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German Pages 321 [326] Year 2016
Larissa Düchting
Heiligenverehrung in Süditalien Studien zum Kult in der Zeit des 8. bis beginnenden 11. Jahrhunderts
Geschichte Franz Steiner Verlag
Beiträge zur Hagiographie 18
Larissa Düchting Heiligenverehrung in Süditalien
Beiträge zur HagiograpHie herausgegeben von Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, Volker Honemann und Hedwig Röckelein Band 18
Larissa Düchting
Heiligenverehrung in Süditalien Studien zum Kult in der Zeit des 8. bis beginnenden 11. Jahrhunderts
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Satz & Druck: Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11506-3 (Print) ISBN 978-3-515-11507-0 (E-Book)
Meinen Eltern
VORWORT Die vorliegende überarbeitete Untersuchung wurde im Rahmen der DFGForschergruppe 1533 „Sakralität und Sakralisierung in Mittelalter und früher Neuzeit. Interkulturelle Perspektiven zwischen Europa und Asien“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Titel „Heilige zwischen Ost und West. Studien zur Verehrung im Süditalien des 8. bis 11. Jahrhunderts“ erstellt und 2015 eingereicht. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Klaus Herbers ausdrücklich danken, der mich während des Studiums und in der Zeit der Doktorarbeit unterstützte und förderte. Die positive Zusammenarbeit war der Erstellung dienlich. Prof. Dr. Felicitas Schmieder übernahm das Zweitgutachten der Arbeit, nachdem sie ein halbes Jahr in Erlangen verbracht hatte. Ihre kritischen Anmerkungen zu meiner Arbeit brachten viele Ideen erst auf. Auch Prof. Dr. Hartmut Matthäus, der sich bereit erklärt hat, als dritter Prüfer im Verfahren zu fungieren, danke ich sehr, sowohl für diese Tätigkeit als auch für seine Bereitschaft, sich stets eines Themas anzunehmen, das nicht der Archäologie entstammt. Das Deutsche Historische Institut in Rom stellte mir für Forschungszwecke ein Gästezimmer zur Verfügung und dank der umfangreichen Bibliothek und des Austauschs mit den Kollegen konnten in dieser Zeit große Fortschritte in der Arbeit erreicht werden. Besonderer Dank gilt meinen Korrekturlesern Andrea Beck und Katharina Götz die mich nicht nur als Kollegen, sondern auch als Freunde unterstützen. Kristina Fleischmann, Verena Forster, Lisa Walleit und Judith Werner lasen ebenfalls einige Teile. Herrn Prof. Dr. Johannes Hahn (Universität Münster) danke ich für viele Diskussionen und seine kritischen Anmerkungen zur Einführung. Laura Geyer und Sabrina Späth nahmen es am Ende auf sich, das gesamte Werk zu lesen, wofür ihr nicht genug gedankt werden kann. Weiterhin ist Christian Gürtler und Sebastian Wiesneth zu danken, die mir bei der Endredaktion und dem Register tapfer zur Seite standen. Weitere Kollegen und Freunde standen mir mit Rat und Hilfe zur Seite, von denen Claudia Alraum, Thorsten Schlauwitz und Sebastian Watta zu nennen sind, aufgrund ihrer Bereitschaft, über verschiedene Aspekte der Heiligenverehrung zu diskutieren, mir bei Computerproblemen zu helfen und weil sie generell immer da waren, wenn ich Beistand brauchte. Ohne zahlreiche Freunde außerhalb des Lehrstuhls wäre es ebenfalls nicht möglich gewesen diese Arbeit in dieser Form zu erarbeiten, wofür ich ihnen besonders danken möchte. Zu nennen sind hier Thomas Albert, Daniel Bocheneck, Daniel Farhoumand, Christiane Haas, Stefanie und Robert Nawracala, Kerstin Neumann, Christoph Schmid und Veronika Schreck.
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Vorwort
Meinen beiden Schwestern Sabrina und Gwendolyn danke ich für die moralische Unterstützung und die Bereitschaft, einzelne Kapitel ebenfalls zu korrigieren. Der letzte ausdrückliche Dank geht an meine Eltern, die mich sowohl während des Studiums als auch der Promotionszeit kontinuierlich unterstützten und mir bei jedem Problem zur Seite standen. Ihnen sei dieses Werk gewidmet.
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ........................................................................................................
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ....................................................................... 11 1. HEILIGENVEREHRUNG IM MULTIKULTURELLEN RAUM SÜDITALIENS – EINE EINFÜHRUNG...................................................... 13 2. HEILIGEN- UND RELIQUIENKULT – ENTWICKLUNGEN UND FORSCHUNGSTENDENZEN ..................................................................... 25 3. DIE HERRSCHAFTLICH-KULTURELLE STRUKTUR SÜDITALIENS
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3.1 Benevent – Eine langobardische Hauptstadt .......................................... 41 3.2 Neapel – Eine griechische Stadt in Süditalien ....................................... 46 3.3 Bari – Die umkämpfte Stadt................................................................... 49 4. DAS QUELLENKORPUS ............................................................................ 54 4.1 Hagiographische Quellen ....................................................................... 4.1.1 Beneventanische hagiographische Werke ................................... 4.1.2 Die drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino....................... 4.1.3 Das sogenannte Martyrologium des Erchempert ........................ 4.1.4 Hagiographische Texte in Neapel ............................................... 4.1.5 Der Marmorkalender von Neapel ................................................ 4.1.6 Baresische Kalendarien ............................................................... 4.2 Liturgische Quellen ................................................................................ 4.3 Historiographische Quellen....................................................................
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5. DIE SAKRALBAUTEN ................................................................................ 81 5.1 Beneventanische Gebäude ..................................................................... 83 5.2 Neapolitanische Gebäude ....................................................................... 88 5.3. Baresische Gebäude ............................................................................... 92 6. TRANSLATIONEN UND LOKALE HEILIGE ........................................... 94 6.1. Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent .. 95 6.1.1. Die Zeit Arichis’ II. (758–787) ................................................... 96 6.1.2. Die Umbruchszeit des beginnenden 9. Jahrhunderts .................. 118
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Inhaltsverzeichnis
6.1.3. Fazit ............................................................................................. 6.2. Zwischen Rom und Byzanz: Neapel und seine Heiligen ....................... 6.2.1. Eine frühe Verehrung der neapolitanischen Bischöfe ................. 6.2.2. Die Zeit Stephanus’ II. (767–799/800) – Translationen im Bilderstreit ................................................................................... 6.2.3. Die Heiligenverehrung im 9. und 10. Jahrhundert ...................... 6.2.4. Fazit ............................................................................................. 6.3. Die Heiligen Baris – ein Quellenproblem? ............................................ 6.3.1. Der heilige Sabinus von Canosa und seine Verehrung in Bari ... 6.3.2. Exkurs: Der heilige Nikolaus von Myra ..................................... 6.3.3. Fazit ............................................................................................. 6.4. Translationen im Angesicht der Sarazenen ............................................ 6.4.1. Von Lipari nach Benevent – Der Apostel Bartholomäus ............ 6.4.2. Gefahr an der Küste – Die Überführung der Gebeine der Heiligen Severinus und Sosius nach Neapel ............................... 6.4.3. Fazit ............................................................................................. 6.5. Fazit: Formen und Wandel der lokalen Heiligenverehrung ...................
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7. KULTÜBERNAHME UND DISTANZ – HEILIGE IN DEN LOKALEN KALENDARISCHEN WERKEN ................................................................. 219 7.1. Gemeinsame Heilige .............................................................................. 7.1.1. Der Erzengel Michael ................................................................. 7.1.2. Werke über die gemeinsam verehrten Heiligen .......................... 7.2. Beneventanische Heilige ........................................................................ 7.3. Neapolitanische Heilige ......................................................................... 7.3.1. Werke über Heilige mit kalendarisch belegter neapolitanischer Verehrung .................................................................................... 7.3.2. Werke über Heilige ohne kalendarisch belegte Verehrung......... 7.4. Fazit: Allgemeine Verehrung und lokale Tradition ...............................
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8. GESAMTFAZIT ............................................................................................ 272 9. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ......................................... 280 9.1. Edierte Quellen ...................................................................................... 280 9.2. Lexika und Regestenwerke .................................................................... 284 9.3. Literatur .................................................................................................. 285 VERZEICHNIS DER ORTS- UND PERSONENNAMEN ............................... 315
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AASS AfD AKG Anm. Ap. Art. Bd. Bde. bes. BN bspw. BHG BHL Const. Ebd. Ep. f. ff. FMST gr. hg. v., Hg. HZ JL m. MGH MIÖG Mon. Ms. Patr. PL pp QFIAB S. S. Sp. SS.
Acta Sanctorum Archiv für Diplomatik Archiv für Kulturgeschichte Anmerkung Apostel Artikel Band Bände besonders Biblioteca Nazionale di Napoli beispielsweise Bibliotheca Hagiographica Graeca Bibliotheca Hagiographica Latina Konstantinopel Ebenda Episcopus folgende Seite die nächsten beiden folgenden Seiten Frühmittelalterliche Studien griechisch herausgegeben von, Herausgeber Historische Zeitschrift Jaffé-Loewenfeld, Regesta pontificum Romanorum (1888) mit Monumenta Germaniae Historica Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Monachus Manuscriptum Patriarch Patrologiae cursus completus accurante Jaques-Paul MIGNE, Series Latina (1844) Papst Quellen und Forschungen aus italienischen Archien und Bibliotheken San, Sanctus, Sancti, Sancto, Sante u. ä. Seite Spalte Sancti, Sanctis, Sanctorum, Sanctos u. ä.
12 u. a. u. ä. v. a. Vgl.
Abkürzungsverzeichnis
unter anderem, und andere [Orte; Herausgeber] und ähnlich, und ähnliches vor allem Vergleiche
1. HEILIGENVEREHRUNG IM MULTIKULTURELLEN RAUM SÜDITALIENS – EINE EINFÜHRUNG Die Insel Lipari, auf der die Gebeine des Apostels Bartholomäus verehrt wurden, sei überraschend von Sarazenen1 überfallen worden; diese hätten das Grab des Heiligen aufgebrochen und seine sterblichen Überreste auf der Insel zerstreut. Doch bedeutete diese Handlung der Sarazenen nicht das Ende der Verehrung des Heiligen, da – laut dem Translationsbericht – der Jünger Christi in einer Vision einem griechischen Mönch erschienen sei, welchen er aufgefordert habe, seine Gebeine einzusammeln.2 Da die Sarazenen die Gebeine des Heiligen auf Lipari verteilt hatten, sei es dem Mönch unmöglich gewesen, die sterblichen Überreste zu finden, die tatsächlich zum Apostelleichnam gehörten. Doch Bartholomäus habe seine Gebeine schließlich in der Nacht wie Feuer strahlen lassen, sodass der Mönch durch dieses Wunder in der Lage gewesen sei, die Reliquien aufzuheben und in einem Behältnis zu verwahren. Als die Reliquien daraufhin auf einem amalfitanischen Schiff von der Insel weggebracht werden sollten, sei dieses von sarazenischen Booten umzingelt worden. Daraufhin habe der Apostel für eine völlige Finsternis gesorgt, damit die Reliquien unbehelligt in das langobardische Benevent gebracht werden konnten.3 Diese Ereignisse wurden in einem Translationsbericht des Apostels Bartholomäus aus dem 10. Jahrhundert für Leser und Hörer festgehalten.4 Die Überführung der Gebeine des Apostels Bartholomäus war also laut dem Bericht vorgenommen worden, weil die Reliquien nicht mehr sicher an ihrem ursprünglichen Ort verbleiben konnten beziehungsweise durch die Schändung des Grabes keine angemessene Verehrung mehr möglich war. Translationen, also die Übertragung von Heiligengebeinen, wurden aber nicht nur wie im geschilderten Falle in Gefah1
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Der Begriff „Sarazenen“ ist in der Forschung umstritten, wird aber in dieser Arbeit verwendet, da es sich um den Terminus handelt, der in den mittelalterlichen Quellen vornehmlich verwendet wurde. Weitere häufig genannte Bezeichnungen sind Agarener oder auch Hismaeliten. Vgl. Ekkehart ROTTER, Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter (Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients, 11), Berlin und New York 1986, S. 1; Sven DÖRPER, Zum Problem der Herkunft des Völkernamens Saraceni, in: Neue Romania 14 (1993), S. 91–108. Vgl. Translatio corporis sancti Bartholomei Apostoli Beneventum et Miracula, in: Anastasius Bibliothecarius sermo Theodori Studitae de sancto Bartholomeo Apostolo (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 9), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Lund 1963, S. 8–17, hier S. 10. Vgl. Ebd., S. 12. Zur Verehrung des Apostels siehe Kapitel 6.4.1. Vgl. Translatio corporis sancti Bartholomei, S. 10.
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Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
rensituationen vorgenommen, sondern auch, um die Verehrung des jeweiligen Heiligen innerhalb eines Ortes besser zu ermöglichen. Translationen sind somit ein Indiz für die Verehrung von Heiligen.5 Da in keinem anderen Zeitalter Heilige eine derartige Verehrung wie im Mittelalter fanden, ist deren Erforschung vor allem in dieser Epoche geboten.6 Dies gilt besonders, da die Verehrung im kulturellen und sozialen Umfeld verankert ist und somit Rückschlüsse auf die Gesellschaft möglich sind.7 Die vorliegende Untersuchung hat es sich daher zum Ziel gemacht, Kenntnisse über die Entwicklung der Heiligenverehrung in Süditalien zu gewinnen – einem Gebiet, das sich durch unterschiedliche Kulturen und Traditionen auszeichnet.8 Besonderes Augenmerk soll darauf liegen, ob die Heiligenverehrung in diesem Kontakt- und Konkurrenzbereich einen verbindenden oder trennenden Charakter zwischen den verschiedenen Gemeinschaften darstellte. Aus den mittelalterlichen Werken über Heilige und ihre Übertragungen können besonders viele Erkenntnisse über Kultaktivitäten und Kultureinflüsse9 gezogen werden – Phänomene, die im Zentrum der folgenden Arbeit stehen. 5
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Vgl. Martin HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen des Reliquienkultes (Typologie des sources du moyen âge occidental, 33), Turnhout 1979, S. 44ff. Grundsätzlich gilt zu beachten, dass die Heiligen vor Ort weniger abstrakt auf die Menschen wirkten als theologische Debatten über den rechten Glauben und seine Umsetzung. Vgl. Patrick J. GEARY, Furta Sacra. Thefts of Relics in Central Middle Ages, New Jersey 1990, S. 34. In einer Untersuchung über die Heiligenverehrung geht es nicht um die Beurteilung der Echtheit der Reliquien, sondern eher darum, herauszufinden, was der Heilige für die Menschen bedeutete. Vgl. Heinrich FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, in: MIÖG 60 (1952), S. 60–159, hier S. 63; Klaus HERBERS, Leo IV. und das Papsttum in der Mitte des 9. Jahrhunderts. Möglichkeiten und Grenzen päpstlicher Herrschaft in der späten Karolingerzeit (Päpste und Papsttum, 27), Stuttgart 1996, S. 359. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 14. So definierte beispielsweise Mircea ELIADE das Heilige in Gegensatz zum Profanen. Vgl. Mircea ELIADE, Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte, Frankfurt am Main 1986, S. 21. Ebenso begegnet die Betrachtung des Heiligen in der Forschung zu diesem Themengebiet als etwas Numinoses. Vgl. Rudolf OTTO, Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen (Beck’sche Reihe, 328), 4. Auflage, München 2004, S. 5ff. Das Heilige existiert zudem in verschiedenen Erscheinungsformen, es kann sich dabei um Personen, Dinge, Räume und Rituale handeln. Vgl. Johan LEEMANS, Flexible Heiligkeit. Der Beitrag der Märtyrer zur Identitätskonstitution christlicher Gemeinden im griechischen Osten im 4. Jahrhundert, in: Heilige, Heiliges und Heiligkeit in spätantiken Religionskulturen (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, 61), hg. v. Peter GEMEINHARDT/Katharina HEYDEN, Berlin und Boston 2012, S. 205–227, hier S. 205. Vgl. Horst KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur in Süditalien. Studien zur Begegnung zwischen Byzanz und dem Abendland im religiösen und geistigen Leben Unteritaliens (900– 1250), Göttingen 1964. Kultur wird in der vorliegenden Arbeit als „die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der WertEinstellungen“ verstanden. „Wesentliche Ansatzpunkte zur Abgrenzung sind Einheit der Sprache, der moralischen Anschauungen, der Lebensgewohnheiten und sozialen Gebildefor-
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Gemeinsame Heiligenverehrung schuf Identität und förderte das Zusammengehörigkeitsgefühl,10 da die Feiern Zusammenkünfte jenseits des Standes oder der Herkunft ermöglichten.11 In den Festen repräsentierten sich die Christen als Einheit, was für den Zusammenhalt der Gemeinde von entscheidender Bedeutung war.12 Die Heiligenverehrung wurde zur Tradition und damit zum Symbol der eigenen Geschichte.13 Das Ansehen einer Gemeinde war von der Anzahl und der Art der Reliquien abhängig, die sie bei sich beherbergte.14 Mittels Berührungsreliquien und kleinster Partikel der Heiligen wurde deren Kult durch Translationen ausgebreitet, was sich auch in den Kalendarien widerspiegelte, die im Laufe der Zeit immer mehr Heiligennamen führten.15 Als heilig werden im christlichen Glauben diejenigen Menschen angesehen, denen aufgrund ihrer Lebensführung oder ihres Todes eine besondere Stellung bei Gott beigemessen wird.16 Zu Beginn des Christentums galten alle Getauften als Heilige,17 allerdings konnten diese durchaus ein sündhaftes Leben führen, weswegen sich die Charakterisierung ‚heilig‘ mehr und mehr auf die herausragenden und besonders frommen Christen bezog: zunächst auf die Märtyrer, später auch auf die
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men.“ Wilhelm E. MÜHLMANN, Kultur, in: Wörterbuch der Soziologie (Kröners Taschenausgabe, 410), hg. v. Günter HARTFIEL, Stuttgart 1972, S. 362–364, hier S. 363. Vgl. Wolfgang SCHMID, Zwischen Frömmigkeit und Politik. Reliquien im Mittelalter. Das Beispiel Erzbischof Egberts von Trier, in: Medien des Wissens. Interdisziplinäre Aspekte von Medialität, hg. v. Georg MEIN/Heinz SIEBURG, Bielefeld 2011, S. 65–97, hier S. 66. Vgl. Ebd., S. 66. Vgl. Arno SCHILSON, Fest und Feier in anthropologischer und theologischer Sicht, in: Liturgisches Jahrbuch 44 (1994), S. 3–32, hier S. 7. Vgl. SCHMID, Zwischen Frömmigkeit und Politik, S. 66. Vgl. Bernhard KÖTTING, Die Anfänge der christlichen Heiligenverehrung in der Auseinandersetzung mit Analogien außerhalb der Kirche, in: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Peter DINZELBACHER/Dieter R. BAUER, Ostfildern 1990, S. 67–80, hier S. 87. Vgl. Arnold ANGENENDT, Art. Patron, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 1806–1808, hier Sp. 1807. Vgl. Dieter von der NAHMER, Die Lateinische Heiligenvita. Eine Einführung in die lateinische Hagiographie, Darmstadt 1994, S. 146f. Vgl. Peter GEMEINHARDT, Die Heiligen der Kirche – die Gemeinschaft der Heiligen, in: Heilige, Heiliges und Heiligkeit in spätantiken Religionskulturen (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, 61), hg. v. Peter GEMEINHARDT/Katharina HEYDEN, Berlin und Boston 2012, S. 385–414, besonders S. 395–405. Ursprünglich war der christliche Glaube nicht auf den Kult von Reliquien oder Heiligen ausgerichtet. Vgl. Martin OHST, Beobachtungen zu den Anfängen des christlichen Heiligenkultus, in: Frömmigkeitsformen in Mittelalter und Renaissance (Studia humaniora, 37), hg. v. Johannes LAUDAGE, Brühl 2004, S. 9–28, hier S. 26f. So besagte die gängige Lehrmeinung, dass nicht der eigene Leib in dieser Welt entscheidend sei, sondern dass nach dem Tod die Seele einen neuen überirdischen Leib erhalte. Vgl. Arnold ANGENENDT, Liturgie im Mittelalter, in: Präsenz und Verwendung der Heiligen Schrift im christlichen Frühmittelalter: exegetische Literatur und liturgische Texte (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien, 20), hg. v. Patrizia CARMASSI, Wiesbaden 2008, S. 211–238, hier S. 225. Daher fanden die Gebeine der Toten zunächst keine größere Verehrung.
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Asketen und Confessoren.18 Teilweise wurde der Begriff sanctus in der Spätantike und im frühen Mittelalter auch als Bezeichnung für einen frommen Menschen verwendet, für Angehörige einer religiösen Gemeinschaft oder auch als Titel für eine Person mit kirchlichem Rang.19 Die Kanonisierung eines Heiligen war erst seit dem vierten Laterankonzil 1215 an die Bestätigung durch den Papst gebunden,20 während es zuvor keiner besonderen Anerkennung von Seiten der Kirche bedurfte: allein aufgrund seiner Verehrung wurde eine Person in den Kreis der Heiligen aufgenommen (per viam cultus).21 Als Untersuchungsraum der vorliegenden Arbeit wurde Süditalien gewählt, da es sich bei dieser Region um ein Gebiet handelt, in dem unterschiedliche kulturelle Strömungen vorhanden waren, die einander fördern, zugleich aber auch zu einer Abgrenzung führen konnten.22 Der Süden Italiens, der in der Antike die Be-
18 Vgl. Arnold ANGENENDT, Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, 68), München 2003, S. 30; GEMEINHARDT, Peter, Die Heiligen (Beck’sche Reihe, 2498), München 2010, S. 28. 19 Vgl. Günter BERNT, Hagiographie, in: Hagiographie und Kunst, hg. v. Gottfried KERSCHER, Berlin 1993, S. 25–31, hier S. 25. 20 Vgl. Les conciles oecuméniques. Les décretes. Tome II-1. Nicée I à Latran V, Paris 1994, S. 560, Constitutione 62. 21 Vgl. Theodor KLAUSER, Christlicher Märtyrerkult, heidnischer Heroenkult und spätjüdische Heiligenverehrung (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen / Geisteswissenschaften, 9116), Köln u.a. 1960, S. 28; Bernhard SCHIMMELPFENNIG, Heilige Päpste – päpstliche Kanonisationspolitik, in: Papsttum und Heilige. Kirchenrecht und Zeremoniell. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Georg KREUZER/Stefan WEIß, Neuried 2005, S. 379– 408, S. 380; GEMEINHARDT, Die Heiligen, S. 78. Die Verehrung von Heiligen war im frühen und hohen Mittelalter noch nicht eindeutig reglementiert. Die erste Form einer Heiligsprechung durch den Papst als oberste kirchliche Instanz liegt erstmals am Ende des 10. Jahrhunderts vor, als Papst Johannes XV. (985–996) Bischof Ulrich von Augsburg (923–973) im Jahr 993 heiligsprach. Dieser Vorgang fand in Form einer Bulle statt, welche die Einwilligung des Papstes zur „Heiligwerdung“ enthielt. Das Vorgehen des Papstes hatte aber keine weiteren Folgen, da die Approbation zu diesem Zeitpunkt nicht grundsätzlich von Rom erfolgen musste und das Papsttum keine dementsprechenden Kompetenzansprüche formulierte. Vgl. Markus RIES, Heiligenverehrung und Heiligsprechung in der Alten Kirche und im Mittelalter. Zur Entwicklung des Kanonisationsverfahrens, in: Bischof Ulrich von Augsburg 890–973. Seine Zeit – sein Leben – seine Verehrung. Festschrift aus Anlaß des tausendjährigen Jubiläums seiner Kanonisation im Jahre 993 (Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte e. V., 26/27), hg. v. Manfred WEITLAUFF, Weißenhorn 1993, S. 143–168, hier S. 149. Auch in der Zeit danach war die Kanonisation von Seiten der Päpste selten. Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Heilige Päpste – päpstliche Kanonisationspolitik, S. 380. In der Regel reichte ein cultus ab immemorabili tempore zur Legitimation einer Heiligenverehrung. Vgl. Hans-Georg BECK, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich (Byzantinisches Handbuch im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft, II,1), München 1959, S. 274. 22 KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 232: „Die Bedeutung der Heiligenverehrung kann für das religiöse Leben des Mittelalters kaum überschätzt werden. An der Ausbreitung dieser Kulte, besonders des hl. Nikolaus und des Erzengels Michael, wird wieder der entscheidende Anteil Süditaliens an der Begegnung zwischen Byzanz und dem Abendland deut-
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zeichnung Magna Graecia trug, war bis in das 11. Jahrhundert hinein byzantinisch beeinflusst und ein wichtiger Kontakt- und Begegnungsraum der römischlateinischen mit der byzantinisch-griechischen Kultur.23 Seit dem 6. Jahrhundert waren in dieser Region außerdem Langobarden24 ansässig, die aus Pannonien einlich.“ Vgl. Elke GOEZ, Geschichte Italiens im Mittelalter, Darmstadt 2011, S. 7. Ebenso schreibt D’ANGELO über Unteritalien: „Una terra di ‚frontiere‘ interne, oltre che terra di ‚frontiera‘ nel suo complesso.“ Edoardo D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno continentale d’Italia (750–1000), in: Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en occident des origines à 1550, Bd. IV, hg. v. Guy PHILIPPART, Turnhout 2006, S. 41–134, hier S. 44; Teilweise wurde der Untersuchungsraum bereits in der Forschung näher in Augenschein genommen, siehe etwa: Eberhard GOTHEIN, Die Culturentwicklung Süd-Italiens in Einzel-Darstellungen, Breslau 1886; Ernst KIRSTEN, Süditalienkunde. 1. Band. Campanien und seine Nachbarlandschaften mit Beiträgen von Fritz Hamm und Hans Riemann, Heidelberg 1975; Storia del Mezzogiorno. Storia di Napoli, del Mezzogiorno continentale e della Sicilia. Volume II, Tomo I. Il Medioevo, hg. v. Giuseppe GALASSO/Rosario ROMEO, Neapel 1988; Barbara M. KREUTZ, Before the Normans. Southern Italy in the Ninth & Tenth Centuries (Middle Ages Series), Philadelphia 1996; Mariella Demichele DZIUBAK, Die Diözesen in Süditalien zur Zeit der normannischen Eroberung. Kontinuität und Erneuerung, in: Bistümer und Bistumsgrenzen vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, 58. Supplementband), hg. v. Edeltraud KLUETING/Harm KLUETING/Hans-Joachim SCHMIDT, Rom, Freiburg, Wien 2006, S. 32–63. 23 Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 232; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 44. Mit der byzantinischen Vormacht beschäftigten sich unter anderem Jules GAY, L’Italie méridionale et l’Empire Byzantini. Depuis l’avènement de Basile Ier jusqu’à la prise de Bari par les Normands (867–1071), Paris 1904; Vera von FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft in Süditalien vom 9. bis ins 11. Jahrhundert, Wiesbaden 1967; Hans-Joachim DIESNER, Byzanz, Rom und die Langobarden, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 25 (1976), S. 31–46; Konstantinos P. CHRISTOU, Byzanz und die Langobarden. Von der Ansiedlung in Pannonien bis zur endgültigen Anerkennung (500–680) (Historical Monographs, 11), Athen 1991; Johannes KODER, Byzanz und Europa, in: Mediterraner Kolonialismus. Expansion und Kulturaustausch im Mittelalter (Expansion • Interaktion • Akkulturation. Historische Skizzen zur Europäisierung Europas und der Welt, 8), hg. v. Peter FELDBAUER/Gottfried LIEDL/John MORRISSEY, Essen 2005, S. 43–58; Annick PETERS-CUSTOT, Les Grecs de l’Italie méridionale post-byzantine (IXe–XIVe siècle). Une acculturation en douceur (Collection de l’École Française de Rome, 420), Rom 2009, S. 46. 24 Zur Geschichte der Langobarden siehe Jörg JARNUT, Geschichte der Langobarden, Stuttgart u.a. 1982; Jörg JARNUT, Zum Stand der Langobardenforschung, in: Die Langobarden. Herrschaft und Identität (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 329), hg. v. Walter POHL/Peter ERHART, Wien 2005, S. 11–19; Walter POHL, Geschichte und Identität im Langobardenreich, in: Die Langobarden. Herrschaft und Identität, S. 555–566; Jörg JARNUT, Der langobardische Staat, in: Der frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 383), hg. v. Walter POHL/Veronika WIESER, Wien 2009, S. 23–29; Jörg JARNUT, Wer waren die Langobarden im Edictus Rothari?, in: Sprache und Identität im frühen Mittelalter (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 426), hg. v. Walter POHL/Bernhard ZELLER, Wien 2012, S. 93–97; Michael BORGOLTE, Das Langobardenreich in Italien aus migrationsgeschichtlicher Perspektive. Eine Pilotstudie, in: Transkulturelle Verflechtungen im mittelalter-
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Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
gewandert waren und denen es rasch gelang, große Teile im Norden und Süden der Apennin-Halbinsel unter ihre Herrschaft zu bringen.25 Die Franken unter den Karolingern übten ab den siebziger Jahren des 8. Jahrhunderts verstärkt Einfluss im Untersuchungsgebiet aus.26 Später folgten ihnen im Anspruch auf die Herrschaft in dieser Region die Ottonen, die mehrere Kriegszüge dorthin führten.27 Die Stabilität dieser Region bedrohten über lange Zeit zunächst die langobardische Invasion im 6. Jahrhundert und ab dem 9. Jahrhundert sarazenische Beutezüge von Nordafrika aus.28 Ferner hatten aufgrund anderweitiger Gefahren Byzanz und die Franken zeitweise kein Interesse an den Geschehnissen in Süditalien, sodass lokale Mächte eigenständig agieren konnten.29 Besonders ist ein im Laufe dieser Zeit mächtiger werdendes Papsttum zu berücksichtigen.30 Somit kam es zu einer ständigen Veränderung der Herrschaftsgebiete. Süditalien war eine Region, in der vielfältige kulturelle Traditionen wirksam waren und sich verschiedene Machthaber engagierten. In der Auseinandersetzung zwischen dem oströmischen und dem fränkischen Kaiser kam es im süditalischen Gebiet zu einem Interes-
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lichen Jahrtausend. Europa, Asien, Afrika, hg. v. Michael BORGOLTE/Matthias M. TISCHLER, Darmstadt 2012, S. 80–119. Vgl. Karin PRIESTER, Geschichte der Langobarden. Gesellschaft – Kultur – Alltag, Berlin 2004, S. 65; Girolamo ARNALDI, Italien und seine Invasoren. Vom Ende des Römische Reiches bis heute, Berlin 2005, S. 34; Chris WICKHAM, Social Structures in Lombard Italy, in: The Langobards before the Frankish Conquest. An Ethnographic Perspective (Studies in Historical Archaeoethnology, 8), hg. v. Giorgio AUSENDA/Paolo DELOGU/Chris WICKHAM, Woodbridge 2009, S. 118–148, hier S. 135. Vgl. Peter CLASSEN, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums, in: Karl der Große. Persönlichkeit und Geschichte (Karl der Große. Leben und Nachleben, 1), hg. v. Helmut BEUMANN/Wolfgang BRAUNFELS, Düsseldorf 1967, S. 537–608, hier S. 559; FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 3; Reinhold LANGE, Imperium zwischen Morgen und Abend. Die Geschichte von Byzanz in Dokumenten, Recklinghausen 1972, S. 37; Karl SCHMID, Zur Ablösung der Langobardenherrschaft durch die Franken, in: QFIAB 52 (1972), S. 1–36, hier S. 4; ARNALDI, Italien und seine Invasoren, S. 60. Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 30; Dieter HÄGERMANN, Politische Entwicklungslinien Europas 800–1520, in: Das Mittelalter. Die Welt der Bauern, Bürger, Ritter und Mönche, hg. v. Dieter HÄGERMANN, München 2001, S. 8–37, hier S. 14. Vgl. Friedrich PRINZ, Rom – Byzanz – Mekka – Palermo. Komparatistische Überlegungen zum Problem der kulturellen Kontinuität zwischen Spätantike und Frühmittelalter am Beispiel Siziliens und Süditaliens in muslimischer Zeit, in: Vorträge und Abhandlungen aus geisteswissenschaftlichen Bereichen (Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste, 20), hg. v. Eduard HLAWITSCHKA, München 1999, S. 9–28, hier S. 26f.; Ralph-Johannes LILIE, Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003, S. 155; Hans-Werner GOETZ, Europa im frühen Mittelalter. 500–1050 (Handbuch der Geschichte Europas, 2), Stuttgart 2003, S. 88. Vgl. Horst ENZENSBERGER, Unteritalien seit 774, in: Europa im Wandel von der Antike zum Mittelalter (Handbuch der europäischen Geschichte, 1), hg. v. Theodor SCHIEFFER, Stuttgart 1992, S. 784–804, hier S. 787. Vgl. Klaus HERBERS, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, Darmstadt 2012, S. 64–97.
Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
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senskonflikt, da beide Seiten Anspruch auf diese Region erhoben.31 Wie sich dies auf die Heiligenverehrung auswirkte, ob es gegenseitige Beeinflussungen oder Abgrenzungen gab, welche Funktion diese für die Identitätsbildung hatte und ob sie bewusst instrumentalisiert wurde, ist Thema dieser Arbeit. Dafür ist verschiedenen Fragen nachzugehen: Wann und in welchen Kontexten ist eine Veränderung der Heiligenverehrung festzustellen? Wann wurden welche Heilige mittels Translationen in die jeweiligen Städte gebracht? Unter wessen Patrozinium wurden Kirchen und Klöster gestellt? Wer wurde in kalendarischen Werken erwähnt? Über welchen Heiligen wurden hagiographische Texte verfasst? Wie wirkten sich die äußeren Bedrohungen auf die Heiligenverehrung aus? Gab es Unterschiede zwischen den langobardisch, römisch-lateinisch und byzantinisch-griechisch geprägten Gebieten? Wer hatte Einfluss auf die Heiligenkulte? Als zeitlicher Rahmen wurde das 8. bis zum beginnenden 11. Jahrhundert gewählt, weil dies der Zeitraum ist, in dem viele unterschiedliche Interessengruppen in Süditalien greifbar sind. Das Ende wird durch die Eroberung der gesamten Region durch die Normannen definiert. Das 8. Jahrhundert bietet sich als Einstieg an, da sich ab diesem Zeitpunkt durch die Franken ein neuer Machtfaktor in der Region etablierte, nachdem sich die Langobarden in diesem Gebiet festgesetzt hatten. Zu beachten ist trotz des Titels der vorliegenden Arbeit, dass es zwar nach der Teilung des Römischen Reiches (395) zu einer Ausbildung zweier differenter Sphären in Ost und West kam, es sich bei diesen aber nie um einheitliche, statische Gebilde handelte.32 Demnach ist die Binnenstruktur der einzelnen Gebiete zu beachten, weshalb die Unterteilung in Ost und West eine starke Schematisierung ist.33 In beiden Teilen war der christliche Glauben von Bedeutung, was jen-
31 Vgl. Werner OHNSORGE, Byzanz und das abendländische Kaisertum, in: Konstantinopel und der Okzident. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der byzantinisch-abendländischen Beziehungen und des Kaisertums, hg. v. Werner OHNSORGE, Darmstadt 1966, S. 294–300; Werner OHNSORGE, Die Anerkennung des Kaisertums Ottos I. durch Byzanz, in: Konstantinopel und der Okzident, S. 176–207; Byzanz und das abendländische Herrschertum. Ausgewählte Aufsätze von Josef Deér (Vorträge und Forschungen, 21), hg. v. Peter CLASSEN, Sigmaringen 1977; Ernst-Dieter HEHL, Zwei christliche Kaiser im mittelalterlichen Europa. Eine problematische Geschichte, in: Kaisertum im ersten Jahrtausend: Wissenschaftlicher Begleitband zur Landesausstellung „Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter“, hg. v. Hartmut LEPPIN/Bernd SCHNEIDMÜLLER/Stefan WEINFURTER, Regensburg 2012, S. 271–296. 32 Vgl. Klaus HERBERS, Ost und West um das Jahr 800. Das Konzil von Aachen 809 in seinem historischen Kontext, in: Die Filioque-Kontroverse. Historische, ökumenische und dogmatische Perspektiven 1200 Jahre nach der Aachener Synode (Quaestiones Disputatae, 245), hg. v. Michael BÖHNKE/Assaad Elias KATTAN/Bernd OBERDORFER, Freiburg u.a. 2011, S. 30–70. 33 Vgl. Ernst PITZ, Die griechisch-römische Ökumene und die drei Kulturen des Mittelalters. Geschichte des mediterranen Weltteils zwischen Atlantik und Indischem Ozean 270–812 (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik, 3), Berlin 2001, S. 290; Georgij AVVAKUMOV, Das Verhältnis zwischen Ost- und Westkirche in der mittelalterlichen Theologie, in: Mittelalterliches Denken. Debatten, Ideen und Gestalten im
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Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
seits der herrschaftlichen Divergenzen eine verbindende Klammer der Reichsteile war.34 Dennoch entwickelten sich aufgrund der geographischen Distanz verschiedene Traditionen, die ab dem 7. Jahrhundert zu einer schrittweisen Entfremdung führten.35 So waren etwa vom Bilderstreit insbesondere die byzantinischgriechische Kirchen betroffen, 36 während die römisch-lateinische eine eigene Entwicklung durchlief. Entsprechend entfaltete sich die Heiligenverehrung zum Teil in unterschiedlichen Bahnen.37 Dennoch waren diese zwei Elemente der Christenheit auch nach der Kirchenspaltung von 1054 weiterhin um eine Einheit bemüht. Insgesamt ist die Konkurrenz zunächst eher auf der politischen Ebene zu fassen, bevor auch Unterschiede im Kult zu Konflikten führten.38
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Kontext, hg. v. Christian SCHÄFER/Martin THURNER, Darmstadt 2007, S. 89–104, hier S. 89; Michael BORGOLTE, Migration als transkulturelle Verflechtung im mittelalterlichen Europa. Ein neuer Pflug für alte Forschungsfelder, in: HZ 289 (2009), S. 261–285, hier S. 268: „Tatsächlich existieren Zivilisationen und Großkulturen ja auch gar nicht; sie sind nur gedachte Einheiten, um komplexe Differenzerfahrungen vereinfachend zu ordnen.“ Vgl. Hans-Werner GOETZ, Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlichabendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.–12. Jahrhundert), Berlin 2013, S. 677. Vgl. Axel BAYER, Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054 (Beihefte zum AKG, 53), Köln, Weimar, Wien 2002, S. 16f.; Die zunehmende Entfremdung zeigt sich etwa auch im Photianischen Schisma. Vgl. Klaus HERBERS, Rom und Byzanz im Konflikt. Die Jahre 869/870 in der Perspektive der Hadriansvita des Liber Pontificalis, in: Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 28), hg. v. Wilfried HARTMANN/Klaus HERBERS, Köln u.a. 2008, S. 55–70; HERBERS, Ost und West, S. 62–69; GOETZ, Die Wahrnehmung anderer Religionen, S. 678. Zum Bilderstreit siehe Hans-Dieter DÖPMANN, Die Ostkirchen vom Bilderstreit bis zur Kirchenspaltung von 1054 (Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, I/8), Zwickau 1991; Hans Georg THÜMMEL, Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787 (Konziliengeschichte: Reihe A: Darstellungen, 20), Paderborn u.a. 2005; Peter SCHREINER, Der byzantinische Bilderstreit: kritische Analyse der zeitgenössischen Meinungen und das Urteil der Nachwelt bis heute, in: Byzantinische Kultur. Eine Aufsatzsammlung. I. Die Macht (Opuscula Collecta, 3), hg. v. Silvia RONCHEY/Elena VELKOVSKA, Rom 2006, S. 319–407; Franz DÜNZL, Bilderstreit im ersten Jahrtausend, in: BilderStreit. Theologie auf Augenhöhe, hg. v. Erich GARHAMMER, Würzburg 2007, S. 47–76; sowie die weiteren Beiträge in diesem Sammelband; Hans-Georg THÜMMEL, Bilderverehrung und Bilderstreit, in: Radikalität. Religiöse, politische und künstlerische Radikalismen in Geschichte und Gegenwart. Bd. 1: Antike und Mittelalter, hg. v. René BRUGGER/Kristin LANGOS, Würzburg 2011, S. 88–96. Vgl. Corinna FRITSCH, Der Markuskult in Venedig. Symbolische Formen politischen Handelns in Mittelalter und früher Neuzeit, Berlin 2001, S. 35. Als Beispiele sei hier nur auf den Filioque- und den Azymen-Streit verwiesen. Vgl. Peter GEMEINHARDT, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 82), Berlin u.a. 2002; Georgij AVVAKUMOV, Der Azymenstreit Konflikte und Polemiken um eine Frage des Ritus, in: Vom Schisma zu den Kreuzzügen 1054–1204, hg. v. Peter BRUNS/Georg GRESSER, Paderborn 2005, S. 9–26; GOETZ, Die Wahrnehmung anderer Religionen, S. 714–730 zum Filioque-Streit und S. 730–740 zum Azymen-Streit. Die Filioque-Kontroverse. Historische, ökumenische und dogmatische Per-
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Grundlegend für diese Arbeit ist aber die Tatsache, dass das Christentum der ersten Jahrhunderte keine in sich abgeschlossene Institution darstellte, sondern vielmehr regional geprägt war, weshalb in der Forschung auch von einem MikroChristentum die Rede ist.39 Diese Vielzahl von verschiedenen christlichen Vorstellungen auf einem begrenzten Raum ist auch für die süditalische Region anzunehmen und sollte daher bei den folgenden Ausführungen beachtet werden. Um die Heiligenkulte Süditaliens auf ihre kulturellen Unterschiede untersuchen zu können, wurden drei Städte40 der Region ausgewählt, die exemplarisch für die verschiedenen Strömungen stehen: dies sind Bari, Benevent und Neapel. Neapel stand während des gesamten Untersuchungszeitraums unter der nominellen Oberhoheit Byzanz’,41 Benevent war die Hauptstadt des gleichnamigen langobardischen Herzog- beziehungsweise Fürstentums42 und Bari war von Langobarden, Sarazenen, Franken/Ottonen und Byzantinern umkämpft43. Als Gemeinsamkeit der Städte lässt sich anführen, dass sie alle seit der Antike kontinuierlich besiedelt waren. Zudem wurden sie alle zu Bischofssitzen ernannt.44
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spektiven 1200 Jahre nach der Aachener Synode (Quaestiones Disputatae, 245), hg. v. Michael BÖHNKE/Assaad Elias KATTAN/Bernd OBERDORFER, Freiburg u.a. 2011. Vgl. Valerie RAMSEYER, The Transformation of a Religious Landscape. Medieval Southern Italy 850–1150 (Conjunctions of Religion and Power in the Medieval Past), London 2006, S. 7: „It was made up of various communities, in contact with one other and sharing certain core beliefs, but also displaying a high degree of variety in terms of practices, organization, and clerical lifestyle. “ Vgl. Peter BROWN, The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity, A.D. 200–1000 (The making of Europe), 2. Auflage, Malden u.a. 2008, S. 355, der hier diesen Begriff vor allem auf die anglikanische Kirche anwendet. Die Wahl fiel u.a.aufgrund der Quellenlage in den ländlichen Gebieten auf Städte. Vgl. Claudio AZZARA, Ecclesiastical Institutions, in: Italy in the Early Middle Ages 476–1000 (The Short Oxford History of Italy), hg. v. Cristina LA Rocca, Oxford 2002, S. 85–101, hier S. 89– 94. Vgl. GOEZ, Geschichte Italiens im Mittelalter, S. 13f.; Charles W. JONES, Saint Nicholas of Myra, Bari, and Manhattan. Biography of a Legend, Chicago und London 1978, S. 47: „Naples was the primary portal through which a little Greek knowledge sifted into the West.“ Vgl. Domenico MALLARDO, Storia antica della chiesa di Napoli. Le fonti, Neapel 1987. Hier kann von einer griechischsprachigen Bevölkerung ausgegangen werden. Vgl. Peter HERDE, The Papacy and the Greek Church in Southern Italy between the eleventh and the thirteenth Century, in: The Society of Norman Italy (The Medieval Mediterranean, 38), hg. v. Graham A. LOUD/Alex, METCALFE, Leiden u.a. 2002, S. 213–252, hier S. 215. Vgl. Vera von FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, in: Mélanges del’école Franҫaise de Rome. Moyen Age Temps Modernes 101 (1989), S. 401–464, hier S. 446. Vgl. Dario MORFINI, Bari-Bitonto, in: Storia delle chiese di Puglia (Pubblicazioni della Facoltà Teologica Pugliese, 1), hg. v. Salvatore PALESE/Luigi Michele de PALMA, Bari 2008, S. 93–121, hier S. 96. Vgl. Pietro de LEO, Art. Bari, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 1461–1464, hier Sp. 1461; ARNALDI, Italien und seine Invasoren, S. 35; Pasquale TESTINI, La cattedrale in Italia, in: Pasquale Testini. Scriti di archeologia cristiana. Le immagini, i luoghi, i contesti. Volume Secondo (Studi di Materiali dei Musei e monumenti comunali di Roma), hg. v. Fabrizio BISCONTI/Philippe PERGOLA/Lucrezia UNGARO, Vatikan 2009, S. 929–1156, hier S. 948.
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Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
Neben den drei Städten sind die beiden großen Klöster der Region – Monte Cassino und San Vincenzo al Volturno – von Bedeutung, da in beiden aufgrund ihrer geographischen Lage zwischen Rom und Süditalien die griechische und lateinische Kultur aufeinandertrafen.45 Beide Klöster wurden durch die byzantinischen, langobardischen und fränkischen Herrscher sowie durch das Papsttum privilegiert. Ebenso zerstörten sarazenische Truppen beide kurz nacheinander.46 Heiligenverehrung kann anhand verschiedener Zeugnisse nachvollzogen werden, wobei an erster Stelle die hagiographischen Quellen stehen, da in ihnen die Erinnerung an die Heiligen, ihre Taten und Wunder, festgehalten wurde.47 Diese Texte konnten den Kult eines Heiligen etablieren oder Zeugnis einer schon bestehenden Verehrung sein.48 Durch die sogenannte „Übersetzerschule“49 von Neapel
45 So schreibt BLOCH zu Monte Cassino: „An outpost of the Roman church near the border of the southern Italy, it was predestined to play a significant part in the clashes between the forces of the North, the emperors and the popes, and those of the South.“ Herbert BLOCH, Monte Cassino in the Middle Ages. Volume I (Parts I–II), Cambridge 1986, S. 3. Die Verbindung zwischen dem Kloster und der Stadt Benevent wird auch an der Bezeichnung für die Region als „Beneventano-Cassinese“ deutlich. Vgl. Guglielmo CAVALLO, La trasmissione dei testi nell’area Beneventano-Cassinese, in: La cultura antica nell’occidente latino dal VII all’XI secolo. 18–24 aprile 1974 (Settimane di studio del centro Italiano di studi sull’alto medioevo, 22), Spoleto 1975, S. 357–414. Ferner ist bekannt, dass in Monte Cassino neben der lateinischen auch teilweise die griechische Sprache in den Messen gebräuchlich war. Vgl. Graham A. LOUD, The Latin Church in Norman Italy, Cambridge 2007, S. 11. 46 Vgl. Ebd., S. 23f.; Paul OLDFIELD, Sanctity and Pilgrimage in Medieval Southern Italy, 1000–1200, Cambridge 2014, S. 10. 47 Vgl. NAHMER, Die Lateinische Heiligenvita, S. 3. Unter hagiographischen Quellen sind alle Zeugnisse, die zum Beleg des Wirkens eines Heiligen aufgeschrieben wurden (gr. hagios = heilig, graphein = schreiben), zu verstehen. Klaus HERBERS/Lena JIROUŠKOVÁ/Bernhard VOGEL, Zur Einführung: Mittelalterliche Mirakelberichte, in: Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherrvom-Stein-Gedächtnisausgabe, 43), hg. v. Klaus HERBERS/Lena JIROUŠKOVÁ/Bernhard VOGEL, Darmstadt 2005, S. 1–48, hier S. 1. 48 Vgl. NAHMER, Die Lateinische Heiligenvita, S. 3. 49 Der Begriff der „Schule“ ist schwierig, findet aber in der bisherigen Forschung Verwendung. Vgl. bspw. Walter BERSCHIN, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, II. Merowingische Biographie. Italien, Spanien und die Inseln im frühen Mittelalter (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, 9), Stuttgart 1988, S. 169. Von CHIESA wurde auf die Ähnlichkeit der Arbeiten der verschiedenen Schreiber hingewiesen, weswegen auch er bei dem Begriff „Schule“ blieb. Vgl. Paolo CHIESA, Le traduzioni dal greco: L’evoluzione della scuola napoletana nel X secolo, in: Mittellateinisches Jahrbuch 24/25 (1989/1990), S. 67–86, hier S. 68. FRANKLIN hingegen verweist darauf, dass der Stil und die Topoi, die in den neapolitanischen Texten erscheinen, charakteristisch für die Verwendung in Mittel- und Süditalien und nicht auf Neapel beschränkt waren. Vgl. Carmela Vircillo FRANKLIN, The Latin Dossier of Anastasius the Persian. Hagiographic Translations and Transformations (Studies and texts, 147), Toronto 2004, S. 97f. Allerdings wird auch von ihr im weiteren Text der Begriff der Schule verwendet. Anders ist dies bei GIGANTE der Fall, der lediglich von einem Umkreis von Übersetzern zum einen um Athanasius II. von Neapel und zum anderen um Gregor von Neapel ausgeht, ohne den Begriff der „Schule“ zu verwenden.
Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
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wurden im 9. und 10. Jahrhundert viele Übersetzungen von griechischen Heiligenviten ins Lateinische erstellt.50 Da die Heiligenverehrung in den oben genannten Städten untersucht werden soll, sind zunächst besonders die Verehrten von Interesse, die entweder mittels Translationen in die jeweiligen Orte gebracht wurden oder bereits dort ihre Grablege hatten. Dies ist relevant, nachdem der Kult eines Heiligen, dessen Gebeine in räumlicher Nähe präsent waren, anders gestaltet werden konnte als der eines Heiligen, dessen Vita zwar bekannt war, zu dem die Gläubigen aber keinen direkten Bezug besaßen. Somit sind die Werke, die sich mit den Heiligen vor Ort befassen, von großer Bedeutung, da in ihnen nicht nur Informationen über den Heiligen, sondern auch teilweise über seinen lokalen Kult vorhanden sind. Hierbei ist es wichtig, politische Gegebenheiten der jeweiligen Stadt im Auge zu behalten, weil externe Einwirkungen das Kultgeschehen beeinflussen konnten. Es gilt zu untersuchen, wann es zu Translationen kam, wer sie in Auftrag gab und wie sie begründet wurden. So konnte die Sarazenengefahr ab dem 9. Jahrhundert ausschlaggebend für die Rettung von Reliquien aus bedrohten Gebieten werden.51 Zudem soll aufgezeigt werden, wie die verschiedenen Bevölkerungsstrukturen beziehungsweise Herrschaftsverhältnisse der jeweiligen Stadt Einfluss auf die Heiligenverehrung besaßen. Zudem ist die chronologische Entwicklung zu berücksichtigen. Neben diesen Texten sind auch weiterhin die Werke von Bedeutung, die sich mit Heiligen befassen, die lokal präsent waren, deren Kult sich aber dennoch nachweisen lässt. Durch die Verbreitung von Heiligengeschichten oder die Erstellung von Martyrologien und Kalendarien konnten weitere Heilige bekannt werden, denen dann auch Verehrung zuteilwerden konnte.52 Für die vorliegende Analyse wurden die Werke untersucht, die sich mit Heiligen aus der Region befassen
Vgl. Marcello GIGANTE, La civiltà letteraria, in: I Bizantini in Italia (Antica Madre. Collana di studi sull’Italia antica), hg. v. Guglielmo CAVALLO u. a., Mailand 1982, S. 613–652, hier S. 618f. Im Folgenden wird von einer Gruppierung von Übersetzern ausgegangen, die in einem losen Verbund zusammenhingen, ohne dass der Terminus der Schule verwendet wird. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich in Toledo ebenfalls eine sogenannte „Übersetzerschule“. In beiden Fällen scheint es sich um ein Vorgehen in Bezug auf die Abnahme von Sprachkenntnissen zu handeln, da die Übersetzungen einem größeren Kreis den Zugang zu den Texten ermöglichten. Zur „Übersetzerschule“ von Toledo siehe: María Rosa MENOCAL, Die Palme im Westen. Muslime, Juden und Christen im alten Andalusien, Berlin 2003, S. 61, 184, 245, 247; Georg BOSSONG, Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur (Beck’sche Reihe, 2395), München 2007, S. 73–79. 50 Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 111; HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen, S. 97; Arnold ANGENENDT, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart, Berlin, Köln 1990, S. 455. Eine Besonderheit der neapolitanischen Übersetzungen ist, dass sie wahrscheinlich von Lateinern vorgenommen wurden. Vgl. PETERS-CUSTOT, Les Grecs de l’Italie, S. 78f. 51 Siehe Kapitel 6.4. 52 Vgl. Jacques DUBOIS, Art. Martyrologium, -gien, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 357–360, hier Sp. 357.
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Heiligenverehrung im multikulturellen Raum Süditaliens – Eine Einführung
beziehungsweise mit denjenigen, für die in den untersuchten Städten ein Kult nachzuweisen ist. Als Kriterium wurde hierbei die Nennung des Heiligen in einem der kalendarischen Werke gewählt, nämlich dem Marmorkalender von Neapel,53 den Kalendarien aus Monte Cassino mit ihren Ergänzungen,54 die wahrscheinlich in Benevent vorgenommen wurden, und dem sogenannten Martyrologium des Erchempert55. Dies sind Zeugnisse der Verehrung, welche den Zeitraum des 9. Jahrhunderts abdecken. Auch Heilige, die bereits vor dieser Zeit Verehrung erfuhren, sind aufgenommen.56 Um festzustellen, ob sich die Werke über Heilige mit kalendarisch belegter Verehrung von Texten über Heilige ohne kalendarisch belegte Verehrung unterscheiden, werden letztere ebenfalls kurz in den Blick genommen. Grundsätzlich wäre eine Untersuchung der verschiedenen Texte und ihrer Rezeption in weiteren Regionen ausgehend von Süditalien eine wünschenswerte Forschungsarbeit, die aber an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Dies liegt nicht zuletzt in der Quellenlage begründet. Während einzelne mittelalterliche Autoren bereits ins Interesse der Forschung gerückt sind und ihre Werke somit in modernen Editionen veröffentlicht wurden,57 liegen viele Weitere noch in unkritischen Drucken vor, von den in italienischen Bibliotheken noch nicht entdeckten Texten ganz zu schweigen. Im Folgenden werden zunächst die Entwicklung der und die Forschung zur Heiligenverehrung grob im Allgemeinen und genauer für Süditalien dargestellt (Kapitel 2). Ein Überblick über die Städte der Untersuchung (Kapitel 3) sowie die vorhandenen Quellen (Kapitel 4) schließt sich daran an. Es folgt eine Zusammenstellung der Heiligen, deren Gebeine sich in den untersuchten Städten befanden, verbunden mit einer Beschreibung ihrer feststellbaren Verehrung (Kapitel 5). Ferner werden die Heiligen in den Blick genommen, deren Reliquien zwar nicht in den genannten Orten präsent waren, deren Verehrung aber anhand von kalendarischen Vermerken und/oder der Erstellung hagiographischer Werke belegt werden kann (Kapitel 6). 53 Vgl. Hans ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, Leipzig 1929; Albert ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, in: Rivista di Archeologia Cristiana 11 (1934), S. 119–150; Domenico MALLARDO, Il calendario marmoreo di Napoli (Bibliotheca Ephemerides liturgicae, 18), Rom 1947. 54 Vgl. Elias A. LOEW, Die ältesten Kalendarien aus Monte Cassino (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, 3,3), München 1908. 55 Vgl. Erchempert, Martyrologium, in: Beneventan Ninth Century Poetry (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 4), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Stockholm 1957, S. 77–80. 56 Schwierig wird es für die Heiligen, die erst im 10. Jahrhundert in der Heiligenverehrung der Stadt erscheinen. 57 Vgl. Antonio VUOLO, Una testimonianza agiografica napoletana: il ’Libellus miraculorum s. Agnelli’ (sec. X) (Pubblicazioni dell’Università degli studi di Salerno. Sezione di studi storici, 4), Neapel u.a. 1987; Antonio VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii Neapolitani Episcopi (BHL 735 e 737) sec. IX (Fonti per la storia dell’Italia medievale, 16), Rom 2001; Edoardo D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), Florenz 2002.
2. HEILIGEN- UND RELIQUIENKULT – ENTWICKLUNGEN UND FORSCHUNGSTENDENZEN Die Bedeutung der Heiligenverehrung im Mittelalter ist ein nicht zu unterschätzendes Phänomen.1 Der Kult entwickelte sich ursprünglich aus der römischen Tradition der Totenkommemoration.2 Durch die Verehrung des Heiligen erhofften sich die Gläubigen Hilfe und Schutz, sodass in diesem Zusammenhang von einer Klientelbeziehung gesprochen werden kann, in welcher der Heilige der Patron ist.3 Somit finden sich Gläubige in der Klientel eines Heiligen zusammen, was sowohl sinnstiftend als auch integrierend wirken konnte.4 Nachdem Kaiser Konstantin (306–337) das Christentum anerkannt hatte, konnte der Heiligenkult im Sinne der Herrscher genutzt werden.5 Ferner waren die Bischöfe für den Kult der Heiligen entscheidend, da sie maßgeblichen Einfluss auf die Verehrung innerhalb ihrer Gemeinde einnehmen konnten. Die Verbindung der Bischöfe mit der Heiligenverehrung wirkte sich auf die potentielle Heiligkeit der Amtsträger aus, auf welche die Aura der Heiligen abstrahlte. Daher besaßen spätere Bischöfe ein Interesse an Heiligen unter seinen Vorgängern und förderten somit solche Kulte besonders.6
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Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 83. Vgl. Steffen DIEFENBACH, Römische Erinnerungsräume. Heiligenmemoria und kollektive Identität im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr. (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 11), Berlin und New York 2007, S. 24. Vgl. FRITSCH, Der Markuskult in Venedig, S. 34. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 25; FRITSCH, Der Markuskult in Venedig, S. 34; Miriam CZOCK, Gottes Haus. Untersuchungen zur Kirche als heiligem Raum von der Spätantike bis ins Frühmittelalter (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 38), Berlin 2012, S. 73 u. 74: „Gerade Heiligenfeste sind Gemeinschaftserlebnisse, die durch den Bezug zum jeweiligen Heiligen und den gemeinsamen Vollzug identitätsstiftende Wirkung zeitigen.“ Vgl. Wiebke GERNHÖFER, Roms Heilige in der Spätantike: Märtyrer, Bischöfe und Kirchenstifter, in: Heilige, Heiliges und Heiligkeit in spätantiken Religionskulturen (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, 61), hg. v. Peter GEMEINHARDT/Katharina HEYDEN, Berlin und Boston 2012, S. 179–204, hier S. 179. HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen, S. 122: „Mehrere Übertragungen von Leibern heiliger Bischöfe durch ihre Kollegen gegen Ende des 7. und in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zeigen den hervorragend politisch gedachten Charakter dieser Institution.“ Es sollte zugleich die persönliche Frömmigkeit und amtsbedingte Lebensführung als Begründung für die Verehrung als Heiligen beachtet werden. Vgl. Valerie FIGGE, Das Bild des Bischofs. Bischofsviten in Bilderzählungen des 9. bis 13. Jahrhunderts (Marburger Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte, 1), Weimar 2000, S. 15.
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Heiligen- und Reliquienkult – Entwicklungen und Forschungstendenzen
Märtyrer waren die Urtypen des christlichen Heiligen. Das Blutzeugnis tilgte alle Sünden, wodurch dem Verstorbenen der Zugang zum Paradies sofort offen stand.7 Ursprünglich waren die Apostel8 noch vor den Märtyrern einzuordnen, doch da über deren Lebensschicksale neben der Apostelgeschichte, die nicht über ihren Tod berichtet, keine Informationen vorhanden waren, erhielten sie legendarische Viten, in denen ihnen das Martyrium zugesprochen wurde.9 Nachdem die Märtyrer in der Kirche eine wichtige Rolle einnahmen, wurde vermutet, dass auch die direkten Nachfolger Christi dieses Schicksal erlitten hatten, wobei der Erzmärtyrer Stephanus wohl vorbildhaft war.10 So fanden ab dem 3. Jahrhundert die Apostel auch als Blutzeugen Verehrung.11 Da Apostel12 besonders hoch angese7
Vgl. František GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit (Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften), Prag 1965, S. 93; Gordon BLENNEMANN/Klaus HERBERS, Das Martyrium als Denkfigur: Brüche und Entwicklungslinien in christlicher Perspektive, in: Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen? Formen und Vorstellungen des christlichen Martyriums im Wandel (Beiträge zur Hagiographie, 14), hg. v. Gordon BLENNEMANN/Klaus HERBERS, Stuttgart 2014, S. 7–20. 8 Heinrich KELLNER, Heortologie oder die geschichtliche Entwicklung des Kirchenjahres und der Heiligenfeste von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Freiburg 1906, S. 200: „Mit der Verehrung der Apostel verhält es sich im Wesentlichen wie mit der Heiligenverehrung überhaupt. Sie war anfangs nur eine lokale, keine allgemeine. Obwohl man bei den Aposteln begreiflicherweise leichter geneigt war, ihre Feste zu verallgemeinern, als bei den gewöhnlichen Heiligen, so kam diese Verallgemeinerung im ganzen doch nicht früher zum Vollzug als bei den übrigen Heiligenfesten, nämlich bei der Anlage universaler Martyrologien, einzelne Ausnahmen abgerechnet.“; Arnold ANGENENDT, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1994: S. 38: „Sie hatten mustergültig erfüllt, was sich an Einzelelementen mit dem Ideal der Heiligkeit verbunden hatte. Folglich galten die Apostel als Heilige schlechthin.“; Els ROSE, From Eyewitnesses to Blood Witnesses: The Cult of the Apostels in the Early Medieval West, in: Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen? Formen und Vorstellungen des christlichen Martyriums im Wandel (Beiträge zur Hagiographie, 14), hg. v. Gordon BLENNEMANN/Klaus HERBERS, Stuttgart 2014, S. 57–70, hier S. 57ff. 9 Vgl. Bernhard KÖTTING, Heiligenverehrung, in: Ecclesia peregrinans. Das Gottesvolk unterwegs. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Bernhard KÖTTING, Münster 1988, S. 75–85, hier S. 78; Yves CONGAR, Art. Apostel, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 781–786, hier Sp. 783; Detlev DORMEYER, Die Bibel: Entstehung und Zusammenstellung eines Textcorpus, in: Spätantike. Mit einem Panorama der byzantinischen Literatur (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, 4), hg. v. Lodewijk J. ENGELS/Heinz HOFMANN, Wiesbaden 1997, S. 89–120, hier S. 112. 10 Vgl. KÖTTING, Heiligenverehrung, S. 78. 11 Vgl. ANGENENDT, Heilige und Reliquien, S. 38. 12 Allerdings ist der Apostelbegriff nicht so eindeutig, da es verschiedene Auffassungen bezüglich dieser Bezeichnung gibt, weil bereits in der Bibel verschiedene Personen mit diesem Titel angesprochen werden. So ist die Benennung bei Lukas noch auf diejenigen Personen bezogen, die als direkte Zeugen Christi in Erscheinung treten, wobei ein Schwerpunkt auf den zwölf Aposteln liegt. Vgl. Rudolf SCHNACKENBURG, Apostel vor und neben Paulus, in: Schriften zum Neuen Testament. Exegese in Fortschritt und Wandel, hg. v. Rudolf SCHNACKENBURG, München 1971, S. 338–358, S. 338f.; Jörg FREY, Apostelbegriff, Apostelamt und Apostolizität. Neutestamentliche Perspektiven zur Frage nach der ‚Apostolizität‘ der Kirche,
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hen wurden, war es ein Anliegen, selbst Reliquien von ihnen in der eigenen Stadt zu besitzen.13 Somit waren die Auffindung von Apostelreliquien und die Übertragung von großer Bedeutung und mit einem Popularitätsanstieg der jeweiligen Grabstätte verbunden. Nach der Etablierung des Christentums gewannen die Asketen an Bedeutung, später vor allem die Bischöfe und zum Teil auch die Äbte.14 Die große Zahl der Märtyrer und die Tatsache, dass von diesen teilweise nur noch die Namen überliefert waren, führten dazu, dass im Laufe der Zeit vor allem die lokalen Heiligen vermehrt verehrt wurden, weil über sie mehr bekannt war und sich somit deren Adoratio eher anbot als die eines Unbekannten.15 Besonders Bischöfe gelangten in die Nähe der Heiligkeit, was dadurch deutlich wird, dass ab dem 4. Jahrhundert dem Titel der Bischöfe das Adjektiv sanctus beigestellt wurde. Als Konsequenz wurden im 7. Jahrhundert, als der Begriff stärker abstrahiert wurde, ganze Bischofslisten in die Martyrologien aufgenommen, da sie für Heilige gehalten wurden.16 Indem die Memoria der verstorbenen Bischöfe besonders gefördert und teilweise Viten verfasst wurden, etablierte sich nicht selten ein neuer Kult.17
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in: Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge. I: Grundlagen und Grundfragen (Dialog der Kirche, 12), hg. v. Theodor SCHNEIDER/Gunther WENZ, Göttingen 2004, S. 91–188, hier S. 134f. Demgegenüber werden bei Paulus eine große Anzahl von Christen als Apostel betitelt, wobei er sich auch selbst als solchen betrachtet. Wichtige Glaubensverkünder wurden als Apostel benannt, weswegen die Anzahl der als Apostel Bezeichneten weit über die zwölf Apostel hinausgeht. Vgl. SCHNACKENBURG, Apostel vor und neben Paulus, S. 347. Hierbei mag die unterschiedliche Auffassung in Jerusalem und den hellenistischen Missionierungsgebieten ausschlaggebend für die jeweilige Deutung des Apostelbegriffs gewesen sein, sodass es keine einheitliche Benennung als Apostel gab. Vgl. SCHNACKENBURG, Apostel vor und neben Paulus, S. 356. Mittels Apostelreliquien konnte beispielsweise Salamis auf Zypern die kirchliche Autokephalie gegen Antiochia im 5. Jahrhundert durchsetzen. Vgl. Vera von FALKENHAUSEN, Bishops and Monks in the Hagiography of Byzantine Cyprus, in: Medieval Cyprus. Studies in Art, Architecture, and History in Memory of Doula Mouriki, hg. v. Nancy PATTERSON ŠEVČENKO/Christopher MOSS, New Jersey 1999, S. 21–33, hier S. 26. Aber auch in Ravenna können derartige Bestrebungen festgestellt werden, wobei dies durch eine apostolische Gründung gerechtfertigt wurde. Vgl. FALKENHAUSEN, Bishops and Monks, S. 26. Eine Erweiterung des Märtyrerbegriffes wurde durch Papst Damasus (366–384) vorgenommen, während dessen Amtszeit eine Vielzahl von Heiligen aufgefunden und verehrt wurde. Vgl. GERNHÖFER, Roms Heilige in der Spätantike, S. 196. Vgl. Hans ACHELIS, Die Martyrologien, ihre Geschichte und ihr Wert (Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, 3), Berlin 1900, S. 4. Vgl. Martin HEINZELMANN, Neue Aspekte der biographischen und hagiographischen Literatur in der lateinischen Welt (1.–6. Jahrhundert), in: Francia 1 (1973), S. 27–44, hier S. 39. Vgl. FIGGE, Das Bild des Bischofs, S. 15. Allerdings stellte RAMSEYER fest, dass nur wenige Beispiele für heilige Bischöfe zwischen der Spätantike und dem 9. Jahrhundert in Italien existieren, was zum Teil mit der Invasion der Langobarden zusammengebracht werden kann. Vgl. RAMSEYER, The Transformation, S. 45.
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Die Überführung von Reliquien wurde im Laufe der Zeit immer stärker reglementiert. So bestimmte beispielsweise das Konzil von Epaon (517), dass Reliquien nur dort niedergelegt werden sollten, wo Priester regelmäßig Psalmen sangen.18 Allerdings wurde das Vorhandensein von Reliquien in Altären erst mit dem Zweiten Konzil von Nicäa (787) obligatorisch.19 Den Heiligen wurde zugesprochen, das ihnen anvertraute Land oder Reich zu verkörpern, und sie wurden damit zu persönlichen Heiligen der Menschen, die in diesem Bereich lebten.20 Die Zuständigkeit eines Heiligen lag bei den Bewohnern dessen Grabortes, hierbei vor allem bei den dort tätigen Klerikern oder Mönchen sowie den Pilgern und der gesamten Gemeinde, die seinen Jahrestag mitfeierte.21 Die ersten Translationen wurden im oströmischen Reich wohl in der Mitte des 4. Jahrhunderts vorgenommen.22 Im Westen ließ Kirchenvater Ambrosius von Mailand (339–397) im Jahr 368 die Gebeine der Märtyrer Gervasius und Protasius nach Mailand überführen, während in Rom wahrscheinlich erst im 7. Jahrhundert Translationen stattfanden.23
18 Concilium Epaonense A. 517, c. 25: Sanctorum reliquiae in oratoriis villarebus non ponantur, nisi forsitan clericus cuiuscumque parrochiae vicinus esse contingat, qui sacris cinerebus psallendi frequentia famulentur. Vgl. Concilia aevi Merovingici [511–695] (MGH. Concilia, 1), hg. v. Friedrich MAASSEN, Hannover 1893, S. 25. 19 Les conciles oecuméniques, S. 320ff., Can. 7: Quotquot ergo venerabilia temple consecrate sunt absque sanctis reliquiis martyrum, definimus in eis reliquiarum una cum solita oratione fieri positionem. Et si a praesente tempore inventus fuerit episcopus deponatur, ut ille qui ecclesiasticas traditiones transgreditur. Vgl. HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen, S. 28. Auf dem 5. Konzil von Karthago im Jahr 401 wurde vorgeschrieben, dass alle Altäre, die ohne Reliquien eines Märtyrers erbaut wurden, zerstört werden sollten. Mansi III, Sp. 971: Item placuit, ut altaria quae passim per agros aut vias, tamquam memoriae martyrum constituuntur, in quibus nullam corpus aut reliquiae martyrum conditae probantur, ab episcopis, qui eidem locis praesunt, si fieri potest, evertantur. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 18. 20 Vgl. ANGENENDT, Heilige und Reliquien, S. 128. 21 Vgl. Ebd., S. 193. Ausgehend vom Kirchenpatrozinium entwickelten sich die wichtigsten Heiligen zu Stadtpatronen, die als Schutz und zum Teil als Stadtherr fungierten und somit beispielsweise auch im Stadtwappen und auf Münzen erschienen. Vgl. Friedrich PRINZ, Herrschaft der Kirche vom Ausgang der Spätantike bis zum Ende der Karolingerzeit, in: Herrschaft und Kirche. Beiträge zur Entstehung und Wirkungsweise episkopaler und monastischer Organisationsformen (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 33), hg. v. Friedrich PRINZ, Stuttgart 1988, S. 1–22, hier S. 12f. Die Bedeutung der Heiligen war allerdings nicht kontinuierlich gleichbleibend. So stellte GEARY fest, dass Reliquien besonders im 9. Jahrhundert einen hohen Stellenwert innehatten, der im Laufe der Jahrhunderte teilweise wieder verlorenging. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 30. 22 Vgl. John MCCULLOH, From Antiquity to the Middle Ages: Continuity and Change in Papal Relic Policy from the 6th to the 8th Century, in: Pietas. Festschrift für Bernhard Kötting (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 8), hg. v. Ernst DASSMANN/Karl Suso FRANK, Münster 1980, S. 313–324, hier S. 313. Es waren die Gebeine des Heiligen Babylas, die nach Antiochia gebracht wurden. 23 Vgl. Ebd., S. 313. Hier war es allerdings bereits im 6. Jahrhundert die gängigere Praxis, dass Tücher oder Gegenstände in die Nähe der Reliquien gebracht und so zu sogenannten Berüh-
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Das große Interesse am Besitz von Reliquien führte im Laufe des Mittelalters bis in die Neuzeit immer wieder zu deren Entwendung.24 Hierbei ist sicherlich die Komponente entscheidend, dass gestohlenen Reliquien teilweise ein besonderes Prestige zukam.25 Allgemein war die Ansicht verbreitet, dass prinzipiell die Zustimmung des jeweiligen Heiligen vorhanden gewesen sein muss, andernfalls hätte er sich gegen die Entwendung gewehrt.26 So konnte das Versagen eines Diebes ebenfalls auf ein Eingreifen des Heiligen zurückgeführt werden.27 Einige berühmte Reliquien gelangten durch Diebstahl an ihren neuen Verehrungsort, wo sie zum Teil bis heute noch ihre Ruhestätte haben. Das berühmteste Beispiel ist in diesem Falle wohl der Evangelist Markus, der aus Alexandria nach Venedig gebracht wurde.28 Während Translationen durchaus ein freundschaftliches Verhältnis zwischen der Stadt, welche die Gebeine verlegen ließ, und derjenigen, welche sie empfing, hervorbringen konnten,29 bedeutete ein Diebstahl eine Verletzung des sozialen Miteinanders. Es wurde in der Regel nicht ein beliebiger Heiliger in die eigene Stadt geholt, sondern es wurde eine durchaus bewusste Wahl getroffen.30 Städte, die in Besitz autochthoner Heiliger waren, wurden innerhalb des kirchlichen Organisationsgefüges aufgewertet. Allerdings war diese Grundlage nicht in allen Orten gegeben, weshalb die Aufwertung durch andere Heilige gesucht wurde, welche in irgendeine Verbindung zur Stadt gesetzt wurden.31
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rungsreliquien gemacht wurden, denen die gleiche Kraft innewohnen sollte, wie den tatsächlichen Reliquien. Vgl. Ebd., S. 314f. Von Bedeutung ist hier laut Markus MAYR die Unterscheidung zwischen Diebstahl und Raub. Markus MAYR, Geld, Macht und Reliquien. Wirtschaftliche Auswirkungen des Reliquienkultes im Mittelalter (Geschichte und Ökonomie, 6), Innsbruck, Wien, München 2000, S. 30: „Raub ist dabei streng von Diebstahl zu unterscheiden. Der Diebstahl geschieht heimlich, meist des Nachts, und keiner bekennt sich dazu. Der Raub hingegen ist öffentlich angekündigt, von beiden Parteien akzeptiert …“ Vgl. HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen, S. 105. Vgl. FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, S. 73. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 113. Das berühmteste Beispiel ist in diesem Falle wohl der Evangelist Markus, der aus Alexandria nach Venedig gebracht wurde. Vgl. FRITSCH, Der Markuskult in Venedig; Reinhard LEBE, Als Markus nach Venedig kam. Venezianische Geschichte im Zeichen des Markuslöwen, Ulm 2006. Etwa die Translation des Liborius von Le Mans nach Paderborn im Jahr 836. Vgl. Bernhard KÖTTING, Reliquienübertragung in den ersten christlichen Jahrhunderten, in: Ecclesia peregrinans. Das Gottesvolk unterwegs. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Bernhard KÖTTING, Münster 1988, S. 85–90, hier S. 87: „Es muß nämlich, um diese Translationen als religions- und kulturhistorische Zeugnisse richtig zu werten, beachtet werden, daß das religiöse Ansehen einer Gemeinde bzw. einer Bischofsstadt abhängig war von der Zahl der in ihr vorhandenen Reliquien der Apostel oder bedeutender Märtyrer.“ Vgl. Alfred HAVERKAMP, Städte als kultische Zentren in Deutschland und Italien im Frühund Hochmittelalter, in: Gemeinden, Gemeinschaften und Kommunikationsformen im hohen und späten Mittelalter. Festgabe zur Vollendung des 65. Lebensjahres, hg. v. Alfred HAVERKAMP u. a., Trier 2002, S. 357–396, hier S. 367.
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Der eindeutige Beweis für die Heiligkeit von Reliquien ist ihre Gabe, Wunder zu wirken. Gott handelt durch die Heiligen und zeigt so seine Macht.32 Es existieren Heiligenviten, in denen keine Wunder geschehen, doch wird dieses Fehlen dann meist erklärt.33 Gleichfalls werden im Rahmen von Translationen in der Regel von Wundern berichtet, wobei es sich meistens um Heilungswunder handelte.34 Mirakel waren somit ein fester Bestandteil des Heiligenkultes. Allerdings hebt GEARY hervor, dass Wunder nur einen kleinen Aspekt im Heiligenkult darstellten: seiner Meinung nach war vor allem die Verortung des Versprechens von Schutz und göttlichem Segen von großer Relevanz.35 Aufgrund der überregionalen Bedeutung mancher Heiliger kam es teilweise zu Wallfahrten an bestimmte Orte. Da die Pilger Geld in die Städte brachten und einige Kirchen und Klöster durch ihre Spenden zu florierenden Unternehmen werden konnten, waren die Reliquien auch von wirtschaftlichem Interesse.36 Der Besitz der Reliquien wurde im Laufe der Zeit zum sichtbaren Zeichen göttlicher Legitimation von Unabhängigkeitsbestrebungen, Herrschaftsansprüchen und Vormachtstellungen im weltlichen und im kirchlichen Bereich, wodurch der von Heinrich FICHTENAU aufgeworfene Aspekt der „Reliquienpolitik“37 entstand. Von Bedeutung ist, wer darüber entscheiden konnte, welcher Heilige zum Stellvertreter eines Gemeinwesens gemacht wurde.38 Hierbei gilt zu beachten, dass die Macht der Heiligen die Autorität der Herrschenden unterstützen konnte.39 Durch
32 Vgl. Hans-Werner GOETZ, Wunderberichte im 9. Jahrhundert. Ein Beitrag zum literarischen Genus der frühmittelalterlichen Mirakelsammlungen, in: Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen – Erscheinungsformen – Deutungen (Beiträge zur Hagiographie, 3), hg. v. Martin HEINZELMANN/Klaus HERBERS/Dieter R. BAUER, Stuttgart 2002, S. 180–226, hier S. 186. 33 Vgl. Giulia BARONE, Une hagiographie sans miracles. Observations en marge de ques vies du Xe siècle, in: Les fonctions des saints dans le monde occidental (IIIe–XIIIe siècle). Actes du colloque organisé par l’Ecole Française de Rome avec le concours de l’Université de Rome „La Sapienza“, Rome, 27–29 octobre 1988 (École Française), Paris u.a. 1991, S. 435–446; GOETZ, Wunderberichte im 9. Jahrhundert, S. 186f. 34 Vgl. Hedwig RÖCKELEIN, Über Hagio-Geo-Graphien. Mirakel in Translationsberichten des 8. und 9. Jahrhunderts, in: Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen – Erscheinungsformen – Deutungen (Beiträge zur Hagiographie, 3), hg. v. Martin HEINZELMANN/Klaus HERBERS/Dieter R. BAUER, Stuttgart 2002, S. 166–179, hier S. 174. 35 Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 33f. 36 Vgl. MAYR, Geld, Macht und Reliquien, S. 97. 37 Vgl. FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, S. 84; FRITSCH, Der Markuskult in Venedig, S. 40. 38 Vgl. Arno BORST, Barbaren, Ketzer und Artisten. Welten des Mittelalters, München und Zürich 1988, S. 290. 39 Vgl. Paul FOURACRE, The Origins of the Carolingian Attempt to Regulate the Cult of Saints, in: The Cult of Saints in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Essays on the Contribution of Peter Brown, hg. v. James HOWARD-JOHNSTON/Paul Antony HAYWARD, Oxford 1999, S. 143–166, hier S. 143; Peter KRITZINGER, The Cult of Saints and Religious Processions in Late Antiquity and the Early Middle Ages, in: An Age of Saints? Power, Conflict and Dissent in Early Medieval Christianity (Brill’s Series on the Early Middle Ages (Continuation of The
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den Heiligenkult konnte sich ein Herrscher als gläubiger Christ darstellen, der aufgrund seiner eigenen Frömmigkeit dem Gemeinwohl diente. Laut Peter SCHREINER handelt es sich bei den Lokalheiligen immer auch um politische Heilige, da sie im Leben in der Stadt oder in der Region stets als Helfer präsent waren.40 Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer mehr Heilige verehrt, was an der erhöhten Anzahl an Heiligenfesten in den Jahreskalendern abzulesen ist. Das Leben erhielt durch diese Heiligenfeste einen bestimmten Rhythmus, in dem auch die hagiographischen Schriften eine wichtige Rolle spielten.41 Hierbei reglementierte jedoch keine päpstliche Instanz die Heiligenverehrung in den verschiedenen Regionen, sondern für gewöhnlich konnte der Bischof über ‚Heiligmäßigkeit‘ entscheiden. Während im Frankenreich am Ende des 8. Jahrhunderts versucht wurde, auf die lokalen Traditionen Einfluss zu nehmen und unkontrollierte Heiligenverehrung einzudämmen,42 kann ein solches Vorgehen in Unteritalien nicht angenommen werden, da die lokale Zersplitterung und die unterschiedlichen Interessen einen solchen Akt von vornherein als unmöglich erscheinen lassen. Arno BORST wies darauf hin, dass die Heiligen Symbolfiguren für das Gemeinwesen darstellten, weshalb sie nicht einfach als Konstanten der Tradition angesehen werden dürften, sondern ihre Funktion für die jeweilige Gemeinschaft genauer ins Auge gefasst werden müsste.43 Gerade in jüngster Zeit wurden verstärkt Werke zur Heiligkeit und Heiligenverehrung publiziert.44 Die Texte, die sich mit den Heiligen befassen, sind von besonderem Interesse. So wurde bereits im Jahr 1607 von Heribert ROSWEYDE der Plan vorgelegt, die Lebensgeschichten von Heiligen in den belgischen Archiven zu sammeln, was
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Transformation of the Roman World), 20), hg. v. Peter SARRIS/Matthew dal SANTO/Phil BOOTH, Boston 2011, S. 36–48, hier S. 36. Vgl. Peter SCHREINER, Aspekte der politischen Heiligenverehrung in Byzanz, in: Byzantinische Kultur. Eine Aufsatzsammlung. I Die Macht (Opuscula Collecta, 3), hg. v. Silvia RONCHEY/Elena VELKOVSKA, Rom 2006, S. 365–383, hier S. 380. Vgl. Klaus HERBERS, Hagiographie. Auswertungsmöglichkeiten seit Wilhelm Levison, in: Wilhelm Levison (1876–1947). Ein jüdisches Forscherleben zwischen wissenschaftlicher Anerkennung und Exil (Bonner Historische Forschungen, 63), hg. v. Matthias BECHER/Yitzhak HEN, Siegburg 2010, S. 17–32, hier S. 25. Vgl. GEARY, Furta Sacra, S. 38. Vgl. BORST, Barbaren, Ketzer und Artisten, S. 289. Siehe an neueren Erscheinungen beispielsweise Sofia MEYER, Der heilige Vinzenz von Zaragoza. Studien zur Präsenz eines Märtyrers zwischen Spätantike und Hochmittelalter (Beiträge zur Hagiographie, 10), Stuttgart 2012; Robert BARTLETT, Why can the Dead Do Such Great Things? Saints and Worshippers from the Martyrs to the Reformation, Princeton u.a. 2013; Sakralität und Sakralisierung. Perspektiven des Heiligen (Beiträge zur Hagiographie, 13), hg. v. Andrea BECK/Andreas BERNDT, Stuttgart 2013; Daniel NUß, Die hagiographischen Werke Hildeberts von Lavardin, Baudris von Bourgueil und Marbods von Rennes. Heiligkeit im Zeichen der Kirchenreform und der Réécriture (Beiträge zur Hagiographie, 12), Stuttgart 2013.
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unter der Leitung des Jesuiten Jean BOLLAND umgesetzt wurde.45 Die „Acta Sanctorum“ sind derzeit nach dem Festkalender vom 1. Januar bis zum 10. November vorhanden. Obwohl diese heute nicht mehr dem Standard wissenschaftlicher Editionen entsprechen, sind sie aufgrund ihrer zum Teil singulären Drucküberlieferung hagiographischer Schriften von großem Wert. Sie bieten die größte Sammlung an gedruckten hagiographischen Schriften, in denen ca. 4000 Texte über 2500 Heilige zu finden sind.46 Im Jahr 1882 wurde zudem die Zeitschrift „Analecta Bollandiana“47 und nur vier Jahre später die ergänzende Schriftenreihe „Subsidia Hagiographica“48 mit wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit den hagiographischen Werken ins Leben gerufen.49 In den „Analecta Bollandiana“ finden sich einige Spezialstudien zur Heiligenverehrung und den erhaltenen hagiographischen Werken in Neapel50 und Benevent51. Die Aussagekraft von hagiographischen Werken war in der Forschung nicht immer unumstritten. In der Zeit der Aufklärung war es zu einer Abwertung gekommen, wobei besonders die Mirakelberichte als Betrug oder Geistesverwirrung gewertet wurden, weshalb lediglich der historische Kern aus diesen Erzählungen gefiltert wurde.52 Erst im Laufe der Zeit wurde festgestellt, dass allein eine intensive Studie aller Quellen einen Blick ermöglichte, der nicht einseitig auf bestimmte Aspekte gelenkt wurde. So wurden von Delehaye fünf Zugangsweisen zur Untersuchung von hagiographischen Texten aufgezeigt, die Aufschlüsse über Heiligenverehrung zulassen.53 45 46 47 48 49 50
Vgl. HERBERS/JIROUŠKOVÁ/VOGEL, Zur Einführung: Mittelalterliche Mirakelberichte, S. 10f. Vgl. Ebd., S. 1. Vgl. Analecta Bollandiana, Brüssel 1882–[2013]. Vgl. Subsidia hagiographica, Brüssel 1886–[2013]. Vgl. HERBERS/JIROUŠKOVÁ/VOGEL, Zur Einführung: Mittelalterliche Mirakelberichte, S. 10f. Vgl. Catalogus Codicum Hagiographicorum Latinorum Bibliothecarum Neapolitanarum, in: Analecta Bollandiana 30 (1911), S. 137–245; Hippolyte DELEHAYE, Hagiographie Napolitaine, in: Analecta Bollandiana 57 (1939), S. 5–64; Hippolyte DELEHAYE (†), Hagiographie Napolitaine, in: Analecta Bollandiana 59 (1941), S. 1–33; Domenico MALLARDO, L’incubazione nella cristianità medievale Napoletana, in: Analecta Bollandiana 67 (1949), S. 465–498. 51 Vgl. Catalogus Codicum Hagiographicorum Latinorum Bibliothecae Capituli Ecclesiae Cathedralis Beneventanae, in: Analecta Bollandiana 51 (1933), S. 337–374. 52 Vgl. GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 27. Im 19. Jahrhundert hatten die Historiker vor allem ein Interesse an solchen Quellen, sogenannten „amtlichen Quellen“, da gemeint wurde, nur aus ihnen den wahren historischen Kern ziehen zu können. Vgl. GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 14. Daher wurden in den MGH hagiographische Schriften teilweise nur in Auszügen abgedruckt, was mit der kritischen Haltung der Monumentisten zusammenhing, die den hagiographischen Texten nur bedingt Historizität zusprachen und daher nur die ihrer Meinung nach historisch bedeutsamen Texte edierten. Vgl. Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, 43), hg. v. Klaus HERBERS/Lena JIROUŠKOVÁ/Bernhard VOGEL, Darmstadt 2005, S. 11. 53 Vgl. Hippolyte DELEHAYE, Cinq leçons sur la méthode hagiographique (Subsidia Hagiographica, 21), Brüssel 1934.
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Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit den hagiographischen Texten kann erst verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg festgestellt werden.54 Es ging nicht mehr vornehmlich um die Frage, ob eine Quelle wahr oder falsch sei, sondern darum, was aus ihr über die Lebenswelt und die religiöse Mentalität gewonnen werden konnte.55 In der Folge wurden die hagiographischen Texte und eine Beschäftigung mit den Heiligen immer wichtiger.56 Von Marc van UYTFANGHE wurden die Ursprünge und Inhalte des hagiographischen Diskurses in Augenschein genommen.57 Weiterhin entstanden Studien über einzelne Regionen.58 Einige der Werke, die über die Heiligen aus dem süditalischen Raum verfasst wurden, wurden in den MGH59 kritisch ediert. Im 18. Jahrhundert sammelte Ferdinando UGHELLI60 eine große Anzahl von Texten über die Geschichte der itali-
54 Vgl. HERBERS/JIROUŠKOVÁ/VOGEL, Mirakelberichte, S. 11. 55 Vgl. Ebd., S. 12. 56 Mittlerweile gibt eine große Menge an verschiedenen Studien zur Heiligenverehrung, so beispielsweise Peter BROWN, Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991; Ursula SWINARSKI, Herrschen mit den Heiligen. Kirchenbesuche, Pilgerfahrten und Heiligenverehrung früh- und hochmittelalterlicher Herrscher (ca. 500–1200) (Geist und Werk der Zeiten. Arbeiten aus dem Historischen Seminar der Universität Zürich, 78), Bern u.a. 1991; Jürgen PETERSOHN, Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vorträge und Forschungen / Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, 42), Sigmaringen 1994; Peter GEMEINHARDT, Märtyrer und Martyriumsdeutungen von der Antike bis zur Reformation, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 120 (2009), S. 289– 322. 57 Vgl. Marc van UYTFANGHE, L’origine et les ingrédients du discours hagiographique, in: Sacris erudiri 50 (2011), S. 35–70. 58 Vgl. beispielsweise Hans HOCHENEGG, Heiligenverehrung in Nord- und Osttirol. Beiträge zur religiösen Volkskunde (Schlern-Schriften, 170), Innsbruck 1965; Heilige und Heiligenverehrung in Schlesien. Verhandlungen des IX. Symposions in Würzburg vom 28. bis 30. Oktober 1991 (Schlesische Forschungen, 7), hg. v. Joachim KÖHLER, Sigmaringen 1997; Hedwig RÖCKELEIN, Reliquientranslationen nach Sachsen im 9. Jahrhundert. Über Kommunikation, Mobilität und Öffentlichkeit im Frühmittelalter (Beihefte der Francia, 48), Stuttgart 2002; Anke KRÜGER, Südfranzösische Lokalheilige zwischen Kirche, Dynastie und Stadt vom 5. bis zum 16. Jahrhundert (Beiträge zur Hagiographie, 2), Stuttgart 2002. 59 Vgl. Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878. 60 Vgl. Ferdinando UGHELLI, Italia Sacra Sive De Episcopis Italiae, Et Insularum adiacentium, rebusque ab iis praeclare gestis, deducta serie ad nostram usque aetatem/6. Complectens Metropolitanas, earumque Suffraganeas Ecclesias, quae in Campaniae Felicis, Aprutii, Hirpinorumque Neapolitani Regni claris Provinciis recensentur, Venedig 1720; Ferdinando UGHELLI, Italia Sacra Sive De Episcopis Italiae, Et Insularum adiacentium, rebusque ab iis praeclare gestis, deducta serie ad nostram usque aetatem/7. Complectens Metropolitanas, earumque suffraganeas Ecclesias, quae in Lucaniae seu Basilicatae, & Apuliae tum Dauniae, cum Peucetiae Regni Neapolitani praeclaris Provinciis continentur, Venedig 1721; Ferdinando UGHELLI, Italia Sacra Sive De Episcopis Italiae, Et Insularum adiacentium, rebusque ab iis praeclare gestis, deducta serie ad nostram usque aetatem/8. Continens Metropolim Beneventanam eiusdemque suffraganeas Ecclesias, quae in Samnio, Regni Neapolitani vetusta Provincia, sunt positae, Venedig 1721.
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schen Kirche, zu denen auch viele hagiographische Werke gehören. Weitere zeitgenössische Forscher61 bemühten sich ebenfalls um einen Abdruck der Quellen. Ferner existieren einige Vorarbeiten für Benevent aus dem 17. Jahrhundert von Mario VIPERA.62 Allerdings steht diese Arbeit nicht immer auf einer soliden Quellenbasis.63 Bartolomeo CAPASSO verfasste eine Geschichte Neapels und druckte dabei zugleich die Heiligenviten ab, welche für das Gebiet um Neapel relevant waren.64 Aufgrund der schlechten Quellensituation sind Forschungen zur apulischen Geschichte schwierig, wohingegen einige Werke zur Geschichte Baris vorhanden sind, in denen auch auf die Entwicklung des christlichen Lebens und in Ansätzen auf die Heiligenverehrung eingegangen wird.65 In Italien kann gerade in den letzten Jahrzehnten ein zunehmendes Interesse der Forschung an der Untersuchung von Heiligenleben und Heiligenkulten verzeichnet werden, was sich auch in einer Vielzahl von Publikationen widerspiegelt.66 So wurden die verschiedenen Regionen Italiens untersucht, wobei eine Studie in vergleichender Perspektive zu den süditalischen Heiligenkulten für diesen Zeitraum bisher fehlt. Mit der Bedeutung von Heiligen für italische Städte beschäftigte sich Hans Conrad PEYER in der Mitte des 20. Jahrhunderts in seiner Habilitationsschrift intensiver, wobei er sein Hauptaugenmerk auf den Norden
61 Vgl. Acta Passionis, & Translationis sanctorum martyrum Mercurii, ac XII Fratrum, hg. v. Victorio GIOVARDI, Rom 1730; Memorie Istoriche della pontificia città di Benevento dal secolo VIII. al secolo XIII. Parte Prima, hg. v. Stefano BORGIA, Rom 1763. 62 Vgl. Mario VIPERA, Catalogus sanctorum quos ecclesia beneventanae duplici ac semidupl. celebrat ritu, et aliorum sanctorum beneventanae civitatis naturalium quorum nulla certa praestitutave, Neapel 1635; Mario VIPERA, Chronologia episcoporum et archiepiscoporum metropolitanae ecclesiae Beneventanae, Neapel 1636. 63 Vgl. Antonio VUOLO, Agiografia beneventana, in: Longobardia e longobardi nell’Italia meridionale. Le istituzioni ecclesiastiche. Atti del 2. Convegno internazionale di studi promosso dal Centro di Cultura dell’Università Cattolica del Sacro Cuore, Benevento, 29–31 maggio 1992 (Bibliotheca erudita, 11), hg. v. Giancarlo ANDENNA/Giorgio PICASSO, Mailand 1996, S. 199–237, hier S. 199. 64 Vgl. Bartolomeo CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani ducatus historiam pertinentia (Monumenti storici / Società Napoletana di Storia Patria, 1), Neapel 1881. 65 Vgl. Giosuè MUSCA, L’emirato di Bari 847–871, Bari 1964; Storia di Bari. Dalla preistoria al Mille, Bari 1989; Gerardo CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari dalle origini alle fine del dominio bizantino (1071), hg. v. Maria Raffaella CASSANO/Giosuè MUSCA/Mario PANI, Bari 1992; Pasquale CORSI, Bari tra Oriente e Occidente, in: Il Concilio di Bari del 1098. Atti del Convegno Storico Internazionale e celebrazioni del IX Centenario del Concilio (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 17), hg. v. Salvatore PALESE/Giancarlo LOCATELLI, Bari 1999, S. 55–67; Nino LAVERMICOCCA, Bari bizantina. Capitale mediterranea, Bari 2003; Salvatore PALESE, Storia della Chiese di Puglia. Introduzione, in: Storia delle chiese di Puglia (Pubblicazioni della Facoltà Teologica Pugliese, 1), hg. v. Salvatore PALESE/Luigi Michele de PALMA, Bari 2008, S. 15–50. 66 Zur Forschung der Jahre 1968–1998 vgl. Paolo GOLINELLI, Gli studi agiografici in Italia nell’ultimo trentennio, in: Gli studi agiografici sul medioevo in europa (1968–1998), hg. v. Emore PAOLI, Florenz 2000, S. 103–135.
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Italiens richtete.67 In seiner Nachfolge versuchte auch Christoph DARTMANN auf diesem Gebiet weitere Erkenntnisse zu gewinnen, jedoch bezog sich seine Studie auf das 11. und 12. Jahrhundert und ebenfalls auf Norditalien.68 Eine Untersuchung über die Heiligenkulte im mittelalterlichen Campanien legte Amalia GALDI vor, die sich allerdings vornehmlich um das 11. und 12. Jahrhundert bemühte, aber die Jahrhunderte davor ebenfalls in den Blick nahm, um eine Entwicklung nachvollziehen zu können.69 Zudem wurde von Paul OLDFIELD eine Untersuchung zu Heiligen und Pilgern vom 11. bis ins 13. Jahrhundert in Süditalien publiziert, in der er sich konkret mit dem Wandel während der Normannenzeit beschäftigt.70 Edoardo D’ANGELO unternahm eine Untersuchung der Heiligen und ihrer Texte im 9. und 10. Jahrhundert in diesem Gebiet, wodurch eine wichtige Grundlage für die vorliegende Arbeit vorhanden ist.71 Es gibt ferner mittlerweile einige neuere Editionen, in denen die hagiographischen Werke des Untersuchungsraums kritisch bearbeitet wurden.72 Wo diese fehlen, musste noch auf die älteren Editionen und Abdrucke zurückgegriffen werden. Bevor die Entwicklung der Heiligenverehrung in Süditalien näher untersucht werde kann, werden im Folgenden die untersuchten Städte und im Anschluss die Quellengrundlage für die Heiligenkulte in der Region vorgestellt.
67 Vgl. Hans Conrad PEYER, Stadt und Stadtpatron im mittelalterlichen Italien, Zürich 1955. 68 Vgl. Christoph DARTMANN, Stadt und Stadtpatron im mittelalterlichen Italien: mythisches Staatsdenken in integrierender Form, in: Städtische Kulturen im Mittelalter (Forum Mittelalter, 6), hg. v. Susanne EHRICH/Jörg OBERSTE, Regensburg 2010, S. 125–138. 69 Vgl. Amalia GALDI, Santi, territori, poteri e uomini nella Campania medievale (secc. XI–XII) (Schola Salernitana. Studi e Testi, 9), Salerno 2004. 70 Vgl. OLDFIELD, Sanctity and Pilgrimage. 71 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno. 72 So beispielsweise: Anastasius Bibliothecarius sermo Theodori Studitae de sancto Bartholomeo Apostolo (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 9), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Lund 1963; VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii; D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano.
3. DIE HERRSCHAFTLICH-KULTURELLE STRUKTUR SÜDITALIENS Im Folgenden werden Benevent, Neapel und Bari vorgestellt, wobei neben der herrschaftlichen Entwicklung, wenn möglich, auch auf deren Auswirkungen auf das religiöse Leben eingegangen wird. Hierbei geht es nicht darum, die Geschichte der einzelnen Städte vollständig wiederzugeben, sondern nur darum, wichtige Aspekte darzustellen. Da die Stellung der Kirche eine besondere Rolle spielte, wird zunächst die Kirchenstruktur der Region näher betrachtet, um dann die drei Städte in ihrer jeweiligen Entwicklung zu skizzieren. Bei der Kirche handelte es sich um das stabilste Kontinuum zwischen der Spätantike und dem Frühmittelalter, zumal sie eine Einheit stiftende Macht darstellte.1 Die Christianisierung Italiens war, ebenso wie in den anderen Ländern, ein schrittweiser Prozess, weswegen die Städte auf eine unterschiedlich lange christliche Tradition zurückblicken konnten, wobei es immer wieder zu Einschnitten kommen konnte.2 Zunächst kann bei der christlichen Kirche noch von keiner geschlossenen Institution ausgegangen werden, weswegen es zu einer Vielzahl von Praktiken – etwa in der Liturgie – kam.3 Claudio AZZARA nimmt an, dass gerade in der Frühzeit des Christentums die Beziehungen zwischen den einzelnen Diözesen Süditaliens eng waren.4 Somit kam es hier möglicherweise zu einem stärkeren Austausch der verschiedenen kirchlichen Bräuche.5 Kirchlich unterstand das gesamte 1
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Vgl. PRINZ, Rom – Byzanz – Mekka – Palermo, S. 14. Mit der Entwicklung der Diözesen in der Spätantike in Campanien setzt sich Eliodoro SAVINO, Le diocesi nella Campania tardoantica. Considerazioni su identità regionale e identità cristiana, in: San Gennaro nel XVII centenario del martirio (305–2005). Atti del Convegno internazionale (Napoli, 21–23 settembre 2005). Volume I (Campania Sacra. Rivista di Storia Sociale e Religiosa del Mezzogiorno, 37), hg. v. Gennaro LUONGO, Neapel 2006, S. 65–84 auseinander. Josef BENZINGER, Zum Wesen und zu den Formen von Kommunikation und Publizistik im Mittelalter. Eine bibliographische und methodologische Studie, in: Publizistik 15 (1970), S. 295–318, hier S. 301. Warum sich der christliche Glauben besonders in dieser Region verbreiten konnte, stellt Giorgio OTRANTO, Per una storia dell’Italia tardoantica cristiana (Biblioteca Tardoantica, 3), Bari 2009, S. 137ff. dar. Zur Christianisierung Italiens im Mittelalter siehe Marina MONTESANO, La cristianizzazione dell’Italia nel Medioevo, Bari 1997. Vgl. AZZARA, Ecclesiastical Institutions, S. 86. Vgl. Ebd., S. 86. Zur kirchlichen Situation Unteritaliens schreibt Drew MAXWELL, Byzantine Southern Italy, Monte Cassino and the estrangement of East and West, in: Byzanz in Europa. Europas östliches Erbe. Akten des Kolloquiums „Byzanz in Europa“ vom 11. bis 15. Dezember 2007 in Greifswald (Byzantioϛ. Studies in Byzantine History and Civilization, 2), hg. v. Michael AL-
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Gebiet Unteritaliens dem Metropolitansitz Rom.6 Doch brach dieses Netzwerk nach der Invasion der Langobarden in Italien zusammen, da die örtlichen Bischöfe und Priester vertrieben wurden.7 So kam es zum Abbruch oder zur langfristigen Vakanz von Bischofssitzen.8 Ferner gab es Klöster, die nicht verteidigt wurden und deren Insassen vor den Eroberern fliehen mussten.9 Besonders in der Herzogszeit (574–584)10 ist eine weitgehende Zerstörung der bisherigen Bistumsorganisation festzustellen.11 Auch die vorangegangenen Gotenkriege (535–554) werden die spätantike Kirchenstruktur in Mitleidenschaft gezogen haben.12
TRIPP, Turnhout 2011, S. 142–153, S. 143: „The end result of all of this is that Southern Italy was more or less a perfect meshing of what would later be defined as Latin and Greek Christianity. It seems clear that during the end of the tenth and eleventh centuries the divergence between Eastern and Western Christianity were not defining categories in the south of Italy and unable to be used to divide Christians between two factions.“ Dazu kamen die Klöster, die ebenfalls zu einem verstärkten Kulturaustausch führten. Stefan BURKHARDT, Iuxta sancti patris Benedicti atque Basilii. Die Klöster Süditaliens als Begenungsräume zwischen West und Ost, in: Abrahams Erbe, Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz der Religionen im europäischen Mittelalter (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung, 2), hg. v. Klaus OSCHEMA/Ludger LIEB/Johannes HEIL, Berlin u.a. 2015, S. 309–324, hier S. 314: „Gerade im nördlichen Süditalien kam es wohl zu frühen und fruchtbaren Austauschbeziehungen zwischen westlichen und östlichen Ausprägungen des Christentums: Orthodoxe Christen standen unter lateinischer Oberherrschaft, lateinische Christen unter orthodoxer.“ 6 Vgl. André JACOB/Jean-Marie MARTIN, Die griechische Kirche in Italien (650–1050), in: Bischöfe, Mönche und Kaiser (642–1054) (Die Geschichte des Christentums. Religion – Politik – Kultur), hg. v. Gilbert DAGRON/Pierre RICHÉ/André VAUCHEZ, Freiburg, Basel, Wien 2007, S. 366–390, hier S. 388. 7 Vgl. AZZARA, Ecclesiastical Institutions, S. 88. 8 Vgl. BORGOLTE, Das Langobardenreich in Italien, S. 87. 9 Vgl. Claudio AZZARA, The Papacy, in: Italy in the Early Middle Ages 476–1000 (The Short Oxford History of Italy), hg. v. Cristina LA ROCCA, Oxford 2002, S. 102–117, hier S. 106; BORGOLTE, Das Langobardenreich in Italien, S. 87. Beispielsweise die Mönche des Kloster Monte Cassino, die nach der Zerstörung durch die Langobarden nach Rom gingen. 10 Als Herzogszeit wird die Epoche bezeichnet, die sich an die Ermordung des langobardischen Königs Cleph anschloss, in der kein neuer König durch die Herzöge gewählt wurde, die nun über die alleinige Macht in ihren jeweiligen Herrschaftsgebieten verfügten. 584 kam es dann zu einer neuen Wahl eines langobardischen Königs, des Sohnes Clephs: Authari. Vgl. JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 37ff. 11 Mittlerweile gibt es Überlegungen in der Forschung, dass nicht allein der Einfall der Langobarden für den Rückgang an Bistümern verantwortlich sei, sondern dies bereits früher durch das Verlassen von Städten entstanden sei. Vgl. RAMSEYER, The Transformation, S. 39 m. Anm. 12. 12 Vgl. Herbert ZIELINSKI, Kloster und ‚Stift‘ im langobardischen und fränkischen Italien, in: Frühformen von Stiftskirchen in Europa. Funktion und Wandel religiöser Gemeinschaften vom 6. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. Festgabe für Dieter Mertens zum 65. Geburtstag (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, 54), hg. v. Sönke LORENZ/Thomas ZOTZ, Leinenfeld-Echterdingen 2005, S. 97–161, hier S. 105 Anm. 58. Zu den Goten in Süditalien siehe Vera von FALKENHAUSEN, La Campania tra Goti e Bizantini, in: Il Medioevo (Storia e Civiltà della Campania), hg. v. Giovanni PUGLIESE CARRATELLI, Neapel 1992, S. 7–36, hier
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Die vorherrschende Kirchenstruktur wurde von den Langobarden zunächst als Bedrohung aufgefasst, da die Bischöfe die einzige Macht waren, auf die sich die Bevölkerung stützen konnte, doch wurde die Kirchenorganisation nicht überall zerstört.13 Ein Teil der Langobarden war im Laufe der Völkerwanderung14 zu sogenannten Arianern15 geworden. Doch in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts setzte sich das römisch-lateinische Christentum endgültig durch.16 Bezüglich arianischer Priester und Bischöfe fehlen Quellen,17 sodass keine eindeutigen Aussagen über
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S. 7–11; Hans-Ulrich WIEMER, Die Goten in Italien. Wandlungen und Zerfall einer Gewaltgemeinschaft, in: HZ 296 (2013), S. 593–628. Vgl. Vgl. Hans Erich FEINE, Studien zum langobardisch-italischen Eigenkirchenrecht. I. Teil, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 30 (1941), S. 1–95, hier S. 6; Georg HAUPTFELD, Zur langobardischen Eroberung Italiens. Das Heer und die Bischöfe, in: MIÖG 41 (1983), S. 37–94, hier S. 40. Vgl. Hubert FEHR/Philipp von RUMMEL, Die Völkerwanderung, Stuttgart 2011. Bezüglich der Bezeichnung einer religiösen Strömung als Arianismus ist Vorsicht geboten. Vgl. Hanns Christof BRENNECKE, Auseinandersetzung mit sogenannten „Arianern“, in: Augustin Handbuch, hg. v. Volker Henning DRECOLL, Tübingen 2007, S. 208–212. Über die Religion der Langobarden herrscht in der Forschung eine Kontroverse, da nicht eindeutig ausgemacht werden kann, wie die einzelnen Konversionen vonstattengingen. Zuletzt setzte sich KÖNIG mit der Bekehrung der Langobarden auseinander und fasste dabei auch die Forschungsdiskussion zusammen. Vgl. Daniel KÖNIG, Bekehrungsmotive. Untersuchungen zum Christianisierungsprozess im römischen Westreich und seinen romanisch-germanischen Nachfolgern (4.–8. Jahrhundert) (Historische Studien, 493), Husum 2008, S. 87–99. Zumal es sich nicht um einen einheitlichen Volksstamm handelte, kann sicher davon ausgegangen werden, dass es verschiedene Auffassungen bezüglich der Religion gab. Ebenso wird es regionale Unterschiede gegeben haben, sodass es heute nicht mehr möglich ist, von einer einheitlichen Religion der Langobarden zu sprechen. Vgl. Steven C. FANNING, Lombard Arianism Reconsidered, in: Speculum 56 No. 2 (1981), S. 241–258; Thomas S. BROWN, Lombard Religious Policy in the Late Sixth and Seventh Centuries: the Roman Dimension, in: The Langobards before the Frankish Conquest. An Ethnographic Perspective (Studies in Historical Archaeoethnology, 8), hg. v. Giorgio AUSENDA/Paolo DELOGU/Chris WICKHAM, Woodbridge 2009, S. 289–308, hier S. 295, 299. Laut ZIENTARA hing die Konversion zum römisch-lateinischen Glauben damit zusammen, dass dieser Glauben im Laufe der Jahrhunderte seltener mit politischer Abhängigkeit von Rom in Verbindung gebracht wurde, und sich so das liturgisch reiche römisch-lateinische Christentum gegenüber dem arianischen Christentum durchsetzen konnte. Vgl. Benedykt ZIENTARA, Frühzeit der europäischen Nationen. Die Entstehung von Nationalbewußtsein im nachkarolingischen Europa (Klio in Polen, 1), Osnabrück 1997, S. 267. Vgl. Wilfried MENGHIN, Die Langobarden. Archäologie und Geschichte, Stuttgart 1986, S. 136ff; ANGENENDT, Das Frühmittelalter, S. 168, KÖNIG, Bekehrungsmotive, S. 97; STUTZ erklärt den Übertritt zum römisch-lateinischen Glauben mit einem allgemeinen Desinteresse gegenüber der Religion, was er auch an dem Ausbleiben von langobardischen Märtyrern und Heiligen festmacht. Vgl. Ulrich STUTZ, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens. Von seinen Anfängen bis auf die Zeit Alexanders III., 2. Auflage, Aalen 1961, S. 114. So geht PALMIERI davon aus, dass es lediglich in Pavia einen arianischen Bischof gegeben hätte. Vgl. Stefano PALMIERI, Duchi, principi e vescovi nella Longobardia meridionale, in: Longobardia e longobardi. Le istituzioni ecclesiastiche; atti del 2. Convegno internazionale di
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das religiöse Leben der Langobarden vor ihrem endgültigen Übertritt zum römisch-lateinischen Ritus gemacht werden können.18 Nach dem Frieden von 68019 konnte die römisch-lateinische Hierarchie im Langobardenreich einschließlich Benevent wiederhergestellt werden.20 In den fünfzig Jahren vor der Eroberung durch Karl den Großen (768–814) wurde eine Vielzahl von Klöstern gegründet.21 Möglicherweise hingen diese Aktivitäten mit dem byzantinischen Bilderstreit und der ab 751 entstehenden Bedrohung durch die Franken zusammen,22 sodass nun die Sicherung des Seelenheils und zudem die Option des eigenen Klostereintritts eine vorrangige Rolle für die langobardische Oberschicht spielten. Ferner wurden Klöster als eine Art Wertanlage verwendet.23 Ab 810 hörten diese Klostergründungen wieder auf, was Karin PRIESTER damit erklärt, dass es mittlerweile zu einem Arrangement mit der frän-
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studi promosso dal Centro di Cultura dell’Università Cattolica del Sacro Cuore, Benevento, 29–31 maggio 1992, hg. v. Giancarlo ANDENNA/Giorgio PICASSO, Mailand 1996, S. 43–99, hier S. 61. Vgl. BORGOLTE, Das Langobardenreich in Italien, S. 103. Diese Vermischung wird besonders an der Nutzung gemeinschaftlicher Friedhöfe deutlich. Vgl. Karl BOSL, Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 26), Stuttgart 1982, S. 14f.; Walter POHL, Regnum und gens, in: Der frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 383), hg. v. Walter POHL/Veronika WIESER, Wien 2009, S. 435–450, hier S. 444: „An der Unterscheidbarkeit der herrschenden Gens wurde oft gerade dann festgehalten, wenn die Grenzen zu verschwimmen drohten. Nirgends wurde zum Beispiel die Besonderheit der Langobarden so betont wie im Süditalien des 9. und 10. Jahrhunderts, wo sich die langobardische Führungsschicht kaum mehr von ihrer romanisch geprägten Umwelt unterschied.“ Im Jahre 680 war die Eroberung Italiens durch die Langobarden von Byzanz und dem Papsttum anerkannt worden, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Langobarden auf weitere Eroberungen verzichteten. Zudem kam es zu einer Annäherung der Langobarden an die römische Kirche. Vgl. KIRSTEN, Süditalienkunde, S. 87f.; MENGHIN, Die Langobarden, S. 192; PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 65. Vgl. FEINE, Studien zum langobardisch-italischen Eigenkirchenrecht, S. 9. Vgl. JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 125; PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 149ff. Wobei es sich hauptsächlich um Frauenklöster handelte. Gemäß ARRAZRA hat dieses Anwachsen von Kirchengebäuden in der Zeit des 7. und 8. Jahrhunderts weniger mit einem Bedürfnis nach diesen Einrichtungen als vielmehr mit dem Wunsch der Reichen und Mächtigen, ihren Reichtum nach außen darzustellen, zu tun. Sie nahmen dies durch die Errichtung von prunkvollen Kirchen vor. Mittels dieser Bauten konnten sie ferner das eigene Vermögen schützen, da es in den Klöstern angelegt wurde und dort vor den Zugriffen potentieller Eroberer sicher war. Vgl. AZZARA, Ecclesiastical Institutions, S. 90; PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 149f. Allerdings gilt zu beachten, dass in dieser Zeit in großen Teilen Europas ein Christianisierungsschub festzustellen ist und dass der Religiosität der Menschen nicht immer politische Motive unterstellt werden müssen. Vgl. STUTZ, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, S. 125f.; Hansmartin SCHWARZMAIER, Lucca und das Reich bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Tübingen 1972, S. 34. Allerdings spricht die Tatsache, dass die Kirchen im Anschluss dem Verfall preisgegeben wurden, tatsächlich gegen eine tiefere Religiosität.
