὲμίς P ‖ 22 βάκχος P ‖ 23 μὲν, P ǀ λυαίου, P ‖ 26 μὲν, P ǀ ἀντὶ Πηγάσοιο Po ‖ 27 Ελικωνίης P ǀ Τοῦ νάματος σοφοῖο Po ‖ 28 Ἀπόλλων· P ‖ 30 ὀλυμπίοιο P ‖ 32 ζεὺς P ǀ και P ‖ 33 πἵνει P ǀ Ἴνδους PL ‖ 35 πίνουσι Po ‖ 36 ἄλλοι. Po ‖ 39 ἅλλων P ‖ 40 θεαίνα P ‖ 41 και P ‖ 43 Ἴνδοι PL ‖ 44 πίνουσι L ǀ Βαταυοί (β- Po) Po: Βαταύοι P: Βάταυοι L

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Stefan Weise

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Σὲ μὲν μάλιστα πάντων Dich am meisten von allen Ἰατρῶν καὶ ἀοιδῶν Ärzten und Sängern Φιλοῦσι καὶ πίνουσι lieben und trinken Σλᾶδός τε Φράγκιός τε. Sladus und Francius. Σὲ μὲν μάλιστα πάντων Dich am meisten von allen 50 Ἰατρῶν καὶ ἀοιδῶν Ärzten und Sängern Ὑμνοῦσι καὶ λέγουσι besingen und künden Σλᾶδός τε Φράγκιός τε. Sladus und Francius. Σὺ γὰρ δώτειρα παντὸς Denn Du bist Geberin aller Γάνεός τε χάρματός τε· Erquickung und Freude; 55 Σὺ γὰρ δώτειρα πάσης denn Du bist Geberin allen Μολπῆς τε καὶ χορείης· Gesangs und Tanzes. Σὲ μὲν οὖν, φίλη, πίωμεν, Dich also, Freundin, wollen wir trinken, Σὲ μὲν οὖν, φίλη, λέγωμεν· Dich also, Freundin, wollen wir künden: Φιλῶ φιλῶ σε μούνην. Ich liebe, liebe Dich allein: 60 Θεοῖς, θεῶν τε πατρὶ, Den Göttern und dem Göttervater Ἐν χρυσέοις σκύφοισι reicht in güldenen Bechern Διδοῖ τὸ νέκταρ Ἥβη· den Nektar Hebe: Σέ μοι διακονοῖντο Dich mögen mir Σκύφοις ἐν μυῤῥίνοισι, in Myrtenbechern kredenzen 65 Τῷ κάλλεϊ πρέπουσαι durch ihre Schönheit auffallende, Ἥβην ὅλην πνέουσαι, ganz Hebe atmende Καλαῖς χέρεσσι κοῦραι. Mädchen mit schönen Händen. __________________________________________________________________ Sim.: 45 + 47 cf. CA 42,7 φιλέω μάλιστα πάντων ‖ 48 + 52 Σλᾶδός τε = Matthaeus Sladus (1628– 1689) ‖ 49 μάλιστα πάντων cf. CA 42,8 ‖ 63 διακονοῖντο cf. CA 15,14; 32,6 ‖ 66 cf. CA 41,8 Κύπριν ὅλην πνέουσαν App. crit.: 48 ΣΛΑΔΟΣ L ǀ Φράγκιός Po: φρὰγιός P: ΦΡΑΓΚΙΟΣ L ‖ 50 Ιατρῶν P ‖ 52 ΣΛΑΔΟΣ L ǀ ΦΡΑΝΓΚΙΟΣ L ‖ 53 δότειρα Po ‖ 55 δότειρα Po ‖ 58 λέγωμεν, Po ‖ 59 σὲ L ‖ 62 Δίδοι P ǀ Ηβη P ‖ 63 Σὲ Po ‖ 65 Ωἷ Po ǀ πρέπουσαι; Po ‖ 66 Ηβην P

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LITERATUR a) Primärtexte 1. Ausgaben des Gedichts von Herrichen (chronologisch) HERRICHEN [1685] (A) = JOHANNIS GOTHOFREDI ‖ HERRICHEN ‖ de ‖ THEA ‖ herba ‖ Doricum ‖ MELYDRION. [s.a. s.l.] (vermutlich Leipzig 1685/86). HENNIN 1700 (H) = JACOBI TOLLII ‖ EPISTOLAE ITINERARIAE: ‖ ex Auctoris Schedis Postumis ‖ Recensitæ, Suppletæ, Digestæ; ‖ Annotatonibus, Observationibus & Figuris adornatæ, ‖ cura & studio ‖ HENRICI CHRISTIANI HENNINII. ‖ AMSTELÆDAMI ‖ Typis FRANCISCI HALMÆ, Typographi, ‖ sub signo Constantini Magni, M. D. CC. […]. HERRICHEN 1717 (E) = IO. GOTHOFR. CYRILLI ‖ SIVE HERRICHEN ‖ POEMATA ‖ GRÆCA ET LATINA, ‖ […] ‖ AB. AUCTORIS PATRUELI ‖ AUGUST. HERRICHEN, FRANCO ‖ COLLECTA. ‖ PRÆFATIONEM PRÆMISIT ‖ IO. ALBERTUS FABRICIUS, D. ET P.P. IN GYMNASIO HAMB. ‖ HAMBURGI, ‖ SUMTU CHRISTIANI LIEBEZEIT, 1717.

2. Ausgaben der Anacreontica von Francius FRANCIUS 1685a (P) = PETRI PETITI ‖ Epos ‖ de vi & præstantia ‖ THIAE SINENSIS, ‖ quæ vulgo The dicitur. ‖ Accedunt ejusdem argumenti ‖ Anocroantica [sic!] duo. ‖ PETRI FRANCII. [Paris 1685]. FRANCIUS 1685b (L) = PETRI FRANCII ‖ in laudem ‖ THIAE SINENSIS ‖ Anacreontica ‖ duo. ‖ AMSTELODAMI [Leipzig?] ‖ M DC LXXXV. FRANCIUS 1697 (Po) = PETRI FRANCII ‖ POËMATA. ‖ EDITIO ALTERA, ‖ Auctior & emendatior. ‖ Accedunt Graeca Ejusdem Carmina. ‖ AMSTELAEDAMI, ‖ Apud HENR. WETSTENIUM. ‖ M DC XCVII. Pescheck 1821 siehe unten.

3. Weitere Ausgaben neualtgriechischer Werke ALARD 1624 = LAMBERTI ALARDI ‖ DELITIÆ ‖ ATTICÆ ‖ Jam primùm quàm fieri potuit ‖ emendatißimè editæ. ‖ LIPSIÆ ‖ Sumptibus Hæredum HENN. GROSII. Jun. ‖ Excudit JOHANNES Glück. ‖ M DC XXIV. (= VD17 3:316644G). EYTH 21840 = E. Eyth, Hilarolypos, Zweite vermehrte Aufl., Basel 1840. FRIEDEMANN/MÜNNICH 1810 = Calendarium Musarum Afranarum in annum MDCCCX poemata quaedam Latina et Graeca alumnorum Afranorum F. T. Friedemanno et C. W. Münnichio editoribus complectens, Misenae [1810]. FRISCHLIN 1589 = CALLIMACHI CYRENÆI ‖ HYMNI ET EPI-‖GRAMMATA, QVAE ‖ EXTANT: CVM DVPLI-‖ci interpretatione & Com-‖mentarijs: ‖ […] ‖ OMNIA ‖ NICODEMI FRISCHLINI, ‖ Poëtæ, Oratoris & Philosophi, opera ‖ & studio in lucem edita. ‖ ACCESSERVNT EIVSDEM FRISCH-‖lini aliquot Græca Epigrammata, cum ‖ nonnullis alijs: & ‖ […] ‖ BASILEÆ, ‖ Excudebat Leonhardus Ostenius, impensis ‖ VVendelini Hommij. ‖ M. D. LXXXIX. (= VD16 C 271, insb. VD16 C 269). GELDORP 1559 = SPES ‖ SIVE DE ‖ VOTIS HOMINVM ‖ HENRICI CASTRICII GEL=‖dorpij Carmen. ‖ […] ‖ EIVSDEM DE INVIDIA ‖ ode Græca Anacreon-‖tica. ‖ COLONIAE ‖ Apud hæredes Arnoldi Birck-‖manni, Anno 1559. (= VD16 G 1027).

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MARGUNIOS 1601 = ΜΑΞΙΜΟΥ ‖ ΤΟΥ ΜΑΡΓΟΥ‖ΝΙΟΥ ΕΠΙΣΚΟΠΟΥ ‖ Κυθήρων Υ῞μνοι ἀνα‖κρεόντειοι. ‖ MAXIMI MAR-‖GVNII EPISCOPI ‖ CYTHERORVM ‖ Hymni Anacre-‖ontici. ‖ Cum interpretatione Latina ‖ CONRADI RITTERSHVSII. ‖ AVGVSTÆ ‖ Ex officina typographica Ioan. Prætorij. ‖ ANNO S. N. MDCI. (= VD17 12:133062M). MYLIUS 1568 = Poëmata ‖ IOANNIS MYLII ‖ LIBENRODENSIS, ‖ POETAE LAVREATI, ‖ ex diœcesi generosorum Comi-‖tum de Hoenstein. ‖ Eorum, quæ sunt in hoc opere, ‖ Catalogus versa pagella apparet. ‖ Cum Gratia & Priuilegio Cæsareo. ‖ M. D. LXVIII. (= VD16 M 7392). REUSNER 1593 (II) = OPERVM ‖ NICOLAI ‖ REVSNERI LEO-‖RINI SILESII IVRISCON‖SVLTI ET CONSILIARII ‖ SAXONICI ‖ PARS SECVNDA ‖ […] ‖ 1593. ‖ IENAE, ‖ Apud Tobiam Steinmannum. (= VD16 R 1368). REUSNER 1593 (III) = OPERVM ‖ NICOLAI REVS-‖NERI LEORINI SILE-‖SII IVRISC. ET CON-‖SIL. SAXONICI ‖ PARS TERTIA ‖ […] ‖ 1593. ‖ IENÆ Typis Tobiæ Steinmanni. (= VD16 R 1368). RICHTER 1870 = J. Richter, Griechische Lieder theils Uebertragung theils Original, in: K.E. Bonnell, Programm, womit zu der öffentlichen Prüfung der Zöglinge des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums […] ergebenst einladet, Berlin 1870, 23–32. RICHTER 1871 = Ders., Griechische und lateinische Lieder theils Uebertragung theils Original, Berlin 1871.

b) Sekundärliteratur Bartelds 1930 = J.C.E. Bartelds, Art. „Caron (François)“, in: NNBW 8 (1930), 255–259. Baumann 1914 = E.D. Baumann, Art. „Tulp (Nicolaas)“, in: NNBW 3 (1914), 1250f. Baumann 1930 = Ders., Art. „Bontekoe (Cornelis), in: NNBW 8 (1930), 172–175. Baumbach/Dümmler 2014 = M. Baumbach/N. Dümmler (Hgg.), Imitate Anacreon! Mimesis, Poiesis and Poetic Inspiration in the Carmina Anacreontea, Berlin/Boston 2014 (= Millenium-Studien; 46). Beck 1900 = R. Beck, Aus dem Leben des Leipziger Ratsherrn Friedrich Benedikt Carpzov, in: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 6 (1900), 43‒99. Berendes 1902 = Des Pedanios Dioskurides aus Anazarbos Arzneimittellehre in fünf Büchern. Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von J. Berendes, Stuttgart 1902. Bibliotheca Carpzoviana 1700 = BIBLIOTHECA ‖ CARPZOVIANA ‖ sive ‖ CATALOGVS ‖ LIBRORVM ‖ Quos ‖ Magno studio & sumtu, dum viveret, ‖ collegit ‖ VIR NOBILISSIMUS ‖ FRIDER. BENEDICTUS ‖ CARPZOVIUS. ‖ […] ‖ LIPSIAE, ‖ Typis ac Sumtibus ANDREAE ZEIDLERI. ‖ M. DCC. Brodersen 1996 = K. Brodersen, Principia Geographiae: Antike Texte im frühen Erdkundeunterricht, in: Anregung 42 (1996), 29–43. Carpzov 1685 = [F.B. Carpzov (Hg.),] PETRI PETITI ‖ Philosophi & Doctoris Medici ‖ Parisiensis ‖ THEA ‖ Siue ‖ de Sinensi herba ‖ THEE ‖ Carmen ‖ ad ‖ PETRVM DANIELEM HVETIVM. ‖ Cui adiectæ ‖ JOANNIS NICOLAI PECHLINI ‖ Archiatri Holsati ‖ de eadem herba Epigraphæ, ‖ & descriptiones aliæ. ‖ LIPSIÆ, ‖ apud Mauritium Georgium VVeidmannum. ‖ M DC LXXXV. (= VD17 39:150320E). Christ/Paranikas 1871 = W. Christ/M. Paranikas (Hgg.), Anthologia Graeca carminum christianorum, Lipsiae 1871. Clos 1869 = D. Clos, La plante au point de vue littéraire: rapports de la Botanique et de la littérature, in: La Belgique horticole, Annales d’Horticulture 19 (1869), 101–122. Elogium 1711 = Elogium Jo. Godofredi Herrichii, in: ACTORUM ‖ ERUDITORUM, ‖ QUAE ‖ LIPSIÆ PUBLICANTUR, ‖ SUPPLEMENTA. ‖ TOMUS IV. ‖ […] ‖ LIPSIÆ. ‖ […] Typis VIDUÆ CHRISTIANI GÖZII. ‖ A. M D CCXI, 89–92.

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Forbiger 1826 = A. Forbiger, Beiträge zur Geschichte der Nikolaischule in Leipzig. Erste Lieferung. Kurze Biographien der Lehrer von Gründung der Schule bis auf gegenwärtige Zeiten, nebst vollständiger Angabe ihrer Schriften, Leipzig 1826. Francius 1706 = PETRI FRANCII ‖ POSTHUMA. ‖ Quibus accedunt ‖ ILLUSTRIUM ERUDITORUM ‖ ad eundem ‖ EPISTOLAE. ‖ AMSTELAEDAMI, ‖ EX OFFICINA WETSTENIANA, ‖ M D CC VI. Graesse/Benedict/Plechl 41972 = J.G.T. Graesse/F. Benedict/H. u. S.-C. Plechl (Hgg.), Orbis Latinus. Lexikon lateinischer geographischer Namen des Mittelalters und der Neuzeit, 3 Bde., Braunschweig 41972. Graevius 1707 = JO. GEORGII GRÆVII ‖ PRÆFATIONES ‖ ET ‖ EPISTOLÆ ‖ CXX. ‖ in usum ‖ Latinæ Eloquentiæ Studiosorum colle-‖ctæ & editæ ‖ à ‖ JO. ALBERTO FABRICIO, ‖ […] ‖ HAMBURGI ‖ Sumtu CHRISTIANI LIEBEZEIT ‖ Typis SPIRINGIANIS A. C. MDCCVII. Haller 1771 = BIBLIOTHECA ‖ BOTANICA. ‖ QUA ‖ SCRIPTA AD REM HERBARIAM FACIENTIA ‖ A RERUM INITIIS RECENSENTUR. ‖ AUCTORE ‖ ALBERTO von HALLER ‖ […] ‖ TOMUS I. ‖ TEMPORA ANTE TOURNEFORTIUM. ‖ TIGURI, apud ORELL, GESSNER, FUESSLI, ET SOCC. ‖ MDCCLXXI. Hederich 1702 = M. BENIAMINIS HEDERICI ‖ GEITHENENSIS MISNICI ‖ DE ‖ IMITATIONE ‖ PINDARICA ‖ COMMENTATIO ‖ VITTENBERGAE ‖ LITTERIS CREVSIGIANIS ‖ M D CCII. Jacob 1990 = C. Jacob, La Description de la terre habitée de Denys d’Alexandrie ou la leçon de géographie, Paris 1990. Juncker 1699 = De Obitu ‖ Viri Nobilissimi Amplissimique ‖ FRIDERICI BENEDICTI ‖ CARPZOVII, ‖ In Republica Lipsiensi Senatoris Aedilisque ‖ integerrimi ac Polyhistoris summi, ‖ […] ‖ EPISTOLA ‖ M. CHRISTIANI IVNCKER, Dresdensis, ‖ […] ‖ Schleusingae, ‖ typis GeorgI Wilh. Goebelii Gymn. Typogr. Anno M D CXCIX. Kaemmel 1909 = O. Kaemmel, Geschichte des Leipziger Schulwesens vom Anfange des 13. bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts (1214–1846), Leipzig und Berlin 1909. Korenjak 2016 = M. Korenjak, Geschichte der neulateinischen Literatur. Vom Humanismus bis zur Gegenwart, München 2016. Labarbe 1982 = J. Labarbe, Un curieux phénomène littéraire: l’anacréontisme, in: Bulletin de la Classe des Lettres de l’Academie Royale de Belgique 68/4–5 (1982), 146–181. Lizelius 1730 = M. GEORGII LIZELII ‖ HISTORIA ‖ POETARVM ‖ GRÆCORVM ‖ GERMANIÆ ‖ A RENATIS LITERIS ‖ AD NOSTRA VSQVE TEMPORA. ‖ […] ‖ FRANCOFVRTI ET LIPSIÆ ‖ APVD IO. PAVLVM ROTHIVM ‖ BIBLIOPOL. VLMENS. ‖ M DCC XXX. Ludwig 1977 = W. Ludwig, De aliquot carminibus de caf(f)eae vel theae laude conscriptis, in: VoxLat 13 (1977), 201‒209. Ludwig 1982 = Ders., Neulateinische Lehrgedichte und Vergils Georgica, in: D.H. Green/L.P. Johnson/D. Wuttke (Hgg.), From Wolfram and Petrarch to Goethe and Grass. Studies in Literature in Honour of Leonard Forster, Baden-Baden 1982 (= Saecula Spiritalia; 5), 151–180. Nova Literaria 1709 = D. 13. Octobr., in: Nova Literaria Germaniae 1709, 66f. Matranga 1870 = P. Matranga (Hg.), Anecdota Graeca e mss. Bibliothecis Vaticana, Angelica, Barberiniana Vallicelliana, Medicea, Vindobonensi, Pars secunda, Romae 1850. Memoria Rideliana 1708 = DECANUS ‖ COMMUNITATIS STUDII ‖ BONARUM ARTIUM ‖ ET PHILOSOPHIÆ ‖ IN ACADEMIA LIPSIENSI ‖ AD ‖ CELEBRANDAM ‖ AD XIII. DIEM OCTOBRIS MDCCVIII ‖ ORATIONE ANNIVERSARIA ‖ MEMORIAM RIDELIANAM ‖ INVITAT [Lipsiae, Literis Immanuelis Titii: 1708]. Mencken 1734 = IOANNIS BVRCHARDI ‖ MENCKENII ‖ ORATIONES ‖ ACADEMICAE, ‖ MAXIMAM PARTEM ‖ LITERARIAE. ‖ EDIDIT, ET PRAEFATVS ‖ EST, FRIDERICUS OTTO ‖ MENCKENIVS, ‖ IO. BVRCH. FIL. ‖ LIPSIAE, ‖ APVD IO. CHRISTIANVM MARTINI. ‖ ANNO MDCCXXXIV.

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Menninger 2004 = A. Menninger, Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16.-19. Jahrhundert), Stuttgart 2004 (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Nr. 102). Neumann 1970 = W. Neumann, Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie I, Band 40: Hochzeitskantaten - Weltliche Kantaten verschiedener Bestimmung, Kritischer Bericht, Kassel u.a. 1970. Pescheck 1821 = C.A. Pescheck, Griechische Theelieder, in: Kritische Bibliothek für das Schul- und Unterrichtswesen 3/1 (1821), 453–455. Piso 1658 = GULIELMI PISONIS ‖ MEDICI AMSTELÆDAMENSIS ‖ DE ‖ INDIÆ UTRIUSQUE ‖ RE NATURALI ET MEDICA ‖ LIBRI QUATUORDECIM, ‖ […] ‖ AMSTELÆDAMI, ‖ Apud Ludovicum et Danielem ‖ ELZEVIRIOS. ‖ A°. M D C LVIII. (Drei Teile mit jeweils eigener Seitenzählung). Poëmata didascalia 1749 = POËMATA ‖ DIDASCALIA ‖ NUNC PRIMUM ‖ VEL EDITA, VEL COLLECTA. ‖ TOMUS I. ‖ PARISIIS, ‖ Apud PETRUM ÆGIDIUM LE MERCIER, ‖ viâ Jacobæâ , sub Libro aureo. ‖ M. DCC. XLIX. Rez. Dufour 1686 = Rez. P.S. Dufour, Traitez nouveaux et curieux du Café, du Thé, & du Chocolate, in: ACTA ‖ ERUDITORUM ‖ ANNO M DC LXXXVI ‖ publicata, ‖ […] ‖ LIPSIÆ, ‖ Prostant apud J. GROSSIUM & J. F. GLETITSCHIUM. ‖ Typis CHRISTOPHORI GUNTHERI. ‖ Anno MDCLXXXVI., 154–158. Rez. Herrichen 1718a = Rez. J.G. Herrichen, Poemata Graeca & Latina, in: ACTA ‖ ERVDITORVM ‖ ANNO ‖ M DCC XVIII ‖ publicata. ‖ […] ‖ LIPSIÆ, ‖ […] ‖ A. M DCC XVIII., 132–134. Rez. Herrichen 1718b = Rez. J.G. Herrichen, Poemata Graeca & Latina, in: Deutsche ‖ ACTA ‖ ERUDITORUM, ‖ Oder ‖ Geschichte der Gelehrten, ‖ Welche ‖ den gegenwärtigen Zustand ‖ der Literatur in Europa ‖ begreiffen. ‖ Fünff und funffzigster Theil. ‖ Leipzig, ‖ bey Joh. Friedrich Gleditschens seel. Sohn, ‖ 1718., 497–500. Rosenmeyer 1992 = P.A. Rosenmeyer, The Poetics of Imitation. Anacreon and the anacreontic tradition, Cambridge u.a. 1992. Römer 1933 = L.S.A.M. von Römer, Art. „Piso (Dr. Willem of Gulielmus)“, in: NNBW 9 (1933), 805f. Sacré 1986 = D. Sacré, Quid poetae scriptoresve de tabaco senserint vel scripserint, in: VoxLat 22 (1986), 540–542. Sacré 1989 = Ders., De tabaco quid senserint vel scripserint scriptores neolatini: auctarium, in: VoxLat 25 (1989), 88f. Schäfer 1976 = E. Schäfer, Deutscher Horaz: Conrad Celtis, Georg Fabricius, Paul Melissus, Jacob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen Dichtung Deutschlands, Wiesbaden 1976. Schindler 2008 = C. Schindler, Gastfreundliche Indianer, erfinderische Chinesen, ahnenstolze Japaner. Zum Bild der Fremden in der neulateinischen Lehrdichtung, in: U. Schlegelmilch/T. Thanner (Hgg.), Die Dichter und die Sterne. Beiträge zur lateinischen und griechischen Literatur für Ludwig Braun, Würzburg 2008 (= Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft NF; Beiheft 2), 259–273. Schulze 22007 = H.-J. Schulze, Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs, Leipzig 22007. Sens 2014 = A. Sens, Dialect in the Anacreontea, in: Baumbach/Dümmler 2014, 97–112. Sirks 1914 = M.J. Sirks, Art. „Bontius (Jacobus)“, in: NNBW 3 (1914), 137f. Spon 1685 = TRACTATVS ‖ NOVI ‖ DE POTV CHAPHE´; ‖ DE ‖ CHINENSIVM THE’; ‖ ET ‖ DE CHOCOLATA. ‖ PARISIIS, ‖ Apud PETRUM MUGUET. ‖ M. DC. LXXXV. Stapel 1924 = F.W. Stapel, Art. „Specx (Jacques of Jacobus)“, in: NNBW 6 (1924), 1251–1254. Stephanus 1560 = CARMINVM POE-‖tarum nouem, lyricæ poe-‖seωs principū, fragmenta. ‖ […] ‖ Nonnulla etiam aliorum. ‖ Cum Latina interpretatione, partim ‖ soluta oratione, partim carmine. ‖ ANNO M. D. L X ‖ Excudebat Henr. Stephanus, illustris ‖ uiri Huldrichi Fuggeri typographus.

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Suerbaum 1968 = W. Suerbaum, Untersuchungen zur Selbstdarstellung älterer römischer Dichter. Livius Andronicus – Naevius – Ennius, Hildesheim 1968. Tilg 2014 = S. Tilg, Neo-Latin Anacreontic Poetry. Its Shape(s) and Its Significance, in: Baumbach/Dümmler 2014, 163–197. Treu 1973 = K. Treu, Griechische Handschriften in Weimar, in: Philologus 117 (1973), 113–123. Triller 31750 = Hrn. Daniel Wilhelm Trillers, ‖ […] ‖ Poetischer ‖ Betrachtungen, ‖ über verschiedene ‖ aus der Natur= und Sittenlehre ‖ hergenommene Materien, ‖ Erster Theil. ‖ Nebst einigen Uebersetzungen ‖ aus dem Griechischen und Lateinischen. ‖ Dritte, aufs neue übersehene, vermehrte und verbesserte Auflage. ‖ Hamburg, ‖ verlegts Christian Herold, 1750. Weinreich 1952 = Aristophanes. Sämtliche Komödien übertragen von L. Seeger, Einleitungen zur Geschichte und zum Nachleben der griechischen Komödie nebst Übertragungen von Fragmenten der alten und mittleren Komödie von O. Weinreich. Zweiter Band, Zürich 1952. Weise 2011 = S. Weise, Μοῦσα Ἁλληνική – Griechische Gedichte hallescher Gelehrter, in: M. Hillgruber/R. Lenk/S. Weise (Hgg.), HYPOTHESEIS. Festschrift für Wolfgang Luppe = APF 57/2 (2011), 399–429. Welcome Guest 1861 = The Poets of Tea, in: The Welcome Guest. A Magazine of Recreative Reading for All, London 1861, 300–303. Wellmann 1907–1914 = M. Wellmann (Hg.), Pedanii Dioscurides Anazarbei De materia Medica libri quinque, 3 Bde., Berolini 1907–1914. West 21993 (CA) = M.L. West (Hg.), Carmina Anacreontea, Stutgardiae et Lipsiae 21993. Wiegand 1984 = H. Wiegand, ICARUS HINC ABSIT … Das Technikmotiv in der neulateinischen Dichtung, in: Jahresbericht des Karl-Friedrich-Gymnasiums Mannheim 1983/84, 1984, 35–45. Wijnman 1933 = H.F. Wijnman, Art. „Sladus, (Mattheus)“, in: NNBW 9 (1933), 1038f. Zeman 1972 = H. Zeman, Die deutsche anakreontische Dichtung. Ein Versuch zur Erfassung ihrer ästhetischen und literarhistorischen Erscheinungsform im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1972.

c) Abkürzungen ADB = Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der Historischen Commission bei der königl. Akademie der Wissenschaften, München/Leipzig 1875–1912. Blass/Debrunner = F. Blass/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 161984. Eckstein = F.A. Eckstein, Nomenclator philologorum, Leipzig 1871. KG = R. Kühner/B. Gerth/F. Blass, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 2 Teile in 4 Bde., Hannover/Leipzig 31890–1904 (ND Darmstadt 2015). Jöcher = C.G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten=Lexicon […], Bde. 1–4, Leipzig 1750–1751; Ergänzungs-Bände 1–7, Leipzig/Delmenhorst/Bremen 1784–1897. LSJ = H.G. Liddell/R. Scott/H.S. Jones (Hgg.), A Greek-English Lexicon, With a revised supplement, Oxford 1996. NBG = J.C.F. Hoefer, Nouvelle Biographie Générale (zuerst Universelle), 46 Bde., Paris 1853– 1866. NNBW = P.C. Molhuysen/P.J. Blok (Hgg.), Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek, 10 Bde., Leiden 1911–1937. Pökel = W. Pökel, Philologisches Schriftsteller-Lexikon, Leipzig 1882.

d) Bildnachweis Abb. 1 Carpzov 1685. Scan aus dem Exemplar der Niedersächsichen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sign. 8 Poet. Lat. rec. I, 6725.

ANAKREON AN SEIN DEUTSCHES ALTER EGO Bruncks Widmungsgedicht für Johann Wilhelm Ludwig Gleim Regina Höschele

Abstract: This article considers a recently discovered Anacreontic poem with which the Alsatian philologist Richard François Philippe Brunck dedicated an edition of Anacreon’s verse to the “German Anacreon” Johann Wilhelm Ludwig Gleim. After providing some general information on the cultural background, including the lives and works of both Gleim and Brunck, I offer a close analysis of the text, which purports to be a letter by the ancient Greek bard to his German alter ego. Brunck has, I argue, constructed his Anacreon as a reader of Gleim’s Anacreontea, who, in his choice of medium and use of literary motifs, follows in the footsteps of his imitator. Although the poem is an occasional piece, which lacks polish and was evidently not destined for publication, it offers a fascinating example of Anacreontic “meta-reception” in staging a literary response to Gleim’s poetry by his own model, whose songs are presented to the German poet in Brunck’s edition.

1. GLEIM, DER DEUTSCHE ANAKREON Mit seiner 1554 publizierten Ausgabe von Anakreons Oden präsentierte Henri Estienne (alias Stephanus) dem zeitgenössischen Publikum eine spektakuläre Neuentdeckung: Drei Jahre zuvor war er in Louvain auf Dutzende unbekannter Lieder des griechischen Lyrikers gestoßen, dessen Œuvre bis dahin mit Ausnahme einiger Fragmente als verloren galt.1 Er fand diese in einer Appendix zum Kodex der heute als Anthologia Palatina bezeichneten Epigrammsammlung (Cod. Pal. 23/Par. Graec. Supp. 384). Zwar stammen die 60 dort überlieferten, von Wein und Liebe handelnden Texte nicht wirklich aus der Feder des Dichters aus Teos, sondern wurden über einen Zeitraum mehrerer Jahrhunderte von einer Reihe anonymer Autoren in Nachahmung Anakreons verfasst,2 aber Estienne war so sehr von ihrer Authentizität überzeugt, dass er Texte, die Anakreon als Urheber eindeutig ausschließen, 1

2

Zu Estiennes Wiederentdeckung der Handschrift und seiner Ausgabe, vgl. Zeman 1972, 8–15; Rosenmeyer 1992, 1–6; O’Brien 1995, 13–22; Tilg 2014, 163–165. Der Kodex wurde später in zwei unterschiedlich große Teile geteilt; der kürzere, welcher die CA enthält, liegt heute in Paris. Zur Geschichte der Handschrift nach ihrem plötzlichen Auftauchen in Heidelberg gegen Ende des 16. Jh.s vgl. Beckby 21965–1967, I 90–98; zu möglichen Aufbewahrungsorten vor 1600 vgl. Cameron 1993, 121–159. Zur Anakreon-Mimesis der Carmina Anacreontea vgl. Rosenmeyer 1992; Müller 2010; Baumbach/Dümmler 2014.

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ganz einfach unterdrückte bzw. in einen Anhang verbannte.3 Seine Ausgabe hatte nicht nur einen nachhaltigen Einfluss auf spätere Editionen des Lyrikers, die bis ins 19. Jahrhundert Estiennes Gedichtanordnung beibehielten, sondern die plötzliche Wiederentdeckung des verloren geglaubten Dichters führte auch in ganz Europa zu einer wahren Anakreontomanie: Dichter allerorts versuchten sich darin, Anakreons Verse in die jeweilige Volkssprache zu übertragen bzw. selbst im Stile des griechischen Sängers zu dichten.4 So bringt etwa Pierre de Ronsard in einer seiner Oden einen begeisterten Toast auf Estienne aus, da dieser Anakreons Lieder der Unterwelt entrissen habe: Je vais boire à Henri Estienne Qui des Enfers nous a rendu Du vieil Anacréon perdu La douce lyre Teïenne.5

Während Ronsard und andere Mitglieder der französischen Pléiade sich bereits kurz nach Erscheinen der Stephanus-Ausgabe durch die Carmina Anacreontea (CA) inspirieren ließen, wurden deutsche Dichter erst geraume Zeit später, gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, von der allgemeinen Anakreon-Begeisterung ergriffen – dann jedoch so stark, dass Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) sich wie folgt über die nicht enden wollende poetische Produktion mokierte: „Haben Sie wohl jemals gehört, daß die Gabe anakreontisch zu dichten ansteckt, wie die Elektricität oder wie die Pest?“6 Der berühmteste deutsche Anakreontiker ist ohne jede Frage Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), den Zeitgenossen als „deutschen Anakreon“ feierten. Nicht nur verfasste er mehrere Bände anakreontischer Gedichte,7 sondern er schlüpfte in seiner umfangreichen brieflichen Korrespondenz auch immer wieder in die Rolle Anakreons, wobei die Grenzen zwischen Fiktion und Realität häufig verschwammen.8 Darüber hinaus scheint Gleim nicht nur in Texten, sondern auch in seinem täglichen Leben einer anakreontischen Daseinsform gefrönt zu haben. So 3 4

5 6 7 8

Ironischerweise umfasst der Anhang auch genuine Anakreon-Fragmente, die zum Bild, das Estienne sich auf Grundlage der CA von Anakreons Dichtung machte, nicht passen wollten. Vgl. Rosenmeyer 1992, 4. Vgl. O’Brien 1995 zu französischen Übersetzungen des 16. Jh.s; Michelangeli 1922 zur Rezeption in Italien; Baumann 1974 zu englischen Übertragungen; Ausfeld 1907, Pick 1907, Lees 1911, Warde 1978 und Zeman 1972 zur deutschen Anakreontik; zu Anakreons Rezeption in Antike und Neuzeit vgl. Rubío y Lluch 1879, Galiano 1972 und Labarbe 1982. Zu neulateinischen Anakreonteen vgl. Zeman 1972, 16–32, O’Brien 1995, 91–154 und Tilg 2014. Odelette à Corydon, V. 27–30. Zitiert nach: Abraham Gotthelf Kästner’s gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Zweiter Theil, Berlin 1841, 12 Anm. 1. „Versuch in scherzhaften Liedern“ (2 Bände, 1744/1745), „Lieder nach dem Anakreon“ (1766), „Neue Lieder“ (1767). Zu Gleims Dichtung und seiner Inszenierung einer anakreontischen persona, vgl. Höschele 2014 mit weiterer Literatur. Besonders faszinierend ist Gleims Rollenspiel in seinem Briefwechsel mit der als deutscher Sappho bekannten Anna Louisa Karsch (1722–1791), deren erotische Avancen er zwar mit Bezug auf sein dichterisches Alter Ego akzeptierte, nicht jedoch für seine eigene Person. Vgl. Nörtemann 1992; Pott 1998 und Reinlein 2003, 123–139.

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schildert etwa Wilhelm Körte in seiner Biographie Gleims (1811), wie dieser im Sommer 1750 zusammen mit Friedrich Gottlieb Klopstock und seinem Cousin Johann Christoph Schmidt alle Abende beim Bade oder Weinschenk zubrachte, „in dessen großer Rosenlaube sie Musen-begeistert die Becher und die Scheitel mit Rosen kränzten, daß es dem Wirthe oft wunderbar schien, noch ehe ein Becher geleert war, solche Begeisterung zu finden“.9 Der Kopfschmuck der drei Zecher dürfte direkt von den CA inspiriert sein, in denen die Rose als erotisches Symbol eine herausragende Rolle spielt und zum Standardrepertoire symposiastischer Festivitäten gehört.10 Ob es sich hierbei nun um ein biographisches Konstrukt oder eine tatsächliche Begebenheit handelt, Gleim wird in jedem Fall von seinem eigenen Großneffen11 als jemand präsentiert, der nicht nur anakreontisch dichtete, sondern auch entsprechend lebte. Der Anakreon-Impersonator Gleim ist darüber hinaus nicht zuletzt deshalb eine faszinierende Gestalt, weil er mit unzähligen Geistesgrößen des 18. Jahrhunderts in engem Kontakt stand und seine Freundschaften auf ganz besondere Weise zelebrierte: In seinem Halberstädter Haus – er war dort seit 1747 als Domsekretär tätig – richtete er einen „Freundschaftstempel“ ein, den er mit zahlreichen über mehrere Jahrzehnte angesammelten Porträts seiner Freunde schmückte und der als Schauplatz für gesellschaftliche Zusammenkünfte diente.12 Wenn Gleim erhaltene Briefe las oder sie im Kreise versammelter Freunde und Verwandter vortrug, nahm er gewöhnlich unter dem Bildnis des jeweiligen Absenders Platz; ebenso verfasste er, auf einem extra zu diesem Zweck angefertigten Stuhl sitzend, zahllose Briefe an Bekannte, während diese ihm von den Wänden entgegenblickten.13 Nun findet sich unter den an Gleim adressierten Schreiben auch ein Brief ganz besonderer Art, dessen Autor nicht zu Gleims Zeitgenossen zählt, sondern seine Stimme aus dem Jenseits heraus vernehmen lässt: Anakreon höchstpersönlich wendet sich in einer poetischen Epistel an sein deutsches Alter Ego! Bei dem Text handelt es sich um ein 9 10

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Körte 1811, 58. Zu der Szene vgl. Höschele 2014, 203f. Klopstock berichtet ferner, dass er sogar zu einem von Gleims Gedichten eine einleitende griechische Strophe gedichtet habe. Siehe Hurlebusch 1989, 37 (Nr. 26, Z. 81–87). Vgl. v.a. CA 44 und das hymnoshafte CA 55. Zur Rose als Kopfbekränzung vgl. CA 8,7f. (ἐμοὶ μέλει ῥόδοισιν ǀ καταστέφειν κάρηνα), CA 32,14f. (ῥόδοις δὲ κρᾶτα ǀ πύκασον), CA 44,3f. (τὸ ῥόδον τὸ καλλίφυλλον ǀ κροτάφοισιν ἁρμόσαντες) und 15f. (ῥοδίνοισι στεφανίσκοις πεπυκασμένος χορεύσω). Eros wird zudem als zwischen Rosen liegend imaginiert (CA 6,2; 35,1). Zu Rosen in den CA vgl. Rosenmeyer 1992, 211f. Wilhelm Körte, Gleims Biograph und Nachlassverwalter, war der Sohn von Christiane Friederica Körte, einer Tochter von Gleims Bruder David Gleim. Zu Körte vgl. Wappler 1998, 87– 94. Der Freundschaftstempel kann nach wie vor im Gleimhaus besichtigt werden, das bereits 1862 in ein literarisches Museum verwandelt wurde. Gleim selbst legte die Grundlage für ein späteres Museum, indem er systematisch Bildnisse, Briefe und Manuskripte seiner Zeitgenossen sammelte, vgl. Pott 2004a. Zu Freundschaften im Gleimkreis vgl. Hanselmann 1989; Wappler 1998–2000 und Pott 2004b. Sowohl Gleims Freundschaftskult wie auch sein anakreontischer Lebensstil sind eng mit dem Geselligkeitsideal des 18. Jh.s verknüpft. Vgl. Im Hof 1982; Adam 1998 und 2000. Vgl. Adam 2000, 25.

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altgriechisches Anakreonteum aus der Feder eines neuzeitlichen Philologen, das ich 2012 in einer Anakreon-Ausgabe aus dem Besitz des Dichters entdeckte und im Folgenden näher vorstellen möchte.14 2. ZUR BIOGRAPHIE VON BRUNCK Die Epistel, die handschriftlich an den Beginn von Bruncks Anakreon-Edition (1778) gesetzt ist, diente offensichtlich als Widmungsgedicht an Gleim, und es steht zu vermuten, dass sie von dem elsässischen Gelehrten stammt. Bevor wir uns dem Text selbst zuwenden, sei an dieser Stelle kurz etwas zu seinem Verfasser gesagt. Der in Straßburg ansässige Richard François Philippe Brunck (1729–1803) war, obgleich er nie ein akademisches Amt bekleidete, sondern verschiedene administrative Positionen innehatte, ein prominenter Klassischer Philologe des 18. Jahrhunderts, der sich durch die Edition zahlreicher (vor allem griechischer, aber auch einiger lateinischer) Texte hervortat.15 Von besonderer Bedeutung war gleich sein erstes editorisches Unterfangen, eine dreibändige Ausgabe griechischer Epigramme (Analecta Veterum Poetarum Graecorum, Straßburg 1772–1776), welche die in der Anthologia Palatina enthaltenen Texte zum ersten Mal vollständig und in chronologischer Reihenfolge nach Autoren angeordnet präsentierte. Friedrich Jacobs, der sich bei seiner monumentalen, bis heute konsultierten kritischen Ausgabe der Anthologie auf Bruncks Edition stützte,16 würdigte diesen in einem biographischen Beitrag als „ein[en] Gelehrte[n] von ausgezeichnetem Verdienste, welcher an der Belebung und Beförderung des humanistischen Studiums, vorzüglich der griechischen Poesie, einen höchst rühmlichen Antheil hat“.17 Wie es der Zufall so will, entdeckte Brunck seine Liebe zur griechischen Sprache durch den Siebenjährigen Krieg (1756–1763), der Gleim dazu inspirierte, der dezidiert unmartialischen Sprechweise anakreontischer Dichtung zu entsagen und stattdessen seine „Preussischen Kriegslieder in den Feldzügen 1756 und 1757 von einem Grenadier“ zu verfassen.18 Zwar nahm Gleim selbst nicht an dem Krieg teil, seinen (anonym erschienenen) Liedern liegt jedoch die Fiktion zugrunde, dass sie 14 Die Erstpublikation des Gedichts erfolgte in Höschele 2014, 224–226. 15 Zum Leben und Schaffen Bruncks vgl. Schweighäuser 1803; Galerie historique 1818, 9–11; Halm 1876 und Sandys 1908, 395f. In einem Exemplar von Schweighäusers Nachruf, das in Cambridge aufbewahrt ist, finden sich ausführliche handschriftliche Notizen, die Schweighäusers Text ergänzen und offensichtlich als Grundlage für den in der „Galerie historique des contemporains“ abgedruckten Artikel dienten. Dieser übernimmt z.T. verbatim Passagen aus Schweighäuser, fügt aber weitere Details hinzu (es ist mir bislang nicht gelungen, seinen Autor zu identifizieren). 16 Jacobs 1794–1814. 17 Jacobs 1824, 220. 18 Die Kriegsthematik fand bereits Eingang in Gleims „Versuch in scherzhaften Liedern“: So wie Gleim selbst als Sekretär des Prinzen Wilhelm von Brandenburg-Schwedt 1744 am 2. Schlesischen Krieg teilnahm, zieht auch das lyrische Ich gegen Ende des 2. Buches in den Krieg, bleibt jedoch selbst auf dem Schlachtfeld seinen anakreontischen Prinzipien treu. Vgl. Höschele 2014, 220–223.

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von einem preußischen Infanteristen stammen – eine Fiktion, die Gotthold Ephraim Lessing in der von ihm besorgten Ausgabe der Gedichte durch eine Vorrede noch bestärkte.19 Brunck wiederum, der in seiner Funktion als „Commissaire des Guerres“ auf französischer Seite in den Krieg zog, wandte sich, durch in Deutschland getätigte Bekanntschaften inspiriert, dem Studium der Alten Sprachen zu. Jacobs schildert die Begebenheit wie folgt: „[Brunck] ward aber nach seinem Austritt aus der Schule durch äußere Verhältnisse von den Wissenschaften abgezogen, bis er ihnen durch den Krieg, oder, wenn man lieber will, durch einen von dem Kriege herbeigeführten Zufall zurückgegeben ward. Denn als er sich im J. 1757 bei dem Kriegs-Commissariate der französischen Heere in Teutschland befand, führten ihn die Winterquartiere nach Gießen, wo er Bekantschaften mit Gelehrten machte, durch die seine frühere Liebe zu den Wissenschaften von neuem belebt wurde. Indem er hier durch das tiefere Studium der lateinischen Klassiker zu der Überzeugung gelangte, daß ihm auch die Kentniß des Griechischen hiezu unentbehrlich sey, kehrte er nicht sobald nach Strasburg zurück (1760), als er sich diesem Studium widmete, und die Vorlesungen der Hellenisten der Universität mit unausgesetztem Eifer und schnellem Erfolge besuchte“.20

In den folgenden Jahrzehnten widmete Brunck sich voller Begeisterung griechischen Texten, bis er im Zuge der Französischen Revolution als „Gemäßigter“ in Gefangenschaft geriet und sich 1791 nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gezwungen sah, einen Großteil seiner kostbaren Bibliothek zu verkaufen. Der Verlust seiner Bücher scheint ihn so geschmerzt zu haben, dass er es nicht mehr ertrug, weiterhin als Gräzist tätig zu sein, und sich stattdessen nur noch mit lateinischen Texten befasste, bis er 1803 (im selben Jahr wie Gleim) verstarb: „Comme il aimait passionnément ses livres, cette privation lui fut d’abord très-amère. Quand on parlait devant lui de quelqu’auteur qu’il avait possédé, les larmes lui venaient aux yeux. Dès ce moment, les lettres grecques, auxquelles il devait sa réputation, lui devinrent tout-à-fait odieuses; il conserva cependant du goût pour les poëtes latins […]“21

Als sein „Anakreon“ 1778 erschien, lagen die Wirren der Revolution freilich noch in ferner Zukunft. Die Gedichte des Sängers aus Teos hatte Brunck zwar schon im Rahmen seiner Analecta ediert, er präsentierte sie nun jedoch noch einmal in einer eigenen Ausgabe zusammen mit erotisch-sympotischen Texten weiterer Autoren. Wie wir annehmen dürfen, ließ Brunck auch dem deutschen Anakreon ein Exem-

19 Zu den „Preussischen Kriegsliedern“ vgl. Kittstein 2009; zu Lessings Herausgeberschaft vgl. Woesler 2008. 20 Jacobs 1824, 220. Während Jacobs von mehreren Gelehrten spricht, nennen andere Quellen einen Philologen bzw. Professor der Philologie (Schweighäuser 1803, 1; Galerie historique 1818, 9; Halm 1876), der aber nirgends namentlich identifiziert wird. Könnte es sich um Johann Gottfried Zentgrav gehandelt haben, der in Gießen von 1753 bis 1762 die Professur für Beredsamkeit und Dichtkunst innehatte (einen eigenen Lehrstuhl für Alte Sprachen gab es damals noch nicht)? Die Tatsache, dass auch Zentgrav aus Straßburg stammt, könnte eine Verbindung zwischen ihm und Brunck nahelegen; es ist mir bislang jedoch nicht gelungen, diese Hypothese zu verifizieren. 21 Galerie historique 1818, 10.

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plar seiner Edition zukommen und widmete ihm dieses mit einem selbstkomponierten Anakreonteum, das ich im Folgenden näher betrachten möchte. 3. DAS GRIECHISCHE GEDICHT IN GLEIMS AUSGABE VON BRUNCKS „ANAKREON“ Der mit einer (nicht-metrischen) epistolaren Grußformel (Ανακρέων Γλειμίῳ χαίρειν) einsetzende Text imaginiert Anakreon auf faszinierende Weise als Korrespondenten Gleims. Dabei begegnet der antike Dichter uns als Autor eines in katalektischen jambischen Dimetern, also einem anakreontischen Versmaß, verfassten Liedes, das als Begleitschreiben zu Bruncks Edition von Anakreons „eigenen“ Versen fungiert. Hier ist der griechische Text zusammen mit einer deutschen Übersetzung und einigen Anmerkungen zu Bruncks (stellenweise fehlerhaftem) Gebrauch des Griechischen:22

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Ανακρέων Γλειμίῳ χαίρειν.

Anakreon grüßt Gleim.

Ανακρέων, ὃν οἶδας, ἰδοὺ, σὺν χιλίοισι χειλῶν φιλημάτεσσι, τὸ βιβλίον τὸ μικρὸν Ανακρέοντι πέμπει Γερμανίας, ἅπασι θεοῖς θεαῖς τ᾽ ἑταίρῳ, τῷ Γλειμίῳ κρατίστῳ. ἓν δ’ ἴσθι· μακρὸν ἤδη χρόνον τοῖς ὀμμάτεσσιν ἐμοῖς βλέπειν ποθοῦμαι τόν μοι μάλιστ’ ὅμοιον. ἐὰν δέ σευ κρατῆσαι μάκαρες θεοὶ μ’ ἔπεμψαν, (θεοί με γὰρ φιλοῦντες σοὶ δαίμον’ ἐξέλεξαν,) πρὶν ἂν πρὸς οἶκον ἦλθον, ὃν οἰκέεις, τοσούτων φίλων ὡς ἠκόεισαν θρήνους τε καὶ δεήσεις τάχιστα μὲν κέλευον ἀναστρέφειν ἴοντα. Αλλ’, ὦ φίλων κάλλιστε, ἔγωγέ σευ πρόσωπον ναὶ μήποτ’ οὐχ ὁρῶμαι. θεῶν ὀλυμπιῶν δὲ σεβαστέον θέλημα. Προαγγελῶ δέ σοι νῦν

Anakreon, den Du kennst, schau nur, zusammen mit tausend Küssen seiner Lippen sendet dies kleine Büchlein dem Anakreon Deutschlands, dem Freund aller Götter und Göttinnen, dem vortrefflichen Gleim. Wisse dies eine: Schon lange Zeit begehre ich, mit meinen eigenen Augen den zu sehen, der mir am ähnlichsten ist. Doch als die glückseligen Götter mich aussandten, um Deiner Herr zu werden, (denn die Götter, die mich lieben, erkoren mich zu Deinem „Daimon“), noch bevor ich das Haus erreichte, das Du bewohnst, wie sie die Klagen und Bitten so vieler Freunde vernahmen, da geboten sie mir, schnellstmöglich meine Schritte zurückzulenken. Doch, Schönster der Freunde, Dein Antlitz erblicke ich wohl in der Tat niemals. Den Willen der olympischen Götter aber muss man in Ehren halten. Doch will ich Dir nun kundtun

22 Ich habe den Text so transkribiert, wie er in Bruncks Handschrift erscheint; vor Majuskeln fehlen Hauchzeichen.

Anakreon an sein deutsches Alter Ego πιστὸν θεῶν θέλημα. 30 Aνακρέοντος αὐτοῦ, κἂν τρεῖς γενεὰς ζάοντος, γεραίτερος γενήσῃ, τῶν βοτρύων τε γεύσῃ, φίλων τ’ ἀριθμὸν ἕξεις 35 ἀπ’ ἠόος πυλῶν μεν θάλαμον πρὸς ἑσπέροιο. μελῶν ὁ μισθὸς οὗτος. γηρῶντι δ’, ὡς ἐμοίγε, θεοὶ προσεμβαλοῦσι 40 καί σοι, φίλων κάλλιστε, νοῦν εὔθυμον χαράν τε τὴν αἰὲν αὐξάνουσαν.

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den wahrhaftigen Willen der Götter. Auch wenn Anakreon selbst drei Generationen lang lebte, so wirst Du noch älter werden als er, Du wirst von den Trauben kosten und wirst eine Schar von Freunden haben, von den Toren der Morgenröte bis hin zum Schlafgemach des Abends. Dies ist Deiner Lieder Lohn. Während Du alterst, werden die Götter, wie mir, so auch Dir, Schönster der Freunde, einen fröhlichen Geist und stets wachsende Freude eingeben.

13 ἐάν kann klassisch nicht mit einem Aor. Ind. kombiniert werden; der Text ließe sich leicht emendieren, indem man ἐπεί an die Stelle von ἐάν setzt. 14 Man würde θεοί μ’ erwarten. 17 Die Konstruktion πρὶν ἄν + Aor. Ind. ist fehlerhaft. In attischer Prosa kann πρίν (in der Bedeutung „bis“) nach einem negierten Hauptsatz mit ἄν und Konjunktiv kombiniert werden „zur Bezeichnung einer erst erwarteten, zukünftigen, oder einer in Gegenwart oder Zukunft wiederholten Handlung“ (KG § 568 b). Wo die beschriebene Handlung (wie hier) nicht eingetreten ist oder nicht eintreten kann, würde man in Kombination mit einem positiven Hauptsatz eher πρίν (in der Bedeutung „bevor“) + Infinitiv erwarten (vgl. KG § 568 d): πρίν με πρὸς οἶκον ἐλθεῖν. 19 Vermutlich an Stelle von ἠκηκόεισαν, einer späteren griechischen Variante von ἠκηκόεσαν (3. Pers. Pl. Plusquamperf. Ind., vgl. Phrynichus, Eclogai CXXV Rutherford). 26 Man würde Ὀλυμπίων erwarten. 31 Obgleich κἄν regelmäßig als Konjunktion in Konzessivsätzen verwendet wird, wäre für die konzessive Färbung eines Partizips eher καί oder καίπερ zu erwarten (KG § 486,4 Anm. 8). Anakreon erklärt zu Beginn des insgesamt 42 Verse umfassenden Gedichts, dass er seinem deutschen Alter Ego Gleim „dies kleine Büchlein“ übersende (τὸ βιβλίον τὸ μικρὸν ǀ Ανακρέοντι πέμπει ǀ Γερμανίας, V. 4–6). Die Sprechsituation erinnert deutlich an das (metrisch identische) CA 15 (9 Estienne), wo der griechische Lyriker eine Brieftaube zur Überbringung von Nachrichten einsetzt. Von einem anonymen Sprecher-Ich zu ihrem Woher und Wohin befragt, entgegnet die Taube, Anakreon habe sie zu seinem Geliebten Bathyllos entsandt (Ἀνακρέων μ’ ἔπεμψε ǀ πρὸς παῖδα, πρὸς Βάθυλλον, CA 15,7f.). In ihrer Geschwätzigkeit fügt sie hinzu, dass sie dem Sänger diene und seine Briefe austrage, seit dieser sie für „ein kleines Lied“ (μικρὸν ὕμνον, CA 15,12) von Aphrodite erworben habe (καὶ νῦν, ὁρᾷς, ἐκείνου ǀ ἐπιστολὰς κομίζω, CA 15,15f.). Obgleich Anakreon der Taube für ihre Dienste die Freiheit versprochen hat, will sie auf immer bei ihm bleiben, da sie es genießt, aus

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seiner Hand zu essen, von seinem Wein zu trinken, mit ihm zu tanzen, zu singen und auf seiner Leier sitzend zu schlafen, also eine durch und durch anakreontische Existenz zu führen (CA 15,17–34). Auch wenn die Vorstellung eines durch Anakreon versandten Briefes somit in den CA bereits präfiguriert ist, erhält der epistolare Kommunikationsakt vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Briefkultur im Allgemeinen und Gleims Prominenz als Briefeschreiber im Besonderen eine spezielle Pointe. Ja, man kann sagen, dass der antike Lyriker hier gleichsam für den brieflichen Diskurs des 18. Jahrhunderts vereinnahmt wurde und sich nun eben des Mediums bedient, das im literarischen Schaffen seines Nachahmers eine herausragende Rolle spielt: Demnach dichtet also nicht nur Gleim wie Anakreon, sondern umgekehrt schreibt Anakreon nun auch Briefe wie Gleim! In diesem Zusammenhang ist signifikant, dass CA 15, von dem Brunck sich offensichtlich inspirieren ließ, das einzige Gedicht des antiken Korpus ist, das – in markantem Gegensatz zur mündlichen Natur anakreontischer Lieder – eine schriftliche Form der Nachrichtenübermittlung thematisiert. Interessanterweise erfahren wir jedoch in dem Anakreonteum nicht das Geringste über den Inhalt des an Bathyllos adressierten Briefes.23 In gewisser Weise füllt Brunck also eine implizite Leerstelle, indem er Gleim einen Brief aus Anakreons Hand zu lesen gibt. Wie Kathryn Gutzwiller beobachtet hat, fungiert die Taube, die in CA 15 Anakreons Post ausliefert, als eine Art Vermittlerin, „a metaphorical intermediary between the earth and some other realm of existence, where, as it seems, dwells a quasi-divinized Anacreon, not now just a famous dead poet but a sentient figure who amusingly has commercial interactions with the goddess Aphrodite and acquires as his own property one of her traditional symbols in the form of the dove“.24 Anakreon erscheint dabei selbst „as a kind of communicator, like the dove, between heaven and earth, human and divine“.25 Eine ebensolche Vermittlerrolle kommt Anakreon auch in Bruncks Gedicht zu, insofern die Götter ihn ausgesandt haben (μάκαρες θεοὶ μ’ ἔπεμψαν, V. 14), um Gleim – wohl zum Zwecke der Apotheose – zu ihnen zu führen. Die vermittelnde Funktion Anakreons spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, dass er sich selbst als göttlich erwählter „Daimon“ Gleims präsentiert (V. 15f.). Als solcher befindet er sich nämlich, ebenso wie Eros in der Darstellung der platonischen Diotima, zwischen der sterblichen und unsterblichen Sphäre (μεταξὺ θνητοῦ καὶ ἀθανάτου [...] καὶ γὰρ πᾶν τὸ δαιμόνιον μεταξύ ἐστι θεοῦ τε καὶ θνητοῦ, Pl. Smp. 202d); wie jener gehört er offensichtlich zu den Wesen, die

23 Vgl. Rosenmeyer 1992, 145: „The dove mentions the letter as an explanation for her presence: she is the intermediary between the poet and his absent lover. But she quickly moves on to fill up the air with chatter, as if intentionally depriving the curious and voyeuristic questioner (and us as readers) of any satisfaction. The letter remains sealed and unread in her beak“. 24 Gutzwiller 2014, 60f. Zu CA 15 vgl. auch Rosenmeyer 1992, 142–146, die in der Taube eine Metapher für den anakreontischen Dichter sieht, „who wishes to be the ‘slave’ or messenger of Anacreon, his favorite ‘pet’“ (146). 25 Gutzwiller 2014, 61.

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„den Göttern die Belange der Menschen deuten und überbringen, den Menschen jedoch diejenigen der Götter“.26 In jedem Fall begab sich Anakreon liebend gern auf die ihm anvertraute Mission, da er seit langem begehrte, den erfolgreichsten seiner Nachahmer mit eigenen Augen zu erblicken (V. 9–12). Nach seinem Dafürhalten ist Gleim schließlich derjenige, der ihm selbst am meisten ähnelt (τόν μοι μάλιστ’ ὅμοιον, V. 12). Das dem deutschen Anakreontiker hier ausgesprochene Lob trägt den Stempel höchster Autorität. Denn wer wäre besser dazu in der Lage, die Qualität und Wirklichkeitstreue der Nachahmung zu beurteilen, als Meister Anakreon höchst-persönlich – und mit ihm sein gelehrter Herausgeber? Die erotische Konnotation des Verbs ποθοῦμαι (V. 11) steht dabei ganz im Einklang mit dem erotisch-poetologischen Diskurs der CA. Das Einleitungsgedicht zur antiken Anakreonteen-Sammlung schildert bekanntlich eine Dichterweihe besonderer Art, in welcher ein junger Poet programmatisch in die Rolle Anakreons schlüpft: Der Sänger aus Teos war ihm, wie er berichtet, in einem Traum erschienen (Ἀνακρέων ἰδών με, CA 1,1); er eilte auf den Alten zu, küsste und umarmte ihn (κἀγὼ δραμὼν πρὸς αὐτόν ǀ περιπλάκην φιλήσας, CA 1,4f.). Hieraufhin nahm der nach Wein riechende Ana-kreon seinen Kranz vom Kopf und überreichte ihn dem Sprecher, und von dem Augenblick an, wo dieser sich den Kranz in seiner Torheit um die eigene Stirn band, war er nicht mehr imstande, mit dem Lieben aufzuhören (CA 1,14–17: ἐγὼ δ’ ὁ μωρὸς ἄρας ǀ ἐδησάμην μετώπῳ· ǀ καὶ δῆθεν ἄχρι καὶ νῦν ǀ ἔρωτος οὐ πέπαυμαι). Wie Glenn Most richtig bemerkt, erfolgt diese dichterische Initiation eindeutig im Rahmen einer erotischen Begegnung: „Anacreon figures as the aged and bibulous but still lusty ἐραστής to the naively enthusiastic and evidently much younger speaker-ἐρώμενος – younger above all because he was born centuries after Anacreon“.27 In ähnlicher Weise erscheint auch Anakreons Sehnsucht nach Gleim erotisch angehaucht. Entgegen seinem expliziten Wunsch, bekommt er seinen Nachahmer allerdings nicht von Angesicht zu Angesicht zu sehen, weil er seine Mission aus einem gleich näher zu betrachtenden Grund abbrechen muss. Da den beiden eine persönliche Begegnung einstweilen versagt ist, lässt Anakreon Gleim auf postalischem Weg Küsse zukommen (σὺν χιλίοισι ǀ χειλῶν φιλημάτεσσι, V. 2f.). Hiermit ahmt er insofern eine für den „deutschen Anakreon“ charakteristische Praxis nach, als dieser sich in seinen Briefen immer wieder wahren Kussorgien hingibt. So werden z.B. in seiner Korrespondenz mit Johann Georg Jacobi (1740–1814), die 1768 unter dem Titel „Briefe von den Herren Gleim und Jacobi“ erschien, sage und schreibe 13.242 Küsse und 260.022 Umarmungen ausgetauscht28 – ein Umstand, den z.B. Anna Louisa Karsch mit der süffisanten Bemerkung „es werden zu viele

26 ἑρμηνεῦον καὶ διαπορθμεῦον θεοῖς τὰ παρ’ ἀνθρώπων καὶ ἀνθρώποις τὰ παρὰ θεῶν (Pl. Smp. 202e). 27 Most 2014, 153. Zu der Initiationsszene vgl. auch Rosenmeyer 1992, 62–73; Müller 2010, 124– 130; Gutzwiller 2014, 58f. 28 Vgl. Hanselmann 1989, 13.

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Küße dabei außgetheilt“ kritisierte.29 Küsse waren im 18. Jahrhundert ein weit verbreitetes Zeichen männlicher Freundschaft und sind im Allgemeinen nicht als Ausdruck homosexuellen Begehrens zu werten.30 Eine gewisse erotische Komponente lässt sich jedoch hier, wie auch anderswo, kaum leugnen, vor allem, wenn man den anakreontischen Prätext mit in Betracht zieht. Der Kuss darf in jedem Fall als „das gleichermaßen literarisch inszenierte wie kulturgeschichtlich-anthropologisch definierte Emblem der Anakreontik“31 gelten. Wenn nun Bruncks Anakreon „tausend Lippenküsse“ versendet, so greift er – wie auch schon im Akt des Briefschreibens – ein Element auf, das zwar bereits in den CA angelegt ist,32 aber nicht zuletzt durch Gleims Schaffen eine weitaus größere Prominenz erhalten hat und vor dem Hintergrund der durch ihn vertretenen Anakreontik zu verstehen ist. Ein weiteres Mal geriert sich der antike Lyriker also wie ein Dichter des 18. Jahrhunderts und tritt gewissermaßen in die Fußstapfen seines eigenen Nach-ahmers. Während CA 15 das Modell für den brieflichen Rahmen von Bruncks Ana-kreonteum liefert und als dessen Hauptprätext anzusehen ist, evoziert Anakreons Sehnsucht nach dem Anblick Gleims die in CA 1 geschilderte Szene, die hier freilich im Rahmen einer oppositio in imitando in ihr Gegenteil verkehrt erscheint: Anstatt einen jungen Poeten in die Kunst anakreontischer Dichtung zu initiieren, möchte Anakreon einem älteren, bereits etablierten Anakreontiker, dessen Werk er bewundert, seine Aufwartung machen. Gleim wird jedoch – im Gegensatz zum Sprecher von CA 1 – seinen Lehrer Anakreon nicht persönlich zu Gesicht bekommen,33 sondern nur dessen textuelle Verkörperung, sprich: seine in Bruncks Edition präsentierten Gedichte.34 Zwar nahm Estienne CA 1 nicht in seine Erstausgabe auf, da es nicht von Anakreon stammen kann, es erschien aber gewöhnlich in Appendices zu späteren Editionen und ist auch bei Brunck unter dem Namen eines gewissen Basilios abgedruckt (S. 66f.).35 Selbst wenn CA 1 in zeitgenössischen Ausgaben nicht als Einleitungsgedicht fungierte,36 dürfen wir also davon ausgehen, dass sich der Straßburger Gelehrte seines programmatischen Charakters sehr wohl bewusst war 29 18 Juli 1768, BW 1, Nr. 223, S. 312 (in Nörtemann 1996). Zu Karschs Reaktion vgl. Nörtemann 1992, 91f.; Pott 1998, 46–48; Wilson 2008, 775f. Zu weiterer Kritik am Briefwechsel von Gleim und Jacobi vgl. Reinlein 2003, 157 Anm. 141. 30 Vgl. Wilson 2008. Das sogenannte osculum amicitiae hat sogar seinen eigenen Eintrag in Zedlers „Universallexicon“: „ein Freundschaftskuß ist, wenn zwey gute Freunde aus sonderlicher Gewogenheit und recht hertzlichem Vertrauen einer des andern Lippen berühren.“ Vgl. Wilson 2008, 770. 31 Luserke-Jaqui 2005, 26. 32 Das von Brunck verwendete Wort für „Kuss“, φίλημα, erscheint in CA 16,25 und 58,26; das Verb φιλεῖν in der Bedeutung von „küssen“ in CA 1,5 und 37,11.  33 So bezeichnet Gleim ihn im programmatischen Eröffnungsgedicht seines „Versuch in scherzhaften Liedern“; vgl. Höschele 2014, 213f. 34 Man beachte wie das auf das „Büchlein“ bezogene ἰδού zu Beginn von V. 2 das Partizip ἰδών in CA 1,1 aufgreift. 35 Der von verschiedenen Herausgebern angeführte Autorname wurde wohl fälschlich von einer Marginalnotiz zu CA 2 hergeleitet, in der τ(ου) αυτου βασιλι(κον) zu lesen ist. 36 In seiner ursprünglichen Position erscheint CA 1 zum ersten Mal in Mehlborns Ausgabe (Anacreontea quae dicuntur, Glogaviae 1825); den Hinweis hierauf verdanke ich Stefan Tilg.

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und das nicht stattfindende Treffen von Gleim und Anakreon als Gegenstück zur Traumbegegnung zwischen dem jungen Dichter und seinem Meister konzipierte. Warum nun wurde Anakreon von den Göttern zurückgerufen, noch bevor er Gleims Haus betreten konnte? Die Freunde des deutschen Dichters scheinen von der bevorstehenden Apotheose erfahren zu haben, und da eine solche unweigerlich mit dem Tod Gleims verbunden wäre, flehten sie die Götter an, diesen noch nicht zu sich zu holen (V. 18–20). Zwar wird das mögliche Ableben des Anakreontikers nicht explizit thematisiert, aus ihrem Verhalten lässt sich jedoch ableiten, dass sie eben davor Angst hatten. Freilich entbehrt die Vorstellung eines ganzen Chors „so vieler Freunde“ (τοσούτων ǀ φίλων, V. 18f.), die um des „deutschen Anakreon“ willen ihre Klagen und Bitten ertönen lassen, nicht einer gewissen Komik. Zugleich aber haben wir es hier mit einem Reflex des von Gleim zelebrierten Freundschaftskultes zu tun, und man mag sich lebhaft ausmalen, wie die vielen Freunde, deren Porträts seinen Freundschaftstempel schmückten, sich in gemeinsamer Mission an die Götter wandten. Noch übertroffen wird die Komik des Bildes in der weiter unten evozierten Vision von den zahlreichen, über den gesamten Globus verteilten Freunden Gleims: „vom Tor der Morgenröte bis hin zum Schlafgemach des Abends“ (V. 36f.). Ihre Bitten erhörend, beschlossen die Götter, dem deutschen Anakreon ein noch längeres Leben zuzugestehen als dem Sänger aus Teos, der für seine Langlebigkeit bekannt war37 (V. 30–32). An dieser Stelle tun wir gut daran, uns in Erinnerung zu rufen, dass Gleim zu dem Zeitpunkt, als Brunck sein Widmungsgedicht vermutlich komponierte, fast 60 Jahre alt war, also bereits ein für die damalige Epoche stattliches Alter erreicht hatte. In gewisser Weise erscheint das von Brunck geschilderte Verweilen Gleims auf Erden, obgleich ihm eine zumindest theoretisch attraktivere Daseinsform unter den Olympiern in Aussicht gestellt worden ist, analog zum Entschluss der Taube in CA 15, trotz der ihr angebotenen Freiheit bei Anakreon zu verweilen und ihre Existenz in der gewohnten Form fortzuführen. Im Übrigen sollte sich Anakreons Prophezeiung eines außergewöhnlich langen Lebens tatsächlich erfüllen: Gleim starb erst über 20 Jahre später (1803) und wurde, wenn er auch nicht länger als Anakreon lebte, so doch immerhin knapp 84 Jahre alt. Was seine äußere Form betrifft, ist Bruncks Anakreonteum gewiss kein Meisterwerk. Neben den oben benannten sprachlichen „Fehlern“ weist es mehrere metrische Unregelmäßigkeiten38 auf und erweckt auch bezüglich seiner Syntax stellen-

37 Antiken Testimonien zufolge starb Anakreon um 485 v.Chr. im Alter von 85 Jahren (vgl. z.B. Luc. Macr. 26); das fortgeschrittene Alter des Dichters sowie seine weißen Haare spielen zudem sowohl in seiner eigenen Dichtung wie auch in den CA eine wichtige Rolle, vgl. Rosenmeyer 1992, 57–62. Der genitivus comparationis Aνακρέοντος αὐτοῦ in V. 30 ist verbatim aus CA 15,27, Bruncks wichtigstem Prätext, übernommen, wo der Ausdruck die Funktion eines possessiven Genitivs hat. 38 Folgende Verse folgen nicht dem üblichen Schema des Hemiambus (x – ∪ – ∪ – x): V. 2 (∪ – – – ∪ – ∪), V. 10 (∪ – – – ∪ – ∪), V. 14 (∪∪ – ∪ – ∪ – ∪), V. 19 (∪ – – – ∪ – ∪), V. 23 (– – ∪ – – – ∪), V. 40 (– – ∪ – – – ∪), V. 41 (– – – – ∪ – ∪). Dabei ist der Wechsel zwischen

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weise einen eher schwerfälligen Eindruck. So erscheint z.B. die stark verschachtelte, mehrere temporale Gliedsätze sowie eine Parenthese umfassende Periode V. 14–22 wenig elegant; auch die beiden parataktisch aufeinander folgenden Sätze V. 26f. und 28f., die jeweils mit demselben Wort (θέλημα) enden, wirken etwas plump. Wenn ich auf solche Fehler und Unschönheiten aufmerksam mache, geht es mir freilich keineswegs darum, Brunck schulmeisterhaft zu kritisieren. Vielmehr gilt es zu bedenken, dass der Text, der in erster Linie für Gleims Augen gedacht und kaum für die Publikation bestimmt war, im wahrsten Sinne des Wortes ein Gelegenheitsgedicht ist. Dessen okkasioneller Charakter manifestiert sich nicht zuletzt in seiner sprachlichen und metrischen Ungeschliffenheit, und wir dürfen daraus wohl schließen, dass Brunck nicht allzuviel Zeit und Mühe auf die Komposition dieses jeu d’esprit verwendet hat. Dennoch ist es, wie ich meine, ein bemerkenswertes Beispiel für die altgriechische Poesie der Neuzeit39 und zugleich ein faszinierendes Produkt der nachantiken Anakreon-Rezeption. 4. ZUSAMMENFASSUNG Wie wir gesehen haben, gibt der Text zwar vor, von dem griechischen Lyriker zu stammen, er imaginiert diesen aber als Leser oder Rezipienten seines deutschen Alter Ego und lässt ihn durch Abrufung bestimmter zeitgenössischer Diskurse wie einen Dichter des 18. Jahrhunderts erscheinen. Wir haben es also mit einer Art Meta-Rezeption zu tun, insofern – innerhalb der Fiktion des Gedichts – das antike Vorbild auf seine Nachahmung durch einen deutschen Poeten reagiert und sich dessen bevorzugtes Medium anverwandelt. Dass Brunck Gleim hier Anakreon „im Original“ lesen lässt, passt bestens dazu, dass er ihm mit dieser poetischen Epistel eine Edition „originaler“ Anakreon-Texte dediziert. Der Straßburger Philologe hatte ganz offensichtlich ebenso wie Gleim viel übrig für den heiter-spielerischen Charakter anakreontischer Poesie und schreibt sich mit seinem Widmungsgedicht auf kreative Weise in das literarische Spiel ein. Doch damit nicht genug: Brunck scheint auch, ebenso wie Gleim, ein Faible für die anakreontische Lebensweise gehabt zu haben und von seiner ganzen Disposition her selbst eine Art elsässischer Anakreon gewesen zu sein. So betont etwa der Klassische Philologe Johann Gott-

Hemiambus und anaklastischem ionischen Dimeter (V. 14) noch mehrfach in den Anakreonteen anzutreffen. Vgl. West 21993, XIV. In V. 41 könnte man auch von falscher Messung ausgehen (εὔθῠμον?). Dreimal insgesamt ist die dritte Silbe lang statt kurz (V. 2. 10. 19), zweimal die fünfte Silbe (V. 23 und 40). Im letzten Fall handelt es sich jeweils um dieselbe Wendung φίλων κάλλιστε. 39 Einen äußerst interessanten und hilfreichen Überblick über „neualtgriechische“ Dichtung (vom Humanismus bis ins 20. Jahrhundert) bietet Weise 2011 im Rahmen einer Betrachtung griechischer Gedichte von Hallenser Gelehrten des 18. Jh.s.

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fried Schweighäuser (1776–1844) in seinem Nachruf auf den Gelehrten, dessen Schlussworte ich ans Ende dieser Darstellung setzen möchte, Bruncks Ähnlichkeit mit dem „Alten aus Teos“: M. Brunck a fait, jusqu’à la fin de sa vie, les délices d’une société bien choisie ; nous le comparions souvent au vieillard de Téos, dont il avait si bien apprécié les chants ; sa figure, à la fois belle, riante et vénérable, est gravée à jamais dans mon imagination ; ses qualités excellentes seront éternellement présentes à mon cœur.40

40 Ich möchte mich bei Ute Pott und Annegret Loose dafür bedanken, dass sie mir bei einem Besuch des Gleimhauses in Halberstadt Zugang zu Anakreon-Ausgaben aus Gleims Besitz verschafften. Renaud Gagné gilt mein Dank dafür, dass er mir Photographien von Schweighäusers Nachruf auf Brunck aus der Universitätsbibliothek in Cambridge zukommen ließ. Für ihre äußerst hilfreichen Bemerkungen zu Bruncks Anakreonteum bzw. diesem Artikel sei zudem Peter Bing, Niklas Holzberg, David Sider und Claudia Wiener herzlich gedankt.

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LITERATUR Adam 1998 = W. Adam, Geselligkeit und Anakreontik, in: E. Rohmer/T. Verweyen (Hgg.), Dichter und Bürger in der Provinz: Johann Peter Uz und die Aufklärung in Ansbach, Tübingen 1998 (= Frühe Neuzeit; 42), 31–54. Adam 2000 = Ders., Freundschaft und Geselligkeit im 18. Jahrhundert, in: Der Freundschaftstempel im Gleimhaus zu Halberstadt. Porträts des 18. Jahrhunderts: Bestandskatalog. Bearbeitet von Horst Scholke. Mit einem Essay von Wolfgang Adam, Leipzig 2000, 9–34. Ausfeld 1907 = F. Ausfeld, Die deutsche anakreontische Dichtung des 18. Jahrhunderts. Ihre Beziehungen zur französischen und zur antiken Lyrik. Materialien und Studien, Diss. Straßburg 1907. Baumann 1974 = M. Baumann, Die Anakreonteen in englischen Übersetzungen: Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der anakreontischen Sammlung, Heidelberg 1974 (= Studien zum Fortwirken der Antike; 7). Baumbach/Dümmler 2014 = M. Baumbach/N. Dümmler (Hgg.), Imitate Anacreon! Mimesis, Poiesis and the Poetic Inspiration in the Carmina Anacreontea, Berlin/Boston 2014 (= MilleniumStudien; 46). Beckby 21965–1967 = H. Beckby, Anthologia Graeca. Griechisch-deutsch, 4 Bde., München 21965– 1967. Brunck 1778 = [R.F.P. Brunck,] ΑΝΑΚΡΕΟΝΤΟΣ ‖ ΩΔΑΙ. ‖ ANACREONTIS ‖ CARMINA ‖ E MSS. Codd. & doctorum ‖ Virorum conjecturis ‖ emendata. ‖ ARGENTORATI ‖ Excud. J. H. HEITZ Acad. Typ. ‖ 1778. Cameron 1993 = A. Cameron, The Greek Anthology from Meleager to Planudes, Oxford 1993. Estienne 1554 = ΑΝΑΚΡΈΟΝΤΟΣ ‖ Τηΐου μέλη. ‖ ANACREONTIS ‖ Teij odae. ‖ AB HENRICO STEPHANO ‖ luce et Latinitate nunc primum donatae, ‖ LVTETIAE ‖ Apud Henricum Stephanum ‖ M. D. LIIII. Galerie historique 1818 = Galerie historique des contemporains ou Nouvelle biographie, Bd. 3, Brüssel 1818. Galiano 1972 = M.F. Galiano, Anakreon gestern und heute, in: Das Altertum 18 (1972), 223–235. Gutzwiller 2014 = K. Gutzwiller, Anacreon, Hellenistic Epigram and the Anacreontic Poet, in: Baumbach/Dümmler 2014, 47–66. Halm 1876 = K.F. Halm, Art. „Brunck, Richard Franz Philipp“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 3, Leipzig 1876, 440f. Hanselmann 1989 = B. Hanselmann, Johann Wilhelm Ludwig Gleim und seine Freundschaften oder Der Weg nach Arkadien, Bern/Frankfurt a.M. etc. 1989 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe I, Deutsche Sprache und Literatur; 1133). Höschele 2014 = R. Höschele, „Er fing an zu singen, und sang lauter Mägdchen“. Johann Wilhelm Ludwig Gleim, The German Anacreon, in: Baumbach/Dümmler 2014, 199–226. Hurlebusch 1989 = K. Hurlebusch (Hg.), Friedrich Gottlieb Klopstock. Werke und Briefe. Abteilung V: Briefe 1767–1772, Band 1: Text, Berlin/New York 1989. Im Hof 1982 = U. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert: Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982. Jacobs 1794–1814 = F. Jacobs, Anthologia Graeca sive poetarum Graecorum lusus ex recensione Brunckii & Animadversiones in epigrammata Anthologiae Graecae secundum ordinem analectorum Brunckii, 13 Bde., Leipzig 1794–1814. Jacobs 1824 = Ders., Art. „Brunck (Richard-François-Philippe)“, in: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet und herausgegeben von J.S. Ersch und J.G. Gruber, Professoren zu Halle. Dreizehnter Teil. Briänsk-Bukuresd, Leipzig 1824, 222–224. KG = R. Kühner/B. Gerth/F. Blass, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, 2 Teile in 4 Bde., Hannover/Leipzig 31890–1904 (ND Darmstadt 2015).

