Heinrich Heine Säkularausgabe. BAND 2 K3 Gedichte 1827-1844 und Versepen. Kommentar III: Deutschland. Ein Wintermährchen 9783050053011, 9783050027715

Der Kommentar wird eröffnet mit der Entstehungsgeschichte von "Deutschland. Ein Wintermährchen". Es wird zunäc

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German Pages 345 [348] Year 1998

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Heinrich Heine Säkularausgabe. BAND 2 K3 Gedichte 1827-1844 und Versepen. Kommentar III: Deutschland. Ein Wintermährchen
 9783050053011, 9783050027715

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HEINRICH HEINE SÄKULARAUSGABE Bandaufteilung:

ABTEILUNG I ι 2

Gedichte 1812-1827 Gedichte 1827—1844 und Versepen

3 4 5

Gedichte 1845-1856 Tragödien. Frühe Prosa Reisebilder I

6 7

Reisebilder II Über Frankreich

8

Uber Deutschland. Kunst und Philosophie Prosa Pariser Berichte Lutezia Späte Prosa

9 10 11 12

ABTEILUNG II 13 14

Poemes et legendes Tableaux de voyage I

15 16 17 18

Tableaux de voyage II Italie D e l'Allemagne I D e l'Allemagne II D e la France

19

Lutece

ABTEILUNG III 20—23 Briefe 24—27 Briefe an Heine

ABTEILUNG IV 28—29 Lebenszeugnisse 30

Gesamtregister

HEINES WERKE SÄKULARAUSGABE · BAND 2 KOMMENTAR III

HEINRICH

HEINE SÄKULARAUSGABE

WERKE · BRIEFWECHSEL LEBENSZEUGNISSE

Herausgegeben v o n der S t i f t u n g Weimarer Klassik und dem Centre N a t i o n a l de la Recherche Scientifique in Paris

HEINRICH

HEINE BAND 2

GEDICHTE 1827—1844

UND VERSEPEN KOMMENTAR Teilband III Deutschland. Ein Wintermährchen

Bearbeiter Hans Böhm

AKADEMIE VERLAG CNRS E D I T I O N S

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Die Ausgabe stützt sich auf die Bestände der BIBLIOTHEQUE NATIONALE · PARIS (Cabinet des Manuscrits), des HEINRICH-HEINE-INSTITUTS · DÜSSELDORF und der STIFTUNG WEIMARER KLASSIK (Goethe- und Schiller-Archiv)

Der Abschnitt „Vorworte und Vorreden" und das Paralipomenon zum „Atta Troll" wurden von Irmgard Möller und Hans Böhm bearbeitet

Redaktor dieses Bandes Renate Francke

Akademie Verlag HSA: ISBN 3-05-000450-9 Band 2K III: ISBN 3-05-002771-1 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1998 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe. Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

INHALT

KOMMENTAR ZU BAND 2 Deutschland. Ein W i n t e r m ä h r c h e n Z u diesem Teilband Abkürzungsverzeichnis

13 14

Deutschland. Ein W i n t e r m ä h r c h e n Entstehung Uberlieferung Mitteilungen z u m Text Erläuterungen Caput I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen z u m Erläuterungen Caput II Entstehung Uberlieferung Mitteilungen z u m Erläuterungen Caput III Entstehung Uberlieferung Mitteilungen z u m Erläuterungen Caput IV Entstehung Uberlieferung Mitteilungen z u m

Text

Text

Text

Text

17 55 64 64

64 65 67 70 73 73 74 76 78 79 80 84 88 89 90

Inhalt

6

Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

96 103

Caput V Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

103 104 104 105

Caput V I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

109 110 110 115

Caput V I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

117 117 119 127

Caput V I I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

129 129 130 130

Caput I X Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

132 132 132 133

Caput X Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

133 133 134 134

Caput X I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

136 136 136 138 143

Caput X I I Entstehung Uberlieferung

143 144

Inhalt Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X I I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X I V Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X V Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X V I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X V I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X V I I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X I X Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen Caput X X Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Erläuterungen

Text

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η 144 145 146 147 147 147 149 149 149 150 154 154 154 155 156 156 157 157 160 160 160 161 162 163 165 170 172 173 174 178 181 182 183 185

8

Inhalt Caput X X I Entstehung Überlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

185 186 187 190 196

Caput X X I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

196 197 198 201 204

Caput X X I I I Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

204 205 209 219 224

Caput X X I V Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

225 225 227 231 232

Caput X X V Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

233 233 235 241

Caput X X V I Entstehung Überlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

243 244 246 252 255

Caput X X V I I Entstehung Überlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen

255 256 257 264

Inhalt

9

Deutschland. Ein Wintermährchen. Aus dem Einzeldruck von 1844 Entstehung Uberlieferung Vorwort Mitteilungen zum Text Erläuterungen Caput IV Mitteilungen zum Text Erläuterungen

269 270 270 271 275 275

Anhang Vorworte und Vorreden Vorwort zur zweiten Auflage der Neuen Gedichte Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text Vorrede zur dritten Auflage der Neuen Gedichte Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Entwurf zu einer ungedruckten Vorrede Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Paralipomena Z u Atta Troll Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text Zu Deutschland. Ein Wintermährchen Zu Caput I Entstehung Uberlieferung

277 278 278 280 281 283 284 284 285 286 287 287 289

291 292 292 297 298

298 298

ίο

Inhalt Mitteilungen zum Text Erläuterungen Zu Caput XXVI Entstehung Uberlieferung Mitteilungen zum Text Erläuterungen Erläuterungen zu den Mitteilungen zum Text

300 300 300 301 301 305 305

NACHTRÄGE 309

Zu Band 2 K I

ANHANG Berichtigungen der Texte Personenregister

317 319

KOMMENTAR ZU BAND 2 DEUTSCHLAND. EIN WINTERMÄHRCHEN

ZU DIESEM

TEILBAND

Der vorliegende Teilband III des Kommentars Band 2 der Heine-Säkularausgabe enthält den Kommentar ^u dem Versepos D e u t s c h l a n d . E i n W i n t e r m ä h r c h e n sowie den im Anhang des Textbandes mitgeteilten Vorworten und Vorreden und den Paralipomena A t t a T r o l l und D e u t s c h l a n d . E i n W i n t e r m ä h r c h e n . Weiterhin enthält dieser Teilband die Berichtigungen für den Textband, die Nachträge für den Kommentarteilband I und das Personenregister für den Textband und den gesamten Kommentar (Teilbände /-III).

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

In den Abschnitten „Entstehung', „ Überlieferung", „Mitteilungen χμτη Text" und „Erläuterungen" werden bei häufig wiederkehrenden Quellenangaben folgende Abkürzungen verwendet: Grimm

Deutsches Worterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1—16. Leipzig 1SJ4—1960. DHA Düsseldorfer HeineAusgabe: Heinrich Heine. Historischkritische Gesamtausgabe der Werke. In Verbindung mit dem Heinrich-Heine-Institut herausgegeben von Manfred Windfuhr. Bd. 4: Atta Troll. Ein Sommernachtstraum. Deutschland. Ein Wintermärchen. Bearbeitet von Winfried Woesler. Hamburg 198J. Bd. 16: Nachträge und Korrekturen. Register. Bearbeitet von Marianne Tilch (Nachträge und Korrekturen), Bernd Füllner und Karin Füllner (Register). Hamburg 1997. Hirth. Faksimiledruck. 19// Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen. Faksimiledruck nach der Handschrift des Dichters nebst vier Blättern des Brouillons aus dem Nachlasse der Kaiserin Elisabeth von Osterreich. Mit einem Nachworte herausgegeben von Professor Dr. Friedrich Hirth. Berlin 191/. Die Ausgabe ist handnumeriert. Der Band enthält unpaginiert das vollständige Faksimile von H2 ('Caput I—XXVII; vgl. Uberlieferung) und von H1 vier Seiten aus Caput VI (Vers 1—64); daran schließt sich das „Nachwort" auf den Seiten 1—J2 an. Auf den Seiten 2J—4j werden „Fragmente der ersten, Wintermärchen' -Fassung" im Druck mit positionsgetreuer Wiedergabe der Varianten mitgeteilt. — Der Verlag (Felix Lehmann) veranstaltete %ur gleichen Zeit auch eine populäre Ausgabe dieses Faksimiledrucks, die das j2 Seiten umfassende Nachwort Hirths nicht enthält. An seine Stelle ist ein dem Druck vorangestelltes „ Vorwort" getreten mit der Seiten^ählung III—IV. Das Titelblatt wurde als [I—II] gewählt, im Titel wurde die entsprechende Zeile geändert: „Mit einem Vorwort herausgegeben von Professor Dr. Friedrich Hirth."

Abk ür^ungsveryeich nis „Baedeker", 1844

Μ

Handbuch für Reisende durch Deutschland und den österreichischen Kaiserstaat. Nach eigener Anschauung und den besten Hilfsquellen. Zweite sehr verbesserte Auflage. Coblen^ bei Karl Baedeker. 1844. Wander Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Hrsg. von Karl Friedrich Wander. Band i—j, Leipzig ι86γ—ι88ο. Heines Nachlaßbibliothek Ein Verzeichnis der Bibliothek wurde veröffentlicht von (Heine-Institut, Düsseldorf) Eberhard Galley, Heines Privatbibliothek. In: Heine-Jahrbuch 1962. Hamburg 1961, S. 96—118. A.T. I N.T. Altes Testament / Neues Testament. — Die Zitate aus der Bibel folgen der in Heines Nachlaßbibliothek überlieferten Ausgabe: Die Bibel oder die gan^e Heilige Schrift d. alten u. neuen Testaments n. d. Ubers. Martin Luthers. 2. Ausg. Frankfurt 182J.

DEUTSCHLAND. EIN WINTERMÄHRCHEN.