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kischen Herrschaft gekommen war und daher kein Bedarf mehr vorhanden war, weitere Klöster zu errichten.24Anders ging die Kirchengeschichte in den byzantinisch beherrschten Gebieten Süditaliens vonstatten. In dieser Region mit ihren durchlässigen Grenzen konnte sich ein reger Austausch zwischen der östlichen und der westlichen Tradition entwickeln, wodurch es zu einer gegenseitigen Bereicherung kam und zudem viele östliche Kirchenfeste in der lateinischen Christenheit bekannt wurden, wobei vor allem die Klöster eine entscheidende Rolle spielten.25 In Neapel waren sowohl griechische als auch lateinische Klöster und Kirchen vorhanden, weswegen von der Nutzung der Liturgie beider Kirchen ausgegangen werden kann.26 Insgesamt können zeitweilige Konkurrenzsituationen zwischen Rom und Konstantinopel angenommen werden, was sich bei verschiedenen Gegebenheiten, wie dem Bilderstreit, offen zeigte,27 so beispielsweise bei der Bischofsweihe Pauls II. (762–768) in Neapel im Jahr 762.28 Im 10. Jahrhundert wurden sowohl von der lateinischen als auch von der griechischen Kirche einzelne Bistümer in den Stand von Erzbistümern erhoben.29 Im Jahr 967 wird in den Beneventaner Annalen zum ersten Mal ein Papstbesuch erwähnt30 und im Jahr 969 beförderte Papst Johannes XIII. (965–972) Benevent zum Erzbistum31, wobei in dieser Handlung sicherlich ein Unternehmen gegen byzantinisches Vorgehen in Apulien gesehen werden kann, mit dem Ziel, die regionale lateinische Kirche gegen griechische Einflüsse
24 Vgl. PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 150. 25 Vgl. PALESE, Storia della Chiese di Puglia, S. 25. 26 Vgl. Nicola CILENTO, Il significato della „translatio“ dei corpi dei vescovi napoletani dal cimitero di S. Gennaro, in: Campania sacra 1 (1970), S. 1–6, S. 4. Ebenso waren in Rom griechische Klöster bis mindestens zu Beginn des 11. Jahrhunderts vorhanden, was aufzeigt, dass vor 1054 von keiner klaren Trennung ausgegangen werden kann. Jean-Marie SANSTERRE, Les moines grecs et orientaux à Rome aux époques byzantine et carolingienne (milieu du VIe s. – fin du IXe s.) (Académie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique – Mémoires de la Classe des Lettres, 2e série 66), 2. Bde., Brüssel 1983; HERBERS, Ost und West, S. 57. 27 Vgl. KREUTZ, Before the Normans, S. 125. 28 Vgl. Luigi A. BERTO, . A Difficult Memory to Manage: Narrating the Relationships between Bishops and Dukes in Early Medieval Naples, in: Viator 39,2 (2008), S. 49–63, hier S. 50. 29 FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 152f. 30 Vgl. Gli „Annales Beneventani“ (Bullettino dell’instituto storico italiano per il medio evo e archivio Muratoriano, 42), hg. v. Ottorino BERTOLINI, 1923, S. 124; Daniel SIEGMUND, Die Stadt Benevent im Hochmittelalter. Eine verfassungs-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Betrachtung, Aachen 2011, S. 80. 31 Vgl. BERTOLINI, Gli „Annales Beneventani“, S. 124; FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 148; Wolfgang HUSCHNER, Benevent, Magdeburg, Salerno. Das Papsttum und die neuen Erzbistümer in ottonischer Zeit, in: Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia (Abhandlungen der Wissenschaften zu Göttingen, 5), hg. v. Klaus HERBERS/Jochen JOHRENDT, Berlin und New York 2009, S. 87–108, S. 96; SIEGMUND, Die Stadt Benevent, S. 80.
Benevent – Eine langobardische Hauptstadt
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zu stärken.161 Hierbei ist die kaiserliche Einflussnahme der Ottonen zu beachten, denn Otto I. (912–973) hatte ein Interesse daran, die kirchliche Organisation in den Grenzgebieten des Reiches, zu denen er auch Süditalien zählte, zu ordnen.162 Die Erhebung Neapels zum Erzbistum lässt sich in die Jahre zwischen 966 und 990 datieren.163 Im Laufe des 10. Jahrhunderts wurde Bari von griechischer Seite aus zum Erzbistum erhoben, aber erst ab 1025 gab es Palliumsurkunden von päpstlicher Seite aus, was auf eine Anerkennung des Erzbistums durch Rom schließen lässt.164 Insgesamt bemühten sich die unteritalischen Bistümer um eine für sie vorteilhafte Position, was zu Richtungswechseln und strategischem Taktieren führen konnte.165 3.1
BENEVENT – EINE LANGOBARDISCHE HAUPTSTADT
Die Stadt Benevent lag strategisch günstig, da sie sich zwischen Rom und den wichtigen Hafenstädten Bari und Brindisi befand.166 Im Jahr 303 wird Benevent erstmals als Diözese erwähnt.167 Während der Gotenkriege im 6. Jahrhundert wurde die Stadt zerstört und anschließend von den Byzantinern bei der Rücker-
161 Vgl. Thomas Forrest KELLY, The Beneventan Chant (Cambridge Studies in Music), Cambridge 1989, S. 29. Allerdings führte diese Stärkung der beneventanischen Kirche zu einer Konkurrenzsituation mit Rom. HERBERS, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, S. 112; zur Rolle des Bischofs von Benevent siehe Bernhard SCHIMMELPFENNIG, Ein Bischof dem Papste gleich? Zu den Insignien und Vorrechten des Erzbischofs von Benevent, in: Papsttum und Heilige. Kirchenrecht und Zeremoniell. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Georg KREUZER/Stefan WEIß, Neuried 2005, S. 257–275; HUSCHNER, Benevent, Magdeburg, Salerno, S. 96f. 162 Vgl. DZIUBAK, Die Diözesen in Süditalien, S. 39 u. Anm. 45, hier wird auch auf die Errichtung des Erzbistums Magdeburg im gleichen Zeitraum verwiesen. Siehe hierzu HUSCHNER, Benevent, Magdeburg, Salerno. 163 Vgl. Anton GRONER, Die Diözesen Italiens. Von der Mitte des zehnten bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts, Freiburg 1904, S. 36f. 164 Vgl. Jochen JOHRENDT, Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen Urkunden (896–1046) (MGH. Studien und Texte, 33), Hannover 2004, S. 256f. Allerdings war Bari in seiner kirchlichen Ausrichtung nicht stringent, da es anscheinend immer wieder zu Annäherungen an Byzanz kam. 165 Vgl. Ebd., S. 257. 166 Vgl. KREUTZ, Before the Normans, S. 2. Die Stadt kann bereits auf eine vorchristliche Gründung zurückblicken, im Jahr 268 v. Chr. wurde sie zu einer römischen Kolonie erhoben. Vgl. Pasquale TESTINI, La cattedrale in Italia, in: Pasquale Testini: Scriti di archeologia cristiana. Le immagini, i luoghi, i contesti. Volume Secondo (Studi di Materiali dei Musei e monumenti comunali di Roma), hg. v. Pasquale TESTINI u. a., Vatikan 2009, S. 929–1156, hier S. 948. 167 Vgl. Ebd., S. 948.
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Die herrschaftlich-kulturelle Struktur Süditaliens
oberung Italiens zurückgewonnen. Nur wenig später wurde sie von den Langobarden eingenommen.168 Zeugnisse über die Christianisierung der Stadt gehen auf das Jahr 285 zurück, in dem der erste Bischof Januarius gefasst werden kann.169 Mit ihm begann eine Reihe von Bischöfen, die laut ROTILI um 496 abbrach170 und erst 663, nach einer erfolglosen Belagerung der Stadt durch die Byzantiner,171 durch den Bischof Barbatus172 fortgesetzt wurde. Die expansive Vorgehensweise der Langobarden in Süditalien und die damit einhergehende Zerstörung von Bistümern führte dazu, dass verschiedene Bistümer zusammengelegt wurden.173 Die Bistümer des Beneventaner Kernlandes sind
168 Vgl. Archdale A. KING, Liturgies of the Past, Bonn 2007, S. 52. Wann dies genau geschah, ist allerdings nicht eindeutig zu datieren. Vgl. Ferdinand HIRSCH, Das Herzogthum Benevent bis zum Untergange des langobardischen Reiches. (571‒774), Berlin 1871, S. 3 m. Anm. 1, der die Gründung des Herzogtums in das Jahr 571 datiert, selbst aber angibt, dass dieses Datum alles andere als sicher ist. Während das Herzogtum Spoleto vom Aufbau stark an die norditalischen Herzogtümer angeglichen war, war das Herzogtum Benevent wahrscheinlich anders konzipiert. Vgl. WICKHAM, Social Structures, S. 135. 169 Vgl. Marcello ROTILI, Forme della cristianizzazione a Benevento e nella Longobardia minore, in: La Cristianizzazione in Italia tra tardoantico ed altomedioeva. Atti del IX congresso nazionale di archeologia cristiana. Agrigento 20–25 novemebre 2004, hg. v. Rosa Maria BONACASA CARRA/Vitale EMMA, Palermo 2007, S. 991–1016, hier S. 991. 170 Bei GAMS werden allerdings auch für die Zeit dazwischen weitere Bischöfe aufgeführt. Vgl. Pius GAMS, Series episcoporum ecclesiae catholicae, quotquot innotuerunt a Beato Petro Apostolo, 2. Auflage, Leipzig 1931, S. 671. 171 Vgl. Bruno FIGLIUOLO, Longobardi e Normanni, in: Il Medioevo (Storia e Civiltà della Campania), hg. v. Giovanni PUGLIESE CARRATELLI, Neapel 1992, S. 37–87, hier S. 46. 172 Der erste Beleg für den Bischof Barbatus von Benevent findet sich im Jahr 680, als er an einer Synode in Rom teilnahm. Vgl. HAUPTFELD, Zur langobardischen Eroberung, S. 83. Viele Informationen finden sich aber nur in seiner Vita, die erst in der Mitte des 9. Jahrhunderts verfasst wurde, weswegen die Informationen kritisch zu hinterfragen sind. So auch die Aussage, dass er die Kirchenstruktur in der Stadt neu aufbauen musste. Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 555–563; Domenico CAIAZZA, I santi vescovi vincitori del drago. Paride di Teano e Barbato di Benevento debellatorp dell’arianesimo e rifondatori dell’episcopato cattolico nell Langobardia minore, in: I Langobardi dei ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo. Spoleto, 20–23 ottobre 2002, Benevento 24–27 ottobre 2002. Tomo Primo, Spoleto 2003, S. 1203–1262, hier S. 1247: „Ciò dimostrato o quanto meno indizia una pregressa lunga vacanza della cattedra beneventana e la disorganizzazione della rendita patrimoniale ecclesiale sino a quel periodo.“ Vgl. HAUPTFELD, Zur langobardischen Eroberung Italiens, S. 83; ROTILI, Forme della cristianizzazione, S. 991. Bezüglich dem Übertritt der süditalischen Langobarden zum römisch-lateinischen Christentum gibt es unterschiedlichen Thesen, wobei zum einen der heilige Barbatus und zum anderen der heilige Decoroso (Bischof von Capua 660– 689) als ausschlaggebende Person vermutet werden. Vgl. PALMIERI, Duchi, principi e vescovi, S. 71. 173 Vgl. HAUPTFELD, Zur langobardischen Eroberung Italiens, S. 79ff.
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mindestens bis ins 8. Jahrhundert in den Quellen nicht genannt, lediglich aus Benevent selbst nahm der Bischof Barbatus 680 an einer Synode in Rom teil.174 Da die Herzogtümer Benevent und Spoleto durch das Exarchat von Ravenna und den Dukat von Rom von der königlichen Hauptmacht der Langobarden im Norden getrennt waren, kam es im Süden zu eigenen Entwicklungen, die auch dadurch bestärkt wurden, dass die Herzogtümer in direkter Nachbarschaft zu byzantinischen Gebieten lagen und ebenfalls das Papsttum auf die Ereignisse in Süditalien Einfluss nahm. So kann festgestellt werden, dass es immer wieder zu Bündnissen zwischen den Herzögen und den Päpsten gegen den langobardischen König in Pavia kam, wobei sämtliche Bündnisse im genannten Zeitraum für gewöhnlich nur kurze Zeit bestanden.175 Hans BELTING spricht vom 8. Jahrhundert als dem „goldenen Zeitalter“176 für Benevent, da die Eroberungen, die noch einen großen Teil des 7. Jahrhunderts eingenommen hatten, abgeschlossen waren und das Herzogtum seine regional größte Ausdehnung erlangt hatte.177 Dies hing unter anderem mit der fehlenden byzantinischen Präsenz zusammen, sodass ehemals byzantinisches Gebiet durch die Langobarden aus Benevent und Spoleto erobert werden konnte.178 Nachdem 774 Karl der Große das langobardische Königtum übernommen hatte und das Herzogtum Spoleto unter fränkische Herrschaft geraten war, war Benevent die letzte langobardische Bastion. Herzog Arichis II. (758–787) nannte sich fortan Fürst und nahm vormals königliche Rechte für sich in Anspruch.179 Da er mit diesem Verhalten in einen Gegensatz zu Karl dem Großen treten musste, dessen Oberherrschaft er zunächst nicht anerkannte, kam es zu einer Annäherung an Byzanz. Allerdings war die Ablehnung Karls des Großen als Oberherrn nicht von langer Dauer, da es diesem gelang, den Fürsten militärisch zur Anerkennung seiner Oberherrschaft und auch zur Auslieferung seines Sohnes als Geisel an den fränkischen Hof zu zwingen.180 Nach einem letzten Versuch, gemeinsam mit Konstantinopel gegen den westlichen Herrscher vorzugehen, verstarb Arichis 787,
174 Vgl. Ebd., S. 83. 175 Vgl. Ekkehard EICKHOFF, Seekrieg und Seepolitik zwischen Islam und Abendland. Das Mittelmeer unter byzantinischer und arabischer Hegemonie (650–1040), Berlin 1966, S. 230. 176 Vgl. Hans BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei (Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie, 7), Wiesbaden 1968, S. 6. 177 Vgl. Ebd. S. 6; Cosimo Damiano FONSECA, I Longobardi, in: Storia della Puglia. 1. Antichità e medioevo, hg. v. Giosuè MUSCA, Bari 1987, S. 147–160, hier S. 151. 178 Vgl. FONSECA, I Longobardi, S. 151. 179 Vgl. Hans BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof im 8. Jahrhundert, in: Dumbarton Oaks Papers 16 (1962), S. 141–193, hier S. 146; Ottorino BERTOLINI, Carlomagno e Benevento, in: Karl der Große. Persönlichkeit und Geschichte (Karl der Große. Leben und Nachleben, 1), hg. v. Helmut BEUMANN/Wolfgang BRAUNFELS, Düsseldorf 1967, S. 609–671, hier S. 616. Dort ist ausführlich der Konflikt zwischen Karl dem Großen und Arichis II. behandelt. 180 Vgl. Ebd., S. 634.
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worauf ihm sein Sohn Grimoald III. (788–806) im Fürstentum folgte.181 Seine Unabhängigkeit bewahrte das Herzogtum dadurch, dass es die Mächte der Zeit gegeneinander auszuspielen verstand, weil es die Gegensätze zwischen dem Papsttum, Byzanz und den Franken zu nutzen wusste.182 Im Laufe des 9. Jahrhunderts änderte sich die Lage so, dass eine abnehmende Bedeutung der Stadt Benevent und eine stärker werdende Kirche183 im langobardischen Gebiet konstatiert werden können.184 Während im 8. Jahrhundert der beneventanische Hof noch einen großen Einfluss auf die kirchlichen Belange nahm, ging die Führung im 9. Jahrhundert auf die Geistlichkeit über.185 Hierbei war es von Bedeutung, dass es Bischof David II. (782–796) gelungen war, von Karl dem Großen Immunität für die beneventanischen Kirchen zu erlangen, wodurch diese weniger der fürstlichen Macht unterstanden und somit stärker ihre eigenen Interessen verfolgen konnten.186 Durch den Machtkampf in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, der zwischen Radelchis (839–851) und Siconulf (840–851) um die Herrschaft in Benevent geführt wurde und der schließlich zur Teilung des Fürstentums im Jahr 849 führte, kam es zu einer inneren Schwächung.187 181 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 146f. 182 Vgl. BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei, S. 7. 183 Vgl. Marcello ROTILI, Benevento fra Antichità e Medioevo. Nuovi dati dalla ricerche degli ultimi quarant’anni, in: Medioevo letto, scavato, rivalutato. Studi in onore die Paolo Peduto (Medioevo Scavato, 7), hg. v. Rosa FIORILLO/Chiara LAMBERT, Florenz 2012, S. 315–330, hier S. 321. 184 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 25. 185 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 160. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts war dann mit Bischof David II. (782–796) ein Mann im Amt, der sich für die Eigenständigkeit der beneventanischen Kirchen engagierte. Zu Bischof David II. siehe Laura MAIO, Davide Beneventano. Un vescovo della Longobardia meridionales (782–796), in: Samnium 56 (1983), S. 77–101. Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Ein Bischof dem Papste gleich?, S. 272. SCHIMMELPFENNIG äußerte die Vermutung, dass von diesem Bischof erstmals das camelaucum getragen wurde. Hier zeigten sich bereits Selbstständigkeitstendenzen, die in den folgenden Jahrhunderten noch verstärkt auftreten sollten. SCHIMMELPFENNIG vermutet, dass die beneventaner Kirche bereits im 8. oder 9. Jahrhundert begann, die Bistümer des Herzogtums oder Prinzipats unter ihre Metropolitangewalt zu bringen und dafür ab dem Ende des 9. Jahrhunderts auch die Hilfe Roms in Anspruch nahm. Doch wurde diese Herrschaft erst 969, durch die Erhebung der Stadt zu einem Erzbistum, gültig. Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Ein Bischof dem Papste gleich?, S. 271. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Falle der Bischof Ursus, der ab 833 das bischöfliche Amt innehatte und wahrscheinlich der Gründer einer grammatischen Schule an der Kathedrale gewesen ist. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 162; Laut BELTING verlagerte sich somit das Bildungszentrum vom palatium zum episcopium. 186 Vgl. Le più antiche carte del capitolo della cattedrale di Benevento (668–1200) (Fonti per la storia dell’Italia medievale: Regesta Chartarum, 52), hg. v. Antonio CIARALLI/Vittorio de DONATO/Vincenzo MATERA, Rom 2002, S. 7–9, doc. 2; CICCO, La scuola cattedrale, S. 354. 187 Vgl. Léon-Robert Ménager, La „byzantinisation“ religieuse de l’Italie méridionale (IXe–XIIe siècles) et la politique monastique des Normands d’Italie, in: Revue d’histoire ecclésiastique 53 (1958), S. 747–774, hier S. 755; Armand O. Citarella, The Political Chaos in Southern Italy and the Arab Destruction of Monte Cassino in 883, in: Montecassino. Dalla prima alla se-
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Nachdem im 8. Jahrhundert der Kontakt zwischen Benevent und Konstantinopel regelmäßig gepflegt und sogar eine Unterstellung Benevents unter den byzantinischen Kaiser verhandelt worden war, ist in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts eine merkliche Abkühlung der Beziehungen zwischen diesen beiden feststellbar.188 Erst am Ende des 9. Jahrhunderts kam es zu einer byzantinischen Rückeroberung in Unteritalien.189 Hierbei gelang es den Byzantinern dem langobardischen Fürstentum Benevent weite Teile des mittleren und nördlichen Apuliens zu entreißen.190 Im 10. Jahrhundert verlor die Stadt Benevent immer mehr an Bedeutung, was daran ablesbar ist, dass sich die Fürsten nun hauptsächlich in Capua aufhielten.191 Zudem war in dieser Zeit das Fürstentum Benevent insgesamt in drei Fürstentümer geteilt.192 Anders verhielt es sich in Neapel.
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conda distruzione. Momenti e aspetti di storia cassinese (Secc. VI–IX). Atti del II Convegno di studi sul Medeioevo Meridionale (Cassino – Montecassino, 27–31 maggio 1984) (Miscellanea Cassinese, 55), hg. v. Faustino Avagliano, Montecassino 1987, S. 163–180, hier S. 166. Dennoch konnten sich die Langobarden weiterhin gegen die Franken behaupten, was deutlich an der Gefangennahme Kaiser Ludwigs II. durch Adelchis II. von Benevent im Jahr 871 erkannt werden kann. Er behielt den Kaiser vierzig Tage in Haft, nachdem sich dieser in beneventanische Verhältnisse eingemischt hatte, und ließ ihn nur unter der Bedingung frei, keine Rache zu nehmen Vgl. Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg Waitz, Hannover 1878, S. 213–264, S. 247; Böhmer, J. F., Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (926). Bd. 3. Die Regesten des Regnum Italiae und der burgundischen Regna. Tl. 1. Die Karolinger im Regnum Italiae 840–887 (888), bearbeitet v. Herbert Zielinski, Köln u.a. 1991, Nr. 330. Hier wird auch auf die biblische Bedeutung der 40 Tage hingewiesen und die Frage aufgeworfen, ob es sich dabei nicht nur um einen dem Kontext geschuldeten Kommentar des Erchempert handelte. Dies ist kein singuläres Phänomen, sondern es kann Ähnliches für die unteritalischen Städte wie beispielsweise Neapel und Amalfi konstatiert werden. Vgl. FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 15. Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 26. Vgl. HUSCHNER, Benevent, Magdeburg, Salerno, S. 24. Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 29. Vgl. Ebd., S. 152f.; Werner GOEZ, Grundzüge der Geschichte Italiens in Mittelalter und Renaissance, Darmstadt 1975, S. 91; Josef DEÉR, Zur Praxis der Verleihung des auswärtigen Patriziats durch den byzantinischen Kaiser, in: Byzanz und das abendländische Herrschertum. Ausgewählte Aufsätze von Josef Deér (Vorträge und Forschungen, 21), hg. v. Peter CLASSEN, Sigmaringen 1977, S. 424–438, S. 431; JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 124; Cosimo Damiano FONSECA, Montecassino e la civiltà monastica nel Mezzogiorno medievale (Biblioteca della Miscellanea Cassinese, 9), Montecassino 2008, S. 45, 50. Es wurde in die Fürstentümer Benevent, Salerno und Capua geteilt, wobei es auch immer wieder Zusammenschlüsse zwischen Benevent und Capua gab. Diese innere Schwäche der langobardischen Herrschaft begünstigte wohl die Eroberungen der Sarazenen auf italischem Boden. Vgl. Michael BORGOLTE, Christen, Juden, Muselmanen (Siedler Geschichte Europas, 2), München 2006, S. 265; LOUD, The Latin Church, S. 13.
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3.2
NEAPEL – EINE GRIECHISCHE STADT IN SÜDITALIEN
Neapel ist eine campanische Stadt, die bereits von den Griechen in der vorchristlichen Zeit gegründet wurde und die auch im Mittelalter durch die griechische Kultur geprägt blieb.193 Zeitweilig war die Stadt unter gotische Hoheit gelangt, doch ab 553 stand sie wieder unter byzantinischer Herrschaft und blieb dies nominell, bis sie im 11. Jahrhundert von den Normannen erobert wurde.194 Im Laufe des 9. Jahrhunderts partizipierte sie langsam zudem an der romanischen Kultur.195 Die erste Kathedrale der Stadt soll laut dem Liber pontificalis von Kaiser Konstantin errichtet worden sein.196 Diese Aussage stellt William TRONZO in Frage, da ein solcher Bau nicht zu den übrigen Baumaßnahmen des Kaisers passe, der vor allem in Rom, Palästina und Konstantinopel Kirchen errichten ließ.197 Die erste Erwähnung Neapels als Diözese stammt aus dem Jahr 342.198 Wann genau Neapel zum Erzbistum erhoben wurde, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen und kann nur in den Zeitraum zwischen 966 und 990 datiert werden, da zu diesem Endpunkt eine Urkunde mit der Unterschrift des Sergius (990–1007) als Erzbischof erhalten ist.199
193 Vgl. Giovanni VITOLO, Art. Neapel, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 1072–1076, hier Sp. 1072. 194 Vgl. ARNALDI, Italien und seine Invasoren, S. 35. Der Dukat von Neapel unterstand nominell dem Strategen von Sizilien, doch wurde 755 erstmals mit Stephanus ein Dux aus dem einheimischen Militäradel erhoben, der allerdings wohl nachträglich durch den Strategen im Amt bestätigt wurde. Vgl. FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 9. 195 Vgl. August BUCK, Die Kultur Italiens (Studienausgaben zur Kulturgeschichte), Frankfurt am Main 1972, S. 20. Zur Hellenisierung Süditaliens und Siziliens im Mittelalter siehe Peter CHARANIS, On the Question of the Hellenization of Sicily and Southern Italy during the Middle Ages, in: The American Historical Review 52 (1946), S. 74–86, wo auch die Forschungsgeschichte bis in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts zu dieser Thematik dargestellt ist. 196 Le Liber Pontificalis I. Texte, Introduction et Commentaire, hg. v. Louis DUCHESNE, Paris 1955, S. 186: Eodem tempore fecit Constantinus Augustus basilicam in civitatem Neapolim, cui optulit hoc … Diese Aussage erscheint auch im 9. Jahrhundert in der Vita des Athanasius. Vita s. Athanasii, S. 128: Ecclesiae vero Sanctae Restitutae (quae a Constantino primo augustorum christianissimo, ut fertur, condita est) connecti utrosque Iohannem Baptistam scilicet et praecursorem Domini Atque Evangelistam. Vgl. FIACCADORI, Il Cristianesimo, S. 162. Da der Liber pontificalis keine zeitgenössische Quelle aus Konstantins Regierungszeit ist, sondern erst im 6. Jahrhundert entstand, ist es schwierig, für die Frühzeit sichere Fakten zu gewinnen. Vgl. HERBERS, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, S. 51. 197 Vgl. TRONZO, Naples in the Early Middle Ages, S. 24f. TRONZO vermutet daher, dass Neapel erst später das Prestige beanspruchte, eine Kirche zu haben, die von Rom aus gegründet worden war und dabei zudem vom ersten christlichen Herrscher, der in der Geschichte des Christentums eine besondere Rolle spielte. 198 Vgl. LANZONI, Le origini delle diocesi, S. 143; TESTINI, La cattedrale in Italia, S. 948. 199 Vgl. GRONER, Die Diözesen Italiens, S. 36f. D’ANGELO geht davon aus, dass Neapel im Jahr 969 zum Erzbistum erhoben wurde, also im gleichen Jahr wie Benevent. D’ANGELO, Agio-
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Während des Bilderstreites prägte Neapel seine ersten eigenen Münzen, auf denen der heilige Januarius und das Bildnis des Dux Stephanus II. (755–800) dargestellt waren.200 Zudem verbündete es sich mit Papst Stephanus II. (752–757), der im Bilderstreit zugunsten der Ikonen eintrat.201 Um 763 stellte sich der gewählte Bischof Paul II. auf die Seite der Ikonodulen und erhielt von Papst Paul I. (757–767) die Weihe, welche er in Neapel nicht empfangen konnte.202 Diese Weihe hatte zur Folge, dass der Bischof nicht mehr in die Stadt eingelassen wurde, sondern die folgenden zwei Jahre außerhalb der Stadt in der Kirche des heiligen Januarius unterkommen musste.203 Laut Hans ACHELIS führte der Bilderstreit zu einem der tiefsten Einschnitte in der geschichtlichen Entwicklung der Stadt, da sie politisch weiterhin Byzanz unterstand, sich aber kirchlich nach Rom ausrichtete.204 Auf Bischof Paul II. folgte der seit zwölf Jahren regierende Dux und Konsul Stephanus II., der sich 769/770 die Weihe durch Papst Stephanus III. (768–772) erteilen ließ.205 Während seiner Amtszeit wurden im Dukat die weltliche und die geistliche Autorität vereint, wobei er die weltliche Macht mit seinen Söhnen Gregorius und Caesarius teilte.206 In den 830er Jahren kühlten sich die Beziehungen zwischen Byzanz und Unteritalien ab, da Beutezüge der Araber die Byzantiner zu militärischen Interventionen in viele Regionen des Mittelmeeres zwangen, sodass sie außerstande waren, in Unteritalien einzugreifen, das allerdings ebenfalls unter den Beutezügen der Sarazenen litt.207 Nachdem die Byzantiner den Verlust Roms und Siziliens
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grafia latina del Mezzogiorno, S. 79. Versuche der Byzantiner, die Stadt aus dem Metropolitananspruch Roms zu lösen, waren zuvor mehrfach gescheitert. VITOLO, Art. Neapel, Sp. 1074. Vgl. CLASSEN, Karl der Große, S. 542. Vgl. Ebd., S. 542. Vgl. Hans ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel (von Johannes Diaconus u.a.) (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-Historische Klasse, 40,4), Leipzig 1930, S. 84; CLASSEN, Byzanz und das abendländische Herrschertum, S. 6; BERTO, , S. 50. Vgl. Christian Friedrich BELLERMANN, Über die ältesten christlichen Begräbnisstätten und besonders die Katakomben zu Neapel mit ihren Wandgemälden, Hamburg 1839, S. 91f. Von BERTO wird daraufhingewiesen, dass es bei diesem Verhalten der Neapolitaner darum ging, ihre Loyalität gegenüber Byzanz zu bekunden, zugleich aber den Bischof nicht völlig fallen zu lassen, sondern ihn in der Nähe der Stadt unterzubringen, um ihn letztlich doch in die selbige zu lassen. Zudem gelte es zu beachten, dass die Neapolitaner nicht wie die Einwohner von Venedig oder Ravenna, die gewaltsam gegen den Exarchen vorgegangen waren, auf das Bilderverbot reagierten. Vgl. BERTO, , S. 49f. Vgl. Hans ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, Leipzig 1936, S. 13. Vgl. Peter CLASSEN, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 9), Sigmaringen 1985, S. 6. Vgl. Ebd., S. 6; Fracesco LUZZATI LAGANÀ, Il ducato di Napoli, in: Il Mezzogiorno dai Bizantini a Federico II (Storia d’Italia, 3), hg. v. André GUILLOU u. a., Torino 1983, S. 328–338, hier S. 332f. Vgl. FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 15; 18ff.
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hatten hinnehmen müssen, verlor Neapel seine strategische Funktion für die Herrschaft in Italien, weswegen die Emanzipationsversuche der Stadt auf keinen großen Widerstand stießen.208 Gegen Ende des 9. Jahrhunderts ging die Herrschaft in Neapel immer mehr in bischöfliche Hände über, was daran erkennbar ist, dass Bischof und Herzog häufig die gleiche Person waren, somit weltliche und kirchliche Belange in einer Hand waren.209 Allgemein kann festgestellt werden, dass sich die Stadt im Laufe der Zeit immer mehr latinisierte, jedoch immer einen Anteil an griechischer Bevölkerung bewahrte.210 Es wird angenommen, dass Neapel in dieser Zeit eine bilinguale Stadt war, in der die Bevölkerung aufgrund des regen Austausches beide Sprachen wenigstens zum Teil beherrschte.211 Im 9. und 10. Jahrhundert kam es im Süden der Apennin-Halbinsel immer wieder zu Bündnissen mit und Kämpfen gegen die Sarazenen, woran sich auch der Dukat von Neapel beteiligte. Besonders Bischof und Herzog Athanasius II. (878–898) schloss ein enges Bündnis mit den Muslimen, denen er ein festes Lager vor den Mauern der Stadt einräumte, von wo aus sie ihre Beutezüge durch die benachbarten Regionen starten konnten.212 Dieses Zusammenarbeiten mit den als
208 Vgl. FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 451. Auch nach der Rückeroberung durch Basileios I. (867–886) wurde nicht versucht, Neapel in das Thema Langobardia einzugliedern und die byzantinischen Herrscher agierten nicht in den inneren Angelegenheiten des Dukats, der weiterhin seine Beziehungen nach Konstantinopel wahrte und seine Urkunden weiter in byzantinischen Kaiserjahren datierte. Vgl. FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 451. 209 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXVIIf. 210 Vgl. André JACOB/Jean-Marie MARTIN, Die griechische Kirche in Italien (650–1050), in: Bischöfe, Mönche und Kaiser (Eichstätter Studien, 4), hg. v. Gilbert DAGRON, Freiburg 1993, S. 366–387, S. 368; FALKENHAUSEN schreibt zu diem Thema: „Wie in allen peripheren Regionen des Reiches [des byzantinischen L.D.] hatte ein großer Teil der italischen Untertanen oft in ethnicher [sic!], kultureller und religiöser Hinsicht mehr gemein mit den italischen Nachbarn außerhalb der byzantinischen Grenzen als mit seinen Mitbürgern im fernen Konstantinopel; oft sprach und verstand nicht einmal die Hälfte von ihnen griechisch.“ Vera von FALKENHAUSEN, The Display of Byzantium in Italy. Wie stellte sich Byzanz seinen Untertanen in Italien, deren Nachbarn und den Eroberern dar?, in: Proceedings of the 21st International Congress of Byzantine Studies. London, 21–26 August, 2006. Volume I. Plenary Papers, hg. v. Elizabeth JEFFREYS, Hampshire und Burlington 2006, S. 57–78, hier S. 57f. Der Dukat von Neapel wurde in der Forschung als Teil des „byzantinische[n] Commonwealth“ bezeichnet. Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXXI. 211 Vgl. François DOLBEAU, Le rôle des interprètes dans les traductions hagiographiques d’Italie du Sud, in: Traduction et traducteurs au Moyen Âge. Actes du colloque international du CNRS organisé à Paris. Institut de recherche et d’histoire des textes les 26–28 mai 1986 (Documents, études et répertoires. Publiés par l’Institut de Recherche et d’Histoire de Textes), hg. v. Geneviève CONTAMINE, Paris 1989, S. 145–162, hier S. 145. 212 Vgl. EICKHOFF, Seekrieg und Seepolitik, S. 230. Zu den Muslimen in Italien siehe Klaus HERBERS, Christen und Muslime im 9. Jahrhundert in Italien und Spanien. Gewalt und Kontakt, Konzeptualisierung und Wahrnehmung, in: HZ 301 (2015), S. 1–30, bes. S. 9–18.
Bari – Die umkämpfte Stadt
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ungläubig betrachteten Sarazenen führte auch zu einem päpstlichen Interdikt Neapels.213 3.3
BARI – DIE UMKÄMPFTE STADT
Bari ist eine apulische Küstenstadt,214 über deren christliche Anfänge es keine eindeutigen Quellenbelege gibt.215 So ist sie ab 465 als Bischofssitz belegt, da der Bischof der Stadt, Concordius (5. Jahrhundert), in diesem Jahr bei einem Konzil in Rom bezeugt ist.216 Viele Quellen der Stadt sind verlorengegangen, sodass teilweise nicht mehr als Annahmen geäußert werden können. Zudem ist es augenscheinlich, dass die Quellen, die sich mit der Geschichte der Stadt beschäftigen, nämlich die Annales Barenses und die Chronik des Lupus, weitestgehend über die Ereignisse der Besetzung und der jeweiligen Machtumbrüche schweigen.217 Der Versuch, sich mit 213 Vgl. EICKHOFF, Seekrieg und Seepolitik, S. 230f. 214 Vgl. LEO, Art. Bari, Sp. 1461. 215 Allerdings haben sich im Laufe der Zeit lokale Traditionen gebildet, die der Stadt einen antiken und apostolischen Charakter zusprachen. Vgl. Giorgio OTRANTO/Raffaella CASSANO, Le orgini della Diocesi, in: Storia di Bari. Dalla preistoria al Mille, hg. v. Maria Raffaella CASSANO/Giosuè MUSCA/Mario PANI, Bari 1989, S. 233–254, hier S. 233. Angeblich wurde der erste Bischof der Stadt, Maurus, von dem Apostel Petrus konsekriert und erlitt unter Domitian (91–96) das Martyrium. Vgl. Michele GARRUBA, Serie critica de sacri pastori Baresi, Bari 1844, S. 14. Er verweist dabei auf die Werke SELVAGIUS’, die diese Aussage enthalten. Iulius Laurentius SELVAGIUS, Antiquitatum Christianarum Institutiones/1,1. Nova Methodo In Quatuor Libros Tributae Ad Usum Seminarii Neapolitani, Mainz 1787, S. 206; Siehe auch: OTRANTO/CASSANO, Le orgini della Diocesi, S. 235; CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 11. Somit würde der erste Bischof der Stadt alle Eigenschaften, die bei der Begründung einer Heiligkeit benötigt wurden, vereinen und gleichzeitig die Stadt sakralisieren, da das Christentum hier durch den Apostel Petrus eingeführt worden war. An beiden Stellen wird kein Quellenbeleg angeführt. Der Bischof scheint heute nicht mehr als Heiliger verehrt zu werden, weil er weder in der BHL noch in der Biblioteca Sanctorum zu finden ist. Auch bei UGHELLI wird er nicht als Bischof der Stadt aufgeführt. Dieser geht lediglich auf den Bericht ein, dass die Stadt durch Petrus christianisiert worden sein soll, wobei er angibt, dass der Name des Bischofs, den er konsekrierte, nicht bekannt sei, siehe UGHELLI, Italia Sacra 7, Sp. 501. Die Annales Barenses beginnen allgemein erst mit dem Jahr 605, weswegen man aus ihnen ebenfalls keine Informationen zu diesem Thema erhalten kann. Ebenso sollen sich Paulus und Lukas in Bari aufgehalten haben. Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 11. Hierbei scheint es sich um eine ähnliche Tradition wie in Neapel zu handeln. 216 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 12; TESTINI, La cattedrale in Italia, S. 24. Hierbei kann allerdings nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es vorher keine anderen Bischöfe in dieser Stadt gab. Vgl. OTRANTO/CASSANO, Le orgini della Diocesi, S. 234. 217 Vgl. Annales Barenses, in: Annales et chronica aevi Salici (MGH SS, 5), hg. v. Georg Heinrich PERTZ, Hannover 1844, S. 51–56, S. 52. In den Annales Barenses wird das 9. Jahrhundert gänzlich übergangen, während in der Chronik des Lupus zumindest einzelne Ereignisse aus diesem Jahrhundert genannt werden. Vgl. Lupus Protospatarius, in: Annales et chronica aevi Salici, S. 52–63. Siehe Kapitel 4.3.
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Die herrschaftlich-kulturelle Struktur Süditaliens
der apulischen Geschichte auseinanderzusetzen, offenbart rasch, dass die Quellen für diese Zeit für die Region nur in sehr geringen Maßen aussagekräftig sind. Erst in der Normannenzeit kann wieder auf eine größere Zahl an Texten zurückgegriffen werden. Dieses Problem sollte beachtet werden, da es einen konkreten Vergleich mit anderen Städten, in denen die Quellenlage besser ist, erschwert. Die Geschichte Baris ist vor allem durch zahlreiche Eroberungen und Gebietsverluste geprägt, nachdem sich diese Stadt nach dem Einfall der Langobarden in Italien zunächst im Dukat Benevents befand, in der Mitte des 7. Jahrhunderts durch Kaiser Konstans II. (641–668) während dessen Italienzugs geplündert wurde,218 zeitweilig in muslimische Hände fiel, dann von Kaiser Ludwig II. (839/840–875) erobert wurde und schließlich in byzantinische Oberhoheit geriet, wobei es dann der Hauptsitz des Katepanats Italia wurde, bis die Normannen ganz Unteritalien einnahmen.219 Insgesamt darf sicherlich von einer sehr heterogenen Bevölkerung in dieser Stadt, die zwischen Langobarden, Byzantinern, Franken und Sarazenen umkämpft war, ausgegangen werden.220 Somit kann angenommen werden, dass in der Stadt ebenso wie in Neapel die lateinische und die griechische Liturgie gebräuchlich waren.221 Entweder in der Zeit der Langobardeninvasion oder in der Zeit der sarazenischen Eroberung wurde der Bischofssitz nach Canosa verlegt, wo er auch bis in die normannische Zeit blieb.222
218 Vgl. Pasquale CORSI/Cosimo Damiano FONESCA, Dalla caduta dell’Impero d’Occidente al domino Longobardo, in: Storia di Bari. Dalla preistoria al Mille, hg. v. Maria Raffaella CASSANO/Giosuè MUSCA/Mario PANI, Bari 1989, S. 257–283, hier S. 263ff. 219 Vgl. EICKHOFF, Seekrieg und Seepolitik, S. 357; FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 404; Pietro MAZZEO, Storia di Bari dalle origini alla conquista normanna (1071), Bari 2008. Zur Eroberung Süditaliens durch die Normannen siehe Alheydis PLASSMANN, Akkulturation als Herrschaftspraxis. Das Beispiel der Normannen in der Normandie, in England und in Süditalien, in: Akkulturation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen, 78), hg. v. Reinhard HÄRTEL, Ostfildern 2014, S. 395–440, hier S. 425–439. 220 MORFINI, Bari-Bitonto, S. 96: „Tra la metà del IX e del X secolo la città di Bari è contesa tra Saraceni, Franchi e Bizantini a ragione della posizione di prestigio assunta durante la dominazione precedente.“ 221 Vgl. Vera von FALKENHAUSEN, Bari bizantina: profilo di un capoluogo di provincia, in: Spazio, società, potere nell’Italia dei Comuni (Europa Mediterranea Quaderni, 1), hg. v. Gabriela ROSSETTI, Neapel 1986, S. 195–228, hier S. 213f. 222 Vgl. Ebd., S. 218; MUSCA, Saraceni e Bizantini, S. 173; CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 20. Allerdings wurde auch Canosa von den Sarazenen eingenommen. Vgl. CORSI/FONESCA, Dalla caduta dell’Impero, S. 203. Als auch Canosa 850 von den Sarazenen belagert wurde, gelang dem dortigen Bischof Petrus die Flucht nach Salerno. Vgl. Chronicon Salernitanum. A Critical Edition with Studies on Literary and Historical Sources and on Language (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 3), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Stockholm 1956, cap. 97, S. 97; CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 20; Pasquale CORSI, Canosa e Bari nelle modificazioni ecclesiastiche dei Bizantini, in: La tradizione barese di s. Sabino di Canosa (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 19), hg. v. Salvatore PALESE, Bari 2001, S. 47–56, hier S. 52, von ihm wird die Plünderung Canosas allerdings in das Jahr 842 datiert.
Bari – Die umkämpfte Stadt
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Ab der Mitte des 7. Jahrhunderts ist ein verstärktes Interesse der Araber an der Eroberung des Mittelmeerraumes feststellbar, das sich durch Überfälle auf die Insel Sizilien ausdrückte.223 831 wurde Palermo eingenommen und durch die Gründung eines Emirats wurde die dortige Vorherrschaft der Byzantiner beendet.224 Die Eroberung Siziliens führte zu einer Ausgangsbasis, von der aus die Streifzüge nach Unteritalien vorgenommen werden konnten. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts mehrten sich dann auch die muslimischen Raubzüge auf das italische Festland.225 Hier glückte die Eroberung aber nur punktuell und war immer zeitlich begrenzt.226 Insgesamt konnten auf dem italischen Festland drei Emirate errichtet werden, die alle nicht lange Bestand hatten, nämlich Taranto (ca. 840– 880) und Bari (847–871)227 in Apulien sowie Amantea (ca. 839/40–886)228 in Kalabrien, wobei lediglich das Emirat von Bari durch den Kalifen von Bagdad anerkannt wurde.229 Erst im letzten Drittel des Jahrhunderts konnten die Sarazenen durch christliche Truppen, die Bari zurückeroberten, erfolgreich besiegt werden.230 Es gibt Vermutungen in der Forschung, dass nach der Eroberung durch die Sarazenen in Bari kaum noch Christen gelebt hätten.231 Es gilt aber zu beachten, dass die Muslime in der Regel die anderen Buchreligionen tolerierten und diese lediglich eine eigene Steuer zu zahlen hatten.232 Somit hätte die Bevölkerung auch in Bari bleiben können.
223 Vgl. ROTTER, Abendland und Sarazenen, S. 194ff. 224 Vgl. Kordula WOLF, Auf dem Pfade Allahs. Ğihād und muslimische Migration auf dem süditalienischen Festland (9.–11. Jahrhundert), in: Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend. Europa, Asien, Afrika, hg. v. Michael BORGOLTE/Matthias M. TISCHLER, Darmstadt 2012, S. 120–166, hier S. 120. 225 Vgl. Alfred SCHLICHT, Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte, Stuttgart 2008, S. 42. 226 Vgl. WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 120. 227 Vgl. Ebd., S. 121. Es ist nicht eindeutig festzumachen, wann Bari konkret von den Muslimen erobert wurde, doch wurde die Stadt 863 als Emirat anerkannt, womit ein terminus ante quem gegeben ist. 228 Dessen Existenz kann allerdings angezweifelt werden, da die Informationen lediglich in einer Quelle enthalten sind. Vgl. Ebd., S. 121. 229 Vgl. Ebd., S. 121; hier auch zur Problematik der Bezeichnung als ‚Emirate‘. Allerdings waren Taranto und Amantea nicht kontinuierlich in muslimischer Hand und der Status der muslimischen Präsenz in diesen Orten ist unbekannt. Vgl. WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 121. 230 Aber auch danach waren die Sarazenen weiterhin in Süditalien präsent, was die Zerstörung der Klöster San Vinzenco al Volturno im Jahr 881 und Monte Cassino 883 belegt. Vgl. CITARELLA, The Political Chaos, S. 171f.; Vito SALIERNO, I Musulmani in Puglia e in Basilicata (Prestige. Scritti di varia umanità, 15), Bari u.a. 2000, S. 49; Armand O. CITARELLA/Henry M. WILLARD, The Ninth-Century Treasure of Monte Cassino in the Context of Political and Economic Developments in South Italy (Miscellanea Cassinese, 50), Montecassino 2003. 231 Vgl. WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 143. 232 Vgl. GOEZ, Grundzüge der Geschichte Italiens, S. 59; Jacob LASSNER, Jews, Christians, and the Abode of Islam. Modern Scholarship, Medieval Realities, Chicago und London 2012, S. 241ff. Es ist auffällig, dass anscheinend die Zeit der muslimischen Besetzung keine neuen
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Die herrschaftlich-kulturelle Struktur Süditaliens
Bari war in der Zeit des Emirats kein hermetisch abgeschlossener Raum, wie beispielsweise am Pilgerbericht des Mönches Bernhard erkennbar ist, in dem er von seinem Aufenthalt in dieser Stadt (wahrscheinlich im Jahr 865 oder 866) berichtet.233 Er geht an dieser Stelle nicht auf das Leben oder die Kirchen in diesem Ort ein, sondern schildert lediglich, dass er jetzt unter sarazenischer Herrschaft stehe, nachdem zuvor die Beneventaner dort die Machthaber gewesen seien.234 Die Byzantiner werden von ihm nicht mit der Stadt in einen Zusammenhang gebracht. Da es aus der Zeit der Besetzung kaum schriftliche Quellen gibt,235 wird für diese Epoche der Geschichte der Stadt vor allem auf die baulichen Quellen zu-
Märtyrer in Bari hervorbrachte, was mit einer passiven Haltung gegenüber den Besatzern erklärbar ist. Anders als im muslimisch besetzten Spanien scheint es zu keinem aktiven Vorgehen gegen die Religion der Besatzer in Süditalien gegeben zu haben. In Spanien wurden in der Mitte des 9. Jahrhunderts mehrere Christen in Córdoba hingerichtet, nachdem sie den Propheten Mohammed gegenüber den Machthabern geschmäht hatten. Neuere Literatur zu diesem Phänomen etwa: Franz Richard FRANKE, Die freiwilligen Märtyrer von Cordova und das Verhältnis der Mozaraber zum Islam. Nach den Schriften des Speraindeo, Eulogius und Alvar, in: Spanische Forschungen 1 13 (1958), S. 1–170; Kenneth Baxter WOLF, Christian Martyrs in Muslim Spain (Cambridge Iberian and Latin American studies. History and social theory), Cambridge u.a. 1988; Ann CHRISTYS, Christians in Al-Andalus 711–1000. Culture and Civilization in the Middle East (Culture and civilization in the Middle East), Richmond 2002, S. 52–79; Juan Pedro MONFERRER SALA, Mitografía hagiomartirial: de nuevo sobre los supuestos mártires cordobeses del siglo IX, in: De muerte violenta. Política, religión y violencia en al-Andalus, hg. v. María Isabel FIERRO BELLO, Madrid 2004, S. 415–450; Igor POCHOSHAJEW, Die Märtyrer von Cordoba, Frankfurt am Main 2007. Da sie ihre Hinrichtung provozierten, ist bei dieser Gruppe eine Zuordnung zu den Märtyrern fraglich. Ein solches Vorgehen scheint es in Unteritalien und Sizilien nicht gegeben zu haben, nachdem jegliche Quellennachricht über ein derartiges Geschehen fehlt. 233 Vgl. Itinerarium Bernardi monachi, in: Das „Itinerarium Bernardi Monachi“. Edition – Übersetzung – Kommentar (MGH. Studien und Texte, 50), hg. v. Josef ACKERMANN, Hannover 2010, S. 115–127, hier S. 116f.; Andrea BECK, Die Pilgerreise des Mönches Bernhard: Rom – Kairo – Jerusalem, in: Beuroner Forum Edition 2012. Kulturelles, monastisches und liturgisches Leben in der Erzabtei St. Martin, hg. v. Peter HÄGER/Jakobus KAFFANKE, Berlin 2012, S. 141–172, hier S. 151f. Zudem berichtet er von 9.000 beneventanischen Gefangenen, die von Tarent aus verschifft werden sollten. Itinerarium Bernardi monachi, S. 116: … per CL miliaria venimus ad civitatem Sarracenorum nominem Barrem, que dudum subaicebat dicioni Beneventanorum. 234 Vgl. Ebd., S. 117. 235 Von der muslimischen Seite hat sich lediglich eine Quelle erhalten, die sich auch kurz mit Bari befasst. Vgl. CORSI, Bari tra Oriente, S. 59. Bei ihr handelt es sich um eine Schrift des al-Baladuri, der im 9. Jahrhundert schrieb, wobei er allerdings nur sagte, dass es sich bei den Bewohnern der Stadt um Christen, aber nicht um Byzantiner handle. Vgl. SALIERNO, I Musulmani in Puglia, S. 30; MORFINI, Bari-Bitonto, S. 96. Dario MORFINI schließt aus dieser Klarstellung, dass in der Zeit der sarazenischen Besetzung die Liturgie und der Kult in der lateinischen Sprache und dem lateinischen Ritus ausgeführt wurden und nicht im griechischen. Vgl. MORFINI, Bari-Bitonto, S. 96. Allerdings kann die Aussage al Baladuris auch politisch gemeint gewesen sein. Während der Zeit der Besatzung vermutet MORFINI den Verfall der
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rückgegriffen werden. Insgesamt ist es sehr schwierig, etwas über die kirchliche Struktur der Stadt vor dem 11. Jahrhundert auszusagen. Vom Ende des 9. Jahrhunderts bis zur Eroberung der Stadt durch die Normannen im Jahr 1071 war Bari Sitz der Strategen von Langobardia beziehungsweise der Katepane und Douces von Italia und Reggio.236 Zwar wurde zunächst versucht, Benevent als Residenz des Strategen einzurichten, doch war dies am langobardischen Widerstand gescheitert, weswegen Bari eigentlich nur die zweite Wahl war, die jedoch aufgrund ihrer Lage verkehrstechnische Vorteile besaß.237 Der Residenzcharakter trug wohl dazu bei, weshalb Bari 969 durch Otto den Großen belagert wurde, der damit seine imperialen Ansprüche auf Süditalien zum Ausdruck brachte, wobei ihm allerdings die Einnahme der Stadt, die von drei Seiten durch Wasser geschützt war, nicht gelang.238
Moral des baresischen Klerus’ aufgrund der Abwesenheit des Bischofs, der nicht über das kirchliche Leben wachte. Vgl. MORFINI, Bari-Bitonto, S. 96. 236 Vgl. FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 404. 237 Vgl. Ebd., S. 408. 238 Vgl. KREUTZ, Before the Normans, S. 104.
4. DAS QUELLENKORPUS Als Quellen zur Untersuchung der Heiligenverehrung gilt es zunächst hagiographische Werke zu berücksichtigen, aber auch historiographische und liturgische Texte können Auskunft über Heiligenkulte enthalten. Kirchen- und Klosterbauten vermitteln indirekte Informationen über die Bedeutung der Heiligen. Da Gotteshäuser unter dem Patrozinium eines Heiligen stehen, lassen sich Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Reliquien oder zumindest die Bekanntheit eines Heiligen ziehen. 4.1
HAGIOGRAPHISCHE QUELLEN
Hagiographische Werke sind Lebensbeschreibungen (Viten), Wunderberichte, Translationsberichte, Passiones und Märtyrerakten, die zum Ruhm des Heiligen verfasst wurden. Bereits die ersten Heiligenviten aus dem 4. Jahrhundert (beispielsweise von Athanasius über Antonius den Einsiedler1 und von Sulpicius Severus über Martin von Tours2) erfuhren kurz nach ihrer Niederschrift eine große Verbreitung in den Regionen, die zum Römischen Reich gehörten.3 Was neben diesen kirchlichen Texten noch an Erzählungen unter der Bevölkerung im Umlauf war, kann heute nicht mehr abgeschätzt werden.4 Es gibt verschiedenste Topoi, die das Leben oder Sterben des Heiligen betreffen, aber auch über die Nichtwürdigkeit des Verfassers, diesen Text niederzuschreiben.5 Ferner 1
2 3 4 5
Vgl. Annette von STOCKHAUSEN/Hanns Christof BRENNECKE, Von Arius zum Athanasianum. Studien zur Edition der „Athanasius-Werke“ (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, 164), Berlin u.a. 2010; Peter GEMEINHARDT, Antonius, der erste Mönch. Leben, Lehre, Legende, München 2013. Vgl. Fabio RUGGIERO, Vita di Martino. Sulpicio Severo (Biblioteca patristica, 40), Bologna 2003. Vgl. HEINZELMANN, Neue Aspekte, S. 34f. Vgl. NAHMER, Die Lateinische Heiligenvita, S. 177. Vgl. Erich AUERBACH, Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter, Bern 1958, S. 69; Gertrud SIMON, Untersuchungen zur Topik der Widmungsbriefe mittelalterlicher Geschichtsschreiber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Erster Teil, in: AfD 4 (1958), S. 52–119, hier S. 117f.; GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 78; NAHMER, Die Lateinische Heiligenvita, S. 74. Mit den Topoi in byzantinischen Heiligenviten setzte sich Thomas PRATSCH intensiv auseinander. Vgl. Thomas PRATSCH, Der hagiographische Topos. Griechische Heiligenviten in mittelbyzantinischer Zeit (Millenium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 6), Berlin und New York 2005. Allerdings kann beispielsweise die Furcht vor der Selbstüberhebung durchaus ein Charakterzug des Schreibers sein. Vgl. Gertrud SIMON, Untersuchungen zur Topik der Widmungsbriefe mittel-
Hagiographische Quellen
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erscheint häufig zu Beginn eines hagiographischen Werkes die Aussage, dass es dem Verfasser nicht möglich gewesen sei, alle Taten des Heiligen aufzunehmen und daher lediglich die wichtigsten und herausragenden verarbeitet wurden.6 Hier wird also noch aufgezeigt, dass es über den Heiligen einfach zu viel zu berichten gebe, als dass tatsächlich niedergeschrieben werden könne. Dies zeigt die besonders herausgehobene Stellung des Heiligen durch seine unzählbaren Taten. Einige Texte sind als Auftragsarbeiten ausgewiesen, wobei es sich ebenfalls teilweise um einen Topos handeln kann, was aber das Vorhandensein von tatsächlichen Auftraggebern nicht völlig unwahrscheinlich macht, vor allem wenn als solche bekannte Zeitgenossen genannt werden.7 Allgemein werden als Gründe für die Verfassung eines Werkes nicht nur Aufträge angegeben, sondern auch der Wunsch, das Leben eines besonderen Menschen festzuhalten und nicht dem Vergessen preiszugeben.8 Bei den Wundern können zwei Arten unterschieden werden. Zum einen diejenigen, bei denen es sich um Nachahmungen biblischer Mirakel handelt, zum anderen die, welche auf außerbiblische Berichte zurückgehen und dabei häufig anderen Topoi folgen.9 Bei den biblischen Wundern handelt es sich in der Regel um Heilungsmirakel. So wurden bereits in den Evangelien Heilungen angekündigt.10 Ein außerbiblisches Wunder wäre beispielsweise die Verteidigung der Gläubigen gegenüber äußeren Gefahren, wie etwa Sarazenenangriffen.11
alterlicher Geschichtsschreiber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Zweiter Teil, in: AfD 5./6. (1959/60), S. 73–153, hier S. 146. 6 Vgl. SIMON, Untersuchungen zur Topik II, S. 85. 7 Vgl. SIMON, Untersuchungen zur Topik I, S. 61; Ernst Robert CURTIUS, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Tübingen und Basel 1993, S. 94f. 8 Vgl. SIMON, Untersuchungen zur Topik I, S. 87. 9 Vgl. GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 79; FREMER, Wunder und Magie, S. 34. 10 Vgl. Mt 10, 1–8; Mar 6, 7; Luc 9,1f. Krankheiten galten als Strafe, die für die Übertretung von magischen oder Reinheitsvorschriften erlitten werden konnte. Vgl. GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 79; SKINNER, Patricia, Health and Medicine in Early Medieval Southern Italy (The Medieval Mediterranean, People, economies and cultures, 400–1500, 11), Leiden 1997, S. 78. Auch Krankheit als Prüfung durch Gott konnte in der Gedankenwelt auftauchen, wie es aus der Bibel bei Hiob bekannt war. Zudem war der Glaube an Dämonen stark verbreitet, sodass eine Vielzahl der Wunder von Dämonenaustreibungen berichtet, wobei viele Krankheiten als durch Dämonen bedingt verstanden wurden. Vgl. GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 79; Peter DINZELBACHER, Der Kampf der Heiligen mit den Dämonen, in: Santi e demoni nell’alto medioevo occidentale (Secoli V–XI). 7–13 aprile 1988 (Settimane di studio del centro Italiano di studi sull’alto medioevo, 36), Spoleto 1989, S. 647– 695, hier S. 690. 11 Vgl. Adriaan H. BREDERO, Christenheit und Christentum im Mittelalter. Über das Verhältnis von Religion, Kirche und Gesellschaft, Stuttgart 1998, S. 133. Diese Gefahren konnten zu Nottranslationen führen, bei denen häufig Viten ganz oder teilweise verlorengehen konnten. Da diese Texte allerdings für den Wert der Reliquien entscheidend waren, wurden sie neu verfasst. Die Neuverfassung von Texten wurde aber nicht nur durch Verluste ausgelöst, sondern allgemein aufgrund neuerer Anforderungen oder aus politischen und wirtschaftlichen Gründen.
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Das Quellenkorpus
Die Passiones beschäftigen sich mit den Leiden und dem Tod der Heiligen. In den Texten fällt auf, dass es den Bekennern nicht nur darum geht, sich als Christ auszuweisen, sondern dass sie in der Diskussion mit dem andersgläubigen Richter ebenso versuchen, ihre Religion zu verteidigen, den Ankläger zu gewinnen und dabei die Umstehenden miteinzubeziehen.12 Teilweise sind ganze Dialoge niedergeschrieben, die den Eindruck vermitteln sollen, dass es sich bei diesem Text um ein Werk handelt, das im direkten Umfeld des Todes festgehalten wurde. Die Leidensgeschichten des Heiligen zeigen, wie er trotz der Martern, die er erleiden musste, seinem Glauben treu blieb und somit Vorbildfunktion erlangte. Die ausführliche Schilderung der Qualen, die der Christ über sich ergehen lassen musste, zeigt die Standhaftigkeit bei der Verteidigung seines Glaubens. Letztlich folgt er durch seinen Tod dem Vorbild Christi, der ebenfalls verfolgt und gemartert wurde und letztlich gestorben war. Zuletzt sind die Martyrologien und Kalendarien zu nennen, da anhand ihrer die Festtage der Heiligen, teilweise noch mit weiteren Informationen, ausgemacht werden können. Aus dem 6./7. Jahrhundert ist das Martyrologium Hieronymianum erhalten,13 dem einzigen Martyrologium, bei dem sich der Verfasser bemühte, die Märtyrer der Gesamtkirche aufzunehmen14 und nicht nur diejenigen aus der jeweiligen Region, wobei aufgrund der großen Fülle an Heiligen in diesen Fall nur die Namen der Märtyrer erfasst wurden und nicht ihre Geschichte.15 Dieses Martyrologium bildete für viele der späteren Martyrologien die Grundlage und hat somit einen herausragenden Wert. Es war vermutlich bereits im 6./7. Jahrhundert in Italien bekannt und konnte daher für spätere Werke herangezogen werden.16 Möglicherweise wurde es auch in Oberitalien angefertigt.17 Die meisten Gemeinden besaßen solche Kalender, in denen die Namen der lokalen Märtyrer festgehalten wurden, um so deren Gedächtnis angemessen pflegen zu können.18 Diese Ka-
12 Vgl. Christian GNILKA, Der neue Sinn der Worte. Zur frühchristlichen Passionsliteratur, in: Frühmittelalterliche Studien 26 (1992), S. 32–64, S. 36. 13 Vgl. Jacques DUBOIS, Art. Martyrologium Hieronymianum, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 360–361, hier Sp. 360; Felice LIFSHITZ, The Name of the Saint. The Martyrology of Jerome and Access to the Sacred in Francia, 627–827 (Publications in medieval studies), Notre Dame, Ind. 2006, S. 3–5, 13–29, 133–138; Ann Marie YASIN, Saints and the Church Spaces in the Late Antique Mediterranean. Architecture, Cult, and Community (Greek Cult in the Roman World), Cambridge 2009, S. 251. 14 Das älteste erhaltene Martyrologium ist die Depositio Martyrum aus dem Jahr 354, in der die römischen Märtyrer aufgenommen wurden, wobei alle abendländischen Martyrologien in irgendeiner literarischen Abhängigkeit zu diesem stehen. Vgl. ACHELIS, Die Martyrologien, ihre Geschichte, S. 7ff. 15 Vgl. ACHELIS, Die Martyrologien, ihre Geschichte, S. 2f. 16 Vgl. Bruno KRUSCH, Zum Martyrologium Hieronymianum, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 20 (1895), S. 437–440, S. 438. 17 Vgl. DUBOIS, Art. Martyrologium Hieronymianum, Sp. 360. 18 Vgl. ACHELIS, Die Martyrologien, ihre Geschichte, S. 9; Enrica FOLLIERI, Il culto de santi nell’Italia greca, in: La Chiesa greca in Italia dall’VIII al XVI secolo. Atti del convegno stori-
Hagiographische Quellen
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lender zeigen durch ihre schrittweise Auffüllung, wie sehr der Rhythmus der Gesellschaft und das soziale Leben durch die Heiligenverehrung bestimmt wurden.19 Auch das Martyrologium Bedas (†735) erlangte eine große Verbreitung, wobei es teilweise ergänzt wurde, weshalb sich Einträge finden, die zeitlich nach dem Tode des britannischen Mönches geschahen. Eine neuere kritische Edition des Werkes, in der die verschiedenen Fortsetzungen und Ergänzungen genauer untersucht würden, fehlt bisher. Insgesamt gilt es ebenfalls, diese Martyrologien im Blick zu behalten, da sie Aussage darüber machen, welche Heiligen bekannt waren, wobei die Zeiten der Ergänzungen nicht eindeutig ausgemacht werden können. Diese beiden Werke werden neben den lokalen hagiographischen Fragen auf ihre Parallelen mit der Heiligenverehrung in der Region untersucht, da sie teilweise grundlegende Informationen enthalten, die in dieser Form in den anderen Quellen nicht zu finden sind. Bei ihnen kann davon ausgegangen werden, dass sie bekannt und somit von einiger Bedeutung waren. Zudem wurde das Synaxarium von Konstantinopel20 herangezogen, wenn es zu Abweichungen von Festtagen der Heiligen vom geläufigen lateinischen Heiligenkalender kam und um den byzantinischen Einfluss auf die Heiligenverehrung in Unteritalien aufzuzeigen. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Art Martyrologium, das unter Kaiser Konstantin VII. (905–959) in Konstantinopel erstellt wurde, wobei vermutet wird, dass es bereits zuvor einfachere Zusammenstellungen der Heiligenfeste gab, die dann in dieses Synaxar mündeten.21 Da der Austausch nicht nur von Ost nach West, sondern auch in umgekehrter Richtung vonstattenging, konnten zudem Heilige des römisch-lateinischen Raums im byzantinischen Reich bekannt werden und somit Aufnahme im Synaxarium von Konstantinopel finden.22 Aufgrund der Präsenz der Byzantiner und griechischer Klöster23
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co interecclesiale (Bari, 30 apr. – 4 magg. 1969), Bd. II (Italia Sacra, 21), Padua 1973, S. 553–577, hier S. 553. Vgl. HERBERS, Hagiographie, S. 25. Ein Synaxarium kann von seinem Inhalt her mit einem Martyrologium gleichgesetzt werden. Vgl. Christian HANNICK, Art. Synaxarion, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Sp. 371. Zum Synaxarium von Konstantinopel allgemein siehe Andrea LUZZI, Studi sul Sinassario di Costantinopoli (Testi e studi Bizantino-Neoellenici, 8), Rom 1995; Alexander KAZHDAN, Constantinopolitan Synaxarium as a Source for Social History of Byzantium, in: The Christian East. Its Institutions and its Thought. A Critical Reflection. Papers of the International Scholary Congress for the 75th Anniversary of the Pontifical Oriental Institute Rome, 30 May–5 June 1993 (Orientalia Christiana Analecta, 251), hg. v. Robert F. TAFT, Rom 1996, S. 485–516 Vgl. LUZZI, Studi sul Sinassario di Costantinopoli, S. 5; KAZHDAN, Constantinopolitan Synaxarium, S. 485f. LUZZI präzisierte die Datierung auf die Zeit zwischen 949 und 959. Vgl. Andrea LUZZI, Precisazioni sull’epoca di formazione del Sinassario Constantinopoli, in: Rivista di studi bizantini e neoellenici 36 (2000), S. 75–91, hier S. 91. Vgl. Enrico MORINI, Sicilia, Roma e Italia suburbicaria nelle tradizioni del sinassario constantinopolitano, in: Sicilia e Italia suburbicaria tra IV e VIII secolo. Atti del Convegno di Studi (Catania, 24–27 ottobre 1989), hg. v. Salvatore PRICOCO/Francesca RIZZO NERVO/Teresa SARDELLA, Soveria Mannelli (Catanzaro) 1991, S. 129–184; Andrea LUZZI,
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Das Quellenkorpus
in Unteritalien und einer griechischsprachigen Bevölkerung existierten Werke der byzantinischen Hagiographie in der süditalienischen Region, wodurch Heilige aus dem Osten in dieser Region bekannt wurden, die dort ebenfalls Verehrung erfuhren. Ein wichtiger Streitpunkt der Forschung ist bis heute, ob es sich bei Heiligenviten um eine volkstümliche oder um eine innerkirchliche Literatur von der Oberschicht für die Oberschicht handelte.24 In einer Vorrede der Passio S. Theodori berichtet der Subdiakon Bonitus, dass sich das Volk teilweise sogar über die Texte lustig machte.25 Möglicherweise war es hier der griechische Sprachstil in einer zu wörtlichen Übersetzung, der die Gläubigen zum Lachen brachte.26 Insgesamt
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L’influsso dell’agiografia Italogreca sui testimoni più tardivi del Sinassario di Costantinopoli, in: Calabria cristiana. Società religione cultura nel territorio della Diocesi di Oppido Mamertina-Palmi. Tomo I (Bibliotheca vivariensis, 6), hg. v. Sandro LEANZA, Soveria Mannelli (Catanzaro) 1999, S. 505–526. Hierbei ist zu beachten, dass das Synaxarium in mehreren Abschriften überliefert ist, die nicht immer die gleichen Heiligen enthalten, sodass manchmal Heiligenfeste nur in einigen Handschriften aufgeführt werden. Darauf wird im Einzelfalle hingewiesen. Vgl. Silvano BORSARI, Il Monachesimo Bizantino. Nella Sicilia e nell’Italia meridionale prenormanne (Istituto italiano per gli studi storici, 14), Neapel 1963. Vgl. Hippolyte DELEHAYE, Les légendes hagiographiques (Subsidia Hagiographica, 18), 43. Auflage, Brüssel 1955, S. 12 u. 100f.; GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 32 u. 197ff.; Friedrich PRINZ, Aspekte frühmittelalterlicher Hagiographie, in: Agiografia nell’occidente cristiano. Secoli XIII–XV (Roma, 1–2 marzo 1979) (Accademia Nazionale dei Lincei), Rom 1980, S. 9–30, hier S. 10; Hedwig RÖCKELEIN, Zur Pragmatik hagiographischer Schriften im Frühmittelalter, in: Bene vivere in communitate. Beiträge zum italienischen und deutschen Mittelalter. Hagen Keller zum 60. Geburtstag überreicht von seinen Schülerinnen und Schülern, hg. v. Thomas SCHARFF/Thomas BEHRMANN, Münster u.a 1997, S. 225–238, hier S. 225; Vgl. Friedrich PRINZ, Der Heilige und seine Lebenswelt. Überlegungen zum gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Aussagewert von Viten und Wundererzählungen, in: Santi e demoni nell’alto medioevo occidentale (Secoli V–XI). 7–13 aprile 1988 (Settimane di studio del centro Italiano di studi sull’alto medioevo, 36), Spoleto 1989, S. 285–318, hier S. 295. Zur Forschungsdiskussion siehe Hans-Werner GOETZ, Volkskultur und Elitekultur im frühen Mittelalter: Eine Forschungsaufgabe und ihre Problematik, in: Volkskultur und Elitekultur im frühen Mittelalter: Das Beispiel der Heiligenviten (Medium Aevum Quotidianum, 36), hg. v. Hans-Werner GOETZ/Friederike SAUERWEIN, Krems 1997, S. 9–19, hier S. 17f. AASS Feb. II., S. 30: … ceu quorundam passiones sanctorum Martyrum, rustico Achiuorum stylo digestas, legi in ecclesia comperisset, et ex his populus audiens ridiculum potius quam imitationem acquireret, Christi aemulatione permotus non est passus Dei opus ludibrium fieri populorum. Vgl. BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 210, Anm. 46; Marcella FORLIN PATRUCCO, Santi orientali nell’Italia tardoantica, in: Sicilia e Italia suburbicaria tra IV e VIII secolo. Atti del Convegno di Studi (Catania, 24–27 ottobre 1989), hg. v. Salvatore PRICOCO/Francesca RIZZO NERVO/Teresa SARDELLA, Soveria Mannelli (Catanzaro) 1991, S. 197– 214, hier S. 214; GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger, S. 70f. Im Prolog der Passio des Anastasius des Persers wird von Gregorius Clericus explizit darauf eingegangen, dass das Werk für den Zuhörer angenehm sein sollte. Vgl. Angelo MAI, Spicilegium Romanum. Patrum ecclesiasticorum Serapionis, Joh. Chrysostomi, Cyrilli Alex., Theodori Mopsuesteni, Procli, Diadochi, Sophronii, Joh. Monachi, Paulini, Claudii, Petri Damiani scripta varia. Item ex Ni-
Hagiographische Quellen
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wird sich die Frage, ob die Texte für die Elite oder das einfache Volk verfasst wurden, wohl nicht endgültig beantworten lassen. Es wird jedoch nicht im Interesse der Verfasser gelegen haben, Werke zu erstellen, die aufgrund ihres Sprachstils nicht mehr gelesen werden. Es ist bekannt, dass sich verschiedene Verfasser von kirchlichen Schriften auf ihre Leser in der Form einstellten, als dass sie ihnen sprachlich entgegenkamen. Schriften für gebildete Kreise wurden folglich anders formuliert als Predigten, die für die breite Masse verständlich sein mussten.27 Eine solche Vereinfachung der Schriften kann bereits unter Gregor dem Großen (590– 604) konstatiert werden, in dessen Regierungszeit „das lateinische Schrifttum pädagogisiert“28 wurde. In diesem Zusammenhang ist ein Beschluss des Konzils von Tours im Jahr 813, dass Predigten in die Volkssprache zu übertragen seien, da sie nur so leicht von allen verstanden werden könnten, zu betonen.29 Mit einiger Verzögerung ist also eine Durchsetzung der italischen Landessprache bei den Predigten vorstellbar. Dies würde aber auch aufzeigen, dass bewusst auf die Gläubigen eingegangen wurde, da es im Interesse der Kirche sein musste, nicht über die Gemeinde hinweg zu predigen, sondern diese zu erreichen, und dementsprechend mussten die hagiographischen Texte konzipiert werden. Häufig sind die mittelalterlichen Autoren und Übersetzer der hagiographischen Schriften unbekannt oder können, selbst wenn sie sich selbst benennen, können keine biographischen Informationen gewonnen werden. Doch gibt es einige Ausnahmen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen, wobei hier nur ein Überblick gegeben werden kann. Zudem wird auf die Zeit der Niederschriften und die mögliche Intention eingegangen.
cetae thesauro Excerpta, Biographi sacri veteres, et Asclepiodoti militare fragmentum, Rom 1840, S. 284; FRANKLIN, The Latin Dossier of Anastasius, S. 123: „Gregorius’s description of the audience of his text to include both readers and listeners indicates that new versions of hagiographic works were to be read effectively out loud, as, for example, during the performance of the liturgy.“ 27 Vgl. Hartmut LEPPIN, Die Kirchenväter und ihre Zeit. Von Athanasius bis Gregor dem Großen (Beck’sche Reihe, 2141), München 2006, S. 109. 28 Vgl. HERBERS, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, S. 53. 29 Concilia aevi Karolini [742–842] (MGH Concilia, 2), hg. v. Albert WERMINGHOFF, Hannover 1906, S. 288, Kap. 17: Et ut easdem omelias quisque aperte transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Thiotiscam, quo facilius cuncti possint intellegere quae dicitur. Vgl. Ursula REUTNER/Sabine SCHWARZE, Geschichte der italienischen Sprache. Eine Einführung, Tübingen 2011, S. 37.
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Das Quellenkorpus
4.1.1
Beneventanische hagiographische Werke
In Benevent entstanden hagiographische Texte, die in der Regel anonym verfasst wurden und deren genaue Datierung schwierig ist.30 Auf Texte, die in der Zeit vor dem Langobardeneinfall in der Region niedergeschrieben wurden, gibt es keine Hinweise. Das erste Verfassen von hagiographischen Schriften kann in die Zeit Arichis’ II. datiert werden, da ab dessen Herrschaftsbeginn eine zunehmende Verehrung der Heiligen festzustellen ist.31 Prinzipiell kann ein intensives Interesse an griechischen Schriften konstatiert werden, das je nach Gebiet unterschiedlich stark ausgeprägt war. Möglicherweise hatte Arichis II. nach der Translation des heiligen Mercurius aus Quintodecimo nach Benevent die Übersetzung des griechischen Textes veranlasst.32 Im 8. Jahrhundert wurde im Kloster San Vincenzo al Volturno vom Abt Ambrosius Autpertus (†784) die bedeutende Mönchsvita Vita vel obitus SS. patrum Paladonis, Tatonis et Tasonis verfasst.33 Nach der Translation des Apostels Bartholomäus wurde dessen Vita von Anastasius Bibliothecarius (†879) übersetzt und ergänzt, um so für den neuen Patron Texte zu haben.34 Von Ademar von Benevent wurde im Jahr 903 die Vita Gregorii Nazianzeni übersetzt.35 Nach dieser Zeit der Erstellung von hagiographischen Texten scheint es zu einem Stillstand in der Produktion von Heiligenwerken in Benevent gekommen zu sein, der erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts sein Ende fand, da dann erneut einige Texte für den Heiligenkult erstellt wurden.36 Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine kurze Phase, die lediglich bis zu den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhundert anhielt.37
30 BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 118: „Noch dunkler als im byzantinischen Italien ist die Geschichte der griechischen Studien und Übersetzungen im langobardischen Italien.“ Vgl. VUOLO, Agiografia beneventana, S. 202. 31 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 149. Siehe Kapitel 6.1.1. 32 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 161. 33 Vgl. Ebd., S. 147. 34 Siehe Kapitel 6.4.1. 35 Vgl. BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 207 Anm. 11; BHL 3667; VUOLO, Agiografia beneventana, S. 229. Bei diesem Werk scheint es sich um eine Auftragsarbeit gehandelt zu haben, da in dieser Zeit kein Kult für diesen Heiligen festgestellt werden kann. Er wird weder in den Kalendarien aus Monte Cassino noch im sogenannten Martyrologium des Erchempert oder im Marmorkalender von Neapel aufgeführt. Möglicherweise wurde eine Verehrung des Heiligen durch die Übersetzung seiner Vita begründet, was allerdings in den Quellen nicht nachweisbar ist. 36 Vgl. Antonio VUOLO, Agiografia d’autore in area beneventana. Le „vitae“ di Giovanni da Spoleto, Leone IX e Giovanni Crisostomo (secc. XI–XII) (Quaderni di „Hagiographica“, 8), Florenz 2010, S. IX. 37 Vgl. VUOLO, Agiografia d’autore, S. IX, wobei nur vier Texte aus dieser Zeit überliefert sind. Bearbeitet und herausgegeben wurden sie von VUOLO, Agiografia d’autore. Diese Werke sind nicht mehr Teil der vorliegenden Untersuchung.
Hagiographische Quellen
4.1.2
61
Die drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino
Im Kloster Monte Cassino oder in Benevent wurden wahrscheinlich am Ende des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts drei Kalendarien hergestellt.38 Anhand dieser Kalendarien kann eine Entwicklung der Heiligenverehrung nachvollzogen werden, da sie relativ zeitnah zueinander verfasst wurden, aber dennoch einige Unterschiede in der Anzahl der Heiligentage und bezüglich der verehrten Heiligen aufweisen. Das erste Kalendarium39 wurde wahrscheinlich in Monte Cassino oder in Benevent niedergeschrieben. Als Vorlage diente ihm mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kalender Beda venerabilis, da die Jahreszeiten oft nach ihm und nicht nach Isidor von Sevilla (†636) angegeben sind.40 Das Kalendar kann aufgrund seiner Angaben und seiner Schrift in einen Entstehungszeitraum zwischen 778 und 797 datiert werden.41 Das zweite Kalendar aus Monte Cassino wird heute in der Bibliothèque Nationale de France aufbewahrt.42 Auch dieses wird in die Zeit zwischen 778 und 797 datiert.43 Somit handelt es sich bei diesen beiden vorgestellten Kalendarien um Zeugnisse des Heiligenkultes im ausgehenden 8. Jahrhundert, die zeitnah zueinander entstanden sind und dadurch die Veränderungen innerhalb eines kurzen Zeitraums aufzeigen. Der letzte der drei Kalendare44 kann aufgrund der Schrift an den Anfang des 9. Jahrhunderts gesetzt werden.45 Es wurde in Monte Cassino verfasst, worauf sowohl die Depositiones der dortigen Äbte als auch die Erwähnung der örtlichen Kirchen hinweisen, und später jedoch nach Benevent gebracht, wo er weitere Eintragungen erhielt.46 Da die Weihe des beneventanischen Bischofs Aio erwähnt wird, der sicher im Jahr 875 Bischof war, kann daraus geschlossen werden, dass
38 Aufgrund der Erwähnungen der Depositiones der Äbte und der Kirchweihen in Monte Cassino wurde von LOEW (spätere Schreibweise des Namens: Lowe) angenommen, dass alle drei Kalender zunächst in Monte Cassino entstanden und dann nach Benevent gelangten. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 7. Diese wurden von Elias LOEW einer genauen Untersuchung unterzogen. 39 Codex Cavensis 23, La Cava, 8. Jahrhundert. 40 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 1f. und 64. 41 Entscheidend sind hierbei die Erwähnung des Todestages Potos (um 777) und dass der Sterbetag seines Nachfolgers Theodemar (797) nicht enthalten ist. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 3; Hartmut HOFFMANN, Die älteren Abtslisten von Montecassino, in: QFIAB 47 (1967), S. 224–354, hier S. 249. 42 Codex Parisinus 7530, Bibliothèque Nationale, Paris, 8. Jahrhundert. 43 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 6. 44 Codex Rom. Casanatensis 641, Bibliotheca Casantense, 9. Jahrhundert. 45 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 7. Er besteht aus einem älteren und einem jüngeren Teil, wobei hier nur der ältere von Belang ist. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 6. 46 Hier wurden die beneventanischen Heiligen ergänzt. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 7.
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Das Quellenkorpus
der Kalender vor diesem Jahr nach Benevent gekommen ist.47 LOEW geht davon aus, dass die Handschrift Casanatensis 641 nach Ostern 811 und vor Ostern 812 verfasst wurde48 und, nachdem von ihr vor 875 eine Abschrift gemacht wurde, sie nach Benevent verschenkt wurde.49 Diese Ergänzungen sind von Wichtigkeit, um den Zugewinn an Heiligen in Benevent gegenüber den bereits in Monte Cassino Verehrten feststellen zu können. 4.1.3
Das sogenannte Martyrologium des Erchempert
Erchempert war ein Mönch des Klosters Monte Cassino, der in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts tätig war.50 Das Martyrologium Erchemperts wird als „sogenanntes“ bezeichnet, da es nicht wie andere Martyrologien weitere Erläuterungen zu den Heiligen enthält, sondern lediglich den Heiligen mit seinem Festtag aufführt, weswegen das Martyrologium sehr an einen Kalender erinnert.51 Martyrologien wurden in der Regel dazu verwendet, im Gottesdienst die Namen der Heiligen des Tages mit ihrer jeweiligen Geschichte zu verlesen.52 Nach dem Sprachgebrauch der heutigen Forschung kann eine Sammlung von Heiligenfesten dann als Martyrologium gelten, wenn sie zumindest einige topographische Angaben aufweist, während das reine Kalendarium sich auf die bloßen Angaben der Heiligenfesttage beschränkt.53 Somit handelt es sich bei dem sogenannten Martyrologium von Erchempert um eine Mischform, da er neben den bloßen Angaben der Heiligenfeste teilweise weitere Informationen gibt, die allerdings minimal ausfallen.
47 Vgl. Ebd., S. 7. 48 Vgl. Ebd., S. 8. Im Kalender wird das Jahr 811 als das Laufende bezeichnet, die Ostertafeln beginnen mit dem Jahr 812. 49 Vgl. Ebd., S. 10. 50 Vgl. Faustino AVAGLIANO, Art. Erchempert von Montecassino, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Sp. 2124–2125. Über den Lebenslauf Erchemperts ist wenig bekannt, außer, dass er über Landbesitz in der Nähe von Teano verfügte und vermutlich von adliger Herkunft war. Vgl. Wolfgang GIESE, Non felicitatem set miseriam. Untersuchungen zur ‚Historia Langobardorum Beneventanorum‘ des Erchempert, in: FMST 44 (2010), S. 83–135, hier S. 85f. Im Jahr 886 wurde er, zusammen mit einigen seiner Mitbrüdern, auf dem Weg von Montecassino nach Capua von einer griechischen Soldateska überfallen, die im Dienst des neapolitanischen Bischofs Athanasius stand, weswegen eine tendenzielle anti-neapolitanische Haltung bei diesem Schreiber zu vermuten ist. 51 Vgl. Beneventan Ninth Century Poetry (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 4), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Stockholm 1957, S. 74. 52 Vgl. DUBOIS, Art. Martyrologium, -gien, Sp. 357–358. 53 Vgl. Ebd., Sp. 357–358. HENNIG hebt hervor, dass im Mittelalter teilweise zwischen den Kalendarien und Martyrologien keine scharfe Trennung vorgenommen worden sei, da auch Kalendarien Bestandteile enthielten, die nicht im Gottesdienst von Bedeutung gewesen wären. Vgl. John HENNIG, Kalendar und Martyrologium als Literaturformen, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 7, erster Halbband (1961), S. 1–44, hier S. 2.
Hagiographische Quellen
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Das sogenannte Martyrologium des Erchempert beruht auf der Grundlage des Martyrologiums Bedas,54 wobei er Ergänzungen, aber auch Weglassungen vornahm. Insgesamt kann anhand dieses Martyrologiums abgelesen werden, welche Heiligen zum Zeitraum der Niederschrift in Monte Cassino soweit bekannt waren, dass sie zusätzlich in das Werk aufgenommen wurden, und welche, da unbekannt, unerwähnt blieben. Allerdings wurden von Erchempert einige Notizen aus dem anglo-sächsischen Raum übernommen, die dieser wahrscheinlich nicht kannte, was dann zu einigen Schreibfehlern führte.55 Allgemein kann angenommen werden, dass Erchempert die Kalendarien aus Monte Cassino bekannt waren. Auch wenn die Zerstörung des Klosters und die Umsiedlung der Mönche einen Zugriff auf diese Dokumente erschwerten, so wird sich doch die Heiligenverehrung der Klostergemeinde nicht grundlegend geändert haben. 4.1.4
Hagiographische Texte in Neapel
Im ausgehenden 9. Jahrhundert etablierte sich in Neapel eine Gruppe von Übersetzern, die besonders auf dem Gebiet der Hagiographie tätig war und bis etwa zur Mitte des 10. Jahrhunderts Bestand hatte.56 Zuvor hatte sich bereits unter Bischof Athanasius I. (850–870) eine Kathedralschule etabliert, was einer allgemeinen Tendenz entsprach.57 In diesem Umfeld konnten sich einige Jahre später die Übersetzer mit ihren Arbeiten ansiedeln. Es wurden viele griechische Heiligenviten ins Lateinische übertragen. Ob auch lateinische Viten ins Griechische übertragen wurden, ist unsicher. Aufgrund der Mischung von lateinisch- und griechischsprachiger Bevölkerung in Süditalien kann es aber vermutet werden. Tatsächlich wurden in den griechischen Klöstern der Region noch über einen langen Zeitraum 54 So heißt es am Anfang des Martyrologiums: Presbiteri Bedę martyrlogium incipit acri. Erchempert, Martyrologium, S. 77. 55 Vgl. WESTERBERGH, Beneventan Ninth Century Poetry, S. 84f. 56 Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 68; Franz BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Die Zwischenzeit vom Ausgang des karolingischen Zeitalters bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. Band II, München 1992, S. 340; Bernhard PABST, Prosimetrum. Tradition und Wandel einer Literaturform zwischen Spätantike und Spätmittelalter (Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, 4/2), Köln, Weimar, Wien 1994, S. 636. In der gleichen Zeit wurde auch eine Vielzahl antiker Werke niedergeschrieben, was auf das Bildungsbedürfnis der Zeit hindeutet. Vgl. CAVALLO, La trasmissione dei testi, S. 379. CHIESA vermutet, dass etwa 25 Werke von den Übersetzern in Neapel erstellt und überarbeitet wurden, wobei er angibt, dass die eigentliche Anzahl höher sei, sich aber nicht alle Texte erhalten hätte. Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 69. 57 Gesta episcoporum Neapolitanorum, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 398–436, S. 434: … ordinavit autem lectorum et cantorum scolas; nonnullos instituit gramatica inbuendos; alios colligavit ad scribendi officium … Vgl. CICCO, La scuola cattedrale, S. 344, dort auch weiterführende Literatur zur Kathedralschule.
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hinweg griechische Texte weiterhin abgeschrieben und auf diesem Wege tradiert.58 Die Übersetzung von griechischen Heiligenleben gilt als italische Spezialität, wobei es schwierig ist, eindeutig in das 7. und 8. Jahrhundert datierte Heiligenübersetzungen zu identifizieren.59 Die Zunahme an Übersetzungen könnte vielleicht damit erklärt werden, dass in der Zeit des 9. Jahrhunderts ein Bedürfnis nach neuen Texten über Heilige aufgrund der beständigen äußeren Gefahr entstand, die von den verschiedenen Invasoren ausging. Möglicherweise war dabei die Abgrenzung zu den muslimischen Sarazenen ebenfalls entscheidend. Als weiterer Grund könnte auch ein Rückgang der Griechisch-Kenntnisse vermutet werden, sodass nun die vorhandenen Werke auf Latein verbreitet werden sollten. Laut Franz BRUNHÖLZL sind nur einige Übersetzer bekannt, bei denen es sich namentlich um Johannes Diaconus, Petrus Subdiaconus, Bonitus Subdiaconus, Ursus Presbyter und vielleicht noch einen Gregorius Clericus handelt und über die selbst nur wenige Informationen vorliegen.60 Zudem wurden noch drei weitere Schreiber identifiziert, wobei hier die Zuschreibung verschiedener Werke komplizierter ausfällt.61 Bei diesen Autoren handelt es sich um Kleriker von unterschiedlichem Rang, etwa Subdiakone, Diakone und Bischöfe, die von kirchlichen wie weltlichen Machthabern unterstützt wurden, welche sie häufig auch als Auftraggeber am Anfang ihrer Werke nennen.62 Es fand sich eine Gruppe von Klerikern zusammen, die vermutlich im Auftrag der weltlichen Obrigkeit Übersetzungen hagiographischer Texte aus dem Griechischen in das Lateinische vornahm.63 Bei den Übersetzern der Texte handelte es sich um Lateiner, die der griechischen Sprache mächtig waren.64 Insgesamt kann die Tätigkeit der Übersetzer in drei Phasen unterteilt werden: Zunächst begannen
58 Das MaGI-Projekt betreibt die Katalogisierung von griechischen Handschriften in Italien. So können die verschiedenen Archive, die griechische Manuskripte besitzen, auf ihren Bestand durchsucht werden. Vgl. MANIACI, Marilena/ELEUTERI, Paolo, Das MaGI-Projekt: Elektronische Katalogisierung der griechischen Handschriften Italiens, in: Kodikologie und Paläographie im Digitalen Zeitalter – Codicology and Palaeography in the Digital Age, hg. v. Bernhard ASSMANN u.a.(Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik, 2), Norderstedt 2010, S. 75–84. http://www.nuovabibliotecamanoscritta.it/MaGI 59 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 160. Weiterhin wurden lateinische Heilige durch Übersetzungen ins Griechische auch im byzantinischen Reich bekannt. Vgl. Enrica FOLLIERI, I rapporti fra Bisanzio el’Occidente nel campo dell’agiografia, in: Proceedings of the XIIIth International Congress of Byzantine Studies. Oxford, 5–10 September 1966, hg. v. Joan M. HUSSEY/Dimitri OBOLENSKY/Steven RUNCIMAN, London u.a. 1967, S. 355– 562, hier S. 360. 60 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 304f. 61 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 71ff. 62 Vgl. Ebd., S. 78. 63 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 340. 64 Vgl. JACOB/MARTIN, Die griechische Kirche, S. 368.
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die Übersetzungen in der Bischofszeit Athanasius’ II. (875–898).65 Hier kann ein Einfluss des Bischofs auf das Schaffen der gelehrten Kleriker angenommen werden, wobei er die Arbeit des Paulus Diaconus von Neapel förderte und bestimmte Werke bestellte.66 Zudem war der Bischof auch selbst Verfasser eines Werkes, nämlich der Passio S. Arethae.67 Die zweite Phase der Übersetzungen wurde vor allem durch Johannes Diaconus und Guarimpotus, die dritte durch Petrus Subdiaconus und Bonitus geprägt.68 Einige der Übersetzer sind namentlich bekannt, andere hingegen nicht. Deren Werke lassen sich zwar der Gruppe der neapolitanischen Übersetzer, aber keinem bestimmten Schreiber zuordnen.69 Weiterhin gilt es zu beachten, dass die Übersetzer auf unterschiedlichem Niveau arbeiteten.70 Die meisten der neapolitanischen Texte sind wohl eher eine etwas freiere als eine wörtliche Widergabe des ursprünglichen Werkes.71 Für DOLBEAU waren für die Erstellung eines solchen Textes drei Personen nötig, ein Mäzene, der den Text in Auftrag gab und ihn finanzierte, ein lateinischer Schreiber, der einen schönen Sprachstil hatte, um das Werk zu formulieren, sowie ein Übersetzer, der dem Schreiber mitteilte, was in dem ursprünglichen Werk enthalten war.72 Allerdings ist durchaus vorstellbar, dass einige der Schreiber die griechische Sprache gut beherrschten, weswegen ein Übersetzer vielleicht nicht vonnöten war. Hierbei kann aber sicherlich angenommen werden, dass die Kenntnisse der anderen Sprache unterschiedlich ausgeprägt waren. Bereits in der Mitte des 9. Jahrhunderts war Paulus Diaconus von Neapel auf dem Gebiet der Übersetzungen tätig.73 Von ihm stammt die Übersetzung der Vita
65 Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 71f.; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 70: „Atanasio può essere considerato il ‚fondatore’ della Scuola Agiografica Napoletana.“ 66 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 70. 67 Vgl. Ebd., S. 71. Das Werk ist nur noch fragmentarisch erhalten und in den Acta Sanctorum (Oct. X, S. 761) ediert. 68 Wobei die letzte Phase besonders durch das Einfügen von Versen in den Prosatext charakterisiert ist. Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 72; Edoardo D’ANGELO, La coscienza degli assassini, Citazione scritturale e riflessione metalinguistica nei prologhi agiografici suditaliani dei secoli IX e X, in: La scrittura infinita. Bibbia e poesia in età medievale e umanistica. Atti del Convegno di Firenze, 26–28 giugno 1997, promosso dalla Fondazione Carlo Marchi, dal Centro Romantico del Gabinetto Vieusseux, dalla S.I.S.M.E.L. e da „Semicerchio. Rivista di poesia comparata“, hg. v. Francesco STELLA, Florenz 2001, S. 47–65, hier S. 53; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 82. 69 Vgl. DOLBEAU, Le rôle des interprètes, S. 146. 70 Vgl. Albert SIEGMUND, Die Überlieferung der griechischen christlichen Literatur in der lateinischen Kirche bis zum zwölften Jahrhundert (Abhandlungen der bayerischen BenediktinerAkademie, 5), München 1949, S. 276; DOLBEAU, Le rôle des interprètes, S. 147. 71 Vgl. François DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme: une traduction inédite de Jean, Diacre Napolitain, in: Mélanges del’école Franҫaise de Rome. Moyen Age Temps Modernes 94,1 (1982), S. 315–335, hier S. 319. 72 Vgl. DOLBEAU, Le rôle des interprètes, S. 147. 73 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 167.
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der Maria von Ägypten, die er einem Karl widmete.74 Größere Bedeutung erlangte Paulus’ Werk Historia Theophili Vicedomni, das auch in den nachfolgenden Jahrhunderten immer wieder neue Fassungen erhielt.75 Über diesen Schreiber sind keine weiteren Informationen vorhanden. Johannes Diaconus († nach 906), der Diakon der Kirche S. Gennaro in Neapel, ist als Übersetzer und Verfasser hagiographischer Texte von großer Bedeutung. So wurde unter anderem eventuell der zweite Teil der Bischofschronik von Neapel von Johannes verfasst.76 Ebenso stammen eine Passio Sancti Ianuarii und eine Beschreibung der Übertragung der Überreste des heiligen Severinus aus Lucullanum nach Neapel aus seiner Feder.77 Auch die Übertragung der Gebeine des heiligen Sosius wurde von ihm schriftlich fixiert, nachdem ihn der Bischof Stephanus III. (898–907) dazu angehalten hatte.78 An Übersetzungen kann ihm sicher die Passio XL martyrum Sebastenorum zugewiesen werden.79 Wichtig ist die Übersetzung der Vita sancti Nicolai, die am Anfang einer großen Gruppe von Nikolausviten steht und die Bedeutung des Heiligen für diese Region bereits vor der Übertragung seiner Gebeine nach Bari im Jahr 1084 aufzeigt.80 Weitere Passiones, die diesem Schreiber zuzuweisen sind, sind die Passio sancti Euthymii und die Passio sancti Maximi.81 Johannes Diaconus war somit einer der wichtigsten Vertreter der ersten Phase.82 Der wohl produktivste und literarisch hervorragende Übersetzer war der Subdiakon Petrus von Neapel († nach 970), der sich vor allem um die Neubearbeitung älterer Fassungen bemühte.83 Datieren lässt sich die Schaffensphase des Subdiakons in den Zeitraum zwischen 940 und 970, wobei eine chronologische Reihung seiner Arbeiten nicht möglich ist.84 Ihm wird eine große Reihe von Viten für nea-
74 Vgl. Ernst DÜMMLER, Epistolae Karolini aevi 4 (MGH. Epistolae (in Quart), 6), Berlin 1925, S. 193f., wobei von BRUNHÖLZL angenommen wird, dass damit Karl der Kahle gemeint sei. Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 336 u. Anm. 11. 75 Vgl. Ebd., S. 338. 76 Die Zuweisung ist nicht gesichert. Vgl. BERTO, , S. 53f. 77 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 170; BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 339; 78 Vgl. Max MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Justinian bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts (Handbuch der Altertumswissenschaft, Neunte Abteilung. II,1) zweite Auflage, München 1959, S. 711. 79 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 340. 80 Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, I., S. 711; BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 170f.; BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 340. Der Heilige wurde bereits im Marmorkalender von Neapel genannt. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. 81 Vgl. Edoardo D’ANGELO, Iohannes Neapolitanus Diac., in: La trasmissione dei testi latini del Medioevo. Mediaeval Latin Texts and their transmission (Millennio medievale, 75), hg. v. Paolo CHIESA/Lucia CASTALDI, Florenz 2008, S. 367–372, hier S. 367. 82 Vgl. D’ANGELO, Iohannes Neapolitanus Diac., S. 367. 83 Vgl. PABST, Prosimetrum, S. 641. 84 Vgl. Ebd., S. 644.
Hagiographische Quellen
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politanische und weitere Heilige zugeschrieben, so beispielsweise die Übersetzung einer Passio S. Catharinae Alexandrinae und eine Fassung der Georgs- und der Christophorusvita.85 Zudem schrieb er die Passio des heiligen Arthemas,86 der aber anscheinend in Neapel keine Verehrung erfuhr.87 Max MANITIUS vermutet zudem, dass Petrus die Werke verfasste, die das Leben und die Translation des Bischofs Athanasius I. von Neapel enthalten.88 Ferner verfasste er die Fortsetzung des Wunderberichts über den Bischof Agrippinus von Neapel und ebenso den Mirakelbericht des Abtes Agnellus von Neapel.89 Eine neuere Auseinandersetzung mit den Werken des Petrus’ liegt in der Arbeit D’ANGELOS vor.90 Von Bonitus Subdiaconus (9. Jahrhundert) ist eine Passio sancti Theodori martyris erhalten.91 Aus dem Prolog des Werkes geht hervor, dass Bonitus bereits als junger Mann aufgefordert worden war, verschiedene Märtyrerpassiones zu überarbeiten, da die ursprünglichen Fassungen aufgrund ihrer Sprache beim Kirchenvolk zum allgemeinen Spott geführt hatten.92 Es war seine Aufgabe, die Texte nicht nur stilistisch zu verbessern, sondern sie auch so umzuformen, dass sie den Ansprüchen der kirchlichen Gemeinde entsprachen und somit das erbauliche Anliegen der Texte mehr Gewicht erhielt als die Historizität.93 Von D’ANGELO werden ihm noch zwei weitere Texte zugeschrieben, nämlich die Passio sancti Blasii, die einem Gregorius Loci servator gewidmet ist, und eine Passio und die Mirakel der Heiligen Samone, Gurita und Abbibbo.94 Ursus Presbyter (10. Jahrhundert) übersetzte und bearbeitete die Vita S. Basilii des Pseudo-Amphilochius.95 Das Werk wurde im Auftrag des Herzogs Gregorius von Neapel (939–955) erstellt, auf den sich Ursus auch beruft.96 Schwieriger ist Guarimpotus (10. Jahrhundert) einzuschätzen.97 D’ANGELO schreibt ihm verschiedene Werke zu, so die Passio S. Eusthratii, die Passio
85 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 341. 86 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115. 87 Dies wird aufgrund der Nichterwähnung der Heiligen im Marmorkalender von Neapel angenommen. Er wird auch nicht in den Kalendarien von Monte Cassino geführt, ebensowenig im sogenannten Martyrologium des Erchempert. Sein Festtag ist der 25. Januar, wobei es sich bei der Erstellung des Textes anscheinend um eine Auftragsarbeit handelte, die für Puteoli erstellt wurde. 88 Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, I., S. 711. Auf jeden Fall stammt der Abschnitt über Athanasius I. aus der Bischofschronik von Neapel von ihm. Siehe Kapitel 6.2.3. 89 Siehe Kapitel 6.2.1 und 6.2.3. 90 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano. 91 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 341. 92 BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 170: „… es heißt, daß über den ‚bäuerischen Griechenstil‘ (rusticus Achivorum stilus) in den Kirchen gelacht wurde.“ 93 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 341. 94 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 74; BHL 1379+1380; BHL 8c+7747. 95 Vgl. Ebd., S. 75. 96 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 341.