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ΣΠΟΥΔΟΓΕΛΟΙΑ ERNSTES UND HEITERES AUS DEM 19. JAHRHUNDERT

ARCHÄOLOGIE ALS OPFERDIENST Das Hyperboreer-Gedicht Eduard Gerhards Michael Hillgruber

Abstract: During a longer research trip to Rome in the 1820s, the classical archaeologist Eduard Gerhard wrote a Greek poem in which he compared his friends and himself to the legation that was said to have traveled to Delos on the Hyperboreans’ behalf in order to honor the god Apollo with offerings at his birthplace. Like this legation, Gerhard and his friends were also northerners on the way to the south to perform a sacrifice in the form of their archaeological research on ancient sites. The hitherto hardly addressed poem will be discussed in detail and with particular attention to its role in Eduard Gerhard’s biography. A critical edition of the Greek text, a German prose translation and selected authorial explications follow in a separate appendix.

EINFÜHRUNG Das hier behandelte Gedicht darf ein besonderes wissenschaftshistorisches Interesse für sich beanspruchen. Denn es führt uns mitten hinein in die Gedankenwelt eines gelehrten Freundeskreises, dessen Aktivitäten mit der Vorgeschichte des Deutschen Archäologischen Instituts aufs engste verbunden sind, ja mehr noch, es stammt von dem Mann, der bis heute als der eigentliche Gründungsvater des DAI gefeiert wird: Eduard Gerhard. Nun kommt es nicht alle Tage vor, daß ein Klassischer Archäologe sich und seinen Freunden ein Denkmal in griechischen Versen setzt. Es müssen besondere Umstände gewesen sein, die hierzu die Veranlassung gaben, und tatsächlich ist unser Gedicht ein voraussetzungsreiches Gebilde, das sich dem Verständnis nur dann in vollem Umfang erschließt, wenn man mit der außergewöhnlichen Lebensgeschichte Gerhards vertraut ist. Blicken wir also zunächst auf die wissenschaftlichen Anfänge dieses Mannes zurück.1

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Die maßgebliche Literatur, auf der die folgenden Ausführungen zum Lebensweg Gerhards und zu den Anfängen des DAI beruhen, ist am Ende des Aufsatzes zusammengetragen; manches, was hier nur angedeutet werden kann, ist dort ausführlich dargestellt und mit den nötigen Nachweisen versehen. – Herzlich gedankt sei Hans Rupprecht Goette vom DAI Berlin für seine freundliche Unterstützung bei der Beschaffung der Abbildungen.

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1. ZUR BIOGRAPHIE EDUARD GERHARDS 1795 in Posen geboren wuchs Gerhard im schlesischen Breslau auf und begann dort 1812 ein Studium der Klassischen Philologie, das er nach zwei Jahren in Berlin fortsetzte, wo er in Friedrich August Wolf und August Böckh seine wichtigsten Lehrer fand. Bereits 1815 wurde Gerhard mit einer von Böckh betreuten Arbeit über Apollonios Rhodios (Lectiones Apollonianae) zum ersten Doktor der noch jungen Berliner Universität promoviert, und nur ein Jahr später gelang ihm an der Universität Breslau sogar die Habilitation, da die gedruckte Fassung seiner Promotionsschrift dort als Grundlage für die Durchführung des Verfahrens ausreichte. Dann aber folgte ein jäher Absturz: Gerhard brachte sich durch ungebührliche Polemik im Umgang mit angesehenen Fachgelehrten um die Möglichkeit einer geradlinigen Universitätskarriere und sah sich daher gezwungen, die Stelle eines Gymnasiallehrers in seiner Geburtsstadt Posen anzutreten. Diese aber verschaffte ihm so wenig Befriedigung, daß seine Gesundheit ernstlich darunter litt. Nachdem die Augen schon bei Handschriftenstudien im Auftrag Böckhs bleibenden Schaden genommen hatten, kam nun eine schwere psychosomatische Erkrankung hinzu, und es dauerte nicht lange, bis Gerhard auch seine Lehrerstelle aufgab und nur noch von der Zahlung eines Ruhegehaltes lebte. Eine Wende zum Besseren kam auf ganz unerwartete Weise zustande. Da sich die Leiden Gerhards als hartnäckig erwiesen und auch durch Kuraufenthalte in diversen Badeorten keine Linderung erfuhren, riet man ihm, im Süden Heilung zu suchen, und als er daraufhin im Sommer 1819 zu einer Reise aufbrach, die ihn ein ganzes Jahr in Rom und Süditalien festhielt, trat tatsächlich eine Besserung seines Zustands ein.2 Wieder in der Heimat angekommen setzte Gerhard alles daran, unter veränderten Umständen in das Land zurückzukehren, dem er seinen gesundheitlichen Aufschwung verdankte, und nach rund einem Jahr und längeren Vorbereitungen in Bonn und Paris hatte er sein Ziel erreicht: Es wurden ihm Mittel für einen erneuten Aufenthalt in Italien gewährt, die er zu Forschungszwecken nutzen sollte. So begann für Gerhard nach seiner Ankunft in Rom im Herbst 1822 ein neues Leben, das seine wissenschaftlichen Aktivitäten dauerhaft auf die Kunstwerke der Antike lenkte. Aus dem Klassischen Philologen, der in seiner Berliner Studienzeit bereits mit einer Altertumswissenschaft vertraut gemacht worden war, die sich für alle Bereiche des antiken Lebens zuständig fühlte, wurde ein Archäologe, der in Italien

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Gerhard selbst faßt seinen Lebensweg bis zu dieser entscheidenden Wende rückblickend wie folgt zusammen: „Nach meiner ersten Jugendzeit, nach der regsamen Trübsal derjenigen Jahre, in denen ich ,Lectiones Apollonianae‘ schrieb, über Handschriften des Pindar die Sehkraft eines Auges einbüsste, zu Breslau docierte, philologische Blätter mit dem Motto μαθόντες ἄκραντα γαρύετον ausgehen liess, ein Weilchen mit Eifer zu Posen die polnische Jugend unterrichtete, dann aber für die Herstellung meiner Gesundheit sorgen musste, begann ich neu aufzuleben, als ich Italien sah“ (Gerhard 1865, 97).

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seine zweite Heimat fand und dort geradezu fieberhaft daran arbeitete, die monumentalen Überreste der Antike zu sichten, zu ordnen und der Forschung zugänglich zu machen.3 2. DIE UMSTÄNDE DER ENTSTEHUNG DES GEDICHTS Zunächst kam es freilich darauf an, mit der neuen Umgebung vertraut zu werden und geeignete Aufgaben für die eigene Forschungsarbeit zu finden. Gerade für Gerhard war das keine leichte Aufgabe, da er seine Augen weiterhin nur mit größter Anstrengung gebrauchen konnte. Aber er hatte Glück und erhielt schon bald die Gelegenheit, sich an einer großangelegten „Beschreibung der Stadt Rom“ zu beteiligen; die hierfür vorgesehene Bearbeitung der Skulpturen des Vatikan wurde in seine Hände gelegt.4 Hinzu kam der Kontakt zu Bildungsreisenden, die von den reichen Kunstschätzen Italiens damals in großer Zahl angelockt wurden; lehrreiche Unternehmungen mit dem archäologisch wie philologisch geschulten Pädagogen Friedrich Thiersch sowie den beiden Kunsthistorikern August Hagen und Ludwig Schorn blieben Gerhard auch nach der gemeinsamen Zeit noch lange in dankbarer Erinnerung.5 Der Aufbau eines festen Freundeskreises gelang jedoch erst, als im Herbst 1823 ein weiterer Schüler August Böckhs nach Rom kam: Theodor Panofka.6 Aus dem täglichen Umgang, den die beiden miteinander pflegten, entwickelte sich eine enge Freundschaft, in die schon bald zwei weitere Personen einbezogen wurden: der Diplomat August Kestner, der seit 1817 in Diensten der hannoverschen Gesandtschaft beim Vatikan stand und in Rom auch als Kunstsammler von sich reden machte,7 sowie der baltische Baron Otto Magnus von Stackelberg, ein Maler und Kunstforscher, der während eines mehrjährigen Griechenlandaufenthalts an der Freilegung des Apollontempels von Bassai mitgewirkt hatte, nun aber in Rom lebte und dort

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Eben darin liegt Gerhards bleibendes Verdienst: „Der Wissenschaft aus Büchern und Manuscripten […] fügte er die Anschauung hinzu, und er hat damit nicht nur die Archäologie im engeren Sinne belebt, sondern die Philologie überhaupt“ (Harnack 1900, 865). Erschienen ist Gerhards Verzeichnis der vatikanischen Skulpturen unter dem Titel „Das vaticanische Museum“ in Band II 2 des von B.G. Niebuhr initiierten Gesamtwerks (Stuttgart/Tübingen 1834, 1–283); auch zum ersten Band steuerte Gerhard einen wichtigen, bereits 1826 abgeschlossenen Beitrag bei: Roms antike Bildwerke (Stuttgart/Tübingen 1830, 277–334). Die Reiseunternehmungen der genannten Personen fallen in den Winter 1822/23 und die darauf folgenden Frühlingsmonate (vgl. Jahn 1868, 58f.). Kurze Gesamtwürdigungen der drei Gelehrten findet man in den entsprechenden Artikeln der „Neuen Deutschen Biographie“ (NDB); Thiersch: S. Krauss-Meyl, Bd. 26 (2016), 133–135; Hagen: F. Gause, Bd. 7 (1966), 470; Schorn: E.Y. Dilk, Bd. 23 (2007), 483f. Zu Panofka (1800–1858) vergleiche man die Ausführungen von H. Blanck in: P. Kuhlmann/H. Schneider (Hgg.), Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon, Stuttgart 2012 (DNP Suppl.; 6), 924f. Eine umfangreiche Biographie Kestners (1777–1853) verdanken wir Jorns 1964; die wichtigsten Daten zu seinem Leben sind zusammengetragen bei J. Wittstock (NDB 11 [1977], 553f.).

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seinen Studien nachging.8 In diesem Kreis, der sich regelmäßig in der „Villa di Malta“ auf dem Monte Pincio traf,9 las man an langen Winterabenden gemeinsam griechische Texte, in der Hauptsache Pausanias, und in diesem Kreis fand man sich auch zu gemeinsamen Reisen zusammen, so im Herbst 1824 zu einer Sizilien-Reise, die von Neapel ihren Ausgang nahm.10 Nun arbeitete Stackelberg damals schon lange an einer aufwendigen Dokumentation der Funde von Bassai sowie an einer Monographie über „Die Gräber der Hellenen“,11 und da auch Gerhard an den damit zusammenhängenden mythologischen Studien lebhaften Anteil nahm, kam er mit der symbolischen Mythendeutung Friedrich Creuzers in Berührung, die Stackelberg mit Begeisterung aufgesogen hatte.12 So erschien gleich zu Beginn des Jahres 1825 in dem von Ludwig Schorn herausgegebenen „Kunstblatt“ eine kleine Studie Gerhards, die auf dem Weg der mythologischen Kunstbetrachtung zu den ältesten religiösen Anschauungen der Griechen vorzudringen suchte; eine in der antiken Kunst zwar vielfach belegte, aber dennoch rätselhafte weibliche Göttergestalt, die Züge einer Liebes- und einer Todesgöttin in sich zu vereinen schien, sollte als Venus-Proserpina gedeutet werden.13 8 9

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Vom Leben Stackelbergs (1786–1837) besitzen wir eine Beschreibung aus Gerhards eigener Feder (Gerhard 1852). Würdigungen aus späterer Zeit stammen von Rodenwaldt 1957 und Bechtle 1959, 24–43. Ein anschauliches Bild vom Zauber des verwinkelten Hauses hoch über den Dächern Roms, das früher dem Malteserorden als „klosterähnlich eingerichtete Sommerwohnung“ gedient hatte, nun aber die hannoversche Gesandtschaft am Heiligen Stuhl beherbergte, vermittelt Brun 1833, 57–59 (eine Ansicht der „Villa di Malta“ ist dem Titelblatt als Frontispiz gegenübergestellt). Die handschriftlichen Aufzeichnungen Kestners von dieser Reise, die Gerhard aus gesundheitlichen Gründen nicht mitmachen konnte, hat Siebert 2011 ausgewertet. Das erste Werk (Der Apollotempel zu Bassae in Arcadien und die daselbst ausgegrabenen Bildwerke) erschien 1826 in Rom, das zweite wurde erst in Stackelbergs Todesjahr (1837) in Berlin veröffentlicht. Die Vorstellung, Gerhard habe seit der Begegnung mit Stackelberg ganz im Banne Creuzers gestanden, rückt H. Wrede zurecht; es dürfte der Wahrheit näherkommen, wenn man in Gerhard einen Gelehrten sieht, der von den religionshistorischen Vorstellungen der Romantik insgesamt beeinflußt war und sich im Rahmen dieser geistigen Strömung die Freiheit nahm, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln (Antoine Morillon und Eduard Gerhard. Archäologie der Spätrenaissance und der Romantik im Vergleich, in: Wrede 1997, 62–72; hier 67 u. 70). E. Gerhard, Venus Proserpina, in: Schorn’s Kunstblatt 6 (1825), Nr. 16 (S. 61–64). Nr. 17 (S. 65–67). Nr. 18 (S. 70–72). Nr. 19 (S. 75f.). – Zur Sache sei hier nur soviel gesagt: Der Gedanke, die Liebes- und die Todesgöttin zu einer Einheit zu verschmelzen, ist der Antike grundsätzlich keineswegs fremd; das zeigt mit besonderer Deutlichkeit der Fall der römischen Venus Libitina (dazu Köves-Zulauf 2004). Das literarische Zeugnis, von dem sich Gerhard zur Wahl seines Aufsatztitels inspirieren ließ, war allerdings unglücklich gewählt; denn in dem inschriftlichen Text, den wir in Kap. 133 der pseudo-aristotelischen Schrift De audibilibus auscultationibus finden, ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit G. Hermann (Opuscula V, Leipzig 1834, 179– 181) Κυθήρᾳ πασιφαέσσῃ statt Κυθήρᾳ Φερσεφαάσσῃ zu lesen (vgl. Zuntz 1971, 174f.). Was schließlich die von Gerhard behandelten Götterstatuetten betrifft, so war schon Bernoulli geneigt, in ihnen Darstellungen einer reinen Todesgöttin (ohne gleichzeitige Bezugnahme auf die Liebesgöttin) zu sehen: „Viel eher liesse sich, da die Gewandhebung ein so häufiges Motiv des hieratischen Stiles ist, an Kora oder Persephone denken“ (Bernoulli 1873, 63–68; hier: 66).

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Mit einer knappen Zusammenfassung seiner Überlegungen, wie sie im „Kunstblatt“ zu lesen war, gab sich Gerhard jedoch nicht zufrieden; seine Studie sollte noch einmal in italienischer Sprache und in erweiterter Form als selbständige Abhandlung gedruckt werden, und in dieser Form sollte sie den Freunden gewidmet sein, deren Gesellschaft ihm so viel bedeutete. So kam Gerhard im Sommer 1825 auf den Gedanken, ein Freundschaftsgedicht zu verfassen, das seinem Opusculum als Zueignung vorangestellt werden konnte. Ein passendes Thema war schnell gefunden; denn die mythologischen Studien Stackelbergs kreisten damals in erster Linie um den Apollonkult, und dabei war die Sprache auch auf die Hyperboreer gekommen, jenes legendäre Volk, das der antiken Überlieferung zufolge irgendwo im hohen Norden in frommer Verehrung Apollons lebte und einst sogar Gesandte nach Delos geschickt hatte, um den Gott auch an seinem Geburtsort zu ehren. Waren nicht auch Gerhard und seine Freunde in einer ähnlichen Lage wie diese Gesandten? Waren nicht auch sie als Nordländer in den Süden gekommen? Und mit ihren archäologischen Studien leisteten sie doch auch eine Art Opferdienst! Erfüllt von solchen Gedanken nannten sich die Freunde fortan „Römische Hyperboreer“,14 und Stackelberg brachte ihr Selbstverständnis sogar auf bildliche Weise zum Ausdruck, indem er eine Vignette zeichnete, die auf der einen Seite einen hyperboreischen Greif im Triumph über einen feindlichen Arimaspen zeigt und auf der anderen Seite die römische Wölfin mit den beiden Zwillingen.15 Hieran sollte das Gedicht anknüpfen, das Gerhard zu schreiben beabsichtigte, und da das Thema nun einmal der griechischen Mythologie entlehnt war, sollte es auch in griechischer Sprache abgefaßt sein. An dem nötigen Rüstzeug für die Bewältigung einer solchen Herausforderung fehlte es Gerhard nicht; schon beim Abschied von der Schule hatte er sich mit einer griechischen Rede über das Selbstlob der homerischen Helden hervorgetan,16 und was seine philologischen Studien auf der Uni-

Tatsächlich werden heute bei dem Bemühen um eine Deutung der Götterstatuette der sogenannten Ildefonso-Gruppe, die Gerhard als ein besonders prominentes Beipiel für den von ihm untersuchten Figurentypus präsentiert hatte, nur noch reine Unterweltsgöttinnen wie Persephone, Hekate oder auch – im Falle einer Identifizierung der beiden Hauptfiguren mit Orest und Pylades – Artemis Tauropolos in Betracht gezogen (vgl. Schröder 2004, 371–379). 14 Bei Gerhard selbst lesen wir hierzu: „Ein so häufiger Verkehr mit apollonischen Heiligthümern, Kunstwerken und Sagen mochte es denn auch sein, der dieser kleinen archäologischen Genossenschaft alsbald zur doppelsinnigen Benennung römischer Hyperboreer verhalf“ (Gerhard 1852, 311), und ganz in diesem Sinne ist denn auch die Widmung gehalten, die Gerhard seiner „Venere Proserpina illustrata“ voranstellte: „al diletto e venerato ceto della società iperboreo-romano“. 15 Unten Abb. 1. – Die große Symbolkraft der von Stackelberg gewählten Motive, die schon Gerhard selbst in beredten Worten beschrieb (Gerhard 1852, 315), gab noch Rodenwaldt Anlaß, die Zeichnung seinem eigenen Rückblick auf die Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts voranzustellen (Rodenwaldt 1929, 5). 16 Vgl. Jahn 1868, 4.

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versität betrifft, so hatte er diese, um mit den Worten Reinhard Kekulés zu sprechen, „mit zäher Energie und im größten Zusammenhang“ betrieben; „improvisierte griechische Verse flossen ihm leicht von den Lippen“.17 So machte sich Gerhard also ans Werk und feierte das Leben im Kreis der „Römischen Hyperboreer“ in einem achtzig griechische Hexameter umfassenden Gedicht, das sich mit der Stackelbergschen Vignette zu einer festen Einheit zusammenschließt. Beide – Gedicht und Zeichnung – zieren die ersten Seiten seines 1826 erschienenen Büchleins (GERHARD 1826), und noch im Abstand von mehr als 25 Jahren ließ Gerhard seine poetische Produktion ein zweites Mal drucken, in der Hoffnung, daß sie „vielleicht noch jetzt einige Ansprache findet“;18 im zweiten Band seiner „Hyperboreisch-Römischen Studien“ von 1852 ist sie einer deutschen Fassung der „Venere Proserpina“ als Anhang beigegeben, und wie ein Vergleich der beiden Ausgaben zeigt, hat sich Gerhard sogar die Mühe gemacht, die Verse an der einen oder anderen Stelle nachträglich zu glätten. Wir wollen bei dem nun folgenden Durchgang durch den griechischen Text diese zweite Auflage zur Grundlage nehmen.19 3. AUFBAU UND INHALT DES GEDICHTS Unser Gedicht gliedert sich in vier große Sinnabschnitte von annähernd gleichem Umfang. In den Versen 1–18, die den ersten Abschnitt bilden, bewegen wir uns noch ganz auf dem Boden der griechischen Tradition. Das fromme Leben der Hyperboreer, die sich hoch im Norden der Verehrung Apollons hingeben und auch von diesem besonders geliebt werden, erfährt eine anschauliche Beschreibung, die vor allem deshalb Beachtung verdient, weil sie in der uns erhaltenen antiken Literatur in dieser Form keine Entsprechung findet. Sie beruht ganz wesentlich auf der Kunst des Autors, die in den antiken Quellen weit verstreuten Einzelaussagen zum Leben der Hyperboreer zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenzufügen, und diese Kunst beherrscht Gerhard dank seiner umfassenden Belesenheit geradezu virtuos.20

17 Kekulé 1911, 6. – Sehr zustatten kam Gerhard bei der Ausübung dieser Kunst sein phänomenales Gedächtnis, das sich keineswegs nur auf einmal gesehene Kunstwerke bezog: „Auch die Schriftsteller hatte er präsent. Aus Homer, Pindar, den Tragikern und anderen Dichtern sagte er lange Stellen auf dem Fleck her, und war etwas nachzusehen, fand er es ohne nachzusuchen“ (Jahn 1868, 97). Als ein schönes Zeugnis für die auch im Alter ungebrochenen Fähigkeiten Gerhards im Produzieren griechischer Verse kann ein Gedicht auf Ernst Curtius gelten, das anläßlich einer gemeinsamen Lektüre der aristophanischen „Frösche“ im Rahmen der „Griechischen Gesellschaft“ in Berlin entstand (abgedruckt bei Jahn 1868, 110f. Anm. 2). Zu Gerhards poetischen Neigungen insgesamt sei verwiesen auf Sichtermann 1979, 6f. 18 GERHARD 1852, 137. 19 Eine kritische Ausgabe des Textes ist diesem Aufsatz als Anhang beigegeben. 20 Ausgewählte Literatur zum antiken Bild von den Hyperboreern ist der Bibliographie am Ende des Aufsatzes zu entnehmen (zur Ergänzung sei verwiesen auf Winiarczyk 2011, 56 Anm. 67).

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So haben die einleitenden Aussagen über die Begeisterung der Hyperboreer für Musik und Tanz (V. 1–5) in der 10. Pythischen Ode Pindars ihr wichtigstes Fundament,21 der darin eingeschlossene Hinweis auf ihre Weisheit aber nimmt eine entsprechende Bemerkung des Platonikers Kelsos auf, deren Kenntnis wir dem Kirchenvater Origenes verdanken.22 Der anschließende Bericht über die beiden Trauerfälle, die Apollon dazu veranlaßten, ins Land der Hyperboreer zu kommen (V. 6– 9), beruht ebenfalls auf zwei grundverschiedenen Quellen. Daß Apollon dort den Schmerz um den Tod seines Sohnes (des Asklepios) verarbeitete, erfahren wir im vierten Buch der Argonautica des Apollonios Rhodios (A.R. 4,611–617); die Aussage über den Silen, dessen Tod den Gott ein zweites Mal zu den Hyperboreern führte, löst sich dagegen bei einem Blick in das Geschichtswerk Diodors auf; dort wird erzählt, Apollon habe seine brutale Bestrafung des Marsyas (des Silens) im nachhinein bitter bereut und sich im Verein mit der von ihm begehrten Kybele, in deren Diensten Marsyas stand, auf eine lange Reise begeben, die erst bei den Hyperboreern ihr Ende fand (D.S. 3,59,5f.). Ein besonders geschickter Kunstgriff im Umgang mit der antiken Überlieferung ist Gerhard in dem Abschnitt über die hyperboreischen Opferbräuche gelungen (V. 10–14). Einerseits müssen wir aus einem Zeugnis des Hellanikos zur vegetarischen Lebensweise der Hyperboreer (FGrHist 4 F 187) den Schluß ziehen, daß diese auch die Götter nur mit agrarischen Gaben ehrten;23 andererseits berichtet Pindar in den Versen 31 bis 36 der erwähnten Pythischen Ode von spektakulären Eselsopfern der Hyperboreer, an deren Anblick Apollon seine besondere Freude hatte.24 Was aber macht Gerhard daraus? Er läßt beide Aussagen gleichermaßen gelten, indem er die Hyperboreer in Gruppen einteilt, von denen die eine diese, die andere jene Kultpraxis übte. Abgerundet wird die Beschreibung des hyperboreischen Lebens mit Ausführungen über die gewaltigen, von Greifen bewachten Goldschätze dieses Volkes (V. 15–18). Sie lehnen sich an Aussagen Herodots an, die ihrerseits auf ein uns verlorenes episches Gedicht des Aristeas von Prokonnesos zurückgehen.25 Unbeachtet 21 Pi. P. 10,37–40; ähnliche Aussagen finden wir bei Hekataios von Abdera (FGrHist 264) F 7,2. 22 Die Hyperboreer sollen zusammen mit den Odrysen, den Samothrakern und den Eleusiniern zu den ältesten und weisesten Völkern zählen (Origines Cels. 1,16). 23 Eine Bestätigung liefert uns Porphyrios, der in seiner Schrift De abstinentia auf die „heiligen Aufzeichnungen“ der Hyperboreer in Delos verweist, um seine These von der Bevorzugung unblutiger Opfer durch die Götter zu stützen: σεμνὰ δ᾿ ἦν τῶν πρὶν ὑπομνήματα ἐν Δήλῳ ἐξ Ὑπερβορέων ἀμαλλοφόρων (Porph. Abst. 2,19,3; zur Sache siehe unten Anm. 30). 24 Ausführlich hierzu Rausch 2013, 52–55. – Daß es sich um einen außergewöhnlichen Opferbrauch handelt, dessen Nachahmung außerhalb des Hyperboreerlandes schlimme Folgen haben konnte, zeigt die Geschichte des Kleinis, die Antoninus Liberalis in seinen „Metamorphosen“ (Kap. 20) im Anschluß an die Ὀρνιθογονία des Boios (p. 24 Powell) und das Apollon-Gedicht des Simias von Rhodos (fr. 2 Powell) erzählt. Unter den übrigen Belegen für die Eselsopfer der Hyperboreer verdient ein Fragment aus den „Aitien“ des Kallimachos besondere Beachtung, da allein dort das von Gerhard gebrauchte Wort ὀνοσφαγία belegt ist (fr. 186,10 Pf.). 25 Im dritten Buch seiner Historien (Hdt. 3,116,1) erwähnt Herodot Berichte von großen Goldschätzen im Norden Europas, die von Greifen bewacht und vom Volk der Arimaspen geraubt werden; daß er solche Legenden, von denen er sich selbst sogleich distanziert (3,116,2), dem

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bleibt in der Darstellung Gerhards jedoch, daß Aristeas den goldhütenden Greifen einen eigenen Wohnsitz zwischen dem Land der Hyperboreer und dem der Arimaspen zugewiesen hatte;26 in unserem Gedicht stehen sie ganz im Dienste der Hyperboreer, ohne daß eine geographische Distanz erkennbar wäre, was sich immerhin damit rechtfertigen läßt, daß kaiserzeitliche und spätantike Autoren wie Apuleius (met. 11,24,3) und Claudian (carm. min. 31,8) ganz selbstverständlich von hyperboreischen Greifen reden.27 Der zweite große Abschnitt unseres Gedichts (V. 19–42) lenkt den Blick auf die Anstrengungen der Hyperboreer, ihren Gott auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen mit Opfergaben zu ehren, und auch hier beruhen wieder viele Aussagen auf antiker Überlieferung. Doch anders als bisher übernimmt Gerhard die Tradition nun nicht mehr in allen Fällen unverändert; bei Bedarf weiß er sie den eigenen Interessen durchaus anzupassen, um sein eigentliches Thema nicht aus den Augen zu verlieren: die hyperboreischen Aktivitäten seines römischen Freundeskreises. Schon Herodot und andere antike Autoren berichten von der Gewohnheit der Hyperboreer, Gaben für Apollon an die Grenzen ihres Landes zu bringen, um diese dann von Volk zu Volk weiterwandern zu lassen, bis sie schließlich nach Delos gelangen.28 Hieran knüpft Gerhard an, geht aber über die antiken Vorgaben bisweilen deutlich hinaus; so sind sowohl die hyperboreischen Männer, die sich die Aushändigung der Gaben mit Gold bezahlen lassen (V. 21–23), als auch die fest verschlossenen Körbe, die mit heiligen Blättern, Ähren und Früchten gefüllt sind (V. 24–26), seiner eigenen Phantasie entsprungen;29 Herodot spricht lediglich von Opfergaben, die in Weizenhalme eingebunden waren, benennt die Gaben selbst aber nicht, während Kallimachos immerhin von Halmen und Ährenbündeln spricht, ohne jedoch die Behältnisse zu erwähnen, in denen sie transportiert wurden, und Pausanias merkt sogar ausdrücklich an, die Gaben seien ein großes Geheimnis, was

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Arimaspen-Epos des Aristeas verdankt, ist seinen Aussagen in 4,13,1 u. 4,16,1 zu entnehmen (Aristeas fr. 3A/B Davies = frr. 2 u. 3 Bernabé). Hdt. 4,13,1 (Aristeas fr. 3A Davies = fr. 2 Bernabé). Insofern ist Rausch im Recht, wenn er feststellt, das Land der Hyperboreer sei – wenigstens in der frühen Zeit – nicht als goldreich beschrieben worden (Rausch 2013, 77 Anm. 163). In den Φιλίστορες des spätantiken Paradoxographen Hierokles hüten die Greife das Gold beim hyperboreischen Volk der Ταρκυναῖοι (FHG IV 430 fr. 3 Müller). Ergänzend zu den Aussagen Herodots (Hdt. 4,33,1f.) sind vor allem die poetischen Verarbeitungen der delischen Kultlegende bei Kallimachos heranzuziehen (Call. Del. 283–290; fr. 186,8–19 Pf.); abweichende Angaben hinsichtlich der Route der Gabenprozession finden wir bei Pausanias (Paus. 1,31,2). Die Identifizierung der in Vers 24 erwähnten κυψέλαι mit geflochtenen Körben wird durch den Umstand nahegelegt, daß in Vers 36 dieselben Behältnisse mit dem Wort κίσται bezeichnet werden, das für die Deckelkörbe reserviert ist, die bei kultischen Prozessionen (insbesondere im Bereich der Mysterien) als Mittel zum Transport von Speiseopfern oder heiligen Gegenständen zum Einsatz kamen (hierzu Brümmer 1985, 16–22); als willkommene Bestätigung für unsere Vermutung können wir einem Aristophanes-Scholion entnehmen, daß die κυψέλαι in der Regel aus Flechtwerk (daneben auch aus Ton) bestanden, den κίσται also recht ähnlich gewesen sein müssen (Schol. Ar. Pax 631b).

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sich bei Gerhard in der Bemerkung widerspiegelt, die Körbe enthielten neben Blättern, Ähren und Eicheln noch weitere Früchte, über die es zu schweigen gelte (V. 26).30 Wichtiger ist, daß Gerhard bei der Aufzählung der an dem Stafettenlauf beteiligten Völker (V. 29–31) einen eigenständigen Zusatz anbringt, der erst am Ende unseres Abschnitts eine Erklärung findet. Legen wir nämlich die antike Tradition zugrunde, so werden die Skythen, die Bewohner Dodonas und die Euböer in unserem Gedicht zu Recht erwähnt;31 die Azaner aber, die im Nordwesten Arkadiens beheimatet sind, können schon aus geographischen Gründen nichts mit der Gabenprozession der Hyperboreer zu tun haben. Warum also dieser Zusatz? Wie ein Blick auf die Verse 41 und 42 zeigt, kam es Gerhard vor allem auf die Erwähnung Lykosuras an, das streng genommen zwar gar nicht zum Gebiet der Azaner gehört, aber doch immerhin in Arkadien liegt und – ebenso wie die Azaner – auf eine Geschichte zurückblicken kann, die der Legende nach bis in vorsintflutliche Zeiten hinaufreicht.32 Der Name dieses Ortes, der soviel wie „Wolfsschwanz“ bedeutet,33 soll in der Aufzählung enthalten sein, damit er an späterer Stelle dazu dienen kann, die Stadt Rom in eine mit den Hyperboreern besonders eng verbundene Tradition zu rücken; nicht irgendeine beliebige Stadt, sondern die Stadt der Wölfin, also ein neues, von Zwillingen gegründetes ‚Lykosura‘, haben die Gesandten jetzt, da Delos unerreichbar ist, zu ihrem Zielort bestimmt.34 30 Hdt. 4,33,1 (ἱρὰ ἐνδεδεμένα ἐν καλάμῃ πυρῶν); Call. Del. 283f. (καλάμην τε καὶ ἱερὰ δράγματα … ǀ ἀσταχύων); Paus. 1,31,2 (τὰς δὲ ἀπαρχὰς κεκρύφθαι μὲν ἐν καλάμῃ πυρῶν, γινώσκεσθαι δὲ ὑπ᾿ οὐδενῶν). Die inschriftlichen Zeugnisse (Coupry 1972, Nr. 98 A, 67–69 u. Nr. 100, 49) tragen nichts zur Aufklärung bei. 31 Nach Herodot wurden die Gaben der Hyperboreer auf folgendem Wege weitergereicht: Skythen – Adriatisches Meer – Dodona – Malischer Golf – Euböa – Tenos – Delos (Hdt. 4,33,2); zumindest Dodona und Euböa werden auch von Kallimachos (Call. Del. 284 u. 290) genannt. 32 Lykosura, in der Landschaft Parrhasia im äußersten Südwesten Arkadiens gelegen, galt nach Aussagen des Pausanias als die älteste Stadt der Welt (Paus. 8,38,1), und den arkadischen Völkern, die Strabon unter namentlicher Einbeziehung der Azaner und Parrhasier als die ältesten unter den Griechen bezeichnet (Str. 8,8,1), sagte man sogar nach, sie hätten bereits zu einer Zeit gelebt, als es den Mond noch gar nicht gab (A.R. 4,264f.; Lyc. 482), so daß man sie gern als προσέληνοι bezeichnete, was Gerhard hier dankbar aufgreift (vgl. Hippys von Rhegion [FGrHist 554] F 7; Plut. Aet. Rom. 76; Nonn. D. 41,90). 33 Ganz ähnlich zusammengesetzt ist der Ortsname Kynosura (vgl. Risch 1981, 83 u. 120 mit Anm. 16). 34 Deutlich zeigt sich in diesen Versen, daß die römischen Hyperboreer im Innersten ihres Herzens nach Griechenland strebten; „auf römischem Boden wurde von den Nordländern […] nicht etwa römische virtus, sondern das hellenische Ideal gesucht“ (Preißhofen 1979, 218). Umso größere Bedeutung kam in ihrem Kreis der Person Stackelbergs zu, der Griechenland tatsächlich mit eigenen Augen gesehen hatte. Gerade seine Erfahrungen zeigen allerdings auch, mit welchen Risiken Forschungsreisen in Griechenland damals verbunden waren; kurz vor der Heimreise geriet Stackelberg in die Gewalt von Piraten, aus deren Händen er erst nach Zahlung eines hohen Lösegeldes befreit werden konnte (seinen eigenen Bericht von den dramatischen Ereignissen kann man nachlesen in Stackelberg 1882, 274–292; einen Nachdruck des Textes mit geringfügigen Kürzungen bietet Stoll 1979, 152–169).

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Doch Gerhard greift noch tiefer in die Überlieferung ein. Bei Herodot lesen wir, daß die Hyperboreer gar nicht immer die Hilfe anderer Völker in Anspruch nahmen, um ihre Opfergaben nach Delos zu bringen; beim ersten Mal sandten sie zu diesem Zweck zwei Jungfrauen aus, die zu ihrem Schutz von fünf Männern aus den eigenen Reihen begleitet wurden; erst als sich herausstellte, daß die Abgesandten nicht wieder nach Hause kamen, gingen die Hyperboreer dazu über, die Gaben von einem Volk zum anderen weiterreichen zu lassen (Hdt. 4,33,3f.). Bei Gerhard bleibt diese Geschichte nicht nur unerwähnt, er dreht die Entwicklung geradezu um: Irgendwann, so lesen wir in den Versen 35 bis 40, seien die bereitgestellten Körbe nicht mehr abgeholt worden, und daraufhin seien die Hyperboreer in Erinnerung an den Priester Abaris, der einst in ihrem Auftrag auf einem Pfeil durch die Lande flog, auf den Gedanken gekommen, fromme Verwandte in die Ferne zu schicken, eben die Gesandten, die jetzt nach Rom statt nach Delos kommen!35 Daß Gerhard bei dieser kühnen gedanklichen Konstruktion tatsächlich den Bericht Herodots von der ersten Gesandtschaft der Hyperboreer vor Augen hat, zeigt das Wort, das er in Vers 42 zur Bezeichnung der neuen Gesandten verwendet. Es kommt in der griechischen Literatur nur ein einziges Mal vor, und zwar dort, wo Herodot von den Männern spricht, die den beiden Jungfrauen als Geleitschutz mitgegeben wurden; sie sollen zu Lebzeiten Herodots den Namen πέρφερες getragen und auf Delos in hohen Ehren gestanden haben (Hdt. 4,33,3).36 Nachdem unser Gedicht nun endlich in der Gegenwart angekommen ist, kann sich Gerhard im nächsten Abschnitt (V. 43–63) direkt an seine römischen Freunde wenden. Die Anrede an die hyperboreischen Männer, die sich um die kindernährende Wölfin versammelt haben oder, falls sie anderswo weilen, doch wenigstens

35 Was die Person des Abaris betrifft, so ist vor allem an die Aussage des Hekataios von Abdera zu erinnern, wonach dieser Wunderpriester aus dem Land der Hyperboreer nach Griechenland kam, um die freundschaftlichen Bande mit den Deliern zu erneuern (FGrHist 264 F 7,5). – Die Vorstellung, daß Abaris auf seinen Reisen einen Pfeil als Flugmaschine benutzte, ist unter anderem bei Herakleides Pontikos (fr. 51c Wehrli = fr. 24B Schütrumpf), Kelsos (Origines Cels. 3,31), Porphyrios (Porph. VP 29) und Iamblich (Iamb. VP 91 u. 136) bezeugt; nach den Angaben Herodots soll Abaris dagegen mit dem Pfeil in der Hand über die Erde gewandert sein, ohne Nahrung zu sich zu nehmen (Hdt. 4,36,1). 36 Die von Gerhard gewählte Form des Wortes (πέρφερες) wird durch eine Hesych-Glosse gestützt, die allem Anschein nach auf die Aussage Herodots zu beziehen ist: πέρφερες· θεωροί (π 2010); in den modernen Herodotausgaben wird bis heute die von einem Teil der Handschriften überlieferte Form περφερέες bevorzugt; doch kann die Sache keineswegs als ausgemacht gelten (vgl. Wilson 2015, 75). – Breit diskutiert wurde auch die sprachliche Erklärung des Wortes. Während Gerhard es im Einklang mit Hesych als Synonym zu θεωροί gebraucht, haben spätere Gelehrte die Vorsilbe περ- als äolische Verkürzung eines ὑπερ- erkannt und dabei auf die in zwei thessalischen Inschriften bezeugte Zeus-Epiklese Περφερέτας verwiesen, die in dem von Dionys von Halikarnaß (D.H. 2,34,4) angeführten Beiwort Ὑπερφερέτης eine genaue sprachliche Entsprechung hat (vgl. Van Windekens 1957, 165f.); die πέρφερες (oder περφερέες) wären demnach die „Überragenden“, und dazu paßt die Beobachtung Sandins (2014, 209), daß Kallimachos offensichtlich eine solche Deutung des Wortes im Sinne hatte, als er die männlichen Begleiter der hyperboreischen Jungfrauen im Deloshymnus als „die damals besten unter den Jünglingen“ bezeichnete: οἱ τότ᾿ ἄριστοι ǀ ἠίθεων (Call. Del. 293f.).

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in Gedanken mit ihr verbunden sind (V. 43–45), markiert einen deutlichen Einschnitt. Von nun an verleiht Gerhard seinen persönlichen Gefühlen im Kreis der römischen Freunde Ausdruck, und deren Beziehung zu den antiken Hyperboreern, die den Inhalt der ersten Gedichthälfte so nachhaltig bestimmt hatte, schlägt sich nur noch in der Vorstellung nieder, daß sie ebenso wie ihre antiken Vorläufer mit der Verrichtung von Opfern beschäftigt sind; so wie jene einst nach Delos zogen, um Apollon an seinem Geburtsort mit Feldfrüchten aus ihrer Heimat zu ehren, sind Gerhard und seine Freunde nach Rom gegangen, um der römischen Wölfin ihre wissenschaftlichen Studien zu weihen. Anders als die hyperboreischen Gesandten der Antike wurden ihre römischen Nachfolger allerdings nicht gemeinsam auf die Reise geschickt; erst vor Ort hat sie die Gunst des Schicksals zusammengeführt, und dafür empfindet Gerhard tiefe Dankbarkeit. Die Freunde, die er jetzt an seiner Seite weiß, sind ihm eine Quelle der Inspiration und daher auch dazu auserkoren, ihm die Opfer zu nennen, die er der römischen Wölfin darbringen könnte (V. 46f.).37 Darüber hinaus sind ihm die Freunde ein Hort der Geborgenheit, was er nach den leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit besonders zu schätzen weiß; seit er vor beinahe zehn Jahren einen Opferkorb in der Heimat ablieferte (gemeint ist die Veröffentlichung seiner Dissertation im Jahre 1816), gleicht sein Leben einer einzigen Irrfahrt, die es an Länge mit der des Odysseus aufnehmen kann, in einem anderen, ganz wesentlichen Punkt aber von dieser verschieden ist: sie war nicht mit dem Verlust, sondern mit dem Gewinn treuer Gefährten verbunden (V. 48–51)! In der beglückenden Gesellschaft dieser Männer hat Gerhard seine „VenereProserpina“ als eine erste Opfergabe dargebracht, und wenn er sie hier als eine „kleine und glanzlose Gabe“ bezeichnet (V. 52), dann darf diese Aussage nicht als bloßer Bescheidenheitstopos abgetan werden; denn nicht ohne Grund fügt Gerhard gleich im nächsten Vers hinzu, er leiste seinen Dienst wie ein Abkömmling von Wölfen im Dämmerlicht (δι᾿ ἀμφιλύκην);38 mit Rücksicht auf seine geschwächten Augen, die ihn nach Aussagen seines Biographen Otto Jahn nur allzu oft dazu zwangen, „das Licht zu meiden und Abends im Finstern zu sitzen“,39 hatte er sich sein Werk tatsächlich mühsam im Halbdunkeln abringen müssen.

37 Der Imperativ ἕσπετε in Vers 46 (Gerhard versieht die Verbform mit einer Aspirierung, die heute nicht mehr üblich ist) klingt deutlich an epische Formeln des Musenanrufs wie ἔσπετε νῦν μοι Μοῦσαι (Il. 2,484) oder ταῦτά μοι ἔσπετε Μοῦσαι (Hes. Th. 114) an, die schon in der Antike neuen Zwecken dienstbar gemacht wurden (Hermipp. fr. 63,1 K./A.; Timon fr. 1 Di Marco = Suppl. Hell. fr. 775). 38 Das Wort ἀμφιλύκη, das bei Homer nur einmal als attributive Ergänzung zu νύξ erscheint (Il. 7,433), bei späteren Dichtern aber auch substantivisch gebraucht wird (Arat. 747; A.R. 2,671; Opp. C. 1,135; 3,306), ist an unserer Stelle mit Bedacht gewählt; denn obwohl es eigentlich von *λύκη („Licht“) herzuleiten ist, wie schon Macrobius bemerkt (Macr. Sat. 1,17,37), hat man es in der Antike doch nicht selten in eine etymologische Verbindung mit den λύκοι gerückt, da diese in der (Morgen-)Dämmerung (δι᾿ ἀμφιλύκην) auf die Jagd zu gehen pflegen (Ael. NA 10,26; Macr. Sat. 1,17,41). 39 Jahn 1868, 42.

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Die Freunde aber sollen umso heller leuchtende Festhekatomben anführen,40 und Gerhard spricht sie in den Versen 57–63 sogar einzeln mit Namen an, um sie zu Höchstleistungen anzuspornen, was bei Panofka und Stackelberg mit reizvollen Anspielungen auf ihre gegenwärtigen Lebensumstände und früheren Erfahrungen verbunden ist. So soll sich Panofka als lautstarker Sänger hervortun, der den Reigen der Musen mit betörender Stimme um sich versammelt; denn er hält sich zum Zeitpunkt des Gedichts in Neapel auf, ist also ein Anwohner der helltönenden Sirene Parthenope, von der die Sage zu berichten weiß, daß sie nach ihrem Selbstmord in der Nähe dieser Stadt an Land gespült wurde.41 Stackelberg wiederum soll funkelndes Gold ausgraben und damit zum Schrecken der Arimaspen werden; denn er verfügt über Zauberkräfte wie die Telchinen, wenn es darum geht, Bergmassive zu öffnen;42 war er doch an der Ausgrabung des Tempels von Bassai beteiligt, der sich in einer Höhe von weit über tausend Metern mitten in der Bergwelt Arkadiens befindet.43 Ein solch unbeschwertes Leben im Dienste der Forschung, wie es die Freunde derzeit unter südlicher Sonne führen, dürfte niemals ein Ende haben! Dieser Wunsch drängt sich nach dem bisher Gesagten geradezu auf, und Gerhard gewährt ihm denn auch im letzten Teil seines Gedichtes breiten Raum (V. 64–80). In einem schönen Wortspiel spricht er von den goldenen Äpfeln Hesperiens, die seinen Gefährten Stackelberg, Panofka und Kestner von Herzen zu gönnen seien,44 und wenn 40 Die Gegenüberstellung der feuerlosen Gabe Gerhards und der hellodernden Festopfer der Freunde nimmt die verschiedenen Opferbräuche der antiken Hyperboreer wieder auf (V. 13f.); besonders der Gebrauch des Wortes ἑκατόμβη erinnert an Pindars zehnte pythische Ode: κλειτὰς ὄνων ἑκατόμβας … θεῷ ǀ ῥέζοντας (Pi. P. 10,33f.). 41 Sichtbarstes Zeichen eben dieser Sagentradition war das in Neapel gezeigte Grab der Parthenope, das Strabon gleich mehrfach erwähnt (Str. 1,2,13 u. 18; 5,4,7); es bildete den Mittelpunkt eines Kultes, zu dessen Praxis nach Aussagen Lykophrons die Opferung von Stieren gehörte (Lyc. 719–721), und es erlangte eine solche Berühmtheit, daß es zur festen Gewohnheit wurde, die Stadt selbst mit dem Namen der Sirene zu bezeichnen (ausgewählte Belege bei Radt zu Strabon p. 246,6sq.). 42 Als Zauberer werden die Telchinen im Geschichtswerk Diodors (D.S. 5,55,3) und im IliasKommentar des Eustathios (p. 771,56–61) näher beschrieben; an die mit dieser Zauberkunst oftmals verbundene Bösartigkeit der Telchinen ist an unserer Stelle natürlich nicht zu denken. – Der Einfall Gerhards, Stackelberg im gleichen Zusammenhang mit einem Stab auszustatten (V. 61: ῥάβδον ἄγων), setzt das Spiel mit dessen Namen (Ῥαβδωρεύς) in besonders geistreicher Weise fort; wir sollen uns den prominenten Ausgräber des Tempels von Bassai im Besitz des sprichwörtlichen Hermesstabes denken, der alles, was durch ihn berührt wird, zu Gold werden läßt (Arr. Epict. 3,20,12; vgl. Cic. off. 1,158). Gerhards Freund rückt auf diese Weise in den Rang eines θεῖος ἀνήρ auf; wie die indischen Brahmanen in der Beschreibung Philostrats (Philostr. VA 3,15,4) verfügt er über ein magisches Instrument, das eigentlich den Göttern vorbehalten ist. 43 Eine eindrückliche Beschreibung der grandiosen Gebirgslandschaft, in die der Tempel eingebettet ist, bietet Stackelberg auf den einleitenden Seiten seiner großen Monographie von 1826 (oben Anm. 11). 44 Die Möglichkeit, von den goldenen Äpfeln der Hesperiden in einem übertragenen Sinne zu sprechen, wird durch das byzantinische Sprichwörterlexikon des Apostolios (11,57) ausdrücklich bestätigt: μῆλα Ἑσπερίδων μοι ἐδωρήσω· ἐπὶ τῶν πολυτελῆ χαριζόντων (Paroemiographi Graeci II 528).

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er gleich im Anschluß daran auch der abwesenden Freunde gedenkt und sie dazu auffordert, bald wieder einmal nach Rom zu kommen, um von diesen Früchten zu kosten, dann nimmt sein Lobpreis der Stadt geradezu hymnische Formen an.45 Durch eine gezielte Anspielung auf das homerische Wort von den leichtlebigen Göttern (Il. 6,138 u.ö.) rückt Gerhard das Leben, das man in Rom führt, in Vers 68 mit Bedacht in die Nähe paradiesischen Glücks, und ebenso werden in den folgenden Versen die Geschichtsträchtigkeit der Stadt und ihre ansteckende Fröhlichkeit durch die namentliche Nennung der beiden Musen Klio und Melpomene bewußt auf eine göttliche Ebene gehoben.46 Thiersch, Schorn und Hagen, die Rom bereits vor längerer Zeit verlassen haben, müssen dies alles entbehren; Gerhard selbst aber genießt das Leben in Rom seit nunmehr drei Jahren, und er will es noch lange genießen, denn er hat Schlimmes durchgemacht: durch eine Veränderung seiner Nerven wurde er vom Menschen zum Wolf und dann wieder vom Wolf zum Menschen (V. 77f.). Was im ersten Moment Rätsel aufgibt, erweist sich bei näherem Hinsehen als Anspielung auf die sogenannte Lykanthropie, eine schon in der Antike beschriebene Sonderform der Melancholie, bei der die Betroffenen den Umgang mit Menschen scheuen, vorwiegend in der Nacht die Häuser verlassen und dabei durch das Umherstreifen auf Friedhöfen eine besondere Nähe zu den Toten suchen.47 Ein solch wölfisches Leben hatte auch Gerhard nach dem Ende seines Posener Lehramtes geführt, ehe er in Italien wieder zu einem menschenwürdigen Dasein zurückfand,48 und dieses Glück 45 Das Loblied auf Rom, das Gerhard hier anstimmt, schließt auch all die Erfahrungen ein, die er auf seinen Reisen außerhalb der Stadt sammeln durfte; in ganz Italien wurde er binnen kurzer Zeit heimisch, und als er schließlich wieder nach Deutschland zurückkehrte, schmückte er das Titelblatt seines ersten dort entstandenen Werkes (Berlins antike Bildwerke, Bd. 1, Berlin 1836) mit einem verkürzten Zitat aus der Germania des Tacitus (2,2), das ihm als passender Ausdruck seiner eigenen Seelenlage erschien: Quis porro Italia relicta Germaniam peteret nisi si patria sit? Die Aussage Rodenwaldts, das Wirken der römischen Hyperboreer sei erwachsen aus „der Sehnsucht der nordischen Völker nach Ergänzung ihres Wesens durch Kunst, Kultur und Wesen des Südens“ (Rodenwaldt 1930, 83), findet somit eine eindrucksvolle Bestätigung. 46 Die Funktion der Melpomene ergibt sich hier aus der Grundbedeutung ihres Namens: sie ist diejenige Muse, die singt (μέλπεται) und durch ihren Gesang Trost spenden kann; auf die Rolle der tragischen Muse war sie auch in der Antike keineswegs festgelegt (vgl. Fraenkel 1957, 306 Anm. 2). 47 Auf die antike Lehre von der Lykanthropie dürfte Gerhard durch einen Aufsatz des ihm persönlich bekannten Philologen und Archäologen Karl August Böttiger aufmerksam geworden sein: Aelteste Spuren der Wolfswuth in der griechischen Mythologie, in: Sprengel 1795, 3–45 (wieder abgedruckt in: Böttiger 1837, 135–158). Eine umfassende Behandlung des Gegenstands auf dem neuesten Stand der Forschung bietet Metzger 2011, 125–259 (darin 150– 170 die medizinischen Quellen). Wie die Autorin überzeugend darlegt, handelt es sich bei der von dem kaiserzeitlichen Arzt und Dichter Markellos von Side erstmals beschriebenen Lykanthropie um ein Phänomen, das vom Glauben an die Existenz von Werwölfen zu trennen ist und den Wolf nur deshalb im Namen führt, weil die Betroffenen durch ihren Rückzug aus der menschlichen Gemeinschaft Zeichen eines wilden, unzivilisierten Lebens erkennen lassen, wie man es den Wölfen von jeher nachsagte (250–255). 48 Mit Blick auf die Zeit, als er erstmals den Boden Italiens betrat, bezeichnet sich Gerhard in seinem „litterarischen Lebenslauf“ selbst als „nervenkrank, aber rüstig“ (Gerhard 1865, 97).

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will er nun so lange wie möglich festhalten, ja er verleiht in den beiden letzten Versen seines Gedichts sogar der Hoffnung Ausdruck, daß der natürliche Gang der Dinge in seinem Fall auf den Kopf gestellt sein könnte; er, der in der Jugend dahinsiechte, werde im Alter aufblühen, ganz so, wie es die gräzisierte Form seines Namens anzeige: Γηράνθης – „der, der im Alter blüht“.49 4. AUSKLANG Dieser letzte Wunsch hat sich natürlich nicht erfüllt. Gerhard sollte zwar dauerhaft von psychosomatischen Leiden verschont bleiben; aber die Schwäche seiner Augen hat ihn ein Leben lang behindert, und im Alter ist er fast ganz erblindet, so daß er seit der Mitte der fünfziger Jahre sowohl bei der Lektüre als auch bei der Produktion wissenschaftlicher Literatur auf die Hilfe anderer angewiesen war.50 Dennoch leitete die Begegnung mit den römischen Freunden einen nachhaltigen Aufschwung in Gerhards Leben ein; denn sie verlieh ihm im Kampf gegen seine körperlichen Gebrechen bleibende Kräfte, mit deren Hilfe er in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Erfolge errang. Schon wenige Jahre nach der Abfassung unseres Gedichts entstand unter maßgeblicher Mitwirkung seiner Person in Rom das „Institut für archäologische Correspondenz“, das später im Deutschen Archäologischen Institut aufgehen sollte, und allein dieser Umstand sichert seinem Namen für alle Zeiten einen festen Platz in der Geschichte der Klassischen Archäologie. Hinzu kommt Gerhards beruflicher Aufstieg nach dem Abschied aus Rom. 1833 wurde er als „Archäolog des königlichen Museums“ in Berlin angestellt, zwei Jahre später zum Ordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewählt51 und 1843 mit einer Außerordentlichen Professur an der dortigen Universität betraut, die nach nur einem Jahr in ein Ordinariat umgewandelt wurde. Aus dem gescheiterten Gymnasiallehrer war ein hochangesehener Gelehrter geworden, der eine langjährige fruchtbare Tätigkeit als Forscher, Lehrer und wissenschaftlicher Organisator entfaltete. Als ein letztes sichtbares Zeichen des Dankes und der Anerkennung für seine herausragende Lebensleistung durfte Gerhard im Sommer 1865 auf einer großen Feier aus Anlaß seines fünfzigjährigen Doktorjubiläums an der Berliner Universität in Anwesenheit seines greisen Doktorvaters August Böckh eine Vielzahl von Ehrungen aus dem In- und Ausland entgegennehmen,52 und da unter diesen Ehrungen 49 Den epigrammatischen Schluß des Gedichts hat man mit Recht „ein ernstes Spiel mit dem eigenen Namen“ genannt (Preißhofen 1979, 217). Vielleicht darf man in den beiden Versen die bewußte Umkehrung eines fiktiven Grabepigramms erkennen, wie es römische Elegiker nicht selten in ihre Werke eingestreut haben (Hinweis von Thomas Gärtner). 50 „Jetzt sollte er lernen, ganz mit fremden Augen zu sehen, die Forschungen Andrer nur durch Vorlesen kennen zu lernen, seine eignen Arbeiten zu dictiren“ (Michaelis 1867, 461). 51 Die Wahl zum korrespondierenden Mitglied war bereits 1832 erfolgt; vgl. hierzu und zu weiteren Details der Mitgliedschaft Gerhards in der Akademie B. Seidensticker, Eduard Gerhard und die „Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“, in: Wrede 1997, 31–34. 52 Eben hierüber hat Gerhard selbst berichtet (Gerhard 1865, 103f.).

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auch solche waren, die auf seine wissenschaftlichen Anfänge in Rom Bezug nahmen, werden wir auf diesem Wege noch einmal zu unserem Gedicht zurückgeführt. Gerhards Schüler Adolf Michaelis publizierte zu Ehren des Jubilars eine kleine Abhandlung, in der er die Nachzeichnung eines antiken Vasenbilds aus Gerhards Archäologischem Apparat interpretierte, und dabei ließ er es sich nicht nehmen, am unteren Rande des Widmungsblattes die letzten beiden Verse des von Gerhard verfaßten Hyperboreer-Gedichts zu plazieren: εἰμὶ δὲ Γηράνθης, ὃς τήκεται ἐν νεότητι, ǀ γήραϊ δ᾿ ἀνθήσω· διὸ καὶ λέγομαι Γηράνθης.53 Noch bedeutender und folgenreicher war jedoch ein Geschenk, mit dem die „Archäologische Gesellschaft zu Berlin“ an Gerhards hyperboreische Anfänge erinnerte; auch diese Einrichtung verdankte ihre Existenz einer Initiative des Jubilars,54 und so stifteten ihm die Mitglieder der Gesellschaft zum Dank einen bronzenen Greif, dessen Sockel das folgende ‚Weihepigramm‘ Rudolf Herchers schmückt: Ἀρτέμιδος πρόπολον καὶ Ἀπόλλωνος Λυκοόργου γρῦπα, πυρὸς σεμνὸν σύμβολον αἰθερίου, ἀνδρῶν μυστιπόλων χορὸς ἀνθέμεθ᾿ ἱεροφάντῃ ἡμετέρῳ σοφίης εἵνεκεν ἐνδομύχου, ἣν προύφηνεν ὅλους λυκάβαντας πεντήκοντα δᾳδοφόρος μύστης θειοτέρης φύσιος.55

Mit diesem Geschenk ist der Greif zum Symbol für das Lebenswerk Gerhards geworden. So wie das antike Fabeltier einst das Gold der Hyperboreer hütete, legt es jetzt seine Pranke schützend auf ein antikes Gefäß und zeigt damit an, welche Aufgabe den von Gerhard gegründeten Institutionen zugedacht ist: sie halten ihre Hand über die materielle Hinterlassenschaft der Antike, um der internationalen Gemeinschaft der Klassischen Archäologen eine Erfüllung ihres Forschungsauftrags zu ermöglichen.56 Noch heute erscheint das Motiv des 1865 geschaffenen Greifen in nur 53 Michaelis 1865. – Gerhard beendet seine „Danksagung“ mit einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die von Michaelis zitierten Verse: „Eine alte Weissagung, von einem vielbewährten jungen Freund mir erneut, will noch einige fernere Lebensjahre, durch eine und die andere späte Blüthe begünstigt, mir zugedacht wissen“ (Gerhard 1865, 104). Als Gerhard zwei Jahre später gestorben war, ließ Jahn (1868) dieselben Verse auf dem Titelblatt der von ihm verfaßten Biographie seines Lehrers in sinnreicher Verbindung mit der Stackelbergschen Vignette erscheinen (der Text folgt in diesem Fall der Erstfassung des Gedichts, in der es noch ἀνθήσει statt ἀνθήσω geheißen hatte). 54 Vgl. Borbein 1993. 55 Eine genaue Beschreibung des bronzenen Greifen (unten Abb. 2) sowie ausführliche Erläuterungen zu seiner Entstehungsgeschichte und seinem späteren Verbleib (Übereignung an das DAI in Rom durch die Erben Gerhards im Jahr 1892) bietet Preißhofen 1979, 222–225. – Herchers Epigramm läßt sich etwa folgendermaßen übersetzen: „Einen der Artemis und dem wolfabwehrenden Apollon dienenden / Greifen, ein erhabenes Symbol himmlischen Feuers, / haben wir, ein Kreis mystischer Männer, / unserem Hohepriester seiner tiefen Weisheit wegen geweiht, / die er über den vollen Zeitraum von fünfzig Jahren offenbart hat / als fackeltragender Myste einer göttlicheren Natur“. 56 Bei Gerhard selbst werden diese Bezüge nur angedeutet: „Dieser […] bronzene und auf entsprechender Marmorstele aufgestellte Greif ist durch Auflegung der Tatze auf ein bildlich verziertes Gefäss in näheren Bezug zu dem Festanlass gesetzt“ (Gerhard 1865, 106 Anm. 12).

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leicht veränderter Form im Siegel des Deutschen Archäologischen Instituts,57 und so spannt sich ein weiter Bogen vom frühen 19. Jahrhundert bis in unsere Zeit: die Gedanken der „Römischen Hyperboreer“, die Eduard Gerhard einst zu unserem Gedicht inspirierten, leben fort in einer archäologischen Forschungseinrichtung, von der die Altertumswissenschaft auch im 21. Jahrhundert nachhaltig profitiert.

57 Zu den künstlerischen Eigenarten des Siegels (unten Abb. 3) und zur Verwendung verwandter bildlicher Darstellungen des Greifen durch das DAI sei verwiesen auf Preißhofen 1979, 225– 227.

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Abb. 1 Die dem Hyperboreer-Gedicht Eduard Gerhards beigegebene Zeichnung Otto Magnus von Stackelbergs.

Abb. 2 Die aus Anlaß des fünfzigjährigen Doktorjubiläums Eduard Gerhards von der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin gestiftete Bronzestatuette.

Abb. 3 Das Siegel des Deutschen Archäologischen Instituts in seiner heutigen Form.

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5. ANHANG 5.1. Das Hyperboreer-Gedicht Eduard Gerhards in der Fassung von 1852 (G2)

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Εἰσὶν ῾Υπερβόρεοι, οἳ ὑπὲρ πνοιὰς Βορέαο εὐσεβέως οἰκοῦσι, γένος φίλον Ἀπόλλωνι, παντοίης σοφίης εὖ εἰδότες, ἁρμονιάων οὐδὲν ἀπειρότεροι, αἰεὶ δὲ μέλουσι χορείας Λητοῦς ἔμμεν Ὑπερβορέης δαφνηφόρῳ υἱεῖ. Τῶν ἤδη ποτὲ Φοῖβος ἐβήσατο δώμαθ᾿ ἑλέσθαι παιδὸς ἀπολλυμένοιο λιπὼν ἕδος Οὐρανιώνων, καὶ περὶ Σειληνῷ πενθήματα πικρὰ φυλάσσων αὖθις Ὑπερβορέους ἀνδρῶν ἀνθείλετο πάντων. Ἦ μάλα δὴ θυσιῶν μελεδήμονας! οὔποτ᾿ ἐκεῖνοι λήθονται νομίμων, τά τ᾿ ὀφείλεται ἀθανάτοισιν· οἱ μὲν ἀοιδῇσιν κεχαρημένοι ἠδὲ χορείαις, ἄλλοι δ᾿ αὖ θυσιῶν ἄπυρον τέλος ἀμφιπολοῦντες, οἱ δ᾿ ἐνθυμότεροι καὶ ὀνοσφαγίῃσι μέλονται. Χρυσὸν δ᾿ ἔγγειόν τε καὶ ἀλλοδαπὸν φυλακεύειν γρυψὶ παρισταμένων ἀνδρῶν γέρας ἐστὶ δίκαιον, τῶν ὑπ᾿ ἀριστείῃσιν ἐπαύξεται ἄπλετος ὄλβος, χρυσοῦ ἀμαιμακέτου καθαρωτάτου ἱερὸν ἄνθος. Καὶ τοὶ μὲν πονέουσι πόνον προφερέστατον ἄλλων τηλὸν Ὑπερβόρεοι σφετέρῃ ἐν πατρίδι γαίῃ. Ἄλλοι δ᾿ αὖ γρυφόμαιμοι ἀλήμονες ἄνδρες ἔασιν, πεμφθέντες βουλῇσιν Ἀπόλλωνος Ἑκάτοιο, χρυσὸν ἀμειψόμενοι κήδους χάριν, ᾧτινι Φοίβου κυψέλαι ἐκπροφέρονται ἀπόρρητοι ἀπόκλειστοι, φύλλων μέν θ᾿ ἱερῶν πανεπίπλεοι ἀσταχύων τε, καρπῶν τε δρυϊνῶν ἄλλων θ᾿ ἃ θεμιστὰ σιωπᾶν. Τὰς πρὶν μὲν δέξαντο παρασπέρχοντες ἕκαστοι δῆμοι φοιβοσεβεῖς ἐπὶ γείτονα γαῖαν ἱκόντες. Ἤλυθον ἐκ Σκυθίης τε καὶ αὐτῆς ἐκ Δωδώνης, ἤλυθον Εὐβοιεῖς, Λυκόσουράν τε προλιπόντες

__________________________________________________________________ App. crit.: 1 Ὑπερβόρεοι G1: Υ- G2 ‖ 4sq. αἰεὶ–υἱεῖ G2: λαμπραῖς δ᾿ ᾄδουσι χορείαις / Λητοῦς αἰὲν Ὑπερβορέης δαφνηφόρον υἱόν G1 ‖ 5 Ὑπερβορέης G1: Υ- G2 ‖ 8 Σειληνῷ G2: σ- G1 ‖ 9 Ὑπερβορέους G1: Υ- G2 ‖ 10 μελεδήμονας: μελεδημόνας G1+2 ‖ 16 δίκαιον G2: δικαίων G1 ‖ 17 ὑπ’ ἀριστείῃσιν: ὑφ᾿ ἀ- G1+2 ‖ 21 ἀλήμονες: ἀλημόνες G1+2 ‖ 23 ᾧτινι G2: ᾧ σφισι G1 ‖ 24 κυψέλαι: κύψελαι G1+2

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5.2. Deutsche Prosaübersetzung

Hyperboreer gibt es, die jenseits des Nordwinds ein frommes Leben führen; ein von Apollon geliebtes Volk, mit jeglicher Weisheit wohlvertraut und in der Musik nicht weniger erfahren; immer sind sie darum bemüht, daß es Reigentänze (5) gibt für den lorbeertragenden Sohn der hyperboreischen Leto. Schon einmal hatte sich Phoibos aufgemacht, um ihre Wohnstatt in Besitz zu nehmen, als er beim Tod seines Sohnes den Sitz der Himmlischen verließ; und als er um den Silen schmerzliche Trauer hegte, da zog er wiederum die Hyperboreer allen Menschen vor. (10) Wahrlich, wie besorgt sie doch sind um die Opfer! Niemals vergessen sie die religiösen Pflichten, die den Unsterblichen geschuldet werden. Die einen haben Freude an Gesang und Tanz; andere wiederum sind mit dem feuerlosen Vollzug von Opfern beschäftigt, und besonders Beherzte kümmern sich sogar um die Opferung von Eseln. (15) In der Erde lagerndes und anderweitig beschafftes Gold zu bewachen ist Greifen als rechtmäßiges Ehrenamt anvertraut, wobei ihnen Männer zur Seite stehen, durch deren Tüchtigkeit der unermeßliche Reichtum noch vergrößert wird, ein heiliger Schatz reinsten Goldes von gewaltigem Ausmaß. Und die einen Hyperboreer leisten die vortrefflichste Arbeit (20) weit entfernt in ihrem Heimatland; andere aber wiederum, die mit den Greifen verwandt sind, streifen umher, ausgesandt nach den Ratschlüssen des ferntreffenden Apoll, Gold einzutauschen als Dank für die leidvolle Arbeit, mit der geheimnisvolle, verschlossene Körbe des Phoibos bereitgestellt werden, (25) angefüllt bis unter den Rand mit heiligen Blättern und Ähren sowie mit Eicheln und anderen Früchten, über die zu schweigen geboten ist. Die nahmen früher in eiligem Lauf die einzelnen dem Phoibos treu ergebenen Volksstämme in Empfang, indem sie zum Nachbarland gingen. Aus dem Skythenland kamen sie und aus Dodona höchstselbst, (30) Euböer kamen, und Azaner stiegen, Lykosura verlassend,

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Ἀζανιεῖς κατεβήσαντο, προσέληνα γένεθλα· κτῆμα μὲν οὐχ αὑτοῖς διζήμενοι, ἀλλ᾿ ἀνέποπτα ἀρνύμενοι Φοίβου βουλεύμασιν, ὅς γε φέρεσθαι παντοδαπὰς διὰ χεῖρας ἔφη ζαθέην ποτὶ Δῆλον. Αὐτὰρ ἐπεὶ χρόνος ἦλθε καὶ ἄγγελοι οὐκ ἐφάνησαν καὶ κίσται λείφθησαν ὅπου παρακάτθεμεν ἡμεῖς, οὐδὲ καὶ ὣς ἀπέληξαν Ὑπερβόρεοι μεγάθυμοι κλεινῆς εὐσεβίης, μεμνημένοι, ὡς ἐδύναντο πόρρω ἀποστεῖλαι ναρθηκοφόρους συνομαίμους, χοἷ᾿ Ἄβαρις τοπάροιθεν ἐπ᾿ οὐ βαρέος πέτετ᾿ ἰοῦ· νῦν δ᾿ ἐπίασι νέῃ διδυμοκτίστῳ Λυκοσούρᾳ πέρφερες εὐσεβέες· τίς γὰρ Δῆλόνδ᾿ ἐφίκοιτο; Ἄνδρες Ὑπερβόρεοι, κουροτρόφῳ ἀμφὶ λυκαίνῃ ἐμμενὲς ἀθροισθέντες, ἢ ἄλλοθί που πατέοντες τοίης σωτείρης μεμνημένοι ἤματα πάντα, ἕσπετέ μοι, τίνα δή, τίνα οἱ ἐπιβώμια θείην, καλά, κνισσήεντα, τά τ᾿ ἀνδρῶν θυμὸν ἰαίνει; Κίστην γὰρ καταθεὶς ποθέω δεκάτῳ ἐνιαυτῷ πατρίδα καὶ νόστον, καὶ ἀλώμενος οἶος ὅδευον, εἰ μὴ Ὑπερβόρεοι ἕταροι συνεπασπίσθησαν, κῦδος μὲν βασιλίσσῃ, Ὑπερβορέοισιν ὄνειαρ. Ἠνίδ᾿ ἐγὼ τάδε βαιὰ καὶ οὐ πυρόεντ᾿ ἀνέθηκα, οἷα λύκων γέννημα δι᾿ ἀμφιλύκην προπολεύει. Ὑμεῖς δ᾿ αὖ μάλα πάντες, ἀριστῆες προχορευταί, λαμπρὰς ἡγήσασθε καὶ ἀσβέστους ἑκατόμβας! Ὀδμὴ πάντοσε βαίνει ἀποκλείστων ναρθήκων· εἰδ᾿ ἄγε, Κυψελίδη, θυμιάματα μὴ φθονεοίης! Παρθενόπης λιγυφώνου ἐποικιστήρ, Πανοπαῖε, ἀντίτυπον Σειρῆνι βαθύπνοον ὕμνον ἀείδων Μουσάων συνάγειρε χοροὺς κηληδόνι φωνῇ! Ῥαβδωρεῦ, σὺ δὲ ῥάβδον ἄγων, Τελχίνιος ἀνήρ, οὔρε᾿ ἀνοίξασθαι, χρυσὸν πυρόεντ᾿ ἀνόρυξαι! σοὶ γὰρ ἐφερπύζουσι γρύπες, σὺ δὲ δεῖμ᾿ Ἀριμασπῶν. Τίς δέ ποθ᾿ Ἑσπερίης φθονέει παγχρύσεα μῆλα Ῥαβδωρεῖ Πανοπεῖ τε φίλῳ καὶ Κυψέλῳ ἐσθλῷ;

__________________________________________________________________ App. crit.: 36 παρακάτθεμεν G1: παρεκάτθεμεν G2 ‖ 42 εὐσεβέες G2: ἀκάματοι G1 ‖ 43 Ὑπερβόρεοι G1: Υ- G2 ‖ 45 μεμνημένοι G1: μεμνήμενοι G2 ‖ 49 ἀλώμενος: ἀλήμενος G1+2 ‖ 50 Ὑπερβόρεοι: ΥG1+2 ǀ συνεπασπίσθησαν: συνεφασπίσθησαν G1+2 ‖ 54 Ὑ- G2: ὑμεῖς G1 ‖ 56 πάντοσε: παντόσε G1+2 ‖ 60 χοροὺς G1: χόρους G2 ‖ 61 ἄγων G2: ἔχων G1 ǀ ἀνήρ G1: ἀνὴρ G2 ‖ 64 φθονέει G2: φθονέοι G1 ‖ 65 Πανοπεῖ–ἐσθλῷ G2: Πανοπαίῳ ἰδ᾿ ἔρνεϊ Κυψελιδάων G1

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von den Höhen hinab, vorsintflutliche Völker; dabei strebten sie nicht nach Besitz für sich, sondern ungesehen empfingen sie die Gaben nach den Beschlüssen des Phoibos, der sie durch vielerlei Hände zum heiligen Delos bringen ließ. (35) Als aber die Zeit kam und keine Boten mehr erschienen und die Opferkörbe dort zurückblieben, wo wir sie in Verwahrung gegeben haben, da ließen die hochgemuten Hyperboreer dennoch nicht ab von ihrer ruhmvollen Frömmigkeit, da sie sich daran erinnerten, daß sie weihestabtragende Verwandte in die Ferne schicken könnten, (40) wie ja auch Abaris früher auf einem leichten Pfeil dahinflog; jetzt aber pilgern in ein neues, von Zwillingen gegründetes Lykosura fromme Gesandte; denn wer könnte nach Delos gelangen? Hyperboreische Männer, um die kindernährende Wölfin beständig versammelt oder anderswo weilend (45) und dabei der trefflichen Retterin alle Tage gedenkend, sagt mir an: Welche, ja welche Opfergaben könnte ich ihr darbringen, schöne, fettdampfende, die das Herz der Männer erfreuen? Denn seit ich einen Opferkorb abgestellt habe, sehne ich mich im zehnten Jahr nach der Rückkehr in die Heimat, und ich zöge auf meiner Irrfahrt allein des Weges, (50) hätten nicht hyperboreische Gefährten sich schützend um mich versammelt, eine Ehre für die ,Königin‘, für die Hyperboreer eine Wonne. Siehe da, ich habe nur diese kleine und feuerlose Gabe geweiht, so wie ein Abkömmling von Wölfen im Dämmerlicht seinen Dienst versieht. Ihr aber wiederum allesamt, ihr tüchtigen Vortänzer, (55) führt prächtige und unauslöschliche Festhekatomben an! Duft dringt überallhin aus verschlossenen Kapseln; wohlan, Kestner, spare nicht mit Rauchopfern! Panofka, Anwohner der helltönenden Parthenope, singe ein der Sirene angemessenes Preislied aus voller Brust (60) und versammle den Reigen der Musen mit betörender Stimme! Und du, Stackelberg, Zauberstabträger, Mann von telchinischen Fähigkeiten in der Kunst, Berge zu öffnen, grab funkelndes Gold aus! Dir ja folgen die Greife, du bist ein Schrecken der Arimaspen. Wer neidet jemals die goldenen Äpfel Hesperiens (65) dem Stackelberg, dem lieben Panofka und dem tüchtigen Kestner?

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Τῶν ἀπογευσόμενοι, τηλοὶ φίλοι, αἴθε καὶ ὑμεῖς ἆσσον ἵκοισθ᾿ ἐπὶ ἄστυ πολύκλυτον Αἰνεαδάων ζείδωρον, ὅθι γαῖα ῥέα ζώοντας ἀτάλλει, Μουσάων δὲ χοροῦ Κλειὼ προκατάρχετ᾿ ἀείδειν, 70 Μελπομένη τε παρηγορέει δυεροὺς ἀνθρώπους Ληθαίῳ τε ῥόῳ πεπλυμένα κήδεα πάντα συμφέρεται ἱερῇσι Λυκηγενέος θυσίῃσιν! Ἦ μὲν δὴ προγένοντο καὶ ὡς ὄναρ ἐκπεπότηνται Θύρσις καὶ Κουρητιάδης καὶ ξανθὸς Ἀγήνωρ! 75 Αὐτὰρ ἐγὼ δίαγον τριετηρίδα καὶ λυκάβαντας ἄλλους ἐκτελέοιμ᾿, εἰ καί μοι γῆρας ἵκοιτο, δεινὰ παθών· Νεύρων γὰρ ἔον μεταμορφωθέντων, ἐς λύκον ἐξ ἀνδρός τε καὶ ἐκ λύκου αὖθις ἐς ἄνδρα. Εἰμὶ δὲ Γηράνθης, ὃς τήκεται ἐν νεότητι, 80 γήραϊ δ᾿ ἀνθήσω· διὸ καὶ λέγομαι Γηράνθης. ________________________________________________________________________ App. crit.: 68sq. ἀτάλλει, / Μουσάων δὲ G2: ἀτάλλει / Μουσάων τε G1 ‖ 70sq. ἀνθρώπους / Ληθαίῳ τε G2: ἀνθρώπους, / ληθαίῳ δὲ G1 ‖ 72 συμφέρεται G2: συμπλέκεται G1 ‖ 73 Ἦ μὲν δὴ G2: Ἦ μάλα δὴ G1 ‖ 77 Νεύρων G1: Νευρῶν G2 ‖ 80 ἀνθήσω G2: ἀνθήσει G1

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Ach wenn doch auch ihr, ferne Freunde, um davon zu kosten, euch nähern könntet der ruhmvollen Stadt der Aeneaden, der lebenspendenden, wo die Erde leichtlebende Menschen erquickt, Klio den Musenreigen anführt im Gesang (70) und Melpomene die traurigen Menschen tröstet und all die vom Strom des Vergessens weggespülten Leiden den Opfergaben für den Lichtgeborenen beimengt! Wahrlich, früher einmal sind sie dagewesen und wie ein Traum entschwunden, Thiersch und Schorn und der blonde Hagen! (75) Ich aber bin seit drei Jahren hier und möchte noch weitere Jahre vollenden, wenn auch das Alter mir nahte, nachdem ich Schlimmes erlitt; denn durch eine Veränderung meiner Nerven bin ich vom Menschen zum Wolf und wieder vom Wolf zum Menschen geworden. Ich bin Geranthes, der in der Jugend dahinsiecht, (80) im Alter aber blühen wird; daher auch mein Name: Geranthes.