ENTSTEHUNG Das Versepos Deutschland. Ein Wintermährchen entstand in der kurzen Zeitspanne von Ende Dezember 184$ bis Mitte April 1844 als ein Ergebnis der ersten Reise Heines nach Deutschland nach v>ivölfeinh albjährigem freiwilligem Exil in Frankreich. Heine reiste im Herbst 1843 von Paris nach Hamburg und von dort zurück nach Paris. Ende September 1844 veröffentlichte er das Werk in den Neuen Gedichten, der feiten großen Sammlung seiner Lyrik (^ur Entstehung der Neuen Gedichte vgl. Bd. 2KI, S. 111—147). Nur knapp drei Wochen später, Mitte Oktober, erschien das Versepos auch als Einzelausgabe mit einem auf den 17. September 1844 datierten Vorwort und in einer auf Einwände der Zensur hin leicht veränderten Fassung. Uber den Anlaß der Reise nach Deutschland geben %wei Briefe Heines an seine Mutter Aufschluß. So schrieb er ihr am 18. September 1843, daß er gestern einen Freund seines Bruders Maximilian gesprochen habe, den Gretsch aus St. Petersburg, der auch Dich kennt und mit so großer Vorliebe und Verehrung von Dir sprach, daß ich den ganzen Tag sehr melancholisch mit einem weichgekochten Herzen herumging. / Wäre es mir möglich (aber es ist mir in diesem Augenblick fast nicht möglich), würde ich Dich noch dieses Jahr besuchen; nächstes Jahr geschieht es aber in jedem Falle. (HSA Bd. 22, S. 67,6—12) Doch schon einen Monat später, am 18. Oktober, kündigte Heine ihr seinen Besuch für die nächste Zeit an: Liebe gute theure Mutter! / Deinen letzten Brief habe ich richtig erhalten und Deine Idee dem Max aufs Frühjahr ein Rendez-vous in Hamburg zu geben, hat den Wunsch Dich ein mahl wieder zu sehen sehr heftig in mir rege gemacht. Ich will Dich aber noch früher sehen als im Frühjahr, noch in diesem Jahr, und ehe Du Dich dessen versiehst, eines frühen Morgens stehe ich in Lebensgröße vor Dir. Das ist aber ein großes Geheimniß und Du darfst keiner Seele ein Wort davon sagen; denn ich reise nicht zu Wasser, sondern gradeswegs durch Deutschland und da ich auch hier niemanden davon spreche und auch schnell reisen werde, ist von den Regierungen nichts zu fürchten. Aber wie gesagt, keiner Seele ein Wort davon; [...] (HSA Bd. 22, S. 68,J—IJ) Heines Wunsch, die Mutter möge über den Reiseplan Stillschweigen bewahren, hing mit der vorgesehenen Reiseroute zusammen: sie führte vor allem durch preußisches Gebiet. Der preußische Gesandte in Paris aber hatte das

ι8

Deutschland.

Ein

Wintermäbrchen

entsprechende Visum verweigert. Dies teilte nach Heines Abreise die Presse mit, vermutlich gab er sogar selbst die Anregung dafür. Die „Kölnische Zeitung'publizierte am jo. Oktober ifhf] unter der Rubrik „Frankreich" folgende Notiz aus „Paris, 26. Oct.": „Die,Democratic paciftque' berichtet: Hr. Heinr. Heine, der seit 1$ Jahren sich in Frankreich aufhält, hat Paris verlassen, um seine alte Mutter χμ besuchen. Der preußische Gesandte hat sich geweigert, seinen Paß visiren; dessen ungeachtet ist Hr. Heine abgereist." Und in den — wie das Titelblatt angibt — unter Mitwirkung Heines erscheinenden „Grenzboten", die der mit dem Dichter befreundete Publizist Ignaz Kuranda in Leipzig herausgab, war in dem in der ersten Novemberwoche 1843 ausgegebenen Heft unter der Rubrik „Literarische Notizen" diefolgende Mitteilung eingerückt: „Heine befindet sich in diesem Augenblicke in Hamburg·; seine kranke Mutter wünschte ihn vor ihrem Tode noch sehen. Der preußische Gesandte in Paris wollte ihm den Paß nicht visiren; Heine antwortetejedoch, daß es ihm in diesem Augenblicke nicht um seine persönliche Freiheit χμ thun sei, und daß er selbst auf die Gefahr hin, diese χμ verlieren, den Wunsch seiner Mutter χμ erfüllen entschlossen sei. Er ist über Brüssel gereist, um sich in Antwerpen einzuschiffen. " (2. Jg. 184), S. ißj2) Zum Verlauf der Reise Heines ließ sich folgendes ermitteln: Wie aus seinen Briefen hervorgeht, begann er die Reise am Abend des 21. Oktober in Paris und traf am Morgen des 28. Oktober in Bremen ein, von wo er seine Ankunft in Hamburg für den Abend des 29. Oktober oder den Morgen des jo. Oktober ankündigte. Am 20. Oktober teilte Heine Francois Mignet mit: D e m a i n ä 6 heures, je pars. (HSA Bd. 22, S. 69,1) Und am 21. Oktober schrieb er seiner Mutter: Ich bin im B e g r i f f , v o n hier abzureisen, vorerst nach B r ü s s e l , v o n da g e h e ich wahrscheinlich nach A m s t e r d a m und v o n d o r t über B r e m e n nach H a m b u r g , w o ich bey D i r der b e s t e n A u f n a h m e mit Sicherheit e n t g e g e n s e h e . Ich hab mich z u dieser Reise schnell e n t s c h l o s s e n ; solche D i n g e m u ß man nicht lange a u f s c h i e b e n . D a s ist e b e n s o s c h m e r z l i c h w i e unklug. [ . . . ] V o n U n t e r w e g s w e r d e ich D i r n o c h schreiben. (HSΑ Bd. 22, S. 69,16—2)) Vermutlich hat Heine in diesen unmittelbar vor Beginn der Reise geschriebenen Zeilen seine Route ab Brüssel bis Bremen unter dem Eindruck der Visaverweigerung bewußt falsch angegeben, einmal, um seine Mutter χμ beruhigen, χum anderen, um bei einer möglichen Indiskretion keinerlei Hinweise auf Aufenthaltsorte in Preußen χμ geben. Heines Abreise aus Paris am Sonnabend, dem 21. Oktober 184}, um 18 Uhr bestätigt das Pariser Verzeichnis der Postreisenden. Danach hatte er sich für diesen Tag für die Fahrt über St. Quentin nach Tille eintragen lassen und άαχμ ein französisches Visum vom 14. Oktober 184$ vorgelegt, das ihn zum Grenzübertritt berechtigte (Archives Nationales, Paris; diese Angabe nach den Ermittlungen der DHA, Bd. 4, S. 9};). Ab Lille hat Heine wahrscheinlich die Eisenbahn benutzt. Seit einigen Jahren begann hier die Linie, die über Gent und Mecheln nach Brüssel führte. Da die Reise von Paris bis Brüssel insgesamt 24 Stunden dauerte, wie aus Heines Brief an die Mutter vom 16. Dezember 184} hervorgeht (vgl. HS Α Bd. 22, S. 89,jf.), dürfte er am Abend des 22. Oktober in Brüssel eingetroffen sein. Es bleibt offen, wie lange sich Heine hier aufhielt. Von Brüssel aus dürfte Heine am 24. oder spätestens am 2/. Oktober mit der Eisenbahn weitergereist sein: Seit Mitte Oktober 1845 gab es eine direkte Bahnverbindung zwischen

Entstehung

τ

9

Belgien und Preußen, die Linie Antwerpen — Köln war mit großen Feierlichkeiten in beiden Städten in der Zeit vom 13. —ij. Oktober eröffnet worden (vgl. da%u auch Caput III, Vers 61, S. 302 und Erläuterungen χμ 302,6if). Am 1. November teilte die Augsburger Allgemeine Zeitung' den Fahrplan der Personen^üge mit (Nr. 30j, S. 2438). Danach dauerte die Reise von Brüssel über Lüttich und Aachen bis Köln knapp 12 Stunden. Die Abreise in Brüssel war am Morgen um y.ij Uhr, der Zug traf 18.30 Uhr in Köln ein. Im Wintermährchen gibt Heine an, daß er über Aachen nach Köln reiste, wo er spät Abends ('Caput V, Vers 1; S. 303^ ankam. Nach einer Übernachtung in Köln (oder %wei Übernachtungen, da die Aufenthaltsdauer in Brüssel unsicher ist), fuhr Heine dann am Donnerstag, dem 26. Oktober, weiter. Ab Köln mußte er die Post benutzen, da es von dort noch keine Eisenbahnlinie nach Bremen gab (vgl. auch Caput VIII, Verse 1—4; S. 313J. Im Wintermährchen heißt es: Von Collen war ich drei Viertel auf Acht / Des Morgens fortgereiset ('Caput IX, Vers 1—2; J". 31 ei Phasen, von Ende Dezember 1843 bis Anfang Februar 1844 und von Mitte Marz bis Anfang April 1844. Die bruchstückhafte Uberlieferung der Handschrift dürfte sich aus Folgendem erklären: Sie war aus Heines Nachlaß auf dem Erbschaftswege in den Besitζ seines Neffen Ludwig Embden gelangt, der sie in Teilen als Erinnerungsstücke weggab, einige an die Familie (wie Caput X V I I I , Verse 49—J2, oder aus Caput X X V das Lied des Königs von Thüle), die meisten aber an Interessenten für Heine-Autographen. Darunter befinden sich ganze Bogen (wie Caput III, Verse 1—44, oder Caput X V I I I , Verse 1—32), einzelne Blätter (wie Caput VII, Verse 89—104, oder Caput X X I , Verse 1—20) sowie kleine Manuskriptstücke, die durch Zerteilen von Blättern entstanden waren. Einige dieser Stücke stammten von Heine selbst, so, wenn er neu entworfene Strophen in einen bereits vorhandenen Text einfügte (wie bei Caput X X I V , Verse jy—64), die Mehrzahl aber stellte erst Embden her, indem er Blätter verschnitt (wie bei Caput III, Verse 49—52, Caput X X I , Verse 21—24, Caput X X I I I , Verse 101—104). Fast alle Teile versah er auch mit einem Echtheitszertifikat. Alle Konzeptteile sind auf bläulichem französischem Maschinenpapier mit bräunlicher Tinte geschrieben. Dies deutet daraufhin, daß diese Handschrift erst in Paris ab Ende Dezember 1843 entstand. Die Bruchstücke weisen weder eine durchgehende noch eine einzelne Caput-Paginierung auf es gibt keine Uberschriften, nur Schlußstriche, die mit den Abschlüssen der jeweiligen Capita in der Reinschrift übereinstimmen (Caput I, II, X I X und X X V I , der ursprüngliche Schluß von Caput X X I I I ) . Aus der ersten Arbeitsphase sind Entwürfe zu nur %ehn Kapiteln überliefert, Caput I bis IV, Caput X I I und Caput X V I I I bis X X I I ; aus der ζweiten Phase liegen zu allen acht Kapiteln, Caput V I und V I I und Caput X X I I I bis X X V I I I , Konzeptteile vor. (Im einzelnen vgl. Uberlieferung ζu H1 / H1*.) In der ersten Arbeitsphase entstand auch der Entwurf für ein ursprünglich geplantes Eingangskapitel, das mit den Versen beginnt: Ade Paris du theure Stadt ... (vgl. Paralipomena, S. 374f., S. 298). Diese Konzeption, das Versepos bereits in Paris beginnen %u lassen, muß Heine aber spätestens Anfang Februar 1844 aufgegeben haben, denn er berücksichtigte dieses Eingangskapitel bereits für den Cyklus von 20 Gedichten nicht mehr: Die erste Seite des Bogens 1. der Reinschrift H2 beginnt mit der Uberschrift Caput I. und den ersten vier Strophen des edierten Textes dieses Kapitels. Das Motiv und einige der Verse des Eingangskapitels verwendete Heine später in Caput X X I V (vgl. Verse 37—72, S. 346f.; sowie Erläuterungen χμ346,37—347,72). Im Brief vom 17. April 1844 an Campe nannte Heine auch erstmals den Titel für das Versepos: Der Titel des Buches ist: „Deutschland, ein Wintermährchen." (HSA Bd. 22, S. 101,24) Zur Wahl dieses Titels gab Heine %ehn fahre später in dem Entwurf einer Vorrede für einen Band der CEuvres completes, der die Ausgabe des Wintermährchens en prose franpaise enthalten sollte, folgende Erläuterung: Les pages suivantes forment la contre-partie des lettres d'Heligoland oü eclate le reveil politique de rAllemagne ä l'epoque de la revolution de juillet. Elle s'est endormie de nouveau et la lethargie generale, la Stagnation qui regna au delä du Rhin avant la