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S. Febroniae, die Vita S. Petri Alexandrini, die Vita und den Translationsbericht Athanasius I. und die Vita des Gregorius von Armenien.98 Cicinnus verfasste die Miracula SS. Cosmae et Damiani.99 Der Schreiber ist ansonsten nicht bekannt und wird aufgrund seines Schreibstils ins 10. Jahrhundert datiert.100 Im Prolog des Mirakelberichts wird erwähnt, dass die sacerdotes Grecorum101 nur auf mehrfache Bitte bereit waren, Cicinnus die Wunder zu berichten, welche die Heiligen gewirkt hatten, ohne ihm einen Bericht in schriftlicher Form zu geben.102 Dieses Verhalten weist auf eine Konkurrenzsituation zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche in Neapel hin, da es anscheinend nicht immer einfach war, die Texte, die für den eigenen Kult verwendet werden sollten, zu erhalten.103 Hierbei mag es sich um einen Topos handeln, in dem die besonderen Bemühungen des Verfassers zum Ausdruck gebracht werden sollten. Dennoch muss es zumindest teilweise glaubwürdig gewesen sein, da es ansonsten nicht verwendet worden wäre. Vielleicht gab es tatsächlich Wiederstände gegen die Übersetzungen, da ein Schwinden der griechischen Sprache befürchtet wurde. Ferner versuchten möglicherweise die griechischen Kleriker auch, ihre Heiligen durch eine exklusive Verehrung auf ihrer Seite für sich einzunehmen, weswegen kein Interesse an einem Austausch mit den Lateinern bestand. Zuletzt ist noch Gregorius Clericus (10. Jahrhundert) zu nennen, der die Geschichte des Persers Anastasius ins Lateinische übertrug und bearbeitete.104 Über diesen Schreiber ist allerdings wenig überliefert.105 Laut Walter BERSCHIN dienten die Übersetzungen in erster Linie dem Kult und verfolgten nur beiläufig literarische Interessen.106 D’ANGELO sieht in der Ar-
97 D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 71: „E’ una delle figure più oscure e di difficile definizione, biografica e letteraria, della Scuola Napoletana.“ DEVOS ist der Meinung, dass die Passio Blasii von Guarimpotus verfasst wurde, wohingegen CHIESA die Ansicht vertritt, dass sie Bonitus niederschrieb. Vgl. Paul DEVOS, L’oeuvre de Guarimpotus, hagiographe napolitain, in: Analecta Bollandiana 76 (1958), S. 151–187, hier S. 157–164; CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 73f. 98 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 71. 99 BHL 1979. Von Paolo CHIESA wurde der Prolog des Textes nicht vor dem Mirakelbericht abgedruckt, was mit der schlechten Überlieferung des nur unvollständig erhaltenen Werkes und der teilweise unverständlichen Ausdrucksweise des Verfassers erklärt wird. Vgl. Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, in: Le traduzioni dal greco: L’evoluzione della scuola napoletana nel X secolo (Mittellateinisches Jahrbuch, 24/25), hg. v. Paolo CHIESA 1989/1990, S. 83–86, hier S. 80. Einige Auszüge aus dem Prolog werden im Text zuvor besprochen und sind dort in den Fußnoten zu finden. In diesen Ausschnitten nennt sich der Verfasser des Werkes, Cicinnus, selbst. Vgl. Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, S. 80 Anm 42. 100 Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 79–86; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 75f. 101 Vgl. Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, S. 80 Anm. 43. 102 Vgl. Ebd., S. 80 Anm. 44. 103 Vgl. Ebd., S. 80f. 104 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 341f. 105 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 75.
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beit der Übersetzer eine zunehmende Annäherung an die römische und eine zunehmende Abwendung von der byzantinischen Kirche von Seiten der neapolitanischen Machthaber, die auf diesem Wege ihre eigene Kultur unabhängig von Konstantinopel entwickeln wollten.107 Darauf würde ebenfalls die Erhebung Neapels zum Erzbistum am Ende des 10. Jahrhunderts durch Rom hinweisen.108 Einige der hagiographischen Texte befassten sich mit Heiligen aus Teilen der Region, die nach der Erhebung unter dem Metropolitansitz Neapel eingegliedert war.109 Allerdings wurde gerade auch eine Vielzahl von griechischen Texten übersetzt, welche Heilige thematisierten, die aus dem byzantinisch beherrschten Raum stammten und deren Kult teilweise noch nicht im Westen etabliert war.110 4.1.5
Der Marmorkalender von Neapel
Im 18. Jahrhundert wurden bei Renovierungsarbeiten an der Kirche S. Giovanni Maggiore in Neapel zwei Marmortafeln abgenommen, wobei festgestellt wurde, dass die Rückseiten dieser Tafeln mit Namen und Zahlen beschrieben waren. Die Platten sind über 88 cm hoch und mehr als 6 m breit.111 An der Spitze der ersten Marmorplatte ist ein Bibelzitat enthalten: Mihi autem nimis honorati sunt amici tui, D(eu)s; nimis confortatus est principatus eorum. Dinumerabo eos et super arena(m) multiplicabuntur (Psalm 138, 17–18).112 Rasch wurde festgestellt, dass es sich dabei um einen Kalender handelte, in den für jeden Tag der zu verehrende Heilige eingetragen war. Der letzte Bischof von Neapel, der in den Marmorkalender aufgenommen wurde, ist Paul III. (800– 821). Aufgrund dieser Tatsache vermutete ACHELIS, dass der Kalender wohl zwischen 821–841113 hergestellt worden sei, wobei er annahm, dass dieser bereits
106 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 170; Dieser Meinung schließt sich auch D’ANGELO an, vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXXIII. 107 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 79. 108 Vgl. Ebd., S. 79. 109 D’ANGELO nennt hier Restituta für Ischia, Massimo, Fortunata und Juliana für Cuma, Artema für Pozzuoli und Felix für Nola. Vgl. Ebd., S. 79. 110 Siehe Kapitel 7.1. 111 Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 226. Eine ausführliche Beschreibung der Darstellung findet sich bei MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 8ff. 112 ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 113 Der terminus ante quem wurde aufgrund der Erwähnung des Patriarchen Methodius (788/800–847) am 5. November angenommen, wobei diese Identifizierung bei Domenico MALLARDO nicht ganz sicher ist, da es weitere Heilige dieses Namens gibt. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 24: NT S Methodii. Vgl. Ebd., S. 44. Zudem ist der Todestag des Patriarchen der 14. Juli. ACHELIS stellte fest, dass es einige Heilige gibt, die er nicht identifizieren konnte, zu denen bei ihm etwa der heilige Methodius zählt. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 55. Auch in den Acta Sanctorum ist für diesen Tag kein Heiliger dieses Namens angegeben.
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zwischen 750 und 763 zusammengestellt und dann nach 821 in Marmor übertragen wurde.114 Allerdings gibt es bezüglich der Datierung des Kalenders auch abweichende Ansichten. So geht Wilhelm WATTENBACH davon aus, dass der Kalender wohl spätestens in der Zeit zwischen 847 und 877 entstanden sei, dieser Meinung schloss sich MALLARDO ebenfalls an.115 Der terminus ante quem wird aufgrund der Nichterwähnung einer Gedächtnisfeier für Bischof Athanasius I. von Neapel, der von 849–872 im Amt war und 877 nach Neapel transferiert wurde, gesetzt.116 Möglicherweise war auch Athanasius I. der Auftraggeber des Kalenders, womit dieser in die angegebene Zeitspanne fallen würde.117 Letztere Datierung erscheint überzeugender, da die Argumentation von ACHELIS nicht eindeutig nachvollzogen werden kann. Zudem kann in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein zunehmendes Interesse an Heiligenkulten, etwa anhand der vorgenommenen Übersetzungen, festgestellt werden, so dass eine Erstellung des Marmorkalenders in dieser Zeit überzeugender erscheint. Über die ursprüngliche Anbringung der Marmortafeln kann nur spekuliert werden, da darüber keine Quellen vorhanden sind. ACHELIS schlug vor, dass der Kalender in S. Giovanni Maggiore,118 da er ja dort über die Jahrhundert am Eingang der Nordseite umgedreht aufgehängt gewesen war, einen Teil der marmornen Chorschranke bildete, und dass die Tafeln nur für die Geistlichen, nicht aber für die Laien lesbar gewesen seien.119 Hierbei stellt sich dann die Frage nach der Funktion des Kalenders und nach der Literalität der Neapolitaner in dieser Zeit. Da die Rückseiten der Tafeln ornamental und figürlich geschmückt sind,120 bietet sich eine Anbringung, in der beide Seiten sichtbar sind, an, sodass Chorschranken eine gute Option wären. Zu welcher Seite hin die Inschriften allerdings ausgerichtet waren, wird sich heute nicht mehr ausmachen lassen. Insgesamt kann auch über den Anbringungsort nur spekuliert werden.
114 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 4 u. 51. 115 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 44; Wilhelm WATTENBACH/Wilhelm LEVISON, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Die Karolinger vom Vertrag von Verdun bis zum Herrschaftsantritt der Herrscher aus dem sächsischen Hause. Italien und das Papsttum. IV. Heft. Vorzeit und Karolinger, Weimar 1963, S. 440. Aufgrund derzeit laufender Konservierungsmaßnahmen konnte der Kalender nicht selbst in Augenschein genommen werden, sodass epigraphische Studien am Original nicht möglich waren. Abbildungen des Kalenders finden sich bei Angelo SILVAGNI, Monumenta Epigraphica Christiana saec. XIII. Vol. IV, 1 Neapolis, Vatikan 1943, Tab. 1–6. 116 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 44. 117 Vgl. BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 205. 118 Die Kirche war im 6. Jahrhundert unter Bischof Vincenzo (554–578) errichtet und Johannes dem Täufer geweiht worden. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 10f. 119 Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 3. 120 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 1.
Hagiographische Quellen
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Bereits kurz nach der Entdeckung des Kalenders wurde er von zwei Wissenschaftlern, Alessio MAZOCHI121 und Ludovico SABBATINI,122 studiert. Weitere Forscher setzten sich mit der Materie auseinander, wobei hier exemplarisch A123 124 125 CHELIS , MALLARDO , DELEHAYE und Albert ERHARD126 zu erwähnen sind. Hierbei ist entscheidend, dass nicht nur Heilige Neapels und der Region, sondern der Christenheit insgesamt genannt werden. Dabei kann eine Schwerpunktsetzung angenommen werden, die aufzeigt, welche Heiligen in Neapel eine wichtige Rolle einnahmen beziehungsweise dem Auftraggeber des Kalenders wichtig erschienen. Während ACHELIS noch eine starke byzantinische Prägung des Kalenders postulierte, war ERHARD der Meinung, dass anhand des Kalenders eine Zuwendung zum römischen Ritus ablesbar sei.127 Von MALLARDO wurde vor allem auf die Vermischung verschiedener Traditionen im Kalender aufmerksam gemacht.128 Entscheidend ist unter anderem die Frage der Datierung des Kalenders, da sich Neapel in der Zeit des Bilderstreites stark Rom angenähert hatte, das die Verehrung der Bilder weiterhin zuließ. Zu beachten ist, dass der weitaus größte Teil des Kalenders auf byzantinischen Heiligenkalendern basiert.129 Allerdings wurde der Kalender in lateinischer Sprache verfasst, wobei die griechische Form und Aussprache vieler Namen beibehalten wurde.130 ERHARD stellte fest, dass in den Kalender 111 Feste von Heiligen der lateinischen Kirche aufgenommen worden waren, von denen nur 28 in dem Synaxarium von Konstantinopel enthalten waren. Somit enthält der Marmorkalender 83 lateinische Festtage.131 Zudem weist der Kalender eine größere Anzahl an lateinischen Heiligen auf, die dem byzantini-
121 Vgl. Alessio S. MAZOCHI, In vetus marmoreum s. Neapolitanae ecclesiae Kalendarium commentarius, 3 Bd., Neapel 1744–1755. 122 Vgl. Ludovico SABBATINI D’ANFORA, Il vetusto Calendario Napoletano nuovamente scoperto, 12. Bd. in 4. Bd., Neapel 1744–1768. 123 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel. 124 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo. 125 Vgl. DELEHAYE, Hagiographie Napolitaine. 126 Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel. 127 Er schreibt dazu: „… aus denen die Folgerung gezogen werden muss, dass die charakteristische Eigenart des MK [Marmorkalender L.D.] nicht in dem Festhalten an dem byzantinischen, sondern in einer diskreten Geltendmachung des lateinischen Heiligenkalenders im Rahmen des byzantinischen liegt.“ ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 143; demgegenüber schreibt ACHELIS: „Es ist kein Zweifel: als unser Kalender zusammengestellt wurde, rechnete sich Neapel kirchlich zu Konstantinopel, und hatte auch in den kirchlichen Festen eine weitgehende Übereinstimmung hergestellt.“ ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 49. 128 So schreibt auch MALLARDO: „Il carattere ibrido del Marmoreo è perfettamente rispondente al momento e all’ambiente: esso è il monumento di un tempo e di una città in cui fiorisce graeca latinaque pars sacerdotis e in cui laici simul cum clericis assidue communi prece graece latineque psallunt Deo.“ MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 200. 129 Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 134. 130 Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 147. 131 Vgl. Ebd., S. 140.
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schen Kalender unbekannt waren, als alle anderen italogriechischen Heiligenverzeichnisse, die sich bis heute erhalten haben, zusammen.132 Allerdings ist es teilweise schwierig, die genannten Heiligen eindeutig zu identifizieren, da manche Namen häufiger vorkommen und mehrere Kandidaten von Bedeutung für Neapel sein konnten. Somit muss bei diesen Heiligen vorsichtig interpretiert werden. Über den Wert des Kalenders gibt es unterschiedliche Meinungen. So vertrat DELEHAYE die Ansicht, dass es sich bei dem Kalender um eine reine Kompilation ohne liturgischen Quellenwert handle.133 Dieser Aussage widersprach ERHARD vehement, indem er hervorhob, dass ein Werk, das lediglich eine Kompilation ohne Wert gewesen sei, nicht in Marmor verewigt worden wäre.134 Auch ACHELIS schrieb dem Kalender eine wichtige Rolle zu und erkannte ihn als bedeutendes liturgisches Dokument an.135 In Bezug auf die Kulturkontakte mit Byzanz sind die Feste von besonderem Interesse, die gleichermaßen im Osten zelebriert beziehungsweise überhaupt erst von dort übernommen wurden. So stellt MALLARDO die Feste aus dem Marmorkalender dem Synaxarium von Konstantinopel gegenüber.136 Hier kann noch deutlich der östliche Einfluss auf die Heiligenverehrung in Neapel nachvollzogen werden. In jedem Monat gibt es eine Vielzahl von Festen, die mit denen der Byzantiner übereinstimmen. Wenn der Kalender tatsächlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts angefertigt wurde, muss beachtet werden, dass der Bilderstreit in Konstantinopel mittlerweile zugunsten der Bilder entschieden worden war.137 Bis zum Tode Ludwigs II. (875) war der byzantinische Einfluss in Süditalien zwar nicht in hohem Maße ausgeprägt, doch unterstand Neapel immer noch nominell Konstantinopel. Für eine Annäherung an die lateinischen Gewohnheiten würde der Beginn des Kalenders am 1. Januar sprechen, da der byzantinische Kalender traditionell mit dem Beginn der Indiktion am 1. September anfing. Der Marmorkalender ist der einzige italogriechische Kalender, der nicht am 1. September beginnt.138 Auch ansonsten hielt sich in Unteritalien bis in die Anjou-Zeit die Tradition, den Jahresbeginn am 1. September zugleich mit dem Beginn der Indiktion zu begehen.139
132 Vgl. Ebd., S. 143. 133 Hippolyte DELEHAYE, Rezension: Hans Achelis „Der Marmorkalender in Neapel“, in: Analecta Bollandiana 49 (1931), S. 409–411, hier S. 411: „En résumé, le calendrier de marbre n’est pas un document liturgique. Il n’est pas davantage un monument historique, en ce sens qu’il rappellerait un événement important de l’histoire de l’Église de Naples, ou pourrait passer pour le manifeste d’un parti ecclésiastique à tendances romaines ou antiromaines.“ 134 Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 139. 135 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 51. 136 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 145–162. 137 Vgl. THÜMMEL, Bilderverehrung und Bilderstreit, S. 93; SCHREINER, Der byzantinische Bilderstreit, S. 348f. 138 Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 147. 139 Vgl. Walter POHL, Werkstätten der Erinnerung. Montecassino und die Gestaltung der langobardischen Vergangenheit (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband, 39), Wien und München 2001, S. 25.
Hagiographische Quellen
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Zudem wurde der Kalender auf Latein verfasst, wobei bei den griechischen Namen deren Form und Aussprache angepasst wurden.140 Insgesamt kann hier vielleicht von einer Mischform gesprochen werden, die sowohl griechische als auch lateinische Elemente enthielt und somit den Kalender direkt auf die Menschen zuschnitt, die ihn zu Gesicht bekamen. Dafür würde auch das Vorhandensein von sowohl griechischen als auch lateinischen Festtagen für die gleichen Heiligen sprechen.141 Anhand des Marmorkalenders ist erkennbar, dass Neapel keine autochthonen Märtyrer verehrte,142 was in Anbetracht der frühen Christianisierung der Stadt überrascht. Stattdessen wurden vor allem die Bischöfe der Stadt sowie die Heiligen der Region verehrt. Ihre Gebeine wurden im Laufe der Jahrhunderte teilweise in die Stadt überführt. Der Kalender ist eine wichtige Augenblicksaufnahme bezüglich der kultischen Verehrung in Neapel im 9. Jahrhundert. 4.1.6
Baresische Kalendarien
Es ist bekannt, dass im 5. und im 7. Jahrhundert Kalender in Bari angefertigt wurden.143 Mittlerweile sind diese Kalender verschollen, wobei im 18. Jahrhundert Iulius SELVAGIUS diese in seinem Werk noch erwähnt.144 Er gibt an dieser Stelle aber nur wenige Einträge aus den Kalendern wieder, wobei zum einen am 20. Dezember der Adventus des Apostels Petrus in Bari erwähnt wird und zum anderen am 4. Mai auf einen Transitus des Paulus verwiesen wird, wobei letzteres Datum mit keinem historischen Ereignis in Zusammenhang gebracht werden kann.145 Weitere Informationen über den Inhalt der Kalender werden nicht gegeben, weswegen es nicht möglich ist, anhand dieser Zeugnisse eine konkrete Heiligenverehrung in Bari zu belegen. Allerdings zeugen diese Kalender von der Tatsache, dass in der Stadt die Festtage niedergeschrieben und sicherlich auch zu zelebriert wurden. Zumindest die beiden genannten Apostel fanden in der Liturgie Verehrung.146
140 141 142 143 144
Vgl. ERHARD, Der Marmorkalender in Neapel, S. 147. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 163. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 4. Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 8. Vgl. Iulius L. SELVAGIUS, Antiquitatum Christianarum Institutiones. Tomus I., Moguntiae 1787, cap. 6, S. 102ff. 145 Vgl. SELVAGIUS, Antiquitatum Christianarum Institutiones, cap. 6, S. 103. 146 Vgl. Ebd., cap. 6, S. 103f.
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Das Quellenkorpus
4.2
LITURGISCHE QUELLEN
Eine wichtige Quelle zur Heiligenverehrung können liturgische Texte sein, da in ihnen die besonderen Gesänge, die zu Ehren eines Heiligen gesungen wurden, festgehalten sind.147 Allerdings haben sich in den untersuchten Städten nicht viele liturgische Werke erhalten. Lediglich einige beneventanische Heilige fanden Eingang in lokale liturgische Texte, sodass sich folgende Betrachtung nur auf diesen Ort bezieht. Ihren Höhepunkt hatte die beneventanische Liturgie vermutlich im 8. Jahrhundert. Im 9. Jahrhundert führte die Emanzipation der Kirche von den langobardischen Fürsten und das Erstarken des Klosters Monte Cassino zu einer erhöhten Bedeutung und Zuwendung zur römischen Liturgie.148 Die gregorianische Liturgie war wohl am Ende des 8. Jahrhunderts in Süditalien verbreitet, was daran ablesbar ist, dass in Handschriften des 11. Jahrhunderts noch Elemente der gregorianischen Liturgie erscheinen, die in anderen Regionen bereits im 8. Jahrhundert verschwanden oder schon verschwunden waren.149 Diese Handschriften belegen also, obwohl einige Jahrhunderte später entstanden, dass im 8. Jahrhundert die gregorianische Liturgie bekannt war und es Eigenarten derselben schafften, dort bis ins 11. Jahrhundert bestehen zu bleiben. Es ist wahrscheinlich, dass die sich gregorianische Liturgie in Süditalien verbreitete, als die Franken unter Karl dem Großen begannen, weite Teile der Apennin-Halbinsel zu erobern.150 Der byzantinische Einfluss auf die beneventanische Liturgie kann unter anderem daran festgemacht werden, dass bisher sieben Gesänge in griechischer Sprache und beneventanischer Schrift gefunden wurden und dass es sich bei einigen der Texte um Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische handelt.151 Es wurde also die griechische Sprache in lateinischen Buchstaben niedergeschrieben. Ähnliches ist auch im Marmorkalender von Neapel aufgefallen, wo griechische Namen in latinisierter Form eingetragen wurden.
147 Zudem kann anhand von liturgischen Texten auf Kulturaustausch und Unabhägigkeitsbestrebungen geschlossen werden. Vgl. PETERS-CUSTOT, Les Grecs de l’Italie, S. 152f. 148 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 7; Norberto VALLI, Verso la romanizzazione dell’Occidente: la liturgia ambrosiana e la sua persistente originalità, in: Liturgie e culture tra l’età di Gregorio Magno e il pontificato di Leone III. Aspetti rituali, ecclesiologici e istituzionali (Monumenta studia instrumenta liturgica, 64), hg. v. Renata SALVARANI, Vatikan 2011, S. 85–106, hier S. 100. 149 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 19ff. 150 Vgl. Thomas Forrest KELLY, La liturgia beneventana e la sua musica come testimonianze della cultura longobarda, in: Longobardia e longobardi nell’Italia meridionale. Le istituzioni ecclesiastiche. Atti del 2. Convegno internazionale di studi promosso dal Centro di Cultura dell’Università Cattolica del Sacro Cuore, Benevento, 29–31 maggio 1992 (Bibliotheca erudita, 11), hg. v. Giancarlo ANDENNA/Giorgio PICASSO, Mailand 1996, S. 239–254, hier S. 240. 151 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 203.
Historiographische Quellen
4.3
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HISTORIOGRAPHISCHE QUELLEN
Neben den hagiographischen Quellen gilt es die historiographischen Texte zu beachten, die sich zwar nicht hauptsächlich mit der Heiligenverehrung befassen, diese aber teilweise durchaus erwähnen und dabei gegebenenfalls in einen größeren Kontext stellen. Die historiographischen Quellen stellen die politischen Gegebenheiten dar, in denen der Heiligenkult entstehen und sich entwickeln konnte. So war es die Funktion von Chroniken und Annalen, die Ereignisse eines Jahres festzuhalten. Teilweise konnten dazu Translationen zählen. Allerdings ist die historiographische Quellenmenge quantitativ nicht sehr ausgeprägt. Die langobardische Historiographie hatte in Süditalien anscheinend nur eine geringe Überlieferungschance.152 So liegen etwa die Historia des Erchempert und das Chronicon Salernitanum heute nur noch in einer einzigen mittelalterlichen Handschrift vor.153 Im Kloster Monte Cassino haben sich langobardische historiographische Texte nur dann erhalten, wenn sie mit Texten anderer Art verbunden waren.154 Auch die Bischofschronik von Neapel ist nur in einer mittelalterlichen Handschrift vorhanden.155 Viele der Texte, die in Bari produziert wurden, gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren; teilweise finden sich nur noch die Erwähnungen, dass die Texte existiert haben.156 Die Geschichte der Langobarden wurde im 8. Jahrhundert von Paulus Diaconus157 niedergeschrieben, einem langobardischen Schreiber, der am Hofe Karls des Großen sowie am Hof von Pavia und Benevent tätig war.158 Von Paulus Dia152 Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 24. Zu Überlieferungschancen allgemein siehe Arnold ESCH, Überlieferungschance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historiker, in: HZ 240 (1985), S. 529–570. 153 Cod. Vat. Lat. 5001, 14. Jahrhundert. Chronicon Salernitanum. 154 Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 24. 155 Cod. Vat. Lat. 5007, 9./ 10. Jahrhundert. An dieser Stelle sei der Vatikanischen Bibliothek gedankt, die das Manuskript bewahrt und ein Digitalisat zur Verfügung stellt. 156 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 18. 157 Paulus Diaconus hatte sich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts als Mönch in das Kloster Monte Cassino im Gebiet von Benevent zurückgezogen, reiste allerdings 782 in das Frankenreich um seinen Bruder, der sich dort in Gefangenschaft befand, zu befreien. Dabei kam es zu engeren Kontakten zwischen dem Schreiber und Karl dem Großen, für den er in den nachfolgenden Jahren schriftstellerisch tätig werden sollte. Allerdings verblieb er nicht im Frankenreich, sondern kehrte zu einem unbekannten Zeitpunkt, möglicherweise um 785, ins Kloster Monte Cassino zurück. Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, I., S. 257; Wolfgang F. SCHWARZ, Geschichte der Langobarden, Darmstadt 2009, S. 18. 158 Bei Paulus Diaconus handelt es sich wohl um einen der berühmtesten langobardischen Geschichtsschreiber, was auch zu einer regen Beschäftigung mit seiner Person und seinen Werken in der Forschung führte. Exemplarisch seien hier Felix DAHN, Paulus Diaconus. I. Abtheilung. Des Paulus Diaconus Leben und Schriften (Langobardische Studien, 1), Leipzig 1876; Walter POHL, Paulus Diaconus und die „Historia Langobardorum“: Text und Tradition, in: Historiographie im frühen Mittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 32), hg. v. Anton SCHARER/Georg SCHEIBELREITER, Wien und München 1994, S. 375–405; SCHWARZ, Geschichte der Langobarden; Walter POHL, Paul the Dea-
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Das Quellenkorpus
conus stammt die Historia Langobardorum, die mit der Auswanderung der Langobarden aus Germanien beginnt und mit dem Tod Liutprands (744) endet, wobei die Meinungen divergieren, ob dieses Ende von Anfang an intendiert war oder ob der Autor vor der Beendigung des Werkes verstarb.159 Paulus’ besondere Beziehung zu Benevent rührte daher, dass er die Herzogin Adelperga in Benevent unterrichtete, nachdem er das Herzogspaar bereits in Pavia kennengelernt hatte.160 In seiner Geschichte der Langobarden kann teilweise auch die Geschichte des Herzogtums Benevent verfolgt werden, wobei der Fokus auf der allgemeinen langobardischen Geschichte liegt. Für das Werk des Paulus existieren verschiedene Fortsetzungen.161 Lediglich die des Andreas von Bergamo erwähnt mit der Translation des Bartholomäus nach Benevent für die hier verfolgte Fragestellung Entscheidendes.162 Auch der Mönch Erchempert orientierte sich an dem Werk des Paulus Diaconus in seiner Historia Langobardorum Beneventanorum.163 Dieses Werk wurde in der zweiten Hälfte
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con – between sacci and marsuppia, in: Ego Trouble. Authors and their Identities in the Early Middle Ages (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 385), hg. v. Richard CORRADINI u. a., Wien 2010, S. 111–123 genannt Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, I., S. 269; Walter A. GOFFART, The Narrators of Barbarian History, Princeton, NJ 1988, S. 379; SCHWARZ, Geschichte der Langobarden, S. 7. Das Todesjahr des Paulus ist unbekannt, wobei das Jahr 799 vermutet wird. POHL geht davon aus, dass Paulus vor 795/96 starb und er den Sturz des awarischen Khans nicht mehr miterlebte, da er schreibt, dass die Gepiden immer noch unter dem Joch der Awaren stünden, was er nicht geschrieben hätte, wenn er das Ende der Awaren mitbekommen hätte. Vgl. POHL, Paul the Deacon, S. 112. Bekannt ist lediglich sein Todestag, der auf den 13. April fällt. Vgl. SCHWARZ, Geschichte der Langobarden, S. 21. Über den Autor ist nur wenig bekannt, da er sich zudem in seinem Werk bezüglich persönlicher Aussagen stark zurückhält. Über seine Denkweisen und Handlungen kann nur spekuliert werden, aber letztlich ist nichts Handfestes vorzuweisen. Vgl. POHL, Paul the Deacon, S. 122f.; Jörg JARNUT, Die Familie des Paulus Diaconus. Ein vorsichtiger Annäherungsversuch, in: Geschichtsvorstellungen: Bilder, Texte und Begriffe aus dem Mittelalter. Festschrift für Hans-Werner Goetz zum 65. Geburtstag., hg. v. Steffen PATZOLD/Anja RATHMANN-LUTZ/Volker SCIOR, Köln u.a. 2012, S. 43–52. Vgl. Karl LANGOSCH, Mittellatein und Europa. Führung in die Hauptliteratur des Mittelalters, Darmstadt 1990, S. 16; Zu den Verbindungen zwischen Paulus Diaconus und Benevent siehe: Stefano PALMIERI, Paolo Diacono e l’Italia meridionale longobarda. Identità e memoria del ducato di Benevento nella Historia Langobardorum, in: Studi per Marcello Gigante, hg. v. Stefano PALMIERI, Neapel 2003, S. 249–324. Vgl. WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 121. Vgl. Andreae Bergomatis, Historia, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 220–230. Vgl. Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 230–264; LANGOSCH, Mittellatein und Europa, S. 17; Paolo CHIESA, Erchempertus Casinensis. Historia Langobardorum Beneventi Degentium, in: La trasmissione dei testi latini del Medioevo. Mediaeval Latin Texts and Their Transmission (Millennio medievale, 50), hg. v. Paolo CHIESA/Lucia CASTALDI, Florenz 2004, S. 93–96, S, 93. Interessanterweise wird in ihr weder ein Heiliger, noch eine Translation, die in diesem Zeitraum vonstattenging genannt. Lediglich der Bau der
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des 9. Jahrhunderts niedergeschrieben.164 In Monte Cassino hatte er die Historia Langobardorum des Paulus Diaconus kennengelernt, die er für das Herzogtum Benevent weiterführte.165 Die Chronik beginnt in der Zeit des Arichis II., wobei besonders der Anfang sehr knapp gehalten ist und die Ereignisse erst ab der Mitte des 9. Jahrhunderts ausführlicher beschrieben werden.166 Die Historia endet im Jahr 889, was allerdings nicht mit dem Tod des Verfassers erklärt werden kann, da dieser noch bis etwa 904 belegt ist.167 Des Weiteren sind die Annales Beneventani in drei Fassungen überliefert, die allerdings frühestens aus dem 12. Jahrhundert168 stammen, da sie bis ins Jahr 1130 reichen. Die Annales wurden 1839 von Georg Heinrich PERTZ für die MGH ediert169 und liegen heute zudem in einer Edition von Ottorino BERTOLINI170 aus dem Jahr 1923 vor. Der Verfasser der Annalen ist unbekannt. Die Chronica sancti Benedicti Casinensis sind eine Zusammenstellung unterschiedlicher Texte, die von Georg WAITZ in den MGH171 unter diesem Namen ediert wurden.172 Die Chronik wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts geschrieben und in den folgenden Jahren wurden nur noch einige Ergänzungen vorgenommen.173
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S. Sophia durch Arichis findet Erwähnung. Vgl. Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 236. Direkt im ersten Abschnitt nennt sich der Autor mit Namen, Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 234: ego Erchempert. Vgl. LANGOSCH, Mittellatein und Europa, S. 17. Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, I., S. 709. Vgl. Ebd., S. 709. TAVIANI-CAROZZI interpretiert das Werk Erchemperts als probeneventanisch und vermutet, dass der Tod des Fürsten Aio II. (885–891) den Mönch persönlich traf, worauf dieser sein Werk abbrach. Vgl. Huguette TAVIANI-CAROZZI, La principauté lombarde de Salerne/ 1 (Collection de l’Ecole Française de Rome, 152), Rom 1991, S. 60. Allerdings gibt es einige Schwierigkeiten bezüglich der Darstellung des Aios in der Historia und einem tatsächlichen Zustimmen zu dessen Politik. Vgl. BERTOLINI, Gli „Annales Beneventani“, S. 17, 21, 27. Vgl. Annales Beneventani, in: Annales, chronica et historiae aevi Saxonici (MGH SS 3), hg. v. Georg PERTZ, Hannover 1839, S. 173–185. Vgl. Annales Beneventani monasterii Sanctae Sophiae, in: Gli „Annales Beneventani“ (Bullettino dell’instituto storico italiano per il medio evo e archivio Muratoriano, 42), hg. v. Ottorino BERTOLINI 1923, S. 101–163. Vgl. Chronica Sancti Benedicti Casinensis, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 467–488, hier S. 468–488. Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 85. Dort wird auch die Forschungsdiskussion dargestellt. Vgl. Ebd., S. 94. Er geht davon aus, dass die Liste 867 angelegt und dann noch einige Jahre lang ergänzt wurde. Neben den historischen Berichten wird an einigen Stellen auch auf Heilige eingegangen, etwa auf den Erzengel Michael. Vgl. Chronica Sancti Benedicti Casinensis, S. 469.
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Das Quellenkorpus
Um das Jahr 974 wurde in dem Kloster St. Benedikt in Salerno eine ausführliche Chronik der langobardischen Fürstentümer Süditaliens niedergeschrieben.174 Überliefert ist diese Chronik in einer Handschrift, die erst um 1300 in Salerno angelegt wurde, zusammen mit der Historia des Cassineser Mönches Erchempert.175 Obwohl der Verfasser der Chronik anonym ist, wurde von Huguette TAVIANI-CAROZZI die Autorschaft des Abtes des genannten Klosters, Radoald, vorgeschlagen.176 Die neueste kritische Edition liegt mit dem Werk von Ulla WESTER177 BERGH vor. Der Chronik fehlt ein Prolog, da sie unvermittelt direkt mit der Geschichte beginnt.178 Wahrscheinlich ist die Chronik nicht fertiggestellt worden, was aufgrund der Versprechung von späteren ausführlicheren Berichten, die nicht mehr erscheinen, anzunehmen ist.179 Im Jahr 973/974 endet die Chronik.180 Wie bei den Historien des Paulus Diaconus und des Erchempert ist nicht bekannt, warum die Chronik in diesem Jahr abbricht. Über die Bischöfe in Neapel besitzen wir aufgrund der Tatsache Kunde, dass sich eine Liste der Kirchenvorsteher im Vatikan erhalten hat,181 die im 9. und 10. Jahrhundert von drei Personen verfasst wurde.182 Ursprünglich scheint die 174 Vgl. Max MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur des Mittelalters. Zweiter Band. Von der Mitte des zehnten Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Kampfes zwischen Kirche und Staat (Handbuch der Altertumswissenschaft, Neunte Abteilung. Zweiter Teil Zweiter Band), zweite Auflage, München 1965, S. 197, dort die genaue Begründung der Datierung des Werkes. Eine ausführliche Beschäftigung liegt in der Arbeit von Massimo OLDONI, Interpretazione del „Chronicon Salernitanum“, in: Studi Medievali 10,2 (1969), S. 3–156 vor. 175 Cod. Vaticanus Lat. 5001, 14. Jahrhundert. Vgl. Walter POHL, Anstrengungen des Erinnerns: Montecassino nach der ʻzweitenʼ Zerstörung 883, in: Zwischen Pragmatik und Performanz. Dimensionen Mittelalterlicher Schriftkultur (Utrecht studies in Medieval Literacy, 18), hg. v. Christoph DARTMANN/Thomas SCHARFF/Christoph Friedrich WEBER, Turnhout 2011, S. 39–55, hier S. 46. 176 Vgl. TAVIANI-CAROZZI, La principauté lombarde, S. 81–91. 177 Vgl. Chronicon Salernitanum. Die Chronik beginnt mit der Langobardenherrschaft in Italien, wobei die Könige dieses Volkes aufgezählt werden und auch Karl der Große genannt wird, mit seinen Vorfahren und Nachfolgern bis zu Otto II. Im Anschluss folgen die Herzöge und Fürsten Benevents von Zotto bis Radelchis. Allerdings vermutet POHL, dass es sich bei dieser Zusammenstellung der Chronik nicht um die richtige Reihenfolge handle, was er mit dem Fehlen einer Liste der salernitanischen Fürsten erklärt, die sicherlich nicht am Beginn einer Chronik aus diesem Ort gefehlt hätten. Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 56. 178 Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 56. 179 Vgl. MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, II., S. 201. 180 Vgl. POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 57. 181 Cod. Vat. Lat. 5007. 182 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 1. Der erste Verfasser ist unbekannt, bei dem zweiten handelt es sich eventuell um Johannes Diaconus von Neapel. Vgl. MALLARDO, Storia antica della chiesa, S. 77. Die Identifikation des Autors, der sich selbst als Diakon Johannes bezeichnet, mit dem gleichnamigen Hagiographen der Kirche von Neapel ist allerdings nicht gänzlich gesichert. Vgl. BERTO, , S. 53f.; Cornelia SCHERER, Der Pontifikat Gregors IV. (827–844). Vorstellungen und Wahrnehmungen päpstlichen Handelns im 9. Jahrhundert (Päpste und Papsttum, 42), Stuttgart 2013, S. 105 m. Anm. 155. So heißt es in der Chronik, Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 435: Huc
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Bischofschronik nur aus einer Namensliste bestanden zu haben, die im 4. Jahrhundert erstellt wurde, wobei sie wahrscheinlich nicht vollständig war.183 Diese Liste wurde im Laufe der Zeit durch Angaben der kirchlichen Bauten des betreffenden Bischofs sowie seines Beerdigungsortes und durch die Beifügung der Amtszeiten ergänzt.184 Ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts sind die Päpste und Kaiser, die in der Amtszeit des jeweiligen Bischofs herrschten, mitaufgeführt.185 Etwa um 800 wurde diese Liste dann in eine Bischofschronik umgestaltet, wobei das Vorbild hier sicher der Liber Pontificalis war.186 Die besondere Bedeutung der Bischofschronik von Neapel wird daran ersichtlich, dass sich in Italien nur für diese Stadt und für Ravenna ein solches Werk erhalten hat, wobei beide im 9. Jahrhundert entstanden.187 Die Chronik ist nicht ganz vollständig, da am Anfang einige Seiten und gegen Ende des ersten Teils zwei Mal eine Seite fehlen, zudem ist der Text am Ende des dritten Teils über Bischof Stephanus III. (898–907) nicht erhalten.188 Die Notate sind zunächst eher knapper und werden im Laufe der Zeit immer ausführlicher und spezieller.189 Der eigentlichen Bischofsliste ist eine Chronik der Anfänge des Christentums vorgeschaltet, die mit Octavian beginnt, hier auf die verschiedenen Apostel eingeht und die Geschichte des Papsttums in seinen Anfängen skizziert.190 Eine zweite neapolitanische Bischofschronik liegt in einem Katalog aus dem 10. Jahrhundert vor, der die Überschrift Hec sunt nomina antistitum Neapolim et quorum tempora fuerunt trägt.191 Hierbei handelt es sich aber nur um kurze biographische Angaben der Bischöfe bezüglich ihrer Amtszeit und ihres Beerdigung-
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usque Iohannes Diaconus. Quae sequuntur Petrus edidit Neapolitanae sedis subdiaconus. Der dritte Autor ist der Subdiakon Petrus. Vgl. BERTO, , S. 52f. Später wurde die Chronik von einer unbekannten Hand korrigiert, die sich mit den Amtszeiten der Bischöfe befasste. Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 2. Vgl. Ebd., S. 75f. Vgl. Ebd., S. 76. Vgl. Ebd., S. 77. Vgl. Ebd., S. 77. Über die Datierung der Chronik herrscht keine einheitliche Meinung in der Forschung, so gibt es auch die Option, dass sie aus dem Jahr 974 stammt. Vgl. Medieval Naples. An Architectural & Urban History 400–1400, hg. v. Caroline BRUZELIUS/William TRONZO, New York 2011, S. 20; POHL, Werkstätten der Erinnerung, S. 21. Ediert wurde die Bischofschronik von WAITZ in den MGH, vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 398–436 und von CAPASSO in den Monumenta. Vgl. CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 145– 221. Vgl. Michael SOT, Gesta Episcoporum Gesta Abbatum (Typologie des sources du moyen âge occidental, 37), Turnhout 1981, S. 38 u. 41. Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 2. Vgl. Ebd., S. 75. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 402f. Vgl. Catalogus episcoporum Neapolitanorum, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 436–439, hier S. 436; ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 3.
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sortes, lediglich bei einigen werden auch die Bauten genannt, die von ihnen in Auftrag gegeben wurden. Wie ACHELIS aufzeigt, handelt es sich bei dieser Chronik nicht um eine Abschrift der vatikanischen Bischofschronik, sondern um ein weiteres eigenständiges Schriftwerk, das somit ergänzend zur Bischofschronik verwendet werden kann.192 Dies zeigt auf, dass es vor allem gegen Ende des 9. und Anfang des 10. Jahrhunderts ein erhöhtes Interesse an Nachrichten über die Bischöfe der Stadt gab, also der Zeit, in der auch besonders viele hagiographische Texte verfasst wurden.193 Somit stellen die beiden Bischofschroniken wichtige Zeugnisse für die verstärkte Auseinandersetzung mit der eigenen kirchlichen Vergangenheit von Seiten der Neapolitaner dar. Die historiographischen Quellen Baris sind erst nach dem Untersuchungszeitraum entstanden und enthalten keine Informationen zur Heiligenverehrung. Sie wurden von einem Mönch aus dem Kloster S. Benedetto in Bari um 1045 die Annales Barenses niedergeschrieben, welche die Jahre von 605 bis 1043 enthalten.194 Auch die Chronik des Lupus Protospatarius, die den Zeitraum von 855 bis 1102 umfasst, macht keine Bemerkung über Heilige.195
192 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 3ff. 193 Siehe Kapitel 4.1.4. 194 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 8 Anm. 7. Ediert wurden die Annalen in den MGH 1844 von PERTZ. Vgl. Annales Barenses, in : Annales et chronica aevi Salici (MGH SS, 5), hg. v. Georg Heinrich PERTZ, Hannover 1844, S. 51–56. 195 Vgl., Lupi Protospatarii, Annales, in: Annales et chronica aevi Salici (MGH SS, 5), hg. v. Georg Heinrich PERTZ, Hannover 1844, S. 52–63.
5. DIE SAKRALBAUTEN Die Gräber der Verstorbenen außerhalb der Stadt waren von entscheidender Bedeutung für den frühen Märtyrerkult, da sich an ihnen die Gemeinde zusammenfinden und ihrer verstorbenen Mitglieder gedenken konnte.1 Somit hatten diese Orte und Räume eine identitätsstiftende Funktion, weil sich in ihnen die Gläubigen versammelten und sich zugleich in ihnen von den anderen absonderten. Später, nach der Durchsetzung des Christentums im 4. Jahrhundert, wurden die Reliquien der Heiligen in die Stadt selbst gebracht, wodurch die antike Trennung von städtischem Raum und Nekropole aufgehoben wurde und dadurch nun innerhalb der Stadtmauern eine Erinnerungstopographie entstand, die sich in den neuen Monumenten widerspiegelte.2 Zunächst war es weniger die Kirche als Kultort, sondern vielmehr die betende Gemeinde, die für den Kult der Heiligen bedeutend war.3 In den Kirchen selbst waren es vor allem die Altäre, denen in der Frühzeit des Christentums eine besondere Heiligkeit zugesprochen wurde und in denen später die Gebeine der Heiligen niedergelegt wurden.4 Die Beziehung zwischen Kirche und Reliquie wurde besonders durch die Bestimmungen von 787 vertieft, da nun jede Kirche Reliquien benötigte, um konsekriert zu werden.5 Im Laufe der Spätantike und des Frühmittelalters wandelte sich die Bedeutung des Kirchenraumes.6 Ursprünglich bedurfte es im Christentum keines besonderen Ortes, da die Gemeinde als Tempel Gottes galt, wobei laut Miriam CZOCK der Gedanke der Kirche als geheiligter Raum erst im Lauf der Zeit zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert in die christliche Lehre Eingang fand, auch wenn es bereits in der Spätantike Überlegungen zu diesem Thema gegeben hatte.7 Im Frühmittelalter wurde die Kirche zum sozialen und rituellen Mittelpunkt der christlichen Gemeinde.8 Die Kirchen waren der Kontaktort, an den die Gläubigen zu den Gebeinen der Heiligen pilgern konnten, wodurch der Kult eine lokale Bindung erhielt, die durch
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Vgl. PRINZ, Rom – Byzanz – Mekka – Palermo, S. 11. Vgl. DIEFENBACH, Römische Erinnerungsräume, S. 27. Vgl. CZOCK, Gottes Haus, S. 29. Vgl. Ebd., S. 39. Vgl. MAYR, Geld, Macht und Reliquien, S. 95; siehe Kapitel 4. Vgl. CZOCK, Gottes Haus, S. 40ff. Auch die Kirche an sich wurde für die Menschen wichtig. MAYR, Geld, Macht und Reliquien, S. 94: „Denn nun hoffte man bei Krankheiten in der Kirche Heilung zu finden, bei Verfolgung suchte man dort Zuflucht, die verschiedensten Arten von Bitten richtete man hier an die Heiligen …“ Vgl. CZOCK, Gottes Haus, S. 4. Vgl. Ebd., S. 10f.
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Die Sakralbauten
Translationen und Berührungsreliquien gelockert werden konnte.9 Zu Beginn war die Heiligenverehrung an die vorhandenen Reliquien gebunden (von Arnold ANGENENDT als „objektive Patrozinienwahl“ bezeichnet), später konnte ein Heiliger ausgewählt und dessen Reliquien in die eigene Stadt gebracht werden („subjektive Patrozinienwahl“).10 Ideell war bis zur Jahrtausendwende Christus der Patron einer jeden Kirche. Dieser wurde aber nicht immer genannt, sondern meist der Heilige, von dem bedeutende Reliquien vorhanden waren.11 Wie Matthias TISCHLER betont, sollte die „Identitätsfindung religiöser Gemeinschaften mittels kultischer Selbstreflexion im zentralen Ereignis der Kirchweihe“12 als wichtiger Aspekt Beachtung finden. Es handelte sich hierbei um ein Fest der Gemeinschaft, in der das religiöse Leben einen seiner Höhepunkte finden konnte. Die Niederlegung der Gebeine und die anschließende Segnung der Kirche waren besondere, aber auch sehr seltene, spirituelle Momente.13 Zudem handelte es sich bei Kirchweihen nicht um alltägliche Geschehnisse, was auch daran ablesbar ist, dass sie jedes Jahr aufs Neue gefeiert wurden.14 So wurde zum einen der Heilige an seinen Festtagen zelebriert, zum anderen erhielt aber auch die Kirche, die unter seinem Patrozinium stand, eine besondere Beachtung, wodurch der Ruhm des Heiligen ebenfalls weiter vermehrt wurde. Die Errichtung von Kirchen und Klöstern mussten im Interesse der Wohlhabenden sein, da nur sie es sich leisten konnten, solche Gebäude zu finanzieren. Mittels dieser Bauten konnte der eigene Reichtum dargestellt und zugleich ein Werk für das eigene Seelenheil zu Ehren Gottes gestiftet werden.15 Wenn kein ganzer Bau geleistet werden konnte, bestand die Möglichkeit, sich bei der Ausstattung einer Kirche zu beteiligen oder nur einen Teil der Kosten zu tragen. Zudem sollte die persönliche Frömmigkeit nicht vergessen werden, die den Ausschlag für eine derartige Wohltätigkeit geben konnte. Da Kirchen- und Klostergründungen in der Regel unter das Patrozinium eines Heiligen oder eines Mitglieds der heiligen Familie gestellt werden,16 kann anhand 9 10 11 12
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Vgl. ANGENENDT, Patron, Sp. 1806. Vgl. Ebd., Sp. 1807. Vgl. Ebd., Sp. 1807. Vgl. Matthias M. TISCHLER, Mittelalterliche Apostel-, Christus- und Engelsweihelegenden im hagiographischen Kontext, in: Zwischen Niederschrift und Wiederschrift. Frühmittelalterliche Hagiographie und Historiographie im Spannungsfeld von Kompendienüberlieferung und Editionstechnik (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 405), hg. v. Richard CORRADINI/Max DIESENBERGER/Meta NIEDERKORNBRUCK, Wien 2010, S. 373–383, S. 373. Vgl. CZOCK, Gottes Haus, S. 156, 160. Dieser feierliche Akt scheint sich im 7. Jahrhundert in Gallien durchgesetzt zu haben. Vgl. CZOCK, Gottes Haus, S. 170. Vgl. John MITCHELL, Arichis und die Künste, in: Für irdischen Ruhm und himmlischen Lohn. Stifter und Auftraggeber in der mittelalterlichen Kunst, hg. v. Hans-Rudolf MEIER/Carola JÄGGI/Philippe BÜTTNER, Berlin 1995, S. 47–64, hier S. 49. Hermann HOLZBAUER, Mittelalterliche Heiligenverehrung – Heilige Walpurgis (Eichstätter Studien, 5), Kevelaer 1972, S. 36: „In der Liturgik bedeutet ‚Patrozinium‘‚die Festfeier zu
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dieser Patrozinien Rückschlüsse auf die Bedeutung oder auch auf die Verbreitung von Heiligenkulten in bestimmten Regionen gezogen werden. Der besondere Schutz, den der Heilige über die Kirche und damit ebenfalls über ihre Gemeinde geben sollte, führte dazu, dass diese sein Andenken besonders feierte und seine Memoria somit ein aktiver Teil des religiösen Lebens wurde. Die Sakraltopographie einer Stadt kann aus diesem Grund Aufschluss über die Bedeutung der einzelnen Heiligen und über das kirchlich geprägte Leben der Bewohner geben. Deshalb sollen die einzelnen Kirchen und Klöster der Städte sowohl bezüglich ihres Patroziniums als auch ihres Standortes und ihrer möglichen Außenwirkung untersucht werden. Die Schwierigkeit bei der Analyse der Patrozinien besteht darin, dass eine eindeutige Identifizierung der Heiligen nicht immer möglich ist, da es oft mehrere Heilige des gleichen Namens gibt und somit teilweise keine Aussage getroffen werden kann. 5.1
BENEVENTANISCHE GEBÄUDE
Anscheinend wurden bereits im 4. Jahrhundert Kirchenbauten vorgenommen, die nach zwei Erdbeben in den Jahren 346 und 375 renoviert werden mussten.17 Nach der Eroberung durch die Langobarden kam es vorerst zu keinen feststellbaren Sakralbauten. Erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts tat sich die Frau Herzog Romualds I., Theoderada, durch die Errichtung von Kirchen und Klöstern hervor.18 Paulus Diaconus berichtet in der Historia Langobardorum von einem Kloster, das von ihr vor den Mauern der Stadt in der Zeit errichtet wurde, in der ihr Mann Tarent und Brindisi eroberte.19 Sie errichtete sowohl eine Kirche zu Ehren des Apostels Petrus20 als auch ein Kloster daneben für viele Dienerinnen des Herrn.21 Die Eroberung der Städte ist für das Jahr 680 belegt. Während es in Neapel aufgrund der erhaltenen Bischofschronik relativ gut nachzuvollziehen ist, wann welche Kirche gebaut wurde, ist dies in Benevent
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Ehren des Kirchen-, Orts- oder Landespatrons‘. Im sonstigen kirchlichen Sprachgebrauch, der schon während des gesamten Mittelalters bezeugt ist, versteht man unter ‚Patrozinium‘ denjenigen (diejenige) Heilige(n) oder diejenigen Heiligen, deren Schutz, d.h. deren besondere Fürbitte, ein Gotteshaus bei seiner kirchlichen Weihe anvertraut wurde und zu deren Gedächtnis und Ehre es benannt worden ist.“ Vgl. ROTILI, Forme della cristianizzazione, S. 991. Vgl. Ebd., S. 995. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, VI, 1, S. 164: … Romualdus, Beneventanorum dux, congregata exercitus multitudine Tarentum expugnavit et cepit parique modo Brundisium … Unter Gisulf I. soll die Kirche dem Kloster San Vincenzo al Volturno unterstellt worden sein. Vgl. FONSECA, Montecassino e la civiltà monastica, S. 144f. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, VI, 1, S. 164: Coniux quoque eius Theuderata eodem tempore foras muros Beneventanae civitatis basilicam in honorem beati Petri apostoli construxit; quo in loco multarum ancillarum Dei coenobium instituit.
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Die Sakralbauten
nicht ohne weiteres möglich. Allerdings können in den Präzepten der Herrscher einige Kirchen gefunden werden, denen Schenkungen gemacht wurden.22 Bezüglich der Errichtung von Kirchen in Benevent tat sich besonders der Herzog/Fürst Arichis II. hervor, der neben verschiedenen anderen Bauten auch die Kirche S. Sophia errichten ließ. Der Bau dieser Basilica im Palastbereich23 wurde rasch nach dem Herrschaftsantritt Arichis’ II. begonnen24 und dauerte etwa von 758 bis 768. Allerdings geht CARELLA davon aus, dass die Kirche bereits Anfang 760 geweiht wurde.25 Diese Vermutung, dass der Bau schon 760 abgeschlossen gewesen sei und
22 Vgl. Paolo BERTOLINI, „Actum Beneventi“. Documentazione e notariato nell’Italia meridionale langobarda; secoli VIII–IX (Fonti e strumenti per la storia del notariato italiano, 9), Mailand 2002. 23 Vgl. Jean-Marie MARTIN, Chronicon Sanctae Sophiae (cod. Vat. Lat. 4939) (Fonti per la storia dell’Italia medievale), Rom 2000, S. 47f. u. Anm. 14. MARTIN vertritt die Ansicht, dass die Palastkapelle unter das Patrozinium S. Salvator gestellt wurde und es unter Arichis II. eine weitere Gründung, nämlich die des Klosters S. Sophia mit Kirche gegeben habe. 24 Während HIRSCH, Das Herzogthum Benevent, S. 42, noch davon ausging, dass der Bau der Kirche bereits unter Herzog Gisulf begonnen worden war, stellte BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 180, fest, dass die Quellen den Baubeginn erst mit Arichis II. angeben, während ein Präzept des Herzogs Gisulf für das Kloster S. Sofia in Ponticello bei Benevent bestimmt war, hier also nicht der Bau einer Kirche gemeint war; vgl. auch Elisabeth GARMS-CORNIDES, Die langobardischen Fürstentitel (774–1077), in: Intitulatio II. Lateinische Herrscher- und Fürstentitel im neunten und zehnten Jahrhundert, hg. v. Herwig WOLFRAM, Wien, Köln, Graz 1973, S. 341–452, hier S. 354 m. Anm. 5. Dieser Interpretation widerspricht ZIELINSKi, der aufgrund der Annales Beneventani davon ausgeht, dass der Bau der Kirche bereits unter Gisulf II. begonnen wurde; vgl. Herbert ZIELINSKI, Elemente der Stabilität im Dukat Benevent in vorfränkischer Zeit. Mit Bemerkungen zu den fiktiven Gründungsurkunden des Klosters S. Vincenzo al Volturno, zur angeblichen Übereignung des Klosters S. Sophia in Benevent an Montecassino im Jahre 774 und zu einer beneventanischen Gerichtsurkunde des Jahres 839, die ins Jahr 764 zu datieren ist, in: Die Langobarden. Herrschaft und Identität (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 329), hg. v. Walter POHL/Peter ERHART, Wien 2005, S. 409–428, hier S. 425. Die Aussage, dass Arichis II. die Kirche a fundamentis erbaut habe, erklärt er damit, dass spätere Generationen ebenfalls als Kirchenstifter bezeichnet würden, wenn sie sich als Dotatoren betätigt hätten. Siehe ebd. Anm. 93. Auch CARELLA vertritt die Ansicht, dass die Grundlegung der Kirche unter Gisulf stattgefunden habe und der Bau dann unter Arichis fortgeführt wurde; vgl. Silvio CARELLA, Sainte-Sophie de Bénévent et l’architecture religieuse longobarde en Italie méridionale, in: Hortus artium medievalium 9 (2003), S. 331–356, hier S. 332f. Demgegenüber ist zu bemerken, dass in der Historia Langobardorum Beneventanorum des Erchempert die Rede davon ist, die Kirche sei durch Arichis errichtet worden. Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 236. Dies wird von ROTILI unterstrichen. Siehe Mario ROTILI, La diocesi di Benevento (Corpus della scultura altomedievale, 5), Spoleto 1966, S. 29. In beiden Fällen gilt aber zu beachten, dass sie mit einem gewissen zeitlichen Abstand erstellt wurden. In den Annales Beneventani wird Arichis als fundator der Kirche benannt; Vgl. BERTOLINI, Gli „Annales Beneventani“, S. 112. 25 Vgl. CARELLA, Sainte-Sophie de Bénévent, S. 333.
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dann bereits zwölf Märtyrer26 aufgenommen habe, weist BELTING mit dem Hinweis auf die daraus resultierende extrem kurze Bauzeit zurück, wobei nicht bekannt sei, wann die Gebeine der Märtyrer in der Kirche deponiert wurden.27 Lediglich die Einbringung des heiligen Mercurius in der fertigen S. Sophia ist mit dem 26. August 768 genau datiert, womit ein terminus ante quem gegeben ist.28 Bei S. Sophia sind besonders die Parallelen zu Konstantinopel auffallend, da die dortige Hauptkirche die Hagia Sophia war. Somit handelt es sich bei der Sophienkirche in Benevent um ein Zeugnis der Orientierung nach Konstantinopel.29 Dies wird ebenfalls im Translationsbericht des Mercurius sichtbar, da hier explizit auf die Ähnlichkeit mit der Kirche des Justinians hingewiesen wird.30 Es handelte sich dabei laut BELTING um eine süditalische Tendenz, Unabhängigkeit und Machtanspruch gegenüber dem langobardischen Königtum zu legitimieren und sich nach Byzanz auszurichten.31 Zudem konnte mittels dieser Hinwendung zu Konstantinopel eine gewisse Konkurrenz zu Pavia aufgebaut werden.32 In diese Kirche ließ Arichis die von ihm translozierten Heiligen niederlegen, um ihren Kult von dort aus zu verbreiten. Es ist sicherlich von großer Bedeutung,
26 Diese Heiligen sind zwölf Brüder, die im Jahr 760 von Arichis II. nach Benevent in die S. Sophia transloziert wurden. Siehe Kapitel 6.1.1. 27 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 180f. 28 Allerdings erwähnt das Kalendarium Cavensis 23 aus Monte Cassino als Weihetag den 16. September. Wenn dieser Termin als korrekt angenommen wird, muss die Fertigstellung schon vor das Jahr 768 datiert werden. Siehe: LOEW, DIE ÄLTESTEN KALENDARIEN, S. 28. Es ist die Rede von: in palatio Beneventano dedicatio ecclesiae S. Salbatoris. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 49. Die Basilika hatte lange Bestand und wurde erst im 12. Jahrhundert umgebaut, wobei allerdings ein Erdbeben im Jahr 847 bereits dazu führte, dass der Kreuzgang neu gebaut werden musste. Vgl. BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei, S. 42. Die Säulen bestanden aus antiken Spolien, womit die Tendenz zur Erneuerung antiker Größe deutlich wurde. Vgl. BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei, S. 171. Bei der S. Sophia handelt es sich um einen der wenigen Bauten, die aus dieser Zeit, wenn auch später verändert, noch stehen und somit einen Eindruck vom Benevent des 8. Jahrhunderts geben können. 29 Eine andere These vertritt FALKENHAUSEN, die schreibt: „… dann sollte ein solches Gebäude wohl eher einen Ausdruck seiner eigenen Machtansprüche darstellen.“ FALKENHAUSEN, The Display of Byzantium, S. 62f. Ihrer Meinung nach ging es also nicht darum, sich an die Byzantiner anzupassen, sondern eher die eigene Herrschaft adäquat darzustellen. 30 Translatio Sancti Mercurii, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 576–578, S. 576: Arichis igitur princeps illustris, perfecta iam sancte Sophie basilica, quam ad exemplar illius condidit Iustiniane. REICHE bezeichnet die S. Sophia als „freie Kopie der Hagia Sophia“, Jens REICHE, Frühe Klosterbauten in Italien (4.–10. Jahrhundert), in: Macht des Wortes. Benediktinisches Mönchtum im Spiegel Europas, hg. v. Gerfried SITAR/Martin KROKER, Regensburg 2009, S. 121–134, hier S. 123. 31 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 185. 32 Vgl. François BOUGARD, Public Power and Authority, in: Italy in the Early Middle Ages 476–1000 (The Short Oxford History of Italy), hg. v. Cristina LA ROCCA, Oxford 2002, S. 34–58, S. 48.
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Die Sakralbauten
dass der Herzog durch die Errichtung einer Kapelle neben seinem Palast und durch deren Ausstattung mit Reliquien für die Erhöhung seines Hofes sorgte und sich daran zudem das Selbstbewusstsein des Herrschers ablesen lässt.33 Hierbei ist nicht nur entscheidend, dass die Heiligen in die Kirche gebracht wurden, sondern auch, wo ihr Platz in der Kirche war, da sich anhand dessen ihre Wichtigkeit ausdrückt.34 An die Kirche war zunächst ein Frauenkloster angeschlossen, wobei wohl Arichis Schwester die erste Äbtissin war.35 Dieses Kloster pflegte enge Beziehungen zu Monte Cassino beziehungsweise war diesem Kloster unterstellt, da die Pröpste von S. Sophia durch den Abt von Monte Cassino ernannt wurden.36 In der Mitte des 10. Jahrhunderts wurden die Nonnen des Klosters durch Mönche ersetzt.37 Die Beneventaner Kathedrale wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts errichtet, wobei sie einen Vorgängerbau hatte, der am 15. Dezember 60038 geweiht worden war. Im 12. und 13. Jahrhundert erfuhr sie einen Umbau.39 Die Kathedrale war der Gottesmutter geweiht worden und wurde durch Bischof David II. in der Herrschaftszeit Arichis’ II. erneut konsekriert.40 Unter Bischof David II. und später auch unter Fürst Sico wurde die Kathedrale dann weiter ausgebaut, da
33 Vgl. GARMS-CORNIDES, Die langobardischen Fürstentitel, S. 357. Laut der Gründungsurkunde stattete Arichis die Kirche mit indischen, kretischen, arabischen und äthiopischen Kostbarkeiten aus, was den besonderen Wert dieser Kirche für den Herrscher klar herausstellt. BORGIA, Memorie Istoriche della pontificia, S. 269ff: Dum regina divis opum mihi pulchris instructa zetis excresceret, dum diversa gemmarumm etallorumqueg enerar edundaret et tyria multa quidquid feret Indus quidque tabso vana Creta et mollis mitit Arabs mandatque nigri pellis Etiops et vestiunt seres. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 183. 34 So liegt der heilige Mercurius bis heute unter einem Altar inmitten der Kirche, woran die hervorgehobene Stellung dieses Heiligen deutlich wird. Die Bedeutung des heiligen Mercurius für Benevent ist noch heute am Portal der Kirche zu sehen. Auf dem Tympanon ist Christus zu sehen, neben dem sich Maria und Mercurius befinden. Dieses Relief stammt allerdings wohl erst aus dem 12. Jahrhundert, war also nicht Teil der ursprünglichen Ausstattung der Kirche. Bei der knienden Figur rechts neben Mercurius könnte es sich um Arichis II. selbst handeln, der somit im Nachhinein für den Bau der Kirche und die Niederlegung der Gebeine geehrt werden würde. Ob es bereits vor dem 12. Jahrhundert ein solches Bild am Portal gegeben hat, ist nicht mehr auszumachen. Aufgrund der in ihr angesammelten Reliquien wurde die Hofkirche über die Kathedrale erhoben, sodass Kirche und Heiligenkult in den Bannkreis des Hofes gezogen wurden und somit dem Herrscher unterstanden. Vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 57. 35 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 13. 36 Vgl. CARELLA, Sainte-Sophie de Bénévent, S. 333. 37 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 34; MARTIN, Chronicon Sanctae Sophiae, S. 53. 38 Von diesem Bau sind nur noch Reste der Mauerstruktur erhalten. Vgl. TESTINI, La cattedrale in Italia, S. 24. 39 Vgl. Marcello ROTILI, Benevento romana e longobarda. L’immagine urbana, Benevent 1986, S. 169; Silvio CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale en Italie Méridionale. Le diocèse Bénévent (Bibliothèque de l’Antiquité tardive, 18), Turnhout 2011, S. 23. 40 Vgl. ROTILI, Forme della cristianizzazione, S. 992.
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um 829 die Reliquien des heiligen Januarius aus Neapel in die Kathedrale von Benevent gebracht wurden.41 Die alte Kathedrale erfuhr nun einen Patrozinienwechsel, wobei die Gebeine des Heiligen einen glänzend ausgestatteten Altar erhielten, auf dem die Krone Sicos deponiert wurde, um so die besondere Beziehung zwischen dem Heiligen und dem Herrscher augenscheinlich zu machen.42 Es liegen einige wissenschaftliche Arbeiten vor, die sich mit den sakralen Bauten in der Stadt und der Diözese befassen.43 Aus ihnen wird deutlich, dass es sich bei der Kathedrale und der Kirche S. Sophia um die wichtigsten Kirchen Benevents handelte, während zunächst anscheinend nur einige wenige weitere Kirchen und Klöster errichtet wurden. So entstand etwa zur gleichen Zeit wie die Kathedrale die Kirche des heiligen Hilarius.44 Für den heiligen Petrus wurde durch die Herzogin Theodora um 675 eine Kirche erbaut und eine weitere für diesen Heiligen entstand in der Mitte des 8. Jahrhunderts.45 Ebenfalls in der Mitte des 8. Jahrhunderts wurde dem heiligen Benedikt ein Kloster geweiht.46 Die Kirche für den heiligen Modestus ist ab 774 belegt47 und 762 wurde eine Kirche unter dem Patrozinium Paulus’ gegründet48. In den 830er Jahren wurde unter dem Patrozinium von Lupulus und Zosimus eine Kirche errichtet49 und gegen Ende des 9. beziehungsweise im beginnenden 10. Jahrhundert wurde den Heiligen Jakobus und Philippus ein Gebäude geweiht50. Insgesamt können somit einige Kirchenbauten bereits vor dem endgültigen Übertritt der Langobarden zum römischlateinischen Christentum konstatiert werden, doch kam es erst in der Mitte des
41 Vgl. Luigina TIMAY, Benevento longobarda: dinamiche insediative e processi di trasformazione, in: Atti del Convegno. Il popolo deo Longobardi Meridionali (570–1076). Testimonianze storice e monumentali. Salerno – 28 Giugno 2008 (Gruppo Archeologico Salernitano), hg. v. Gabriella D’HENRY/Chiara LAMBERT, Salerno 2009, S. 119–151, hier S. 133. 42 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 160. 43 Vgl. ROTILI, La diocesi di Benevento; ROTILI, Benevento romana e longobarda; CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale. 44 Vgl. ROTILI, Benevento romana e longobarda, S. 181f.; CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale, S. 56f. 45 Vgl. Carmelo LEPORE, Fondazioni monastiche Beneventane di IX–X secolo: il monastero di S. Lupo, in: I Langobardi dei ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo. Spoleto, 20–23 ottobre 2002, Benevento 24–27 ottobre 2002. Tomo Primo, Spoleto 2003, S. 1513–1526, hier S. 1514. 46 Vgl. LEPORE, Fondazioni monastiche Beneventane, S. 1514. 47 Vgl. CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale, S. 68. Der heilige Modestus wird auch in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641 am 15. Juni zusammen mit Crecentia aufgeführt. Die beiden erlitten im 4. Jahrhundert das Martyrium in Lukanien. Vgl. Agostino AMORE, Vito, Modesto e Crescenzia, in: Bibliotheca Sanctorum. Band XII, Rom 1969, Sp. 1244–1246. 48 Vgl. CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale, S. 69. 49 Vgl. LEPORE, Fondazioni monastiche Beneventane, S. 1515; CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale, S. 66. 50 Vgl. CARELLA, Architecture religieuse haut-médiévale, S. 64.
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Die Sakralbauten
8. Jahrhunderts und den nachfolgenden Jahrzehnten zu einer Zunahme von kirchlichen Gebäuden. 5.2
NEAPOLITANISCHE GEBÄUDE
Über die bischöflichen Kirchenbauten in Neapel sind wir aufgrund der Bischofschronik informiert, die ähnlich wie der Liber pontificalis die einzelnen Kirchen aufzählt. Allerdings wird vermutet, dass diese Liste nicht vollständig ist.51 Insgesamt lassen sich in der Bischofschronik 18 Kirchenbauten zählen, die in der Zeit zwischen 362 und etwa 900 errichtet worden sein sollen.52 Mit den Kirchenbauten Neapels befasst sich Vincenzo REGINA intensiver, der sich darum bemüht, den sakralen Charakter der Stadt anhand ihrer Kirchen zu erfassen.53 Von Thomas GRANIER liegt eine Studie vor, welche die Produktion hagiographischer Schriften mit der Errichtung von Kultbauten im 9. und 10. Jahrhundert vergleicht und aufzeigt, wie das eine das andere bedingte und beförderte.54 So konnte er feststellen, dass viele der Heiligen, für die Texte verfasst wurden, ein Patrozinium über eine Kirche oder ein Kloster in Neapel innehatten.55 Nachrichten von Kirchenbauten sind bei Bischof Severus (ca. 362–ca. 408) belegt.56 Die Kathedrale der Stadt wurde um 500 zu Ehren des Erlösers gebaut, allerdings nach ihrem Erbauer, dem Bischof Stephanus I. (ca. 499/501), Stefania genannt.57 Sie wurde auf Kirchenfundamenten aus dem 4. Jahrhundert errichtet, wobei es sich hier wahrscheinlich um die Reste der Basilika der heiligen Restituta handelte.58 Diese Basilika soll auf Veranlassung des Kaisers Konstantin errichtet worden sein.59 Aufgrund der Bezeichnungen als Restituta und Stefania kann der Eindruck entstehen, dass es in Neapel zeitgleich zwei Kathedralen gegeben ha-
51 Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 2. 52 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 67. 53 Vgl. Vincenzo REGINA, Le chiese di Napoli. Viaggio indimenticabile attraverso la storia artistica, architettonica, letteraria, civile e spirituale della Napoli sacra (Quest’Italia. Collana di storia, arte e folclore, 226), Rom 1995. 54 Vgl. Thomas GRANIER, Topografia religiosa e produzione agiografica nei secoli IX e X, in: Napoli nel Medioevo. Segni culturali di una città, hg. v. Benedetto VETERE, Galatina 2007– 2009, S. 41–58. Er befasst sich dabei mit 39 hagiographischen Texten, die in Neapel zwischen 875 und 960 erstellt wurden. 55 Vgl. GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 59f. Hierauf wird bei den jeweiligen Heiligen eingegangen. Siehe Kapitel 6 und 7. 56 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 64; siehe Kapitel 3.2. 57 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 65. 58 Vgl. TESTINI, La cattedrale in Italia, S. 24. Möglicherweise handelt es sich bei der Stefania um die wiedererrichtete Kirche, die später Restituta geweiht wurde. Vgl. Massimo RIPPA, La prima cattedrale di Napoli: Santa Restituta, in: Quaderni dell’archivio storico (2005/2006), S. 33–112, hier S. 33; TRONZO, Naples in the Early Middle Ages, S. 31. 59 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 437: Sub quo sancta Restituta a Constantino imperatore facta. Weitere Quellenstellen bei: RIPPA, La prima cattedrale di Napoli, S. 34f.
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be.60 Allerdings ist dies wenig wahrscheinlich und es ist eher anzunehmen, dass die Kathedrale unterschiedliche Benennungen besaß, die in den Quellen nicht stringent verwendet wurden. Die besondere Bedeutung der Kirche offenbart sich auch in der Tatsache, dass nach dem Raub der Reliquien des Januarius die Reliquien der frühen Bischöfe aus den Katakomben außerhalb der Stadt von Bischof Johannes IV. (842–849) in die Stefania verlegt wurden.61 Zudem wird der Weihetag der Stefania im Marmorkalender von Neapel genannt, nämlich am 1. Dezember.62 Dies bezeugt die Wichtigkeit der neapolitanischen Kathedrale, wodurch ihr Weihetag den Gläubigen aktiv im Gedächtnis verhaftet wurde. Aufgrund der Weihe eines Teils der Kathedrale schloss LUCHERINI auf eine Hinwendung der neapolitanischen Kirche und Bischof Stephanus’ II. zur römischen Kirche, da eine Kapelle der Kirche dem heiligen Petrus gewidmet.63 Bereits in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurde mit Laurentius ein römischer Heiliger Patron einer Kirche in Neapel, wobei er vorläufig der einzige römische Heilige war, der in der Stadt ein Patrozinium innehatte.64 Es gibt in der Bischofschronik keine Begründung, warum zu diesem Zeitpunkt ein römischer Heiliger in der Stadt Neapel Verehrung fand beziehungsweise warum ausgerechnet ihm eine Kirche geweiht wurde. Bis zum 8. Jahrhundert sind mehrere Kirchenbauten feststellbar.65 Unter Bischof Calvus (750–763) wurde das Oratorium des heiligen Sosius erbaut.66 In der Regierungszeit Stephanus’ II. (768/769–799/800) wurden die Reliquien der heiligen Fortunata in die Stadt verbracht und ihr zu Ehren eine Kirche erstellt, wobei
60 ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 5: „Die Kirche Konstantins ist die Kirche der heiligen Restituta. Als der Bischof Stephanus um das Jahr 500 den Grund zur jetzigen Kathedrale legte, hat er den Neubau in nächster Nähe der konstantinischen Basilika errichtet. Er hat ihn dadurch nicht zerstört, sondern erhalten. Bis auf den jüngsten Neubau ist das Verhältnis der beiden Kirchen so geblieben, daß der konstantinische Bau im rechten Winkel auf die Kathedrale stößt; er bildet damit die Verbindung der Kathedrale mit dem Baptisterium und dem bischöflichen Palaste.“ Zur Forschungsdiskussion siehe RIPPA, La prima cattedrale di Napoli, S. 82–95. 61 Vgl. RIPPA, La prima cattedrale di Napoli, S. 86; Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 432. 62 ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11: Dedic. Basil. Stephan. Auf diese Erwähnung macht auch RIPPA, La prima cattedrale di Napoli, S. 87, aufmerksam. Allerdings behauptet er zugleich, dass eine weitere neapolitanische Kirche am 20. Dezember erwähnt würde, was jedoch durch den Marmorkalender nicht bestätigt wird. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 25. Außer dieser Kirche wird lediglich noch die Dedicatio s. archangeli Michaelis am 29. September erwähnt. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 31. 63 Vgl. Vinni LUCHERINI, L’architettura della cattedrale di Napoli nell’altomedioevo: Lo sguardo verso Roma del vescovo-duca Stefano II (766–794), in: Hortus artium medievalium 13/1 (2007), S. 51–73. 64 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 71. 65 Vgl. Ebd., S. 64ff. 66 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 422: Hic inter cetera a bonitatis studia sancti Sossi non longe ab urbe oratorium instituit …
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die Kirche mit dem Kloster des heiligen Gaudiosus verbunden wurde.67 Zudem erneuerte Stephanus die Stefania, die in einem unbekannten Jahr vollständig niedergebrannt war.68 Vom Fürsten Anthimus wurde während der Zeit Bischof Pauls III. (etwa 800–821) eine Kirche zu Ehren des Apostels Paulus gegründet.69 Athanasius I. ließ vermutlich für den heiligen Januarius eine Kapelle innerhalb des bischöflichen Palastes einrichten.70 Dem heiligen Julianus wurde von Athanasius II. eine Kirche in der Stadt errichtet, wozu er durch eine Heuschreckenplage veranlasst worden war.71 Der bischöfliche Palast war mit vier Kirchen verbunden: der Basilika des Konstantin, der Stefania und den Kapellen der Heiligen Petrus und Januarius.72 Hier wird die enge Bindung des Bischofs mit den wichtigsten Kirchen der Stadt, in denen auch die Reliquien der Heiligen, die für die Stadt eine besondere Bedeutung besaßen, verwahrt wurden, erkennbar. Entscheidend ist, unter wessen Patrozinium die Kirchenbauten der Bischöfe standen. So fiel ACHELIS auf, dass zu Beginn vor allem griechische Heilige zu konstatieren sind, erst im 6. Jahrhundert mit Laurentius ein römischer Heiliger Patron einer neapolitanischen Kirche wurde und nach der Hinwendung Bischof Paulus’ II. zur römischen Kirche ebenfalls deren Heilige häufiger Verehrung fanden.73 Sicherlich kann in der Patrozinienwahl auf besondere Vorlieben bezüglich des Patrons geschlossen werden und dabei zudem auf die möglichen Vorbilder, doch kann ein solches Agieren auch überinterpretiert werden. Neapel stand nominell politisch unter byzantinischer Oberherrschaft und eine Orientierung an der Hauptstadt Konstantinopel ist ein gängiges Phänomen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass in der Zeit des Ikonoklasmus eine verstärkte Annäherung an Rom stattfand, was dann eine zunehmende Übernahme römischer Heili-
67 Ebd., S. 425: Addidit etiam in sancti Gaudiosi monasterio basilicam sanctae Fortunatae, in qua corpus eiusdem martyris allatum a Patriensi ecclesia, ubi ipsa prius voluit sepeliri, magno cum honore condidit. Allerdings geht D’ANGELO von einer Errichtung der Kirche um 766 aus. Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXXIV. 68 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426: His ita peractis, ecclesia Salvatoris, quae de nomine sui auctoris Stephania vocitatur, divino – quod flens dico – iudico igne cremata est. 69 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 428: In ipsis igitur diebus Anthimus Neapolitanorum consul ad honorem sancti Pauli amplam construxit ecclesiam … 70 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 66. 71 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 436: Huius namque temporibus tanta locustarum densitas in Campaniae partibus, et maxime in hac Parthenopensi territorio …; Ebd.: … in honorem beati Iuliani martyris uno die basilicam construerent et missarum sollemnia pro tali peste illic communiter celebrarent. Bei diesem Julianus handelte es sich möglicherweise um Julianus von Antinoë, der zusammen mit seiner Frau Basilissa im Marmorkalender von Neapel am 7. Januar geführt wird. Warum ausgerechnet für diesen Heiligen eine Kirche errichtet wurde, ist aus der Quellenstelle nicht ersichtlich. Vgl. Catalogus episcoporum Neapolitanorum, S. 439; ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 67. 72 Vgl. Ebd., S. 67. 73 Vgl. Ebd., S. 71.
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ger begründen könnte. In der Zeit Gregors des Großen kann eine Vielzahl von Kontakten mit der Stadt nachvollzogen werden.74 Bereits gegen Ende des 4. Jahrhunderts war es in Neapel zu ersten Klosterbauten gekommen, was angesichts der Etablierung des Mönchtums in Italien in dieser Zeit nicht überrascht.75 In der Bischofschronik von Neapel werden die Klöster unter den Patrozinien des Martin und des Potitus erwähnt,76 wobei von ACHELIS vermutet wurde, dass diese Patrone erst aus späterer Zeit herrühren und das ursprüngliche Patrozinium dem Verfasser nicht mehr bekannt war.77 Die nächste Klostergründung folgte allerdings erst einige Zeit später in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts unter Bischof Agnellus, der mit der von ihm gegründeten Kirche des heiligen Januarius ad Ulmum eine Diakonie verband und dort auch Zellen für Mönche bauen ließ.78 Erst in der Karolingerzeit kam es zu einer großen Anzahl an Neugründungen, sodass ab dem Ende des 8. Jahrhunderts bei fast jedem Bischof eine Klosterstiftung erwähnt wird. So installierte Stephanus II. drei Frauenklöster unter den Patrozinien der Heiligen Festus, Pantaleon und Gaudiosus.79 Von einer Frau namens Eupraxia wurde in der Zeit Pauls III. ein Frauenkloster gegründet, das mit der Kirche der Gottesmutter verbunden war.80 In der gleichen Zeit wurde von dem Fürsten Anthimus und dessen Gattin das Kloster des Cyricus und der Julitta errichtet.81 Zudem wird ein Kloster des Andreas mit dem Beinamen Cella nova erwähnt, ohne dass der Zeitpunkt der Gründung genannt wird.82 Von der Gattin des Anthimus, Theodonanda, wurde nach dem Tod ihres Mannes ein weiteres Kloster
74 Vgl. Paul Fridolin KEHR, Italia Pontificia 8. Regnum Normannorum – Campania, Berlin 1935, S. 418–465. Hier gilt allerdings die Überlieferungslage zu beachten, da von Gregor I. eine Vielzahl von Quellen überliefert ist, wie es bei anderen Päpsten nicht vorkommt, sodass hier ein verzerrtes Bild anzunehmen ist. 75 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 69. 76 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 405: monasterium sancti Martini et sancti Potii martyris. Allerdings gibt es bezüglich dieser Gründungen Zweifel bei JENAL, der diese aber nicht näher konkretisiert, sondern lediglich angibt, dass diese Angaben als nachträgliche Anmerkungen zu betrachten seien. Vgl. Georg JENAL, Italia Ascetica Atque Monastica. Das Asketen- und Mönchtum in Italien von den Anfängen bis zur Zeit der Langobarden (ca. 150/250– 604) (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 39,I), Stuttgart 1995, S. 95 m. Anm. 508. 77 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 69. 78 Vgl. Ebd., S. 69. 79 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426: Praeterea intra eandem urbem tria fecit monasteria, quae ad nomen sancti Festi et sancti Pantaleonis martyrum sanctique Gaudiosi confessoris praetulavit. Mit Festus ist vermutlich der Gefährte des Januarius gemeint, während Pantaleon ein Märtyrer aus Nicomedia war, der unter Diocletian das Martyrium erlitt (BHL 6429–6647). 80 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 70. 81 Vgl. Ebd., S. 70. 82 Vgl. Ebd., S. 70.
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erbaut, das dem Patrozinium der römischen Märtyrer Marcellinus und Petrus unterstellt wurde.83 Es werden in der Bischofschronik insgesamt zehn Klöster genannt, bei denen es sich um fünf Frauenklöster und sicher drei Männerklöster handelt, wobei die beiden übrigen vermutlich ebenfalls für Männer waren.84 Von diesen waren zwei für die Aufnahme von Pilgern bestimmt,85 was einen entsprechenden Bedarf aufzeigt. Die wachsende Anzahl an Heiligenreliquien führte vermutlich zu einem Zustrom an Pilgern, die auf diesem Wege eine Unterkunft fanden. Zudem konnte Neapel als Durchgangsstation von Wallfahrten ebenfalls aufgesucht werden, da dort Pilger von oder nach Jerusalem landen konnten.86 Die Bischöfe zeichneten sich aber nicht nur durch die Errichtung von Kirchen und Klöstern, sondern auch durch deren Ausstattung aus, über die die Bischofschronik von Neapel bei den jeweiligen Kirchenmännern informiert. So erhielten die Kirchen teilweise Mosaiken, die Altäre wurden kostbar ausgearbeitet und die liturgische Ausstattung bestand teilweise aus Edelmetallen.87 5.3. BARESISCHE GEBÄUDE In Bari sind bezüglich der Kirchenbauten meist nur vereinzelt Informationen über die Gebäude in den schriftlichen Quellen enthalten. Früheste Zeugnisse über die Kathedrale der Stadt stammen aus dem 11. Jahrhundert.88 Bari ist jedoch ab dem 5. Jahrhundert als Bischofssitz belegt, weswegen sicherlich spätestens ab dieser Zeit von christlichen Bauten ausgegangen werden kann, auch wenn hierfür die eindeutigen Belege fehlen. Da die Stadt beständig umkämpft war und öfters gewaltsam erobert wurde, kann vermutet werden, dass es zur Zerstörung der Gebäude kam.89 Tatsächlich wurde in der Zeit der muslimischen Besatzung eine Moschee in der Stadt errichtet, wobei es keine Indizien gibt, wo diese gestanden hat.90 Es wird angenommen, dass in dieser Zeit kein normales christliches Kir-
83 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 70; Patricia SKINNER, Urban Communities in Naples, 900–1050, in: Papers of the British school at Rome 62 (1994), S. 279–299, hier S. 284. 84 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 70. 85 Vgl. Ebd., S. 70. 86 Als Beispiel sei hier der Mönch Bernhard zu nennen, der auf der Rückfahrt von Jerusalem vermutlich in dieser Region ankam. Vgl. Das „Itinerarium Bernardi Monachi“. Edition – Übersetzung – Kommentar (MGH. Studien und Texte, 50), hg. v. Josef ACKERMANN, Hannover 2010, S. 64 Anm. 76. 87 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 71ff. 88 Vgl. Gioia BERTELLI, S. Maria que est episcopio. La cattedrale die Bari dalle origini al 1034 (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 10), Bari 1994, S. 38. 89 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 18. 90 Vgl. Giosuè MUSCA, Saraceni e Bizantini, in: Storia della Puglia. 1. Antichità e medioevo, hg. v. Giosuè MUSCA, Bari 1987, S. 161–178, S. 164; Michele AMARI, Storia dei musulmani
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chenleben stattgefunden hat und dass die Sarazenen den Aufenthalt eines Bischofs in der Stadt nicht duldeten.91 Das Vorgehen der Sarazenen gegen Klöster wie beispielsweise Monte Cassino und San Vincenzo al Volturno macht es vorstellbar, dass ebenso einige kirchliche Gebäude in Bari unter der Eroberung zu leiden hatten und dabei zerstört wurden. Da die Stadt im Laufe der Jahrhunderte immer wieder überbaut wurde, ist es schwierig, archäologische Zeugnisse zu den einzelnen Kirchen zu finden. Von besonderer Bedeutung war sicherlich die Kathedrale der Stadt, da in dieser die wichtigsten Heiligen niedergelegt wurden und dort auch die Gebeine des heiligen Sabinus wieder aufgefunden worden sein sollen.92 Vera VON FALKENHAUSEN konnte anhand von urkundlichen Quellen bis zum Jahr 1087 mindestens 23 Kirchen, Klöster und Kapellen innerhalb der Stadtmauern Baris feststellen, wobei sie die Bischofskirche S. Maria nicht mitrechnete.93 Die Namen der sakralen Gebäude stammen sowohl aus der griechischen als auch der lateinischen Tradition, etwa S. Basilio und S. Benedicti.94 Auch für den Erzengel Michael gab es ein Gebäude, das unter seinem Patrozinium stand.95 Zudem fällt auf, dass eine Kirche den Päpsten Silvester und Leo geweiht war,96 wobei nicht bekannt ist, welchem Leo. Ferner erscheint eine Kirche für Andreas, eine für Johannes und eine weitere für Petrus.97 Der Quellenlage ist es geschuldet, dass bei diesen Kirchen kein Bau- oder Weihedatum bekannt ist, dennoch kann anhand der von VON FALKENHAUSEN erstellten Liste immerhin nachvollzogen werden, welche Kirchen bis zum Ende des 11. Jahrhunderts in Bari vorhanden waren und unter wessen Patrozinium sie standen. Zudem erscheint die Schwierigkeit, dass es einige Heilige mit gleichem Namen gibt, die ohne Angabe ihres Beinamens oder Festtages nicht voneinander unterschieden werden können.
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di Sicilia, 1, Florenz 2002, S. 286; WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 143. Es ist aber schwierig, die genaue Lage der Moschee zu bestimmen, wobei die Region der Kathedrale oder die der Basilika vermutet wird. Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 20. Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 20. Siehe Kapitel 6.3. Vgl. FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 138. Vgl. Ebd., S. 138; so sind in Bari und der näheren Umgebung Kirchen aus dem 10. Jahrhundert bekannt, die der Gottesmutter, dem heiligen Thomas, der heiligen Scholastica, aber auch lokalen Heiligen etwa einem heiligen Felix geweiht waren. Vgl. Antonino VINACCIA, I monumenti medioevali di Terra di Bari. Volume Primo, Libri I–II, 2. Auflage, Rom 1981, S. 66. Laut Damiano Cosimo FONSECA wurde in der Zeit des 8. Jahrhunderts in Bari das Frauenkloster S. Scholastica unter der benediktinischen Regel gegründet. Vgl. FONSECA, Montecassino e la civiltà monastica, S. 131. Vgl. FALKENHAUSEN, Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft, S. 139. Vgl. Ebd., S. 139. Vgl. Ebd., S. 138f.
6. TRANSLATIONEN UND LOKALE HEILIGE Nachdem zuvor die untersuchten Städte und die Quellen im Einzelnen vorgestellt wurden, wird der Fokus im Folgenden auf der konkreten Heiligenverehrung liegen. Die Patrozinien der Kirchen in den Städten haben bereits ein breites Spektrum offenbart, nun soll dies mit den Heiligen, die sich in den jeweiligen Orten befanden, in Bezug gesetzt werden. Von besonderer Bedeutung für einen Heiligenkult sind diejenigen Heiligen, deren Reliquien direkt am Verehrungsort vorhanden sind, da diesen eine wichtige Mittlerrolle zugesprochen wird.1 Es erscheint leichter, zu etwas (oder jemandem) eine Beziehung aufzubauen, das direkt vor Ort präsent ist, als zu etwas, über das nur Texte vorhanden sind.2 Die Reliquien konnten unmittelbar verehrt werden, sodass ein Bezug zu ihnen und gleichzeitig zur jeweiligen Kirche entstand. Da es allerdings nicht in allen Städten Gebeine von Heiligen gab, wurden Reliquien mittels Translationen in die Orte gebracht, wo den neuen Heiligen Verehrung zuteilwerden konnte. Von den Schutzpatronen wurde Hilfe erhofft und versprochen, weswegen es von Vorteil erschien, möglichst viele Reliquien in der eigenen Stadt zu besitzen. Daher ist es von Interesse zu untersuchen, wann die ersten Translationen zu verzeichnen sind, wie in der entsprechenden Zeit die aktuelle politische Lage war und welche Tendenzen sich überregional ausmachen lassen. Auch ist es wichtig zu fragen, wann Translationen besonders häufig vorkamen, welche Gründe und welche Beziehungen sich daraus ablesen lassen und welche Begründung in den Texten angegeben beziehungsweise aus diesen geschlossen werden kann. Im Gegensatz zu anderen Regionen wurden keine Reliquien von Heiligen aus Rom nach Süditalien transloziert.3 Dies hing wohl damit zusammen, dass die Translation von Reliquien zu einer Intensivierung der Rombeziehungen geführt beziehungsweise auf eine Romorientierung hingedeutet hätte4, die in den Städten
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Vgl. František GRAUS (†), Mittelalterliche Heiligenverehrung als sozialgeschichtliches Phänomen, in: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Peter DINZELBACHER/Dieter R. BAUER, Ostfildern 1990, S. 86–102, hier S. 86f. Vgl. YASIN, Saints and the Church, S. 251. Ein derartiges Vorgehen kann im 9. Jahrhundert in den Regionen Sachsens, Bayerns und des Elsass gegriffen werden. Vgl. Wilhelm HOTZELT, Translationen von Märtyrerreliquien aus Rom nach Bayern, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 53 (1935), S. 286–343; Wilhelm HOTZELT, Translationen von Märtyrerleibern aus Rom ins westliche Frankenreich im achten Jahrhundert, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 13 (1938), S. 1–52; RÖCKELEIN, Reliquientranslationen nach Sachsen. Vgl. Patrick J. GEARY, The Ninth Century Relic Trade. A Response to Popular Piety?, in: Religion and the People, 800–1700, hg. v. James OBELKEVICH, Chapel Hill 1979, S. 8–19, hier S. 19; HERBERS, Leo IV., S. 359. Lediglich bei Bartholomäus gibt es den Bericht, dass sei-
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nicht angestrebt wurde. Der Austausch von Reliquien konnte eine Bindung zwischen den beiden Orten evozieren, die in dieser Form zunächst vielleicht weder von den Langobarden noch den byzantinisch geprägten Neapolitanern gewünscht wurde. Für Bari fehlen diesbezüglich die Quellen. Es sind nicht für alle bekannten Translationen Berichte überliefert. Manchmal gibt es nur Erwähnungen in historiographischen Quellen und in einigen Fällen stehen nur Inschriften innerhalb der Kirchen zur Verfügung, die auf die Gebeine des Heiligen hinweisen und somit Aufschluss über eine vorgenommene Translation. In einem solchen Fall kann nichts über die Intention der Translation ausgesagt werden. Zudem können die erhaltenen kalendarischen Werke auf die Verbreitung der Verehrung der einzelnen Heiligen hinweisen. Im Folgenden werden die Translationen, die in den untersuchten Städten vorgenommen wurden, aufgezeigt. Im Besonderen soll darauf geachtet werden, ob es sich dabei um ein geplantes Vorgehen handelte, welche Heiligen in die eigene Stadt gebracht wurden und welche Verehrung im Anschluss belegbar ist. Ferner wird gezeigt werden, welche Bedeutung die jeweilige kulturelle Einbindung der Stadt für die Heiligenverehrung hatte und ob sich letztlich mehr Unterschiede oder Gemeinsamkeiten ausmachen lassen. 6.1. LANGOBARDISCHE EIGENSTÄNDIGKEIT? – HEILIGENVEREHRUNG IN BENEVENT Die Langobarden, die sich im Herzogtum Benevent ansiedelten, waren keine homogene Glaubensgemeinschaft, sodass ein gesteuertes Vorgehen zur Beschaffung von Reliquien grundsätzlich erst nach dem Übertritt zum römisch-lateinischen Christentum um 700 anzunehmen ist. Über Kultaktivitäten in der Zwischenzeit sind keine Quellen überliefert. Erste Kunde von einem Agieren in kirchlichen Belangen in Benevent findet sich, als sich Herzogin Theodora nach dem Übertritt ihres Mannes Herzog Romualds I. (662–687) zum römisch-lateinischen Glauben durch den Einfluss des Bischofs Barbatus5 besonders durch die Gründung von Klöstern auszeichnete. Sie war bei der Auffindung des heiligen Sabinus 688 zugegen6 und ließ ihm am Auffindungsort eine Kirche errichten.7 Für den heiligen Petrus stiftete sie eine Kirche vor der Stadt Benevent.8 Insgesamt kann ab dem ausgehenden 7. Jahrhundert von einer lateinisch-christlichen langobardischen Bevölkerung in dieser Region ausgegangen werden. Dies ist als Grundlage für die Verehrung der Heiligen entscheidend, auch wenn sich zunächst kein direkter Heiligenkult ausmachen lässt. Weite-
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ne Gebeine auf die Tiberinsel transloziert wurden, wobei dies von den Beneventanern bestritten wird. Siehe Kapitel 5.4.1. Siehe Kapitel 5.1.2.3. Siehe Kapitel 5.1.2.5. Vgl. HIRSCH, Das Herzogthum Benevent, S. 24f. Siehe Kapitel 4.1.1.
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Translationen und lokale Heilige
re wichtige kirchenhistorische Ereignisse sind die Wiederherstellung des Klosters Monte Cassino, das im Zuge der Eroberung durch die Langobarden im 6. Jahrhundert zerstört worden war und unter Herzog Romuald II. (706–731/32) zu Beginn des 8. Jahrhunderts wieder aufgerichtet wurde.9 Ein Aufschwung in der Heiligenverehrung ist erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts feststellbar, da in dieser Zeit einige Translationen vorgenommen wurden, die im Folgenden untersucht werden. BELTING zufolge kann die religiöse Entwicklung Benevents an der Wahl seiner Patrone abgelesen werden, da diese darüber Aufschluss gäben, was die staatspolitischen Ideen seien und wie das Verhältnis zwischen Herrscher und Kirchenführer sei.10 Hierbei gilt zu beachten, dass das Ansehen beziehungsweise die Bedeutung einer Stadt im religiösen Sinne auch davon abhing, welche Reliquien sie beherbergte.11 Es stellt sich immer die Frage, nach welchen Kriterien die neuen Schützer einer Gemeinschaft bestimmt wurden und welche Interessen dahinterstanden, wobei die religiöse Überzeugung der Zeitgenossen nicht in Frage gestellt werden soll. Der Reliquienschatz sollte dazu beitragen, ein gemeinschaftliches Bewusstsein auszubilden.12 Insgesamt können die beneventanischen Translationen in zwei Phasen unterteilt werden. Der erste Abschnitt umfasst die Translationen unter Arichis II. und der zweite die Translationen, die in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts vorgenommen wurden.13 Somit besteht der Zeitraum, in dem die Translationen vorgenommen wurden, aus knapp 70 Jahren, in denen es zu einem Aufschwung an Heiligeneinbringungen kam, der dann aber recht rasch wieder abebbte. 6.1.1.
Die Zeit Arichis’ II. (758–787)
Im Jahr 758 wurde Arichis II. Herzog von Benevent, nachdem sein Vorgänger Liutprand, der sich gegen König Desiderius gestellt hatte, in die Flucht getrieben worden war.14 Arichis stammte aus der langobardischen Oberschicht und war mit der Tochter des Langobardenkönig Desiderius, Adelperga, verheiratet.15 Wahrscheinlich hoffte der langobardische König, in diesem Herzog einen treuen Anhänger gefunden zu haben, der gerade im schwer regierbaren Süden der Apennin-
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Vgl. HIRSCH, Das Herzogthum Benevent, S. 26. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 156. Vgl. KÖTTING, Ecclesia peregrinans, S. 87. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 156. Antonio VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale a Benevento, in: Schola salernitana 10 (2005), S. 157–167, hier S. 157: „Il fenomeno è da ricollegare innanzitutto alla cospicua incetta di corpora sanctorum promossa, tra la metà del sec. VIII ed il terzo decennio del sec. IX, dalla locale dinastia longobarda, la quale, in aderenza ad una più ampia mentalità allora viva in Occidente, mirò ad acquisire con questa operazione stabilità materiale e prestigio spirituale per se stessa e per la città sede del proprio potere.“ 14 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 144. 15 Vgl. F. P. PUGLIESE, Arechi. Principe di Benevento e i suoi successori, Foggia 1892, S. 32.
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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Halbinsel die königlichen Interessen vertreten würde. Ob es sich bei Arichis tatsächlich um einen Beneventaner oder doch um einen aus Norditalien stammenden Adligen handelte, ist in der Forschung umstritten.16 Arichis bemühte sich, in die kirchlichen Belange seiner Stadt einzugreifen und tat sich gerade im Zuge der Heiligenverehrung stark hervor. Auffällig ist, dass gerade in Arichis’ Herrschaftszeit vier Translationen vorgenommen wurden, die für das religiöse Leben der Stadt einschneidend waren. Dies waren die Überführungen der zwölf Märtyrer, des heiligen Helianus, des heiligen Mercurius und des heiligen Castus. Auch der Bau oder zumindest die Fertigstellung der Palastkirche für S. Sophia ist in seiner Regierungszeit zu verzeichnen.17 Somit kann bereits an diesen wenigen Indikatoren festgehalten werden, dass sich der neue Herzog darum bemühte, seine Stadt durch religiöse Elemente zu bereichern. Ihm wird sogar nachgesagt, die Vita des heiligen Mercurius selbst verfasst zu haben.18 Von Erchempert wird Arichis II. in seiner Historia Langobardorum Beneventanorum als vir christianissimus et valde illustris atque in rebus bellicis strenuissimus19 beschrieben. Insgesamt gibt es über den Herzog nur diese idealisierten Informationen, die seinen Ruhm unterstreichen sollten. Doch waren nicht alle Translationsversuche des Arichis von Erfolg gekrönt, wie am Beispiel Martins von Monte Massico ablesbar ist, eines Eremiten, der gegen Ende des 6. Jahrhunderts gestorben war und dessen Reliquien der Herzog für Benevent erlangen wollte,20 was ihm jedoch nicht gelang21. Es gab also durchaus Kirchen und Städte, die sich nicht dem herzoglichen Wunsch nach Reliquien beugten. Möglicherweise führte die räumliche Nähe zu Neapel zu dem Eindruck, den Ansprüchen Arichis’ nicht Folge leisten zu müssen, und es gab offenbar keine Konsequenzen aufgrund dieser Weigerung. Wodurch der Wunsch des Herzogs nach eigenen Heiligen ausgelöst wurde, ist unklar. In den Jahren zuvor lassen sich keine Heiligentranslationen nach Benevent feststellen. Die ersten Translationen geschahen 760 und die letzten, die eindeutig datiert werden können, im Jahr 768. Eine mögliche Erklärung wäre die Gefahr durch die Franken, die seit dem Pakt zwischen Pippin dem Jüngeren (714–768) und Papst Zacharias (741–752) 751 in Italien intervenierten und den apostolischen
16 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 144; Hans H. KAMINSKY, Zum Sinngehalt des Princeps-Titels Arichis’ II. von Benevent, in: FMST 8 (1974), S. 81–92, S. 86; Ian Nicholas WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, Arichis and Mercurius, in: Zwischen Niederschrift und Wiederschrift. Frühmittelalterliche Hagiographie und Historiographie im Spannungsfeld von Kompendienüberlieferung und Editionstechnik (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 405), hg. v. Richard CORRADINI/Max DIESENBERGER/Meta NIEDERKORN-BRUCK, Wien 2010, S. 197–210, S. 203. 17 Siehe Kapitel 4.1.1. 18 Siehe Kapitel 6.1.1. 19 Vgl. Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 235. 20 Vgl. VUOLO, Agiografia beneventana, S. 216. 21 Vgl. Henri MORETUS, Un opuscule du diacre Adalbert sur s. Martin de Montemassico, in: Analecta Bollandiana 25 (1906), S. 243–257, bes. S. 251–253.
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Translationen und lokale Heilige
Stuhl gegen die Langobarden zu verteidigen suchten.22 Allerdings war Karl der Große ab etwa 769 mit einer Tochter des Langobardenkönigs Desiderius verheiratet (die er wohl 770, oder spätestens 771 verstieß)23, womit er zu einem Schwager Arichis’ wurde. Wie die Beziehungen zwischen Benevent und dem Frankenreich vor und während dieser Ehe waren, lässt sich heute aufgrund fehlender Quellen nicht mehr beantworten. Allgemein ist in den 50er Jahren des 8. Jahrhunderts bei der langobardischen Oberschicht vor allem im Norden und in der Mitte Italiens die Bereitschaft zur Gründung neuer Klöster feststellbar, ebenso wie die Tendenz, sich selbst vom weltlichen Leben abzukehren und in die gegründeten Klöster einzutreten.24 Hierin kann sicherlich eine Reaktion auf die unmittelbare Gefahr durch die Politik der Franken gesehen werden. Doch stellt sich die Frage, wie groß das Gefühl der Bedrohung in Unteritalien tatsächlich war, da der geographische Abstand doch recht groß war und zunächst nicht unmittelbar mit einem fränkischen Eingreifen zu rechnen war.25 Auch wenn die Gründe dafür nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden können, wurden doch Translationen vorgenommen, die nun näher dargestellt werden. Hierbei ist die Frage der Herkunft der Reliquien ebenso von Interesse wie die Gestaltung des Kultes in der Stadt selbst. Zudem wird die Verbreitung der Verehrung anhand der kalendarischen Quellen aufgezeigt. 6.1.1.1. Der heilige Helianus Eine Affinität des langobardischen Herzogs Arichis II. zur byzantinischen Kultur wird bereits am Bau der S. Sophia in Benevent deutlich. Zudem sollen in seiner Regierungszeit Heilige aus Konstantinopel oder mit einem byzantinischen Hintergrund in die Stadt gebracht worden sein. Der erste von diesen ist der heilige Heli-
22 Siehe Kapitel 3.1. 23 Vgl. PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 136; Rudolf SCHIEFFER, Die Karolinger (Urban-Taschenbücher, 411), 4. Auflage, Stuttgart u.a. 2006, S. 72f.; HERBERS, Ost und West, S. 35. 24 Vgl. JARNUT, Geschichte der Langobarden, S. 125. 25 In der Pippinischen Schenkung wurden dem Papsttum von Pippin auch große Teile Unteritaliens versprochen, wobei es sich hier um noch zu eroberndendes Land handelte. Versuche Hadrians I., Karl den Großen dazu zu bewegen, die Ländereien dem Papsttum tatsächlich zu überlassen, scheiterten aber. Das Ludovicianum von 817 beschränkte sich dann auf die Grenzzone in Campanien, wo das Papsttum auch zunächst erfolgreich war. Vgl. Otto VEHSE, Benevent als Territorium des Kirchenstaates bis zum Beginn der avignonesischen Epoche, in: QFIAB 22 (1931/32), S. 87–160, hier S. 89ff.; Florian HARTMANN, Hadrian I. (772–795). Frühmittelalterliches Adelspapsttum und die Lösung Roms vom byzantinischen Kaiser (Päpste und Papsttum, 34), Stuttgart 2006, S. 134ff.
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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anus, der in seinem Translationsbericht26 als einer der vierzig Märtyrer von Sebaste (Unterarmenien) bezeichnet wird, die unter Kaiser Licinius (308–324) das Martyrium erlitten. Diese waren eine Gruppe von Soldaten27, die sich zu ihrem christlichen Glauben bekannten und daraufhin auf einem zugefrorenen See dem Tode überlassen wurden.28 Als Festtag des Heiligen kann wohl der 9. oder 10. März vermutet werden, da an einem dieser die 40 Märtyrer von Sebaste ihren Festtag haben.29 Im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheinen weder Helianus noch die 40 Märtyrer. Von den drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino enthält lediglich der Codex Casanatensis 614 den Festtag der 40 Heiligen. Dieses Kalendarium wird in die Zeit des beginnenden 9. Jahrhunderts datiert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Erchempert die Verehrung der Märtyrer von Sebaste bekannt war. Warum er diese dennoch nicht in sein Martyrologium aufnahm, kann nicht geklärt werden, vor allem, da das sogenannte Martyrologium von Erchempert auf der Grundlage des Martyrologiums Bedas verfasst wurde, in welchem die 40 Märtyrer von Sebaste mit ihrem Feiertag am 9. März vermerkt sind und Helianus namentlich bei der Aufzählung der Märtyrer genannt wird.30 Die Tatsache, dass die Märtyrer nicht im Marmorkalender von Neapel erwähnt werden, weist darauf hin, dass ihr Heiligenkult zu diesem Zeitpunkt in Unteritalien noch nicht weit verbreitet war und ihr Todestag scheinbar nicht feierlich begangen wurde. Es ist auffällig, dass die
26 BHL 3799. Es hat sich nur eine Handschrift des Werkes erhalten, das sich in Benevent im Archiv befindet: Benevento, BC, codex III, 013v–017, 1076–1125. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=3799&RequestTimeout=500. Der Translationsbericht wurde von WAITZ in den MGH ediert. Vgl. Translatio Sancti Heliani, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 581–582, S. 581f., der auf die Ausgabe von BORGIA, Translatio Sancti Heliani, in: Memorie Istoriche della pontificia città di Benevento dal secolo VIII. al secolo XIII. Parte Prima, hg. v. Stefano BORGIA, Rom 1763, S. 199–206, zurückgriff, welcher den Text bereits 1763 abgedruckt hatte. Der Schluss des Berichts, der die vom Heiligen gewirkten Wunder enthält, wurde nicht von WAITZ übernommen. Im Folgenden wird aufgrund der besseren Zugriffsmöglichkeiten die MGH angegeben, mit Ausnahme des Schlusses, der nach BORGIA zitiert wird. 27 Somit ist Helianus dem Typus des Soldatenheiligen zuzuordnen. Durch den militärischen Aspekt waren die Soldatenheiligen als die ideale Gefolgschaft für den Erzengel Michael einzuordnen, dessen Verehrung ebenfalls in Unteritalien weit verbreitet war. Auch Mercurius, die beiden Theodori, Georgius, Procopius und Demetrius werden zu den Militärheiligen gezählt. Vgl. Hippolyte DELEHAYE, Les légendes grecques des saints militaires, Paris 1909, S. 1–10; Alba Maria ORSELLI, Sanità militare e culto dei santi militari nell’impero dei Romani (secoli VI–X), Bologna 1993, S. 5. 28 Siehe Kapitel 7.1.2. 29 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 72. In den Kalendarien aus Monte Cassino wird als Festtag der 9. März angegeben, während in den Acta Sanctorum der 10. März vermerkt wurde. Im römischen Martyrologium werden die Märtyrer an beiden Tagen erwähnt, demzufolge sie am 9. März das Martyrium erlitten, ihr Fest aber erst am folgenden Tag gefeiert wird. 30 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium Venerabilis Bedae Presbyteri (1564), hg. v. Giulio ROSELLI, Antwerpen 1564 (ND 2010), S. 30.