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5.3. Ergänzende Erläuterungen zum griechischen Text

1 ὑπὲρ πνοιὰς Βορέαο: In seiner Anspielung auf die in der Antike allgemein übliche Erklärung des Namens Ὑπερβόρεοι lehnt sich Gerhard an eine Junktur bei Apollonios Rhodios an: ὑπὲρ πνοιῆς Βορέαο (A.R. 4,286). 4 αἰεὶ δὲ μέλουσι ...: Die Wortfolge führt zu einer Verletzung der Hermannschen Brücke (δὲ | μέλουσι); der Anstoß wird jedoch durch das vorangehende Wortende nach dem vierten Longum (αἰεὶ | δὲ) so weitgehend gemildert, daß selbst hellenistische Dichter Fälle dieser Art häufiger zuließen (vgl. M.L. West, Greek Metre, Oxford 1982, 155); in unserem Gedicht bietet Vers 26 eine genaue Parallele (ἄλλων θ᾿ | ἃ | θεμιστὰ σιωπᾶν). – Die persönliche Konstruktion von μέλειν in Verbindung mit einem Infinitiv (hier sogar mit einem AcI) ist nur unter Berufung auf zwei Euripidesstellen zu rechtfertigen, an denen die Überlieferung in diesem Sinne korrigiert wurde: E. HF 772f. (μέλουσι statt μέλλουσι) und fr. 717 K. (μέλεις statt μέλλεις). 5 Λητοῦς ...Ὑπερβορέης: Während Hekataios von Abdera behauptet, die Göttin Leto sei im Lande der Hyperboreer geboren worden (FGrHist 264 F 7,2), wissen Aristoteles (Arist. HA 6,35 p. 580a15–19), Pseudo-Antigonos von Karystos (Antig. Mir. 56) und Aelian (Ael. NA 4,4) immerhin davon zu berichten, sie habe sich bei den Hyperboreern aufgehalten, ehe sie kurz vor ihrer Niederkunft mit Apollon in der Gestalt einer Wölfin nach Delos kam. δαφνηφόρῳ υἱεῖ: Mit einem Lorbeerkranz im Haar oder einem Lorbeerzweig in der Hand ist Apollon in der bildenden Kunst der Antike sehr oft dargestellt; das Beiwort δαφνηφόρος wurde jedoch meist nur an speziellen Kultstätten wie Phlya (Attika) oder Eretria (Euböa) auf den Gott selbst angewandt (s. DGE s.v. δαφνηφόρος 3); ein freier Gebrauch wie hier ist in einem anakreontischen Gedicht (12,6) zu belegen. 6 ἐβήσατο: Aoristformen wie ἐβήσατο oder κατεβήσαντο (V. 31) sind in der Homerüberlieferung zurückgedrängt zugunsten des sogenannten Aoristus mixtus (ἐβήσετο etc.), bei den hellenistischen Dichtern jedoch allgemein gebräuchlich (vgl. Spanoudakis zu Philitas fr. 14c: προσεβήσαο). 14 ὀνοσφαγίῃσι μέλονται: Mit einem Dativobjekt wird das Verbum μέλεσθαι erst in der hellenistischen und der kaiserzeitlichen Dichtung gelegentlich verbunden (vgl. Pfeiffer zu Call. fr. 75,76; Lexikon zu den Dionysiaka des Nonnos s.v. μέλω B II). 15 χρυσὸν δ᾿ ἔγγειόν τε καὶ ἀλλοδαπὸν ...: Das erste Adjektiv nimmt eine Tradition auf, die sich über den älteren Plinius (Plin. nat. 7,10) und Pausanias (Paus. 1,24,6) bis auf das Arimaspen-Epos des Aristeas zurückführen läßt: demnach lagerte das von den Greifen gehütete und von den Arimaspen begehrte Gold in der heimischen Erde (Aristeas frr. 4B+C Davies = frr. 9 u. 7 Bernabé). Das zweite Adjektiv nimmt den von Gerhard selbst entwickelten Gedanken vorweg, die Goldbestände seien durch einen Tauschhandel mit den Empfängern der Opferkörbe weiter vermehrt worden (V. 21–26); innerhalb der antiken Literatur kann man auf die Kapitel 91 und 141 der Pythagorasvita Iamblichs verweisen, wo uns erzählt wird, der

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Hyperboreer Abaris habe auf seinem Weg durch Griechenland Gold für den heimatlichen Apollontempel gesammelt (zur Quellenfrage Sandin 2014, 207 Anm. 8). 19 προφερέστατον ἄλλων: Zu der Verbindung des Superlativs mit einem scheinbar abundanten ἄλλων (in Wirklichkeit handelt es sich um einen komparativischen Genetiv: „im Vergleich mit den anderen“) dürfte Gerhard durch den homerischen Sprachgebrauch inspiriert worden sein (vgl. Il. 1,505; 6,295; Od. 5,105; 15,108); entsprechende Konstruktionen finden sich jedoch auch im späteren Griechisch noch gelegentlich, wie ein Beispiel aus dem Werk Lukians zeigen kann, das eine schlagende Parallele zur Formulierung Gerhards liefert: τῶν ἄλλων τεχνῶν ... προφερεστάτη (Luc. Par. 26). 20 τηλὸν ...: Die in der antiken Literatur nicht zu belegende Adverbialform τηλόν ist offenbar aus metrischen Gründen anstelle des üblichen τηλοῦ oder τηλόθι gewählt; an späterer Stelle (V. 66) operiert Gerhard sogar mit einem neuartigen Adjektiv τηλός, um die außerhalb Italiens weilenden Freunde anzusprechen (τηλοὶ φίλοι). 21 γρυφόμαιμοι ἀλήμονες ἄνδρες: Während das Adjektiv γρυφόμαιμος eine metrisch gewagte Neubildung darstellt (die γρῦπες haben ein langes Ypsilon), sind die ἀλήμονες ἄνδρες der homerischen Odyssee entlehnt (19,74). 24 ἀπόρρητοι ἀπόκλειστοι: Die asyndetische Aneinanderreihung der beiden Adjektive führt zu einem unschönen Hiat mitten im fünften Versfuß; ein ähnlicher Fall findet sich nur noch in V. 48 (δεκάτῳ ἐνιαυτῷ). 25 πανεπίπλεοι: Das Adjektiv hat Gerhard nach einem gängigen Wortbildungsmuster neu geschaffen (vgl. πάνσοφος, παγχρύσεος etc.). 27 παρασπέρχοντες: Das Verbum ist nicht belegt; unter den bekannten Komposita von σπέρχειν steht das homerische ἐπισπέρχειν, ebenfalls intransitiv gebraucht, am nächsten (Od. 5,304). 28 φοιβοσεβεῖς: Das Adjektiv ist eine Neuschöpfung nach Analogie von θεοσεβής. Ein ähnlicher Fall findet sich in V. 41: das in der antiken griechischen Literatur nicht belegte Adjektiv διδυμόκτιστος hat sein Vorbild in Bildungen wie θεόκτιστος. 31 Ἀζανιεῖς: Der korrekte griechische Name der Azaner lautet Ἀζᾶνες (Hdt. 6,127,3; Str. 8,3,1; Paus. 10,32,3 etc.). 32 ἀνέποπτα: Zur Bildung dieses Verbaladjektivs könnte Gerhard durch die Sprache der Mysterien angeregt worden sein; wer dort nicht zur „Schau“ zugelassen war, galt als ἀνεπόπτευτος. 37 οὐδὲ καὶ ὣς ...: Das καί ist ein dem Verszwang geschuldetes Füllwort, das sich mit dem vorausgehenden οὐδέ nicht verträgt; dem gängigen griechischen Sprachgebrauch entspräche οὐδ᾿ ὥς (Il. 7,263; Od. 1,6; S. Ant. 1042; Hdt. 3,152; X. An. 1,8,21 etc.). 39 ναρθηκοφόρους συνομαίμους: Die Narthexträger gehören eigentlich in den Dionysoskult, wo man die Träger der Thyrsosstäbe mit diesem Wort bezeichnen konnte, weil die Stäbe aus den Stengeln der Narthexpflanze hergestellt wurden (vgl. Dodds zu E. Ba. 113; Kannicht zu E. Hel. 1360f.). Hier dient die Vokabel lediglich der Absicht, die neuen Gesandten der Hyperboreer mit einem möglichst feierlichen Attribut auszustatten.

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40 Ἄβαρις: Die Prosodie des Eigennamens entspricht derjenigen, die wir – mit Bezug auf andere Träger desselben Namens – bei den römischen Epikern finden (Verg. Aen. 9,344; Ov. met. 5,86; Val. Fl. 3,152; Sil. 10,134); dagegen behandelt Nonnos an der einzigen Stelle, an der er den hyperboreischen Priester erwähnt, die zweite Silbe des Namens als eine Länge: ἔκλυες αὐτὸν Ἄβαριν, ὃν εἰς δρόμον ἠεροφοίτην ... (Nonn. D. 11,132). 45 τοίης σωτείρης: Als Retterin erscheint die römische Wölfin auch in den Worten, die Ovid dem Schatten des ermordeten Remus in den Mund gelegt hat: quem lupa servavit, manus hunc temeraria civis ǀ perdidit (Ov. fast. 5,467f.). 46 τίνα δή, τίνα οἱ ἐπιβώμια θείην ...: Die Wiederholung eines Fragepronomens unter Einschub der Partikel δή stellt eine geradezu perfekte Nachahmung griechischen Sprachgebrauchs dar, wie eine Stelle aus der euripideischen Hekabe zeigen kann: παῖδες Ἑλλάνων, πότε δὴ πότε τὰν ǀ Ἰλιάδα σκοπιὰν ǀ πέρσαντες ἥξετ᾿ οἴκους; (E. Hec. 930–932). Weitere Beispiele für diese beliebte und keineswegs nur auf Fragesätze beschränkte Form der geminatio liefern E. Bruhn (Anhang zu Sophokles § 239) und J.D. Denniston (Greek Prose Style, Oxford 1952, 91f.) . 49 ὅδευον: Im Hauptsatz eines irrealen Bedingungssatzgefüges findet sich das bloße Imperfekt ohne ἄν nur in seltenen Ausnahmefällen (vgl. Schwyzer/Debrunner 353). 50 συνεπασπίσθησαν: Das Verbum hat Gerhard selbst geschaffen, vielleicht in Anlehnung an das Kompositum ὑπερασπίζειν, das auch metaphorisch gebraucht werden kann. 51 κῦδος μὲν βασιλίσσῃ ...: Der Gedanke an das fürsorgliche Verhalten der Freunde findet hier einen besonders gelungenen Abschluß: die Wirkungen, die Gerhard dem neuen Freundschaftsbund zuschreibt (Ruhm für die ‚Königin‘ und Freude für die Hyperboreer) stehen sich in einem einzigen viergliedrigen Vers chiastisch gegenüber. – Eine reiche Belegsammlung für die Bezeichnung Roms als Königin unter den Städten bietet E. Doblhofer, Rutilius Claudius Namatianus. De reditu suo sive Iter Gallicum, Bd. 2: Kommentar, Heidelberg 1977, 41f. (zu 1,47). 54 προχορευταί: Das griechische Wort für die „Vortänzer“ hat Gerhard aus dem Verbum προχορεύειν (E. Ph. 791; Greg. Naz. Or. 21,29) herausgesponnen. 56 ἀποκλείστων ναρθήκων: Die verschlossenen νάρθηκες, aus denen nach allen Seiten Duft ausströmt, dürften die Räucherschalen der sogenannten Thymiaterien sein, deren Deckel durchlöchert waren, so daß die Rauchentwicklung der darunter schwelenden Hölzer und Harze auch dann nicht behindert wurde, wenn das ganze Gebilde verschlossen war (vgl. R. Hurschmann, Art. „Thymiaterion“, in: DNP 12,1 [2002], 522f.). Das Wort νάρθηξ ist in dieser spezifischen Bedeutung allerdings nicht belegt; wenn ein Kästchen damit bezeichnet wird, handelt es sich in aller Regel um einen Drogenbehälter (vgl. W. Hartke, Art. „Narthex 2“, in: RE 16,2, 1935, 1770–1772). 57 Κυψελίδη: Hinter dem Namen Κυψελίδης (in V. 65 aus metrischen Gründen in Κύψελος geändert) verbirgt sich August Kestner, dessen Name an den „Kasten“ (griech. κυψέλη) erinnert. Ähnliche Spielereien gelten auch den Namen der übrigen Freunde: Panofka ist Πανοπαῖος (V. 58) bzw. Πανοπεύς (V. 65), Stackelberg heißt Ῥαβδωρεύς (V. 61 u. 65), Thiersch, Schorn und Hagen firmieren als Θύρσις,

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Κουρητιάδης und Ἀγήνωρ (V. 74). In der richtigen Erkenntnis, daß späteren Lesern die Identifizierung der Personen schwerfallen würde, hat Gerhard seinen Text nachträglich mit Anmerkungen versehen, in denen die deutschen Namen genannt sind (GERHARD 1852, 139). 58 ἐποικιστήρ: Das Substantiv hat Gerhard selbständig gebildet; zugrunde gelegt ist das Verbum ἐποικίζειν in der Bedeutung „ansiedeln“ (App. BC 1,96 u.ö.). 59 βαθύπνοον: Das Adjektiv, das Gerhard in Anlehnung an Bildungen wie βαρύπνοος oder καλλίπνοος selbst geschaffen hat, ist hier kausativ zu verstehen: das geforderte Lied läßt den Sänger tief atmen; vergleichen kann man den Gebrauch des Adjektivs εὔπνους in Verbindung mit Substantiven wie ὀξύμελι und λουτρόν in der hippokratischen Schrift De diaeta acutorum (Kap. 58,1 u. 66,2). 60 κηληδόνι φωνῇ: Das Wort κηληδών, dessen attributive Verwendung auf einen Einfall Gerhards zurückgeht, ist mit Blick auf den sirenenhaften Gesang, in dem sich Panofka bewähren soll, passend gewählt; denn es läßt an die aus Pindars achtem Paian (V. 70f. Sn./M.) bekannten Keledonen denken, deren Sangeskünste von Pausanias (Paus. 10,5,12) und Athenaios (Ath. 7,36 p. 290E) mit denen der Sirenen verglichen werden (vgl. I. Rutherford, Pindar’s Paeans. A Reading of the Fragments with a Survey of the Genre, Oxford 2001, 219f. u. 222 Anm. 38). 63 σοὶ γὰρ ἐφερπύζουσι γρύπες ...: Wie schon in V. 21 (γρυφόμαιμοι) erhalten die γρῦπες auch hier ein kurzes Ypsilon. Im übrigen ist der Vers jedoch gerade in formaler Hinsicht besonders ausgezeichnet; Stackelbergs herausragende Stellung unter den „Römischen Hyperboreern“ kommt in zwei einander ergänzenden Sätzen zum Ausdruck, deren Anfänge durch ein eingängiges Polyptoton (σοὶ ..., σὺ ...) markiert werden. 64 παγχρύσεα μῆλα: Als παγχρύσεα μῆλα werden die Äpfel der Hesperiden bei Hesiod (Hes. Th. 335) und Apollonios Rhodios (A.R. 4,1397) bezeichnet. 67 ἐπὶ ἄστυ πολύκλυτον Αἰνεαδάων: Eine ähnliche, wenn auch von bitterer Ironie durchtränkte Wendung zur Umschreibung Roms bietet Tertullian: et in illa religiosissima urbe Aeneadarum piorum ... (Tert. apol. 9,5). 68 ζείδωρον: Das Adjektiv bedeutet eigentlich „getreidespendend“, da der erste Bestandteil des Wortes von ζειά („Spelt“) abzuleiten ist; Gerhard wollte das von ihm so innig geliebte Rom jedoch sicher als „lebenspendend“ bezeichnen, und tatsächlich wurde das Wort schon in der Antike bisweilen in diesem Sinne verstanden (vgl. LSJ s.v. II). ὅθι γαῖα ...: Der hier beginnende Nebensatz, der sich über mehr als vier Verse erstreckt, ehe er endlich in Vers 72 zum Abschluß gelangt, folgt dem Behaghelschen Gesetz der wachsenden Glieder, das sich auf Forderungen der antiken Stilkritik stützen kann: ἐν δὲ τοῖς συνθέτοις περιόδοις τὸ τελευταῖον κῶλον μακρότερον χρὴ εἶναι (Demetr. Eloc. 18). 69 προκατάρχεται: Wie treffend das Verbum προκατάρχεσθαι gewählt ist, zeigen die Worte, mit denen Dionys von Halikarnaß in seinen Antiquitates Romanae (D.H. 7,72,9) ein Zitat aus der Ilias einleitet, in dem Homer zwei Kunstspringer als Anführer eines Reigentanzes in Erscheinung treten läßt: ἡγεμόνας τε τῆς ὀρχήσεως αὐτῶν τοὺς ἐνδιδόντας τοῖς ἄλλοις καὶ προκαταρχομένους εἰσάγων τοιάδε γράφει ... (Il. 18,603–606).

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70 δυεροὺς ἀνθρώπους: Das Adjektiv δυερός dürfte Gerhard dem astrologischen Lehrgedicht des Maximos entnommen haben, das er einige Jahre zuvor selbst ediert hatte (Μαξίμου φιλοσόφου Περὶ καταρχῶν, Leipzig 1820); denn dort kommt es gleich dreimal vor (V. 65; 182; 546), während es sonst ausgesprochen selten ist (vgl. Harder zu Call. Aet. fr. 54,24). 71 Ληθαίῳ τε ῥόῳ πεπλυμένα κήδεα: Der bildhafte Ausdruck erinnert an eine Wendung Ovids, in der das Vergessen als ein Versinken in den Fluten der Lethe bezeichnet wird: cunctane lethaeis mersa feruntur aquis? (Ov. trist. 1,8,36). 72 συμφέρεται: Das Medium ist hier transitiv gebraucht wie in den Argonautica des Apollonios Rhodios, wo es vom Fluß Lykos heißt, er vereinige seine Fluten mit denen des Phasis: παρὰ προχοῇσι Λύκοιο, ǀ ὅς τ᾿ ... ǀ Φάσιδι συμφέρεται ἱερὸν ῥόον (A.R. 4,132–134). Λυκηγενέος: Das in zwei Versen der homerischen Ilias mit Apollon verbundene Wort (4,101 u. 119) ist wahrscheinlich als Hinweis auf eine lykische Herkunft des Gottes zu deuten (vgl. R. Beekes, The Origin of Apollo, in: Journal of Ancient Near Eastern Religions 3, 2003, 1–21; hier: 15); an unserer Stelle wurde die Übersetzung „Lichtgeboren“ mit Rücksicht darauf gewählt, daß Gerhard selbst das Epitheton in eine Reihe mit Wörtern wie lux, λύκη und ἀμφιλύκη stellt (Griechische Mythologie, Bd. 1, Berlin 1854, 315). 73 ὡς ὄναρ ἐκπεπότηνται: Die sprachliche Formulierung scheint sich an den Worten zu orientieren, mit denen in der homerischen Nekyia das Schicksal der menschlichen Seele nach dem Tode beschrieben wird: ψυχὴ δ᾿ ἠύτ᾿ ὄνειρος ἀποπταμένη πεπότηται (Od. 11,222). 77 δεινὰ παθών: Die Worte sind durch ein wirkungsvolles Enjambement vom Vorhergehenden abgesetzt und an den Anfang des Verses gerückt, der die Schilderung der schweren Erkrankung Gerhards einleitet. 78 ἐς λύκον ἐξ ἀνδρός ...: Der Vers besticht durch ein kunstvoll arrangiertes doppeltes Polyptoton: die beiden tragenden Begriffe λύκος und ἀνήρ werden durch wechselnde Verbindungen mit den Präpositionen ἐς und ἐξ (ἐκ) in verschiedenen Kasus wiederholt, wobei die parallele Reihung der Substantive mit einer chiastischen Anordnung der Präpositionen einhergeht.

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AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE a) Primärliteratur GERHARD 1826 (G1) = E. Gerhard, Venere Proserpina illustrata, Fiesole 1826, 7–10. GERHARD 1852 (G2) = Ders., Hyperboreisch-Römische Studien für Archäologie, Bd. 2, Berlin 1852, 137–139.

b) Sekundärliteratur 1. Zu Eduard Gerhard Borbein 1979 = A. Borbein, Klassische Archäologie in Berlin vom 18. zum 20. Jahrhundert, in: W. Arenhövel/C. Schreiber (Hgg.), Berlin und die Antike. Aufsätze, Berlin 1979, 99–150 (hier: 119–123). Borbein 1993 = Ders., 150 Jahre Archäologische Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1993 (= 134. Winckelmannsprogramm der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin). Bursian 1883 = C. Bursian, Geschichte der classischen Philologie in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart, München/Leipzig 1883, 1046–1067. Curtius 1867 = E. Curtius, Zum Andenken an Eduard Gerhard, in: Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G.A. Universität zu Göttingen 13 (1867), 265–274. Gerhard 1852 = E. Gerhard, Biographischer Anhang (Stackelberg), in: dems., Hyperboreisch-Römische Studien für Archäologie, Bd. 2, Berlin 1852, 298–322. Gerhard 1865 = Ders., Des Herausgebers litterarischer Lebenslauf, Jubiläum und Danksagung, in: Archäologischer Anzeiger 202 (1865), 97–106 (Beilage zur Archäologischen Zeitung, Bd. 23). Harnack 1900 = A. Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 1,2, Berlin 1900, 863–866. Jahn 1868 = O. Jahn, Eduard Gerhard. Ein Lebensabriss, Berlin 1868 (wieder abgedruckt in: E. Gerhard, Gesammelte Akademische Abhandlungen und Kleine Schriften, Bd. 2, Berlin 1868, I–CXXIV). Kekulé 1911 = R. Kekulé von Stradonitz, Eduard Gerhard. Ansprache beim 70. Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin am 9. Dezember 1910, Berlin 1911. Matz 1964 = F. Matz, Art. „Gerhard, Eduard“, in: NDB 6 (1964), 276f. Michaelis 1867 = A. Michaelis, Eduard Gerhard, in: Die Grenzboten 26 (1867), 1. Sem., 2. Bd., 445–463. Rößler 2012 = D. Rößler, Art. „Gerhard, Eduard“, in: P. Kuhlmann/H. Schneider (Hgg.), Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon, Stuttgart 2012 (DNP Suppl.; 6), 452– 455. Sichtermann 1979 = H. Sichtermann, Vier Briefe August von Platens an Eduard Gerhard, Mainz 1979 (= Das Deutsche Archäologische Institut. Geschichte und Dokumente; 4). Stürmer 2009 = V. Stürmer, Eduard Gerhard – Begründer der institutionellen Archäologie in Berlin, in: A.M. Baertschi/C.G. King (Hgg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts, Berlin 2009 (= Transformationen der Antike; 3), 145–164. Unte 2000 = W. Unte, Eduard Gerhard, in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 7, Stuttgart 2000, 175– 181 (wieder abgedruckt in: Ders., Heroen und Epigonen. Gelehrtenbiographien der klassischen Altertumswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert, St. Katharinen 2003, 163–169). Urlichs 1878 = K.L. Urlichs, Art. „Gerhard, Friedrich Wilhelm Eduard“, in: ADB 8 (1878), 760– 766.

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Wrede 1997 = H. Wrede (Hg.), Dem Archäologen Eduard Gerhard 1795–1867 zu seinem 200. Geburtstag, Berlin 1997 (= Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin; 2).

2. Zu den Anfängen des Deutschen Archäologischen Instituts Kyrieleis 1999 = H. Kyrieleis, Art. „Deutsches Archäologisches Institut“, in: DNP 13 (1999), 749– 760 (hier: 750–752). Michaelis 1879 = A. Michaelis, Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts 1829–1879. Festschrift zum 21. April 1879, Berlin 1879, 1–23. Preißhofen 1979 = F. Preißhofen, Der hyperboreische Greif. Das Symbol des Deutschen Archäologischen Instituts, in: W. Arenhövel/C. Schreiber (Hgg.), Berlin und die Antike. Aufsätze, Berlin 1979, 215–227. Rieche 1979 = A. Rieche, Die römischen Hyperboreer, in: Dies. (Hg.), 150 Jahre Deutsches Archäologisches Institut Rom (Ausstellungskatalog Bonn), Essen 1979, 15–22. Rodenwaldt 1929 = G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches 1829–1929, Berlin 1929, 5–20. Rodenwaldt 1930 = G. Rodenwaldt, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches. Bericht über die Hundertjahrfeier 21–25 April 1929, Berlin 1930.

3. Zu den Hyperboreern Bridgman 2005 = T.P. Bridgman, Hyperboreans. Myth and History in Celtic-Hellenistic Contacts, New York/London 2005. Centrone 1994 = B. Centrone, Art. „Abaris l’ Hyperboréen“, in: R. Goulet (Hg.), Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 1, Paris 1994, 44–46. Colli 1977 = G. Colli, La sapienza greca, Bd. 1, Mailand 1977, 321–337 u. 431–433. Crusius 1890 = O. Crusius, Art. „Hyperboreer“, in: W.H. Roscher (Hg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Bd. 1,2 (1890), 2805–2835. Daebritz 1914 = H. Daebritz, Art. „Hyperboreer“, in: RE 9,1 (1914), 258–279. Rausch 2013 = S. Rausch, Bilder des Nordens. Vorstellungen vom Norden in der griechischen Literatur von Homer bis zum Ende des Hellenismus, Mainz 2013 (= Archäologie in Eurasien; 28), 49–55 u. 77–80. Sandin 2014 = P. Sandin, Famous Hyperboreans, Nordlit 33 (2014), 205–221. Sonnabend 2000 = H. Sonnabend, Art. „Hyperboräer“, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde2 15 (2000), 308–310. Van Windekens 1957 = A.J. Van Windekens, Les Hyperboréens, in: RhM 100 (1957), 164–169. Werhahn 1994 = H.M. Werhahn, Art. „Hyperboreer“, in: RAC 16 (1994), 967–986. Winiarczyk 2011 = M. Winiarczyk, Die hellenistischen Utopien, Berlin 2011 (= Beiträge zur Altertumskunde; 293), 49–71.

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5. Abkürzungen ADB = Allgemeine Deutsche Biographie, Hg. durch d. Historische Commission bei d. Königl. Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1875–1912 (ND Berlin 1967–1971). NDB = Neue Deutsche Biographie, Hg. von d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1957–.

c) Bildnachweise Abb. 1 Jahn 1868, Titelblatt. Abb. 2 Photo H. Behrens, DAI Abt. Rom, 2010. Abb. 3 DAI Berlin, 2016.

DER HOFRAT UND DER PRINZ Karl August Böttigers carmina Graeca für den Prinzen Johann von Sachsen1 Peter Witzmann

Argumentum: Per decem fere annos Carolus Augustus Boettiger carmina fecit Graeca lingua usus in honorem Ioannis, tum Saxoniae principis, inter alios praecipue Solonem Atheniensem elegiarum scriptorem, consilii publici auctorem imitatus. Quorum aliquot Iulius Sillig in poetici libelli formam artificiose redegit ediditque. Non modo qua eleganti manu atque ratione, sed potius quem ad finem auctoris sententiam secutus id fecerit, demonstratur. Boettigero enim semper cordi erat, ut regnum Saxonicum per tempora incerta, immo turbida maneret firmum, stabile, diuturnum. Adduntur etiam et enarrantur nonnulla Boettigeri carmina Graeca nondum in lucem prolata.

1. DIE APPENDIX SILLIGIANA Im Sommer des Jahres 1836 hatte Karl Julius Sillig eine stattliche Sammlung kleiner Schriften Karl August Böttigers sowie etwa einhundert seiner Gedichte in lateinischer Sprache für einen ansehnlichen Band zusammengebracht, der, dem ehrenden Gedächtnis des am 21. November 1835 Verstorbenen bestimmt, zu Beginn des Jahres 1837 einem interessierten Publikum vorlag.2 Sillig folgte mit seiner Ausgabe, wie aus dem Vorwort hervorgeht, Überlegungen Böttigers aus dessen letzten Lebensjahren. Die Texte waren, sofern bereits publiziert, an den unterschiedlichsten Orten verstreut. Der Herausgeber hatte die Mühe, eine schier unermeßliche Masse an literarischen Zeitungen und Zeitschriften durchzuwälzen, nicht gescheut und bei den Texten, soweit möglich, sorgfältig auch die Publikationsorte verzeichnet. Ganz beiläufig bemerkt er dann am Ende seines Vorworts: Carminibus Latinis adieci carmina aliquot Graeca ultimis aetatis annis a Boettigero scripta – „den 1

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Zur 800-Jahrfeier des Kreuzgymnasiums zu Dresden dem Andenken seines Konrektors Karl Julius Sillig (1801–1855). – Zweiter Werkstattbericht, beruhend auf dem gesamten Material der nachgelassenen griechischen Gedichte Böttigers, dessen Publikation als kommentierte Ausgabe sich in Vorbereitung befindet. Der erste Bericht: Witzmann 2012. – Zu Böttiger: Sternke 2012, 143–145. C. A. Boettigeri opuscula et carmina Latina collegit et edidit Iulius Sillig, Dresdae, libraria aulica Waltheria, MDCCCXXXVII = BOETTIGER 1837. Dieser ersten Sammlung folgten bald „C. A. Böttiger’s kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts, gesammelt und herausgegeben von Julius Sillig“, 3 Bände, Dresden und Leipzig 1837/38. Darin eine ausführliche Bibliographie sämtlicher Publikationen Böttigers.

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lateinischen Gedichten habe ich einige griechische Gedichte angefügt, die Böttiger in seinen letzten Lebensjahren geschrieben hatte.“ Für die Sammlung der kleinen Schriften führt Sillig, Gedanken Böttigers aufnehmend, pädagogische Gründe an, für die der carmina Latina des Autors Wunsch, eine solche Gedichtsammlung könne eine mnemosyna et pii sodalis et exacti inter iocos et seria temporis sein – „eine Erinnerung an einen treuen Gesellen und an unter Scherz und Ernst verbrachte Zeit“. Was aber sind dann die carmina Graeca? Über den Herausgeber seien einige Auskünfte vorausgeschickt. Karl Julius Sillig, 1801 in Dresden als Sohn eines Finanzinspektors geboren, studierte nach dem Besuch der Kreuzschule daselbst 1819 bis 1822 Philologie in Leipzig und Göttingen und erhielt, nachdem er dank eines von Böttiger für ihn erwirkten Reisestipendiums seine Studien an den Bibliotheken in Wolfenbüttel und Paris hatte fortsetzen können, ab 1825 eine dauernde Anstellung an der Kreuzschule zu Dresden, zu deren Konrektor er 1854 berufen wurde. Böttiger hatte den jungen Lehrer dem Prinzen Johann empfohlen, dessen Beschäftigung mit Platon, Thukydides und später auch Aristoteles er lehrend begleitete; der Prinz wiederum gewann ihn als Lateinlehrer seines Sohnes Albert. Am 12. Dezember 1854 hielt Sillig die Gratulationsrede zum Geburtstag König Johanns, des ersten, den dieser als König beging. Einen Monat später verstarb Sillig. Aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sei außer textkritischen Arbeiten und Ausgaben zu Catull und Statius die Ausgabe der Naturalis historia des Plinius erwähnt. Karl Julius Sillig ist mithin als Herausgeber der hier nun folgenden Boettigeriana als mindestens hinreichend qualifiziert anzusehen.3 Zunächst werden die Texte der Appendix Silligiana präsentiert,4 denen jeweils eine Übersetzung in Prosa beigegeben ist. Der Titel der Appendix lautet ebenso beiläufig wie die in der praefatio darauf bezügliche Bemerkung: carmina aliquot Graeca – „Etliche griechische Gedichte“.

3 4

Vgl. Stürenburg 1926, 34–39. BOETTIGER 1837, 601–605.

Der Hofrat und der Prinz

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2. TEXT UND ÜBERSETZUNG DER GEDICHTE DER APPENDIX5 I Ἡ Ἑλλὰς πρὸς τοὺς νέους ἐν τῇ παιδείᾳ τῇ Ἑλληνικῇ πεπαι δευμένους.

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Πᾶσαν ὁμηλικίην, Μουσῶν θαλεροὺς θεράποντας, Ἑλλὰς ἀπαιτεῖται θρέπτρα τροφῆς ἁγίης. Φθείρει παῖδας ἐμοὺς Ἔμπουσ’. ἀπαλάλκετε λώβην. Σώζετε τοὺς λοιποὺς, τοὺς ἐπιμαστιδίους. Ἑλλὰς ταῦτα βοᾷ Τουρκῶν γναμφθεῖσ’ ὑφ’ ἱμάσθλης. Τῆς Δρέσδης ἐλεεῖ ἡ νεόλαια βοάν. Diar. elegant. hominum 1826. nr. 224.

Übersetzung: Griechenland an die Jugend, die in griechischer Bildung erzogen ist. Von der gesamten Altersgenossenschaft, von der Musen blühenden Dienern, / fordert Hellas den Nährlohn ein für ehrwürdig heilige Nahrung. / Es vernichtet meine Kinder das Ungeheuer Empusa – wehret den Frevel ab! / Rettet die, die noch übrig sind, die an den Brüsten (der Mütter liegen)! / [5] Solches schreit Hellas, gebeugt unter der Türken Geißel. / Dresdens Jugend erbarmt sich des Schreis. II Ὑγιείας θυμίαμα. τῇ ἐννάτῃ τοῦ φθίνοντος Ἰανουαρίου. ᾳ ω´κ´ ς.

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Ἐγγυάλιξε θεὸς πρόφρων τῇ πατρίδι παῖδα Θηλυτέραν, πέταλον πηγάνου ἡμετέρου. Χαῖρε πατρίς. Βασιλίσσ’ ἔσεται, μήτηρ βασιλήων. Οὐχ ὁράας, οἷῳ τέκνον ἔλαμψε φάει; Ἔσται δὴ φιλάδελφος ἀεί· πρωτάγγελος ἦλθε Παίδων ἀῤῥενικῶν πρωτογενὴς θυγάτηρ. Εὐφήμει. ζῇ τέκνον ἐν ἀγκαλίδεσσι τοκῆος, Ζῇ ἄλοχος καὶ σῶς ἐλπίς. ἅπαντα σόα. Diar. Vespert. 1827. nr. 24.

Die griechischen Texte der Appendix sind hier nach BOETTIGER 1837, 601–605 wiedergegeben. Daraus erklären sich Abweichungen von der heutigen Norm sowie manche fehlende oder „falsche“ Akzente, Spiritus und fehlendes Iota subscriptum. Diese Errata werden nicht korrigiert. Für die Überschriften verwendete Sillig Kapitälchen. – Unkorrekte Formen in Texten, die nicht der Appendix zugehören, werden in adn(otationes) crit(icae) richtiggestellt.

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Peter Witzmann

Übersetzung: An Hygieia ein Weihrauchopfer. Am neunten Tag des schwindenden Januars 1827. Es legte in die Hände die Gottheit wohlwollend dem Vaterlande ein Kind, / ein weibliches, einen Sproß unserer Raute. / Freue dich, Vaterland. Königin wird es sein, Mutter von Königen. / Siehst du nicht, in welchem Lichte das Kind erstrahlt? / [5] Es wird freilich geschwisterliebend sein stets. Als erste Botin kam / von Kindern, männlichen, die erstgeborene Tochter. / Frohlocke! Es lebt das Kind in den Armen des Vaters, / es lebt die Gemahlin und unversehrt ist die Hoffnung. Alles ist wohlbehalten. III Ἐς τὸ νεοθαλὲς τοῦ ἱεροῦ πηγάνου ἔρνος.

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Μήτερος ἐκ κόλπων παῖς ἔκθορε, χάρμα πολίταις, Εὐχαῖς ἡμετέραις νῦν ἐπένευσε Θεός. Ὄλβιε παῖ, τριπόθητος ἔφυς, τρίλλιστος ἐν ἡμῖν, Νῆμά τε γειναμένῳ Μοῖρ’ ἐπέκλωσ’ ἀγαθόν. Ἔκγονον ἡ ΤΗΘΗ τὸν ἐπωλένιον θάμ’ ἔκυσσεν, Ἡ Σώτειρ’ ἐφάνη γῆς ἀπὸ τηλεδάπου. Εὐφήμησ’ ὁ ΠΑΤΗΡ καὶ ἐπεύξατο πότνια ΜΗΤΗΡ Σῶν ἔμεναι, θάλλειν εἰς ἔτος ἐξ ἔτεος. Τέκνον ἰδὼν Βασιλεὺς ΑΝΤΩΝΙΟΣ ἐξεβοήσεν· Πήγανον ἡμέτερον φύλλον ἔβλαστε νέον. Σύν τ’ εὐηγορίῃ, σύν τ’ εὔγμασι, σύν τ’ ὀλολυγαῖς Ἡ πατρὶς εὐφήμως ἄῤῥενα παῖδα βοᾷ. Χαῖρε μέγ’ ὑμνηθεὶς, ἐπεὶ οὐ βασιλεύτερος ἄλλος. Ἀνθολογεῖ σοι ἔαρ, στέμμασι πάντα βρύει. Diar. Vespert. 1828. nr. 101.

Übersetzung: Auf das neublühende Reis der heiligen Raute. Aus dem Schoße der Mutter entsprang ein Kind, eine Freude den Bürgern. / Unseren Wünschen hat nun zugestimmt die Gottheit. / Gesegneter Knabe, dreifach ersehnt bist du geboren, dreifach erfleht bei uns, / und einen Faden hat dem Geborenen die Moira geknüpft, einen guten. / [5] Den Enkel hat die Großmutter in ihren Armen immer wieder geküßt, / die rettende Helferin erschien aus fernem Lande. / Es jubelte der Vater und es betete (dankbar) die erhabene Mutter, / daß du gesund seist und blühest von Jahr zu Jahr. / Das Kind erblickend rief laut König Anton: / [10] Unsere Raute hat ein neues Reis hervorsprießen lassen. / Mit Lobpreis, mit Gebet, mit Jubel ruft das Vaterland frohlockend dem Kind zu: / Sei gegrüßt, hoch Gepriesener, da nicht königlicher ist ein anderer. / Blumen liest dir der Frühling, von Kränzen wird alles grün.

Der Hofrat und der Prinz

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IV Ιωάννῃ, Ἄρχοντι τῆς Σασσονίας γενεθλιακὸν γεροντικόν.

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Λαμπρὸν ἄγει ΣΟΙ, ἄναξ, ἧμαρ ῥοδοδάκτυλος Ἤως Κοσμοῦσ’ εἰαρινῷ δῶρα γενεθλιακά. Χαῖρε, σοφῶς μεδέου τῆς πατρίδος, ἔν θ’ ὁμονοίᾳ Ἁγνότατον δήμῳ πάντι φάος προφέρων. Ἦν στάσις. ἀρχέκακος θόρυβος πόλιν ἀμφιδέδῃει· Ὁπλοφοροῦσα πόλις πᾶσαν ἀπεῖργεν ὕβριν. Σῇς γὰρ ὑπ’ ἐννεσίῃσιν ἐφοπλίζουσι πολῖται Τάγματα. Τάξαντος ΣΟΥ σόα πάντα πέλει. Καὶ ταύτης εὐεργεσίης χαρίεσσαν ἀμοιβήν, Ὅσσα γλύκιστα βροτοῖς, πάντα διδοῦσι θεοί. Συζυγίην γλυκεράν, τρεῖς πτόρθους (ἀλλὰ τέταρτος Οὐ βραδυνεῖ) χαίρεις ἀμφαγαπαζόμενος. Diar. Vespert. 1830. nr. 297.

Übersetzung: Für Johann, den Herzog von Sachsen, ein Geburtstagsgedicht von einem Greis. Einen strahlenden Tag führt DIR, Herr, herauf die rosenfingrige Eos, / schmückend mit Frühlingsblumen die Gaben zum Geburtstag. / Sei gegrüßt! Klug sorge du für das Vaterland und in Einmütigkeit / ein reines Licht allem Volke vorantragend. / [5] Es war Aufruhr. Ursprung des Übels, Tumult, hielt die Stadt rings umfangen. / Die waffentragende Stadt wehrte allen frevlen Übermut ab. / Denn auf deinen Rat und Befehl bewaffnen Bürger / ihre Scharen. Indem DU sie ordnest und führst, bleibt alles wohlbehalten. / Und für solche Wohltat als erfreuliche Gegengabe, / [10] was das Süßeste den Sterblichen, das alles geben die Götter. / Einer lieblichen Gemahlin, dreier Sprößlinge – aber der vierte / läßt nicht auf sich warten – erfreust du dich, ringsum geliebt. V ΙΩΑΝΝΗι Ἄρχοντι τῆς Σασσονίας τὸ τέταρτον πατρί. Στύλοι μὲν οἴκων παῖδές εἰσιν ἄρσενες. Eurip.

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Χαῖρε, φάος Σασόνεσσι· Μογοστόκος Εἰλείθυια Ζώνην τῆς ἀλόχου χερσὶν ἔλυσ’ ἁπαλαῖς. Ἥδιον ἐξεγέλασσε θεὸς μαιεύτρια· μήτηρ Ἄῤῥενα τεκνοῦται νῦν δεκάμηνον, ἔφη. Ἐξέθορεν κόλπων τῆς μητέρος· ὀβριμόπαις εἶς,

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Ὦ πάτερ· εὐφημεῖ λαὸς ἀγαλλόμενος. Οἶκος δίστυλος στιβαροῖς ἀναδείματ’ ἐδέθλοις. Ὁρμεῖ ἐπ’ ἀγκύραις ἡ πατρὶς ἀμφοτέραις. Diar. Vespert. 1831. nr. 84 Übersetzung: Für Johann, Herzog von Sachsen, der zum vierten Mal Vater ist. „Säulen der Häuser sind Kinder, männliche.“ Euripides (~ IT 57) Sei gegrüßt, ein Licht den Sachsen! Die wehenerzeugende Eileithyia / hat den Gürtel der Gemahlin gelöst mit sanften Händen. / Erfreuend lachte die Göttin, die Hebamme: die Mutter / wird einen Knaben gebären, jetzt, einen zehnmonatigen, sprach sie. / [5] Er entsprang dem Schoße der Mutter. An Kindern stark bist du, / Vater, jubelt das Volk frohlockend. / Das Haus, das zweisäulige, ist errichtet auf festen Fundamenten. / Es ankert an Ankern das Vaterland an beiden Seiten (d.h. an Bug und Heck des Schiffes). VI Εἰς τὰ γενέθλια τριακοστά ΙΩΑΝΝΟΥ Ἄρχοντος τῆς Σασσονίας ᾳ ώ λ´ ά προσφώνημα γεροντικόν.

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Χαίρει πᾶσα πόλις καὶ ἐπευφημοῦσι πολῖται· Ὄλβιε, χρύσεα ΣΟΙ Μοῖρ’ ἐπέκλωσε λίνα. Ὅσσ’ Ὑγίεια δίδωσι καὶ Ἥβης ἄγλαα δῶρα, Πάντα ΣΟΙ εὐφρονέων ἐξετέλεσσε θεός. Θάλλει ΣΟΙ γαμετὴ κεδνή, παίδων τε τετρακτύς· Ἀμφιτέθηλεν ἔαρ δῶμα ΣΟΝ ἀμβρόσιον. Εἰρήνην φιλέεις, Εἰρήνης ἔργ’ ἀτιτάλλεις· Ἀλλὰ καὶ Εἰρήνης ἔργ’ ἐφύλαξεν ἄορ. Σάλπιγξ καὶ τυπάνων δοῦπος τίνος ἐστὶ κέλευσμα; Ἔστιν Ἰωάννης, ὃς τὸ κέλευσμ’ ἐδίδου. Σῇς γὰρ ὑπ’ ἐννεσίῃσιν ἐφωπλίσσαντο πολῖται· Οὐ ψόγος· Εἰρήνη τοῦτ’ ἐκέλευσε ταγῷ. Τῷ νῦν οὔνομα ΣΟΝ κλῄζουσιν συμποσιάρχαι, Τὴν δὲ γέφυραν, ἰδοῦ, καινὸν ἐπῆλθε σέλας. Ἄλλα καὶ ἡ κίθαρις ΣΕ πρέπει, μόχθων κατάπαυμα, Καί ΣΥ μεταφράζεις Δάντου ἄπειρον ἔπος. Νῦν δὲ καὶ ἱστοριῶν χάριτες, τὰς θρέψεν Ὀλώρου Παῖς, μετὰ τοὺς καμάτους ΣΟΝ στεφανοῦσι κάρα. Εἷς πόθος εὐχομένων, ἵνα πύργος, πατρίδος ἄλκαρ, Πύργον γὰρ ΣΕ καλοῦσ’, ἀστυφέλικτος ἔῃς. Diar. Vespert. 1831. nr. 298.

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Übersetzung: Zum dreißigsten Geburtstag Johanns, Herzogs von Sachsen, 1831 – Zuruf eines Greises. Es freut sich die gesamte Stadt und es frohlocken die Bürger: / Du vom Glücke Gesegneter, goldene Fäden hat DIR die Moira gesponnen. / Alles, was Hygieia gibt und der Hebe glänzende Gaben, / alles hat DIR wohlgesonnen bereitet die Gottheit. / [5] Es blüht DIR die achtbare Gattin und der Kinder Vierzahl, / es umblüht Frühling DEIN Haus ambrosisch. / Eirene liebst du, Eirenes Werke pflegst du, / aber auch schützte der Eirene Werke das Schwert. / Trompetenschall und der Trommeln Getön – wes ist der Befehl? / [10] Es ist Johann, der den Befehl gab. / Denn unter deinem Rat und Befehl bewaffneten sich die Bürger. / Kein Vorwurf. Eirene befahl dies dem Gebieter. / Darum nun rühmen DEINEN Namen die, welche gebieten beim Festmahl. / Und für die Brücke, sieh an, kam nun ein neues Leuchten. / [15] Andererseits auch die Laute passet zu DIR, von Mühen Erholung, / auch übersetzest DU Dantes unermeßliches Epos. / Und jetzt bekränzen auch der Geschichtschreibung erfreuende Göttinnen, die Oloros’ Sohn nährte, / nach den Mühen DEIN Haupt. / Ein einziges Verlangen haben die Bittenden: daß als ein schirmender Turm, des Vaterlands Schutzwehr / [20] – denn Schirm und Schutz nennt man DICH – du unerschütterlich seist. VII ΙΩΑΝΝΗι Ἄρχοντι τῆς Σασσονίας. Εὐκταῖς ὠδίνεσσιν ἐπευφημεῖτε, πολῖται· Εὐχαῖς ἡμετέραις εὖ κατένευσε θεός. Ἦν τετράφυλλον Ἰωάννου πολυάνθεμον ἔρνος· Πέντε βρύει φύλλοις. Οὔποτε φυλλοβολεῖ. Diar. Vespert. 1832. nr. 193. Übersetzung: Für Johann, Herzog von Sachsen. Über die erwünschten Wehen jubelt, ihr Bürger, / unseren Gebeten hat freundlich zugenickt die Gottheit. / Es war vierblättrig Johanns vielblühender Trieb. / Mit fünf Blättern sproßt er (nun). Niemals werfe er ein Blatt ab. VIII ΙΩΑΝΝΗι Ἄρχοντι Σασσονικῷ πρὸς τὰ πενταπλάσια γενέθλια οἴκου τοῦ βασιλικοῦ. Χαῖρ’ εὔπαις ὤναξ· ἀλόχῳ μέγα κῦδος ὀπηδεῖ· Οὐ κάμε τῶν ὀδυνῶν λῆξιν ἐπευχομένη.

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Ἰητρῶν ἀπόρων μαιευτῶν τ’ ἐξεγέλασσε Τάρβος καὶ θορύβους εἰςορόωσα θεά. Ἔρχομ’, ἔφη, σώτειρα καὶ ἄμφω προὔβαλε χεῖρας· Μητρὸς δ’ ἐκ κόλπων παῖς ἀνέτειλε καλός. Τρίςμακαρ, ᾧ σύζυξ κεδνὴ νέον ἐγγυαλίζει Ὄζον, τῆς ἱερῆς πεντάδος ἀκρότατον. Θάλλει Σασσονίης γλυκερὸν πέντοζον ἄγαλμα, Πήγανον· οὔποτε γὰρ φυλλοβολεῖ τὸ φυτόν. Υἱῶν παππάζουσι τρίας ποτὶ γούνασι πατρός, Μητέρι συμπαίζειν τρεῖς χάριτας συνορῶ. Diar. elegant. hominum. 1832. nr. 160

Übersetzung: Für Johann, den sächsischen Herzog, zur fünfmaligen Geburtstagsfeier des königlichen Hauses. Sei gegrüßt, du mit Kindern gesegnet, o Herr! Der Gemahlin kommt großer Ruhm zu. / Nicht ermattete sie, der Wehen Aufhören herbeiwünschend. / Über der hilflosen Ärzte und Hebammen / Ängste und Aufregung lachte, dies sehend, die Göttin. / [5] Ich komme, sprach sie, als Retterin, und streckte beide Hände aus: / und aus der Mutter Schoß kam der Knabe hervor, der schöne. / Dreifach glücklich Gepriesener, dem die achtbare Ehegenossin einen neuen / Zweig darreicht, der heiligen Fünfzahl jüngsten. / Es blüht Sachsens liebliche fünfzweigige Zier, / [10] die Raute, denn niemals verliert ein Blatt diese Pflanze. / Der Söhne Dreiheit ruft „Papa“ auf den Knien des Vaters, / mit der Mutter zusammen spielend erblicke ich zugleich drei Chariten. 3. ANMERKUNGEN ZU DEN GEDICHTEN DER APPENDIX Bereits beim flüchtigen Lesen fällt auf, daß es sich hier nicht um irgendwelche „etliche griechische Gedichte“ handelt, sondern daß sie sich alle, mit Ausnahme des ersten, auf den Prinzen Johann und dessen Familie beziehen. So, wie Sillig seiner Ausgabe der opuscula et carmina Latina die pure Chronologie als Ordnungsprinzip zugrundegelegt hatte, hat er auch diese acht Gedichte schlicht chronologisch angeordnet. Die angegebenen Zeitungsdaten lassen sich unschwer ermitteln – eine Prüfung wird ergeben, daß die Publikationen meist ereignisnah erfolgt waren und daß Böttiger den griechischen Texten stets eine eigene Übersetzung („Verdeutschung“), manchmal auch eine erklärende Anmerkung hinzugefügt hatte. In einem Fall – dem carmen zu Johanns dreißigstem Geburtstag – fehlt aber der griechische Text in der Zeitung. Der Grund bleibe hier unerwogen. Der Text ist jedoch samt Übertragung

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auf einem Probeandruck bzw. einer Korrekturfahne in Böttigers Nachlaß vorhanden.6 Sillig hatte diesen griechischen Text für seine Sammlung also nur dem Nachlaß entnehmen können. Dort fand er zudem, außer mancher Anregung für seine Textgestaltung, auch weitere Texte, die er, als von Böttiger für präsentabel erachtet, durchaus hätte nutzen können. Er hat sich aber für diese acht Gedichte entschieden. Die Gedichte der Appendix gehen alle, mit Ausnahme des ersten, auf Johann und sein Haus. Die Abfolge der Ereignisse, die den Gedichten zugrunde liegen, ist diese: II Geburt der ersten Tochter (A) – III Geburt des ersten Sohnes (B) – IV Geburtstag Johanns (C) – V Geburt des zweiten Sohnes (B) – VI Geburtstag Johanns (C) – VII Geburt des dritten Sohnes (B) – VIII dasselbe nochmals mit Ausblick auf eine dritte Tochter (A). Dank dieses geradezu prophetischen Ausblicks ergibt sich eine Art von Ereignis- und Textepalindrom: ABCBCBA. Das sieht zunächst etwas spekulativ und konstruiert aus. Betrachtet man aber die Texte genauer, so tritt das gedankliche Konzept Silligs und damit auch Böttigers deutlich hervor. In Gedicht II schwingt unverkennbar eine Enttäuschung mit: das nicht nur im Hause Johanns so sehnlich erwartete Kind war kein Sohn, sondern eine Tochter. Böttiger apostrophiert sie sogleich als Mutter von Königen und als Vorbotin männlicher Geschwister (II 5f.): Ἔσται δὴ φιλάδελφος ἀεί. πρωτάγγελος ἦλθε ǀ Παίδων ἀῤῥενικῶν πρωτογενὴς θυγάτηρ. Auf die Geburt eines Sohnes, eines Stammhalters und künftigen Thronfolgers hatte er in vorausgehenden an Johann gerichteten Texten gehofft. Der eine war unmittelbar nach der offiziell vom Hofe verkündeten Schwangerschaft der Prinzessin Amalia Mitte 1826 geschrieben, der andere war das Johann gewidmete Neujahrsgedicht für 1827. Dem ersten hatte er Motti aus Euripides beigefügt, darunter die von ihm mehrfach verwendete Verszeile στῦλοι γὰρ οἴκων εἰσὶ παῖδες ἄρσενες „Säulen nämlich der Häuser sind Kinder, männliche“ (E. IT 57), und im Neujahrsgedicht hatte er die Rühmung Johanns als εὔπαις wiedergegeben mit: „Sohnreich nennt man dich bald“. Darauf folgen in Silligs Sammlung Gedichte auf Sohn 1 – Vater – Sohn 2 – Vater – Sohn 3, womit eine schöne Ausgewogenheit in dieser Gruppe erreicht ist. Freilich erforderte sie wegen II auf Tochter 1 doch noch ein abschließendes Pendant dazu, eben VIII, das nochmals Sohn 3 als Thema behandeln mußte, aber einen scherzend prophezeienden Ausblick auf Tochter 3 gab. Wo aber war da Tochter 2 geblieben? Diese hatte auch ihren Begrüßungstext erhalten, 1830, griechisch zwar, doch in einer völlig anderen Form und Gattung. Dazu später. In VI und in VIII fallen die Ausdrücke τετρακτύς „die Vierzahl“ bzw. πεντάς „die Fünfzahl“ auf. Die τετρακτύς hatte Böttiger in einem früheren, aber nicht veröffentlichten Gedicht – auf den dritten Geburtstag des ersten Sohnes Johanns – mit Hinweis auf ἀνδρὸς Σαμίου σοφία „des Mannes von Samos Weisheit“ verwendet und diesen in seiner Verdeutschung explizit als „Pythagoras“ benannt, wozu er eine Anmerkung gab: „Der von Anbeginn heiligen Drei stellte Pythagoras aus Samos die heilige Tetraktys, die Vierzahl, die Wurzel und Quelle aller Dinge, entgegen. Seine Jünger schworen bei dieser Zahl.“ Im Andruck oder der Korrekturfahne für 6

Ähnliches gilt wohl auch für IV, das nur als Fahne vorliegt.

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VIII findet sich zwischen der Adresse („Weihe“, sagt Böttiger dazu) und dem Gedicht ein Pentagramm, zudem eine Anmerkung Böttigers über die heilige Fünfzahl der Pythagoreer: „Wir dürfen bei der heiligen Pentas oder Fünfzahl nur an das bekannte Pythagoreische Pentagramm, auch Pentalpha und Hygieia (Heil) genannt, denken, wie es zur guten Vorbedeutung oben unter der Weihe steht.“ Das sind bedeutsame Signale: der Leser muß mit Pythagoreischem rechnen, mit Zahlensymbolik und vielleicht auch nur Zahlenspielereien, beim Herausgeber wie beim Autor. Dieser dürfte seine antiquarische Gelehrsamkeit auch dazu genutzt haben, um auf des Prinzen Übersetzung und Kommentierung von Dantes „Comedia“ anzuspielen.7 Das ist freilich zunächst nur etwas Äußerliches, nur an der Oberfläche, an der Erscheinung Haftendes. Sillig hat mit Geschick, Takt und Diskretion sieben der Gedichte Böttigers, die für Johann bestimmt waren, aus dem Nachlaß ausgewählt – darauf verweist bereits der Zusatz aliquot – , und zwar solche, die ihr Verfasser bereits publiziert hatte. Das heißt aber: er hat alle anderen Texte ausgeschlossen. Er hat die Gedichte in ihrer natürlichen Ordnung, der chronologischen Abfolge der Ereignisse vorgestellt. Und er hat die Hinweise Böttigers auf pythagoreische Zahlenlehre wahrgenommen und genutzt. Denn die Siebenzahl ist auch pythagoreisch, die Weltzahl aus der heiligen Dreiheit und der vollkommenen Vierheit, deren Summe die Dekás, die Zehnzahl, die Weltformel des aus zehn Himmelskörpern gebildeten Kosmos ergibt. Die Siebenzahl der Appendix hat die Besonderheit, daß sie zwischen je zwei Gedichten eine Dreiheit einschließt, die wiederum zwischen den beiden Geburtstagscarmina für Johann das Gedicht auf die Geburt seines zweiten Sohnes einschließt. Damit erhält dieser Text V eine zentrale Stellung und Bedeutung, die aber mit den beiden rahmenden Gedichten IV und VI aufs Innigste verbunden ist. Die Anordnung der sieben Gedichte ist zwar rein chronologisch, die Struktur dieser Abfolge ist aber nach zahlensymbolischen Regeln gebaut. Damit läßt diese Struktur eine spielerisch scheinende Oberfläche hinter sich und evoziert die Vorstellung einer allgemeinen, höheren, ins Kosmische reichenden, dessen Gesetzmäßigkeit spiegelnden Ordnung. Das zentrale Gedicht V endet so (V 7f.): Οἶκος δίστυλος στιβαροῖς ἀναδείματ’ ἐδέθλοις. ǀ Ὁρμεῖ ἐπ’ ἀγκύραις ἡ πατρὶς ἀμφοτέραις, also mit dem bereits erwähnten Säulenmotiv und – auffällig – mit einem Ankermotiv. Dieses taucht erstmals in dem Text auf, den Böttiger 1830 der Geburt der zweiten Tochter Johanns gewidmet hatte. Dabei handelt es sich um ein Dramolett schlichter Handlung, gefaßt in iambische Trimeter: zwei Personen, ein Einheimischer und ein Fremder, wundern sich über die Aufregung in der Stadt. Sie erfahren, daß im Königsschloß ein Kind geboren sei. Weil aber Böllerschüsse ausbleiben, könne es nur ein Mädchen sein. Ein

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Böttiger wird unter den Teilnehmern des Dante-Kreises, den Johann um sich sammelte, nicht genannt. Das bedeutet nicht, daß er an dem Dante-Diskurs nicht beteiligt war: Johann dürfte sich, ähnlich wie Goethe und Schiller während Böttigers Weimarer Zeit, bei Gelegenheit seines Rates bedient haben. Unter Böttigers kleinen Schriften befindet sich keine expressis verbis dem Pythagoreischen gewidmete. Jedoch mußte Johann bei seiner Befassung mit Dante alsbald auf solche Fragen stoßen. – Zur Zahlensymbolik vgl. Harmening ²2009, 463–468.

Der Hofrat und der Prinz

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Bote aus dem Palast – ἄγγελος, unverzichtbar im dramatischen Personal – verkündet, das Kind sei wohlauf. Darauf trösten die beiden Herren einander mit Sentenzen: Das vierte Kind hängt wie ein Schleppkahn an dem dritten, d.h. vielleicht wird es beim nächsten Mal doch ein Sohn, und: Ein Schiff an einem Anker nur, das schwankt nämlich gar übel hin und her. Nun aber steht das Haus, das Herrscherhaus, fest auf zwei Säulen, und das Schiff des Staates – Böttiger sagt dafür: ἡ πατρὶς „das Vaterland“ – ruht nun sicher und schwankungsfrei an zwei Ankern. Ich gebe den Text in der letzten von mehreren Fassungen und Abschriften. Τῷ σεμνοτάτῳ Ἰωάννῃ Ἡγέμονι τῆς Σασσονίας Θυγατέρος τῆς δευτέρας γεννηθείσης a d. IV. Febr. MDCCCXXX ἀγαθὴν τύχην

Α.

5 Β. Α. Β. 10

Α. Β.

15 Α. 20 Β. Α. 25

Μακάριος, ὅστις εὐτύχησεν εἰς τέκνα. Eurip. Θόρυβος τίς ἐξόρουσεν; εἰπ’ ὤ φίλτατε, Θέουσιν αἱ γυναῖκες ἔξω τῶν θυρῶν· Καταφρονοῦσι τῶν Βορέου φυσημάτων. Μῶν Ἄλβις ἐξέκρουσε τοῦ πάγου πέδας; Ἢ ἐξέλαμψ’ ἐν οὐράνῳ νέον τέρας; Σπεύδουσιν οὐ σχολὴ κενοὺς σπείρειν λόγους. Οὐκ ἀμβολή· συντρέχομαι τρέχοντι δή. Τῷ συντρέχοντι λέξομαι σαφέστερον. Ὄζου τὸ πρέμνον ΒΑΣΙΛΙΚΟΝ τρίτου κυρεῖ. Φεῦ, φεῦ· τόκος παρήλθεν, ὃν προδέξαμεν. Ἆρ’ οἶσθα τοῦ τέκνου φύσιν; δίδασκε νυν, Ἦ ἄῤῥεν ἐστὶν ἢ θῦλ’· εἰδέναι θέλω. Κακῶς ξενίζεις, ἀγνοῶν τὰ πάτρια· Σιγᾶ πόλις, θυγάτριον εἰ προκύψειεν· Ἆρ’ οὔατ’ ἀμφέβαλλεν χάλκεος κτύπος; Βροντεῖα πυρπνέοντ’ ἄφωνα γίγνεται· Ὑιοῦ γενεθλίοις ἀνακράζειν φιλεῖ. Ἀλλ’ οὐ μέριμνα· δευτέρου θυγάτριον Ὁδηγός ἐστ’ ἀδελφοῦ· πρῶτος ἦλθ’, ὅτι Προὔφαινεν, ἀστὴρ ὡς καλός, θῆλυς γόνος. Παιᾶνα δὴ θεοῖς ἐφυμνῆσαι πρέπει. Ἀλλ’ οὐ κατάσχετος φρένας δαμᾶ πόθος ΠΑΤΡΟΣ τρισολβίου βλέπειν ἐς ὄμματα, Ὡς τὸ βρέφος πεπαλμένον ἐν ἀγκάλαις ΜΗΤΡΟΣ τίθησιν ἐντυλίξας ἐν πέπλοις.

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[Ἀλλ’ εἰςτρέχωμεν καὶ κατασκοπώμεθα.]8 Β. Ἀπρεπές· φυλάσσονται μύχοι δόμων· ἰδού Ἰδού, θυρῶν ἐξέρχεται ὑπήρετης Ἐροῦμεθ’. ὤνθρωπ’, ὡς ἔχει τὸ παιδίον. ΑΓΓΕΛ. Τρὶς ἐξέκραξεν· μὴ φοβοῦ· βιώσεται. Α. Εὐδαιμονοῦμεν· ἡ πάτρις εὐδαιμονεῖ. Β. Νεοῖς τὸ πηγάνου φυτὸν φύλλοις βρύει. Α. Τέταρτός ἐστι παῖς ἔφολκος τοῦ τρίτου. Β. Ναῦς ἀγκύρᾳ μιᾷ κακῶς σαλεύεται. B.

Übersetzung: Dem hochverehrungswürdigen Johann, Herzog von Sachsen, da die zweite Tochter geboren ist, nach dem 4. Februar 1830, ein gutes Geschick (wünschend) Glückselig, wer Glück hat an seinen Kindern. Euripides (~ E. Or. 542) A. Was für ein Lärm hat sich erhoben? Sagt an, guter Mann! Die Weiber laufen aus den Türen, sie achten nicht des Nordwinds Wehn und Blasen. Hat etwa der Elbstrom des Eises Fesseln aufgebrochen? [5] Erschien am Himmel gar ein neues Wunderzeichen? B. Man hat es eilig. Da ist nicht Zeit, unnütze Worte rauszuwerfen. A. Da gilt kein Aufschub. Da eil ich mit dem Eilenden. B. Dem, der miteilt, will ich’s genauer sagen: Der KÖNIGLICHE Stamm hat einen dritten Trieb. A. [10] O ja, o ja, die Geburt ist nun da, von der wir schon gehört. Doch kennt Ihr des Kinds Geschlecht? Laßt es mich wissen. Ist’s männlich oder weiblich? Das will ich wissen. B. Da habt Ihr Pech als Fremder, Ihr kennt den Brauch hier nicht. Es schweigt die Stadt, immer, wenn ein Töchterchen sich zeigte. [15] Hört Ihr etwa schlagen ringsum Erzgetön? Die Donnerbüchsen, die feuerspeienden, sie geben keinen Laut. Bei eines Sohns Geburt, da krachen sie gar gern. A. Aber da muß man sich nicht sorgen: das Töchterchen ist der Wegweiser für den zweiten Bruder. Der erste kam, als [20] erschienen war, wie ein schöner Stern, ein weiblich Kind. B. Einen Festgesang den Göttern anzustimmen ziemt sich nun. A. Doch ein nicht aufhaltbares Verlangen zwingt meinen Sinn, in die Augen des VATERS, des dreifach glücklichen, zu sehen, wie er den Säugling, den strampelnden, in die Arme [25] der MUTTTER legt, gewickelt in Windeln. [Laß uns hineingehen und laß uns nachsehen.] B. Das geht nicht. Bewacht ist das Innere des Palasts. Seht doch, 8

Zeile 26 in vorhergehenden Abschriften, hier aus Flüchtigkeit entfallen. Ebenfalls Flüchtigkeit in Zeile 12 – vorhergehend θῆλυ; in 1 lies εἴπ’, in 11 δίδασκέ νυν, in 14 σιγᾷ, in 22 δαμᾷ, in 26 εἰστρέχωμεν, in 28 ὑπηρέτης.

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Der Hofrat und der Prinz seht, aus der Tür kommt ein Diener heraus. Wir wollen ihn fragen. Guter Mann, wie geht’s dem Kindlein? Bote: [30] Es hat gar sehr geschrien. Doch hab’ keine Furcht. Es bleibt am Leben. A. Da sind wir glücklich! Das Vaterland, das ist auch glücklich. B. Der Sproß der Raute wird grün mit neuen Blättern. A. Das vierte Kind hängt wie ein Schleppkahn an dem dritten. B. Ein Schiff an nur einem Anker schwankt gar übel hin und her. B[öttiger]

Im ersten Entwurf hatte Böttiger übrigens auf die Geburt eines Sohnes gesetzt, das dann aber, besser informiert, alsbald korrigiert. Kehren wir wieder zu Silligs Sammlung zurück! Sillig hat sich zugunsten zweier Geburtstagsgedichte für Johann IV und VI entschieden, die den Geburtstagen Johanns 1830 und 1831 galten – der letztgenannte war der dreißigste, pythagoreisch gedacht: eine dreifache Dekas. Für dieses Datum lagen im Nachlaß zwei carmina, eines zu neun, eines zu zehn Distichen. Sillig wählte das etwas längere Stück, weil es der Dekas Genüge tat und weil wenigstens dessen deutsche Fassung in Böttigers Übertragung veröffentlicht worden war. Die Stücke IV und VI stehen in einem inhaltlichen Kontrast zueinander. In IV ist von einer, wie Böttiger behauptet, nicht zuletzt dank Johanns Eingreifen überwundenen Stasis die Rede. Die Julirevolution in Paris hatte im Spätsommer 1830 eine Wirkung auch in Sachsen ausgelöst. Den Unruhen trat die königliche Regierung nicht, wie von einem Minister gefordert, „mit der Gewalt der Waffen und mit Kanonen“ entgegen, sondern mit den Ordnungskräften der bürgerlichen Kommunalgarden und mit der Suche nach ausgleichendem Kompromiß. Das Beben, in dem „die Sache“ durchaus „auf der Spitze“ stand – „Ordnung oder Pöbelherrschaft“, wie der neu berufene, für Reformen offene Minister von Lindenau formulierte, wirkt noch in IV unüberhörbar nach.9 Wie anders dann VI! Die Krise ist im Wesentlichen überwunden, die Revolution ist unterdrückt oder doch beruhigt, Reformen sind auf den Weg gebracht, die Zeit für Werke des Friedens und auch der Muße ist gekommen – und: Dresdens Elbbrücke sowie die Hauptstraße der Neustadt haben eine Gasbeleuchtung erhalten! Das Distichon mit dieser Mitteilung klappert zwar ein wenig und veranlaßte den Autor in der Übersetzung zu einer erklärenden Fußnote, aber es füllte das Gedicht eben zur Zehnzahl an Distichen, zur Zahl der Vollkommenheit. Wieder steht das, worauf es dem Verfasser ankam, am Schluß (VI 19f.): Εἷς πόθος εὐχομένων, ἵνα πύργος, πατρίδος ἄλκαρ ǀ Πύργον γὰρ ΣΕ καλοῦσ’, ἀστυφέλικτος ἔῃς. Auch die unveröffentlichte Neun-Distichen-Fassung hätte Zahlensymbolisches geleistet, sogar in noch klarerer Weise. Deren Text läßt sich nämlich zwanglos gliedern in je ein Rahmendistichon am Anfang und am Ende, je zwei Distichen, die den Gaben der Götter und deren größter: der blühenden Familie, und den Beschäftigungen der Muße gewidmet sind, während eine Trias von Distichen im Zentrum den, wenn auch mit Waffen hergestellten Frieden und damit Johanns Wirken für das

9

Zitate aus: Ruhland 1994, 217–236.

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Gemeinwesen preist. In Ziffern ergäbe sich: 1 + 2 + 3 + 2 + 1 – noch pythagoreischer geht es wohl kaum. Die gleiche Gliederungsstruktur liegt auch der längeren Fassung zugrunde, sie ist nur eben durch das Distichon über Festmahl und Brückenbeleuchtung etwas verunklärt. Zwischen den beiden korrespondierenden und kontrastierenden Stücken IV und VI steht V, gewidmet der Geburt des zweiten Sohnes, des zweiten Ankers des Staatsschiffs. Die Stücke IV, V, VI stehen in der chronologischen Folge der Objektebene, sie bilden aber auf der Metaebene eine Trias eigener, über das bloß Faktische der Objektebene hinausgehender Bedeutung. Soviel ist deutlich geworden: Sillig hat aus dem ihm vorliegenden Material mit Bedacht ausgewählt und daraus ein sorgfältig komponiertes kleines Gedichtbuch geformt. Die Proportionalität der Anlage, die ihr zugrunde liegende Zahlensymbolik war durch den Autor in den Texten selbst vorgegeben sowie zusätzlich in erläuternden Bemerkungen angeregt.10 Die ursprünglichen Einzelstücke, denn Böttiger verfaßte jeweils zu einem Ereignis einen Text, ohne den weiteren Lauf der Dinge im Einzelnen absehen zu können, sind durch den Herausgeber, der auf die Fingerzeige des Autors achtete, zu einem stimmigen, wohlgegliederten Ganzen zusammengeführt worden. Sie eint die Gemeinsamkeit von Form und Gattung, das Distichon als Grundbaustein elegischer Dichtung. Alle Gedichte II bis VIII sind – ein weiteres Moment der Einheitlichkeit des Buches – auf eine Person bezogen, auf den Prinzen Johann, und auf dessen Familie. Nicht nur einzelne Wörter und Wendungen, sondern auch Themen und Motive gehen zudem durch die kleine Sammlung hindurch, gleichbleibend oder variiert, und wirken so als verknüpfende Momente der Einheit des Büchleins. Eines der durchgehenden Motive ist z.B. das des Kindersegens. Hier setzte der Verfasser deutliche Akzente: Töchter werden hingenommen, gelten aber als eigentlich weniger wichtig. Alle Aufmerksamkeit, Erwartung und Hoffnung wird auf Söhne, auf Stammhalter und Erben der Dynastie gesetzt. Unbetrachtet geblieben ist bisher das erste Gedicht. Es steht am Anfang des Gedichtbuches, als Eröffnung, hat aber auf den ersten Blick keinerlei Bezug zu dem, was dann folgt. Daß das erste und das letzte Stück der Sammlung in der gleichen Zeitung, der „Zeitung für die elegante Welt“, erschienen ist, kann vielleicht als Zufall, als Äußerlichkeit abgetan werden. Eine poetische Funktion für das Gedichtbüchlein ist nicht erkennbar. Die erste Veröffentlichung des kleinen Textes, eines Epigramms nach Form und Funktion, beschloß einen Zeitungsbeitrag Böttigers: „Ein Wort über die Griechenvereine im Königreiche Sachsen“. Er berichtet darin von Dresdner Aktionen „zur Unterstützung hülfsbedürftiger Griechen“ in den damals heftigen Kämpfen gegen die osmanische Herrschaft und Unterdrückung. Es gelte, eine alte und nimmer verjährende Dankesschuld an jenem Volke abzutragen, ohne dessen Sprache und Kultur das Christentum sich nicht in so kurzer Zeit hätte verbreiten können. An 10 Die Gesamtzahl der Distichen in der Appendix beträgt 42, die der Verszeilen mithin 84. Damit ergeben sich die Produkte aus 7 x 6 bzw. 7 x 12, woran sich weitere Rechnereien und Spekulationen knüpfen könnten – freilich nur unter Mißachtung der Grenzen zwischen den einzelnen Stücken.

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griechischer Fackel habe sich auch unsere Reformation entzündet. So sei nun Gelegenheit, einen echten Ammenlohn für eine religiöse Bildung zu entrichten, die nicht mit der Vulgata beginne und ende. Deshalb appelliere er nun an Leipzig, „eine der blühendsten Handels- und Universitätsstädte“, auch in der Sprache derer, denen diese Dankeserstattung zukommen solle. So saß das Epigramm im Zeitungsbeitrag als dessen deutlicher Schlußpunkt an seinem Orte. Sillig nahm es auf und machte es zum Eröffnungstext seiner Sammlung. Tagesaktuell war es, als Sillig die carmina aliquot Graeca zusammenstellte, jedoch längst nicht mehr. Die kurze Zeit einer unabhängigen griechischen Republik, welche die osmanische Regierung als Ergebnis des Befreiungskampfes hatte anerkennen müssen, war vorüber. Nach der Ermordung des ersten Präsidenten dieser Republik suchten die europäischen Mächte Frankreich, England und Rußland einen je geneigten Monarchen einzusetzen. Nach Ablehnungen aus dem albertinischen Sachsen, auch aus Sachsen-Coburg fand sich endlich ein bayerischer Prinz bereit, die griechische Krone anzunehmen. Griechenland war nun, seit 1835, ein von dem Wittelsbacher Otto regiertes Königreich, ein eigener Staat, geschützt durch die genannten europäischen Mächte. Eine Erinnerung, eine Bezugnahme auf diese Vorgänge erscheint für die Wahl gerade dieses Eröffnungsepigramms der Appendix als wenig sinnstiftend. Einen biographischen Bezug zu Prinz Johann zu erkennen, das gemeinsame Interesse Böttigers wie Johanns an der „griechischen Sache“, war Außenstehenden schier unmöglich.11 Eher mag ein Pindar-Wort zutreffen: ἀρχομένου δ’ ἔργου πρόσωπον χρὴ θέμεν τηλαυγές „Beim Beginn des Werkes tut es not, eine weitleuchtende Stirn zu setzen“ (Pi. O. 6,4f. Ü.: Franz Dornseiff). Wie aber könnte man den Lohn für empfangene Bildung besser abstatten als mit Probestücken dessen, was man gelernt hat? Böttiger stellte das mit seinen Gedichten unter Beweis, die er dem Prinzen widmete, dieser, indem er, der streng katholisch war, sich in seiner Beschäftigung mit griechischer Sprache und Literatur weit über die Vulgata hinaus wagte, und Sillig zeigte, was er sowohl bei Böttiger als auch bei den Klassikern gelernt hatte. Die so schlicht und beiläufig erscheinende Appendix mag sich so als ein Monument der mnemosyna für Böttiger erweisen, als eine Huldigung für den Prinzen – und als ein Meisterstück oder doch wenigstens wohlgelungenes Kunststück des Herausgebers. Daß sowohl der erste als auch der letzte Text des libellus in der „Zeitung für die elegante Welt“, die dazwischen liegenden Texte in der „Abend-Zeitung“ erschienen waren, kann man, wie oben angedeutet, zunächst als einen bloßen Zufall ansehen. Die „Zeitung für die elegante Welt“ erschien in Leipzig und war weit über die Stadt und ihren Umkreis hinaus verbreitet. Die „Abend-Zeitung“ hingegen war ein Unterhaltungsblatt für ein vornehmlich Dresdner Publikum, das man freilich auch außerhalb des Dresdner Raumes las. Die Wertschätzung der beiden Blätter war jedoch

11 Johann schreibt später in seinen „Lebenserinnerungen“, er habe sich „stets, wie viele Tausende, für die griechische Sache interessiert“ (Kretzschmar 1958, 92). Ausführlicher dazu Witzmann 2012, bes. 81–84.