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Deutschland. Ein Wintermährchen

revolution de fevrier est depeint dans ce poeme humoristique que j'ai appele Germania, un conte d'hyver, [...] (HSΑ Bd. ißK, S. 277,1—6) Die Bezeichnung „Wintermärchen" für das Deutschland Anfang der vierziger fahre findet sich auch bei Fran^ Dingelstedt. Dieser entwickelte in einem Brief an Friedrich Oetker vom 24. Januar 1842 Gedanken zu einem geplanten ζweiten Bande seines 1841 erschienenen Gedichtzyklus „Lieder eines kosmopolitischen Nachwächters", in dem er auch eine Reise durch einzelne Hauptstädte deutscher Länder (Frankfurt\M, München, Kassel, Hannover, Berlin, Wien) geschildert und dabei kritische Bemerkungen über dort jeweils herrschende politische Zustände gemacht hatte: „Er sollte ein , Wintermärchen' (der deutsche Michel schläft und läßt sich die Geschichte seiner Schmach und seiner Ehre vorlesen) [...] umfassen." (F. Dingelstedt, Blätter aus seinem Nachlaß. 1. Bd. Berlin 1891, S. 191) Heine stellte mit dem Titel zugleich eine Beziehung zu Shakespeare her: So heißt es in „ The Winter's Tale" ^ur Erklärung des Titels: sad tale 's best for winter" (II, ι). Diesen Be^ug auf Shakespeare hob Heine dreifahre später besonders hervor, als er am 26. Dezember 1846 in einem Brief an Campe den Titelfür das überarbeitete Versepos Atta Troll von 1843 (S. 1 6 1 , 1 ) als Pendant zu Deutschland. Ein Wintermährchen neu bestimmte: Atta Troll, / Ein Sommernachtstraum (HSΑ Bd. 22, S. 236,2f; vgl. auch S. 227,1 f.). Das Titelblattfür die Reinschrift (H2) entstand separat, entweder am Ende der ersten oder sogar erst am Schluß der zweiten Arbeitsphase, da es ein Vorsatzblatt zur Reinschrift ist (vgl. Uberlieferung). Die Durchsicht der Reinschrift (H2), die Heine zur Fertigstellung des Manuskriptes für den Druck ausführte und über die er in seinem Brief vom IJ. April 1844 berichtete: [...] das schöne, reinliche Manuskript liegt jetzt vor mir. Ich will es nur noch mahl durchgehen, mit der Lupe, und dann schicke ich es Ihnen direkt zu ( H S A Bd. 22, S. 100,4f.), ist durch einen glücklichen Zufall dokumentiert: der Dichter verwendete dafür, im Gegensatz %u der bräunlichen Tinte der Reinschrift, eine blaue Tinte. Daß es sich dabei nur um diese Durchsicht handeln kann, geht aus der Art der vorgenommenen Änderungen hervor. So ist zum einen mit blauer Tinte die formale Ordnung des Manuskriptes hergestellt worden: Heine führte die bis dahin zur,ächst nur auf dem ursprünglichen Bogen 7. mit bräunlicher Tinte vorgenommene Änderung der Numerierung zu 10. nun auch auf den anderen Bogen aus, und zwar bei 6. zu 9· bei 8. bis 18. zu 1 1 · bis 21.; ebenso korrigierte er die Caput-Zählung, die er mit bräunlicher Tinte zunächst nur bei dem ursprünglichen Kapitel VI. zu VIII. geändert hatte, nun auch bei den folgenden Kapiteln, und zwar bei den ursprünglichen Capita VII. bis XX. zu IX· bis X X I I . Zum anderen sind mit dieser blauen Tinte politisch brisante Verse gestrichen worden. Dazu teilte Heine in seiner nächsten Äußerung zu dem Manuskript gegenüber Campe am 3. Mai mit: M i t Censur k a n n es nicht gedruckt werden, obgleich ich bey der Durchsicht noch die grellsten Stellen strich (HSΑ Bd. 22, S. ioß,2jf). Zu diesen grellsten Stellen gehören drei Strophen: In Caput X I V nach Vers 108 die Strophe über die Mörder der deutschen Freyheit, in Caput X X V I nach Vers 52 die Strophe über die gehenkten Schufte, die sich an Deutschland vergangen hatten, und in Caput X X V I I die ursprünglich erste Strophe über Deutschlands Beschäftigung mit Philisterlapalien am Tage und seine nur in der Nacht bestehende Zaubergröße (vgl. Mitteilungen zu™ Text, zu

Entstehung

27

321,109—112, χμ ]j2, nach Vers j2 und χμ 313, vor Vers 1). Außerdem finden sich — neben stilistischen Korrekturen - Änderungen von weiteren sechs politischen Versen. Fünf von ihnen betreffen kritische Äußerungen über Preußen, die abgeschwächt wurden ('Caput V I I I , Verse 2; und 33, Caput X I , Verse 10—12, Caput X X V I , Vers 12; vgl. Mitteilungen %um Text, χμ 314,24—21, 314,33, 318,10—12 und χμ 3Ji,i2), ein Vers betrifft die deutschen Verhältnisse allgemein: aus der Revolution, die in Deutschland notwendig sei, wurde die χμ heilende große Krankheit der deutschen Zustände ('Caput X X V I , Vers //; vgl. Mitteilungen %um Text, 3J2,JJ). Zur Durchsicht mit der Lupe gehörte auch die Komplettierung des Titelblattes. Den mit brauner Tinte geschriebenen Titel Deutschland. / Ein Wintermährchen. ergänzte Heine nun mit blauer Tinte um die Mitteilung der Entstehungszeit, die erfür diesen Zweck verkürzt angab: Geschrieben im Januar 1844. Während Uber die Entstehung des Wintermährchens nur diese wenigen Angaben Heines vorliegen, gibt es für die weitere Arbeit bis %ur Drucklegung des Buches viele Belege. Wie auch schon bei früheren Werken, begannen jetzt nach der Fertigstellung des Manuskriptes hartnäckig geführte Verhandlungen mit Campe über die beste Publikationsform. Bereits am 20. Februar 1844 hatte Heine an Campe geschrieben: Aber sorgen Sie frühe für Mittel etwas was vielleicht unter 21 Bogen ohne Censur zu drucken. — (HSΑ Bd. 22, S. y6,3of.; χμ den Zensurbestimmungen vgl. im einzelnen Caput II, χμ 300,39) Allerdings erwog Heine χμ diesem Zeitpunkt auch, die fehlenden Bogen mit einer Porzion Prosa auszufüllen (ebd., S. 96,2;). Am ij. April teilte er seinem Verleger mit: Ich hatte anfangs die Absicht noch 10 bis 12 Bogen Prosa hinzu^#schreiben und hier die merkwürdigen Veränderungen zu besprechen, die ich in Deutschland vorgefunden. Aber während meiner Blindheit verarbeitete sich dieser Stoff in meinem K o p f e weitläuftiger aus und jetzt sehe ich ein daß dieser S t o f f , wenn ich noch durch eine zweite Reise nach Deutschland das mangelnde Material sammle, eins meiner bedeutendsten Werke hervorbringen kann. Schon allein die Personenschilderungen der seit 13 Jahren verstorbenen Freunde und Bekannte in der Literatur könnte einen großen interessanten Band liefern: [ . . . ] Deßhalb schicke ich Ihnen nur mein metrisches Gedicht und wenn ich noch etwas hinzuschreibe in Prosa, so sind es etwa 2 bis 3 oder 4 Bogen. ( H S A Bd. 22, S. 100,14—2y) Diesen großen interessanten Band schrieb Heine nicht; auch den Plan, χμ/ei bis vier Bogen Prosa dem Wintermährchen hinzuzufügen, gab er im Verlauf weiterer Überlegungen auf. Heine führte in seinem Brief vom IJ. April weiter aus: Aber jetzt stellt sich nun die Hauptfrage hervor: wie können Sie das Buch drucken? [ . . . ] Sobald Sie es gelesen, werden Sie leicht einsehen, daß wenn es als kleines Büchlein von 10 oder 12 Bogen erscheint, die Vogue ungeheur seyn wird, daß es ein großes Geschäft ist, daß der enormste Absatz in diesem Momente sicher ist. Aber zugleich werden Sie sehen, daß dieses Büchlein durch keine Censur gehen darf, und wahrlich, ich habe bey der Abfassung auf alle Censur verzichtet und mir für den schlimmsten Fall einen Abdruck in Paris gedacht. — Also von Censur kann gar

28

Deutschland.