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Translationen und lokale Heilige
Translation Helianus’ anscheinend keinen Niederschlag in den Quellen fand. Sie führte weder zu einer Verbreitung des Kultes in Unteritalien noch in der direkten Umgebung Benevents. Die beiden älteren Kalendarien aus Monte Cassino, die in die Zeit zwischen 778 und 797 datieren, also eine Zeit mit einem gewissen Abstand zu der Niederlegung der Gebeine, enthalten nämlich weder den heiligen Helianus, noch seine Gefährten.31 Die Translation des Helianus soll laut Bericht im Jahr 763 stattgefunden haben.32 D’ANGELO hingegen datiert die Translation auf das Jahr 796, ohne dies näher zu begründen.33 Der Verfasser des Translationsberichts ist unbekannt. Im Translationsbericht wird zunächst ein gewisser Gualtarus, ein Gastald34, genannt, der ein Christ gewesen und als Gesandter unter vielen Gefahren nach Konstantinopel geschickt worden sei.35 Auf dem Weg nach Konstantinopel sei die Gesandtschaft in einen schweren Sturm geraten, der ausführlich geschildert wird.36 In dieser lebensbedrohlichen Situation habe Gualtarus zu beten begonnen, worauf der heilige Helianus erschienen sei. Er habe gesagt, dass das Gebet des Gualtarus erhört worden sei, und das Meer habe sich daraufhin beruhigt. An diese Szene schließt sich ein Gespräch zwischen Gualtarus und Helianus an, in welchem sich der Heilige als einer der vierzig Märtyrer vorstellt.37 Er habe Gualtarus aufgefordert, den Kaiser um seine Gebeine zu bitten und diese in die Basilika in Benevent zu bringen, die von dem Gastalden errichtet worden sei.38 Letztlich sei es dem Gastalden durch Überzeugungskraft gelungen, den oströmischen Kaiser dazu zu bewegen, ihm die Gebeine des Heiligen zu überlassen. Unter großen Ehren seien die Gebeine erhoben worden, in vergoldetes Leinen eingewickelt und in
31 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 71f. 32 Translatio Sancti Heliani, S. 582 … anno incarnationis domini nostri Ihesu Christi septingentesimo sexagesimo tertio. 33 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 50. Dies erscheint auch insofern unwahrscheinlich, als dass der Translationsbericht angibt, dass die Übertragung zu Zeiten des Arichis passiert sei, welcher 796 nicht mehr lebte. Möglicherweise handelt es sich bei D’ANGELO aber auch nur um einen Tippfehler. 34 Gastalden waren im langobardischen Reich gewöhnlich königliche Beauftragte, die ebenso wie die Herzöge vom Herrscher eingesetzt wurden, um administrative Aufgaben wahrzunehmen. Dies war in Benevent anders, wo zum einen die Herzogswürde im Laufe der Zeit erblich geworden war und zum anderen die Gastalden vom Herzog ernannt wurden. Ein Gastald war ein Domänenverwalter, dem aber auch militärische, juristische und administrative Aufgaben zukamen. Vgl. HIRSCH, Das Herzogthum Benevent, S. 30f.; PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 59f. 35 Über den Zweck dieser Gesandtschaft wird weiter keine Aussage getroffen, und das Endergebnis ist lediglich die Überlassung der Gebeine des Heiligen. Die Gespräche zwischen dem Gastalden und dem Kaiser beziehen sich ebenfalls nur auf den Heiligen. Vgl. HIRSCH, Das Herzogthum Benevent, S. 46. 36 Vgl. Translatio Sancti Heliani, S. 581. 37 Ebd., S. 581: unus de prephatis quadraginta martiribus. 38 Ebd., S. 582: decenter locare et Beneventum transfer illudque in basilica, qua a te constructa est.
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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ein silbernes Behältnis gelegt.39 Dann wurde er nach Benevent transferiert, wobei er auf dem Weg dorthin viele Wunder bewirkt habe.40 Unter großen Feierlichkeiten sei er in der gerade erbauten Kirche im Altar niedergelegt worden.41 Hier endet die Edition von WAITZ, während Stefano BORGIA42 eine Erweiterung des Berichtes aufgenommen hat. Darin werden die Wunder beschrieben, die durch die Reliquien des heiligen Helianus bewirkt wurden.43 Er soll einen Toten wieder erweckt haben44 und er habe einen Jungen geheilt, der aufgrund eines Geschwürs seine Sehkraft verloren hatte.45 Hier offenbart der Heilige also seine Wirkmacht. Im Wunderbericht wird nicht angegeben, woher die Geheilten stammten. Somit ist es schwierig, eine besondere Beziehung zwischen dem Heiligen und Benevent zu belegen. Außer diesem Translationsbericht ist nichts weiter über den Heiligen bekannt, der aus Konstantinopel nach Benevent gebracht wurde. Sein Name wird in keinem weiteren Zusammenhang genannt und es scheint so, als ob dieser Translationsbericht die einzige Quelle für diesen Kult ist. Da der Verfasser des Berichtes unbekannt und der Text undatiert ist, stellt sich die Frage nach seiner Aussagekraft beziehungsweise nach dem tatsächlichen Vorhandensein eines Heiligenkultes um Helianus. Doch auch wenn es heute nicht mehr möglich ist, einen Helianus-Kult in Benevent zu verifizieren, so ist dieser Text dennoch mit einer bestimmten Intention geschrieben worden, wobei das Werk die gängigen Topoi eines Translationsberichts beinhaltet. Möglicherweise sollte durch diesen Text ein Heiliger aufgezählt werden, der in der Herrschaftszeit des Arichis II. nach Benevent gebracht wurde, um die Bemühungen des Herzogs um die Stadt weiter zu verdeutlichen. Dann wäre es allerdings auffällig, dass Arichis nur am Anfang des Berichtes erwähnt wird und dies nur, um die Translation in einen bestimmten Zeitrahmen zu datieren, denn das tatsächliche Datum wird am Ende des Textes explizit aufgeführt. Arichis wird ebenso nicht am Ende des Textes genannt, als die Reliquien in Benevent eintrafen, wobei hier eine Erwähnung durchaus sinnvoll gewesen wäre, 39 Ebd., S. 582: Quod cum ingenti honore elevans, auratis linteis involvens, thecis argenteis posuit. 40 Ebd., S. 582: Sed antequam ad locum duceretur optatum beatissimi martiris corpus, multa miracula per illum Dominus operatus est. 41 Ebd., S. 582: Ad cuius honorem eleganti more altare desuper instituit, sub cuius et nomine ipsam ecclesiam dicare rogavit, quam multis et diversis donis ditavit. 42 Vgl. Ebd., S. 205f. 43 Da Wunderberichte in der Forschung des 19. Jahrhunderts als unhistorisch und daher irrelevant angesehen wurden, wurde dieser Teil wohl nicht in den MGH aufgenommen. 44 Translatio Sancti Heliani, S. 205: Nam quidam vir fervore febrium medullitus diffuso per totum corpus, cogebatur ingredi necis terminum. Ergo a familia plangitur funebreis ululatibus, vicini ad eum concurrunt; iam de parando tumulo urgebatur concilium. Tandem sancti martiris eliani in eorum mentes reductis virtutibus, ad ejus ecclesiam alienis humeris vehitur, moxque ante altare in quo sancti corpus requiescit prosternitur, nec diutius moratus, oratione facta in pedes a sese erigitur, sanusque effectus, nullo bajulo, aut fulcimine domum regreditur … 45 Ebd., S. 205: … quidam puer ob densitatem ultrorumque ulcerum amisit oculorum intuitum.
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Translationen und lokale Heilige
wenn der Herzog den neuen Heiligen ehrenvoll in die Stadt begleitet hätte. Viel wichtiger erscheint der Gastald, dessen Charaktereigenschaften zu Beginn des Textes ausführlich herausgestellt werden, da sich der Heilige einem wirklichen Christenmenschen offenbart und diesen im Sturm gerettet habe. Möglicherweise entstand der Text im Umfeld der Familie des Gastalden, um die ruhmreiche Geschichte dieses Mannes aufzuzeigen. Auffällig an diesem Translationsbericht sind die griechischen Elemente. Eine Gesandtschaft, die nach Konstantinopel geschickt wurde, brachte von dort einen Heiligen mit, der in einer Basilika niedergelegt wurde. Wie Holger KLEIN in seinem Aufsatz über den Austausch von Reliquien zwischen Byzanz und dem Westen betont, war die Gabe von Reliquien ein besonderes Geschenk, das nur in limitiertem Maße vorgenommen wurde.46 Somit musste der oströmische Kaiser natürlich erst davon überzeugt werden, dass es der Wunsch des Heiligen war, transferiert zu werden. Grundsätzlich lag es nicht im Interesse des Herrschers, die Reliquien eines Heiligen wegzugeben. Es war wohl entscheidend, dass der Heilige selbst um seine Transferierung gebeten haben soll. Dies war insofern nötig, als es eigentlich gebräuchlich war, dass die Heiligen an dem Ort blieben, an dem sie zuvor niedergelegt worden waren, und ein Transfer nur möglich war, wenn er durch Nottranslationen berechtigt war, oder aber der Heilige selbst den Wunsch äußerte.47 Trotz seiner bedeutenden Herkunft lässt sich für eine Verehrung des Helianus kein Beleg finden.
6.1.1.2. Die heilige Arthellais Über die heilige Arthellais, der ebenfalls eine byzantinische Herkunft zugeschrieben wurde, ist in der Chronica Monasterii Casinensis aus dem 11. Jahrhundert ein Eintrag zu finden, in dem sie zum Jahr 767 genannt wird.48 Sie ist eine Heilige, die im 6. Jahrhundert von ihrem Vater aus Konstantinopel zu ihrem Onkel nach Benevent geschickt wurde, wo sie nach wenigen Jahren verstarb und schon kurz nach ihrem Tod Verehrung als Heilige erfuhr.49 Für diese Heilige sind insgesamt drei Viten überliefert50, die allerdings alle nicht datiert sind. Eine von ihnen stammt wahrscheinlich aus Frankreich.51 Der
46 Vgl. Holger A. KLEIN, Eastern Objects and Western Desires: Relics and Reliquaries between Byzantium and the West, in: Dumbarton Oaks Papers 58 (2004), S. 283–314, hier S. 293f. 47 Vgl. FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, S. 73. 48 MGH SS 34, Chron. Mon. Cas., I 18, S. 60f.: … et aliam novam iuxta plateam ubi est sancta Arthellais, cum curte et pertinentia sua, casalem sub Apice … 49 Vgl. VUOLO, Agiografia beneventana, S. 228 Anm. 96. 50 Vgl. Filippo CARAFFA, Artellaide, in: Bibliotheca Sanctorum II, Rom 1962, Sp. 482–484, hier Sp. 482. BHL 718–720. BHL 718 liegt in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert in Benevent im Archiv vor. Benevento, BC, codex I, tot., 14. Jh. BHL 719 ist in Neapel im Archiv:
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Text ist eine Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische.52 Der Übersetzungsort lässt sich allerdings nicht feststellen. Die Viten sind unterschiedlich lang, haben aber einen ähnlichen Inhalt, der lediglich in der Länge der Beschreibung voneinander abweicht. In den Viten wird geschildert, dass Arthellais eine Tochter des Prokonsuls Lucius gewesen und aufgrund ihrer Schönheit von Kaiser Justinian zur Ehefrau gefordert worden sei.53 Daraufhin habe ihr Vater sie mit drei Eunuchen nach Benevent geschickt, wo sie von ihrem Onkel aufgenommen worden sei und einige Jahre in der Stadt gelebt habe, ehe sie in jungen Jahren aufgrund eines Fiebers verstorben sei.54 In einer der Viten (BHL 720) wird noch darauf verwiesen, dass die Gebeine der Heiligen zunächst in einer Kirche, die dem heiligen Lukas geweiht war, beerdigt und später in eine Kathedrale gebracht worden seien.55 Die Heilige erscheint in den Ergänzungen zum Codex Casanatensis 641 an ihrem Festtag, dem 3. März.56 Im sogenannten Martyrologium des Erchempert und im Marmorkalender von Neapel ist sie nicht aufgeführt. Somit kann ein Kult um die Heilige nur innerhalb Benevents angenommen werden, der nicht weit über dieses Gebiet hinaus ausstrahlte, denn auch in Monte Cassino scheint sie nicht verehrt worden zu sein. Die Ergänzungen im Codex Casanatensis 641 wurden wahrscheinlich erst gegen Ende des 9. Jahrhunderts in Benevent vorgenommen, sodass sie dort wohl spätestens ab diesem Zeitpunkt bekannt war. Jedoch lassen sich keine anderen Quellen finden, die eine Verehrung der Heiligen belegen. Hier ist also eine weitere Heilige mit einem byzantinischen Hintergrund belegt, der eventuell bei ihrer Verehrung eine wichtige Rolle spielte. Da sie im 6. Jahrhundert nach Benevent gekommen sein soll, wäre anzunehmen, dass ihr Kult durch den Einfall der Langobarden zunächst unterbrochen wurde. Allerdings war er im 8./9. Jahrhundert wieder bekannt, weswegen der Festtag in die Ergänzungen des Cassiner Kalenders aufgenommen wurde. Es scheint sich keine eigene Liturgie für diese Heilige erhalten zu haben.57 Die Nennung in der Chronik des Klosters Monte Cassino im Jahr 767 ist insofern interessant, als dass dies die Phase ist, in der mehrere Translationen von Heiligen nach Benevent vorgenommen wurden und hier vielleicht ein bereits vorhandener Kult wieder auflebte, da der
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Napoli, Branc., codex III. F. 1, fol. 108–109, 16./17. Jh. Für BHL 720 ist in der OnlineDatenbank keine Handschrift aufgeführt. Der Schreiber sagt selbst, dass er aus Durachium, dem heutigen Duras stammt. Vgl. Vita et Obitus beate Arthellays, S. 176. Vgl. VUOLO, Agiografia beneventana, S. 228. Vita et Obitus beate Arthellays, S. 176: Que omnia supradicta scripta Greco famine, ego petrus indignus presbiter de civitate durachio, ob amorem tante virginis transtuli in latinam linguam … Vgl. AASS, Mar. I., 264. Vgl. Ebd., 265. Vgl. Ebd., 265. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 17: S. Arthelaisi. Es wird zumindest kein Text bei den liturgischen Werken, die von KELLY zusammengestellt wurden, für sie aufgeführt. Vgl. KELLY, The Beneventan Chant.
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neue Herrscher ein Interesse an der lokalen Heiligenverehrung besaß und diese förderte. 6.1.1.3. Der heilige Mercurius Während Helianus und Arthellais direkt aus Konstantinopel gekommen sein sollen, wurde den Reliquien des heiligen Mercurius eine byzantinische Herkunft zugeschrieben. Zur Verehrung dieses Heiligen muss vorweggeschickt werden, dass es sich um die Zusammenführung zweier Heiliger handelt, nämlich eines heiligen Mercurius, der in Aeclanum verehrt wurde58, und des heiligen Mercurius von Kappadokien.59 Über den Heiligen in Aeclanum ist nichts weiter bekannt.60 Durch die Translation der Reliquien nach Benevent wurde die Verehrung der beiden Heiligen kombiniert.61 Der heilige Mercurius von Kappadokien war ein Märtyrer, der um 251 während der Herrschaftszeit Kaiser Decius’ (249–251) in Caesarea das Martyrium erlitten hatte und in Byzanz als sogenannter Soldatenheiliger62 verehrt wurde. Er war vor seinem Martyrium Soldat gewesen, der sich zum christlichen Glauben bekannt hatte.63 Insgesamt sind die Passio64, vier Translations-65 und ein Mirakelbericht66 des Heiligen erhalten.67
58 Ein Zeugnis für diesen Heiligen stellt das Martyrologium Hieronymianum (erstellt zwischen 431 und 450) dar, in dem es heißt: Et Apolia Ciuit hecclano Mercurii martyris. AASS, Nov. II, 1, 26. November, S. 110. 59 Vgl. Giorgio OTRANTO, Persecuzione e martirio in Campania. Il contributo del Martirologio Geronimiano, in: San Gennaro nel XVII centenario del martirio (305–2005). Atti del Convegno internazionale (Napoli, 21–23 settembre 2005). Volume I (Campania Sacra. Rivista di Storia Sociale e Religiosa del Mezzogiorno, 37), hg. v. Gennaro LUONGO, Neapel 2006, S. 85–122, S. 102f.; daher gibt es zwei Einträge in der Bibliotheca Sanctorum, wobei es hier keine Ergänzungen zu den Namen gibt, Joseph-Marie SAUGET, Mercurio, in: Bibliotheca Sanctorum. Band IX, Rom 1967, Sp. 362–367; Joseph-Marie SAUGET, Mercurio, in: Bibliotheca Sanctorum. Band IX, Rom 1967, Sp. 368. Zur byzantinischen Tradition der sogenannten Soldatenheiligen und somit auch Mercurius siehe Christopher WALTER, The Warrior Saints in Byzantine Art and Tradition, Aldershot/Burlington 2003, S. 101–108. Von OTRANTO und WOOD wurde die These aufgeworfen, dass es sich bei dem Mercurius in Benevent um einen Heiligen handelte, der bereits zuvor in Aeclanum verehrt worden war, und dessen Wert dadurch erhöht werden sollte, indem der Bericht verbreitet wurde, dass es sich um den byzantinischen Mercurius aus Caesarea in Kappadokien handelte, der von Kaiser Konstantin II. mit nach Italien gebracht worden sei. Vgl. OTRANTO, Per una storia dell’Italia, S. 308; WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 207. 60 Vgl. SAUGET, Mercurio, Sp. 368. 61 Vgl. OTRANTO, Per una storia dell’Italia, S. 308f. 62 Es gibt auch Vermutungen, dass Mercurius aufgrund seines militärischen Hintergrunds im langobardischen Kult eine besondere Rolle einnahm, da er mit der Figur des Wodans assoziiert werden konnte, doch lässt sich diese These schwerlich belegen. Vgl. VUOLO, Agiografia beneventana, S. 212f. 63 Vgl. ORSELLI, Sanità militare e culto, S. 5.
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Die Passio des Heiligen wurde möglicherweise bereits im 8. Jahrhundert direkt nach seiner Translation nach Benevent verfasst.68 Victorio GIOVARDI geht davon aus, dass der Text von Arichis II. selbst niedergeschrieben wurde, was von Ian WOOD als durchaus möglich angesehen wird, wenn es auch schwerlich zu belegen ist.69 Die Passio wurde von GIOVARDI in 12 Kapitel unterteilt, an denen sich hier orientiert wird. Die ersten drei Kapitel enthalten noch keinen Bericht über Mercurius, sondern beschreiben die Situation, in der die Leidensgeschichte des Heiligen stattfindet. Erst im vierten Kapitel der Passio tritt die Hauptfigur auf, als beschrieben wird, dass Decius gegen die Perser ins Feld gezogen sei und sich in diesem Heer auch der Soldat Mercurius befunden habe. Diesem sei nachts ein Mann erschienen, der ihm eine Lanze überreicht und gesagt habe, dass er seinen Gott und Herrn nicht vergessen solle.70 Aus dieser Textstelle geht nicht eindeutig hervor, wer dieser Mann war, doch macht der weitere Bericht deutlich, dass es sich um einen Engel gehandelt haben muss. In der nachfolgenden Schlacht habe Mercurius den feindlichen König getötet.71 Im sechsten Kapitel habe Decius aus Dankbarkeit für seinen Sieg über die Barbaren entschieden, den Göttern zu opfern und auch Mercurius aufgefordert, mit ihm in den Tempel der Artemis zu kommen.72 Allerdings sei es Mercurius gelungen, in der Menge zurückzubleiben und so das Opfer zu umgehen, doch sei dies bemerkt und Decius zugetragen worden.73 Im nachfol-
64 BHL 5933. Dieser Text ist in zehn Handschriften erhalten, die in Archiven in Melk, Neapel, Rom, im Vatikan und in Zwettel zu finden sind. Die ältesten stammen aus dem 11. Jahrhundert und liegen in Rom und im Vatikan im Archiv. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=5933&RequestTimeout=500. Der Text der Passio wurde bisher nur von GIOVARDI abgedruckt. Vgl. Passio Sancti Mercurii Martyris, in: Acta Passionis, & Translationis sanctorum martyrum Mercurii, ac XII Fratrum, hg. v. Victorio GIOVARDI, Rom 1730, S. 9–31. Laut SIEGMUND war dieses Werk nur in Süditalien bekannt. Vgl. SIEGMUND, Die Überlieferung, S. 242. Zudem gibt es eine metrische Passio, die allerdings erst aus dem beginnenden 12. Jahrhundert stammen kann, da sie von Bischof Landulf II. von Benevent verfasst wurde. Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 198. 65 Vgl. Translatio Sancti Mercurii, S. 576–580. 66 BHL 5938d. Roma Codex Vallicell., fol. 136r–136v, 177–179, 16. Jh. Dies ist die einzige erhaltene Handschrift. 67 Neben den lateinischen Quellen sind auch viele griechischsprachige überliefert (BHG 1274– 1277a). So haben sich drei Passiones erhalten, von denen eine von Symeon Metaphrasta verfasst wurde, sowie eine Oratio von Nicephoro Gregora und eine Narratio von einem unbekannten Autor. 68 Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 198. 69 Vgl. Passio Sancti Mercurii Martyris, S. 9; WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 206. 70 Passio Sancti Mercurii Martyris, S. 14: Igitur accipe hanc lanceam, aggredere barbaros, victorque existens ne obliviscaris Domini Dei tui. 71 Vgl. Ebd., S. 14. 72 Vgl. Ebd., S. 17f. 73 Ebd., S. 18: Illis vero magna frequentia confluentibus, beatus Mercurius velut egrefactus, intra regiam remansit.
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genden Kapitel kommt es dann zum Bekenntnis des Mercurius vor Decius.74 Dieser haben den Soldaten darauf in ein Gefängnis werfen lassen, wo ihm ein erneuter Besuch des Engels zuteil geworden sei, der ihm Mut bezüglich der Drohungen des Tyrannen zusprach, da der Herr mit ihm sei.75 Die Versuche des Decius, Mercurius davon zu überzeugen, von seinem Glauben abzufallen, scheiterten, weswegen es schließlich zur Folter und letztlich zum Martyrium kam.76 Da das Martyrium in Kleinasien erlitten wurde, wird an keiner Stelle auf Benevent oder die Translation des Heiligen in diese Stadt eingegangen. Vermutlich wurde diese Passio in Benevent übersetzt und angeblich vom Herzog persönlich niedergeschrieben.77 Dann ist aber verwunderlich, dass Benevent nicht einmal im Schlussteil Erwähnung findet. Dies spricht eher gegen eine derartige Annahme. Es ist anscheinend kein Prolog vorhanden, in dem die Umstände der Entstehung dieses Textes geschildert werden. Gegen Ende des Werkes gibt es zwar eine Lücke, doch bietet diese sich vom Erzählverlauf nicht als fehlendes Textstück bezüglich einer Anführung der weiteren Geschehnisse an.78 Somit handelt es sich bei dieser Passio um eine reine Übersetzung ohne den Versuch, diese mit der neuen Verehrungsstadt des Heiligen in einen direkten Bezug zu setzen. Über die Translation des Mercurius nach Benevent gibt es insgesamt vier lateinische Versionen, von denen zwei prosaisch und zwei lyrisch sind.79 Da die prosaischen und die metrischen Translationsberichte inhaltlich übereinstimmen, wird ihr Inhalt zusammen wiedergegeben. Alle Texte lassen zwei Teile erkennen, von denen der erste sich mit den Reliquien vor der Auffindung durch Arichis II. und der zweite mit der Einholung und den anschließenden Ereignissen befasst.
74 Ebd., S. 19: Christianus sum, non michi licet exercere militare negotium. 75 Ebd., S. 20: Confide Mercuri, ne formides momentaneas tyranni minas, et crede constanter, quia quem confiteris Dominum, liberabit te ex omni tribulatione ista. 76 Vgl. Ebd., S. 21–30. 77 Vgl. Passio Sancti Mercurii Martyris, S. 9; WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 206. 78 Vgl. Ebd., S. 30. 79 BHL 5936–5938; PL 95, Sp. 1600, diese Quelle hat keine BHL-Nummer. BHL 5936 ist nur in einer Handschrift erhalten. Benevento, BC, codex I, fol. 067–069, 1076–1125. BHL 5937 ist ebenfalls nur in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert. Roma, Casanat., codex 0457 (olim B. I. 12), fol. 052v–056v, 14. Jh. Für BHL 5938 ist in der OnlineDatenbank keine erhaltene Handschrift verzeichnet. In den MGH wurden zwei Versionen der Translationsberichte des heiligen Mercurius abgedruckt, wobei es sich bei dem einen um einen prosaischen (BHL 5936), bei dem anderen um einen metrischen (BHL 5938) handelt. Allerdings wurde bei der Edition der Texte auf die Abdrucke bei BORGIA und GIOVARDI zurückgegriffen sowie auf den Codex seminarii Verulensis, der in das 12. Jahrhundert datiert wird und für die Kirche S. Sophia in Benevent erstellt wurde, vgl. Scriptores rerum langobardicarum, S. 573. Ein weiterer prosaischer Text wurde von GIOVARDI ediert, vgl. Historia Corporis Sancti Mercurii, in: Acta Passionis, & Translationis sanctorum martyrum Mercurii, ac XII Fratrum, hg. v. Victorio GIOVARDI, Rom 1730, S. 55–62.
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Einer der lyrischen Texte wird Paulus Diaconus zugeschrieben.80 Der andere stammt von einem anonymen Autor, mit unbekannter Abfassungszeit. Die Translationsberichte berichten über die Mitnahme der Reliquien des Heiligen durch Kaiser Konstans II. nach Unteritalien.81 Zunächst wird sein erfolgloser Zug gegen Benevent erwähnt, wobei dann auf den heiligen Mercurius in Quintodecimum eingegangen wird, für den dort ein Haus errichtet worden sei.82 Damit wird begründet, warum der byzantinische Heilige in Unteritalien eine Grablege erhalten hatte beziehungsweise welche Umstände dazu geführt hatten.83 Laut BELTING ging es darum, die Gleichsetzung des lokalen Märtyrers aus Aeclanum mit dem in Caesarea verehrten Heiligen durch den Auffindungsbericht zu legitimieren.84 Hierauf folgt direkt eine Vorstellung Arichis’ II., der 95 Jahre und einen Monat nach den Geschehnissen um Konstans in Benevent regierte. Die Kirche sei vor seiner Herrschaft zerstört gewesen und nun durch ihn wieder aufgerichtet worden, wobei sowohl sein Charakter gepriesen als auch der Bau der Kirche S.Sophia erwähnt wird.85 Daraufhin werden die zwölf Märtyrer erwähnt, die der Herzog in diese Kirche bringen lassen habe, wo ihnen dann eine große Verehrung zuteilgeworden sei.86 Durch die Tatsache, dass es dem Kaiser nicht gelang, Benevent einzunehmen, konnte die Ansicht entstehen, dass der Heilige schon damals seine Präferenz gegenüber dieser Stadt bekundete.87 In den Translationsberichten heißt es, dass die Gebeine des Heiligen in Quintodecimum für 95 Jahre und einen Monat in Vergessenheit gerieten.88 Arichis II. 80 Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 205. WOOD gibt selbst an, dass die Autorenschaft unbekannt ist. Zudem wurde dieses Gedicht nicht von Karl NEFF, Die Gedichte des Paulus Diaconus. Kritische und erklärende Ausgabe (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, 3, 4), München 1908, in seiner Arbeit über die Gedichte des Paulus aufgenommen, da nicht eindeutig auszumachen ist, ob es sich bei ihm tatsächlich um den Verfasser des Gedichtes handelt. Der Text wurde in der Patrologia Latina abgedruckt. Vgl. PL 95, Sp. 1600. 81 Vgl. Translatio Sancti Mercurii, S. 578. 82 Vgl. Ebd., S. 578. 83 VUOLO, Agiografia beneventana, S. 211: „In sostanza … un ignoto martire locale fu confuso con l’omonimo, e più famoso, santo di Cesarea, il cui corpo si immaginò fosse giunto in Italia al seguito dell’armata bizantina.“ 84 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 157. 85 Translatio Sancti Mercurii, S. 576: Ecclesie tamen eius post civitatis destructionem facte, ubi prioris ruina fuerat, miserante Deo memoria non potuit aboleri, quin prefati martiris nomine illustraretur et signis. 86 Ebd., S. 577: … iamque in ea cum aliis non paucis sanctorum martirum duodecim fratrum corporibus, que sparsim prius iacuerant, sub ara una honore debito tumulatis. 87 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 158. 88 Ebd., S. 576: … de beati Mercurii corpore nonaginta quinque annis et mense uno intercepit oblivio. Vgl. Historia Corporis Sancti Mercurii, S. 58; Hippolyte DELEHAYE, La Translatio Sancti Mercurii Beneventum, in: Mélanges d’hagiographie grecque et latine (Subsidia Hagiographica, 42), hg. v. Hippolyte DELEHAYE, Brüssel 1966, S. 189–195, hier S. 190. Die Frage, die beim Lesen der Translationsberichte aufkommt, ist die, wie es sich konkret mit den genannten 95 Jahren verhält, die Mercurius in Quintodecimum verbracht haben soll, ehe er nach
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habe von den Wundern erfahren, die von den Gebeinen an diesem Ort gewirkt wurden, und beschloss daraufhin, die Reliquien nach Benevent transferieren zu lassen.89 Bei dieser Verlegung sei es zunächst unmöglich gewesen, die Reliquien über einen Bach hinweg in die Stadt hineinzubringen.90 Dies sei erst gelungen, nachdem Arichis dem Heiligen versprochen hatte, dass er in der Kirche S. Sophia einen Ehrenplatz im Altar erhalten würde.91 Bei seiner Niederlegung in dieser Kirche wird erwähnt, dass in dieser bereits die Gebeine der zwölf Brüder lagen.92 Entscheidend ist in den prosaischen Berichten, dass sich der Heilige selbst dem Herzog in einer nächtlichen Vision offenbart und ihm dabei seinen Willen kundgetan habe soll, nach Benevent verlegt zu werden.93 Durch diese Erscheinung legitimierte der Heilige die Translation des Arichis. Auch bei der Öffnung seines Grabes war der Heilige zugegen.94 Eine Reaktion von Seiten der Bevölkerung von Aeclanum wird nicht berichtet. So scheint es zwischen den beiden Städten durch die Verlegung zu keinem engeren Verhältnis gekommen zu sein, wie es teilweise bei anderen Orten der Fall war, in denen der gleiche Heilige verehrt wurde und die somit eine besondere Beziehung zueinander besaßen.95 DELEHAYE warf die Frage auf, ob die Translation des Mercurius zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen wurde, da es sich mit dem 26. August um einen Festtag Mercurius’ von Aeclanum – laut dem Martyrologiums Hieronymianum96 – handelte, der bereits dort gefeiert wurde, oder ob der Termin willkürlich gewählt wurde.97 GIOVARDI versuchte zu beweisen, dass der Mercurius-Kult in Italien entstanden sei und keine Vorläufer in Byzanz hatte.98 Dieser Auffassung widerspricht WOOD, der darauf aufmerksam macht, dass sich der Heilige selbst, auch in der Passio, die Arichis II. zugeschrieben wird, Philopater nenne, also deutlich der
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Benevent transferiert wurde. Denn wenn davon ausgegangen wird, dass die Gebeine des Heiligen zusammen mit Konstans II. nach Unteritalien gelangten und dann nach dem misslungenen Angriff auf Benevent in Aeclanum niedergelegt wurden, wäre mit der Zeit der Auffindung durch Arichis II. das Jahr 758 gemeint, was entweder in den Zeitraum kurz vor oder kurz nach seines Herrschaftsantrittes fällt. Allerdings wird am Ende des Translationsberichts als Datum der Übertragung das Jahr 768 genannt. Vgl. Translatio Sancti Mercurii, S. 577. Vgl. Ebd., S. 577. Vgl. Ebd., S. 577. Mercurii sancti claret Translatio, cuius Passio dicetur premissis versibus huius, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 578–580, S. 578: in qua duodecim fratrum senatus requiescit. Vgl. Translatio Sancti Mercurii, S. 577; Historia Corporis Sancti Mercurii, S. 59. Translatio Sancti Mercurii, S. 577: … cum subito martiris venitur ad tumulum, et loculo elevato et lectice imposito, Beneventum cum tripudio remeatur. Beispielhaft wären hier Le Mans und Paderborn zu nennen. Vgl. RÖCKELEIN, Reliquientranslationen nach Sachsen, S. 54; v. a. S. 78. AASS, Nov. II., S. 111: Et apulia ciuitate ecclamo mercurii. Vgl. DELEHAYE, La Translatio Sancti Mercurii, S. 194. Vgl. GIOVARDI, Acta Passionis, & Translationis sanctorum, S. 4.
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griechische Einfluss auf die Heiligenvita zu sehen sei.99 Zudem werde er bereits in östlichen Texten aus dem 6. Jahrhundert erwähnt, in denen er als Henker des byzantinischen Kaisers Julianus Apostatus entgegentrete.100 GIOVARDI ging in seinem Abdruck des Translationsberichts des heiligen Mercurius davon aus, dass die Gebeine 774 nach Benevent geschafft wurden,101 wobei eine Datierung auf das Jahr 768 ebenfalls möglich sei, da diese Jahreszahl auch im Translationsbericht genannt wird102. Wenn die Gebeine tatsächlich erst 774 transferiert wurden, ist anzunehmen, dass dies mit den Geschehnissen in Oberitalien zusammenhing, da sich in diesem Jahr Karl der Große, nachdem er Desiderius besiegt hatte, zum König der Langobarden krönen ließ.103 Eine Translation in dieser Zeit wäre laut WOOD „scarcely […] accidental“104, hätte seiner Meinung nach also eine bestimmte Aussage bezüglich des fränkischen Vorgehens und der beneventanischen Reaktion hierauf. Hier wurde ein byzantinischer Heiliger zum Schutz gegen die Franken übertragen und so zugleich eine Annäherung an Byzanz bezweckt. BELTING vertritt allerdings die Ansicht, dass die Translation 768 vonstattenging und somit die Erklärung, dass die Gebeine zum Schutz gegen das aggressive Agieren der Franken herbeigeschafft worden wären, nicht mehr haltbar wäre.105 768 war Karl der Große erst zum König erhoben worden und hatte sich zu Beginn die Herrschaft noch mit seinem Bruder Karlmann geteilt. Zudem war er etwa ab 769 mit einer langobardischen Königstochter verheiratet. Hier wäre es also nicht anzunehmen, dass sich die Translation konkret gegen die Franken richtete. Da im Hymnus in translationem Beneventanum corporis beati Mercurii martyris Hinweise auf tyrannisches Vorgehen enthalten sind, nimmt WOOD zusammen mit GIOVARDI eher eine Translation im Jahr 774 an. Als Begründung nennt er hier die Parallelisierung von Karl dem Großen und Konstans II., die sich beide bemühten, auch in Unteritalien ihre Herrschaft durchzusetzen.106 Der Mirakelbericht des heiligen Mercurius wurde von Tito ORLANDI nach einer Handschrift aus der Vallicelliana107 abgedruckt, die er in das 16. Jahrhundert datierte.108 Den Text setzte er allerdings etwa mit der Mitte des 10. Jahrhunderts an, also in die Zeit, in der Benevent unter capuanischer Herrschaft stand.109 Es
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Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 207; Passio Sancti Mercurii Martyris, S. 15. Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 207. Vgl. GIOVARDI, Acta Passionis, & Translationis sanctorum, S. 50. Translatio Sancti Mercurii, S. 578: Anno vero ab incarnatione domini nostri Ihesu Christi septingentesimo sexagesimo octavo. Siehe Kapitel 3.1. Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 204. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 157. Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 205. BHL 5938d. Vgl. Tito ORLANDI, I miracula S. Mercurii: Testo latino inedito da un manoscritto della Vallicelliana, in: Rendiconti. Classe di Lettere e Scienze Morali e Storiche 101 (1967), S. 263– 272, hier S. 270f. Vgl. ORLANDI, I miracula S. Mercurii, S. 269 u. 272.
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fällt auf, dass an keiner Stelle Benevent oder die Langobarden erwähnt werden, was als Ergänzung an den Schluss gepasst hätte. Bei diesem Bericht handelt es sich vermutlich um die lateinische Übersetzung eines griechischen Textes, der in Benevent verbreitet wurde, um die Bedeutung des Heiligen zu unterstreichen. Das berichtete Wunder habe sich zur Zeit Kaiser Julianus’ (360–363) ereignet.110 Bei einem Feldzug gegen die Perser im Jahr 363 sei der Kaiser in einer Schlacht durch einen Speer getötet worden,111 wobei dies im Mirakelbericht durch Mercurius vollzogen worden sein soll, der vom Himmel herabgekommen sei und den Apostaten erstochen habe.112 Mercurius wird hier vor allem als Krieger Gottes gekennzeichnet, der gegen einen Kaiser vorgeht, welcher vom rechten Glauben abgefallen war und deswegen sein Amt nicht ordentlich ausführen konnte. Aufgrund des göttlichen Beschlusses sei er nicht durch seine Feinde in der Schlacht getötet worden, sondern durch einen Heiligen, der vom Himmel herab diese Tat vollbracht habe. Insgesamt fällt auf, dass lediglich die Translationsberichte des Mercurius auf dessen Bedeutung für die Stadt Benevent eingehen, während die Passio und der Mirakelbericht wohl reine Übersetzungen waren, die den Kult um den kappadokischen Märtyrer auch im beneventanischen Umfeld verbreiten sollten. Anscheinend wurden keine Werke verfasst, die sich mit seinen Wundern in Benevent befassten oder seine lokale Verehrung besonders unterstreichen sollten. Die wichtige Stellung des neuen Heiligen lässt sich sicherlich daran ablesen, dass Arichis dem Patron drei Festtage einrichtete.113 Bei diesen Festtagen handelte es sich um den 18. August, den Tag, an dem seine Gebeine in den Altar der S. Sophia gehoben wurden, die Translation am 26. August und schließlich um das Fest seiner Geburt, also seinen irdischen Todestag, am 25. November inklusive Vigil (den Vorabend vor dem Festtag) und Octav (acht Tage nach dem Festtag).114 Auch wenn es unter anderem wohl dem Überlieferungszufall geschuldet ist, so ist es doch auffällig, dass gerade für den heiligen Mercurius mehrere Texte erhalten sind: Neben den oben vorgestellten gibt es auch liturgische Texte. Möglicher-
110 Dieser hatte nach seiner Amtsübernahme versucht, die alten Kulte wieder zu etablieren und war dabei gegen das Christentum vorgegangen. Vgl. Klaus ROSEN, Kaiser Julian auf dem Weg vom Christentum zum Heidentum, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 40 (1997), S. 126–146; Ilinca TANASEANU-DÖBLER, Konversion zur Philosophie in der Spätantike. Kaiser Julian und Synesios von Kyrene (Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge, 23), Stuttgart 2008; Johannes LEIPOLDT, Der römische Kaiser Julian in der Religionsgeschichte, in: Sitzungsberichte der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologischhistorische Klasse 110 (1964), S. 3–75; Kaiser Julian ‚Apostata‘ und die philosophische Reaktion gegen das Christentum (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 21), hg. v. Christian SCHÄFER, Berlin und New York 2008. 111 Vgl. WALTER, The Warrior Saints, S. 105. 112 ORLANDI, I miracula S. Mercurii, S. 268: Repente ergo incognitum huius coelestis gladii a dextera parte sibi vulnus illatum mortale ictum sub mammilla ei infecerat. 113 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 158. 114 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 72.
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weise war dieser Heilige also über die Jahrhunderte hinweg so entscheidend, dass die Werke, die sich mit ihm befassen, sorgfältig verwahrt wurden und sich daher bis heute erhalten haben. Von den drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino enthält der jüngste in seinen späteren Ergänzungen, die wahrscheinlich in Benevent gemacht wurden, den Eintrag Natalis S. Mercurii martyris am 25. August.115 Wieso dieser Tag eingetragen wurde, ist nicht klar, da es sich dabei um keinen der Festtage handelt und im August die Translation und nicht der Todestag gefeiert wurde, zumal diese am 26. August stattfand.116 Das sogenannte Martyrologium des Erchempert enthält den 25. November als Festtag des Heiligen, wo es heißt: Septenis fulget Mercurius aptus in armis117. Im Marmorkalender von Neapel ist der Heilige nicht enthalten. Somit ist zu vermuten, dass der Kult des Heiligen zunächst lokal auf Benevent beschränkt war und erst später eine weitere Bekanntheit erlangte, weswegen Erchempert den Heiligen offensichtlich kannte, sodass er ihn in sein Martyrologium aufnahm. Im Synaxarium von Konstantinopel wird der heilige Mercurius am 26. November genannt118, während der Märtyrer bei Beda nicht erscheint. 6.1.1.4. Die zwölf Brüder Der Passio nach waren die zwölf Märtyrer die Söhne des Bonifatius und der Thecla, die die Namen Donatus, Felix, Arontius, Honoratus, Fortunianus, Sabinianus, Septiminus, Januarius, Felix (!), Vitalis, Satorus und Repositus trugen und in Tunesien in Hadrumentum, dem heutigen Sousse, geboren und dort christlich erzogen worden sein sollen.119 Ihr Martyrium soll sich in der Zeit der Christenverfolgung durch Kaiser Maximian (286–305) ereignet haben.120 Der Festtag der zwölf Märtyrer ist der 1. September, doch die Heiligen werden erst in den Ergänzungen im Codex Casanatensis 641 aufgeführt, die wiederum vermutlich erst in Benevent vorgenommen wurden.121 Sie erscheinen weder im sogenannten Martyrologium Erchemperts noch im Marmorkalender von Neapel oder im Synaxarium von Konstantinopel. Allerdings ist für die Märtyrer eine
115 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 27. 116 Eine mögliche Erklärung wäre, dass der Schreiber in der Zeile verrutschte und es zu einer Verwechslung der Monate der Festtage des Martyriums und der Translation kam. 117 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 80. 118 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, Propylaeum ad Acta Sanctorum (Novembris), hg. v. Hippolyte DELEHAYE, Brüssel 1902, S. 258. 119 Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 204. Die Frage, warum laut der Passio zwei der Söhne Felix hießen, kann nicht beantwortet werden. 120 Vgl. Passio SS. Martyrum Donati, Felicis et Fratrum Eorum, in: Acta Passionis, & Translationis sanctorum martyrum Mercurii, ac XII Fratrum, hg. v. Victorio GIOVARDI, Rom 1730, S. 77–86, hier S. 77; WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 204. 121 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 29.
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eigene beneventanische Liturgie erhalten.122 Auch im Martyrologium Bedas werden die Heiligen aufgeführt, allerdings keiner von ihnen am 1. September.123 Insgesamt kann vermutet werden, dass ihr Kult für Benevent eine Rolle spielte, aber nicht weit darüber hinaus strahlte, da sich dies anhand des Quellenmaterials nicht belegen lässt. Für die Heiligen sind mehrere hagiographische Werke erhalten. Sowohl die Passio124 als auch die Translationsberichte125 sind in den Acta Sanctorum zum 1. September ediert126, wobei die Edition sich teilweise auf Abdrucke von GIOVARDI stützen musste, der im 18. Jahrhundert die Werke um die zwölf Märtyrer und den heiligen Mercurius druckte127. Da die Passio am Ende einen Abschnitt über die Verlegung der Gebeine durch Arichis II. nach Benevent enthält, kann sie auf die Zeit nach 760 datiert werden, es sei denn, der letzte Abschnitt wurde nachträglich angefügt, worauf es aber keine Hinweise gibt. Zudem wird Arichis als princeps und nicht als dux bezeichnet, weswegen der Text womöglich auch in die Zeit nach 774 gesetzt werden kann, da Arichis erst nach der Absetzung des Desiderius begann, diesen Titel zu führen.128
122 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 22. 123 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 106f. Hier werden sie am 28. August aufgeführt. 124 BHL 2297. Von diesem Text haben sich fünfzehn Handschriften erhalten, die sich heute in Archiven in Benevent, Lucca, Neapel, Paris, Rom und im Vatikan befinden. Der älteste Text aus dem 9./10. Jahrhundert liegt heute im Vatikan. Vaticano, Vat. Lat., 05771, 115r–119r, 851–950. Die Handschriften in Benevent und Neapel stammen erst aus dem 11./12. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=2297&RequestTimeout=500. 125 BHL 2300–2302. Laut der BHL Online-Datenbank liegt lediglich für BHL 2300 eine Handschrift in Rom vor, die in das 16./17. Jahrhundert datiert wird. Roma, Alessandr., codex 095 (alias I.h.1–3), fol. 685–696, 1551–1650. Eine metrische Fassung des Translationsberichts wurde auch von WAITZ in den MGH aufgenommen, vgl. Translatio Duodecim Martyrum, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 574–576, S. 574–576, die laut MANITIUS von Alphanus I. (1015–1085), dem Erzbischof von Salerno, verfasst wurde, vgl. Wilhelm von GIESEBRECHT, De litterarum studiis apud Italos primis medii aevi saeculis, Berlin 1845, S. 30ff.; MANITIUS, Geschichte der Lateinischen Literatur, II., S. 622; GALDI, Santi, territori, poteri, S. 265. Bei Alphanus I. von Salerno handelte es sich um den Bischof der Stadt, der sich vor allem durch das Erstellen metrischer hagiographischer Texte auszeichnete. Während seiner Amtsperiode wurden die Gebeine des Evangelisten Matthäus nach Salerno gebracht, wo sie eine wichtige Rolle im Heiligenkult erlangen sollten. Seine Autorenschaft bezüglich des Gedichts über die zwölf Märtyrer wird allerdings von WAITZ in Frage gestellt, da die Zeichnung des Arichis so positiv sei, dass er eher eine frühere Entstehung für wahrscheinlicher hielt, vgl. Translatio Duodecim Martyrum, S. 573, 1. HEINZELMANN datiert den Text hingegen auf das Ende des 8. Jahrhunderts, vgl. HEINZELMANN, Translationsberichte und andere Quellen, S. 54 Anm. 38. Dieser Text ist nicht nur ein Translationsbericht, sondern zugleich ein Panegyrikus auf Arichis II. 126 Vgl. AASS, Sep. I., S. 138–154. 127 Vgl. GIOVARDI, Acta Passionis, & Translationis sanctorum, passim. 128 Siehe Kapitel 3.1.
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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Die Passio berichtet von afrikanischen Christen, die im Zuge der Christenverfolgung nach Italien gebracht wurden, wo sie schließlich das Martyrium erlitten.129 Während ihrer Reise hätten sie zwar ihrem Bewacher bewiesen, dass der christliche Gott stärker war als dessen heidnische Götter,130 dennoch habe er sich nicht vom rechten Glauben überzeugen lassen. Warum die Brüder nach Italien transportiert werden sollten, geht aus dem Text nicht hervor. Möglicherweise sollten sie vor den Kaiser gebracht werden, der dann ein Urteil über sie sprechen konnte. Dies war aufgrund des Todes des Kaisers nicht mehr möglich.131 Daraufhin habe die Reise durch Unteritalien begonnen, da Valerianus unschlüssig gewesen sei, was er tun sollte.132 Diese Reise habe schließlich dazu geführt, dass die Brüder in vier verschiedenen Orten das Martyrium erlitten. Die unterschiedlichen Hinrichtungsorte erklären später, warum die zwölf Brüder nicht an einem Platz beerdigt worden waren, sondern erst durch Arichis wiedervereint worden sein sollen. Nicht alle Brüder erscheinen gleich wichtig: So werden Donatus und Felix des Öfteren namentlich genannt, während die übrigen Brüder meist als Gruppe auftreten. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese beiden in ein kirchliches Amt geweiht worden waren und daher hierarchisch höher standen.133 Die Passio endet damit, dass Arichis viele Jahre nach diesen Geschehnissen die Gebeine der Märtyrer habe zusammenbringen lassen, um sie dann gemeinschaftlich an einem Ort beerdigen zu lassen.134 Dort seien dann viele Wunder durch die Heiligen gewirkt worden.135 Der von GIOVARDI abgedruckte Translationsbericht136 enthält einen Anfang, der nicht in den Acta Sanctorum Aufnahme fand, da dieser lediglich fragmentarisch überliefert ist. Es wird auf die Passio eingegangen, nach der die Brüder in verschiedenen Orten beerdigt worden sein sollen.137 Der Herzog Arichis sei durch den Heiligen Geist entflammt worden, die Gebeine der Heiligen in der Stadt Benevent wiederzuvereinen.138 Darauf habe er seinen Entschluss, die Reliquien der
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135 136 137 138
Vgl. Passio SS. Martyrum Donati, S. 77. Vgl. Ebd., S. 83f. Ebd., S. 84: Ubi audiens, quod Imperator Aquileja esset exinctus. Vgl. Ebd., S. 84ff. Vgl. Ebd., S. 78f. Ebd., S. 86: Nam dum diversis squallentioribus inhoneste loculis tenerentur, vir sapientissimus Arechis Langobardorum gentis celeberrimus Princeps collegit eorum pretiosissima corpora, et quos germanos sanguine et fide legendo reperat, cum ingenti honore Beneventi sub uno Tegmine collocavit. Vgl. Ebd., S. 86. Vgl. Historia Translationis Corporum SS. XII. Fratrum, in: Acta Passionis, & Translationis sanctorum martyrum Mercurii, ac XII Fratrum, hg. v. Victorio GIOVARDI, Rom 1730, S. 118– 125. Ebd., S. 119: Corpora quoque sanctorum duodecim Fratrum cum in Apulia requiscerent, et sicut in eorum legitur passione, per diversas civitates, et loca inhonestis loculis tenerentur insula … Vgl. Ebd., S. 119.
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Märtyrer zu sammeln, den Edlen seiner Stadt mitgeteilt,139 worauf es zunächst zu einer Diskussion gekommen sei, wo die Heiligen seien und wie sie beschafft werden könnten.140 Es wird auf die Ortschaften eingegangen, in denen die jeweiligen Brüder lagen, und auf ihre dortige Verehrung.141 Arichis habe sich daraufhin bemüht, die Herausgabe der Reliquien zu erreichen, was er allerdings nur durch eine große Geldzahlung, die er durch Steuern einsammelte, geschafft habe.142 Unter großen Feierlichkeiten seien die Heiligen dann nach Benevent gebracht worden, wo ihnen reiche Schenkungen zuteilgeworden sein sollen. Am 15. Mai seien die Gebeine der Heiligen dann schließlich in Benevent gemeinschaftlich in S. Sophia niedergelegt worden.143 In den Werken über die zwölf Brüder findet ihre Hinrichtung beziehungsweise ihre Grablegung in vier verschiedenen Orten, nämlich Potentia (Potenza), Venusia, Velea und Sontia, statt.144 Dass es sich dabei um Orte in einem Gebiet unter byzantinischer Oberherrschaft handelte, macht die Translationen besonders interessant, da fraglich ist, warum Arichis ausgerechnet diese Heiligen nach Benevent bringen ließ.145 WOOD vermutete, dass Arichis mit der Transferierung der zwölf Brüder aus den vier Städten seine Machtbestrebungen verdeutlichen wollte, nachdem diese Städte nicht zum Herzogtum Benevent gehörten, und der Herzog eine mögliche Expansion plante.146 Bis auf Ecana befinden sich alle Grablegen südlich von Benevent, was ein Ausgreifen in Richtung „Stiefelspitze“ durchaus plausibel macht. Nach ihrer Transferierung wurden die Heiligen als Patron des Vaterlandes147 bezeichnet, was ihre Bedeutung am Beginn der Regierungszeit des Arichis aufzeigt. Diese Bezeichnung deutet auf die besondere Beziehung zwischen den Bewohnern, dem Herrscher und ihrer Heimat. Die Langobarden waren seit etwa 200 Jahren in dieser Region präsent und der neue Herzog stammte vielleicht nicht aus diesem Teil Italiens, dennoch waren die neuen Heilige für alle identitätsstiftend, 139 Ebd., S. 119: Noveritis desiderium meo cordi cunctipotentem Dominum inspirasse, ut corpora sanctorum duodecim Germanorum, quae in quatuor civitatibus Apuliæ divisa quiescunt, diligenti cura perquiram, ac Beneventum perducam. 140 Vgl. Ebd., S. 119f. 141 Ebd., S. 120: … ibidem eorum veneranda a viris religionis sunt tumulta. 142 Vgl. Ebd., S. 121. 143 Ebd., S. 123: … que Madio quinto die intrante eodem mense. 144 Vgl. Passio SS. Martyrum Donati, S. 84f.; Historia Translationis Corporum SS. XII. Fratrum, S. 119f. 145 Vgl. WOOD, Giovardi, MS Verolensis 1, S. 204. 146 Vgl. Ebd., S. 203. Zu Grenzen im Mittelalter siehe Klaus HERBERS, Europa und seine Grenzen im Mittelalter, in: Grenzen und Grenzüberschreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, hg. v. Klaus HERBERS/ Nikolas JASPERT, Berlin 2007, S. 21–42. Nikolas JASPERT, Grenzen und Grenzräume im Mittelalter: Forschungen, Konzepte und Begriffe, in: Grenzen und Grenzüberschreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, hg. v. Klaus HERBERS/ Nikolas JASPERT, Berlin 2007, S. 43–70. 147 Translatio Duodecim Martyrum, S. 575: … patriae deferre patronos …
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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denn die gemeinsame Verehrung von Heiligen konnte das Gemeinschaftsgefühl der Menschen innerhalb einer Gesellschaft stärken.148 Es ist auffällig, dass Arichis nicht auf traditionelle langobardische Heilige, wie beispielsweise den Erzengel Michael oder Johannes den Täufer, zurückgriff, sondern mit der Transferierung der zwölf Brüder begann, landeseigene patriae patroni zu schaffen.149 Die zwölf Märtyrer erscheinen bereits im Martyrologium Hieronymianum, in dem sie ebenfalls an ihren verschiedenen Todestagen genannt werden und eine ungefähre Ortsangabe ihrer Martyrien geliefert wird.150 Dies lässt darauf schließen, dass der Kult um die Zwölf bereits früh verbreitet war und sie nicht erst durch die Translation legendarisch verbunden wurden. KELLY geht davon aus, dass der Kult für die Heiligen erst nach der Transferierung nach Benevent durch Arichis aufgekommen sei.151 Dies mag für die Gemeinschaft der zwölf Brüder zutreffen. Allgemein jedoch dürften die Reliquien dieser Heiligen bereits vor ihrer Transferierung nach Benevent lokale Verehrung in Süditalien erhalten haben, was auch im Translationsbericht gesagt wird.152 Die Bedeutung der Stadt Benevent, die durch die Heiligen zum religiösen und kulturellen Mittelpunkt153 wurde, wuchs also in Folge der Translation. Hierbei fällt zudem das Interesse der beneventanischen Bevölkerung an der Translation der Gebeine auf, denn im Translationsbericht wird davon erzählt, dass viele Menschen durch Spenden dafür gesorgt hätten, dass die Heiligen nach Benevent gebracht werden konnten.154 Hierbei ist allerdings zu fragen, ob die Spendenfreudigkeit einen gängigen hagiographischen Topos darstellt, oder ob es tatsächlich derartige Zahlungen gegeben hat.155 Insgesamt ist annehmbar, dass es ein erhöhtes Interesse der Bevölkerung an der standesgemäßen Ausstattung der Heiligen gegeben hat, was letztlich wohl tatsächlich zu Zahlungen führte.
148 So schreibt DELOGU zu der Translation der zwölf Brüder: „… la città diveniva centro di convergenza morale e segno di unità per un intero gruppo politico; assumeva, insomma, al di sopra di quelli giuridici, i caratteri ideali della capitale.“ Paolo DELOGU, Mito di una città meridionale (Salerno, secoli VIII–XI) (Nuovo Medioevo, 2), Neapel 1977, S. 35f. Zu Ritualen siehe Gerd ALTHOFF, Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003. 149 Vgl. Karl Heinrich KRÜGER, Zur ‚beneventanischen‘ Konzeption der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus, in: FMST 15 (1981), S. 18–35, hier S. 31. 150 Vgl. AASS, Nov. II., S. 111ff. 151 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 11. 152 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 156; Historia Translationis Corporum SS. XII. Fratrum, S. 120. 153 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 11. 154 Translatio Duodecim Martyrum, S. 575: … quisque suarum/ Pro modulo rerum largitur munera; multi / Testibus inscriptis legali more tabellis, / Ulnis liceat patriae deferre patronos, / Dant patrimonia, promittunt sua quaeque futura. 155 Vgl. Thomas EICHENBERGER, Patria. Studien zur Bedeutung des Wortes im Mittelalter (6.– 12. Jahrhundert) (Nationes. Historische und philologische Untersuchungen zur Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter, 9), Sigmaringen 1991, S. 131.
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Translationen und lokale Heilige
Ungefähr in der Zeit, in der die Translation der zwölf Märtyrer vorgenommen wurde, entstand in Spoleto eine Passio über zwölf Märtyrer.156 Hier kam es also wahrscheinlich zu einer gegenseitigen Beeinflussung oder auch Konkurrenz. Eine genauere Datierung der spoletanischen Passio wäre wünschenswert, da dieses Herzogtum 776 durch die Franken erobert wurde. Somit könnte vermutet werden, dass sich die beiden langobardischen Herzogtümer gegenseitig in ihren hagiographischen Traditionen austauschten und die Niederschrift in Spoleto vielleicht Arichis II. bei der Einholung der Reliquien inspirierte. Zugleich könnten auch die Vorgänge in Benevent Auswirkungen auf die Hagiographie in Spoleto gehabt haben. Ohne Datierung der Texte ist aber keine klare Aussage möglich. Es ist allerdings auffällig, dass gerade die erste Beneventaner Translation Ähnlichkeiten mit einer Passio aus einer langobardisch beherrschten Region aufweist, weswegen hier eine Tradition aufgegriffen worden sein könnte, die bereits etabliert war. 6.1.1.5. Der heilige Castus Neben den zwölf Märtyrern soll noch ein weiterer Heiliger nach Benevent gebracht worden sein: Der heilige Castus war ein Bischof und Märtyrer.157 Zu einem nicht näher angeführten Zeitpunkt sollen seine Reliquien aus Treventina nach Benevent transloziert worden sein. Der Bericht158 über diese Handlung wird von 159 D’ANGELO ins 8. bis 9. Jahrhundert datiert. Der Festtag des heiligen Castus ist der 7. November160, doch ist es schwierig, einen Kult des Heiligen auszumachen, da er nicht in die Kalendarien aus Monte Cassino aufgenommen und nicht in den Nachträgen ergänzt wurde. Auch im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint er nicht, ebensowenig im Marmorkalender von Neapel, im Martyrologium Bedas und dem Synaxarium von Konstantinopel. Somit handelt es sich bei seiner Vita und seinem Translationsbericht um die einzigen Quellen, die einen versuchten Kult für den Heiligen in Benevent belegen. Dort gelang es vielleicht nicht, seine Verehrung zu etablieren.
156 BHL 1620. Vgl. Emore PAOLI, Tradizioni agiografiche dei ducati di Spoleto e Benevento, in: I Langobardi dei ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo. Spoleto, 20–23 ottobre 2002, Benevento 24–27 ottobre 2002. Tomo Primo, Spoleto 2003, S. 289–315, S. 298. PAOLI datiert diese in die Zeit des 8./9. Jahrhunderts. Vgl. PAOLI, Tradizioni agiografiche dei ducati, S. 293. 157 Vgl. AASS, Nov. III., S. 341. 158 BHL 1651. In der BHL-Online-Datenbank sind keine Handschriften dieses Werkes aufgeführt. Der Text selbst wurde in den Acta Sanctorum aufgenommen. Vgl. AASS, Nov. III., S. 341–342. 159 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115. Die Bezeichnung einer raubenden Meute im 1. Jahrhundert n. Chr. als Sarazenen innerhalb des Textes deutet eher auf eine Entstehung ab dem 9. Jahrhundert hin. 160 Vgl. Antonio BALDUCCI, Casto, in: Bibliotheca Sanctorum. Band III, Rom 1963, Sp. 935– 936.
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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Im Translationsbericht wird Castus beschrieben und auf sein christliches Leben eingegangen, wobei er als Zeitgenosse Clemens’ I. (ca. 88–97) und Kaiser Traians (98–117) vorgestellt wird.161 Von diesem sei er nach Treventina, dem heutigen Trivento, geschickt worden, um dort den Menschen zu predigen.162 Seine Ankunft in der Stadt erinnert in der Beschreibung an den Adventus eines Heiligen,163 wodurch an dieser Stelle auf seine später erfolgte Verehrung vorgegriffen werden sollte. Aufgrund seiner Predigt sei nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Region dem christlichen Glauben zugeführt worden.164 Im Anschluss wird das Martyrium des Bischofs geschildert, das er durch eine plündernde Gruppe von Sarazenen erlangt habe165: Im Zuge der Auseinandersetzungen mit dieser Gruppe sei es zu einem gewaltsamen Vorgehen gegen Bischof Castus gekommen, dem ein Arm abgeschlagen worden sei. An dieser Verletzung sei er gestorben und von der Bevölkerung ehrenvoll beerdigt worden.166 Es ist auffällig, dass an dieser Stelle von Sarazenen die Rede ist, da Geschehnisse aus dem 1. Jahrhundert nach Christus beschrieben werden, es sich hierbei also nicht um die Sarazenen des 9. Jahrhunderts handeln kann. Vielleicht wurde hier ein aktueller Begriff rückprojeziert, um eine Situation zu beschreiben, die dem Schreiber nicht unbekannt war. Einige Jahrhunderte nach diesen Geschehnissen seien die Reliquien Castus’ von einem edlen Beneventaner namens Madius Cariosus in der Zeit, in der Arichis II. herrschte, nach Benevent gebracht worden, nachdem der Herzog um Erlaubnis gebeten worden war.167 In Benevent seien die Gebeine dann in eine dem Madius unterstehende Kapelle gebracht worden, die dem heiligen Andreas geweiht war.168 Es wird kein Grund für die Verlegung der Reliquien nach Benevent genannt, und laut dem Text wehrte sich die Bevölkerung von Treventina nicht gegen die Fortbringung ihres Heiligen. Es wird lediglich der beneventanische Herrscher gefragt, ob ein Edler die Reliquien in die Stadt und dort in seine Kapelle bringen dürfte. Es ist also nicht das kirchliche Oberhaupt, sondern der weltliche Herrscher, der seine Zustimmung erteilt.
161 AASS, Nov. III., S. 341: Denique, sicut relatu quorundam fidelium accepi, fuerat boni magistri discipulus, scilicet beati Clementis pape et martyris, qui tempore Traiani imperatoris, quia eius culture deorum suorum sua colla flectere nolebat, suo iussu apud Cersonam insulam exilio destinatus est postremum vero, ancora ad collum eius ligata in mare precipitatus est. 162 Vgl. Ebd., S. 342. 163 Ebd., S. 342: Cum autem appropinquasset pontem civitatis, ecce et alii fideles cum gaudio suscipientes eum cum ymnis et laudibus obviaverunt ei usque ad locum in quo erat mansurus. 164 AASS, Nov. III., S. 342: … unde non tantum episcopus sed etiam eorum apostolus vocitatur. 165 Vgl. Ebd., S. 342. 166 Vgl. Ebd., S. 342. 167 Vgl. Ebd., S. 342. 168 Vgl. Ebd., S. 342.
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Translationen und lokale Heilige
Die Passio berichtet über einen Märtyrer des 1. Jahrhunderts, der allerdings das Martyrium nicht aufgrund einer Christenverfolgung erlitt, sondern von einer fremden Gruppe von Menschen, in diesem Falle als Sarraceni bezeichnet, welche die Gegend überfiel und dabei auch gewaltsam gegen die Bevölkerung vorging, tödlich verwundet wurde. Aufgrund dieser Bezeichnung könnte vermutet werden, dass es sich dabei um einen Beutezug aus Afrika handelte, doch liefert die Quelle keine eindeutige Antwort. Die Sarazenenüberfälle der Abfassungszeit des Werkes müssen auf diese Formulierung Einfluss genommen haben. 6.1.2.
Die Umbruchszeit des beginnenden 9. Jahrhunderts
In der Regierungszeit Sicos und Sicards kam es in den 820/830er Jahren in Benevent erneut zur Verlegung von Reliquien, wobei einige durch kriegerische Auseinandersetzungen mit anderen Städten der Region zustande kamen. Allerdings sind diese Translationen in der Regel weniger gut datierbar als diejenigen, die durch Arichis II. vorgenommen wurden, da sich nur wenige Anhaltspunkte in den jeweiligen Texten finden, die eine eindeutige Datierung ermöglichen würden. Neben den erbeuteten Heiligen kam es zu Translationen von Heiligen aus der Umgebung, wobei eine große Anzahl von ihnen aus Nola stammte. Von besonderer Bedeutung war die Translation des Apostels Bartholomäus im Jahr 838169, da durch diesen bedeutenden Heiligen die kirchliche Autorität der Stadt in der Zukunft begründet werden konnte. 6.1.2.1. Heilige aus Nola Insgesamt drei Heilige wurden aus Nola nach Benevent transferiert, wobei manchmal nicht eindeutig auszumachen ist, ob diese freiwillig herausgegeben wurden oder ob ein Diebstahl vorlag.170 In der Regierungszeit Sicards wurden im Jahr 839 wahrscheinlich die Reliquien des heiligen Bischofs Deodatus von Nola während der Belagerung der Stadt171 durch die beneventanischen Truppen nach Benevent gebracht.172 Laut 169 Da die Translation durch einen Überfall der Sarazenen begründet wurde, ist der Bericht über sie in Kapitel 6.4.1 zu finden. 170 Ein vierter Heiliger aus Nola ist der Bischof Maximus. Seine Gebeine wurden laut Gianstefano REMONDINI nach Benevent transferiert, was jedoch von KOROL bezweifelt wird, da REMONDINI keine Quellen dafür angibt und er selbst keine gefunden habe. Vgl. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 110. Er gibt als Literaturhinweise Gianstefano REMONDINI, Della Nolana Ecclesiastica Storia, Neapel 1747 an, bei dem tatsächlich keine Quellen genannt werden. Daher wird diese vermeintliche Translation nicht in diese Untersuchung aufgenommen. 171 Nola ist eine Stadt, die beständig zwischen Benevent und Neapel umkämpft war, wobei sie zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert politisch meist zu Benevent gehörte. Vgl. Hans BELTING, Die Basilica Dei SS. Martiri in Cimitile und ihr frühmittelalterlicher Freskenzyklus
Langobardische Eigenständigkeit? – Heiligenverehrung in Benevent
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Dieter KOROL ist Deodatus mit dem Nolaner Archipresbyter Adeodatus identisch, der im 5./6. Jahrhundert achtzigjährig verstarb.173 Er nimmt auch an, dass die Verlegung der Gebeine des Heiligen entweder zusammen mit der Translation der sterblichen Überreste des heiligen Paulinus von Nola oder kurz danach vonstattengingen.174 Der Festtag des Heiligen ist der 26. Juni.175 Sein Kult scheint nicht weit verbreitet gewesen zu sein, da er weder im Marmorkalender von Neapel, noch in einem der Kalendarien aus Monte Cassino erwähnt wird. Auch wurde er nicht in den nachträglichen Einfügungen, die wahrscheinlich in Benevent vorgenommen wurden, ergänzt. Er erscheint auch nicht bei Beda, im Martyrologium Hieronymianum oder im Synaxarium von Konstantinopel. Neben Deodatus wurden auch die Reliquien des heiligen Paulinus I. von Nola nach Benevent gebracht. Wann diese in den Dom von Benevent gelangten, ist heute nicht mehr eindeutig auszumachen176, doch sprechen die übrigen Translationen für einen Zeitraum von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis zum ersten
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(Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie, 5), Wiesbaden 1962, S. 19. Dass Nola teilweise von Arichis II. an Neapel abgetreten wurde, bezweifelt KOROL, da er meint, dass BELTING eine Textstelle bei Erchempert überinterpretiere. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 110. In dieser Textstelle wird ein Friedensschluss zwischen Benevent und Neapel zu dieser Zeit erwähnt. Scriptores rerum langobardicarum, S. 235: Qui audiens eos super se adventare, Neapolitibus, qui a Langobardis diutina oppressione fatigati erant, pacem cessit eisque diaria in Linguria et Cimiterio … Laut BELTING spricht auch die Tatsache, dass die Translation des heiligen Deodatus gewaltfrei und ohne Überlistungen zustande kam, dafür, dass die Stadt in dieser Zeit zu Benevent gehörte. Vgl. BELTING, Die Basilica Dei SS. Martiri in Cimitile, S. 19. Dies wird von KOROL bezweifelt. Vgl. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 110. Vgl. Pietro BURCHI, Deodato, in: Bibliotheca Sanctorum. Band IV, Rom 1964, Sp. 571–572, hier Sp. 572; GALDI, Santi, territori, poteri, S. 270. Der Translationsbericht, der über diese Ereignisse berichtet, wurde im 18. Jahrhundert von BORGIA publiziert. Vgl. Translatio Sancti Deodati, in: Memorie Istoriche della pontificia città di Benevento dal secolo VIII. al secolo XIII. Parte Prima, hg. v. Stefano BORGIA, Rom 1763, S. 356–358, S. 356–358; BHL 2136. Der Text hat sich in einer Handschrift im Archiv in Benevent erhalten. Benevento, BC, Codex II., fol. 055–056, 1076–1125. In den Acta Sanctorum findet sich die Vita des Heiligen, deren Abdruck von UGHELLI ebenfalls im 18. Jahrhundert vorgenommen wurde. Vgl. AASS, Jun. V., S. 260–261; UGHELLI, Italia Sacra 8, Sp. 42f. Der Text ist undatiert. PAPERBOCH gibt für die Vita das Jahr 1117 an, wobei er sich nicht festlegt, ob sie in diesem Jahr verfasst oder nur abgeschrieben wurde. Vgl. AASS, Jun. V., S. 259. Auch GALDI geht neuerdings davon aus, dass die Texte über Deodatus aus der Anfangszeit des 12. Jahrhunderts stammen. Auf die Datierung des Translationsberichts von Deodatus wird in der Forschung nicht eingegangen, doch wurde er möglicherweise in zeitlicher Nähe zu den Geschehnissen verfasst. Allerdings gibt es im letzten Abschnitt des Textes einen Verweis auf Papst Paschalis, bei dem es sich um Paschalis II. (1099–1118) handeln muss, da Paschalis I. nur bis zum Jahr 824 lebte. Vgl. Bernhard SCHIMMELPFENNIG, Das Papsttum, 6. Auflage, Darmstadt 2009, S. 372 u. 375. Vgl. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 111. Vgl. Ebd., S. 104. Vgl. BURCHI, Deodato, passim. Vgl. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 94.
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Drittel des 9. Jahrhunderts.177 Möglicherweise fand die Translation gleichzeitig mit derjenigen des Deodatus statt, lässt sich jedoch nicht belegen.178 Der Festtag des heiligen Paulinus ist der 22. Juni. Seine Verehrung war in der Region verbreitet, da er sowohl im Marmorkalender von Neapel als auch im Kalendarium Casanatensis 641 aufgeführt wird.179 Dies kann sicherlich darauf zurückgeführt werden, dass Benevent und Neapel Anspruch auf Nola erhoben und somit die Heiligen der Stadt in beiden Orten bekannt waren. Paulinus wird bereits in den Dialogen Gregors des Großen genannt, was seine Bekanntheit aufzeigt. 180 Im Martyrologium des Erchempert ist er allerdings nicht enthalten. Angeblich wurden seine Reliquien als diejenigen des Bartholomäus ausgegeben, als Kaiser Otto III. im Jahr 983 von Benevent forderte, den Apostel nach Rom abzugeben.181 Ein weiterer Heiliger aus Nola, dessen Reliquien nach Benevent gebracht wurden, war der heilige Bischof Felix II. Auch seine Reliquien wurden im Dom von Benevent, wahrscheinlich in der gleichen Zeit, niedergelegt.182 Für seine Translation nach Benevent hat sich kein Bericht erhalten. Der Festtag des Felix ist der 14. Januar. Im Kalender Casanatensis 641 gibt es für den 14. Januar den Eintrag: S. Felicis confessoris183, bei dem es sich wohl um den genannten Heiligen handelt. Im Marmorkalender von Neapel184 und im Martyrologium Bedas185 erscheint dieser Heilige ebenfalls an seinem Festtag, aber nicht im sogenannten Martyrologium Erchemperts. Der Subdiakon Petrus von Neapel verfasste für den heiligen Felix von Nola um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert einen Mirakelbericht.186 Die neueste
177 Vgl. Ebd., S. 103. 178 Für die Translation könnte die Sarazenengefahr als Anlass genommen worden sein. Vgl. KOROL, Neues zur Geschichte, S. 104. Diese Vermutung wurde auch von Paolo BERTOLINI, Studi per la cronologia dei Principi Langobardi di Benevento da Grimoal I a Sicardo [787–839], in: Bullettino dell’istituto storico italiano per il medio evo e archivio Muratoriano 80 (1968), S. 25–135, hier S. 59 u. 78, geäußert. 179 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 23; Achelis, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. 180 Vgl. Gregorii Magni, Dialogi. Libri IV (Fonti per la storia d’Italia. Publicate dall’Istituto storico Italiano, 57), hg. v. Umberto MORICCA, Rom 1924, S. 135–139. 181 Siehe Kapitel 6.4.1. 182 Vgl. Serafino PRETE, Felice di Nola, in: Bibliotheca Sanctorum. Band V, Rom 1965, Sp. 549– 555, hier Sp. 553; KOROL, Neues zur Geschichte, S. 104; AASS, Jan. I., S. 941: Marius Viperanus quasdam S. Felicis reliquias in Ecclesia Beneuentana sub principe ara asseruari testatur. 183 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 13. 184 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 185 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 7. 186 Vgl. Petrus Subdiaconus, Miracula Sancti Felicis Nolani, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 209–213, S. 209–213; BHL 2876. In der BHL Online-Datenbank werden 15 Handschriften des Mirakelberichtes aufgeführt, die in Archiven in Neapel, Rom und im Vatikan aufbewahrt werden. Die ältesten entstammen dem 11. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=2876&RequestTimeout=500.
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Edition liegt in der Arbeit von D’ANGELO vor.187 Der Text ist nicht nur in Prosa, sondern teilweise in Versen verfasst. Er enthält keinen Hinweis auf andere Städte, in denen Wunder durch den Heiligen gewirkt wurden, wie beispielsweise Benevent, wo sich einige Reliquien befanden, und auch Neapel als Ursprungsort der Werkes wird nicht genannt. Es scheint sich also um eine Auftragsarbeit gehandelt zu haben, die es nicht zum Ziel hatte, die Wunder des Heiligen an einem anderen Ort als seinem ursprünglichen zu beschreiben. Somit wurde hier wie in einigen Werken der neapolitanischen Übersetzer keine Verbindung zwischen der Niederschrift und dem Entstehungsort des Textes hergestellt. Dass mögliche Wunder, die in Benevent durch die vorhandenen Reliquien gewirkt wurden, nicht erwähnt werden, überrascht aufgrund der Konkurrenzsituation in keiner Weise. Es ging darum, den Ruhm des Heiligen zu vermehren, nicht eine gegnerische Stadt zu rühmen. Zudem war Nola zu diesem Zeitpunkt bereits ein Suffraganbistum des Metropolitansitzes Neapel, wo der Heilige zwar nicht mehr in der eigenen Stadt vorhanden war188, seine Verehrung aber innerhalb des Erzbistums vorgenommen wurde. Ein Text über ihn war durchaus von Interesse, denn seine Wunder konnten den Ruhm der gesamten Diözese erhöhen. Der Bericht selbst schildert die verschiedenen Wunder, die durch den heiligen Felix von Nola gewirkt wurden. Darin wird auf die Dialoge Gregors I. verwiesen, in denen über den Bischof Paulinus von Nola berichtet wird.189 In diesem Mirakelbericht finden auch die Sarazenen und ihre Bedrohung für Bari und Tarent Erwähnung.190 Selbst wenn der Text erst nach der Befreiung Baris durch Kaiser Ludwig II. 871 niedergeschrieben wurde, so scheinen sich die Ereignisse doch so im Gedächtnis verankert zu haben, dass später immer noch darauf verwiesen wurde.191 Die Sarazenen werden im Mirakelbericht des heiligen Felix als Ismaeliten192 oder als Agarener193 bezeichnet.
187 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 209–213. 188 Wobei es möglich ist, dass nur einige Reliquien von ihm nach Benevent gebracht wurden, sodass ein Teil weiterhin an seinem Ursprungsort blieb. Ohne einen Translationsbericht lässt sich dies allerdings schwerlich klären, zumal auch in den Translationsberichten in der Regel sprachlich nicht explizit zwischen dem gesamten Leib und nur einigen Teilen geschieden wurde. 189 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 211. 190 Vgl. Ebd., S. 212. 191 Zudem war in dieser Zeit die Gefahr noch nicht gebannt, da es den Sarazenen gelungen war, dauerhaft auf Sizilien zu bleiben und sie auch auf die Apennin-Halbinsel weiterhin Raubzüge unternahmen, bei denen sie an einigen Orten für eine begrenzte Zeit sesshaft wurden. Besonders gefährdet blieb weiterhin die Region Apulien. Siehe Kapitel 3.3. 192 D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 212: … de fornace ethnicae feritatis Hismaheliticam frameam protrahens … 193 Ebd., S. 213: … per eundem beatum Felicem prephatam rabiem Agarenorum mirabili subsannatione decipere dignatus est.
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6.1.2.2. Felicitas und ihre Söhne Neben diesen Heiligen aus Nola sollen auch Felicitas und ihre Söhne in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts nach Benevent gebracht worden sein. Diese sind römische Märtyrer, die im Laufe des 2. Jahrhunderts unter Antoninus Pius das Martyrium erlitten.194 Laut dem Translationsbericht wurde unter Sicards Herrschaft die Translation195 der Gebeine der Felicitas und ihrer Söhne vorgenommen.196 An den Passionsbericht der Heiligen schließt sich eine kurze Erzählung der Translation an. Es wird gesagt, dass nach vielen Jahren die Grabstätten in Vergessenheit geraten und erst durch Sicard und den Bischof Ursus die Gebeine mit hohen Ehren nach Benevent gebracht worden seien.197 Zudem wird noch der Festtag der Heiligen genannt, der am 10. Juli ist. Auch in den Acta Sanctorum wurden verschiedene Texte über diese Heiligen aufgenommen,198 die undatiert sind. Der erste Text199, der um einiges kürzer ist als der zweite, enthält lediglich die Passio der Heiligen und keinen Hinweis auf eine vorgenommene Translation, welche erst im zweiten Text erwähnt wird, wobei sie hier nur einen kurzen Abschnitt einnimmt.200 Die Namen der sieben Söhne lauten Januarius, Felix, Philippus, Silvanus, Alexander, Vitalis und Martialis.201 Gemeinsam mit ihren Söhnen sei die Witwe Felicitas vor Publius gebracht worden, weil sie nicht den römischen Götterkult vollzogen habe, wobei Felicitas gegenüber dem Statthalter ihre Position klar ge194 Manlio SODI/Roberto FUSCO, Martyrologium Romanum. Editio Princeps (1584) (Monumenta Liturgica Concilii Tridentini), Vatikan 2005, S. 202: Romae passio sanctorum septem fratrum, filiorum sanctae Felicitatis martyris, id est, Ianuarii, Felicis, Philippi, Silvani, Alexandri, Vitalis et Martialis, tempore Antonini Pii Imperatoris … 195 BHL 2854. In der BHL Online-Datenbank wird nur eine erhaltene Handschrift in Benevent aufgeführt. Benevento, BC, codex II, 076–079, 1076–1125. Von Ughelli wurde auch der Bericht abgedruckt. Der Verfasser ist unbekannt, und als Herkunft seiner Quelle gibt UGHELLI ex codice manuscripto literis Langobardis antiquissimo Monasterii monialium et sancti Victorini de Benevento Ordinis sancti Benedicti an. Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 8, Sp. 40. 196 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 8, Sp. 40. 197 Ebd., Sp. 42: vere Catholici Longobardorum Pricipis Sicardi, Ursus Beneventanae sedis electus, eadem Sanctorum corpora elevans ad Aliphis, magno cum honore Beneventum perduxit, et magnifice in Beatae Mariae Ecclesia cum aliorum plurimis Sanctorum corporis collocavit. 198 Vgl. AASS, Jul. III., S. 12–18, S. 12: „Ex cod. Ms. pergameno, majoris formae, abbatiae Vallicellensis, Ordinis Cisterciensis, collato cum tribus antiquis codd. Mss. pergamenis, nimirum hospitalis S. Nicolai prope Cusam, Passionali, olim Collegii Fuldensis S. I., et alio anonymo: nec non cum impressis apud Ruinart ex codd. compluribus Mss. et editis inter Acta Martyrum sincera a pag. 26, secundae editionis.“ 199 Vgl. AASS, Jul. III. S. 12f. 200 Vgl. Ebd., S. 18. 201 Vgl. Ebd., S. 12. Die Geschichte erinnert neben dem Makkabäer-Text (2 Makk 7) auch an die zwölf Märtyrer, die ebenso wie die Söhne nicht alle an einem Tag und an mehreren Orten das Martyrium erlitten. Zudem ist eine große Namensähnlichkeit zwischen den sieben Söhnen und den zwölf Märtyrern vorhanden.
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äußert habe.202 Die Aussage des Statthalters, dass die Mutter doch dafür sorgen solle, dass ihre Söhne nicht stürben, habe sie damit beantwortet, dass diese leben werden.203 Die Söhne wurden vor den Augen der Mutter gefoltert und einer nach dem anderen hingerichtet.204 Auch Felicitas erlitt schließlich das Martyrium, worauf die christliche Gemeinde nachts die Gebeine der Heiligen eingesammelt habe.205 Im letzten Absatz wird beschrieben, dass der beneventanischen Bischof Ursus die Gebeine der Heiligen nach Benevent habe bringen lassen, wo ihnen im Anschluss Verehrung zuteilgeworden sei.206 Der Festtag der Heiligen am 10. Juli ist in den Ergänzungen des Codex Casanatensis 641 enthalten, wo es heißt: Natalis Felicitas et filiorum eius207. Dies zeigt auf, dass der Heiligenkult im 9. Jahrhundert in Benevent verbreitet war, da er im Kalender nachgetragen wurde. Im Marmorkalender von Neapel ist dieser Festtag nicht enthalten und auch nicht im sogenannten Martyrologium des Erchempert. Im Martyrologium Bedas erscheint die Heilige mit ihren Söhnen208, im Synaxarium von Konstantinopel wird sie hingegen nicht genannt. Heute wird Felicitas zusammen mit ihren Söhnen in Rom verehrt, wo sie auch begraben worden sein soll.209 Wie kam es also zu dem Bericht, dass die Gebeine der Heiligen nach Benevent gebracht wurden? Möglicherweise sollte eine Verbindung zwischen Rom und Benevent hergestellt werden, da sich nun römische Heilige in der Stadt befanden. Hierfür wäre es von Bedeutung, zu wissen, wann der Text über die Translation entstand oder ob es sich bei dem Abschnitt um eine spätere Einfügung handelte. Aufgrund der Tatsache, dass Felicitas und ihre Söhne in den Ergänzungen des Kalenders gegen Ende des 9. Jahrhunderts erscheinen, ist zu vermuten, dass es in dieser Zeit einen Kult in Benevent gab, der durch einen solche Quellen gestützt wurde. Allerdings gibt es diesbezüglich keine weiteren Hinweise.
202 Ebd., S. 12: Nec blandimentis tuis resolvi potero, nec terroribus tuis frangi. 203 Ebd., S. 12: Publius dixit: Misera si tibi suave est mori; vel filios tuos fac vivere. Felicitas respondit: Vivent filii mei, si non sacrificaverint idolis; si vero hoc tantum scelus admiserint, in aeternum ibunt interitum. 204 Vgl. Ebd., S. 18. 205 Ebd., S. 18: Denique Christianorum phalanx collecta per opaca noctis venerunt ad locum, ubi sanctae matris sanctorumque pignorum corpora cruenta jacebant … 206 Ebd., S. 18: Cumque multa post annorum curricula, diversis potentatibus diversarum gentium in Italia immutatis, locus ille, quo Sancti quiescebant, viluisset, et absque honore debito tam praecipua Sanctorum corpora essent, ex jussu eximii ac veri Catholici Longobardorum principis Sigehardi, Ursus, Beneventanae sedis electus, eadem Sanctorum corpora elevans de Alisis, cum magno honore Beneventum perduxit, et magnifice in beatae [Mariae semper Virginis] ecclesiam cum aliorum plurimis consanctorum corporibus collocavit. 207 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 25. 208 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 86. 209 Vgl. Filippo CARAFFA, Felicita, in: Bibliotheca Sanctorum. Band V, Rom 1965, Sp. 605–608, hier Sp. 605f.
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6.1.2.3. Der heilige Juvenalis Ferner soll ein Heiliger namens Juvenalis nach Benevent überführt worden sein. Über diese Translation ist so gut wie nichts bekannt, außer dass er in die Kirche S. Sophia gebracht wurde, wo für ihn bis heute ein eigener Altar besteht.210 Daraus ergibt sich ein terminus post quem, da die Kirche zum Zeitpunkt der Übertragung anscheinend schon errichtet war.211 Ein Translationsbericht hat sich nicht erhalten, lediglich ein Mirakelbericht über den Heiligen, der allerdings nicht eindeutig datiert ist.212 Er wird jedoch spätestens ins 12. Jahrhunderts angesetzt,213 weswegen die Translation der Gebeine des Heiligen in die Zeitspanne zwischen dem Bau der S. Sophia in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und das 12. Jahrhundert datiert werden kann.214 Juvenalis’ Verehrung scheint nicht weit verbreitet gewesen zu sein, denn außer seinem Mirakelbericht215 belegen keine weiteren Quellen einen Kult. Er wird nicht in den Kalendarien aus Monte Cassino aufgeführt und ist nicht in den Nachträgen ergänzt worden. Auch das Martyrologium des Erchempert enthält diesen Heiligen nicht. Allerdings wird ein Heiliger namens Juvenalis im Martyrologium Bedas am 7. Mai aufgeführt, wobei er sich bezüglich der Herkunft des Heiligen nicht äußert.216 Somit kann nur festgehalten werden, dass eine Translation zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach 760 nach Benevent stattgefunden hat und dass die Verehrung des Heiligen keine weiten Kreise gezogen hat. Antonio VUOLO geht davon aus, dass der Mirakelbericht des Heiligen nicht vor den 940er Jahren erstellt wurde, da das Kloster S. Sophia im zweiten Wunder als Männerkloster beschrieben wird, was es aber erst ab der zweiten Hälfte des
210 Vgl. Antonino de STEFANO, Nuovi testi di leggende agiografiche beneventane, in: Papers of the British school at Rome 24 (1956), S. 117–123, S. 120. 211 Siehe Kapitel 5.1. 212 Vgl. STEFANO, Nuovi testi di leggende, S. 121ff.; VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale. 213 Vgl. STEFANO, Nuovi testi di leggende, S. 117; VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 161. Eine weitere Handschrift des heiligen Juvenalis wurde zusammen mit dem Translationsbericht der zwölf Märtyrer, einer Vita des Mercurius, Notizen über Barbatus und einem Bericht über das Martyrium des Januarius in der Biblioteca Arcivescovile di Benevento überliefert, wobei Stefano nicht die Signatur angibt. Er wurde von DE STEFANO in der Mitte des 20. Jahrhunderts und erst kürzlich von VUOLO kritisch ediert. Vgl. STEFANO, Nuovi testi di leggende, S. 117; VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 163–167. VUOLO hatte im Gegensatz zu DE STEFANO nicht nur die eine Handschrift vorliegen, sondern aus dem Archivio Diocesano di Napoli eine weitere Abschrift des 17. oder 18. Jahrhunderts. VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 162. 214 Aufgrund der anderen Translationen ist zu vermuten, dass die Translation dieses Heiligen entweder in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts oder in den 830er Jahren stattgefunden hat, da in diesen Zeiten mehrere Translationen vorgenommen wurden, während ansonsten scheinbar keine geschahen. 215 BHL 4613m. In der BHL Online-Datenbank sind keine Handschriften aufgeführt. 216 Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 55: Et natale sancti Iuuenalis martyris …
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10. Jahrhunderts war.217 Eine genaue Datierung ist dabei nicht gegeben, als terminus ante quem kann das 12. Jahrhundert genannt werden, da der Codex, in dem der älteste Text enthalten ist, vermutlich aus diesem Jahrhundert stammt.218 Von Antonio DE STEFANO wird die Entstehung des Textes allgemein erst ins 12. Jahrhundert gesetzt.219 Die Pest, von der im ersten Abschnitt des Mirakelberichts die Rede ist, lässt sich nicht in den historiographischen Quellen Benevents finden220, weswegen darüber keine Datierung möglich ist. Bei der Pest dürfte es sich zudem um ein häufiger auftretendes Problem gehandelt haben, da aus anderen Städten der Region ebenfalls von Pesterkrankungen berichtet wird.221 Eine solche Epidemie ist eine reale Gefährdung des Lebens, die immer wieder auftreten konnte, ohne dass die Menschen konkrete Vorgehensweisen dagegen zur Verfügung hatten, weswegen der Schutz durch die Heiligen besonders erstrebenswert erschien. Insgesamt seien drei Wunder geschehen, die sich auf eine unterschiedliche Anzahl von Lectiones verteilen. Das erste Wunder umfasst die Abschnitte 1–5, das zweite 6–10 und das letzte 11 und 12. Es werden insgesamt drei Heilungswunder beschrieben, die an zwei Männern und einem Jungen gewirkt wurden. Im ersten Mirakel wird noch geschildert, dass es in der Zeit der Pest222 stattfand und die Genesung durch eine Austreibung geschah. Im gesamten Mirakelbericht wird die Stadt Benevent kein einziges Mal erwähnt. Lediglich das Kloster S. Sophia wurde aufgenommen, wobei es sich laut dem zweiten Wunder um ein Männerkloster handelte und nicht mehr, wie ursprünglich von Arichis II. festgelegt, um ein Frauenkloster.223 Zudem wird es in zwei von drei Wundern erwähnt, wodurch sein Ruhm neben dem des Heiligen verbreitet wurde.224 Da der Heilige einen Altar in S. Sophia besaß, galt sein Schutz besonders den Gläubigen, die zu dieser Kirche und dem Kloster gehörten, weswegen diesen seine Wunder zuteilwurden.
217 Vgl. Graham A. LOUD, The Medieval Records of the Monastery of St Sophia, Benevento, in: Montecassino and Benevento in the Middle Ages. Essays in South Italian Church History, hg. v. Graham A. LOUD, Aldershot/Burlington 2000, S. 364–373, S. 365; VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 161. 218 Vgl. VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 160f. 219 Vgl. STEFANO, Nuovi testi di leggende, S. 121. Für ihn ist auch von Bedeutung, dass es in den vorherigen Jahrhunderten keine Nennung des Heiligen gibt. 220 Vgl. VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 160f. 221 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 425; SKINNER, Health and Medicine, S. 153f. 222 VUOLO, I „Miracula“ di S. Giovenale, S. 163: Cumque uiri ac mulieres pestilentia percuterentur … 223 Vgl. Ebd., S. 165 u. 167. Das Kloster wurde Mitte des 10. Jahrhunderts den Mönchen übergeben, sodass hier ein terminus post quem für das letzte Wunder gegeben ist. Siehe Kapitel 5.1. 224 Vgl. Ebd., S. 162.
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6.1.2.4. Der heilige Marcianus Zuletzt soll auch ein Heiliger Marcianus nach Benevent transloziert worden sein. Die Identifizierung dieses Heiligen bereitet einige Schwierigkeiten. So findet sich in der BHL einmal ein Marcianus, der Bischof von Frigento war, dessen Festtag auf den 14. Juli fällt und der nach Benevent transloziert worden sein soll,225 und zum anderen ein Marcianus, der Bischof von Syrakus war, dessen Festtag auf den 9. Februar beziehungsweise 14. Juni fällt, bei dem es aber keine Angaben bezüglich einer Translation nach Benevent gibt226. Bei dem hier behandelten heiligen Marcianus handelte es sich vermutlich um den Bischof von Frigento.227 In den Ergänzungen des Codex Casanatensis 641 wird am 14. Juni ein Marcianus als Bischof und Bekenner aufgeführt228, wohingegen am 14. Juli kein Heiliger dieses Namens in den Kalendarien aus Monte Cassino erscheint. Im Marmorkalender werden an beiden Tagen andere Heilige genannt, und auch das sogenannte Martyrologium Erchemperts, das Martyrologium Bedas und das Synaxarium von Konstantinopel enthalten zu diesem Heiligen keine Informationen. Laut dem Translationsbericht geschah die Überführung in der Zeit, als Ursus (ca. 831–838) Bischof in Benevent war.229 Somit liegt hier eine weitere Translation in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts vor, die erstmals durch den beneventanischen Bischof vorgenommen wurde. Während die bisher behandelten Heiligen keine Kleriker waren, kommt hier das erste Mal einem Kirchenmann Verehrung zu. Ebenfalls entstand in der Mitte des 9. Jahrhunderts in Benevent eine Vita des Bischofs Barbatus,230 wodurch dessen Kult einen Aufschwung erhielt. Es ist also annehmbar, dass durch die zunehmende Bedeutung der Bischöfe in Benevent nun auch bewusst die Kulte um die heiligen Bischöfe gefördert wurden, eventuell um die eigene Stellung zu unterstreichen. Für den heiligen Marcianus existiert eine Vita, die von Ferdinando UGHEL231 und in den Acta Sanctorum ediert wurde, wobei der Text undatiert und die LI handschriftliche Überlieferung nicht nachvollziehbar ist.232 In dieser Vita wird das Leben des Heiligen in Frigento geschildert, ohne dass es einen Bezug zu Benevent oder eine Erwähnung der Translation in diese Stadt gibt.
225 BHL 5263b. In der BHL Online-Datenbank werden zwei Handschriften aufgeführt, die beide in die Zeit zwischen 1076 und 1125 datiert werden. Benevento, BC, codex II, fol. 005v–012 und Roma, Casanat., codex 1408 (alias A. I. 16), fol. 054–059v. 226 BHL 5265c. 227 Vgl. Giovanni MONGELLI, Marciano, in: Bibliotheca Sanctorum. Band VIII, Rom 1967, Sp. 690. 228 Vgl. Catalogus Codicum Hagiographicorum Latinorum, S. 344; LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 23. 229 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 8, Sp. 285. 230 Siehe Kapitel 6.1.2. 231 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 8, Sp. 285ff. 232 Vgl. AASS, Jul. III., S. 654–656.
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Der Translationsbericht des Heiligen liegt nur in einer Handschrift in den Analecta Bollandiana vor.233 Vor dem eigentlichen Bericht steht, dass der Heilige octavo decimo kalendas iulii234 seinen Festtag hat, was dem 14. Juni entspricht. Laut dem Translationsbericht ging die Überführung von Bischof Ursus aus, der viele Heilige gesammelt und in die Kathedrale habe bringen lassen.235 Es wird beschrieben, dass sich der Bischof darum bemühte, die Heiligen, die an verschiedenen Orten lagen, an einem Ort zu versammeln.236 Unter großen Ehren seien die Gebeine des Heiligen aus seiner Grabstätte in Frigento erhoben und nach Benevent gebracht worden.237 Dieser Text ist nicht datiert, doch könnte vermutet werden, dass er im Umfeld der Translation erstellt wurde, da solche Ereignisse häufig der Anlass für eine schriftliche Fixierung waren. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Translation durch einen Bischof und nicht einen Fürsten veranlasst wurde, nachdem in der Herrschaftszeit Arichis’ II. zwar ebenfalls Translationen durch andere Personen als den Herrscher durchgeführt wurden, doch handelte es sich bei diesen nicht um kirchliche Würdenträger. Hier liegt also ein Beispiel vor, dass sich der Bischof selbst um die Einholung von Reliquien bemühte, denen im Anschluss in Benevent Verehrung zuteilwerden sollte. 6.1.2.5. Der Diebstahl von Reliquien – Eine Innovation? Während die Translationen, die unter Arichis II. vorgenommen wurden, scheinbar friedlich vonstattengingen, kam es in den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts zu Reliquiendiebstählen. Der Raub des Schutzheiligen einer Stadt erschütterte das religiöse Fundament dieses Ortes, da davon ausgegangen wurde, dass dieser die Stadt bewachte und für ihre Bewohner eine besondere Fürsprache im Himmel ausübte. Somit bedeutete es nicht nur einen materiellen, sondern vor allem einen ideellen Verlust, wenn diese Reliquien entwendet wurden.
233 Vgl. Catalogus Codicum Hagiographicorum Latinorum, S. 344. 234 Vgl. Ebd., S. 344. 235 Ebd., S. 344: Sicut de multis sanctorum corporibus fecerat, quos de diversis partibus congregaverat et in ecclesia sanctae Dei genitricis digno cum honore collocaverat, ita de corpore beatissimi Marciani satagere et perficere cupiebat. An diese Bemühungen schließt sich die Schilderung der Einholung der Reliquien an. 236 Dies erinnert ein wenig an Arichis II., der sich ebenfalls bemühte, die zwölf Märtyrer aus ihren jeweiligen Bestattungsorten zu holen, um sie dann in seiner Kirche zu versammeln. 237 Catalogus Codicum Hagiographicorum Latinorum, S. 344: … cum timore magno et reverentia ad arcam eius accedens una cum clericis qui cum eo adherant illam aperiens sacratissimum corpus beatissimi Marciani exinde auferens cum ymnis et canticis atque cum magno clericorum obsequio Beneventum perduxit et in ecclesia sanctae Dei genitricis et virginis Mariae oratorium statuit et honorifice collocavit.
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6.1.2.6. Der heilige Januarius Der erste Diebstahl, derjenige des heiligen Januarius aus Neapel, geschah in der Herrschaftszeit Sicos. Januarius war der erste Bischof und Gründer der beneventanischen Kathedra, der während der Christenverfolgung unter Kaiser Diocletian nahe Neapel das Martyrium erlitten hatte und im 5. Jahrhundert in den Katakomben außerhalb Neapels beerdigt worden war, wo er zum Schutzpatron der Stadt wurde.238 Diesem Heiligen wurde sowohl in Neapel als auch in Benevent Verehrung zuteil. Seine Reliquien seien laut der Bischofschronik von Neapel von Bischof Johannes nahe Neapel entdeckt und in die Katakomben außerhalb der Stadt gebracht worden, die von nun an den Namen S. Gennaro tragen sollten.239 Dort habe Bischof Johannes ein Oratorium errichten lassen240, in dem die Reliquien des Heiligen wahrscheinlich im Altar niedergelegt wurden, wobei der Bischof bestimmt habe, dass der Platz zur Rechten des Heiligen für sein eigenes Grab Verwendung finden sollte.241 Die große Bedeutung des Heiligen für Neapel wird auch in der Grabinschrift des Herzogs Stephanus III. von Neapel (821–832) deutlich, da dort Januarius explizit genannt wird.242 Dieser Herzog herrschte in der Zeit, als die Gebeine des Heiligen gewaltsam nach Benevent gebracht wurden. 243 Dennoch wird der Heilige in der Grabinschrift genannt, was auf eine fortwährende Verehrung hinweist. Sein Kopf und eine Ampulle mit seinem Blut verblieben in Neapel und im Jahr 1497 kehrten auch die übrigen Reliquien des Heiligen dorthin zurück.244 In Benevent befanden sich seit dem 5. Jahrhundert zwei Gefährten des Januarius, nämlich Festus und Desiderius,245 und es war, laut Eberhard GOTHEIN, schon
238 Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 9; OTRANTO, Persecuzione e martirio, S. 88. 239 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 406; ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 61; Amalia GALDI, Quam si urbem illam suae subdiderit. La traslazione delle reliquie di san Gennaro a Benevento tra istanze politiche, agiografia e devozione, in: San Gennaro nel XVII centenario del martirio (305–2005). Atti del Convegno internazionale (Napoli, 21–23 settembre 2005). Volume I (Campania Sacra. Rivista di Storia Sociale e Religiosa del Mezzogiorno, 37), hg. v. Gennaro LUONGO, Neapel 2006, S. 223–242, hier S. 224. 240 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 406: … in eo oratorio, ubi manu sua dicitur condidisse beatissimum martyrem Ianuarium a Marciano sublato, et ipse parte dextra humatus quievit. 241 Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 9. 242 Carmela RUSSO MAILLER, Il senso medievale della morte nei carmi epitaffici dell’Italia meridionale fra VI e XI secolo, Neapel 1981, S. 99: Haec Christi Martyr Ianuari deposco ut per te meis delictis ignoscat Sabaoth … 243 Vgl. BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei, S. 57. Auf den Kult des Heiligen und seiner Gefährten wird ausführlich in Kapitel 6.1.2 eingegangen. 244 Vgl. Angelomichele de SPIRITO, La patria contesa. Benevento, Napoli e San Gennaro (Europa mediterranea, 7), Rom u.a. 2006, S. 25. 245 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 116: Sic omnes septem pariter sunt decolati, et tulerunt nocte eorum corpora populi Christianorum. … Festum et Desiderium Benevetanis
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in den Jahren vor der Ankunft des Januarius in Benevent ein Festtag für den Heiligen begangen worden.246 GOTHEIN gibt nicht an, woher er diese Kenntnis hat, doch kann vermutet werden, dass der Heilige aufgrund seiner Stellung als erster Bischof Benevents schon Verehrung genoss, bevor tatsächlich Reliquien vor Ort waren. Auch Arichis II. soll dem Heiligen in Neapel reiche Schenkungen dargebracht haben, was für die besondere Beziehung zwischen Benevent – beziehungsweise dem Herrscher – und dem Heiligen spricht, der sich nicht in seiner ursprünglichen Stadt aufhielt.247 Im Anschluss an den Raub der Gebeine des Heiligen nach Benevent entstanden im beneventanischen Umfeld neue Texte, die sich auch mit der Translation beschäftigten. So schrieb ein anonymer Verfasser wohl in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts über die Ereignisse in der Translatio ss. Ianuarii, Festi et Desiderii.248 Hierin wird beschrieben, dass Sico, der in der Zeit Neapel belagerte, eine Vision gehabt habe, in der der heilige Januarius des Nachts einer Frau erschien sei, mit der er sich unterhalten habe.249 Auf ihre Frage, wo er hingehe, habe er geantwortet, nach Benevent, zu seinem Volk.250 Er habe bisher für Neapel gebetet, doch könne er dies nicht mehr, da er nicht mehr das neapolitanische Übel tragen könne und zudem zu viele Meineide an seinem Grab geleistet worden seien.251 Daraufhin habe der Fürst beschlossen, die Gebeine des Heiligen zu suchen, was ihm auch gelungen sei, worauf dem Grab Wohlgerüche entströmt seien und die Beneventaner die Reliquien unter Zittern aus ihrem Grab entfernt hätten.252 In Neapel sei es daraufhin zu einer panischen Reaktion gekommen, da der bedeutende Heilige nicht mehr in seinem Grab war, um die Stadt vor den Angreifern zu
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collegere; AASS, Sep. VI., S. 889: … in qua corpora sanctorum martyrum locarentur, Januarii videlicet, Festi et Desiderii. Vgl. GOTHEIN, Die Culturentwicklung Süd-Italiens, S. 127. Scriptores rerum langobardicarum, S. 426: Sub eodem quoque antistite Arechis Beneventanus princeps inter multa alia optulit in ecclesia sancti Ianuarii per praecepti seriem locum qui Planuria nominatur cum omnibus rebus et super altare ipsius ecclesiae pretiosissimum cooperuit mantum. Vgl. GOTHEIN, Die Culturentwicklung Süd-Italiens, S. 125. Vgl. GALDI, Quam si urbem illam, S. 223; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118. BHL 4140. In der BHL Online-Datenbak werden elf Handschriften des Textes aufgeführt, die in Benevent, Brüssel, Neapel, Rom und im Vatikan aufbewahrt werden. Die älteste stammt aus dem 11. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=4140&RequestTimeout=500. Vgl. AASS, Sep. VI., S. 888f. Ebd., S. 888: Quem cum faemina percontaretur, quo ire vellet; illi respondit: Beneventum, plebs enim mea est. Ebd., S. 888f.: Hactenus pro urbe hac deprecatus sum, sed ferre illorum mala jam non valeo, maxime cum super tumulum meum tot perjuria perpetrent. Vgl. Ebd., S. 889. Zu den Wohlgerüchen, die mit den Heiligen in Verbindung gebracht werden siehe Bernhard KÖTTING, Wohlgeruch der Heiligkeit, in: Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber (Jahrbuch für Antike und Christentum: Ergänzungsband, 9), hg. v. Theodor KLAUSER, Münster, Westfalen 1982, S. 168–175, besonders S. 174f.
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schützen.253 Unter Jubel seien die Reliquien des Januarius von den Beneventanern mitgeführt worden, wobei auf diesem Zug durch den Heiligen Wunder gewirkt worden seien, etwa die Auffindung eines Pferdes.254 In Benevent seien die Gebeine des Heiligen zunächst in der Kirche des Festus untergebracht worden,255 der einer seiner Gefährten war, und anschließend in der Kirche neben der Marienkirche namens Hierusalem256 niedergelegt, bei der es sich um die Bischofskirche gehandelt haben soll, bevor die Kathedrale um 600 errichtet wurde.257 Der Heilige wurde also an seine ursprüngliche Wirkstätte gebracht, da er als Bischof der Stadt an diesem Ort tätig gewesen war und nicht in der Kathedrale. Durch dieses Vorgehen konnte an die legendarische Ausgestaltung des Lebens und Wirkens des Heiligen angeknüpft werden und er direkt räumlich in die Geschichte der Stadt integriert werden. Die Gebeine des Januarius wurden nach ihrer Translation vorerst in der Kirche des heiligen Festus deponiert und in dieser Zeit wurde die Bischofskirche neben der Kathedrale restauriert, wo sie letztlich niedergelegt werden sollten.258 Diese Unterbringung nahe der Kathedrale und nicht in der Hofkirche S. Sophia wurde von KELLY als Zeichen für die Verbindung zwischen dem ersten Bischof und seiner Kirche und weniger für eine Verbindung mit der Herrscherfamilie gesehen.259 Allgemein kann im 9. Jahrhundert in Benevent eine zunehmende Bedeutung der bischöflichen Macht gegenüber der fürstlichen konstatiert werden.260 Die Entführung der Reliquien des Januarius konnte damit begründet werden, dass ein Märtyrerleib nicht fern seiner Heimat Benevent liegen sollte, zumal er auch selbst den Wunsch geäußert hatte, zu seinem Volk zurückzukehren.261 Die liturgischen Texte für den Heiligen sind nicht in großer Fülle erhalten und es gibt keinen Kirchengesang für ihn im beneventanischen Stil.262 Letzteres kann jedoch mit der zunehmenden Bedeutung Roms in Bezug auf die liturgischen Gesänge erklärt werden, die im Laufe des 9. Jahrhunderts vonstattenging.263 Nach der Translation und der Niederlegung seiner Gebeine in Benevent seien durch den Heiligen verschiedene Wunder gewirkt worden, vor allem Heilungs-
253 AASS, Sep. VI., S. 889: Is ad urbem cucurrit, et nunciavit, dicens: Praesidium urbis nunc ablatum est: nam patronus noster Januarius, qui tot tempora nos protexit, peccatis nostris merentibus, a nobis nunc aufertur. 254 Vgl. Ebd., S. 889. 255 Ebd., S. 889: Igitur urbem beatificantes cum Martyre suo ingressi sunt, quem in basilica sui beatissimi diaconi Festi posuerunt, donec illi summo cum honore locus in sua sede pararetur. 256 Ebd., S. 889: Nam juxta basilicam Dei Genitricis Mariae semperque Virginis basilica, quae Hierusalem cognominabatur, fuit, in qua etiam sedes antiquorum episcoporum, et illius fuit. 257 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 28. 258 Vgl. BELTING, Studien zur beneventanischen Malerei, S. 57. 259 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 28. 260 Vgl. CICCO, La scuola cattedrale, S. 356. 261 Vgl. FRITSCH, Der Markuskult in Venedig, S. 39; AASS, Sep. VI., S. 888. 262 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 28. 263 Siehe Kapitel 4.2.