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durchaus unterschiedlich. Daraus erklärt es sich auch, daß Böttiger für seinen Appell, Griechenland zu unterstützen, das Leipziger Blatt wählte, fand er doch hier eher ein geistig aufgeschlossenes Publikum. Der Publikationsort für VIII erklärt sich anders, vielleicht aus VII. Zur Geburt des dritten Sohnes Johanns veröffentlichte Böttiger in der „Abend-Zeitung“ nur ein kurzes Epigramm aus zwei Distichen, die kurz und knapp den angesprochenen Bürgern mitteilen: „Freuet euch, die Gottheit hat unsere Wünsche erhört, erst waren es vier Blätter / Kinder, jetzt sind es fünf – kein Blatt soll herabfallen.“ Dem gleichen Ereignis ist VIII gewidmet, ausführlich und anschaulich erzählend, mit einem Familienidyll endend, das in sich eine freundlich-hoffnungsvolle Vision einschließt. Das εὔπαις „mit Kindern gesegnet“, zu Johann gesagt, als das erste Kind erwartet wurde, von Böttiger damals wiedergegeben als „sohnreich“ – man erinnert sich: es war dann doch nur eine Tochter – ist in VIII nochmals gebraucht. Es gilt jetzt für fünf Kinder, drei Söhne, zwei Töchter. Böttiger malt aber prophetisch ein harmonisches Gruppenbild: drei Knaben auf den Knien des Vaters, drei Mädchen, mit der Mutter spielend. Wieder eine schöne, ausgewogene numerische Proportion – zwei Eltern, zwei Dreiergruppen oder – wie Böttigers Motto sagt – drei Zwiegespanne von Kindern. Wieder erweist sich auch solche anscheinende Spielerei als eine weitere, eigene Ebene von Bedeutung. Das Büchlein der carmina aliquot Graeca konnte Sillig nicht gut mit den knappen, dürftigen vier Versen von VII schließen. Der Text VIII bot einen guten Schluß – und eine Botschaft an das ganze Sachsenland. Als solche Botschaft hatte sie Böttiger für das Leipziger Blatt bestimmt. Für Dresden mochte Text VII in der „Abend-Zeitung“ genügen. Die anscheinenden Äußerlichkeiten und Zufälligkeiten der Publikationsorte sind Ergebnis bewußter Entscheidungen des Autors und, ihm darin wohl folgend, auch des Herausgebers. Im Übrigen: die vorausverkündete dritte Tochter, zwei Jahre später geboren, hat Böttiger noch erlebt, und für Sillig war es bereits ein gesichertes Faktum. Soviel zur Appendix Silligiana, die mehr ist als: carmina aliquot Graeca. 4. WEITERE GEDICHTE AUS BÖTTIGERS NACHLASS Die im Nachlaß Böttigers liegenden griechischen Gedichte12 gehören in die Jahre zwischen 1825 und vielleicht noch 1835. Das Material umfaßt Entwürfe, unterschiedliche Bearbeitungen, Reinschriften sei es für den Druck, sei es für eine Ausfertigung auf einem Schmuckblatt; dazu kommen noch einige Druckabzüge. Für nahezu alle Texte läßt sich die Abfassungszeit im einzelnen und damit die Chronologie im ganzen bestimmen. Es wird deutlich, daß Böttiger keineswegs als ein Hofpoet geschrieben hat. Im Schnitt fielen pro Jahr zwei, höchstens drei Texte an. Seine griechischen Poesien galten ausschließlich dem Prinzen Johann. Unter den zahlreichen, z.T. auch hochrangigen Adressaten seiner carmina Latina findet sich keiner, 12 Nachlaß Karl August Böttiger in der Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden, Signatur Msc.Dresd. h. 37, Verm. 4°, XIII, 2. Ausführliche Beschreibung in der in Vorbereitung befindlichen Ausgabe (vgl. oben Anm. 1).

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der eine solche griechische Gabe erhalten hätte. Noch das eine, mit Johann verbundene Gedicht in lateinischer Sprache trägt wenigstens einen griechischen Titel: Κελευστικόν. Aus der Chronologie werden auch die Anlässe erkennbar, aber – und das ist bedeutsamer – auch eine charakteristische Verschiebung in den Anlässen. Anfangs erhält Johann Glückwunschgedichte zu Neujahr, einem Datum und Ereignis, das der Empfänger mit allen anderen teilte. Später gelten die Glückwünsche dem Geburtstag des Prinzen, einem Datum und Ereignis, das nur ihm allein zukam. Beide Daten und Ereignisse sind Fixpunkte, fest im Jahreslauf und im Kalender verankert. Dazu treten die carmina zu Kindsgeburten im Prinzenhause, die auf sehr unterschiedliche, wechselnde Daten fielen. 4.1. Frühe Epigramme Die frühesten Stücke zeigen eine gänzlich andere Situation. Ein Brieflein in fünf Hexametern geht auf Johanns Beschäftigung mit Homer ein. Es ist scherzend unterzeichnet mit Πιθοποιός Τευτόνιστι [sic – unser Autor ist oft etwas lax bei Akzenten] Βοίττιγερ – wie man das eben so macht in den Anfängen des Griechischunterrichts: man schreibt den eigenen Namen in der anderen Schrift, man versucht eine Übersetzung dieses Namens in die andere Sprache. Der gleiche scherzende Ton begegnet in einem Neujahrsgruß für 1826: Ιωάννῃ τῷ πάντων τῶν ἐν πατρίδι οὕτω καλουμένων πρωτευοντι καλῷ καὶ ἀγαθῷ ἐν Καλάνδαις Ιουανιαρίας Ạ ω´κ´ς´ ἀγαθὰ ψαμμοκοσιομυριογάργαρα εὔχεται Βοιτίγερος. Übersetzung: Johannes, dem von allen im Vaterlande so Genannten Ersten, dem Trefflichen, an den Kalenden des Januars 1826 wünscht sandzahlighundertezehntausendfachangenehmes Gutes Böttiger.

Eine bombastische Adresse, auf die dann ein Einzeiler folgt mit einer kecken Wortbildung,13 die den Einzeiler fast vollständig abdeckt, eine vielleicht absichtlich verdrehte Schreibung des Datums, allerlei freilich bedeutungsfreie, aber doch hübsche Klangeffekte. Der Text, in einer Reinschrift oder Abschriftvorlage erhalten, wurde 13 Eine Erweiterung von Aristophanes’ berühmtem ψαμμακοσιογάργαρα (Ar. Ach. 3). Hintergrund dieses „unermeßlich viel“ ist der Sandzahltopos: vgl. Hom. Il. 2,800 u. 9,385; Pi. O. 2,98; Hdt. 1,47; Catull. 7,3–6; Verg. georg. 2,105f. und noch Procop. Arc. 18,4.

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nicht veröffentlicht, dazu scheint er zu intim, meidet er doch jegliche Andeutung einer gebotenen Verbeugung des Hofrats vor dem Prinzen, der auch nicht mit dem offiziellen Titel eines Herzogs von Sachsen angesprochen wird. Vielleicht wurde der kleine Text aber doch auf einem Schmuckblättchen überreicht. Ähnlich klingt der Ton einer anderen frühen Gelegenheitspoesie, eines kleinen Begleitbriefs zu einer Büchersendung. Τῷ Ιωάννῃ Σεβασμιοτάτῳ Τοῦ βασιλικοῦ γένους ἐν Σαξονίᾳ ὄζῳ γενναιοτάτῳ Τῶν φιλελλήνων τῶν ἐν τοῖς βασιλείοις διατριβόντων Σπουδαιοτάτῳ Τὸν κεράσαντ’ ἥδυσμα φιλαγρύπνοιο μελίσσης Γράμμασιν ἀφθάρτοις Ξεινοφόωντα λάβε.14 Β. Übersetzung: An Johann, den verehrungswürdigsten und edelmütigsten Sproß des königlichen Geschlechts in Sachsen, dem strebsamsten der im königlichen Palast weilenden Griechenfreunde. Den, der die liebliche Gabe der unermüdlichen Biene unvergänglichen Schriften beigemischt, den Xenophon empfange [hiermit]. B[öttiger].

Als Reinschrift oder Abschriftvorlage überliefert, auf dem Blatt datiert: 1828. Wieder eine prächtige, auf Klangeffekte angelegte Adresse, ein Zweizeiler, aber ein Distichon diesmal, und wieder keine Andeutung einer pflichtschuldigen Verbeugung, wieder kein Titel für den Prinzen. Um welchen Xenophontext es sich handelte, geht aus dem Distichon nicht hervor. Man kann mehrere Vermutungen anstellen. Es kann sein: 1. Ein Text aus den sogenannten Kleinen Schriften; 2. Xenophons „Anabasis“; dort heißt es im neunten Kapitel des ersten Buches vom jüngeren Kyros, er sei τῶν μετὰ Κῦρον τὸν ἀρχαῖον γενομένων βασιλικώτατός τε καὶ ἄρχειν ἀξιώτατος „von den nach dem älteren Kyros lebenden Persern der königlichste und zu herrschen würdigste“ gewesen, auch fällt in seiner Charakteristik das Lob als φιλομαθέστατος: „höchst lernbegierig“; 3. Xenophons Κύρου παιδεία, die „Kyrupädie“ oder Institutio Cyri, die historisch eingekleidete, romanhafte Darstellung des Perserkönigs Kyros, des Begründers der Dynastie der Achämeniden, der von Xenophon zum idealen, vorbildlichen Herrscher stilisiert worden ist, so daß sein Werk auch als ein antiker Fürstenspiegel oder, dem Titel gemäß, als Entwurf einer Fürstenerziehung angesehen wurde. Dort heißt es (1,2,1): ὁ Κῦρος ... ᾄδεται ἔτι καὶ νῦν ὑπὸ τῶν βαρβάρων εἶδος μὲν κάλλιστος, 14 Man beachte, außer der bei Böttiger öfter unkorrekten Bildung statt σεβασμιώτατος u.ä., die fehlende Lautangleichung in V. 1 κεράσαντ’ ἥδυσμα und den Akzent in V. 2 λάβε.

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ψυχὴν δὲ φιλανθρωπότατος καὶ φιλομαθέστατος καὶ φιλοτιμότατος „Kyros wird auch jetzt noch bei den Persern in Liedern besungen als von Gestalt sehr schön, hinsichtlich seines Geistes aber als sehr menschenfreundlich und höchst lernbegierig und außerordentlich ehrgeizig.“ Die zuletzt geäußerte Vermutung hat die größte Wahrscheinlichkeit, denn sie kann sich auf eine Stelle in der Anthologia Graeca stützen, und zwar in den poetischen Statuen-Beschreibungen (ἐκφράσεις) des Christodoros von Koptos, eines um 500 in Konstantinopel lebenden Dichters (AP 2,388–392): Ξεινοφόων δ’ ἤστραπτε, φεράσπιδος ἀστὸς Ἀθήνης, ὃς πρὶν Ἀχαιμενίδαο μένος Κύροιο λιγαίνων εἵπετο φωνήεντι Πλατωνίδος ἤθεϊ Μούσης, ἱστορίης φιλάεθλον ἀριστώδινος ὀπώρην συγκεράσας ῥαθάμιγξι φιλαγρύπνοιο μελίσσης. „Xenophon(s Bronzestandbild) funkelte strahlend, der schildtragenden Athene Bürger, der, bevor er des Achaimeniden Kyros’ Stärke besang, folgte der klangvollen Weise Platonischer Muse, die müheliebende Frucht der Treffliche hervorbringenden Geschichtsschreibung zusammenmischend mit den Tropfen der gern rastlos sich mühenden Biene.“

Die Anspielung und das Zitat sind evident. Böttiger besaß und benutzte gern die Ausgabe der Anthologie, die sein Freund Christian Friedrich Wilhelm Jacobs (1764–1847) herausgebracht hatte. Zwischen 1805 und 1830 erschienen etwa 20 Textausgaben oder Übersetzungen von Xenophons Schriften. Die Übersetzung der „Kyrupädie“ wird mehrmals als „für einen Prinzen nützlich“ bezeichnet. Die Ausgabe des griechischen Textes durch W. Lange, Halle 1822, trug den Untertitel: Cyrus boni ducis regisque atque hominis exemplum „Kyros, eines trefflichen Heerführers und Königs und auch Menschen Beispiel und Vorbild.“ Von den beiden vorgestellten kleinen Gedichten ist das eine reine Gelegenheitsdichtung, veranlaßt durch eine sich ganz zufällig ergebende Gelegenheit (Übersendung eines Buches), das andere in etwas anderer Weise Gelegenheitsdichtung, veranlaßt durch ein allseits beachtetes Datum, den Beginn eines neuen Jahrs. 4.2. Anschluss an die politische Elegie Anders entschied sich Böttiger für sein Neujahrscarmen, das er dem Prinzen zum Jahre 1826 widmete und das diesem wohl auch überreicht wurde.15

15 Diese Aussage beruht auf der Annahme, daß die reinschriftlichen Textfassungen, welche gewöhnlich zusätzliche Vermerke aufweisen: die Jahreszahl und: abgeschr(ieben), auf ein Schmuckblatt übertragen wurden. Der Nachlaß enthält einige solche probeweisen Ausführungen auf Schmuckblatt. Ob es sich tatsächlich so verhielt, ist jedoch nicht gesichert.

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ΙΩΑΝΝΗι

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Ὄλβιε, παντα θεοὶ ΣΟΙ ὤπασαν, ὅσσα ποθοῦνται Σήμερον ἀθανάτοις οἱ βροτοὶ εὐχόμενοι. Ανδρῶν γὰρ γένος ἔσσι Διοτρεφέων βασιλήων Σκηπτούχων, οἱ γῆς κοίρονοι εἰσὶν ἐμῆς. Ὄλβον μεν ΣΟΙ ἔδωκε θεός, ἄλοχον τε σεβαστὴν Ἱμέρτην, παντες τὴν φιλέουσι θεοί. Ἀλλα θεὸς τόσα δοῖεν, ὁσα φρεσὶ σῇσι μενοινᾶς, Παίδων καὶ ζητεῖν εἰσοπίσω γενετήν. Ἄνθεα νῦν δρεψαις τῆς ἥβης, πάντα καλῶς ΣΟΙ Ἔσται, ποιήσαι τ’ ἐμπεδα πάντα θεός. Γηράσαις Μουσέων πάρα ἄφθορα δῶρα διδαχθείς, ΟΓΔωΚΕΝΤΑΕΤΗ ΜΟΙRΑ ΚΙΧΟΙ ΘΑΝΑΤΟυ.

[Adn. crit.: 1 debuit πάντα ‖ 3 debuit Ἀνδρῶν | 4 debuit οἳ … κοίρανοί εἰσιν ‖ 5 debuit μὲν … ἄλοχόν τε ‖ 6 debuit πάντες ‖ 7 debuit Ἀλλὰ … ὅσα … μενοινᾷς ‖ 9 debuit δρέψαις ‖ 10 debuit ἔμπεδα] Übersetzung: An JOHANN Gesegneter, alles haben die Götter DIR gegeben, was auch immer begehren / heute die Sterblichen, [es] von den Unsterblichen bittend. / Denn du gehörst zum Geschlecht der von Zeus genährten Männer, / der szeptertragenden Könige, welche die Häupter sind meines Landes. / [5] Segen gab DIR die Gottheit, eine Bewunderung weckende, anmutige Gattin, / welche alle Götter lieben. / Aber die Gottheit gebe dir das, was du in deinem Sinne dir wünschest: / künftig auch die Geburt von Kindern zu erlangen. / Blumen nun pflücke der Jugend, alles wird DIR schön / [10] gelingen, es erhalte dir alles unversehrt die Gottheit. / Alt werden mögest du, von den Musen in ihren unvergänglichen Gaben unterwiesen, / EINEN ACHtZIGJÄHRIGEN MÖGE DAS LOS DES TODEs ERREICHEN.

Hier klingt mit einem Male ein anderer Ton, feiernd, fast hymnisch, hier ist eine andere Gattung gewählt – die Elegie. Diese Elegie besteht aus sechs Distichen, wohlgegliedert in drei Paare von Distichen, die je in bestimmten Vorstellungen ihren Zusammenhalt finden und darüber den Zusammenhalt des Ganzen konstituieren: Blickpunkt des ersten Paares ist das Königshaus, des zweiten das Prinzenpaar, des dritten der Beglückwünschte im Jetzt und Dereinst. In der ersten Hälfte heißt es: die Götter haben dir alles gegeben, was ein Mensch sich nur wünschen kann, und das wird dann aufgezählt: du gehörst zu den von Zeus genährten Königen, du bist wohlhabend, du hast eine anmutige, von allen Göttern geliebte Gattin. Nach diesen drei Distichen, aber innerhalb der Mittelgruppe, wechseln Tempora und Modi dergestalt, dass die zweite Hälfte der Elegie vom Optativ, dem Modus des Wunsches, bestimmt ist. Die Wünsche in dieser zweiten Hälfte gehen auf Kindersegen, Jugendkraft und künftiges langes Leben. Die diesem Wunsche gewidmete Schlußzeile ist durch Schreibung in Majuskeln

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besonders hervorgehoben – der Wunsch selbst ist formuliert mit einem Zitat aus einem Gedicht, aus einer Elegie des Solon (fr. 20,4 West aus D.L. 1,60). Die Gattung Elegie wird Böttiger von nun an – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer wieder für vergleichbare Anlässe wählen. Das Solonzitat weist, dem Verfasser hier vielleicht noch nicht in aller Konsequenz bewußt, auf den Anschluß an einen in der literarischen Tradition der griechischen Elegie vernachlässigten Strang: auf die Wiederaufnahme der politischen Elegie mit symbuleutisch-parainetischer Funktion, die hier in den vordergründig erfaßbaren Preis des Adressaten eingebettet ist. Böttiger stellt diese Funktion nicht dick auftragend heraus, sondern verbirgt sie beinahe in der einen oder anderen Andeutung und Anspielung. Im obigen Text ist es z.B. der Wunsch „Kindersegen“. Ein solcher scheint zunächst etwas rein Privates zu sein. Aber das sächsische Königshaus sah sich in den ersten Jahrzehnten nach 1800 in seinem Erbbestand bedroht. Weder der aktuelle Herrscher, König Friedrich August I., noch sein Bruder und Nachfolger Anton hatten Nachkommen, welche die Krone hätten übernehmen können. Lediglich ein weiterer Bruder, Maximilian, hatte zwei Söhne, aber die Ehe des ersten, später König Friedrich August II., blieb dauerhaft kinderlos, so daß sich allmählich alle Erwartungen und Hoffnungen des Hofes und der königstreu gesinnten Öffentlichkeit auf den zweiten, auf Johann, richten mußten. Solchen Erwartungen und Hoffnungen schloß sich auch Böttiger bei Gelegenheit der Neujahrswünsche für 1826 und 1827 an. Jedoch die Hoffnung auf einen männlichen Erben wurde bald enttäuscht, ohne daß Böttiger sie aufgab (Sillig II 5f.): Ἔσται δὴ φιλάδελφος ἀεί· πρωτάγγελος ἦλθε ǀ Παίδων ἀῤῥενικῶν πρωτογενὴς θυγάτηρ. Im Jahr darauf, 1828, wird der erste Sohn des Prinzenpaares geboren und von Böttiger hymnisch begrüßt (Sillig III). Dem Knaben widmet er zwei Jahre später, zum dritten Geburtstag, nochmals ein Gedicht. In der aufwändig gestalteten Adresse wird er Sohn und Stütze genannt, beiden Aussagen sind chiastisch gestellte Attribute zugesellt, welche als zu erfreulichen Hoffnungen berechtigend den Sohn, die Stütze als unerschütterlich Sicherheit gewährend bezeichnen. Die Hoffnungen, die mit dem Sohn sich verbinden, gelten der sächsischen Dynastie, die Stütze gewährt dem Vaterland untrüglich Sicherheit. Damit sind nun aber auch die beiden Binnenglieder des Chiasmus aufeinander bezogen – Herrscherhaus und Vaterland. ΑΛΒΕΡΤΩι εὐελπίδι τῆς Σαξονικῆς Δυναστείας ἐκγόνῳ καὶ στύλῳ τῆς πατρίδος ἀσφαλεῖ Εἰς τὰ τρίτα γενέθλια.

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Θάλλει ἱερὸν ἔρνος ἀεί, σέβας εἰσοράουσιν ΑΛΒΕΡΤΟΥ γενέθλην πᾶσα πατρὶς βοάει. Ολβίζει τε ΤΟΚΗΑΣ, ὃτ’ εἰσοροῶσι πέτηλα Τα τρία, θαλλούσης ἔκγονα τῆς πρασιᾶς. Τὰ τρία καλά. καλὸν τὸ προοίμιόν ἐστιν, ἀλλ’ αὐδᾷ Ἀνδρὸς τετρακτὺν τοῦ Σαμίου σοφία. ΑΛBERΤ’ ὦ καλὲ παῖ, ΣOΥ ζῶντος πάντα τέθηλε,

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Ακμάσεις κρατερῶς εἰς ἔτος ἒξ ἐτέους. Ἄλλον ἀδελφὸν δὴ δύο νῦν ποθέουσιν ἀδελφαί Τετρακτὺν δώσει τὰν ἱερὰν ὁ θεός. Δώσει καὶ πολύφυλλον ἀέξει πήγανον ἡμῖν· Αλλὰ ΣΥ πρωτογενής· Σὸν κλέος οὔ δύεται.

[Adn. crit.: 3 debuit Ὀλβίζει ǀ debuit ὅτ’ εἰσορόωσι ‖ 4 debuit Τὰ ‖ 8 debuit Ἀκμάσεις … ἐξ ἔτεος ‖ 12 debuit Ἀλλὰ … οὐ]

Die Schreibung ΑΛBERΤ’ (R statt Rho!) fällt unter die immer wieder einmal vorkommenden Flüchtigkeiten Böttigers. Diesmal sei, zugleich als eine Probe, Böttigers Übersetzung beigegeben: Zum dritten Geburtstag Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Albert.

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Sieh, frisch grünet der Sproß, dem Schauenden fröliches Staunen! Albert’s Geburtstag ruft jubelnd das Vaterland aus. Preiset der Eltern Glück, die mit Lust das Dreiblatt erblicken, Das in des Sachsenhorts heiligstem Garten gedeiht. „Aller guten Dinge sind drei“, so heißt’s vom Beginn an. Aber der Vierzahl Heil rühmet Pythagoras einst. Albert, von Gott erfleheter Prinz, Dich umjubelt der Sachse. Wachs’ und gedeih. Zwei Jahr gehn nun von achtzigen ab! Und wenn das Schwesternpaar nach dem Bruderpaare sich sehnet, Spendet die heilige Vier auch noch der Himmel dem Volk. Spendet und mehret das Blatt vielfach an der heiligen Raute. Erstgeborner, doch Du krönest ein zweites Geschlecht.

Von Kritik der Übersetzung, die ja unter dem Zwang „im Versmaß des Originals“ steht, sei abgesehen. Hingewiesen sei jedoch nicht nur auf das explizite PythagorasMotiv, sondern auch auf das in der Widmung und im Text etwas verdeckte Motiv der Dreiheit: als den dritten Geburtstag zählt Böttiger den nach dem zweiten Lebensjahr erreichten, und zum erwähnten Schwesternpaar tritt Albert als Dritter, der mit jenem die Vierzahl herbeisehnt, die mit einem Brüderpaar hergestellt wäre.16 Hingewiesen sei auf die Motivik von Vaterland und Herrscherhaus und auf das aus Sillig II übernommene, hier aber umfunktionierte Thema der Erstgeburt: ΣΥ πρωτογενής. Er rechnet die zeitlich erstgeborene Tochter nicht ein, sie ist nur πρωτάγγελος …παίδων ἀῤῥενικῶν. Auch die zweite Tochter hat nur Paarfunktion („Schwesternpaar“), der Zielpunkt ist ein „Bruderpaar“, bestehend aus dem dynastisch erstgeborenen Albert und einem damals noch erhofften zweiten Sohn, dem – wie oben zum Dramolett von 1830 erwähnt – dort ersehnten zweiten Anker, an dem das Schiff des Staates dann sicher und schwankungsfrei ruht. Mit dieser Elegie auf Albert setzt die oben erwähnte charakteristische Verschiebung in den Anlässen ein. Und diese Anlässe werden von Böttiger spätestens mit der oben vorgestellten Elegie in eine deutlich bestimmte und bestimmbare Perspektive gerückt.

16 Was Böttiger hier sagt, muß man nicht wörtlich nehmen: das Alter der Kinder betrug etwas über 3 Jahre (Maria), 2 Jahre (Albert), 2 Monate (Elisabeth) – die tatsächlich gemeinten Adressaten sind Prinz Johann und Prinzessin Amalia.

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Gattungsgemäß, der doch etwas derben Komödie nahe, ist im Dramolett anstelle von πρωτάγγελος „Vorbote“ der ἔφολκος „Schleppkahn“ (d.h. der geschleppte Kahn) gesetzt, ist der Ausdruck, aber nicht die Funktion verändert. Die wie einst für Johann nun hier für seinen Sohn Albert angesetzten achtzig Lebensjahre sollte man freilich wohl nicht dahin deuten, daß der Autor in langen Zeiträumen denke, sondern zunächst als ein gefälliges literarisches Motiv hinnehmen. Dennoch bleibt die Merkwürdigkeit, daß hier Johanns Sohn in zweiter Generation die Krone zugesprochen wird, wie es dann ja auch 1873, nach Johanns Tod, kam. Mit derlei „Prophezeiungen“ spielt Böttiger gelegentlich gern. So spricht er 1833 in einem Brief an Johann von seiner Freude, „das zweite (sc. Kleeblatt der Kinderschar) prophetisch mit einem Vers des Euripides voraussagen zu dürfen.“ Der Vers, den er der Elegie als Motto in einer nicht veröffentlichten, auch mit VIII nicht identischen Fassung voranstellt, lautet: παίδων τρεῖς ἐσορῶ συνωρίδας „von Kindern erblicke ich drei Gespanne.“ Der Vers ist freilich so bei Euripides nicht belegt, Böttiger hat ihn sich nach Vorbildern anmutig zurechtgebastelt. Das Vergnügen des Autors und des Lesers am Einfall muß wohl stets mitbedacht werden. Verfolgt man bestimmte Motive in der Appendix Silligiana, so kehrt in II, III, IV, V, VI die πατρίς immer wieder – Böttiger unterscheidet zwischen πόλις „Stadt, d.h. die Residenzstadt“ und πατρίς „Vaterland, d.h. Sachsen“ – in IV, VI, VII werden die πολῖται „die Bürger“ angesprochen, in IV und VI im Zusammenhang mit einer στάσις, wie sie sich in der Antike zwischen den Bürgern einer Polis erheben konnte. Als eine solche στάσις bezeichnete Böttiger die revolutionären Vorgänge von 1830 in Sachsen. Das griechische Substantiv findet seinen ältesten Beleg bei Solon, in dessen Εὐνομία („Gute gesetzliche Ordnung“) betitelter Elegie. Solons Verse sind bekanntlich nur sekundär überliefert, bei antiken Autoren, die sie in ihren Texten zitieren. Einer der Hauptzeugen ist Plutarch mit seiner Biographie des Solon. Bei ihm tritt Solon in das politische Leben, in politische Auseinandersetzungen mit dem Vortrag einer Elegie, betitelt „Salamis“, welche die Athener Bürger dazu bewegt, den Krieg zur Eroberung der Insel Salamis wiederaufzunehmen. Dieses Verhalten, die Wahl dieser Gattung der Ansprache an eine Öffentlichkeit, eben die Solonische Elegie nimmt Böttiger in den Gedichten an den Prinzen Johann auf. Die Texte gehen aber nicht nur, auf Schmuckblatt zierlich aufgeschrieben, von Böttigers Wohnung zu des Prinzen Wohnung, sie gehen auch, mit einer Übersetzung für ein breiteres Lesepublikum versehen, zeitgleich an eine Zeitung. Sie sind also vom Autor zugleich als Ansprachen an eine Öffentlichkeit bestimmt, anläßlich einer jeweils vom Autor für bedeutsam gehaltenen Gelegenheit. Andere Texte verblieben der eher privatim vorgenommenen Überreichung auf Schmuckblatt. Die von Böttiger veröffentlichten Texte entwerfen ein Bild von Erwartungen und Hoffnungen, vor allem die auf dynastische Kontinuität und Stabilität als Garanten für die „Werke des Friedens“, wie sie in Sillig VI skizziert sind. Just in diesem Text begegnet, und bei Böttiger nur hier, ein seltenes Wort: ἀστυφέλικτος „unverrückbar, unerschütterlich“. Zu den wenigen antiken Belegen gehört eine Stelle in Xenophons Staatsverfassung der Spartaner (X. Lac. 15,7):

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Peter Witzmann καὶ ὅρκους δὲ ἀλλήλοις κατὰ μῆνα ποιοῦνται, ἔφοροι μὲν ὑπὲρ τῆς πόλεως, βασιλεὺς δὲ ὑπὲρ ἑαυτοῦ. ὁ δὲ ὅρκος ἐστὶ τῷ μὲν βασιλεῖ κατὰ τοὺς τῆς πόλεως κειμένους νόμους βασιλεύειν, τῇ δὲ πόλει ἐμπεδορκοῦντος ἐκείνου ἀστυφέλικτον τὴν βασιλείαν παρέξειν. „Jeden Monat schwören sie einander, die Ephoren für das Gemeinwesen, die Könige für sich selbst. Für den König besteht der Eid darin, daß er gemäß den dem Gemeinwesen zugrunde liegenden Gesetzen herrschen werde, für das Gemeinwesen darin, daß es, wenn jener sich treulich zu seinem Eide halte, die Königsherrschaft unerschütterlich (ἀστυφέλικτος) und unangetastet erhalten werde.“

Das seltene Wort trifft genau in die Situation von 1831: am 4. September 1831 trat die erste Verfassung des damit nun konstitutionellen Königreichs Sachsen in Kraft, mit der Garantie bürgerlicher Freiheiten, mit der Trennung der Gewalten und der Trennung von Kron- und Staatseigentum. Damit war der Weg geöffnet für die nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfassenden Transformationsprozesse in Sachsen während der folgenden Jahrzehnte. Böttigers Gedichte für Johann stehen am Anfang dieses Weges. Freilich: bei Böttiger findet man Ausdrücke, Wendungen, Motive aus dem antiken Bestand manchmal nur als flache Ähnlichkeiten oder unscharf gebraucht. Hier – und das gibt Einblick in sein politisches Denken – rückt er den Ausdruck ἀστυφέλικτος von der Garantie des Königtums (so bei Xenophon) ab und schreibt ihn als Erwartung an Johann diesem zu. Es ist, meint er, einer wie Johann, der die Erwartungen und Hoffnungen des Vaterlandes, der Bürger erfüllen wird. 5. ZUSAMMENFASSENDE BETRACHTUNG UND ANAKREONTISCHEPIGRAMMATISCHER AUSKLANG Alle diese Gedichte waren Gelegenheitspoesien im wörtlichen Sinne, veranlaßt von einer in jedem einzelnen Fall bestimmten Gelegenheit und an sie gebunden. Eine künftige ähnliche (oder ganz andersartige) war für den Verfasser nicht absehbar. Dennoch ziehen sich bestimmte Motive, Wörter und Wendungen durch einen Textbestand, der nicht als eine Ganzheit entstehen konnte. Manches davon ist schlicht gut brauchbares, für den Vers vorgeformtes Material überwiegend homerischer Provenienz. Es zeigen sich auch Wandlungen und Akzentverlagerungen. So nennt Böttiger z.B. die Jahre ab 1831, nach der Beilegung der revolutionären Krise, der Stasis, als Jahre τῆς σωτηρίας „der Rettung“ und bezeichnet den Geburtstag Johanns am 12. Dezember als Tag des Heiligen Epimachus, „des Heiligen im Kampfe.“ Epimachus ist tatsächlich der Tagesheilige, aber er war eigentlich ein recht unkriegerischer Märtyrer aus dem dritten oder dem vierten Jahrhundert. Stimmig wird die Bezugnahme auf den Heiligen dank der etymologischen Herleitung des Heiligennamens von ἐπιμαχέω „mit bewaffneter Hand schützen“, womit der Heilige zum typologischen Vorbild Johanns wird, des „Generalcommendanten“ der Communalgarden. Böttiger deutete in solchen Fällen sein Material für sich und für die Rezipienten mit einigen Freiheiten zurecht.

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Ein Ganzes der Böttigerschen griechischen Poesien tritt zuerst in der Appendix Silligiana in Erscheinung. Es war zuvor, ereignis- und gelegenheitsgebunden, nur allmählich, in einzelnen Momenten, aber in einer im Laufe der Jahre immer sicherer ausgeprägten literarischen Formung, der symbuleutisch-parainetischen Elegie Solonischen Typs, und thematischen Konzeption, der Erwartung dynastischer Kontinuität und damit einhergehender staatlicher Stabilität als Grundbedingung bürgerlichen Lebens, in die Öffentlichkeit getreten. Das Ganze dieser Konzeption wird im Rückblick auf das Material im Nachlaß deutlich faßbar, in der Spanne zwischen Entwurf und Endfassung, zwischen Publiziertem, privatim Adressiertem, Zurückgehaltenem, nicht zuletzt auch in der Konsistenz der zugrundeliegenden politischen Vorstellungen. Das wird ersichtlich im Kontext zeitgenössischer Poesien. Dafür nur ein Beispiel. Der Text sei angeführt, da sich aus dem Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Sillig II Einsichten in die Intentionen ergeben, die Böttiger, wenn auch noch nicht so deutlich wie in späteren Texten, bereits hier zu erkennen gibt. Der Verfasser des Sonetts ist Theodor Winkler-Hell, der Herausgeber der „Abend-Zeitung“; der Text wurde dort an prominenter Stelle in der Ausgabe 21 vom 24. Januar 1827 veröffentlicht. Als Ihro königliche Hoheit, die Prinzessin Amalia Augusta von Sachsen, geborne Prinzessin von Baiern, am 22. Januar 1827 von einer Prinzessin Tochter entbunden worden. Ein schönes Reis vom theuern Stamm der Raute, Es wurde heut’ dem Vaterland gegeben. Wie Aelternblicke sich zu dem erheben, Auf den die Hoffnung solchen Heil’s vertraute! Und rings ertönen frohe Wonnelaute Dem süßen, neugeschenkten jungen Leben, Denn innig wird’s sich in die Zweige weben, Die schon mit Stolz der treue Sachse schaute. Es leg’, o Sprössling aus dem schönsten Stamme, Der Himmel als Geschenk in Deine Wiege Die Tugenden des hohen Aeltern-Paares. Dein ist das Schöne, Edles, Wahres, Der Milde Reiz, der Tugenden Genüge, Und reichen Geistes himmelhelle Flamme.

Die Differenz zu Sillig II ist offensichtlich – gegenüber diesen Jubeltönen klingt in Böttigers Text bereits das Thema, das Anliegen an, das er in den Folgejahren beharrlich weiterverfolgen und vom Schicksal, den Göttern oder wie auch immer er das gesagt hätte, einfordern wird, und zwar nicht in Rücksicht auf das Königshaus – das spielt in seiner Konzeption die Rolle einer conditio sine qua non – sondern vor allem in Rücksicht auf das Vaterland und seine Bürger.

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Böttiger hatte eine Gattungs- und damit Formentscheidung zugunsten der Solonischen Elegie getroffen und hat diese Entscheidung durchgehalten. Man kann seine Elegien durchaus wie „Solons Elegien als politische Zweckpublizistik betrachten.“17 Damit belebte er – zu seiner Zeit als einziger – diesen in der Tradition der Gattung Elegie seit langem verloren gegangenen Funktionsstrang wieder. Die deutsche Elegiendichtung „in klassischem Versmaß“, wie sie seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s praktiziert wurde, hatte an hellenistische, griechische wie vor allem lateinische Vorbilder angeknüpft. Diese Gedichte aber, vordergründig einer bestimmten Person, dem Prinzen Johann, gewidmet, folgten einem anderen Ansatz: sie sprachen im Medium Zeitung und in den stets beigegebenen Übersetzungen zu einer Öffentlichkeit. Sie trugen ihres Autors Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen in eine bürgerliche Leserschaft. Ihnen lag eine aus den Erlebnissen und Erfahrungen geprägte Konzeption zugrunde. Der „treffliche Altertumskenner“ und „die neuste Weltgeschichte“ trafen hier zusammen.18 Böttiger war noch im Siebenjährigen Krieg geboren. In seine Kindheit fielen die Mühen, die Kriegsfolgen zu überwinden. Kriegsgefahr wollte nicht weichen. Der etwa Dreißigjährige erlebte die Revolution in Frankreich, in den Zirkeln, in denen er verkehrte, begrüßt und anteilnehmend begleitet, bis der Hieb der Guillotine, die Louis Capets Haupt abschlug, die moderaten Anhänger der Revolution von den entschiedenen trennte. Napoleons Kriege überzogen Europa, brachten Tod und Not, Zerstörung und Hunger, aber auch Hoffnungen, den Code civil, Zwänge und Chancen zu Reformen, und die Frage nach der Legitimität von Herrschaft. Das Königreich Sachsen, ein Königreich und Königtum von Napoleons Gnaden, darein gerettet aus der Niederlage durch Eintritt in den Rheinbund, behielt zwar Herrscher und Herrscherhaus, sah seinen König aber keine zehn Jahre später als Preußens Kriegsgefangenen, das Land unter fremdes Gouvernement gestellt. Politischem Kalkül fremder Mächte, nicht eigenem Verdienst verdankte es die Rückkehr des Königs und des Staates Fortbestehen, wenn auch unter großen Verlusten an Land, Bevölkerung, Ansehen und Einfluß. Böttiger hat all das miterlebt, in nur anscheinend gesicherter bürgerlicher Stellung. Bedrohungen der Zeitläufte trafen auch ihn, Hoffnungen und Chancen, die sie auch mit sich brachten, sah und nutzte er. Doch nach dem endlichen Frieden kehrte so vieles zu den alten Zuständen zurück, auf den alten König, Friedrich August, folgte ein weiterer alter, sein Bruder Anton. Indessen war im Herrscherhause eine neue Generation herangewachsen, im Schatten dynastischer Erbfolge. Der jüngere der beiden Prinzen, Johann, gewann Böttigers Zuneigung dank seiner vielseitigen geistigen Interessen. Auf ihn setzte er auch bald alle Hoffnung, die über das Individuelle hinausging, im Individuellen Allgemeines verkörpert sah. Johann war mit seinem Interesse für Sprachen, Literatur, Kunst, Geschichte auf diesen Gebieten kein bloß unverbindlich dilettierender Schöngeist, sondern ein ernsthafter Arbeiter, wie er es auch auf den Gebieten staatlicher Verwaltung, Wirtschaft, Rechtskunde und Rechtspflege war. 17 von Albrecht 1994, 588. 18 So, wenn auch nicht auf Böttiger Bezug nehmend, Goethe in seiner Besprechung von W.E. Webers „Die elegischen Dichter der Hellenen in ihren Überresten“. Siehe Goethe 1826, 212.

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Die Bemühungen Johanns um die griechische Sprache führten zu einem engeren und eher persönlichen Verhältnis Böttigers zu dem jungen Prinzen, das sich nicht darin erschöpfte und darauf beschränkte, dem Autodidakten auf die Sprünge zu helfen. Über Literatur und Kunst des antiken Griechenlands verband sie die aktuelle „griechische Sache“, die Befreiung Griechenlands von der osmanischen Herrschaft. Dazu gesellte sich, Böttigern vielleicht unbewußt, aber als verbreitete Zeitstimmung aufgenommen, der Unmut der Zeit vor der Julirevolution, die Hoffnung auf das Aufbrechen des Eises, die Erwartung anderer politischer und sozialer Verhältnisse. Vor der Revolution aber schreckte nicht nur das Establishment der feudalen Restauration zurück, sondern weithin auch das Bürgertum, das auf maßvollen Fortschritt, maßvolle Reformen innerhalb der bestehenden Ordnungen setzte, auf die Konstitutionalisierung, die verfassungspolitische Einhegung der Monarchien, auf die Herstellung bürgerlicher Rechtsstaatlichkeit und institutionell abgesicherter Teilung der Macht. Das Königtum wurde dabei nicht unbedingt in Frage gestellt. Die Erschütterung durch die Pariser Revolution im Juli 1830 schien von kurzer Dauer, der Schrecken aber, das Gefühl der Unsicherheit, tiefsitzend, stellte sich wieder ein. Dagegen wurde in Bildern und Texten der Wunsch nach Stabilität und Kontinuität gesetzt, bald aber auch erneut, jedoch schon jenseits von Böttigers Lebenszeit, die Forderung nach revolutionären Veränderungen der Verhältnisse. Das nun war nach all seiner Lebenserfahrung Böttigers Sache nicht. Er schrieb ins Offene, sowohl in Bezug auf die Ereignisse, denen seine Gedichte galten, bei diesem Ereignis nichts wissend vom nächsten, als auch in Bezug auf Adressaten, deren einer feststand: Johann, alle anderen ein näher kaum eingrenzbares Leserpublikum. In dieser Offenheit hielt er an seinen Vorstellungen, Erwartungen, Hoffnungen fest, gegenüber Johann wie gegenüber dem Publikum. Das ist ablesbar an – wie oben gezeigt – durchgehenden Themen, Motiven und Leitbegriffen. Das ergab auch die Grundlage für Silligs kunstvolle Komposition der carmina aliquot Graeca zu einem Elegienbüchlein, in dem, abgesehen von Böttigers Anteilnahme an Johann und dem Gedeihen seiner Familie, doch eben auch Böttigers politische Vorstellungen, Erwartungen, Hoffnungen, konstant durchgehalten, allmählich immer deutlicher ausgeprägt, unmißverständlich aufscheinen. Sillig seinerseits stand solchen Vorstellungen nicht fern, und so nimmt es nicht wunder, daß er in seiner Konrektoratsrede von 1854 zum Geburtstag des Königs dessen „Studium der Griechischen Literatur“ preist, „Homer, Plato, Thukydides“ als „Vertraute Seiner Musse“ nennt, Johanns Beschäftigung mit der „Politik“ des Aristoteles besonders hervorhebt, auch, daß ihn „Sein Studium des Thukydides und Dante nicht behinderte, Kammerberichte ganz verschiedenen, d.h. ganz praktischen Inhalts, auszuarbeiten.“ Er sieht in Johann Platons Wunschbild verkörpert, daß es erst dann gut bestellt sei um die Gemeinwesen, wenn „entweder die Philosophen herrschen in den Städten oder die Könige … und Herrscher Philosophie treiben ordentlich und

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ausreichend, und in eines zusammenfallen die politische Macht und die Philosophie“ (Pl. R. 473C–D).19 Doch schließen wir den Gang durch Böttigers carmina Graeca mit einem ganz anders gestalteten Text zu einem heiteren Ende! Τῳ ΙΩΑΝΝΗι, Ἄρχοντι τῆς Σασσονίας Παιδὸς πρωτοτόκου ἄῤῥενος εὐχαριστήρια.

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Μεσονυκτίοις ἐν ὥραις20 Θαλάμων σεβασμίων ἔξ Ὁ παῖς, ὃν ηὐξάμεσθα Ἐτέχθη κᾳξεφάνθη. Ἀνέτειλε δ’ ἦμαρ αἶψα Διὰ νυκτὸς ἀστέρων τε. Ὁ δ’ Ἥλιος ἐξεγέρθη Ἐθαύμασ’, ἐξεπλήχθη. Ἔμαρψε τὴν ἱμάσ[θ]λην, Λευκούς τε ξεῦξας ἵππους Ἐβόησε· Θαῦμ’ ἴδέσθαι, Τίς φῶς ἀνῆψ’ ἄνευ μου; Προσεφώνησεν ἡ Γαῖα· Τόκου ἐξέλαμψε φέγγος, Παῖς Σαξόνεσσιν ἦλθε Τριπόθητος ἐξ ΑΝΑΚΤΩΝ.

[Adn. crit.: tit. debuit Τῷ ‖ 10 debuit ζεύξας ‖ 11 debuit ἰδέσθαι, sed ab auctore iam correctum videtur] Übersetzung: JOHANN, dem Herzog Sachsens, für das erstgeborene männliche Kind Dank und Glückwünsche. In mitternächtlicher Stunde / aus erhabenen Gemächern / das Kind, das wir erflehten, / ward geboren und erschien. / [5] Es erhob sich das Tageslicht sogleich / durch Nacht und Sterne. / Und Helios erwachte, / staunte, ward erschreckt. / Er griff zur Geißel, / [10] nachdem er die weißen Rosse angeschirrt, / und rief: Ein Wunder zu schauen, / welch Licht erhob sich ohne mich? / Ihm antwortete Gaia: / Eines Kindes Licht erstrahlte, / [15] ein Sohn kam den Sachsen, / dreifach ersehnt von den HERRSCHERN.

19 Sillig 1855, 45–49. – Wenn der Redner u.a. den „eisernen Fleiß“ und die „bewunderungswürdige Ausdauer“ des Prinzen Johann rühmt, so zielt er doch wohl auch auf die zuhörende Schülerschaft. 20 Anfang nach Anacreont. 33,1 West. Zur verbreiteten altgriechischen Anakreon-Nachahmung in der Neuzeit siehe in diesem Band die Beiträge von Ludwig, Höschele und Weise.

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„Das erstgeborene männliche Kind“ Johanns, Albert, lang erfleht, zu „mitternächtlicher Stunde“ zur Welt gekommen, wird von Böttiger in einer kleinen balladesken Erzählung begrüßt. Lichtschein hat sich erhoben mitten in der Nacht, so daß Helios, der Sonnengott, der Künder des Tages, davon erschreckt aus dem Schlaf auffährt und alsbald, wie es sich für ihn gehört, seine weißen Rosse anschirrt, um sich zu erkundigen: „Welch Licht erhob sich ohne mich?“ Gaia, die uralte, allwissende Erdmutter, gibt Antwort und Auskunft: „Ein Sohn kam den Sachsen.“ Der poetische Einfall ist apart, apart auch die Form: es ist die einzige Verwendung von Anakreonteen im Bestand der griechischen Gedichte Böttigers. Man kann vier Versgruppen zu je vier Zeilen unterscheiden. Jede Gruppe hat ihr Thema. Der Satzbau der geradlinig fortschreitenden dramatischen Erzählung ist, dem anakreontischen Vers- und Tonfall des Textes gemäß, schlicht parataktisch. Die Geburt des Kindes erhält kosmische und trotz der paganen Gottheiten Helios und Gaia christologische Dimensionen. Anklänge an Lk 2,8-12 sind unüberhörbar. Die hier angezeigte Geburt Alberts fand tatsächlich kurz vor Mitternacht statt, was per Zufall aber gut zu der poetischen Intention Böttigers passte: der Evangelist Lukas gibt für die Geburt Jesu als einziger allgemein die Nachtzeit an, später kamen Präzisierung und Fixierung auf die sich aus mehreren Quellen speisenden Vorstellungen von der Bedeutsamkeit der mitternächtlichen Stunde hinzu. Böttiger zitiert den Engel bei Lukas mit ἐτέχθη „ward geboren“ – auch περιέλαμψε „umstrahlte, umleuchtete“ konnte er bei Lukas als Vorbild für sein ἐξέλαμψε „erstrahlte“ lesen – und fügt das sachlich unwahrscheinliche κᾳξεφάνθη „ward gezeigt/zeigte sich/erschien“ hinzu, so die Mitteilung eines irdischen Faktums zur göttlichen Epiphanie, der Epiphanie eines gleichsam göttlichen Kindes überhöhend. Helios, der sonst alles sieht, ist erstaunt und erschreckt – die Nacht war in den Tag verwandelt: hatte er es gar verschlafen, war der Tag ohne sein Eingreifen angebrochen? Schrecken pflegt mit der Epiphanie verbunden zu sein, so dass das erste Wort bei solchem Ereignis oft lautet: μὴ φοβοῦ „fürchte dich nicht“, so sagt es auch der Engel bei Lukas: μὴ φοβεῖσθε „fürchtet euch nicht“, was Böttiger ersichtlich und mit gutem Grunde ausspart und die alleswissende Urmutter Gaia gelassen Auskunft geben lässt, wie es der Engel, Freude (χαρά) und den Erretter (σωτήρ) verheißend, bei Lukas getan. Ein hübscher Einfall steckt auch in dem hier gleichsam umgekehrten Erschrecken in der Epiphanie: es erschrickt nicht ein Mensch vor der sich plötzlich zeigenden Gottheit, sondern der Licht- und Sonnengott erschrickt vor dem Lichte, welches den neugeborenen irdischen Knaben umstrahlt. Sowohl die Heliosszene als auch der Bezug des kosmischen und christologischen Geschehens auf Sachsen in Gaias Antwort entbehren jedoch nicht eines komischen, parodistischen Moments. Das hervorgehobene letzte Wort weist auf die endlich erfüllte Hoffnung des gesamten Königshauses hin – und damit nimmt auch dieses Gedicht trotz seines anderen Metrums, seines anderen Tones, anderer Worte und Motive seinen Platz in Böttigers carmina Graeca ein. Oder sollte man nicht doch mit dem letzten der Gedichte an und für Johann schließen, einem Epigramm, das den anmutig scherzenden Ton früherer Jahre wieder aufnimmt?

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In aller Kürze ist hier alles noch einmal versammelt, was in den carmina Graeca aufgeklungen war: eine prachtvolle, aber zugleich reduzierte Adresse; das unvermeidlich scheinende Zitat aus dem Euripides, zu Böttigers Zweck zurechtgemacht, denn bei Cicero (fam.13,15,2) liest man es sehr anders; das Einzeldistichon, das in seiner Kürze alles sagt und doch damit nicht abgegolten ist; das altbekannte Motiv τρίσμακαρ, glücklich gepriesen wegen der Kinderschar; die sechs Kinder, die man sich vorstellen muß als jünger denn acht Jahre, also mit dem Reize und der Anmut von Kleinkindern, eine mit dem einen Wort „Chariten“ evozierte Vorstellung; homerische Wörter und die pythagoreische Enneade, Hindeutung auf eine bald neunköpfige Prinzenfamilie, eine bald dreifache Triade, in der die Kinder bald als eine Heptas oder Siebenzahl sich finden werden; also auch wieder ein Spielen mit Prophezeiung; freilich nichts von erwartungsvoller Freude des Vaterlandes und seiner Bürger.21 ΙΩΑΝΝῌ τῷ τῆς Σασσονίας Ἡγέμονι σεβασμιοτατῳ πρόσφθεγμα γενεθλιακόν. Μοῦνος σοφίστης ὅστις ἐσθ’ αὑτῷ σοφός. Euripid. Τρίσμακαρ· ἑξ παῖδες, Χαρίτων φυτὰ Σ’ αμφιτέθηλε, Ἔννεας ἐν κόλποις κουριδίου ἀλόχου. [Adn. crit.: tit. debuit Ἡγεμόνι σεβασμιωτάτῳ … σοφιστής ‖ 1 debuit ἓξ … ἀμφιτέθηλε ‖ 2 debuit Ἐννεὰς]

21 Die Datierung scheint schwierig: für das Geburtstagsgedicht müßte vor der Geburt des „prophezeiten“ siebten Kindes, das am 4. Januar 1836 geboren wurde, als Johanns Geburtstag der 12. Dezember 1835 gedacht werden. Doch Böttiger war am 21. November 1835 verstorben. In seinen letzten Tagen dürfte er kaum an einen, dann sogar post mortem zu übermittelnden Glückwunsch gedacht haben. Die Handschrift trägt den Vermerk: abgeschrieben, sowie eine Jahresangabe, die jedoch eine Unsicherheit aufweist, da ein 1832 zu 1834 korrigiert zu sein scheint, was als Datum wiederum auch nicht zutreffen dürfte. Die Lösung liegt in einem ebenfalls als γενεθλιακόν bezeichneten Text aus dem Jahr 1828, den Böttiger auf den 16. Mai datiert. Das ist der Tag des Heiligen Johannes von Nepomuk. Johanns zweiter Vorname lautete Nepomuk. Man käme damit auf den Beginn des dritten Monats einer erneuten Schwangerschaft Amaliens und damit auf die Zeit einer öffentlichen Mitteilung seitens des Hofes. Unser Text dürfte also in den Frühsommer 1835 fallen. Man sollte Böttigers Prophezeiung jedoch nicht überstrapazieren, indem man die Enneas statt auf die offenkundig bevorstehende Neunköpfigkeit der Prinzenfamilie auf die schließlich doch neun Kinder des Prinzenpaares bezieht – das wäre in jeder Hinsicht eine allzu große Kühnheit des Autors gewesen.

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Übersetzung: Johann, dem Herzog von Sachsen, dem verehrungswürdigsten, ein Geburtstagsgruß. „Allein der ist klug, der für sich selber klug ist.“ Euripides (~ Fr. 905 Kannicht) Dreifach glücklich Gepriesener, sechs Kinder, der Chariten Gewächse, umgeben Dich. ǀ Die Neunzahl [liegt] im Schoße der jugendlichen Gemahlin.

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LITERATUR a) Primärquellen BOETTIGER 1837 = C.A. Boettigeri opuscula et carmina Latina collegit et edidit Iulius Sillig, Dresdae, libraria aulica Waltheria, MDCCCXXXVII. Nachlaß Karl August Böttiger in der Staats-, Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden, Signatur Msc.Dresd. h. 37, Verm. 4°, XIII, 2.

b) Sonstige Literatur Goethe 1826 = J.W. Goethe, Besprechung von W.E.Weber, Die elegischen Dichter der Hellenen in ihren Überresten übersetzt und erläutert, Frankfurt/M. 1826, in: Ges. Werke, WA I 41/2, 212. Harmening ²2009 = D. Harmening, Wörterbuch des Aberglaubens, Stuttgart ²2009. Kretzschmar 1958 = H. Kretzschmar (Hg.), Die Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen, Göttingen 1958. Ruhland 1994 = V. Ruhland, Ein unbekanntes Dokument über die Erhebung des Prinzen Friedrich August zum Mitregenten 1830, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 65 (1994), 217– 236. Sillig 1855 = Rede bei der Feier des Geburtstages Sr. Majestät des König Johann von Sachsen in der Kreuzschule am 12. December 1854 gehalten von Dr. Julius Sillig Conrector, in: Programm des Gymnasiums zum Heiligen Kreuz in Dresden 1855, 45–49. Sternke 2012 = Ders., Art. „Böttiger, Karl August“, in: Der Neue Pauly, Suppl. 6, 2012, 143–145. Stürenburg 1926 = J. Stürenburg, Dr. Julius Sillig, Lehrer und Konrektor an der Kreuzschule, 1824– 55, in: Festschrift zur Jubelfeier der Kreuzschule 1926, Dresden 1926, 34–39. von Albrecht 1994 = M. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Bd. 1, München 1994. Witzmann 2012 = P. Witzmann, Bürgerlichkeit in höfischem Leben: der Herr Hofrat als Hofpoet?, in: R. Sternke (Hg.), Böttiger-Lektüren, Berlin 2012, 75–110.

VON DER PHILOLOGENZUNFT UND ANDEREM UNGEZIEFER Zu den altgriechischen Komödien von Julius Richter (1816–1877) Martin Holtermann

Abstract: The Prussian Gymnasium-teacher Julius Richter (1816–1877) not only wrote interpretations and commentaries on Aristophanes, but also three full comedies in Aristophanic style and in Ancient Greek. In these, Richter heavily criticizes catholicism, communism, and his own profession, classical philology. Richter deserves interest for his choice and mastery of the Ancient Greek language, but also for his peculiar type of satire on scholars.

EINFÜHRUNG Der Berliner Gymnasialprofessor Julius Hermann Richter (1816–1877) ist innerhalb der deutschen Aristophanes-Rezeption eine singuläre Figur, da er sich an zwei Rezeptionsdiskursen, dem interpretativen und dem transformativen, aktiv beteiligte: Er trat nicht nur mit Interpretationsschriften sowie zwei gewichtigen Kommentaren zu Komödien des Aristophanes hervor, sondern auch mit drei aristophanischen Komödien. Während Richter als Kommentator und Interpret des Aristophanes sich überwiegend in traditionellen Bahnen bewegte, fallen seine aristophanischen Komödien nicht nur wegen ihrer Sprachwahl und ihrer intensiven Anlehnung an Aristophanes auf, sondern auch wegen ihrer aggressiv zugespitzten Sicht auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen der Zeit. Zudem bezieht Richter in sehr spezieller Weise Stellung zu Personen und Richtungen seiner eigenen Profession, der Klassischen Philologie, und entwickelte dabei mit Hilfe des Altgriechischen eine ungewöhnliche Spielart der Gelehrtensatire, die einen näheren Blick lohnt. 1. BIOGRAPHIE Obwohl nur wenige Daten zum Leben von Julius Hermann Richter zur Verfügung stehen,1 ermöglichen diese gleichwohl die Rekonstruktion eines für das 19. Jahrhundert geradezu idealtypischen gesellschaftlichen Aufstiegs, den die neu eingerichtete Institution des humanistischen Gymnasiums und die sich anschließenden Karrierewege innerhalb der Klassischen Philologie ermöglichten. Geboren wurde 1

Koner 1846, 291; Eckstein 1871, 472; Müller 1881, 130; Pökel 1882, 226; Kössler 2008, 161.

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Martin Holtermann

Richter am 2. April 1816 in Clausdamm bei Pyritz in Hinterpommern;2 sein Vater war Oberförster in Klütz vor den Toren Stettins. So war Richter weder von seiner geographischen3 noch seiner sozialen Herkunft eine Karriere als Gymnasialprofessor und Klassischer Philologe in die Wiege gelegt. Von 1824 bis 1833 besuchte er in der Provinzhauptstadt Stettin das Gymnasium; es muss sich um das Vereinigte Königliche und Stadt-Gymnasium gehandelt haben, eine protestantische Gründung, die sich im Zuge der Humboldtschen Bildungsreformen und der neuhumanistischen Ausrichtung der preußischen Gymnasien zur führenden Bildungseinrichtung Pommerns entwickelt hatte. Am 21. Oktober 1833, mit siebzehn Jahren, immatrikulierte sich Richter an der Universität Bonn.4 Die Wahl dieses Studienortes überrascht, da die vielleicht noch renommiertere Universität Berlin deutlich näher lag. Richter schrieb sich in Bonn für Theologie und Philologie ein, besuchte aber mit einer Ausnahme nur philologische Vorlesungen.5 Nach dem Sommersemester 1834 (die Exmatrikulation datiert auf den 14. August 1834) setzte Richter sein Philologie-Studium an der Universität Berlin bis 1836 fort. Unter den Berliner Philologen scheint Richter besonders August Boeckh bewundert zu haben, dem er später seine Ausgabe der „Wespen“ und mehrere Grußadressen widmete. Ostern 1839 wurde Richter mit einer Dissertation De Aeschyli, Sophoclis, Euripidis interpretibus Graecis (RICHTER 1839) promoviert, die er noch im selben Jahr veröffentlichte.6 Ebenfalls 1839 legte Richter sein Examen pro facultate docendi ab und begann anschließend seine Karriere als Gymnasiallehrer am Friedrichs-Werderschen Gymnasium in Berlin, zunächst als Lehrer auf Probe. Richter übte seine gesamte Lehrtätigkeit an diesem Gymnasium aus und durchlief die üblichen Stufen (1840: Hilfslehrer, 1842: ordentlicher Lehrer, 1849: Oberlehrer, 1859: Gymnasialprofessor).7

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Kössler 2008, 161 zitiert aus dem Schulprogramm des Friedrichs-Werderschen-Gymnasiums Berlin von 1843, 45 als Geburtsjahr das Jahr 1817. Richter scheint selbst auf seine provinzielle Herkunft hinweisen zu wollen, wenn er sich in seinem „Gruß an die Universität Bonn“ als ΟΠΙΣΘΟΠΩΜΕΡΑΝΟΣ („Hinterpommeraner“) und Τηλέγονος („Ferngeborener“) bezeichnet (RICHTER 1868a, 3. 5). Diese und die folgenden Angaben zu Richters Studienzeit in Bonn nach Auskünften und Abschriften aus dem Archiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Immatrikulations-Manual, Studienbuch, Exmatrikel). Auf Richters „Anmeldungs-Bogen“ zum Wintersemester 1833/34 ist das handschriftliche (eigenhändige?) „stud. theologiae evang. et philologiae“ vielsagend geändert worden in „stud. theologiae evang. et philologiae“. Diese und alle anderen Veröffentlichungen Richters sind im Internet bequem bei „Wikisource“ unter dem Lemma „Julius Richter (Philologe)“ zugänglich. Nicht offen stand am Friedrichs-Werderschen Gymnasium das Amt des Direktors, das während Richters gesamter Tätigkeit von Eduard Bonnell ausgeübt wurde.

Von der Philologenzunft und anderem Ungeziefer

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Zu Michaelis 1871 zwang ihn eine „fast völlige Erblindung“, seine Unterrichtstätigkeit aufzugeben und um vorzeitige Pensionierung zu bitten, die ihm im Juli 1872 gewährt wurde.8 Er starb im Jahre 1877 in Weimar.9 2. RICHTERS PHILOLOGISCHE VERÖFFENTLICHUNGEN Anlässlich der Beförderung Richters zum ordentlichen Lehrer heißt es in den Schulnachrichten des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums: „Dem gelehrten Publikum hatte er sich inzwischen von Neuem durch seine 1842 erschienene Schrift: ‚Über die Verteilung der Rollen unter die Schauspieler der griechischen Tragödie‘ bekannt gemacht“.10 Richter entsprach damit der allgemeinen Erwartung, dass Lehrer an Gymnasien ihre fachliche Befähigung durch entsprechende Veröffentlichungen unter Beweis zu stellen hatten, und ließ weitere Schriften (ebenfalls dem griechischen Drama gewidmet) folgen. Richter beteiligte sich also wie so viele Gymnasiallehrer des 19. Jahrhunderts aktiv an der fachphilologischen Forschung.11 Und ebenfalls typisch nutzte er dafür auch das Medium der Schulprogramme. Mit diesen wollten sich die humanistischen Gymnasien gegenüber der Öffentlichkeit als Stätten der Wissenschaft ausweisen und ihre Autoren vor einem breiteren Publikum wissenschaftliche Reputation erlangen.12 Zwei der Schulprogramme Richters sind Aristophanes gewidmet. Im Griechischunterricht deutscher Gymnasien spielte Aristophanes kaum eine Rolle,13 und auch Richter und seine Kollegen haben ihn laut Ausweis der Schulprogramme des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums nie im Unterricht behandelt.14 Doch konnte Richter auf Interesse bei einer breiteren Öffentlichkeit hoffen, da Aristophanes im Vormärz ein viel diskutierter Autor geworden war: Durch deutsche Übersetzungen inzwischen leicht zugänglich, wurde er zum Vorbild für Komödien, von denen man sich eine gesellschaftliche und politische Wirkung erhoffte, wurde von Philologen

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Schulprogramm des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums 1873, 32 („zu Johannis v[origen] J[ahres]“), Müller 1881, 130. Eckstein 1871, 472 datiert Richters Lehrtätigkeit „bis 1870“, was sich aber dadurch erklären ließe, dass wegen Richters Augenerkrankung seine Pensionierung schon im Raume stand. Größere Bekanntheit als Julius Richter erlangte dessen Sohn Otto Richter (geb. 6. April 1843 in Berlin, gest. 16. Juli 1918 in Magdeburg), ebenfalls Klassischer Philologe und Gymnasiallehrer (von 1890 bis 1910 Direktor des Prinz-Heinrichs-Gymnasiums in Berlin-Schöneberg), dessen archäologische Forschungen zur Topographie der Stadt Rom in den gleichnamigen und damals sehr geschätzten Band des „Handbuchs der Altertumswissenschaften“ mündeten (Bd. 3,3,2, 1889, 2. Aufl. 1901). Programm Friedrichs-Werdersches Gymnasium Berlin 1843, zitiert nach Kössler 2008, 161. Baumbach 2002. Holtermann 2002, speziell zu den Schulprogrammen Berliner Gymnasien: Baumbach 2006. Holtermann 2004, 308–312. Die häufigsten Autoren in Richters Lektüreunterricht waren Homer (Odyssee), Plutarch, Platon, Herodot, Xenophon und Demosthenes.

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hinsichtlich seines politischen Standpunkts kontrovers diskutiert und war Referenzpunkt zahlreicher Komödientheorien von philosophischer Seite.15 In seinem ersten Schulprogramm „Zur Würdigung der Aristophanischen Komödie“ (1845), zeitgleich unter dem Titel „Aristophanisches“ auch als Separatbroschüre veröffentlicht, erörtert Richter am Beispiel der „Thesmophoriazusen“ Fragen, „welche man zum besseren Verständnisse bei jedem Erzeugnisse jener überschwänglichen Muse thun müsste“,16 nämlich nach Jahr, Ort und Ausstattung der Aufführung; außerdem untersucht Richter die Zusammensetzung des Komödienpublikums und die vermutliche Wirkung der Komödie auf dieses. Das zweite Schulprogramm zu Aristophanes, eine Vorveröffentlichung (caput tertium) seiner kurz darauf erschienenen kommentierten Ausgabe der „Wespen“, ist eine Abhandlung de judicibus Atheniensium rebusque judicialibus.17 In beiden Schriften präsentiert sich Richter primär als Sachphilologe Boeckhscher Prägung.18 Ungewöhnlich jedoch ist, dass Richter in seiner „Würdigung der Aristophanische Komödie“ (1845) als ersten Punkt und noch dazu in deutscher Sprache19 ein besonders heikles Problem der Aristophanes-Rezeption anspricht, nämlich die schon seit Plutarch immer wieder kritisierte Vulgarität und Obszönität in den Komödien des Aristophanes. Richter scheut sich nicht, übel Beleumdetes und oft schamhaft Verschwiegenes wie das phallische Kostüm der Komödienschauspieler und die Phallosprozession in den „Acharnern“ beim Namen zu nennen und zu besprechen. Man müsse generell „die nicht zu vermittelnde Kluft zwischen dem Antiken und dem Christlichen“20 und die daraus resultierenden ganz unterschiedlichen sittlichen Maßstäbe berücksichtigen. Den Weg dazu hätten besonders Hegel in seiner „Ästhetik“ und andere Philosophen gebahnt, so „dass die rechte Würdigung des Aristophanes erst in unseren Zeiten begonnen hat.“21 Richters gewichtigster Beitrag zur Aristophanes-Philologie waren seine (lateinisch verfassten) kommentierten Editionen der „Wespen“ (RICHTER 1858) und des „Frieden“ (RICHTER 1860), die beide positiv gewürdigt wurden.22 Offensichtlich hat sich Richter gezielt Komödien ausgesucht, die in der bisherigen Forschung vernachlässigt waren.23 Der Aufbau ist in beiden Ausgaben gleich: Ausführliche 15 Holtermann 2004, 129–163 (aristophanische Komödien des Vormärz), 198–215 (Urteile von Philologen über den politischen Standpunkt des Aristophanes), 91–121 (philosophische Komödientheorien). 16 RICHTER 1845, 10. 17 RICHTER 1857, 1. 18 Zu Boeckh siehe Unte 2003, 12–19, zur Auseinandersetzung zwischen Sach- und Wortphilologie dens. 13 (mit Literatur in Anm. 58). 19 Zur Sprachwahl (Latein oder Deutsch) in den Schulprogrammen siehe Baumbach 2006, 117– 120. 20 RICHTER 1845, 6. 21 RICHTER 1845, 7, Zitat: 9f. 22 Siehe die Rezensionen von Enger 1859 und Velsen 1865. 23 Velsen 1865, 758: „Besonders aber sind bei den weniger gelesenen Stücken, zu welchen eben auch unsere Komödie gehört, die Vorarbeiten gering, so dass sich Richter auf diesem Gebiete ein wesentliches Verdienst erworben und das Verständniss des Aristophanes nicht unbedeutend gefördert hat“.

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Prolegomena widmen sich Zeit und Art der Aufführung sowie jeweils in einem eigenen Kapitel einem eigenständigen Sachthema (Gerichtswesen bzw. Opferkult),24 womit Richter seine Kompetenz als Sachphilologe herausstellen will. Der griechische Text ist von einem textkritischen Apparat begleitet, in dem Richter die Lesarten der Handschriften nach den älteren Ausgaben25 sowie frühere und eigene Konjekturen anführt. Die Kommentarbemerkungen Richters, in zwei Kolumnen unter dem textkritischen Apparat, wurden besonders dafür gerühmt, dass die Aristophanische Diktion durch Beibringen vieler Parallelstellen bedeutend erhellt wurde.26 Zugleich lässt sich an ihnen erkennen, wie Richter sich die stupende sprachliche Grundlage für seine späteren eigenen altgriechischen Komödien erarbeitet hat. 3. RICHTERS ALTGRIECHISCHE DICHTUNGEN Richter hat in den sechziger Jahren begonnen, seine außergewöhnlichen altgriechischen Sprachkenntnisse zu ersten eigenen Produktionen einzusetzen. Zuerst sind es kurze Gelegenheitsgedichte, die Richter zu Ehren seines akademischen Lehrers August Boeckh aus Anlass von dessen Geburtstag (1864, 1866) sowie zu dessen Doktorjubiläum (1867) verfasst. Im Jahre 1870 veröffentlicht Richter sie zusammen mit Übersetzungen deutscher Gedichte ins Altgriechische in einem Schulprogramm.27 3.1. „Gruß an die Universität Bonn“ (1868) Deutlich länger ist der altgriechische „Gruß an die Universität Bonn“, den Richter seiner ersten alma mater als deren „Abkömmling und Sproß“ (5: ἔκγονος τῆς Βονναίας Ἀκαδημείας καὶ θρέμμα τι) zum 50. Gründungsjubiläum nach Bonn sandte. Es handelt sich um eine formvollendete aristophanische Parabase in 148 Versen, in denen Richter seine eigene Studentenzeit in Bonn schildert und an seine akademischen Lehrer August Ferdinand Naeke und Friedrich Gottlieb Welcker erinnert – vor allem an deren geselliges Beisammensein im Gasthaus „Stern“. Nostalgisch blickt Richter auf die damalige Burschenherrlichkeit zurück, auf das 24 Kritisiert von Velsen 1865, 753: „Das letzte Capitel: de sacris Paci deae factis deque rebus sacrificialibus Aristophani commemoratis, ist ein Excurs auf dem Gebiete der sacralen Alterthümer, der nichts wesentlich Neues enthält. Die einzelnen Parallelstellen, namentlich aus dem Homer, hätte Richter füglich in den Noten zu den einzelnen Versen anbringen können. Weshalb er es vorgezogen hat, daraus eine Art von Excurs zu machen, ist mir nicht ersichtlich“. 25 Dass Richter sich nicht verlässlichere Kollationen der wesentlichen Handschriften angefertigt oder beschafft hat, kritisiert Velsen 1865, 753 und weist genauso wie Enger 1858 auf viele Ungereimtheiten hin, die Richter bezüglich der Lesarten unterlaufen sind, weil er sich nur auf Berichte anderer stützte. 26 Velsen 1865, 758. 27 RICHTER 1870, 31f. (die Geburtstagsgrüße in sapphischen Strophen, der Glückwunsch zum Doktorjubiläum in katalektischen iambischen Dimetern).

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Treiben der korporierten Studenten, wie er es 1833/34 als Siebzehn-, Achtzehnjähriger erlebt hat.28 Ungewöhnlich ist die Erweiterung durch Paratexte: Um, wie Richter selbst betont, der „philologischen Kunst“ (φιλολογικὴ τέχνη) Genüge zu tun, verzeichnet er unter dem Text die Lesarten zweier (natürlich fiktiver) Handschriften, in denen die Parabase überliefert sei, des Codex υ (für Ὑπνοχιτώνιον) und des Codex ο (für Ὀρνιθοφθάλμιον).29 Und dem Text folgen fünfzehn Seiten (selbst verfasster) Scholien ἐκ παλαιῶν ὑπομνημάτων („aus alten Kommentaren“), wie Richter im (altgriechischen) Begleitbrief fingiert.30 In diesen werden nicht nur die Anspielungen erklärt (teils sogar mit mehreren Deutungen), sondern es wird auch genauestens geprüft, ob die in der Grußparabase verwendeten Ausdrücke bei Aristophanes selbst, dem Komödiendichter par exellence (ὁ Κωμικός), den anderen Dichtern der Alten Komödie oder sonstigen attischen Schriftstellern belegt sind. Daher findet sich in diesen Scholien sehr häufig die Abkürzung χ, die wohl für χρῆσις steht und einen auffälligen „Gebrauch“ signalisieren soll, d.h. Wörter, die nicht attisch sind oder nicht bei Aristophanes belegt sind. Nach Parabase und Scholien, die beide nur für Sprach- und Fachkundige verständlich und ergötzlich sein können, folgt eine deutsche Übersetzung „für die Bonnesierinnen“, d.h. für die des Griechischen nicht mächtigen Frauen.31 Diese in den Versmaßen des Originals und zusätzlich noch in Reimen abgefasste Übersetzung ist recht frei; leichter zu verstehen als das Original ist diese Übersetzung gleichwohl oft nicht. Trotz der launigen Anlage und Einkleidung hat Richters Grußparabase bei den Empfängern für Verstimmung gesorgt. Schuld war eine kurze Passage aus dem Pnigos; nicht weil Richter dort bei der Aufzählung verschiedener Bonner Philologen diese κριτικούς („Kritiker“) in einer höchst kühnen Metapher als ὄρχεις τῶν γραμματικῶν („Hoden der [antiken] Philologen“) bezeichnet hatte (V. 57); und auch nicht weil er die beiden „Kampfhähne“ Friedrich Ritschl und Otto Jahn erwähnte (V. 64–68) und damit in den Wunden des berüchtigten Bonner Philologenstreits rührte, der nicht nur die Universität Bonn, sondern auch das Königreich Preußen erschüttert hatte. Ursache war vielmehr, dass Richter die Bonner Theologen dort als ἱερῶν πάππους ψευδῶν ἀθέους apostrophierte (V. 60; „des 28 Also zu einer Zeit, als durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819 Studentenverbindungen eigentlich verboten waren und deren Verfolgung nach 1832 (Hambacher Fest) noch einmal zugenommen hatte. 29 RICHTER 1868a, 6. Beides sind sprechende Namen: Ὑπνο-χιτώνιον („Schlaf-gewand“) scheint mir darauf hindeuten zu wollen, dass dieser Parabasen-Gruß von Richter zu nächtlicher Schlafenszeit verfasst wurde, Ὀρνιθ-οφθάλμιον („Vogel-auge“) könnte auf eine Augenerkrankung (griech.: ἡ ὀφθαλμία) anspielen, die Richter explizit erwähnt (V. 19: τὸ μὲν ὄμμα τυφλός, „am Auge blind“), und als Wortspiel den Grauen Star bezeichnen. – Man darf in diesem textkritischen Apparat wohl auch eine ironische Replik Richters auf die Kritik an seinen Aristophanes-Editionen sehen: Diesmal brachte Richter tatsächlich Lesarten aus erster Hand bei. 30 RICHTER 1868a, 6. 31 RICHTER 1868a, 30. Möglicherweise hat Richter selbst damit gerechnet, dass auch männliche Rezipienten eher die Übersetzung als das altgriechische Original lesen würden, sei es aus Bequemlichkeit oder aufgrund fehlender Sprachkompetenz.

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frommen Betrugs frivole Papas“).32 In einem Artikel in der Berliner Vossischen Zeitung hat Richter selbst den weiteren Hergang geschildert und einen Brief von sich an den Bonner Rektor Sybel und dessen Antwort abgedruckt: Ein Professor der theologischen Fakultät hatte sich in einem Schreiben an den Senat über den genannten Vers beschwert; daraufhin fasste der Senat den Beschluss, die schon begonnene Verteilung der Grußparabase an die Bonner Professoren zu stoppen. Richter kommentiert dies mit verräterischer Ironie, der inkriminierte Vers sei gar nicht auf Theologen gemünzt.33 Und wenn er am Schluss seines Berichtes die Angelegenheit überraschenderweise als einen für sich und seine Grußadresse „keineswegs ungünstigen Vorfall“ bezeichnet,34 so liegt es nahe zu vermuten, dass Richter diesen Skandal möglicherweise bewusst herbeigeführt haben könnte.  3.2. Richters altgriechische Gelegenheitsgedichte 1870/71 Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 brachte eine Flut von patriotischen Gedichten und Liedern deutscher Dichter hervor. Auch Richter scheint sich auf diesem Feld betätigt zu haben. In einer Rezension seiner späteren „Ultramontanocommunisten“ heißt es: „Wir erinnern unsere Leser daran, daß Julius Richter in der Zeit des französischen Krieges in deutscher und griechischer Sprache in fliegenden Blättern und Zusendungen an Zeitungen manch gutes Wort in den Tornister des gebildeten Kriegers warf [...].“35 In den Bismarck zu dessen Geburtstag am 1. April 1871 zugeeigneten „Griechischen und lateinischen Liedern, theils Uebertragung, theils Original“36 hat Richter auch einen altgriechischen Hymnus auf Bismarck veröffentlicht, der auf den 17. Januar 1871, den Vortag der Kaiserkrönung in Versailles, datiert ist. Richter preist darin die Leistungen Bismarcks (und Kaiser Wilhelms) im

32 Das Scholion dazu zeigt sich unsicher, welche Priester damit gemeint sind, Hierokles aus dem „Frieden“, Diokles aus den „Vögeln“, „oder noch verkomm[enere] als diese (Textverlust)“: πάππους· πάλιν τὸ χ ὅτι ἄδηλον, πότερον τὸν ἐν Εἰρήνῃ Ἱεροκλέα ἢ τὸν ἐν Ὄρνισι Διοκλέα αἰνίττεται ἢ τούτων ἔτι μιαρ .... (λείπει) (RICHTER 1868a, 23 ad V. 60). 33 RICHTER 1868b, 4: „Es würde gar keine Mühe kosten, zu beweisen, daß mit diesem V. 60 Mythologen, welche heut zu Tage alle möglichen Elemente zu Göttern machen, oder Physiologen, die ja auch zum größten Theil Schöpfer und Vertheidiger des Pantheismus und des Atheismus sind, oder Historiker, die so oft Historie und Sage, und besonders im Dienste des Ultramontanismus vermengen, oder Philosophen, und diese vornehmlich gemeint seien. Und weil so viele darunter verstanden sein können, so denke ich, müßte der Parabasenprotestant, der weder Mytholog noch Physiolog noch Philosoph zu sein scheint, doch etwas schamroth werden, daß er sich durch den Protest gegen diesen unschuldigen Vers als einen solchen gekennzeichnet hat, der dem Inhalte desselben wohl entsprechen dürfte […].” 34 RICHTER 1868b, 4. Einen typographischen Fehler („keineswegs ungünstigen“ statt des näherliegenden „keineswegs günstigen“) glaube ich aufgrund von Richters hochmütigem Ton in diesem Artikel ausschließen zu können. 35 Anonymus 1873, 290. – Mir ist es nicht gelungen, diese Texte zu finden. 36 RICHTER 1871a. Offensichtlich sind dies die „Vierzehn griechische[n] Lieder. 1871.4“, die Pökel 1882, 226 aufführt.