Ein

Wintermährchen

nicht die Rede seyn. [ . . . ] Nun stellt sich also die Frage: können Sie ein Buch unter 20 Bogen dort ohne Censur gedruckt bekommen? Ist dieses nicht der Fall, so muß ich das Buch durch Zufügung von Alotria zu 20 Bogen anschwellen, und in diesem Falle schlüge ich Ihnen vor den Atta Troll hinzu zu thun, nemlich in der Gestalt wie er jetzt noch ist, und in der neuen Gedichtsammlung würde ich ihn mit Zuthaten vollständiger geben. Doch ungern entschlöß ich mich dazu. Prosaische Aufsätze hinzuzugeben würde dem Buche seinen poetischen Charakter rauben — Schreiben Sie mir u m g e h e n d über diesen Punkt, welcher der wichtigste. Unterdessen schicke ich Ihnen das Manuskript, zu nächst auf höchste Verschwiegenheit rechnend, [...] Ich habe wie gesagt, niemandem eine Zeile von meinem Gedichte gezeigt, lasse auch keine Zeile (obgleich manche hochpoetisch unverfängliche Stücke drin sind) bey Laube drucken oder anderswo. Kurz ich will überraschen, einen Schlag machen — und rechne auf Ihre Klugheit und Freundschaft. Auch Hamburg habe ich (zu Ihrem E r g ö t z e n und N u t z e n ) mit harmlosem Humor bedacht. — Liebster Campe! nur stumm wie ein Fisch. — (HSΑ Bd. 22, S. 100,28—101,2ß) Darauf ant-

wortete Campe am 22. April: „Ihr Werk erwarte ich, ich muß es sehen und würdigen, was es verfängliches führt. Censur muß seyn. Aber Sieve king ist ein so sehr gescheuter und wirklich raisonabler Mann, daß ich die Absicht habe, es ihm privatim vorzulegen. Gefällt es ihm, sind keine Bosheiten darin, die höheren Ortes Reclamationen unabweißlich %ur Folge haben müßten: dann giebt er das Imprimatur. Hundert-Male streicht Hoffmann in seinem Maulwurfs-Gesichtskreise; S[ieveking] stellt es wieder her, wenn die Appellation an ihn gerichtet wird. Wie gesagt, es fragt sich, um den Grundgedanken; davon hängt alles ab." (HSΑ Bd. 26, S. 100,9-16) Die Ursache für Campes kategorische Feststellung „Censur muß seyn" bildete seine Erfahrung mit den verschiedenen Zensurbehörden, vor allem mit der preußischen, die von Anfang Dezember 1841 bis Anfang Juni 1842 als Reaktion auf die Herausgabe vor allem der zeitkritischen Gedichte von Hoffmann von Fallersleben und von Franζ Dingelstedt seine sämtlichen Verlagserzeugnisse verboten hatte (vgl. auch Caput II, Erläuterungen %u ßoo,2yf). Jedoch versuchte der Verleger immer wieder, eine möglichst großzügige Auslegung der Bestimmungen zu erreichen. Dazu nutzte er u. a. sein gutes Verhältnis zu dem Syndikus Karl Sieveking, der seit i8)j auch Vorsitzender der Hamburger Zensurkommission war. So schrieb Campe im gleichen Brief noch: ,,S[ieveking] ist nicht ängstlich, sondern wirklich großartig in Bezug auf solche Gegenstände. Und ich darf frei zu ihm sprechen; er consultiert mich zf weilen um Gegenstände der Presse." (Ebd., S. ιοο,ιγ—19) Heine hatte mit Sieveking während seiner Hamburger Zeit in engerem persönlichen Kontakt gestanden (vgl. Heine an Moser, 9. /. 1826, und an Varnhagen, 14. /. 1826; HSΑ Bd. 20, Nr. 162 und Nr. 168), auch kannte er den Zensor Friedrich Lorenz Hoffmann, der 1826 den ersten Band der Reisebilder χμ zensieren hatte (vgl. Caput XXII, Erläuterungen zu 34°>2J und Caput XXV, Erläuterungen zu Heine antwortete Campe am j . Mai: Ihre Briefe vom 13 und 22 April habe ich erhalten und aus letzterem ersehen, daß Sie Alles was ich Ihnen über mein Opus geschrieben, nicht begriffen haben, denn sonst würden Sie mir die Zumuthung

Entstehung

29

nicht machen es durch Siveking durch die Censur zu bringen. Wenn dieser mein Vater war könnte er mir das Imprimatur nicht ertheilen; dazu kommt, daß das Gedicht am unleidlichsten Preußen und dessen König berührt, wo Siveking also aus Staatsgründen und Privatsympathie nicht gut für mich seyn würde. Von Censur ist keine Möglichkeit. Das Gedicht muß als 21 Bogen ohne Censur gedruckt werden, oder ich muß, wenn Ihnen dies nicht möglich ist, das Gedicht hier oder in der Schweitz herausgeben. Anders sehe ich hier keinen Ausweg. M i t Censur k a n n es nicht gedruckt werden, obgleich ich bey der Durchsicht noch die grellsten Stellen strich, Ihrentwegen, auch Ihrentwegen bey der Conzepzion mich zügelte und gewiß auch noch jetzt ein Uebriges thäte. Denn ich habe ja das Ganze zunächst Ihrentwegen geschrieben. / Melden Sie mir daher umgehend ob Sie das Gedicht, durch Zugabe auf 21 Bogen ausgedehnt, o h n e Censur drucken können. Ist dies durchaus nicht möglich, so ist es rein überflüssig, daß ich Ihnen das Manuskript einschicke; können Sie es aber in angedeuteter Weise drucken, so schicke ich Ihnen das Manuskript unverzüglich und es bleibt dann nur die Frage: w a s ich hinzugebe. Ich hatte Ihnen in dieser Beziehung den Atta Troll vorgeschlagen, aber bey näherem Erwägen Ihrer Interessen habe ich ausgefunden, daß es viel besser wäre, wenn ich das neue Gedicht an die Stelle des Atta Troll in den 2 ten Gedichteband aufnehme. Ich sichere dadurch diesem 2 ten Band die ungeheuerste Vogue, ich gebe ihm den einen Schwung über den Sie erstaunen werden. Den Atta Troll würden Sie alsdann als besonderes Opus allein herausgeben und mit einigen Hinzufügungen, die mir noch im Geiste liegen, würde auch dieses Büchlein sich lustig in der Welt herumtrollen; [...] (HSA Bd. 22, S. 103,17—104,8) Campe antwortete auf Heines Ausführungen am 20. Mai aus Leipzig, wo er sich %ur Messe aufhielt: „Lieber Heine! / Ihr Schreiben ν 3 d ist mir hierher gesandt. Sie beschuldigen mich darin, daß ich den vorherigen Brief nicht begriffen — . Begriffen habe ich ihn, aber ich setzte voraus, daß Sie in der neuen Publication eine solche Haltung beobachtet hätten, wie man in Deutschland, der Censur gegenüber, sich χμ bewegen gewohnt ist, und wie es unter allen Umständen der Verstand gebietet, wenn eine gesammt Ausgabe vorbereitet [ wird]: wofür man vor allen Dingen ^uvörderst eine freie Praxis haben muß! Wohin, frage ich, wollen Sie deren Publication vertagen?" (HSA Bd. 26, S. 102,3—11) Weiter teilte Campe mit: „Hier hat man seit 3 Wochen Freiheit für 21 Bogen, sie drucken ^ u laßen; doch vor der Ausgabe (verstehen Sie den folgenden Umstand ja recht —) muß man der Behörde ein Exp. einliefern, und nun erst wird entschieden, ob das Buch confiscirt oder freie Praxis haben soll! — [...] Der Censor läßt sich handeln; hier aber ist kein Erbarmen, ohne Ersat^ wird das Werk weg genommen, wenn das Gan^e nicht conveniert; sind einzelne Seiten nur unangenehm, dann müßen die Blätter umgedruckt werden: das ist die schlimmste Censur die es nur geben kann!" (Ebd., S. 102,26—34) Campe resümierte dann: „Bestehen Sie auf diese Publication, sehen Sie es als eine Lebensfrage an — dann natürlich muß es geschehen. Aber sehen muß ich das Werk %uvor, ehe ich mit irgend einem entschiedenen Handeln vorgehe, wo^u Mittel und Wege vorhanden sind, die ich ungerne exponieren mogte. Ueberhaupt finde ich es unklug,

jo

Deutschland. Ein Winterm ährchen

ie^t das Schiksal der Gesammt Ausgabe auf diese Art χμ untergraben; ich meine nicht beim Publikum, sondern den Regierungen!" (Ebd., S. ιοβ,ψ—ρ) Diesen eindringlichen Vorstellungen konnte sich Heine nicht länger verschließen, und so antwortete er am /. Juni: Liebster Campe! / Sobald ich Ihren Brief erhielt, nemlich den vom 20 May, ging ich das Manuskript meines Gedichtes noch einmahl gewissenhaft durch, schrieb ganze Capitel um, änderte was nur zu ändern möglich war, und noch zum zweiten mahl machte ich Ausmerzungen, deren Spur Ihnen nicht entgehen wird. Aber in dieser Gestalt kann ich nichts mehr ändern und Sie werden durch die Lektüre sich überzeugen, daß das Gedicht jetzt zahm ist und für Sie nichts mehr von o b e n h e r a b riskirt wird. Ich aber riskire wieder von u n t e n h e r a u f mißverstanden zu werden, wie bey früheren Publikazionen, wo ich leider mich von Ihnen zu allzu ängstlicher Zahmheit bereden ließ. Ich habe Ihnen das Manuskript durch das Dampfschiff von vorigem Sonnabend zugeschickt, nebst dem nöthigen Manuskript um das Gedicht dem neuen Gedichteband einverleiben zu können; denn aus Ihrem Briefe glaubte ich schließen zu können, daß Sie meinen Vorschlag gebilligt und um 21 Bogen geben zu können, das neue Gedicht anstatt des Atta Troll in jenem Bande aufnehmen wollen. (HSΑ Bd. 22, S. io/,ij—2p) Heine hatte am Samstag, dem 1. Juni 1844, das vollständige Manuskript der Neuen Gedichte an den Verlag gesandt. Es war eigenhändig mit roter Tinte foliiert von 1. — 118., wobei die 1 1 8 . auf dem Titelblatt von Deutschland. Ein Wintermährchen steht. Die danach folgende Reinschrift (H2) des Versepos ist nicht weiter foliiert worden. (Im einzelnen vgl. άαχμ Neue Gedichte, Entstehung, Manuskript 1844; Bd. 2KI, S. 141 bis 14J.) Aus der Reinschrift (H2) läßt sich unter Berücksichtigung der unmittelbar %ur Fertigstellung des Manuskripts ausgeführten und der später in Hamburg vorgenommenen Korrekturen (vgl. S. }4j'.) ermitteln, welche Änderungen Heine nach dem Empfang von Campes Brief vom 20. Mai und vor dem Absenden des Manuskriptes, d. h., etwa ζwischen dem 24. und 31. Mai, vornahm. Die Angabe ich [ . . . ] schrieb ganze Capitel um betrifft die ursprünglichen Kapitel X X I I I und X X I V . Heine tilgte im ursprünglichen Kapitel X X I V die acht Strophen über die Hamburger Prostituierten, diese Strophen ersetzte er durch drei neue (die jetzigen Verse 8j—6 von Caput X X I I I ) . Dadurch wurde das Kapitel aber χμ kur^j Heine vereinigte es deshalb mit Caput X X I I I (vgl. Mitteilungen %um Text, χμ }4),j)—j6 und χμ 344,nach Vers 84) und änderte die ursprüngliche Zählung von Kapitel X X V bis X X V I I I χμ der des edierten Textes von Caput X X I V bis X X V I I (vgl. Mitteilungen %um Text). An anderer Stelle seines Briefes vom /. Juni hatte Heine noch mitgeteilt: In meinem Manuskript ist eine Stelle mit Bleystift angestrichen, die, wenn sie Ihnen zu stark, ebenfalls über Bord geworfen werden mag. (HSΑ Bd. 22, S. 108,34—36) Sie findet sich in Caput III, sie betrifft die ursprüngliche Fassung der jetzigen Verse 61—j6 über den häßlichen Vogel, der dort noch direkt als der königl. Preuß. Adler bezeichnet wird. Heine tilgte mit Tinte zunächst in dieser aus fünf Strophen bestehenden Passage die letzte Strophe, in der der Schinderknecht angewiesen wird, das todte Aas am Galgen