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wunder.264 Hier offenbart sich sowohl die Zustimmung des Heiligen zu seiner Verlegung als auch seine Bereitschaft, für die Gemeinschaft, in der er nun lebt, zu sorgen. Da es sich hierbei um seinen ursprünglichen Bischofssitz handelt, ist dieses Verhalten nicht weiter überraschend. Durch diese Wunder kann der Raub der Reliquien gerechtfertigt werden, da der Heilige sie nicht wirken würde, wenn die Stadt unrechtmäßig vorgegangen wäre. PEYER sah im Januariuskult in Benevent eine Parallele zum aufkommenden Kult des Evangelisten Markus, der zur gleichen Zeit nach Venedig gebracht wurde.265 Diese Parallele ist insofern teilweise nachvollziehbar, als dass es sich bei der Beschaffung der Reliquien des Markus um einen Raub gehandelt hatte beziehungsweise der Ablauf der Translation aus Alexandria nicht eindeutig auszumachen ist. So geben die Quellen an, die Gebeine des Evangelisten seien vor der muslimischen Übermacht in Alexandria gerettet worden, worum er auch selbst gebeten habe.266 Die Translation gelang schließlich nur durch List und Tücke. Dennoch wurde der Raub von Reliquien nicht geahndet, weil die Ansicht vertreten wurde, dass Reliquien nur mit der Zustimmung des Heiligen entwendet werden könnten, da er die Macht habe, einen Diebstahl zu verhindern.267 Dies wird beispielsweise bei der Überführung der geraubten Markusreliquien daran deutlich, dass es den Dieben gelang, die Bevölkerung und auch die Zollbeamten bei der Ausführung der Gebeine zu täuschen, und auch daran, dass der Heilige sie anscheinend vor dem Schiffbruch rettete.268 Dies bedeutete aber keine Zustimmung beziehungsweise Hinnahme von Seiten der Beraubten. Anders als bei dem Raub
264 Vgl. AASS, Sep. VI., S. 890. 265 Vgl. PEYER, Stadt und Stadtpatron, S. 8ff. Zum Markuskult in Venedig siehe: FRITSCH, Der Markuskult in Venedig. Auffällig ist tatsächlich, dass nach der Ankunft der Markusreliquien 827/828 in Venedig anscheinend auch in Benevent das Bedürfnis nach einem eigenen Apostel entstand, denn schon 838 wurden die Reliquien des Bartholomäus dorthin transferiert, siehe Kapitel 6.4.1. Hierbei könnte der Bau der Markuskirche in Venedig im Jahr 836 ebenfalls einen wichtigen Anstoß gegeben haben. Allgemein waren vor allem Apostel als Heilige zur Legitimierung der eigenen Herrschaft beliebt, denn auch nach Salerno wurden die Gebeine eines Apostels, nämlich die des Matthäus, in der Mitte des 10. Jahrhunderts transferiert. AASS, Sept. VI. S. 211–213. 266 Die erste Erwähnung des Raubes findet sich in einem karolingischen Reisebericht, vgl. GEARY, Furta Sacra S. 88ff.; ACKERMANN, Das „Itinerarium Bernardi Monachi“, S. 56f.; Renato D’ANTIGA, Una fonte monastica trascurata sulla traslazione a Venezia dell’Evangelista Marco. L’Itinerarium Bernardi monachi franci, in: Benedictina 57 (2010), S. 255–262. Zum Translation des Evangelisten siehe Emanuela COLOMBI, Translatio Marci Evangelistae Venetias [BHL 5283–5284], in: Hagiographica 17 (2010), S. 73–129; Zur Verbreitung der Verehrung des Evangelisten siehe Regina DENNING/Alfons ZETTLER, Der Evangelist Markus in Venedig und in Reichenau, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 144 / NF 105 (1996) S. 19–46. 267 Vgl. FRITSCH, Der Markuskult in Venedig, S. 39; FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, S. 73. 268 Vgl. SWINARSKI, Herrschen mit den Heiligen, S. 198f.
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des Markus waren die Neapolitaner aber keine Ungläubigen, vor denen der Heilige geschützt werden musste. Somit greift der Vergleich nur bedingt. Entscheidend ist, dass eine Stadt durch den Verlust ihrer wichtigen Reliquien das Unterpfand ihrer Stärke verlor.269 Von den Reliquien wurde sich nicht nur Schutz vor Angriffen versprochen, sondern sollten diese auch Unwetter verhindern und die Fruchtbarkeit der Böden fördern.270 Die Entwendung stellte also nicht nur einen religiösen, sondern auch einen politischen Akt dar.271 Es verwundert daher nicht, dass die neapolitanischen Chroniken über dieses Ereignis schweigen, das sicherlich eine enorme Wirkung auf die Zeitgenossen hatte. Auch im Friedensschluss zwischen Benevent und Neapel aus dem Jahre 836 wird der Heilige nicht erwähnt.272 Dies mag damit zusammenhängen, dass die Gebeine in Benevent verblieben und erst 1497 nach Neapel zurückgelangten.273 Allerdings wurden in Neapel weiterhin Texte über die Bedeutung des Januarius für die Stadt erstellt oder er wurde in anderen Werken, etwa Mirakelberichten, erwähnt, wobei seine Schutzfunktion und seine Verbindung mit der Stadt eine wichtige Komponente war.274 Hier wurde vielleicht versucht, eine Art Ausgleich zu schaffen, da der Heilige zwar nicht mehr vor Ort anwesend war, deswegen aber nicht seine eigentliche Gemeinde vergessen würde. Weiterhin ist es möglich, dass der Raub von neapolitanischer Seite nicht akzeptiert beziehungsweise bestritten wurde. Andere Chroniken berichten über den Raub der Reliquien, wie das Chronicon Salernitanum275 und auch die Epitoma Chronicorum Casinensium276. Erchempert schildert zwar die Belagerung Neapels, erwähnt dabei aber die Entwendung der Reliquien nicht.277 In den Annales Beneventani wird weder die Belagerung Neapels noch die Überführung der Reliquien beschrieben.
269 Vgl. FICHTENAU, Zum Reliquienwesen im früheren Mittelalter, S. 73. 270 Vgl. Ebd., S. 74. 271 GALDI, Quam si urbem illam, S. 225: „Ma Sicone, rispetto al suo illustre predecessore, fa un uso più aggressivo della traslazione di reliquie, che in lui si trasforma in un potente strumento, e di grande efficacia simbolica …“. 272 Vgl. Leges Langobardorum, S. 216–221. 273 Vgl. GALDI, Quam si urbem illam, S. 241. 274 Siehe Kapitel 6.2.3. 275 Chronicon Salernitanum, S. 58: Et ipse princeps Sico Ianuariique sancti martiris corpus de basilica ubi per longa temporum spacia requievit elevans, et cum magno tripudio Beneventum regreditur. 276 Vgl. Anastasius Bibliothecarius, Epitome chronicorum Cassinensium. Auctore, ut fertur, Anastasio bibliothecario; nunc primum edita e MSS codicibus, in: Rerum Italicarum scriptores, hg. v. Ludovicus Antonius MURATORI, Mailand 1923, Bd. 2,1, S. 345–370, hier S. 368. 277 Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum, S. 238: In der Historia Langobardorum Beneventanorum heißt es nur: Per idem tempus Neapolitis, quorum superius mentionem feci, bellum a Sicone creberrimum motum est. Et civitate valide obsessa tellure pontoque ac fortiter iaculis et scorpionibus oppugnata, pene capta esset, si defuisset ingeniu. Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 63.
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Die Wichtigkeit der Überführung der Januariusreliquien wird aber besonders dadurch deutlich, dass der Heilige in der Grabinschrift Sicos ausdrücklich erwähnt wird, wo es heißt: Abstulit inde etiam Beneventani in sede locatum 278
Ianuarium quondam fortis athleta dehinc.
Hier wird somit auf die Überführung der Reliquien als entscheidende Lebensleistung des Fürsten hingewiesen, der sich darum bemühte, den Heiligen wieder in die eigene Stadt zu bringen. Dadurch, dass es auf seinem Grabstein stand, war die Tat auch über einen langen Zeitraum hinweg sichtbar und der Grabstein konnte als Beweis für das tatsächliche Vorhandensein der Gebeine gelten. Die Inschrift führte den Beneventanern die Bedeutung des Fürsten vor Augen. In der Inschrift wurde der starke Athlet hervorgehoben, der den Heiligen nach Benevent zurückgebracht hatte. Diese Bezeichnung ist auffällig aufgrund der Übersetzungsmöglichkeit als ‚Glaubenskämpfer’ was die christliche Besonderheit des Fürsten noch stärker hervorheben würde. Üblicherweise wurden nur Heilige mit der Bezeichnung ‚Athleta‘ bedacht. Die Rückholung des Heiligen nach Benevent wurde somit in einen sakralen Kontext gesetzt. Sie stellte keinen Diebstahl, sondern eine heilige Handlung dar. Aussagekräftig für die Bedeutung des Januariuskults ist sicherlich die Tatsache, dass die Kirche des heiligen Januarius zugleich der Bestattungsort der fürstlichen Familie wurde.279 Die Bestattung in der Nähe der Gebeine eines Heiligen wurde als besondere Heilssicherung betrachtet, da im Falle des Jüngsten Gerichtes der Heilige direkt Fürsprache für die Gläubigen halten konnte und hierbei eine örtliche Nähe des eigenen Grabes als vorteilhaft angesehen wurde.280 Somit war die Wahl des Heiligen, in dessen Nähe die eigenen Beerdigung erfolgen sollte, 278 Vgl. Scriptores rerum langobardicarum, S. 429, Anm. 1; Chiara LAMBERT, La produzione epigrafica dei secoli VIII e IX in Salerno e Benevento, in: I Longobardi del Sud, hg. v. Giuseppe ROMA, Rom 2010, S. 291–322, hier S. 310; Insgesamt haben sich relativ wenige Inschriften in dieser Region erhalten. Vgl. Martiri, santi, patroni: per una archeologia della devozione. Atti X Congresso Nazionale di Archeologia Cristiana (Ricerche, 6), hg. v. Adele COSCARELLA/Paola de SANTIS, Arcavacata di Rende (Cs) 2012, S. 524. 279 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 160f.; KÖTTING, Ecclesia peregrinans, S. 107: „Die Entscheidung über die Sinnerfüllung des Lebens aber wurde endgültig gefällt im letzten Gericht; es bestand die Hoffnung, daß der Richter durch helfende Fürbitter noch beeinflußbar war, wenn der Auferweckte von ihnen vor den Richterstuhl geleitet wurde. … Dazu musste man sich in der Nähe eines Heiligen, d.h. für die damalige Zeit eines Märtyrers, sichern, der schon das erstrebte Ziel erreicht hatte.“ 280 Vgl. Bernhard Kötting, Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: [Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen / Geisteswissenschaften], 123), Köln u.a. 1965, S. 107; Scholz, Sebastian, Das Grab in der Kirche – Zu seinen theologischen und rechtlichen Hintergründen in Spätantike und Frühmittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 115 (1998), S. 270–306, hier S. 273 mit weiterer Literatur.
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aussagekräftig bezüglich der eigenen Wertschätzung gegenüber den einzelnen Heiligen, die innerhalb einer Stadt niederlegt worden waren. Im 12. Jahrhundert berichtete Falcone, dass die Reliquien des Heiligen erneut verlegt wurden, nämlich in eine Kirche, die zu seinen Ehren errichtet wurde.281 Dies unterstreicht wiederum die besondere Bedeutung des Heiligen, der auch Jahre nach seiner Translation neue Gebäude zu seinen Ehren erhielt.282 6.1.2.7. Die heilige Trophimenis Ein weiterer Diebstahl geschah einige Jahre später. Die Reliquien der amalfitanischen Heiligen Trophimenis wurden durch den beneventanischen Fürsten Sicard geraubt. Sie ist die Lokalheilige von Minori, die im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Benevent und Amalfi nach Amalfi gebracht und nach der Einnahme der Stadt, vermutlich 838 oder 839, durch Sicard nach Benevent überführt wurde.283 Laut der Vita stammte die heilige Trophimenis, die auf hoher See verstorben und deren Leichnam auf wundersame Weise an den Strand von Minori gespült worden sein soll, aus Sizilien.284 Hier gelangten dann ihre Gebeine in die dortige Kathedrale, wo sie verehrt wurden.285 Der Festtag der Heiligen ist der 5. Juli. Ihr Kult scheint nicht weit über die Umgebung von Amalfi und Minori ausgestrahlt zu haben, was daraus ersichtlich wird, dass der Marmorkalender von Neapel sie nicht enthält. Auch in den drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino ist sie lediglich in den Ergänzungen zum Codex Casanatensis 641 eingefügt, wo ihr Festtag jedoch der 5. November ist.286 Bei Beda wird die Heilige am 5. Juli aufgeführt287, während sie im sogenannten Martyrologium Erchemperts und im Synaxarium von Konstantinopel nicht erscheint. Der 5. Juli und der 5. November sind die beiden Festtage, die für die Heilige zelebriert werden.288 Die campanische Stadt Amalfi stand ebenso wie Neapel unter der nominellen Oberhoheit von Byzanz und war zudem administrativ Neapel unterstellt. Amalfi war aber mit der Zeit immer unabhängiger geworden, zunächst von der Oberho-
281 Vgl. Galdi, Quam si urbem illam, S. 240. 282 In den Ergänzungen des Kalenders Casanatensis 641 wurde für den 23. Oktober Dedicatio erit oratorii beati Ianuarii episcopi et martyris (intus Beneventi) vermerkt. Hier wurde auf die Weihe der Kirche, in der er niedergelegt wurde, eingegangen. Vgl. Loew, Die ältesten Kalendarien, S. 31. 283 Vgl. SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter, S. 74. 284 Vgl. Giuseppe ARLOTTA, Da Trofimena di Minori a Febronia di Patti, in: Febronia e Trofimena. Agiografia latina nel Mediterraneo altomedievale (Schola Salernitana, 2), hg. v. Réginald GRÉGOIRE, Salerno 2000, S. 71–138, S. 71f. 285 Vgl. SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter, S. 72. 286 LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 33: S. Trofimes virginis. 287 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 84. 288 Vgl. Gian Domenico GORDINI, Trofima, in: Bibliotheca Sanctorum. Band XII, Rom 1969, Sp. 665.
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heit Neapels und zunehmend auch von der Intervention Konstantinopels, wobei sie als Handelsstadt mit den Byzantinern in Kontakt stand.289 In ihrer Funktion als Hafenstadt befand sie sich in direkter Konkurrenz zu Salerno, das von den beneventanischen Fürsten zu einer ebensolchen ausgebaut werden sollte. Doch schaffte es Salerno nicht, auf die gleiche Stufe wie Amalfi zu gelangen, was zu kriegerischen Auseinandersetzungen führte. Als zu Beginn des 9. Jahrhunderts die Gefahr eines langobardischen Angriffs auf die Stadt zunahm, wurden die Gebeine in Minori durch die Amalfitaner erhoben und nach Amalfi geschafft, da gemeint wurde, sich und die Heilige dort besser verteidigen zu können.290 Dies gelang allerdings nicht, weil die Langobarden die Stadt einnahmen und die Reliquien der Heiligen nach Benevent verschleppten. Nach dem Tod Sicards erreichte es allerdings eine Delegation aus Minori, den Bischof von Benevent zu überreden, ihnen wenigstens Teile der Heiligen zurückzugeben.291 Sie wurde im Anschluss an einem 11. Juli (wohl 840) wieder an ihren ursprünglichen Aufbewahrungsort in Minori in Anwesenheit von Bischof und Klerus von Neapel und Amalfi zurückgebracht.292 Wohin ihre Gebeine in Benevent gebracht wurden, ist unbekannt. Über den Raub der Reliquien gibt es nur wenige Quellen, da er weder in der Historia Langobardorum Beneventanorum noch in den Annales Beneventani genannt wird. Die Belagerung Amalfis scheint auch keinen großen Niederschlag in der Historiographie gefunden zu haben. Ob dies etwas über den Wert der Reliquien aussagt, kann jedoch angezweifelt werden. Möglicherweise war die Tatsache, dass die Gebeine der Heiligen zumindest teilweise um 840 wieder zurückgegeben wurden,293 ausschlaggebend, um die Überführung nicht in die allgemeine Geschichtsschreibung aufzunehmen. Im Chronicon Salernitanum wird der Raub der Reliquien ebenfalls behandelt, wobei hier große Teile des Textes aus der Inventio et Translatio294 entnommen 289 Vgl. Walther HOLTZMANN, Laurentius von Amalfi, ein Lehrer Hildebrands, in: Beiträge zur Reichs- und Papstgeschichte des hohen Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze von Walther Holtzmann (Bonner Historische Forschungen, 8), hg. v. Max BRAUBACH, Bonn 1957, S. 9–34, hier S. 14f.; SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter. 290 Vgl. EICKHOFF, Seekrieg und Seepolitik, S. 177; Chronicon Salernitanum, S. 70f. 291 Vgl. Amalia GALDI, Santi afro-bizantini nella tradizione marinara e agiografica della Costa d’ Amalfi, in: Fieri iussit pro redemptione. Mecenatismo, devozione e multiculturalità nel Medioevo amalfitano, hg. v. Giovanni CAMELIA/Giuseppe COBALTO, Amalfi 2009, S. 193–214, S. 212; ARLOTTA, Da Trofimena di Minori, S. 106. Die Hälfte des Körpers, die in Benevent verblieb, wurde später in das Kloster Montevergine gebracht. ARLOTTA, Da Trofimena di Minori, S. 106 Anm. 109. 292 Vgl. SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter, S. 22. 293 Vgl. Ebd., S. 22. 294 BHL 8316–8318. In der BHL Online-Datenbank wird für BHL 8316 keine Handschrift aufgeführt, während BHL 8317 und 8318 in Rom Bibl. Vallic. in der gleichen Handschrift vorhanden sind. Roma, Vallicell., XXI, fol. 126–128 und 128–131v, 11. Jh. Lediglich der Anfang scheint sich also nicht erhalten zu haben. Ediert wurde die Vita der Trophimenis in den Acta Sanctorum, vgl. AASS, Jul. II., S. 233–240, bei UGHELLI, vgl. UGHELLI, Italia Sacra 7,
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wurden.295 Dieser Text wurde in Amalfi zwischen 840 und 974 verfasst296 und war offenbar bei der Erstellung der salernitanischen Chronik bekannt. Der Verfasser der Inventio et Translatio ist unbekannt, wobei Riccardo AVALLONE von mehreren Verfassern ausgeht.297 Vor das erste Kapitel ist ein Prolog geschaltet, in dem die Heilsgeschichte umrissen wird.298 Der Text der Historia ist in drei Kapitel unterteilt, wovon sich das erste mit der Inventio und der Translation der Heiligen beschäftigt, das zweite mit der erneuten Translation und das dritte mit den Wundern, die durch die Heilige gewirkt wurden. Im Folgenden soll vor allem der Teil untersucht werden, der sich mit der Translation der Gebeine nach Benevent befasst sowie mit der anschließenden Rückgabe. Die anderen Abschnitte sollen nur kurz zusammengefasst werden. Das erste Kapitel handelt von der Auffindung der Heiligen am Strand von Minori und ihrer Translation in die Stadt.299 Das zweite Kapitel enthält die Überführung der Heiligen durch Sicard nach Benevent. Dieser Vorfall nimmt jedoch lediglich einen geringen Raum ein.300 Hierbei fällt auf, dass der beneventanische Fürst als besonders mächtig dargestellt wird, da ihm fast ganz Unteritalien untertan war.301 Zunächst seien die Gebeine der Heiligen von Minori nach Amalfi mit dem Schiff gebracht worden.302 Im Anschluss kommt die eigentliche Translation der Heiligen nach Benevent, zu dessen politischer Lage zunächst etwas ausgesagt wird, wenn über die verschiedenen Rivalitäten zwischen Salerno und Amalfi sowie Benevent und Neapel berichtet wird.303 Der eigentliche Diebstahl wird nicht ausführlich geschildert. Hier hätte vermutet werden können, dass dieses Ereignis eingehender behandelt würde. Als möglicher Grund wäre anzunehmen, dass dieser Teil der Geschichte schmerzliche Erinnerungen bei den Lesern oder Hörern aufkommen lassen könnte. Eine aktive Rückbesinnung auf diese Zeit war möglicherweise nicht im Sinne des Verfassers.
295 296 297 298 299 300 301 302 303
Sp. 282–291, wobei die Texte hier übereinstimmen. und teilweise auch in der Chronik von Salerno, die von WESTERBERGH herausgegeben wurde, vgl. Chronicon Salernitanum, S. 71ff. Vgl. Chronicon Salernitanum, S. 71ff.; bezüglich der Frage, welcher Text die ursprüngliche Quelle darstellt, siehe Riccardo AVALLONE, La Historia Sanctae Trophimenae e il Chronicon Salernitanum, in: Critica letteraria 18 (1990), S. 757–774, S. 757f. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121 Vgl. AVALLONE, La Historia Sanctae Trophimenae, S. 758. Vgl. AASS, Jul. II., S. 233. Vgl. Ebd., S. 235; AVALLONE, La Historia Sanctae Trophimenae, S. 758. An dem Ort ihrer Auffindung wurde später ein Altar errichtet. AASS, Jul. II., S. 235: … ubi nunc ejus sanctum cernitur constructum altare …; ARLOTTA, Da Trofimena di Minori, S. 71. Vgl. AASS, Jul. II., S. 236ff. Ebd., S. 236: Temporibus itaque eximii Principis Beneventani, Sichardi nomine, cui pene tota Ausonia obtemperabat … Ebd., S. 236: Venerabile namque sanctissimae Trophimenis corpusculum nautica pinus cum ingenti honore cum Amalfim deferret, collocaverunt in ecclesia beatissimae Dei Genitricis, semperque Virginis Mariae honorificentissime. Vgl. Ebd., S. 237.
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Nach ihrer Rückkehr nach Amalfi habe die Heilige einige Wunder gewirkt, vor allem Heilungswunder.304 Insgesamt werden Heilungswunder aufgeführt, die am Grab der Heiligen gewirkt worden sein sollen. Dieser dritte Teil schloss sich laut AVALLONE nicht immer an den Translationsbericht an, da er sich inhaltlich und stilistisch zu sehr vom zweiten unterscheidet.305 Möglicherweise handelte es sich ursprünglich um einen eigenständigen Mirakelbericht, der erst später an den Bericht um die Heilige angefügt wurde. In dem Text erscheint Trophimenis nicht als die Lokalheilige von Minori, sondern eher als Schutzpatronin der Amalfitaner, was damit erklärbar ist, dass die Historia in Amalfi verfasst wurde.306 Aus dieser besonderen Rolle heraus wird verständlich, warum Sicard sie mitnehmen ließ, da er durch ihren Besitz die Stadt in seine Gewalt zu bringen suchte. Anders als bei Januarius konnte er hier sein Vorgehen allerdings nicht dadurch rechtfertigen, dass Trophimenis in einem direkten Zusammenhang mit der Stadt Benevent stehe. Hier erscheint das Phänomen der Schwächung des Gegners durch Raub seiner Schutzheiligen. Wie groß die Bedeutung dieser Heiligen für Amalfi tatsächlich in dieser Zeit war, ist schwierig zu sagen, da die Quellen zu ihr erst aus späterer Zeit stammen. Sie war aber zumindest so wichtig, dass ihre Gebeine vor den Langobarden gerettet wurden. Der Grund war wohl auch, weil von ihrer direkten Präsenz in der Stadt ein besonderer Schutz erhofft wurde. Dass dieser Schutz nicht eintrat, wurde allerdings nicht gegen die Heilige verwendet, deren Kirche im 10. Jahrhundert reiche Schenkungen des Amalfitaner Herrschers erhielt.307 Über einen möglichen Kult in Benevent können keine Aussagen getroffen werden, da die Heilige nach ihrer Teilung zwar zur Hälfte in Benevent verblieb, allerdings nicht bekannt ist, wo. Ob eine Verehrung stattfand, ist nicht nachzuweisen, wohl aber zu vermuten, da es sich bei ihr um eine regional anerkannte Heilige handelte. Auffällig an dem Bericht ist, dass Sicard weniger negativ beschrieben wird308 als es erwartet werden würde, nachdem er ja Amalfi erobert und die Reliquien entführt hatte. Ulrich SCHWARZ erklärt dieses Phänomen mit dem zeitlichen Abstand, der zwischen den Ereignissen und der Abfassung der Historia liegt.309 Hier könnte auch vermuten werden, dass eine nachträgliche Verharmlosung der Vorfälle damit zusammenhängt, dass die folgenden Geschehnisse Amalfi letztlich nicht zerstörten, sondern es der Stadt gelang, ihre vormalige Stellung wieder einzunehmen.
304 Vgl. Ebd., S. 239f. Der Verfasser gibt an, selbst eines der Wunder gesehen zu haben. AASS, Jul. II., S. 239: … oculis nostris perspeximus, et vidimus, manibusque palpavimus … 305 Vgl. AVALLONE, La Historia Sanctae Trophimenae, S. 769. 306 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121. 307 Vgl. SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter, S. 77. 308 AASS, Jul. II., S. 236: Temporibus itaque eximii Principis Beneventani, Sichardi nomine … 309 Vgl. SCHWARZ, Amalfi im frühen Mittelalter, S. 76.
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6.1.2.8. Der heilige Barbatus von Benevent Ein wichtiger beneventanischer Heiliger ist der Bischof Barbatus, dessen Kult im 9. Jahrhundert wieder auflebte. Möglicherweise sollte damit ein kirchlicher Anspruch auf das Michaelsheiligtum auf dem Monte Gargano und auf die Diözese von Siponto begründet werden, ohne dies päpstlich ratifizieren zu lassen.310 Barbatus wurde eine besondere Rolle bei der Abwehr der Byzantiner im Jahre 663 zugesprochen, da es ihm zuvor gelungen war, die heidnischen Langobarden zum römisch-lateinischen Christentum zu bekehren, was den Sieg letztlich erst möglich machte. Der Festtag des Heiligen ist der 19. Februar. Historisch ist über Barbatus lediglich bekannt, dass er 680 am Konzil in Rom teilnahm, das von Papst Agathus (678–681) abgehalten wurde, und im darauffolgenden Jahr das Konzil in Konstantinopel besuchte.311 Während der 840er Jahre wuchs in Benevent der Kult um Barbatus, der der erste Bischof des langobardischen Benevent war.312 Es ist sicherlich kein Zufall, dass etwa zu dieser Zeit an der Kathedrale von Benevent eine Grammatikschule gegründet wurde, die bei der Erstellung dieses Textes förderlich gewesen sein konnte. Von WAITZ wird die Vita313 frühestens auf das 9. Jahrhundert datiert.314 MARTIN plädiert dafür, die Vita in den Zeitraum zwischen dem 9. und dem 10. Jahrhundert einzuordnen315, dessen Meinung sich VUOLO anschließt316. Zudem vermuten WATTENBACH und LEVISON, dass die älteste Vita aus den 840er Jahren stammt.317 Der Verfasser der Vita ist anonym und weist in seinem Prolog auf eine vorhergegangene mündliche Überlieferung hin.318 Mit dieser Aussage
310 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 28; FONSECA, Montecassino e la civiltà monastica, S. 46. So hat sich ein Praeceptum Romualds I. erhalten, in dem dieser Anspruch festgelegt ist. Herbert ZIELINSKI, Codice Diplomatico Longobardo. IV/2 I Diplomi dei duchi di Benevento (Istituto storico Italiano per il Medio Evo, 65), Rom 2003, S 171f. 311 Vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 53. 312 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 161; FALKENHAUSEN, I Longobardi Meridionali, S. 316. 313 BHL 973. Für diesen Text werden in der BHL Online-Datenbank 15 Handschriften aufgeführt, von denen die jüngesten in das 11. Jahrhundert datiert werden. Sie werden in Archiven in Benevent, Neapel, Rom und in Vatikan aufbewahrt. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=0973&RequestTimeout=500. 314 Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 555. 315 Vgl. Jean-Marie MARTIN, À propos de la vita de Barbatus évêque de Bénévent, in: Mélanges del’école Franҫaise de Rome. Moyen Age Temps Modernes 86 (1974), S. 137–164, hier S. 139. 316 Vgl. Antonio VUOLO, Ancora a proposito della „Vita Barbati episcopi Beneventani“ (BHL 973), in: Hagiographica 13 (2006), S. 11–31, hier S. 12 u. 27. 317 Vgl. WATTENBACH/LEVISON, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, S. 434. 318 Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 556: … quid non philosophandi sed simlicimus verbis suos discipulos evangelizandi sacra misteria sanexit, inculto licet sermone, tamen ad proferendam gloriam quae caelitus in beatissimo Barbato effulsit, propero devotissimus
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entschuldigt der Verfasser zugleich die einfache Schreibweise, welche er pflegte, da die Geschichte so dem Volke bekannt sei.319 Dies zeigt auf, dass die schriftliche Fixierung der Ereignisse in diesem Falle erst vorgenommen wurde, als jene Geschehnisse bereits so weit zurücklagen, dass ein Bedürfnis nach Texten auftrat. Da allerdings ein großer zeitlicher Abstand zwischen den Ereignissen und der Fixierung lag, kann angenommen werden, dass es bereits zu Veränderungen der Geschichte gekommen war.320 KELLY vermutet, dass die Verschriftlichung der Vita des Bischofs Barbatus zu diesem Zeitpunkt auf eine sich wandelnde Stellung des Beneventaner Bischofs im Allgemeinen hindeutet, da die Bedeutung der Kathedrale gegenüber der Hofkirche S. Sophia zunahm und die kirchlichen Belange mehr vom Episkopat als vom Fürsten gehandhabt wurden.321 Es liegen drei Viten des Heiligen vor, wobei die eine (BHL 973) in den Acta Sanctorum322 enthalten ist und von WAITZ in den MGH323 ediert wurde. Von jener existiert ebenso eine kürzere Fassung, die aber nur von Gaetano CANGIANO324 abgedruckt wurde, während die andere Vita (BHL 974325) lediglich in den Acta Sanctorum326 aufgenommen wurde. Die MGH-Fassung wurde von WAITZ in elf Paragraphen unterteilt, wobei der eigentlichen Vita ein Prolog vorausgeht. Hierin geht es darum, warum dieser Text verfasst wurde und von wem er handeln soll.327 MARTIN fasste die elf Paragraphen zu vier Blöcken zusammen, wobei die Paragraphen 1–3 die Einleitung darstellen, in der es um die religiöse Einstellung Romualds geht sowie um die Bemühungen
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enarrare. Vgl. LOTTER, Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse, S. 321; VUOLO, Ancora a proposito, S. 27. Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 556. Vgl. LOTTER, Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse, S. 321; VUOLO, Ancora a proposito, S. 16. Die Translation des Heiligen in den Dom Benevents wurde schließlich erst 1124 vorgenommen. Vgl. Angelo Michele IANNACCHINO, S. Barbato ed il suo secolo. L’apostolo del Sannio, Benevent 1902, S. 187; Oronzo LIMONE, Italia meridionale (950– 1220), in: Hagiographies. Histoire internationale de la littérature hagiographique latine et vernaculaire en occident des origines à 1550, II, hg. v. Guy PHILIPPART, Turnhout 1996, S. 11– 60, hier S. 40. Dazu gibt es einen Translationsbericht (BHL 975), der im 12. Jahrhundert von Falcon niedergeschrieben wurde. Vgl. LIMONE, Italia meridionale (950–1220), S. 40. Ediert ist die Translatio S. Barbati Episcopi in den Acta Sanctorum. AASS, Feb. III. 148–149. Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 29. Dies wird auch an der Translation des Apostels Bartholomäus ersichtlich, der nicht mehr in der fürstlichen Kirche S. Sophia, sondern in der Kathedrale der Stadt niedergelegt wurde, was die zunehmende Bedeutung der Bischöfe unterstrich. Vgl. AASS, Feb. III., S. 139–142. Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 555ff., aber auch in den AASS, Feb. III., S. 139– 142. Vgl. Gaetano CANGIANO, Origini della Chiesa beneventana, Benevent 1923, S. 43f. Laut der BHL Online-Datenbank ist dieser Text nur in einer Handschrift erhalten, die im Archiv im Vatikan aufbewahrt wird. Vaticano, Vat. Lat., 07810, fol. 043v–047r, 11. Jh. Vgl. AASS, Feb. III., S. 142–145. Beide Texte haben einen sehr ähnlichen Inhalt, weswegen die Zusammenfassung eines Textes ausreicht. Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 556.
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des Barbatus, diesen zu überreden, die heidnischen Gebräuche abzulegen. Die Paragraphen 4–7 schildern die Belagerung Benevents durch Konstans II., die Konversion Romualds durch Barbatus sowie die Ernennung Barbatus’ zum Bischof von Benevent. Dieser habe einen von den heidnischen Langobarden verehrten Baum fällen lassen und den Monte S. Angelo und das Bistum Siponto in seinen Bischofssitz übernommen. Im dritten Teil, der die Paragraphen 8–10 umfasst, wird davon berichtet, dass Romuald trotz seiner Konversion weiterhin seinem heidnischen Glauben angehangen und eine goldene Schlange besessen habe, die er anbetet habe. Es folgt eine zweite Konversion, die der Heilige durch die Hilfe der Herzogin erreicht habe, da diese ihrem Mann die Schlange entwandte und somit offenbarte, dass dieser keine sakrale Macht innewohnte. Den Abschluss bildet Paragraph elf, in dem eine Zusammenfassung des Episkopats Barbatus’ gegeben wird.328 Dies ist eine grobe Gliederung des Textes, der allerdings noch weitere Elemente enthält. Von Bedeutung ist etwa die Einwirkung Marias, die während der Belagerung Benevents auf den Mauern erschienen sei und diese so uneinnehmbar gemacht habe.329 Von der durch WAITZ in den MGH edierten Vita des Barbatus existiert eine kurze Fassung, die von CANGIANO330 herausgegeben wurde, wobei es sich allerdings nicht um eine kritische Ausgabe des Textes handelt. Da die Texte undatiert sind, ist es unmöglich zu sagen, welches Werk welches inspirierte.331 In ihr fehlen die Paragraphen 2–3 und 8–10, also der Teil, in dem Romuald auf den heidnischen Kulten beharrt und es erst zu einer zweiten Konversion nach dem Verlust der Schlange und dem Fällen des heiligen Baumes kommt. Auch wird der heilige Baum in dieser Fassung überhaupt nicht erwähnt.332 Zudem fehlen der Prolog und einige Textpassagen. Der Schluss der kürzeren Vita stimmt mit demjenigen der längeren überein.333 Laut CANGIANO handelt es sich bei der kürzeren Fassung um die ältere, wobei die jüngere Fassung dann ausgeschmückt worden sei. Somit wurden Dinge eingeführt, die so nicht in der ursprünglichen Fassung vorhanden waren.334 Allerdings ist dies schwierig zu beweisen, da in beiden Fällen die Verfasser335 und die Verfassungszeit der Vita unbekannt sind.
328 Vgl. MARTIN, À propos de la vita de Barbatus, S. 143. 329 Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 560. Die besondere Bedeutung der Jungfrau Maria lässt sich daran erkennen, dass sowohl die Kathedrale in Benevent als auch diejenige in Salerno unter ihr Patrozinium gestellt wurde. Vgl. PALMIERI, Duchi, principi e vescovi, S. 71. 330 Vgl. CANGIANO, Origini della Chiesa beneventana, S. 43f. 331 Auch MARTIN stellte lediglich fest, dass es zwischen den Texten einen Zusammenhang gibt, ohne sich bezüglich einer Chronologie zu äußern. Vgl. MARTIN, À propos de la vita de Barbatus, S. 137 Anm. 1. 332 Vgl. Ebd., S. 144. 333 Vgl. CANGIANO, Origini della Chiesa beneventana, S. 43; AASS, Feb. III., S. 145. 334 Vgl. CANGIANO, Origini della Chiesa beneventana, S. 46ff. 335 Vermutungen, dass es sich bei dem Autor um Paulus Diaconus gehandelt habe, wurden von der Forschung abgelehnt. Diese These war von DI MEO aufgestellt worden. Alessandro DI
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Bekannt ist die Vita des Barbatus besonders wegen ihrer Darstellung heidnischer Praktiken, die von den Langobarden durchgeführt worden sein sollen.336 Hierbei sollte allerdings kritisch hinterfragt werden, welche heidnischen Gebräuche in der Mitte des 9. Jahrhunderts in Benevent noch bekannt waren beziehungsweise wo Topoi verwendet wurden, die bei der Schilderung von nichtchristlichen Sitten üblich waren. Bezüglich des Glaubens der Langobarden in der Zeit vor ihrer endgültigen Bekehrung wird in der Vita des Barbatus angegeben, dass diejenigen, die getauft gewesen seien, dennoch weiterhin ihre heidnischen Riten praktiziert hätten.337 So schildert der erste Paragraph, wie die heidnischen Langobarden bei Reitspielen auf Häute, die im Baum aufgehängt gewesen seien, ihre Speere geschleudert hätten und wie der Tag am Ende feierlich abgeschlossen worden sei, indem die Haut zerschnitten und im Anschluss gegessen worden sei.338 Diese Art des Kultes erscheine bei den germanischen Völkern einmalig und lasse laut GASPARRI auf nomadische Einflüsse schließen.339 Als zweiter heidnischer Kult wird die Verehrung der Schlange beschrieben. Walter POHL stellt die Frage, ob es tatsächlich die Langobarden waren, die den Schlangenkult nach Benevent gebracht hatten.340 BROWN vertritt die Meinung,
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MEO, Annali Critico-Diplomatici Del Regno Di Napoli Della Mezzana Età, Napoli 1795, S. 115. Vgl. CANGIANO, Origini della Chiesa beneventana, S. 40. Vgl. MARTIN, À propos de la vita de Barbatus, S. 137; Stefano GASPARRI, La cultura tradizionale dei Longobardi. Struttura tribale e resistenze pagane (Centro Italiano di studi sull’alto medioevo, 6), Spoleto 1983, S. 69–91; Marina MONTESANO, La „Vita Barbati“. Culti longobardi e magia a Benevento, in: Studi beneventani 4–5 (1991), S. 36–96; Marina MONTESANO, Vita di Barbato (Biblioteca Medievale, 36), Parma 1994; VUOLO, Agiografia beneventana, S. 218; MONTESANO, La cristianizzazione dell’Italia, S. 59–69; VUOLO, Ancora a proposito, S. 15; Emanuele PIAZZA, Re e santi, pagani e missionari. Itinerari di evangelizzazione nell’alto Medioevo (secc. IV–IX) (Analecta humanitatis, 28), Acireale (Catania) u.a. 2013, S. 104f. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 557: … quamvis sacri baptismatis unda Langobardi abluerentur, tamen priscum gentilitatis ritum tenentes … Ebd., S. 557: Verum etiam non longe a Beneventi menibus quasi sollempnem diem sacram colebant arborem, in qua suspendentes corium, cuncti qui adherant terga vertentes arbori, celerius equitabant, calcaribus eruentantes equos, ut unus alteri possit prehire; atque in codem cursu retroversis manibus corium iaculabant, iaculatoque particulam modicam ex eo comedendi superstitiose accipiebant. Vgl. Stefano GASPARRI, Kingship Rituals and Ideology in Lombard Italy, in: Rituals of Power. From Late Antiquity to the Early Middle Ages (The Transformation of the Roman World, 8), hg. v. Frans THEUWS/Janet L. NELSON, Leiden, Boston, Köln 2000, S. 95–114, hier S. 103. Durch diesen gemeinsamen Ritus könne die eigene Stärke und Verbundenheit untereinander sowie die Herrschaft demonstriert werden. Vgl. Walter POHL, Deliberate Ambiguity: The Lombards and Christianity, in: Christianinzing Peoples and Converting Individuals (International Medieval Research, 7), hg. v. Guyda ARMSTRONG/Ian Nicholas WOOD, Brepols 2000, S. 47–58, S. 51. Für ihn ergeben sich zwei Möglichkeiten, wie es zu der Schilderung in der Vita Barbati kam: Da bereits den Marsi, die nördlich von Benevent in vorlangobardischer Zeit lebten, von Augustinus nachgesagt wurde, sie
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dass die Darstellung der Langobarden als Heiden vor allem ihr Anderssein gegenüber der Bevölkerung hervorheben sollte und weniger auf tatsächliche pagane Praktiken zurückgehe.341 Allerdings räumt er auch ein, dass im Süden Italiens die heidnischen Praktiken weiter verbreitet waren.342 Da der Text in dem vorrangigen Interesse geschrieben wurde, den Heiligen und seine Taten hervorzuheben, gilt es zu fragen, inwiefern die Historizität der geschilderten paganen Praktiken im 9. Jahrhundert von Belang war. Tatsächlich sollte wohl die Leistung des Bischofs durch die Beschreibung seiner heidnischen Umwelt erhöht werden. Bei der Vita des Barbatus handelt es sich um den einzigen Text der untersuchten Städte, in dem konkret auf eine Missionierung eingegangen wird, weil der Bischof bestrebt war, den Herzog zum rechten Glauben zu bringen, vielleicht auch in dem Wissen, dass diesem alle folgen würden. Während MARTIN die Ansicht vertritt, dass der Text keine anti-arianischen Tendenzen enthält343, sieht VUOLO344 diese in der Predigt, in der das Glaubensbekenntnis zitiert wird345. Barbatus fordert hier die Langobarden zur Konversion auf, wobei die Zitation des Glaubensbekenntnisses die Bevölkerung zum rechten Glauben führen sollte. Von VUOLO wurde aufgezeigt, dass es sich bei der Vita um keine Lebensbeschreibung im klassischen Sinne handelt, da, auch wenn es in einer Heiligenvita nicht um die biographische Beschreibung des gesamten Lebens geht, so gut wie keine weiteren Informationen über den zu Verehrenden enthalten sind.346 Der Text beginnt, als Barbatus bereits eine wichtige Rolle in Benevent innehat und endet mit dem Tod des Kirchenmannes.347 Die Missionierung der Langobarden und die Abwehr der Byzantiner werden besonders herausgestellt. Barbatus wird in seiner Vita zunächst als Priester bezeichnet.348 Da im Belagerungsfall auf ihn ge-
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würden Schlagen verehren, vermutet er zum einen, dass dem Schreiber der Vita diese heidnischen Bräuche bekannt waren und diese in diesem Falle auf die Langobarden übertragen würden. Zum anderen stellt er auch die Vermutung an, dass die Langobarden bei ihrer Ansiedlung in diesem Gebiet diese alten Riten übernahmen. Auch PRIESTER schreibt, dass Schlangenkulte bereits vor den Langobarden in Süditalien verbreitet waren. PRIESTER, Geschichte der Langobarden, S. 146. Vgl. BROWN, Lombard Religious Policy, S. 293. Vgl. Ebd., S. 292. Vgl. MARTIN, À propos de la vita de Barbatus, S. 146. Vgl. VUOLO, Ancora a proposito, S. 21. Scriptores rerum langobardicarum, S. 559: … et solo Deo Patri et Filio sanctoque Spiritui, tribus in personis, sed uno coaeterno et consubstantiali. Da im sogenannten Arianismus die Wesensgleichheit von Gottvater und Gottsohn bestritten wurde, wäre eine solche Aussage in einem arianischen Umfeld sicherlich auf Widerstand gestoßen. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Vita zu einem Zeitpunkt niedergeschrieben wurde, als der Arianismus bereits nicht mehr praktiziert wurde. Ebenso wie bei den heidnischen Bräuchen gilt zu fragen, welche Informationen der Schreiber vorliegen hatte und ob es überhaupt noch notwendig erschien, gegen den Arianismus Aussagen zu treffen. Vgl. VUOLO, Ancora a proposito, S. 16. Vgl. Ebd., S. 16. Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 557.
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hört wurde, muss ihm ein gewisser Rang sowie die damit verbundene Autorität zuteilgeworden sein. Nachdem es mit seiner Hilfe und dem Erscheinen der Heiligen Jungfrau gelungen war, die byzantinische Bedrohung zu beseitigen, wurde Barbatus in der Stadt in das Bischofsamt erhoben.349 Hierdurch wurde der erste Bischof seit der Eroberung durch die Langobarden in Benevent in sein Amt eingeführt, wobei der Herzog zuvor versprochen hatte, dass im Falle der erfolgreichen Verteidigung gegen die Byzantiner der Bischof reiche Gaben aus dem Territorium erhalten sollte, sodass die Position, die Barbatus einnahm, schon von Beginn an einen gewissen Anspruch besaß.350 Auffällig ist die Darstellung der Herzogin Theoderada in der Vita, die bei der Bekehrung ihres Mannes eine entscheidende Rolle spielte.351 Barbatus habe sie aufgefordert, ihm das goldene Schlangenbild zu geben, und sei auf ihre Furcht, dass sie diese Tat das Leben kosten könnte, nur insofern eingegangen, dass er sie auf den Lohn des ewigen Lebens hingewiesen hätte.352 Nachdem die Schlange übergeben und zu einem Kelch353 und einer Patene umgeschmolzen worden sei, habe Romuald daraus die Eucharistie erhalten und erst im Nachhinein von den Vorgängen erfahren. Die Gefahr, die für Theoderada bestanden habe, habe sich lediglich in der Äußerung eines Umstehenden gezeigt: Si mea uxor talia perpetrasset, nullo interposito momento abscideram capud illius354. Das Handeln gegen die Wünsche ihres Ehemanns hätte also neben der endgültigen Konversion des Herzogs auch andere Konsequenzen nach sich ziehen können. Erwähnung findet Barbatus in dem letzten der drei Kalendarien aus Monte Cassino, wobei es sich allerdings um einen späteren Nachtrag handelt, der von LOEW nicht mehr in das 9. Jahrhundert datiert wurde.355 Dies unterstreicht die These LOEWS, der davon ausging, dass das Kalendarium zunächst in Monte Cassino erstellt wurde und dann in Benevent Ergänzungen erhielt.356 Es ist auffällig, dass Barbatus anscheinend erst relativ spät ergänzt wurde, wenn das Kalendarium vor 875 nach Benevent gelangte und zu diesem Zeitpunkt bereits die Vita des Heiligen niedergeschrieben worden war. Möglicherweise wurde er zunächst schlicht
349 Ebd., S. 560: Recesso igitur hoste, uterque sexus et aetas ad beatissimi Barbati episcopatus electionem unanimiter confluexerunt, letantes eo quod talem mererentur habere patrem, qui suis precibus hostem repellat. 350 Vgl. VUOLO, Ancora a proposito, S. 23. 351 Vgl. PALMIERI, Duchi, principi e vescovi, S. 75. Dass die Frauen bei der Konversion ihrer Männer eine wichtige Rolle einnehmen ist ein beliebtes Thema in der Hagiographie. Vgl. Cordula NOLTE, Conversio und Christianitas. Frauen in der Christianisierung vom 5. bis 8. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 41), Stuttgart 1995. 352 Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 561. 353 Dieser Kelch war bis zur Invasion der Franzosen 1799 in der Stadt vorhanden. Vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 53. 354 Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 563; NOLTE, Conversio und Christianitas, S. 295; Patricia SKINNER, Women in Medieval Italian Society 500–1200, London 2001, S. 58. 355 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 15 u. 72. 356 Vgl. Ebd., S. 7ff. u. 23.
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vergessen und musste dann nachträglich eingefügt werden, oder aber seine Bedeutung war nicht so ausgeprägt, dass er sofort eingetragen wurde, sondern sein Fehlen fiel erst später auf und wurde dann korrigiert. Zudem gibt es einen weiteren Nachtrag in Casanatensis 641, in dem es am 14. Juli heißt: et dedictio oratorii S. Barbati in Benevento357. Das sogenannte Martyrologium des Erchempert enthält keinen Eintrag zu Barbatus. Daraus lässt sich schließen, dass die Verehrung eher lokal begrenzt war. Dass er nicht im Marmorkalender von Neapel erscheint, überrascht daher nicht. Außer Barbatus wurden in Benevent, anders als in Neapel, nur noch zwei weitere Bischöfe als Heilige verehrt:358 zum einen der Bischof Marcianus359 (†533) und zum anderen der Bischof Zenoe (Zeno, Zosimus) (†543).360 Hierbei handelte es sich um Bischöfe, die noch in der Zeit vor der Invasion der Langobarden in Benevent tätig gewesen waren. Der Bischof Zenoe, dessen Reliquien in die Sophienkirche gebracht wurden, hat seinen Gedenktag am 17. Oktober.361 Die Verlegung kann frühestens in den 760er Jahren geschehen sein, da die Kirche erst in dieser Zeit fertiggestellt wurde. Zenoe wird weder im Martyrologium Bedas noch in einem der Kalendarien aus Monte Cassino erwähnt. Auch ansonsten ist es schwierig, eine Verehrung dieses Bischofs festzustellen. Beide Bischöfe werden im sogenannten Martyrologium des Erchempert nicht genannt. 6.1.2.9. Exkurs: Die Translation des Evangelisten Matthäus nach Salerno Bei Matthäus handelt es sich um den zweiten Apostel, der in der Region große Bedeutung erlangen sollte, da 954 seine Reliquien nach Salerno gebracht wurden.362 Nach der Teilung des Fürstentums Benevent war es für den neuen Fürstensitz Salerno wichtig geworden, sich politisch wie kirchlich selbstständig zu etablieren. Dies fand unter anderem seinen Ausdruck darin, dass bereits kurz nach der Gründung zwischen 849 und 851 Reliquien der Märtyrer Fortunatus, Caius und
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Vgl. Ebd., S. 25. Vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 52. Siehe 5.1.2.1. Er erwähnt nicht, woher er diese Kenntnis hat, vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 52. Bei Marcianus und Zenoe handelte es sich um spätantike beziehungsweise frühmittelalterliche Bischöfe, die der Stadt Benevent in der Zeit der gotischen Eroberungszüge in Italien vorstanden. Beide scheinen aber keine große Bedeutung im Heiligenkult eingenommen zu haben. 361 Vgl. Franz von SALES DOYÉ, Heilige und Selige der römisch-katholischen Kirche. Deren Erkennungszeichen, Patronate und lebensgeschichtlichen Bemerkungen. Zweiter Band, Leipzig 1929, S. 582. Für diesen Heiligen gibt es keinen Eintrag in der BHL. 362 Vgl. Ernesto PONTIERI, Salerno, „civitas sancti Matthaei“, in: Atti dell’Accademia Pontaniana 14 (1964/65), S. 13–48. Da Salerno keine der untersuchten Städte ist, soll dieser Exkurs nur überblicksartig die Vorgänge, und welche Vergleiche sich anhand dieses Beispiels ziehen lassen, skizzieren.
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Anthes sowie die Bischöfe Quirinus und Quingesius durch den dortigen Bischof Bernardus (†860) in die Stadt transferiert wurden.363 Sie hatten in einer Kirche außerhalb der Stadt ihre Grablege und wurden in der Mitte des 9. Jahrhunderts in die Stadt selbst gebracht.364 Dies zeigt eine Analogie zum Handeln der Bischöfe und Herzöge/Fürsten in Benevent und Neapel, die sich ebenfalls um die Förderung des Heiligenkultes bemühten.365 Im Gegensatz zu Benevent war es allerdings vor allem die kirchliche Seite, die in Salerno die Einbringung von Reliquien von Beginn an förderte und weniger die weltliche.366 Hier zeigt sich eine Entwicklung in der Bedeutung von eigenen Heiligen innerhalb eines Herrschaftsgebietes. Vorher scheint es keine Translation von Heiligen nach Salerno gegeben zu haben.367 Während in Benevent erst spät nach seiner endgültigen Christianisierung Heilige in die Stadt transferiert wurden, geschah dies in Salerno direkt nach der Erlangung der Eigenständigkeit. Durch die Translation des Apostels Matthäus kam es zu einer weiteren Aufwertung der Stadt, da sie so einer der campanischen Orte wurde, der über einen Apostel verfügte.368 Es ist sicherlich keine Überinterpretation, wenn diese Verlegung der Reliquien mit Bartholomäus in Verbindung gebracht wird, denn um sich mit dem mächtigen Nachbarn messen zu können, wurde ein ähnlich prestigeträchtiger Heiliger innerhalb der eigenen Stadt benötigt.369 Über die Translation des Matthäus haben sich Berichte erhalten, wobei es sich zum einen um den eigentlichen Translationsbericht370 handelt, der in Salerno im 10. Jahrhundert nach der Verlegung der Gebeine des Heiligen entstand, und zum anderen um einen Sermo de translatione371, der vermutlich ebenfalls in Salerno in der Zeit zwischen 975 und 1000 von Pseudo-Paulinus niedergeschrieben wurde.372 Zudem handelt es sich beim Chronicon Salernitanum um eine wichtige Quelle,
363 Vgl. RAMSEYER, The Transformation, S. 47. Als Grund für die Verlegung wurde die Sarazenengefahr angegeben. Vgl. Chronicon Salernitanum, Kap. 97–98. 364 Vgl. Amalia GALDI, Principi, vescovi e santi in Salerno Longobarda, in: I Langobardi dei ducati di Spoleto e Benevento. Atti del XVI Congresso internazionale di studi sull’alto medioevo. Spoleto, 20–23 ottobre 2002, Benevento 24–27 ottobre 2002. Tomo Primo, Spoleto 2003, S. 1429–1449, hier S. 1429f., 1441; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 61. 365 Vgl. GALDI, Santi, territori, poteri, S. 277. 366 Vgl. GALDI, Principi, vescovi e santi, S. 1441. 367 Vgl. Ebd., S. 1434. 368 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 61. 369 Vgl. GALDI, Santi, territori, poteri, S. 277. 370 BHL 5693. In der BHL Online-Datenbank werden zwei erhaltene Handschriften dieses Textes aufgeführt. Benevento, BC, codex I, fol 244r–244v, 1076–1125; Roma, Vallicell., codex H. 20, fol. 331–363, 16. Jh. Ein Auszug des Translationsberichtes wurde bei BORGIA ediert, vgl. Translatio Sancti Mathei Apostoli, in: Memorie Istoriche della pontificia città di Benevento dal secolo VIII. al secolo XIII. Parte Prima, hg. v. Stefano BORGIA, Rom 1763, S. 352, ebenso ist ein Teil in den Acta Sanctorum, vgl. AASS, Sep. VI., S. 210ff., zu finden. 371 BHL 5694. Für diesen Text ist in der BHL Online-Datenbank eine Handschrift aufgeführt: Roma, Vallicell., codex H. 13, fol. 067–076v, 1676–1725. 372 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 119.
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um den Kult um den Apostel festzustellen. Des Weiteren haben sich mehrere Passionsberichte um den Heiligen erhalten, die sein Martyrium in Äthiopien oder auch einer Region im nördlichen Kleinasien beschreiben.373 Gemäß dem Sermo sollen die Reliquien des Apostels im 5. Jahrhundert aus Äthiopien in die Bretagne und von dort nach Italien gelangt sein.374 Laut dem Translationsbericht sei die Übertragung der Gebeine des Apostels auf Veranlassung des salernischen Fürsten Gisulf durchgeführt worden, wobei als ursprünglicher Ort lediglich Lukania angegeben wird.375 Hierbei handelte es sich um eine Region, die von den sukzessiven Raubzügen der Sarazenen betroffen war, weswegen die Reliquien des Heiligen in einem Altar in einer Ruine aufbewahrt waren.376 Diese Translation zeigt erneut, dass es den langobardischen Fürsten wichtig war, die Entscheidung, welche Reliquien in die Stadt gebracht wurden, selbst zu treffen und sie auf diesem Wege direkten Einfluss auf das religiöse Leben der Bevölkerung nahmen. Allerdings wurden die Reliquien des Heiligen nach ihrer Translation vorerst vergessen, denn erst 1080 wurden sie wiedergefunden.377 Zudem wurde ein Teil der Reliquien bereits relativ früh nach Benevent gebracht.378 Um dies zu erreichen, wandte sich wohl Landulf II. (943–961) von Benevent an den salernitanischen Fürsten, von dem er dann die gewünschten Reliquien des Heiligen erhielt.379 Möglicherweise sollte diese Episode in dem Bericht die neue wichtige Stellung Salernos unterstreichen, das nun über einen so wichtigen Heiligen verfügte, dass sogar die ehemaligen Gegner um ein Stück von diesem baten, was ihnen dann auch gewährt wurde. Diese Episode könnte allerdings auch so gesehen werden, dass Salerno zu diesem Zeitpunkt noch derartig schwach war, dass es gezwungen war, an den früheren Gegner Reliquien abgeben zu müssen, oder es handelte sich um eine symbolische Bestätigung des Friedens, wobei es im letzteren Falle vermutlich eher zu einem gegenseitigen Reliquienaustausch gekommen wäre. Anscheinend gaben aber nur die Salernitaner Reliquien heraus. Die Festtage des Matthäus am 6. Mai und am 16. November waren bereits im Marmorkalender von Neapel380 enthalten und in den drei ältesten Kalendarien von Monte Cassino381 wird er immer am 21. September erwähnt, ebenso im Martyro-
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Vgl. PONTIERI, Salerno, „civitas sancti Matthaei“, S. 13. Vgl. Ebd., S. 13f. Translatio Sancti Mathei Apostoli, S. 352: in partibus Lucaniae. Vgl. PONTIERI, Salerno, „civitas sancti Matthaei“, S. 15. Vgl. Francesco SPADAFORA, Matteo, in: Bibliotheca Sanctorum. Band IX, Rom 1967, Sp. 110–125, hier Sp. 124. So heißt es in den Acta Sanctorum in der Kapitelüberschrift: De translationibus corporis, quod inventum in Lucania, transfertur Salernum, ac brachium deinde Beneventum. Vgl. AASS, Sep. VI., S. 210. Vgl. PONTIERI, Salerno, „civitas sancti Matthaei“, S. 15. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 24, 46. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 28f.
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logium Bedas382 sowie im sogenannten Martyrologium des Erchempert,383 wobei dieser Tag im Marmorkalender keine Aufnahme fand. Laut MALLARDO hängt dies mit den Festtagen des Apostels in Neapel zusammen, die sich von den anderen unterscheiden.384 Im Synaxarium von Konstantinopel findet sich der Festtag des Apostels am 16. November.385 Somit wurde der griechische Festtag in Neapel zelebriert, zusammen mit einem lokalen, der in der Region keine Verbreitung hatte. Die Überführung des Matthäus nach Salerno findet im Chronicon Salernitanum ausführlich Erwähnung.386 Die Verlegung der Gebeine des heiligen Apostels brachte eine Rangerhöhung der Stadt mit sich und so waren die lokalen Chroniken an einer Fixierung dieses Ereignisses besonders interessiert. Auch in den Annales Beneventani ist die Translation des Apostels in der Fassung A. 1. enthalten.387 Die Gebeine des Apostels Matthäus gelangten zwar erst ca. 100 Jahre nach der Gründung des Fürstentums Salerno dorthin, doch kann vermutet werden, dass die Konkurrenzsituation mit Benevent hier ebenfalls zur Verlegung der Reliquien beitrug, da es erstrebenswert war, einen weithin berühmten Heiligen in den eigenen Mauern zu beherbergen. Bereits kurz nach der Teilung der Fürstentümer waren verschiedenen Heilige nach Salerno transferiert worden, was auch die zunehmende Bedeutung der Reliquien aufzeigt, weil beispielsweise in Benevent erst nach einiger Zeit Heilige durch Arichis II. in die Stadt gebracht wurden. Durch die eigenen Heiligen konnte es zu einer Abgrenzung kommen und zur Entwicklung eigener Kulte, die für die eigene Bevölkerung eine gemeinschaftsstiftenden Wirkung entfalten konnten.
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Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 117. Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 79. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 117. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 226. Chronicon Salernitanum, S. 170: In ipsius temporibus inventum est sacratissimum corpus beati Mathei apostoli in Lucanie finibus, atque cum debito honore per iussionem iam fati Gisulfi principi Salernum deducitur. Sed quod miracula et signa et quomodo fuit repertus, omnimodis nunc omictimus pandere; postmodum Deo tuente fidelibus innotescimus atque huic ystorie annexere facimus. 387 Annales Beneventani monasterii Sanctae Sophiae, S. 122: Translatum est corpus sancti Mathei in Salernum.
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6.1.2.10. Exkurs: Der heilige Sabinus – Langobardischer Einfluss in Canosa Der heilige Sabinus von Canosa388 hatte das Bischofsamt 52 Jahre (514–566) inne und geriet rasch nach seinem Tod in den Ruf der Heiligkeit, wobei über sein Ableben nichts Näheres bekannt ist.389 Ihm wird eine bedeutende Rolle in der Christianisierung Italiens zugesprochen.390 Bereits in den Dialogen Gregors des Großen wird dieser Heilige erwähnt.391 Hier wird auch seine Freundschaft mit dem Bischof Germanus von Capua aufgeführt.392 Somit besaß er in der Zeit Gregors I. eine Bedeutung und auch einen gewissen Bekanntheitsgrad. Es findet sich bei UGHELLI eine Vita, die berichtet, dass die Translation des Heiligen in eine neue Kathedrale Canosas auf Initiative des beneventanischen Fürsten Grimoald IV. (806–817) stattfand.393 Laut D’ANGELO entstand im 9. Jahrhundert zwischen 806 und 817, also der Regierungszeit Grimoalds IV., eine Vita394 mit einem anschließenden Translationsbericht, wobei die Provenienz des Textes nicht bekannt ist und Canosa, Bari oder Benevent nur vermutet werden 388 Über die Bauten und die Nachwirkung des Bischofs siehe Giuliano VOLPE, Sabino di Canosa, vescovo e costruttore di chiese nel VI secolo, in: I Longobardi. Dalla caduta dell’Impero all’alba dell’Italia, hg. v. Gian Pietro BROGIOLO/Alexandra Chavarría ARNAU, Mailand 2007, S. 89–97. 389 Vgl. Ada CAMPIONE, Sabino di Canosa tra storia e leggenda, in: La tradizione barese di s. Sabino di Canosa (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 19), hg. v. Salvatore PALESE, Bari 2001, S. 23–46, hier S. 23. 390 Zum historischen Sabinus siehe Ebd., S. 23ff.; Gerardo CIOFFARI, San Sabino e l’Oriente, in: San Sabino. Uomo di dialogo e di pace tra Oriente ed Occidente. Anno Domini 2002. Atti del Convegno di Studi in occasione del XII Centenario della traslazione del corpo di San Sabino e per i 900 anni di dedicazione della Chiesa Cattedrale di Canosa. Canosa 26–27–28 ottobre 2001 (Centro ricerche di storia religiosa in Puglia. Basilica cattedrale di San Sabino), hg. v. Liana BERTOLDI LENOCI, Triest 2002, S. 47–57. Die große Bedeutung mag aber vielleicht auch damit zusammenhängen, dass über diesen Bischof viel bekannt ist, während bei anderen Personen die Quellen fehlen, die ihren Einfluss auf die Christianisierung belegen könnten. 391 Vgl. Gregorii Magni, Dialogi, S. 145f. Hierbei handelt es sich um die erste Erwähnung des Heiligen in der hagiographischen Literatur. Réginald GRÉGOIRE, La presenza di San Sabino nella letteratura agiografica, in: San Sabino. Uomo di dialogo e di pace tra Oriente ed Occidente. Anno Domini 2002. Atti del Convegno di Studi in occasione del XII Centenario della traslazione del corpo di San Sabino e per i 900 anni di dedicazione della Chiesa Cattedrale di Canosa. Canosa 26–27–28 ottobre 2001 (Centro ricerche di storia religiosa in Puglia. Basilica cattedrale di San Sabino), hg. v. Liana BERTOLDI LENOCI, Triest 2002, S. 21–24, hier S. 21. 392 Vgl. PRICOCO/SIMONETTI, Storie di santi, II, 15,3. 393 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 7, Sp. 591. 394 Vgl. Jean-Marie MARTIN, La Pouille du VIe au XIIe siècle (Collection de l’École Française de Rome, 179), Rome 1993, S. 249; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121; BHL 7443. In der BHL Online-Datenbank sind von diesem Werk elf Handschriften aufgeführt, die in Archiven in Benevent, Neapel, Rom und im Vatikan aufbewahrt werden. Diese werden in die Zeit zwischen dem 11. und 17. Jahrhundert datiert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=7443&RequestTimeout=500.
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können.395 In den Acta Sanctorum wird der Text allerdings bereits in das 8. Jahrhundert datiert.396 Obwohl sich dieser Translationsbericht auf die Verlegung der Gebeine des Heiligen in die Kirche von Canosa bezieht, ist er hier dennoch von großer Bedeutung, da in ihm die Langobarden in Benevent eine entscheidende Rolle spielen. Es ist eine deutliche Beziehung zu Benevent in dem Bericht enthalten, was vermuten lässt, dass der Schreiber beziehungsweise der Auftraggeber des Textes daran interessiert war, die Langobarden in einem positiven Licht zu zeichnen. Es stellt sich die Frage, welches Interesse die langobardischen Herrscher an diesem Heiligen hatten und ob hier vielleicht ein Anspruch auf dieses Gebiet zumindest angedeutet werden sollte. Der Verfasser des Textes ist unbekannt. Der Bericht über die Verlegung nimmt lediglich einen geringen Raum innerhalb der Vita des heiligen Sabinus ein, wobei seine Vita und die Beschreibung seiner Wiederauffindung ausführlicher sind. Anscheinend schien es dem Verfasser wichtiger, die besondere Lebensführung des Heiligen sowie seine Wunder hervorzuheben, wohingegen die Auffindung der Gebeine und die Übertragung in die Kathedrale von Canosa nicht von gleicher Bedeutung scheinen. Für Ada CAMPIONE stellt die Vita des Sabinus ein wichtiges Werk in der hagiographischen Tradition dar, das sowohl kirchlich als auch politisch genutzt werden konnte, nachdem es neben seiner religiösen/liturgischen Funktion zugleich die Langobarden charakterisierte, die sich selbst als christlich ansahen.397 Da diese Texte erst einige Zeit nach der Christianisierung der Langobarden niedergeschrieben wurden, konnte sich in ihnen das Selbstbild der Machthaber niederschlagen, die dadurch eine christliche Tradition konstruieren konnten. Anders als bei dem Text über die Erscheinung des Erzengels Michael wird in dieser Vita allerdings konkret auf ein Vergehen gegen den Heiligen eingegangen, da die Herzogin Theodora versucht haben soll, dessen Schätze zu verringern. Sie wird also nicht als ideale Christin dargestellt. Erst dieses Handeln und die Gegenwehr des Heiligen erreichen die Verchristlichung der Herzogin. Der Festtag des Sabinus ist der 9. Februar. Dieser Tag ist auch im Codex Casanatensis 641 für den Heiligen enthalten.398 Im Marmorkalender von Neapel, im Synaxarium von Konstantinopel und im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint er hingegen nicht. Eine besondere Bekanntheit des Heiligen kann also zunächst nicht postuliert werden. Er wurde aber zumindest im jüngsten der drei ältesten Kalendarien aus Monte Cassino aufgenommen, was seine Bekanntheit zu diesem Zeitpunkt voraussetzt. Möglicherweise führte die Translation innerhalb Canosas in dieser Zeit dazu, dass der Heilige populärer wurde. Dies würde auch erklären, warum er nicht in den beiden anderen Kalendarien erwähnt wird, die eher an das Ende des 8. Jahrhunderts datieren. Eine Translation führte in 395 396 397 398
Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121. AASS, Feb. II., S. 323: „… ab anonymo scripta sec. VIII“. Vgl. CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 399. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 15.
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der Regel zu einem Anwachsen des Bekanntheitsgrades, da es sich hierbei nicht um ein alltägliches Ereignis handelte und so sicherlich überregional darüber gesprochen wurde. Allerdings verwundert in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Heilige nicht im Martyrologium des Erchempert enthalten ist, was vielleicht damit erklärt werden kann, dass Sabinus auch im Martyrologium Bedas nicht aufgeführt ist. Möglicherweise war seine Popularität vorerst nur kurzzeitig gewesen. Oder Erchempert besaß kein Exemplar des jüngeren Kalendariums bei der Abfassung des Martyrologiums und nahm daher diesen Heiligen nicht auf, was dafür sprechen würde, dass sein Kult in der Zeit nicht weit bekannt war. Der Schreiber des Textes stellt sich als Augenzeuge der Ereignisse dar, weswegen eine Datierung an den Beginn des 9. Jahrhunderts wahrscheinlich erscheint, allerdings wird die Translation, die im späteren Teil behandelt wird, unter einem Bischof Petrus vorgenommen, der laut dem Chronicon Salernitanum in die 840er Jahre datiert werden kann.399 Hierbei wäre es entscheidend zu wissen, ob beide Teile zur gleichen Zeit niedergeschrieben wurden oder ob der Translationsbericht erst später angefügt wurde. Der Text beginnt, indem der Schreiber seine Unwürdigkeit, diesen Text niederzuschreiben, hervorhebt.400 Hier werden auch die Dialoge Gregors des Großen genannt, die über die Wunder der Heiligen berichteten.401 Es wird beschrieben, dass zur Regierungszeit des Kaisers Justinian viele große und wichtige heilige Männer zugegen gewesen seien und unter ihnen der Bischof Sabinus von Canosa sich besonders hervorgetan habe.402 Schon seit seiner Kindheit habe er sich bemüht, Gott in allem zu gefallen, die weltlichen Begierden zu zügeln und seinen Geist dem Himmel zu öffnen.403 Da die Vita erst einige Jahrhunderte nach dem Tod des Bischofs niedergeschrieben wurde, war sicherlich nichts mehr über dessen Kindheit bekannt, dennoch sollte sie ebenfalls aufgeführt werden, um als Topos die Tadellosigkeit des Heiligen darzustellen. Sabinus sei laut der Vita mit vielen bekannten Personen seiner Zeit in Freundschaft verbunden gewesen, so etwa mit Germanus, dem Bischof von Capua, oder mit dem heiligen Benedictus, von dem ihm vorhergesagt worden sei, dass Rom durch den Goten Totila nicht zerstört werden würde.404 Die Vita schildert sein
399 Vgl. PAOLI, Tradizioni agiografiche dei ducati, S. 312. 400 AASS, Feb. II., S. 323: Voluntati tuae parere, summe Pontifex, cupio; sed manus refugit, tantis gravata peccatis, de tanti viri virtute miracula pandere. Tamen solet per testeam lucernam clarum lumen effundi, et in vase plumbeo optimum reperiri unguentum. 401 Vgl. Ebd., S. 323. 402 Ebd., S. 324: Regnante Iustiniano Augusto, sancti viri multis in locis, ad Christi gloriam, ipso fauente, non paruo numero claruerunt; ex quibis multa grata et miranda in nostris codicibus inueniuntur. Inter quos beatus ac venerabilis Canusinae Ecclesiae Sabinus effulsit Episcopus. 403 Ebd., S. 324: Hic ab infantia omnipotenti Deo in omnibus placere cupiens, carnis coërcens voluptatem, animum ad caelestia sublimabat. 404 Ebd., S. 324: Unde et cum Germano Capuanae Ecclesiae Pontifice crebris familiaritatibus conueniebat. Sed et cum Benedicto Christi famulo in Cassino castro posito assidua amicitia loquebatur; … Nam quodam tempore dum ad eumdem Dei famulum Benedictum praefatus vir
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christliches Leben ausführlich sowie die Verbreitung seines Ruhmes noch zu Lebzeiten.405 Zuletzt wird auf den Tod des Heiligen eingegangen, den dieser bereits vorhergesehen habe, weswegen eine Anzahl von Menschen bei ihm gewesen sei.406 Nach seinem Tod sei seine Grablege aufgrund der herrschaftlichen Umbrüche und Kriege in Vergessenheit geraten.407 Ein Spanier mit Namen Gregorius, der durch eine nicht näher definierte Krankheit betroffen gewesen sei, sei von einem Heiligengrab zum nächsten gewandert, damit er geheilt würde.408 Des Abends habe er um Heilung gebetet und dabei seine Sünden gebeichtet, worauf er im Anschluss in Schlaf gefallen sei. Darauf habe er eine Stimme gehört, die ihn aufgefordert habe, sich nach Italien an das Grab des heiligen Sabinus zu begeben, da er dort Heilung nicht nur für seinen Körper, sondern auch für seinen Geist erhalten würde.409 In Canosa habe der Spanier angefangen, nach dem Grab des Bischofs zu suchen, wobei ihm allerdings niemand habe helfen können, da das Grab in Vergessenheit gewesen sei.410 Schließlich sei es ihm gelungen, das Grab des Heiligen zu finden und dort Heilung zu erlangen.411 Aufgrund seines Fundes sei die Grabstelle des Sabinus publik geworden, worauf sich auch die Beneventaner Herzogin Theodora zum Grab begeben habe.412 Im folgenden Abschnitt wird dann zunächst eine historische Angabe gemacht, da berichtet wird, dass Grimoald die Herrschaft in Benevent innegehabt habe, nachdem sein Vater Romuald verstorben war.413 Die Herzogin und Regentin Theoderada, die Mutter Grimoalds, erscheint als wichtige Akteurin in den weiteren
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visitandi gratia aduenisset, et de Totila Rege Gothorum, ac Romanae urbis interitu … Roma a gentibus non dissipabitur, sed suis vetustatibus et terrae motibus fatigata marcescetin semetipsa. Vgl. Ebd., S. 324f. Ebd., S. 324: Nec diu vir Dei Sabinus in hac vita moratus est: cuncto namque sibi adstante Clero, extremum sui corporis diem praedixit imminere. Nec quod praedixit, diu dilatum est. Languore superueniente mortis appropinquauit hora. In ipso sui obitus articulo positus, in strato, in quo iacebat, residens, ad vniuersos, adstante Clero et turba, quae ad sanctum virum ob illius exitum animae confluxerat … Ebd., S. 326: Qua caussa membrorum meorum tumba incognita relinquetur diuturno tempore, et absque adminiculo Pastorum haec Ecclesia inculta retinebitur. Ebd., S. 326: Quidam Hispanus, nomine Gregorius, graui sui corporis languore premebatur. Hic cum per loca Sanctorum discurreret, vt sui corporis remedium inuenire posset. Ebd., S. 326: Surge Gregori, et ad Italiam propera: ibi per Sabinum Episcopum, non solum tui corporis, sed et animae inuenies sanitatem. Ebd., S. 326f.: Ad haec hi qui audiebant, Sepulchrum, inquiunt, illius, quod quaeris, usque hodie hominibus incognitum manet. Vgl. Ebd., S. 327. Vgl. Ebd., S. 327. Ebd., S. 327: Eodem quoque tempore Longobardorum regni gubernacula sustinebat Grimoalt, qui filium suum Romoalt Beneuenti Principem instituit, eique Lupi, qui ex nobili prosapia extiterat, filiam nomine Theodoradam, quam modo meminimus, in matrimonium dedit. Romoalt defunctus eam ad regendum Samnitum populum cum paruo filio reliquit.
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Geschehnissen. Sie ist aus einer weiteren Heiligenvita bekannt, nämlich aus der des heiligen Barbatus.414 Es sei der Auftrag, das Grab des Heiligen zu öffnen, ergangen, worauf diesem bei seiner Öffnung ein wundersamer Geruch entströmt415 sei, zudem sei eine große Menge an Gold gefunden worden416. Die Herzogin habe daraufhin befohlen, das Gold nach Benevent zu bringen, und habe ebenfalls versucht, nach Benevent zu gelangen, woran sie allerdings durch den Heiligen gehindert worden sei.417 Aufgrund dieser Ereignisse sei das Gold wieder zurückgebracht worden. Die Kirche in Canosa habe daraufhin einen Kelch und eine Patena aus Gold erhalten.418 Von CAMPIONE wurde die Rolle der Theodora in der Vita des Sabinus mit derjenigen des Romualds in der Vita des Barbatus verglichen, wobei sie feststellte, dass es sich um ein ähnliches Vorgehensmuster handelt, da beide zunächst ein negatives Verhalten pflegten und erst durch den Heiligen zu Umkehr und Buße gebracht wurden.419 Theodora nahm zunächst das Gold aus dem Grab des Heiligen und versuchte damit, nach Benevent zu gelangen, kehrte aber auf göttliche Zeichen hin um und stattete die Kirche des Sabinus mit einem vergoldeten Kelch und einer ebensolchen Patena aus.420 Dies erinnert ebenfalls an die Vita des Barbatus, da dort die Schlange, die durch den Herzog Romuald verehrt wurde, eingeschmolzen wurde und aus dem Gold ebenfalls ein Kelch und eine Patena gefertigt wurden.421 So werden die Charaktere der Protagonisten vom Negativen ins Positive transformiert. Neben dem Spanier wird ein Aquitanier genannt, der sich aufgrund seiner Gebrechen zu dem Heiligen begab, um von ihm Heilung zu erlangen.422 Nachdem er durch diesen genesen sei, hätten die Zeugen dieses Geschehens beschlossen,
414 Siehe Kapitel 6.1.2. 415 AASS, Feb. II., S. 327: Igitur haec mulier a praefato Hispano mandatum audiens, et implere festinans, ad sepulchrum Dei famuli laeta perrexit: idique aperiri, Sacerdotibus omnibus, qui aderant, psallentibus et hymnos Deo referentibus, iussit. Aperuerunt itaque sepulchrum, in quo (mirabile visu) thesaurum mirabilem odore ambrosio redolentem reconditum inuenerunt. 416 Ebd., S. 327: Sed et in quadam parte sepulchri non modicum auri pondus repertum est. 417 Ebd., S. 327: Theodorada vero oblita mandati aurum abstulit, sepulchrum reliquit, ad suam sedem remeare volens, Beneventum festinat. Vgl. CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 385; AASS, Feb. II., S. 327: Sed dum ad pontem, qui a Troiano Augusto cōstructus super fluenta est Aufidi, venisset, omnipotentis Dei iudicio, equus, in quo sedebat, pede lapsus est. Quae mox in terram corruit, et a terra brachiis famulorum leuata est, et quis esset vel cuius meriti Sabinus post casum cognouit, cuius praecepti nescio quo ordine fuerat oblita. 418 Vgl. Ebd., S. 327. 419 Vgl. CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 387. 420 Vgl. AASS, Feb. II., S. 327; CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 387. 421 Vgl. Vita Barbati Episcopi Beneventani, S. 561f.; Ada CAMPIONE, Note sulla Vita di Sabino di Canosa: inventio e translatio, in: Puglia paleocristiana e altomedievale 5 (1990), S. 243– 265, hier S. 262f. 422 Vgl. AASS, Feb. II., S. 327.
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dass die Taten des Heiligen publik gemacht werden müssten.423 Laut CAMPIONE zeigen diese beiden Wunderberichte innerhalb der Vita die Präsenz von Pilgern in der Zeit des 7. bis 9. Jahrhunderts auf, die sich in Apulien aufhielten, möglicherweise aufgrund des Michaelheiligtums auf dem Monte Gargano.424 Somit enthält die Vita des Sabinus zwei Pilger, die es aus dem Westen Europas bis ganz in den Süden Italiens verschlagen hatte, wo ihnen letztlich das Wunder zuteilwurde, weswegen sie sich ursprünglich auf den Weg gemacht hatten. Der anschließende Translationsbericht beginnt mit einer Beschreibung der Festivitäten, die zu Ehren des Heiligen in der Stadt abgehalten wurden. Die feierliche Öffnung des Grabes in der Kirche, die von Theodora gebaut worden war, wird beschrieben, wobei die typischen Motive einer Graböffnung geschildert werden, wie etwa die Tatsache, dass dem Grab ein besonderer Geruch entströmt sei, und die anschließende feierliche Verlegung der Gebeine in die Kathedrale von Canosa.425 Für diese Translation war Bischof Petrus (800–842)426 verantwortlich, der die Gebeine des Heiligen verlegen ließ. Auffällig ist, dass die Translation am Festtag der Heiligen Petrus und Paulus, also am 29. Juni, vorgenommen wurde, wobei es sich schließlich um einen hohen kirchlichen Feiertag handelt. Dies unterstreicht aber sicherlich auch die große Bedeutung des heiligen Sabinus für die Stadt. Als Anlass für die Translation vermutet CAMPIONE, dass die Kirche mit dem Grab des Heiligen als wichtiger Wallfahrtsort zu klein wurde und daher eine Verlegung veranlasst werden musste.427 Hierfür bot sich die Kathedrale der Stadt sicherlich an. Etwa einen Monat nach der Erhebung und der Überprüfung der Gebeine wurden diese am 1. August feierlich neben den Reliquien der Märtyrer Johannes und Paulus niedergelegt.428
423 Ebd., S. 327: Post sui vero restaurationem corporis praefatus Aquitanus cum animalia cerneret, circumstantibus dicebat: Quae haec sunt, obsecro, mihi celerius innotescite. Nihil enim omnino in hac vita viderat, nisi post visitationem, idque non tantum dictis, sed magis opere patefaciebat. 424 Vgl. CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 389. 425 AASS, Feb. II., S. 327: Ex marmoribus namque, quemadmodum balsami stillare solent guttulae, inenarrabili odore liquor emanabat. Cuncti qui aderant, Angelica ibi esse obsequia credentes, cum exultatione pauoreque intenti impensius orabant. Quid plura? Tulerunt corpus cum hymnis et caelestibus canticis, et omni populo exultante, diuersisque lampadibus refulgente, ad locum, quem illi ipse parauerat, venerunt. 426 Vgl. Cosimo Damiano FONSECA, Culto sabiniano e conflitti giurisdizionali tra Bari e Canosa, in: San Sabino. Uomo di dialogo e di pace tra Oriente ed Occidente. Anno Domini 2002. Atti del Convegno di Studi in occasione del XII Centenario della traslazione del corpo di San Sabino e per i 900 anni di dedicazione della Chiesa Cattedrale di Canosa. Canosa 26–27–28 ottobre 2001 (Centro ricerche di storia religiosa in Puglia. Basilica cattedrale di San Sabino), hg. v. Liana BERTOLDI LENOCI, Triest 2002, S. 13–20, hier S. 19. 427 Vgl. CAMPIONE, La vita di Sabino, S. 390. 428 AASS, Feb. II., S. 327: … in camera subtus altare beatissimorum martyrum Joannis et Pauli.
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Der Text endet mit der Information, dass er während der Herrschaft Grimoalds und des Edlen Emerith geschrieben wurde.429 Eine eindeutige Identifizierung Emeriths ist nicht möglich, wobei wahrscheinlich ist, dass damit ein Nachfahre Grimoalds IV. gemeint war, der selbst nicht Herrscher in Benevent gewesen war.430 Sollte dies korrekt sein, könnte das Werk in den Beginn des 9. Jahrhunderts datiert werden. Somit hielt MARTIN fest, dass das älteste apulische hagiographische Zeugnis wahrscheinlich aus der Regierungszeit Grimoalds IV. stammt.431 6.1.3. Fazit Die ersten vorgestellten Translationen fanden in der Regierungszeit Arichis’ II. statt und dies auf einen relativ engen Zeitraum verteilt. Thomas EICHENBERGER bezeichnete dieses Vorgehen als Teil einer Politik, die auf eine königgleiche Stellung abzielte.432 Es kann davon ausgegangen werden, dass er als Herrscher in seiner Region versuchte, seine Stellung zu unterstreichen, was möglicherweise dadurch verstärkt wurde, dass er nicht ursprünglich aus dieser Region stammte. Somit musste sich Arichis in seinem Herrschaftsgebiet als Machthaber erst noch profilieren, um so die Einwohner und regionalen Großen auf seine Seite zu ziehen, was ihm anhand von gemeinsamen Kulten besser gelingen konnte, da er so die Menschen schichtübergreifend erreichte. Einige der Heiligen, die in die Stadt geholt wurden, hatten einen Bezug zur Region. Dies wird bei den zwölf Brüdern deutlich, die in vier Städten Unteritaliens ihre Grabstätte hatten, zudem bei Castus, der aus Trivento nach Benevent transloziert wurde.433 Andere hatten einen byzantinischen Bezug: zum einen Helianus, der aus Konstantinopel geholt wurde, oder Mercurius, bei dem es sich um einen bedeutenden byzantinischen Militärheiligen handelte und der legendarisch
429 Ebd., S. 328: Haec principate viro gloriosissimo Emerith prole Grimoald scripta sunt, cuius temporibus multa Salentinati populo prospera occurrere, praestante et adiuuante Domino nostro Iesu Christo, cui honor et gloria in secula seculorum, Amen. 430 Vgl. Jean-Marie MARTIN, Note sur la Vie de saint Sabin de Canosa e le prince de Bénévent Grimoald IV, in: Puglia paleocristiana e altomedievale 6 (1991), S. 171–177, hier S. 171f. 431 Vgl. MARTIN, Note sur la Vie de saint Sabin, S. 177. 432 EICHENBERGER, Patria, S. 130; PALMIERI, Paolo Diacono, S. 269: „Il pio e cattolico principe non solo costruisce chiese e monasteri, vi prega continuamente di notte, per la salvezza della patria e della sua gente, ma rende tangibile il favore e la protezione divina, traslando nel tempio nazionale dei Longobardi meridionali, S. Sofia di Benevento, le reliquie di illustri santi martiri, che intercedono per essi.“ 433 Wobei es sich in diesem Falle doch um eine weitere Strecke handelt, da der Ort knapp 100 km von Benevent entfernt ist, und zu fragen ist, wer zu dem Zeitpunkt der Translation die Oberhoheit über diese Stadt besaß, was allerdings nicht zu beantworten sein dürfte, da zum einen der genaue Zeitpunkt der Translation nicht bekannt ist und zum anderen die Machtverhältnisse in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts in dieser Region keine klaren waren.
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mit der langobardischen beziehungsweise beneventanischen Geschichte verknüpft wurde. Diese Heiligen sollten eine besondere Verbindung zwischen der langobardischen Bevölkerung und Gott schaffen.434 Durch diese Translationen wurde die Stadt Benevent nicht nur der administrative Hauptsitz des Herzog-/Fürstentums, sondern auch der geistliche.435 Ob es Arichis mittels dieser Translationen gelang, zwischen der beneventanischen Bevölkerung und ihrer Heimat ein enges Verhältnis zu schaffen, ist unklar.436 Hierbei ist die Bedeutung der einzelnen Heiligen für die Bevölkerung zu hinterfragen. Bei Helianus konnte keine Kultaktivität festgestellt werden, was aber nicht zwingend deren Nichtvorhandensein bedeutet. Mercurius scheint die größte Bedeutung erlangt zu haben, zumal mehrere Feiertage für den Heiligen auch Auswirkungen auf das Alltagsleben der Gläubigen hatten. Die gemeinsamen Festtage konnten die Bevölkerung mit ihren Heiligen, aber auch untereinander verbinden, sodass ein stärkeres Identifikationsgefühl aufkam. Die Translationen und die gleichzeitige Errichtung der S. Sophia weisen auf ein neues religiöses Bedürfnis hin, das durch den Herzog gestillt wurde. Durch die Einbringung der Reliquien wurde die Bedeutung der Stadt ideologisch erhöht.437 Zudem konnte es so zu einer sakralen Aufladung der Bedeutung der Stadt und einer Sicherung der Herrschaft kommen.438 Aber nicht nur Arichis selbst nahm Translationen vor, sondern auch einige beneventanische Große. So wurden die Reliquien des Helianus von einem Gastalden aus Konstantinopel überführt und Castus wurde auf Veranlassung eines Madius nach Benevent gebracht. Dies zeigt, dass nicht nur der Herzog/Fürst sich bemühte, Heilige in die Stadt zu bringen, sondern anscheinend allgemein ein großes Interesse an ihnen bestand. In den jeweiligen Texten wird darauf eingegangen, dass die Heiligen in die Kirchen derjenigen gebracht wurden, die sie in die Stadt transferieren ließen. Dies zeigt, dass die Edlen der Stadt auch ihre eigenen Kirchen mit besonderen Verehrten ausstatten wollten. Hinter den vorgenommenen Translationen einen festen Plan zu vermuten, ist eher fragwürdig, da ein systematisches Vorgehen anders aufgezogen hätte werden
434 DELOGU, Mito di una città, S. 25: „Le reliquie valevano come patrimonio comune dell’intero corpo politico; i santi intercedevano presso la Sapienza di Dio, cioè Cristo, per il duca ed i Longobardi.“ 435 Vgl. Ebd., S. 51. 436 Dick HARRISON, The Duke and the Archangel. A Hypothetical Model of Early State Integration in Southern Italy through the Cult of Saints, in: Collegium Medievale 6 (1993), S. 5–33, hier S. 28: „The cult of saints was a means of attaining legitimation and manifestation of social integration and thereby also a means of strengthening the system.“ Vgl. EICHENBERGER, Patria, S. 130. 437 Vgl. Dick HARRISON, The Early State and the Towns. Forms of Integration in Lombard Italy AD 568–774 (Lund Studies in International History, 29), Lund 1993, S. 136. 438 VUOLO, Agiografia beneventana, S. 203: „L’operazione, oltre a garantire una robusta tutela spirituale alla dinastia e alla città, appare anche un modo per sottolineare il prestigio, e quasi una sorta di sacralità, raggiunto da entrambe.“
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können. Die einzelnen Translationen wirken in sich abgeschlossen und es kann auch keine Steigerung in der Wichtigkeit der Heiligen verzeichnet werden, da dem zweiten Heiligen Helianus so gut wie keine Bedeutung zukam, was vielleicht damit zusammenhing, dass er nicht durch Arichis, sondern einen Gastalden in die Stadt gebracht worden war. Möglicherweise wuchs das Bedürfnis nach Schutz in der Herrschaftszeit des Arichis immer mehr, wobei dann bemerkenswert ist, dass nach der Eroberung des Nordens durch die Franken keine Translationen vorgenommen wurden. Bis auf den heiligen Helianus wurden anscheinend keine Versuche unternommen, mit Konstantinopel Reliquien auszutauschen. So rasch wie die Translationen begonnen hatten, scheinen sie auch wieder geendet zu haben. Die nächsten Translationen, die sich sicher datieren lassen, fanden erst in den 820er/830er Jahren statt. Dazwischen herrschten zwei Fürsten (Grimoald III. und Grimoald IV.), die wohl kein Interesse daran hatten, neue Heiligenkulte in ihrer Stadt zu etablieren. Allerdings fand eventuell die Translation der Gebeine des heiligen Sabinus in eine neue Kirche in Canosa aufgrund einer Veranlassung Grimoalds IV. (806–817) statt.439 Zudem wurde während seiner Regierungszeit der Erzengel Michael auf die Münzen der Stadt geprägt.440 Somit kann zwar keine derartige Förderung des Heiligenkultes wie unter Arichis II. postuliert werden, dennoch ist ein gewisses Interesse an der Verehrung der Heiligen sicherlich vorhanden gewesen. Es ist auffällig, dass bei den Translationen, die am Anfang des 9. Jahrhunderts vorgenommen wurden, der beneventanische Bischof eine immer entscheidendere Rolle einnahm. Während die Entscheidung, welche Reliquien in die Stadt gebracht wurden, zunächst bei Arichis II. und seinen Großen lag, ging die Initiative darüber immer mehr in kirchliche Hände über. Zwar werden auch bei diesen Translationen in der Regel die Fürsten genannt, die zu der Zeit geherrscht haben, doch sind sie nicht mehr zwangsläufig die Hauptakteure bei diesen Geschehnissen. Häufig fällt der Name des Bischofs Ursus, wodurch die Bedeutung dieses Mannes für die Stadt unterstrichen wird. Während Arichis vermutlich versuchte, seine Macht mittels der Reliquien zu verstärken, war hier der Wunsch nach mehr Heiligen für die Kirchen Benevents und einer größeren Kontrolle der Heiligenverehrung von Seiten der Bischöfe entscheidend. Es ist auffällig, dass bei diesen Heiligen nicht bekannt ist, in welcher Kirche sie in Benevent niedergelegt wurden. Möglicherweise wurden diese Heiligen nicht mehr in die S. Sophia gebracht, die von Arichis für seine Patrone erbaut worden war, sondern in andere Kirchen. Sico und Sicard scheinen die Einbringung von Heiligen neben ihren kriegerischen Auseinandersetzungen für wichtig gehalten zu haben, wobei sie sicherlich
439 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 7, Sp. 591. Bezüglich der Translation des heiligen Sabinus haben sich mehrere Traditionslinien entwickelt. 440 Vgl. Vera von FALKENHAUSEN, I Longobardi Meridionali. II. Il territorio e i suoi abitani, in: Il Mezzogiorno dai Bizantini a Federico II (Storia d’Italia, 3), hg. v. André GUILLOU u. a., Torino 1983, S. 287–322, hier S. 317; Nicola BERGAMO, I Longobardi. Dalle origini mitiche alla caduta del regno in Italia, Gorizia 2012, S. 215; Siehe Kapitel 7.1.1.
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von den jeweiligen Bischöfen bestärkt wurden. Die Übertragung der Bartholomäus-Reliquien von Lipari nach Benevent im Jahr 838 war sicherlich ein entscheidendes Ereignis im Zusammenhang mit der Heiligenverehrung. Die räumliche Entfernung der Insel hinderte den Fürsten nicht daran, sich um die Heranschaffung dieses wichtigen Heiligen zu bemühen. Beim Vergleichen der beiden Phasen der Translationen miteinander können einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede erkannt werden. Bei der Lage der Herkunfts-orte der Reliquien, die im Laufe der beiden Phasen nach Benevent gelangten, ist eine klare lokale Ausrichtung feststellbar. Lediglich Helianus wurde aus Konstantinopel und Bartholomäus aus Lipari herbeigeschafft, was eine weitere Entfernung bedeutete. Die anderen Heiligen stammen aus dem Umfeld Unteritaliens. In der zweiten Phase wurden ebenfalls Reliquien aus der Region herbeigeschafft, wobei hier einige Heilige sogar gewaltsam aus ihren jeweiligen Städten entwendet wurden. Ein solches Vorgehen wird unter Arichis zumindest nicht beschrieben, auch wenn die Konsequenzen für die Ursprungsstädte in der Regel nicht näher genannt werden. Somit bleibt festzuhalten, dass die Translationen nach Benevent vor einem Hintergrund des Ausgreifens der jeweiligen Machthaber in die Region betrachtet werden müssen, wobei die religiöse Intention, die ebenfalls in den Quellen deutlich wird, nicht vergessen werden sollte. Auffälligerweise stammen die meisten der Heiligen aus der Umgebung. Zu fragen ist, wie es zu dieser Ausrichtung kam, denn es wäre denkbar gewesen, Heilige aus Rom zu erbitten. Dennoch scheint es den Quellen nach ein solches Vorgehen nicht gegeben zu haben. 6.2. ZWISCHEN ROM UND BYZANZ: NEAPEL UND SEINE HEILIGEN Die campanische Hafenstadt Neapel stand, wie bereits oben aufgezeigt, bis ins 11. Jahrhundert unter byzantinischer Oberhoheit und war religiös stark griechisch geprägt, weswegen es hier zu fragen gilt, ob sich diese auch in der Heiligenverehrung der Stadt widerspiegelt. Wichtige Quellen für die Heiligenverehrung in Neapel sind neben den hagiographischen Schriften vor allem die Bischofschronik und der Marmorkalender441 von Neapel. Als neapolitanische Märtyrer und Bekenner zählt MALLARDO im Marmorkalender von Neapel Severinus, Quodvultdeus, Januarius und Gaudiosus auf442 und widerspricht ACHELIS bezüglich der Einordnung von Sosius, Fortunata, Eutyches und Acutius als Heilige dieser Stadt, da es sich bei diesen um keine lokal neapolitanischen Heiligen, sondern um campanische gehandelt haben soll.443 Anzumerken ist jedoch, dass auch die letztgenannten im Laufe der Jahrhunderte nach Neapel transloziert und dadurch zu lokalen Heiligen wurden. Die erstgenannten sind nicht primär Neapolitaner, sondern Heilige der 441 Siehe Kapitel 4.1 und 4.3. 442 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 57. 443 Vgl. Ebd., S. 58ff.
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Region, ebenso die zweitgenannten. Somit erscheint eine klare Trennung der beiden Gruppen fraglich, da die Heiligen Severinus, Quodvultdeus, Januarius und Gaudiosus lediglich früher nach Neapel gebracht worden waren als die Heiligen Sosius, Fortunata, Eutyches und Acutius und somit ihr lokaler Kult eine längere Tradition besitzen konnte. MALLARDO zieht hier die Trennlinie im 5. Jahrhundert.444 Diejenigen, die davor nach Neapel kamen, galten dann als Lokalheilige, die Nachfolgenden nicht mehr. Es stellt sich die Frage, ob eine solche Differenzierung auch den Gläubigen Neapels geläufig war, ob es eine Hierarchie der Heiligen gab, je nachdem wie lange sie bereits vor Ort präsent waren. Es ist vielleicht eher relevant, dass einige der genannten Heiligen zum Zeitpunkt der Aufstellung des Kalenders bereits in Neapel waren, nämlich Fortunata, Acutius und Eutyches, während Sosius erst später transferiert wurde.445 Es ist schwer prüfbar, ob der vor Ort präsente Heilige stärkere Verehrung erfuhr als derjenige, dessen ohne Reliquien gedacht wurde. Es war bereits in früheren Jahren zur Verlegung von Heiligen nach Neapel beziehungsweise in die Katakomben vor der Stadt gekommen, wie aus der Bischofschronik von Neapel bekannt ist.446 Von Bedeutung ist vor allem, dass zu Beginn des 9. Jahrhunderts viele neapolitanische Bischöfe aus den Katakomben vor der Stadt in die Kirchen in der Stadt verlegt wurden, was sicherlich zum einen mit dem Diebstahl des heiligen Januarius im Jahr 829 durch Sico von Benevent erklärt werden kann,447 wonach das Bedürfnis entstand, die Heiligen in den eigenen Mauern zu schützen, zum anderen mit der besseren Zugängigkeit der Reliquien innerhalb der Stadt. 6.2.1.
Eine frühe Verehrung der neapolitanischen Bischöfe
Bei den neapolitanischen Heiligen ist zunächst auffällig, dass es anscheinend keine autochthonen Märtyrer der Stadt gab.448 Daher erlangten in Neapel vor allem die dortigen Bischöfe eine besondere Bedeutung, die sich im Heiligenkult abzeichnete. So enthält der Marmorkalender von Neapel zwanzig neapolitanische Bischöfe, die als Heilige verehrt wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt, also der Mitte des 9. Jahrhunderts, waren etwa 41 Bischöfe im Amt gewesen – je nachdem wie der Kalender genau datiert wird. 444 Vgl. Ebd., S. 58. 445 Siehe Kapitel 6.4.2. 446 Besonders beliebt waren anscheinend die Katakomben des Januarius als Grablege, denn die ersten 14 Bischöfe der Stadt und auch einige Herzöge wurden dort niedergelegt. Vgl. Umberto Maria FASOLA, Le tombe privilegiate dei vescovi e dei duchi di Napoli nelle catacombe di S. Gennaro, in: L’ inhumation privilégiée du IVe au VIIIe siècle en Occident. Actes du colloque à Créteil les 16–18 mars 1984, hg. v. Yvette DUVAL/Jean-Christophe PICARD, Paris 1986, S. 205–213, hier S. 205f. 447 Siehe Kapitel 6.1.2. 448 Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel, S. 4.
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Insgesamt gab es in Neapel fünf Katakomben449, die außerhalb der Stadt lagen. Die Bedeutung der Katakomben ist daran abzulesen, dass die Heiligen der Stadt lange Zeit ihre Grablege dort behielten und die dort bestatteten Bischöfe erst im 8. Jahrhundert vermehrt in die Stadt selbst transloziert wurden. In der Bischofschronik von Neapel werden alle fünf Katakomben genannt, wobei die des Januarius als Beerdigungsort am häufigsten vorkommen.450 Laut Paulus Diaconus von Neapel ließ Bischof Johannes IV. (842–849) die Gebeine seiner Vorgänger aus den Katakomben erheben und von dort in die Stefania verbringen.451 Diese Translationen wurden mit der zunehmenden Bedrohung von außen in Verbindung gebracht und dem daraus resultierenden Wunsch, die Gebeine der Heiligen sicher in der Stadt zu verwahren, wo sie besser verteidigt werden konnten.452 Nicola CILENTO führt hier die Langobarden und Sarazenen als Grund für diese Verlegungen an.453 Zudem wurde das Prestige der jeweiligen Kirche durch die Anwesenheit dieser bedeutenden Heiligen erhöht.454 Aber es wurden auch vor dem 9. Jahrhundert einige Bischöfe nach Neapel verlegt.455 Die Bedeutung der Bischöfe im Heiligenkult der Stadt kann ferner anhand des Marmorkalenders nachvollzogen werden, in dem 21 von ihnen als Heilige genannt werden. Dabei handelt es sich entweder um die Nennung des Festtages oder der Niederlegungstage,456 wobei Bischof Calvus (750–763) als Einziger sogar mit beiden Tagen genannt wird457. Es wurden allerdings nicht alle Bischöfe der Stadt aufgezählt, sondern nur ein Teil. Grund für diese Auswahl ist wohl, dass nicht alle Bischöfe Neapels als Heilige verehrt wurden. Die Erstellung der Bischofschronik ist ein weiteres Indiz dafür, dass ein reges Interesse an den Bischöfen der Stadt vorhanden war, deren Taten schriftlich fixiert
449 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 61. Dabei handelt es sich um die Zömeterien des Fortunatus, Severus, Euphebius, Januarius und Gaudiosus. Zur Ausstattung der Januarius-Katakomben siehe FASOLA, Le tombe privilegiate, S. 206f. Eine ausführliche Beschäftigung mit diesen liegt in dem Werk von ACHELIS vor. Vgl. ACHELIS, Die Katakomben von Neapel. 450 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 62. 451 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 432: Corpora quoque suorum predeccessorum de sepulcris, in quibus iacuerunt, levavit, et in ecclesia Stephania singillatim collocans, aptavit unicuique arcuatum tumulum ac desuper eorum effigies depinxit. 452 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 62f. 453 Vgl. CILENTO, Il significato della „translatio“, S. 3. 454 Vgl. Ebd., S. 3. 455 So beispielsweise die Bischöfe Euphebius, Fortunatus und Maximus, die alle in die Stefania gebracht wurden, oder auch Zosimus, der in der Kirche S. Restituta seine Grablege fand. Vgl. Scriptores rerum langobardicarum, S. 404. 456 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 25f. 457 Einmal der 18.11. als Sterbetag und der 20.3. als Tag seiner Niederlegung. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 26; Paolo BERTOLINI, La serie episcopale napoletana nei sec. VIII e IX. Ricerche sulle fonti per la storia dell’Italia meridionale nell’alto medio evo, in: Rivista di storia della chiesa in Italia 24 (1970), S. 349–440, hier S. 365.
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werden sollten. Hierbei handelt es sich um ein bedeutendes Zeugnis der Stadtgeschichte.458 6.2.1.1. Der heilige Euphebius Für den Bischof Euphebius hat sich ein Mirakelbericht erhalten, ebenso für Bischof Agrippinus (beide 3. Jahrhundert). Möglicherweise gab es für die anderen Bischöfe weitere Texte, die aber nicht bis heute tradiert wurden. Zudem wurden die Gebeine des Bischofs Athanasius I. 877 aus Monte Cassino nach Neapel geholt, was zur Erstellung neuer Texte führte.459 Im Folgenden werden die Inhalte der Texte über die heiligen Bischöfe vorgestellt. Euphebius’ Festtag, der auch im Marmorkalender von Neapel genannt wird, ist der 23. Mai.460 Ansonsten erscheint er in keinem der kalendarischen Werke der Region, was damit erklärt werden kann, dass die neapolitanischen Bischöfe anscheinend nur lokale Verehrung erfuhren. Seine Lebensbeschreibung in der Bischofschronik von Neapel enthält nur wenige Details aus seinem Leben. Er war der achte Bischof der Stadt und wird als schön durch seinen Körper und noch schöner durch seinen Geist beschrieben.461 Als weitere Angabe wird lediglich auf seine Translation in die Stefania eingegangen.462 Es kann also angenommen werden, dass dem Verfasser der Chronik nicht viel über diesen Bischof bekannt war, was auch mit dem zeitlichen Abstand der Niederschrift erklärt werden kann.463 Im Mirakelbericht464 des Euphebius heißt es, dass der Bischof nach vielen Jahren starb und viele Wunder zuvor wirkte.465 Im ersten Wunder geht es um ei-
458 Die Besonderheit der Bischofschronik von Neapel besteht darin, dass es sich dabei um in ein singuläres Werk in Süditalien handelt. Siehe Kapitel 4.3. 459 Siehe Kapitel 6.2.3. 460 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. 461 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 404: Pulcher corpore, pulchior mente, plebi Dei sanctissimus perfuit et fideliter ministravit. Zu Tugenden von Würdenträgern siehe Klaus HERBERS, Zu frühmittelalterlichen Personenbeschreibungen im Liber Pontificalis und in römischen hagiographischen Texten, in: Pilger, Päpste, Heilige. Ausgewählte Aufsätze zur europäischen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Gordon BLENNEMANN u. a., Tübingen 2011, S. 149–170. 462 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 404. 463 Siehe Kapitel 4.3. 464 BHL 2705. In der BHL Online-Datenbank sind drei Handschriften des Werkes aufgeführt, die sich alle in Archiven in Rom befinden und ins 13. bis 16. Jahrhundert datiert werden. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=2705&RequestTimeout=500. Der Mirakelbericht ist unter anderem in den Acta Sanctorum, AASS, Mai. V., S. 236–238, bei CAPASSO, vgl. CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 331–335 und bei UGHELLI, vgl. UGHELLI, Italia Sacra 6, Sp. 38–39. Er ist undatiert und von einem anonymen Verfasser. 465 AASS, Mai. V., S. 236: De quorum collegio hic sanctissimus Christi Confessor Euphebius post multa annorum curricula, ex quo carne mortali exurus ad caelestia regna migravit, apud
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nen Presbyter, dessen Kirche von Sarazenen, hier als Agarener bezeichnet, bedroht worden sei.466 Dennoch habe er eine Messe in der Kirche gehalten, worauf Gott die Ungläubigen mit Blindheit belegte, sodass sie nicht gegen die Kirche oder den Priester vorgehen konnten.467 Nach Beendigung der Messe sei der Presbyter hinausgegangen und sah dort, dass der Heilige die Feinde vertrieben hatte.468 Das zweite Wunder wird von einem Schiffbrüchigen berichtet, der seine gesamte Ware verloren hatte und in Neapel um einen Kredit bat, damit er nach Hause zurückkehren könnte. Ein Neapolitaner war bereit, ihm Geld zu leihen und führte ihn in die Kirche des heiligen Euphebius, der Garant für die Rückzahlung sein sollte. Als der Schuldner nach einiger Zeit die Summe nicht bezahlt hatte, sei ihm der Heilige im Schlaf erschienen und habe ihn dazu gebracht, seine Schulden zu begleichen.469 Beide Wunder haben eine Verbindung zur Stadt, wobei der Ort der Messe nicht genannt wird. Der Heilige setzte sich für die Belange der Menschen seiner Stadt ein, sei es, dass er eine Bedrohung wie die Sarazenen vertrieb oder einen auf ihn geleisteten Schwur durchsetzte. 6.2.1.2. Der heilige Agrippinus Ein weiterer Bischof, der in Neapel als Heiliger Verehrung erfuhr, war Agrippinus. In der Bischofschronik von Neapel wird er als sechster Bischof der Stadt aufgeführt.470 Es wird angenommen, dass Agrippinus in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts starb.471 In der Bischofschronik wird er als amator patrie und defensor civitatis bezeichnet, ohne dass näher ausgeführt wird, weswegen er diese Benennung erhalten hat.472 Er wurde zunächst in den Katakomben von S. Januarius zusammen mit dem Heiligen im Mittelsaal bestattet473, ehe er im 9. Jahrhundert
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Parthenopenses, quibus Pontificali dignitate redemitus praefuit, Christo sibi concedente pluribus effulsit miraculis. Vgl. AASS, Mai. V., S. 236f. Vgl. Ebd., S. 237. Vgl. Ebd., S. 237. Vgl. Ebd., S. 237f.; Jean-Marie SANSTERRE, La caution de S. Euphebius. Une variante de la légende byzantine du „Christ garant“, in: Analecta Bollandiana 113 (1995), S. 293–296, hier S. 293f. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 404; ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 50. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 470; BHL 174–177; AASS, Nov. IV., S. 122–128. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 404. Vgl. GOTHEIN, Die Culturentwicklung Süd-Italiens, S. 116. Allerdings ist zu vermuten, dass diese Katakomben ursprünglich den Namen des Bischofs Agrippinus trugen, da die Reliquien des Januarius erst unter dem 14. Bischof Johannes dorthin gebracht wurden, also Agrippinus
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nach Neapel in die Stefania transferiert wurde.474 Sein Festtag, der 9. November, ist auch im Marmorkalender von Neapel enthalten.475 Anfang des 10. Jahrhunderts verfasste der Subdiakon Petrus die Miracula Agrippini476, in welchen er die Wunder des Heiligen beschrieb. Dabei handelte es sich um die Fortführung eines neapolitanischen Berichts über die Wunderwirkungen des Heiligen, der wahrscheinlich aus dem 8. Jahrhundert stammt.477 VUOLO geht davon aus, dass der Bericht von insgesamt drei Verfassern geschrieben wurde, von denen er nur den letzten, Petrus Subdiaconus, identifizieren kann.478 Von dem ersten Verfasser stammen die ersten acht Kapitel,479 das neunte Kapitel schrieb der zweite anonyme Autor, während die letzten beiden Wunder und der Schluss von Petrus Subdiaconus ergänzt wurden.480 Insgesamt erstreckt sich so die Entstehungszeit dieses Mirakelberichtes vom 8. bis ins frühe 10. Jahrhundert.481 Obwohl von Petrus nur zwei Wunder berichtet wurden, nehmen diese den größeren Teil des Berichtes ein. MALLARDO unterteilt den Mirakelbericht in drei Teile. Er betrachtet die Kapitel 1–8 als den Teil, der in der Predigt vorgelesen oder im Stillen am Festtag des Heiligen gelesen werden sollte. Das neunte Kapitel stehe für sich allein und böte eine Zusammenfassung, während die letzten Kapitel 10–12 vom Subdiakon Petrus angefügt worden seien.482 Es wird von Heilungswundern berichtet, etwa von Gaudiosus, der aus der Stadt Abellinate stammen sollte, die wohl mit dem heutigen Avellino in Campa-
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477 478 479 480 481 482
schon viel länger dort seine Grabstätte hatte als Januarius. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 61. Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 62f. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 470; BHL 174–177. BHL 174 ist laut Online-Datenbank in vier Handschriften überliefert, die in Neapel und Rom aufbewahrt werden und die vom 12. bis ins 17. Jahrhundert datiert werden. Von BHL 175–177 werden jeweils drei Handschriften angeführt, die ebenfalls in Neapel und Rom liegen. Napoli, BN, codex VIII. B. 1., 048–054, 1176–1225; Roma, Corsin., codex 0777 (alias 41. G. 12), fol. 122– 130, 13. Jh.; Roma, Vallicell., codex H. 09, fol. 139–147, 1576 – 1625. BHL 174 ist noch in Napoli, BN, codex VIII. AA. 7., fol. 042–044v, 16. Jh. vorhanden. Die Mirakelsammlung ist in den Acta Sanctorum (AASS, Nov. IV., S. 122–128) ediert und auch CAPASSOs Sammlung CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 322–329, enthält einen Text, bei dem allerdings der Schluss fehlt. In den MGH ist lediglich ein Auszug aufgenommen worden. Vgl. Ex Miracula Sancti Agrippini, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 463– 465. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 75. Vgl. Antonio VUOLO, I ,Libelli Miraculorum‘ tra religiosità e politica (Napoli, Secc. IX–XII) (Parva Hagiographica, 1), Neapel 1990, S. 15. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 471. Vgl. VUOLO, I ‚Libelli Miraculorum‘, S. 15f. Vgl. Ebd., S. 17. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 470.