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Krieg und bezeichnet Bismarck als „Architekten des neuen Deutschlands“ (ἀρχιτέκτῳν [sic] Τευτονίας νέας).37 3.3. Julius Richters altgriechische aristophanische Komödien Innerhalb von drei Jahren (1871 bis 1874) veröffentlichte Richter drei Komödien, in altgriechischer Sprache, jede über 1.400 Verse lang und zusätzlich mit einer Inhaltsangabe in antiker Manier (ὑπόθεσις) versehen. Zu deren Abfassung verschaffte ihm eine Augenkrankheit, die Richter schon 1869 zeitweise vom Unterrichten abgehalten hatte,38 Anlass und Zeit.39 Grund und Stoff für seine Dichtungen gab Richter die veränderte politische und gesellschaftliche Situation: In jeder der drei Komödien preist Richter zum einen den Sieg der Deutschen über die Franzosen und die Einigung des Reiches; zum anderen schmäht er Katholizismus, Materialismus und Kommunismus und zeigt sich besorgt über die mangelnde Vaterlandsliebe der neuen Staatbürger. Alle drei Stücke sind Erziehungskomödien, in denen fehlgeleitete Personen bekehrt werden. Dieser Typus findet sich auch bei Aristophanes mehrfach und wird Richter als ehemaligem Lehrer besonders entgegenkommen sein. 3.3.1. Ἶπες/„Das Ungeziefer“ (1871) Richters erste Komödie, nach dem Chor Ἶπες („Insekten“) benannt und von ihm selbst als „Das Ungeziefer“ betitelt, ist eine Komödie über Professoren und Studenten der Klassischen Philologie. Die Handlung fasst Richter in seiner Hypothesis folgendermaßen zusammen:40 Μαθηταί τινες περὶ ἧς παρὰ Κεφάλου καὶ Καρδαμούχου μανθάνουσι τέχνης διαλεγόμενοι γελοῖα πολλὰ καὶ αἰσρχὰ εἰς τοὺς διδασκάλους λέγουσιν. εἷς δ’ ἀπιὼν ὡς ἐποψόμενος ὅ τι ποιοῦσιν οἱ ἄνδρες, μετ’ οὐ πολὺ μετὰ δυοῖν κόραιν, ἤγουν Ῥεισκίας καὶ Δακηρίας ἐπανέρχεται. αὗται δὲ τὴν αὐτὴν τοῖς χορευταῖς φύσιν ἔχουσαι τὴν τοῦ χοροῦ πάροδον ἀπαγγέλλουσι. θορύβου δὲ περὶ τὸ φροντιστήριον γενομένου ἐξεγηγερμένοι παρέρχονται οἱ διδάσκαλοι. εἶτα μόγις καὶ μετὰ πολλῶν σκωμμάτων παρὰ τοῦ χοροῦ διδάσκονται ὅτι οὐδὲν οὔτε μεμαθήκασιν οὔτε μαθήσονται, πρὶν ἂν τἀν ᾅδου σαφῶς μάθωσιν. ἀποδειλιάσαντος τοίνυν τοῦ Καρδαμούχου τὸ τελευταῖον πεισθεὶς ὁ Κέφαλος εἰς ᾅδου τολμᾷ καταβαίνειν ἡγεμόσι χρώμενος Ῥεισκίᾳ καὶ Δακηρίᾳ· μετὰ δὲ τὴν τοῦ χοροῦ παράβασιν πάλιν εἰσέρχεται

37 RICHTER 1871a, 3. 38 Schulprogramm Friedrichs-Werdersches Gymnasium Berlin 1869, 34. 39 Bu. 1873, 339. RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 4 lässt einen „Vorreiter“ über sich sagen: „Da sitzt nun mein guter Herr und hat die Augen geschlossen, die armen Augen, die zu nichts mehr taugen, als etwa am hellen Tage auf offener Straße einem Rempler, der Berliner Spezialität, aus dem Wege zu gehen. Wenn er sie geschlossen hält, dann macht er Verse, und es dauert nicht lange, so ruft er mich, daß ich sie niederschreibe“. 40 RICHTER 1871b (Ἶπες), V (Übers.: M. Holtermann). Eine ausführliche Inhaltszusammenfassung, auch der zwei anderen Komödien, bei Süß 1911, 166–174.

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μονωθεὶς μὲν διδαχθεὶς δὲ τἀληθῆ τε καὶ τὰ πάντα σώφρων γενόμενος, ὥστε τῆς σκηνῆς ἐξέρχεται ὡς νικητής τις, τῶν πρόσθεν ἑταίρων τῇ μωρίᾳ ἐμμενόντων. „Ein paar Studenten unterhalten sich über die Wissenschaft, die sie von Kephalos und Kardamuchos lernen, und sagen dabei viele spöttische und schändliche Dinge gegen ihre Lehrer. Der eine von ihnen geht weg um nachzuschauen, was die Männer machen, und kommt kurz darauf mit zwei Mädchen zurück, nämlich Reiskia und Dakeria. Diese haben dieselbe Gestalt wie die Choreuten und künden den Einzug des Chores an. Vom Lärm um ihre Denkerwerkstatt herum aufgeweckt treten die beiden Lehrer auf. Im Anschluss belehrt sie der Chor mühsam und mit vielen Späßen, dass sie weder bisher etwas verstanden haben noch in Zukunft verstehen werden, bis sie die Unterwelt kennengelernt haben. Während sich nun Kardamuchos ängstlich verkriecht, lässt sich Kephalos bewegen und wagt unter Führung von Reiskia und Dakeria den Abstieg in den Hades. Nach der Parabase des Chores tritt er ohne diese auf, ist aber über die Wahrheit aufgeklärt und in jeder Hinsicht vernünftig geworden; daher verlässt er die Bühne gewissermaßen als Sieger, während seine früheren Gefährten in ihrer Verblendung verbleiben.“

Die zwei namenlosen Studenten lernen bei ihren Professoren philologische Textkritik, die darin besteht, Verse zu zählen und textkritisch zu „beißen“. Ῥεισκία und Δακηρία sind die Philologinnen Ernestine Reiske und Anne Dacier, die – in Gestalt von Maden – aus der Unterwelt gekommen sind, um „die Tätigkeiten der Philologen in Augenschein zu nehmen“ (V. 102: ἐποψόμεναι τὰς φιλολογούντων διατριβάς). Eine Prüfung, was Κέφαλος („Kopf“, d.h. Moriz Haupt) über den unsterblichen Homer weiß, führt zum Thema der Unsterblichkeit. Kephalos möchte wissen, ob die Seele unsterblich ist – und ob es Philologen gibt, die klüger als er sind (V. 587–588). Dazu ist der Gang in den Hades nötig. In der Parabase kommt Richter erneut auf den Bonner Jubiläumsskandal von 1868 zu sprechen (V. 704–767). Er meint, er dürfe den Bonnern gerechterweise Vorwürfe für ihre Empörung machen; mit demselben Recht habe Aristophanes sein Publikum in den „Wolken“ dafür getadelt, dass sie seine neue Komödie durchfallen ließen (V. 730–777). Richter sieht hinter der Ablehnung seiner Grußparabase den Einfluss der „Pfaffen“. Nach der Parabase kehrt Kephalos zurück und berichtet, wie er in den Hades hinabgestiegen ist, nämlich durch den Schlund eines fetten, schlafenden Pfaffen. Doch dort habe er zunächst nichts gesehen, denn die Unterwelt sei eine Erfindung der Pfaffen, wie die Stimme eines Unsichtbaren Kephalos erklärt. Erst als Kephalos einschläft, sieht er im Traum die großen Dichter und Philosophen der Antike, bekehrte Textkritiker sowie moderne Geistesgrößen wie Luther, Kant und Goethe; Perikles lässt Bismarck grüßen, ein Chor singt „Die Wacht am Rhein“. Als Kephalos sieht, wie sich Unterweltsungeheuer nähern, erwacht er – der Chor bezeichnet konsequenterweise die ganze Hadesfahrt als Traum (V. 1338). Zwar ist Kephalos bekehrt, doch gelingt es ihm nicht, seinerseits Kardamuchos und seine Studenten davon abzubringen, weiter Verse zu zählen und Homer für einen nichtigen Schatten zu halten.

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3.3.2. Χελιδόνες/„Die Ultramontanocommunisten“ (1873) In den „Ultramontanocommunisten“ bzw. „Schwalben“ (Χελιδόνες) finden wir eine komödientypische Vater-Sohn-Konstellation, die auch Aristophanes mehrfach verwendete („Daitales“, „Wolken“, „Wespen“). Der Vater Pausias trägt den sprechenden Namen „Beender“ und hat zwei Söhne, Pheidias und Hippias. Wie Strepsiades in Aristophanes’ „Wolken“ seinen Sohn Pheidippides von der Pferdeliebhaberei, so will der staats- und vaterlandstreue Bürger Pausias seinen Sohn Hippias vom Hang zum Kommunismus, seinen Sohn Pheidias von der Vorliebe für den Ultramontanismus abbringen. In Anwendung einer Art allopathischer Methode wird dazu der Kommunistenfreund Hippias in die Lehre des „erzpfäffischen Pisias“ gegeben, während der katholizistische Pheidias bei dem Kommunisten Knakias kuriert werden soll. Nach Richters Überzeugung stehen sich Kommunisten und Ultramontane in der Verachtung des Vaterlandes und der Schädlichkeit für Staat und Gesellschaft in nichts nach. In der Fiktion der Komödie heben sich nun die beiden negativen Extreme gegenseitig auf: Durch die Konfrontation mit den Lehrern der jeweiligen Gegenpartei werden die beiden verirrten Jünglinge zum positiven Ideal des treuen, patriotischen Staatsbürgers bekehrt. Die beiden Lehrer werden, als sie kommen, um ihr Lehrhonorar einzufordern, von Pausias vertrieben. 3.3.3. Κόκκυγες/„Die Gründer“ (1874) In den „Gründern“, deren Chor von Kuckucken (Κόκκυγες) gebildet wird, wendet sich Richter gegen den Materialismus der Gründerzeit. Hauptperson ist Chrysalopex („Gold-“ bzw. „Geldfuchs“), der als Börsianer mit Aktien handelt und jeden übers Ohr haut. Sogar seine Tochter hat er nach dem benannt, was ihm am liebsten ist: Sie heißt Chrysion („Goldstück“), ist aber trotz ihres Namens von der Gier nach Geld unberührt. Chrysion wird von dem Jüngling Philostratos geliebt. Beide eint die Begeisterung für die Antike und der Glaube, dass nur die humanistische Bildung den Übeln der Gegenwart abhelfen kann. Weil Philostratos Chrysion zur Frau gewinnen will, verstellt er sich als Hyperbörsianer. Es handelt sich also um eine typische Intrigen-Handlung mit dem Ziel der moralischen Besserung der Hauptperson: Am Ende fügt sich Chrysalopex notgedrungen und stimmt der Heirat zu. Vorher tritt ein bunter Reigen Betrogener auf, die alle von dem Gründer und Börsianer Chrysalopex schroff abgewiesen werden. Doch es ist nicht so, wie es scheint: Es war eine von Philostratos inszenierte Maskerade, alle Personen wurden von den bisher bekannten Charakteren aus dem familiären Umfeld des Chrysalopex gespielt. Ähnlich war die Katabasis des Kephalos im „Ungeziefer“ nur ein Traum. Mit Intrige und Maskerade bedient sich Richter typischer Formen der Neuen Komödie, die er im Vorwort zu den „Ultramontanokommunisten“ noch abgelehnt hatte: „keine Intrigue, kein Tartüffe, keine Liebesscene, o Jammer! und keine

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Entführung, kein Treubruch.“41 Ebenfalls eher typisch für die Neue Komödie ist auch das Ende: Philostratos und Chrysion, die beiden Liebenden, heiraten; der Chor der Kuckucke singt das Hochzeitslied für sie. 3.4. Aristophanisches bei Richter Die Personen in Richters Stücken tragen wie oft bei Aristophanes sprechende Namen. Die Chöre sind ausnahmslos Tierchöre, wie sie auch Aristophanes in seinen „Wespen“, „Vögeln“ und „Fröschen“ auf die Bühne brachte, und stehen wie dort in Beziehung zum Thema des jeweiligen Stückes.42 Richter adaptiert auch konkrete aristophanische Einzelszenen für seine Komödien.43 Umfassend beherrscht Richter die formalen Register der Alten Komödie: Sprache, Stil, Metrik und Bauformen (z.B. Parabase).44 Begreiflicherweise sucht er engen Anschluss an Aristophanes, von dem er viele Zitate oder Zitatbrocken sowie Metaphern und Wortprägungen entlehnt. Übernahmen lassen sich insbesondere aus den „Wespen“ und dem „Frieden“ feststellen, also aus den Stücken, die Richter selbst wissenschaftlich kommentiert hatte. Darüber hinaus sind Richters eigene Wortschöpfungen bemerkenswert: „Der verf. besitzt ein staunenswerthes geschick,

41 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 5. Dies wird auch in einer zeitgenössischen Rezension positiv herausgehoben, siehe Bu. 1874, 672: „An dichterischem Werthe, an Tüchtigkeit der Gesinnung, an Reinheit und Gewandtheit der Sprache und des Versbaus ist die neue Komödie ihren Vorgängerinnen durchaus ebenbürtig; sie unterscheidet sich aber von ihnen – und zwar nach unserem Geschmacke durchaus nicht zu ihrem Nachtheile – dadurch, daß der Dichter hier ein Liebesverhältniß als Hauptmotiv der Handlung benutzt hat“. 42 Die Insekten der Ἶπες-Komödie sind aus der Erde aufgestiegen, um nachzusehen, warum ihre menschliche Nahrungsgrundlage ausbleibt (so die Toten für die Maden, Behaarte für die Läuse: RICHTER 1871b [Ἶπες], V. 160–163). Die Schwalben in den Χελιδόνες ähneln in ihrem schwarzen (Kostüm-)Federkleid dem Aufzug von Mönchen (RICHTER 1873a [Χελιδόνες], V. 172f.), die in dieser Komödie angegriffen werden. Die Kuckucke der Κόκκυγες sind als Schmarotzer und Verdränger besonders geeignet, Schurken ausfindig zu machen und zu bestrafen. – RICHTER 1871b (Ἶπες), V. 437–442 äußert sich selbst zu der Frage der Tierchöre. 43 Ähnlich wie die „Ritter“ beginnt „Das Ungeziefer“ mit dem Gespräch zweier untergeordneter Personen (hier Studenten), die aus dem Haus stürzen und das Leid, das sie zu ertragen haben, beklagen. Die Konstellation der „Wolken“, in denen ein Vater seinen Sohn ausbilden lassen will, um ihn von seiner unheilvollen Leidenschaft zu kurieren, ist in den „Ultramontanocommunisten“ gedoppelt: Zwei Söhne werden in zwei verschiedene Denkerschulen geschickt. Und in den „Gründern“ wird gleich zu Beginn der Monolog an die Lampe aus dem Anfang der „Ekklesiazusen“ aufgegriffen. 44 Ein sogenannter epirrhematischer Agon findet sich in Richters Komödien nicht, denn dieser wurde erst 1885 von Thadeusz Zielinski als eigenständige Struktur erkannt.

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die modernsten gedanken in correctem und elegantem griechisch wiederzugeben“, heißt es schon in einer Rezension.45 Auch Paratragodisches findet sich bei Richter.46 Wie bei Aristophanes drehen sich auch Richters Komödien um aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft. Richter thematisiert vor allem den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, den „Kulturkampf“ des preußischen Staates bzw. Deutschen Reiches gegen den Katholizismus (Zentrum, Ultramontanismus), Sozialismus, Kommunismus und Frauenemanzipation sowie das Spekulantentum der Gründerzeit.47 Besonders auffallend und in allen Stücken vertreten ist die „Pfaffenhatz“. Richter zieht eine gewagte Verbindungslinie vom antiken Rom und seiner Sprache Latein, die von der katholischen Kirche als Geheim- und Machtsprache weitergeführt wurde,48 über die „Welschen“, das katholische Frankreich, hin zum Ultramontanismus. Regelmäßig finden sich in Richters Stücken Ausfälle gegen die „Pfaffen“ (πάπποι) und ihren ἀρχίπαππος, den Papst, meist ohne erkennbare Motivation und immer ohne Namensnennung. Eigenschaften, die Richter mit den „Pfaffen“ assoziiert, sind Lüge, Betrug, Schmutz, Kot, Dunkelheit (σκότος), Schwärze, Kahlköpfigkeit und Fettleibigkeit. Manches scheint Richter in dieser Hinsicht auch aus dem satirischen Arsenal Heinrich Heines entlehnt zu haben,49 von dem er ja auch lyrische Gedichte ins Altgriechische übersetzt hat.50 Ähnlich pauschal wie den Katholizismus und Ultramontanismus schmäht Richter auch Kommunismus und Sozialismus, die er nur als bloßen Diebstahl und kosmopolitische Gefahr für den Nationalstaat sieht;51 er zeigt kein Verständnis für

45 Muff 1874, 467. So tritt Kephalos im „Ungeziefer“ mit ἀκόντιον („Wurfspieß“), λήκυθος („Fläschchen“) und ζωμὸς μέλας Λακώνων („schwarze Spartanersuppe“) bewaffnet auf, d.h. mit Griffel, Tintenfass und schwarzer Tinte (V. 319f.). In den Χελιδόνες stehen sich einerseits τὸ ὑπερορεινόν („der Ultramontanismus“, V. 116) mit dem ἀρχίπαππος („Papst“, V. 359) an der Spitze und andererseits ἡ κοινωνία bzw. ἡ κοινοβιωτική („der Kommunismus“, V. 36,V. 584), die mit der κοσμοπολιτεία („Weltbürgertum“, V. 121) und dem κλεπτικόν („Diebsgesindel“, V. 292) gleichgesetzt werden, in nichts nach, was ihre Vaterlandslosigkeit betrifft; beide Gruppen werden daher auch mit einem Namen als παππικοκλεπτοπολῖται (V. 770), als „Pfaffenklaubürger“ oder eben „Ultramontanokommunisten“, zusammengefasst. Die Gründer in den „Gründern“ heißen passend οἱ κτισταί, die Börsianer handeln mit ἀκτία (V. 842) usw. 46 Neben dem für die Tragödie typischen dorischen α lässt Richter zu lustigen Zwecken Kardamuchos noch Verse aus Tragödien von Euripides und Sophokles zitieren (RICHTER 1871b [Ἶπες], V. 268–282). Paratragodie in Form von altgriechischen Tragödienzitaten verwendet auch Robert Prutz in seiner „Politischen Wochenstube“ (1844, siehe Holtermann 2004, 161), aber dies scheint eher eine unabhängig voneinander erfolgte Aktivierung eines für die Alte Komödie prägenden Gestaltungsmittel als eine Bezugnahme Richters auf Prutz. 47 Dazu Kloft 1995, 356–359 und Holtermann 2004, 232–239. 48 Vgl. RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 8. 49 Man vergleiche z.B. aus Heines Schrift „Über Ludwig Börne“ (1840), Buch 4: „Pfaffen haben kein Vaterland, sie haben nur einen Vater, einen Papa, in Rom“ (zitiert nach: H. Heine, Sämtliche Schriften, hg. v. K. Briegleb, Bd. 4, München 21978, 112). 50 RICHTER 1870, 28 („Du bist wie eine Blume“); RICHTER 1871a, 6 („Lied von der Loreley“). 9 („Du hast Diamanten und Perlen“). 51 Z.B. RICHTER 1873a (Χελιδόνες), V. 1155. 1190f.

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die gesellschaftlichen Entwicklungen, die zu diesen politischen Strömungen geführt haben. Es fällt auf, dass Richter in seinen gesellschaftspolitischen Angriffen praktisch gar nicht auf themenverwandte Stücke des Aristophanes zurückgreift, auch da, wo das nahegelegen hätte, wie im Fall der „Ekklesiazusen“ (Kommunismus), der „Lysistrata“ (Frauenfrage) oder des „Plutos“ (Reichtum und Armut).52 Dass Richter bei aller formalen Anlehnung an Aristophanes eine klare Trennlinie zwischen Gegenwart und Antike zieht,53 ließe sich damit erklären, dass „er in der Antike ein von modernen Erscheinungen wie Kommunismus, Kapitalismus und Ultramontanismus unbeflecktes Ideal erblickt.“54 Richter erwähnt zahlreiche Personen der Zeitgeschichte (Bismarck, Kaiser Wilhelm) sowie Dichter (Goethe, Schiller, Lessing) und Gelehrte (Darwin). Es fehlt aber die direkte Personalsatire, das für die Alte Komödie so charakteristische ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν: Es finden sich keine direkten oder versteckten Anspielungen auf z.B. sozialdemokratische Politiker, Großindustrielle, Börsenmakler oder Kleriker. Als einzige auf Anhieb zu identifizierende lebende Person steht nur Κέφαλος alias Moriz Haupt auf der Bühne; ansonsten handelt es sich um Typen oder Klischees. Im Vorwort zu den „Ultramontanokommunisten“ erklärt Richter dies als bewusste Entscheidung: Zur Abfassung dieser Komödie habe ihn Hass gegen Ultramontanismus und Kommunismus bewogen, „ein gerechter Haß gegen die ungerechte Sache, nicht gegen das Individuum, das wohl selbst nicht weiß, was es thut, und von seinen Mitbürgern auf friedliche und freundliche Weise d.h. auf gesetzlichem Wege und von Staatswegen zum Bessern vermahnt werden muß.“55 Instruktiv ist der Vergleich mit den gar nicht so wenigen deutschen aristophanischen Komödien, die im 19. Jahrhundert verfasst wurden.56 Hier findet sich

52 In den 1890er Jahren versuchte man dagegen in der Wissenschaft, in der Schule und sogar auf der Bühne Aristophanes explizit als Mitstreiter im Kampf gegen Kommunismus, Sozialismus und Frauenemanzipation zu aktivieren (siehe Kloft 1995, 354–356. 360 sowie Holtermann 2004, 246–265). Kapitalismus, Sozialismus und Katholizismus sind Themen in Josef Ruedigers Komödie „Wolkenkuckucksheim“ (publiziert 1909), die 1908 Gegenstand eines beträchtlichen Münchner Theater-Skandals war. 53 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 3 betont, „daß die Form uralt, der Inhalt vom neusten Datum ist“. 54 Holtermann 2004, 239 mit Beleg aus RICHTER 1873a (Χελιδόνες), V. 297 οὐχ Ἑλλὰς οὐ Ῥώμη κακοῖν ἀκηκόασι τούτοιν (RICHTER 1873b [Ultramontanokommunisten], 26 V. 297: „Nicht Hellas, nicht das alte Rom litt je von diesen Uebeln.“). 55 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 5. Vielleicht reagierte Richter mit dieser Entscheidung auch auf die harsche Kritik an seiner Personalsatire im „Ungeziefer“, wie sie die Rezension von Muff 1873, 425 dokumentiert: „Denn was auch der geehrte Aristophanide nachträglich sagen mag, um die allzuscharfen stacheln seines ‚Ungeziefers‘ abzustumpfen, es bleibt doch dabei, sie haben schwer verletzt und dadurch der wirkung des ganzen entschieden eintrag gethan“. 56 Richter kennt von diesen mindestens Ludwig Tiecks „Gestiefelten Kater“ (1797) sowie von August von Platen die „Verhängnißvolle Gabel“ (1826) und den „Romantischen Oedipus“ (1829), die RICHTER 1845, 44 nennt.

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durchaus Personalsatire gegen konkrete Persönlichkeiten,57 wenn auch im zeitbedingt geringeren Maße als bei Aristophanes. Richter ist hier noch zurückhaltender, und auch sonst scheint er sich an den Komödien deutscher Aristophaniden nicht orientiert zu haben, obwohl diese sowohl für politische Satire als auch für Satire über Gelehrte entsprechende Vorlagen geliefert haben. Hier hätten sich Anknüpfungspunkte sowohl für Anlehnung wie auch Absetzung gefunden. In diesen in der gebildeten Öffentlichkeit durchaus präsenten literarischen Diskurs schreibt sich Richter also nicht ein. Was die Handlungsgestaltung betrifft, so hält Richter im Anschluss an Aristoteles Zeit und Raum streng ein: es gibt keine Sprünge, keine abrupten Wechsel.58 Daher erklärt sich vielleicht auch, dass die Katabasis des Kephalos in den Ἶπες nicht gezeigt, sondern nur berichtet und obendrein als bloße Traumfahrt ausgewiesen wird. Das Bühnengeschehen ist ausgesprochen handlungsarm; Gewalt wird meist nur angedroht oder angedeutet, Bühnenmaschinerie oder Requisiten werden nur ganz vereinzelt eingesetzt.59 So handelt es sich bei Richters Komödien weitgehend um Konversationsdramen. Das schlägt sich im „Ungeziefer“ z.B. darin nieder, dass angefangene Redefäden ständig durch ein „genug damit“ (ἅλις) abgebrochen werden. Die Handlungsarmut ließe sich leicht als mangelnde dramaturgische Begabung Richters abtun, ist aber im Kontext der AristophanesRezeption der Zeit zu sehen: Es gab von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen keine Aristophanes-Aufführungen,60 die direkte Erfahrung als Bühnenstücke fehlte also völlig. Richters Komödien sind Lesedramen und schwerlich mit Blick auf Aufführung konzipiert.61 Auch die Anreden an die Zuschauer und Anspielungen auf den (antiken) Aufführungskontext sind lediglich der Aristophanes-imitatio geschuldet.62

57 Siehe Holtermann 2004, 125–127 (L. Tieck, Fr. Rückert), 130–139 (A. von Platen, H. Heine), 145 (M. Rapp, „Wolkenzug“), 162f. (R. Prutz, „Die politische Wochenstube“), 166 (K.H. Keck, „Die Kaiserwahl zu Frankfurt“); gegenläufige Tendenzen: ebd. 150f. (K. Goedeke, „König Kodros“), 155 (Hegel), 158 (H. Hoffmann, „Die Mondzügler“), 164 (O. Seemann/A. Dulk, „Die Wände“). 58 Vgl. RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 5: „Zeit und Ort der Handlung sind nach aristotelischen Gesetzen zurechtgeschnitten“. 59 Einsatz von Bühnenmaschinen denkbar für RICHTER 1871b (Ἶπες), V. 897 („Herausrollen“), von Requisiten vielleicht in RICHTER 1873a (Χελιδόνες), V. 1369–1380. 60 Goethes „Vögel“ 1780 in Weimar; Aristophanes‘ „Frösche“ 1844 in der Berliner Singakademie. 61 Nicht unerwähnt bleiben soll dennoch der Versuch einer szenischen Aufführung der Ἶπες durch Studierende und Mitarbeiter der Bergischen Universität im Rahmen der Wuppertaler Tagung am 20. November 2015 und die Wiederholung an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 26. Februar 2016. 62 So werden im „Ungeziefer“ die Zuschauer von den Charakteren direkt angesprochen (RICHTER 1871b [Ἶπες], V. 38f.), der Chor beklagt sich, vom Regisseur keine weitere Strophe für ein Chorlied erhalten zu haben (V. 265), und am Ende spielt Richter mit τήνελλα καλλίνικε (etwa: „Ein Hoch auf den Sieger!“) auf das Urteil der Zuschauer im Dramenwettkampf an (V. 1410–1415).

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Ein Aspekt der Nachahmung, bei dem sich Richter besonders eng an Aristophanes angelehnt hat, wurde ihm in einer Rezension des „Ungeziefers“ gleichwohl übel genommen: Wie bei Aristophanes findet sich in dieser Komödie die ganze Bandbreite obszöner Witze über Geschlechtsorgane, Geschlechtsverkehr, auch analer Art, und Exkremente.63 In der Übersetzung seiner zweiten Komödie weist Richter selbst auf die ungewöhnliche Freizügigkeit hin,64 obwohl diese und die folgende Komödie in dieser Hinsicht wesentlich zurückhaltender sind. Dass ihm dieser Aspekt nicht unwichtig war, hatten schon seine entsprechenden Äußerungen in der „Würdigung der Aristophanischen Komödie“ von 1845 gezeigt. 4. WARUM HAT RICHTER AUF ALTGRIECHISCH GEDICHTET? Richter war sich bewusst, dass als Publikum seiner Komödien durch die Wahl der altgriechischen Sprache nur ein sehr eingeschränkter Leserkreis angesprochen werden konnte: „Muß der Patriot nicht in seiner Muttersprache reden?“65 Für Richters Entscheidung, altgriechisch zu dichten, lassen sich mehrere Erklärungen finden. Richter selbst rechtfertigt sich zum einen mit persönlicher Vorliebe: Er, der Verfasser, „liebt es nun einmal so, griechisch zu singen, und denkt, daß ein patriotisches Lied dem Eingeweihten in jeder Sprache willkommen ist, wenn es auch nur in der Muttersprache Allen das Herz bewegen kann.“66 Zum anderen müsse, nachdem Deutschland durch den Sieg über Frankreich und die Reichseinigung in den Kreis der Weltmächte aufgestiegen sei, auch das Deutsche zur Weltsprache werden; das werde aber nur durch eine Orientierung an den Griechen und ihrer Sprache gelingen.67 Damit greift Richter ein altes Argument des Neuhumanismus auf.68 Wenn denn Griechenland und das Griechische das nicht zu überbietende Ideal sind, so ist Richters Wahl des Altgriechischen als Sprache für seine Gegenwartskomödien zwingend. Eine weitere Begründung für Richters Sprachwahl lässt sich aus der Philologieund Philologensatire in seinen Texten gewinnen. In Ansätzen schon im „Gruß an die Universität Bonn“, als handlungstragendes Sujet in seinem „Ungeziefer“ und 63 Muff 1871, 555: „[...] Der lascive, ja cynische ton, den er öfters anzuschlagen sich nicht entblödet, kann unmöglich gutgeheissen werden. War es nicht genug, dass Krites [κριτής = „Richter“] gleichwie Aristophanes ein Grazienliebling zu werden sich bestrebte, musste er es auch in frivoler obscönität seinem vorgänger gleichzuthun versuchen, damit er ja auch der ehre theilhaftig würde – wir brauchen den mildesten ausdruck – grazienschlingel zu heissen?“ Süß 1911, 166 spricht dagegen aus der Rückschau „von wünschenswertester Obszönität“. 64 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 3: „[...] Das Publikum wird sich wundern über die unverhüllte Natürlichkeit“. 65 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 7. 66 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 4. 67 RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 7f.: „Wenn die deutsche Sprache zur Weltsprache werden soll – das deutsche Schwert hat seine Schuldigkeit gethan – so muß ihr die deutsche Schule dazu mithelfen. Die Schule muß umkehren zum Urquell der Humanität, zum Griechenthum als dem Urquell jeglicher Gedanken- und Formschönheit“. 68 Landfester 1988, 86–88.

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noch in einer Szene der „Gründer“ parodiert Richter seine eigene Profession, die Klassische Philologie, und deren Vertreter. Von dieser Stoßrichtung her lässt sich auch verstehen, dass er dies auf Altgriechisch tut: Indem Richter seine fachliche Kompetenz durch das Verfassen altgriechischer Texte (einschließlich philologischen Beiwerkes in Form von Hypotheseis, kritischem Apparat und Scholien) unter Beweis stellt, schützt er sich vor dem Vorwurf, dass seine Kritik von einem Unwürdigen oder gar Außenseiter komme. Dazu zwei Parallelfälle: Vielleicht ist es kein Zufall, dass die erste bezeugte Kritik an dem spezifischen Treiben von Philologen selbst von einem Philologen stammt: Der pergamenische Philologe Herodikos aus Babylon macht sich über die alexandrinischen Aristarch-Nachfolger lustig, „die sich mit nichts als mit winzigen vertrackten Partikelchen, σφιν, σφῳν, μιν, νιν zu schaffen machen“.69 Und Ludwig Hatvany schiebt in seine Philologensatire „Die Wissenschaft des nicht Wissenswerten“ einmal explizit die Bemerkung ein: „Ich muß zeigen, daß ich nicht umsonst Philologe bin und auf die Originalquellen zurückzugehen vermag.“70 Zugleich erhöht Richter mit der Wahl des Altgriechischen das Vergnügen für seine Fachgenossen, die ihre philologischen Fähigkeiten an Textformen ausüben konnten, die ihren gewohnten Forschungsgegenständen maximal ähnlich sind. Der gleiche ironische Selbstbezug eignet auch einer etwas späteren altgriechischen Philologensatire, dem „31. Charakter Theophrasts“ mit dem Titel ΦΙΛΟΛΟΓΙΑΣ. Dieser 1897 von einer Gruppe von Philologen verfasste Text ist zweifach typisch philologischen Praktiken eingeschrieben: Zum einen handelt es sich um eine (lose) Beilage zu einer textkritischen und kommentierten Ausgabe mit Übersetzung von Theophrast „Charakteren“;71 zum anderen ist diese Ausgabe selbst als „Festgabe an 69 Kassel 1973, 8 zu Herodikos fr. 494 SH = fr. 1 Broggiato (aus Athen. 5, 222a). Dass Kassel – ganz unphilologisch – weder Herodikos’ Namen nennt noch die Fundstelle angibt, mag noch dem ursprünglichen Zweck seiner Publikation geschuldet sein, die eine Jahresgabe für die „Autoren und Freunde“ des Verlages de Gruyter „zum Jahreswechsel 1973/74“ war. Was aber ist davon zu halten, dass der Herausgeber von Kassels „Kleinen Schriften“ für den Wiederabdruck dieser kleinen Schrift die Quellenangaben nicht nachträgt? Liegt vielleicht auch in dieser Entscheidung ein selbstironischer Spott über den philologischen Zwang ad fontes? 70 Hatvany 21911, 18. 71 Abgedruckt (mit hinzugefügter Übersetzung) in Bartels 1968, 26–29. – Die Tatsache, dass die Beilage nur beigelegt, aber wohl nicht beigebunden war, ist wohl Ursache dafür, dass ich das Original noch nie gesehen habe; die Beilage war in keiner der von mir eingesehenen Ausgaben vorhanden. Der Text war von einem erfundenen Vasenbild begleitet, in dem eine nackte Frauengestalt als Verkörperung des ΒΙΟΣ einen bebrillten Philologen, der vor seinen ΓΡΑΜΜΑΤΑ sitzt, eine lange Nase macht. Das Bild ist auf dem Titelblatt eines Zweitdrucks von 1959 abgedruckt, conventui philologorum dedicatum a philologis Klettianis, der zur Tagung des Deutschen Altphilologenverbandes im Mai 1959 in Stuttgart verteilt wurde. Darin ist auch das ursprüngliche Vorwort enthalten: „Unsere Arbeit war zu Ende, die Exemplare lagen fertig vor uns, da warf uns das Glück noch einen Fund von seltener Bedeutung in den Schoss. Unter den noch wenig beachteten Schätzen des ägyptischen Museums zu Plagwitz entdeckten wir auf einigen unscheinbaren Papyrusfetzen, die sich – ein seltener Glücksfall – lückenlos zusammenpassen liessen, den XXXI. Charakter des Theophrast. Die Ueberlieferung ist vorzüglich; nur einige leichte, offenkundige Schreibfehler haben wir stillschweigend berichtigt; die Schriftzeichen weisen in das dritte vorchristliche Jahrhundert. Von dem Wunsche geleitet, unsern Fund

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die 44. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Dresden 1897“ erschienen. Damit ist der Adressatenkreis von vornherein klar bestimmt. Der kurze Text zeichnet ein amüsantes und wohl kaum schmerzhaftes Bild des Philologen, wie man es auch aus anderen Philologensatiren früherer und späterer Zeit kennt:72 Der Philologe hat sich ganz dem Alten verschrieben und will von seiner Gegenwart nichts wissen; am besten gefallen ihm verstümmelte oder verderbte Texte, an denen er seine Konjekturalkritik ausleben kann – Ähnliches hebt auch Richter hervor. Wenn an einer Stelle des fiktiven Theophrast-Textes eine (Marginal-)Glosse verzeichnet ist, dann findet das seine Parallele in den Lesarten und Scholien, die Richter seinem „Gruß an die Universität Bonn“ hinzufügt. Und auch seinen Komödien hat Richter mit Hypotheseis ein Beiwerk mitgegeben, das Philologen von Profession besonders interessiert: Nach Art der alexandrinischen Philologen fasst er den Inhalt zusammen, gibt Informationen zur Szene, den Schauspielern und dem Chor, nennt das Aufführungsdatum sowie den erzielten Rang und gibt abschließend eine ästhetische Bewertung sowie eine Einschätzung zur Echtheit.73 5. RICHTERS SATIRE AUF PHILOLOGEN UND DEN PHILOLOGISCHEN BETRIEB Die philologische Praxis der Textkritik parodiert Richter im „Ungeziefer“ zum einen durch Verweise auf das „Beißen“ und Zählen von Versen, das schon in der Bezeichnung der Philologen-Werkstatt als ἀριθμο-φροντιστήριον („Zähldenkerbude“) anklingt. Hintergrund ist die Theorie von Karl Lachmann (1793– 1851), der im Stück gräzisiert als Γελάσανδρος erwähnt wird (V. 75, 495),74 dass in griechischen Tragödien die Anzahl der Verse in Chorpartien und Reden immer durch sieben teilbar sei. Richter selbst hatte sich in seiner Schrift „Die Vertheilung der Rollen unter die Schauspieler der griechischen Tragödie“ ausführlich und bereits spöttisch mit dieser Theorie auseinandergesetzt.75 Kritik an der Fixierung der Philologen auf Textkritik übt Richter außerdem noch in einer Szene, als Kephalos das Odyssee-Proöm nicht aufsagen kann,

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sofort der XLIV. Philologenversammlung vorzulegen, verzichten wir auf einen Kommentar. Auch ohne diesen wird die textkritische und kulturgeschichtliche Bedeutung der unschätzbaren Urkunde in die Augen springen. Das Bild, das wir beigegeben haben, befindet sich auf einer noch unpublizierten griechischen Vase, die uns von befreundeter Seite zu diesem Zwecke überlassen worden ist. – Leipzig, den 28. September 1897“. Košenina 2003, 224–234. Scholien oder einen textkritischen Apparat hat Richter zu seinen Komödien anders als für seinen „Gruß an die Universität Bonn“ nicht verfasst. Nur der deutschen Übersetzung der „Ultramontanokommunisten“ sind erklärende „Glossen“ auf Deutsch beigegeben: RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten), 80–84. Diese Übersetzung von Lachmanns Namen ins Griechische war 1839 in der Berliner „Griechischen Gesellschaft“ entstanden, der Lachmann selber angehörte (Hertz 1851, 212; Hinweis Stefan Weise). Vgl. die Bezeichnung Λύκος und in amüsanter Zusammenziehung Φαλύκος für F.A. Wolf in RICHTER 1871b (Ἶπες), V. 494. 1297. RICHTER 1842, V–XVI (Hinweis von Stefan Weise).

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πολύτροπος fälschlich für ein Hapax legomenon hält, dafür πολύπλανος konjizieren oder noch lieber gleich das ganze Proöm als unecht athetieren möchte (V. 504– 508). Und im Ilias-Proöm hält er es für einen Fehler, dass die Muse als Göttin (θεά) bezeichnet wird (V. 515–518). Als primäre Spottopfer im „Ungeziefer“ bringt Richter die beiden Hauptpersonen auf die Bühne, Kephalos und Kardamuchos. Mit Κέφαλος ist ohne Zweifel Moriz Haupt (1808–1874) gemeint,76 dessen Name sich trefflich gräzisieren ließ. Moriz Haupt war zusammen mit Karl Lachmann, dessen Freund und Nachfolger an der Berliner Universität er war, einer der herausragenden Repräsentanten der primär textkritischen Richtung der Philologie,77 deren Auswüchse Richter kritisieren will. Ein Student Haupts beschrieb dessen Seminare aus eigener Anschauung folgendermaßen: „Die Texteskritik, die Widerlegung überflüssiger Konjekturen und übereilter Athetesen, die streitenden Meinungen der Gelehrten über die vorliegende Stelle, das war es, was uns vorwiegend beschäftigte. Eine geringfügige Einzelheit hielt uns oft eine ganze Stunde lang fest.“78 Außerdem war Haupt für seine kritischen, „bissigen“ Auseinandersetzungen mit anderen Philologen berühmt-berüchtigt und verkörpert damit exemplarisch die hündische Streitsucht der Philologen, wie sie Richter in seiner Komödie anprangert.79 Der Name Καρδαμοῦχος verweist auf den Ausdruck βλέπων κάρδαμα, „sauertöpfisch dreinblickend“, den auch Aristophanes verwendet (Ar. V. 455). Mit diesem Ausdruck wird Kardamuchos in den „Gründern“ V. 1254 bezeichnet, der dort schon äußerlich als ein typischer Philologe auftritt: übelriechend und mit einem Augenleiden (V. 1249), ganz und gar mürrisch und verdrießlich, sauertöpfisch sogar durch seinen Mantel, seine Schuhe und sein Haar (V. 1251). Als unexaminiertem Autodidakt ist Kardamuchos eine Stelle an der Universität verweigert worden; und was er mit seinen wertlos gewordenen Aktien machen soll, weiß er auch nicht. Der Erzbörsianer Chrysalopex kommt auf eine Idee: Er beauftragt ihn, von seinen Bilanzbüchern eine kritische Ausgabe zu erstellen, indem er die Fehler darin durch Athetesen bereinigt, Scholien dazu verfasst und dem ganzen ein Epigramm voranstellt. Zufrieden, sein Ansehen als Mikrophilologe (V. 1304) in dieser Disziplin unter Beweis stellen zu können, trollt sich Kardamuchos davon. Verbirgt sich auch hinter Kardamuchos eine reale Figur? Ohne Zweifel ist seine Darstellung im „Ungeziefer“, wo Kardamuchos sich in wüsten Obszönitäten und Albernheiten ergeht und die Rolle des Hanswurst bzw. side-kick spielt, einer bewussten satirischen Verzerrung geschuldet. Und wenn Richter Kardamuchos in den „Gründern“ als Ἰπῶν πλάσμα, „eine Phantasiefigur aus dem ‚Ungeziefer‘“, 76 Auch wenn es in einer Rezension (Bu. 1873, 339) heißt: „Der Verf. verwahrt sich laut brieflicher Mittheilung ausdrücklich gegen die allerdings sehr nahe liegende Beziehung dieses Namens auf einen bekannten Philologen der Gegenwart“, so wird es sich dabei wieder um das bekannte Versteckspiel gehandelt haben, das Richter auch schon in der Rechtfertigung seines Theologen-Spottes im „Gruß an die Universität Bonn“ gezeigt hat. 77 Unte 2003, 55–64. 78 Weissenfels 1885, V Anm. 1. 79 Gegenüber seinem Freund Gustav Freytag hat das Haupt durchaus selbstironisch eingestanden: „[...] Mäkeln muß ja ein Philolog von Amts wegen“ (zitiert nach Unte 2003, 232).

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einführt,80 so will er sich möglicherweise davon distanzieren, mit Kardamuchos eine reale Person zu verbinden. Doch schon in einer zeitgenössischen Rezension wurden hinter beiden Hauptpersonen reale Vertreter der Philologie vermutet.81 Der durch den Namen Καρδαμοῦχος bezeichnete mürrische Gesichtsausdruck könnte auf Immanuel Bekker (1785–1871) deuten.82 Dieser stand als Textphilologe im Gegensatz zur Sachphilologie des von Richter so verehrten August Boeckh und war für seine Unzugänglichkeit und Schweigsamkeit berüchtigt.83 Drei Stellen im „Ungeziefer“ sprechen für die Identifizierung von Kardamuchos mit Bekker: ‐ ‐



Kardamuchos wird gleich zu Beginn „als von Natur aus schweigsam“ bezeichnet (V. 22: τὴν φύσιν σιγηλὸς ὤν). Kephalos fragt Kardamuchos angesichts von dessen bedenklichen „Geilheitssymptomen“, wo denn sein sauertöpfisches Wesen, d.h. sein philologischer Ernst bleibe (V. 244: ὦ Καρδαμοῦχε, ποῦ μένει τὰ κάρδαμα;).84 Reiskia wirft den beiden Philologen vor, „wie Bäckerinnen“ (V. 252: ὥσπερ ἀρτοπώλιδες) zu streiten.85 Daraufhin bemerkt Dakeria, dass Kardamuchos errötet (V. 254: ὦ Καρδαμοῦχε πῶς ἔχεις; ὡς ἐρυθριᾷς.); diese Reaktion könnte darauf hindeuten, dass Kardamuchos in der Bezeichnung als „Bäckerinnen“ seinen wahren Namen (Bekker) wiedererkennt.

Durch ihre griechischen Namen verweisen auch Ῥεισκία und Δακηρία auf konkrete, wenn auch bereits verstorbene Personen. Ernestine Reiske (1735–1798), die Frau des Philologen Johann Jakob Reiske, hat sich nicht nur durch ihre tatkräftige Lebensführung, sondern auch selbst als Philologin einen Namen gemacht.86 Anne Dacier (1654–1720), die Tochter des Humanisten Tanneguy Le Fèvre und Gattin des Philologen André Dacier, übersetzte die Epen Homers sowie Komödien von

80 RICHTER 1874 (Κόκκυγες), V. 1256. 81 Muff 1871, 554: „[...] wenn allbekannte männer, wie Κέφαλος und Καρδαμοῦχος, die gegenwärtigen träger der klassischen philologie in Berlin, ihr innerstes wesen, ihr wollen und können in reden und handlungen vor uns aufdecken, auf wen sollte ein solches schauspiel keinen eindruck machen?“. 82 Dies die Vermutung von Stefan Weise. – Zu Bekker siehe Unte 2003, 21–25 und Schröder 2009. 83 Schröder 2009, 341–344. 357f. 84 RICHTER 1858, 243 erklärt den Ausdruck βλεπόντων κάρδαμα in Ar. V. 455 so: Qui strenue quid agit, βλέπει τοῦτο, i. e. quemque certiorem facit ipso vultu, quid agat quidve sit acturus. Stefan Weise bezieht dies auch auf Kardamuchos: „Er ist also offensichtlich in seine Sache ganz verbissen. Tatsächlich lässt sich die Figur des Kardamuchos in dem Stück nicht bekehren, sondern verbleibt im Arithmophrontisterion“ (unveröffentlichter Vortrag). 85 Dieser Vergleich ist sowohl ein Zitat aus Aristophanes’ „Fröschen“ V. 857f.: λοιδορεῖσθαι δ᾽ οὐ πρέπει ǀ ἄνδρας ποητὰς ὥσπερ ἀρτοπώλιδες („Es ziemt sich nicht, dass sich Dichter wie Bäckerinnen streiten“) als auch topisch (siehe Dover 1993, 213). 86 Bennholdt-Thomsen/Guzzoni 1992.

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Plautus und Terenz ins Französische und auch zwei Komödien des Aristophanes, für den sie sich mit großer Nachwirkung einsetzte.87 Doch in Richters „Ungeziefer“ ist von den Leistungen dieser bedeutenden Philologinnen nichts mehr zu spüren. Ῥεισκία, die Philologie „wie ein Mann“ betrieben hat (V. 99), und Δακηρία sind fast nur dazu da, von dem zweiten Schüler befummelt, begrapscht und mit anzüglichen Bemerkungen belästigt zu werden. Dies sei daran illustriert, wie der Student sich anbietet, die beiden Damen zur Philologen-Werkstatt zu geleiten (V. 92–94): ἀλλ' εἰ δοκεῖ πρὸς Κεφαλιδῶν αὐλὴν ἴτε, ἐγὼ δὲ κυβερνήτης ἔσομαι τῶν κυμβίων. τοῦ σχοινίου λαβοῦ σὺ καὶ σὺ καρτερῶς. Wenn es euch beliebt, so geht zum Hof der Kephalos-Schüler, ich aber werde der Steuermann der Schiffchen sein. Halte du dich fest an meinem Tau und auch du, ganz fest.88

Dakeria wird auch selbst obszön, wenn sie Kardamuchos auf dessen tumbe Nachfrage das Wort ἑπτάπεπλοι („mit siebenlagigen Gewändern“) erklärt: ὥς γε τήμερον ǀ κόραι μὲν εἰσὶν ἑπτάπεπλοι καὶ μονόπυλοι (V. 276f.); πύλη hat bei Aristophanes oft obszöne Bedeutung,89 sodass Dakerias Erklärung so zu verstehen ist: „Die heutigen Frauen haben nämlich siebenlagige Gewänder und nur einen Eingang.“ Im Vergleich mit anderen Satiren über gelehrte Frauen fällt auf, dass Richter mit seinen Philologinnen ganz anders umgeht: Während dort „Entsexualisierung […] eine beliebte Strategie im Spott über Akademikerinnen“ ist,90 degradiert Richter sie weitgehend zu Sex-Objekten. Obszön überzeichnet sind auch die beiden Hauptfiguren Richters. Kephalos bekommt im Stück, weil er als Textkritiker antike Dichtung „beißt“ und andere Kritiker „ankläfft“, den Beinamen Κυνοκέφαλος, der „Hundsköpfige“, eine Zusammensetzung von κύων „Hund“ und seinem Alias-Namen Κέφαλος „Haupt“. Richter macht sich aber eine orthographische Variante zunutze: Gleich beim ersten Vorkommen (V. 15) wird der Name mit zwei Lambda als Κυνοκέφαλλος geschrieben – so bringt Richter im Spitznamen des Kephalos den Phallos unter.91 Und da κύων in der Alten Komödie für den Penis stehen kann,92 lässt sich der Spitzname Κυνοκέφαλλος auch als „Pimmelschwanz“ verstehen. Kardamuchos, so wird er von dem Schüler im Prolog beschrieben (V. 25–27), sitzt herum und holt 87 88 89 90 91

Süß 1911, 87f. Die Gleichsetzung von „Tau“ (σχοινίον) und „Penis“ übernimmt Richter von Ar. V. 1342. Henderson 21991, 137. 202. Košenina 2003, 95. Das Wort κυνοκέφαλος verwendet auch Aristophanes in den „Rittern“ V. 416. Alle Handschriften schreiben es dort mit einem Lambda, aber W. Dindorf trug 1837 antike Nachrichten zusammen, dass attische Schriftsteller das Wort mit zwei Lambda schrieben. Der letzte Herausgeber des Aristophanes, N. Wilson, schreibt daher in Ar. Eq. 416 κυνοκέφαλλος. (Die Metrik ist kein Entscheidungskriterium, da auch -φαλ- eine lange Silbe sein kann.) – Zu obszönen Wortspielen mit -φαλ- / -φαλλ- bei Aristophanes siehe Henderson 21991, 112f. 92 Henderson 21991, 127.

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sich einen runter (δεφόμενος), ist ein „weitärschiger Begaffer Griechenlands“ (χαυνόπρωκτός ἐστ᾽ ἀπεψωλημένης | θεωρὸς Ἑλλάδος). Griechenland wird als ἀπεψωλεμένη bezeichnet, also entweder als „beschnittenes“ Griechenland (das bedeutet das Wort in Aristophanes „Acharnern“ V. 161) oder – wohl eher – als „erregtes“, „erigiertes“ Griechenland (ähnlich in „Acharnern“ V. 592). Die beiden Philologenführer werden gleich im Anschluss in ihrer ganzen Obszönität gekoppelt: εὖ Κυνοκεφάλλῳ Στιβαρόπρωκτος συμμαχεῖ (V. 28) „toll, wie Pimmelschwanz und Eisenarsch zusammen gemeinsam kämpfen“. Und wenn der eine von den zwei Schülern beschreibt, wie οἱ νῦν φιλόλογοι („die heutigen Philologen“) vorgehen, so werden dort die Verse „durchgebumst“: διασποδοῦσι καὶ σοβοῦσι τοὺς στίχους (V. 53). Weitere Beispiele könnten nach Belieben genannt werden. Mit seinem ausgeprägten Interesse an aristophanischen Obszönitäten steht Richter nicht alleine. Der Aristophanes-Herausgeber Bothe beklagte einmal, dass die Philologen seiner Zeit geradezu versessen seien, an möglichst vielen Stellen in Aristophanes‘ Komödien Obszönitäten zu entdecken, an die Aristophanes selbst nicht einmal im Traum gedacht hätte.93 Richter hat mit seinen Komödien einen ähnlichen Weg eingeschlagen: Unter dem Schutzmantel der altgriechischen Sprache aktiviert er das ganze Arsenal aristophanischer Obszönität. Deren Bandbreite konnte sich wohl nur den altphilologisch ausgebildeten Berufskollegen unter Richters Lesern voll erschließen. Zudem ballen sich die Obszönitäten in der Philologensatire des „Ungeziefers“; es kommt dort zu einer Engführung von Philologie und Obszönität, die sich auf mehreren Ebenen vollzieht und rezipierten Text, kreativen Rezipienten und die Adressaten des Rezeptionsprodukts einbezieht: (EBENE 1)

Der (männliche) Philologe Richter schreibt für seine (männlichen) Philologen-Kollegen

(EBENE 2)

eine Komödie auf Altgriechisch über obszöne Philologen

(EBENE 3)

in Anlehnung an eine genuin von Obszönitäten geprägte literarische Form der Antike.

So kann sich Richter auf die Fahne schreiben, mit seiner Engführung von Philologie und Obszönität der an Selbstbezügen ohnehin nicht gerade armen Gattung der Gelehrtensatire94 eine originelle Facette hinzugefügt zu haben.

93 Bothe 1828, VII: [...] obscenitatis etsi non plane dissolvendum crimen est, tamen plurima foeda aut putida aut inepta sibi invenire in Comico visi sunt interpretes, de quibus ne per somnium quidem ille cogitavit umquam. Eine in dieser Hinsicht typische Anekdote bei Holtermann 2004, 289–292. 94 Košenina 2003, 7: „Wissenschaftskritik aus den eigenen Reihen hat es [...] in mehrfacher Hinsicht mit schwierigen Selbstbezügen, wenn nicht gar mit Paradoxien zu tun. Das gilt für alle Seiten, also für literarische Gelehrtensatiriker, selbstironische Bewohner der akademischen Welt und nicht zuletzt für Literarhistoriker, die dieses Phänomen zu beschreiben versuchen, ohne selbst zu dessen Gegenstand zu werden“.

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LITERATUR a) Ausgaben der erwähnten, besprochenen und zitierten Werke Richters RICHTER 1839 = Julius Richter, De Aeschyli, Sophoclis, Euripidis interpretibus Graecis, Berlin 1839. RICHTER 1842 = Ders., Die Vertheilung der Rollen unter die Schauspieler der griechischen Tragödie, Berlin 1842. RICHTER 1845 = Ders., Zur Würdigung der Aristophanischen Komödie, Schulprogramm Friedrichs-Werdersches Gymnasium Berlin 1845, auch separat mit dem Obertitel: Aristophanisches, Berlin 1845. RICHTER 1857 = Ders., Prolegomenon ad Aristophanis Vespas caput tertium, Schulprogramm Friedrichs-Werdersches Gymnasium Berlin 1857. RICHTER 1858 = Ders. (Hg.), Aristophanis Vespae, Berlin 1858. RICHTER 1860 = Ders. (Hg.), Aristophanis Pax, Berlin 1860. RICHTER 1868a = Ders., Gruß an die Universität Bonn zur Feier des 3. August 1868, Jena 1868. RICHTER 1868b = Ders., Beitrag zur Jubelfeier der Bonner Universität, in: Erste Beilage zur Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung, 25. Juli 1868, 3f. RICHTER 1870 = Ders., Griechische Lieder, theils Uebertragung, theils Original, in: Schulprogramm Friedrichs-Werdersches Gymnasium Berlin 1870, 23–32. RICHTER 1871a = Ders., Griechische und lateinische Lieder, theils Uebertragung, theils Original, Berlin 1871. RICHTER 1871b (Ἶπες) = Ders., Ἶπες. Das Ungeziefer. Eine griechische Komödie, Jena 1871. RICHTER 1873a (Χελιδόνες) = Ders., Χελιδόνες. Die Ultramontanocommunisten. Eine griechische Komödie, Jena 1873. RICHTER 1873b (Ultramontanokommunisten) = Ders., Julius Richters Ultramontanokommunisten. Aus dem Griechischen verdeutscht und von einem Vorreiter eingeführt, Berlin 1873. RICHTER 1874 (Κόκκυγες) = Ders., Κόκκυγες. Die Gründer. Eine griechische Komödie, Jena 1874.

b) Sonstige Literatur Anonymus 1873 = Anonymus, Prof. Julius Richter [Rez. Richter, Ultramontanokommunisten], in: Magazin für die Literatur des Auslandes 83 (1873), 290. Bartels 1968 = K. Bartels (Hg.), Klassische Parodien. Kuckuckseier in zwei alten und zwei neuen Sprachen, Zürich 1968. Baumbach 2002 = M. Baumbach, Lehrer oder Gelehrter? Der Schulmann in der Altertumswissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: G.W. Most (Hg.), Disciplining classics – Altertumswissenschaft als Beruf, Göttingen 2002, 115–141. Baumbach 2006 = Ders., Über die Scarabäen-Gemmen, einige isochrome Schwingungen elastischer Felder und De Sophoclei ingenii principio: (Altertums-)Wissenschaft im preußischen Schulprogramm (1820–1830), in: B. Seidensticker/F. Mundt (Hgg.), Die Altertumswissenschaften in Berlin um 1800 an Akademie, Schule und Universität, Hannover 2006, 107–130. Bennholdt-Thomsen/Guzzoni 1992 = A. Bennholdt-Thomsen/A. Guzzoni, Gelehrsamkeit und Leidenschaft. Das Leben der Ernestine Christine Reiske 1735–1798, München 1992. Bothe 1828 = F.H. Bothe (Hg.), Aristophanis comoediae, Bd. 1, Leipzig 1828. Bu. 1873 = Bu., Rez. Richter, Das Ungeziefer und Die Ultramontanocommunisten, in: Litterarisches Centralblatt für Deutschland 1873, 339f.

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Bu. 1874 = Ders., Rez. Richter, Die Gründer, in: Litterarisches Centralblatt für Deutschland 1874, 672. Dover 1993 = K. Dover (Hg.), Aristophanes, Frogs, Oxford 1993. Eckstein 1871 = F.A. Eckstein, Nomenclator philologorum, Leipzig 1871. Enger 1859 = R. Enger, Rez. Aristophanis Vespae ed. Richter, in: Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik 29 (1859), 734–751. Hatvany 21911 = L. Hatvany, Die Wissenschaft des nicht Wissenswerten, Leipzig 21911 (ND Oxford 1986). Henderson 21991 = J. Henderson, The Maculate Muse. Obscene Language in Attic Comedy, New York/Oxford 21991. Hertz 1851 = M. Hertz, Karl Lachmann. Eine Biographie, Berlin 1851. Holtermann 2002 = M. Holtermann, Art. „Schulprogramme“, in: DNP 15/2 (2002), Sp. 1108f. Holtermann 2004 = Ders., Der deutsche Aristophanes. Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004, auch unter: http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/ object/display/bsb00040235_00001.html. Kassel 1973 = R. Kassel, Winkelbrummer. Antike Kritik an Philologie und Philologen, Berlin/New York 1973; auch in: ders., Kleine Schriften, hg. von H.-G. Nesselrath, Berlin/New York 1991, 79–87. Kloft 1995 = H. Kloft, (Un-)Demokratisches Gelächter. Überlegungen und Materialien zur Rezeption des Aristophanes im 19. Jahrhundert, in: I. Marßolek/T. Schelze-Brandenburg (Hgg.), Soziale Demokratie und sozialistische Theorie. Festschrift für Hans-Josef Steinberg zum 60. Geburtstag, Bremen 1995, 351–361. Kössler 2008 = F. Kössler, Personenlexikon von Lehrern des 19. Jahrhunderts. Berufsbiographien aus Schul-Jahresberichten und Schulprogrammen 1825–1918, mit Veröffentlichungsverzeichnissen, Universitätsbibliothek Gießen (Giessener Elektronische Bibliothek) 2008, http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6123/. Koner 1846 = W. Koner (Hg.), Gelehrtes Berlin im Jahre 1845. Verzeichniss im Jahre 1845 in Berlin lebender Schriftsteller und ihrer Werke, Berlin 1846. Košenina 2003 = A. Košenina, Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung, Göttingen 2003. Landfester 1988 = M. Landfester, Humanismus und Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Untersuchungen zur politischen und gesellschaftlichen Bedeutung der humanistischen Bildung in Deutschland, Darmstadt 1988. Müller 1881 = A.C. Müller, Geschichte des Friedrich-Werderschen Gymnasiums zu Berlin, Berlin 1881. Muff 1871 = C. M[uff], Rez. Richter „Ungeziefer“, in: Philologischer Anzeiger 3 (1871), 552–557. Muff 1873 = Ders., Rez. Richter „Ultramontanocommunisten“, in: Philologischer Anzeiger 5 (1873), 425f. Muff 1874 = Ders., Rez. Richter „Gründer“, in: Philologischer Anzeiger 6 (1874), 466–468. Pökel 1882 = W. Pökel, Philologisches Schriftsteller-Lexikon, Leipzig 1882. Schröder 2009 = W.A. Schröder, Immanuel Bekker – der unermüdliche Herausgeber vornehmlich griechischer Texte, in: A.M. Baertschi/C.G. King (Hgg.), Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts, Berlin u.a. 2009, 329–368. Süß 1911 = W. Süß, Aristophanes und die Nachwelt, Leipzig 1911. Unte 2003 = W. Unte, Heroen und Epigonen. Gelehrtenbiographien der klassischen Altertumswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert, St. Katharinen 2003. von Velsen 1865 = [A.F.] von Velsen, Rez. Aristophanis Pax ed. Richter, in: Zeitschrift für das Gymnasialwesen 19 (1865), 750–762. Weissenfels 1885 = O. Weissenfels, Horaz. Seine Bedeutung für das Unterrichtsziel des Gymnasiums und die Principien seiner Schulerklärung, Berlin 1885.

ΕΥΡΩΠΗ ΕΛΛΗΝΙΖΟΥΣΑ AUS- UND ÜBERBLICKE IN EUROPÄISCHER PERSPEKTIVE

GRAECA PER ITALIAE FINES Greek poetry in Italy from Poliziano to the present Filippomaria Pontani

Abstract: This is a quick and selective overview of the achievements and the spreading of ancient Greek verse in Italy from the Humanistic age through the 21st century: while chiefly interested in the literary and stylistic dimension of the relevant texts (the apparatus fontium attempts to trace the favourite models of each author, and helps assess his or her linguistic proficiency), the paper also tries to understand the changing contexts in which this kind of poetry blossomed. Were these attempts just short epigrams and poésies d’occasion? Who embarked on longer pieces, and why? For which readership were these poems intended? Starting from Filelfo and Poliziano, and running through the late Renaissance and the dark times of Greek studies during the Counter-reformation, this survey reaches down to some interesting cases in the period of Enlightenment, and it ends on some Italian professors who tried their hand at Greek verse, with sometimes more conventional, sometimes more surprising results.

INTRODUCTION “E’ impossibile scrivere letterariamente in una lingua morta. Perché la vita della parola non è nel suo significato materiale, che solo sopravvive, ma nelle immagini, nelle idee accessorie, in certe fine gradazioni, che sono un sottinteso aggiuntovi dal popolo. Le parole latine giacciono senz’anima, come in un dizionario; hanno perduto la fisionomia e il calore, e né il Petrarca, né nessuno può risuscitarle.”1

This harsh verdict on Petrarch’s Latin poetry, uttered in 1869 by one of Italy’s finest literary critics with notoriously little expertise in Greek and Latin,2 is probably shared by most contemporary readers, and it applies a fortiori to modern poetry written in a no less dead language such as ancient Greek. Nevertheless, since the

* 1

2

My thanks to Francesco Valerio, to Stefan Weise and to the audience in Wuppertal for valuable suggestions. De Sanctis 1964, 43. Translation: “It is impossible to write literature in a dead language, for the life of words does not lie in their material meaning (the only element that survives), but rather in the images, the concurring ideas, the subtle gradations implicitly allotted to each of them by the speakers. Latin words lie without a soul, as if in a dictionary, having lost their shape and their warmth, and neither Petrarch nor anybody else can revive them”. See Solaro 2014.

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humanistic age several Italian intellectuals have experimented with this kind of versification, aiming at different stylistic and literary effects and working in different linguistic and cultural contexts: to the best of my knowledge, no history of this phenomenon has ever been written, perhaps due to the difficulty of finding, organising and sorting out the relevant material – the so-called Heuristik.3 The present overview has no ambition to fill in this gap, nor does it intend to advocate a higher literary status for modern poetry in ancient Greek as such: it rather selects some Höhepunkte of this peculiar genre, trying to sketch their cultural background, and thereby to provide a starting point for future, more detailed inquiries into the same field. The focus on Italy is justified by the fact that this country does represent, for historical reasons, a peculiar case in the frame of European cultures: it is the place where everything began, but also the place where the knowledge of Greek sank dramatically for many centuries. Looking into the role of Greek versification through different ages may help us better understand Italy’s intellectual history, but above all visualise some metamorphoses of the classical tradition in modern times. 1. HUMANISM: GREEK POETRY AS A CHALLENGE FOR THE FUTURE Everyone knows that the return of Greek to the West after a long age of oblivion was chiefly the product of a new interest in antiquity, developing in Italy and particularly in Florence at the turn between the 14th and the 15th century: the fulfilment of this longing for Greek wisdom was made possible by the essential contribution of Byzantine scholars fleeing their homeland under the Turkish threat.4 The most evident consequences of this translatio studiorum to the West have been often investigated – the re-discovery and the first Latin translations of ancient Greek works; the rise of brand-new collections of Greek manuscripts; the establishment of chairs of Greek in many Italian cities.5 However, to this day we have no encompassing critical analysis of the production of Greek verse on Italian soil during the Quattrocento by both the Byzantine émigrés themselves and their Italian pupils and colleagues. The data is indeed scattered, the start was slow, and it has been argued that only very few Italians, for all the grammatical instruction they received, and despite the travels to the East (e.g. of Giovanni Aurispa, Francesco Filelfo, Guarino Veronese), actually attained the degree of linguistic proficiency in Greek that might enable them to use it first-hand in a plausible way. For one thing, the lack of appropriate 3 4 5

The last, if uncritical, collection of Italian poets “in Greca lingua” is Crasso 1678! Hutton 1935 has a different focus. For Germany one can compare the volume by Lizelius. See Ludwig 1998, 53f. There are many accounts of this process: perhaps the most obvious reference works are Wilson 1992 and Cortesi 1995. For some medieval remains of Greek in Western Europe see Berschin 1980 (for Italy 113–118. 198–207. 213–222. 252–274. 290–293). See e.g., together with the handbooks quoted in the preceding note, the inventory of CortesiFiaschi 2008, and some special analyses by Fryde 1996, Labowsky 1979 and Fiaccadori 1994, as well as Staikos 1998; and of course the old Sabbadini 1905.

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tools (grammars and lexica expressly designed for Latin-speaking pupils did not appear before the end of the century; metre was even less institutionalised)6 left prospective authors without a clear set of norms to comply with, so that verse attempts by amateurs can easily prove flawed or unsatisfying by our modern standards. The terzine by the renowned epigraphist and antiquarian Ciriaco d’Ancona (1391–1452) may well have been the earliest Greek verse written by a Westerner in modern times, but their metrical (not to say syntactical) facies is so unclear as to be debated down to our own day, and they appear to entertain but a thin connection with ancient literary prototypes.7 In the late 1450s, single Greek hexameters in honour of the Muses were inscribed on the paintings of the Belfiore Studiolo for the Este family: few are preserved today, and they should probably be ascribed to the Greek émigré Theodore Gaza rather than – as was often assumed in the past – to the Italian scholar Guarino Veronese.8 But the earliest overt attempt at Greek versification in Classical garb was not an occasional fruit of chance: Francesco Filelfo’s De psychagogia, consisting of two books of elegies and Sapphic odes, is the first poetical sylloge in this language to be produced in the modern West.9 Filelfo (1398–1481), a humanist and poet from Tolentino, spent most of his life as a teacher in various Italian cities (Venice, Bologna, Florence and Milan), and during his youth he was long active in Constantinople as a secretary to the Venetian bailo (1420–1427): he numbers among the most important translators from the Greek and among the foremost collectors of Greek books during the first half of the 15th century.10 Why did he choose to write Greek verse on top of his many, reputed Latin odes?11 Here is Filelfo’s own explanation in a letter to the poet and doctor Gerolamo Castelli of April 1458:12 Latini vero non modo nulli sunt hac tempestate qui Graecos versus scribant, sed ne ullos quidem de priscis accipimus ex his qui adhuc apud nos extant. […] Ego autem cum alia pleraque scripserim Graece soluta oratione volui etiam temptare hoc tempore siquid possem in huiusmodi numeroso et artiore dictionis genere, quo caeteri vel meo invitati exemplo suis se monimentis posteritatis immortalitati commendent.

The author is clearly praising his own work in opposition to the almost total lack of comparable attempts among ancient authors: Filelfo may be right to discard in this context the frequent code-switching from Greek to Latin in Plautus’ comedies, in Lucilius’ satires and in other Latin texts down to the correspondence of Cicero and Pliny, but he should have taken into account the usage of Greek as an autonomous 6 7 8 9 10 11 12

Botley 2010. A. Pontani 1994, 70f. and 75f. Wilson 1991. For all details about this important text see FILELFO 1997. See e.g. Cortesi 1986; Eleuteri 1991; Robin 1991; Wilson 1992, 48–53; de Keyser 2015. On which see Robin 2009. FILELFO 1997, 1. “Not only are there no Latins today who write Greek verse, but we do not hear from our ancient sources about any extant author who did so. [...] Having written other works in Greek prose, I now wished to see if I could compose anything in this stricter rhythmical genre, so that the other learned men, stimulated by my example, may achieve immortal fame through their own works”.

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literary language by authors of the imperial age. However, while this is attested in writings of philosophy, history, or science (from Apuleius to Marcus Aurelius), it rarely extends to the domain of poetry, where we are confronted with scattered indirect evidence (the shadowy figures of Bruttianus, Caninus and Arrius Antoninus mentioned by Martial and Pliny the Younger), with some epigrams by Roman emperors now preserved in the Greek Anthology (Germanicus, Claudius, Tiberius, Hadrian; in a later age, one should of course recall the few Greek epigrams of Ausonius and Claudian), and with inscribed verse such as that by Julia Balbilla on the Colossus of Memnon in Egypt, and others in Gaul and Britain.13 Overall, a slim body of evidence, conjuring up a limited audience and the unique purpose of erudite display rather than any genuine literary intention on the part of the authors. Thus, while remaining at times skeptical about his own mastering of Greek,14 Filelfo believed that his poetical attempt could represent a new start, and prompt other Western ingenia to practise this kind of composition: since its very beginning, then, the challenge of writing Greek verse was regarded as both a witness to the author’s linguistic skill, and a stimulus for future generations. This entailed a deep awareness of the author’s cultural responsibility, which is why Filelfo expressly forbade the circulation and publication of his sylloge, which suffered in his view of an unsatisfying degree of refinement: composed between 1457 and 1465, and sent off for review to cardinal Bessarion in 1465, the De psychagogia was copied by the author himself in a preliminary stage in ms. Laur. 58.15, which remains to this day the codex unicus.15 Filelfo’s will was respected until the 1997 edition: the sylloge thus remained virtually unknown to other humanists and to later scholars alike. The author’s caution was partly justified: his verse displays a number of prosodical flaws (not necessarily more numerous, it should be remarked, than most of the contemporary output by Byzantine epigrammatists), and above all an insufficient command of the workings and the secrets of Greek poetic style, particularly in its bold attempt to revive such a complex metre as the Sapphic stanza in an age when Aeolic poetry was totally unknown.16 However, the De psychagogia stands out not only for its novelty and ambition, but also for its light philosophical allure (references to Stoic doctrines, Plato and Plutarch), and for its smart adoption of Latin encomiastic patterns – by far the greater part of the odes are addressed to Filelfo’s patrons and friends, mostly cardinals, popes and patriarchs, on the occasion of special events such as ceremonies,

13 See Kaimio 1979; Rochette 2010, 281–290 (esp. on prose authors); Hutchinson 2013, 135–146 (on poets); Adams 2003, 356–364; Clackson 2015, 93–98 (on epigraphic texts); Cirio 2011, esp. 53–55 (on Balbilla’s epigrams and their context). On the general phenomenon see the essays in Adams/Janse/Swain 2003. I am indebted to Luca Mondin for help in this matter. 14 See his letter 48 to John Argyropoulos (Legrand 1892, 90): Λατῖνος γὰρ ὑπάρχων αὐτός, οὐ δὴ πάμπαν δύναμαι ἑλληνίζειν, “being Latin myself, I do not master Greek perfectly”. 15 FILELFO 1997, 2–4. The note at the end of the ms. (f. 80r) reads: hi tres libri neque aediti sunt a me ǀ Francisco Philelfo nec emendati. qua ǀ re cum multa mutanda sient, ne quis ǀ ex hisce quicquam exscribat rogo. 16 See Maltese 1989; FILELFO 1997, 9–26; F. Pontani 2015.

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funerals or religious feasts, though some lighter pieces also occur:17 one may wonder how many of Filelfo’s addressees were actually capable of appreciating his Greek, but this question runs the risk of missing the point. True enough, Filelfo wrote to several men of power of his own epoch; but rather than establishing a real political communication with them through this unusual channel, he regarded his odes as a learned tribute to their personality, and at the same time as a stone thrown in the pond of the intellectual world of contemporary humanists. Here is the incipit of a Sapphic ode to the famous Greek Catholic archbishop and humanist Isidore of Kiev: we find almost no active poetic memory of ancient passages, a rather prosaic syntax, and an arbitrary mixture of dialectal features. Francesco Filelfo, De psychagogia II.6 (to Isidore of Kiev, post 1459), ll. 1–12 18

4

Μοῦσα δὴν ὀκνεῖς λίαν Ἰ σιδώρῳ πατρὶ πανθείῳ γλυκεροῖς ἀείδειν σοῦ διὰ γλώττης μέλεσιν θεάων Πιερὶ πρώτη.

8

Οὗτος ἐν πρώτοις ἅγιος πεφύκει καὶ σοφὸς πρῶτος νοερᾷ μαθήσει· οὗτος ἐν πάσαις ἀρεταῖς ὡς ἄστρον ἔξοχα λάμπει.

12

Τοῦτον ὑψίστου θρόνος εὐσεβοῦντα ναοῦ ἐν τόσσαις ταραχαῖς κακούργων κᾀσεβῶν ἀνδρῶν μόνον αὐτὸς ἕξει ἀρχιερῆα.

 

 

2 πανθείῳ: de adi. cf. Orph. H. 35.7, 53.9 etc. ‖ 6 νοερᾷ μαθήσει: iunctura apud Iamb. protr. 16.15 ‖ 8 cf. Clem.Al. protr. 8.77.2.

It is striking to note the analogies between Filelfo’s declared aims and those of the other great scholar who realised a Liber epigrammatum Graecorum in the 15th century, namely Angelo Poliziano (1454–1494).19 The most gifted poet of the Italian Quattrocento, the only humanist who could boast a real proficiency in Greek language and literature from Homer through Late Antiquity, and the only Westerner who could switch from Latin to Greek even when taking notes in his zibaldoni or when preparing his classes at the university of Florence, Poliziano was clearly in a position to attain better results than his predecessors, all the more so as his creative mind, his ambition and his natural penchant for versification led him to scribble 17 See Robin 1991, 120–137. 18 Ed. FILELFO 1997, 83. “O Muse of Pieria, foremost among goddesses, you have been hesitating too long to use your tongue and to sing with sweet rhythms in honour of the most divine father Isidore. He is among the holiest men, and the first in wisdom through his doctrine and cleverness; he shines extraordinarily, like a star, in all virtues. The very throne of the sublime temple will host him alone as a high priest, pious as he is amidst so many troubles brought about by evil-doing and irreligious men”. 19 Edition and commentary by F. Pontani 2002 (here POLIZIANO 2002).

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Greek epigrams since the age of 17. Poliziano’s process of imitatio shows a totally different character from Filelfo’s experience: the quality of his verse improves over the years, and the refinement of his poetic diction blends several different textual inputs, from Homer to pastoral, from ancient epigram to Nonnus – some of these texts he was indeed among the first humanists to rediscover and peruse. His use of dialect – especially Theocritus’ Doric – is more consistent than Filelfo’s and partly reproduces the mixture so typical of the epigrammatic genre.20 The following sample, which belongs to the later part of Poliziano’s career, represents a successful Nachdichtung of a bunch of ekphrastic epigrams in the Greek Anthology, and a striking one under at least three points of view: by consciously clinging to ancient models, it is the first (and in many ways the only) plausible re-creation of an antique Hellenic genre in the Western literary world; through its evident relationship with the passage on the same topic in Poliziano’s earlier Italian poem Stanze per la giostra (1.99–103) and with Sandro Botticelli’s Birth of Venus (ca. 1485),21 it opens up a new, intertextual dimension; through the richness and variety of its textual reminiscences, it displays a sovereign familiarity with Greek poetry from all centuries, including texts previously not read in the West. The latter issue is particularly important, for the addition of Nonnus (and Gregory of Nazianzus) to the canon of ancient Greek model sources will carry a huge poetic potential, and create the conditions for the development of a new, modern Christian poetry in Italian humanism.22 Angelo Poliziano, Liber epigrammatum Graecorum 54 (1493–94)23 Κύπρις ἀναδυομένη

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Κύπριν Ἀπελλείας ἔργον χερός, ὡς ἴδον, ἔσταν δαρὸν θαμβαλέος, τὰν ἀναδυομέναν. τᾶς ἅτε παρθενικᾶς, ἅτε καὶ φιλοπαίγμονος αἰδὼς τὰν ὄψιν μίγδαν ἔλλαχεν ἠδὲ γέλως. καὶ τᾷ μὲν ῥαθάμιγγας ἁλιβρέκτοιο καράνου δεξιτερᾷ θλίβεν καὶ κελάρυζεν ἀφρός· ἦν δ᾿ ἄρα τᾶς νοτίδος τὶς ἐμοὶ φόβος. ἁ δέ γε λαιὰ ἔσκεπε τὰν ἅβαν τὰν ἔθ᾿ ὑποβρύχιον (καὶ γὰρ ἕως λαγόνων ὕφαλος πέλε), καί τις ἔτι φρὶξ

20 See on this e.g. the introduction to Sens 2011, lxv–lxxii. 21 See Warburg 21980, 15–31; Meltzoff 1987, 261–265. 22 See F. Pontani 2014 and 2017. Later Greek poets like Nonnus and Gregory of Nazianzus also exerted an important influence on Greek writing in other European countries until the shrinking of the canon in the 18th and 19th centuries. See Ludwig 2014, 165; Päll 2010, 134. 23 POLIZIANO 2002, 222–228. Translation: “As soon as I saw the rising Aphrodite, the work of Apelles, I remained long amazed. A mixed expression of modesty and smile got hold of her face, for she is a virgin, but also likes to play: with her right hand she wiped drops from her soak head, and the foam gurgled: I was afraid of the water. Her left hand protected her pubis, which was still below the water (for she emerged from the hips), and a shiver from her mother’s throes still seized her young breast. If bound Ares once possessed such a beautiful being, he would never have accepted to be liberated from Hephaestus’ chains”.