Entstehung

3'

χη begraben, danach kennzeichnete er die beiden vorhergehenden Strophen mit einem seitlichen Bleistiftstrich (im einzelnen vgl. Mitteilungen %um Text, ζμ302,61—76). Weiterhin kann angenommen werden, daß Heine in diesen Tagen in Caput XXVI die drei Strophen auf den König von Preußen tilgte, die mit der Zeile beginnen „Es ist ein König in Thüle, der hat da er das Motiv und %wei Verseilen daraus für den ersten Teil des Gedichtes Der neue Alexander verwendete, das im Pariser „ Vorwärts!" am //. Juni 1844 erschien (vgl. Mitteilungen %um Text, ζμ 332, nach Vers 68; und Neue Gedichte, Einzelgedichte, S. 134ϊ.; Bd. 2KI, S. J33—J36). Ferner dürften den gewichtigeren Änderungen in dieser letzten Maiwoche noch die Umschreibungen einiger χη direkt benannter Dinge und Vorgänge gehört haben — Caput XXIII, Vers 48, Caput XXV, Vers 19 und Verse 89—100, Caput XXVI, Verse 62—68 und 101—104 (vgl. Mitteilungen %um Text, χμ 343,48, zj4 348,19, χμ 3jo,88—ioo, χμ 3^,62—64, 3j2,6y—68 und χμ 3^3,101—104) — sowie die Erweiterung von Caput XXII mit der Aufzahlung von weiteren Hamburger Bekannten; diese Strophen (Verse 33—48) schrieb Heine auf ein gesondertes Blatt, das er danach in das Manuskript der Reinschrift einklebte (vgl. Mitteilungen %um Text, χμ 340,33—341,48). Uber die Herausgabe der Neuen Gedichte schrieb Heine zusammenfassend am /. Juni: Ich habe alles ordentlich zusammengestellt, daß Sie das Buch gleich in die Presse geben können, wenn Sie das neue Gedicht ohne Censur zu drucken wagen. Auf Censur, wie ich Ihnen von vorn herein gesagt, kann und werde ich mich nicht einlassen und im Fall Sie es nicht ohne solche drucken lassen können, nehme ich es zurück und schicke Ihnen zu dem Gedichteband den Atta Troll. Ich habe alles genau bedacht. Da ich mich, Ihrer Aengstlichkeit wegen, aller jener prosaischen Beygabe, die wirklich sehr radikal geworden wäre, enthalte, so ist mein Gedicht nicht bedenklicher als so manches Andre was in Deutschland gedruckt wird. Wird das Buch nicht zu streng verboten, so giebt ihm dennoch das neue Gedicht einen Zug, wodurch es mit dem Buch der Lieder gewiß rivalisiren kann und tausende werden es kaufen, die gewiß für den zahmeren lyrischen Inhalt des Buchs kein Interesse gefühlt hätten. Tritt aber der schlimmste Fall ein und das Buch würde strenger verpönt als zu erwarten steht, so verlieren Sie nicht viel, denn da Ihnen die Gedichte gehören, so können Sie sie ja als ein neues Buch nach Belieben wieder drukken und ohne das große politische Gedicht werden sie gewiß überall die Censur passiren. Lassen Sie nur bey Leibe niemanden mein Manuskript sehen und sprechen Sie niemanden davon, damit das Buch gedruckt und ausgegeben werden kann ehe man nur im mindesten Lunte riecht; bey dem unverfänglichen Titel (ich nenne das Buch „ N e u e G e d i c h t e v o n H . H e i n e " merken Sie sich das) gehen wir noch sicherer und man ist weit davon entfernt von mir etwas zu revoluzionäres zu erwarten. (HSΑ Bd. 22, S. 107,29—108,16) Diese Vorsicht ließ Heine auch seinen Bekannten gegenüber walten. So ist aus dieser Zeit vor dem Druck des Wintermährchens nur eine einzige Äußerung von ihm Dritten gegenüber bekanntgeworden; sie steht in einem Brief nach Berlin an Giacomo Meyerbeer vom 10. Juni 1844. Darin erwähnt Heine betont beiläufig sein Werk: Hab ein groß Gedicht

Deutschland.

Ein

Wintermährchen

g e s c h r i e b e n , politisch und schlecht, die M u s e n m ö g e n es mir verzeihen! (HSΑ Bd. 22, S. 112,20-22) Campe bestätigte zunächst weder den Empfang des Manuskriptes noch antwortete er auf Heines ausführlichen Brief, deshalb mahnte der Dichter am 2j. Juni ungeduldig: Seit acht T a g e n k ö n n t e ich s c h o n A n t w o r t v o n I h n e n h a b e n auf m e i n e n letzten Brief. U n d hatte I h n e n d o c h s o dringend ans H e r z g e l e g t , daß ich ins B a d reisen m u ß und eher nicht Paris verlassen kann, ehe ich über das Schicksal meines jüngsten p o e t i s c h e n K i n d e s b e r u h i g t bin. Ihr Stillschweigen läßt mich zwar h o f f e n , daß Sie in allem mit mir einverstanden und das B u c h gleich in die Presse g e g e b e n . (HS Α Bd. 22, S. 112,2p—34) Aber wieder wartete Heine vergeblich, so daß er am //. Juli schrieb: L i e b s t e r C a m p e , s c h o n seit 4 bis 5 T a g e n k ö n n t e ich A n t w o r t auf meinen letzten B r i e f v o n I h n e n h a b e n , w o r i n n ich I h n e n die V e r l e g e n h e i t m e l d e t e , die mir Ihr Stillschweigen verursacht. L e t z t e r e s ist mir u n b e g r e i f l i c h , [ . . . ] A b e r der T e u f e l ! w a r u m lassen Sie einen F r e u n d in dieser N o t h ? Sie w i s s e n d o c h , daß ich keine R u h e habe ehe ich ü b e r das Schicksal meines Manuskripts G e w i ß heit erlangt — Ich glaube, ich w e r d e es zuletzt nicht m e h r aushalten k ö n n e n und über Hals und K o p f nach H a m b u r g eilen. — (HSΑ Bd. 22, S. 113,17—19 und S. 114,6—10) Dieser Brief kreuzte sich mit Campes Antwort vom 10. Juli 1844, die für Heine wenig erfreulich ausfiel: „ Von meiner Reise %ur Meße und den Abstecher von da [...] bin ich erst Ende Junj hierher zurück gekehrt und fand Arbeit auf Arbeit aufgethürmt, dabei Ihr Mspt. So wie ich etwas Ruhe vor dem Ueberlaufen und persönlichen Anforderungen gewann, begann ich die Leetüre desselben. / Wäre mir die Sache recht gewesen, hätte ich mich freuen können, ich würde Ihnen sogleich geschrieben haben; — aber das konnte ich nicht. Sie werden sehr vielfür dieses Gedicht leiden haben! — Es ist durchaus unpopulair und nurfür Männer zugänglich. / Nicht gedenken, daß Sie den Patrioten neue Waffen gegen Sich in die Hände geben und so die Fran^osenhasser wieder in die Schranken rufen: auch die Moralisten werden über Sie herfallen —. Von allen Seiten werden Sie gestoßen und gehechelt werden. Im Geiste sehe ich alle diese Fatalitäten aufbrausen, die mich ebenso unangenehm, wie Sie Selbst berühren, da es mir nicht gleichgültig ist, wie Sie in Deutschland accreditiert stehen. Um mich dieser Ansicht entledigen oder mehr versichern, habe ich %um zweite Mal das Mspt gelesen und kann nicht anders urtheilen, wie ich befürchtend hier berichte. Daß Sie auf Aristophanes hinweisen ist gut; aber die Menschen, welche Bücher behalten und kaufen, wollen dergleichen in der modernen Literatur nicht gelten lassen: man duldet und verleihet dergleichen, nach Conventionellen Gesetzen, nicht in der guten Gesellschaft. [...] Wahrlich ich habe nie so bei einem Ihrer Artikel geschwankt als eben bei diesen, nämlich was ich thun oder lassen soll? Noch habe ich mit dem Buchdrucker nicht über dessen Druck gesprochen, keinen Schritt %um Censor gethan, der außer den angestrichenen Stellen, die sehr ungerecht sind, alles passieren lassen wird." (HSΑ Bd. 26, S. 104,8—28 und S. IOJ,I—J) Von solchen „angestrichenen Stellen" finden sich in der Reinschrift (H2) des W i n t e r m ä h r c h e n s nur %wei. Die erste in C a p u t III, wo die vier verbliebenen Strophen über den königl. P r e u ß . A d l e r — von denen Heine bereits %wei markiert hatte — mit Bleistift durchgekreuzt sind (nach Vers 60; vgl. Mitteilungen %um Text,