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nien gleichzusetzen ist.483 Er sei gelähmt gewesen und habe von der Wunderkraft des Heiligen gehört, weswegen er an die Schwelle dessen Grabes getragen wurde und dort fünf Monate ausgeharrt habe, bis ihm schließlich Heilung zuteilwurde.484 Ein weiteres Wunder sei einer Frau geschehen, die halbtot zum Grab des Agrippinus gebracht worden sei und dort acht Tage in der Karwoche verbracht habe, woraufhin sie am Tage der Auferstehung geheilt worden sei, was die allgemeine Osterfreude noch verdoppelt habe.485 In einem der letzten berichteten Wunder wird von Maurus erzählt, der gelähmt gewesen sei. Am Festtag des heiligen Januarius (also am 19. September) habe er sich zum Grab des Märtyrers begeben und dort für seine Genesung gebetet. Als er an diesem Ort einschlief, sei ihm Januarius erschienen und habe ihn aufgefordert, nicht seine Hilfe zu erbitten, sondern sich an seinen Gefährten Agrippinus zu wenden.486 Daraufhin habe Maurus dessen Grab aufgesucht, wo ihm dann auch tatsächlich geholfen worden sei.487 Noch ein weiterer Heiliger tritt in dem Mirakelbericht dem Leser entgegen, und zwar Acutius, ein Märtyrer aus dem Umfeld des Januarius. Er ist an der Heilung eines gewissen Paulus beteiligt, indem er ihm zusammen mit Agrippinus erscheint.488 Gemeinsam gelingt es ihnen, diesen zu heilen. Das letzte Wunder berichtet von der Belagerung Neapels durch die Sarazenen.489 Entscheidend ist hier, dass es zu regen Gesprächen zwischen den Bewohnern und dem Heiligen kommt. Aber nicht nur Agrippinus wird angerufen, auch Januarius, der als Stadtpatron bei der Rettung Neapels eine wesentliche Rolle spielen sollte. Es war nämlich nicht Agrippinus allein, der die Stadt vor einer Er483 Vgl. AASS, Nov. IV., S. 122. 484 Ebd., S. 122: Qui audita fama de mirabilibus beati Agrippini, eius liminibus ad aliis deportatus per quinque continuos menses adherens et orans, sanissimus redditus pedibus suis ad memorata unde venerat loca regressus est et incolumis usque ad extremum vite sue tempus permansit. Warum MALLARDO schreibt, dass keine Heilung stattgefunden habe, erschließt sich aus dieser Textstelle nicht. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 470f. 485 AASS, Nov. IV., S. 123: Hec namque semimortua dum a fidelibus parentibus ad beati fuisset Agrippini tumulum perducta, ibique diebus octo hebdomade maioris sancte festivitatis Paschalis indubitanter permanens, die sancto sabbati ita est beato Agrippino miserante salvata, ut intellegamus atque credamus eam ab inferni porta in die resurrectionis domini nostri Iesu Christi revocatam. Huic vitam de mortis confinio restitutam mox ad civitatem sana remeans, omnibus suis affinibus atque vicinis, paschalia gaudia duplicavit. 486 Ebd., S. 124: Ego sum, inquit, Ianuarius; sed scito prenoscens, quod non sanaberis istic, nec meis meritis capies hic clara quietis. Ad tumulum pergens Agripini fratris amandi / Illic percipies, quod quaeris; crede fidelis / Ille salutis opem prebebit, dante Tonante / Cui est donatum a Christo tibi ferre vigorem. 487 Vgl. Ebd., S. 125f. 488 Vgl. Ebd., S. 124. 489 Ebd., S. 126: … gens nefanda Agarenorum ex Africe partibus adveniens, hanc prefatam Parthenopensem urbem navali prelio diversisque machinis et expugnationibus comprehendere conabatur. Diese Belagerung lässt sich auf das Jahr 955 datieren. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 74. Da Petrus Subdiaconus seine Schaffenszeit zwischen ca. 940 und 970 hatte, war er vermutlich Augenzeuge des Geschehens, was sicherlich Auswirkung auf die Arbeiten dieses Schreibers hatte.
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oberung und Plünderung rettete, er tat dies in Gemeinschaft mit Januarius.490 Die Gefahr war einfach zu groß, als dass nur ein einziger Heiliger in diesem Falle den Menschen helfen konnte. Insgesamt ergibt sich also eine Anzahl verschiedener Wunder von Agrippinus, wobei die Heilungswunder dominieren, aber auch andere Mirakel aufscheinen. Da unterschiedliche Autoren an dem Werk tätig waren, müssen der Bericht und der Heilige das Interesse der Menschen geweckt haben. Die drei Schaffensphasen des Werkes deuten auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Verehrung des Heiligen hin. Auch bei aktuellen Gefahren, wie etwa durch die Sarazenen, konnte er wirken und so seine Stadt schützen. Es haben sich somit nur zwei Texte über heilige Bischöfe aus dem untersuchungszeitraum erhalten. Der Marmorkalender und die Bischofschronik weisen auf ein allgemeines Interesse an den Hirten der Stadt hin. Möglicherweise gab es griechische Werke zu den einzelnen Bischöfen, die Laufe der zunehmenden Verbreitung des Lateinischen in Neapel nicht überliefert wurden. 6.2.2.
Die Zeit Stephanus’ II. (767–799/800) – Translationen im Bilderstreit
Wie bereits aufgezeigt wurde, war Stephanus der Dux von Neapel, ehe er 767 die Weihe durch Papst Stephanus III. zum Bischof der Stadt erhielt.491 Er war in der Zeit des Bilderstreits an der Macht, wobei er laut der Bischofschronik von Neapel eine Hinwendung nach Rom vollzogen haben soll, da er Kleriker dorthin schickte, damit diese die römische Liturgie erlernten.492 Unter ihm wurde auch eine Kapelle in der Kathedrale dem heiligen Petrus geweiht,493 was ebenfalls in Richtung Rom deutet. Vor diesem Hintergrund gilt es die Translationen zu sehen. Zu fragen ist, welche Heiligen eingeholt wurden und welche Vorstellungen sich dahinter verbargen. So wurden der Bischofschronik zufolge während seiner Amtszeit die Reliquien der heiligen Fortunata in das Kloster des Gaudios und der Heiligen Eutyches und Acutius in die Stefania in Neapel gebracht. Anders als in Benevent lassen sich die Translationen nach Neapel nicht konkret datieren, da sie ohne exakte Zeitangaben nur in die Regierungszeit Stepha490 Vgl. AASS, Nov. IV., S. 126. Auffällig an diesem Wunder ist allerdings die Tatsache, dass es gut hundert Jahre nach dem Raub des Januarius nach Benevent niedergeschrieben wurde. Vgl. VUOLO, I ‚Libelli Miraculorum‘, S. 67. Es scheint, als wäre die reale Präsenz der Reliquien in diesem Augenblick unwichtig, da sich Januarius selbstverständlich um die Bürger seiner Stadt kümmert und dies in Zusammenarbeit mit einem weiteren wichtigen Heiligen. Zudem zeigt sich hier deutlich, dass die Abwesenheit des Heiligen zumindest in den Texten ignoriert werden konnte. Möglicherweise sollte diese Episode die Hoffnung aufrechterhalten, dass der Heilige sich auch dann zuständig fühle, wenn er nicht mehr im Ort selbst war. 491 Siehe Kapitel 3.2. 492 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 425. 493 Vgl. Ebd., S. 426.
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nus’ fallen. Dennoch ist davon auszugehen, dass Benevent zuerst begann, Translationen vorzunehmen, da Arichis II. bereits 760 die zwölf Brüder nach Benevent überführen ließ. Möglicherweise handelte es sich bei dem Vorgehen Stephanus’ II. um eine Reaktion sowohl auf Benevent. Als erste Translation jenseits der Bischöfe, ist diejenige der Fortunata nach Neapel feststellbar. 6.2.2.1. Die heilige Fortunata In der Zeit zwischen 767 und 780 wurden die Gebeine der heiligen Fortunata aus Patria (Campanien) nach Neapel gebracht.494 Laut dem Marmorkalender von Neapel ist ihr Festtag der 14. Oktober.495 Ihr Eintrag soll allerdings erst später ergänzt worden sein: er war für die Zeile zu lang, weswegen in der Zeile darunter, hinter der Nennung des Heiligen vom 15. Oktober, noch die letzten Buchstaben ihres Namens aufgenommen wurden.496 In der Bischofschronik von Neapel heißt es: Addidit etiam in sancti Gaudiosi monasterio basilicam sanctae Fortunatae, in qua corpus eiusdem martyris allatum a Patriensi ecclesia, ubi ipsa prius voluit sepeliri, magno cum honore condidit.497 Sie wurde also nicht nur nach Neapel gebracht, sondern es wurde auch eine Kirche unter ihr Patrozinium geweiht.498 Eine Erklärung, warum die Heilige nach Neapel transloziert wurde, wird nicht gegeben. Vielleicht war die Kirchengründung dafür entscheidend, da der neue Bau unter das Patrozinium der Heiligen gestellt werden sollte. Von einem Schreiber wurden zwei Texte über die heilige Fortunata verfasst, nämlich ihre Passio und ihr Translationsbericht.499 Die Passio500 wurde etwa ein Jahrhundert nach der Verlegung der Gebeine in lateinischer Sprache verfasst, wobei es möglich ist, dass zuvor ein griechischer Text vorhanden war. Über den Verfasser der Passio der heiligen Fortunata gibt es in der Forschung verschiedene Ansichten. So wurde angenommen, dass zumindest ein Teil des Werkes von Pet-
494 Vgl. Giovanni VITOLO, Tra Napoli e Salerno. La construzione dell’identità cittadina nel Mezzogiorno medievale (Immagini del Medioeva, 5), Salerno 2001, S. 57. 495 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Fortunata erscheint in keinem weiteren kalendarischen Werk der Region, ist nicht bei Beda genannt und ebensowenig im Synaxarium von Konstantinopel. 496 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 4 u. 10. 497 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426. 498 Vgl. GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 50. 499 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117. Der Translationsbericht aus dem 8. Jahrhundert ist bisher unediert. 500 BHL 3081. In der BHL Online-Datenbank werden sechs Handschriften aufgeführt, die aus dem 13. bis 17. Jahrhundert stammen. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=3081a&RequestTimeout=500. Etwa BN., Codex XV. AA. 14, fol. 017–020, 13. Jh.
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rus Subdiaconus verfasst wurde.501 Aufgrund des Stils und der Aufnahme des Textes in das Corpus Vallicellianus geht D’ANGELO davon aus, dass es sich bei dem Autor des Textes um Autpertus gehandelt hat.502 Diese Vermutung wird von Giorgio OTRANTO geteilt503, und in den Acta Sanctorum in denen ein Abdruck der Passio zu finden ist,504 wird Autpertus als Verfasser genannt.505 Laut ihrer Passio soll Fortunata in Caesarea (Palästina) unter Diocletian das Martyrium erlitten haben.506 Mit ihr zusammen werden noch drei weitere Märtyrer verehrt, nämlich Carpanius, Evaristus und Priscianus, die ihre Brüder gewesen sein sollen.507 Es wird berichtet, dass die Geschwister trotz einer heidnischen Mutter Christen gewesen seien und in der Zeit Diocletians und Maximians in Caesarea lebten.508 Der Statthalter Urbanus habe Fortunata und ihre Brüder in ein Gefängnis bringen lassen, wo sie verhört wurden.509 Bei dieser Befragung habe sich die heilige Fortunata als Christin offenbart und konnte selbst durch die Worte ihrer Mutter nicht umgestimmt werden, von ihrem Glauben abzufallen.510 Auch der Versuch, Fortunata zu zersägen oder sie wilden Tieren vorzuwerfen, sei gescheitert.511 Schließlich sei sie zusammen mit ihren Brüdern enthauptet worden.512 Nach ihrer Hinrichtung seien die Körper der Heiligen auf ein Schiff gebracht worden und gelangten nach Campanien in den Ort Patria. Dort seien sie niedergelegt worden, allerdings nach dem Vandalensturm in Vergessenheit geraten. Fortunata sei durch den neapolitanischen Bischof Stephanus wiedergefunden und
501 502 503 504 505 506 507 508
509 510 511 512
Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LVI. Vgl. Ebd., S. LVII. Vgl. OTRANTO, Per una storia dell’Italia, S. 304. Vgl. AASS Oct. VI., S. 453–457. Vgl. Ebd., S. 453. Vgl. Joseph-Marie SAUGET, Fortunata, in: Bibliotheca Sanctorum. Band V, Rom 1965, Sp. 975–976, hier Sp. 975. Sie erscheinen auch mit ihr zusammen im Marmorkalender von Neapel. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Vgl. AASS, Oct. VI., S. 453. OTRANTO vertritt die Ansicht, dass die Geschichte der Fortunata von Autpertus aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt wurde. Ihre angebliche Herkunft aus Caesarea habe ihren Wert erhöhen sollen. OTRANTO, Persecuzione e martirio, S. 101: „Mi pare abbastanza evidente che nel X secolo Autperto, fondendo diversi da lui stesso arbitrariamente riferiti alla vicenda di Fortunata, ha tentato di nobilitare le origini e la storia della martire, collocandola in una città grande e famosa come Cesarea di Palestina, sede di una fiorente comunità cristiana e patria di quell’Eusebio che fu autore di un’opera proprio sui martiri dioclezianei della Palestina e al quale la vicenda di Fortunata non sarebbe certamente sfuggita.“ Daher ist er der Meinung, dass die Aussage, Fortunata sei eine afrikanische Heilige, die nach Italien gelangte, einen hagiographischen Topos darstellt. Vgl. OTRANTO, Per una storia dell’Italia, S. 305. Auch MALLARDO ist bezüglich der afrikanischen Herkunft kritisch. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 78. Vgl. AASS, Oct. VI., S. 453. Vgl. Ebd., S. 453f. Vgl. Ebd., S. 454. Vgl. Ebd., S. 455.
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nach Neapel transloziert worden.513 In der Stadt sei sie in das Kloster des Gaudiosus gebracht worden und ihr zu Ehren sei in Neapel eine Kirche geweiht worden.514 Was mit den Reliquien ihrer Brüder geschah, wird aus der Passio nicht ersichtlich. Am Ende des Textes wird darauf eingegangen, dass die Heilige nach Neapel transloziert wurde. Auf diesem Wege konnte eine Verbindung zwischen der Heiligen und dem Ort hergestellt werden. Die Bedeutung der Heiligen konnte die Stadt, in der sie lag, aufwerten, sodass es von besonderem Interesse war, hier die Grablege zu nennen. 6.2.2.2. Die Heiligen Eutyches und Acutius Etwa zu der gleichen Zeit wie die Translation der Fortunata wurden auch die Reliquien des Eutyches und des Acutius nach Neapel verlegt. So heißt es in der Bischofschronik von Neapel bei Bischof Stephanus: Corpora quoque sanctorum Euticetis et Acutii martyrum ibidem, multis terris et hospitibus donatis, cum summo honore collocavit515. Diese beiden Heiligen, deren Festtag laut dem Marmorkalender von Neapel auf den 18. Oktober fällt, waren Gefährten des Januarius.516 Nach ACHELIS soll dieser Eintrag allerdings eine spätere Ergänzung sein, was nicht abwegig erscheint, da die Namen über die Zeile hinausgehen und in die nächste Zeile geschrieben wurden, in der sich kein Eintrag befindet.517 Eutyches und Acutius waren Laien, die im Umfeld des Januarius das Martyrium erlitten, allerdings nicht am gleichen Tag wie dieser. Dennoch werden die Heiligen im Martyrologium Bedas alle am 19. September aufgeführt518 und sind auch im heutigen Martyrologium Romanum unter diesem Datum zu finden. Sie wurden nach ihrer Enthauptung in Puteoli zusammen mit einem Diakon Festus beigesetzt. In den ältesten Kalendarien aus Monte Cassino sind sie nicht namentlich enthalten, lediglich in den Ergänzungen zum Codex Casanatensis 641 werden Januarius, Festus und Desiderius mit ihren Gefährten genannt.519 Hier wird also das Andenken an alle Gefährten des Januarius am gleichen Tag gefeiert. Im sogenannten Martyrologium Erchemperts erscheinen sie nicht, jedoch werden sie im Synaxarium von Konstantinopel genannt.520
513 514 515 516 517 518
Vgl. Ebd., S. 455f. Vgl. Ebd., S. 456. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Vgl. Ebd., S. 4 u. 10. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 116: Qui cum ducerentur ad mortem, viderunt inter alios, Proculum Puteolanae civitatis diaconum, et duo laici Eutyches et Acutius, interrogaverunt quare iusti iuberentur occidi. 519 LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 29: SS. Ianuarii episcopi Festi et Desiderii et sociorum eorum. 520 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 59.
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Für die beiden Heiligen Eutyches und Acutius existiert ein Translationsbericht521 eines Reynerius (Rainerius), von dem außer seinem Namen nichts bekannt ist und der aufgrund seines Stils ins 11. Jahrhundert datiert wird.522 Der Text beginnt mit einer ungefähren zeitlichen Einordnung der Ereignisse, indem eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem byzantinischen Kaiser Konstantinus Caballinus und den Bulgaren, die vor das Jahr 775 fällt,523 genannt wird.524 Namentlich werden noch Papst Stephanus II., König Desiderius und Karl der Große, der bereits als Kaiser betitelt wird, erwähnt.525 Dann wird auf den Bischof Stephanus von Neapel eingegangen, der für die Translation der beiden Heiligen verantwortlich war. Aufgrund der Nennung des Desiderius könnte vermutet werden, dass die Translation vor dem Jahr 774 stattgefunden hat, doch ist dies nicht zwingend. Die Bezeichnung Karls des Großen als Kaiser würde erst auf die Zeit nach 800 schließen lassen, wobei es sich hier um eine nachträgliche Vermischung der historischen Geschehnisse handeln dürfte. Im Anschluss an diese Terminierung geht es um die eigentliche Translation der beiden Heiligen nach Neapel. Dort seien die Heiligen in die Stefania gebracht worden, wo sie in einem marmornen Sarkophag niedergelegt worden seien, der unterirdisch aufgestellt war,526 also vermutlich in der Krypta der Kirche. In einem Abschnitt wird die Kirche von Puteoli erwähnt, die aufgrund des Fehlens der Reliquien in ihren Fundamenten erschüttert gewesen sei, da die Patrone der Stadt physisch fehlten.527 An diesen Einschub schließt sich noch ein Wunderbericht an, in dem von einer Frau namens Euruscun berichtet wird, die an übermäßigen Kopf- und Magenschmerzen gelitten habe.528 Diese sei durch die Kraft der Heiligen geheilt worden.529 Mit einer Lobpreisung der Dreifaltigkeit endet der Text. In der Zeit Stephanus’ II. kam es aufgrund des Bilderstreits zu einer Hinwendung zur römischen Kirche. Dennoch wurden keine Reliquien aus Rom transloziert, sondern es wurden Heilige nach Neapel gebracht, die entweder eine Verbin521 BHL 4137. In der BHL Online-Datenbank sind für dieses Werk fünf Handschriften aufgeführt, die in Neapel und Rom aufbewahrt werden und in die Zeit des 13. bis 17. Jahrhunderts datiert werden. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=4137&RequestTimeout=500. 522 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 77. Ediert wurde der Text in den Acta Sanctorum und von CAPASSO in seinen Monumenta. Vgl. AASS, Sep. VI., S. 892–894; CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 279–282. 523 Dies ist das Todesjahr Konstantins V. 524 Vgl. AASS, Sep. VI., S. 892 u. Anm. b. 525 Ebd., S. 892: Eodemque tempore domnus Stephanus junior Romanae Cathedrae residens, offensam Desiderii Longobardorum regis veritus, Carolum piissimum imperatorem adiit. 526 Ebd., S. 892: … in Stephaniae delata gratanter asylum, integri marmoris bifidum intromittuntur sarcophagum, quod penitus imae telluris solo defosso subterranea domus, dolatis artificum manu lapidibus, levi pro merito recepit vestigio. 527 Vgl. Ebd., S. 892. 528 Vgl. Ebd., S. 892. 529 Ebd., S. 892: Ac per hoc extemplo, quanta foret Sanctorum virtus, recepta sanitate, didicit.
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dung zu der Stadt aufwiesen, wie Acutius und Eutyches, denen als Gefährten des Januarius eine besondere Rolle zukam, oder die heilige Fortunata, die laut dem Translationsbericht nach ihrem Martyrium in Caesarea nach Patria gekommen und somit in der Umgebung Neapels aufzufinden war. Dennoch handelte es sich bei diesem Vorgehen um eine Handlung, die nicht mit den Maßgaben Byzanz’ konform ging. Während Benevent sich Byzanz zwar anzunähern versuchte, unterstand Neapel dem oströmischen Kaiser und hätte somit der ikonoklastischen Politik folgen müssen. Dennoch schienen die Heiligen so wichtig zu sein, dass sie transloziert wurden, auch wenn oder gerade weil dies eine Abgrenzung zu Konstantinopel bedeutete. Die Reliquien von Eutyches und Acutius wurden in die Stefania, also die Kathedrale der Stadt, gebracht.530 Ein denkbarer Grund hierfür wäre der Versuch Stephanus’ II. die wiedererrichtete Kirche (sie war zuvor niedergebrannt531) mit besonders wirksamen Patronen auszustatten. Zudem müssen die Translationen eventuell unter der Perspektive der vordringenden Franken sowie der sich allgemein verändernden Situation innerhalb der Region, die zu einem verstärkten Bedürfnis nach dem Schutz von Heiligen führte, betrachtet werden. Von Bedeutung dürfte ferner der Ausbruch der Pest im Jahr 767 in Neapel sein.532 Auch konnte die Erfahrung der Krankheit das Bedürfnis nach weiterem Schutz in Form von Reliquien bringen, wobei hier festgehalten werden muss, dass es keinen konkreten Hinweis auf die Pest in den hagiographischen Texten gibt. 6.2.3.
Die Heiligenverehrung im 9. und 10. Jahrhundert
Während nach Benevent in den 830er Jahren immer wieder Translationen vorgenommen wurden, ist für Neapel ein derartiges Vorgehen nicht feststellbar. Dies mag mit verschiedenen politischen Umbrüchen in der Stadt zusammenhängen. In den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts wurden verschiedene Herzöge erhoben, die sich aber nicht an der Macht halten konnten.533 Erst 840 gelang es einer Dynastie, sich durchzusetzen534, weswegen erst ab dann von relativ konstanten Zuständen ausgegangen werden kann. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts etablierte sich die Erstellung und Übersetzung von hagiographischen Werken in dieser Stadt. Da der Marmorkalender von Neapel vermutlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstand, gilt
530 531 532 533
Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426; VITOLO, Tra Napoli e Salerno, S. 57. Siehe Kapitel 5.2. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 425; SKINNER, Health and Medicine, S. 64. Vgl. Chris WICKHAM, „The Romans according to their malign custom“: Rome in Italy in the Late Ninth and Tenth Centuries, in: Early Medieval Rome and the Christian West. Essays in Honour of Donald A. Bullough (The Medieval Mediterranean, People, economies and cultures, 400–1453, 28), hg. v. Julia M. H. SMITH, Leiden u.a. 2000, S. 151–167, hier S. 157. 534 Vgl. Ebd., S. 157.
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es festzuhalten, dass es in dieser Zeit ein großes Interesse an den Aufzeichnungen über die Verehrung der Heiligen der Stadt gegeben zu haben scheint. Mittels neuer Texte wurden zudem diejenigen Heiligen geehrt, die eine traditionelle Verehrung in der Stadt erfuhren und mit der Geschichte der Stadt verbunden waren. Von Bedeutung waren hierbei die als Heilige verehrten Bischöfe der Stadt, Heilige, die schon lange in der Stadt einen Kult besaßen, aber auch erst kürzlich in den Ruf der Heiligkeit geratene Persönlichkeiten. Zu den bereits länger verehrten Heiligen kann sicher die heilige Restituta zählen, deren Reliquien sich in der Stadt befanden. Selbst nach dem Diebstahl der Gebeine des heiligen Januarius war dieser weiterhin im Heiligenkult Neapels präsent, was anhand von Texten nachvollziehbar ist, die noch nach seiner Entwendung über ihn erstellt wurden. Zudem wurde der Wunderbericht des Bischofs Agrippinus von Petrus Subdiaconus ergänzt535, wodurch die Verehrung dieses frühen Bischofs der Stadt aktiv im Gedächtnis behalten wurde. Bischof Athanasius, der erst in den 870er Jahren verstarb, wurde ebenfalls früh als Heiliger verehrt: für ihn wurden neue Texte erstellt. Ferner erhielten die Wunder des Abtes Agnellus in dieser Zeit eine schriftliche Fixierung. Somit kann in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor allem eine literarische Form der Heiligenverehrung konstatiert werden. Erst die Sarazenenüberfälle auf die Küstenstädte machten zu Beginn des 10. Jahrhunderts zwei Translationen notwendig, da die Kirchen oder Klöster, in denen die Reliquien gelegen hatten, zerstört worden waren, weswegen die Heiligen nach Neapel gebracht wurden.536 Im Folgenden werden die lokalen Heiligen, mit Ausnahme Agrippinus’537, und ihre Texte dargestellt. 6.2.3.1. Januarius und seine Gefährten Von besonderer Bedeutung für den neapolitanischen Heiligenkult war Januarius.538 Zusammen mit dem heiligen Januarius sollen die Diakone Sosius, Festus und Proculus, der Lektor Desiderius und die oben bereits behandelten Eutyches
535 536 537 538
Siehe Kapitel 6.2.3. Siehe Kapitel 6.4.2. Siehe Kapitel 6.2.3. Januarius’ besondere Bedeutung für die Stadt wird im Marmorkalender von Neapel deutlich, in dem nicht nur sein Todestag (19. September), sondern auch der Tag seiner Translation in die Katakomben Neapels am 13. April aufgeführt ist. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 14, 44. Laut der Bischofschronik von Neapel wurde um 500 von Bischof Victor eine Kirche außerhalb Neapels für Januarius und Agrippinus errichtet. Hier haben wir die erste Erwähnung des Heiligen in der Bischofschronik. Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 408. Ansonsten gibt es nur einen weiteren neapolitanischen Heiligen, der zwei Festtage im Marmorkalender hat: Bischof Gaudiosus, dessen Beisetzung am 27. Oktober gefeiert wurde und dessen Festtag am 12. Juli gemeinsam mit seinen übrigen afrikanischen Leidensgenossen, die zusammen mit ihm nach Unteritalien geflohen waren, zelebriert wurde. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 16.
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und Acutius das Martyrium in Puteoli erlitten haben, weswegen nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gruppe insgesamt eine besondere Verehrung zuteilwurde.539 Während die Heiligen heute gemeinsam ihren Festtag am 19. September haben540, sind im Marmorkalender von Neapel verschiedene Verehrungstage eingetragen. Für Eutyches und Acutius ist dies der 18. Oktober541, für Festus und Desiderius der 7. September542 und für Sosius der 23. September543, während für Proculus kein Festtag enthalten ist.544 Nach dem Verlust des Hauptheiligen Januarius wurden seine Gefährten in Neapel wichtiger, was daran zu erkennen ist, dass der heilige Sosius zu Beginn des 10. Jahrhunderts in die Stadt gebracht wurde. In den drei ältesten Kalendarien von Monte Cassino wird Januarius erst in den nachträglichen Ergänzungen zusammen mit Festus und Desiderius erwähnt.545 Dieser Eintrag wird von LOEW ins 10. Jahrhundert datiert, wobei er dies als Indiz dafür ansieht, dass der Kalender zunächst in Monte Cassino gefertigt und dann in Benevent ergänzt wurde, da er davon ausgeht, dass ein Kalender, der in Benevent gefertigt worden wäre, den Heiligen von Anfang an enthalten hätte.546 Nachdem LOEW zufolge der Kalender erst nach 875 nach Benevent gelangte, wäre es in diesem Falle wohl kein Zufall, dass Januarius erst in den späten Ergänzungen aufgeführt wurde, weil sein Kult in Monte Cassino nicht verbreitet war. Deswegen wurde er auch nicht im sogenannten Martyrologium Erchemperts aufgenommen. Ferner heißt es in der Bischofschronik von Neapel, dass der Herzog Arichis II. dem heiligen Januarius in Neapel reiche Geschenke darbrachte.547 Dies belegt eine Verehrung des Heiligen durch den beneventanischen Herzog, der dem ersten
539 Vgl. OTRANTO, Persecuzione e martirio, S. 89. OTRANTO macht auf die Zusammensetzung der Gruppe aufmerksam, die aus einem Bischof, drei Diakonen, einem Lektor und zwei Laien bestand, was für ihn auf das gemeinschaftliche Engagement von Geistlichen und Laien für die Christianisierung Campaniens hindeutet. Vgl. OTRANTO, Persecuzione e martirio, S. 90. 540 Vgl. SODI/FUSCO, Martyrologium Romanum, S. 263. 541 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 4 u. 29. 542 Vgl. Ebd., S. 35. 543 Vgl. Ebd., S. 29 u. 30. 544 Proculus ist auch nicht in einem Mosaik in Capua enthalten, das die anderen Heiligen der Gruppe darstellt. Allerdings erscheint er in einem Fresko in den Katakomben S. Gennaro aus dem 9. Jahrhundert neben Eutyches. Vgl. OTRANTO, Persecuzione e martirio, S. 90; Giorgio OTRANTO, Martiri e Santi nell’area meridionale tardoantica, in: Martiri, santi, patroni: per una archeologia della devozione. Atti X Congresso Nazionale di Archeologia Cristiana (Ricerche, 6), hg. v. Adele COSCARELLA/Paola de SANTIS, Arcavacata di Rende (Cs) 2012, S. 41–71, hier S. 44. 545 LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 29: SS. Ianuarii episcopi Festi et Desiderii et sociorum eorum. 546 Vgl. Ebd., S. 81. 547 Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 426: Sub eodem quoque antistite Arechis Beneventanus princeps inter multa alia optulit in ecclesia sancti Ianuarii per praecepti seriem locum qui Planuria nominatur cum omnibus rebus et super altare ipsius ecclesiae pretiosissimum cooperuit mantum.
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Bischof seiner Stadt Geschenke brachte, obwohl die Reliquien sich nicht in Benevent befanden. Von Johannes Diaconus von Neapel wurde etwa zu Beginn des 10. Jahrhunderts die Passio des heiligen Januarius neu geschrieben.548 Dies ist insofern auffällig, als dass sich der Heilige zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Neapel befand, nachdem er in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts nach Benevent verschleppt worden war. Dieser Text unterstreicht die besondere Bedeutung des Heiligen, der sich nicht mehr direkt vor Ort befand. Dies trifft auch auf den Mirakelbericht des Januarius zu, der zwischen 866 und dem 11. Jahrhundert entstand.549 Hier kann die Vermutung aufgestellt werden, dass nach dem Raub der Reliquien ein verstärktes Interesse an Texten über diesem Heiligen aufkam, dem nicht mehr direkt Verehrung zuteilwerden konnte.550 Die Acta S. Ianuarii sind in mehrere Abschnitte unterteilt. Sie beginnen mit einem Prolog, an den sich ein Bericht über die Taten der Gefährten Sosius, Proculus, Eutyches und Acutius anschließt. Darauf folgt eine Beschreibung der Martyrien des Januarius gemeinsam mit Festus und Desiderius sowie den vier vorgenannten. Die Acta S. Ianuarii schließen mit dem Translationsbericht des Sosius551. Es handelt sich also nicht nur um die Beschreibung des Leidens des einen Heiligen, sondern es wird auf die gesamte Gruppe eingegangen, die gemeinschaftlich mit Januarius das Martyrium erlitt und deren Mitglieder nach ihrem Tod in unterschiedlichen Städten der Umgebung niedergelegt wurden. Im Prolog geht der Verfasser zunächst darauf ein, dass er mehrfach gefragt worden sei, ob er nicht etwas über den heiligen Sosius schreiben könne.552
548 Vgl. BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, S. 170; BHL 4134. In der BHL OnlineDatenbank werden acht Handschriften aufgeführt, die in Neapel, Rom und im Vatikan aufbewahrt werden. Die älteste stammt aus dem 11., die jüngste aus dem 17. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=4134&RequestTimeout=500. 549 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118; BHL 4138. In der BHL OnlineDatenbank werden zehn Handschriften des Mirakelberichtes aufgeführt. Die älteste stammt aus dem 11., die jüngste aus dem 17. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=4138&RequestTimeout=500. Eine Edition des Textes ist in den Acta Sanctorum Vgl. AASS, Sep. VI., S. 884–888. 550 GRANIER stellte in seiner Studie über die Januarius-Verehrung in den Quellen des 10.– 12. Jahrhunderts fest, dass zunächst neue Texte über den nicht mehr anwesenden Heiligen verfasst wurden, die seinen speziellen Schutz über Neapel und seine Beziehungen zu den Bischöfen der Stadt unterstrichen. Vgl. Thomas GRANIER, San Gennaro e compagni nelle fonti dei secoli X–XII, in: San Gennaro nel XVII centenario del martirio (305–2005). Atti del Convegno internazionale (Napoli, 21–23 settembre 2005). Volume I (Campania Sacra. Rivista di Storia Sociale e Religiosa del Mezzogiorno, 37), hg. v. Gennaro LUONGO, Neapel 2006, S. 251–274, S. 260–267. Bei den späteren Texten handelt es sich dann nicht mehr um neue Werke, sondern um Überarbeitungen der vorhandenen Materialien, die weiterhin genutzt wurden. 551 Da diese Verlegung aufgrund der Sarazenengefahr vorgenommen wurde, wird sie in Kapitel 6.4.2 behandelt. 552 Vgl. AASS, Sep. VI., S. 874.
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Schließlich war es der Bischof Stephanus gewesen, der ihm befahl, einen solchen Text zu erstellen.553 Das erste Kapitel beginnt mit einer zeitlichen Einordnung der Geschehnisse, wobei zunächst auf den römischen Soldatenkaiser Numerianus (283–284) eingegangen wird, dessen Nachfolger Diocletian war.554 In dieser Zeit sei der Diakon Sosius mit dem beneventanischen Bischof Januarius befreundet gewesen.555 Im Zuge der Christenverfolgung sei Sosius verhaftet und durch den für Campanien zuständigen Richter Dracontius angeklagt worden.556 Vor dem Richter habe sich Sosius zum Christentum bekannt. Darauf habe ihn Dracontius in einen Kerker werfen lassen,557 wo er von dem Diakon Proculus sowie den beiden christlichen Bürgern Eutyches und Acutius besucht worden sei.558 Als diese sich über die Grausamkeiten äußerten, die Sosius angetan worden waren, seien sie ebenfalls verhaftet, verhört und in den gleichen Kerker wie Sosius geworfen worden.559 Nachdem Bischof Januarius von den Geschehnissen gehört habe, habe er die Gefangenen besucht.560 In der gleichen Zeit sei durch den Kaiser ein gewisser Timotheus nach Campanien gesandt worden, der die Nachfolge des Dracontius übernommen habe.561 Dieser habe versucht, Januarius dazu zu bringen, den Göttern zu opfern. Da ihm dies nicht gelang, ließ er den Bischof foltern und ins Gefängnis werfen.562 Daraufhin seien die Christen Festus und Desiderius nach Nola geeilt und ebenfalls gefangengenommen worden.563 Im Anschluss habe der Konsul diese drei nach Puteoli bringen lassen, wo sie in dem gleichen Kerker wie Sosius und seine Gefährten untergebracht worden seien.564 Der Versuch, sie wilden
553 554 555 556 557 558 559 560
561 562 563 564
Vgl. Ebd., S. 874. Vgl. Ebd., S. 875. Vgl. Ebd., S. 875. Vgl. Ebd., S. 876. Vgl. Ebd., S. 876. Ebd., S. 876: Recluso itaque fortissimo martyre Sossio secundum decreta iudicis in ardua atraque custodia, Proculus diaconus, et Eutices atque Acutius, illustrissimi cives Puteolanae urbis, fervore devotionis accensi, ethnicos clamosis obiurgationibus increpabant … Ebd., S. 876f.: Lictores enim, verbis illorum auditis, statim ad iniquum judicem properantes, Domine, inquiunt, ecce homines Christianae sectae, quos ubique perscrutari sponte vestra dignatio jussit, venientes ad carcerem, cum Sossio dampnaticio in confabulatione junguntur. Ebd., S. 877: Mox autem, ubi repperit, quod Sossius Dei confessor et martyr cum Proculo diacono, Euticete simul et Acutio laicis, apud Puteolanam urbem ergastulis macerati pro Christi nomine tenerentur, statim et beati Januarii mentio facta est, eo quod Sossium pro quodam inflammationis praestigio officiosissime visitare, et propensius omnes ad passionis tolerantiam comportaret. Vgl. Ebd., S. 877. Vgl. Ebd., S. 877. Ebd., S. 878: Audientes interea duo ex agmine clericorum ejus, Festus scilicet diaconus et Desiderius lector, quod eorum Pastor pro Christi nomine in vinculis teneretur, continuo inflammati a Spiritu sancto, Nolam properarunt … Vgl. Ebd., S. 878.
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Tieren vorzuwerfen, sei gescheitert,565 worauf der Befehl ergangen sei, die Männer zu enthaupten.566 Es folgt eine Beschreibung, in welche Stadt welcher Heilige im Anschluss gebracht worden sei.567 Hierauf folgt der Translationsbericht des Sosius. Im Mirakelbericht des heiligen Januarius wird zu Beginn erklärt, dass nur wenige der unzähligen Taten, die der heilige Januarius durch Gott gewirkt habe, erzählt werden sollen568 – ein hagiographischer Topos, der die große Bedeutung des Heiligen und seiner vielen Wunder unterstrich. Das erste Mirakel sei in Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe geschehen. Aufgrund des tadelswerten Verhaltens der Menschen habe Gott den Vesuv ausbrechen lassen, worauf die Stadt durch die Asche zerstört worden sei.569 Die Menschen beteten vergebens und fielen auf die brennende Erde, ohne Hilfe zu bekommen.570 Schließlich seien sie am Grab des heiligen Januarius zusammengelaufen.571 Da die Menschen an seinem Grab beteten, habe dieser beschlossen, dafür zu sorgen, dass der Ausbruch des Vulkans ende.572 Aufgrund dieses Wunders habe sich der Ruhm des Heiligen rasch verbreitet, und Kranke und Besessene hätten sich auf den Weg zur Kirche des Heiligen gemacht, um an diesem Ort Heilung zu erlangen.573 Für die Jahre 472 und 512 sind Eruptionen des Vesuvs bezeugt574, ebenso für das Jahr 787575. Für eine Stadt, die in der unmittelbaren Nähe des Vesuvs lag und die Konsequenzen eines Ausbruchs auch zu spüren bekam, war ein Heiliger, der gegen Vulkanausbrüche helfen konnte, von entscheidender Bedeutung.
565 Ebd., S. 878: Mox mirum in modum, ubi bestiae catenis solutae, et in Sanctos furibundo impetu ire coactae sunt, sic affuit misericordia Dei, ut velociter omnem feritatem in mansuetudinem convertentes, velut mitissiae ad pedes Sanctorum procumberent. 566 Vgl. Ebd., S. 878. 567 Vgl. Ebd., S. 879. 568 Ebd., S. 884: Dum de virtutibus beati martyris Januarii pauca de pluribus, quae Dominus Deus per eum fecerit, pia devotione referamus. 569 Ebd., S. 884: Temporibus enim, quibus omnipotens Deus mortalium est iratus sceleribus, et ad crudelitatibus ultionem mons Vesuvius vasto tremore concussus, igneis exundaret globis, et circumquaque fluentibus urbes calidis cineribus praevastasset, ita ut pergravatae corruerent … 570 Ebd., S. 885: … precibus effusis populi cum lachrimis vitae opem meruit, tendens ad coelum cum voce manus, sed super his etiam nec caelum videbatur: procumbebantque in humum ardentem. 571 Ebd., S. 885: Extremo solatio, cum rerum natura periret, ad solitum beati Januarii martyris concurrunt cubiculum. 572 Ebd., S. 885: Ita beato Januario martyre intercedente, Vesuvii montis ignita interruptio extincta est. 573 Vgl. Ebd., S. 885. 574 Vgl. Giovanni Battista ALFANO/Immanuel FRIEDLAENDER, Die Geschichte des Vesuvs. Illustriert nach gleichzeitigen Urkunden, Ulm 1929, S. 21. 575 Vgl. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 83.
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Auf dieses herausragende Wunder folgen mehrere Heilungswunder.576 Die betroffenen Kranken stammen entweder aus Neapel selbst oder aus der näheren Umgebung, wie beispielsweise Capua577 oder Ischia.578 Dies zeigt, dass der Heilige zwar über die Stadtmauern hinaus Verehrung und Bekanntheit fand, dies aber nicht zu einer überregionalen Reaktion führte beziehungsweise keine Gläubigen über weitere Strecken zu seinem Grab pilgerten. Auch über eine Totenerweckung wird berichtet, die durch den Heiligen gewirkt worden sei.579 Nachdem zu Beginn hervorgehoben wurde, dass nur eine kleine Anzahl an Wundern berichtet würde, ist die Reihenfolge dieser Mirakel beachtenswert, denn sie beginnt direkt mit einem sehr herausragenden Wunder, der Beendigung des Vesuvausbruchs. Möglicherweise sollte hier das Interesse des Lesers geweckt werden, oder es sollte die besondere Wirkmächtigkeit des Heiligen unterstrichen werden. Darauf folgen drei Heilungswunder, dann die Totenerweckung und noch ein weiteres Heilungswunder, bevor der Text mit der Lobpreisung Gottes und seiner Heiligen endet. Obwohl, oder gerade weil der heilige Januarius nicht mehr in Neapel präsent war, galt es, sein Leben und seine Wunder schriftlich festzuhalten, damit dem Heiligen weiterhin die ihm angemessene Verehrung zuteilwerden konnte. Die Translation des heiligen Sosius wurde wohl aufgrund der akuten Sarazenengefahr vorgenommen, doch war dies auch ein Weg, einen wichtigen Weggefährten des Januarius innerhalb der Stadt verehren zu können. Der Wunderbericht führte den Gläubigen weiterhin die Taten des Heiligen für Neapel und die Umgebung vor Augen, sodass er weiterhin aktiv im Gedächtnis verhaftet blieb. 6.2.3.2. Der heilige Agnellus Neben Januarius waren noch weitere Heilige in Neapel von Bedeutung, wobei einige von ihnen in einer direkten Beziehung zur Stadt standen. So war Agnellus Abt des nicht mehr bestehenden Klosters St. Gaudiosus bei Neapel, eines Doppelklosters, das vermutlich nach dem griechischen Ritus geführt wurde.580 Eine Vita des Abtes hat sich nicht erhalten, dafür aber der Libellus miraculorum sancti Ag-
576 577 578 579
Vgl. AASS, Sep. VI., S. 885f. Vgl. Ebd., S. 885. Vgl. Ebd., S. 886. Ebd., S. 886: Quo, ut dixi, pulvere, sacrosancto chrismate consperso, cum defunctus liniretur, paulatim membris omnibus moveri coepit, et laxatis usu – cernendi coepit palpitare luminibus. 580 Vgl. Bernhard WALDMANN, Der heilige Agnellus und der Libellus miraculorum sancti Agnelli des Petrus von Neapel (10. Jahrhundert), in: Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr-vom-SteinGedächtnisausgabe, 43), hg. v. Klaus HERBERS/Lena JIROUŠKOVÁ/Bernhard VOGEL, Darmstadt 2005, S. 149–177, hier S. 149.
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nelli581 des Subdiakons Petrus von Neapel in 25 Handschriften.582 Datiert wird das Werk in die Zeit zwischen 956 und 962.583 Über den Heiligen ist nur wenig bekannt, obwohl dem Mirakelbericht eine kurze Vita des Heiligen vorangestellt ist, die allerdings kaum weitere Informationen gibt.584 Es stellt sich die Frage, ab wann es in Neapel einen Kult um den heiligen Agnellus gab; MALLARDO setzte diesen nicht vor dem ausgehenden 8. Jahrhundert an.585 Hierfür sind die Wunder um Euphemia und Anna entscheidend, die MALLARDO erst in das Ende des 8. Jahrhunderts datiert.586 Der Festtag des Heiligen ist am 14. Dezember und sein Todesjahr wird zwischen 593 und 600 angenommen.587 Allerdings wird Agnellus in keinem kalendarischen Werk der Region genannt und auch bei Beda und im Synaxarium von Konstantinopel nicht aufgeführt.588 Somit ist es schwierig, einen aktiven Kult des Heiligen in Neapel abseits seines Wunderberichts auszumachen. Möglicherweise sollte ein solcher durch den Bericht initiiert oder etabliert werden. Da die kalendarischen Werke aus dem 9. Jahrhundert stammen, ist es auch denkbar, dass sich der Kult um Agnellus erst im 10. Jahrhundert etablierte, weswegen er in diesen früheren Werken noch nicht aufgeführt wurde. Auch der Ort seiner Verehrung ist nicht eindeutig auszumachen.589 Der Libellus umfasst 24 Wundererzählungen, zudem folgt noch eine 130 Hexameter umfassende Epitome, in der alle 24 Wunder in der gleichen Reihenfolge erneut erscheinen. Als Anlass für die Anfertigung des Berichtes erscheint im letzten Mirakel die Heilung des Autors selbst von einem Augenleiden durch den Hei581 BHL 150. 582 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXXVIIf. 583 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. LXIX; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 114. Die neueste Edition des Textes liegt in der Bearbeitung von VUOLO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, in: Una testimonianza agiografica napoletana: il ‚Libellus miraculorum s. Agnelli‘ (sec. X) (Pubblicazioni dell’Università degli studi di Salerno. Sezione di studi storici, 4), Neapel u.a. 1987, S. 149– 214, 149–202. In der Edition der Werke des Petrus Diaconus von D’ANGELO ist der Text nicht enthalten, was mit der Arbeit von VUOLO zusammenhängt, die eine erneute Auseinandersetzung mit diesem Text erübrigte. 584 Vgl. VUOLO, Una testimonianza agiografica napoletana, S. 43ff. 585 Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 486. 586 Vgl. Ebd., S. 485f. 587 Vgl. VUOLO, I ‚Libelli Miraculorum‘, S. 18. Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 150: … anno uidelicet sexagesimo primo, regnante Mauricio Tiberio augusto, et beato Gregorio romanae praesidente sedis pontifice, necnon et Fortunato neapolitano episcopo, nonodecimo kalendas ianuarias ad caelestia regna gloriosus mirauit. Mauriokios hatte seine Amtszeit von 582–600, Papst Gregor I. 590–604 und Fortunatus 593–600. Vgl. DELEHAYE, Hagiographie Napolitaine, S. 23. 588 Das Fehlen des Heiligen im Marmorkalender von Neapel ist auch der Forschung aufgefallen. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 44; VUOLO, Una testimonianza agiografica napoletana, S. 53ff. 589 Vgl. VUOLO, Una testimonianza agiografica napoletana, S. 60ff. VUOLO stellt hier die verschiedenen Möglichkeiten vor, ohne zu einer letztendlichen Lösung zu gelangen.
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ligen, nachdem er laut eigener Angaben bereits die Stätten vieler anderer Heiliger aufgesucht hatte, ohne Heilung zu erlangen.590 Die Mirakelsammlung beginnt mit einer Vorrede. Hier wird mit zwei Bibelzitaten erläutert, warum es zu dieser Niederschrift komme, die zu Ehren Gottes verfasst würde.591 Auch wird berichtet, dass bekannt sei, dass die Reliquien der Heiligen Wunder wirken können.592 Im Anschluss an diese Vorrede folgt eine kurze Lebensbeschreibung des Heiligen, in der seine christlichen Tugenden am Anfang hervorgehoben werden593 und auch auf den heiligen Gaudiosus594 eingegangen wird, in dessen Kloster Agnellus zum Abt gewählt wurde. Auf diese Einführung folgen dann die tatsächlichen Wunder, die von Agnellus gewirkt wurden. Hierbei handelt es sich größtenteils um Heilungswunder. Der erste Bericht erzählt von einem Heilungsmirakel, das allerdings einige Besonderheiten aufweist. Zunächst wird näher auf die Kranke Anna eingegangen, der der Heilige in Gestalt eines Mönches erschienen sei und ihr ankündigt habe, wie sie geheilt werden könne.595 Er habe sie aufgefordert, nach Neapel zu kommen. Um ihr zu beweisen, dass sie so handeln sollte, habe er ihr versprochen, einen Blutsverwandten von ihr, der in Bari von den Sarazenen gefangen gehalten wurde, zu befreien und zu ihr zu schicken.596 Darauf kommt es zu einem Einschub in der Heilungsgeschichte, denn es wird beschrieben, wie der Heilige in Bari dem Verwandten erschienen sei, diesen von seinen Ketten befreit und auf seinem drei Tage langen Weg begleitet habe, um ihn anschließend aufzufordern, seine Verwandte nach Neapel zu bringen.597 Dieser habe das Mädchen zur Grabstätte des Heiligen gebracht. Am nächsten Tag sei Agnellus dem Mädchen erschienen, habe
590 Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 196: Cum ualida oculorum incommoditate depressus essem, multaque sanctorum limina adiendo nullam medelam assequi ualerem. 591 Ebd., S. 149: Quaecumque scripta sunt ad nostram doctrinam scripta sunt ut per patientiam et consolationem Scripturarum spem habeamus (Rom 15,4) und Secretum regis celare bonum est, opera autem Dei reuelare et confiteri honorificum est (Tob 12,7). 592 Ebd., S. 149: Re uera enim dum uidemus sanctorum reliquias daemones ex obsessis corporibis pellere, caecos illuminare uriaque infirmitates mirabiliter curare … 593 Ebd., S. 150: Igitur uir Domini sanctissmus Agnellus, iuxta nominis sui puritatem, ab ipso pueritiae suae tempore innocenter uiuens nihil terrenum nihilque carnale inhians, in omnisbus madatis Domini se irreprehensibilem exhibebat. 594 Dieser war vermutlich ein afrikanischer Bischof, der auf der Flucht vor den Vandalen nach Neapel gekommen war. Vgl. Rossana MARTORELLI, La circolazione dei culti e delle reliquie in età tardoantica ed altomedievale nella penisola italica e nelle isole, in: Martiri, santi, patroni: per una archeologia della devozione. Atti X Congresso Nazionale di Archeologia Cristiana (Ricerche, 6), hg. v. Adele COSCARELLA/Paola de SANTIS, Arcavacata di Rende (Cs) 2012, S. 231–263, hier S. 243. 595 Vgl. Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 152. 596 Ebd., S. 152: Uenit ad me Neapolim, et ego tibi salutis curam praebebo. Sed ne in dubium ex hoc uenias, et certa ex hac promissione existas, scito praenoscens quoniam consanguineum tuum illum qui capituus a Saracenis retinetur in ciuitate Bari, ego de uinculis eruo et ad tuum solamen, ut te perducere ad me ualeat, celerius reduco. 597 Vgl. Ebd., S. 153.
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sie von ihrer Krankheit geheilt und ins Kloster einzutreten geheißen.598 Dazu sei sie auch bereit gewesen, allerdings erscheint zu diesem Zeitpunkt der Teufel in der Geschichte, der die Schwester Annas dazu gebracht habe, diese mit dem weltlichen Leben zu locken und sie so vom Klosterleben zu entfremden. Sie habe Anna dazu gebracht, in die Heimat zurückzukehren, wo sie allerdings erneut an ihrem alten Siechtum erkrankte.599 Darauf sei ihr der heilige Agnellus wiederum erschienen, habe ihr weltliches Gewand zerschnitten und sie so dazu gebracht, ins Kloster zurückzukehren.600 Im zweiten Wunder begegnet dem Leser eine Gelähmte, die von ihren Eltern zum Grab des heiligen Agnellus gebracht wurde, um dort geheilt zu werden. Dieser sei ihr daraufhin erschienen und habe sie ausgesandt, der Stadt Neapel, deren Bischof vom Papst Johannes VIII. exkommuniziert worden war, wodurch das kirchliche Leben der Stadt zunächst zum Erliegen gekommen war,601 mitzuteilen, dass sie wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen werden sollte.602 Zudem habe der Heilige ihr Genesung versprochen, wenn sie in ein Kloster eintrete, was sie dann auch tat, worauf sie dort gesundete.603 In diesem Wunder wird die Gefahr bemerkt, dass einige diese Mirakel bestreiten könnten, doch wird hier auf die Bibel verwiesen, in der auch verschiedene Wunder passieren.604 Es folgen weitere Heilungswunder, wobei auch einige der Kranken nicht geheilt, dafür aber durch den Heiligen angeleitet werden, wie sie ihre letzte Zeit verbringen sollten um gottgefällig sterben zu können.605 Nicht nur einfachen Leuten wurde die Wunderkraft dieses Heiligen zuteil, sondern auch dem Bischof und Dux von Neapel, Athanasius dem Jüngeren, der vermutlich an Nierenkoliken litt.606 Dieser habe sich zum Grab des Heiligen begeben, der ihm dort mit einem medizinischen Instrument607 erschien sei und ihn damit behandelte, woraufhin er am nächsten Tag von seinem Leiden befreit gewe-
598 Vgl. Ebd., S. 153f. 599 Vgl. Ebd., S. 154. 600 Ebd., S. 155: Haec ubi dicta dedit, saecularem habitum, quo induta erat, a capite usque ad pedes adscidit. Quae cum rogaret ne illum scinderet, comminans ait: ‚Ergo ad priorem ualitudinem redire cupis?‘ … Ac per hoc diligenter instructa didicit in Dei seruitio cum sanctimoniali habitu fideliter famulari. 601 J. F., Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918 (987); Bd. 4, Papstregesten 800–911; Teil 3, 872–882, No. 678–685. 602 Vgl. Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 155f; J. F., Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918 (987); Bd. 4, Papstregesten 800–911; Teil 3, 872–882, No. 719; Italia Pontificia VIII, No. 37 u. 76. 603 Vgl. Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 156. 604 Ebd., S. 158: Omnia enim quaecumque uoluit Dominus fecit in caelo et in terra, in mari et in abissis. Hinc Saluator in Euangelio dicit: ‚Pater meus usque modo operatur et ego operor‘. 605 Vgl. Ebd., S. 160–164. 606 Vgl. WALDMANN, Der heilige Agnellus, S. 170 Anm. 33. 607 Il Libellus Miraculorum s. Agnelli, S. 165: Medicinale ferratum.
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sen sei.608 Aus Dankbarkeit habe der Bischof der Kirche ein seidenes Altartuch gespendet und sei jedes Jahr zum Festtag des Heiligen in dessen Kirche gekommen.609 Hieran kann erkannt werden, dass die Wunder durch alle Gesellschaftsschichten gewirkt wurden. Selbst die Mächtigen bedurften der Hilfe der Heiligen. Als letztes Wunder erscheint jenes, das an dem Verfasser des Berichtes selbst gewirkt wurde. Der Subdiakon beschreibt darin, dass er von einem Augenleiden bedrückt gewesen sei und die Stätten vieler Heiliger aufgesucht hätte, dort aber keine Heilung erlangte.610 Erst nach einiger Zeit habe er erkannt, an wen er sich wenden müsste, um gesunden zu können und bat Agnellus, der ihn tatsächlich geheilt habe.611 Diesem Wunder kam sicherlich eine besondere Bedeutung zu, da es nicht nur über Heilungen berichtete, die dem Verfasser des Textes erzählt wurden, sondern da er es am eigenen Leibe erfahren hatte und somit als dessen Zeuge angesehen werden konnte. Von besonderem Interesse bei diesem Mirakelbericht sind die historischen Ereignisse, die sich anhand seiner Ablesen lassen.612 So wird auf das Interdikt Neapels durch Johannes VIII. sowie auf die akute Sarazenengefahr eingegangen. Die Besetzung Baris und das Interdikt waren Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis verankert blieben und somit einen besonderen Umgang forderten. Die Erwähnung der Sarazenen im ersten Wunder sowie deren Besetzung der Stadt Bari sind auffällig. Um das kranke Mädchen von der Wunderkraft zu überzeugen, wird ein naher Verwandter aus der besetzten Stadt befreit und zu dem Mädchen geschickt. Petrus Subdiaconus schreibt in einer Zeit, in der Bari nicht mehr in der Hand der Sarazenen war, doch scheint sich diese Epoche so stark in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt zu haben, dass es hier Erwähnung findet, zumal über diese Angabe die Zeit des Wunders relativ genau bestimmt werden kann. Die Menschen, die geheilt wurden, stammten aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, waren aber in ihrem Wunsch nach Heilung alle gleich. Es werden sowohl Männer als auch Frauen geheilt. Sogar der Schreiber des Textes kann aus eigener Erfahrung von einer Heilung berichten, wodurch die Glaubwürdigkeit des Berichtes unterstrichen werden soll. Aufgrund seiner regen Heilertätigkeit wird der Heilige von MALLARDO sogar als „il santo medico napoletano, per eccelenza“613 bezeichnet, wobei diese Tätigkeit dem Umstand geschuldet ist, dass hier ein Werk vorliegt, in dem sehr viele Heilungswunder geschildert werden. Prinzipiell 608 Ebd., S. 165: Mane autem facto, … rogauit praesbiterum illius loci rectorem, ut pro eo dominicam hostiam Domino immolaret. Quo facto, cunctis mirantibus, non paruum lapidem simul cum sanguine fudit … 609 Ebd., S. 166: Memorque beneficii altare illius holoserico pallio operuit, annisque singulis in eius festivitate humiliter ad eius properabat ecclesiam. 610 Ebd., S. 196: … cum ualida oculorum incommoditate depressus essem, multaque sanctorum limina adiendo nullam medelam assequi ualerem … 611 Ebd., S. 196: Haec quoque deuotus mente precando, continuo sensi de luminis peste uigorem, ex tunc et coepi lumen gestare perspicuum. 612 Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 485. 613 Vgl. Ebd., S. 475.
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erscheinen in allen Mirakelberichten Heilungswunder, sodass in diesem Text vor allem die Quantität ausschlaggebend für eine solche Aussage ist. 6.2.3.3. Die heilige Restituta Restituta war eine Märtyrerin und Jungfrau aus Afrika, die in Karthago im 3. oder 4. Jahrhundert das Martyrium erlitten haben soll.614 Ihre Reliquien sollen im Laufe des 8. Jahrhunderts über Ischia nach Neapel gebracht worden sein.615 Überdies hat sich kein Translationsbericht erhalten und auch in der Bischofschronik wird keine Verlegung der Gebeine nach Neapel erwähnt. Genannt ist diese Heilige nur in der Bischofschronik von Neapel, in der die Kirche, die unter ihrem Patrozinium stand, Erwähnung findet.616 Lediglich in ihrer Passio wird auf ihren Weg von ihrem Martyrium in Afrika über Ischia nach Neapel eingegangen. Der Festtag der Heiligen wird im Martyrologium Romanum am 17. Mai gefeiert,617 allerdings ist ihr Fest im Marmorkalender von Neapel am 16. Mai festgehalten.618 In den beneventanischen Quellen, im Synaxarium von Konstantinopel und im Martyrologium Bedas erscheint sie nicht. Somit kann für diese Heilige zunächst nur eine begrenzte Verehrung postuliert werden. Um 950 wurde die Passio der heiligen Restituta vom Subdiakon Petrus von Neapel niedergeschrieben.619 Der Text beginnt mit einer Datierung der Geschehnisse in die Zeit, als Carus römischer Kaiser war, also ins 3. Jahrhundert. Nach dieser Vorrede wird die Protagonistin des Geschehens eingeführt, Restituta, deren
614 Vgl. TRONZO, Naples in the Early Middle Ages, S. 27. 615 Vgl. Ebd., S. 27. Dies wird auch in der Passio erwähnt, in der es heißt: Pervenit autem ipsa navicula cum beatae martyris corpusculo in partes Campiniae in insulam, quae dicitur Enaria, iuxta Procitam, ad locum, qui vocatur ‚Ad ripsas‘, quae aberat a civitate Parthenope fere milliaria triginta. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 198; Vgl. ARLOTTA, Da Trofimena di Minori, S. 73. Es gibt keine Angaben, wann die Translation stattgefunden hat und die Angabe 8. Jahrhundert wird durch keine Quellen gestützt. 616 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 404; Catalogus episcoporum Neapolitanorum, S. 437; Vita Athanasii Episcopi Neapolitani, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 439–449, hier S. 443; GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 49. 617 Vgl. SODI/FUSCO, Martyrologium Romanum, S. 143f. 618 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. 619 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121; BHL 7190. Heute sind noch vier Handschriften aus dem 11. bis 16. Jahrhundert überliefert, wobei sich drei in Neapel und eine in Brüssel befindet. In der BHL Online-Datenbank werden zwei Handschriften des Textes aufgeführt, die beide in Neapel im Archiv aufbewahrt werden. Napoli, BN, codex VIII. B. 8., fol. 001–009v, 1. Hälfte 11. Jh.; Napoli, Orat., codex CXIII, fol. 019–042, 17. Jh. Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 181. Die neueste Edition des Textes liegt in der Bearbeitung durch D’ANGELO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sanctae Restitutae, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 186–199.
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christliche Lebensführung vorgestellt wird,620 aufgrund deren sie von einem Iudex angeklagt worden sei. In einem Dialog zwischen dem Iudex und der Heiligen sei sie gefragt worden, welchen Gott sie verehre.621 In ihrer Antwort habe sich Restituta nicht nur zu Gott, sondern auch zu Jesus Christus bekannt.622 Dadurch sei der Richter gezwungen gewesen, zu handeln. Im folgenden Text werden die Martern der Heiligen beschrieben, die letztlich zum Tode geführt hätten.623 Die Passio endet mit der Beschreibung, wie der Körper der Heiligen mit einem Schiff nach Campanien gelangt sei.624 In einer Vision sei nachts ein Engel des Herrn einer gläubigen Frau erschienen und habe ihr verraten, wo sie die Gebeine der Heiligen finden könnte.625 Darauf habe sich diese Frau an die Stelle begeben, und die Heilige wurde in die Stadt gebracht.626 Abschließend wird noch der Festtag der Heiligen, der 17. Mai, genannt.627 In diesem Bericht ging es also nicht nur darum, die Leiden der Heiligen darzustellen, sondern es wurde zugleich aufgezeigt, wie es dazu kam, dass sich die Heilige nun in Neapel befand und dort Verehrung erfuhr. Der Text half dabei, die Verehrung der Heiligen zu etablieren und zu verbreiten. Zudem wies er einen lokalen Bezug auf, der zu Wallfahrten animieren konnte. 6.2.3.4. Die heilige Patricia Die heilige Patricia hat ihren Festtag am 25. August,628 allerdings wird dieser Festtag in keinem der kalendarischen Werke der Region genannt. Auch das Synaxarium von Konstantinopel führt die Heilige nicht. Für sie wurde zwischen 970 und 1150 von Leo, einem Presbyter der Kirche SS. Nicandrus und Marcianus, eine Vita verfasst.629
620 Petrus Subdiaconus, S. 187: … nomine Restituta. Haec itaque, cum per dei gratiam christianam religionem comperisset, sacri baptismati sacramento renata et sanctae religionis habitu induta, virgo corpore et animo die noctuque in mandatis domini permanebat. 621 Vgl. Ebd., S. 188. 622 Vgl. Ebd., S. 190. 623 Vgl. Ebd., S. 190f. 624 Vgl. Ebd., S. 198. 625 Vgl. Ebd., S. 198f. 626 Ebd., S. 199: Cumque expergefacta fuisset, non incredula tantae revelationi accessit ad locum sibi demonstratum invenitque intra naviculam sacratae virginis corpus niveo fulgore nitentem. 627 Ebd., S. 199: Celebratur autem dies natalis eius sexto decimo kalendas Iunias … 628 Vgl. Domenico AMBRASI, Patrizia, in: Bibliotheca Sanctorum. Band X, Rom 1968, Sp. 392– 396, hier Sp. 393. Von ihm wurde die Herkunft der Heiligen aus Konstantinopel mit einem Fragezeichen versehen. Vgl. AMBRASI, Patrizia, Sp. 392. 629 D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 120; AASS, Aug. V., 215–219. BHL 6484. In der BHL Online-Datenbank sind zwei Handschriften der Vita genannt. Napoli, BN, codex VI. F. 10., fol. 004v–010v, 15. Jh.; Roma, Corsin., codex 0777 (alias 41. G. 12), fol. 081– 086v, 13. Jh.
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Laut der Vita war die heilige Patricia eine Verwandte des Kaisers Konstans II. und lebte in Konstantinopel,630 sei aber nach Rom geflohen, um einer Ehe zu entgehen.631 Dann sei sie nach Konstantinopel zurückgekehrt, wo sie beschlossen habe, auf Pilgerfahrt nach Jerusalem zu gehen,632 sei allerdings auf dem Weg dorthin in Neapel im Kloster des heiligen Nicandrus und Marcianus gestorben.633 Nach ihrem Tod seien an diesem Ort viele Wunder gewirkt worden, wobei es sich ausschließlich um Heilungswunder handelt.634 Die Vita für die Heilige wurde von einem Presbyter Leone, der sich nicht eindeutig identifizieren lässt,635 erst einige Jahrhunderte später in Neapel verfasst. Da sie in keinem der kalendarischen Werke enthalten ist, ist es schwierig, einen Kult für die Heilige festzustellen. Die Vita Leos lässt vermuten, dass Patricia in Neapel Verehrung erfuhr oder erfahren sollte. Inwieweit dies von Erfolg gekrönt war, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Eine byzantinische Tradition um die heilige Patricia ist nicht feststellbar. So wird ihr Festtag im Synaxarium von Konstantinopel nicht aufgeführt und es finden sich auch keine erhaltenen Texte über die Heilige. DELEHAYE machte darauf aufmerksam, dass sich nur wenige Informationen aus der Vita der Heiligen ziehen lassen, die er als „phantasievoll“ bezeichnete.636 Ihre Lebensbeschreibung erinnert sehr an die der heiligen Arthellais637, die in Benevent verehrt wurde. Beide Heilige sollen aus Konstantinopel gewesen, vor einer Ehe nach Italien geflohen und dort jung verstorben sein, worauf sie bereits kurz nach ihrem Tod Verehrung erfuhren. Da keine Translationen von Reliquien aus Konstantinopel nach Neapel vorgenommen wurden, handelt es sich bei Patricia um die einzige Heilige byzantinischen Ursprungs, die direkt in der Stadt verehrt werden konnte.638 Eine Kontextualisierung des Aufkommens der Verehrung der Heiligen ist nicht definitiv möglich, da sich die Vita nicht eindeutig datieren lässt. Es ist denkbar, dass mittels der Verehrung einer ursprünglich byzantinischen Heiligen eine nähere Verbindung mit Konstantinopel gesucht wurde, nachdem 630 631 632 633
634 635 636 637 638
Vgl. AASS, Aug. V., S. 216. Vgl. Ebd., S. 216. Vgl. Ebd., S. 216. Vgl. Ebd., S. 216: Tunc tauri illi abierunt per mediam civitatem, et pervenerunt in monasterium sanctorum Nicandri et Marciani, et steterunt in locum, ubi beatissima Patricia, ut diximus, signum sanctae crucis fecerat, et omnis plebs, ut vidit, dedit laudem Deo, et glorificaverunt sanctum corpus, et cum magno honore sepelierunt illud gaudentes, et glorificantes Dominum Jesum Christum, cui est honor, et gloria in secula seculorum. Vgl. Ebd., S. 217f. Vgl. DELEHAYE (†), Hagiographie Napolitaine, S. 31. Vgl. Ebd., S. 31f. Siehe Kapitel 6.1.1. Da Konstantinopel eine christliche Vorgeschichte fehlte, waren dort keine autochthonen Heiligen vorhanden, weswegen die Stadt selbst auf Translationen von Reliquien angewiesen war. Vgl. PITZ, Die griechisch-römische Ökumene, S. 292. Somit besaß die Stadt vielleicht kein Interesse daran, andere Teile des Reiches durch den Austausch von Heiligengebeinen an sich zu binden.
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zuvor vor allem die Lockerung der nominellen Oberhoheit angestrebt worden war. Denkbar wäre hier, dass im Zusammenhang mit den Übergriffen der Normannen, die im 11. Jahrhundert ganz Unteritalien unter ihre Gewalt brachten, ältere Traditionen schriftlich fixiert wurden. Ein Rückgriff auf eine östliche Heilige, die laut Tradition schon im 7. Jahrhundert in Neapel begraben wurde, sollte vielleicht eine Abgrenzung zu den neuen Herrschern bewirken und die Bevölkerung an frühere Zustände erinnern. 6.2.3.5. Athanasius I. von Neapel (832–872) – Ein zeitgenössischer Heiliger Über den Bischof Athanasius sind ein Translationsbericht (BHL 737639) und drei Viten erhalten, wobei eine der Viten möglicherweise von dem Diakon Petrus (Vita minor BHL 736) im 12. Jahrhundert in Monte Cassino verfasst wurde.640 Aufgrund des zeitlichen Rahmens dieser Untersuchung werden nur die Texte bis ins 11. Jahrhundert aufgenommen.641 Die zweite (Vita maior, BHL 735642) stammt von einem unbekannten Verfasser, vermutlich aus dem 9. Jahrhundert, wobei von 643 D’ANGELO Lunissi oder Guarimpotus angenommen werden ; eine weitere Fassung von Johannes Diaconus (BHL 734) ist in den Gesta episcoporum Neapolitanorum enthalten644, stammt also aus dem ausgehenden 9./beginnenden 10. Jahrhundert. Die Vita maior ist lediglich in einer Handschrift aus der Mitte des 18. Jahrhunderts überliefert.645 Die Texte wurden insgesamt zeitlich recht kurz
639 In der BHL Online-Datenbank werden fünf Handschriften des Translationsberichtes aufgeführt, die in Neapel und Rom aufbewahrt werden. Die älteste aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts befindet sich in Neapel. Napoli, BN, codex VIII. B. 8., fol. 023v–032v, 1. Hälfte 11. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=0737&RequestTimeout=500. 640 Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 1f. 641 Laut VUOLO ist dieser Text mit der Vita maior nahezu identisch, außer dass er – vor allem am Ende – verkürzt ist. Vgl. Ebd., S. 2. 642 Von dieser Vita sind in der BHL Online-Datenbank vier Handschriften genannt, die in Neapel und Rom sind. Die älteste stammt wie der Translationsbericht aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhundert. Napoli, BN, codex VIII. B. 8., fol. 010–023, 1. Hälfte 11. Jh. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=0735&RequestTimeout=500. 643 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115. 644 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 433–435. 645 Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 1. Die neueste Edition der Vita maior und des Translationsberichtes liegt in der Arbeit von VUOLO vor. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii. In den Acta Sanctorum wurde der Translationsbericht ebenfalls ediert, wobei der Autor als anonym angegeben wurde. Vgl. AASS, Jul. IV., S. 84–89. In den MGH wurde ein Auszug des Translationsberichtes aufgenommen, wobei die abschließenden Abschnitte mit den Wunderbeschreibungen ausgelassen wurden. Vgl. Translatio Sancti Athanasii Episcopi Neapolitani, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 449–452, S. 449–452.
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nach dem Tod des Bischofs (872) aufgeschrieben, weswegen noch vieles über den Heiligen bekannt gewesen sein dürfte. Athanasius war von 849 bis 872 Bischof von Neapel und Sohn des Herzogs Sergius I.646 Unter seiner Amtszeit kam es zu einer Reorganisation der neapolitanischen Kirche.647 Aufgrund eines Abkommens mit den Sarazenen wurde die Stadt Neapel von Papst Hadrian II. mit dem Interdikt belegt.648 Athanasius wurde von Sergius III. gefangengenommen, dank der Intervention Kaiser Ludwigs II. freigelassen und konnte zu seinem Bruder nach Sorrent fliehen.649 Erst nach einer Reise nach Rom wurde er wieder in sein Amt eingesetzt, starb allerdings auf dem Weg von Rom nach Neapel am 15. Juli 872 in Monte Cassino.650 Aufgrund von Wundern, die an seinem Grab geschehen sein sollen, wurde er als Heiliger identifiziert. Zwischen dem 31. Juli und dem 1. August 877 wurden die Gebeine des Bischofs von Monte Cassino nach Neapel transferiert, wovon sein Translationsbericht erzählt.651 Dort wurde er in der Kirche des heiligen Januarius beerdigt.652 Da Athanasius der herrschenden Familie Neapels entstammte, kann sicherlich von einem Interesse dieser Familie bezüglich seiner Sakralisierung ausgegangen werden. Ein Heiliger in der Familie konnte auch politisch genutzt werden, da das eigene Ansehen dadurch stieg. Inwieweit hier auf die Verehrung Einfluss genommen wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, doch wird die Familie sich sicherlich für die Etablierung des Kultes eingesetzt haben. Der Bischof Athanasius II., der in dieser Zeit im Amt und auch Herzog war, war der Neffe des Heiligen und hatte somit auch persönliche Interessen an der Heiligkeit seines Vorgängers und Verwandten. Die Wunder, die an seinem Grab in Monte Cassino geschahen,
646 Vgl. Paolo BERTOLINI, Atanasio, in: Dizionario biografico degli italiani. IV, Rom 1962, S. 508–510, hier S. 508. 647 Vgl. Ebd., S. 508; Italia Pontificia VIII, *17. 648 Vgl. BERTOLINI, Atanasio, S. 509; Böhmer, J. F., Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (926). Bd. 3. Die Regesten des Regnum Italiae und der burgundischen Regna. Tl. 1. Die Karolinger im Regnum Italiae 840–887 (888), No. 309. 649 Vgl. BERTOLINI, Atanasio, S. 509. 650 Vgl. Ebd., S. 510. 651 Vgl. VUOLO, I ‚Libelli Miraculorum‘, S. 12. 652 VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 151: Itaque, ut dicere coeperamus, omnis illa multitudo psallentium cum sanctis exequiis ad templum Sancti properans Ianuarii, ascendentes ingressi sunt basilicam, et, deposito locello, iuxat altare posuerunt … Allerdings ist die Mitteilung in der Translatio nicht ganz eindeutig, was in der Forschung zu Vermutungen geführt hat, wo die ursprüngliche Grablege des Bischofs tatsächlich war. Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 190ff. ACHELIS geht davon aus, dass der Bischof in der Kirche des heiligen Laurentius beigesetzt wurde. ACHELIS, Die Bischofschronik von Neapel, S. 62–64, deutet die Stelle in der Translatio so, dass die Reliquien des Bischofs zum Totenamt in die Kirche des Januarius gebracht wurden und im Anschluss in der Kirche des Laurentius ihre Grablege fanden. In der Vita ist lediglich von der ecclesiae Sancti Ianuarii Christi martyris die Rede. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 143. Aufgrund der Quellenlage lässt sich wohl keine eindeutige Aussage darüber machen, in welcher Kirche der Bischof zunächst seine letzte Ruhestätte bekam.
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bewiesen die Heiligkeit Athanasius’. Somit kann das Bedürfnis nach seiner Translation nach Neapel begründet werden, die fünf Jahre nach seinem Tod vorgenommen wurde.653 Aufgrund der Tatsache, dass Bischof Athanasius nicht im Marmorkalender von Neapel Erwähnung findet, wird dieser in die Zeit vor seinem Tod oder in die Zeit vor seiner Translation datiert.654 Auch die anderen kalendarischen Werke enthalten den Festtag dieses Heiligen am 15. Juli nicht, da sie vor seiner Regierungszeit und damit vor seiner Verehrung verfasst wurden.655 Dennoch bezeugt die Translation, dass Athanasius als Heiliger anerkannt war und Verehrung erfuhr. Die Vita ist bezüglich ihres politischen Inhalts von Interesse, da in ihr Ereignisse der nahen Vergangenheit aufgeschrieben wurden. Die Vita maior beginnt mit einem Prolog, der mit vielen Bibelzitaten versetzt ist und die Lobpreisung Gottes sowie seines Dieners Athanasius enthält.656 Im ersten Abschnitt werden die verschiedenen historischen Ereignisse von der Antike bis zur Zeit des Athanasius in groben Zügen dargestellt.657 Hier findet auch der heilige Januarius Erwähnung.658 Ebenso wird auf den ersten Bischof der Stadt, Aspren, verwiesen. Laut der Vita des Bischofs Athanasius I. von Neapel wurde die Bevölkerung der Stadt im 1. Jahrhundert von Petrus und Paulus zum Christentum bekehrt. Der Bischof Aspren659 soll von Petrus die Ordination empfangen
653 VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 146: De cuius vita aliquid adhuc fari cupiverat animus, sed in libello praecedenti de eius vita et moribus, quantum iners stilus valuit rimari secutum est, nunc vero de ipsius miraculis et reversione eiusdem sancti corporis sermo texendus est. 654 Siehe Kapitel 4.1. 655 Auch das Synaxarium von Konstantinopel führt diesen Heiligen nicht, wobei hier weniger temporale als geographische Gründe ausschlaggebend gewesen sein mögen. Im Synaxarium erscheint keiner der Bischöfe der Stadt. 656 Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 113–115. 657 Vgl. Ebd., S. 116 u. 119. 658 Ebd., S. 118: Beatissimum quoque Ianuarium Christi martyrem postea Neapolites meruerunt habere tutorem. 659 Ebd., S. 118: Siquidem beatissimus Petrus Apostolorum princeps Aspren sanctissimum primum ibi ordinavit episcopum. Vgl. Francesco LANZONI, Le origini delle diocesi antiche d’Italia, Rom 1923, S. 145; CILENTO, Il significato della „translatio“, S. 4f. Es ist auffällig, dass die Geschichte um Aspren und seine Weihe durch Petrus erst im 10. Jahrhundert erscheint, während in der Bischofschronik von Neapel (8./9. Jahrhundert) dies noch mit keinem Wort angerissen ist. Wahrscheinlich wurde es in dieser Zeit entscheidender, sich auf einen apostolischen Ursprung zurückführen zu können. In der Apostelgeschichte wird die Reise des Paulus nach Rom beschrieben, und es heißt, dass die Jünger in Puteoli auf Brüder, also Christen, trafen. Vgl. Act 28, 13. Traditionell wird die Überstellung des Paulus nach Rom in die Zeit vor 60 datiert. Vgl. Raban von HAEHLIN, Mutmaßungen zum Schweigen der Apostelgeschichte vom Tod der Apostel Petrus und Paulus, in: Petrus und Paulus in Rom. Eine interdisziplinäre Debatte, hg. v. Stefan HEID, Freiburg, Basel, Wien 2011, S. 538–548, S. 542f. Allerdings weisen die archäologischen Quellen eher auf eine Christianisierung Neapels im 2. und 3. Jahrhundert hin. Vgl. William TRONZO, Naples in the Early Middle Ages, in: Medi-
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Translationen und lokale Heilige
haben.660 Aufgrund dieser Weihe konnte Athanasius in eine apostolische Reihe gestellt werden, da sein Vorgänger durch den Stellvertreter Christi ins Amt gehoben wurde. In der Vita werden die Ereignisse um den Zug Ludwigs II. gegen die Sarazenen ausführlich dargestellt, wobei auch die Begegnungen zwischen dem Kaiser und dem Bischof enthalten sind, die die besondere Bedeutung des Kirchenmannes in der Politik der Zeit aufzeigen.661 Die verschiedenen Kämpfe gegen die Sarazenen und die Rückeroberung Baris waren von zu entscheidender Bedeutung, als dass sie in diesem Falle nicht hätten erwähnt werden sollen. Der heilige Bischof wird hier also in seiner weltlichen Funktion dargestellt, indem er sich bemühte, die richtige Seite zu unterstützen, um so dem Land die Möglichkeit einer friedlichen Zeit zu verschaffen. Das Verhalten des Bischofs ist insofern interessant, als er sich vom fränkischen Herrscher helfen ließ. Eine Hinwendung zu den Franken war in diesem Falle die logische Konsequenz, da die Sarazenen nicht alleine zu besiegen waren und sich zudem Schwierigkeiten in Neapel zeigten, die dazu führten, dass der Bischof gefangengenommen und erst auf Vermittlung Ludwigs wieder freigelassen wurde.662 Zudem wird unter anderem auch auf die Sarazenen und das Interdikt der Stadt Neapel eingegangen.663 Diese Vorgänge hatten das Leben in Neapel mitgeprägt, wobei fraglich ist, wie sich das Interdikt auf die Menschen ausgewirkt hatte, ob also tatsächlich kein Gottesdienst stattfand und wie dieser Zustand durch den Klerus vermittelt wurde. Die Sarazenengefahr stellt generell ein gängiges Motiv in
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eval Naples. An Architectural & Urban History 400–1400, hg. v. Caroline BRUZELIUS/William TRONZO, New York 2011, S. 1–48, hier S. 12ff. Vgl. DELEHAYE (†), Hagiographie Napolitaine, S. 17; FALKENHAUSEN hebt hervor, dass es sich hierbei um eine typische Geschichtsbildung der byzantinischen Provinzen handelt, bevor es zu einer Separierung gegenüber Rom kam. Hierfür führt sie weitere Beispiele an, u.a. den heiligen Apollonaris von Ravenna. Aufgrund der Apostolizität eines Bischofssitzes konnte versucht werden, die eigene Stellung innerhalb der Kirchenhierarchie zu verändern. Vgl. FALKENHAUSEN, Bishops and Monks, S. 30. Gianfranco FIACCADORI, Il Cristianesimo. Dalle origini alle invasioni barbariche, in: Il Medioevo (Storia e Civiltà della Campania), hg. v. Giovanni PUGLIESE CARRATELLI, Neapel 1992, S. 145–276, hier S. 145. Erstmalig erscheint diese Aussage in der Vita Athanasii Episcopi Neapolitani, Vita s. Athanasii, in: Vita et Translatio S. Athanasii Neapolitani Episcopi (BHL 735 e 737) sec. IX (Fonti per la storia dell’Italia medievale, 16), Rom 2001, S. 113–143, S. 118: Siquidem beatissimus Petrus Apostolorum princeps Aspren sanctissimum primum ibi ordinavit epsicopum. PEYER, Stadt und Stadtpatron, S. 59: „… war wohl vielmehr eine Aeußerung jener gesamteuropäischen Tendenz des 8. und 9. Jahrhunderts, große Bischofskirchen und Abteien auf Apostel oder besonders vornehme Heilige zurückzuführen und so dem Heil näherzubringen und im Ansehen zu heben.“ Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 135–139. Vgl. BERTOLINI, Atanasio, S. 509. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 131–135. Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 136–139.
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den hagiographischen Texten der Zeit dar.664 Die Furcht vor Angriffen und Eroberungen prägte das Leben und dabei sicherlich auch den Umgang mit den Heiligen, von denen in diesen Situationen Hilfe erhofft wurde. Insgesamt handelt es sich um eine Heiligenvita, in die sehr viele zeitgeschichtliche Elemente eingeflossen sind. So ging es zwar darum, den Heiligen und sein verdienstvolles Leben darzustellen, zugleich wurden aber auch die Lebensumstände geschildert und die Bedrohungen der Zeit aufgezeigt. Dies hing sicherlich mit der zeitlichen Nähe des Todes und der Niederschrift seines Lebens zusammen. Zudem war er als Mitglied einer der führenden Familien Neapels besonders hervorzuheben, da auf diesem Wege die Familie an der Verehrung partizipieren und diese zugleich fördern konnte. Im Gegensatz zu den anderen neapolitanischen Heiligen handelte es sich bei diesem Bischof um eine relativ aktuelle Gestalt, die schon kurz nach ihrem Tod in den Ruf der Heiligkeit geriet. Auch in den Gesta episcoporum Neapolitanum ist der Text von Johannes Diaconus, der sich mit Athanasius befasst, im Vergleich zu den anderen Bischofsbeschreibungen sehr ausführlich.665 In dieser Beschreibung wird intensiv auf die Ausstattungen eingegangen, die der Bischof in den verschiedenen Kirchen vornehmen ließ.666 Dabei fällt auf, wie sehr er sich um die Kirche bemühte, in der der heilige Januarius und seine Gefährten lagen, da diese reichlich ausgeschmückt wurde. Dies ist insofern verwunderlich, als dass sich der Heilige zu diesem Zeitpunkt in Benevent befand, nachdem er in den 830er Jahren durch Sicard dorthin gebracht worden war.667 Dennoch war dieser Heilige in der Stadt immer noch so wichtig, dass die ihm geweihte Kirche weiterhin durch besondere Gaben bevorzugt wurde. Die Beschreibung der Ausstattung der Stadt durch den Bischof nimmt einen ganzen Abschnitt ein, auf den ein Absatz über die politische Situation folgt, in dem auf die Sarazenen und die Gefahr von Seiten der Beneventaner eingegangen wird.668 Dies zeigt, dass es auch in der Bischofschronik zunehmend wichtiger geworden war, die aktuellen Geschehnisse aufzunehmen und den Umgang der Bischöfe mit diesen darzustellen. Die Aktualität der Ereignisse war zu dem Zeitpunkt der Niederschrift ebenso gegeben wie zuvor, da weiterhin Gefahr von plündernden Sarazenen ausging. In diesem Text wird aber nicht auf das Interdikt der Stadt durch den Papst eingegangen, obwohl das Bündnis mit den Sarazenen Erwähnung findet, das der Auslöser für das Interdikt war.669 Möglicherweise war 664 So beispielsweise im Translationsbericht des Sosius, aber auch im Mirakelbericht des Agnellus. Siehe Kapitel 6.2.3 und 6.4.2. 665 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 433–435. 666 Vgl. Ebd., S. 433f. 667 Siehe Kapitel 6.1.2. 668 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 434. 669 Von BERTO wurde die These aufgestellt, dass die unterschiedliche Erwähnung des Kirchenbanns mit der zeitlichen Nähe zu den Geschehnissen zusammenhänge. Während die Bischofschronik zeitlich sehr nahe zu den Geschehnissen geschrieben wurde, entstand die Vita möglicherweise erst mit einigem zeitlichen Abstand, weswegen in ihr vielleicht nicht mehr auf die Machthaber in der Stadt Rücksicht genommen wurde. Vgl. BERTO, , S. 57f. Wenn die Vita allerdings wie von VUOLO angenommen zeitlich kurz nach dem Tode des Bischofs geschrieben wurde, war der anonyme Verfasser vermutlich mutiger, da Herzog Sergius, der durch sein Bündnis mit den Sarazenen den Kirchenbann erst provoziert hatte, zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch lebte. Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 1–7;BERTO, , S. 51. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 435: Athanasius autem iterans cum eis, vi febrium laborare coepit; quintodecimo die expleto, omnibus flentibus, migravit ad Dominum. Cujus corpusculum ad monasterium sancti Benedicti, quod situm est in Monte Cassino, deportantes, in ecclesia sancti Petri … VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 145: Praeterea quasi, speciale et proprium plerumque sanctorum virorum esse assolet, ut loca in quibus viventes degere fuerant soliti, licet omni mundo suis precibus adsint, praesentia suarum reliquiarum illustrent etiam si alibi eos contingat sarcinam deponere corporis. Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 146. Ebd., S. 146: Sed quandoque praevaluit sermo et voluntas praesulis, et quinto depositionis eius anno, misit religiosos viros, Bonum presbyterum, Iohannem et Petrum atque Iohannem subdiaconos, cum locello et aliis necessariis, patri illius congregationis et fratribus salutantes. Ebd., S. 150: … et venientes ad locum qui dicitur Grumum occurit eis homo quidam, vexatus demone, et nolens intravit sub fereto ubi corpus viri Dei portabantur, statim liberatus a daemone, coepit Deo gratias agere. Vgl. Ebd., S. 151.
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die Kirche des heiligen Januarius gebracht worden und später in die Kirche des heiligen Laurentius.676 An die Translation schließt sich ein Abschnitt mit weiteren Wunderberichten an. Zwei Wunder sollen wie gezeigt bereits während der Translation geschehen sein, zwölf weitere an seinem Grab.677 So kommt im ersten Wunder der greise Mönch Anastasius aus dem Kloster des heiligen Januarius vor, der an großen Schmerzen in den Gelenken und Nerven litt.678 Ein Wunder sei an einer Frau, die Schmerzen in den Eigenweiden hatte, gewirkt worden.679 Sie sei nach acht Tagen durch Januarius und Athanasius geheilt worden.680 Hier zeigt sich wieder die Zusammenarbeit zweier Heiliger, die für die Gläubigen eintreten.681 Die Bedeutung des Januarius scheint hier besonders auf, da sich die Reliquien des Heiligen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Neapel befanden, er aber dennoch weiterhin in den hagiographischen Berichten auftritt.682 Dies ist zudem das einzige Wunder, in dem ein weiterer Heiliger neben Athanasius erscheint, was zusätzlich die Rolle des Januarius unterstreicht. Gleichzeitig betonte dieses Wunder die Bedeutung des Athanasius, da er mit dem Hauptheiligen der Stadt zusammenwirken konnte. Auch die nächsten Wunder sind ausschließlich Heilungswunder. Beim letzten Wunder erscheint das Phänomen, dass die Kranke zunächst bei verschiedenen Heiligen Hilfe suchte, dies aber nicht gelang und ihr letztlich in einer Vision mitgeteilt worden sei, wo sie Heilung erlangen könne. Darauf sei sie dann auch tatsächlich von Athanasius geheilt worden.683 Die Wunder weisen den Bischof eindeutig als Heiligen aus. Sowohl während der Translation als auch an seinem Grab beweisen die Wunder die Zustimmung des Heiligen zu seiner Verlegung. Als Bischof der Stadt musste er ein besonderes Interesse daran haben, seiner ehemaligen Gemeinde besondere Gnade zuteilwerden zu lassen. Der Bericht endet mit einem sechszeiligen Gedicht, in dem der Bischof nochmals gepriesen wird.684 Die Translation des Bischofs fällt besonders dadurch auf, dass sie anscheinend die einzige war, die in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts vorgenommen wurde. Erst zu Beginn des 10. Jahrhunderts kamen
676 Ebd., S. 152: Tunc universus populus in ingenti fletu conversus, educentes eum extra fores in oratorium Sancti et Confessoris Christi Laurentii eiusdem sedis antistitis … Zur Diskussion über seine Grablege siehe oben. 677 Vgl. VUOLO, I ‚Libelli Miraculorum‘, S. 12. 678 Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 152. 679 Ebd., S. 155: Alia quaedam nobilis genere, Matrona nomine, per annos quamplurimos viscerum dolore cruciabatur. 680 Ebd., S. 155: Quae diebus octo in laude et gratiarum actione permanens, beneficio beatorum Ianuarii et Athanasii gratulans, in propria et regressa. 681 Ähnliches kann beispielsweise auch im Mirakelbericht für Agrippinus nachvollzogen werden. Siehe Kapitel 6.2.1. 682 Möglicherweise spricht diese Zusammenarbeit mit dem heiligen Januarius eher für eine Grablege des Bischofs in dessen Kirche und weniger für die in der Kirche des Laurentius. 683 Vgl. VUOLO, Vita et Translatio S. Athanasii, S. 161f. 684 Vgl. Ebd., S. 162.
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Translationen und lokale Heilige
mit dem heiligen Sosius und dem heiligen Severinus zwei weitere Überführungen nach Neapel vor. Der heilige Athanasius war eine Person, die im Untersuchungszeitraum wirkte und auch als Heiliger verehrt wurde, die Verehrung begann bereits kurz nach seinem Tod. Dies lag sicherlich im Interesse der neapolitanischen Machthaber, die durch verwandtschaftliche Bindungen mit diesem Heiligen größeres Prestige zu erlangen hofften. Das Wirken des Bischofs gegen die Sarazenen, die Gefangenschaft durch die eigenen Verwandten und die Lösung des Interdikts Neapels mussten auf die Zeitgenossen einen großen Eindruck gemacht haben. 6.2.4.
Fazit
Nachdem unter Bischof Stephanus II. zwei Translationen nach Neapel vorgenommen wurden, ist dieses Phänomen später weiterhin feststellbar. Anders als in Benevent, wo die letzten bezeugten Übertragungen in den 830er Jahren durchgeführt wurden, wurden auch in der zweiten Hälfte des 9. und zu Beginn des 10. Jahrhunderts Heilige nach Neapel gebracht, wobei hier teilweise die Sarazenengefahr als Anlass genannt wird. Im Gegensatz zu Benevent kann in Neapel bereits in den Jahren vor der Regierungszeit Stephanus’ die Bereitschaft zur Verlegung von Reliquien festgestellt werden, da die Bischöfe aus den Katakomben in die Kirchen der Stadt verlegt wurden. Dies kann sicherlich durch das konstant vorhandene Christentum in Neapel erklärt werden, da dort im Gegensatz zu Benevent kontinuierlich ein Bischof der Kirche vorstand. Hier konnte sich also, ebenso wie in anderen Städten, die Bedeutung des Bischofs und zudem der Kult um seine heiligen Vorgänger etablieren. Dies zeigt auf, dass in Neapel die Translationen weniger an einzelnen Herrscherpersonen hingen als in Benevent. Die äußere Gefahr sowie der Wunsch, die eigenen Heiligen in der eigenen Stadt zu beherbergen, brachten es mit sich, dass die Reliquien nach und nach transloziert wurden. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Kirche in Neapel stärker etabliert war und somit Translationen veranlassen konnte. Hier mag zudem die stärkere Vernetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht förderlich gewesen sein. Da die Bischöfe in den Jahrhunderten davor für die Translationen zuständig gewesen waren, war es nur konsequent, dass sie auch weiterhin für diese sorgten. Zudem wurden die lokalen Heiligenkulte durch die Erstellung neuer Texte gestärkt. Dennoch scheinen in Neapel zu Beginn des 10. Jahrhunderts die vorerst letzten Translationen vorgenommen worden zu sein. Ferner endete die Schaffensphase der Übersetzungen von Neapel um diesen Zeitraum, wobei nicht auszumachen ist, womit dies zusammenhängt. Während das 8. und 9. Jahrhundert anscheinend eine Hochphase der Heiligenverehrung waren, änderte sich die Wahrnehmung beziehungsweise die religiöse Praxis, weswegen vorerst keine Translationen mehr vorgenommen wurden und somit die Hagiographie zurückging. Einen konkreten Anlass für dieses Phänomen zu nennen ist nicht möglich, ebenso wie das plötzliche Auftreten nicht erklärbar erscheint. Eventuell könnten politische Unsicherheiten zu einer Veränderung der religiösen Praxis geführt haben.
Die Heiligen Baris – ein Quellenproblem?
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Neben den neapolitanischen Bischöfen, die im Laufe des 9. Jahrhunderts aus den Katakomben vor der Stadt in die Stadt selbst gebracht wurden, wurden weitere Heilige im 9. und 10. Jahrhundert nach Neapel transferiert. Interessanterweise kann gerade in der Zeit um die Jahrhundertwende in Konstantinopel ein ähnliches Vorgehen festgestellt werden, da sich der byzantinische Kaiser Leo VI. zu Beginn des 10. Jahrhunderts bemühte, möglichst viele Reliquien von prominenten Heiligen aus seinem Reich in die Hauptstadt zu bringen, um sie so zu einem zweiten Jerusalem zu machen.685 Es kann also allgemein eine gewisse Tendenz zur Einholung von Heiligen in die eigene Stadt in dieser Zeit festgestellt werden. 6.3. DIE HEILIGEN BARIS – EIN QUELLENPROBLEM? Während, wie oben aufgezeigt, nach Neapel und Benevent eine Anzahl von Heiligen transloziert wurde, und dies meist in einem gewissen zeitlichen Kontext, kann ein solches Vorgehen in Bari nicht festgestellt werden.686 Da die Stadt zwischenzeitlich von den Sarazenen besetzt war und in dieser Zeit vermutlich nur eine geringe Anzahl an Christen in der Stadt lebte,687 kann hier eventuell nicht von einer Kultkontinuität ausgegangen werden. In Bari ist die Quellenlage ausgesprochen schwierig, da viele Texte verloren gingen. Die Historia translationis mirificae imaginis Sanctae Mariae Constantinopolitanae, ad urbe Constantinopoli in civitatem nostram Barum,688 die von einem Presbyter Gregorius aus Bari verfasst worden sein soll und über die Translation im Jahr 902 berichtet, wurde von Gerardo CIOFFARI im 20. Jahrhundert als Fälschung aus dem 18. Jahrhundert entlarvt,689 weshalb dieser Bericht in dieser Untersuchung keine Berücksichtigung findet. Auch in UGHELLIS Italia Sacra Sive, welche sich mit der Geschichte der Bistümer Italiens befasste und eine Vielzahl von Heiligenviten aufnahm, finden sich nur wenige Heilige Baris im Untersuchungszeitraum.690
685 So etwa beispielsweise die Reliquien des Lazarus, aber auch seiner Schwester Maria Magdalena, die in die Hauptstadt des Reiches gebracht wurden, wobei Lazarus bei der erfolgreichen Bulgaren-Abwehr eine Rolle gespielt haben soll. Vgl. Bernard FLUSIN, Construire une nouvelle Jérusalem: Constantinople et les reliques, in: L’Orient dans l’histoire religieuse de l’Europe. L’invention des origines (Bibliotheque de l’École des Hautes Études, Sciences Religieuses, 110), hg. v. Mohammad Ali AMIR-MOEZZI/John SCHEID, Turnhout 2000, S. 51–70. 686 Insgesamt ist es leichter, in der Region Campaniens Heiligenkulte nachzuverfolgen als in der Region Apuliens. Hier lässt sich in vielen Fällen erst im 11. Jahrhundert sicher eine Verehrung postulieren. Vgl. OLDFIELD, Sanctity and Pilgrimage, S. 30ff. 687 Vgl. WOLF, Auf dem Pfade Allahs, S. 142. 688 Vgl. Michele GARRUBA, Eoniade della translazione della miracolosa immagine di Maria SS. di Constantinopoli nella città di Bari, celebrata in questa cattedrale nel primo martedi di marzo dell’anno 1833, 2. Auflage, Bari 1846. 689 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 8. 690 Vgl. UGHELLI, Italia Sacra 7, Sp. 589–608.
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Translationen und lokale Heilige
Die Geschichte Baris war sehr stark durch Belagerungen und Eroberungen geprägt, sodass selten eine längere kontinuierliche Herrschaft vorlag, was vielleicht dazu führte, dass es nicht im gleichen Ausmaß wie in anderen Städten zu einem Bedürfnis nach neuen Reliquien kam. So etablierten sich trotz der beständigen Kämpfe gegen die Sarazenen anscheinend keine neuen Heiligen oder sogar Märtyrer in dieser Region. Obwohl Bari lange Zeit besetzt war, kann innerhalb der Stadt keine Abgrenzung der Christen von den Muslimen wie etwa in Córdoba festgestellt werden, allerdings ist nur sehr wenig über das Leben innerhalb der Stadt bekannt. Die Angreifer und Eroberer wurden zwar als Gegner wahrgenommen, aber anscheinend nicht in Bezug auf den christlichen Glauben.691 Obwohl das Vorgehen Ludwigs II. in Süditalien von Barbara KREUTZ als Kreuzzug bezeichnet wurde,692 muss fraglich bleiben, inwieweit hier gegen eine andere Glaubensgemeinschaft vorgegangen wurde oder eher gegen Eindringlinge in einem Gebiet, das unter die eigene Kontrolle gebracht werden sollte. Selbst als Bari wieder unter byzantinischer Oberherrschaft stand, wurden anscheinend keine Translationen in die Stadt vorgenommen. Bari wurde in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts von der sarazenischen Herrschaft befreit, was zeitlich in einen Rahmen fällt, in dem sogar nach Benevent keine Translationen mehr durchgeführt wurden. Im Gegensatz dazu sind in Neapel noch über einen längeren Zeitraum Heiligeneinbringungen zu verzeichnen. Aber auch im Zeitraum der ersten Phase der Translationen nach Neapel und Benevent in den 760er Jahren scheint ein solches Vorgehen in Bari nicht existiert zu haben. Anscheinend hatten die dortigen Herrscher kein großes Interesse an einem Ausbau des Heiligenkultes wie in Benevent und Neapel. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, dass die Translationen in diesen Städten nur auf Veranlassung einzelner Herrscher vorgenommen wurden. Ob es in Bari zu Nottranslationen im Zuge des Vordringens der Sarazenen kam, ist unbekannt. Dies ist sicherlich vor allem der schlechten Quellenlage geschuldet, da viele Texte heute nicht mehr erhalten sind. Lediglich von Sabinus von Canosa gibt es den Bericht, dass er aufgrund der Sarazenengefahr von Canosa nach Bari gebracht wurde. Im Auffindungsbericht des Sabinus aus dem 11. Jahrhundert werden die Heiligen Rufinus und Memorus, ebenfalls Bischöfe von Canosa, als in Bari befindlich erwähnt.693 Für eine Translation dieser Heiligen fehlen allerdings weitere Hinweise und sie scheinen in den folgenden Jahrhunderten keine große Verehrung erfahren zu haben.
691 Vgl. GOETZ, Die Wahrnehmung anderer Religionen, S. 278f. 692 Vgl. KREUTZ, Before the Normans, S. 36–54, das Kapitel trägt die Gesamtüberschrift: „A Carolingian Crusade“. 693 AASS Feb. II., S. 330: Nam praedictus Elias Archiepiscopus coepit statim sollicitus esse de requirendis corporibus Confessorum Memoris et Ruffini in altari iam dicto …
Die Heiligen Baris – ein Quellenproblem?
6.3.1.
193
Der heilige Sabinus von Canosa und seine Verehrung in Bari
Der Translationsbericht des heiligen Sabinus besagt, dass seine Verehrung in Bari mindestens bis in das 9. Jahrhundert zurückgeht, da seine Gebeine unter dem Canosiner Bischof Angelarius (855–876) in die Bareser Bischofskirche überführt worden sein sollen.694 Dies wird durch eine Inschrift belegt, die sich hinter dem Altar der Krypta befindet: angelarius archi/presul canusii at(tulit)/huc corpus s(an)c(t)i (sabini) a canusio quod/fuit occultum in hoc/templo usq(ue) ad tempus/helias archiepiscopi (barinorum) a 695 qua fuit/inventum et hic/honorifice collo/catu(m) m(ense) febr(uarii)/ind(ictione) xv.
Auf diese Inschrift wird auch in dem Bericht über die Wiederauffindung der Gebeine durch den Bischof Elia (1089–1105) am Ende des 11. Jahrhunderts hingewiesen, der die entdeckten Reliquien als diejenigen des Sabinus auswies.696 Dies würde bedeuten, dass der Heilige um die Mitte des 9. Jahrhunderts nach Bari transloziert wurde. Über den Bischof Angelarius ist außer den Informationen aus dem Translationsbericht sowie zwei Grabinschriften in der Krypta der Kathedrale von Bari nur wenig überliefert.697 Insgesamt scheint sich der baresische Bischof Elia um einen Kult des heiligen Sabinus in Bari bemüht zu haben.698 Dies würde allerdings bedeuten, dass im Untersuchungszeitraum keine einzige Translation nach Bari überliefert ist, was möglicherweise mit der damaligen Vorrangstellung Canosas gegenüber Bari zusammenhing, das sich erst später gegenüber Canosa durchsetzen konnte.699 Insgesamt stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Sabinus für Bari vor dem 11. Jahrhundert, da es sich bei ihm um einen zwar berühmten, aber dennoch lokalen Heiligen handelte, der erst mit dem Aufstieg Baris für diese Stadt wichtig wurde. Insgesamt muss in diesem Falle eruiert werden, ob es tatsächlich eine Translation nach Bari gab oder ob erst später eine derartige Tradition in Umlauf gebracht wurde. Aus der byzantinischen Zeit (876–1071) gibt es weder einen liturgischen
694 Vgl. Almuth KLEIN, Funktion und Nutzung der Krypta im Mittelalter. Heiligsprechung und Heiligenverehrung am Beispiel Italien (Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz, 31), Wiesbaden 2011, S. 117. 695 Vgl. Raffaele IORIO, La cattedrale di Bari, in: Archivio storico pugliese (1994), S. 135–149, hier S. 145 Anm. 78; KLEIN, Funktion und Nutzung, S. 117. 696 AASS, Feb. II., S. 330: Huiusmodi etiā scriptura inuenta est in tabula vna marmorea, quae ibidem tunc reperta est: simul et in vno topho: a quo videlicet tempore huius Episcopi Angelarij vsque ad tempus eiusdem Eliae Archiepiscopi anni praescripti sunt numerati. 697 Vgl. Gioia BERTELLI, La reliquie di s. Sabino da Canosa a Bari: tra tradizione e archeologia, in: La tradizione barese di s. Sabino di Canosa (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 19), hg. v. Salvatore PALESE, Bari 2001, S. 57–77, hier S. 61. 698 Vgl. BERTELLI, S. Maria que est episcopio, S. 35. 699 Hierbei ist die Erhebung zum Bischofssitz von entscheidender Bedeutung, da dieser zunächst in Canosa war und dann auf Bari übertragen wurde.