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ματρὸς ἀπ᾿ ὠδίνων ὄμφακα μαστὸν ἕλεν. εἰ τοίαν πόκ᾿ Ἄρης ἔχε δέσμιος, οὐκ ἀποδῦναι οὐδ᾿ Ἁφαιστείας ἤθελ᾿ ἀλυκτοπέδας.

de re cf. AP 16.178–182 1 cf. AP 16.178.2 Κύπριν Α ̓ πελλείου μόχθον ὅρα γραφίδος ǀ ἔργον χερός: cf. A. Cho. 231; E. HF 565 ‖ 2 θαμβαλέος: adi. Nonnianum; ceterum cf. AP 16.178.1 τὰν ἀναδυομέναν ἀπὸ ματέρος ἄρτι θαλάσσας ‖ 3 φιλοπαίγμονος: de Venere apud Nonn. D. 48.274 ‖ 4 ἔλλαχεν: potius ἔλλαβεν debuit, sed cf. fort. Theoc. 25.271 ‖ 5 cf. Nonn. D. 48.348 (de Artemide) ἰκμαλέας ῥαθάμιγγας ἀποσμήξασα κομάων; ibid. 1.208 ἁλιβρέκτων δὲ κομάων; ibid. 42.86 ἀκοσμήτοιο καρήνου ‖ 6 de verbo κελάρυζεν cf. e.g. Hom. Od. 5.323 ‖ 9 φρίξ: in hac sede cf. Hom. Il. 7.63 ‖ 10 cf. AP 7.4.6 μητρὸς ἀπ᾿ ὠδίνων δέξατο Λητοΐδην (de Delo insula) ǀ ὄμφακα μαστόν: cf. Nonn. D. 1.71 et 48.957 ὄμφακι μαζῷ ‖ 11 cf. AP 16.181.5f. εἰ τοίη ποτὲ Κύπρις (sed aliud est ἀδύνατον);180.5f. (de Marte, sed non de vinculis).

Due to the author’s sudden death in September 1494, the Liber epigrammatum Graecorum, albeit ready for publication in more or less its present shape, did not appear before the posthumous Aldine edition of Poliziano’s Opera (Venice 1498). Just a few weeks before his death, in a letter to the Bolognese humanist Antonio Codro Urceo (epist. 5.7, July 1494), Poliziano gave a rationale for his intention to publish the Liber, and even sent to his friend some samples of his output, including the epigram on the Anadyomene which we have just quoted:24 Composui propemodum libellum Graecorum epigrammatum, quem saepe ut edam familiares mei me rogant, et pertinere dicunt (ita enim mihi palpantur) non ad Latinorum modo, sed omnino ad seculi gloriam, si Latinus homo tamdiu iam dormienteis excitem Graecas Musas. Non enim poema reperitur ullum citra sexcentos annos a Graecis conditum, quod patienter legas. Sunt hodie tamen unus et alter, qui nonnihil dicuntur conari, quamquam adhuc non appareat. Ut igitur hos ipsos vel evocem vel irritem, cogitabam libellum qualemcumque hunc nostrum publicare. […] Aut igitur libellus hic probabitur ab iis quoque ipsis, qui componere putantur, atque ob id magna mihi omnino gloria tribuetur: aut improbabitur, et meliora ipsi fortasse scribent. […] Prius tamen illud testabor, me non ideo certasse cum tam praeclaris ingeniis, quae diu comprobavit antiquitas, praesertim in arena ipsorum, quod inde mihi victoriam vel sperarem, vel quaererem: sed quod hoc magis videbar illa cogniturus, quo minus in experiundo consequerer. 24 POLIZIANO 2002, xxiv-xxvi. Translation: “I have just composed a small book of Greek epigrams, which my friends often urge me to publish, saying (such is their flattering) that the fact that a Latin should wake up the Greek Muses (who have been asleep for such a long time) would contribute not only to the glory of the Latins, but to that of our age altogether. For one cannot find a single tolerable poem written by the Greeks in the last 600 years. There are a couple of people today who apparently prepare some attempts, even if they have not yet appeared in print. Therefore, I thought it wise to publish this small book, in order to stimulate or to defy them. […] For either this book will be greeted with approval even by those who are themselves allegedly writing Greek verse (whence I shall gain a remarkable reputation), or it will be spurned, and they will perhaps write better verse. […] First of all I shall confess that I did not enter the competition with so brilliant minds [i.e. the ancients], long consecrated by time, in the hope or in the longing for victory (all the more so as I am competing in their own field), but rather because I thought I could get to understand them the better, the less I equalled them in my attempts”.

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This letter is revealing under several aspects. First and foremost, it stresses that no good Greek verse has been produced over the last 600 years – this overall damnatio of Byzantine literature should not surprise us in the mouth of an Italian humanist,25 although one may wonder if the chronological limit here declared implies that Poliziano regarded as the last “good” Greek poets precisely those 9th-century scholars and epigrammatists – from Leo the Philosopher to Constantine Cephalas – who were among the last to practise Classicising verse and who gave a decisive impulse towards the formation of the so-called Palatine Anthology.26 Secondly, Poliziano’s letter unconsciously follows Filelfo’s lead in arguing that his book intends to evocare vel irritare other Westerners to do better: this humanistic topos rings here, however, more as a token of false modesty, especially against the background of contemporary Florence, where Poliziano’s great rival, the famous Greek scholar and diplomat Ianos Laskaris, was not only writing Greek epigrams himself, but also producing the editio princeps of the Greek Anthology (Florence 1494).27 As a matter of fact, Laskaris had expressly provoked the Florentine youth into this contest, in the last sentences of his 1493 prolusion at the Studio.28 Later history would show that Poliziano’s Greek epigrams, not Laskaris’, were to survive as a source of inspiration for future generations of humanists, as a number of editions, translations and imitations demonstrates.29 Finally, Poliziano gives a remarkably good reason for rivalling with the ancients in writing Greek verse, namely the wish to gain a deeper and more direct familiarity with the tam praeclara ingenia who represent the core of the Classical canon: while not giving up entirely an aesthetic ambition, he thus evokes a new, “didactic” dimension to what may seem a merely erudite exercise. In this respect, he essentially agrees with Laskaris, who had argued that et in soluta oratione haudquaquam rhythmum et concinnitatem et numerum deprehendere aut deligere et constituere poteris, nisi prius carminibus saltem luseris et modulis.30 A few years later, this very idea will be denied by another vir magnus of Italian humanism, the refined scholar and poet Pietro Bembo (1470–1547), in the dialogue that lays the foundations for the definition of the Italian “volgare”: Pietro Bembo, Prose della volgar lingua (1525), I.6 31 “E, se noi al presente la greca lingua eziandio appariamo [...] ciò solamente ad utilità della latina si fa, la quale, dalla greca dirivando, non pare che compiutamente apprendere e tenere e

25 An insightful overview of the difficult negotiation between the “classical” and the “Byzantine” Greekness during the Italian Renaissance can be found now in Lamers 2015. 26 See Lauxtermann 2003, esp. 147. 27 See Meschini 1976; F. Pontani 2016. On Laskaris’ biography see Pagliaroli 2004, with earlier literature. 28 See Meschini 1983, 112f., and POLIZIANO 2002, xxiiif. 29 See POLIZIANO 2002, xlix–xcii. 30 See note 28 (“even in writing prose you cannot grasp or select and establish the rhythm and the musical proportion, unless you have previously played with poems and verse”). 31 Dionisotti 1966, 85.

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posseder tutta si possa senza quella, e non perché pensiamo di scrivere e comporre grecamente: ché niuno è che a questo fare ponga opera, se non per gioco.”

In Bembo’s view, the learning of Greek only helps towards a better understanding of Latin (incidentally, a frequent topos in the humanistic writings that promoted the institution of chairs of Greek in Italian cities):32 therefore, Greek composition can only be conceived as a mere lusus, not as a serious occupation.33 Indeed, Bembo knew what he was talking about: first of all, during his years of apprenticeship at the school of Konstantinos Laskaris in Messina (approximately in the same months when Poliziano was composing the aforementioned epigram on the Anadyomene), he produced a short épigramme d’occasion on a rowing race between two crews of women – a disappointing achievement both on the metrical and the grammatical niveau, to the point that one would be tempted to emend it heavily were it not preserved in the autograph. Pietro Bembo, distich for a female regatta (1492) 34 Πράγματα νῦν πέρι ἄλλα ἐργάζετε ναυτικοὶ ἄνδρες ναῦς γὰρ ἄγειν Ἑνετῶν κοῦραι ἐς ἄθλους ἔμαθον.

But Bembo also tried his hand at Greek prose composition, with much better results: his speech pro litteris Graecis addressed to the Venetian senate in late 1494 or early 1495, is a very unusual text, for it does not show the limits of a virtuoso tour de force, but it rather seems to convey to the authorities an important political message in favour of the liberation of Greece.35 The real purpose and the real audience of this text are still debated today, and scholars disagree on whether it should be regarded as little more than a jeu d’esprit or as a full-fledged and fully serious intervention in the public debate of Venice;36 however, its very existence is a proof of Bembo’s long-standing engagement with the workings of Greek syntax, the maeanders of Greek rhetoric, and a plurality of ancient sources, not all of which common in his day. Between the late 15th and the early 16th century, a large number of scholars working on Italian soil – both Greeks and Italians – started to round off their works, their translations or editions, by means of introductory epigrams in praise of their sponsors, their friends, or the ancient or modern authors evoked in the book. This practice grew so popular (suffice it to think of the high number of Greek epigrams occurring in the prefaces to Aldus Manutius’ editions)37 that Greek verse de facto became the usual tool for an exquisite and refined poésie d’occasion aimed at a narrow circle of erudites: among the most prolific Italian adepts of this genre one can quote two pupils of Poliziano, namely the Florentine Andrea Dazzi (1475– 32 An overview of some of these texts is provided by Gastgeber 2014. 33 On the general frame of Bembo’s Greek studies see Pagliaroli 2013, esp. 93–96 on his Greek works. 34 From ms. Vat. Chis. L. VIII. 304, c. 388: see Cian 1898–99, 395–96 note 1 (with a facsimile). 35 See the edition in Wilson 2003, esp. 10–13 for an appraisal of Bembo’s style. 36 See Pagliaroli 2013, 116f. 37 See the beautiful collection by Orlandi/Dionisotti 1975.

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1548), whose innumerable Greek epideictic, satirical and funerary epigrams show a great ambition despite an insufficient command of metre and style,38 and above all Scipione Forteguerri from Pistoia (Hellenised as Carteromaco),39 whose devotion to the cause of the Greek language was so strong as to prompt him to jot down in 1502 the nomos of Aldus’ New Academy in Venice (Νεακαδημία), a free association of erudites which explicitly forbade the oral and written use of any other language except Greek.40 Greek epigrams, however, were by no means the privilege of Italians: Eastern refugees in Italy (from Theodore Gaza to John Argyropoulos, from Andronikos Kallistos to Demetrios Chalcondylas) also took part in this fashion, and even this chapter of the history of Greek poetry still awaits a systematic study.41 It is no chance that precisely a diplomat from Asia Minor and a Cretan scribe produced the only extant Greek odes of a considerable length, and with a clear political and historical subject: I am referring to Ianos Laskaris, whose long and remarkable Sapphic ode to Charles VIII and the Crusade against the Turks (1494–95) has just been unearthed and published,42 and to Markos Mousouros, whose monumental Ode to Plato (published in fronte operis in the 1513 Aldine edition of Plato) was praised not only as a remarkable literary achievement, but also as the last and most powerful attempt to revamp the Türkenfrage in Western politics.43 Both these men, who were also outstanding philologists, wrote several other shorter epigrams, indeed Laskaris even decided to collect his poetical output in an autonomous sylloge (Paris 1527), which half responded to Politian’s earlier Liber, and half aimed to become a milestone in the recreation of a literary genre.44 Laskaris’ style certainly influenced the style of some of his contemporaries and pupils, amongst whom I single out Lazaro Bonamico (1477/78–1552), a scholar from Bassano, who left some published and several unpublished Greek poems: the following epitaph, displaying a good familiarity with hexametric poetry and with the genre of hymns and oracles in particular, despite some metrical uncertainties (e.g. the bipartite scanning of line 1, which is a common feature of Byzantine hexameters), was found handwritten among his papers a few decades ago.

38 See Dactius 1549, esp. 106–130 and 294–300; Hutton 1935, 163. 39 His Greek poems are listed by Chiti 1902, 49–52 (on pp. 67–70 a selection of 10 epigrams). 40 On the exaggeration of this claim, variously assessed by modern critics, see Dionisotti, in Orlandi/Dionisotti 1975, xliii; Lowry 1979, 195–199; Wilson 1992, 129–131. 41 Many texts are to be found in the listings of Legrand 1885–1906; much is buried in manuscripts and sporadically edited. 42 F. Pontani 2015. 43 See most recently Ferreri 2014, 132–165 and Dijkstra/Hermans 2015. 44 See Meschini 1976, and – for Mousouros – F. Pontani 2003.

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Lazaro Bonamico, epitaph for cardinal Niccolò Ardinghelli (1547)45

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Νικόλεως Ἀρδίγγελος, ᾧ Μοῦσαι καὶ Ἀπόλλων παιδείην κ᾿ ἀρετὴν πᾶσαν ἔδωκαν ἔχειν, καλλίστων πρηκτὴρ ἔργων, Ἄρνοιο παρ᾿ ὄχθαις ὃν τέκεν ἡ κόσμου κυδιάνειρα πόλις, κριτὴν δ᾿ αὖ ἀπέδειξε τρίτος ποτὲ Παῦλος ἄριστος ἀνδρῶν ὄνθ᾿ ἕνα τῶν πορφυρέων πατέρων, τοιοῦτος δὴ ἐών, φεῦ, τῷδ᾿ ἐνὶ σήματι κεῖται, δάκρυα πολλὰ λιπὼν Ῥώμῃ ἐν ἑπταλόφῳ.

2 cf. fort. Orph. H. 76.4 πᾶσαν παιδείης ἀρετήν; cf. AP 12.96.2 πᾶσιν ἔδωκαν ἔχειν, sed sim. saepius (Thgn. 1387; AP 16.215.8 etc.) ‖ 3 cf. Hom. Il. 9.443 πρηκτῆρά τε ἔργων; saepius παρ᾿ὄχθας in clausula invenitur (Il. 12.313, 18.533 etc.) ‖ 4 κυδιάνειρα de urbe cf. AP 16.1.2 (de Sparta); Orac. Sib. 14.171 (Roma) ‖ 7 ἐνὶ σήματι κεῖται: cf. AP 7.559.3 ‖ 8 δάκρυα πολλά: cf. Orac. Sib. 2.157 ǀ Ῥώμῃ ἐν ἑπταλόφῳ: cf. Orac. Sib. 2.18 et 13.45.

2. GREEK VERSE AND RELIGION (16TH–17TH CENTURY) Lazaro Bonamico came from the North East of Italy, a region where the tradition of Greek versification remained alive throughout the 16th century, even at a time when it was declining elsewhere in the country. Some of the authors who contributed to this success had received a more or less accurate Greek instruction in Venice, e.g. Girolamo Aleandro (1480–1542, from Motta di Livenza), who knew intimately the Greek Anthology and produced some imitations,46 or Giovan Battista Amalteo (1525–1573), the author of a brief Pindaric ode on the battle of Lepanto in 1571.47 Others may have been trained in their hometown Udine, such as the renowned philologist Francesco Robortello (1516–1567), who elaborated a seminal theory of the epigram, and produced in 1548 a Nachdichtung of Pindar’s Olympian I called Βιοχρησμῳδία and presenting the author’s autobiography to Cosimo de’ Medici,48 or the much more obscure Pietro Cortona,49 who became the personal doctor to the

45 See Meschini 1979, 61 (the article also gives an overview of Lazaro’s broader output). Translation: “Niccolò Ardinghelli, to whom the Muses and Apollo yielded every virtue and education, was the author of splendid deeds, and was born on the shores of the Arno in the most illustrious city of the world: the excellent Paul III named him, a man of law, to the rank of the purple-dressed fathers: being so distinguished, alas, he is buried in this tomb, having left many tears in seven-hilled Rome”. 46 See Venier 2009b and particularly A. Pontani 2002. 47 See Trium fratrum 1627, 149f. This ode was part of a trilingual triptych (the Latin text in Wright/Spence/Lemons 2014, 70-79): on Amalteo see Venier 2009a. 48 On Robortello see Carlini 1967 and Hutton 1935, 60–62; on the ode see Päll, this volume. More Pindaric odes in Greek (including Amalteo’s Lepanto piece, one by Marco Antonio Gadaldino to Antonio Carafa, and an anonymous one to Robortello) are preserved in ms. Milan, Ambr. R 110 sup., ff. 178r, 185v, 212r, 215r. 49 Liruti 1830, 281.

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duke of Bavaria and published in Venice in 1555 a book of Varia carmina Graeca.50 Cortona’s sylloge, perhaps the first attempt of this kind after Poliziano’s Liber, contains several encomiastic pieces and poèmes d’occasion written for his patrons and friends, and the introduction also pays a homage to the importance of Greek tradition in an age when the Greek ethnos was being oppressed by the Turkish domination. But the very fact that most of the addressees are Germans, points to the fact that the idea of this book was born in close contact with a cultural environment which had grown in the meantime much more accustomed to a direct contact with Greek language and poetry, as many of the essays in the present volume demonstrate. In fact, one of the many by-products of the cultural shift entailed by the religious Reformation was the progressive translatio of Greek and Hebrew studies from Italy to the countries of Northern Europe, above all France, Germany, and the Netherlands.51 In the perspective of the catholic Counter-Reformation, the doctrinal danger brought about by a direct perusal of the Bible in its original languages was a sufficient reason for the gradual abandonment of Greek studies, and for a steady decrease of the chairs of Greek in Italian colleges and universities.52 This phenomenon set in precisely when Greek versification, as we have just seen, had started to become a common heritage of humanists: this versification therefore never attained a full ripeness, as was the case in other European cultures. Indeed, even the theory of epigram put forth in J.C. Scaliger’s Poetics (1561) clearly suggests the style of Catullus and Martial as worthy of imitation rather than the Greek counterparts.53 It is true that the Jesuit order was founded only in the late 1530s, but the leading role it quickly acquired in the domain of education makes it a representative touchstone for assessing the relative importance of different subjects in the school curricula. The 1599 version of the Jesuit Ratio studiorum (obviously reflecting earlier practice) devotes a profound interest and a series of structured exercises to the study of Latin (Latin, after all, was the language of the Church Fathers, of the mass, and of most religious communication); Greek, on the other hand, occurs very sparingly, always in the shadow of the other language, and in a minor key. While Latin prose composition requires a hard, daily training (and some time is also explicitly allotted to practising Latin verse), the prescriptions concerning Greek look rather different:

50 Cortona 1555. 51 See, most generally, Saladin 2000; Momigliano 1960 and Momigliano 1988, 10; Tosi 2002, 2f. An interesting comparison can be made by looking at the Greek inscriptions on Western art of the late Renaissance and Baroque age – originality can be expected only in the Flemish countries: A. Pontani 1996, 242f. 52 The only comprehensive study of the role of Greek in Italy in the post-humanistic period is Curione 1941, which is in bad need of replacement. See already Mancini 1939, 414–416. 53 Hutton 1935, 63–65. Scaliger (1484–1558), who was born in Italy but spent most of his life in France, was also a fine, if not prolific, writer of Greek epigrams: see Scaliger 1574, part III, 53–58.

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Ratio Studiorum Soc. Iesu (1599), Regulae professoris humanitatis54 1: Curandum praeterea, ut mediocriter scriptores intelligant et scribere aliquid graece norint. […] 6: Graeci thematis eadem ac latinae prosae ratio erit. […] 9: Explicatio autem, ut huius scholae fert gradus, linguae potius cognitioni quam eruditioni serviat. Inclinante autem anno graecarum syllabarum ratio tradi poterit cum auctore alternis diebus. Poterunt etiam interdum dissoluta carmina concinnari.

The goal is a modest linguistic knowledge, the ratio Graeci thematis is limited to prose (not poetic) composition, with some exercise allowed for the study of prosody, as a means of recognising and reconstructing the appropriate verse forms (dissoluta carmina concinnari); the only poetical authors quoted in the curriculum are Phocylides, Theognis, Synesius and Gregory of Nazianzus. The reticence of the Ratio clearly matches the lack of adequate professors.55 The professor sacrae scripturae is expected to produce quotations from Greek (or Hebrew) editions only when some problem arises with the Latin Vulgate; and in general even the suprema classis grammaticae wants pupils to Graeca describere (and here again, above all John Chrysostom and Aesop) rather than to develop any autonomous creative skill in that language.56 The consequences of this practice in a country dominated by the principle of the sola Scriptura, were dire: the rarity and the low quality of Greek composition in Italian prints of the 17th and 18th centuries attest to a general decline in linguistic knowledge – much worse than that denounced by Daniel Heinsius in a letter to Hugo Grotius of 1612.57 This decline affected both the standard Renaissance culture of virtuoso divertissements, epitaphs and Buchepigramme, and – perhaps less predictably – the domain of religious poetry: no Greek equivalent exists in Italy for the hundreds of Latin hymns, prayers and centos of the 16th, 17th and 18th century, as opposed – once again – to what happens in the frame of German humanism from Melanchthon onwards. One may well say that Greek verse becomes in this period “ein konfessionelles Phänomen”58 – the religious poetry of the “Calvinist amazon” and Italian heretic Olympia Morata (whose name, incidentally, occurs among the addressees 54 Bianchi 2002, esp. 280 and 286–288. Translation: “They [i.e. the pupils] should be brought to understand plausibly the ancient authors and gain the skill to write something in Greek. […] The rationale of the Greek composition will be the same as that of Latin prose. […] The teaching in this school level should serve rather the linguistic knowledge than a full-fledged instruction. At the end of the year the system of Greek syllables can be taught, on alternate days with the reading of an author. They will also occasionally be able to reconstruct broken verses.” See on this fascinating topic particularly Benedetto 2013, 72f. 55 See on this – and on the place of Greek in the Jesuit teaching routine – Curione 1941, 44–52. 56 See Bianchi 2002, 290–294. 57 Heinsius 1613, 325 (= Molhuysen 1928, 220): Ceterum, quod saepe admirari satis non possum, in tam uberi magnorum foecunditate ingeniorum, nemo fere est repertus, ne in ipsis quidem Graecis, qui leporem Graecae Musae, qualis in antiquis olim fuit, aut intellexisse satis aut exprimere feliciter videretur. Heinsius then quotes Mousourus, Laskaris, Carteromaco, Poliziano (and particularly his Venus emergens). See Curione 1941, 53. 58 Rhein, this volume.

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of Cortona’s epigrams) was essentially written in Germany and for a Lutheran public.59 As with all rules, however, there is at least an exception. Tito Prospero Martinengo (†1594), a benedictine monk from Brescia, lived most of his life in the abbey of Sant’Eufemia in his hometown, except for some years at the abbey of Santa Giustina in Padua:60 a reputed connoisseur of ancient languages and a protégé of cardinal Antonio Carafa, under the pontificate of Pius IV he cooperated to the editorial activity of the Roman curia for the Epistles of Jerome (1564–65), for other Church Fathers, and later for the 1587 Septuagint.61 Together with his more influential relative Lucillo Martinengo he was put under trial in 1566 and sentenced for heresy in 1571 by the Roman inquisition, as an adept of the sect of Giorgio Siculo:62 but the punishment was mild, and after his rehabilitation he managed to publish with the official Vatican printer Francesco Zanetti both an ambitious volume of Latin verse called Theotocodia (1583, 2nd ed. 1589), largely inspired by late antique Christian poetry and centos, and (in 1582, 2nd ed. 1590) a voluminous and longawaited book of Greek verse of chiefly religious content, sometimes with facing Latin translation, the Poëmata diversa.63 It can be debated whether the Theotocodia originated as a doctrinal answer to the charge of heresy levelled at Martinengo by the inquisition; the Poëmata diversa, however, undoubtedly attest to a cultural phenomenon that is rather unusual for Italy and Italian standards: the advantages of a solid humanistic instruction are here exploited for the production of an utterly orthodox religious poetry in the Greek language, with occasional encomia of the ecclesiastical hierarchy.64 It should be stressed that what is at stake here is not an ex tempore attempt by an erudite amateur: it is a conscious and full-fledged attempt at establishing a brand-new strand of Greek poetry about religious dogmas, persons and saints (Christ, the Virgin Mary, Peter and Paul, the names of Mary, st. Paul alone, etc.), much in the fashion of what was becoming a current practice in reformed countries. Martinengo’s degree of self-consciousness in his Greek versification – his utmost care in revising and emending his pieces, and his ideal of a “mission” to restore Greek verse to the Italian tradition – is apparent from material scattered in manuscripts: in a letter of 1578 he sends to the famous humanist and book-collector 59 Holzberg, this volume; Parker 2003. 60 Bossi 1983, 362f. His presence in Santa Giustina is ensured by a document in 1565 (Archivio di Stato di Padova, Corporazioni soppresse, S. Giustina, 28, f. 46r, kindly pointed out to me by Father Francesco G.B. Trolese O.S.B.), and extends at least down to 1569 (the autograph letter quoted in the following note expresses the wish to come back to Brescia as soon as possible), though in 1578 he still writes from San Salvaro near Monselice, the summer residence of the Paduan Benedictines (see below note 65). 61 See Zaggia 2003, II.606f. and 679–682; an autograph letter of 1569 to cardinal Carafa in fluent Greek prose is preserved in ms. Vat. Barb. gr. 280, f. 7r: see Mogenet-Leroy-Canart 1989, 140. 62 Prosperi 2000, 292f.; Zaggia 2003, III.896f. The letter to cardinal Carafa mentioned in the preceding note concerns precisely the charges of heresy and the slow and painful development of the court case. 63 MARTINENGO 1582; Zaggia 2003, II.681. 64 Zaggia 2003, II.685.

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Gian Vincenzo Pinelli (1535–1601) a short religious hymn, and he simultaneously asks the receiver to correct some of its lines in order to render it “more Doric in tone”.65 Even more interestingly, upon sending to Pinelli a first draft of the hymn to the Virgin that will later be included in his Poëmata diversa, Martinengo writes: “Et se fussi stato trascurato qualche accento, V.S. l’emendi. Del resto non so se vi sia cosa che non possi stare, a tale che potrebbe, credo, senza riprensione andar in stampa; sì che non solamente fiant carmina in regionibus transalpinis, sed etiam in cisalpinis. Et questo dico perche pare a Francesi et Alemani che appresso di noi questa nobile arte sia persa et extinta di far versi litterati greci et latini. Un altra volta poi le faro vedere aliquid pindaricum, che le delettara più”.66

Martinengo’s metrical versatility (hexameter, elegiac couplet, iambic trimeter, Sapphic and Alcaic stanza, glyconeans, Anacreontic ode, Pindaric ode etc.), as well as his ambition (most of his odes exceed by far the measure of an epigram, and often run through several pages), are unparalleled in what we know of contemporary Italian humanists. His skill is particularly evident in the long Pindaric ode on the names of the Virgin Mary (24 triadic stanzas!), which keeps throughout a Doric patina and blends allusions and references to a great variety of different sources. No less striking is Martinengo’s deep familiarity with a number of non-canonic authors, including Hellenistic and late antique poets: as the following excerpt clearly shows, the rumination of Gregory of Nazianzus and of Nonnus of Panopolis (chiefly the Paraphrase of St. John’s Gospel) endows the author with a new and convincing Christian poetic style, which is deeply marked on the lexical and syntactical level by pagan models from Homer to the Orphic Hymns, from Callimachus to Proclus.67

65 Ms. Milan, Ambr. S 93 sup., f. 86r (the letter to Pinelli, dated Monselice, 19 Nov. 1578), mentioning texts preserved in the same ms. (f. 84r, the hymn, later printed – with the prospected corrections – in MARTINENGO 1582, 131; f. 82r, an elegy for Tarquinia Molza, later printed – with the prospected correction, and other variants – in MARTINENGO 1582, 271). 66 Ms. Milan, Ambr. R 119 sup., f. 176r (the letter, written in Monselice, dates from around 1578– 1580, and it accompanies the hexametrical hymn to the Virgin later printed in MARTINENGO 1582, 8–42). Translation: “And if any accent has been neglected, please feel free to correct it. I do not know if there is still something wrong [in this text], otherwise I believe it could well go to the press, so that poems may finally appear not only on the other side of the Alps, but also on ours. I say this because the Germans and the French have the impression that in our countries the art of writing Greek and Latin literary verse has gone lost and died out. Another time I shall show you something Pindaric, which is going to please you more than this”. 67 One could compare the roughly contemporary Greek poetry by Laurentius Rhodomanus (1545– 1606). For Rhodomanus’ predilection for later Greek poetry see the analysis by Ludwig 2014, 165.

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Filippomaria Pontani Tito Prospero Martinengo, hymn to Christ (1582), explicit 68  

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ἀλλὰ σύ, Χριστὲ θεὸς καὶ σωτὴρ ἄμβροτε κόσμου, μυστιπόλοιο σέθεν τόνδ᾿ ὕμνον δέχνυσο πρόφρων, οἷα μετὰ κομιδήν τε τελεσφορίην τ᾿ ἐρατεινήν, εὐῶδες καρποῖο θαλύσιον, ἤ τιν᾿ ὀπώρην ἀμφιετῆ πεμπφθεῖσαν ἀπ᾿ ἀγροῦ διψάδος αἴης, οὐ λιπαροῖο λίην καὶ πίονος, ἀλλὰ μάλ᾿ αὔου, στήθεος ἡμετέροιο. σὺ δ᾿ ἄναξ ἵλαος αὐτὸν εὐμειδής τε δέχοιο, καὶ ἡμῖν ἐγγυαλίξαις σὴν χάριν ἀντ᾿ αὐτοῦ μενοεικέα, καὶ σέο λᾶξιν.

1 σωτὴρ κόσμου: cf. NT Jo. 4.42 (etiam Rom. Mel. 1.24); ἄμβροτε: cf. e.g. Gr. Naz. carm., PG 37.516.1 πάτερ ἄμβροτε ‖ 2 μυστιπόλοιο: verbum hoc sensu (scil. sacerdotis) apud Nonnum invenitur, cf. Nonn. par. Jo. 1.65, 9.161 etc. ǀ ὕμνον δέχνυσο: idem Procl. H. 7.5 ǀ δέχνυσο πρόφρων: cf. AP 15.27.5, sed de iunctura Hom. Il. 23.647 πρόφρων δέχομαι ‖ 3 τελεσφορίην: ex Call. Ap. 78 ǀ ἐρατεινήν hac sede saepius in sermone epico ‖ 4 cf. Nonn. D. 36.364 εὐώδεϊ καρπῷ ǀ θαλύσιον: cf. Nonn. D. 25.316; vide Ath. Epit. 1.25.31 et Hsch. θ 66 (de ἄρτος) ‖ 5 ἀμφιετῆ: ex Orph. H. 53.1 (de Baccho) ǀ διψάδος αἴης: cf. clausulam διψάδι/α γαῖαν/γαίῃ (Opp. C. 3.35; 4.322), praes. Nonn. D. 19.121 ‖ 7sq. cf. Hom. Il. 19.177sq. ἄναξ... ἵλαος ἔστω et al. (sed ἄναξ priorem syllabam brevem habet); praes. Call. Dian. 129 εὐμειδής τε καὶ ἵλαος et A.R. 4.714sq. ἠδὲ καὶ αὐτὸς / εὐμειδής τε πέλοιτο; verbum ἐγγυαλίζω semper in clausula in sermone epico occurrit ‖ 9 cf. Hom. Il. 23.650 σοὶ δὲ θεοὶ τῶνδ᾿ ἀντὶ χάριν μενοεικέα δοῖεν; de λάξις (sed circumflexum habet noster) vide Call. Jov. 80.

Despite its ultimate success to our eyes, Martinengo’s lesson fell on no fertile ground: his achievement was far too eccentric and ambitious for the standards of Italian ecclesiastical instruction, and above all it required from its readership a familiarity with Greek literary culture that was by then almost impossible to obtain. On the other hand, what the ecclesiastical domain did offer to the history of Greek versification during the centuries of the Counter-Reformation, had not only a much more limited scope and ambition, but above all a totally different meaning. No less a figure than Maffeo Barberini (1568-1644; since 1623 pope Urban VIII), while primarily active as a Latin poet, also tried his hand at a couple of Greek epigrams, mostly poésies d’occasion, though one is in fact a poetic paraphrase of Psalm 75. Perhaps the most interesting of these texts is an ekphrasis of a San Sebastiano, maybe the very painting by Pietro Perugino (Paris, Louvre) that was kept in the Palazzo Barberini in Rome at least since the mid-17th century.69 We can see in these lines, which revolve around the old topos of “ut pictura poësis”, a certain familiarity with Christian writings and with Homer, but no trace of a true stylistic assimilation of 68 MARTINENGO 1582, 24f. Translation: “But You, o Christ God the immortal Saviour of the world, accept with favour this hymn of Your priest, like a fragrant bread made from the firstfruits after the cultivation and the lovely ceremony, or like yearly fruits sent forth from a field of thirsty earth, not a rich and fat one, but a very dry one: our breast. Please, Lord, accept it with a benevolent smile, and grant us in exchange Your plentiful grace, and Your allotment”. 69 See Garibaldi 1999, 100–103. Habert et al. 2007, R.F. 957. The Perugino painting is not attested at Palazzo Barberini before the inventory of 1648: Aronberg Lavin 1975, 208; but see 27f. and 67 for more paintings of the same subject (by Paolo Perugino, Pinturicchio and Carracci) in Maffeo Barberini’s collection.

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the prototypes and no special poetic cleverness – it looks as if Barberini were simply trying to fit some prosaic verbs and a very ordinary syntax in a metrical mould, without attempting to recreate a real flavour of ancient verse. Maffeo Barberini, εἰς τὴν τοῦ ἁγίου Σεβαστιανοῦ εἰκόνα (1640)70

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Δεσμευθέντα βέλη πρόμαχον Χριστοῦ διαπείρει, ὃν μὴ ζῶντα γραφεύς, μήτε θανόντα γράφεν. Ζῆν μὲν ἔτ᾿ ἀθρέομεν, νεκρὸν δὲ φοβούμεθα πίπτειν, καὶ μέγα δείν᾿ ἡμῖν τραύματ᾿ ἐνῶρσε πάθος. Ἔμπαγε τραυματίου ἐπιλεύσσετον ἀστέρας ὄσσε, καὶ στόμα μὲν χαῖνον λισσομένου δοκέει. Οὐκ ἔξεστι τέχνῃ φωνὴν ἀπὸ χρώματι δεῖξαι, νοῦς δὲ γραφέντα βλέπει χείλεα τοῦτο λέγειν· Ἅμμα λύειν, ψυχὴ γὰρ ἐμὴ μεμαυῖα φέρεσθαι, ὡς ἔλαφος διψῶν πίδακα, πρός σε, Θεός.

1 cf. e.g. Gr. Nyss. laud. Bas. 2.3 (PG 46.789D) τὸν Χριστοῦ στρατιώτην … καὶ πρόμαχον τῆς ὑπὲρ Χριστοῦ παρρησίας etc., sed saepius in hymnis, e.g. Paul. Cryptoferr. hymn. 3.59 Gassisi; Sym. Thessal. mirac. s. Dem. 3.1.12 de πρόμαχος Χριστοῦ ǀ διαπείρει verbum pedestre ‖ 2 ζῶντα … θανόντα: de oxymoro cf. e.g. AP 7.394.6 et saepius ‖ 4 ἐνῶρσε: cf. Hom. Il. 6.499; 15.366; E. Suppl. 713 ‖ 5 ἔμπαγε: Gr. Naz. carm., PG 37.623.7 et 1251.7 (cum μήν) ǀ ἐπιλεύσσετον: verbum apud Hom. Il. 3.12 tantum; de forma duali cum ὄσσε cf. e.g. Hom. Il. 23.464, 477 ‖ 7 φωνὴν ... χρώματι: cf. AP 11.433.2; de re cf. e.g. Plu. de glor. Ath. 346sq., Rhet. Her. 4.28 ‖ 9 ἅμμα λύειν: cf. E. Hipp. 781 ǀ μεμαυῖα cum inf. cf. Hom. Od. 16.171 ‖ 10 ὡς ἔλαφος κτλ.: cf. LXX Ps. 41.2.

Barberini’s epigram is a virtuoso Paradestück, much in the same vein as Benedetto Averani’s (1645–1707) Praise of a girl, published as an almost isolated piece in his posthumous collection of Latin poems and epigrams. While significantly longer than an epigram – and in fact the only long Greek piece in Averani’s scarce output in this language –, this elegy suffers from the same stylistic problems as Barberini’s, and despite some interesting quotations (above all from Homer and the bucolic corpus) and some smart mythological allusions (the topoi for beauty’s hidden dangers – the rose, Aphrodite, Pallas – and for beauty’s impossible vision – Tiresias, Actaeon, Semele), it does not always live up to metrical requirements, nor does it

70 BARBERINI 1640, 253f. I add here the author’s own free Latin translation: Depictus Christi miles, quem spicula figunt, ǀ os neque viventis, nec morientis habet. ǀ Ne cadat expirans metuis, quem vivere cernis, ǀ teque pio sensu vulnera saeva cient: ǀ Sed placide, quamquam sic saucius, inspicit astra, ǀ dum labra suppliciter more precantis hiant. ǀ Non datur artifici vocem depingere: pinxit ǀ hunc tamen, ut credas talia verba loqui: ǀ Vincula solve: tuum, Iesu, sitit anxia visum ǀ mens mea, ceu fontis cervus anhelus aquam. More literally: “Arrows transfix the enchained soldier of Christ, whom the painter has represented neither dead nor alive. We see he is still alive, but we fear he might fall dead, and his horrible wounds arouse our great sorrow. Even so, the victim’s eyes watch the stars, and his open mouth seems that of a man who is praying. Art cannot show the voice through colours, but the mind can see that the depicted lips are saying: ‘Loosen the knot, for my soul wants to rush to You, God, like a thirsty deer to a source’”.

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rise to the status of an aesthetically autonomous piece, especially when compared with its obvious predecessors, i.e. the many erotic elegies of Classical antiquity. Benedetto Averani, Κόρης ἔπαινος (ca. 1670–80) vv. 25–36 71 25

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τί χρὴ μακρολογεῖν; πάντες θεοὶ οὐρανίωνες κάλλεσιν εἰδομένην θῆκαν ἐπουρανίοις, ἔξοχα καὶ φρόνιμον καὶ κόσμιον ἦθος ἔχουσαν, ἥδιστόν τ᾿ ἄλγος, καὶ γλυκὺ πῆμα νέοις. ὥσπερ γάρ ποτε Πανδώρην θεοὶ αἰὲν ἐόντες τοῖς δώροις αὐτῶν οὐλομένην ἔθεσαν, οὕτω καί σε θεοὶ δώροις μεγάλοισι ποίησαν ἔμμεναι οὐκ ἀγαθὴν ἀνδράσιν, ἀλλὰ κακήν. πλήν συ κάκ᾿ οὐκ ἀφίεις ἐκ κρυεροῖο πίθοιο, ἀλλ᾿ ἐξ ὀφθαλμῶν, ἔκ τε καλοῦ στόματος· εἴς σε βλέπων γὰρ ἀνήρ, καὶ ἀκούων ἁδὺ λαλούσης, ἄγριον ἐξαίφνης ἕλκος ἔρωτος ἔχει. […]

25 cf. Isoc. 12 (Panathen.).181 al. τί δεῖ μακρολογεῖν (nusquam apud poëtas) ǀ θεοὶ οὐρανίωνες: cf. Hom. Il. 1.570 etc. ‖ 27 φρόνιμον καὶ κόσμιον: sim. Pl. Phd. 108a6 ǀ ἦθος ἔχουσαν: cf. Critias fr. 6.12sq. ‖ 29 θεοὶ αἰὲν ἐόντες: saepius, cf. Hom. Il. 1.290 etc. ‖ 30 αὑτῶν debuit ‖ 32 cf. AP 7.160.2 Ἄρης δ᾿οὐκ ἀγαθῶν φείδεται, ἀλλὰ κακῶν ‖ 33 metrum claudicat; de clausula sim. cf. Hom. Il. 13.48 κρυεροῖο φόβοιο, 24.524 κρυεροῖο γόοιο ‖ 35 de clausula cf. AP 9.440.8 (Mosch. amor fugit.) ἁδὺ λάλημα, fort. etiam Sapph. fr. 31.3sq. Voigt ἁδὺ φωνείσας ‖ 36 ἄγριον ἕλκος (de Adone) cf. Bion epit. Adon. 16; vide etiam AP 12.72.5-6; Nonn. D. 15.320.

Averani, a Latin poet, a Latinist and professor of Greek in Pisa since 1676, was a rather obscure man of letters with no special claim to a major role in the history of Italian culture, and he acted for years as the leader of the “Accademia degli Apatisti” in Florence, writing inter alia a series of 86 dissertations on the epigrams of the Greek Anthology.72 Academies played a major role in the intellectual life of many Italian cities in the 17th and 18th centuries: while some of them tried to compensate the vacuum of Greek studies in universities, the niveau of expertise of their members was uneven. A perfect example is provided by the only Academy where Greek versification became a widespread fashion for a long time, namely the glorious (and still existing) “Accademia dell’Arcadia” in Rome. The members of this institution, who had to acquire a bucolic nickname and thus became shepherds in the Academy’s foundational fiction, produced a massive amount of Latin encomiastic verse for official celebrations or feasts; the boldest among them did not refrain

71 AVERANI 1717, 244. Translation: “Why should I be long? All the heavenly gods made her similar to the heavenly ones in beauty, endowed with an exceedingly wise and modest character, a real sweet sorrow and pleasant torment for young boys. Just as the eternal gods once made Pandora terrible through their gifts, so the gods through their great gifts have made you not good towards men, but evil. Yet you do not let evils fly from a cold jar, but from your eyes and from your beautiful mouth: when a man sees you and hears your sweet voice, he suddenly feels the fierce wound of love”. 72 See Carranza 1962; Curione 1941, 65; Hutton 1935, 52f. and 377–381.

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from trying their hand at Greek versification too.73 These texts, mostly limited to a couple of elegiac distichs, stand out not only for their empty and conventional tone, but above all for the startling number of prosodical, metrical and grammatical mistakes they contain – an excellent proof of the poor state of Greek linguistic knowledge in Baroque Italy. Perhaps the only exception in the corpus published by Zoras in recent times is represented by the long Pindaric ode dedicated by the Neapolitan Benedictine monk Giovan Battista de Miro (his Arcadian name was Meon Lasionius, 1656–1731)74 to cardinal Gaspare Carpegna, a powerful member of the Roman Curia (he almost became a pope) on the very day of his admission to the academy. De Miro’s attempt, like Robortello’s and others’, reproduces the metrical scheme of an existing ode by Pindar75 (this time Olympian 3), but it also shows a deeper acquaintance with Pindaric word-building and style, which enables the author, despite a number of syntactical abusiones and a partly prosaic tone, to attain a certain degree of originality. Giovan Battista de Miro, Ode to Gaspare Carpegna (1695), ll. 37–7176

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Καρπίνεος δ᾿ ἄρα ἅρως εὐκλεής, τῷ νῦν νεοποίκιλος ὕμνος συμπλέκεται, ἅμα πρόσθεν χρόνον, κὤπισθε νόῳ δεδάηται· ἐστὶ γὰρ πολλῶν καμάτων πολύπειρος, τοῖς λέλογχεν κῦδος αἰείμναστον, ὑψίσταν δ᾿ ἀρετᾶς περὶ δόξαν, οὐ παρὰ δάμου, ὡς πολλοί, κακόγλωσσος γὰρ αὐτός,

antistr. II

ἀλλὰ τῶν ἐσθλῶν, παρ᾿ οὓς μὲν αἱ ἀρεταὶ βλεφάροις εἰσορῶσ᾿ εὔνοις, ἰδὲ γλυκυτάτῳ καρπῷ πάσασθαι ἀσμένως

epod. II

73 The relevant texts, mostly preserved only in manuscripts, have been collected, published and discussed by Zoras 1994. 74 See Ceresa 1990, who lists other scattered Greek odes: the long Italian eclogue Alnano published in Crescimbeni 1695, 65–69 is said to have been originally “scritta in Lingua Greca da Meone Lasionio P(astore) A(rcade)”. 75 See Päll, this volume. 76 Zoras 1994, 35–39. Translation: “Carpegna, the famous hero for whom a new, multiform hymn is wreathed, knows both the past and the future time, for he is expert of many toils, through which he attained unforgettable renown and high fame of virtue, not – as many others – from the ill-tongued populace, but from the best, whom virtues look at with propice eyelids, gladly letting them eat their sweetest fruit; for no hymn turns to their blame, and they know how to recognise a worthy man from another one: but the populace, roaring secretly, has in general an unfaithful tongue subservient to personal profit, which has never won over the mind of the best, if it boasts right deeds remaining untouched by the others’ calumny. But now the heart of all good mortals is dominated by desire, hope and prayer (may God not make them vain): to see the fortunate day when Carpegna will take hold of the reins of the supreme command, and will be called king of kings: on that day I shall found a temple to you, Eunomia, and a magnificent one to you, Muses, and I shall fulfil my longing in re”.

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τῷ σφετέρῳ πορίσαντο· τῶνδε γὰρ εἰς ψόγον ὕμνος μὴ τρέπετ᾿ ἄξιον ἄνδρ᾿ ἔτερόν τ᾿ ἴσαντι γνῶναι· ἀλλὰ χαμηλὰ βρέμων κέρδεσι γλῶσσαν τὸ πλεῖστον τὰν ἀπίσταν

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δᾶμος ἔχει θεραπεύουσαν· τόδ᾿ ἐσθλῶν οὐκ ἐδάμασσε φρένα, τὰ οὐκ ἑτέρων κινέει δυσφημία, εἰ πράγμασ᾿ ἀγάλλεται ὀρθοῖς. Ἀλλὰ νῦν πάντων ἀγαθῶν βροτέων ἆτορ δαμάζει ἵμερος, κ᾿ ἐλπίς, καὶ εὐχά (μὴ ἀνεμώλια ποιείτω Θεός)· ἁμέραν βλέψασθαι εὐπότμαν, ἐν ᾇ μὲν

str. III

ἡνία Καρπίνεος χερσὶν λάβοι ἀρχᾶς μεγάλας, βασιλήων καὶ βασιλεὺς καλέσαιτο· στάσομαι ναὸν τότε, Εὐνομία, σοί, καὶ ὑμῖν Μῶσαι μεγαλοπρεπέα, κ᾿ ἔργοις ἐέλδωρ παύσω.

antistr. III

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38 νεοποίκιλος: ex schol. Pi. O. 3.7b-8a ‖ 45 κακόγλωσσος: cf. Call. Del. 96; Nonn. D. 2.161 al. (E. Hec. 661) ‖ 49 καρπῷ: gen. debuit ‖ 52 ἕτερον debuit ǀ ἴσαντι: ex Pi. P. 3.30 ‖ 53 cf. Pi. P. 11.30 χαμηλὰ ... βρέμει ‖ 56 ἐδάμασσε φρένα: cf. Hom. Od. 9.454; Thgn. 2.1234 ‖ 57 οὐχ debuit ‖ 58 cf. Pi. O. 7.46 πραγμάτων ὀρθὰν ὁδόν ‖ 59 βροτῶν debuit (cf. Orph. L. 101) ‖ 63 εὔποτμον debuit ‖ 65sq. regum rex appellabatur rex Persarum.

Post-Renaissance Italy is no hospitable country for Greek verse: as one might easily expect by looking at the critical state of learning and teaching, Greek poetry exists as a divertissement only for (often self-proclaimed, and often inadequate) erudites, and only in isolated instances as a rhetorical instrument for Christian hymns or higher encomiastic attempts. While in Germany and England Greek verse played an important role both in scholars’ instruction and in the development of religious poetry, in Italy it remained by all means a marginal element of the cultural discourse. However, one disclaimer should be made at this point: the situation we are describing applies to Italian scholars and poets, but at the same time, during the late 16th, the 17th and part of the 18th centuries, Italian printers (especially in Venice, but also in Florence and Rome) published dozens of excellent epigrams and poems in ancient Greek (chiefly Buchepigramme, but sometimes even more ambitious pieces) written by scholars from the Heptanese, from Crete or from continental or insular Greece. Some of them became reputed intellectuals in the Italian context, be it Padua, Tuscany, or particularly the Roman milieu of the Collegio Greco and of Propaganda Fide: one need just recall the prolific papal librarian from Chios Leone Allacci, who wrote several, splendid longer odes in ancient Greek, or the Paduan professor from Beroia Giovanni Cottunio, who published in 1653 two books

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of ̔Ελληνικὰ ἐπιγράμματα (with a long dedication to Louis XIV king of France, opened by the claim to be the first to write such a sylloge in centuries), but stands out also as the author of an ambitious handbook De conficiendo epigrammate (Bologna 1632).77 An inquiry into their skill as poets in ancient Greek by far exceeds the modest scope of the present survey, but it would be useful in order to contrast it with the achievements of their Italian colleagues, since the latter’s poetical attempts prove so dramatically inconsistent even when they appear on the same page as the well-thought epigrams or odes of their Hellenic counterparts.78 3. THE 18TH CENTURY: CONTINUITY AND CHANGE It is generally agreed among scholars that the 18th century witnessed a slow revival of Greek studies in Italy, with new chairs being inaugurated or revived in universities, and a growing interest for the language.79 It is particularly in the second half of the century, however, that the great season of Italian antiquarianism took over in libraries and museums (Scipione Maffei at Verona; A.M. Bandini at Florence; J. Morelli at Venice; G. Mingarelli at Bologna):80 while these phenomena did not necessarily go beyond a strictly erudite approach, it is true that they created a fertile humus for single ingenia who may devote their time to writing in ancient Greek – and this happened indeed in at least two ways. On the one hand, the tradition of Greek poésie d’occasion was unexpectedly revived by the “Sappho rediviva”, namely the Bolognese female poet Clotilde Tambroni (1758–1817), who acquired a vast popularity also through her manifold contacts with such illustrious personalities as Mme de Staël, Richard Porson, F.A. Wolf and J.-B.-G. de Villoison.81 Tambroni was no scholar herself, and in writing Greek poetry as a learned pastime she profited a great deal from the favourable cultural atmosphere of her hometown: the style of her odes, mostly long and printed in special plaquettes, is not original either in terms of topic or of diction, and it largely follows in the footsteps of the encomiastic tradition so typical of Italian academic writing, full of hyperbolae and topoi. Still, her skill is particularly evident

77 The activity of these scholars is largely described in Legrand 1894–1903; most of them occur in Tsirpanlis 1980. On Allacci see especially Rotolo 1966; on Cottunio’s epigrams see particularly Samarà Papaioannou 1982–83 (and Hutton 1935, 68 and 268f.). 78 See for instance the epigram by Sebastiano Fantaccini (a member of the same “Accademia degli Apatisti” as Benedetto Averani) in the collection mentioned by Legrand 1894–1903, I.76. 79 See Curione 1941, 71–85 and Mancini 1939, 417–421, insisting on the role of the FlorentinePisan school of Anton Maria Salvini, Alessandro Politi, Angelo Maria Ricci and others, as well as on the importance of Ludovico Antonio Muratori’s dissertation De Graecae linguae usu et praestantia (1693), perhaps the most authoritative appeal to the recognition of the paramount role of Greek culture in all disciplines of the world of learning. 80 Curione 1941, 120–136. Tosi 2015, 205f. 81 Tosi 2002, 3–5 and above all the edition of her poems in TAMBRONI 2011 (the only critical edition of a Greek modern poetical sylloge beyond Filelfo’s and Poliziano’s).

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in her choice of the right stylistic and linguistic model for each situation: Callimachus, for instance, is ubiquitous in the elegy she addressed to the renowned Parmese printer Giambattista Bodoni for an elegant edition of the Cyrenaen’s Hymns published in 1795. Tambroni’s text, of which we shall read but the first lines, plays on the double encomium of the author and the publisher, who appear to admire one another. Clotilde Tambroni, elegy for the printer Giambattista Bodoni (1795), vv. 1–882

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Εὖτε ποδήνεμος Ὄσσα κατήλυθεν ἀγγελιῶτις εἰς ἔδαφος μακάρων σοὺς ἐρέουσα πόνους, Καὶ σπεύδουσα κόμιζε, Βοδώνιε, ἀγκαλίδεσσι τεῦχος, ὅπερ κέκαμες τοῦτο πανυστάτιον, Λαμπράς τ᾿ ἀμφιλαφεῖς σελίδας, κλέος εὐρὺ λαχοίσας, θαῦμα μέγα θνητοῖς, χάρμα τ᾿ ἐπουρανίοις· Αἶψα μάλ᾿ ἐξ ἐδέων ἀνστῆσαν πάντες ἀοιδοὶ ̔Ελλάδος εὐρυχόρου, Αὐσονίης τε καλῆς, Ὥς μιν ἑώρουν πλησίον ἤδη· καὶ τόθ᾿ ἕκαστος εἰδέμεν ὅττι φέρει βούλετ᾿ ἐπαντιάσας.

1 ποδήνεμος: de Iride dictum apud Hom. Il. 2.786 etc. ‖ ἀγγελιῶτις: Call. Del. 216 ‖ 3 ἀγκαλίδεσσι: cf. Hom. Il. 18.555, Call. Dian. 73 ‖ 4 πανυστάτιον: Call. Lav.Pall. 54 ‖ 5 ἀμφιλαφεῖς: cf. e.g. Call. Dian. 3; Cer. 26 al. ǀ κλέος εὐρύ: cf. Hom. Od. 1.344 etc. ‖ 7 ἑδέων debuit ǀ de re cf. Hom. Il. 1.533f. ǀ ἀνστῆσαν cf. Il. 18.358 ἀνστήσασα ‖ ‖ 8 εὐρυχόρου: de Graecia cf. Hom. Il. 9.474 al. ‖ 9 ἑώρων debuit? ‖ 10 ἐπαντιάσας: cf. h.Hom. h.Ap. 152.

On the other hand, the only true philological approach to Greek texts in the Italian Settecento grew out of the first scientific work on the newly discovered papyri of Herculaneum, which aroused a large wave of interest from scholars from all over Europe. It is no chance that Naples soon became, in the second half of the century, in the words of no less a scholar than J.-B.-G. de Villoison,83 “la ville où l’on vend le plus de grec”, and the most important centre for Greek studies in the Italian peninsula.84 This state of affairs is mirrored in the revivals of Greek promoted with antithetical aims by two very different intellectuals. Giacomo Martorelli (1699–1778), a reactionary professor particularly keen on Greek grammar (he had translated into Italian the popular handbook of Port Royal), is reported to have provocatively argued in one of his lectures that “si doveva leggere scrivere e pensare pretto pretto greco e abbandonare tutte le altre lingue”:85 this mot, however, was not to be taken seriously, but rather to be read as an extreme 82 TAMBRONI 2011, 89–99. Translation: “When wind-swift Fame arrived to the dwelling of the gods in order to announce and celebrate your achievements, o Bodoni, and she hurried carrying in her bosom this very last book of yours, with its ample and brilliant pages, all full of glory, a great miracle for men and a joy for the heavenly ones, immediately all the singers of wide Greece and of beautiful Ausonia rose from their stalls, as soon as they saw her approaching: and then everyone wanted to know what she was carrying with her”. 83 Joret 1910, 168. See Curione 1941, 133f. 84 See La Torraca 2012. 85 Genovesi 1962 (1754), 60. On Martorelli see Matarazzo 2008.

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reaction to the revolutionary gesture of the great economist and philosopher Antonio Genovesi (1713–1769), who decided to lecture publicly in Italian rather than Latin. Now, if Martorelli conceived of Greek as an instrument of traditionalism and old-fashioned ideals, the philologist and papyrologist Pasquale Baffi (1749–1799), who belonged to the Albanian community of Calabria, and had an early Greek religious and linguistic education, saw matters in a very different way. The head of Naples’ Royal Library, the first serious scholar and editor of the Herculaneum papyri, and a leading specialist of Handschriftenkunde and editorial technique (he studied Byzantine documents of Southern Italy, and even prepared a radically innovative Greek grammar, as well as an edition of Hermias’ commentary to Plato’s Phaedrus that unfortunately never reached the press),86 Baffi was in touch with all the most famous Classicists of the continent (from Zoega to Villoison, from Schow to Harles),87 who often asked him for help in collating or describing manuscript sources. Baffi was also politically engaged: his progressive ideals and his adhesion to the Enlightenment led him to side with the Neapolitan revolution of 1799 against the Bourbon regime, a choice that he paid with his life. The reason why he is particularly important in our context is that he wrote a long Pindaric ode in ancient Greek to Catherine II of Russia,88 a text that combines encomiastic traits with an unprecedented skill to re-use pure Pindaric material in the description of a recent and totally new reality. While sticking (like De Miro) to one specific metrical pattern, namely that of Olympian III, Baffi employs the peculiar technique of pasting together various items from Pindar’s vocabulary and syntax, thus achieving something similar to a sui generis cento. However, it is clear that in Baffi’s case the strictly formal aspect matters less than the ideological meaning of the text: the celebration of the tsarina as the ideal ruler of European Enlightenment takes place in Greek, Greek being not only the language of the Theban archegete of encomiastic poetry, but also the language of Orthodoxy, namely the very religion espoused and protected by Catherine. Baffi’s ode numbers among the most ambitious intellectual products of a circle of Neapolitan intellectuals who sided with Catherine in her war against the Sultan, hoping that a Turkish defeat may soon lead to the independence of Greece: this philhellenic circle included some elements of Greek descent, such as Giorgio Corafà and the important poet Tommaso Velasti, who considered the military development of the Russo-Turkish war under the perspective of a renewed Greek national identity.89 86 See d’Oria 1987. 87 See d’Oria 1980, esp. 112 with Grégoire Orloff terming Baffi “peut-être le plus habile helléniste de l’Europe”. 88 It is still unpublished, and preserved in the autograph ms. Florence, Biblioteca Marucelliana, B.I.18, ff. 285r–287r: this is the copy sent by Baffi to the Florentine erudite Angelo Maria Bandini. 89 See d’Oria 1999; d’Oria 1987, 99–104; d’Oria 2014, esp. 443; Venturi 1979, 109–127. It should be recalled that another Pindaric ode to Catherine was produced, on a similar tone, by Lord Frederick North, earl of Guilford (see Päll, this volume), and that Sapphic odes were addressed to Catherine in 1775 by the learned bishop Eugenios Voulgaris (1716–1806), who had also

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Corafà and Velasti edited in 1771 a sylloge of Italian, Latin and Greek poems and epigrams in support of Catherine II and of the Russian general Theodore Orlow in their battles against the Turks:90 Baffi’s Pindaric ode, although it did not end up in this book, must date from the same period, and was therefore animated not only by an erudite interest or by a simple intellectual exhibitionism, but rather by a humanistic ideal that combined philological skill and political engagement in the revival of Greek language and culture as a global and continuous heritage stretching throughout the centuries.91 Pasquale Baffi, ode to Catherine II of Russia (1770s), vv. 84–107 92

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Παντᾷ ἐπεὶ τᾶσδ᾿ ἀγλαΐαν τὺ ἔφανας, ἅσυχον πρὸς νᾶσον ἀειμακάρων, Ἀχοῖ, πόρευσον ἀφνεᾶς βάθρον νεοίκου ἑσσαμένῳ πόλιος Πέτρῳ κλυτῷ τοιάδ᾿ ἀγγέλλοισα, κλεινὰν ὄφρ᾿ ἰδοῖσα ἔργμασι θεσπεσίοις ἄνασσαν φῇς, οὐδεὶς ὅτι δηρίεθ᾿ οἳ τῶν νῦν γε καὶ ἐσσομένων καὶ τῶν πάρος ἐσλῶν περὶ πλήθεϊ, λαόν τε δικαίῳ πηδαλίῳ νεμέμεν πείθοντα, σκάπτῳ τ᾿ ἐγκαθίζοισαν μονάρχῳ εὐνομίαν θέμεν ἀστοῖσι· φάθι, πρὶν ἀτολμάτου ἐπειρᾶθ᾿ ὡς ἔργου, ἶνας

antistr. IV

ἐκταμεῖν εὐρυσθενεῖ Θρηκί, χ᾿ ὕβριν ἀλεξάμεναι Ἑλλάδι. Δεῖξον ὅτι προτέρας

epod. IV

written a book on Catherine’s legislation (Venice 1770 and Moscow 1770: see Legrand 1918– 28, II.204–206 and 116–120). 90 Componimenti poetici di vari autori in lode di Caterina II, Napoli 1771 (Legrand 1918–28, II.137): see d’Oria 1989 and 1997–98. Most of the Greek poems in this book are by Heptanesian Greeks, although Baffi (Πασχάλης ὁ Βάφφω, p. 115) contributed a piece on the Crescent of the infidels. 91 See d’Oria 1999, 148. 92 Ms. Florence, Maruc. B.I.18, ff. 285r–287r. Translation: “Oh Echo, since you have announced everywhere Catherine’s splendour, go to the quiet island of the blest, announcing such things to the glorious Peter, who laid the foundation of this new, wealthy town, so that seeing the Queen famous for her divine deeds you may say that none of her predecessors and successors can rival with her for the multitude of her virtues, in the art of steering an obedient people with a right rudder, and of offering good order to the citizens by using her monarchic sceptre: tell him, how she laid hand to something unattempted before, namely to cut the sinews of the powerful Thracians and to avert their violence from Greece. Show him that she has laid hold of the Turks even better than her predecessor (she whom his bed hosted in the past), and a very bitter end awaits them, the most hateful; and add that the Moschovians have erected for her everywhere the monument of a stele, that will be renowned among the generations to come”.

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τὰν αὐτοῦ εὐναὶ πρὶν λάχον Τοῦρκον ἄμεινον ἔμαρψε, πικροτάτα δὲ τελευτά νιν μένει τὸν στυγερώτατον· αὐτῇ δὲ φάθι ἐσσομένοισι κλυτὸν μνᾶμα παντᾷ Μοσχικοὺς στάλας ἐγεῖραι.

85 ἔφανας: Pi. I. 3/4.20 ‖ 87 πόρευσον: Pi. O. 1.77 ‖ 88sq. βάθρον ... πόλιος: Pi. O. 13.6 ‖ 88 νεοίκου: Pi. O. 5.8 ‖ 89 Πέτρῳ κλυτῷ: de Petro Magno (1672-1725) agitur, qui Petropoli sepultus est ‖ 92 δηρίεθ᾿– πλήθει: Pi. O. 13.45 ‖ 95 δικαίῳ πηδαλίῳ: Pi. P. 1.86sq. ‖ 96sq. σκάπτῳ – μονάρχῳ: Pi. P. 4.152–154 ‖ 101 ἀλεξέμεναι debuit ‖ 102 προτέρας: scil. Catherina I ‖ 103 τὰν – λάχον: Pi. P. 2.27 ‖ 104 ἔραμψε ms., correxit Weise ‖ 105 πικροτάτα – μένει: Pi. I. 7.48 ‖ 106 στυγερώτατον: Pi. O. 10.90 ‖ 107 μνᾶμα... στάλας: Pi. N. 4.81; AP 7.338.2.

4. PROFESSORS AT WORK (19TH–21ST C.) Pressed between the Jesuit tradition of Latin rhetorical and poetic exercise, and a growing but sterile antiquarianism, with few exceptions Italian classicists of the late 18th and early 19th centuries had little familiarity with the most developed techniques of philological and linguistic analysis:93 this is what the greatest of Italian poets, Giacomo Leopardi, found so disappointing even in the Roman erudite milieux. Things changed very slowly after the unification of the country in 1861, and the rise of a new national legislation on the schooling system: Greek studies were introduced in the curriculum (starting with the 3rd or 4th class of the “Ginnasio”) by the Casati law of 1859–60, which partly reflected the German Humboldtian model94 – indeed, Classical instruction was still regarded by minister Scialoja, the author of a fundamental inquiry on education in 1872, as the cornerstone of all education. However, on the one hand Greek suffered from a remarkable shortage of books, handbooks and adequate teachers,95 on the other it was perceived by many as an old-fashioned, elitist subject sacralising a dead past and an empty rhetorical syllabus to the disadvantage of a more modern, scientific instruction.96 It was only towards the end of the 19th and the beginning of the 20th century that scholars of European standing such as Girolamo Vitelli advocated a role for Greek against the nationalist claims of other intellectuals, who insisted on protecting local (ultimately, ecclesiastical) traditions against the penetration of foreign (mainly German) scholarly and educative trends.97 It was precisely this “modern” Germanophile option that later influenced Giovanni Gentile’s 1923 wide-ranging reform of the education system under Fascist rule, which introduced Greek as a substantial discipline of the Liceo classico, and thereby assigned it a pivotal role in the formation of the 93 94 95 96

See Degani 1999 and Degani 1988, 7f.; Timpanaro 1977, 3–5. Bonetta 2013, 65–71. Degani 1988, 5f. See Bonetta 1995, esp. 23 and 70–75; Benedetto 2013, 78–83; and, for the situation of Southern Italy, several contributions in Cerasuolo 2014. 97 Benedetto 2013, 83–87.

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elites, a role that despite the many intervening reforms it has kept until very recently. It is no chance that whatever evidence we have of Greek versification in this period derives more or less directly from a context of teaching and education. Diego Vitrioli (1818–1898) was a teacher and a professor in Messina: his Latin poems were internationally praised (his Xiphias won the first Certamen Hoeufftianum in 1845), but he also tried his hand at some short Greek épigrammes d’occasion, printed out in capital letters as if they were epigraphic texts, sometimes attacking rivals, more often celebrating friends or ladies of the Sicilian aristocracy, as is the case in the present ekphrasis: Diego Vitrioli, epigr. XVII Alla signora Ghiselli (ca. 1860?)98 τῆς ἀρετῆς μορφὴν εἰ γράψαι λευκοχίτωνα ἤθελ᾿ Ἀπελλείῳ Σάντιος ἐν πίνακι, Ἰταλιδῶν ἄνθος φαέθον, Γισέλλια, μητρῶν, σοῦ μορφὴν Ρ ̔ αφαὴλ ἔγραφεν αὐτοτάτην. 1 ἀρετῆς μορφήν: scil. εἰκών, vide e.g. AP 16.313.1sq. (sed etiam Lib. Decl. 37.1.8 et saep. alibi) vel τύπος (Io. Dam. in Io. Chrys., PG 96.768.4; Manuel Philes carm. 1.239.3 Miller) ǀ λευκοχίτωνα: cf. praes. Musae. 62 (de Herone) ‖ 2 ̓Απελλείῳ: adi. in epigr. ecphrasticis tantum occurrit (et in eadem versus sede): cf. AP 16.178.2 (Antip. Sid.; πῖναξ) et 181.2 (Iul. cons.; παλάμη) ‖ 3 φαέθον: de sole (Hom. Il. 11. 375; Od. 5.479) ‖ 4 αὐτοτάτην: ex Ar. Pl. 83 αὐτότατος.

It should be stressed that Vitrioli’s skill in Greek prosody and style is far from satisfying: metrical blurs are frequent, useless particles (δέ, γε, γοῦν) have the only goal of fixing the metre, the Greek cadence follows a distinctly Latin pattern, and the insertion of rare lexical items rings frigid and artificial.99 Not much more accomplished and effective was the Greek verse of one of the most important Italian poets, Giovanni Pascoli (1855–1912), who according to many should be regarded as the best Latin poet of modern Europe. The stylistic refinement and the ideal and cultural richness of Pascoli’s Latin Carmina – which received a number of prizes from the Hoefftianum – have often elicited comparisons with ancient prototypes such as Catullus, Vergil and Horace,100 and have pushed some critics to argue that Pascoli’s real poetical world should be detected rather in his Latin than in his Italian poetry.101

98 VITRIOLI 1930, I.182. This is Vitrioli’s own Italian translation: “Se di Virtù l’imagine / con apellèo pennello / in bianco ammanto pingere / volesse Raffaello, / o dell’itale madri fiore eletto, / di te, Ghiselli, pinto avrìa l’aspetto.” And this is his Latin version: Si Raphael nitido speciem virtutis amictu ǀ vellet apelleo pingere cum graphio, ǀ o flos italidum pulcher, Ghisellia, matrum ǀ Urbinas vultum pingeret ipse tuum. 99 See the excellent analysis by Megna 2006 (esp. 175f. on our epigram). 100 The most important study on this topic – in many ways a paradigmatic analysis of poetic bilingualism – remains Traina 1961 (32006). 101 See Garboli 2002, I.57–74. But Vitelli had a different opinion: see Bossina 2015, 147f.

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Unfortunately, the same cannot be said of his scanty versification in ancient Greek. Albeit an excellent connoisseur of Greek lyric and epic poetry, which inspired several of his Italian works (most notably his Poemi conviviali, a masterpiece of contemporary literature largely devoted to protagonists of the ancient world from Odysseus and Solon to Alexander the Great), Pascoli could not really boast tria corda like Ennius. His attempt at a Greek hexametrical rendering of an Italian poem on Garibaldi by his former teacher (and himself illustrious poet) Giosuè Carducci, was jotted down in 1884 at Matera, where Pascoli was teaching at the local secondary school: as far as we can tell from the surviving autograph drafts, it remained little more than a torso with some lines mechanically drawn from well-known Homeric formulae, and many problematic solutions under the prosodical and metrical point of view.102 Beyond this, Pascoli’s Greek vein was mostly limited to a few épigrammes d’occasion: the only one to end up in the official collection of his Poëmatia et epigrammata commemorated Carducci’s visit to a popular restaurant in Livorno: Giovanni Pascoli, Poëmatia et epigrammata lxvi (ca. 1890?)103 Οἰνώτριος

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Τῇδ᾿ ὦ ξεῖνε, φίλοις Οἰνώτριος ἕζετ᾿ ἀείδων, τρὶς δ᾿ ὅγε Πιερίδων μνήσατ᾿ ἰοπλοκάμων· οἱ δὲ σιωπῶντες μελιηδέα οἶνον ἔπινον τερπόμενοί τ᾿ οἴνῳ, τερπόμενοί τε μέλει· οἴνου τ᾿ ἦν γλυκεροῦ μεγάλη χάρις, ἡ δέ τ᾿ ἀμείνων· ἡ μὲν γὰρ βαιὴ γίγνεται, ἡ δ᾿ ἐς ἀεί.

1 τῇδ᾿ ὦ ξεῖνε: cf. AP 7.249.1 (Simonid.) ǀ ἕζετ᾿ ἀείδων: Phanocl. fr. 1.3 Pow. (de Orpheo) ‖ 2 μνήσατ᾿: de Musis cf. e.g. h.Hom. 25.7; Thgn. 1056 etc. ǀ ἰοπλοκάμων: de Musis cf. Pi. P. 1.1 et Simon. fr. 555.3 Page, necnon Lyr. Adesp. 83 Page ‖ 3 σιωπῶντες: nusquam in sermone epico; potius σιωπῇ in clausula (cf. e.g. Hom. Il. 9.190 ἧστο σιωπῇ), sed vide praes. (de Phemio) Od. 1.339 τῶν ἕν γέ σφιν ἄειδε παρήμενος, οἱ δὲ σιωπῇ / οἶνον πινόντων ǀ μελιηδέα οἶνον: cf. Hom. Il. 6.258 (cum clausula ἐνείκω) et Od. 9.208 (claus. ἐρυθρόν) ‖ 4 sim. Lib. prog. 12.7.9 Foerster τερπομένους μὲν οἴνῳ, τερπομένους δὲ στεφάνοις; in sermone epico cf. Hom. Il. 18.526 τερπόμενοι σύριγξι; Thgn. 1.778 τερπόμενοι κιθάρῃ etc. (vide etiam Thgn. 1.1042, 1047 etc.); de constructione sim. cf. e.g. AP 7.579.2 ἐξόχου εἰν ἀγοραῖς, ἐξόχου ἐν φιλίῃ, necnon Polit. epigr. 30.6 ἔξοχον ἔν τε χοροῖς, ἔξοχον ἔν τε λύρῃ ‖ 5 οἴνου ... γλυκεροῦ: cf. Orac.

102 See Traina/Paradisi 22008, 43–50; but the text should still be read in Citti 1988. 103 PASCOLI 1970, 572f. This is Pascoli’s own Latin translation: Hic, hospes, amicis Oenotrius sedebat canens, ǀ ter autem is Pieridum recordatus est cincinnos-habentium-violas-imitantes; ǀ illi autem taciti dulce vinum bibebant, ǀ cum delectati vino, tum delectati cantu. ǀ Vini fuit dulcis magna gratia, altera vero melior, ǀ altera enim brevis gignitur, altera in perpetuum. “Here, o stranger, Oenotrius used to sit and sing to his friends, and thrice did he remember of the Muses with dark locks: they silently drank sweet wine, enjoying both wine and song: the pleasure from sweet wine was great, but the other one even greater, for the former lasts little, the latter one forever.” A useful commentary, by Patrick Manuello, can be found at the following website: (12 April 2016).

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Filippomaria Pontani Sib. 8.211, sed vide Od. 20.69 μέλιτι γλυκερῷ καὶ ἡδέι οἴνῳ ǀ μεγάλη χάρις: cf. AP 9.611.1 ǀ ἀμείνων: in clausula e.g. AP 7.493.7 ‖ 6 βαιή: de χάρις saepe apud Gr. Naz. carm., vide PG 37.642.10, 894.5 etc.

Pascoli’s poetic diction is indeed learned, and blends suggestions from Simonides’ Thermopylae epitaph, from Homer, Theognis, and from the many sympotic epigrams of the Greek Anthology. The poet reshuffles this material into a genuinely original poetical product, but his style appears to be somewhat cold, erudite and conventional, exactly the opposite of what happens with the dizzying appropriation and recreation of Latin style in his Carmina. This epigram, in other words, is more the work of a professor than that of a poet. Again, it is no coincidence that the only poetical sylloge embracing a number of Greek texts to be published in Italy in the 20th century, comes from one of the leading Hellenists of his times, partly trained in Germany and later a professor at the University of Florence: Girolamo Vitelli (1849–1935), from a rural area of Campania, was not only an excellent textual critic and the founder of Italian papyrology, but also the man who introduced in his country the methods and the conceptual tools of German Alterthumswissenschaft, which had remained largely foreign even to his earlier colleagues (Pascoli himself regarded the philological approach as a pedantic pastime of frustrated professors).104 This is particularly important in view of Vitelli’s Greek versification, for he managed to enrich the century-old Italian tradition through the cross-fertilisation with the German academic practice about which so much is said in this volume.105 A selection of Vitelli’s numerous épigrammes d’occasion in ancient Greek and Latin, addressed above all to his Florentine students and friends, were gathered by his pupil Ermenegildo Pistelli, whose enthusiastic preface celebrated the peculiarly high quality of Vitelli’s Greek verse against the background of the entire Italian tradition.106 The Greek pieces (17 in number), are mostly written in elegiac distichs, but they sometimes show higher ambitions: epigram 9 is in fact a long epic-dramatic dialogue in various metres between outstanding members of the Florentine papyrological circle, including Medea Norsa, Pistelli and Vitelli himself (most interestingly, the text is equipped with marginal annotations and critical signs, as if it were a diplomatic edition of a papyrus); epigram 41 is a witty piece on proof-reading, all played on the key of the technical terminology of Hellenistic documents from Egypt. More epigrams will be composed in Vitelli’s later years, above all the interesting distichs to Rudolf Pfeiffer on the new edition of Callimachus’ Coma Berenices, which Vitelli and Norsa had edited before the German scholar.107

104 See Pasquali 1994, 205–215 (orig. published in 1935). 105 See particularly the papers by Hillgruber and Holtermann, this volume. 106 See E. Pistelli, in VITELLI 1927, ii: “L’Italia ha avuto altri poeti latini di fine gusto o anche, come il Pascoli, d’alta ispirazione. Ma gli epigrammi latini del Vitelli saranno da tutti giudicati perfetti, e quanto ai versi greci, si vedrà che nessuno in Italia ne ha mai scritti con tanta sicurezza formale e con una finezza ed eleganza che non esitiamo a giudicare sofoclee”. 107 See Bossina/Bergamo/Cannavale 2013, 407 (and 397–401 for the identification of οὐρανόπηκτος); see also 407 note 18 for Pfeiffer’s positive judgment on these pieces, and 420

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Vitelli’s texts are not only flawless in terms of prosody, metre and style, but also well-thought and refined in their phrasing: in a review of Subsiciva, Giorgio Pasquali praised the author (his former teacher) as the first to show not only “una padronanza assoluta della lingua poetica e del verso greco”, but also an unprecedented command of Greek poetic style – a novelty in a country where, throughout history, “Carmi greci … ne sono stati scritti pochi”.108 This one deals with a specific historical situation, namely the early stages of W.W. I, and Vitelli’s specific engagement in the creation of an orphanage in Florence (the plaque at the entrance will bear his name, though the donors are many): Girolamo Vitelli, A Iolanda de Blasi (1915)109

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Εὖ ποιέουσ᾿, Ἰ ολάνδη, ἀφειδέως χρυσὸν ἔδωκας παίδεσσι σμικροῖς, ὧν ἀγαθοὶ πατέρες οὔρεσ᾿ ἐφ᾿ ὑψιλόφοις καὶ Ἰ σοντίου ἀμφὶ ῥέεθρα, ἐν γῇ τ᾿ ἐν πόντῳ τ᾿ ἐν νεφέλαισί θ᾿ ὁμῶς, Αὐστριακοῖς στυγεροῖς θάνατον καὶ κῆρα φέρουσιν, μαρνάμενοι πάτρης εἵνεκεν ἡμετέρης. οὔνομ᾿ ἐμόν, πρόφασις κεινή, προάγει τόδε ἔργον ἐσθλὸν γενναῖον καὶ ὁσίης ἀγάπης. οὔνομ᾿ ἐμὸν κεινόν, σάφα οἶδ᾿· ἀλλ᾿ οὔνομα κεινόν ὑμετέρῳ χρυσῷ χρύσεον αἶψ᾿ ἔσεται. τῷ δ᾿ οὐ σὺ σμικροῖς παίδεσσι χαρίζεαι οἴοις, ἀλλ᾿ ἅμ᾿ ἐγὼ φέρομαι χρύσεα δῶρα σέθεν.