Entstehung

33

302,61—76); die zweite in Caput X X I , wo die Strophe, die der Verwaltung der Hamburger Hülfsgelderkassa ein unlauteres Geschäftsgebaren nachsagt, χμ beiden Seiten mit Tinte angestrichen ist (vgl. Mitteilungen %um Text, χμ 338,41—44). Campes langes Schweigen dürfte Heine veranlaßt haben, seine Pläne χμ ändern und die ursprünglich erst für September vorgesehene Reise nach Hamburg schon im Juli anzutreten, um den Druck der Neuen Gedichte an Ort und Stelle befördern χμ können. Während er Campe am //. Juli nur andeutete, daß er möglicherweise über Hals und K o p f nach Hamburg eilen wolle (HS Α Bd. 22, S. 114,pf.), meldete er noch am gleichen Tage seiner Schwester, daß er zusammen mit seiner Frau den 20 Juli, mit dem Dampfschiff von Havre nach Hamburg abfahre und also den 22 oder 23 ten in Hamburg anlange. Weiterhin teilte er mit, daß er seinen Aufenthalt, der bis Mitte, spätestens Ende N o vember reichen werde, zugleich für die so dringend benötigte Erholung nutzen und auch nach Helgoland reisen wolle (HSΑ Bd. 22, S. 114,21—23 und S. 115,23). Wie aus Heines Briefen aus Hamburg hervorgeht, beschränkte sich der vorgesehene viermonatige Aufenthalt dann auf zweieinhalb Monate, weil vieles anders verlief als es geplant war. Nach der Ankunft am 22. oder 23. Juli blieb Heine in der Stadt wohnen, bereits in der ^weiten Augustwoche reiste seine Frau, die sich in Hamburg und in Heines Familie nicht wohlfühlte, nach Paris zurück (vgl. Heine an Mathilde Heine, 12. 8. 1844; HS Α Bd. 22, Nr. 1013). Um ihr so schnell wie möglich folgen χμ können, arbeitete Heine, der in dieser Zeit wieder stark unter Migräne und seinem Augenübel litt, in den nächsten Wochen sehr konzentriert: Er betreute die Herausgabe des Bandes der Neuen Gedichte, wobei er für den Druck im gesamten Manuskript, besonders aber in dem des Winter mährchens, sowie dann noch einmal in den Druckbogen zahlreiche Änderungen vornahm (vgl. auch Neue Gedichte, Entstehung; Bd. 2KI, S. 129), er besorgte die Einzelausgabe des Wintermährchens, für die er das Vorwort schrieb, Caput IV erweiterte (vgl. S. 357 — 363 und S. 26ff.) und neue Strophen für Caput X X V I entwarf (vgl. Paralipomena, S. 375 f., S. 300f.), er unterzog das Buch der Lieder für die fünfte Auflage einer gründlichen Durchsicht, wobei er viele kleinere Änderungen vornahm (im einzelnen vgl. dazu HS A Bd. iK), und er las Korrekturen für diese drei Bände. Am p. Oktober trat Heine dann — wiederum auf dem Seewege — die Heimreise an (vgl. Heine an Mathilde Heine, 8. 10. 1844, und an Anna Embden, 9. 10. 1844; HS Α Bd. 22, Nrn. 1039 und 1040), am //. Oktober traf er in Amsterdam und am Abend des 16. Oktober wieder in Paris ein (vgl. Heine an Betty Heine, //. und IJ. 10. 1844; HS Α Bd. 22, Nrn. 1042 und 1043). Daß der Dichter diesmal beide Routen auf dem Seewege zurücklegte, lag daran, daß der preußische Innenminister durch ein „Rundschreiben" vom 16. April 1844 an die betreffenden Polizeibehörden verfügt hatte, die Mitarbeiter der „Deutsch-französischen Jahrbücher"Arnold Rüge, Karl Marx, Heinrich Heine und C. F. Bernays wegen des „ Tatbestandes des versuchten Hochverrats und des Majestätsverbrechens [...] zu verhaften", sobald sie preußisches Staatsgebiet betreten sollten. (Preußisches Geheimes Staatsarchiv, Berlin; Prov. Bz- Rep. 30, Pol. Präsidium zu Berlin, Tit. 94, Lit.B, Nr. 494). Diese Verfügung war am //. Juli für die Mitarbeiter des „ Vorwärts!", unter denen auch Heine wieder aufgeführt wurde, erneuert worden (ebd.); der Dichter hatte darüber in Hamburg einen Wink von Oben erhalten (Heine an Marx, 21. 9. 1844; HSΑ Bd. 22, S. 130,6).

Deutschland.

34 Über Details

der Änderungen,

m ä h r c h e n s vornahm, herauszugeben, usw. Heine Nach

[...]

geraten,

Campe

Wille

in der Reinschrift

die öffentliche

Meinung,

dabei sei von den

die Kritik,

erwartenden

Verzweiflung,

Tagen kam

Polizei

Verboten

daß Sie entscheiden

wegbleibt.

ben?' Es wurde ausgemacht,

daß ich es am nächsten Morgen

drückte

er mir eine Rolle

Auflage

in die Hand

Von mehreren vorhergehenden

der ,Neuen

Gedichte'

weiteren Änderungen

Zimmer

Oktober

1844

%u Hamburg

erlitten,

mitteilte.

lesen ge-

ins

erwähnt

[vgl.

wie es gedruckt

auf der Esplanade

S. 3 6 8 , 4 t . worden,

großer deutlicher

sagte: ,Sind Sie schon fertig?

Was sagen Sie denn nun?'

und daß es ^ur Welt gekommen

notwendig weg, nicht aus Rücksicht

auf Thron und Altar,

haben, sondern in Ihrem Interesse und des Gedichts strich sie durch ohne weitere Einwendungen. weil Ahnliches

mal am Davonlaufen

hindern

dürfen Sie nicht beschimpfen

meinen,

so haben Sie auch

hochmütige können

Gecken

Unrecht,

darunter

Sie sich verlassen.'

Mitteilungen

zum Text,

kennt man heut / An

wegen.' [...]

Werken

ich [...]

/ Des Himmels

Ich sagte ihm: ,Das

ben ja weder für ihre Nationalität

IV

noch ihre Religion

Er änderte das Wort Judenhaß'

in , Glaubenshaß'

[Caput

Zum Text,

Opfer einiger reizender,

zu 304,36] usw. Das

196Y. Hamburg

Veto vorlag [vgl. .5. 32f.],

an Heinrich

1967, S. 7—9)

entschiedensten

Am

Heine.

Hrsg.

16. Juli

Anerkenner"

die

war im

modernste

Blit-

war, die ein-

sich nicht für Sie, ein ungebildete

allein

Esel

nicht,

nach

hieß es: / ,Die

Sympathie?

hier für

einer „Ihrer

Da

und darauf

Vers 60; vgl. Enkelbrut

/ Ich: , Was gehen Sie noch die fuden verhöhnen,

Willes Erinnerungen

schickt

strich den Vers / C a p u t I I I , Strophe

zu 302> nach Vers 60]. Kapitel

wo Sie dort den einen Nationalismus

und

wollen, und wenn Sie die Officiere

mögen noch so viele einfältige,

ihrem fudenhasse'

die aber schon Campe's

vorkommt.

sein, aber davon laufen werden sie wahrhaftig Er

müssen

Heine fragte,welche?'

eine Warnung auch vor den hohen Reiterstiefeln könnten.

gemacht,

um die wir uns nicht zu scheeren

auch sonst in seinen

ganzes

Volk

ist. Aber

rief,

[...],[...]

Ich darf aus den mir noch erinnerlichen

hinter den Worten / ,Nur furcht

ze' I ein Vers, dessen Spitze

Bogen

Sie doch heraus' tolle Ding

tapferes

keine hatte,

Hand geschriebenen

und ,So kommen

einige Verse

dritten Kapitel

und

dasselbe

gelesen, und welches

daß ich es zuerst genossen,

anführen,

Hand-

deren die Vorrede %ur ζweiten

Ich freue mich über Sie, über die Welt, über mich, daß Sie das prächtige

folgenden

ich

Nebenzimmer,

als daß die wenigen Verse, gegen welche ich Bedenken

weggeblieben sind. Ich las die von des Dichters

mit

wagen soll

erlösen solle. Ich war mit der später

so rasch durch, daß er, als ich an die Tür pochte scheinbar wie erschrocken

Campes

bei ihm lesen solle. Als

Umarbeitungen,

in

gesprochen

bin — sagte er —

und begab sich [...]

S. 357,1 i f . 7, weiß ich nichts. Gewiß ist, daß das Gedicht, ist, das ich auf Heines

würden

Wann darf ich Ihnen das Manuskript

aus dem ich ihn, sobald ich gelesen, durch Anklopfen schrift allein.

und Bürger

ob man den Druck

und daß, was Sie streichen, ihm kam,

Gedichtjetzt

noch gar nicht

%u mir: ,ich sollen,

Campe

nicht, das

als er mir diese Einwendungen

er indes etwas beruhigter

darüber eins geworden,

des W i n t e r -

(H2)

i86y in seinen „Erinnerungen".

hatte, der da meinte, es ginge wirklich

war in heller

einigen

Wintermährchen

die Heine in Hamburg

berichtete Francois

sei es gewesen, „der Furcht Harnisch

Ein

er-

an? Sie ha-

und warum im

Moment,

einen andern Schwäche

zeigen?'

I V , Vers 36; vgl.

Mitteilungen

aber sehr mutwilliger

Verse, gegen

durfte uns mehr Leid

von Eberhard

Galley. In:

tun."