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Translationen und lokale Heilige
noch einen historiographischen Text zu diesem Heiligen.700 Die erste offizielle Bestätigung der Existenz der Gebeine in Bari stammt von Urban II. (1088–1099), der dies in einer Bulle für den Erzbischof Elia erwähnt.701 Somit handelt es sich bei allen Quellen, die einen Kult des Sabinus in Bari belegen, erst um zeitlich spätere ab dem ausgehenden 11. Jahrhundert. Ebenso existiert über die Translation des Heiligen nach Bari keine zeitnahe Quelle, sondern lediglich ein Bericht über die Wiederauffindung der Reliquien einige Jahrhunderte später.702 Hierin heißt es, dass Bischof Angelarius die Reliquien in die Stadt bringen ließ.703 Sollte dies tatsächlich in der Amtszeit des Angelarius vorgenommen worden sein, so muss dieses Ereignis wohl erst in die Zeit nach 871 datiert werden, da Bari bis dahin von den Sarazenen besetzt war.704 Möglicherweise entstand der Kult um den canosischen Bischof sogar erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts und sollte mittels dieses Berichts eine ehrwürdigere Note erhalten. Wichtig wäre hier die Frage nach der Datierung der Tafel mit der Inschrift. Von Pasquale FANTASIA wurde die Inschrift in das ausgehende 11. Jahrhundert datiert, was bedeuten würde, dass sie erst aus der Zeit stammt, in der die Gebeine des Heiligen aufgefunden wurden.705 Eine Translation im 9. Jahrhundert kann deshalb nicht belegt werden. CIOFFARI stellt zudem fest, dass anscheinend keinerlei Erwähnungen dieser Translation in den zeitgenössischen Quellen vorhanden sind, woraus nur eine heimliche Translation geschlossen werden könne. Dies mutet sehr unwahrscheinlich in Anbetracht der Bedeutung von Reliquien in dieser Zeit an.706 Da die Reliquien nach ihrer Translation in Vergessenheit geraten sein sollen, konnte sich nach ihrer Wiederauffindung eine Theorie um ihre Einholung entwickeln. Erst 1075 wird eine Kirche des heiligen Sabinus in Bari erwähnt, die in der Nachbarschaft des Katepanats des Maurelianus gelegen haben soll.707
700 Vgl. Gerardo CIOFFARI, Le origini del culto di s. Sabino a Bari, in: La tradizione barese di s. Sabino di Canosa (Per la storia della chiesa di Bari. Studi e materiali, 19), hg. v. Salvatore PALESE, Bari 2001, S. 79–97, hier S. 80. 701 Vgl. Francesco NITTI DE VITO, Codice diplomatico barese. Bd. 5. Le pergamene di S. Nicola di Bari. 2. Periodo Normanno (1075–1194), Bari 1902, doc. 1; JL 5412; CIOFFARI, Le origini del culto, S. 81. 702 Vgl. AASS, Feb. II., S. 330f. 703 Ebd., S. 330: Angelarivs Episcopvs attvlit corpvs S. Sabini. 704 Auch CIOFFARI sieht bezüglich der Datierung der Translation einige Schwierigkeiten: „Ammettendo pure che Canosa in quel periodo fosse stata distrutta, è poco probabile che il vescovo di quella città trasferisse le preziose reliquie in una città che era sotto il dominio dei Saraceni.“ CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 21 Anm. 23. 705 Vgl. Pasquale FANTASIA, Il Duomo di Bari, Bari 1892, S. 24; IORIO, La cattedrale di Bari, S. 144f. Der Text über die Auffindung der Reliquien stellt es allerdings derart dar, dass die Inschrift erst Ende des 11. Jahrhunderts gefunden, also bereits früher erstellt wurde. Hierdurch sollte das Alter des Kultes in Bari aufgezeigt werden. 706 Vgl. CIOFFARI, Storia della chiesa di Bari, S. 22 Anm. 23. 707 Vgl. Pietro DALENA, La viabilità dell’area canosina e il pellegrinaggio alla tomba di san Sabino, in: San Sabino. Uomo di dialogo e di pace tra Oriente ed Occidente. Anno Domini 2002. Atti del Convegno di Studi in occasione del XII Centenario della traslazione del corpo
Die Heiligen Baris – ein Quellenproblem?
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Es stellt sich somit als ausgesprochen schwierig heraus, eine nachweisbare Translation nach Bari vor dem ausgehenden 11. Jahrhundert zu finden. 6.3.2.
Exkurs: Der heilige Nikolaus von Myra
Im Jahr 1087 wurden die Reliquien des Nikolaus von Myra nach Bari gebracht, wo sie bis heute verehrt werden.708 Somit handelt es sich um eine Translation, die zeitlich eigentlich nicht mehr in den Untersuchungsraum fällt, doch war der Kult des Heiligen bereits zuvor bekannt. Seine Verehrung ist in der Region früher feststellbar, da sich sein Festtag bereits im Marmorkalender von Neapel finden lässt.709 Auch in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641 ist der Bischof am 6. Dezember aufgeführt.710 Im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint er hingegen nicht, ist aber im Martyrologium Bedas, sowie im Synaxarium Constantinopolitanum enthalten.711 Insgesamt war er also nicht nur in Neapel, sondern zumindest in Benevent in der Zeit vor seiner Translation bekannt, was auf seine große Bedeutung hinweist. Vielleicht wurde die spätere Translation aufgrund dieser verbreiteten Popularität vorgenommen, da das Bedürfnis entstanden war, den Heiligen auch tatsächlich vor Ort verehren zu können. Seine Erwähnung im Marmorkalender zeigt, dass seine Verehrung schon einige Zeit vor der Verfassung der Vita vorhanden war und diese die Erstellung eines solchen Textes dann beförderte. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts712 – und damit vor der Translation der Gebeine nach Bari – verfasste Johannes Diaconus von Neapel eine Vita713. Nach An-
708
709 710 711
712 713
di San Sabino e per i 900 anni di dedicazione della Chiesa Cattedrale di Canosa. Canosa 26– 27–28 ottobre 2001 (Centro ricerche di storia religiosa in Puglia. Basilica cattedrale di San Sabino), hg. v. Liana BERTOLDI LENOCI, Triest 2002, S. 59–76, hier S. 75. Vgl. Niccolò del RE, Nicola, in: Bibliotheca Sanctorum. Band IX, Rom 1967, Sp. 923–939, hier Sp. 936; Karl MEISEN, Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendlande. Eine kulturgeographisch-volkskundliche Untersuchung, zweite unveränderte Auflage, Düsseldorf 1981, S. 94. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 35. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 156; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 46; Synaxarium Constantinopolitanum, S. 281: Μνήμη τοῦ ὁσίου πατρὸς ἡμῶν Νικολάου ἀρχιεπισκόπου Μύρων τῶς Λυκίας. Zur Ausbreitung des Nikolaus-Kultes in Italien siehe MEISEN, Nikolauskult und Nikolausbrauch, S. 50–70. JONES datiert den Text etwa in die Zeit von 880. JONES, Saint Nicholas of Myra, S. 45. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 120. BHL 6104–6113. Für diesen Text führt die BHL Online-Datenbank über hundert Handschriften auf, die in verschiedenen Archiven in Europa aufbewahrt werden. Die neueste Version des Textes findet sich bei CORSI. Vgl. Johannes Diaconus, Vita Sancti Nicolai, in: La „vita“ di san Nicola e un codice della versione di Giovanni Diacono (Nicolaus. Rivista di teologia ecumenico-patristica, 7), hg. v. Pasquale CORSI 1979, S. 361–380. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=6106&RequestTimeout=500.
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Translationen und lokale Heilige
sicht der aktuellen Geschichtsforschung handelt es sich bei dieser Vita um die älteste Fassung des lateinischen Textes.714 Das Werk orientierte sich wohl an einer Darstellung des Nikolauslebens von Methodius ad Theodorum, die wahrscheinlich in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts zu datieren ist.715 Interessant ist dieses Werk im Zusammenhang mit der allgemeinen Tendenz, griechische Texte ins Lateinische zu übertragen, wobei diese Arbeit letztlich keine starke Wirkung auf die Etablierung der Verehrung im Westen hatte. Bis auf diesen einen Text, der durch das Werk des Methodius beeinflusst wurde, wurde der griechische Text anscheinend nicht beachtet.716 In der Vita wird zunächst auf die Umstände der Erstellung des Werkes eingegangen, wobei sich der Verfasser Johannes selbst nennt und auch angibt, von einem Bruder Athanasius gebeten worden zu sein, den Text zu übersetzen.717 Die Stadt Neapel wird nicht genannt, doch gibt Johannes an, dass er ein Diener des Januarius sei. Auch der Verfasser des griechischen Textes wird genannt, auf den die Übersetzung zurückgeht.718 Daran anschließend folgt die Übersetzung der Vita des Heiligen, in der weder Neapel noch Unteritalien eine Rolle spielen. Es wird auch nicht auf den Kult des Nikolaus innerhalb der Stadt eingegangen, was zeigt, dass es hier wie bei den anderen Übersetzungen nicht darum ging, einen neuen Heiligen zu installieren, sondern seine Taten in einer weiteren Sprache allgemein bekannt zu machen. In Neapel kann außerdem eine Kirche unter seinem Patrozinium in der zweiten Hälfte des 10. beziehungsweise der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts festgestellt werden.719 Der heilige Nikolaus war demnach ein Heiliger, der aus dem Osten bekannt war und dessen Kult sich in Süditalien bereits vor seiner Transferierung nach Bari etabliert hatte, wofür sowohl die kalendarischen Werke als auch die Erstellung einer Vita durch einen neapolitanischen Übersetzer sprechen.
714 Vgl. Werner MEZGER, Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk. Zur Entstehung, Entwicklung und Veränderung der Brauchformen um einen populären Heiligen, Ostfildern 1993, S. 14; Werner MEZGER, Nikolaus von Myra. Ein Heiliger im Kulturprozeß, in: Herrscher, Helden, Heilige (Mittelalter-Mythen, 1), hg. v. Ulrich MÜLLER/Werner WUNDERLICH, St. Gallen 1996, S. 607–628, hier S. 609. 715 Vgl. MEZGER, Nikolaus von Myra, S. 608. Diese Viten spielen allerdings im heutigen Nikolauskult keine wichtige Rolle, da das Werk des Simeon Metaphrastes über Nikolaus entscheidend wurde, in dessen Text Nikolaus von Myra und Nikolaus von Sion zu einer Person kompiliert wurden. MEZGER, Nikolaus von Myra, S. 607ff. CORSI datiert das griechische Werk in die Zeit zwischen 842 und 846. La „vita“ di san Nicola e un codice della versione di Giovanni Diacono (Nicolaus. Rivista di teologia ecumenico-patristica, 7) hg. v. Pasquale CORSI, 1979, S. 359. 716 Vgl. JONES, Saint Nicholas of Myra, S. 45. 717 Johannes Diaconus, Vita Sancti Nicolai, S. 361: Quod ego Iohannes indignus diaconus, servus Sancti Ianuarii, multum devitans, tibi saepius roganti, frater Athanasi, rusticitatis obstaculum obponebam. 718 Ebd., S. 361: Sane ortum Sancti huius et vitam, ex laude quam Methodius patriarcha, argolico stylo, cuidam primicerio, Theodoro nomine … 719 Vgl. GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 50.
Translationen im Angesicht der Sarazenen
6.3.3.
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Fazit
Anders als nach Benevent und Neapel lassen sich während des Untersuchungszeitraums keine gesicherten Translationen nach Bari nachvollziehen. Dies kann an mehreren Umständen liegen: die wechselnden Machthaber innerhalb der Stadt besaßen kein Interesse bestimmte Heilige in die Stadt zu holen, da sie möglicherweise keinen Bezug zu dieser besaßen. Die zeitweilige Besetzung Baris durch die Sarazenen verhinderte die Einholung und nach der Befreiung durch Ludwig II. kam es wieder zu einer byzantinischen Oberherrschaft, wobei die Strategen nicht in das religiöse Leben eingriffen. Zudem muss mit dem Verlust von Quellen gerechnet werden. Die Patrozinien der Kirchen der Stadt sind der einzige Hinweis darauf, dass sowohl lateinische als auch griechische Heilige in Bari Verehrung erfuhren. Durch die abwechselnde Herrschaft von Langobarden und Byzantinern kann ein Austausch von Heiligenkenntnissen angenommen werden, ohne dass dies belegt werden kann. Die Translation des heiligen Sabinus ist nicht eindeutig belegbar, weil die Quellen hierfür erst aus dem ausgehenden 11. Jahrhundert stammen. Der Kult des Heiligen Nikolaus kommt ebenfalls erst in dieser Zeit auf. Somit sind eindeutige Aussagen zur Heiligenverehrung in Bari nicht zu treffen. 6.4. TRANSLATIONEN IM ANGESICHT DER SARAZENEN Ab dem Beginn des 9. Jahrhunderts waren, wie oben bereits ausgeführt, sarazenische Truppen auch auf dem süditalischen Gebiet zugegen.720 Aufgrund dieser Gefahr konnte es zur Translation von Reliquien kommen, die innerhalb der eigenen Mauern besser geschützt werden konnten. Dennoch lassen sich nur drei Überführungen von Heiligen nach Benevent und Neapel finden, die mit den Sarazenen begründet wurden, wobei es sich um diejenigen des Apostels Bartholomäus nach Benevent und der Heiligen Sosius und Severinus nach Neapel handelt. Die Translationen sollen im Folgenden analysiert und die Darstellung der Sarazenen näher beleuchtet werden. 6.4.1.
Von Lipari nach Benevent – Der Apostel Bartholomäus
Wenn bereits in der Überführung des Januarius aus Neapel nach Benevent eine Parallele zu Venedig gesehen wird721, dann fällt eine weitere Begebenheit besonders ins Auge: Wenige Jahre, nachdem Venedig den Evangelisten Markus in seiner Stadt niederlegte, fanden in Benevent 838 die Gebeine des Apostels Bartho-
720 Siehe 3.5. 721 Siehe 5.1.2.
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Translationen und lokale Heilige
lomäus ihre Grablege.722 In den ersten drei Evangelien erscheint er als Bartholomäus723, lediglich im Evangelium des Johannes ist er wohl mit dem Jünger Nathanael724 gleichzusetzen. Über seinen Lebensweg gibt die Bibel keine Auskunft. Laut der legendarischen Überlieferung habe er in Indien den christlichen Glauben verbreitet.725 Dort habe er das Martyrium erlitten und sei anschließend in einem bleiernen Sarkophag ins Meer geworfen worden.726 Auf wundersame Weise sei infolgedessen jener Sarkophag mit seinem kostbaren Inhalt auf die Insel Lipari gelangt.727 Am 17. Juni ist der Festtag der Ankunft der Gebeine von Indien nach Lipari.728 Auf der Insel ist eine Bartholomäusverehrung seit dem 6. Jahrhundert greifbar, da sie bei Gregor von Tours (†594) erwähnt wird.729 Zwischen 538 und 594 wurde über dem Grab des Apostels eine Kirche zu seinen Ehren errichtet.730 Der Festtag des heiligen Bartholomäus ist der 24. August. In Benevent wurden zudem der 17. Juni und der 25. Oktober gefeiert, also einmal die Ankunft auf Lipari und einmal die Translation nach Benevent. In den beiden ältesten Kalendarien aus Monte Cassino, Codex Cavensis 23 und Codex Parisinus 7530, wird der Festtag allerdings mit dem 25. August angegeben.731 Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Reliquien des Heiligen am 25. August 839 in dem Altar der neu errichteten Kapelle in Benevent niedergelegt wurden.732 Codex Parisinus 7530 enthält am 11. Juni den Eintrag Natalis S. Bartholomaei und in der Handschrift Casanatensis 641 für diesen Tag S. Barnabae apostoli eingetragen ist, wobei LOEW hier vermutete, dass es sich um einen Abschreibfeh-
722 Es kann allerdings nicht gesagt werden, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den Translationen von Markus und Bartholomäus gibt, da die Beziehung zwischen Venedig und Benevent nicht eindeutig auszumachen ist. Venedig unterstand nominell ebenso wie Neapel der Oberhoheit von Byzanz, weswegen ein Kontakt zwischen diesen beiden Städten annehmbar ist. Generell kann aber vermutet werden, dass eine Aposteltranslation allgemein auf Interesse stieß und somit die Verlegung der Gebeine des Markus auch in Benevent bekannt war. 723 Vgl. Mt 10, 3; Mk 3, 18; Lk 6, 14; Act 1, 13. 724 Vgl. Joh 1, 45–51 und 21,2. 725 Vgl. Eusebius, Kirchengeschichte, hg. v. Heinrich KRAFT, 3. Auflage, Darmstadt 1997, V, 10. 726 Vgl. Luigi BERNABÒ BREA, Lipari, i vulcani, l’inferno e san Bartolomeo. Le isole dal tardo antico ai Normanni, in: Archivio storico siracusano 5 (1978), S. 25–89, S. 56f. 727 Vgl. Ebd., S. 56. 728 Vgl. WESTERBERGH, Anastasius Bibliothecarius sermo, S. 51. Anastasius Bibliothecarius, Sermo Theodori, S. 34. So soll der Apostel in einem Bleisarg zusammen mit vier Gefährten an der Insel Lipari gestrandet sein, nachdem man ihn in Armenien ins Meer geworfen hätte. 729 Vgl. BERNABÒ BREA, Lipari, i vulcani, S. 29; MGH SS, rer. Merov. 1,2, S. 59f. Allerdings findet sich es keine Erwähnung des Apostels in den Dialogen Gregors I., obwohl dieser über die Heiligen Unteritaliens berichtet. Vgl. PRICOCO/SIMONETTI, Storie di santi I; PRICOCO/SIMONETTI, Storie di santi II. 730 Vgl. BERNABÒ BREA, Lipari, i vulcani, S. 29. 731 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 26. 732 Vgl. WESTERBERGH, Anastasius Bibliothecarius sermo, S. XI.
Translationen im Angesicht der Sarazenen
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ler gehandelt habe.733 Erst in den Ergänzungen zu Casanatensis ist zum 17. Juni Natalis beati Bartholomei apostoli zu lesen.734 Dies ist insofern falsch, als dass es sich nicht um den Todestag des Heiligen, sondern um seine Verlegung von Indien nach Lipari handelte. Zudem gibt es in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641 am 13. Juni den Eintrag In Persida S. Bartholomei apostoli depositio735. Auch im Martyrologium Hieronymianum gibt es den Eintrag an den Iden des Monats Juni, an denen es heißt: in Persida Nata Bartholomei. apostł736. Im sogenannten Martyrologium des Erchempert und im Marmorkalender wird der Festtag mit dem 25. August festgehalten.737 Dies unterscheidet Erchempert von Beda, bei dem der Gedenktag auf den 24. August (9. Kalenden des Septembers) fällt, an dem der Apostel auch im Synaxarium von Konstantinopel erwähnt wird.738 In den Ergänzungen zum Kalendarium Casanatensis 641 gibt es weitere Erwähnungen des Apostels. Am 24. August heißt es Translatio de India in Lyparim und am 25. Oktober findet die Translatio beati Bartholomei apostoli de Liparim in Benebentum statt. An den Rand ist dann noch geschrieben: Indic. III. factus est terrae motus magnus.739 Die Nennung der Stadt Benevent wurde auf Rasur geschrieben.740 Es handelt sich hier also um den Tag, an dem die Reliquien von der Insel Lipari geholt wurden, während im Juni der Tag der Niederlegung der Gebeine zelebriert wurde. Die zahlreichen Einträge von Festtagen des Apostels lassen auf eine große Bedeutung schließen. Nachdem die Insel Lipari im Jahr 838 laut dem Translationsbericht von den Sarazenen überfallen und das Grab des Apostels dabei zerstört worden war, kam es zur Überführung der Gebeine des Heiligen nach Benevent. Dies führte zu einer großen Resonanz in der westlichen Christenheit, denn die Reliquien eines Apostels hatten ein hohes Ansehen und waren somit erstrebenswerte Objekte.741 Die
733 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 76. Der Festtag des Apostels Barnabas fällt auf diesen Tag und somit wurde Bartholomäus lediglich irrtümlich niedergeschrieben. 734 Vgl. Ebd., S. 22f. 735 Vgl. Ebd., S. 23. 736 Vgl. AASS, Nov. II., 1, S. 78. 737 Vgl. Chronicon Salernitanum, S. 79; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9. Hier könnte vermutet werden, dass das Fest der Niederlegung, das in Benevent zelebriert wurde, in Neapel ebenfalls gefeiert wurde. 738 Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 104: Natale S. Bartholomei apostoli, qui apud India Christi evangeliu praedicans … Huius apostoli sacratissimu corpus primum ad insulam Liparis, quae Sicilie vicina est, deinde Beneventum translatum, pia fidelium veneratione celebratur. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 919. 739 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 31. 740 Vgl. Ebd., S. 30 Anm. 2. Da die Nachträge vermutlich erst nach 875 eingefügt wurden und zu dieser Zeit das Kalendarium wahrscheinlich erst nach Benevent gelangte und die anderen Kalendarien bereits vor der Translation des Bartholomäus verfasst wurden, ist es klar, warum nur die nachträglichen Bemerkungen auf diesen Vorgang eingehen konnten. Die Anmerkung zur Translation Bartholomäus’ gehört, paläographisch beurteilt, erst an das Ende des 11. Jahrhunderts. Vgl. Ebd., S. 54. 741 Vgl. BERNABÒ BREA, Lipari, i vulcani, S. 31.
200
Translationen und lokale Heilige
Translation fand in der Zeit statt, in der Ursus Bischof von Benevent war742, dennoch ließ erst Bischof Aio (871–886) Texte über den Heiligen anfertigen. Ob bis dahin griechische Texte in Gebrauch waren, lässt sich nicht sagen. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts wurde die Übersetzung einer Vita vom beneventanischen Bischof Aio bei Anastasius Bibliothecarius in Auftrag gegeben743, der daraufhin ein griechisches Werk des Theodorus Studites744 über den Apostel übersetzte745, da dieses bis dahin noch nicht ins Lateinische übertragen worden war.746Anastasius Bibliothecarius747 (2. Hälfte 9. Jahrhundert) wurde
742 Vgl. Ebd., S. 37. 743 BHL 1004. In der BHL Online-Datenbank werde acht Handschriften aufgeführt, die in Brüssel, Chartres, Como, Orléans, Paris und im Vatikan aufbewahrt werden. Diese stammen aus der Zeit des 9. bis 15. Jahrhunderts. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=1004&RequestTimeout=500. Es fällt also auf, dass anscheinend im süditalischen Raum keiner der Texte erhalten ist. Insgesamt ist nur eine Handschrift in Italien überliefert, welche die Translation enthält, doch gibt es in Frankreich, Deutschland und Österreich ebenfalls Berichte über Bartholomäus, da Reliquien von diesem aus Benevent in den Norden transferiert wurden und mit diesen auch die Berichte, die es über den Heiligen gab. Es kann davon ausgegangen werden, dass die ältesten Texte über den Transfer der Gebeine und die auftretenden Wunder berichten, allerdings hat sich ein derartiger Text nicht bis heute erhalten. Vgl. WESTERBERGH, Anastasius Bibliothecarius sermo, S. 51. Zur Verehrung des Apostels in Frankfurt siehe Astrid KRÜGER, Der Heilige im Raum: Bartholomäus-Liturgie und Bartholomäus-Darstellungen im Frankfurter Kaiserdom Sankt Bartholomäus, in: Heilige – Liturgie – Raum, hg. v. Dieter R. BAUER, Stuttgart 2010, S. 137–153. 744 Theodorus Studites war Abt des Studiosklosters in Konstantinopel. Während des Bilderstreites positionierte er sich auf der Seite der Ikonodulen, was dazu führte, dass er dreimal ins Exil verbannt wurde und schließlich 826 auf der Insel Prinkipo bei Konstantinopel verstarb. Zur Biographie des Mönches vgl. Albrecht BERGER, Art. Theodoros Studites, Theologe, Abt und Reformator des byzantinischen Klosterlebens (759–826), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Sp. 640–641; Thomas PRATSCH, Theodoros Studites (759–826) – zwischen Dogma und Pragma. Der Abt des Studiosklosters in Konstantinopel im Spannungsfeld von Patriarch, Kaiser und eigenem Anspruch (Berliner Byzantinische Studien, 4), Berlin u.a. 1998, S. 312f. Zu einem unbekannten Zeitpunkt verfasste er einen griechischen Text über den Apostel Bartholomäus. Heute sind drei Handschriften des Werkes überliefert, die ins 9., 12. und 14. Jahrhundert datieren. Ein viertes Manuskript befand sich in der Biblioteca Nazionale in Torino, wo es allerdings 1904 bei einem Brand der Bücherei zerstört wurde. Dieser Text wird ins 13. Jahrhundert datiert. Vgl. WESTERBERGH, Anastasius Bibliothecarius sermo, S. 72f. 745 Bezüglich dieser Übersetzung ist vor allem die Forschung des 19. Jahrhunderts der Meinung, dass der Text des Anastasius fehlerhaft sei. Siehe exemplarisch Carl de BOOR, Theophanis vitas, Anastasii Bibliothecarii historiam tripertitam, dissertationem de codicibus operis Theophanei, indices continens 1885, S. 401–435, demgegenüber nimmt WESTERBERGH einen anderen Standpunkt ein, indem sie aufzeigt, dass Anastasius sich anscheinend sehr an die griechische Vorlage gehalten hat. Vgl. Ebd., S. 149–198; dort auch die Forschungsdiskussion, S. 149f. 746 Vgl. Ebd., S. 65. Etwa zur gleichen Zeit wurde vermutlich der gleiche Text vom Abt Bertharius von Monte Cassino ebenfalls übersetzt. Vgl. Ebd., S. XII. BHL 1005. 747 Geboren wurde Anastasius am Anfang des 9. Jahrhunderts und wurde möglicherweise von griechischen Mönchen erzogen, weswegen er der griechischen Sprache mächtig war, was für
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von BRUNHÖLZL als ein „Sonderfall gelehrter Individualität“748 beschrieben, wobei dieser vor allem dessen Vermittlung griechischen Gutes in die lateinische Welt hervorhob.749 Der Übersetzung des Anastasius ist ein Brief vorangestellt, der mit einer formellen Anrede an den Bischof von Benevent beginnt. Dieser geht im ersten Abschnitt darauf ein, dass der Bischof ihn um eine Übersetzung gebeten habe. Zudem erwähnt er kurz Theodorus Studites.750 Darauf folgt eine Erklärung, dass er den Text aus dem Griechischen übersetzt hat.751 So wolle er durch seine Arbeit das Werk zugänglich machen und dadurch zugleich Gnade erlangen.752 Weiterhin bittet er den Leser, dass er sein Werk, sofern es ihm gefällt, in der Kirche verlese.753 Darauf folgt schließlich der Abschiedsvers.754
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sein späteres Schaffen von Bedeutung sein sollte. Es gelang ihm, unter den Päpsten Nikolaus I. (858–867) und Hadrian II. (867–872) ein wichtiger Mitarbeiter zu werden, zudem wurde er von Kaiser Ludwig II. 869 nach Konstantinopel gesandt, wo er an der letzten Sitzung des achten ökumenischen Konzils teilnahm. Die Konzilsakten wurden von ihm nach Rom gebracht und erfuhren eine Übersetzung von ihm. Gestorben ist er möglicherweise vor 877. Zur Person des Anastasius siehe: HERBERS, Leo IV., S. 214ff.; BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 202; Réka FORRAI, Anastasius Bibliothecarius and his textual dossiers. Greek collections and their Latin transmission in 9th century Rome, in: L’Antiquité tardive dans les collections médiévales. Textes et représentations, VIe–XIVe siècle (Collection de l'Ecole Française de Rome, 405), hg. v. Stéphane GIOANNI/Benoît GRÉVIN, Rom 2008, S. 319–335, hier S. 319; zum politischen Wirken und einigen seiner Werke siehe: Bronwen NEIL, Seventh-Century Popes and Martyrs. The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius (Studia Antiqua Australiensia, 2), Turnhout 2006; Christiane LAUDAGE, Kampf um den Stuhl Petri. Die Geschichte der Gegenpäpste, Freiburg u.a. 2012, S. 53ff. Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 325. Vgl. Ebd., S. 325f. Der Umfang der Arbeiten dieses Verfassers kann nur geschätzt werden, da nicht alles überliefert wurde und ihm auch teilweise Werke zugeschrieben wurden, bei denen seine Autorenschaft nicht eindeutig nachzuweisen ist. Zu Beginn seiner Übersetzertätigkeit übernahm er die Vita S. Iohannis Eleemosynarii des Bischofs Leontios von Neapolis auf Zypern, sowie die Vita S. Basilii, die Amphilochios von Ikonion zugeschrieben wird. Weitere Übersetzungen des Autors sind beispielsweise die Vita S. Iohannis Calybitae, die Passio SS. Cyri et Iohannis, die Translatio S. Stephani, die Passio S. Petri Alexandrini episcopi und die Passio SS. MCCCCLXXX martyrum. Vgl. BERSCHIN, Griechisch-Lateinisches Mittelalter, S. 199f. Anastasius Bibliothecarius, Epistola Anastasii Bibliothecarii Aioni Episcopo Beneventano scripta, in: Anastasius Bibliothecarius sermo Theodori Studitae de sancto Bartholomeo Apostolo (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 9), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Lund 1963, S. 18–20, hier S. 19: Theodorus namque quidam sacerdo apud Constantinopolitanam urbem fuit temporibus Adriani et Leonis Romanorum pontificum, vir satis mirabilis … Vgl. Ebd., S. 20. Ebd., S. 20: Non enim maiorem gratiam consecuto invideo, sed grates auctori rependo, qui, etsi non per me, per quemcumque tamen, Latinos de die in diem donis replet, quibus se Graeci ditatos olim magnopere gloriantur. Vgl. Ebd., S. 20. Vgl. Ebd., S. 19f.
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Translationen und lokale Heilige
Der Text berichtet, dass der heilige Bartholomäus in den Provinzen Armenien und Indien war, wo er dann auch letztlich sterben sollte.755 Zunächst wird auf die Bedeutung der Apostel eingegangen, woran sich ein direkter Vergleich zwischen Petrus und Bartholomäus anschließt.756 Aber nicht nur das Leben des Heiligen ist in diesem Werk enthalten, sondern auch die Vorgänge nach seinem Tod, wobei ausgeführt wird, wie es dazu kam, dass die Gebeine des Apostels nach Lipari gelangten.757 Hier endet der Text des Theodorus und folglich die Übersetzung des Anastasius. Über die späteren Ereignisse berichtet der Translationstext – Translatio corporis sancti Bartholomei apostoli Beneventum et miracula758 –, der die Überführung der Gebeine von Lipari nach Benevent zum Thema hat. Dieser Text beginnt direkt auf der Insel Lipari, ohne auf die Vorgeschichte in Indien einzugehen. Hier wird berichtet, dass die Insel überraschend von den Sarazenen überfallen worden sei, die das Grab des Apostels aufgebrochen und seine Gebeine zerstreut hätten.759 In einer Vision sei der Heilige einem griechischen Mönch erschienen, den er aufforderte, seine Gebeine einzusammeln.760 Dieser habe sich zunächst geweigert, da der Apostel auch nichts zum Schutz der Insel gegen die Heiden unternommen habe. Hierauf habe der Heilige geantwortet, dass die Sündhaftigkeit der Menschen auf der Insel zu groß geworden sei, und forderte erneut, dass der Mönch seine Knochen sammle.761 Da die Sarazenen die Gebeine des Heiligen auf der Insel verstreut hatten, sei es dem Mönch unmöglich erschienen, die richtigen Knochen zu finden, die tatsächlich dem Apostel gehörten. Doch dieser habe seine Gebeine im Dunkeln leuchten lassen, sodass der Mönch in der Lage war, die richtigen Reliquien zu sammeln und somit gewährleistet wurde,
755 Anastasius Bibliothecarius, Sermo Theodori Studitae de sancto Bartholomeo Apostolo latine versus, in: Anastasius Bibliothecarius sermo Theodori Studitae de sancto Bartholomeo Apostolo (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 9), hg. v. Ulla WESTERBERGH, Lund 1963, S. 21–39, S. 23: Beati Bartholomei apostoli venerabile omniumque laudum sollemni adtollendum corpus praeconio qualiter de Armenia, Indorum provincia, post decessum Polimii regis atque pontificis … 756 Vgl. Ebd., S. 24ff. 757 Vgl. Ebd., S. 34. 758 BHL 1010. Das Werk ist in mehreren Handschriften überliefert, wobei diese teilweise unterschiedliche Abschnitte besitzen. Vgl. Translatio corporis sancti Bartholomei, S. 8f. Die Texte, in denen auf diese Geschehnisse eingegangen wird, entstanden alle in Gallien, allerdings kann eine ursprünglich beneventanische Fassung aufgrund der Überschrift über einigen Manuskripten vorausgesetzt werden. WESTERBERGH, Anastasius Bibliothecarius sermo, S. 50: Item eiusdem translationis historia sicut apud praefatam urbem Beneventum a viris fidelibus digesta et ad supra memorati episcopi studio perlata est simul cum miraculis apostoli. 759 Translatio corporis sancti Bartholomei, S. 10: … supervenientes Sarraceni depraedaverunt atque depopulati sunt praedictam insulam, et rumpentes sepulchrum beati Bartholomei disperserunt ossa eius per diversa. 760 Vgl. Ebd., S. 10. 761 Vgl. Ebd., S. 10ff.
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dass es wahrhaftig der Apostel war, der später in Benevent Verehrung erfuhr.762 Als die Reliquien im Anschluss auf einem Schiff von der Insel weggebracht werden sollten, sei dieses von sarazenischen Schiffen umzingelt worden. Darauf habe der Apostel für eine völlige Finsternis gesorgt, damit das Schiff unbehelligt weiterfahren konnte.763 Der Text schließt mit der Lobpreisung des Heiligen und der Beschreibung, dass seine Gebeine unter großen Ehren am 25. Oktober 839 in einem Altar niedergelegt wurden, wobei die Kirche nicht genannt wird.764 An den Bericht der Translation schließt sich eine Erzählung der von Bartholomäus gewirkten Wunder an.765 Hierbei handelt es sich um sehr kurze Passagen, die knapp berichten, wer unter welchen Krankheiten zu leiden hatte und dass er geheilt wurde. Entgegen anderen Wunderbeschreibungen scheint es hier nicht auf die Beschreibung der Krankheiten und der anschließenden wunderbaren Heilungen angekommen zu sein, sondern eher darauf, eine möglichst große Anzahl von Wundern zu schildern. Dies sind ausschließlich Heilungswunder, die an den Gläubigen geschahen. Die Bezeichnungen der Gläubigen sind sehr knapp gehalten, wobei meist nur angegeben wurde, ob es sich um einen Jungen, eine Frau oder einen Kleriker handelte.766 Einmal wird der Leser noch informiert, dass derjenige Grieche war, aber ansonsten wurde dieser Teil nicht ausgeschmückt. Es ist auffällig, dass die Sarazenen im Text selbst als Sarraceni bezeichnet werden, im Dialog zwischen dem Apostel und dem griechischen Mönch von diesem als pagani.767 Lediglich an dieser einen Stelle werden sie also als Heiden benannt. Somit scheint in diesem Text nicht der religiöse Aspekt des Vorgehens entscheidend, sondern lediglich, dass die Sarazenen ein Heiligtum zerstörten. Der Jünger Christi war von der Entweihung seines Heiligtums direkt betroffen, zumal seine Knochen verstreut wurden, was eine absolute Missachtung der Totenruhe bedeutet. Möglicherweise wurde daher die Bezeichnung der Ungläubigen als angemessen erachtet. Es erscheint nicht wichtig, dass es sich bei diesen Gruppen um Andersgläubige handelt. Nur der Apostel selbst definiert sie so, während der Verfasser des Textes die gängige Bezeichnung bevorzugt. Auch als die Reliquien auf dem Schiff zunächst nach Salerno gebracht werden, erscheinen die Sarazenen, um die Schifffahrer zu überfallen, aber hier wird die Begegnung ebenfalls nicht auf eine religiöse Ebene gehoben. Dass es zur Zerstörung von Klöstern und Kirchen im Zuge der Beutezüge der Sarazenen kam, ist ein hinlänglich bekanntes Phänomen.768 Doch scheint die systematische Zerstörung und Verstreuung der Gebeine 762 Ebd., S. 12: Nocte vade ad colligendum ea, et ubi videris aliqua resplendere ut ignis, haec leva, quia ipsa sunt ossa mea. 763 Ebd., S. 12: Tunc subito factae sunt densissimae tenebrae ante Sarracenorum naves ita ut nescirent, quo pergerent, et liberata est naves illa. 764 Vgl. Ebd., S. 12. 765 Vgl. Ebd., S. 14–17. 766 Vgl. Ebd., S. 14ff. 767 Ebd., S. 10: … cum tu dimiseris nos et populum istum a paganis deleri et non nos adiuvasti? 768 So beispielsweise bei den Klöstern Monte Cassino und San Vincenzo al Volturno. Aber nicht nur von den Sarazenen gingen Gefahren aus, sondern auch von den Normannen und Ungarn,
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noch eine Steigerung darzustellen, die die besondere Bedeutung dieser Reliquien hervorhob, da sogar die Ungläubigen hier ein konkretes Interesse daran hatten, die Memoria zu zerstören. In diesem Gewaltakt kann sicherlich eine gute Begründung für die Verlegung der Gebeine gesehen werden, denn es wird nicht im Interesse der griechischen Mönche gelegen haben, dass die Reliquien ins langobardische Benevent gebracht wurden. Insofern lieferte der Bericht eine nachträgliche Begründung, warum der Apostel von Lipari weggebracht werden musste. Die Annales Beneventani geben konkrete Daten bezüglich der Translation an.769 So sollen die Gebeine an den 5. Kalenden des Mai, also am 27. April, nach Salerno gekommen sein, von wo aus sie dann an den 8. Kalenden des Novembers, also am 25. Oktober, nach Benevent gebracht wurden.770 Hierbei ist die Frage, wie diese Translation insgesamt vonstattenging, da sie doch anscheinend einen längeren Zeitraum in Anspruch nahm. Der Translationsbericht geht allerdings nicht näher auf dieses Phänomen ein. Wo Zwischenstationen gemacht wurden, wird ebenfalls nicht erwähnt. Im Chronicon Salernitanum wird die Translation des Apostels lediglich nebenbei genannt und dies im Zusammenhang mit dem Raub der Reliquien der heiligen Trophimenis.771 Dies könnte damit erklärt werden, dass Salerno von der Eroberung Amalfis viel stärker betroffen war und somit das Hauptaugenmerk auf diesen Veränderungen lag und weniger auf der Translation eines Apostels nach Benevent. Zudem wurde das Chronicon erst nach der Teilung der Fürstentümer Benevent und Salerno niedergeschrieben.772 In der Pauli Continuatio Tertia wird ebenfalls die Translation des Apostels behandelt773, wobei hier auffällt, dass dem Autor der Bericht über die Überführung nach Benevent und die anschließenden Wunder bekannt gewesen sein muss, da er teilweise den gleichen Wortlaut wie dieser verwendet. Dies tritt insbesondere bei dem Dialog zwischen dem Apostel und dem griechischen Mönch hervor. Hier wird allerdings als Translationsjahr das Jahr 809 genannt.774 Interessant ist, dass die liturgischen Texte zu den Bartholomäusfesten der römischen Liturgie entnommen wurden, somit in der ersten Hälfte des 9. Jahrhun-
769 770 771 772 773 774
die ebenfalls in dieser Zeit in Europa Beutezüge unternahmen und dabei ebenfalls Kirchen und Klöster plünderten. Siehe beispielsweise: KAAR, Alexandra, Der Heilige auf der Flucht. Normanneneinfälle in fränkischen Translationsberichten des 9. Jahrhunderts. (Unveröffentlichte Diplomarbeit), Wien 2006; Maximilian G. KELLNER, Die Ungarneinfälle im Bild der Quellen bis 1150 (Studia Hungarica, 46), München 1997. Vgl. Annales Beneventani monasterii Sanctae Sophiae, S. 114. Vgl. BERNABÒ BREA, Lipari, i vulcani, S. 38; Annales Beneventani monasterii Sanctae Sophiae, S. 114, Fassung A.2: corpus sancti Bartholomei translatur de insula Lipari in Salerno V kalendas magi, deinde in Beneventum VIII kalendas novembris. Chronicon Salernitanum, S. 71: … atque per idem tempus ex insula Liparitana Bartholomei beati apostoli corpus Beneventum cum magno tripudio deferri iussit. Siehe Kapitel 4.3. Vgl. Scriptores rerum langobardicarum, S. 215f. Vgl. Ebd., S. 215f.
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derts eine Anlehnung an Rom feststellbar ist.775 Es gibt keine eigene beneventanische Liturgie zur Feier dieses Heiligen oder es hat sich keine erhalten.776 Allerdings führte das Vorhandensein von Apostelreliquien zu einem zunehmenden Geltungsanspruch der beneventanischen Kirche, was deutlich durch die Übernahme päpstlicher Insignien zutage trat.777 Zudem wurde versucht, den Primatsanspruch über die benachbarten Kirchen durchzusetzen, wobei der Tag des Zusammentreffens der kirchlichen Oberhäupter auf den Festtag des Bartholomäus fiel.778 Hier zeigt sich also, dass eine Annäherung an Rom nicht zwingend eine Unterwerfung unter deren Ansprüche bedeutete. Durch die Erhebung zum Erzbistum wurde die beneventanische Kirche dann Ende des 10. Jahrhunderts erneut bestärkt. Die Bedeutung der Reliquien des Apostels ist daran abzulesen, wie sich die beneventanische Kirche verhielt, als Kaiser Otto III. (983–1002; Ks. 996) 983 darum bat, dass die Reliquien nach Rom transferiert würden.779 Hierbei sind zwei Varianten überliefert. Nach der einen sei der Leib des Paulinus von Nola für Bartholomäus ausgegeben, nach der anderen lediglich das Herz des Apostels in Benevent zurückbehalten worden.780 Von Papst Leo IX. (1049–1054) wurde urkundlich bestätigt, dass Bartholomäus nicht in Rom, sondern in Benevent ruhe.781 Hier wird deutlich, dass es Bemühungen gab, den Heiligen zu behalten, oder doch zumindest ein wichtiges Stück von diesem, da die Meinung vertreten wurde, die Heilskraft des Heiligen sei auch dann zur Gänze vorhanden, wenn nur ein kleiner Teil seiner Reliquien vor Ort aufbewahrt wurde. Die Gebeine des Heiligen wurden nach ihrer Translation nicht in der Kirche S. Sophia niedergelegt, bei der es sich um ein Symbol der fürstlichen Macht handelte, sondern zunächst in S. Laurentius außerhalb Benevents und schließlich in der Kathedrale der Stadt, die der Jungfrau Maria geweiht ist.782 Hier wurde eine
775 BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 162: „Die Bartholomäustexte gelten in der Liturgiewissenschaft als Beginn der ‚Romanisierung‘ der beneventanischen Liturgie und Ende der eigenen schöpferischen Leistung. Es muß seine Gründe haben, daß der beneventanische Episkopat nun nach Rom schaut und sich zugleich mit dem neuen römischen Kurs von der eigenen nationalen Tradition zu lösen beginnt, womit auch eine größere Unabhängigkeit von der weltlichen Gewalt und eine Ausdehnung der bischöfliches Jurisdiktion über die Eigenkirchen des Hofes erstrebt wird.“ 776 Vgl. KING, Liturgies of the Past, S. 60. 777 Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Ein Bischof dem Papste gleich?. 778 Vgl. Ebd., S. 267. 779 Vgl. SWINARSKI, Herrschen mit den Heiligen, S. 66f. 780 Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 162f.; PALMIERI, Duchi, principi e vescovi, S. 94; Carmelo LEPORE, San Bartolomeo e Benevento, in: Tre apostoli una regione, Cava de’ Tirreni (Salerno) 2000, S. 31–52, hier S. 34f. 781 Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Ein Bischof dem Papste gleich?, S. 272. Böhmer, J. F., Regesta Imperii III. Salisches Haus 1024-1125. 5. Abt.: Papstregesten 1024-1058. 2. Lief.: 1046-1058, bearbeitet v. Karl Augustin FRECH, Köln u.a. 2011, No. 1107. 782 Vgl. GALDI, Santi, territori, poteri, S. 268.
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Gedächtniskapelle für den Apostel errichtet.783 Dadurch avancierte die Kathedrale zum wichtigsten Heiligtum der Stadt, wodurch die Bedeutung der angegliederten Grammatikschule unterstrichen wurde.784 Der Heiligenkult lag nun nicht mehr vornehmlich in der Hand des Fürsten, sondern konnte vom jeweiligen Bischof kontrolliert werden. Hier wird also eine Verschiebung deutlich, die bezüglich der Heiligenverehrung zugunsten der Kleriker ausfiel. Entscheidend für diese Entwicklung war das Privileg Karls des Großen, welcher der beneventanischen Kirche verschiedene Rechte verliehen hatte, wodurch diese selbstständiger den langobardischen Fürsten gegenüber agieren konnte.785 Somit verschob sich die kirchliche Macht in der Amtszeit des Bischofs David II. von der Palastkirche S. Sophia zur Kathedrale.786 In der Erhebungsurkunde Johannes’ XIII. (965–972) wird explizit auf das Vorhandensein des Apostels eingegangen und damit die Erhöhung des Bistums zum Erzbistum begründet.787 Allgemein ist feststellbar, dass viele der Apostel im 9. Jahrhundert wiederentdeckt wurden und somit in dieser Zeit eine zunehmende Verehrung dieser Heiligen begann. So wurde Markus 821 von Alexandria nach Venedig gebracht und Jakobus der Ältere in Santiago de Compostela aufgefunden.788 Auch im unteritalischen Raum wurden die Apostel Bartholomäus und Matthäus transferiert, die fortan eine besondere Stellung im Leben der Gläubigen einnahmen. Im 13. Jahrhundert wurden zudem die Reliquien des Apostels Andreas aus Konstantinopel nach Amalfi gebracht.789 Somit befinden sich Reliquien von vier Aposteln heute in Italien. Die Translation des Bartholomäus ist die einzige Überführung, die aufgrund der Sarazenen nach Benevent vorgenommen wurde. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts können ferner zwei Translationen nach Neapel mit dieser Begründung festgestellt werden.
783 Vgl. Maria Luisa GHIANDA/Lilli NOTARI, Gli edifici bartolomeani in Benevento (Mirabilia Beneventanae Civitatis, 2), Benevent 2006, S. 9. 784 Vgl. GALDI, Santi, territori, poteri, S. 268. 785 Vgl. CICCO, La scuola cattedrale, S. 354; CIARALLI/DONATO/MATERA, Le più antiche carte, S. 7–9, doc. 2. 786 Vgl. CICCO, La scuola cattedrale, S. 355. 787 CIARALLI/DONATO/MATERA, Le più antiche carte, S. 58: … etquoniam tanta sedi est et ibi beati Bartholomey apostoli corpus requiescit … 788 Vgl. Klaus HERBERS, Jakobsweg (Beck’sche Reihe, 2394), 2. Auflage, München 2007, S. 10f. 789 Vgl. Andrea COLAVOLPE, La traslazione dell reliquie in Amalfi, in: Tre apostoli una regione, Cava de’ Tirreni (Salerno) 2000, S. 173–181.
Translationen im Angesicht der Sarazenen
6.4.2.
207
Gefahr an der Küste – Die Überführung der Gebeine der Heiligen Severinus und Sosius nach Neapel
Der heilige Severinus ist der Apostel von Ufernorikum, dessen Leben von Eugippius im Commentarium vitae sancti Severini790 aufgeschrieben wurde.791 Der Heilige zog als Wanderprediger, Wohltäter und Apostel von einem Ort zum anderen.792 Sein Leib wurde 488 im Castellum Lucullanum bei Neapel beigesetzt.793 Dort wurde er viele Jahrhunderte verehrt, bis seine Gebeine schließlich 902 aufgrund der Sarazenengefahr nach Neapel gebracht wurden.794 Da das Castellum Lucullanum direkt an der Küste lag, erscheint eine Begründung mit der Sarazenengefahr für eine Translation schlüssig. Der Festtag des Heiligen ist der 8. Januar. Dieser erscheint in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641, wobei es sich um eine Beifügung aus dem 9. Jahrhundert handelt.795 Dies zeigt auf, dass der Heilige zumindest in Benevent bereits vor seiner Translation nach Neapel bekannt war, auch wenn er anscheinend in Monte Cassino noch keine Verehrung erfuhr. Im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint er nicht, während das Martyrologium Bedas ihn nennt.796 Somit müssen Erchempert zumindest Name und Herkunft bekannt gewesen sein. Dennoch hielt Erchempert ihn anscheinend nicht für wichtig genug, um ihn in seinem sogenannten Martyrologium aufzunehmen. Sein Kult scheint sich nicht nach Monte Cassino ausgedehnt zu haben, während er in Benevent durchaus für nachtragungswert gehalten wurde. Im Marmorkalender von Neapel wird er genannt.797 Im Synaxarium von Konstantinopel erscheint er hingegen nicht. Zu Beginn des Translationsberichts798 wird als Auftraggeber der Abt Johannes genannt.799 Niedergeschrieben wurde der Translationsbericht von Johannes Diaconus von Neapel, der Augenzeuge des Geschehens war.800
790 BHL 7655. Zur Vita des Heiligen siehe Friedrich LOTTER, Historische Wirklichkeit und hagiologische Perspektive im Bild des Severinus von Noricum. Eine Untersuchung über Genesis und Morphologie hagiographischer Überlieferung, Marburg 1972. 791 Zu dem Werk und der Darstellung des Heiligen siehe Eugippius und Severin. Der Autor, der Text und der Heilige (Österreichische Akademie der Wissenschaft. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften, 297), hg. v. Walter POHL/Max DIESENBERGER, Wien 2001. 792 Vgl. Domenico AMBRASI, Severino, in: Bibliotheca Sanctorum. Band XI, Rom 1968, Sp. 965–971, hier Sp. 965ff.; Heinz HOFMANN, Die Geschichtsschreibung, in: Spätantike. Mit einem Panorama der byzantinischen Literatur (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, 4), hg. v. Lodewijk J. ENGELS/Heinz HOFMANN, Wiesbaden 1997, S. 403–467, S. 450. 793 Vgl. Franz BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. Band I, München 1975, S. 43. 794 Vgl. WATTENBACH/LEVISON, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, S. 443. 795 LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 13: Natalis S. Severini. 796 Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 5: Neapoli Campaniae sancti Severini episcopi et confessoris, fratris beatissimi Victorini, clarissimi viri in miraculis … 797 Vgl. DELEHAYE, Hagiographie Napolitaine, S. 8. 798 BHL 7658. In der BHL Online-Datenbank sind vier Handschriften des Translationsberichts aufgeführt, die aber alle ins 16./17. Jahrhundert datieren.
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Der Bericht ist in fünf Abschnitte untergliedert, dessen erster sich konkret mit den Sarazenen in Sizilien auseinandersetzt, deren Vordringen in dieser Region zur Verlegung der Gebeine animierte. Der zweite befasst sich mit der Eroberung Taorminas, der dritte enthält die eigentliche Translation des Heiligen nach Neapel, der vierte behandelt den Tod des Tyrannen Abraham (Abū Isḥāq Ibrāhīm II. [850– 902]) und im letzten Abschnitt werden die Wunder berichtet, die der Heilige nach seiner Translation wirkte. Im ersten Kapitel wird beschrieben, dass sich die Sarazenen in Palermo zur Zeit der Imperatoren Leon und Alexander (also 886–912) gegen den afrikanischen König erhoben hätten.801 Danach habe ihr Anführer zusammen mit seinem Sohn ein Heer formiert, Palermo erobert und sei im Anschluss daran nach Reggio übergesetzt und habe aufgrund eines Vertrages, der zwischen den griechischen Städten und Palermo bestand, diese Städte verwüstet.802 Die Sarazenen werden als heidnische und ruchlose Feinde beschrieben, die plündernd und mordend durch die Region zogen.803 Ansonsten werden die üblichen Bezeichnungen als Agarener804 und Sarazenen805 verwendet. In den beiden Abschnitten, die sich mit den Sarazenen auseinandersetzen, wird der Heilige, von dem der Text eigentlich handelt, in keiner Form genannt. Lediglich im Prolog tritt er auf, in dem auch seine von Eugippius verfasste Vita genannt wird. Erst im dritten Kapitel erscheint dann der Heilige im Rahmen seiner Translation selbst. Der Abschnitt über die Eroberung Taorminas ist sehr lang, was auf die hohe Bedeutung für den neapolitanischen Schreiber hinweist. Die Stadt war 902 von den Sarazenen erobert worden,806 also in dem Jahr, in dem die Translation des heiligen Severinus vorgenommen wurde. Die intensive Auseinandersetzung in diesem Heiligenbericht zeigt, wie sehr die Nachricht auch auf dem Festland für Erschütterung sorgte. Die sarazenischen Überfälle schienen für den Schreiber von
799 800 801 802 803 804 805 806
http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=7658&RequestTimeout=500. Ein Ausschnitt des Translationsberichts wurde von WAITZ in den MGH abgedruckt, wobei er nicht auf eine Handschrift zurückgreifen, sondern lediglich frühere Editionen als Grundlage nehmen konnte. Vgl. Scriptores rerum langobardicarum, S. 402. Daher fällt der kritische Apparat dieser Edition auch sehr gering aus. Allerdings wurden hier die Teile ausgelassen, die sich mit Wundern auseinandersetzten, die von dem Heiligen gewirkt wurden. Vollständig ediert wurde der Text von den Bollandisten in den Acta Sanctorum, AASS, Jan. I., S. 1098– 1102, sowie von CAPASSO, CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 291–300. AASS, Jan. I., S. 1098: Scripturus, Domine Ioannes Abba … Vgl. KUSS, Byzantinische und Lateinische Kultur, S. 161. AASS, Jan. I., S. 1098: … Saraceni, qui Panormi degebant, contra Regem Africanorum rebellantes, illius iussionibus omnimodis resultabant. Ebd., S. 1098: … ut capto Panormo, statim Rhegium traiiceret, et propter foedus, quod cum Panormitanis inierant, Graecorum urbes fortiter expugnaret. Ebd., S. 1099. Ebd., S. 1099. Ebd., S. 1098. Vgl. Michele AMARI, Storia dei musulmani di Sicilia/2, Florenz 2002, S. 54–65.
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vorrangigem Interesse, obwohl sich der Text hauptsächlich mit dem Heiligen befassen sollte. Die eigentliche Translation des Heiligen beginnt mit mehrfachen Beratungen des Herzogs Gregor von Neapel mit dem Bischof Stephanus, wie mit Lucullanum, das durch die Sarazenen bedroht sei, 807 umgegangen werden sollte. Allerdings wird die Translation nicht einfach nur aufgrund der Gefahr vorgenommen, sondern der Heilige sei selbst in einer Vision erschienen und habe seine Verlegung gefordert.808 Unter großen Ehren sei daraufhin der Körper des Heiligen nach Neapel gebracht worden, wo er ehrenvoll seine neue Grablege erhielt.809 Verglichen mit den vorhergegangenen Kapiteln fällt der Translationsbericht recht kurz aus. An den Bericht schließt sich ein Abschnitt über den Tod eines Tyrannen Abraham an, der in einen Zusammenhang mit dem heiligen Severinus gesetzt wird. Durch das Ableben endeten vorerst die Überfälle in der Küstenregion, was auf die Einwohner wie ein Werk der Himmels gewirkt haben dürfte.810 Hierauf folgt eine Beschreibung der zehn Wunder, die durch den heiligen Severinus an seinem neuen Grab gewirkt wurden. Dies sind Heilungswunder und Teufelsaustreibungen.811 Mittels dieser Wunder und der Vision des Heiligen, der seine Verlegung selbst forderte, konnte die Translation der Gebeine gerechtfertigt werden, da nur ein Heiliger, der mit seiner Verlegung einverstanden war, an seinem neuen Bestattungsort Wunder wirkte. Neben Severinus werden noch weitere Heilige in dem Translationsbericht erwähnt, so der heilige Procopius, der Bischof von Taormina war812, wo er im Zuge der Eroberung der Stadt von den Sarazenen erschlagen und anschließend verbrannt wurde.813 Ferner der heilige Speratus, der ein Märtyrer aus Sizilien war und dessen Reliquien nach Gallien gebracht wurden, sowie der heilige Ofternus, der lediglich in diesem Bericht erwähnt wird und über den ansonsten nichts bekannt ist.814 Im Zuge dessen wird also auch auf die Heiligen Siziliens eingegangen, die
807 AASS, Jan. I., S. 1100: Gregorius itaque Consul Neapolitanus, his cognitis, multa super castello Luculli cogitans, et super eius incolis, multa iniit consilia cum Stephano Episcopo, et ceteris potentibus, ut habitatoribus eius Neapolim transmigratis, oppidum illud everteretur. 808 Ebd., S. 1100: Certo certius, inquit, me hinc ad vos transiturum nullo modo titubetis, sed scire vos convenit, quoniam a praeterito anno ad civitatem talem praedicationis gratia profectus, ibi commansi …. 809 Ebd., S. 1101: … officiosissime condidit in altari. 810 Vgl. AMARI, Storia dei musulmani, S. 65. 811 Vgl. AASS, Jan. I., S. 1102f. 812 Dieser Heilige erscheint nur in diesem Text und ist lediglich aufgrund der Informationen, die in diesem enthalten sind, als solcher identifizierbar. 813 Vgl. AASS, Jan. I., S. 1099f. SKINNER stellt die These auf, dass diese Passage den Neapolitanern vor Augen führen sollte, wie glücklich sie seien, da sie die Reliquien eines Heiligen besaßen, während dies in Taormina nicht der Fall war. Vgl. SKINNER, Health and Medicine, S. 124. 814 Vgl. Johannes Diaconus, Translatio Sancti Severini, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 452–
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durch die Eroberung Taorminas betroffen waren. Aber auch bei der Translation selbst werden verschiedene Heilige aufgeführt. Ihre Reliquien werden gemeinsam mit einigen anderen Heiligen in einen Altar gebettet.815 Bei dem Bericht über die Translation der Gebeine Severinus’ fällt die besondere Betonung der Liturgie auf: so heißt es, dass sowohl auf Latein als auch auf Griechisch gesungen wurde.816 Wie KELLY bereits bemerkte, hängt dies sicherlich mit der heterogenen Bevölkerung Neapels in dieser Zeit zusammen, zu welcher sich viele griechischsprachige Menschen dort aufhielten.817 Ob, wie KUSS meinte, daraus geschlossen werden kann, dass die gesamte Bevölkerung bilingual gewesen sei818, erscheint dagegen eher fraglich, nachdem die Quellen nur wiedergeben, dass die Liturgie in beiden Sprachen gesungen wurde. Da diese Texte regelmäßig wiederholt wurden, konnten sie auch ohne Kenntnisse der anderen Sprache gelernt werden. Die zweite Translation nach Neapel, die mit den Sarazenen begründet wurde, ist jene des heiligen Sosius, eines Gefährten des Januarius. MALLARDO datiert die Translation von Sosius auf das Jahr 906.819 Dies würde zu der Tatsache passen, dass im Text Bischof Stephanus genannt wird, der 907 verstarb. Der Verfasser, Johannes Diaconus, nennt sich selbst im Text, wobei er als Augenzeuge der Geschehnisse schreibt.820 Sosius war ursprünglich in Misenum, also an der Küste in der Nähe Neapels, beerdigt.821 Zu Beginn des Translationsberichts822 wird auf die Sarazenen eingegangen, die in der Umgebung das Land verwüsteten.823 Aufgrund dieser Zerstörung habe
815 816 817 818 819 820 821 822
459, hier S. 454 u. 456 m. Anm. 1 u. 2. Zwar erscheint auch Procopius nur in diesem Text, doch gibt es zu ihm nähere Angaben, die eine Identifikation möglich machen. AASS, Jan. I., S. 1101: Quos Praesul extemplo cum Domini Praecursoris et SS. Geruasij et Protasij reliquiis, quas cum eis collocatas repererant, officiosissime condidit in altari. Ebd., S. 1101: … certatim supplices exhibentes venerationem alternantibus choris Latinis, et Graecis. Vgl. AMARI, Storia dei musulmani, S. 62. Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 205. Vgl. KUSS, Orient und Okzident, S. 133. Vgl. MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 467. AASS, Sep. VI., S. 880: … accersivit me Johannem sancti Januarii diaconum … Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 116: … Mesenates Sosium aeque in basilica … BHL 4135. Für den Translationsbericht nennt die BHL Online-Datenbank sechs Handschriften, die allerdings alle erst ins 16./17. Jahrhundert datieren. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=4135&RequestTimeout=500. Der Translationsbericht wurde in kleinen Auszügen von WAITZ in den MGH ediert. Vgl. Johannes Diaconus, Translatio Sancti Sossii, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 459–463. Auch bei CAPASSO wurden lediglich einige Teile des Berichtes bearbeitet. Vgl. CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 300–307. Vollständig wurde der Text in den Acta Sanctorum ediert, AASS, Sep. VI., S. 874–884. Hier werden als Quellen verschiedene Manuskripte aus Neapel und Rom angegeben sowie die Editionen von SURIUS und FALCONE, vgl. AASS, Sep. VI., S. 874. In der vorliegenden Arbeit wurde der Vollständigkeit halber auf die Edition der Acta Sanctorum zurückgegriffen.
Translationen im Angesicht der Sarazenen
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es die Notwendigkeit gegeben, die Reliquien zu ihrem eigenen Schutz zu verlegen. Auch der beneventanische Fürst Sicard erscheint hier, wobei die Übel, welche er der Stadt Neapel hat zuteilwerden lassen, hervorgehoben werden.824 Nach der Schilderung der vorhergegangenen Ereignisse wird berichtet, dass sich mehrere namentlich genannte Geistliche auf den Weg nach Misenum begeben hätten, um von dort die Gebeine des Heiligen zu holen.825 Bei der Suche nach den Reliquien in der zerstörten Kirche sei schließlich ein Körper gefunden worden, der aufgrund einer Vision eines neapolitanischen Bischofs als derjenige des Sosius identifiziert werden konnte.826 Unter großen Festlichkeiten sei der Adventus in der Stadt vorgenommen worden.827 Die Gesänge, die dabei erklangen, seien auf Griechisch und auf Latein ertönt.828 Nach der Ankunft der Gebeine in Neapel seien einige Wunder geschehen, die durch den Heiligen gewirkt worden seien. So habe er sowohl eine Dienerin von ihrer Arthritis geheilt und einen im Sterben liegenden Jungen gerettet als auch einen Stephanus, dessen Krankheit nicht näher bezeichnet wird.829 Der Todestag des heiligen Sosius ist der 23. September, wobei er im Martyrologium Bedas zudem am 19. September zusammen mit Januarius und den anderen Gefährten genannt wird.830 Namentlich ist er in keinem der Kalendarien aus Monte Cassino vorhanden, jedoch fällt er in den Ergänzungen zum Codex Casanatensis 641, die vermutlich in Benevent vorgenommen wurden, einfach unter die Gruppe der Gefährten von Januarius, Festus und Desiderius, die dem 19. September zugeordnet sind.831 Im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint Sosius ebensowenig wie der heilige Januarius. Eine Kirche unter dem Patrozinium
823 AASS, Sep. VI., S. 879: … nam sexaginta evoluto siam pene per annos ab Hismahelitis erat demolitum oppidum illud, et ad solum usque prostratum. Hier wird auf die Translation des heiligen Severinus eingegangen, über die vom gleichen Autor berichtet wurde. 824 Ebd., S. 879: Nam Sicardus princeps Longobardorum, post innumera mala, quibus urbes nostratium afflixit, etiam ad hoc prorupit, ut sepulcra suffoderet, et Sanctorum ex eis corpora sublevaret. 825 Vgl. Ebd., S. 880. 826 Ebd., S. 881: Et exposita illis visione, mihi pertaesum et caeteris, ipsi quoque praeposito miseranda confusio ingeminabatur, adeo quippe, ut ora vicissim replicantes, vario conjicere studeremus assensu, quid tanta visio innuisset. 827 Ebd., S. 881: … cum omnibus monachis, quos invitaverat, advenit, et gratiarum actione in Deum celebrata, per totam noctem unanimes Graecam Latinamque psalmodiam sonoris vocibus concreparunt. Mane igitur facto, Stephanus episcopus et Gregorius consul cum omni populo sanctis occurrerunt exequiis, et pro inexplebili gaudio, praeceperunt nobis cuncta sibi suggerere, quae de inventione ipsius fuerunt. 828 Vgl. Ebd., S. 881. 829 Vgl. Ebd., S. 881. 830 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 116 (19. September), S. 118 (23. September). 831 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 29.
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Translationen und lokale Heilige
des Sosius gab es bereits im 8. Jahrhundert, was seine Verehrung schon vor der Translation bezeugt.832 6.4.3.
Fazit
Es wurden insgesamt drei Translationen in der Untersuchungszeit in der Region vorgenommen, die mit der Sarazenengefahr begründet wurden. Zudem erscheinen sie auch in anderen Berichten: Im Mirakelbericht des Bischofs Euphebius von Neapel833 werden die Sarazenen als Angreifer geschildert, gegen die es sich zu schützen gilt. Der Wunderbericht des Agnellus834 greift die Thematik der Sarazenengefahr lediglich in der Form auf, als dass sich Bari zu der Zeit des gewirkten Wunders in der Hand der Sarazenen befand, diese aber nicht näher charakterisiert werden. Das letzte Wunder in der Mirakelsammlung des Bischof Agrippinus835 beschreibt die Belagerung Neapels durch die „Agarener“, die als „ruchloses Volk aus Afrika“836 bezeichnet werden, ohne dass hier der christliche Glauben an sich als bedroht dargestellt wird. Es zeigt sich somit in den hagiographischen Texten eine unterschiedliche Wahrnehmung der Sarazenengefahr. Während die Sarazenen bei der Translation des Apostels Bartholomäus eine aktive Rolle einnehmen, indem die Knochen des Heiligen verstreut und seine Translation auf das Festland zu verhindern versucht werden, erscheinen die Muslime in den neapolitanischen Texten aus dem Beginn des 10. Jahrhunderts als Gegner, die aber nicht direkt gegen die heiligen Gebeine vorgehen. Sie werden als Verlegungsgrund genannt, wobei mehr die Plünderungen berücksichtigt werden als dass sie als religiöse Feinde dargestellt werden. Während im Translationsbericht des Severinus’ die Sarazenen mit abwertenden Adjektiven wie „gottlos“ und „heidnisch“ bezeichnet werden, treten solche Begriffe im Bericht über die Übertragung der Gebeine des heiligen Sosius nicht auf. Dies könnte damit erklärt werden, dass der Translationsbericht des Sosius einen Teil der Passio des Januarius darstellte, während der Text über Severinus eigenständig war. Die Geschehnisse um die Überführung des heiligen Severinus werden sehr ausführlich geschildert, worauf zu Beginn des Berichtes um Sosius hingewiesen wird. Nähere Beschreibungen der Sarazenen erschienen deswegen nicht notwendig beziehungsweise passten nicht zum übrigen Text, in dem es vor allem um eine Schilderung der Gruppe um Januarius gehen sollte. Somit wurden die Sarazenen vor allem als Angreifer und weniger als Heiden gezeichnet.
832 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 422; GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 50. 833 Siehe Kapitel 6.2.1. 834 Siehe Kapitel 6.2.3. 835 Siehe Kapitel 6.2.1. 836 Vgl. AASS, Nov. IV., S. 126.
Fazit: Formen und Wandel der lokalen Heiligenverehrung
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Ab 902 war beinahe die ganze Insel Sizilien von den Sarazenen besetzt,837 weswegen sie jetzt möglicherweise eine stärkere Bedrohung im Bewusstsein darstellten, da sie nun einen festen Ausgangspunkt für ihre Streifzüge auf dem Festland hatten. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts hatte sich eine Gruppe von Sarazenen am Monte Garigliano festgesetzt, die von einem christlichen Bündnis 915 besiegt wurden. Während zuvor mit den Sarazenen paktiert wurde, ist hier eine Abgrenzung zu ihnen feststellbar, weshalb diese Thematik auch in den hagiographischen Texten prominenter wurde. Es ist auffällig, wie viel Raum in den Translationsberichten der Beschreibung der Gefahr durch die muslimischen Angreifer eingeräumt wird. Dies zeigt sicherlich, wie stark diese Gefährdung durch die Schreiber wahrgenommen wurde. Es ging zwar weiterhin darum, den Heiligen durch die Niederschrift zu rühmen und seine Translation im Gedächtnis zu bewahren, doch erschienen die Zeitumstände so eindrücklich, dass sie ebenfalls festgehalten werden sollten. Im Translationsbericht des Bartholomäus werden die Sarazenen im Dialog zwischen dem Apostel und dem Mönch von diesem als pagani bezeichnet, während sie ansonsten Sarazenen oder Agarener genannt werden. Hier war es möglicherweise die Tatsache, dass die Sarazenen das Grab aufgebrochen und die Gebeine zerstreut hatten, und damit ein klares Sakrileg begingen, die ihnen die Bezeichnung als Heiden einbrachte. Insgesamt wirkt es so, dass die Sarazenen als Angreifer und nicht als Glaubensfeinde wahrgenommen beziehungsweise geschildert wurden. Sie stellten aufgrund ihrer Beutezüge eine Gefahr für das Leben dar, doch scheinen sie nicht als Bedrohung des Glaubens empfunden worden zu sein. Eine Abwertung der Gegner als gottlos und heidnisch erscheint selten, während die Bezeichnung als Sarazenen und Agarener klar überwiegt.
6.5. FAZIT: FORMEN UND WANDEL DER LOKALEN HEILIGENVEREHRUNG Es ist auffällig, dass zu bestimmten Zeiten viele Translationen vorgenommen wurden, während zu anderen anscheinend keine stattfanden. Die genauen Gründe hierfür lassen sich allerdings nicht ausmachen, da die Schreiber der Translationsberichte in der Regel nicht auf die Beweggründe einer Verlegung eingehen, oder wenn, dann hauptsächlich in hagiographischen Topoi. Allgemein ist zu fragen, ob das Ausbleiben von Translationen auf bestimmte Zustände hindeutet. Die letzte Translation, die im Untersuchungszeitraum nach Benevent festgestellt werden konnte, fand in den 830er Jahren statt. Es lassen sich in Benevent somit zwei
837 Vgl. Julie Anne TAYLOR, Muslims in Medieval Italy. The Colony at Lucera, Oxford u.a. 2005, S. 1.
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Translationen und lokale Heilige
Hochphasen der Translationen feststellen, nämlich einmal unter Arichis II. in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und zum anderen in den 830er Jahren. Das Ausbleiben weiterer Translationen kann vielleicht mit dem Machtkampf (839– 849) im Fürstentum erklärt werden. Die Translationen nach Benevent beschränken sich zudem auf gewisse Zeiträume. So ist der erste Herrscher, der Translationen vornehmen ließ, Arichis II. und erst gut 60 Jahre später kam es unter Sicard zu weiteren. Allerdings wurde unter Grimoald IV. der Erzengel Michael auf Münzen geprägt. Dazwischen und danach sind keine Translationen festzustellen. Arichis könnte als neuer Herzog, der sich auf keine familiären Donationen für die Stadt berufen konnte, versucht haben, über die Heiligen eine Verbindung mit seinem Volk aufzubauen. Auch das Agieren der Franken ab der Mitte des 8. Jahrhunderts im Norden der ApenninHalbinsel könnte zu einem erhöhten Schutzbedürfnis geführt haben. Anders stellt es sich bei Sicard dar. Seine kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarstädten und sein Expansionsdrang sowie die langsam aufkommende Sarazenengefahr führten möglicherweise zu dem Bedürfnis, möglichst viele Heilige in der eigenen Stadt zu besitzen und dadurch den Gegner zu schwächen, dessen Heiliger nun nicht mehr in der Ursprungsstadt war. Vielleicht war bei Sicard darüber hinaus die Rolle des Bischofs Ursus von Bedeutung, der die Kathedrale in Benevent stärkte und dabei ein Interesse an der Einbringung neuer Heiliger besaß. Insgesamt ist der zunehmende Einfluss der Bischöfe in der Mitte des 9. Jahrhunderts nicht außer Acht zu lassen. Warum kam es zu diesen Translationen? Wo sind die Vorbilder für diese Handlungen zu suchen? In Neapel waren bereits in den Jahren zuvor die heiligen Bischöfe aus den Katakomben in die Stadt selbst gebracht worden, wo ihnen Verehrung zuteilwerden konnte.838 Im Jahr 720 war der Kirchenvater Augustinus vom Langobardenkönig Liutprand nach Pavia transloziert worden.839 Hier ist die allgemeine Tendenz sichtbar, die Reliquien von Heiligen in die eigenen Städte bringen zu lassen. Das Vorgehen Liutprands scheint zunächst in den langobardischen Gebieten keine direkte Wirkung gehabt zu haben. Unter den Vorgängern Arichis’ II. sind keine Translationen bekannt, weswegen es sich bei seinem Vorgehen um eine Neuerung innerhalb der beneventanischen Heiligenverehrung gehandelt hat. Sollte er tatsächlich ein aus dem Norden stammender Adliger gewesen sein, hatte er dort vielleicht diese Praxis kennengelernt, oder durch seine Frau davon erfahren. Möglicherweise war ein römisches Umdenken in der Reliquienpolitik vorbildhaft für die Handlungen Arichis’ II., da Papst Paul I. (757–767) damit begann, Reliquien in einem größeren Maße abzugeben, als dies noch unter seinen Vorgän-
838 Siehe Kapitel 562.1. 839 Vgl. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, S. 163, 181; Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 422; BRENNECKE, Auseinandersetzung mit sogenannten „Arianern“, S. 212.
Fazit: Formen und Wandel der lokalen Heiligenverehrung
215
gern gebräuchlich war.840 So wird vermutet, dass der Papst mittels der Vergabe von Reliquien versuchte, eine engere Bindung beispielsweise zu den Franken herzustellen.841 Diese veränderte Reliquienpolitik führte vielleicht zu einer anderen Wahrnehmung der Heiligen bei dem beneventanischen Herzog/Fürsten, der seine eigene Stellung durch das Vorhandensein wichtiger Patrone zu untermauern suchte. In Neapel scheinen die Translationen kontinuierlicher vorgenommen worden zu sein. So wurden die Bischöfe aus den Katakomben außerhalb der Stadt in die Kirchen der Stadt selbst verlegt, wo sie geschützter waren und ihnen leichter Verehrung zuteilwerden konnte. Aber auch weitere Heilige wurden aufgrund der Sarazenengefahr verlegt. Der Verlust des heiligen Januarius weckte das Bedürfnis, die Heiligen im Schutz der eigenen Mauern zu haben, wo sie teilweise in den ihnen bereits geweihten Kirchen niedergelegt wurden. Oftmals standen diese Heiligen auch in einer Beziehung zu Januarius, weswegen sie vielleicht von besonderer Bedeutung nach dessen Raub waren. Die Translationen nach Neapel finden noch über einen längeren Zeitraum als in Benevent statt, zudem scheinen sie nicht derart gebündelt vorgenommen worden zu sein wie dort. Nachdem sie etwa zur gleichen Zeit wie diejenigen in Benevent begonnen hatten, wurde noch bis ins 10. Jahrhundert hinein die Verlegung von Reliquien betrieben. Allerdings ist es den Quellen zufolge in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts kaum zu Translationen gekommen, was zum Teil mit der unruhigen politischen Lage in dieser Zeit erklärt werden kann. Lediglich die Gebeine Athanasius’ I. wurden von Monte Cassino nach Neapel verlegt.842 Die Beutezüge der Sarazenen sowie die Zerstörung der Klöster San Vincenzo al Volturno und Monte Cassino deuten auf einen desolaten Zustand der Verteidigung hin.843 Zu Beginn des 10. Jahrhunderts wurden wieder Heilige nach Neapel verbracht, was in diesen Fällen mit der Gefahr durch die Sarazenen begründet wurde, da die Reliquien vor diesen geschützt werden mussten und zudem von den Reliquien Schutz vor den Sarazenen erhofft wurde. In diesen Fällen gehen auch die Translationsberichte konkret auf diese Geschehnisse ein. Die translozierten Heiligen waren zum großen Teil Märtyrer, die in die Städte eingeholt wurden, aber auch Bekenner und Bischöfe erhielten eine verstärkte Verehrung. Die meisten Translationen wurden bei Heiligen vorgenommen, die in der direkten Umgebung zu finden waren. Dies unterscheidet sie von jenen, die beispielsweise nach Sachsen vorgenommen wurden. Die süditalischen Heiligen hatten in der Regel einen lokalen Bezug und konnten so in die Stadtgeschichte inte-
840 Vgl. HERBERS, Leo IV., S. 357. Zudem ließ Papst Hadrian I. (772–795) seine als heilig angesehenen Vorgänger aus den Katakomben vor der Stadt in die Kirchen der Stadt bringen. Vgl. HARTMANN, Hadrian I. (772–795), S. 94. 841 Vgl. HERBERS, Leo IV., S. 357, hier auch die weiterführende Literatur. 842 Siehe Kapitel 5.2.3.4. 843 Vgl. CITARELLA, The Political Chaos, S. 173.
216
Translationen und lokale Heilige
griert werden. Teilweise erscheinen diese Viten stark konstruiert844, dennoch waren diese Texte Bestandteil des religiösen Lebens der Bewohner, und aufgrund der Heterogenität der Bevölkerung war eine gemeinsame Glaubensbasis vermutlich identitätsstiftend. Auch wenn Neapel nominell unter byzantinischer Oberhoheit stand, kam es dennoch nicht zu einem Reliquienaustausch zwischen Konstantinopel und Neapel, und die Translation des Helianus von Konstantinopel nach Benevent ist lediglich in einer Quelle belegt, sodass diese überhaupt kritisch zu bewerten ist. Einige der Heiligen haben aber eine nicht-lokale Herkunft, etwa wenn es sich um Heilige handelt, die ihr Leben in Afrika verbracht hatten und erst später nach Italien geflohen oder verschleppt worden waren. Die Heiligen, die nach Neapel gebracht wurden, scheinen alle aus der direkten Umgebung zu stammen. Lediglich die heilige Patricia weist in ihrer Vita eine byzantinische Herkunft auf. Die Heiligen aus Neapel, die vor Ort waren und teilweise einen direkten Bezug zur Stadt hatten, bekamen im 9. und 10. Jahrhundert neue Texte, die ihrem Kult zugutekamen. Die meisten der Heiligen, die hingegen in Benevent Verehrung erfuhren, hatten keine direkte Verbindung zu dieser Stadt, was mit den Umbruchszeiten erklärt werden kann, da die Langobarden erst spät Anhänger des römisch-lateinischen Christentums geworden waren und zunächst die Heiligenkulte nicht förderten. So ist es auffällig, dass Bischof Barbatus, der für die Bekehrung verantwortlich war, Verehrung erfuhr, ansonsten aber anscheinend weder Äbte noch andere Bischöfe in diesen Rang erhoben wurden. Die meisten der Heiligen stammten zwar aus der Region, waren aber nicht mit Benevent verbunden. In Neapel wurde diese Beziehung zwischen den Heiligen und der Stadt viel stärker hervorgehoben, was in den Wunderberichten von Agrippinus und Januarius deutlich wird, die beide die Stadt gegen äußere Gefahren schützten, wobei der Bezug zur Stadt und nicht nur den einzelnen Gläubigen betont wird. Bei Bari ist es der schlechten Quellenlage geschuldet, dass sich hier keine eindeutigen Aussagen machen lassen. Aus den Patrozinien der Kirchen der Stadt lässt sich auf keine lokalen Heiligen schließen, denen eine besondere Verehrung zuteilwurde. Der Kult um den canosischen Bischof Sabinus scheint erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts aufgekommen zu sein, als Bari gegenüber Canosa seinen Anspruch auf die Würde des Erzbistums zu etablieren suchte. Die geographische Nähe zwischen Benevent und Neapel führte möglicherweise dazu, dass die beiden Städte stärker zueinander in Konkurrenz traten und sich somit teilweise ähnliche Entwicklungslinien nachzeichnen lassen, die allerdings nur eine gewisse Zeit lang Parallelen aufweisen. So findet sich sowohl in Neapel als auch in Benevent die Verehrung einer byzantinischen Heiligen, die in der jeweiligen Stadt verstorben sein soll und im Anschluss dort einen Kult erhielt. Dies ist zum einen die heilige Arthellais, die in Benevent lag und deren Kult 767
844 Etwa bei dem heiligen Mercurius, der mit einem byzantinischen Kaiser nach Unteritalien gelangt sein soll. Siehe Kapitel 6.1.1.
Fazit: Formen und Wandel der lokalen Heiligenverehrung
217
erstmals erwähnt wird, während die heilige Patricia in Neapel zu einem nicht eindeutig definierten Zeitpunkt zwischen 970 und 1150 eine Vita erhielt. Da sich Arichis II. um eine Annäherung an Byzanz bemühte, war der Kult um eine byzantinische Heilige in seiner Stadt sicherlich in seinem Interesse. Dies war zu dieser Zeit in Neapel anders, da sich der Bischof in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts aufgrund des Bilderstreites eher Rom annäherte, und somit eine byzantinische Heilige nicht erstrebenswert erschien, obwohl sie laut der späteren Vita zu dieser Zeit ihre Grablege in Neapel besaß, sich allerdings vorerst kein Kult, etwa mittels eines Eintrags im Marmorkalender von Neapel, feststellen lässt. Eine Stärkung der byzantinischen Tradition setzte vielleicht erst mit der Eroberung Süditaliens durch die Normannen ein. Dass keine Translationen nach Bari festgestellt werden können, mag möglicherweise mit lückenhafter Quellenlage erklärt werden, ferner aber vielleicht mit den unbeständigen Machtverhältnissen, die innerhalb der Stadt herrschten. Ob es tatsächlich im 9. Jahrhundert eine Translation der Gebeine des Sabinus nach Bari gab, wird sich wohl letztlich nicht sicher entscheiden lassen. Hier war es wohl erst das kirchliche Interesse im 11. Jahrhundert, einen lange bestehenden Kult zu besitzen und einen wichtigen Heiligen in den eigenen Mauern zu beherbergen, das diese Theorie beförderte. Zudem kann vermutet werden, dass die beständigen Umbrüche in der Herrschaft der Stadt und die zeitweilige Besetzung keine Kontinuität in der christlichen Lebensführung ermöglichten, wobei dies natürlich ein Quellenproblem ist. Die abwechselnden Stadtvorsteher hatten unter Umständen kein Interesse daran, das kirchliche und religiöse Leben der Stadt zu verändern, solange ihre Herrschaft noch nicht gänzlich durchgesetzt war, und die byzantinischen Strategen kümmerten sich vornehmlich um die administrativen Belange. Aufgrund der Besetzung durch die Sarazenen kann eine starke Zerstörung der kirchlichen Infrastruktur der Stadt vermutet werden, sodass gegen Ende des 9. Jahrhunderts zunächst Wiederaufbaumaßnahmen durchgeführt werden mussten. Die Bischöfe residierten nicht ständig in der Stadt, sondern konnten auch nach Canosa, den ursprünglichen Bischofssitz, ausweichen. Allgemein ist es sehr schwierig, eine konstante Linie der kirchlichen Entwicklung Baris in dieser Zeit nachzuzeichnen. Die Tatsache, dass die Gebeine des Heiligen Sabinus erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts bei Restaurierungsarbeiten wiedergefunden wurden, spricht nicht für seinen durchgängigen Kult. Anders als beispielsweise in der Region Sachsen scheinen die Reliquien, die transloziert wurden, an dem Ort geblieben zu sein, an den sie gebracht wurden, und wurden nicht an weitere Städte vergeben. Hier wurde also nicht versucht, mittels der Reliquien ein sakrales Netzwerk in der Region zu schaffen. Auch die Beziehungen zwischen dem Ursprungsort und der neuen Grablege eines Heiligen ist nicht eindeutig auszumachen, da auf diesen Aspekt in den Berichten nicht eingegangen wird. Möglicherweise fanden einige der Translationen nicht auf der gleichen freiwilligen Basis statt, wie dies in Sachsen geschah, wo ein Interesse daran bestand, mittels der Reliquien die Beziehungen zueinander zu verstärken oder zu verbessern. Dies gilt aber nicht nur für Städte außerhalb des eigenen Herr-
218
Translationen und lokale Heilige
schaftsgebiets, sondern anscheinend wurden auch die eigenen Städte nicht gleichermaßen mit Reliquien versorgt. An diesem Bild mag aber der Überlieferungszufall schuld sein, da nicht für sämtliche Orte aus dieser Zeit Quellen erhalten sind. Bei den bisher untersuchten Heiligen konnte festgestellt werden, dass einige von ihnen nicht nur in einer Stadt, sondern anscheinend auch in der Region bekannt waren, was sich durch ihre Nennung in den kalendarischen Werken belegen lässt. Anhand der kalendarischen Werke kann jedoch erkannt werden, dass auch die Heiligenverehrung Grenzen kannte, da die Translation und Verehrung eines Heiligen in einer Stadt der Region nicht zwangsläufig zu einem überlokalen Kult führen musste.
7. KULTÜBERNAHME UND DISTANZ – HEILIGE IN DEN LOKALEN KALENDARISCHEN WERKEN Im Folgenden stehen jene Heiligen im Fokus, die nicht vor Ort waren, denen aber dennoch Verehrung zuteilwurde. Während zuvor festgestellt werden konnte, dass die meisten Heiligen, die in die untersuchten Städte transloziert wurden, aus der Umgebung stammten und daher regional bekannt waren, konnten geographisch entferntere Heilige mittels anderer Medien als der körperlichen Präsenz bekannt werden. Hierbei kam vor allem den kalendarischen und hagiographischen Werken eine große Bedeutung zu. Von Interesse ist es, welche der Heiligen in allen untersuchten Städten nachgewiesen werden können und welche über diese hinausgehen. Auf diesem Wege können lokale Spezifika aufgezeigt werden und zugleich, welche Heiligen bereits Ende des 9. Jahrhunderts allgemein bekannt waren. Anhand der Überschneidungen und Eigenarten können Rückschlüsse auf bestimmte Kulttraditionen gewonnen werden. Als Kriterium für eine gemeinsame Heiligenverehrung wurde die Erwähnung des Heiligen im Marmorkalender und im Casanatensis 641 beziehungsweise seinen Ergänzungen festgelegt. Hierbei muss es nicht der gleiche Festtag, aber der gleiche Heilige sein. Die Kalender Cavensis 23 und Parisinus 7530 wurde als Vergleichsfolie herangezogen um einen möglichen Kultursprung in Monte Cassino aufzuzeigen und der sogenannte Martyrologium des Erchempert wurde bezüglich der Kultkontinuität befragt. Da diese Werke aber nicht repräsentativ für Benevent oder Neapel stehen, ist eine Nicht-Erwähnung eines Heiligen in ihnen nicht ausschlaggebend. Heilige, die als Gruppe, aber auch einzeln Erwähnung finden, werden nur einmal mit allen Terminen genannt. Dies führt insofern zu Unschärfen, da die einzelnen Tage nicht den jeweiligen Heiligen zugeordnet werden könne, verhindert aber Doppelungen, sowie den Fall, dass ein einzelner Heiliger nur einem Ort zugeordnet wird, während er als Teil der Gruppe durchaus in der weiteren Region bekannt war. Es werden nicht alle Heiligen im Anschluss einer Analyse unterzogen, da es vorrangig darum geht, Verehrungslinien nachzuzeichnen. Diejenigen Heiligen, für die sich Werke erhalten haben, werden in der Tabelle durch eine Fettsetzung des Namens hervorgehoben. Auf diese Heiligen und ihre Texte wird jeweils im nachfolgenden Kapitel eingegangen.
220
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
7.1. GEMEINSAME HEILIGE Heiliger
Abdo und Sennen Agatha
Cavensis 23
5. Feb.
Parisinus 7530
5. Feb.
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
30. Jul. 5. Feb. 21. Jan.; 28. Jan.
30. Jul. 5. Feb.
30. Jul. 5. Feb.
21. Jan. 3. Nov.; 7. Dez. 22. Jan.
21. Jan.
Agnes
21. Jan.
Ambrosius 6. Dez. Anastasius der Perser
7. Dez.
Andreas
30. Nov.
30. Nov.
30. Nov.
Antonius Apollinaris 23. Jul. Augustinus 28. Aug.
23. Jul. 28. Aug.
17. Jan. 23. Jul. 28. Aug.
Barnabas Bartholomäus Benedictus Caecilia Clemens I. Cosmas und Damian Cyprianus Cyriacus Die heiligen Unschuldigen Donatus von Arezzo Epiphania Erasmus
7. Dez. 22. Jan.
19. Aug.; 30. Nov. 17. Jan.; 30. Dez. 23. Jul. 28. Aug. 10. Jun.; 29. Okt.
11. Jun. 25. Aug. 21. Mrz. 22. Nov. 23. Nov.
11. Jun.; 25. Aug. 21. Mrz. 22. Nov. 23. Nov.
24. Aug. 21. Mrz. 22. Nov. 23. Nov.
27. Sept. 14. Sept.
27. Sept. 14. Sept.
27. Sept. 14. Sept.
17. Jun.
8. Aug. 28. Dez.
28. Dez.
28. Dez.
6. Jan.
7. Aug. 6. Jan.
7. Aug. 2. Jun.
25. Aug. 21. Mrz. 22. Nov. 23. Nov.
7. Dez. 22. Jan. 30. Nov. 17. Jan. 23. Jul. 28. Aug. 10. Jun. 25. Aug. 21. Mrz. 22. Nov. 23. Nov.
27. Sept.; 22. Okt. 14. Sept. 8. Aug.
27. Sept. 14. Sept.
28. Dez.
28. Dez.
8. Aug. 6. Jan. 2. Jun.
7. Aug. 2. Jun.
221
Gemeinsame Heilige
Heiliger
Cavensis 23
Euphemia Euplius Eusthratius Felix von Nola Georgios von Kappadokien Gervasius und Protasius 19. Jun. Gregorius I. pp. 12. Mrz. Hieronymus 30. Sept. Hippolytus
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
16. Sept. 12. Aug. 13. Dez. 14. Jan.
Judas ap. Juliana Laurentius Leo II. Lucas Evangelist Lucia Machabaei
16. Sept.
24. Apr
24. Apr.
23. Apr.
24. Apr.
19. Jun.
19. Jun.
19. Jun.; 14. Okt.
19. Jun.
12. Mrz.
12. Mrz.
12. Mrz.
12. Mrz.
30. Sept.
30. Sept. 13. Aug.
30. Sept. 13. Aug. 13. Apr.; 19. Sept. 24. Feb.; 24. Jun.; 29. Aug.; 23. Sep. 26. Sept.; 27. Dez.
30. Sept.
27. Dez.
28. Okt. 16. Feb. 10. Aug. 28. Jun. 18. Okt. 13. Dez. 1. Aug.
Januarius Johannes baptista Johannes Evangelist Johannes u. Paulus
13. Jan.
11. Jul.; 16. Sept. 12. Aug. 10. Dez.; 13. Dez. 14. Jan; 20. Jun.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
19. Sept. 24. Jun.; 29. Aug.
24. Jun.; 29. Aug.
24. Jun.; 29. Aug.
27. Dez.
27. Dez.
27. Dez.
26. Jun.
26. Jun.
26. Jun.
28. Okt.
28. Okt.
10. Aug. 28. Jun.
10. Aug. 28. Jun.
10. Aug. 28. Jun.
26. Jun. 26. Mai; 01. Jul. 16. Feb. 10. Aug. 28. Jun.
18. Okt.
18. Okt.
1. Aug.
1. Aug.
18. Okt. 13. Dez. 1. Aug.
18. Okt. 13. Dez. 1. Aug.
28. Okt. 16. Feb.
1. Aug.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Marcellus Marcus Evangelist
Maria Martinus Matthaeus ap. Matthaeus Evangelist Maximus ep. Const. Menas
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
7. Okt.
7. Okt.
25. Apr.
25. Apr.
25. Apr.
2. Feb.; 15. Aug.; 8. Sept. 11. Nov.
8. Sept. 11. Nov.
15. Aug.; 8. Sept. 11. Nov.
21. Sept.
Michael (Erzengel) Nazarius und Celsus 28. Jul. Nicander u. Marcinianus 16. Jun. Paulinus ep. Paulus u. Johannes 26. Jun. Petrus ep. Alexandria Petrus ap. 29. Jun. Perpetua u. Felicitas Philippus ap. Potitus Priscus
21. Sept.
2. Feb.
21. Sept.
16. Nov.
21. Apr.
8. Mai
21. Apr. 11. Nov. 8. Mai; 5. Jul.; 29. Sept.
8. Mai; 29. Sept.
28. Jul.
28. Jul.
28. Jul.
17. Jun.
17. Jun.
16. Jun.
22. Jun.
26. Jun.
26. Jun.
26. Jun.
25. Nov. 12. Feb.; 29. Jun.
29. Jun.
29. Jun. 7. Mrz.
1. Mai
21. Sept.
22. Jun.
26. Nov. 29. Jun.
11. Nov.
6. Mai
17. Jun.
26. Jun.
25. Apr.
21. Sept.
10. Nov.
28. Jul.
7. Okt. 25. Apr.; 17. Mai 2. Feb.; 15. Aug.; 8. Sept.; 9. Dez. 11. Nov.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
13. Jan.
7. Feb. 1. Mai; 14. Nov. 13. Jan.
1. Sept.
1. Sept.
1. Mai
1. Mai
223
Gemeinsame Heilige
Heiliger
Cavensis 23
Protasius 19. Jun. Scholastica Sebastianus Severinus Silvester pp. Simon u. Judas ap. Stephanus
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
19. Jun. 10. Feb. 20. Jan.
19. Jun. 10. Feb. 20. Jan.
14. Feb.
19. Jun.; 14. Okt. 10. Feb. 20. Jan. 8. Jan. 2. Jan.; 31. Dez. 10. Sept.; 01. Jul. 26. Dez. 3. Jul.; 18. Sep.; 21. Dez. 14. Feb.
15. Jun.
9. Mrz. 22. Jan. 15. Jun.
8. Jan. 31. Dez.
31. Dez.
31. Dez.
28. Okt. 26. Dez.
28. Okt. 26. Dez.
28. Okt. 26. Dez.
Thomas ap. 21. Dez. Valentinus 40 Märtyrer von Sebaste Vincentius Vitus
21. Dez.
21. Dez.
22. Jan.
28. Okt.
9. Mrz. 22. Jan.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti 19. Jun. 10. Feb. 20. Jan.
31. Dez. 28. Okt. 26. Dez. 21. Dez. 14. Feb.
22. Jan. 15. Jun.
Eine große Anzahl von Heiligen wird also in allen kalendarischen Werken der Region aufgeführt. Eine gemeinsame Verehrung von Heiligen aus dem Alten Testamten lässt sich lediglich bei den Makkabäern feststellen, die in den verschiedenen kalendarischen Werken der Region aufgeführt werden.1 Bei diesen Märtyrern handelte es sich
1
Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9; LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 26f.; Erchempert, Martyrologium, S. 79; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 94; Synaxarium Constantinopolitanum, S. 859. Bei Eleazar, der ebenfalls im Marmorkalender von Neapel enthalten ist, ist dieser Nachweis nicht so leicht möglich. Die Acta Sanctorum führen ebenfalls am 1. August einen Eleazar, der Märtyrer in Antiochia war. Vgl. AASS, Aug. I., S. 1. Dieser Märtyrer ist aus der Bibel bekannt: er erleidet im Kapitel vor den sieben Makkabäern das Martyrium. Vgl. II Mcc 6, 18–31; AASS, Aug. I., S. 1. Da er im Marmorkalender in direkter Verbindung mit den Makkabäern genannt wird, muss angenommen werden, dass tatsächlich der Eleazar aus dem Alten Testament gemeint ist, wobei im Marmorkalender auch
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
wohl um so wichtige Heilige, dass sie in allen kalendarischen Werken zur Heiligenverehrung aufgenommen wurden. Größere Überschneidungen zwischen den kalendarischen Werken aus den verschiedenen Orten gibt es bei den Heiligen des Neuen Testaments, wobei hier im Marmorkalender von Neapel deutlich mehr Festtage als bei den anderen Quellen zu verzeichnen sind. Insgesamt gibt es vier Festtage im Marmorkalender, die sich auf Johannes den Täufer beziehen:2 der Geburtstag am 24. Juni, der Todestag am 29. August, die Auffindung des Kopfes des Täufers, die am 24. Februar zelebriert wird,3 und der Tag seiner Empfängnis am 23. September.4 In den Kalendarien aus Monte Cassino finden sich nur zwei Festtage für den Täufer, nämlich sein Geburtstag5 und sein Todestag, beide Tage sind in allen drei Kalendarien erwähnt6. Auffällig sind die insgesamt vier Festtage für Simon und Judas im Marmorkalender von Neapel. Ihr gemeinsamer Tag ist der 1. Juli7, ihr jeweiliger Sterbetag (10. September Simon und 26. Mai Judas) und noch der Geburtstag von Judas am 20. August werden genannt. In den drei Kalendarien aus Monte Cassino werden Simon und Judas am 28. Oktober zelebriert.8 Der 28. Oktober ist ein römischer Festtag, der auch bei Beda aufgeführt wird.9 Die Geburt des Judas (20. August) ist zudem im Synaxarium Constantinopolitanum enthalten.10 Die Sterbetage der Apostel sind ebenfalls im Synaxarium von Konstantinopel vorhanden, allerdings an anderen Tagen. Zudem bleibt die Herkunft des Festtages am 1. Juli fraglich, denn dieser ist weder im Synaxarium enthalten noch konnte für diesen Festtag eine weitere Quelle ausfindig gemacht werden. MALLARDO hat in seinem Werk anscheinend den 17. September übersehen, denn an diesem Tag heißt es im Kalender Natale s. Simonis fratris Domini11. Folglich wird dieser Tag bei ACHELIS in
Heilige, die am gleichen Tag ihren Festtag haben, ansonsten aber in keiner Beziehung zueinander stehen, mit einem et verbunden sind. 2 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 23. 3 Die Zelebrierung der Auffindung des Kopfes des Johannes ist eine byzantinische Tradition, wobei sich seine Verehrung von Emesa über Konstantinopel nach Amiens nachvollziehen lässt. Vgl. Gia TOUSSAINT, Schöne Schädel. Die Häupter der Heiligen in Ost und West, in: Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen (Miscellanea Mediaevalia, 36), hg. v. Andrea SPEER/Philipp STEINKRÜGER, Berlin und Boston 2012, S. 655– 678, hier S. 670. Dort auch der Hinweis auf die ältere Literatur. Daher überrascht es nicht, dass dieser Tag nicht im Martyrologium Bedas zu finden ist, aber im Synaxarium von Konstantinopel Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 485. 4 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 23. 5 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 22f. 6 Vgl. Ebd., S. 26f. 7 MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 109: Natale Simonis et Iudae apostolorum. 8 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 30f. 9 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 134. 10 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 154. 11 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 24.
Gemeinsame Heilige
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der Kategorie „Altes und Neues Testament“ geführt.12 Dieser Festtag erschließt sich aber nicht, da er nicht in den bekannten Martyrologien und Kalendarien enthalten ist. Im Synaxarium von Konstantinopel findet sich am 18. September die Erwähnung eines Bischof Simeons von Jerusalem13, weswegen vermutet werden kann, dass die Übernahme in den Marmorkalender aus dem griechischen Raum kam, wobei allerdings der Tag nicht korrekt übertragen wurde. Neben den Heiligenfesten gibt es Herren- und Marienfeste in den kalendarischen Werken der Region. An Herrenfesten sind fünf im Marmorkalender von Neapel genannt, nämlich die Geburt Jesu (25. Dezember), seine Beschneidung (1. Januar), Epiphania (6. Januar), die Ankündigung (25. März) und die Transfiguration (6. August).14 In Kalendarien aus Monte Cassino finden sich diese Festtage mit Ausnahme der Transfiguration ebenfalls15. Auch im sogenannten Martyrologium des Erchempert werden diese Tage zelebriert16, wobei dort das Fest der Verklärung Jesu nicht aufgeführt ist. Für Maria gibt es vier Feste, nämlich Mariä Lichtmess (2. Februar), Aufnahme in den Himmel (15. August), Geburt (8. September) und Empfängnis (9. Dezember), die alle sowohl im Marmorkalender von Neapel17 als auch in den Kalendarien aus Monte Cassino aufgeführt sind.18 Neben den Herren- und Marienfesten werden einige Daten in den kalendarischen Werken zu den Festtagen des wahren Kreuzes aufgeführt. Sie sollen an dieser Stelle beachtet werden, da es sich hierbei um die Reliquien handelt, die einen direkten Bezug zu Christus aufweisen und denen somit ein besonderer Wert zukommt. Im Marmorkalender und den Kalendarien aus Monte Cassino wird die Auffindung des Kreuzes am 3. Mai zelebriert. Die Verherrlichung des Kreuzes hingegen (14. September)19 erscheint in den Kalendarien aus Monte Cassino lediglich in den Ergänzungen zu Casanatensis 64120. Im sogenannten Martyrologium Erchemperts sind beide Festtage nicht aufgenommen, während Beda in seinem Martyrologium die Auffindung des Kreuzes (3. Mai)21 und die Verehrung des Kreuzes (14. September)22 erwähnt. Auch im Synaxarium von Konstantinopel wird die Kreuzesverehrung am 14. September zelebriert23, ein Kreuzfest am
12 Vgl. Ebd., S. 23f. ACHELIS geht nicht näher darauf ein. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 25. 13 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 55: Συμεὼν ἐπισκόπου Ἱεροσολύμων. 14 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 126. 15 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 57. 16 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 77f. 17 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 129. 18 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 57. 19 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 126. 20 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 29. Wobei hier laut LOEW Ergänzungen von zweiter Hand vorliegen. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 80. 21 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 53. 22 Vgl. Ebd., S. 114. 23 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 43.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
3. Mai wird jedoch dort nicht aufgeführt24. Da es sich bei der Kreuzesreliquie um eines der bedeutendsten Zeugnisse zum Leiden Christi handelte, war die Verehrung sowohl im Westen als auch im Osten verbreitet.25 Hier konnten sich allerdings unterschiedliche Traditionsstränge ausbilden, sodass nicht alle Festtage übereinstimmen mussten. Insgesamt gibt es vier Päpste, die in allen drei Texten genannt werden. So wird Gregor I. an seinem Festtag, dem 12. März, in allen untersuchten kalendarischen Werken aufgeführt.26 Clemens wird im Marmorkalender am 23. November genannt, wobei hier eine fehlende Amtsbezeichnung eine eindeutige Identifizierung nicht möglich macht. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Heiligen um einen Papst des 1. Jahrhunderts, dessen genaue Pontifikatsjahre nicht mehr bekannt sind.27 In den Martyrologien aus Monte Cassino ist er ebenfalls enthalten, wobei der Codex Casanatensis 641 zusätzlich die Bezeichnung episcopi et martyris enthält.28 Im sogenannten Martyrologium Erchemperts ist er jedoch nicht näher bezeichnet, wird aber an seinem Festtag genannt,29 doch bei Beda wird er als Nachfolger Petri betitelt30, wodurch die Identifizierung mit Clemens I. möglich ist. Im Synaxarium von Konstantinopel wird er am 25. November genannt, wobei er hier als Papst bezeichnet wird.31 Papst Leo II. (682–683) wird ebenfalls in allen kalendarischen Werken an seinem Festtag am 28. Juni genannt.32 Die Vermutung MALLARDOS, dass es sich bei diesem Papst um Leo I. handelt,33 ist nicht haltbar, da dessen Festtag am 11. April zelebriert wird34. Auch bei Beda wird am 28. Juni ein Papst Leo aufgeführt,35 wohingegen er an diesem Tag nicht im Synaxarium von Konstantinopel erscheint. Zuletzt wird Papst Sylvester I. (314–335) in den kalendarischen Texten
24 MALLARDO schreibt, dass es sich bei dem Fest am 14. September um einen östlichen Feiertag handelt, während der 3. Mai im Okzident von Bedeutung war. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 103. 25 Vgl. Holger A. KLEIN, Byzanz, der Westen und das ‚wahre‘ Kreuz. Die Geschichte einer Reliquie und ihrer künstlerischen Fassung in Byzanz und im Abendland (Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz, 17), Wiesbaden 2004. 26 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 531; LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 16f.; MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 87; Erchempert, Martyrologium, S. 78; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 31. 27 Vgl. SCHIMMELPFENNIG, Das Papsttum, S. 369. 28 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 32f. 29 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 80. 30 Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 147: Natale S. Clementis. hic quartus post Petrum Rome episcopus ordinatus est. 31 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 255: Κλήμεντος πάπα Ῥώμης. 32 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 22f.; MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 23; Erchempert, Martyrologium, S. 79; 33 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 87. 34 BHL 4817; an diesem Festtag wird er auch im Codex Casanatensis 641 genannt. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 19. 35 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 81.