1 ἀφειδέως cf. fort. Alc. fr. 338.6 Voigt ǀ χρυσὸν ἔδωκας: cf. Theoc. 11.81 ‖ 3 οὔρεσ᾿ ἐν ὑψιλόφοις: cf. Colluth. 17 ǀ ἀμφὶ ῥέεθρα: saepius, cf. Hom. Il. 2.461, 533, 7.153 al. ‖ 4 ἐν – πόντῳ: cf. AP 7.506.1 ‖ 5 cf. Hom. Il. 17.714; Od. 2.283 etc. θάνατον καὶ κῆρα et Il. 3.6 φόνον καὶ κῆρα φέρουσαι ‖ 6 cf. Tyrt. fr. 10.2 West περὶ ᾗ πατρίδι μαρνάμενον (et AP 7.140.4 et 724.4) ‖ 7 πρόφασις κεινή: cf. D. de cor. 150 al. ǀ τόδε ἔργον: cf. Hom. Il. 10.39 ‖ 9 σάφα οἶδ᾿: cf. Hom. Il. 20.201, 432 etc. ǀ an κεῖνον? ‖ 12 χρύσεα δῶρα: cf. Hom. Od. 16.185.

Since Vitelli’s times, several other university professors of Classics have attempted to write Greek verse, with very uneven outcomes. To quote but two examples, the conventional results achieved in the last decades by Ignazio Cazzaniga and Saverio Siciliano attest to the inadequacy of – respectively – a mythological poetry that attempts to imitate ancient prototypes in stereotyped Hellenistic forms (Cazzaniga’s learned epyllion acquires originality only through the final reference to the author’s personal experience as a soldier on the island of Leros during W.W. II), and of a note 46 for more Greek lines (written in 1933) and Pasquali’s comparison of Vitelli’s Greek with Pascoli’s Latin poetry. 108 Marvulli 2006, 70 and 66. 109 VITELLI 1927, 40. Translation: “You have done well, Iolanda, to give lots of gold for the small children whose brave fathers bring death and ruin to the odious Austrians, on the high-crested mountains and along the stream of the Isonzo, fighting for our common fatherland on land and sea and from the sky. My name – an empty excuse – promotes this beautiful, noble work of holy love. My name is empty, I know: but that name thanks to your gold will itself soon be golden: hence, you do not make an offering to the small children alone, but I also get a share of your golden gifts”.

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rather awkward “spontaneous” erotic poetry that conveys personal feelings along commonplace lyrical patterns (Siciliano signs as “Archilochus”!).110 Much like in the days of old, this kind of fossilised tradition can (sometimes) achieve good results for a closed communication within academia, but it can hardly revive a genuine interest for and belief in Greek as a plausible vehicle for literary expression. The opposite is true of what we must consider the most recent case of new ancient Greek poetry in Italian quarters, namely the sylloge by Alvaro Rissa (a pseudonym for the Florentine Hellenist Walter Lapini, a professor at the university of Genoa) published in late 2015.111 While some rare satyric or scoptic epigrams are attested in the Italian tradition from Politian to Vitelli, this book follows consciously and overtly the path of parody: not, however, a mere frigid parody of the ancient texts or characters, but a sagacious “Petronian” degradation of the contemporary world in Classical garb. An epic poem in Homeric terms is devoted to the very prosaic and grotesque daily adventures of a character called Ugo Fantozzi (the main character of very popular movies by the Genoese actor Paolo Villaggio).112 An allegedly Sophoclean agon logon takes place between two Pisan schoolmasters attempting (alas in a very realistic way) to recruit as many students as possible for their colleges by offering them various kinds of bonuses and privileges. Everyday realities such as sex and football are ironically described in serious-looking elegies. While education is obviously an important topic (the problems and paradoxes of Italian secondary schools and universities are often evoked; and of course much of the irony can be understood only by students who have taken at least one course in ancient Greek), these poems, all with facing Italian translation, try to break the walls of the classroom in order to show the unexpected potential of Greek verse today:

110 Renna 2014 (Cazzaniga’s poem dates back to 1972); Siciliano 2006. 111 See RISSA 2015. The pseudonym is inspired by a scene in the Italian comedy “Ecce bombo” (1978, dir. N. Moretti), where the poet “Alvaro Rissa” appears in an “esame di maturità”. 112 From Fantozzi (1975) to Fantozzi 2000 – La clonazione (1999): see Buratto 2003.

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Alvaro Rissa, Homeri Φαντοζζιάς, vv. 8–15 (the Muses are talking to Lapinos)113 8

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‘Εἶα προφέσσωρες, κάκ᾿ ἐλέγχεα, γαστέρες οἷον, τίπτ᾿ ἔργοιο τόπον, τὸν πὰρ θεοὶ ὔμμιν ἔδωκαν μισεῖτ᾿; ἀλλὰ ταχέως ἁδινοῦ παύσεσθε γόοιο· πουλὺ γάρ, ὦ Λαπῖνε, κακώτερος ἔσσεται αἰὼν νῦν ὅτε Ματθαῖος βασιλεὺς γένετ᾿ ἀντὶ πολίτου, ψυχῆς ἠδὲ νόου στερέων ̓Ιταλοὺς ταχυβούλους. Φημὶ προφεσσώρων ἀμέλειν Ματθαῖον ἁπάντων ἠδὲ βροτοὺς ἄλλους, ὅσσους τρέφει εὐρεῖα χθών.’

eadem sede nonnulla verba in Homeri versibus inveniuntur (e.g. 8 εἶα, 9 ἔδωκαν, 10 κακώτερος, 11 νῦν ὅτε etc.) ‖ 8 κάκ᾿ – οἶον: Hes. Th. 26 ‖ 10 ἁδινοῦ ... γόοιο: cf. Hom. Il. 18.316 al. ‖ 11 ἔσσεται αἰών: Orac. Sib. 1.195, 7.11 ‖ 13 ταχυβούλους: ex Ar. Ach. 630 ‖ 14 fort. ἀμελεῖν ‖ 15 ὅσσους – χθών: cf. Hom. Il. 11.741. Alvaro Rissa, Sophoclis Πρόεδροι, vv. 130–40 114 130

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ΠΑ. Ἐγὼ μαθητὰς ποικίλως ποιῶ χλιδᾶν ἁβρῶς τε μυρίοις διαιτᾶσθαι τρόποις· ὁσημέραι γὰρ αὐτοβοῦς αὐτοὺς ἄγει, ἐμοῦ κυβερνητοῦντος, εἰς Δάντου στάσιν, καὶ ῥᾴδι᾿ ἔνδον καὶ στερεοὺς ἱδρύσαμεν. ΜΑ. Κἀν τῷδε νικῶ σ᾿· ἀλλὰ καὶ φρουροῖς ἐῶ χρῆσθαι μαθητὰς χαρτοπώλαις ἐμφανῶς. ΠΑ. ̓Αλλ᾿ οὐκ ἐῶσιν οἱ νόμοι τοιαῦτα δρᾶν. ΜΑ. ̔Ημεῖς ἑαυτοῖς τοὺς νόμους πορίζομεν. Ὅπως δ᾿ ἀρέσκω, κἂν προφυλακτίκ᾿ ἐν σχολῇ πωλεῖν ἐῴην, τοῖς μαθηταῖς ὢν φίλος.

In this almost “Aristophanic” satire,115 Lapini’s creativity lies above all in his lexical choices: many neologisms are either comically re-created in Hellenic fashion (e.g. προφέσσωρες, αὐτοβοῦς), or morphologically and semantically adapted to the new parodic context (e.g. ῥᾴδιον, στερεός, χαρτοπώλης, προφυλακτικόν),116 giving

113 RISSA 2015, 10: “‘Ah, professori, brutta razza, ventre soltanto! / Perché odiate il posto di lavoro che gli dèi / vi diedero? Ma ben presto porrete fine al fitto lamento: / per tutti, o Lapino, la vita sarà più dura, / ora che Matteo si è impadronito del potere / privando di anima e cervello gli instabili Italiani. / Io dico che i professori non interessano né a Matteo / né agli altri mortali, quanti ne nutre la vasta terra’” (author’s translation; Ματθαῖος is of course Matteo Renzi). 114 RISSA 2015, 54. “Pappo: ‘Io concedo agli allievi ogni capriccio, / e li faccio star comodi in mille modi: / infatti tutti i giorni guido io stesso / l’autobus che li scarica alla fermata del Dante, / dentro il quale ho collocato radio e stereo.’ Macco: ‘Anche in questo io ti batto: io permetto persino / che i bidelli vendano cartoleria agli studenti.’ / Pappo: ‘Ma la legge non lo consente!’ / Macco: ‘Noi ci facciamo le leggi da soli. / Pur di rendermi gradito, a scuola farei vendere / anche i preservativi, tanto sono amico degli studenti’” (author’s translation). 115 It could be partly compared with Julius Richter’s dramatic poetry, on which see Holtermann, this volume. 116 Neologisms like these (e.g. φεῖσρος = phaser; αἰσθητήρ = sensor; ῥαδιόφωνος = radiophone; ῥόβοτος = robot; σαῖ-φαῖ = sci-fi etc.) are also very common in the parodistic Greek science–

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rise to a deeply ironic macaronic Greek that has no antecedent in the Italian tradition. Whether this eccentric attempt will inaugurate a new tradition, remains to be seen, or perhaps hoped.

fiction epic Ἀστροναυτιλία (Prague 1995) by the Czech author Jan Křesadlo (1926–1995) which Stefan Weise is going to re-edit with German translation and notes. See Weise 2010.

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THE TRANSFER OF GREEK PINDARIC ODE FROM ITALY TO THE NORTHERN SHORES: From Robortello to Vogelmann and further* Janika Päll Ὀμφᾷ Πινδαρικᾷ τε χρὴ κελαδεῖν Ἥρωα (Samuel Cobb 1700)1 Abstract: This paper is dedicated to the Greek Pindaric (or Pindarising) Odes, which form a sub-genre among European Pindarising Odes with a corpus of about 90 odes written or published between 1548 and the 21st century. The form of Greek Pindaric Ode has been used for writing religious texts (as for example psalm paraphrases), for occasional poetry in honour of crowned heads, humanists or other important persons, for celebrating important victories in war or the Olympic games, and even for translating great poets. Because of the dedications to especially elevated occasions and important persons who have expressed their love for humanist culture, but even more as a result of its difficulty and the imitation of complex Pindaric models, this genre has become emblematic for humanist learnedness, displaying the superiority of its authors in their command of Greek language and poetic forms.

First we need to define our subject: a Pindarising Ode in Greek or a Humanist Greek Pindaric Ode is here understood as a poem written in Pindaric (Pindar’s or Pindarlike) complex lyric metres in scholarly, erudite Greek for performance or publication on very special occasions, using elevated and festive phrasing.2 This *

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This paper has been supported by Estonian Science Council grant PUT 132 (2013–2016), but reflects also earlier studies. The grant helped to finance several new EOD digitalisations, I also benefitted from the membership in RSA for work with EEBO. My greatest gratitude goes to the librarians in Tartu, Basel, Augsburg, Zwickau, Munich, Berlin, Halle, Paris and elsewhere, who continue to improve catalogues and provide new digitalisations. I also thank Stefan Weise for the invitation to the conference in Wuppertal and information about some Pindaric Odes and Filippomaria Pontani for his paper on Greek poetry in Italy (this volume), which brought Pindaric odes by Martinengo and de Miro to my attention, as well as Luigi-Alberto Sanchi, Andrea Tessier, Matteo Venier, Ulrich Hentschel, Alessandra Lukinovich and Martin Steinrück for their helpful comments and Raili Marling for editing my English. COBB 1700, P1r. For Pindarising (“pindariser”) in general as writing in a high, elevated style, see Schmitz 1993, 19 and Revard 2001 and 2009. Here Pindaric or Pindar-like metres are understood more strictly as composite lyric strophes with metrical responsion (including the imitation of Pindar’s monostrophic odes, but excluding all kinds of hybrid forms, decribed below in the text). For the notion parodia pindarica (not used here), see below.

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definition implies a high status of Greek Pindaric Odes, at first corresponding to the tradition of ancient Greek encomiastic poetry, where the poet is the deliverer of eternal glory. In Renaissance and Early Modern context it is also the language choice itself which adds grandeur to these poems, as Greek has a higher status than the “default language” Latin (cf. van Dam 2015, 67). Thirdly, the genre is special because of the complexity of metres, which is difficult to master. In the context of Humanist Greek poetry Pindaric Odes are therefore much rarer than poems in elegiac distichs, hexameters, Sapphic stanzas or Anacreontics:3 according to the state of research by April 1, 2016 there are 894 published Pindaric Odes in Greek, of which 69 were written between 1548 and 1705.5 This number indicates published odes which are based strictly on Pindaric metrics, but the corpus could be easily enlarged by some unpublished odes and hybrid forms, such as Konstantinos Minoides Minas’ odes, which use a “Pindaric”, strophe-antistrophe-epode layout;6 single strophe-antistrophe pairs without epodes;7 forms in a mixture of languages (e.g. with a Greek strophe and Latin antistrophe) or odes without metrical responsion, which are in elevated, Pindaric style and language and use lyric metres. Greek Pindaric odes rapidly came to symbolise sublime gifts from the Muses, presented only by the best poets to the highest addressees.8 This emblematic character was established already in the first known Pindarising Ode, Βιοχρησμῳδία by Francesco Robortello (1516–1567),9 which is addressed to the Dutch humanist Arnoldus Arlenius, but also honours Robortello’s patron, Cosimo de Medici.10 Robortello claimed that he had been welcomed to the world by Apollo and the Muses who became his protectors, by this elevating himself to the level of the great Ancient Greek poets like Hesiod and Pindar, whose life-stories include

3

For the choice of metres, see van Dam 2015, 61f. (Pindaric Ode not occurring), for Estonia, see Päll 2001. As for language, Greek (depending on the period) makes up around 5% or less (for the discussion concerning Estonia, see Päll 2010). 4 Or 88, if we choose to classify as a manuscript the propempticon to Claude Calame by Martin Steinrück, which was distributed in ca. 50 photocopies to the participants of Calame’s farewell party in Lausanne. His ode will appear next year in the appendix to my paper in the acts of the colloquium in Caen (in April 2016), discussing the tactics of enjambement in three Pindaric Odes, which are based on Pindar’s 3rd Olympian. 5 These odes are the ones I have seen myself. The present study is still a work in progress, therefore a complete list will not be attempted here and the presented numbers will certainly not remain definitive, as there is information about more Pindaric Greek odes which have been written. 6 MINAS 1830. 7 The use of Pindaric metres by Sergios Makarios (cf. Ieronimaki 2006, 55), as well as different hybrid forms cannot be regarded in this paper because of the early stage of the studies. 8 Cf Ijsewijn/Sacré 1998, 92 for Latin Pindaric odes which can occur in more trivial genres of occasional poetry. 9 See ROBORTELLO 1548, 278–285. 10 Arnout van Eyndhouts (1510-1574/1582), also known as Arnoldus Arlenius Peraxylus. See: Nieuw Nederlandsk biografisch woordenboek. Deel 9 (1933) – P.J.Blok, P.C.Molhuysen, online as: http://www.dbnl.org/tekst/molh003nieu09_01/molh003nieu09_01_0435.php

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receiving poetic talent from the Muses at the foot of Mount Helicon.11 Robortello presents the Muses as his patronesses at the very beginning of his Ode (ROBORTELLO 1548, 278): Ἔγειρον κραδΐης νῦν ἐμῆς ὦ θεὰ βίαν, ἣν τό πρὶν μοι ἔδωκας, ὁππότε μ’εἰδοῦσ’ ἀπὸ μητρὸς τυτθόν 5 ὄντα περ καλοῖς ἔνϊ Δώμασϊν πατέρος, ποῖ Φοῖβος ἦλθε μουσέων ἐν μέσῳ ᾄδων χορῷ, ἔδεξα’ ἐρχόμενον ἐς φῶς, 10 ὀδύνας τε τῆς τεκούσης κατέσχες, ἰλαὴς παροῦσά τ’ ἐμοὶ, καί μιν ἐφίλεο τόσον γενετῆρα, (τὸν γὰρ ἐκ σοῦ ἔ15 λεγες γενόμενον ὁμοῦ, ἅπαντάς τε ἡμέων προγονέας. μένος, καὶ μέγ’ ἔδως ἐπώνυμον.) “Goddess, awaken now my heart’s power, which you gave me, when you first saw me as a baby in my mother’s lap [5] in the beautiful house of my father, where Phoebus came singing in the middle of the choir of Muses. You helped me to the daylight, [10] took away the birthpangs of my mother and were kind to me; and you loved equally my father, [15] telling that he was your descendant, as well as of all our forefathers. You gave us strength [μένος, Latin robur, hence: Robortello], the great origin of our name.”

In the following first epode and the beginning of the second triade the poet tells how the Muses took him away from his mother in sleep and brought him into the cave of nymphs where he was nourished with the wax of bees and received the prophecy of his fate as a singer. Robortello’s ode has been reprinted twice as an exquisite example of his art.12 But the genre in general has been relatively understudied,13 although unique art forms often get more attention than the more usual ones. The reason can be seen in the absence of bibliographies, text corpora and surveys which could make this phenomenon known and draw interest to it. Another very understandable reason is that Hellenists are more interested in Pindar himself, whereas Renaissance scholars do not often have the training in the Greek language and Pindaric metrics, which could help them to understand and enjoy this type of literature. But the field is not totally unexplored: the background of the tradition has received an excellent survey in the dissertation of Thomas Schmitz about 11 See Hes. Th. 22–34 and the story of the gift of bees in Pindar’s Vita I.1. For other Greek Muses, see e.g. van Dam 2015; Ludwig 2001. 12 GRUTERUS 1602, 1430–1434 and Liruti 1762, 459–464. 13 Revard 2001 and 2009, Schmitz 1993 and Ieronimaki 2006 all focus on elevated ode genre in general, not on the use of Pindaric metres in Humanist Greek. For re-editions and special studies on Greek Pindaric Odes in the strict sense, see below in the text.

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Janika Päll

Pindarising Odes in French, including some valuable observations and notes about the odes in classical languages (Schmitz 1993). He also published a separate paper about Frédéric Jamot’s seven Pindaric odes, presenting three of these in a re-edition (Schmitz 1991). A number of other studies has been dedicated to single odes, including re-edited texts (Opelt 1968; Päll 2001, also in Viiding/Orion/Päll 2007; Andrist/Lukinovich 2005; Lukinovich 2016); some odes have appeared in reeditions (or reprints) as part of a corpus of one author (Clotilde Tambroni in Tosi 2011) or a region (Polish-Lithuanian odes in Czerniatowicz 1991; British tradition soon in Päll 2016). In addition to the reprints within these studies from the past 50 years, the continuing appreciation of Humanist Greek Pindarising odes between 17th–19th century is attested by about 20 more reprints of earlier Pindarising odes. However, the first and only overview dedicated to Pindarising odes in Greek was written at the beginning of the 18th century, the time when this genre was already disappearing from practice. Its author, Benjamin Hederich (1675–1748), had studied for some years in Wittenberg14 and was in awe of Erasmus Schmid’s edition of Pindar from 1616, almost a hundred years after its appearance. He repeated Schmid’s exhortation to challenge (aemulari) the Poet at the beginning of his overview of the imitation of Pindar (Hederich 1702, 14f.). The following subchapter will analyse Hederich’s information on Pindar’s imitators and set it against the background of present-day knowledge. 1. HEDERICH’S DE IMITATIONE PINDARICA In his study Hederich presents two lists of modern imitators of Pindar. His first list functions as an introduction to the chapter (Hederich 1702, 15): §.2. Inter recentiores autem, Græce ipsum æmulati sunt Franciscus Robortellus, Jo. Baptista Amalthæus, Nicodemus Frischlinus, Nicolaus Reusnerus, Lambertus Alardus, Erasmus Schmidius, Jo. Ericus Ostermannus, Balthasar Stolbergius, Sebastianus Mitternachtius, Conradus Samuel Schurzfleischius, Jo. Gotefredus Herrichen, & alii. “§ 2. Among the later poets, he was rivalled in Greek by Francesco Robortello, Giovanni Battista Amalteo, Nicodemus Frischlin, Nikolaus Reusner, Lambert Alard, Erasmus Schmid, Johann Erich Ostermann, Balthasar Stolberg, Sebastian Mitternacht, Konrad Samuel Schurzfleisch, Johann Gottfried Herrichen and others.”

Hederich’s list includes eleven authors: two from Italy and nine from Germany. Although according to the present state of research such a list should include at least 46 names (30 of whom wrote their odes before 1703), Hederich’s choice can be considered almost representative, regarding the number of published odes and the importance of some of these humanists for Greek studies. But two names among the omitted authors stand out, as both should be mentioned among the very first by

14 See Hederich 1702, and Kämmel 1880 for his life.

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anyone treating this subject: Frédéric Jamot and Florent Chrestien.15 This absence seems puzzling, because their Pindaric psalm paraphrases must have been well known through different editions of Buchanan’s psalms.16 However, Hederich’s following, slightly longer discussion reveals that he focuses on the German tradition, especially Wittenberg, which explains the omission of Jamot and Chrestien. His interest is limited temporally as well, as he names only four authors from the 16th century (both in the introduction and the discussion): FR. ROBORTELLI, unicum habetur Eἶδος, in Thes. Critic. Gruteri, Tom.I. p.1430, perinde non nisi unum etiam AMALTHAEI extat, in Poematis Amalthæorum, p.103, qvod doctissimus Grævius perelegantis nomine inscribit. FRISCHLINI duo inveni, alterum scilicet sub finem Grammaticæ ipsius Græcæ, alterum inter epigrammata ejusdem. REVSNERI X. habentur, Part. II. Poematum. “There is only one Eἶδος [‘type’] by FR. ROBORTELLO in the Thesaurus Criticus by Gruterus (Tom. I p. 1430), from the following only one is extant by AMALTEO (in the ‘Poems by the Amaltei’, p. 103), which the most learned Graevius described with the word perelegans. I have found two by FRISCHLIN, one in the end of his Greek Grammar, another among his epigrams. There are ten by REUSNER in the 2nd part of his Poems.”

Hederich’s bibliographic references help to understand the apperance of two Italians in his otherwise all-German list: he does not refer to the first print of Francesco Robortello’s Greek Ode (1548) from Florence,17 but its re-edition by Janus Gruterus (1602) from Frankfurt, which was closer to him in terms of time and distance.18 The same also applies in the case of Giovanni Battista Amalteo: Hederich’s page number indicates that he used the second, Amsterdam edition from 1689 and not the (probably) first edition of this Ode from Venice.19 Although Frischlin’s and Reusner’s Pindaric Odes were published more than a hundred years before Hederich’s study, it appears that they were still available to him.20 Reusner (1545–1602) especially is one of the most important authors for this tradition, as according to today’s information he is the most prolific creator of Pindaric Odes. These four men from the 16th century are followed in Hederich’s account by authors who were primarily active in the 17th century (Hederich 1702, 15f.): Et sicuti hi duo laude non sunt privandi, ita neutiqvam Imitatoris partibus satisfacit ALARDVS, velut ex Ἔδεσι [sic!] illis cognoscas, qvæ Deliciis Atticis, Lipsiæ 1624. editis, inseruit. 15 For both see Schmitz 1993; for Jamot: Schmitz 1993; for Chrestien: Andrist/Lukinovich 2005; Lukinovich 2016 and Jacobsen 1973. 16 E.g. BUCHANAN 1566. Both of them have also written dedicatory Pindaric odes, which were published in other contexts. The discussion of (Pindaric) Greek psalm paraphrases has to be left for the future. However, the fact that Buchanan’s psalms were recommended as reading texts for Greek lessons in such a far-away academy as the Livonian University of Dorpat (now Tartu in Estonia) in a programme for the year 1652 demonstrates their spread (Vasar 1932, 181f. 184 m. 1; Päll 2010, 118. 130f.). 17 See ROBORTELLO 1548, 278–285. 18 GRUTERUS 1602, 1430–1434. 19 AMALTEI 1627, 149f.; AMALTEI 1689, 103f. See Venier 2006, 694–696. 20 See Frischlin in CALLIMACHUS 1589, 404–406; FRISCHLIN 1590, [534–538]; REUSNER 1593, 202–213. 217–222. 241–243. 245f. 257–260.

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Janika Päll Præstantior est SCHMIDIVS, cujus Εἴδη XI. mihi videre licuit, maximam adhuc partem in Schedis qvidem delitescentia, sed illa tamen vere elegantia, utut non omnino ad Pindaricam accedant sublimitatem. At vero XII. illis, qvæ OSTERMANNVS confecit, nihil Pindaricis similius effingi potest; a qvibus tamen proxime absunt STOLBERGIANA, item qvæ SEB. MITTERNACHTIVS, ut Theologus qvondam, ita & Philologus maximus, condidit. SCHVRZFLEISCHIANVM, qvod inter Poemata ejus, nuper edita, habetur, vel solo Auctoris sui nomine sese commendat. Ita nec ea, qvæ Cl. HERRICHEN, Scholæ ad D. Nicolai, qvæ Lipsiæ est, Rector emeritus atque alter Seculi nostri Anacreon, pepigit, laude nostra egent. “And whereas these two should not remain without praise, ALARD would yet satisfy in some parts as an imitator, as can be seen from his ‘types’ which he inserted in his collection Deliciae Atticae. More excellent is SCHMID, whose 11 ‘types’ I have been able to see. Although mostly hidden among the drafts, these are still genuinely elegant, even if they do not generally achieve Pindar’s sublimity. And indeed of the 12 accomplished by OSTERMANN, nothing can be created more like Pindar; the odes of STOLBERG are not far from these, as well as the odes, created by SEBASTIAN MITTERNACHT, who was once the greatest theologian as well as philologist. The one by SCHURZFLEISCH, included among his recently edited poems, recommends itself already by the name of the author. And in the same way also the ones produced by Collega HERRICHEN, the Rector Emeritus of the St. Nicholas School in Leipzig and the new Anacreon of our century, do not remain without our praise.”

Most of the named authors were closely connected to Wittenberg, except Herrichen and Alard. Lambert Alard (1602–1672) published his Delitiae Atticae in Leipzig in 1624, the year of his crowning as poet laureate; his book includes two Pindaric Odes and is relatively rare nowadays.21 Erasmus Schmid (1570–1637), Johann Erich Ostermann (1611–1688), Balthasar Stolberg (1640–1684) and Konrad Samuel Schurzfleisch (1641–1708) had all worked as professors of Greek at the University of Wittenberg22 and were connected personally. For example Ostermann not only succeeded Schmid as Professor of Greek in Wittenberg, but also married his widow Magdalena,23 Stolberg and Schurzfleisch wrote Latin epithalamia for the wedding of Ostermann’s daugther Anna Maria to Samuel Benedict Carpzov in 1674,24 Schurzfleisch wrote an introduction to Stolberg’s treatise about the Greek language, etc.25 Theologian, school Rector and Poet Laureate Sebastian Mitternacht (1613– 1679) had also studied in Wittenberg, where he had received his master’s degree in 21 ALARDUS 1624, B 2rv. [B11rv]. Now digitised in Halle, known copies are also in Dresden, Stuttgart and Braunschweig libraries according to VD17 3:316644G and KVK. Alardus had studied in Helmstedt (imm. 1619), see Jöcher 1750 (I), 185f.; Flood 2006, I 38f. 22 For Schmid, Ostermann, Stolberg, see Lizelius 1730, 234–240. 264–267. 274–278; Friedensburg 1917, 481–484. 23 See Friedensburg 1917, 483. 24 In Nuptias Auspicatissimas Nobilissimi , Amplissimi , ac Excellentissimi Viri Dn. Samuelis Benedicti Carpzovii […] Cum Nobilissimâ , Pudicissimâq; Virgine Anna Maria, Incomparabilis qvondam ac summi Viri Johannis Erici Ostermanni […], Wittenberg: Henkel, 1674. See http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-89525. 25 Balthasaris Stolbergi, Professoris Wittenbergensis, Exercitationum Graecae linguae tractatus De Soloecismis et Barbarismis Graecae novi Foederis dictioni falso tributis […], Wittenberg: Wolfart, 1685 (= VD17 12:161551A); reprint in Frankfurt, Leipzig 1688 (= VD17 12:123770N). See http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12bsb10656843-0.

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philosophy with August Buchner.26 Although Johann Gottfried Herrichen (1629– 1705) worked as headmaster in Leipzig and had dedicated most of his Pindaric poems to persons connected to Leipzig, he had contacts with poets from Wittenberg: as a good friend of the Carpzov family he had dedicated several poems to the same Carpzov-Ostermann wedding in 1674 as Stolberg and Schurzfleisch (HERRICHEN 1717, 360f. 484–495).27 When we compare the information presented by Hederich and present-day knowledge, it appears that in the case of authors who are far from him in time or distance his information either matches ours28 or is less accurate. He does not mention Greek Pindaric odes by Italian or Flemish and French-speaking authors, as for example Pietro da Cortona, Tito Prospero Martinengo, Jacques Davy Du Perron, Pierre Bouille SJ, Hugo Grotius or Odon van Maelcote SJ29, and he also omits some Germans from the end of the 16th and the first half of the 17th century, as for example Johann Örtel from Lauingen (active between 1574–1603), Heinrich Vogelmann (imm. 1602 Rostock, 1611 Königsberg, active in Estonia and Livonia between 1630–1638), Johann Gebhard (1611–1681) and a less well known Ruthenian from Lviv, Urbanus Brillius (†1630), who was professor of eloquence in the Academy of Zamość.30 However, although Hederich seems to be unaware of many authors of Pindaric Odes, he possesses much more information about Wittenberg humanists than we do. He mentions manuscript drafts of Erasmus Schmid’s poems, which are unknown to today’s researchers: in catalogued prints only five Pindaric poems (in four separate prints) are to be found today instead of the 11 εἴδη (‘types’, ‘odes’) mentioned by Hederich. The same applies in the case of Ostermann, of whose 12 poems only two can be found in prints recorded in today’s catalogues. Although according to Hederich both Mitternacht and Stolberg wrote several Pindaric poems, only one poem by Mitternacht can be found today in recorded printings. Hederich had probably access to original versions of gratulatory odes (manuscript or printed)

26 Diecks 1994; Flood 2006, III 1344–1358. 27 Weise 2011, 404. 421f. See also Weise in this volume. 28 Especially when he himself is the source of the information: I owe to Hederich’s list the finding of poems by Ostermann, Mitternacht, Schurzfleisch (SCHURZFLEISCH 1702, 296–299) and Alard (ALARD 1624, B 2rv. [B11rv]). 29 CORTONA 1555, 63–70; MARTINENGO 1582, 54–87. 230–253. 267–270; Du Perron in HESTEAU 1578, e rv; Opelt 1968 (Pierre Bouille); GROTIUS 1595; van Maelcote in BASILEIOS 1604, [††3v]. See below. 30 See http://d-nb.info/gnd/119810956 (for Örtel, giving 1574-1600, but see Parentalia Martini Rulandi, Basel 1603, UB Basel, Sign. Falk 3159a: 27); Päll 2001 (for Vogelmann); http://dnb.info/gnd/129103209 and Lizelius 1730, 262f. (for Gebhard), whereas Lizelius mentions two of Gebhard’s odes, one for Andreas Tscherning’s poetry collection (in TSCHERNING 1642, [(b)5r–(b)6v]) and an epicedium for Johann Saubert, who had died in 1646 (see Lizelius 1730, 263); I have not been able to find the latter. See also Wadowski 1900, 38 and Czerniatowicz 1991, 34–46 for Brillius.

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of Herrichen, whose collected poems appeared in print fifteen years after his treatise (HERRICHEN 1717).31 Hederich finishes the chapter by naming some less known authors who did not appear in the introduction (Hederich 1702, 16): Præterea autem exstant etiam non nulla MICH. VVRZLERI, item, CL. DAV. BVRGERI, Rectoris Scholæ Senatoriæ, apud Misenenses, bene merentis, & aliorum, qvæ sva elegantia non destituuntur, dignaqve adeo omnino sunt, qvæ inter alia hujusmodi Cimelia, a Cl. M. SAM. CNAVTHIO collecta, maturata Editione ab interitu vindicentur. “And there are also some (odes) by MICHAEL WURZLER, and also by collegue DAVID BÜRGER, a benefactor and Rector of the Senatorial School in Meissen, and by others. These are not without elegance and are on the whole worth being saved from perishing by collegue Magister SAMUEL KNAUTH who gathers them among other such gems in a forthcoming edition.”

Pindaric Odes by Michael Wurzler32 and David Bürger33 are unknown today as well as the promised edition by Wittenberg librarian Samuel Knauth.34 Knauth was connected to several authors of Pindaric Odes from Saxony (especially Wittenberg): for example he wrote a Latin epicedium for Schurzfleisch in 1710 and Bürger sent him letters in Greek.35 His collection was probably never published, but his plans and at least partially also the contents of the collection were well known among the literary men of his time, according to several references to it (passim in Lizelius 1730).36 31 The number of printed copies of this edition must have been quite large, as according to KVK the books are still extant in the libraries of Munich, Basel, St. Gallen, Zürich, Münster, Berlin, Salzburg, Antwerp, Leuven, Dresden, Leipzig, Mannheim, Bologna, Parma, Hannover, Bremen, Göttingen, Halle (several libraries), Hamburg, Jena, Wolfenbüttel, Oxford, Aberdeen, Edinburgh, Manchester, London, Strasbourg and at least one private library in Estonia (the lastnamed copy arrived in Tartu from Germany and had according to its previous owner been bought from Paris in 1968). 32 Headmaster in Halberstadt’s Martinsschule from 1656–1697 or 1698 (Niemann 1824, 84f.; Ziemssen/Pabst/Theune 32007, 28), he has left some occasional poetry in Latin (Viro […] Johanni Melchiori Goezio […] gratulatur Michael Wurtzler, Halberstadt: Hynitzsch, 1693 [= VD17 1:656209S]; Cippus Virtuti & Meritis Viri […] Henrici Nehseri […] Ab Affinibus & Cognatis Positus, Halberstadt: Hynitzsch, 1680 [ = VD17 1:675384P]; Schediasma Nuptiale, In Honorem Viri […] Iulii Pauli Calenii […] Nec Non […] Margaritae Elisabethae […] Dn. Autoris Cammani […] Filiae unicae, Sponsae, Halberstadt: Kolwald, 1658 [= VD17 23:331303S]). 33 Johann David Bürger, from Lamperswalde in Meissen, studied in Wittenberg, respondens on two disputations, in 1693 (VD17 14:061413G) and 1695 (VD17 14:065171G). 34 Knauth obtained a master’s degree in Wittenberg with Schurzfleisch. See Florentissimo Iuveni, Samueli Cnauthio, Philosophiae et liberalium artium magistro solenniter renunciato, C. S. Schurzfleischius, Wittenberg: Henckel, 1688 [see http://nbn-resolving.de /urn:nbn:de:gbv:3:184995] = Schurzfleisch 1697, 159f. For Knauth cf. also Weise 2011, 408. 422 adn. 107. 35 In: Epicedia [...] Conrado Samuelis Schurzfleischio, Wittenberg: Kreusig, 1710, 80 (VD18 12986968, http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN644394803). For Bürger’s three extant letters in Greek (Mscr. Dresd.J.281, f. 1–6) to Knauth, see: http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de/de/eac?eac.id=121865673. 36 See especially Lizelius 1730, 277f. 319.

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We have seen that Hederich’s overview focuses very much on Wittenberg. Although the university of Melanchthon can never be underestimated as a centre of Greek learning,37 in the following chapter we shall present a more general picture of Greek Pindarising Odes in Europe. 2. THE SPREAD OF GREEK PINDARIC ODE FROM ITS APPEARANCE TO TODAY The dynamics of the practice of writing Pindarising Odes in Greek is largely parallel to the rise and decline of Greek humanism in general: its beginnings are in northern (Catholic) Italy, then it expands gradually and slowly northwards to Switzerland, France, Low Countries and Germany, becoming loved and practised by Protestant poets (although some Jesuit poets also wrote Pindaric Odes during the Catholic Reform). The peak of composing Greek Pindaric poems is the end of the 16th century and the early years of the 17th century in Lutheran Germany, where humanist studies were entirely confessionalised.38 Germany keeps its leading role from the last decade of the 1600s to the beginning of the 18th century, afterwards the United Kingdom (and in lesser extent also Greece) will take the lead (see Table). The end of systematic writing of Greek Pindaric Odes comes quite abruptly about in the time of the death of Herrichen in 1705. After Herrichen the tradition seems to have died out everywhere except in Great Britain and perhaps Italy, where Clotilde Tambroni wrote at least two Pindaric Odes (of which only one was printed in her life-time).39 The absent evidence for the continuation of the practice in other countries can be explained by the deficiency of library catalogues and the early stage of this research, but ex absentia proof for the decline of the practice gains support from a parallel with Neo-Latin occasional poetry: the peak of its practice is achieved in the first half of the 17th century, and by the end of the century we can already see a downward trend (van Dam 2009, 126). Although Greek and Latin philology has advanced and prospered from the end of the 18th century onwards, paradoxically the active practice of the Greek language shows opposite tendencies, and Greek poems have been published more in countries where Greek verse composition is still part of the university curriculum (or in Greece).40 37 38 39 40

See Rhein 1987; Rhein 1997 and this volume. See Ludwig 1998; Ludwig 2014; Rummel 2000. See Tosi 2011, 63–71. 119–138 Pindaric Odes were written for example by a hellenophile Frederic North (1766–1827), by Gaisford Prize winner for Greek Poetry and Prose George Stuart Robertson (1872–1967), an orientalist and hellenist Reynold Alleyne Nicholson (1868–1945), a classical scholar and Walter George Headlam (1866–1908), Porson Prize and multiple Browne medal winner; Richard Claverhouse Jebb (1841-1905), the Regius Professor of Greek in Cambridge and editor of Bacchylides, whose merits also include the Porson Prize; and a classical scholar Armand D’Angour (*1958). For an overview of British Pindarica, see Päll 2016 (to appear). For the Greeks during the 19th century, see Ieronimaki 2006. Mainland Europe is represented by the Swiss scholar Martin Steinrück (*1957).

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The table which presents only the sums for countries according to today’s political borders does not reflect the impact of single humanist poets. Italy is the birthplace of this genre and the only land to produce an ode before the 1550s (ROBORTELLO 1548), so it has a special place. The large number of published Pindaric odes for Germany before 1601 is mainly the result of one man’s work: the edition of Nicolaus Reusner’s collected poems41 in Jena (1593–1594) which included ten Pindaric Odes by Reusner and one by Johannes Örtel.42 Italy’s second highest number (7) includes the edition of the collected poems of Tito Prospero Martinengo with four Pindaric Odes.43 Belgium’s shared third position with five poems is owed to the edition of Jamot’s collected poems (in Antwerp, 1593) with its five Greek Pindaric Odes,44 whereas Switzerland’s five poems include the edition of Buchanan’s Psalms by Stephanus (Geneva, 1566) with its three Pindaric Odes by Frédéric Jamot and Florent Chrestien.45 Germany’s eleven poems for 1601–1650 include the odes by Erasmus Schmid, who had published Pindaric Odes separately as well as in his edition of Pindar (in 1616).46 Similarly, the large number (nine) for Germany in 1701–1750 is due to the posthumous edition of Herrichen’s poetry (with eight Pindaric poems).47

41 Nicolaus Reusner (1545–1602) was born in Lemberg (Löwenberg) in Silesia and began his studies in Breslau, but continued in Wittenberg; he also had taught Greek language and literature for five years in Lauingen and was rector of the school in 1572 (Flood 2006, III 1656– 1670), see also J.A. Ritter von Eisenhart, art. “Reusner, Nikolaus v.”, in: ADB 28 (1889), 299– 303. For Reusner as Greek poet see Ludwig in this volume. 42 REUSNER 1593, 202–213. 217–222. 241–243. 245f. 257–259. 259f. (ode by Örtel). 43 MARTINENGO 1582, 54–87. 230–253. 267–270. 44 JAMOT 1593, 32–39. 48–51. 72–85. 92–95. 132–141. 45 BUCHANAN 1566, *iiv (Ode by Jamot). [Second part: Psalmi aliquot] 39f. (Chrestien). 42f. (Jamot). 46 See PINDAR 1616. There are three Pindaric Odes in Greek by Schmid himself before his commentaries to Pindar’s Pythian, Nemean and Isthmian Odes. 47 HERRICHEN 1717, 368–381.

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Table. Printed Pindaric Greek odes in Europe (first editions) country

Italy Switzerland France Germany Holland Belgium Poland Estonia Greece United Kingdom Austria SUM

15481600 7 5

16011650 1 1

16511700 0 0

17011750 0 0

period 1751- 18011800 1850 1 0 0 0

18511900 0 0

19011950 0 0

19512000 0 0

1* (1)

348 13 1 5 0 0 0 0

2 13 0 1 2 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 2

2 9 0 0 0 0 0 0

0 2 0 0 0 0 0 2

0 0 0 0 0 0 0 0

0 1 0 0 0 0 3 2

0 0 0 0 0 0 0 5*

0 0 0 0 0 0 1 0

0 0 0 0 0 0 0 1

0 34

0 21

0 2

0 11

0 5

1 1

0 6

0 5

0 1

0 3

2001-

The towns in Italy: Florence, Venice, Rome, Bologna; Switzerland: Geneva, Basel, Lausanne; France: Paris, Douai; Germany: Lauingen, Jena, Heidelberg, Frankfurt; Leipzig; Hannover; Hamburg; Görlitz; Belgium: Antwerp, Leuven; Holland: Leiden; Estonia: Dorpat; Poland: Breslau, Zamość; Greece: Athens, Zacynthos; United Kingdom: Cambridge, Aberdeen, London; Austria: Vienna.

We can see from the table that the first half of the 17th century indicates a turn in the life of this genre, which had emerged and blossomed in Italy, Switzerland, France, Belgium and Germany in the second half of the 16th century. It is the time of decadence, as put finely by Herbert John Clifford Grierson a long time ago (Grierson 1906, 325f.). Although the number of published odes decreased only by a half, the geographical spread is more restricted than during the first 53 years of the tradition and becomes mainly connected to Protestant Germany, although we have good reasons to believe that writing of these poems continued in France and Italy. The only published example from Italy, Amalteo’s victory ode for Don John of Austria, commemorating the victory in the naval battle of Lepanto had been written in 1571 or early 1572, although it was probably printed for the first time in 1624.49 The importance of the German tradition is even greater than it appears from the table: the Ode from Estonia (then Great Sweden) was written by Henricus 48 An ode to the Comte de Soissons by Chrestien from 1567 is s.l., but most probably printed in France. 49 AMALTEI 1627, 149f.; AMALTEI 1689, 103f. See Venier 2006, loc.cit.; Päll/Valper 2014, 16f. The distance between the manuscript and first edition is even greater for one of Tambroni’s odes (published with commentary in Tosi 2011, 119–138).

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Vogelmann, who brought along the traditions of his home University, Rostock (Päll 2001); one of the Polish Odes was published in 1642 in Breslau by Johannes Gebhard as the dedication for Andreas Tscherning’s “Deutscher Getichte Früling”;50 another by Urbanus Brillius Leopoliensis (from Lviv)51 in Zamość (Ruthenia); one of the odes representing Switzerland (Basel) in the 16th century has been written by Johannes Örtel and another by Nicodemus Frischlin. We can also see an opposite tendency: an ode by the belgian scholar Odon van Maelcote SJ (1572–1615) for Claude Dausque had been published in Heidelberg in 1604. In this case today’s political borders do not matter at all, as the author and addressee were both connected to the University of Douai in France.52 On the other hand, the absence of the genre in Germany in 1651–1700, as it appears from the table, is probably only due to the present situation in cataloguing: the authors mentioned by Hederich were active during this period and it seems improbable that Herrichen did not publish any of his earlier Greek Odes during his lifetime. However, even when the figures will change, the results will probably still corroborate the downward tendency which we can observe today. By the mid-18th century the tradition has almost died out in mainland Europe and the only surviving attempts can be classified as a classicist’s hobby. Perhaps the only exception to this tendency is Frederic North’s panegyric to Catherine II, published first in Leipzig (s.a., but 1791 according to data in the Catalogue of the British Library),53 then in Athens (see NORTH 1846). However, he represents the British tradition, which reflects the true Pindaric tradition of an elevated courtly context, as well as his own deep interest in Hellenic studies. Looking at the geographical distribution of Pindaric Greek odes by the towns of printing, we can determine some centers of transmission for the genre. The choice of the printing place presupposes the availability of printers (and scholars) with a good knowledge of Greek and Greek printing types. Thus in case of Italy (except Robortello’s ode in Florence and Tambroni’s in Bologna), the most influential centers for the tradition of Pindaric odes are initially Venice and Rome. In Venice the editio princeps of Pindar’s works was published by Aldus in 1513, as well as Amalteo’s and Pietro da Cortona’s54 Pindaric odes; in Rome the editio princeps of Pindar’s metric scholia appeared (published by Calliergis in 1515), as well as the collected poems (including Pindaric odes) of Tito Prospero Martinengo (1582). 50 TSCHERNING 1642, s.p. This, dedicating a Greek poem for a book in vernacular (instead of a book in Latin or Greek), is an exception, which can be explained by the interest of both authors in Greek odes. 51 1607 eloquentiae studiosus in Cracov, http://d-nb.info/gnd/1070771120. For Gebhard, see Lizelius 1730, 262f. 52 BASILEIOS 1604, [††3v]. 53 See http://acess.bl.uk/item/viewer/ark:/81055/vdc_100026809145.0x000001#ark:/81055/vdc_ 100026809153.0x00000a|open. 54 AMALTEI 1627, 149f.; CORTONA 1555, 63–70. Meadow 2013, no. 88 mentions Petrus Cortonaeus from Udine as a court physician to Albrecht V (Catholic Duke of Bavaria in 1550– 1579, leader of Catholic Reform).

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It appears that there may have been at least two different paths of transmission of the tradition in the second half of the 16th century: one through Stephanus in Geneva to the Protestant humanists in France, Belgium and Low Countries;55 another through Basel, a meeting point for scholars from nearby France, Germany and Italy. For example for the Balnearium Restauratum Martini Rulandi, which appeared in Basel in 1579, three of the known authors of Pindaric odes had presented their poems: Pietro da Cortona, Nikolaus Reusner and Johannes Örtel (although the poems are in other metres and only Örtel had used Greek). Beginning with Erasmus Schmid, during the 17th century, writing Pindaric Odes is very much associated with Wittenberg (although already Reusner had studied and worked there). It is yet difficult to evaluate other possible sources of influence, but some of them will be indicated in the next section. 3. GENRES AND SUBTYPES OF PINDARIC GREEK ODES: IMITATION AND METRE The pedagogical tradition of the 16th to 18th century was based on imitatio and aemulatio, and scholarship in modern times has continued to study humanist poetry under this paradigm, while taking into account warnings against mechanical hunt of “quotations” from ancient authors.56 It is the position of ancient Greek poets, even more than ideas and forms, that needed to be imitated (and surpassed) by humanist poets, so that they also could play an important role in society.57 We see this programmatic approach to the role of the poet as bringer of glory in the 4th strophe of Robortello’s ode:58 ΚΟΣΜΕ φίλ’, ὅς δόξαν λάχες, μέγατε κλέος ἀπ’ ἐμοῦ, τὸ ἐνδέχου, καὶ ἐν ἁπάσῃ τίθεσο κραδίῃ. ἐγὼ σοὶ πολὺ αἰὲν κλέος ὀπάσσομαι, πουλὺν ἐνδϊδοῦσ ὄλβον.

55 Florent Chrestien was a student of Henri Estienne (Jacobsen 1973, 18f.). It is possible that the exhortation came from the teacher, who was an arduous Pindar-editor; his later contacts in Paris include Fédéric Morel (who had translated the Latin Pindaric ode by Urban VIII into Greek; a – possibly unique – copy of this print [s.l. s.a., but to my opinion most probably printed in Paris in 1623 or early 1624, just after cardinal Matteo Barberini had become a pope], is still extant in BN in Paris, under shelf mark Yc 4292), Ronsard and Melissus (Jacobsen 1973, 34). He had exchanged letters with Janus Dousa, the teacher of Grotius (ibid. 78). See also Lukinovich 2016 (to appear). 56 For the importance of contemporary, Early Modern context for Neo-Latin literature, see Helander 2004, 559 (with the whole Part IV of his book). 57 See Schmitz 1993, 17–20. 58 ROBORTELLO 1548, 284f. The poem ends with 4th antistrophe, which is an appeal to the Muses by the poet. See also below.

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Janika Päll “Dear Cosimo, accept the fame and great glory what you receive from me and keep it in your heart. I shall always bring you great glory, giving great fortune.”

If we speak about imitation in Pindarising poetry, the most important aspect is the metric design. Greek Pindaric odes belong mainly in two groups: metrical imitations of certain odes by Pindar (so-called parodiae metricae) and triadic odes which imitate Pindaric metrics in general, but not any specific ode.59 Although we can speak about parodia metrica, the notion of “parody” in general cannot be applied to Pindaric odes, as these differ greatly from Horatian (or Catullean) parodies. In the latter the matrix of the original poem is followed closely not only in terms of metre, but also in its verbal pattern, so that the new poem is literally built into the old one by substitution of words in certain places. In this way the model remains at fixed points visible and the old and new context are melted together in the new poem.60 This type of creation is almost61 non-existant in the case of Greek Pindaric odes, and understandably: in comparison to Horace’s often general and short odes, Pindar’s epinicia are very long and contain too many references to their original context, which makes it difficult to recycle them as verbal matrices for the whole poem. Therefore the borrowed phrases from Pindar (when they occur) are often slightly modified, in order to fit into new metrical contexts and express new ideas and subjects. According to the present calculations (which will be probably outdated soon), of the 89 attested Greek Pindaric odes, 60 are metrical parodies. We can claim that during the first half-century of Greek Pindarising Odes (before the appearance of Reusner’s poems in 1593–94), the metres were as a rule borrowed from Pindar and that this tendency reappeared in the 19th century. Before Boekch’s edition of 1811, these parodies followed the traditional colometry of manuscipts and printed editions; in later poems, the new, post-Boekchian (or post Snell-Maehlerian) colometry is applied. Next to metrical imitations, we can observe that already in the 16th century some German poets – Örtel, Frischlin and Reusner – started experimenting with their own metres (continuing to write exact metrical imitations). Thus we should look for inspiration and influence for this practice in Germany. Future studies will have to prove whether it was Paul Schede (Melissus), who had used both borrowed and his own patterns in his Latin Pindaric odes.62 Another important source of influence to be looked into, is Greek tragedy with the strophes and antistrophes of its choirs. From the beginning of the 17th century (especially Erasmus Schmid) onwards we have two clearly established traditions: one which relies exactly on Pindaric models, and another where poets create their own metres. 59 For odes with various formal patterns without responsion (not included in the present overview), see below. 60 See Glei/Seidel 2006 for parodies. 61 Some traces of the models (same words occurring in the same metrical position) can be found occasionally, e.g. at the beginnings of poems. 62 See Schulthess 2015 for the influence of Ronsard on Melissus and Melissus’ role in the transition of Pindaric ode connected to court to the burgeois context.

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Although many poets relied on metrical models, they referred to these only loosely: εἶδος Πινδαρικόν, Ode (Oda) Pindarica, ad numeros Pindaricos etc. or not at all, without indicating the exact poem.63 In poems without exact metrical models, references to Pindar become rare, but can occur as well, indicating then the poem’s triadic structure.64 As mentioned already by Thomas Schmitz,65 the prevailing idea of a Pindaric Ode among the imitators is one of a triadic ode following a stropheantistrophe-epode pattern. Although Pindar himself used other patterns than triades in 7 of his 44 extant epinicia (in the so-called monostrophic odes and in 14th Olympian), the humanist poets usually avoid monostrophic models (with three exceptions: N. Reusner and J. G. Herrichen both wrote an ode following the model of the 2nd Nemean and A. Koraes the 9th Nemean).66 Robortello’s Βιοχρησμῳδία also confirms the firmness of a triadic model: although he used only the metre of the strophe (and antistrophe) of Pindar’s 1st Olympian Ode as a model, he presented his actually monostrophic ode in an strophe-antistrophe-epode pattern. At the end of the 17th century, another metrical subtype emerged in England, probably because of the influence of vernacular English tradition of Ode Pindarick. In addition to the triadic ode by Samuel Cobb from 170067 which has given the motto to this paper, two Greek odes without responsion are known to me (excluded from the statistics of this study) from the same period, one in numbered stanzas, which consist of freely strung lyric metres, resembling greatly different English vernacular odes by their appearance, and another in freely strung lyric metres, which resembles on first sight the tradition of dithyramb or the odes by Milton or Dryden. Several 19th century British Pindarica (influenced by the school practice of metrical translations of modern poetry into Ancient Greek) represent another subtype of Humanist Greek Pindarica, translations, which use the form of Greek Pindaric Ode, although (in most cases) the metrical patterns of original texts are different.68 4. CONCLUSION AND DESIDERATA The scope of this paper does not allow me to present an overview of genres and occasions of Pindaric odes. I will thus only point to some general features. From modern Pindaric odes only Amalteo’s ode could be classified as epinicium although she is dedicated to a victory in a naval battle, not in sports. But most of the odes 63 Herrichen’s (or his editor’s?) exact indication of his model, 7th Pythian ode in a congratulation for Christian Ferdinand Jacobi’s laurea magistralis in 1704 (see HERRICHEN 1717, 380) is rather exceptional. 64 Du Perron in 1578: ad numeros Pindaricos (HESTEAU 1578, e rv); Erasmus Schmid in 1611: ΕΙΔΟΣ ΠΙΝΔΑΡΙΚΟΝ (cf. JAMOT 1593, 32. 48. 72. 92. 132), Johann Ostermann in 1646: ODE PINDARICA and Schurzfleisch in 1702 ΘΡΗΝΩΔΙΑ. ΠΙΝΔΑΡΙΚΗ (id. 1702, 296), 65 Schmitz 1993, 21. 66 REUSNER 1593, 212f.; HERRICHEN 1717, 368f.; KORAES 1702. 67 As well as several other, later triadic odes, see Päll 2016 (to appear). 68 See Päll 2016 (to appear) for more.

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from Robortello onwards, represent the ancient tradition, where the poet’s role is to bring glory to the addressee. Next to it, the first half-century of the Pindaric ode saw another type, a religious Pindaric ode. These Christian odes were either written in honour of Virgin Mary (Martinengo), Christ (Frischlin, Reusner, Jamot), Paul the Apostle (Martinengo) or as Psalm paraphrases (Chrestien, Jamot). But from the 17th century onwards the genre is used mostly for occasional poetry, while the occasions become more and more usual (from greeting for a Greek religious oration and commemorating the life and deeds of highly positioned persons, to congratulations for a master’s degree, epithalamia or epicedia for one’s friends). In the light of the present overview it seems justified to claim that there was a certain decadence in humanist Greek poetry from 17th century onwards. Greek Pindaric Odes which appeared in the middle of 1500s as a sublime genre for the praise of Christianity or an emblematic genre for humanist culture, gradually become demoted from their high status. Instead of being written and published for very special occasions (praising poetry and noblemen) they start to appear among everyday occasional poetry, although it does not automatically mean mediocre poems. Even the 19th century British revival of the genre largely occurred only within the context of classical scholarship. However, as the genre remained rare, we can believe that the sublime register of the original poems remained attached to the metre and continued to function as a vehicle for elevating these occasions above the level of the ‘ordinary’.

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LITERATURE a) Primary Sources ALARDUS 1624 = LAMPERTI ALARDI ‖ DELITIÆ ‖ ATTICÆ ‖ Jam primùm quàm fieri potuit ‖ emendatißimè editæ. ‖ LIPSIÆ ‖ Sumtibus Hæredum HENN. GROSII. Jun. ‖ Excudit JOHANNES Glück. ‖ M DC XXIV. (= VD17 3:316644G). AMALTEI 1627 = TRIVM FRATRVM ‖ AMALTHEORVM ‖ HIERONIMI ‖ IO. BAPTISTAE ‖ CORNELII ‖ CARMINA. ‖ Accessere ‖ HIERONYMI ALEANDRI IVNIORIS ‖ Amaltheorum cognati Poëmatia. ‖ […] ‖ VENETIIS, M DC XXVII. ‖ Ex Typographia Andreæ Muschij. AMALTEI 1689 = TRIVM FRATRVM ‖ AMALTHEORVM ‖ HIERONIMI ‖ IO. BAPTISTAE ‖ CORNELII ‖ CARMINA. ‖ Editio secunda , plurimis in locis ‖ castigata. ‖ AMSTELÆDAMI, ‖ Apud HENRICUM WETSTENIUM. ‖ M D C LXXXIX. BASILEIOS 1604 = ΜΑΚΑΡΙΟΥ ‖ ΒΑΣΙΛΕΙΟΥ ‖ ΣΕΛΕΥΚΕΙΑΣ ΤΗΣ ΙΣΑΥΡΙΑΣ ‖ ΕΠΙΣΚΟΠΟΥ ‖ λόγοι μδ. ‖ B. BASILII ‖ SELEVCIAE ISAVRIAE ‖ EPISCOPI ‖ Orationes XLIV. ‖ CL. DAVSQVEIVS AVDOMARIVS […] ‖ In Bibliopolio Commeliniano. ‖ M D CIV. (= VD17 39:144494A). BUCHANAN 1566 = PSALMORVM ‖ Dauidis paraphrasis poetica, ‖ nunc primùm edita, ‖ Authore Georgio Buchanano, Scoto, poeta-‖rum nostri sæculi facilè principe. ‖ Eiusdem Dauidis Psalmi aliquot ‖ à Th. B. V. versi. ‖ PSALMI ALI-‖quot in versus item Græcos nu-‖per à diuersis translati. ‖ Apud Henricum Stephanum, & eius ‖ fratrem Robertum Stephanum,ty-‖pographum Regium. ‖ EX PRIVILEGIO REGIS. [Geneva 1566]. CALLIMACHUS 1589 = CALLIMACHI CYRENÆI ‖ HYMNI ET EPI-‖GRAMMATA, QVAE ‖ EXTANT: CVM DVPLI-‖ci interpretatione & Com-‖mentarijs: ‖ […] OMNIA ‖ NICODEMI FRISCHLINI ‖ Poëtæ, Oratoris & Philosophi, opera ‖ & studio in lucem edita. ‖ ACCESSERVNT EIVSDEM FRISCH-‖lini aliquot Græca Epigrammata, cum ‖ nonnullis alijs: & ‖ HYMNVS GRAECVS IN ‖ CHRISTVM proditum. ‖ […] ‖ BASILEÆ, ‖ Excudebat Leonhardus Ostenius, impensis ‖ VVendelini Hommij. ‖ M. D. LXXXIX. (= VD16 C 271). COBB 1700 = THRENODIA ‖ Academiæ Cantabrigiensis ‖ IN ‖ Immaturum Obitum ‖ ILLUSTRISSIMI ac DESIDERATISSIMI ‖ PRINCIPIS ‖ GULIELMI ‖ DUCIS GLOCESTRENSIS. ‖ CANTABRIGIÆ, ‖ TYPIS ACADEMICIS. MDCC (P1rv). (Wing C357). CORTONA 1555 = PETRI CORTO-‖NAEI VTINENSIS ‖ VARIA CARMINA ‖ GRAECA. ‖ […] ‖ VENETIIS Ioan. Gryphius excudebat. ‖ M D L V. (1555). FRISCHLIN 1590 = Nicodemi Frischlini ‖ GRAECAE ‖ GRAMMATICAE ‖ CVM LATINA VERE ‖ congruentis, ‖ Libri quatuor posteriores […] ‖ PARS SECVNDA. ‖ Cum priuilegio Cæsareo. ‖ HELMSTADII Excudebat Iacobus Lu-‖cius, Impensis Ludolphi Brandes. 1590. (= VD16 F 2933). GRUTERUS 1602 = LAMPAS, SIVE ‖ FAX ARTIVM ‖ LIBERALIVM, ‖ HOC EST, ‖ THESAVRVS CRITICVS, ‖ […] ‖ Tomus Primus. ‖ Ex otiosa Bibliothecarum custodia erutus, & fo-‖ras prodire iussus, A IANO GRVTERO. ‖ Cum Indice & Locorum & Memorabilium. ‖ PRODIT FRANCOFVRTI ‖ E Collegio Paltheniano, Sumtibus Ionæ Rhodii Bibliopolæ. ‖ ANNO M. D. C. II. (= VD17 547:638891Z). GROTIUS 1595 = HVGEIANI GROTII ‖ ODE ‖ AD ILLUSTRISS. COMITEM ‖ HENRICVMFREDERICVM ‖ NASSAVIVM ‖ GVILELMI F. ‖ LVGDVNI BATAVORVM, ‖ Apud Franciscum Raphelengium. ‖ MDXCV. HERRICHEN 1717 = IO. GOTHOFR. CYRILLI ‖ SIVE HERRICHEN ‖ POEMATA ‖ GRÆCA ET LATINA, ‖ […] ‖ AB. AUCTORIS PATRUELI ‖ AUGUST. HERRICHEN, FRANCO ‖ COLLECTA. ‖ […] ‖ HAMBURGI, ‖ SUMTU CHRISTIANI LIEBEZEIT, 1717. HESTEAU 1578 = LES OEVVRES ‖ POETIQVES DE CLOVIS ‖ HESTEAU SIEVR DE NVY‖sement, Secretaire de la chambre ‖ du Roy,& de Monsieur: ‖ DEDIEES A MONSIEVR. ‖ A

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PARIS, ‖ Pour Abel l’Angelier, Libraire, tenant sa ‖ boutique au premier pillier de la ‖ grand' Salle du Palais. ‖ 1578. ‖ AVEC PRIVILEGE DV ROY. JAMOT 1593 = FEDERICI ‖ IAMOTII MEDICI ‖ BETHVNIENSIS ‖ VARIA POEMATA ‖ Græca & Latina. ‖ […] ‖ ANTVERPIÆ, ‖ EX OFFICINA PLANTINIANA, ‖ Apud Viduam, & Ioannem Moretum. ‖ M. D. XCIII. KORAES 1702 = Τῷ ἐκλαμπροτάτῳ ἀνδρὶ ‖ Ἐῤῥίκῳ Φραγκίσκῳ ‖ τῷ Δαγεσσεῖ. ‖ […] ᾠδή. (Colophοn:) ‖ Ἀντώνιος ὁ Κοραὴς, ὁ Χῖος ἐποίει. ‖ ἐν Λευκετίᾳ τῶν Παρισίων. […] ᾳ ψʹ βʹ. (BL 870/h 18). MARTINENGO 1582 = ΠΡΟΣ ΓΡΗΓΟΡΙΟΝ ‖ ΤΡΙΣΚΑΙΔΕΚΑΤΟΝ ‖ ΥΠΑΤΟΝ ΑΡΧΙΕΡΕΑ ‖ ΤΙΤΟΥ ΠΡΟΣΠΕΡΟΥ ΜΑΡΤΙΝΕΓΓΙΟΥ ‖ μοναχοῦ βριξιανοῦ ποιήματα διάφορα ἑλλη-‖νικὰ καὶ λατινικὰ, ὧν μὲν τὰ πλεῖ-‖στά εἰσι θεῖά τε καὶ ἱερά. ‖ T. PROSPERI MARTINENGII ‖ Brixiani Monachi Poemata diuersa cum Græca, ‖ tum Latina , quæ quidem magna ex par-‖te diuina sunt & sacra. ‖ ROMAE ‖ Apud Franciscum Zanettum. M D LXXXII. (1582) ‖ PERMISSV SVPERIORVM. (21590). MINAS 1830 = M. Mynas, ΚΑΝΑΡΙΣ, ΑιΣΜΑ ΠΙΝΔΑΡΙΚΟΝ, ΕΝ ΠΑΡΙΣΙΩΙ, αωλ´ / CANARIS, CHANT PINDARIQUE, Paris 1830. NORTH 1846 = ΑΙΚΑΤΕΡΙΝΗι ΕΙΡΗΝΟΠΟΙΩι. ΩιΔΗ ΠΙΝΔΑΡΙΚΗ. ΒΙΟΓΡΑΦΙΚΑ ΙΣΤΟΡΙΚΑ ΥΠΟΜΝΗΜΑΤΑ ΠΕΡΙ ΤΟΥ ΚΟΜΗΤΟΣ ΦΡΙΔΕΡΙΧΟΥ ΓΟΥΙΛΦΟΡΔ ΥΠΟ ΑΝΔΡΕΟΥ ΠΑΠΑΔΟΠΟΥΛΟΥ ΒΡΕΤΟΥ […] ΕΝ ΑΘΗΝΑΙΣ 1848 / (post p. 32:) Notizie biographicostoriche su Federico conte di Guilford di A. Papadopulo Vreto, Atene 1848. PINDAR 1616 = ΠΙΝΔΑΡΟΥ ‖ ΠΕΡΙΟΔΟΣ ‖ hoc est ‖ PINDARI LY-‖RICORUM PRINCIPIS, ‖ PLUS QUAM SEXCENTIS IN LO-‖cis emaculati, ut jam legi & intel-‖ligi possit, ‖ […] ‖ OPERA ‖ ERASMI SCHMIDII DELITIANI, ‖ […] ‖ Sumtibus Zachariæ Schureri, Bibliopolæ. ‖ ANNO MDCXVI. (= VD17 1:000160W). REUSNER 1593 = OPERVM ‖ NICOLAI ‖ REVSNERI LEO-‖RINI SILESII IVRISCON-‖SVLTI ET CONSILIARII ‖ SAXONICI ‖ PARS SECVNDA ‖ Continens libros ‖ EPICORVM II. ‖ HYMNORVM I. ‖ ODARVM II. ‖ EPODON II. ‖ PHILOTESIORVM III. ‖ SILVARVM I. ‖ 1593 ‖ IENAE, ‖ Apud Tobiam Steinmannum. (= VD16 R1368). ROBORTELLO 1548 = FRANCISCI ‖ ROBORTELLI ‖ VTINENSIS ‖ De historica facultate, disputatio ‖ […] ‖ Ode Græca quæ Βιοχρησμωδία inscribitur ‖ Florentiæ apud Laurentium Torrentinum, ‖ Mense Iulio M D XLVIII [1548]. Cum Privilegio. SCHURZFLEISCH 1702 = CONRADI SAMVELIS ‖ SCHVRZFLEISCHI ‖ POEMATA ‖ LATINA ‖ ET ‖ GRAECA, ‖ Vna cum qvibusdam ‖ INSCRIPTIONIBVS, ‖ Collecta, conquisita et simul ‖ edita. ‖ CVM PRIVILEGIIS. ‖ VITEMBERGAE, ‖ Apud GODOFR. ZIMMERMANNVM, ‖ Ao. M D CCII. TSCHERNING 1642 = Andreas Tschernings ‖ Deutscher Getichte ‖ Früling. ‖ Breßlaw, ‖ In Verlegung ‖ Georg Baumans ‖ Buchdruckers. ‖ 1642. (= VD17 3:612815V).

b) Further Literature Andrist/Lukinovich 2005 = P. Andrist/A. Lukinovich, POESIS ET MORES: Florent Chrestien, Joseph-Juste Scaliger, et les Psaumes en vers du Bernensis A 69, in: A. Kolde/A. Lukinovich/A.L. Rey (edd.), Mélanges offerts à André Hurst, Genève 2005 (= Recherches et rencontres; 22), 673–715. Czerniatowicz 1991 = J. Czerniatowicz (ed.), Corpusculum poesis Polono-Graecae Saeculorum XVI–XVII (1531–1648), Wrocław 1991. van Dam 2009 = H.-J. van Dam, Some facts and figures on Neo-Latin occasional poetry, in: W. Verbaal/Y. Maes/J. Papy (edd.), Latinitas perennis, Vol. II: Appropriation and Latin Literature, Leiden 2009, 125–126. van Dam 2015 = Id., Poems on the threshold: Neo-Latin carmina liminaria, in: A. Steiner-Weber/K.A.E. Enenkel et al. (edd.), Acta Conventus Neo-Latini Monasteriensis: Proceedings of

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the Fifteenth International Congress of Neo-Latin Studies (Münster 2012), Leiden 2015, 50– 81. Diecks 1994 = T. Diecks, art. “Mitternacht, Johann Sebastian”, in: NDB 17 (1994), 586f. Glei/Seidel 2006 = R.F. Glei/R. Seidel (edd.), ›Parodia‹ & Parodie: Aspekte intertextuellen Schreibens in der lateinischen Literatur der frühen Neuzeit, Tübingen 2006. Grierson 1906 = H.J.C. Grierson, The first half of the seventeenth century, Edinburgh and London 1906. Flood 2006 I–IV = J. Flood, Poets Laureate in the Holy Roman Empire, Vol. 1–4, Berlin 2006. Friedensburg 1917 = W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917. Hederich 1702 = M. BENIAMINIS HEDERICI ‖ GEITHENENSIS MISNICI ‖ DE ‖ IMITATIONE ‖ PINDARICA ‖ COMMENTATIO ‖ VITTENBERGAE ‖ LITTERIS CREVSIGIANIS ‖ M D CCII (= VD18 15195392-001). Helander 2004 = H. Helander, Neo-Latin Literature in Sweden in the period 1620–1720, Uppsala 2004. Ieronimaki 2006 = Θ. Ιερωνυμάκη, Το είδος της ωδής στη νεοελληνική λογοτεχνία (από την αρχή του 19ου αιώνα έως το 1880), Κύπρος 2006 (Electronic PhD dissertation in Cyprus University, http://www.didaktorika.gr/eadd/handle/10442/29033). IJsewijn/Sacré 1990–1998 = J. IJsewijn/D. Sacré, Companion to Neo-Latin Studies, Vol. 1–2, Leuven 1990–1998. Jacobsen 1973 = B. Jacobsen, Florent Chrestien. Ein Protestant und Humanist in Frankreich zur Zeit der Religionskriege, München 1973. Jöcher 1750 = Allgemeines ‖ Gelehrten=‖LEXCION, ‖ […] ‖ Erster Theil ‖ A–C ‖ heraus gegeben von Christian Gottlieb Jöcher, ‖ […] ‖ LEIPZIG, ‖ in Johann Friedrich Gleditschens Buchhandlung. ‖ M DCC L. Kämmel 1880 = H.J. Kämmel, art. “Hederich, Benjamin”, in: ADB 11 (1880), 221f. Liruti 1762 = NOTIZIE ‖ DELLE VITE ED OPERE ‖ SCRITTE ‖ DA’ LETTERATI DEL FRIULI ‖ RACCOLTE ‖ DA GIAN-GIUSEPPE LIRUTI ‖ […] ‖ TOMO SECONDO. ‖ IN VENEZIA, MDCCLXII. ‖ APPRESSO MODESTO FENZO, ‖ CON LICENZA DE’ SUPERIORI, E PRIVILEGIO. Lizelius 1730 = M. GEORGII LIZELII ‖ HISTORIA ‖ POETARUM ‖ GRÆCORUM ‖ GERMANIÆ ‖ A RENATIS LITERIS ‖ AD NOSTRA VSQUE TEMPORA. ‖ [...] ‖ FRANCOFVRTI ET LIPSIÆ ‖ APVD IO. PAVLVM ROTHIVM ‖ BIBLIOPOL. VLMENS. ‖ M. DCC. XXX. (= VD18 10200835). Ludwig 1998 = W. Ludwig, Hellas in Deutschland. Darstellungen der Gräzistik im deutschsprachigen Raum aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Hamburg 1998 (= Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V.; 16/1). Ludwig 2001 = Id. (ed.), Die Musen im Reformationszeitalter, Leipzig 2001 (= Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt; 1). Ludwig 2014 = Id., Der Humanist Laurentius Rhodomanus als griechischer Dichter Laurentios Rodoman und seine Autobiographie von 1582, in: NLJ 16 (2014), 137–171. Lukinovich 2016 = A. Lukinovich, Florent Chrestien pindarise sous la houlette d’Henri Estienne. Un psaume des montées en vers grecs (Ps. 127 hébreu) dans la version publiée en 1566 et dans un autographe, Tartu 2016 (forthcoming). Meadow 2013 = M.A. Meadow, Introduction, in: M.A. Meadow/B. Robertson (edd.), The First Treatise on Museums: Samuel Quiccheberg’s Inscriptiones 1565, Los Angeles 2013. Niemann 1824 = L.F. Niemann, Die Stadt Halberstadt und die Umgegend derselben, Halberstadt 1824. Opelt 1968 = I. Opelt, Zwei griechische pindarische Oden aus dem frühen 17. Jahrhundert, in: Mnemosyne 21 (1968), 374–385. Päll 2001 = J. Päll, Pindarlektüre an der Academia Gustaviana: Henricus Vogelmannus’ Ode prosphonetike, in: Studia Humaniora Tartuensia 2 (2001), 1–16 (http://www-1.ut.ee/klassik/sht/2001/).

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Päll 2010 = Ead., Humanistengriechisch im alten Estland und Nord-Livland, in: J. Päll/I. Volt/M. Steinrück (edd.), Classical tradition from the 16th century to Nietzsche, Tartu 2010 (= Acta Societatis Morgensternianae; III), 114–147. Päll 2016 = Ead., Greek Pindaric Odes in the United Kingdom, in: I. Volt (ed.), Acta Societatis Morgensternianae VIII-IX (forthcoming). Päll/Valper 2014 = Ead./E. Valper, Βάρβαρος οὐ πέλομαι ... “I’m not a barbarian ...”. The humanists in and about the Greek language. An exhibition dedicated to the reflections of the love for ancient Hellas in old prints from Tartu University Library: Catalogue, Tartu 2014. Revard 2001 = S.P. Revard, Pindar and the Renaissance Hymn Ode: 1450–1700, Tempe 2001. Revard 2009 = Ead., Politics, Poetics and the Pindaric Ode: 1450–1700, Tempe 2009. Rhein 1987 = S. Rhein, Philologie und Dichtung. Melanchthons Griechische Gedichte (Edition, Übersetzung und Kommentar), Diss. Heidelberg 1987 [Microfiche]. Rhein 1997 = Id., Melanchthon and Greek Literature, in: T.J. Wengert/M.P. Graham (edd.), Philipp Melanchthon (1497–1560) and the Commentary, Sheffield 1997, 149–170. Rummel 2000 = E. Rummel, The confessionalization of Lutheranism in Reformation Germany, Oxford 2000. Schmitz 1991 = T. Schmitz, Les Odes grecques de Frédéric Jamot († ca. 1609), in: BiblH&R 53/2 (1991), 281–303. Schmitz 1993 = Id., Pindar in der französischen Renaissance. Studien zu seiner Rezeption in Philologie, Dichtungstheorie und Dichtung, Göttingen 1993 (= Hypomnemata; 101). Schulthess 2015 = J. Schulthess, Pindarrezeption bei Paulus Melissus Schede: zu drei Epithalamien in den Schediasmata, in: Th. Baier/J. Schulthess (edd.), Würzburger Humanismus, Tübingen 2015, 245–268. Schurzfleisch 1697 = CONRADI SAMVELIS ‖ SCHVRZFLEISCHI ‖ ORATIONES PANEGYRICAE, ‖ ET ‖ ALLOCVTIONES ‖ VARII ARGVMENTI. ‖ VITEMBERGAE, ‖ APVD HEREDES MEYERIANOS, ‖ A. M DC XCVII. (= VD17 3:605081B). Tosi 2011 = R. Tosi, I carmi greci di Clotilde Tambroni, Bologna 2011. Vasar 1932 = J. Vasar (ed.), Tartu Ülikooli ajaloo allikaid. Quellen zur Geschichte der Universität Tartu (Dorpat) I, Tartu 1932. Venier 2006 = M. Venier, Poesia latina degli Amalteo, in: Aevum 80/3 (2006), 687–716. Viiding/Orion/Päll 2007 = K. Viiding/J. Orion/J. Päll (edd.), O Dorpat, urbs addictissima musis. Valik 17. sajandi Tartu juhuluulet, Tallinn 2007. Wadowski 1900 = J.A. Wadowski (ed.), Anacephaleosis professorum Academiae zamoscensis: manuscriptum Saeculi XVII. Warszawa 1899–1900. Weise 2011 = S. Weise, Μοῦσα Ἁλληνική. Griechische Gedichte hallescher Gelehrter, in: M. Hillgruber/R. Lenk/S. Weise (edd.), HYPOTHESEIS. Festschrift für Wolfgang Luppe zum 80. Geburtstag = APF 57/2 (2011), 399–429. Ziemssen/Pabst/Theune 32007 = R. Ziemssen/B. Pabst/C. Theune, Die protestantischen Pastorenfamilien Theune und Reimmann in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Vorfahren und Nachkommen von Friedrich Heinrich Theune 1691–1745). 3. ergänzte und verbesserte Aufl., Berlin 2007.

c) Abbreviations ADB = Allgemeine Deutsche Biographie. […] Hrsg. Durch die Historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1875–1912 (ND Berlin 1967–1971). NDB = Neue deutsche Biographie. Hrsg. v. d. Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 23 Bde., Berlin 1953–. DNB = Katalog der deutschen Nationalbibliothek http://www.dnb.de/DE/Home/home_node.html.