(Francois

Heine-Jahrbuch

18JI schrieb Wille in einem Brief an Heine

zu diesem Vorgang: „Campe

und Sie

als

überliessen

Entstehung

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mir die Entscheidung was von , Wintermährchen' gedruckt werden könne. Die Art Pathenschaft macht mich noch heute stolz-" (HSΑ Bd. 26, S. 300,uf und S. 300,24—26) Von den von Campe beanstandeten Versen arbeitete Heine die über den königl. Preuß. Adler in Caput III um und strich die über die Hamburger Hülfsgelderkassa in Caput X X I (vgl. Mitteilungen ζum Text, χμ 302,61—j6 und zu 338,41—44). Weiterhin dürfte Heine in dieser Hamburger Zeit in Caput X I V die Verse 81—84 über die Kanonen eingefügt haben, die an den unteren Rand der Seite nachträglich hinzugeschrieben wurden (S. 52.4); außerdem hat er vermutlich in Caput V I I die Strophe über das Befinden der deutschen Seele am Tage (nach Vers 28) und in Caput X X I I (nach Vers 44) die Strophe über den kleinen Meyer aus Hamburg gestrichen, in Caput X X I I I in den Versen 11, 13 und 17 die zunächst mit Sternchen ausgesparten Namen Chauvpie, Wille und Fuchs eingesetzt und in Caput X X V die Tilgung der drei Strophen (Verse 89—100) über den alttestamentlichen Eid wieder aufgehoben, worauf die gleiche Form der Aufhebung mit der gleichen Anweisung (Wird gedruckt.) wie in Caput III bei den Versen 6j—68 hinweist, die im Zusammenhang mit der Umarbeitung der Passage über den preußischen Adler erfolgte (s. 0.; im einzelnen vgl. Mitteilungen zum Text, 324,81—84, 311, nach Vers 28, ΖΜ 341, nach Vers 44, zu 342,11, χμ 342,13 und χμ 342,17; χμ 3JO,88—IOO und χμ 302,61—76). Während des Druckvorgangs nahm Heine dann nochmals Änderungen vor, sie lassen sich durch den Vergleich χ}wischen dem Erstdruck (D1) und der Reinschrift (H2) bestimmen. Es sind mehr als hundert. Sie reichen von der Einfügung von drei neuen Strophen über Änderungen ganzer Strophen, einzelner Verse und Wörter bis %ur Korrektur der Interpunktion (im einzelnen vgl. Mitteilungen zum Text). Die brisanteste Änderung fand dabei in Caput X X I statt, wo Heine die jetzige Schlußstrophe über den fatalen Vogel hinzufügte ( Verse 69—72; S. 339): Verse, für die der Dichter auf eine getilgte Strophe aus Caput III über den königl. Preuß. Adler zurückgriff (vgl. Erläuterungen χμ 3S9>^9~72)< auc^ modifizierte er einige Aussagen über den preußischen König und dessen Politik erneut: Caput X V I I , Verse 43—44, Caput X X I , Verse 47—48, Caput X X V I I , Verse 42—44 (vgl. Mitteilungen zum Text, ζμ 332,42—44, χμ 339,47—48 und χμ 3^4,42—44). Weiterhin fügte Heine an die Stelle der im April in der Reinschrift in Caput X I V ersatzlos gestrichenen Strophe über die Mörder der deutschen Freyheit (vgl. S. 26) mit den Versen 109 bis 112 eine gemilderte Fassung über die Mörder der Jungfrau Germania ein (S. 325), auch ersetzte er die getilgte Strophe über die Hamburger Hülfsgelderkassa durch eine neue, deren Aussage weniger satirisch-kritisch ist ('Caput X X , Verse 41—44; S. 3 3 8J, und er änderte die nicht sehr schmeichelhaften Verse über seinen Onkel Salomon in Caput X X I V (vgl. Mitteilungen zum Text, ζμ 34^,J3—j6). Auf die Interpunktion legte Heine besonderen Wert. So schrieb er unmittelbar nach der Ubersendung des Manuskriptes der Neuen Gedichte am /. Juni an Campe ausdrücklich: Auch sehen Sie darauf daß meine Interpunktzion gewissenhaft befolgt wird. (HSΑ Bd. 22, S. i09,i2f.) Die Ausführung seiner Wünsche konnte Heine durch seine Anwesenheit in Hamburg während des Druckvorgangs dann selbst überwachen. Ein eindrucksvolles Beispielfür die zahlreichen Interpunktionsänderungen noch in den Druckbogen sind die Verse 6j— 66 in Caput X V I (vgl. Mitteilungen zum Text, zu 330,6]— 66).

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Für die Einrichtung des Druckes hatte Heine am /. Juni gegenüber Campe folgenden Wunsch geäußert: Auch im großen Gedicht (DeutschlöW ein Wintermährchen) wird jedesmal wo ein Capitel endet auch eine neue Seite angefangen. [...] Sorgfalt der Correktur, honettes Papier ist jetzt Ihre Sache. (HSΑ Bd. 22, S. 109,13—ij) Die Anordnung der Kapitel erfolgte diesem Wunsch entsprechend, die Korrektur wurde — dank Heines eigener Mitwirkung — sehr sorgfältig gelesen, es finden sich kaum Druckfehler. Die Ausgabe der Neuen Gedichte erschien auf Velinpapier. Sie kostete laut Verlagsanzeige, die auf der Rückseite des Schmutztitels der einzelnen Buchausgaben des Verlages gedruckt wurde, anderthalb Taler. Um einem Nachdruck der Bücher Heines in Frankreich vorzubeugen, hatte Campe den Dichter schon im Jahre 1837 gebeten, einen französischen Buchhändler in Paris als Garanten χμ gewinnen. Bis 1841 war das Eugene Renduel, seitdem Jacques-Julien Dubochet, ihre Firmenadressen wurden auf den Titelblättern jeweils mitgenannt (vgl. Campe an Heine, 29. 7. ι8βγ; HS Α Bd. 2j, Nr. 364; Heine an Campe, //. 9. 1837; HS Α Bd. 21, Nr. 660). Diese erste Auflage und auch die folgende zweite Auflage der Neuen Gedichte haben jeweils den Vermerk „Paris, chez J- J- Dubochet & Cie., rue de Seine, " Er fehlt dagegen auf dem Titelblatt der nach der ersten Auflage der Neuen Gedichte veranstalteten Einzelausgabe des Wintermährchens (vgl. Uberlieferung D1, D2, D3). Campe ließ die Neuen Gedichte, die auf den Seiten 2JJ—421 Deutschland. Ein Wintermährchen enthalten, in Hamburg von H. G. Voigt's Buchdruckerei herstellen, die auch im Impressum genannt wird. Da Heine während des Druckvorgangs im gesamten Text noch zahlreiche Änderungen vornahm, ging der Satz des Buches nur langsam voran: Er begann Ende Juli / Anfang August, wie aus einer Mitteilung Voigts an Heine vom 3. August 1844 auf der Reinschrift des Gedichtes Hortense 4 hervorgeht, das sich im Druck auf Bogen 6 befindet (vgl. Neue Gedichte, Verschiedene, Hortense 4, Entstehung; Bd. 2KI, S. 2j2); erst am 29. August war Bogen 18 erreicht (an diesem Tag übersandte der Verlag die Bogen IJ und 18 — auf letzterem beginnt das Wintermährchen — der Hamburger Zensurkommission), endlich am 10. September lagen dann alle 2j Bogen korrigiert vor (an diesem Tag reichte die Druckerei der gleichen Behörde den vollständigen Abdruck des Wintermährchens ein; vgl. dazu S. 41— S. 44). Am //. September konnte Heine seiner Frau mitteilen: Mon nouveau livre est dejä imprime et sera mis en vente dans une dixaine de jours. (HSΑ Bd. 22, S. i2j,2jf.) Am 14. September kündigte er Detmold das Werk mit den Worten an: In 8 Tagen erscheint bey Campe mein neues Buch, welches zum größ/entheil schon bekannte Gedichte enthält, aber auch ein noch unbekanntes großes Poem von 8 Bogen, die Hauptsache, Spektakel erregend und dasselbe beängstigt mich nicht wenig. [...] Campe soll Ihnen das Buch gleich zuschicken (HSΑ Bd. 22, S. 126,2—j undyfi). Wenige Tage danach, spätestens am 19. September, war das Buch fertiggestellt. Heine schrieb am 20. September an Detmold: Mein Buch, das ich Ihnen durch den Postwagen sannte [...] werden Sie gewiß richtig erhalten haben. Hier wird es noch 8 bis 10 Tagen nicht ausgegeben und Campe will nicht daß es ins Gerede komme ehe es überallhin verschickt. Daher noch immer Verschwiegenheit. ( H S A Bd. 22, S. 129,1—/) Detmold bestätigte in seiner Antwort vom 22. September den Emp-

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fang der Neuen Gedichte, die er „verschlungen" habe (HSA Bd. 26, S. 109,24). Und am 21. September schrieb Heine an Karl Marx: Mein Buch ist gedruckt wird aber erst in 10 bis 14 Tagen hier ausgegeben, damit nicht gleich Lärm geschlagen wird. (HSA Bd. 22, S. ißo,ißf.) Campe gab die Exemplare brisanter Werke in Hamburg meist zuletzt aus, damit der Verkaufstag in allen Bundesländern etwa der gleiche war und so eine vorauszusehende Beschlagnahme wesentlich erschwert wurde. Ab 26. September versandte Heine die ersten Widmungsexemplare der Neuen Gedichte (vgl. HS Α Bd. 22, Nr. io)o und Nr. 1031—103J). Es kann daher angenommen werden, daß die Auslieferung bzw. der Verkauf des Buches, wie angekündigt, in den letzten Septembertagen begann: So berichtete der preußische Gesandte in Hamburg am 1. Oktober nach Berlin über die „soeben hier bey Η off mann und Campe erschienenen neuen Gedichte von H. Heine", am 3. Oktober legte die Berliner Buchhandlung Gärtner dem preußischen Innenministerium ein Exemplar %ur Begutachtung vor (Preußisches Geheimes Staatsarchiv, Berlin; Historische Abteilung II, Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Rep.4, Nr. 233, Bl. 11, und Ministerium des Inneren, Rep.Sj, Bl. 111), und bereits am 8. Oktober konnte der Dichter seiner Frau schreiben: Mon livre a un succes fou. (HSΑ Bd. 22, J 3J,37) Uber den zu erwartenden Absatζ des Buches hatte sich Heine bereits im Brief vom /. Juni 1844 an Campe optimistisch geäußert: Das Gedicht aber ist eben von der Art, daß es, allein gedruckt, gewiß mehr Absatz finden dürfte als die Sudeleyen eines Hoffmann v. Fallersleben, die nur durch Stofflichkeit und Zeitbeziehungen reitzen, welche hier trotz des poetischen Werths, reichlich überboten werden. (HSA Bd. 22, S. 109,29—33) Campe ließ, um die Nachfrage nach den Neuen Gedichten noch steigern, einen Teil der Auflage mit einem anderen Titelblatt versehen, das bei fast gleicher typographischer Gestaltung den Vermerk „Zweite Auflage" trägt (vgl. Überlieferung D1). Doch der Absatz war so groß, daß Campe schon knapp vier Wochen nach der ersten eine echte zweite Auflage (D}) veranstalten konnte (vgl. da^u S.

44-46).

Zur Auflagenhöhe gibt es mehrere zeitgenössische Quellen: Einmal drei Meldungen, die auf gezielte Informationen des Verlegers zurückgehen, zum anderen die überlieferten Rechnungen verschiedener Hamburger Buchbinderwerkstätten für den Verlag „Hoffmann & Campe" (Ehemals Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Deutsches Buchund Schriftmuseum der Deutschen Bücherei, Leipzig)· Die erste Meldung ist in einer anonym in den „Grenzboten" vom 2j. Oktober 1844 erschienenen Korrespondenz ttAus Hamburg" über Heine enthalten, sie stammt vermutlich von dem Publizisten Joseph Mendelssohn. In ihr heißt es u. a., daß der Autor von Campe, „der in solchen Dingen kein Renommist scheint", erfahren habe, daß „Heine's ,Neue Gedichte'" „mehr Glück" machen, „als irgend eine seiner früheren Productionen. Die erste Auflage von dreitausend Exemplaren konnte schon nach vierzehn Tagen den zahlreichen Bestellungen nicht mehr genügen, und schon befindet sich eine zweite, um tausend Exemplare stärkere, bei Vogt in Wandsbeck, unter der Presse. " (3. Jg., Bd. 2, Nr. 43, S. 186) Die zweite Meldung veröffentlichte die in Frankfurt am Main erscheinende „Didaskalia" am 29. Oktober 1844, ebenfalls anonym. Die Notiz lautet'· „Heine's neue Gedichte haben auf dem Büchermarkte ein

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Aufsehen erregt, wie keins derfrüheren Werke desselben Verfassers. Eine Auflage von ßooo Exemplaren ist bereits vergriffen, und eine neue, welche 4000 Exemplare stark wird, befindet sich unter der Presse." (Nr. 249, S. β) Und am 4. November 1844 erschien in dem gleichen Organ, das den Untertitel „Blätterfür Geist, Gemüth und Publizität" führte, eine weitere anonyme „Korrespondent' aus „Hamburg, im Oct." In ihr heißt es: „Die bei Hoffmann und Campe jüngst erschienenen, jetzt in mehreren Bundesstaaten bereits verbotenen ,Neuen Gedichte' von H. Heine haben viel reden gemacht, wie es erwarten stand. [...] Der Verleger Campe freut sich außerordentlich, daß das Verbot der Gedichte gekommen und erst jetzt gekommen ist, wo die ;ooo(?) Exemplare schon in die Welt gewandert und gelesen sind: denn nichts reizt den Käufer mehr, als ein Verbot." (Nr. ßoj, S. 4) Die beiden Angaben über „ßooo Exemplare" für die erste Auflage werden durch die Buchbinderrechnungen allerdings nicht bestätigt: So sind dem Verlag von den Buchbindereien von „Heine's neuen Gedichten" im September 1844 nur 1000 Exemplare in Rechnung gestellt worden, und ^war von H. Bechstein am 20. September und von A. Barnbrock am 21. September je joo Exemplare. Weitere fünf Rechnungen liegen erst wieder aus der Zeit vom 2ß. bis ßo. Oktober vor, sie sindjedoch alle nach dem von Campe angeführten Auslieferungstag der echten ^weiten Auflage, dem 21. Oktober (vgl. da%u im einzelnen S. 4;), ausgestellt, wobei ^wei von ihnen, die vom 26. Oktober von C. D. L. Kleißen und die vom 29. Oktober von Barn brock, auch ausdrücklich diese zweite Auflage nennen. Die in den „Grenzboten" und in der „Didaskalia" genannte Auflagenhöhe ergibt sich nur dann, wenn zf* den Exemplaren der ersten Auflage die der Einzelausgabe des Wintermährchens, die 20jo Exemplare betrug (vgl. dazu S. 44), dazu gezahlt werden. Deshalb dürfte die zweite Angabe in der „Didaskalia" vom 4. November über „jooo(?) Exemplare", die zwar mit einem FrageZeichen versehen wurde, dennoch die richtige Gesamtauflagenhöhe der Neuen Gedichte bezeichnen. Von der ersten Auflage der Neuen Gedichte wurden demnach tatsächlich nur 1000 Exemplare gedruckt. Schon bei der Ankündigung der Neuen Gedichte im Brief vom 14. September hatte Heine Detmold gebeten, eine positive Rezension der Neuen Gedichte zu schreiben: Da das Opus nicht bloß radikal revolu2ionär, sondern auch antinazional ist, so habe ich die g a n z e P r e s s e natürlich gegen mich, da letztere entweder in Händen der Autoritäten oder der Nazionalen steht und von den unpolitischen Feinden, von rein literarischen Schuften, unter allerley Masken zu meinem Schaden ausgebeutet werden kann. [...] ich erwarte viel von Ihrer thätigen Klugheit. Thun Sie hier schnell das Mögliche direkt und durch Vermittlung von Freunden. Zunächst aber schreiben Sie einen bedeutend?« Artikel über das Buch für den Hamburger Correspondenten und schicken Sie denselben sobald als möglich hierher an Campe; hierdurch werde ich gleich hier etwas gedeckt. Weiterhin erbat Heine Vorschläge für Rezensenten, die Artikel für die Allgemeine Zeitung' und für die „Kölnische Zeitung" schreiben könnten. Heine Schloß seinen Brief: Ich bitte Sie helfen Sie mir und bald. Helfen Sie in der Gegenwart. Für die Zukunft des Buches hab ich selbst gesorgt. (HSΑ Bd. 22, S. 126,;—% 14—18 und22—24) Am 20. September schrieb Heine erneut an Detmold, wobei er seinen Wunsch nach drei Artikeln bekräftigte: einen für den hamb#rgir Correspondenten, der ihm in diesem

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A u g e n b l i c k das w i c h t i g s t e O r g a n sei, weiterhin e i n e n g r o ß e n , m i t A u s z ü g e n g e s p i c k t e n A r t i k e l f ü r die K ö l l n e r Z e i t u n g sowie f ü r die Allgemeine "Leitung e i n e n t ü c h t i g e n Artikel. Als ^weiten Rezensenten schlug der Dichter dabei den Journalisten Georg Eckermann vor. Durch diese Artikel sei er dann a u f d e n drey H a u p t p u n k t e n g e d e c k t u n d es ist s c h o n P o s t o g e f a ß t w e n n die F e i n d e a n m a r s c h i r e n . ( H S A Bd. 22, S. 129,9—12 und S. 129,22—26) Detmold antwortete darauf am 22. September: „Gleich unmittelbar nach dem ersten Lesen schrieb ich eine Anzeige für den Hamburger Correspondenten und habe diese auch sofort an Runkel abgeschickt." Weiterhin wolle er Eckermann für einen Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung" gewinnen, selbst für „die Köln. Z. [...] in den nächsten Tagen einen ausführlichen Artikel schreiben und [...] dann in andren Zeitungen kleine Notizen und dgl. nachfliegen laßen. Uebrigens wird Alles dieses in doppelter Beziehung unnöthig und unnüt£ sein. Denn dem Buche ist durch Lob nicht helfen, durch Tadel nicht schaden. [...] das Buch wird eine ungeheure Sensation machen, einen Aufschrei erregen wie noch kein anderes Buch, vor solcher Sensation (im guten und bösen Sinne) schütten aber weder Precautionen Ihrer Seits, noch Machinationen von Seiten Ihrer Feinde." (HSΑ Bd. 26, S. 109,26—28, S. 110,11—IJ und S. 110,36—39) Detmolds Anzeige wurde in der „Staats- und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten" am 8. Oktober 1844 gedruckt, dagegen ist kein Artikel in der „Kölnischen Zeitung" erschienen. Die Allgemeine Zeitung' brachte schon am 14. Oktober eine umfangreichere Besprechung, die allerdings nicht, wie gewünscht, von Detmold oder Eckermann, sondern von Joseph Altenhöfer verfaßt war und abwertend ausfiel (vgl. C a p u t III, Erläuterungen 301,42—44). Dennoch äußerte sich Heine am 19. Oktober gegenüber Campe befriedigt darüber: D i e A l l g emeine Z e i t ung h a t sich s e h r k l u g b e n o m m e n u n d w i d m e t mir e i n e n A r t i k e l , d e r t a d e l n d ist, a b e r a u f das B u c h die A u f m e r k s a m k e i t lenkt; m a n sieht es ist k e i n e Camerader/>. (HSA Bd. 22, S. 138,17—19) In der gleichen Angelegenheit hatte Heine am 21. September 1844 auch an Marx nach Paris geschrieben: D i e A u s h ä n g e b o g e n des p o l i t i s c h e n T h e i l s , n a m e n t l i c h w o m e i n g r o ß e s G e d i c h t , s c h i c k e ich I h n e n h e u t e unter K r e u z k o u v e r t , in d r e y f a c h e r A b sicht. N e m l i c h , e r s t e n s d a m i t Sie sich damit a m ü s i r e n , z w e i t e n s d a m i t Sie s c h o n g l e i c h A n s t a l t e n t r e f f e n k ö n n e n f ü r das B u c h in d e r d e u t s c h e n P r e s s e z u wirken, und drittens d a m i t Sie, w e n n Sie es r a t h s a m e r a c h t e n im V o r w ä r t s das B e s t e aus d e m n e u e n G e d i c h t e a b d r u c k e n lassen k ö n n e n . [ . . . ] D e n A n f a n g des B u c h s b r i n g e ich I h n e n n a c h Paris mit, d e r nur aus R o m a n z e n u n d B a l l a d e n b e s t e h t , die Ihrer F r a u g e f a l l e n w e r d e n . [ . . . ] S c h r e i b e n Sie d o c h an H e ß ( d e s sen A d d r e s s e ich n i c h t w e i ß ) d a ß er am R h e i n , s o b a l d i h m m e i n B u c h z u G e sicht k o m m t , A l l e s w a s er v e r m a g in der P r e s s e d a f ü r t h u e , ehe die B ä r e n d r ü b e r h e r f a l l e n . I c h bitte n e h m e n Sie a u c h J u n g h in A n s p r u c h f ü r e i n e n H ü l f s a r t i k e l . — (HSΑ Bd. 22, J. 130,14—20, J". 130,27—131,1). In einem Brief an Campe vom 7. Oktober 1844 ließ Marx Heine für die Ubersendung der Aushängebogen danken: „Ist Heine noch in Hamburg, so sagen Sie ihm gefälligst meinen besten Dank für die übersandten Gedichte; ich hätte sie bisher noch nicht angezeigt, weil ich den ersten Teil, die Balladen, gleicher Zeit anzeigen will. " (Karl Marx / Friedrich Engels, Gesamtausgabe



Deutschland. Ein Wintermährchen

[MEGA]. Dritte Abteilung: Briefwechsel. /. Bd., Berlin i