INDICES1 INDEX PERSONARUM a) Mythologisch Achill 116f. Aeneas 111 Aglaia 138–140 Aias 26 Aktaion 327 Aphrodite/Venus 138–141, 163, 189, 209f., 316, 327 Apollon/Phoibos 156, 159*, 163, 167*, 174, 177, 183, 192, 194f., 221, 225–228, 231, 235*, 239, 241, 244f., 248, 321, 350f. Ares 96, 159*, 163, 189, 316* Arimaspen 225, 227*, 228, 232, 241, 244 Artemis 174, 195, 235* Artemis Tauropolos 225* Athene 159*, 163, 189, 271 Chariten/Grazien 138–141, 167, 260, 282f. Eileithyia 258 Eirene 259 Empusa 255 Endymion 163, 183 Eos 257 Erinye(n) 118f. Euios 157, 181 Eumeniden 119f. Euphrosyne 138–140 Gaia 280f. Grazien siehe Chariten Hebe 174, 196, 259 Hekate 225* Helena 118f. Helios 280f. Hephaistos 316* Herakles/Herkules 136, 163, 189

1

Hermes 39 Hygieia 256, 259, 262 Hylas 136 Kadmos 141, 177 Kalliope 100 Klio 233, 243 Kronos 163, 189 Kypris (= Aphrodite) 119, 139f. Kythere (= Aphrodite) 139, 163, 174, 191, 195 Lapithen 116 Leto 239, 244 Melpomene 233, 243 Moira 256, 259 Muse/Musen 21, 24, 78, 80–82, 84, 90, 92, 100*, 103, 115–117, 155, 159*, 163, 167*, 177, 181, 205, 231*, 232f., 241, 243, 255, 271f., 302, 313, 315*, 317*, 321*, 329*, 337*, 341, 350f., 361* Musaeus 127 Narkissos 174, 195 Nereus 116 Nymphen 118, 139, 174 Odysseus 115, 117, 231, 337 Oinone 117–120 Orestes 225* Orpheus 127f. Pallas 115, 327 Pandora 328* Paris 117f. Peleus 115 Phoibos siehe Apollon Polyxena 117 Polyxo 119

Seitenzahlen mit Asteriskus bezeichnen Erwähnungen in den Fußnoten.

370 Priamos 111 Pylades 225* Semele 327 Silenos 227, 238f. Teiresias 327 Telemachos 115 Thalia 78, 101*, 138, 140 Thetis 115 Tlepolemos 118 Venus Libitina 224 Venus Proserpina 224 Zeus 78*, 139–141, 159*, 160, 163, 174, 188–191, 195, 230*, 272

b) Biblisch/Christlich Adam 134f. Christus/Jesus 24f., 35, 71, 86f., 135, 281, 324, 326f., 364 Hl. Epimachus 276 Herodes 135 Hl. Johannes von Nepomuk 282 Joseph 135 Hl. Katharina 16 Maria 167, 324f., 364 Moses 127, 135 Paulus 86, 135, 137, 324 Petrus 324 Samuel 135 Saul 135 Hl. Sebastian 326f.

c) Antik Äsop 323 Aischylos 128*, 286 Orestie 15 Alexander der Große 337

Indices Anakreon 8, 128*, 138, 141, 152f., 156–160, 175, 180f., 195, 203–218, 280* Antoninus Liberalis 227* Apollinaris von Laodikeia 52f. Apollonios Rhodios 222, 227, 244, 247f. Apuleius 228, 314 Archilochos 168 Aristarchos 300 Aristeas von Prokonnesos 227f., 244 Aristophanes 17, 18*, 128*, 228*, 269*, 285, 287f., 290, 292–299, 302, 303*, 304f. Acharner 288, 305 Daitales 294 Ekklesiazusen 295*, 297 Frieden 288, 291*, 295 Frösche 226*, 295, 298*, 303* Lysistrata 297 Plutos 297 Ritter 295*, 304* Thesmophoriazusen 288 Vögel 291, 295, 298* Wespen 286, 288, 294f. Wolken 293f., 295* Aristoteles 16, 23*, 75*, 128*, 244, 254, 279, 298 Arrius Antoninus 314 Ausonius 314 Basileios von Caesarea 35, 128* Bion 151, 153*, 328 Bruttianus 314 Caninus 314 Catull 116, 254, 269*, 322, 336, 362 Christodoros von Koptos 271 Cicero 71, 95, 137, 282, 313 Claudian 228, 314 Claudius 314 Dares Phrygius 117 Demosthenes 31f., 39, 128*, 287* Dion Chrysostomos 109, 128* Dionysios Areopagites 16, 128* Dionysios von Halikarnass 50*, 128*, 230*, 247 Dionysios Periegetes 178 Dioskurides 156, 161*, 162f., 177, 189, 191 Ennius 337 Euripides 32, 39, 128*, 244, 258, 261, 264, 275, 282f., 296*

371

Indices Galen 32, 128* Germanicus 314 Gregor von Nazianz 18, 128*, 316, 323, 325 Hadrian 314 Hellanikos 227 Herodikos aus Babylon 300 Herodot 10, 39, 71, 95, 128*, 178*, 227– 230, 287* Hesiod 39, 64, 71, 74f., 78*, 128*, 135, 247, 350 Hieronymus 324 Hippokrates 29*, 32 Homer 30, 32, 33*, 39, 47f., 52, 55, 71–75, 80*, 84, 127, 128*, 131, 134f., 136*, 140, 154f., 157f., 225, 226*, 231*, 233, 244f., 247f., 269, 276, 279, 282, 287*, 289*, 293, 303, 315f., 325–327, 337f., 340f. Ilias 7, 30, 48, 75, 117, 157, 247f., 302 Odyssee 7, 30, 33*, 48, 117, 245, 287*, 301 Horaz 10, 55, 114, 139*, 159, 336, 362 Hygin 140* Johannes Chrysostomos 128, 323 Isokrates 18*, 31, 112, 128*, 328 Julia Balbilla 314 Justinian 128 Kallimachos 128, 227*, 228, 229*, 230*, 325, 332, 338 Kelsos 227, 230* Livius 8, 48–52, 57–61 Lucilius 313 Lukian 18, 128*, 245 Marc Aurel 314 Markellos von Side 233* Martial 71, 78*, 101*, 314, 322 Nonnos von Panopolis 128*, 166, 244, 246, 316, 325 Origenes 227 Ovid 118, 246, 248 Pausanias 119, 128*, 224, 228, 229*, 244, 247 Perikles 293 Petronius 340

Phokylides 128*, 131*, 323 Phornutus/Cornutus 140 Pindar 10, 36, 100*, 128*, 138, 140, 153, 155, 157, 168, 175, 181, 192, 222*, 226*, 227, 232*, 247, 267, 321, 325, 329, 333f., 349–368 Platon 39, 90*, 128*, 210, 254, 271, 279, 287*, 314, 320, 333 Plautus 304, 313 Plinius maior 244, 254 Plinius minor 313f. Plutarch 35, 128*, 135*, 275, 287*, 288, 314 Porphyrios 128*, 227, 230* Porsenna 48, 50–52 Proklos 128*, 325 Ptolemaios 31, 128* Pythagoras 128*, 261, 274 Quintus Smyrnaeus 109, 112, 116–118, 134*, 135, 136* Sappho 55, 152*, 153, 168, 204*, 331 Q. Mucius Scaevola 8, 48–52 Simonides 338 Solon 253, 273, 275, 277f., 337 Sophokles 32, 33*, 39, 128*, 246, 286, 296*, 340f. Statius 254 Synesios von Kyrene 128*, 153, 323 Tacitus 233* Terenz 304 Theognis 71, 128*, 141, 323, 338 Theokrit 31*, 32, 39, 128*, 151, 153*, 167f., 316 Theophrast 128*, 300f. „31. Charakter Theophrasts“ 300 Thukydides 32, 128*, 254, 279 Tiberius 314 Triphiodor 136 Valerius Maximus 49 Vergil 111, 114, 137, 177, 336, Aeneis 111, 141 Xenophon 128*, 270f., 275f., 287*

372 d) Neuzeitlich (auch: Mittelalterlich) Agricola, Georg 18 Agricola, Rudolf 16 Alard, Lambert 153*, 165*, 352–354, 355* Albert von Sachsen 254, 274f., 281 Aleandro, Girolamo 321 Allacci, Leone 330, 331* Amalteo, Giovanni Battista 321, 352f. 359f. 363 Anshelm, Thomas 19f. Anton (König von Sachsen) 256, 273, 278 Ardinghelli (Ἀρδίγγελος), Niccolò 321 Argyropulos, Johannes 126, 135, 314*, 320 Arlenius, Arnoldus 350 August von Sachsen (Kurfürst)25f., 64, 66, 67* Aurispa, Giovanni 312 Averani, Benedetto 327f. 331* Bach, Johann Sebastian 150 Backmeister, Lucas 24 Baffi (Βάφφω), Pasquale 333f. Bandini, Angelo Maria 331, 333* Barberini, Maffeo (Papst Urban VIII.) 326f. Beazley, John Davidson 10 Bekker (Καρδαμοῦχος?), Immanuel 303 Bembo, Pietro 318f. Bentley, Richard 73* Bessarion 126, 128*, 314 Bismarck, Otto von 291–293, 297 Blasi, Iolanda (Ἰολάνδη) de 339 Bodoni (Βοδώνιος), Giambattista 332 Boeckh/Böckh, August 9, 222f., 234, 286, 288f., 303 Böttiger (Βοιτίγερος/Πιθοποιός), Karl August 9, 233*, 253–284 Bokelius/Bökel, Johannes 28, 33 Bonamico, Lazaro 320f. Bonnell, Eduard 286* Bontekoe, Cornelis 158, 171, 186f. Bontius, Jacob 161, 170f. Botticelli, Sandro 316 Bouille, Pierre 355 Brillius, Urbanus 355, 360 Brunck, Richard François Philippe 8, 10, 203–218 Buchanan, George 353, 358 Buchner, August 355 Budé, Guillaume 10 Bürger, Johann David 356 Bugenhagen, Johannes 23

Indices Burchard, Franz 30–32 Burenius, Arnold 25, 35 Calame, Claude 350* Camerarius (Καμεράριος), Joachim 8, 18, 22, 23*, 30–34, 37, 64–67, 69–71, 76f., 82–85, 92, 129* Camerarius, Ludwig 129* Carafa, Antonio 321*, 324 Carducci, Giosuè 337 Caron, François 158, 171, 186f. Carpegna (Καρπίνεος), Gaspare 329 Carpzov, Friedrich Benedikt 155–157, 159*, 164, 168–173, 181, 191 Carpzov, Johann Benedikt 166 Carpzov, Samuel Benedikt 354f. Carteromaco (Forteguerri), Scipione 320, 323* Caselius, Johannes 8, 15, 22–27, 33, 35, 135 Castelli, Gerolamo 313 Castritius siehe Geldorp Cazzaniga, Ignazio 339 Cellarius (Κελλάριος), Johannes 72*, 103 Celtis, Konrad 52 Chalcondyles, Demetrius 126 Chrestien, Florent 53, 353, 358 Christian II. von Sachsen (Kurfürst) 115f. Chrysoloras, Emanuel 126 Chytraeus, David 8, 15, 26, 28–30, 33–36*, 91*, 135 Chytraeus (geb. Smedes), Margarethe 28 Ciriaco d’Ancona 313 Clajus d. Ä. (Κλάϊος), Johannes 8, 63–108 Cobb, Samuel 349, 363 Coelius Aubanus, Gregor 17 Corafà, Giorgio 333f. Cornarius, Janus 32, 35 Cortona, Pietro da 321, 355, 361 Cosimo (Κόσμος) de’ Medici 321, 350, 361f. Cottunio, Giovanni 330 Cracow, Georg 15, 28–30, 33 Creuzer, Friedrich 224 Croke, Richard 17, 33 Cruciger, Caspar 34 Crusius, Martin 8, 22, 25, 37, 125–132, 135, 138 Cuno, Johannes 16 Curione, Celio Secundo 48 Curtius, Ernst 226* Dacianus, Johannes 114f.

Indices Dacier, André 303 Dacier (Δακηρία), Anne 293, 303 D’Angour, Armand 357* Dannhauer, Johann Konrad 160* Dante (Δάντης) Alighieri 259, 262, 279, 341 Darwin, Charles 297 Dausque, Claude 360 Dazzi, Andrea 319 Derome, Nicolas Denis 138* Dietrich, Veit 34 Dolscius, Paul 8, 15, 33, 36f., 53 Don Juan (John) de Austria 359 Dousa, Janus 361* Dresserus, Matthaeus 135 Dryden, John 363 Du Perron, Jacques Davy 355, 363* Eber (Ἐβῆρος), Paul 38, 63f., 67, 69, 71, 72*, 85–87, 102f. Eberhard von Holle 110 Ebner, Erasmus 30f. Erasmus von Rotterdam 7f., 16 Estienne siehe Stephanus Eyth, Eduard 152*, 165* Fabricius, Georg 102* Fabricius, Johann Albert 151, 167* Ferguson, Frederic Sutherland 138* Filelfo, Francesco 311–316, 318 Finckelthaus (Φιγκελθούσιος), Wolfgang 112 Fordyce, Christian James 10 Francisci (Φράγκισκος), Adam 72*, 102f. Francius (Φράγκιος), Petrus 10, 154*, 170– 178, 192–196 Freher, Marquard 129* Freytag, Gustav 302* Friedländer, Paul 9, 137 Friedrich August I. (König von Sachsen) 273, 278 Friedrich August II. (König von Sachsen) 273 Friedrich Barbarossa (Kaiser) 136 Friedrich (III.) der Weise (Kurfürst) 19 Friedrich III. von der Pfalz (Kurfürst) 93* Frischlin, Nicodemus 132, 135, 165*, 352f., 360, 362, 364 Froben, Johann 16 Garbitius, Matthias 23*, 34, 37 Garibaldi, Giuseppe 337 Gaza, Theodor(us) 20, 135, 313, 320

373 Gebhard, Johann 355, 360 Geldorp, Heinrich Castritius 152*, 165* Genovesi, Antonio 333 Gentile, Giovanni 335 Georg, Joachim 25 Georg II. von Brieg (Herzog) 97*, 101* Georg Friedrich I. von Brandenburg-Ansbach (Markgraf) 103* Georgius Trapezuntius 126, 135 Geraeander (Γέρανδρος), Paul 20f. Gerbel (Γερβέλλιος), Nikolaus 19 Gerhard (Γηράνθης), Eduard 9, 221–251 Gerlach, Stephan 130f. Gerstenberger, Marcus 132 Gigas, Johannes 22 Gleim (Γλείμιος), Johann Wilhelm Ludwig 8, 203–218 Goethe, Johann Wolfgang von 9, 262*, 278*, 293, 297 Graevius, Johann Georg 170–173 Grocinius, Gulielmus 126 Grotius, Hugo 10, 323, 355, 361* Grundler, Andreas 47 Gruterus, Janus 353 Grynaeus, Simon 16 Guarino Veronese 312f. Gyraldus, Lilius Gregorius 128 Hagen (Ἀγήνωρ), August 223, 233, 242f., 246f. Harles, Gottlieb Christoph 333 Hatvany, Ludwig 300 Haupt (Κέφαλος), Moriz 293, 297, 302, 304 Headlam, Walter George 357* Hederich, Benjamin 165, 352–357, 360 Hegendorf, Christoph 18 Heine, Heinrich 296*, 298* Heinrich, Martin 15, 22–28, 33 Heinsius, Daniel 10, 323 Helmrich d. Ä., Georg 97* Helmrich d. J. (Ἑλμερεικός), Georg 64, 71, 72*, 97*, 101f., 104* Hennin, Heinrich Christian von 150*, 152*, 167*, 169 Hercher, Rudolf 235 Hermann, Gottfried 8f., 224* Hermonymus Spartiata 126 Herrichen, August 151 Herrichen, Johann Gottfried 8, 149–201, 352, 354–360, 363 Herrichen, Peter 166 Hiltebrant, Johannes 19*, 20

374 Hrotsvit von Gandersheim 54* Huet, Pierre Daniel 10, 171–173, 174*, 192 Isidor (Ἰσίδωρος) von Kiew 315 Jacobi, Johann Georg 211, 212* Jacobs, Friedrich 206f., 271 Jahn, Otto 231, 290 Jamot, Frédéric 352f., 358, 364 Jebb, Richard Claverhouse 357* Jeremias II. von Konstantinopel (Patriarch) 135 Joachim von Anhalt (Fürst) 29, 35 Johann von Sachsen (Prinz) 253–284 Jonas, Justus 37 Kallierges/Calliergis, Zacharias 360 Kallistos, Andronikos 320 Kant, Immanuel 293 Karsch, Anna Louisa 204*, 211 Katharina II. von Russland/Catherine II of Russia 333–335, 360 Kephalas/Cephalas, Konstantinos 318 Kestner (Κυψελίδης/Κύψελος), August 223, 232, 240f. 246 Klopstock, Friedrich Gottlieb 205 Knauth, Samuel 356 Körte, Wilhelm 205 Koraes, Antonios 363 Krafft, Johannes 23, 25*, 35* Křesadlo, Jan 7, 341f. Kyrillos I. von Konstantinopel (Patriarch) 133* Lachmann (Γελάσανδρος), Karl 9, 301f. Ladislaus/Lasla (Λαοδισλαός), Johannes 71, 72*, 102f. Lapini (Λαπῖνος), Walter 340f. Laskaris, Ianos 318, 320, 323* Laskaris, Konstantinos 319 Le Fèvre, Tanneguy 303 Lemnius, Simon 22, 33* Leo philosophus 318 Leopardi, Giacomo 335 Lessing, Gotthold Ephraim 207, 297 Lienhardt (d. Ä.), Gregor 125 Lienhardt (d. J.), Gregor 125f. Linacre, Thomas 91* Li(t)zel, Georg 16, 23*, 36, 137, 312, 356 Löwenklau/Leonclavius, Johannes 135 Lossel, Anna 138 Lossius, Lucas 37

Indices Lotichius Secundus, Petrus 22 Ludovicus (Λωδοϊκός), Laurentius 72*, 102–104 Ludwig XIV./Louis XIV (König) 331 Luther, Martin 18, 20, 26, 38, 55, 69, 86*, 97*, 135, 293 Maelcote, Odon van 355, 360 Maffei, Scipione 331 Magdeburg, Hiob 34 Major, Georg 28, 33 Major, Johannes 22, 28 Manutius, Aldus 17*, 319f., 360 Margunios, Maximos 160* Marschalk, Nikolaus 17*, 19 Martinengo, Lucillo 324 Martinengo, Tito Prospero 324–326, 349*, 355, 358, 360, 364 Martorelli, Giacomo 332f. Marullus Tachaniota 126 Matthesius, Johannes 22 Melanchthon, Anna 34 Melanchthon, Katharina 80* Melanchthon, Magdala 88* Melanchthon (Μελάγχθων), Philipp 8, 15– 46, 63–67, 69–73, 77–81, 85, 88*, 91*, 97*, 103*, 104*, 128*, 129, 323, 357 Melanchthon, Sigismund 64, 70, 72*, 81f. Menz, Johannes 25 Mercner, Johannes 25 Meurer (Μευρῆρος), Wolfgang 66, 68, 70, 72*, 77f. Micyllus, Jakob 30, 31*, 33, 47, 140* Milton, John 363 Minas, Konstantinos Minoides 350 Mingarelli, Giovanni Luigi 331 Miro, Giovan Battista de 329, 333, 349* Mitternacht, Sebastian 352, 354 Mohammed Khodabanda (Schah) 133 Monau, Jakob von 132 Morata, Olympia Fulvia 8, 47–62, 129, 138, 323 Morel, Fédéric 361* Morel, Guillaume 138 Morelli, Iacopo 331 Moritz von Sachsen (Kurfürst) 65*, 129 Morzinos, Ioannes 131 Mosellanus, Petrus 17f., 33 Murad III. (Sultan) 134 Muratori, Ludovico Antonio 331* Musuros, Markos 126, 320 Mylius, Johannes 38*, 160*, 165*

Indices Mylius, Valentin 38 Naeke, August Ferdinand 289 Neander, Michael 8, 15, 22, 33, 37f., 64, 69, 109f., 112, 115f., 131f., 134 Nicholson, Reynold Alleyne 357* Norsa, Medea 338 North, Frederic 333, 357, 360 Örtel, Johann 355, 360–362 Oertel, Veit 32, 33* Ofemianus 54* Orlow, Theodor 334 Ostermann (später Carpzov), Anna Maria 355 Ostermann, Johann Erich 352, 354f., 363* Otto von Griechenland (König) 267 Panofka (Πανοπαῖος/Πανοπεύς), Theodor 223, 232, 240f., 246f. Pascoli, Giovanni 336–338 Pasquali, Giorgio 339 Paulinus, Henricus 26* Paxmann, Heinrich 23, 68, 97* Pechlin, Johann Nicolas 170, 172 Perugino, Pietro 326 Peter I. von Russland (Zar) 334f. Petit (Πετῖτος), Pierre 149, 170–178, 179, 182*, 186f., 192 Petrarca, Francesco 129, 311 Peucer (Πευκῆρος), Caspar 8, 15, 22, 26–29, 33, 63f., 65*, 69f., 72, 87f., 102f. Peutinger, Konrad 16 Peutinger, Konstanze 16, 90 Pfeiffer, Rudolf 338 Philipp II. von Spanien (König) 134 Pinelli, Gian Vincenzo 325 Pirckheimer, Willibald 52, 54* Piso, Willem 158, 160*, 170f., 178*, 186f. Pistelli, Ermenegildo 338 Plantin, Christoph 135 Platen, August Graf von 297*, 298* Politi, Alessandro 331 Poliziano, Angelo 9, 311, 315–320, 322, 323*, 331*, 340 Porson, Richard 331, 357* Portus, Aemilius 53 Posselius, Johannes 22, 25, 26*, 35 Raffaelo Sanzio (Ῥαφαὴλ Σάντιος) 336 Rarturus, Alexius 128, 130 Reiffenstein, Johannes 30

375 Reiske (Ῥεισκία), Ernestine 293, 303 Reiske, Johann Jakob 303 Renzi, Matteo (Ματθαῖος βασιλεύς) 341* Reuchlin, Johannes 16, 18–20, 78*, 126, 135 Reusner, Nikolaus 8, 126, 134, 137–141, 152*, 165*, 352f., 358, 361–364 Rhang, Laurentius 25, 28 Rhodoman, Lorenz 8, 109–123, 125, 131– 137, 138, 165*, 166, 325* Ricci, Angelo Maria 331* Richter (Κριτής), Julius Hermann 9, 11, 137*, 285–307, 341 Richter, Otto 287* Rissa, Alvaro siehe Lapini, Walter Ritschl, Friedrich 290 Robertson, George Stuart 10, 357* Robortello, Francesco 321, 329, 350–353, 358, 360f., 363f. Röseler, Matthaeus 15, 28f., 33 Ronsard, Pierre de 204, 361*, 362* Roscoe, William 138 Ruediger, Josef 297* Sabinus (Σαβῖνος), Georg 22f., 26, 29–31, 34, 72*, 87f. Sager (Ῥητήρ), Johannes 70, 72*, 91–93 Salvini, Anton Maria 331* Saubert, Johann 355 Saur, Melchior 23 Scaliger, Joseph Justus 10 Scaliger, Julius Caesar 10, 322 Schede, Paulus Melissus 103*, 361*, 362 Schelhammer, Johannes 15, 27, 33 Schiller, Friedrich 9, 262*, 297 Schilling (Σχίλλιγγος), Christoph 64, 69f., 72*, 93–96 Schmid/Schmied/Schmidt, Erasmus 352, 354f., 358, 361f., 363* Schmid (geb. Tuchscherer), Magdalena 354 Schmidt, Johann Christoph 205 Schorn (Κουρητιάδης), Ludwig 223f., 233, 243, 246 Schosser, Johannes 24* Schow, Niels Iversen 333 Schurzfleisch, Konrad Samuel 137, 165, 352, 354–356, 363* Schweicker/Schweigger, Salomon 127, 130f. Schweighäuser, Johann Gottfried 214f. Scialoja, Antonio 335 Seiler (Σειλῆρος), Abraham 70, 89f. Selnecker, Nikolaus 34

376 Siber, Adam 63, 65, 134*, 136* Siciliano, Saverio 339f. Siculo (Rioli), Giorgio 324 Silberborner, Johannes 30 Sillig, Karl Julius 253f., 255*, 260–262, 265–268, 279 Simler, Georg 19f. Sinapius, Johannes 48 Sinapius, Kilian 48f. Sladus (Σλᾶδος), Matthaeus 173*, 177, 196 Spalatin, Georg 18f., 34 Specx (Σπέξ), Jacobus 171, 186f. Spon (Σπόνιος), Jacob 154*, 161, 162*, 171, 186f. Stackelberg (Ῥαβδωρεύς), Otto Magnus von 223–226, 229*, 232, 235*, 237, 241, 246f. Staël, Anne Louise Germaine de 331 Starcke, Anna 66, 86* Starcke (Fortis/Ἰσχυρός), Laurentius 70, 86f. Stein, Peter 15 Stein, Simon 28 Steinrück, Martin 349*, 350*, 357* Stenius, Simon 129 Stephanus/Estienne, Henricus 10, 135, 138, 203f., 358, 361 Stephanus/Estienne, Robertus 138 Stigel, Johannes 22, 26, 29, 32, 33* Stolberg, Balthasar 352, 354f. Stolberg, Wolfgang Graf zu 132 Sylburg, Friedrich 135 Tambroni, Clotilde 331f., 352, 357, 359*, 360 Taubmann, Friedrich 136*, 138 Thabor, Martin 63f., 68, 70f., 72*, 97–100, 101*, 104* Thiersch (Θύρσις), Friedrich 223, 233, 243, 246 Tieck, Ludwig 297*, 298* Tiphernas, Gregorius 126 Tollius, Jakob 168f., 171 Trigault (Τριγαύτιος), Nicolas 171, 186f. Trozendorf, Valentin 68, 97*, 101*, 103*, 104*, 152* Tscherning, Andreas 355*, 360 Tulp (Τούλπιος), Nicolaas 161, 170f., 186f. Urceo, Antonio Codro 317 Ursinus, Zacharias 93* Utenhovius, Carolus 138

Indices Velasti, Tommaso 333f. Villaggio, Paolo 340 Villoison, Jean-Baptiste-Gaspard d’Ansse de 331–333 Vitelli, Girolamo 335, 338–340 Vitrioli, Diego 336 Vogelmann, Heinrich 355, 360 Voulgaris, Eugenios 333* Wagner, Valentin 37 Weise/Weißius, Georg 136* Welcker, Friedrich Gottlieb 289 Wesel, Georg 25 Wilamowitz-Moellendorff (Φιλομώμιχος), Ulrich von 9, 137, 165* Wilhelm I. (Kaiser) 291, 297 Wilisch (Ὀιλίσχιος), Martin 72*, 85 Winkler-Hell, Theodor 277 Wirth, Georg 138, 141 Wolf (Λύκος, Φαλύκος), Friedrich August 222, 301*, 331 Wurtzler, Joseph 15, 33, 35 Wurzler, Michael 356 Zanetti, Francesco 324 Zielinski, Thadeusz 295* Zoëga, Georg 333

e) Fiktiv/Literarisch Bathyllos (Geliebter Anakreons) 209f. Chrysalopex (Figur bei Richter) 294, 302 Chrysion (Figur bei Richter) 294f. Diotima (Figur bei Platon) 210 Fantozzi, Ugo (Filmcharakter) 340 Hippias (Figur bei Richter) 294 Kardamuchos (Figur bei Richter) 293, 302– 304 Kephalos (Figur bei Richter) 293f., 298, 301–304 Knakias (Figur bei Richter) 294 Macco (Figur bei Rissa/Lapini) 341* Pappo (Figur bei Rissa/Lapini) 341*

377

Indices Pausias (Figur bei Richter) 294 Pheidias (Figur bei Richter) 294 Pheidippides (Figur bei Aristophanes) 294 Philostratos (Figur bei Richter) 294f.

Pisias (Figur bei Richter) 294 Strepsiades (Figur bei Aristophanes) 294

INDEX NOMINUM GEOGRAPHICORUM Aberdeen 356*, 359 Ägypten/Egypt 134, 314, 338 Alexandria 135 Altenburg 136* Amberg 93*, 102* Amsterdam 172*, 173, 353 Antiocheia 135 Antwerpen/Antwerp 356*, 358f. Arkadien 140, 229, 232, 328f. Arno (Fluss) 321* Athen/Athens 10, 15, 21, 39, 85*, 130, 275, 288, 359f. Augsburg 33*, 349* Bamberg 47 Basel 16, 36, 128f., 140*, 349*, 355*, 356*, 359–361 Bassai 223f., 232 Belgien/Belgium 358f., 361 Bendeleben 65*, 69 Berlin 9, 137*, 221*, 222, 224*, 226*, 234f., 237, 285f., 287*, 291, 292*, 298*, 301*, 302, 303*, 349*, 356* Beroia 330 Böotien 139, 141 Bologna 313, 331, 356*, 359f. Bonn 222, 286, 289–291, 293, 299, 301 Brescia 324 Breslau/Wrocław 89*, 91, 93*, 126*, 132, 222, 358–360 Bretten 31, 81* Brieg/Brzeg 87*, 89*, 97*, 101* Cambridge 10, 206*, 215*, 357*, 359 China 176f., 178* Chios 330 Clausdamm 286 Delos 221, 225, 227*, 228–231, 241, 244 Deutschland/Germany 7–9, 16–18, 20, 27, 33, 38, 52, 112f., 116, 126, 129f., 165*, 166*, 207f., 233*, 292, 299, 312*, 322, 324, 330, 338, 352, 356*, 357–362 Donau (Fluss) 125

Dorpat/Tartu 349*, 353*, 356*, 359 Douai 359f. Dresden 77*, 102*, 103*, 169*, 253*, 254f., 265, 268, 301, 354*, 356* Elbe (Fluss) 39, 80 Elster (Fluss) Schwarze Elster 65, 67, 92 Weiße Elster 80, 155, 181 England 10, 17, 126, 178*, 267, 330, 363 Erfurt 17*, 19, 69* Estland/Estonia 350*, 353*, 355, 356*, 359 Ferrara 47 Florenz/Florence 126, 312f., 315, 318, 328, 330f., 333*, 334*, 338f., 353, 359f. Frankenstein/Ząbkowice Śląskie 68, 98* Frankfurt a. Main 19, 134, 298*, 353 Frankfurt a.d. Oder 23, 88*, 104* Frankreich/France 10, 93*, 126, 168*, 267, 278, 296, 299, 322, 331, 357, 359–361 Genf/Geneva 358f., 361 Genua/Genoa 340 Glogau/Głogów 97* Görlitz 104*, 359 Göttingen 254, 356* Goldberg 68, 70f., 72*, 87f., 89, 91–93, 97f., 101f., 104* Griechenland/Greece 10, 39, 115*, 117, 125, 129f., 134, 229*, 230*, 245, 255, 267f., 299, 305, 319, 330, 332*, 333, 334*, 357, 359 Grimma 65f., 68, 72*, 92, 136* Halberstadt 25, 215*, 356* Halle a.d. Saale 36, 63*, 102*, 136, 166, 349*, 354*, 356* Hamburg 167, 356*, 359, Hannover 223, 224*, 356*, 359 Harz 114 Heidelberg 16, 47, 52*, 64, 81*, 93*, 125, 129*, 203, 359f. Helikon 192, 195, 351

378 Helmstedt 28, 354* Heptanesos 330, 334* Herculaneum 332f. Herzberg 63–68, 70f., 72*, 78, 82, 85, 87*, Hirschberg/Jelenia Góra 93, 95* Ida 118 Ilfeld 8, 37, 109f., 112–114, 132, 134f. Ingolstadt 126 Iraklio 130 Isonzo (Fluss) 339* Italien/Italy 7, 9f., 27, 39, 93*, 126, 204*, 222, 233, 311–347, 349*, 352, 357–361 Jena 136, 138, 356*, 358f. Jerusalem 135 Kampanien/Campania 338 Königsberg 25, 355 Konstantinopel/Constantinople 47, 127, 130, 133–135, 271, 313 Konstanz 126 Krakau/Cracov 97*, 360* Kreta/Crete 130, 330 Kythera 140 Ladon (Fluss) 139f. Lauingen 355, 358*, 359 Lausanne 350*, 359 Leiden 359 Leipzig 17f., 23, 66, 68*, 70, 72*, 76–78, 81f., 84, 85*, 102*, 136, 140, 150, 157*, 166, 168, 169*, 173, 254, 267, 301*, 354f., 356*, 359f. Leros 339 Leucorea 19, 23f., 26*, 27–30, 32f., 35f., 37*, 67*, 68, 85*, 86, 88, 95, 97*, 103 Liegnitz/Legnica 89, 97*, 101*, 104* Linz 93* Livorno 337 Löwenberg/Lwówek Śląski 72*, 104 London 356, 359 Louvain/Löwen/Leuven 203, 356*, 359 Lviv/Lemberg 355, 360 Lykosura 229, 239, 241 Mailand/Milan 313 Main (Fluss) 27 Matera 337 Mecklenburg 25 Messina 319, 336 Mitteldeutschland 18

Indices Mulde (Fluss) 72*, 80 Neapel/Naples 224, 232, 332f. Niederlande/Netherlands 10, 322 Nordhausen 37, 69 Nürnberg 27, 31*, 34, 81*, 166 Österreich/Austria 134, 359 Orchomenos 140f. Oxford 10, 126, 356* Padua 324, 330 Paris 125f., 138, 172*, 203*, 222, 254, 265, 326, 349*, 356*, 359, 361* Parnass 116 Pavia 126 Pforzheim 15, 19–21 Pincio 224 Pisa 328 Polen/Poland 359 Pommern 25, 286 Posen 222 Preußen 278, 290 Rhodos 118f. Rom/Rome 48, 50–52, 114, 126, 127*, 221– 223, 224*, 229–231, 233–235, 247, 287*, 296, 297*, 321*, 326, 328, 330, 359f. Rostock 25f., 28–30, 34f., 355, 360 Russland/Russia 10, 333f. Ruthenien/Ruthenia 355, 360 Sachsen/Saxony 17f., 65*, 66, 85, 103*, 115f., 129*, 136*, 257–260, 264–268, 270, 274–278, 280f., 283, 356 Sagan 24, 37 Saleph (Fluss) 136 Schlesien/Silesia 63, 67f., 72*, 92, 93*, 358* Schulpforta 65, 136*, 166 Schweinfurt 47 Schweiz/Switzerland 357–360 Sizilien 224 Speyer 31 Staffelstein 27 Stettin 286 Stolberg 132* Straßburg 129, 166, 206, 207*, 212, 214 Syrien 134 Theben 141, 175

379

Indices Tiber (Fluss) 48, 52 Troja 8, 15*, 109–120, 135*, 136 Tübingen 15, 20f., 30, 34, 125–127, 129*, 134 Ulm 125 United Kingdom 357, 359 USA 10 Venedig/Venice 126, 128, 313, 317, 319– 322, 330f., 353, 359f. Wien/Vienna 130*, 359

Wittenberg 8, 15, 17–19, 21–25, 26*, 27f., 30f., 33*, 34f., 37, 39, 67*, 69*, 70f., 72*, 81, 82*, 85, 87*, 91*, 92*, 93*, 95*, 102*, 103*, 104*, 125, 136f., 166*, 353–357, 358*, 361 Wolfenbüttel 28, 254, 356* Worms 31, 72*, 82* Würzburg 47 Zakynthos 359 Zamość 355, 359f. Zypern 140 Zwickau 18, 23*, 159*, 349*

INDEX RERUM MEMORABILIUM Abendland 126, 135 Acta Eruditorum 167f., 171, 173* aemulatio 361 Agon logon (ἀγὼν λόγων) 340 Akademien Accademia degli Apatisti 328, 331* Accademia dell’Arcadia 328 Aldus’ Neue Akademie 320 Berliner Akademie der Wissenschaften 234, 298* Aktien (ἀκτία) 294, 296*, 302 Akzent 49*, 75, 151*, 172*, 255*, 269, 270*, 325* Albertiner 18, 65*, 267 Alindethra (Zeitschrift) 9 Allegorisierung 140f. Altert(h)umswissenschaft 222, 236, 338 Anakreonteen 138, 140, 152, 160*, 164*, 165*, 204*, 211, 214, 281 Anakreontik 164, 204, 211–213 Ankermotiv 262 Anthologia Graeca/Greek Anthology 26, 131*, 203, 206, 271, 314, 316, 318, 321, 328, 338 Antikenfilm 15* Archäologie 223*, 224*, 234 artes liberales 72, 80–82, 88, 90, 92*, 98 Aspiration 49*, 75, 151*, 231, 255* ἕρδω statt ἔρδω 89f., 161, 188 ἐσμός statt ἑσμός 112*, 113* ἕσπετε statt ἔσπετε 231*, 240 Astrologie/Astronomie 26, 29 AT Dan 129

Sir 37 Ps siehe Paraphrase Weish 37 Attische Prosa 49, 52 Aufklärung/Enlightenment 164, 311, 333 Barbaren, Barbarismus 114f., 133, 130 Batrachomyomachie 131 Befreiung Griechenlands 133f., 267, 279, 319 Begeisterung für das Griechische 10, 20, 127, 130f., 207 Behaghelsches Gesetz 247 Bibliothek/library 19, 64, 168, 207, 254, 331, 333, 356f. Bienen, Bienen-Gleichnis 112, 114 Bilingue Ausgabe (Griechisch-Latein) 110, 125, 337 Biographie (griechisch) 129 Bonner Philologenstreit 290 Bote 263, 265 Briefwechsel (griechisch) 7, 30, 34, 37, 47– 49, 52, 63–108, 129f., 133, 269f., 290 Britische Tradition/British tradition 352, 360 Browne Medal siehe Wettbewerb Bukolik/pastoral 151, 153*, 316 Byzantinische Literatur 38*, 128, 152*, 160*, 164*, 232*, 314, 318, 320 Calvinismus 93*, 102*, 133*, 323 Kryptocalvinismus 26 Carmina Anacreontea (CA) 137–141, 149– 201, 203–218, 280 Cento 323f., 333

380 Certamen Hoeufftianum siehe Wettbewerb Chinesen 154*, 156, 172*, 177, 178* Chrestomatie 21, 39 Christianisierung 141 Christliche Dichtung/Christian poetry 316, 324f., 330, 364 Collegio Greco 330 Confessio Augustana 36 Corpus Hermeticum 127 Deutsches Archäologisches Institut 9, 221, 225, 234, 236f. Deutsch-Französischer Krieg (1870/71) 291, 296 Dichterweihe 211 Dichterwettbewerb 30 Digamma 73f. Doktorpromotion 77* Dorisch/Doric dialect 151–153, 160, 165*, 178, 296*, 316, 325 Drama 48, 132, 167, 263, 287, 341 Dramolett 262, 274f. Konversationsdrama 298 Lesedrama 134, 298 Dual 140, 154, 327 Ehelehre 29, 118–120 Ekloge 33f., 329* Ekphrasis 316, 326, 336 Elegie 25, 36, 85*, 138, 272–275, 277f. Enklitika Akzent bei vorangehendem Paroxytonon 75 Enklitische Personalpronomina nach Präposition 75 Zusammenschreibung 49, 76 Epicedium 22–24, 28, 355*, 356 Epigramm 9, 17*, 19*, 20*, 31*, 34, 37, 54*, 78*, 129, 131, 137f., 139*, 153, 203, 206, 266–268, 281, 302, 314–319, 331, 336–338, 353 Buchepigramm 323, 330 Grabepigramm 117–120, 234 Weihepigramm 235 Widmungsepigramm 150f., 170, 173, 175* Epiphanie 281 Epirrhematischer Agon 295 Epitaphium 23f., 27, 29, 152* Epithalamium 8, 29f., 33f., 36, 126*, 138, 141, 164f., 354, 364

Indices Epos, Epik 7, 47, 55, 75, 117, 132, 134f., 137, 149, 228*, 244, 246, 259, 337f., 340, 342* Epyllion 116f., 129, 339 Eros (philosophisch) 16, 90* Exempelerzählung 49 Exil 137 Fehler 49*, 52, 53*, 71, 77f., 87, 208, 213f., 291*, 300*, 302 Akzent 172*, 209 Modus 94f., 195 Prosodie 155, 172*, 245 Spiritus 49* Französische Revolution 207, 278 Frauenemanzipation 296, 297* Freundschaft 21, 32*, 68*, 70, 73, 78, 81, 90, 91*, 92f., 95f., 98, 100, 131, 164, 205, 212, 223, 230*, 246 Freundschaftsgedicht 225 Freundschaftskult 205*, 213 Freundschaftstempel 205, 213 Friedrichs-Werdersches Gymnasium 286f. Füllwörter 245, 336 Fürstenschulen 65* Grimma 65 Merseburg (geplant) 65* Schulpforta 65*, 136*, 166 St. Afra 102*, 103* Fußball/football 340 Gaisford Prize siehe Wettbewerb Gasbeleuchtung 265 Gattungskreuzung 55, 178 Gebet 16, 24f. Geburtstagsgedicht 137, 257, 259f., 262, 265, 283, 289* Gedichtvortrag 141, 168* Gegenreformation/Counter-reformation 311, 322, 326 Gelegenheitsdichtung/poésie d’occasion/occasional poetry 7, 33*, 129, 167, 214, 270f., 276, 289, 291, 311, 319, 322, 326, 331, 336–338, 349, 350*, 356*, 357, 364 Gelehrtensatire 285, 305 Germanograecia (Werk von Crusius) 37, 126 Geselligkeitsideal 205* Gesprächsbüchlein 7, 26* Ginnasio 335

Indices Gleichnis 8, 112–115 Grammatik (Besonderheiten) ἐάν + Ind. 154*, 208f. ἐάν + Opt. 154*, 190 ὅταν + Ind. 94, 96* Konj. statt Opt. 94f. Kurzvokalischer Konjunktiv 80* Reflexives statt nicht-reflexiven Personalpronomens 80* Gratulationsgedicht 164*, 165 Greek versification 312f., 321f., 324, 326, 328f., 336, 338 Greif 225, 235 Griechische Gesellschaft Berlin/Graeca 226 Griechische Partikel/Greek particles 336 Griechischprofessor/Professor of Greek 17– 19, 21, 32, 35, 47, 66, 125, 328, 335– 342, 354, 357* Gründerzeit 294, 296 Habilitation 222 Hapax legomenon 302 Hebräisch 24, 55, 69, 85*, 126f., 322f. Held 48–50, 113*, 225 Hexenverfolgung 28 Hiat 73f., 245 Historiographie (griechisch) 129 Homerus alter/Biblicus 134 Humanistisches Gymnasium 285–287 Humboldtsche Bildungsreform 286, 335 Hymnus 35, 114, 291 Hyperboreer 221–251 Hypothesis 292, 300f. Ildefonso-Gruppe 225* imitatio 298, 316, 361 Improvisation (Verse) 71, 226 Inkorporation Griechenlands ins Hl. Röm. Reich 133 Interpunktion Doppelpunkt statt Hochpunkt 76 Iota subscriptum 255* bei Krasis mit καί 75 Itazismus 95 Japaner 156, 177, 183 Jesuiten 176, 322, 323*, 335, 357 Ratio studiorum 322 Julirevolution 265, 279 Jurisprudenz, Jurist 19, 22, 26*, 31 Kaffee 149, 156, 158, 160, 187

381 Katechismus 33, 37* Heidelberger Katechismus 93* Kleiner Katechismus 38, 69 Katholische Kirche, Katholizismus 292, 296, 297* Klassische Philologie 222, 285, 290, 292, 300, 303* Kolometrie/colometry 362 Kommentar 34, 141, 232*, 285, 289f., 301* Kommunismus 292, 294, 296f. Komödie Alte Komödie 296*, 297 Neue Komödie 295 Konfession 18, 93*, 134, 323, 357 Kontinuität des Griechischen 8, 127, 337, 352, 359, 364 Kreuzritter, Kreuzzug 135, 320 Kreuzschule (Dresden) 253*, 254 Kryptocalvinismus siehe Calvinismus „Kulturkampf“ 296 Kunst, Malerei 225f., 235, 313, 326 Kuss 208, 211f. Latein 18f., 22, 25–27, 29, 34, 48, 66*, 91*, 288*, 296, 311, 313–315, 317, 319, 322f., 326–328, 333, 335f., 338, 350, 357 Lehrbuch 64, 69, 91*, 92* Lehrdichtung 164 Liceo classico 335 Liebesmetaphorik 90* Lizenzen (poetische) ζ bewirkt keine Positionslänge 155 ξ bewirkt keine Positionslänge 74 στ bewirkt keine Positionslänge 74 Metrische Dehnung 75, 174* Zerdehnung 75 Lykanthropie 233 Lyrik 55, 138, 141, 165*, 168, 203f., 209f., 212, 214, 337, 340, 349f., 363 Magisterpromotion 23, 25, 36, 69, 77*, 81*, 85*, 97*, 101*, 103* Makkaronisches Griechisch/macaronic Greek 342 Materialismus 292, 294 Medizin 22, 26, 28, 32, 77*, 81*, 93*, 154, 160, 162, 172*, 177, 233* Meta-Rezeption 203, 214 Metrik (siehe auch Versmaße) Hermannsche Brücke 244 Muta cum liquida 74f., 155

382 Misogynie 110 Moralisierung 110, 119f. Morphologie Aoristus mixtus 244 Motto (griechisch) 222*, 261, 268, 275 Mythos, Mythologie 8, 109–123, 140, 163, 174, 177, 224f., 327, 339 Christianisierung 141 Rationalisierung 119 Symbolische Deutung 224 Name (gräzisiert) 20, 92*, 234, 301f. Neologismus 72, 154, 341 Neugriechisch 128, 133, 150* Neuhumanismus 7f., 165*, 299 Neujahrsgedicht 25, 261, 269, 271, 273 Nordländer 225, 229* NT Mk 84, 85*, 86 Mt 84, 86 Lk 84, 86f., 281 Jo 326 Obszönität 288, 299, 302, 304f.

„Ode Pindarick“ 363

Olympische Spiele/Olympic games 10, 349 Orient 130*, 135, 158 Orphische Hymnen 140, 325 Orthographie Binnensigma statt Endsigma 19 Diphthonge 75, 151*, 173* Groß-/Kleinschreibung 49*, 75 Krasis 49*, 75 Majuskel ohne Zeichen 49*, 151*, 173*, 208* osculum amicitiae 212* Osmanisches Reich 130, 133, 266f., 279 Ostkirche, Orthodoxie 30, 333 Union mit Protestanten 8, 125 Palaestina (Epos von Rhodoman) 132, 134– 137 Panegyrikus 125, 360 Papst, Papsttum 114, 117, 296, 314, 326, 329 Papyri 332f. Parabase 289–291, 293, 295 Paraphrase 7, 37, 166, 325 Psalmparaphrase 8, 33, 48, 49*, 52–56, 326, 349, 353, 364 Paratext 7, 109, 116, 290 Paratragodie 296*

Indices parodia 26, 165*, 174 parodia christiana 168 parodia metrica 362 parodia sacra 26 Parodie 10, 178*, 300f. Patriarch von Konstantinopel 130, 133, 135 Patriotismus 48–50, 52, 291, 294, 299 Pentagramm 262 „Pfaffen“ (πάπποι), „Pfaffenhatz“ 293, 296 Philhellenismus 109, 116, 333 Philippist 30, 93* Physik 22, 35, 77*, 81*, 85* Pindarische Ode 10, 36, 138, 153*, 168, 321, 325, 329, 333f., 349–368 Monostrophisch 349*, 363 Triadisch 362f. Pléiade 204 poeta laureatus 103*, 132, 354 Poetologie 116f., 211 Polyglotte 69* Porson Prize siehe Wettbewerb Praktische Funktion des Griechischen 130 Privatunterricht, Privatlehrer 47, 104*, 132, 166 Proöm 116f., 156, 176, 301f. Prosodie 56, 73, 131*, 155, 172*, 246, 314, 329, 337 „Autoritätenprosodie“ 73 „Regelprosodie“ 73 Protestanten, Protestantismus 8, 28, 33, 55, 129, 132, 134, 286, 291*, 357, 359, 361 Psalmparaphrase siehe Paraphrase Quattrocento 312, 315 Querelle des Anciens et des Modernes 160 Rätsel 27 Rede (griechisch) 7, 26*, 37, 129, 225 Reformation 17, 36, 63, 67*, 112–114, 117, 267, 322 Restauration 9, 279 Rezeption 9, 16f., 178, 214, 285, 288, 298, 305 Rezitation 138 Rheinbund 278 Rhetorik 24f., 34, 85*, 319, 330, 335 Römer 50–52, 78, 111, 177 Römische Kurie/Roman Curia 324, 329 Romantik 224* Rose 160*, 205, 327 Russisch-Türkischer Krieg/Russo-Turkish war 333

Indices Sachphilologie 288f., 303 Satire 285, 297–301, 304f., 313, 341 Schlaf 156–158, 160, 161*, 164, 181, 183, 191, 210, 281, 290*, 293 Schmalkaldischer Krieg 65*, 129* schola domestica 30, 31* Scholien 290, 300–302, 360 Schülergespräche siehe Gesprächsbüchlein Schulordnung 67 Schulprogramm 287–289 Seeschlacht von Lepanto 133, 321, 359 Septuaginta 47, 52, 53*, 324 Settecento 332 Siebenjähriger Krieg (1756–1763) 206, 278 Skythen 229, 239 Sozialismus 296, 297* Spiel, Spielerei 27, 51, 158, 170*, 175, 214, 232, 234*, 246, 262, 268, 282, 290*, 304 Staatsschiff 266 Stammbuch 27, 130 Stasis 265 Stilmittel Anapher 110, 154 Chiasmus 246, 248, 273 Enjambement 248, 350* geminatio 246 Polyptoton 51, 247f. Reim 131, 140, 154*, 290 Wortwiederholung 140 Stipendium 65–68, 84, 254 Sultan 134, 333 Tabak 149 Tattoos (griechisch) 15 Taube 158, 209f., 213 Textkritik 293, 301, 304 Athetese 302 Konjektur 289, 302 Textphilologie 303 Theologie 21f., 24, 26, 30, 56, 63f., 85*, 103, 104*, 120, 127, 130, 132f., 136*, 137, 166, 286, 290f., 302*, 354 Titulus crucis 127 Tragödie/tragedy 15, 287, 296*, 301, 362 Trauergedicht 23, 64, 138, 165 Transformation 150, 165*, 178, 285 translatio 39, 116, 126, 312, 322 Traum 20, 211, 213, 243, 293f., 298 Trojanisches Pferd 8, 112–116, 121 „Türkenfrage“, „-gefahr“, „-kriege“ 111, 117, 134, 159, 255, 320

383 Übersetzung 7, 18, 33*, 35 a) ins Griechische 9f., 36, 38, 69, 269, 289, 301* b) ins Deutsche 48*, 113*, 137*, 208, 260, 274f., 278, 287, 290, 299, 300*, 301* c) ins Hebräische 69 d) ins Lateinische 17*, 30, 33*, 35, 69, 125, 129*, 134–136, 154* Ultramontanismus 291*, 294, 296f. Unterricht 16–18, 20, 32, 35, 37, 47, 64, 66, 68–70, 101*, 125f., 132, 166, 168, 222*, 269, 287, 292 Versifizierung 29, 36, 52f., 129 Versmaße Adoneus 151–153, 163*, 164 Alkäische Strophe/Alcaic stanza 325 Anaklastischer ionischer Dimeter 140, 151f., 164, 168*, 174*, 214* Elegisches Distichon 16, 23, 25, 29, 36*, 37, 48, 53, 69, 131, 150, 165*, 175, 265, 319, 329, 338, 350 Glykoneen/glyconeans 325 Hemiambus 151–153, 164*, 165*, 168*, 174, 213*, 214* Hexameter 16, 48, 52f., 69, 75, 110, 113*, 125, 129, 135, 173*, 176, 226, 269, 313, 320, 325, 350 Iambischer Dimeter 140, 208, 289* Iambischer Trimeter 262, 325 Sapphische Strophe/Sapphic stanza 8, 47f., 53–55, 152, 168, 178, 289*, 313–315, 320, 325, 333*, 350 Verteidigung des Griechischen 127 „Villa di Malta“ 224 vir trilinguis 18 Visitation 66, 67*, 102* Volkssprache/vernacular 204, 360*, 363 Vorlesung 19, 21, 24, 27, 30–32, 33*, 34, 97*, 127f., 131f., 207, 286 Vormärz 287, 288* „Die Wacht am Rhein“ (Lied) 293 Wein 100, 111, 156, 158–160, 175f., 189, 193–195, 203, 210f. Weltkrieg Erster Weltkrieg/W.W. I 339 Zweiter Weltkrieg/W.W. II 9, 339 Weltsprache 299 Wettbewerb 30 Sir William Browne Medal 10, 357

384 Certamen Hoeufftianum 336 Gaisford Prize 10, 357* Porson Prize 357* Widmungsbrief 17, 36, 49 Widmungsgedicht 35, 64, 155, 157, 171, 175, 177, 206, 213f., 353*, 360 Wittenberger Dichterkreis Älterer W. D. 22, 33* Jüngerer W. D. 22, 23*, 26* Wolf 233, 243

Indices Wortspiel 27, 51*, 158, 232, 290*, 304* Zahlensymbolik 262, 265f. Zeitung 253, 260, 267, 275, 278, 291 Abend-Zeitung (Diarium Vespertinum) 255–259, 267f., 277 Vossische Zeitung 291 Zeitung für die elegante Welt (Diarium elegantium hominum) 255, 260, 266f.

Indices

INDEX GRAECUS Ἀγήνωρ (= August Hagen) 242, 247 Ἀζανιεῖς statt Ἀζᾶνες 240, 245 αἰέ (= αἰέν) 82 ἀκτία („Aktien“ bei Richter) 296* Ἄλβις (Fluss Elbe) 79, 263 Ἀλεκτρυών („Franzose“ bei Herrichen) 150*, 158, 176, 186 ἀμφιλύκη 231, 240, 248 ἀντιπελαργεῖν 129 ἀριθμοφροντιστήριον („Zähldenkerbude“ bei Richter) 301 Ἄρνος (Fluss Arno) 321 ἀρτοπώλιδες (Brotverkäuferinnen; Wortspiel/Anspielung bei Richter) 303 ἀρχίπαππος („Erzpfaffe“/Papst bei Richter) 296 Ἀστροναυτιλία (Titel eines parodistischen Sci-Fi-Epos von Křesadlo/Pinkava) 7, 342 ἀστυφέλικτος 258, 265, 275f. Ἀτρέκεια (Allegorie der Wahrheit) 26 αὐτοβοῦς („Autobus“, Neologismus bei Rissa/Lapini) 341 βαθύπνοος (Neologismus bei Gerhard) 240, 247 Βάφφω bzw. Πασχάλης ὁ Βάφφω (= Pasquale Baffi) 334* Βιοπορικόν (Titel eines autobiographischen Gedichtes von Rhodoman) 112 Βιοχρησμῳδία (Titel einer pindarischen Ode von Robortello) 321, 350, 363 Βοιτίγερος (= Karl August Böttiger) 269 Γελάσανδρος (= Karl Lachmann) 301 Γηράνθης (= Eduard Gerhard) 234f., 242 Γλείμιος (= Johann Wilhelm Ludwig Gleim) 208 Γολδπυργικός, Γολδπυργιεύς (= Goldberg [Adj. und Einwohner]) 72, 87, 91, 97 Γρίμμη (= Grimma) 72*, 91 γρυφόμαιμος (Neologismus bei Gerhard) 238, 245, 247 Δακηρία (= Anne Dacier) 292f., 303f. διδυμόκτιστος (Neologismus bei Gerhard) 240, 245 Διὸς ὁ κῶρος (= Dioskurides) 163, 188, 190 εἶδος (~ Pindarische Ode) 363 Εἰλφέλδη (= Ilfeld) 114 Ἐλεγεῖα (Titel der gesammelten Gedichte von Wilamowitz) 9, 165 Ἑλένη Δενδρῖτις 119 Ἐλλοριεύς (= Herzberger) 72, 77, 78* Ἔλυστρος, Ελύστρειος (Fluss Elster) 79, 91, 180 ἐποικιστήρ (Neubildung bei Gerhard) 240, 247 Ἑρκυνίη (= Harz) 114* ἕσπετε statt ἔσπετε 231*, 240 εὔπαις 259, 261, 268 ἔφολκος („Schleppkahn“ bei Böttiger) 264, 275 ζείδωρος („lebenspendend“ bei Gerhard) 242, 247 ζυθός statt ζῦθος („Bier“ bei Clajus) 99 Θέα („Tee“ bei Francius und Herrichen) 154*, 158, 175, 186, 193f.

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Indices

Θῆ („Tee“ bei Herrichen) 154, 156, 175, 182 Θῖα („Tee“ bei Herrichen) 156, 176, 182 Θύρσις (= Friedrich Thiersch) 242, 246 Ἰάπων („Japaner“ bei Herrichen) 153*, 182 Ἶπες (Titel einer Komödie von Richter) 9, 11, 292, 295*, 298, 302 ἰσοετής 72, 79, 97 Ἰσόντιος (Fluss Isonzo) 339 ἱστορία (historische Einzelerzählung) 49 κάρδαμα 302f. Καρδαμοῦχος (Figur bei Richter, vielleicht Immanuel Bekker) 292, 302f. Καρο-Πισο-Βοντεκοῖος (= François Caron, Willem Piso, Cornelis Bontekoe; Kunstwort bei Herrichen) 158, 171, 186 Καρπίνεος (= Gaspare Carpegna) 329f. καφέ („Kaffee“ bei Herrichen) 154, 158, 186 κεδνός (Beiwort der Chariten bei Reusner) 139f. Κέφαλος (Figur bei Richter, ~ Moriz Haupt) 292f., 297, 302, 303*, 304 Κλάϊος (= Johannes Clajus d. Ä.) 72*, 77, 81, 83f., 86, 92, 95 κλεπτικόν („Diebsgesindel“/Kommunisten bei Richter) 296* κοινωνία/κοινοβιωτική („Kommunismus“ bei Richter) 296* Κόκκυγες (Titel einer Komödie von Richter) 294, 295* κοσμοπολιτεία („Weltbürgertum“ bei Richter) 296* Κουρητιάδης (= Ludwig Schorn) 242, 247 Κριτής (Selbstbezeichnung Richters) 299* κτισταί („Gründer“ bei Richter) 296* κύκνος (Spiel mit Cygnaeus) 23* Κυνοκέφα(λ)λος (Spottname bei Aristophanes und Richter) 304f. κυψέλη (geflochtener „Korb“ bei Gerhard) 228*, 238, 246 Κυψελίδης, Κύψελος (= August Kestner) 240 κύων (i.S.v. membrum virile) 304 Λαδωγενής (Beiname der Aphrodite bei Reusner) 139f. Λειψιακός (= Leipzig [Adj.]) 72*, 83, 91 Λεοβέργα (= Löwenberg) 72*, 102 λευκόρεος (Epitheton der Wittenberger Musen) 24 Λευκορίη/Λεύκορις/Λευκορίς („Leucorea“ bei Clajus) 72*, 86f., 94, 95*, 102 λύκαινα (Beiname der Aphrodite bei Reusner) 139f. Λυκηγενής (Beiwort des Apoll bei Gerhard) 242, 248 Μεισνίς (Meißen und Umland bei Clajus) 72*, 91 μελύδριον (anakreontisches Lied bei Herrichen) 151, 167* Μοσχικοί 335 μουσόω 21 Μώλδη (Fluss Mulde) 72*, 79 Νεακαδημία (Akademie von Aldus Manutius in Venedig) 320 νίφαργος 72, 92 ξιφηφόρος (i.S.v. „Herzog“ bei Clajus) 74, 83 ὀνομαστὶ κωμῳδεῖν 297

Indices

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ὀνοσφαγία („Eselsopfer“ bei Kallimachos und Gerhard) 227*, 238, 244 ὀπισθοπωμερανός („Hinterpommeraner“ bei Richter) 286 Ὀρνιθοφθάμλιον (fiktiver Codex bei Richter) 290 Οὐορματία (= Worms) 72*, 78 οὐρανίωνες 54f., 238, 328 ὀψιμαθής (Epitheton der Deutschen bei Melanchthon) 39 πανεπίπλεος (Neologismus bei Gerhard) 238, 245 Πανοπαῖος/Πανοπεύς (= Theodor Panofka) 240, 246 παντοκράτωρ (Epitheton zu „Gott“ bei Clajus) 71, 76 παππικοκλεπτοπολῖται („Pfaffenklaubürger“/„Ultramontanokommunisten“ bei Richter) 296* πάππος („Pfaffe“ bei Richter) 290, 291*, 296 παρασπέρχω (Neologismus bei Gerhard) 238, 245 πεντάς („Fünfzahl“ bei Böttiger) 260f. πέρφερες (hyperboreische Gesandte bei Herodot und Gerhard) 230, 240 πήγανον (sächsische „Raute“ bei Böttiger) 255f., 260, 264, 274 Πιθοποιός (scherzhafte Selbstbezeichnung Böttigers) 269 Πίστις (allegorische Fides) 26 πολύπλανος (Konjektur für πολύτροπος in Hom. Od. 1,1) 302 προπεμπτικόν (sc. ᾆσμα/ἔπος) 93f. προσέληνος (Beiwort der arkadischen Völker bei Gerhard) 229, 240 προφέσσωρες (Neologismus bei Rissa/Lapini) 341 προφυλακτικόν („Präservativ“ bei Rissa/Lapini) 341 προχορευτής (Neologismus bei Gerhard) 240, 246 πρωτάγγελος 255, 261, 273–275 Ῥαβδωρεύς (= Otto Magnus von Stackelberg) 232, 240, 246 ῥᾴδιον („Radio“ bei Rissa/Lapini) 341 Ῥεισκία (= Ernestine Reiske) 292f., 303f. Ῥητήρ (= Johannes Sager) 72*, 91, 92* ῥόβοτος („Roboter“ bei Křesadlo) 341* ῥοφέω (Neuprägung für „Tee trinken“ bei Herrichen) 153*, 154, 157, 160, 163f., 175f., 186, 188, 190 σαῖ-φαῖ („Sci-Fi“ bei Křesadlo) 341 Σασσονία/Σασσονικός („Sachsen“/„sächsisch“ bei Böttiger) 257–260, 263, 280, 282 Σβεκο-Βριττο-Βελγο-Τεύτων (Kunstwort bei Herrichen) 151*, 155*, 158, 176, 186 Σειλεσίη, Σειλέσιος („Schlesien“/„Schlesier“ bei Clajus) 72*, 91, 94 σεμνός (Beiwort der Chariten bei Reusner) 139f. στερεός (i.S.v. „Stereo“ bei Rissa/Lapini) 341 στιχίζω (i.S.v. „dichten“ bei Clajus) 72, 101 συντελίη (Neologismus bei Clajus) 72, 79, 81* συνεπασπίζω (Neologismus bei Gerhard) 240, 246 σχεδίασμα, σχεδιάζειν („Stegreifdichtung“ bei Clajus) 71, 79, 81, 88, 97, 101 σχοινίον (membrum virile bei Aristophanes u. Richter) 304* σφάλμα („Fehler“ in der Dichtung bei Clajus) 71, 76f. τετρακτύς („Vierheit“ bei Böttiger) 258, 261, 273f. Τευτονιστί („auf Deutsch“ bei Böttiger) 269 Τζία („Tee“ bei Herrichen) 156, 182 Τηλέγονος (Selbstbezeichnung Richters) 286* τηλόν statt τηλοῦ 238, 245

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Indices

τήνελλα καλλίνικε 298 Τοῦρκος (Türke) 158, 159*, 186, 255, 335 ὑπερασπιστής (Gott als Helfer bei Clajus) 71, 82, 99 ὑπερορεινόν („Ultramontanismus“) 296* Ὑπνοχιτώνιον (fiktiver Codex bei Richter) 290 Φαντοζζιάς (Titel eines parodistischen Epos von Rissa/Lapini) 341 φεῖσρος („Phaser“/Strahlenwaffe bei Křesadlo) 341* φιλέλλην 21, 270 φιλέω/φίλημα (i.S.v. „küssen“/„Kuss“) 208, 211, 212* φιλοδιδάσκαλος 24 φιλόμουσος 92* Φιλομώμιχος (Selbstbezeichnung von Wilamowitz) 9 φοιβοσεβής (Neologismus bei Gerhard) 238, 245 χαιρέκακος (Beiwort zu Σατανᾶς bei Clajus) 72, 99 Χελιδόνες (Titel einer Komödie von Richter) 294, 295*, 296* χρῆσις 290 ψαμμοκοσιομυριογάργαρα (Neologismus bei Böttiger) 269 ὠδάριον (anakreontische Ode bei Francius und Herrichen) 164, 171, 173*, 174, 177, 193

VERZEICHNIS DER BEITRÄGER Thomas Gärtner, Jahrgang 1969, ist seit 2008 außerplanmäßiger Professor für Klassische und Mittellateinische Philologie an der Universität Köln. Michael Hillgruber, Jahrgang 1961, ist seit 1995 Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Martin Holtermann, Jahrgang 1969, ist seit 2000 Lehrer für Latein, Griechisch, Philosophie und Ethik am Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim, seit 2010 Lehrbeauftragter am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) in Heidelberg. Regina Höschele, Jahrgang 1981, ist Associate Professor of Classics an der University of Toronto, wo sie seit 2007 lehrt. Niklas Holzberg, Jahrgang 1946, war von 1983 bis 2011 Professor für Klassische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, seit 2012 lehrt er an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Walther Ludwig, Jahrgang 1929, war seit 1964 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994 Professor für Klassische Philologie an den Universitäten Frankfurt am Main, Columbia University New York und Hamburg. 2016 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Wien. Paul A. Neuendorf, Jahrgang 1987, ist seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Griechische und Lateinische Philologie der Freien Universität Berlin. Janika Päll, Jahrgang 1965, ist seit 1994 an der Universität und Universitätsbibliothek Tartu (Estland) als Dozentin und Forscherin tätig. Filippomaria Pontani, Jahrgang 1976, ist seit 2006 Professore Associato für Klassische Philologie an der Universität Venedig (Università Ca’ Foscari di Venezia). Stefan Rhein, Jahrgang 1958, war von 1988 bis 1997 Kustos am Melanchthonhaus in Bretten, seit 1998 ist er Vorstand und Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Stefan Weise, Jahrgang 1983, ist seit 2015 Juniorprofessor für Klassische Philologie/Griechisch an der Bergischen Universität Wuppertal. Peter Witzmann, Jahrgang 1936, war von 1959 bis 1994 Fachlehrer für Latein und Griechisch an der Kreuzschule Dresden, 1994 bis 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Klassische Philologie an der TU Dresden.

pa l i ng e n e s i a Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft

Begründet von Rudolf Stark, herausgegeben von Christoph Schubert.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0552–9638

55. Michaela Kostial Kriegerisches Rom? Zur Frage von Unvermeidbarkeit und Normalität militärischer Konflikte in der römischen Politik 1995. 192 S., kt. ISBN 978-3-515-06775-1 56. Friedhelm L. Müller Eutropii Breviarium ab urbe condita / Eutropius, Kurze Geschichte Roms seit Gründung (753 v. Chr. – 364 n. Chr.) Einleitung, Text und Übersetzung, Anmerkungen, Index nominum 1995. IX, 336 S., kt. ISBN 978-3-515-06828-4 57. Rigobert W. Fortuin Der Sport im augusteischen Rom 1996. VIII, 440 S., kt. ISBN 978-3-515-06850-5 58. Theokritos Kouremenos Aristotle on Mathematical Infinity 1995. 131 S., kt. ISBN 978-3-515-06851-2 59. Bruno Vancamp Platon Hippias Maior – Hippias Minor 1996. 131 S., kt. ISBN 978-3-515-06877-2 60. Karsten Thiel Aietes der Krieger – Jason der Sieger Zum Heldenbild im hellenistischen Epos 1996. XI, 100 S., kt. ISBN 978-3-515-06955-7 61. Paul Dräger Untersuchungen zu den Frauenkatalogen Hesiods 1997. VII, 171 S., kt. ISBN 978-3-515-07028-7 62. Karin Luck-Huyse Der Traum vom Fliegen in der Antike 1997. VIII, 264 S., kt. ISBN 978-3-515-06965-6

63. Friedhelm L. Müller Das Problem der Urkunden bei Thukydides Die Frage der Überlieferungsabsicht durch den Autor 1997. 213 S., kt. ISBN 978-3-515-07087-4 64. Anika Strobach Plutarch und die Sprachen Ein Beitrag zur Fremdsprachenproblematik in der Antike 1997. VIII, 258 S., kt. ISBN 978-3-515-07007-2 65. Farouk Grewing (Hg.) Toto notus in orbe Perspektiven der Martial-Interpretation 1998. 366 S., kt. ISBN 978-3-515-07381-3 66. Friedhelm L. Müller Die beiden Satiren des Kaisers Julianus Apostata (Symposion oder Caesares und Misopogon oder Antiochikos) Griechisch und deutsch. Mit Einleitung, Anmerkungen und Index 1998. 248 S., kt. ISBN 978-3-515-07394-3 67. Reinhard Markner / Giuseppe Veltri (Hg.) Friedrich August Wolf Studien, Dokumente, Bibliographie 1999. 144 S., kt. ISBN 978-3-515-07637-1 68. Peter Steinmetz Kleine Schriften Aus Anlaß seines 75. Geburtstages herausgegeben von Severin Koster 2000. X, 506 S., geb. ISBN 978-3-515-07629-6 69. Karin Sion-Jenkis Von der Republik zum Prinzipat Ursachen für den Verfassungswechsel in Rom im historischen Denken der Antike 2000. 250 S., kt. ISBN 978-3-515-07666-1 70. Georgios Tsomis Zusammenschau der früh­

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griechischen monodischen Melik (Alkaios, Sappho, Anakreon) 2001. 306 S., geb. ISBN 978-3-515-07668-5 Alessandro Cristofori / Carla Salvaterra / Ulrich Schmitzer (Hg.) La rete di Arachne – Arachnes Netz Beiträge zu Antike, EDV und Internet im Rahmen des Projekts „Telemachos“ 2000. 281 S., geb. ISBN 978-3-515-07821-4 Hans Bernsdorff Hirten in der nicht­bukolischen Dichtung des Hellenismus 2001. 222 S., geb. ISBN 978-3-515-07822-1 Sibylle Ihm Ps.­Maximus Confessor Erste kritische Edition einer Redaktion des sacro-profanen Florilegiums Loci communes, nebst einer vollständigen Kollation einer zweiten Redaktion und weiterem Material 2001. 12*, CVIII, 1153 S., geb. ISBN 978-3-515-07758-3 Roderich Kirchner Sentenzen im Werk des Tacitus 2001. 206 S. mit 4 Tab., geb. ISBN 978-3-515-07802-3 Medard Haffner Das Florilegium des Orion Mit einer Einleitung herausgegeben, übersetzt und kommentiert 2001. VII, 267 S., geb. ISBN 978-3-515-07949-5 Theokritos Kouremenos The proportions in Aristotle’s Phys. 7.5 2002. 132 S., geb. ISBN 978-3-515-08178-8 Christian Schöffel Martial, Buch 8 Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar 2002. 723 S., geb. ISBN 978-3-515-08213-6 Argyri G. Karanasiou Die Rezeption der lyrischen Partien der attischen Tragödie in der griechischen Literatur Von der ausgehenden klassischen Periode bis zur Spätantike 2002. 354 S., geb. ISBN 978-3-515-08227-3 Wolfgang Christian Schneider Die elegischen Verse von Maximian

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Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Mit den Gedichten der Appendix Maximiana und der0 Imitatio Maximiani. Interpretation, Text und Übersetzung 2003. 255 S., geb. ISBN 978-3-515-07926-6 Marietta Horster / Christiane Reitz (Hg.) Antike Fachschriftsteller Literarischer Diskurs und sozialer Kontext 2003. 208 S., geb. ISBN 978-3-515-08243-3 Konstantin Boshnakov Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika Strabos Quellenkritische Untersuchungen 2003. XIV, 399 S., geb. ISBN 978-3-515-07914-3 Konstantin Boshnakov Pseudo­Skymnos (Semos von Delos?) Ta; ajristera; tou` Povntou Zeugnisse griechischer Schriftsteller über den westlichen Pontosraum 2004. X, 268 S., geb. ISBN 978-3-515-08393-5 Mirena Slavova Phonology of the Greek inscriptions in Bulgaria 2004. 149 S., geb. ISBN 978-3-515-08598-4 Annette Kledt Die Entführung Kores Studien zur athenisch-eleusinischen Demeterreligion 2004. 204 S., geb. ISBN 978-3-515-08615-8 Marietta Horster / Christiane Reitz (Hg.) Wissensvermittlung in dichterischer Gestalt 2005. 348 S., geb. ISBN 978-3-515-08698-1 Robert Gorman The Socratic Method in the Dialogues of Cicero 2005. 205 S., geb. ISBN 978-3-515-08749-0 Burkhard Scherer Mythos, Katalog und Prophezeiung Studien zu den Argonautika des Apollonios Rhodios 2006. VI, 232 S., geb. ISBN 978-3-515-08808-4 Mechthild Baar dolor und ingenium Untersuchungen zur römischen

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Liebeselegie 2006. 267 S., geb. ISBN 978-3-515-08813-8 Evanthia Tsitsibakou-Vasalos Ancient Poetic Etymology The Pelopids: Fathers and Sons 2007. 257 S., geb. ISBN 978-3-515-08939-5 Bernhard Koch Philosophie als Medizin für die Seele Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes 2007. 218 S., geb. ISBN 978-3-515-08951-7 Antonina Kalinina Der Horazkommentar des Pomponius Porphyrio Untersuchungen zu seiner Terminologie und Textgeschichte 2007. 154 S., geb. ISBN 978-3-515-09102-2 Efstratios Sarischoulis Schicksal, Götter und Handlungs­ freiheit in den Epen Homers 2008. 312 S., geb. ISBN 978-3-515-09168-8 Ugo Martorelli Redeat verum Studi sulla tecnica poetica dell’Alethia di Mario Claudio Vittorio 2008. 240 S., geb. ISBN 978-3-515-09197-8 Adam Drozdek In the beginning was the apeiron Infinity in Greek philosophy 2008. 176 S. mit 11 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09258-6 Eckart Schütrumpf Praxis und Lexis Ausgewählte Schriften zur Philosophie von Handeln und Reden in der klassischen Antike 2009. 368 S., geb. ISBN 978-3-515-09147-3 Theokritos Kouremenos Heavenly Stuff The constitution of the celestial objects and the theory of homocentric spheres in Aristotle’s cosmology 2010. 150 S., geb. ISBN 978-3-515-09733-8 Bruno Vancamp Untersuchungen zur hand­ schriftlichen Überlieferung

von Platons „Menon“ 2010. 115 S., geb. ISBN 978-3-515-09811-3 98. Marietta Horster / Christiane Reitz (Hg.) Condensing texts – condensed texts 2010. 776 S., geb. ISBN 978-3-515-09395-8 99. Severin Koster Ciceros Rosciana Amerina Im Prosarhythmus rekonstruiert 2011. 178 S., geb. ISBN 978-3-515-09868-7 100. Theokritos Kouremenos Aristotle’s de Caelo Γ Introduction, Translation and Commentary 2013. 121 S., geb. ISBN 978-3-515-10336-7 101. Hendrik Obsieger Plutarch: De E apud Delphos / Über das Epsilon am Apolltempel in Delphi Einführung, Ausgabe und Kommentar 2013. 417 S., geb. ISBN 978-3-515-10606-1 102. Theokritos Kouremenos The Unity of Mathematics in Plato’s Republic 2015. 141 S. mit 8 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11076-1 103. Stefan Freund / Meike Rühl / Christoph Schubert (Hg.) Von Zeitenwenden und Zeitenenden Reflexion und Konstruktion von Endzeiten und Epochenwenden im Spannungsfeld von Antike und Christentum 2015. 219 S., geb. ISBN 978-3-515-11174-4 104. Sonja Nadolny Die severischen Kaiserfrauen 2016. 257 S. mit 10 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11311-3 105. Michael Müller Tod und Auferstehung Jesu Christi bei Iuvencus (IV 570–812) Untersuchungen zu Dichtkunst, Theologie und Zweck der Evangeliorum Libri Quattuor 2016. 413 S., geb. ISBN 978-3-515-11340-3 106. Hedwig Schmalzgruber Studien zum Bibelepos des sogenannten Cyprianus Gallus Mit einem Kommentar zu gen. 1–362 2016. 601 S. mit 1 Abb. und 8 Tab., geb. ISBN 978-3-515-11596-4

Das Altgriechische hat wie das Lateinische seine Funktion als Literatursprache mit dem Ende der Antike nicht verloren, sondern wurde vor allem seit der Renaissance in Europa und darüber hinaus wieder als solche verwendet. Allerdings war diese Literatur, die heute oftmals unter dem Stichwort „Humanistengriechisch“ zusammengefasst wird, lange Zeit von der Forschung vernachlässigt. Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes gehen diesem Phänomen in Einzelstudien und Überblicken auf den Grund.

Dabei kommt eine ungewöhnliche Vielfalt an Formen und Kontexten dieser neuzeitlichen Literatur in altgriechischer Sprache zu Tage, die den Blick auf die europäische Literatur- und Kulturgeschichte zu erweitern hilft und auch die Rezeption der griechischen Literatur der Antike in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die Beiträge decken ein breites Spektrum ab, das von der Renaissance bis in die Gegenwart reicht. Auf diese Weise geben sie sowohl einen Ein- als auch Überblick und regen zu weiterer Forschung an.

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ISBN 978-3-515-11622-0

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7835 1 5 1 16220