Gemeinsame Heilige
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aufgeführt.36 Im Marmorkalender von Neapel steht er am 2. Januar, der sein griechischer Festtag ist, welcher gleichermaßen im Synaxarium von Konstantinopel enthalten ist.37 Bei Beda wird er am 31. Dezember genannt.38 Auffallenderweise sind die vier Päpste, die in den verschiedenen kalendarischen Werken aus Neapel und Monte Cassino beziehungsweise Benevent genannt werden, in allen Kalendarien aus Monte Cassino enthalten, weswegen hier eine Bedeutung dieser Päpste zu Beginn des 9. Jahrhunderts festzustellen ist. Zudem wurden diese Päpste alle bei Erchempert aufgenommen, was eine Tradierung der Verehrung aufzeigt. Bis auf Papst Leo, der am 28. Juni genannt wird, erscheinen die drei anderen Päpste ebenso im Synaxarium von Konstantinopel, was eine Verehrung in Ost und West belegt. Lediglich Sylvester verfügt über verschiedene Festtage, wobei der Marmorkalender von Neapel beide aufgenommen hat, was die besondere Stellung Neapels aufzeigt, in der beide Einflüsse präsent waren. Die größte Gruppe an italischen Heiligen, mit Ausnahme der römischen, nehmen die mailändischen Heiligen ein, von denen acht in den Kalendarien aus Monte Cassino genannt werden, wobei allerdings nur fünf Festtage zelebriert werden, da es drei Zweiergruppen gibt.39 Diese acht sind namentlich: der Heilige Victor (8. Mai), Gervasius und Protasius (beide 19. Juni), Nabor und Felix (beide 12. Juli), Nazarius und Celsus (beide 28. Juli) sowie Ambrosius (6. Dezember). Fünf Festtage sind auch im Marmorkalender von Neapel enthalten, wobei fast die gleichen Heiligen wie in den Kalendarien genannt werden, so am 19. Juni Gervasius und Protasius, am 28. Juli Nazarius, am 14. Oktober Gervasius und Protasius und am 3. November und am 7. Dezember Ambrosius.40 Somit sind im Marmorkalender Victor, Nabor und Felix sowie Celsus nicht aufgenommen worden. Für Ambrosius gibt es im Marmorkalender zwei Tage, wobei der 7. Dezember ebenfalls im Synaxarium von Konstantinopel enthalten ist41, während der 3. November in den anderen kalendarischen Werken nicht nachgewiesen werden kann. Möglicherweise handelte es sich dabei um einen neapolitanischen Festtag. Zudem gibt es für die Heiligen Gervasius und Protasius zwei Festtage, da sie sowohl mit ihrem byzantinischen42 als auch ihrem lateinischen43 Festtag aufgenommen wurden. Zusätzlich wird aber am 18. Juli ein Marcellus genannt, bei dem es sich ebenfalls um einen mailändischen Heiligen handelt.44 Zwar werden auch Heilige 36 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 34f.; MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 25; Erchempert, Martyrologium, S. 80. 37 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 365; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 27. 38 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 169. 39 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 60. 40 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 34f. 41 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 283. 42 Vgl. Ebd., S. 137. 43 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 77. 44 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 88 u. 98.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
aus anderen Regionen Italiens aufgeführt, doch handelt es sich nirgendwo um eine so große Anzahl wie bei den Mailändern. Hier kann also eine höhere Bedeutung der mailändischen Heiligen postuliert werden. Fraglich ist daher, wieso diese Heiligen in den untersuchten unteritalischen Städten einen solchen Rang einnahmen. Hierbei war möglicherweise entscheidend, dass Mailand bereits im 6. Jahrhundert von den Langobarden erobert worden war und somit Teil des Königreiches im Norden war. Bei den Verehrten fällt auf, dass es sich bei allen um Märtyrer handelt, deren Kult von Ambrosius stark gefördert wurde beziehungsweise er derjenige war, der die Gräber dieser Heiligen aufgefunden hatte.45 Es war also vielleicht eher die Bedeutung des Ambrosius für die Verehrung dieser Heiligen verantwortlich. Hier mag die Verbreitung des ambrosianischen Ritus vorteilhaft gewesen sein, da die Heiligen so überall bekannt wurden, wo seine Liturgie verwendet wurde.46 In Benevent etwa sind liturgische Gesänge für die mailändischen Heiligen Nazarius und Celsus überliefert47, was zeigt, dass gleichfalls für diese Heiligen im Gottesdienst Raum war. 7.1.1.
Der Erzengel Michael
Der Erzengel Michael nahm eine wichtige Rolle in der Heiligenverehrung Süditaliens ein, wobei sein Kult ursprünglich aus Byzanz gekommen war. In Italien bildete sich eine eigene Verehrungstradition aus, nachdem der Engel auf dem Monte Gargano erschienen war.48 Um die Zeit der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts wurde Siponto von den beneventanischen Herzögen erobert, wodurch das nahe gelegene Michaelsheiligtum in ihren Herrschaftsbereich gelangte.49 Die anfänglich lokale Verehrung wurde dadurch zum langobardischen Kult, da das Bistum Siponto mit der Diözese von Benevent am Ende des 7. Jahrhunderts vereinigt wurde und auf diesem Wege eine 45 Vgl. Ernst DASSMANN, Ambrosius und die Märtyrer, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 18 (1975), S. 49–68; KELLY, The Beneventan Chant, S. 197; KING, Liturgies of the Past, S. 64f.; Markus LÖX, monumenta sanctorum. Rom und Mailand als Zentren des frühen Christentums: Märtyrerkult und Kirchenbau unter den Bischöfen Damasus und Ambrosius (Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz, 39), Wiesbaden 2013, S. 159–166. 46 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 181; KING, Liturgies of the Past, S. 64f. 47 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 183. 48 Vgl. Ada CAMPIONE, Il culto di san Michele in Campania Antonio e Catello (Bibliotheca Michaelica, 2), Bari 2007, S. 7; Andrea SCHALLER, Der Erzengel Michael im frühen Mittelalter. Ikonographie und Verehrung eines Heiligen ohne Vita (Vestigia Bibliae. Jahrbuch des Deutschen Bibel-Archivs Hamburg. Begründet von Heimo Reinitzer, 26/27), Bern 2006, S. 317. 49 Vgl. FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 446; Guiseppe Roma-Adele COSCARELLA, Tra Bisanzio e l’Occidente: gli edifici di culto nella Calabria altomedievale, in: La Cristianizzazione in Italia tra tardoantico ed altomedioeva. Atti del IX congresso nazionale di archeologia cristiana. Agrigento 20–25 novemebre 2004, hg. v. Rosa Maria BONACASA CARRA/Vitale Emma, Palermo 2007, S. 1283–1311, hier S. 1286.
Gemeinsame Heilige
229
enge Verbindung zwischen dem Herzogtum Benevent und der Kultstätte des Engels erreicht wurde.50 Bei den süditalischen Texten, die sich mit dem Erzengel Michael beschäftigen, handelt es sich zum einen um den Liber de apparitione Sancti Michaelis in monte Gargano51 und zum anderen um die Vita sancti Laurentii episcopi Sipontini52. Der Liber berichtet über die Erscheinungen Michaels auf dem Monte Gargano und wurde wohl im ausgehenden 8. oder frühen 9. Jahrhundert von einem langobardischen Autor niedergeschrieben, der sich möglicherweise auf ältere Schriften stützte.53 Im Liber wird unter anderem herausgestellt, dass der Erzengel selbst dieses Heiligtum gründete, in dem ihm Ehrungen zuteilwerden sollten. Weiter beschreibt die Geschichte einen Kampf zwischen den noch heidnischen Neapolitanern54 und Benevent, in den der Erzengel zugunsten der Beneventaner eingriff; in einem dritten Teil wird die Kirchenweihe geschildert.55 Der zweite Michaelstext, die Vita des Laurentius, wurde wohl im 9. oder 10. Jahrhundert verfasst.56 Auch hier findet die Handlung im späten 5. und frühen 6. Jahrhundert statt, und ebenso kam es zu Kämpfen zwischen den noch heidnischen Neapolitanern und den christlichen Bewohnern Sipontos und Benevents.57 Im Traum sei der Erzengel dem Bischof von Siponto erschienen und habe ihm Anweisungen gegeben, wie er den Kampf gewinnen könnte, und somit seien letztlich die christlichen Truppen siegreich gewesen.58 Die beiden Texte zeigen auf, dass es in den späteren Jahrhunderten nach der erfolgreichen Eroberung dieser Region das Bedürfnis gab, eine christliche Vergangenheit zu konstruieren, die zudem den alten Konflikt zwischen Benevent und Neapel enthielt, wobei letztere Stadt wiederum durch ihr Heidentum degradiert wurden.
50 Vgl. FALKENHAUSEN, Die Städte im byzantinischen Italien, S. 446. 51 Vgl. Liber de apparitione Sancti Michaelis in Monte Gargano, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 540–543; BHL 5948. 52 Ein Auszug findet sich bei WAITZ Ex Vita Laurentii Episcopi Sipontii, in: Scriptores rerum langobardicarum et italicarum saec. VI–IX. (MGH SS rer. Lang.), hg. v. Georg WAITZ, Hannover 1878, S. 543–545; AASS, Feb. II., 60–62; BHL 4790. 53 Vgl. KELLY, The Beneventan Chant, S. 11; SCHALLER, Der Erzengel Michael, S. 120. 54 Die Schilderung von den heidnischen Neapolitanern, die erst durch Benevent christianisiert werden, erscheint auch in der Chronica Sancti Benedicti Casinensis. Vgl. Chronica Sancti Benedicti Casinensis, S. 469. 55 Vgl. Liber de apparitione Sancti, S. 541f., vgl. zur Interpretation des Liber SCHALLER, DER ERZENGEL MICHAEL, S. 122f.; Mario SENSI, Santuari e culto di S. Michele nell’Italia centrale, in: Culto e santuari di San Michele nell’Europa medievale. Atti del congresso internazionale di studi (Bari – Monte Sant’Angelo, 5–8 aprile 2006) = Culte et sanctuaires de Saint Michel dans l’Europe médiévale (Bibliotheca Michaelica, 1), hg. v. Pierre BOUET/Giorgio OTRANTO/André VAUCHEZ, Bari 2007, S. 241–280, hier S. 242. 56 Vgl. HARRISON, The Duke and the Archangel, S. 14. 57 Vgl. Ebd., S. 14. 58 Vgl. Liber de apparitione Sancti, S. 541f.; SCHALLER, Der Erzengel Michael, S. 120f.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Das beneventanische Festdatum fällt auf den 8. Mai, der legendarischen Erscheinung des Engels auf dem Monte Gargano.59 In den drei Kalendarien aus Monte Cassino wird am 8. Mai nur in einer der drei Handschriften des Erzengels gedacht, nämlich im Codex Casanatensis 641,60 dem jüngsten der Kalender, der an den Anfang des 9. Jahrhunderts datiert.61 Dies gilt ebenso für den 29. September, an dem es heißt: Dedicatio basilic(ae Michaelis Archangeli)62. Im Marmorkalender von Neapel findet der Engel an drei Tagen Erwähnung, nämlich am 8. Mai, am 5. Juli und am 29. September.63 Da in Neapel der byzantinische Einfluss groß war und der Kult des Erzengels ursprünglich aus Byzanz gekommen war, kann dieses Phänomen leicht erklärt werden. Zudem dürften die räumliche Nähe zum Monte Gargano sowie die allgemeine Verbreitung des Michaelskultes in der Region einer Förderung der Verehrung in Neapel zugutegekommen sein. Der 5. Juli enthält in keinem der Kalendarien aus Monte Cassino einen Eintrag. Bei diesem Festtag scheint es sich demnach um einen neapolitanischen Feiertag gehandelt zu haben, der sich nicht regional etablierte und bei dem zudem nicht bekannt ist, was konkret gefeiert wurde. Es stellt sich die Frage, warum keiner der Feiertage des Erzengels in den beiden älteren Handschriften erwähnt wird. LOEW hat bei diesem Phänomen den Eindruck, dass das Michaelsfest an diesem Tage in dieser Region besonders verbreitet war, was in den Kalendarien aber erst im 9. Jahrhundert fassbar ist.64 Dies ist gut möglich, allerdings schwerlich zu beweisen. 7.1.2.
Werke über die gemeinsam verehrten Heiligen
Der Subdiakon Petrus von Neapel verfasste in der Zeit zwischen 956 und 962 die Passio65 des Georgios aus Kappadokien.66 Der Heilige wird im Marmorkalender von Neapel am 23. April genannt67, in den Codices Parisinus 7530 und Casana-
59 Vgl. SCHALLER, Der Erzengel Michael, S. 158. 60 Hier heißt es S. Angeli. Aufgrund des Datums kann geschlossen werden, dass damit der Engel Michael gemeint ist, auch wenn der Name selbst nicht genannt wird. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 21 u. 75. 61 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 20f. 62 Vgl. Ebd., S. 28f. 63 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 25. 64 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 75. 65 Vgl. BHL 3393. Die BHL Online-Datenbank führt von diesem Text 38 Handschriften auf, die hauptsächlich in italienischen Archiven aufbewahrt und in die Zeit zwischen dem 10. und dem 17. Jahrhundert datiert werden. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=3393&RequestTimeout=500. Das Werk wurde von D’ANGELO ediert. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sancti Georgii, in: Pietro Suddiacono napoletano. L'opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 65–94. 66 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117. 67 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6.
Gemeinsame Heilige
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tensis 641 jeweils am 24. April68. Hierbei liegt wahrscheinlich ein Abschreibfehler vor, da er ebenso bei Beda69 und im Synaxarium von Konstantinopel70 am 23. April genannt wird. Somit ist feststellbar, dass dieser Heilige sowohl im Westen als auch im Osten bekannt war und Verehrung erfuhr, aber nicht in allen kalendarischen Werken der Region aufgenommen wurde. Zudem war ihm eine Kirche in Neapel geweiht.71 Der Text enthält keine Hinweise auf die Stadt Neapel, der Verfasser nennt sich namentlich72, ohne allerdings auf den Entstehungsort einzugehen. Als Verfasser der Passio des Bischofs Petrus von Alexandria73 wird von D’ANGELO Guarimpotus angenommen, weshalb als Entstehungszeit das ausgehende 9. Jahrhundert angenommen werden kann.74 Der Verfasser des Textes nennt sich nicht selbst, weswegen nur Vermutungen bezüglich der Autorenschaft angestellt werden können,75 und auch die Stadt Neapel wird nicht aufgeführt. Petrus von Alexandria war ein Bischof und Märtyrer, der besonders in der Ostkirche Verehrung erfuhr.76 Der Festtag des Heiligen wird am 25. November zelebriert und ist im Marmorkalender von Neapel, im Synaxarium von Konstantinopel und im Martyrologium Bedas enthalten.77
68 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 18f. 69 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 47. 70 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 623: Ἄθλησις τοῦ ἁγίου καὶ ἐνδόξου μεγαλομάρτυρος Γεωργίου. 71 Vgl. Gesta episcoporum Neapolitanorum, S. 405; GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 49. 72 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 65. Als Grund für die Erstellung seines Werkes gibt Petrus an, dass es bereits Übersetzungen gebe, die allerdings alle nicht gut seien. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 65: … beati Georgii martyris passionem variis translatoribus vitiatam emendare studens, plurimis incongruis amputatis … Somit ging es ihm darum, zu Ehren des Heiligen eine bessere Übersetzung anzufertigen, die seiner angemessen war. 73 BHL 6692 und 6693. Ausschnitte aus seiner Passio sind in einem unkritischen Druck zugängig. 74 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 120. Allerdings gibt er in seiner Auflistung den Text als Vita an. Auch von Paul DEVOS wurde der Text in der Liste der Werke des Guarimpotus aufgenommen. Vgl. DEVOS, L’oeuvre de Guarimpotus, S. 170–178. DEVOS druckte den Prolog des Werkes, welcher in dem unkritischen Druck der Bibliotheca Casinensis fehlt, ab. Vgl. DEVOS, L’oeuvre de Guarimpotus. Die Auseinandersetzung mit der Passio beginnt auf Seite 170, der Prolog ist auf Seite 174f. zu finden. 75 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 120. 76 Vgl. Joseph-Marie SAUGET, Pietro I., in: Bibliotheca Sanctorum. Band X, Rom 1968, Sp. 762–770. Er ging gegen Arianus und dessen Lehre vor und verfasste viele Schriften, die von den Kirchenvätern rezipiert wurden. Vgl. Ernst LÜDEMANN, Petrus von Alexandria, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band VII 1994, S. Sp. 326–328, hier Sp. 326f. 77 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 256: … καὶ ἀρχιεπισκόπου Πέτρου Ἀλεξανδρείας. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 148.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Etwa um die Mitte des 10. Jahrhunderts78 wurde für den heiligen Erasmus ein Text vom Subdiakon Petrus in Neapel verfasst79, in dem seine Leidensgeschichte niedergeschrieben wurde. Der Festtag des Heiligen am 2. Juni ist sowohl im Marmorkalender von Neapel80 als auch in den Ergänzungen zu Casanatensis 64181 und im sogenannten Martyrologium des Erchempert82 enthalten. Daher kann seine Verehrung in Neapel und Benevent postuliert werden und es kann davon ausgegangen werden, dass diese zumindest in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts bei den Mönchen aus Monte Cassino geläufig war. Auch im Synaxarium von Konstantinopel und im Martyrologium Bedas erscheint dieser Heilige.83 Die Passio von Petrus Subdiaconus wurde ohne Prolog überliefert, weswegen es nicht möglich ist, eine Nennung der Stadt oder des Verfassers nachzuvollziehen. Der Text an sich beschreibt die Leidensgeschichte des Erasmus, der in Antiochia das Martyrium erlitt, wo er Bischof gewesen war.84 Weiterhin gibt es eine Passio85 von einem unbekannten Verfasser für den Heiligen, die D’ANGELO in das 9. oder 10. Jahrhundert datiert86. Da die Passio ebenfalls keinen Prolog hat beziehungsweise keiner abgedruckt wurde, kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob der Verfasser sich oder Neapel nennt. Sowohl im Marmorkalender von Neapel87 als auch im Codex Casanatensis 88 641 und im sogenannten Martyrologium Erchemperts89 erscheint der heilige Anastasius der Perser, dessen Festtag am 22. Januar begangen wird90. Für ihn wurde in der Mitte des 10. Jahrhunderts von Gregorius Clericus eine Passio übersetzt.91 Laut Carmela FRANKLIN wurde der Text allerdings nicht in Neapel, son-
78 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. 79 BHL 2585bγ. Der Text liegt heute in der Edition von D’ANGELO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sancti Erasmi, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 218–238, S. 218–238. 80 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. 81 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 23. 82 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 78. 83 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 726; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 69. 84 Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 218f. 85 BHL 2578–2582. 86 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. Sie liegt heute nur in Auszügen in den Acta Sanctorum vor. Vgl. AASS, Iun. I., S. 213–217. 87 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 22. 88 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 13. 89 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 77. 90 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 413; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 11f. 91 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 114; BHL 411. Es haben sich insgesamt 14 Manuskripte erhalten, die in die Zeit zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert datiert werden. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=0411&RequestTimeout=500. Von diesen Manuskripten liegt nur eines in Neapel BN Codex VIII. B. 3. fol. 298v–308v aus dem 11. Jahrhundert, die anderen Texte sind in Rom zu finden.
Gemeinsame Heilige
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dern in Rom erstellt.92 Der Prolog nennt den Übersetzer, der als Grund für sein Werk angibt, dass die erste Übersetzung so schlecht sei, weshalb er den Auftrag bekommen habe, eine neue zu verfassen.93 Auch ein Auftraggeber wird genannt, der sich allerdings nicht eindeutig mit einem der beiden Bischöfe namens Athanasius von Neapel identifizieren lässt.94 Der Marmorkalender von Neapel nennt den Festtag des heiligen Eusthratius am 13. Dezember95 und auch in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641 wird der Heilige aufgeführt,96 wohingegen seine Gefährten nicht enthalten sind. Eusthratius und seine Gefährten erfuhren zunächst im griechischen Osten Verehrung, was daran ersichtlich ist, dass sie zwar im Synaxarium von Konstantinopel enthalten sind,97 aber beispielweise nicht bei Beda. Für Eusthratius und seine Gefährten wurde von Guarimpotus in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts eine Passio verfasst.98 Im Prolog nennt sich der Verfasser und Übersetzer und nimmt eine zeitliche Einordnung vor, nachdem er angibt, dass Athanasius Junior, also Athanasius II., Bischof war.99 Vielleicht sollte durch diese Nennung auch dessen Ehre verbreitet werden, da er sich für die Etablierung der neapolitanischen Übersetzungen eingesetzt hatte, sodass die Werke über die Heiligen ins Lateinische übersetzt wurden. Die Passio selbst geht nicht mehr auf die Verfasserstadt oder auf einen dort bestehenden Kult des Heiligen ein. Für die vierzig Märtyrer von Sebaste wurde ein Text von Johannes Diaconus von Neapel zu Beginn des 10. Jahrhunderts übersetzt, welcher ursprünglich vom
92 Vgl. FRANKLIN, The Latin Dossier of Anastasius, S. 85 und v. a. S. 96–100. Auch wenn die Übersetzung der Passio nach neuester Forschungsmeinung nicht mehr in Neapel, sondern in Rom erstellt wurde, so lässt sich der Kult des Heiligen doch aufgrund seiner Nennung in den verschiedenen kalendarischen Werken belegen. Der Prolog des Textes ist in der Edition Mais zu finden, vgl. MAI, Spicilegium Romanum, S. 238–285, während der weitere Text in der Bibliotheca Casinensis abgedruckt wurde. Vgl. Gregorius clericus, Passio sancti Anastasii et socii, in: Bibliotheca Casinensis. Seu codicum manuscriptorum qui in tabulario Casinensi asservantur series. Cura et studio monachorum ordinis S. Benedicti abbatiae Montis Casini, Montecassino 1877, S. 102–109. 93 Vgl. MAI, Spicilegium Romanum, S. 283. 94 Vgl. FRANKLIN, The Latin Dossier of Anastasius, S. 98. 95 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. 96 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 35. 97 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 305: Ἄθλησις τῶν ἁγίων μαρτύρων Εὐστρατίου, Αὐξεντίου, Εὐγενίου, Μαρδαρίου καὶ Ὀρέστου. 98 BHL 2778. Der Text liegt heute in einem unkritischen Druck vor, wobei der Prolog von DEVOS bearbeitet wurde. Vgl. DEVOS, L’oeuvre de Guarimpotus, S. 154f. 99 Guarimpotus, Passio sancti Eustratii et sociorum eius, in: Bibliotheca Casinensis. Seu codicum manuscriptorum qui in tabulario Casinensi asservantur series. Cura et studio monachorum ordinis S. Benedicti abbatiae Montis Casini, Montecassino 1877, S. 193–205, hier S. 193: Athanasius iunior parthenopensis ecclesiae presul; Athanasii patrui sui magnifici presulis studia secutus; mirabilis acuminis ingenio pollen; imperio suo me guarimpotum impluit; ut de graeca in latinam vocem vitam sanctissimi eustratii transfundere minime recusarem.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Bischof Evodius von Caesarea verfasst worden war.100 Bei diesen Heiligen handelte es sich um vierzig Soldaten, die nach dem Bekenntnis ihres Christentums zum Tod durch Erfrieren auf einem Eissee in Sebaste verurteilt wurden.101 Einer von ihnen soll Helianus gewesen sein, jener Heilige, der 763 durch einen Gastalden nach Benevent gebracht worden war.102 Tatsächlich werden in der Passio alle Märtyrer namentlich aufgelistet, zu denen ebenfalls der heilige Helianus zählt.103 Im Marmorkalender sind die Märtyrer an ihrem Festtag am 9. März genannt.104 Sie stehen im Codex Casanatensis 641,105 zudem erscheinen sie im Synaxarium Constantinopolitanum.106 Der Verfasser nennt sich selbst im Prolog und gibt einen Abt Johannes des Klosters S. Severin in Neapel als seinen Auftraggeber an.107 Die Heiligen Cosmas und Damian erfuhren bereits vor der Erstellung ihres Mirakelberichtes, der im 10. Jahrhundert von Cicinnus verfasst wurde108, Verehrung in Neapel, was aus dem Marmorkalender ersichtlich ist, in dem beide enthalten sind. So wird Cosmas am 16. August aufgeführt und mit Damian zusammen am 27. September und 22. Oktober.109 In den ältesten Kalendarien aus Monte Cassino, im sogenannten Martyrologium Erchemperts und bei Beda ist ihr Festtag am 27. September in allen Fassungen genannt.110 Zudem sind sie im Synaxarium von Konstantinopel aufgenommen, dort allerdings am 17. Oktober.111 Dies zeigt, dass diese beiden Heiligen über eine große Bekanntheit in der Region verfügten. Daher ist annehmbar, dass sie auch in Benevent geläufig waren. Dies mag mit der frühen Verehrung der beiden Märtyrer sowohl in Konstantinopel als auch in Rom 100 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121. Der Text der Passio findet sich in den Acta Sanctorum, wobei diese auf zwei vorhandene Editionen zurückgriffen, vgl. AASS, Mar. II., S. 22–25. Hier findet sich der Text allerdings zum 10. März. 101 Vgl. AASS, Mar. II. S. 24f. 102 Siehe Kapitel 5.1.1.1. 103 Vgl. AASS, Mar. II. S. 22. 104 ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 7: Pā. s. Quadraginat. 105 LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 16f.: Natalis Sanctorum XL coronatorum. 106 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 39. 107 AASS, Mar. II., S. 22: Domnus enim Ioannes spiritalis noster Pater, Abbas quoque monasterij S. Seuerini, cum me infelicissimum Ioannem Diaconum … Hier erklärt er, dass dieser Text eine Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische ist. AASS, Mar. II., S. 22: … ut passionem eorum Latinis transferre sermonibus minime recusarem. 108 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. 109 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9f. Von ihm wurden diese beiden Heiligen am 27. September zu den Märtyrern aus Rom gezählt, am 22. Oktober zu den orientalischen Heiligen. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 31 u. 45. Diese Zuweisung macht er an der Nähe der Festtage zu dem Martyrologium Hieronymianum und dem Synaxarium von Konstantinopel fest. 110 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 28f.; Erchempert, Martyrologium, S. 79; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 120. 111 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 145. Hierbei soll es sich um den Todestag der beiden Heiligen gehandelt haben. Vgl. Jillian HARROLD, Saintly Doctors: The Early Iconography of SS. Cosmas and Damian in Italy, University of Warwick 2007, S. 38f. http://wrap.warwick.ac.uk/38150/.
Gemeinsame Heilige
235
zusammenhängen112, da sich somit zwei Verehrungsstränge feststellen lassen, von denen beide Strömungen in Unteritalien unterschiedlich präsent waren. Dort wurde aber nicht der griechische Festtag übernommen, sondern der römische.113 Aufgrund dieser weit verbreiteten Verehrung überrascht es nicht, dass Cicinnus im 10. Jahrhundert einen Mirakelbericht114 der beiden erstellte115, wodurch sich der Kult weiter etablieren konnte. Im Text werden die Wunder, die durch die Heiligen gewirkt wurden, geschildert, ohne Bezugnahme auf die Übersetzungsstadt oder auf die Umstände, unter denen die Übersetzung vorgenommen wurde. Es wird generell kein Ort genannt, an dem die Wunder geschahen. Juliana ist eine Heilige aus dem griechischen Osten, die in Nicomedia das Martyrium erlitt, ihre Reliquien jedoch nach Cuma gebracht wurden. Ihr Festtag am 16. Februar ist sowohl im Marmorkalender von Neapel116 als auch in den Ergänzungen zu Codex Casanatensis 641117 und im sogenannten Martyrologium des Erchempert118 enthalten. Im Synaxarium von Konstantinopel ist sie am 21. Dezember, ihrem Festtag in der Ostkirche, genannt.119 Obwohl sonst häufig sowohl der lateinische als auch der byzantinische Festtag im Marmorkalender enthalten sind, wurde dies hier nicht vorgenommen. Anscheinend war der lateinische Feiertag in Neapel von Bedeutung. Vom Subdiakon Petrus wurde zwischen 956 und 962 für die Heilige eine Passio verfasst120, in der er die Ereignisse ihrer Leidensgeschichte schildert. Die Pas-
112 Vgl. HARROLD, Saintly Doctors, S. 26–68. 113 Am 27. September war in Rom die Kirche der beiden Heiligen durch Papst Felix IV. (526– 530) eingeweiht worden, weswegen dieser Tag im Westen zelebriert wurde. Vgl. Ebd., S. 33f. 114 BHL 1979. Von Paolo CHIESA wurde der Prolog des Textes nicht vor dem Mirakelbericht abgedruckt, was mit der schlechten Überlieferung des nur unvollständig erhaltenen Werkes und der teilweise unverständlichen Ausdrucksweise des Verfassers erklärt wird. Vgl. Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, in: Le traduzioni dal greco: L’evoluzione della scuola napoletana nel X secolo (Mittellateinisches Jahrbuch, 24/25), hg. v. Paolo CHIESA 1989/1990, S. 83–86, hier S. 80. Einige Auszüge aus dem Prolog werden in dem Text zuvor besprochen und sind dort in den Fußnoten zu finden. In diesen Ausschnitten nennt sich der Verfasser des Werkes, Cicinnus, selbst. Vgl. Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, S. 80 Anm 42. 115 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. Der Mirakelbericht wurde von CHIESA ediert, der dabei allerdings nur auf eine Handschrift zurückgreifen konnte. Vgl. CHIESA, Le traduzioni dal greco, S. 79; Cincinnus, Miracula Cosmae et Damiani, S. 83–86. Aufgrund der schlechten Zugänglichkeit zum Prolog lässt sich keine eindeutige Aussage darüber machen, ob Neapel erwähnt wird oder ob auf die politischen Geschehnisse in der Zeit der Niederschrift eingegangen wurde. 116 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 117 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 15. 118 Vgl. Erchempert, Martyrologium, S. 78. 119 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 333. 120 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118. Die neueste Edition des Werkes liegt in der Untersuchung D’ANGELOS über den Subdiakon Petrus und sein Werk vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sanctae Iulianes, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 99–116; BHL 4526. Dieser Text hat sich in neun Handschriften erhalten, von denen
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
sio beginnt mit einem Prolog, in dem sich der Verfasser des Werkes, Petrus, selbst nennt,121 und endet mit der Schilderung, dass die Reliquien der Heiligen von einer christlichen Frau, die von den Wundern der heiligen Juliana erfahren hatte, nach Unteritalien in die Stadt Cuma gebracht wurden, wo sie in der Kirche des heiligen Maximus niedergelegt wurden.122 Für Euplius haben sich mehrere Texte erhalten, zwei123 davon werden von 124 D’ANGELO in den Untersuchungszeitraum datiert, aber nur der Mirakelbericht 125 wurde in die Acta Sanctorum und ebenfalls von CAPASSO aufgenommen126. Die Passio (BHL 2730b) liegt in einer Arbeit von Pio Franco DE CAVALIERI vor.127 Der Verfasser ist unbekannt und das Werk wird ins 8.–11. Jahrhundert datiert, wobei D’ANGELO als Entstehungsort Neapel nur vermutet.128 Das Werk beginnt ohne Prolog direkt mit den Geschehnissen, die in die Zeit von Diocletian und Maximian eingeordnet werden.129 Aufgrund des fehlenden Prologs kann nicht gesagt werden, ob sich der Verfasser des Werkes in diesem nennt und gleichzeitig den Entstehungsort seines Textes aufzeigt. Somit kann lediglich festgestellt werden, dass für den heiligen Euplius eine Passio niedergeschrieben wurde, die seine Leiden in Catania schildert, ohne dass eine Verbindung mit Neapel hergestellt wird. Die Miracula S. Eupli stellen eine Sammlung der Wunder des Heiligen dar. Insgesamt enthält der Text nur zwei Wunder, die von dem Heiligen in Neapel gewirkt wurden. Der Text ist undatiert und von einem unbekannten Autor ver-
121 122
123
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einer in Benevent und einer in Neapel aufbewahrt werden, die beide in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert werden. Benevento, BC, codex V, 181v–187v, 1076–1125; Napoli, BN, codex VIII. B. 5., 071v–080, 12. Jh. Drei weitere Texte sind in Rom und vier weitere im Vatikan zu finden. Diese datieren in die Zeit zwischen dem 11. und dem beginnenden 17. Jahrhundert. Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 99. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 116: … translatum est corpus eius in civitatem Cumanam, in ipso episcopio et in beati martyris Maximi basilica cum gloria collocatum … Maximus’ Verehrung kann lediglich in Neapel nachgewiesen werden. Auch für ihn wurde dort ein Werk verfasst. Hier findet sich also eine Verbindung zwischen zwei Texten, die beide im Umfeld der Übersetzer von Neapel entstanden sind und sich mit Heiligen auseinandersetzen, die in einer benachbarten Stadt, nämlich Cuma, Verehrung erfuhren. Anders als bei Maximus handelt es sich allerdings bei Juliana um keine lokale Märtyrerin, ihre Reliquien wurden erst nach ihrem Tod in diese Stadt gebracht. Ihre Passio wurde vor derjenigen des Maximus’ übersetzt, was vielleicht mit ihrer größeren Bekanntheit in der Region zusammenhing. BHL 2730b u. 2731. In der BHL Online-Datenbank findet sich für BHL 2730b nur eine Handschrift, die im Vatikan aufbewahrt wird. Vaticano, Vat. Lat., 01190, fol. 062v–063v, 12. Jahrhundert. Von BHL 2731 ist ebenfalls nur eine Handschrift in der Online-Datenbank aufgeführt, die in Neapel liegt. Napoli, BN, codex VIII. B. 8., fol. 033–038, 1. Hälfte 11. Jahrhundert. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. Vgl. AASS, Aug. II., S. 721–723. Vgl. CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 329–331. Vgl. CAVALIERI, Note Agiografiche, S. 52–54. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. Vgl. CAVALIERI, Note Agiografiche, S. 52.
237
Beneventanische Heilige
fasst, erwähnt aber im ersten Kapitel einen Herzog Johannes von Neapel, bei dem es sich vermutlich um Johannes II. handelt, der von 915–919 im Amt war130. Es heißt, dieses Wunder habe in der Zeit seines dritten Regierungsjahres stattgefunden, also 917.131 In den edierten Fassungen ist den Mirakeln kein Prolog vorangestellt. Bei beiden Mirakeln handelt es sich um Heilungswunder, die er an kranken Frauen wirkte. Diese Wunder geschahen in Neapel, was mit dem Vorhandensein einer Kirche unter dem Patrozinium Euplius’ erklärt werden kann, da sich auf diesem Wege vermutlich auch Reliquien in der Stadt befanden, wodurch der Heilige in der Stadt selbst Wunder wirken konnte. 7.2. BENEVENTANISCHE HEILIGE Neben den gemeinsamen Heiligen gibt es einige Verehrte, die nur in den beneventanischen Quellen genannt werden. Sie erscheinen also nicht im Marmorkalender. Auch in diesem Falle war die Erwähnung in Codex Casanatensis 641 oder seinen Ergänzungen ausschlaggebend. Die anderen Kalendarien und das sogenannte Martyrologium wurden nur als Vergleichsfolie herangezogen. Heilige, die in den anderen kalendarischen Werken erscheinen wurden nicht aufgenommen, da sie nichts über die Kultaktivitäten in Benevent aussagen. Heiliger
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanatensis 641 tensis Additiones
Agapitus Almachius
6. Aug.
6. Aug.
6. Aug. 1. Jan.
Apollonius Apuleius Arthelasus Barbatus Cassianus Celsus 28. Jul. Christina
28. Jul.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
6. Aug. 8. Jul. 7. Okt. 3. Mrz. 19. Feb.
13. Aug 28. Jul. 25. Jul.
Marmorkalender von Neapel
7. Okt.
28. Jul.
130 Vgl. CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 329; MALLARDO, L’incubazione nella cristianità, S. 469. 131 CAPASSO, 1. Monumenta ad Neapolitani, S. 329: … tempore quo Iohannes consul Neapolitanae urbis anno tertio regni sui consulatum regebat …
238
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Columba von Sens Constantius u. Felix Cornelius u. Cyprianus Dionysius u. Eleutherius Dionysius von Paris Eustachius Felicissimus Felix u. Agapitus Germanus Grisogono Hilarius Jakobus maior Jason u. Maurus Johannes Julianus Leo I. Leucius Lupus Marcellus u. Apoleius Margarita Matthias Marcianus Mauritius Mercurius
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
31. Dez. 1. Sept.
1. Sept.
1. Sept.
14. Sept.
14. Sept.
14. Sept. 9. Okt.
9. Okt.
9. Okt. 20. Mai
6. Aug.
6. Aug.
6. Aug.
6. Aug.
30. Okt.
30. Okt.
30. Okt.
5. Aug. 30. Okt. 24. Nov.
13. Jan.
12. Jan.
25. Jul.
25. Jul.
25. Jul.
26. Jun.
26. Jun.
26. Jun.
20. Mai
30. Okt. 12. Jan.
11. Jul. 16. Feb. 11. Apr. 11. Jan. 29. Jul. 7. Okt. 13. Jul. 24. Feb. 14. Jun. 22. Sept. 25. Aug.
24. Feb. 22. Sept. 25. Nov.
239
Beneventanische Heilige
Heiliger
Nabor u. Felix Nazarius u. Celsus Nazarius Pancratius Paulus Praxedis
Cavensis 23
Parisinus 7530
12. Jan. 28. Jul. 28. Jul. 11. Mai 26. Jun.
28. Jul. 28. Jul. 12. Mai 26. Jun.
28. Jul. 28. Jul. 12. Mai 26. Jun.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti 12. Jul.
12. Mai 20. Jul.
Rusticus Sabinus Sama Secundinus Severus Tamarus Theodorus Theodorius Tiburtius Timotheus Trophimenis Victor Xystus u. Felicissimus u. Agapitus Zeno
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
9. Okt. 9. Feb. 26. Aug. 25. Mai 20. Jul.
20. Jul.
20. Jul. 15. Okt. 26. Mai 9. Nov. 21. Apr. 23. Aug.
8. Mai
8. Mai
7. Mai
6. Aug.
6. Aug.
6. Aug. 14. Dez.
5. Nov. 9. Mai
8. Mai
6. Aug.
6. Aug.
Neben den gemeinsam verehrten Päpsten wurden in dem Kalendar in Benevent noch einige weitere Bischöfe Roms aufgeführt. So wird in allen Kalendarien aus Monte Cassino und dem sogenannten Martyrologium Erchemperts der Papst Cornelius (251–253) an seinem Festtag am 14. September aufgeführt132, während er 132 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 28f.
240
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
im Marmorkalender von Neapel nicht erscheint. Papst Sixtus II. (257–258), dessen Festtag am 6. Augustus ist, wird in allen drei Kalendarien aus Monte Cassino und ferner im sogenannten Martyrologium Erchemperts genannt.133 Papst Leo I. (440–461) wird nur im Codex Casanatensis 641 am 11. April aufgelistet.134 Keiner dieser Päpste wird im Synaxarium von Konstantinopel genannt. Einen Sonderfall stellt die heilige Margarita dar, die laut den kalendarischen Werken nur in Monte Cassino/Benevent Verehrung erfuhr. So erscheint im Codex Casanatensis 641 am 13. Juli eine heilige Margarita135, bei der es sich laut LOEW um eine heilige Märtyrerin von Antiochien handelt136. Diese Nennung ist der einzige Beleg ihrer Verehrung, weil sie weder im Marmorkalender noch im sogenannten Martyrologium des Erchempert erscheint. Im Synaxarium von Konstantinopel ist die Heilige hingegen am 17. Juli eingetragen.137 Sollte es sich bei dieser Heiligen tatsächlich um Margarita von Antiochien handeln, so wäre dies ein singuläres Zeugnis für eine östliche Heilige, die nur in einem Kalendar aus Monte Cassino aufgeführt wurde. Heute hat diese Heilige ihren Festtag am 20. Juli und in der orthodoxen Kirche am 17. Juli.138 Von Petrus Subdiaconus wurde um 950 eine Passio für diese Heilige übersetzt.139 An keiner Stelle des Textes wird Neapel oder der Übersetzer erwähnt. Die Bekanntheit des heiligen Theodorius kann sicher in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Benevent belegt werden, da in den Ergänzungen zum Codex Casanatensis 641 sein Name am 9. November aufgeführt wird.140 Seine Passio141 wurde in der Zeit zwischen 939 und 955 von Bonitus in Neapel niedergeschrieben.142 Da er nicht im Marmorkalender von Neapel erwähnt wird, ist es
133 134 135 136 137 138 139
140 141 142
Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 26f.; Erchempert, Martyrologium, S. 79. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 19. Vgl. Ebd., S. 25. Vgl. Ebd., S. 77. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 825. Vgl. Joseph-Marie SAUGET, Marina di Antiochia, in: Bibliotheca Sanctorum. Band VIII, Rom 1967, Sp. 1150–1160, hier Sp. 1153f. BHL 5008. Die BHL-Onlinedatenbank führt neun Handschriften auf, die in Neapel, Rom und im Vatikan aufbewahrt werden. Die jüngsten stammen aus dem 11. Jahrhundert. http://bhlms.fltr.ucl.ac.be/Nquerysaintsection.cfm?code_bhl=5308&RequestTimeout=500. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno; S. 119. Die neueste Edition des Textes liegt im Werk D’ANGELOS vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sanctae Magaritae, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 243–260. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 33. Ein weiterer Festtag des Heiligen ist der 7. Februar. BHL 8086. Die Passio wurde in den Acta Sanctorum ediert, wobei das Werk eine Übersetzung aus dem Griechischen ist. Vgl. AASS, Feb. II., S. 30–37. Vgl. Edoardo D’ANGELO, Bonitus Neapolitanus Subdiac., in: La trasmissione dei testi latini del Medioevo. Mediaeval Latin Texts and their transmission (Millennio medievale, 75), hg. v. Paolo CHIESA/Lucia CASTALDI, Florenz 2008, S. 138–140, hier S. 140. Diese Datierung
241
Neapolitanische Heilige
schwierig, seinen Kult in Neapel zu postulieren. Lediglich im Prolog des Textes wird kurz auf Neapel als Entstehungsort eingegangen und der Verfasser nennt sich selbst namentlich.143 7.3. NEAPOLITANISCHE HEILIGE Die neapolitanischen Heiligen lassen sich durch ihre singuläre Nennung im Marmorkalender identifizieren. Sie sind manchmal auch im sogenannten Martyrologium des Erchempert zu finden, was allerdings nicht auf einen Kult in Benevent verweist, sondern eher die Vermutung aufkommen lässt, dass diese Heiligen auch in Capua bekannt waren, wo der Mönch sein Werk verfasste. Die geographische Nähe zwischen Neapel und Capua macht eine Bekanntheit der jeweiligen Heiligen in der anderen Stadt wahrscheinlich. Daher werden diese Heiligen nicht gesondert behandelt. Heiliger
Abraham Abramius Achaicus Acindinus Acutius Adeodatus Adrianus Adjutor Africanus Agapitus Agapius Agnellus
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanatensis 641 tensis Additiones
Marmorkalender von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
9. Okt. 22. Dez. 24. Dez. 2. Nov. 18. Okt. 1. Okt. 2. Mrz.; 26. Aug. 1. Sept. 10. Apr. 17. Apr.; 18. Aug. 22. Jul. 9. Jan.
kann aufgrund der Erwähnung des Gregorius im Prolog vorgenommen werden. AASS, Feb. II., S. 30: … viris Gregorius Parthenopensis loci servator … 143 AASS, Feb. II., S. 31: Quapropter me Bonitum, indignum Subdiaconum Ecclesia Neapolos, compluit, quatenus S. Theodori gesta potiori serie pertractare, et me totis nisibus eluctantem ad hoc quod voluit inclinavit invitum.
242
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Agrippinus
Alexander Ananias Anastasia Anthimus Antiochus Antonina Aphrodisius Aquilina Arcadius Arethas Aristocles Arsacius Artemon Aspren Asyncritus Athanasius Athenogenes Autonomus Baccus Barbara Basileus Basiliscus Basilissa Basilius Blasius Bonifatius Brigida
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
9. Nov. 8. Jun.; 31. Aug.; 4. Sept. 5. Mai 27. Mai 6. Jun. 16. Jul. 11. Jun. 4. Mai 7. Mrz. 13. Jun. 1. Okt.; 24. Okt. 23. Jun. 12. Nov. 8. Okt. 3. Aug. 20. Jun. 18. Jan.; 2. Mai 16. Jun. 12. Sept. 7. Okt. 4. Dez. 26. Apr. 22. Mai 7. Jan. 6. Mrz.; 1. Jan. 3. Feb. 14. Mai 23. Jul.
5. Jun.
243
Neapolitanische Heilige
Heiliger
Caesarius Callinice Calvus Carpus Castrensis Castulus Christina Christina Christina Christophorus Chrysanthus Chrysogonus Cindinus Claudius Coelestinus pp Constantinus imp. Constantinus patr. Coronati Cosmas ep Crescentius Cretenses Cyricus Cyrillus Daniel
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
1. Nov. 1. Apr. 20. Mrz.; 18. Nov. 13. Okt. 11. Feb. 23. Mrz. 13. Mrz. 31. Mai 6. Sept. 9. Mai; 24. Jul. 21. Aug.; 19. Mrz.; 25. Okt. 24. Nov. 20. Feb. 4. Feb. 8. Apr. 21. Mai 9. Aug. 8. Nov. 16. Aug. 28. Mai 23. Dez. 15. Jul. 18. Mrz.; 7. Jun.; 7. Jul. 12. Dez.; 17. Dez.
24. Nov.
244
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Daria Dasius Demetrius Desiderius Diomedes Dionysius von Athen Dometius Donatus von Lybien Eleazar Eleutherius Eleutherius ep. Elias Elissaeus Elpidius Epaphroditus Ephebus Ephraem Epimachus Epimeneus Epiphanius ep. Epipahnius patr. Const. Esaias Eulalia Eulampius Eulampia Eupraxia Eusebius
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel 19. Mrz.; 25. Okt. 20 Nov. 23. Dez. 7. Sept. 28. Okt. 2. Okt.; 3. Okt. 3. Okt. 4. Jul. 1. Aug. 18. Apr. 15. Dez. 19. Dez. 28. Nov. 15. Jan. 18. Mai 23. Mai 28. Jan.; 22. Dez. 31. Okt. 18. Feb. 12. Mai 5. Jan. 9. Mai 10. Dez. 10. Okt. 10. Okt. 25. Jul. 14. Aug.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
245
Neapolitanische Heilige
Heiliger
Eusignius Eustasius Eustrasius Eususio Euthymius Eutyches Eutychius ep. Eutychius patr. Exaltatio Fausta Febronia Felix Felix ep. Festus Florentinus Fortunata Fortunatus ep. Neap. Gajane Gajus pp. Galatianus Gaudiosus ep. Gerasimus Germanus ep. Gerontius Glycerius Gordius Gregorius ep. Arm.
Cavensis 23
Parisinus 7530
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel 5. Aug. 10. Sept.; 20. Sept. 24. Dez. 24. Dez. 20. Jan. 18. Okt. 28. Mrz. 6. Apr. 14. Sept. 6. Feb. 25. Jun. 29. Jul. 30. Aug. 7. Sept. 12. Okt. 14. Okt. 14. Jun. 28. Sept. 22. Apr. 16. Jan. 12. Jul.; 27. Okt.; 5. Mrz. 31. Jul. 12. Apr. 31. Mrz. 3. Jan. 30. Sept.; 2. Dez.; 3. Dez.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
246
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
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Parisinus 7530
Gregorius Thaum. Gregorius Theol. Grisantus
Ignatius ep. Syr. Innocentius pp. Joachim u. Anna Johannes Chrysostmos Johannes ep. Neap. Johannes u. Cyrus Irenaeus Irene
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
17. Nov. 25. Jan. 21. Aug. 2. Mrz.; 28. Aug. 31. Okt. 27. Feb. 21. Okt.
Hadrianus Heraclius Hierontius Hilarion Hilarion mon. Hyacinthus Jacobus Ap. 22. Jun. Jacobus der Perser Jacobus Jason
CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
22. Jun.
11. Mai 11. Sept. 25. Mai; 15. Nov.; 29. Dez. 27. Nov. 1. Mai 10. Jul. 29. Jan.; 17. Okt.; 18. Dez.; 20. Dez. 24. Apr. 6. Jun.; 9. Sept. 10. Jan.; 27. Jan.; 13. Nov. 3. Apr. 31. Jan. 27. Jun. 27. Apr.
30. Sept.
247
Neapolitanische Heilige
Heiliger
Isaac ep. Cypr. Isaacius mon. Julianus u. Basilissa Julitta Justinus phil. Leonides Leontius ep. Longinus Lucianus Macarius Mamas Marcellianus Marcellus ep. Syr. Marcellus Marcianus Marcinianus Marcus ab. Marcus u. Marcellianus Marcus Maria Aeg. Maro ep. Neap. Martinianus Martyrius Mauricius
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Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
21. Sept. 27. Mrz.; 30. Mai 7. Jan. 15. Jul. 1. Jun. 16. Apr. 26. Jul. 16. Okt. 3. Jun. 21. Nov. 2. Sept. 18. Jun. 28. Feb. 7. Okt. 30. Okt.; 31. Okt. 12. Jan. 4. Mrz. 18. Jun. 18. Jul. 9. Apr. 15. Jun. 2. Jul. 8. Dez. 19. Jul.
7. Okt.
248
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Maurus Maximianus Maximus Maximus Menander Methodius Metrophanes patr. Const. Modestus Montanus Myrope Natalia Nicasius Nicephorus Nicetas Nicodemus Nicolaus Octo Onesimus ep. Pancratius ep. Pantaleon Paphnutius Papylus u. Carpus Patermuthius Patricius Paulus ap. Paulus ep.
Cavensis 23
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CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
10. Jul. 11. Jun. 30. Okt. 11. Jun. 30. Mrz. 5. Nov. 4. Jan.; 4. Jun. 18. Dez. 16. Mrz. 13. Jul. 2. Mrz.; 26. Aug. 9. Jun. 9. Feb. 13. Sept. 15. Mrz. 6. Dez. 24. Mrz. 17. Mrz. 8. Jul. 15. Feb.; 27. Jul. 20. Apr. 13. Okt. 16. Dez. 19. Mai 30. Jun. 23. Aug.
29. Jun.
249
Neapolitanische Heilige
Heiliger
Paulus ep. Const. Paulus ep. II. Neap. Paulus ep. III. Neap. Paulus erem. Paulus Pegasius Pelagia Peregrinus Petrus Philippus ep. Philo Philotheus Pionius Polybius ep. Polycarpus Polycarpus Polycarpus Pomponius ep. Neap. Poplius Porphyrius Priscus u. Adjutor Probus u. Elias Processus u. Martinianus Proclus
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6. Nov. 3. Mrz. 17. Feb. 19. Jan. 13. Okt. 2. Nov. 5. Okt. 30. Jan. 2. Jun. 10. Apr. 24. Jan. 19. Nov. 11. Mrz. 13. Mai 2. Apr. 6. Jul. 23. Feb. 30. Apr. 10. Mrz. 26. Feb. 1. Sept. 5. Sept.; 19. Dez. 2. Jul. 20. Nov.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
250
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Protus u. Hyacinthus Quodvultdeus ep. Redux ep. Renatus Restituta Ripsimia u. Gajane Romanus Rufina u. Secunda Rufinus Rufus Rufus Sabas Sabinus Sabinus Samone Samuel Saturninus Schinon Secunda Sergius u. Bacchus Severus ep. Neap. Sieben Schläfer Silas ap. Simon fr. Dom. Simon Simplicius Sophronius
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11. Sept. 19. Feb. 29. Mrz. 6. Okt. 16. Mai 28. Sept. 25. Sept. 9. Jul. 7. Apr. 21. Jun. 27. Aug. 5. Dez. 26. Mrz. 15. Okt. 15. Nov. 7. Mai 7. Feb.; 29. Nov. 24. Dez. 9. Jul. 7. Okt. 29. Apr. 17. Aug. 26. Nov. 17. Sept. 2. Feb. 29. Jul. 1. Mrz.
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
251
Neapolitanische Heilige
Heiliger
Sosius Speratus Spyridon ep. Stephanus ep. Stephanus ep. Neap. Symeon Symeon Salus Terentinus u. Africanus Terentius Thaddaeus ap. Thalelaeus Thecla Theodora Theodorus Theodorus Theodosia Theodosius ep. Theodosius imp. Theodosius mon. Theodotus Theodulus Theotecnus Thermus Thomas patr.
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Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
23. Sept. 17. Jul. 14. Dez. 2. Aug. 11. Apr. 24. Mai 21. Jul. 10. Apr. 11. Dez. 20. Aug. 20. Mai 22. Feb.; 22. Aug.; 24. Sep. 12. Jan. 15. Apr. 14. Jul. 29. Mai 25. Feb. 10. Nov. 11. Jan. 4. Nov. 4. Apr. 4. Okt. 5. Apr. 22. Mrz.
17. Nov.
252
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Heiliger
Thutael Tiburtius Tiburtius und Valerius Timotheus patr. Titus ep. Cretae Tres pueri Trigintatres Tryphon Ursus ep. Neap. Valerianus Victor Victor ep. Vitalianus Vitalis Phocas Xenophon mon. Zacharias Zacharias Zenais Zenais Zenon
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CasanaCasanaMarmortensis 641 tensis Ad- kalender ditiones von Neapel
Index Sanctorum Martyrologii Erchemperti
5. Sept. 11. Aug. 14. Apr. 13. Feb. 24. Aug. 17. Dez. 7. Nov. 1. Feb. 21. Feb. 14. Apr. 12. Nov. 8. Feb. 3. Sept. 28. Apr. 20. Sept.; 22. Sept. 26. Jan. 23. Okt. 15. Mai 5. Jun. 11. Okt. 12. Jun.
Nur im Marmorkalender von Neapel erscheint eine Vielzahl von Heiligen aus dem Alten Testament. An Propheten sind im Marmorkalender laut ACHELIS Samuel am 7. Mai, Jesaja am 9. Mai, Zacharias am 15. Mai und Elisa am 28. No-
Neapolitanische Heilige
253
vember enthalten.144 Elisa wird ebenfalls im Synaxarium von Konstantinopel am 28. November aufgeführt145, während Beda ihn am 14. Juni nennt146. Schwieriger sind die Daten bei Samuel nachzuvollziehen, der laut dem Marmorkalender seinen Festtag am 7. Mai hat147, im Synaxarium von Konstantinopel aber am 20. August aufgeführt wird148 und auch bei Beda an diesem Tag genannt wird149. Weder in der westlichen noch in der östlichen Kirche ist der Festtag am 7. Mai verbreitet. Somit ist hier nicht klar, warum Samuel in Neapel an diesem Tag gefeiert wird, da dies scheinbar in keiner Tradition steht. Bei Daniel und Eleazar fehlt jeweils hinter dem Namen die Bezeichnung „Prophet“, weswegen sie MALLARDO nicht als solche erkannte, sondern lediglich Elisa, Jesaja, Samuel und Zacharias.150 Da am 17. Dezember der S. tres pueri et Daniel gedacht wird, also der drei jungen Männer, die im Buch Daniel im Feuerofen wandeln151, ist es wahrscheinlich, dass mit diesem Daniel der Prophet gemeint ist. Bei Beda wird der Prophet am 21. Juli gefeiert152, während er im Synaxarium am 17. Dezember zu finden ist.153 Anders verhält sich dies bei dem Propheten Jesaja, der im Marmorkalender am 9. Mai genannt wird154, ebenso im Synaxarium von Konstantinopel155, aber nicht im Martyrologium Bedas vorkommt. Zudem wird am 15. Mai im Marmorkalender der Prophet Zacharias gefeiert156, der im Synaxarium von Konstantinopel am 16. Mai aufgeführt wird157, er steht jedoch überhaupt nicht im Martyrologium Bedas. Somit scheint das Gedenken der Propheten des Alten Testaments in den westlichen kalendarischen Werken keine gängige Praxis gewesen zu sein. Inwieweit dies zu einem tatsächlichen Kult um diese Propheten führte, kann aber nicht festgestellt werden. Auch im Marmorkalender von Neapel wurde eine Auswahl getroffen, welche Propheten aus dem Alten Testament aufgenommen wurden, da etwa Moses nicht aufgeführt wird, obwohl er im Synaxarium von Konstantinopel158 und bei Beda159 jeweils am 4. September genannt wird. Somit stellt sich hier die Frage, nach welchen Kriterien die Heiligen für den Marmorkalender aus-
144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159
Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 23. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 264. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 75. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 909. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 102. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 220. Vgl. Dn 3. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 89. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 317. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 665. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 689. Vgl. Ebd., S. 11. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 109.
254
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
gesucht wurden, da die Festtage bekannt waren, aber anscheinend nicht als erwähnenswert im Marmorkalender angesehen wurden. Insgesamt fällt bei den italischen Quellen auf, dass es sich bei der Nennung der Heiligen aus dem Alten Testament um die gleichen Festtage handelt, die auch im Synaxarium von Konstantinopel aufgeführt werden. Somit ist annehmbar, dass griechische Einflüsse ausschlaggebend für die Aufnahmen in den Heiligenkalender Neapels waren. Dies erklärt zudem, warum diese Heiligen nicht in den Kalendarien aus Monte Cassino oder im sogenannten Martyrologium des Erchempert genannt werden, wobei festzuhalten ist, dass einige der Heiligen bei Beda aufgeführt sind. So nennt der Marmorkalender am 9. Oktober Abraham160, der auch im Martyrologium Bedas161 und im Synaxarium von Konstantinopel162 an diesem Tag aufgeführt ist. Joachim und Anna wurden nur im Marmorkalender von Neapel aufgeführt, gemeinsam an ihrem Festtag am 9. September.163 Am 25. Juli wird zudem eine Anna genannt164, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Mutter Marias sein soll, da sie an diesem Tag auch im Synaxarium von Konstantinopel ohne Joachim erwähnt wird.165 Im Synaxarium sind die beiden am 9. September zusammen enthalten166. Weder in den Martyrologien von Monte Cassino und im sogenannten Martyrologium des Erchempert noch bei Beda gibt es einen Eintrag zu diesen Heiligen, weswegen anzunehmen ist, dass es sich hier um eine griechische Tradition handelt, die sich in Neapel wiederspiegelt und zunächst keine weitreichende Verbreitung fand. Komplizierter gestaltet sich der Fall bei einem Heiligen namens Zacharias, der im Marmorkalender am 23. Oktober genannt wird167, an welchem seine memoria zelebriert wird, während er in den anderen kalendarischen Werken der Region und im Martyrologium Bedas nicht mehr erscheint. In einigen Fassungen des Synaxariums von Konstantinopel wird an diesem Tag ein Zacharias erwähnt.168 Von ACHELIS wird bei diesem Heiligen auf Lukas 1,5 verwiesen, wodurch er den Heiligen mit dem Vater Johannes’ des Täufers identifiziert.169 Doch ist dies nicht ohne weiteres haltbar, da dessen Festtag auf den 23. September fällt, an dem er im Synaxarium von Konstantinopel gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth genannt wird170. Die Bezeichnung als Priester am 23. Oktober im Synaxarium weist den Heiligen auch nicht eindeutig aus. Möglicherweise liegt hier ein Übertragungsfeh-
160 161 162 163 164 165 166 167 168
Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 125. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 124. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9. Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 841. Vgl. Ebd., S. 29. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 155: Συνέφθασεν δὲ καὶ τοῦ ἁγίου Ζαχαρίου τοῦ ἱερέως καὶ Συμεὼν τοῦ δικαίου. 169 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 23. 170 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 71.
Neapolitanische Heilige
255
ler vor und es wurde versehentlich der Heilige im falschen Monat eingetragen. Die Angaben im Marmorkalender selbst geben keine weiteren Informationen über den Heiligen. Da der Festtag des Propheten Zacharias am 15. Mai zelebriert wird und dieser Tag ferner im Marmorkalender aufgenommen wurde, ist wohl nicht dieser Prophet damit gemeint, sodass es sich wohl tatsächlich um den Vater des Johannes handelt.171 Am 20. Oktober wird im Marmorkalender ein Cornelius erwähnt, der von ACHELIS als der erste Bischof von Caesarea identifiziert wurde.172 Er erscheint weder in den Kalendarien aus Monte Cassino noch im sogenannten Martyrologium Erchemperts und auch bei Beda wird er nicht genannt. Im Synaxarium von Konstantinopel ist er am 13. September aufgeführt.173 Mit der Bezeichnung als Apostel werden noch weitere Heilige im Marmorkalender gelistet, die nicht zu den ursprünglichen zwölf Jüngern Jesu zählen; so etwa der Apostel Ananias (5. Mai)174 oder der Apostel Silas (26. November)175. Beide werden in den Kalendarien aus Monte Cassino und im sogenannten Martyrologium Erchemperts nicht genannt. Silas erscheint im Synaxarium von Konstantinopel ebenfalls am 26. November176, während Ananias am 1. Oktober zelebriert wird177. Die beiden Heiligen kommen in der Apostelgeschichte vor, in der sie im Umfeld des Paulus in Erscheinung treten.178 Somit waren sie Christen der ersten Zeit, weswegen ihnen eine besondere Bedeutung zukam. Ihr Erscheinen in der Apostelgeschichte begründete vielleicht ihre Bezeichnung als Apostel. Zudem erscheinen weitere Heilige, die im Umfeld der Missionsreisen des Paulus von Bedeutung waren beziehungsweise bereits früh das Christentum angenommen und verbreitet hatten, wie der Bischof Titus von Kreta, der am 24. August179 im Marmorkalender aufgeführt ist, der Bischof Epaphroditus (18. Mai)180, der Heilige Jason (10. Juli)181, der Bischof Dionysius (2. Oktober)182, der Bischof
171 Der Vater des Täufers Johannes, Zacharias, wird zwar nicht in den Martyrologien aus Monte Cassino aufgeführt, doch befindet sich in der Kirche S. Sophia ein Fresko, das ihn zeigt, und welches in die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert wird. Vgl. BELTING, Studien zum Beneventanischen Hof, S. 178. Hierbei handelt es sich aber wahrscheinlich eher um die Darstellung einer biblischen Geschichte und weniger um ein Heiligenbild. 172 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 24. Act 10. Bei MALLARDO wurde dieser Heilige nicht weiter untersucht. Er erscheint in keiner der Listen und auch nicht im Index. 173 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 38. 174 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8. 175 Vgl. Ebd., S. 11. 176 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 260. 177 Vgl. Ebd., S. 95. 178 Zu Silas siehe: Act 15,22. 27. 32. 34. 40; 16, 19. 25. 29; 17, 4. 10. 14f.; 18, 5; 2 Cor 1,19; 1 Thess 1,1; 2 Thess 1,1; 1 Petr 5,12. Zu Ananias Act 9,10–19. 179 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9; Tit 1,4ff. 180 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8; Phil 2,25; 4,18. 181 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8; Act 17,5ff. 182 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10; Act 17,34.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
Onisimus (17. März)183 sowie die heilige Thecla184, die sogar drei Festtage im Marmorkalender einnimmt, nämlich am 22. Februar, am 22. August und am 24. September185. Keiner dieser Heiligen befindet sich in einem der anderen kalendarischen Werke der Region186, weswegen in diesem Falle nach dem griechischen Ursprung dieser Festtage gefragt werden muss. Die heilige Thecla wird im Synaxarium von Konstantinopel am 24. September187 genannt, zudem in einigen Fassungen des Synaxariums am 13. Februar188. Der heilige Dionysius, der erste Bischof von Athen, wird nicht am 2., sondern am 3. Oktober189 aufgeführt, Onisimus steht nicht am 17. März im Synaxarium, sondern am 7. September in einem Eintrag für einen ἀποστὀλου Ὀνησϕὀρου190 und ebenfalls in einigen Fassungen des Synaxariums am 17. Januar191. Letzteres Datum wird auch von MALLARDO als Parallele aufgeführt, wobei er allerdings ein Fragezeichen davorsetzt192, da die Informationen, die sich im Synaxarium zu diesem Heiligen finden, keine eindeutige Identifizierung zulassen. Die Bezeichnung als Apostel macht eine große Nähe zu den apostelgeschichtlichen Geschehnissen wahrscheinlich, wohingegen die Daten zwischen dem Marmorkalender und dem Synaxarium nicht übereinstimmen. Anders ist dies bei Epaphroditus, dessen Festtag auch im Synaxarium am 18. Mai gefeiert wird.193 Titus wird im Synaxarium am 25. August aufgeführt194 und nicht wie im Marmorkalender am 24. August, während Jason im Synaxarium überhaupt nicht genannt wird. Im Martyrologium Hieronymianum erscheint hingegen am 11. Juli ein Jason195, wobei hier der gleiche Heilige vermutet werden kann. Da es aber keine näheren Bezeichnungen im Martyrologium dazu gibt, kann über eine Übereinstimmung nur spekuliert werden. Somit kann festgestellt werden, dass einige der nur im Marmorkalender genannten biblischen Heiligen, die auch in der Ostkirche Verehrung erfuhren, teil-
183 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 7; Kol 4,19; Phlm 10. 184 Zum Kult dieser Heiligen im byzantinisch-griechischen Raum siehe Stephen J. DAVIS, The Cult of Saint Thecla. A Tradition of Women’s Piety in Late Antiquity (The Oxford Early Christian Studies), Oxford 2001; Martin EBNER, Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt (Stuttgarter Bibelstudien, 206), Stuttgart 2005. 185 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6, 9, 10. 186 In dem Codex Casanatensis 641 erscheint eine heilige Thecla am 17. November, wobei sie von LOEW als Heilige aus Trieste identifiziert wird. Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 62. Diese Heilige ist in keinem anderen kalendarischen Werk der Region, weswegen eine Zuordnung schwierig ist. Eine Thecla ist im Martyrologium Hieronymianum ebenfalls am 17. November genannt. Vgl. Martyrologium Hieronymianum ad fidem, S. 144. 187 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 75. 188 Vgl. Ebd., S. 462. 189 Vgl. Ebd., S. 101. 190 Vgl. Ebd., S. 24. 191 Vgl. Ebd., S. 398. 192 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 148. 193 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 694. 194 Vgl. Ebd., S. 922. 195 Vgl. Martyrologium Hieronymianum ad fidem, S. 90.
Neapolitanische Heilige
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weise vom Synaxarium abweichende Verehrungstage besaßen, die in den anderen kalendarischen Werken nicht nachvollzogen werden können, weswegen eine lokale neapolitanische Tradition annehmbar ist. Die Vielzahl der Heiligen aus der Umgebung des Apostels Paulus lässt die Vermutung zu, dass besonders dessen Missionierungsreise und die damit verbundene Ausbreitung des Christentums in den kirchlichen Praktiken Neapels eine bedeutende Rolle einnahmen. So werden erste Bischöfe wichtiger Standorte oder Weggefährten des Paulus aufgeführt und verehrt. Insbesondere scheint Paulus eine große Rolle innerhalb der byzantinischen Heiligenverehrung gespielt zu haben.196 Von besonderer Bedeutung ist im Marmorkalender der heilige Kirchenvater Ignatius von Antiochia, der immerhin mit vier Festtagen, nämlich am 29. Januar, am 17. Oktober, am 18. und am 20. Dezember erwähnt wird.197 So viele Festtage besitzt ansonsten nur noch Johannes der Täufer.198 Der 18. Dezember ist allerdings nicht der gebräuchliche Feiertag, der auf den 17. Dezember fällt.199 Seine besondere Bedeutung mag daher rühren, dass es sich bei ihm um den dritten Bischof von Antiochia handelte, von dem zahlreiche Schriften erhalten sind, in denen er sich mit wichtigen kirchlichen Fragen auseinandersetzte.200 Trotz dieser anscheinend herausragenden Rolle in Neapel erscheint der Heilige in keinem weiteren kalendarischen Werk der Region und entweder hat sich kein Text über ihn erhalten, oder es wurde keiner über ihn verfasst. Er steht auch im Synaxarium von Konstantinopel am 29. Januar201 und am 20. Dezember202. Nur der 17. Oktober lässt sich in diesen Quellen nicht belegen. Insgesamt wirkt es verwunderlich, dass dieser Heilige so viele Festtage im Marmorkalender erhielt. Dies lässt lediglich den Schluss zu, dass er in der Zeit der Erstellung des Kalenders eine derart wichtige Rolle im Heiligenkult der Stadt einnahm, weshalb er an allen seinen Festtagen, die in der Stadt begangen wurden, genannt werden sollte.
196 Ein Beleg für die besondere Bedeutung des Apostels Paulus ist auch in dem vergeblichen Versuch der byzantinischen Kaiserin Konstantina zu sehen, die sich im Jahr 594 bemühte, den Kopf des Apostels Paulus von Gregor dem Großen zu erhalten. Vgl. Mischa MEIER, Das andere Zeitalter Justinians (Hypomnemata, 147), Göttingen 2003, S. 625. 197 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 164. 198 Siehe Kapitel 6.4.1. 199 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 22. Da aber am 18.Dezember kein anderer Ignatius zu finden ist, ist möglicherweise von einem Eintragungsfehler auszugehen. Am 17. Dezember wird Ignatius bei Beda genannt, wobei hier die Translation des Heiligen nach Antiochia zelebriert wird. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 161: Translatio sancti Ignacii martyris, qui tertius post Petrum apostolum Antiochenam rexit ecclesia. Apud urbem Romam passus, sed Antiochie postmodum sepultus. 200 Vgl. FREY, Apostelbegriff, Apostelamt und Apostolizität, S. 104ff.; Allen BRENT, Ignatius of Antioch. A Martyr Bishop and the origin of Episcopacy, London und New York 2007. 201 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 429f. 202 Vgl. Ebd., S. 329.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
An Päpsten werden neun im Marmorkalender genannt, für die es zehn Gedenktage gibt, da Papst Sylvester (314–335) zweimal erwähnt wird.203 Der erste Papst ist Gaius (283–296) und der späteste Leo II. (682–683). Lediglich der Marmorkalender von Neapel nennt noch die Päpste Stephanus I. (254–274) am 2. August204, Coelestin I. (422–432) am 8. April205, Agapitus (535– 536) am 17. April206 und Gaius (283–296) am 22. April207. Bei diesen Festtagen handelt es sich entweder um ihre lateinischen oder ihre griechischen Daten208, wobei die Festtage auch auf das gleiche Datum fallen können. So ist Stephanus im Synaxarium von Konstantinopel am 2. August genannt209, ebenso bei Beda210. Coelestin erscheint im Synaxarium von Konstantinopel am 8. April211, bei Beda jedoch am 7. April212. Während Agapitus im Marmorkalender am 17. April zelebriert wird, nennt ihn das Synaxarium von Konstantinopel am 18. April213 und bei Beda erscheint er erst am 22. April214. Gaius wird im Martyrologium Bedas ebenfalls am 22. April aufgeführt215, aber im Synaxarium von Konstantinopel ist er nicht enthalten. Auch bei Innozenz I. gibt es Unstimmigkeiten bezüglich des Datums, wobei hier der Grund unbekannt ist.216 Im Marmorkalender wird sein Fest am 24. April begangen.217 Allerdings ist nicht bekannt, wieso die Neapolitaner an diesem Tag den Papst zelebrierten, da hierfür weder eine lateinische noch eine griechische Quelle ausfindig gemacht werden kann, die als Vorlage gedient haben könnte.218
203 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 87. Bei ACHELIS wird zudem Marcellus am 7.Oktober zu den Päpsten gezählt, da er davon ausgeht, dass mit diesem Papst Markus gemeint sei, der ebenfalls an diesem Tag seinen Festtag besitz, doch ist es wahrscheinlicher, dass es sich bei Marcellus um einen Heiligen aus Capua handelt. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 27. 204 Vgl. Ebd., S. 9. 205 Vgl. Ebd., S. 7. 206 Vgl. Ebd., S. 7. 207 Vgl. Ebd., S. 7. 208 Vgl. Ebd., S. 27. 209 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 864. 210 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 95. 211 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 592. 212 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 41. 213 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, Propylaeum, S. 611. Zur Aufnahme des Papstes im Synaxarium von Konstantinopel siehe Wolfgang LACKNER, Westliche Heilige des 5. und 6. Jahrhunderts im Synaxarium ecclesiae Constantinopolitanae, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 19 (1970), S. 185–202, hier S. 186–188. 214 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 46. 215 Vgl. Ebd., S. 46. 216 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 88. ACHELIS vermutet das Synaxarium von Konstantinopel als Hintergrund. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 27, führt hier aber keinen Beleg an. 217 Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 87. 218 Vgl. Ebd., S. 88.
Neapolitanische Heilige
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Obwohl es einige östliche Heilige gibt, die neben dem Marmorkalender von Neapel ebenfalls in den kalendarischen Werken aus dem Umkreis Monte Cassinos erscheinen, erfuhr das Gros der östlichen Heiligen doch nur in Neapel Verehrung. Innerhalb des Marmorkalenders kann sowohl eine Vielzahl an östlichen Heiligen als auch an östlichen Festtagen festgestellt werden, wobei einige Heilige dort sowohl mit ihrem lateinischen als auch ihrem griechischen Gedenktag aufgeführt sind.219 Dies erklärt die größere Anzahl von Heiligen, die nur in Neapel Verehrung erfuhren, während das beneventanische Sondergut im Vergleich geringer ausfällt. Einige Texte über die östlichen Heiligen wurden in Neapel verfasst, wodurch sie auch einer nicht griechischsprachigen Bevölkerung zugängig gemacht werden konnten. 7.3.1.
Werke über Heilige mit kalendarisch belegter neapolitanischer Verehrung
Von Guarimpotus wurde eine Predigt220 über die Reliquien des Bischofs und Kirchenvaters Johannes Chrysostomos von Konstantinopel übersetzt.221 Dies ist also kein typischer hagiographischer Text wie etwa eine Vita oder eine Passio. Die Predigt wurde zu Ehren des Verstorbenen gehalten und berichtete dabei über die Gebeine des Heiligen und ihre Verehrung. Johannes Chrisostomos wird Marmorkalender von Neapel am 27. Januar222 und am 13. November und im Synaxarium von Konstantinopel am 13. November genannt,223 während er bei Beda am 27. Januar aufgelistet ist.224 Dies zeigt, dass im Marmorkalender sowohl der lateinische als auch der griechische Festtag des Kirchenvaters zelebriert wurde. Im Text selbst sind keinerlei Bezüge zur Untersuchungsregion zu finden, allerdings gibt es eine kurze Vorbemerkung des Verfassers, in welcher er darauf verweist, dass ein gewisser Cosma Vestitore225 ein Werk über die Gebeine des heiligen Va-
219 Vgl. Ebd., S. 163. MALLARDO zählt an dieser Stelle 14 Heilige, oder Heiligenpaare auf, die sowohl mit ihrem lateinischen als auch ihrem griechischen Festtag genannt werden. 220 Für diesen Text gibt es keine BHL-Nummer. CHIESA edierte die lateinische Übersetzung der Predigt. Vgl. Guarimpotus, Sermo in reditu reliquarum sancti Iohannis Chrysostomi, in: La traduzione latina del „Sermo in reditu reliquarum sancti Iohannis Chrysostomi“ di Cosma il Vestitore eseguita da Guarimpoto grammatico (Aevum, 63), hg. v. Paolo CHIESA 1989, S. 162–171. 221 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118. 222 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 223 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 217; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. 224 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 13. 225 Auffällig ist, dass hier ein griechischer Name mit einer lateinischen Amtsbezeichnung kombiniert wird, also Charakter Neapels hier entgegentritt.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
ters Johannes Chrisostomos verfasst habe und er, Guarimpotus, auf Bitten des Presbyters Lupos diesen Text aus dem Griechischen übersetzt habe.226 Möglicherweise verfasste Guarimpotus im 9. Jahrhundert ebenfalls für den heiligen Gregorius von Armenien eine Vita.227 Der Festtag dieses Heiligen ist am 30. September und wird im Marmorkalender von Neapel und im Synaxarium von Konstantinopel genannt.228 Der Vita ist ein Prolog vorangestellt, in dem sich der Verfasser zwar nicht selbst nennt, aber es eine Erwähnung der Stadt Neapel gibt.229 Auf diesen Prolog folgt die Lebensbeschreibung, ohne dass an einer weiteren Stelle auf Neapel oder das Untersuchungsgebiet eingegangen wird. Da der Text nicht eindeutig datiert werden kann, ist eine Aussage darüber, ob Greorgios von Armenien bereits vor der Erstellung des Marmorkalenders Verehrung erfuhr oder ob der Text letztlich erst zur Bekanntheit des Heiligen führte, nicht möglich. Sollte der Verfasser tatsächlich Guarimpotus sein, wäre die Vita vermutlich eher dem Ende des 9. Jahrhunderts zuzuordnen und somit erst nach der Erstellung des Marmorkalenders niedergeschrieben worden, sodass es bereits zuvor eine Verehrung des Heiligen in Neapel gab. Ein Beleg für eine bereits vorhergehende Verehrung des Gregorius ist ein Kloster, das zu einem nicht eindeutigen Zeitpunkt zwischen dem 8. Jahrhundert und 921 in Neapel unter seinem Patrozinium gegründet wurde.230 Für die heilige Febronia wurde eventuell von Guarimpotus im 9. Jahrhundert eine Passio aus dem Griechischen übersetzt.231 Der Festtag der Heiligen wird am 226 Guarimpotus, Sermo, S. 162: Beati Cosme Beastiarii dicta in reditu reliquiarum sanctissimi patris nostri Iohannis Chrisostomi que Guarimpotus grammaticus transtulit de Greca in Latinam linguam, rogante Lupo humilio presbytero. 227 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117f.; BHL 3664. In der BHL OnlineDatenbank ist von diesem Werk nur eine Handschrift angeführt. Vaticano, Barb. Lat., 0583, fol. 021r–041v, 12. Jh. Die Vita wurde in den Acta Sanctorum ediert. Vgl. AASS, Sep. VIII., S. 402–413. 228 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 89: Ἄθλησις τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν Γρηγορίου, ἐπισκόπου γενομένου τῆς μεγάλης Ἀρμενίας … 229 AASS, Sep. VIII., S. 403: … quae intra Parthenopensem urbem monasterium puellarum Dei suo nomini dedicatum religiose et sapientissime regit, verbis ornatioribus e aggredior decorare, ut et piae postulationi videar satisfacere, et apud Dominum Martyris interventu mihi locum merear invenire. 230 Vgl. GRANIER, Topografia religiosa e produzione, S. 50. 231 BHL 2843. Vgl. DEVOS, L’oeuvre de Guarimpotus, S. 164–170; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117. Der Text der Passio wurde von CHIESA ediert, der die verschiedenen Versionen des Werkes bearbeitete. Vgl. Paolo CHIESA, Le versioni latine della „Passio Sanctae Febroniae“. Storia, metodo, modelli di due traduzioni agiografiche altomedievali (Medioevo latino / Biblioteca, 2), Spoleto 1990. Insgesamt haben sich zehn Manuskripte des neapolitanischen Textes erhalten, vgl. CHIESA, Le versioni latine, S. 213, die teilweise voneinander abweichen. Vgl. Passio Sanctae Febroniae, in: Le versioni latine della „Passio Sanctae Febroniae“. Storia, metodo, modelli di due traduzioni agiografiche altomedievali (Medioevo latino / Biblioteca, 2), hg. v. Paolo CHIESA, Spoleto 1990, S. 296–326, hier S. 318–320. Die Kapitel 32 und 33 wurden daher zweispaltig abgedruckt, um die Unterschiede aufzuzeigen.
Neapolitanische Heilige
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25. Juni zelebriert und ist bereits im Marmorkalender von Neapel und im Synaxarium von Konstantinopel enthalten.232 Der Prolog nennt zwar nicht den Verfasser des Textes, doch gibt er Datierungsangaben wieder, die in die Amtszeit Athanasius’ II. fallen.233 Neapel wird lediglich am Anfang des Werkes genannt, ansonsten wird die Geschichte der Heiligen geschildert, die in keiner Beziehung zu der Stadt stand, in der die Übersetzung gefertigt wurde. Es werden keine Gründe für die Übersetzung genannt und kein Auftraggeber aufgeführt. In Benevent wurde im Jahr 903 die Vita des Gregorius Nazianzensus von einem Ademar übersetzt.234 Im Prolog nennt sich der Übersetzer und gibt Benevent als Verfassungsort an.235 Der weitere Text enthält nur die Übersetzung der Vita. Im Synaxarium von Konstantinopel, im Martyrologium Bedas und im Marmorkalender von Neapel ist der Heilige an seinem Festtag am 25. Januar enthalten.236 Es ist schwierig, aufgrund der Erstellung einer Übersetzung einen Kult zu postulieren, doch ist zumindest die Bekanntheit des Heiligen in Benevent ab 903 zu vermuten. Die Vita der heiligen Maria Aegyptiaca237 wurde zwischen 843 und 876 von Paulus Diaconus von Neapel niedergeschrieben238, wobei es sich um die Übersetzung eines griechischen Textes handelt, der im 7. Jahrhundert verfasst worden war239. Lediglich in Neapel lässt sich für Maria Aegyptiaca ein Kult belegen, da sie an ihrem Festtag, am 9. April, im Marmorkalender erwähnt wird.240 Am
232 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 8; Synaxarium Constantinopolitanum, S. 769. 233 Passio Sanctae Febroniae, S. 297: Denique Athanasius iunior, Napoleos urbis antistes, scriptuarum studiis apprime eruditus, vitam et agonem gloriose martyris Phebronie, necnon et beatissimi Petri Alexandrine cathedre pontificis ex greco stylo latinis auribus transferri precepit. 234 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118; Auszüge sind im Catalogus codicum hagiographicorum latinorum antiquiorum saeculo XVI qui asservantur in Bibliotheca Nationali Parisiensi (Subsidia Hagiographica, 2), Brüssel 1889, S. 226–227 zu finden. 235 Catalogus codicum hagiographicorum latinorum, S. 227: Indicaveruntque illi quendam Ademarum, natione Beneventanum, quique et lector ab antistite ejusdem Beneventanae urbis fuerat ordinatus. 236 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 421; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 13. 237 BHL 5415. Der Text der Vita liegt in keiner kritischen Edition vor, er ist nur in der Patrologia Latina zu finden, vgl. Johannes Diaconus, Vita Euthymii, in: PL LXXIII, Sp. 671–690. Dazu gibt Auszüge aus dem übrigen Text in einem Aufsatz von MEERSSEMAN. Vgl. Gilles G. MEERSSEMAN, Kritische Glossen op de Vita Mariae Aegyptiacae, in: Dr. L. Reypens-album (Studien en tekstuitgaven van Ons Geestelijk Erf, 16), hg. v. Leonce REYPENS, Antwerpen 1964, S. 205–228, hier S. 214–228. 238 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 119. Von ihm wird die Vita als Passio bezeichnet, was allerdings insofern nicht möglich ist, als dass die Heilige eines natürlichen Todes starb und keine Märtyrerin war, für die ein derartiger Text hätte geschrieben werden können. 239 Vgl. MEERSSEMAN, Kritische Glossen, S. 205. 240 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 7.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
1. April wird ihr Festtag im Synaxarium von Konstantinopel241 genannt. Im Martyrologium Bedas ist sie weder am 1. noch am 9. April aufgeführt. Dem eigentlichen Prolog der Vita ist ein Vorwort des Übersetzers vorgeschoben. Der erste Satz enthält direkt die Widmung an einen König Karl, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um Karl den Kahlen oder Karl III. gehandelt hat.242 In diesem Teil nennt sich der Verfasser des Textes nicht selbst und er geht ebenfalls nicht auf den Entstehungsort ein. Der Diakon Johannes von Neapel übersetzte in der Zeit des ausgehenden 9. und beginnenden 10. Jahrhunderts die Vita des heiligen Euthymius243, der im Marmorkalender am 20. Januar erwähnt wird.244 Er erscheint ebenfalls im Synaxarium von Konstantinopel.245 Ihm wurde im Jahr 956 eine Kirche in Neapel geweiht246, was seine Bedeutung in der Stadt aufzeigt. Zudem kann hier nachvollzogen werden, dass zunächst die Übersetzung des griechischen Textes existierte und erst später eine Kirche für den Heiligen errichtet wurde. Allerdings war der Heilige bereits vor der Erstellung des lateinischen Werkes bekannt, da er im Marmorkalender erwähnt wird, anscheinend aber zunächst keinen Kultort besaß. Im Prolog nennt sich der Übersetzer Johannes Diaconus selbst, gibt aber keine näheren Informationen über sich, außer dass er Diakon sei und den Auftrag bekommen habe, einen Text über den Priester und Bekenner Euthymius zu übersetzen.247 Im anschließenden Text wird Neapel nicht mehr erwähnt, da diese Stadt im Leben des Heiligen keine Rolle spielte. Weiterhin steht der Festtag des heiligen Maximus’ am 30. Oktober im Marmorkalender von Neapel.248 Gegen Ende des 9. oder zu Beginn des 10. Jahrhunderts wurde für diesen Heiligen, der im 4. Jahrhundert sein Martyrium erlitt, eine
241 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 577. 242 Vgl. BRUNHÖLZL, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 336; PL LXXIII, Sp. 672: Domino gloriosissimo ac praestantissimo regi Carolo. 243 BHL 2778d; Vgl. DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 325f.; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117. Die neueste Edition liegt in einer Arbeit von DOLBEAU vor, der einen Auszug des Werkes kritisch bearbeitete. Vgl. DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 327–335. Der Prolog findet sich auf den Seiten 321–322. Hierbei gilt zu beachten, dass der Text zum Teil beschädigt und unvollständig überliefert ist. Vgl. DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 316. Der griechische Text wurde bereits im 6. Jahrhundert von Cyrill von Skythopolis niedergeschrieben. Vgl. DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 315; D’ANGELO, Iohannes Neapolitanus Diac., S. 369. 244 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 245 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 406: Εὐθυμίου πρεσβυτέρου γενομένου καὶ καθηγητοῦ τῆς ἐρήμου. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 38. 246 Vgl. DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 321. 247 DOLBEAU, La vie latine de Saint Euthyme, S. 321: Iohannes mihi Iohanni patri ministro, id est abbati diacono, imperauit ut uitam sancti Euthimii sacerdotis et confessores ex achiuorum nundinis ad romanas transferre mercaciones nullo modo recusarem, cui obedire difficultati non obedire temeritati ascribitur. 248 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. Seine Gebeine wurden 1207 nach Neapel transloziert. Vgl, BHL 5847.
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Passio vermutlich von Johannes Diaconus von Neapel niedergeschrieben.249 Maximus erlitt in Cuma das Martyrium, weswegen er sicherlich in der näheren Region und somit ebenfalls in Neapel bekannt war.250 In der Passio gibt es keinen Hinweis auf Neapel oder auf den Verfasser des Textes. Es ist ein reiner Text über die Leidensgeschichte, ohne dass auf den Entstehungsort oder eine aktuelle Verehrung eingegangen wird, nur der Ort des Martyriums, Cuma, wird genannt.251 Am 8. November werden im Marmorkalender von Neapel die Coronati aufgeführt,252 für die in der Mitte des 10. Jahrhunderts von Petrus Subdiaconus die Passio geschrieben wurde.253 Sie werden in keinem anderen kalendarischen Werk der Region und im Synaxarium von Konstantinopel genannt, dafür aber in Bedas Martyrologium.254 Ihre Bedeutung war allerdings in Rom vorhanden, wo sie bereits seit dem 4. Jahrhundert Verehrung erfuhren.255 Somit ist hier der römische Einfluss auf die neapolitanische Kirche feststellbar. Im Prolog der Passio wird Neapel in der Form erwähnt, als dass dort der Text über die Heiligen entstanden ist.256 Ansonsten gibt es keine weitere Nennung der Stadt. Insgesamt handelt es sich hierbei somit um ein singuläres Zeugnis der Verehrung dieser römischen Heiligen in der süditalischen Region. Der Festtag des heiligen Kirchenvaters Basilius, Bischof von Caesarea, am 1. Januar ist im Marmorkalender von Neapel aufgeführt.257 Bei Beda und im Synaxarium von Konstantinopel wird er ebenfalls genannt.258 Aufgrund seiner allgemeinen Bedeutung für die Lehren der Ostkirche überrascht es doch, dass er in keinem weiteren regionalen Heiligenkalender enthalten ist, obwohl er von Beda genannt wurde, dessen Martyrologium von Erchempert als Vorlage verwendet wurde. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Erchempert diesen Festtag des heiligen Basilius kannte, er ihn aber dennoch nicht in seinem eigenen sogenannten Martyrologium aufnahm.259 Berühmt war dieser ferner für die Verfassung
249 Vgl. D’ANGELO, Iohannes Neapolitanus Diac., S. 367ff. Dieser Text wurde nicht in den Acta Sanctorum ediert, aber von CASSITTUS. Vgl. Acta sincera Sancti Maximi martyris Cumani ex membranis antiquis, hg. v. Alois V. CASSITTUS, Rom 1800, S. 141–159. 250 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 35. Aus der Passio der Juliana ist bekannt, dass es in Cuma eine Kirche gab, die unter dem Patrozinium des heiligen Maximus’ stand. Vgl. D’ANGELO, Pietro Suddiacono napoletano, S. 116 251 Vgl. Acta sincera Sancti Maximi, S. 141: Ob id ergo et cumas directus est … 252 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. 253 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116; AASS, Nov. III. S. 780–784. 254 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 139f. 255 Vgl. Renzo DIONIGI, SS. Quattuor Coronati. Bibliography and Iconography. An Essay, Mailand 1998, S. 13. 256 Vgl. AASS, Nov. III. S. 780. 257 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 40. 258 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 3; zudem wird er am 14. Juni aufgeführt, Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 364; Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 75. 259 Eine mögliche Erklärung dafür, dass Erchempert den heiligen Basilius nicht aufnahm, könnte vielleicht das langobardisch-griechische Konkurrenzverhalten sein. Vgl. Luigi A. BERTO, Erchempert, a Reluctant Fustigator of His People: History and Ethnic Pride in Southern Italy at
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einer Mönchsregel.260 Sicherlich war es hier von Vorteil, dass auch in Süditalien mehrere griechische Klöster vorhanden waren, die nach der Regel des heiligen Basilius lebten und daher ein Interesse an der Verbreitung seines Kultes besaßen. Für ihn wurde von Ursus Sacerdos eine Vita in der Zeit zwischen 939 und 955 in Neapel übersetzt.261 Neapel wird nur im Prolog als Wirkstätte des Ursus aufgeführt. Ansonsten enthält das Werk keine weiteren Verweise die Stadt oder auf die Region. Auf seine weitreichende Bedeutung für die Entwicklung des Mönchslebens und auf die vorhandenen Klöster, die auch in der süditalischen Region unter seiner Regel lebten, wird nicht eingegangen. Von Petrus Subdiaconus wurde vor 944 die Vita262 des Bischofs Gregorius Thaumaturgus von Neocaesarea verfasst.263 Die Verehrung des Heiligen in Neapel kann anhand des Marmorkalenders belegt werden, in welchem er an seinem Festtag am 17. November aufgeführt wird.264 Zudem erscheint er im Synaxarium von Konstantinopel.265 Dem eigentlichen Prolog der Vita ist ein Vorwort des Übersetzers vorgeschaltet, in dem dieser erklärt, dass seine vorgenommene Übersetzung nicht wörtlich, sondern sinngemäß sei.266 Als ursprünglichen griechischen Text
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the End of the Ninth Century, in: Mediterranean Studies 20,2 (2012), S. 147–175, S. 156; Luigi A. BERTO, The Image of the Byzantines in Early Medieval South Italy: The Viewpoint of the Chroniclers of the Lombards (9th–10th centuries) and Normans (11th century), in: Mediterranean Studies 22 (2014), S. 1–37, S. 5. Dennoch sind auch Heilige aus dem griechischsprachigen Osten im sogenannten Martyrologium Erchemperts enthalten, weswegen dies nicht ausschlaggebend gewesen sein dürfte. Da der heilige Basilius nicht in den Kalendarien aus Monte Cassino erscheint, kann auch angenommen werden, dass ihm im Kloster keine Verehrung zuteilwurde. Hier war der eigene Klosterbegründer von größerer Wichtigkeit. Vgl. Basilius von Caesarea, Mönchsregeln, hg. v. Karl Suso FRANK, St. Ottilien 2010; Für diesen Heiligen gibt es eine große Anzahl von Publikationen exemplarisch sei hier nur auf einige Titel verwiesen. Siehe etwa Comunità DI BOSE, Basilio tra Oriente e Occidente. Convegno Internazionale „Basilio il Grande e il Monachesimo Orientale“, Cappadocia, 5–7 ottobre 1999, Magnano 2001; Kyle David HIGHFUL, St. Basil’s address to young men. Metaphors to live by, Saarbrücken 2007. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115; BHL 1024; Ursus Sacerdos, Vita Sancti Basilii Archiepiscopi et confessoris, in: Bibliotheca Casinensis. Seu codicum manuscriptorum qui in tabulario Casinensi asservantur series. Cura et studio monachorum ordinis S. Benedicti abbatiae Montis Casini, Montecassino 1877, S. 205–219, S. 205: … nec non et loci servator neapoleos: quo de attica in latinam linguam transferam. et in gremio sanctae matris ecclesiae fideli famine consignem. Der vollständige Text liegt aktuell nur in einem unkritischen Druck vor. Vgl. Ursus Sacerdos, Vita Sancti Basilii, S. 205–219. BHL 3677m, 3678 und 3678d. Die neueste Edition des Textes liegt in der Arbeit von D’ANGELO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Vita Gregorii, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 151–182. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 118. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 11. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 229: Μνήμη τοῦ ἐν ἁγίοις πατρὸς ἡμῶν Γ ρηγορίου τοῦ θαυματουργοῦ ἐπισκόπου Νεοκαισαρείας. Petrus Subdiaconus, Vita Beati Gregorii, S. 151: … cum de Greca lingua Latinis auribus tradere aliquid studuerunt, non verbum de verbo sed sensum sensui reddere curaverunt.
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gibt er hier das Werk Gregors von Nyssa an.267 Darauf folgt noch eine Beschreibung der aktuellen Verhältnisse, unter denen die Übersetzung entstehen konnte.268 Auch die Stadt Neapel wird hier als Ort der Übersetzung genannt. Auf diese formalen Bemerkungen hin folgt der eigentliche Prolog des Werkes, in dem kurz auf Gregorius Thaumaturgus, die Hauptperson der folgenden Vita, eingegangen wird, und sich der Kirchenvater Gregor von Nyssa selbst als Verfasser nennt.269 In diesem Teil und in der Vita wird Neapel oder die Untersuchungsregion nicht mehr aufgeführt, da es sich nur noch um eine Wiedergabe des griechischen Textes handelt.270 Die Heiligen Cyrus und Johannes, deren Festtag der 31. Januar ist, werden im Marmorkalender von Neapel genannt.271 Ihre Passio wurde vom Subdiakon Petrus gegen Ende des 9. Jahrhunderts niedergeschrieben.272 Im Martyrologium Bedas wurden sie nicht aufgenommen, dafür stehen sie im Synaxarium von Konstantinopel.273 Im Prolog der Passio wird Neapel kurz erwähnt, wobei als Konsul Johannes aufgeführt wird und sich der Verfasser des Werkes namentlich nennt.274 Ansonsten wird im weiteren Text nicht mehr auf diese Stadt oder einen Kult der beiden Heiligen Bezug genommen. Der 9. Mai und der 24. Juli enthalten im Marmorkalender von Neapel das Fest des Christophorus275, dessen Festtag bei Beda der 25. Juli ist276. Im Synaxarium
267 Vgl. Petrus Subdiaconus, Vita Beati Gregorii, S. 151. 268 Ebd., S. 151: Excipe dignanter, Sergi prefecte beate,/ Gregorii vitam luculento themate comptam,/ Nathinneus ovans Petrus quam transtulit apte/ Ex Danahis scriptis linguis reddendo Latinis./ Presul Athanasius hoc iussit promere digne,/ Parthenopense decus, placidus qui trinus habetur,/ Ductus amore tuo germano nectare fartus. Hierin wird auf den Präfekten Sergius verwiesen, der ebenso wie der Bischof Athanasius ein Interesse daran hatte das Petrus dieses Werk in der lateinischen Sprache verfasste. Diese können als Bischof Athanasius III. (907– 958) und sein Bruder Sergius († zwischen 944 und 968) identifiziert werden. Vgl. Helena BROWN WICHER, Gregorius Nyssenus, in: Catalogus Translationum et Commentariorum: Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries. Annotated lists and guides. Volume V, hg. v. Edward CRANZ, Washington D.C. 1984, S. 1–250, S. 238; Petrus Subdiaconus, Vita Beati Gregorii, S. 151. 269 Vgl. Ebd., S. 152. 270 Vgl. BROWN WICHER, Gregorius Nyssenus, S. 238. 271 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. 272 BHL 2078. Sie liegt heute in einer Edition von D’ANGELO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sanctorum Abbacyri et Iohannis, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 19–41. 273 Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 433. 274 Petrus Subdiaconus, Passio Sanctorum Abbacyri, S. 19f.: Horum itaque sanctorum provocatus exemplo et precationis voto Gregorii, Parthenopensis Loci servatoris, Iohannis ducis atque consulis filii, ego, Petrus, hanc passionem sanctorum Abbacyri et Iohannis de inculto apice elevans a veritatis regulam convertere studui … 275 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 9. 276 Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 91.
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
von Konstantinopel erscheint er am 9. Mai.277 Im Marmorkalender sind somit sowohl sein griechischer als auch sein lateinischer Festtag enthalten.278 Für diesen Heiligen wurde eine Passio279 von Petrus Subdiaconus zwischen 956 und 962 verfasst.280 Die Passio beginnt direkt ohne erhaltenen Prolog, sodass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob Neapel oder der Verfasser an dieser Stelle erscheinen. Im Text wird die Leidensgeschichte des Christophorus berichtet, ohne dass Neapel genannt oder auf einen Kult eingegangen wird. Für den heiligen Blasius wurde von dem Subdiakon Bonitus281 zwischen 939 und 955 eine Passio282 übersetzt.283 Blasius erfuhr in Neapel Verehrung, was aus dem Marmorkalender ersichtlich ist, in dem sein Festtag am 3. Februar genannt wird.284 Dies zeigt, dass der Heilige in Neapel auf einen gewissen Kult zurückblicken konnte, der spätestens im 9. Jahrhundert belegt werden kann, und dessen Passio später übersetzt wurde. Der Heilige findet sich ebenfalls im Martyrologium Bedas285 und im Synaxarium von Konstantinopel.286 In der Passio wird auf Neapel oder Unteritalien in keinem Satz eingegangen. Um die Wende des 9. zum 10. Jahrhundert wurde von Bonitus der Leidensund Wunderbericht der drei Heiligen Samone, Gurita und Abbibbus übersetzt287, von denen zumindest Samone auch im Marmorkalender von Neapel am 15. November288 erscheint. Zudem existierte in Neapel sicher ab der Mitte des 10. Jahrhunderts eine Kirche, die unter dem Patrozinium des heiligen Samone stand.289 Bis auf das Synaxarium von Konstantinopel290 führt keines der untersuchten ka277 278 279 280
281 282
283 284 285 286 287 288 289 290
Vgl. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 667. Vgl. MALLARDO, Il calendario marmoreo, S. 163. BHL 1778d. Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. Die neueste Edition des Werkes liegt in einer Bearbeitung von D’ANGELO vor. Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sancti Christophori, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 201–207. Der Text wurde von D’ANGELO Bonitus zugewiesen. Vgl. D’ANGELO, Bonitus Neapolitanus Subdiac., S. 138; AASS, Feb. I., S. 349. BHL 179; AASS, Feb. I., S. 349. Der Text ist in den Acta Sanctorum ediert, wobei hier nicht der Prolog, BHL 180, abgedruckt wurde, der dafür aber in der Bibliotheca Casinensis zu finden ist. Vgl. Bonitus Subdiaconus, Passio Blasii Episcopi, in: Bibliotheca Casinensis. Seu codicum manuscriptorum qui in tabulario Casinensi asservantur series. Cura et studio monachorum ordinis S. Benedicti abbatiae Montis Casini, Montecassino 1877, S. 344, S. 334. Vgl. D’ANGELO, Bonitus Neapolitanus Subdiac., S. 138. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 6. Vgl. Beda Venerabilis, Martyrologium, S. 17. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 39. BHL 7477. Eine kritische Edition des lateinischen Werkes liegt in einer Arbeit von CHIESA vor. Paolo CHIESA, Il dossier agiografico latino dei santi Gurias, Samonas e Abibos, Aevum, 65 (1991), S. 221–258. Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 46. Vgl. CHIESA, Il dossier agiografico latino, S. 222. Synaxarium Constantinopolitanum, S. 226: Γουρία, Σαμωνα καì Άβίβου; ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 46.
Neapolitanische Heilige
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lendarischen Werke die drei Heiligen auf. Neben der neapolitanischen existiert eine römische Fassung der Passio, vermutlich aus dem 9. oder 10. Jahrhundert,291 die heute noch vollständig erhalten ist, während von der neapolitanischen nur Auszüge vorhanden sind. Die drei Märtyrer waren in Edessa enthauptet worden und ihre Passio wurde zunächst auf Griechisch niedergeschrieben.292 Vom neapolitanischen Werk hat sich nur das Ende der Passio erhalten, an welche sich der Mirakelbericht anschließt. Dieser fällt wesentlich länger aus und erwähnt alle drei Heiligen, während die Passio in der neapolitanischen Version nur noch Abbibbus enthält.293 Beide Texte weisen keine Bezüge zur Region oder zu Neapel auf. Da der Beginn des Textes verloren gegangen ist, kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob dort Neapel oder der Übersetzer des Werkes genannt wurden. Bischof Athanasius II. von Neapel förderte nicht nur die Übersetzer der Stadt, sondern verfasste auch selbst eine Passio, in der er die Leiden des Arethas und dessen Gefährten schilderte.294 Hierin nennt sich der Übersetzer selbst und gibt sein Amt in Neapel an.295 Ansonsten erscheint die Stadt im weiteren Werk nicht mehr und es wird auf keine Verehrung der Heiligen innerhalb Neapels eingegangen. Arethas und seine Gefährten haben ihren Festtag am 24. Oktober, wobei lediglich Arethas im Marmorkalender von Neapel Erwähnung findet.296 Im Synaxarium von Konstantinopel werden die Heiligen ebenfalls am 24. Oktober erwähnt297, nicht aber im Martyrologium Bedas. 7.3.2.
Werke über Heilige ohne kalendarisch belegte Verehrung
Da die kalendarischen Werke der Region aus dem ausgehenden 8. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts datiert werden können, sind in diesen nicht alle Heiligen enthalten, für die im 10. Jahrhundert neue Texte erstellt wurden. Es ist schwierig, aufgrund eines Textes einen Kult zu belegen, doch ist anzunehmen, dass das Verfassen von Texten den Heiligen zumindest bekannt machte,
291 Vgl. Passio Abbibi e Miraculum, Traduzione Romana, in: Paolo CHIESA, Il dossier agiografico latino dei santi Gurias, Samonas e Abibos, in: Aevum 65 (1991), S. 238–253. 292 Vgl. CHIESA, Il dossier agiografico latino, S. 234f. 293 Vgl. Bonitus Subdiaconus, Passio Abbibi e Miraculum, Traduzione Napoletana, in: Paolo CHIESA, Il dossier agiografico latino dei santi Gurias, Samonas e Abibos, in: Aevum 65 (1991), S. 254–258, hier S. 254. Vgl. CHIESA, Il dossier agiografico latino, S. 233. 294 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115. Der Text wurde in den Acta Sanctorum ediert, wobei es sich allerdings nur noch um ein Fragment des Werkes handelt. Vgl. AASS, Oct. X., S. 761f. So fehlt der Anfang des Prologs und auch in der Mitte fehlen einige Passagen, ebenso hat sich der Schluss nicht erhalten. 295 AASS, Oct. X., S. 761: Quorum victrices agonias palmasque perennes ego Athanasius junior, Parthenopensis ecclesiae antistes … 296 Vgl. ACHELIS, Der Marmorkalender in Neapel, S. 10. 297 Synaxarium Constantinopolitanum, S. 159: Ἄθλησις τοῦ ἁγίου μάρτυρος Ἀρέθα καὶ τῶν σὺν αὐτῷ χιλίων διακοσίων πεντήκοντα.
268
Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
womit die Möglichkeit eines Kultes gegeben ist. Allerdings kann nichts über die Verbreitung dieser möglichen Verehrung ausgesagt werden. Von Petrus Subdiaconus wurde in der Mitte des 10. Jahrhunderts eine Vielzahl von hagiographischen Werken erstellt, so die Passio des Artemas, eines Märtyrers aus Puteoli.298 Der Festtag des Heiligen ist der 25. Januar299, doch wird er in keinem der kalendarischen Werke erwähnt. Dieser Heilige stammte also aus der unmittelbaren Umgebung Neapels, erfuhr aber anscheinend zunächst keine Verehrung. Ebenfalls wurde von Petrus Subdiaconus die Passio des Bischofs Canio verfasst, dessen Fest am 24. Mai zelebriert wird.300 Weiterhin übersetzte er die Passio für die heilige Catharina, die in Alexandria das Martyrium erlitten hatte und deren Festtag am 25. November begangen wird.301 Die Passio für die Heiligen Cyricus und Julitta, die in Tarsi an einem 16. Juni302 zu Märtyrern wurden, stammt vom gleichen Autoren303, und dieser verfasste zudem die Passio des Heiligen Tryphon, dessen Festtag am 10. November ebenfalls in keinem der kalendarischen Werke der Region enthalten ist.304 Es zeigt sich also, dass Petrus Subdiaconus auch eine Anzahl von Werken übersetzte, die sich mit Heiligen befassten, für die in der Region keine Verehrung
298 Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sancti Artemae, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 44–49; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115; BHL 717. Der Text ist nur in einer Handschrift aus dem 16. bis 18. Jahrhundert erhalten und liegt im Archiv in Neapel. Napoli, Branc., codex III. F. 9., fol. 087–088. 299 Vgl. BHL 717. Antonio BALDUCCI, Artema, in: Bibliotheca Sanctorum II, Rom 1962, Sp. 484–485, hier Sp. 485. 300 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 115; BHL 1541d. Der Text hat sich in zwei Handschriften aus dem 13./14. Jahrhundert erhalten, die beide in Neapel vorliegen. Napoli, BN, codex VIII. B. 1, fol. 071–072v; Napoli, BN, codex VIII. B. 9, fol. 193–199v. Der Text wurde von VUOLO ediert. Vgl. Petrus Subdiaconus, Vita S. Canionis, in: Tradizione letteraria e sviluppo cultuale. Il dossier agiografico di Canione di Atella (secc. X–XV) (Storie e Testi, 5), hg. v. Antonio VUOLO, Napoli 1995, S. 83–98. 301 Vgl. BHL 1659–1661b; Petrus Subdiaconus, Passio Sanctae Catarinae, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 122–146; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 117. Von D’ANGELO werden 21 Handschriften der Passio aufgeführt, die in die Zeit des 11. bis 14. Jahrhunderts datiert werden. 302 Vgl. BHL 1814b. In Neapel hat sich eine Handschrift des Textes erhalten, die in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts datiert wird. Napoli, BN, codex VIII. B. 8, fol. 010r–010v. 303 Vgl. Petrus Subdiaconus, Passio Sanctorum Cyrici et Iulittae, in: Pietro Suddiacono napoletano. L’opera agiografica (Edizione Nazionale dei testi mediolatini, 7), hg. v. Edoardo D’ANGELO, Florenz 2002, S. 51–52; D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 116. 304 Vgl. D’ANGELO, Agiografia latina del Mezzogiorno, S. 121; AASS, Nov. IV., S. 357–365; BHL 8339. Von diesem Text haben sich fünf Handschriften erhalten, die in Archiven in Paris, Rom und im Vatikan zu finden sind. Paris, BNF, Lat. 05312, fol. 079v–083v, 12. Jh.; Paris, BNF, Lat. 12602, 124v–130v, 12. Jh.; Rom, ArchSGiovLater., A. 80 (Alias C), fol. 239– 245v, 11. Jh.; Rom, Vallicell., codex IX, fol. 005–010, 11. Jh.; Vaticano, codex Vat. Lat.; fol. 079v–083v, 1. Hälfte 17. Jh.
Fazit: Allgemeine Verehrung und lokale Tradition
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belegt werden kann. In diesen Texten wird kein Kult für die Heiligen in Neapel selbst erwähnt. Wenn die Stadt genannt wird, dann nur als Ort der Niederschrift. Somit macht es bei der Übersetzung der Texte keinen Unterschied, ob der Heilige zuvor bekannt war und Verehrung erfuhr, oder ob er es erst durch das erstellte Werk wurde. 7.4. FAZIT: ALLGEMEINE VEREHRUNG UND LOKALE TRADITION Neben den Heiligen, die direkt aus der Umgebung stammten oder mittels Translationen an den Ort gebracht wurden, wurde zusätzlich eine Vielzahl von weiteren Heiligen anhand von Texten bekannt. Dies konnte zum einen durch die Übersetzungen alter oder die Erstellung neuer hagiographischer Werke vonstattengehen. Zum anderen konnte die Verbreitung von Martyrologien Heilige über weitere Regionen populär machen. Hierbei konnten die römischen und die byzantinischen Heiligen gleichermaßen innerhalb der Region an Popularität zunehmen. Bei einigen Heiligen konnte festgestellt werden, dass im Marmorkalender von Neapel das römische und nicht das griechische Fest zelebriert wurde, wodurch in Einzelfällen die Vermutung nahe liegt, dass die römische Kirche im 9. Jahrhundert in dieser Stadt an Bedeutung gewann, ohne deswegen den byzantinischen Einfluss gänzlich zu verdrängen. Beide Riten waren in Neapel von hoher Relevanz und wurden nebeneinander zelebriert. Dies wird vor allem daran deutlich, dass bei einigen Heiligen sowohl der byzantinisch-griechische als auch der römisch-lateinische Festtag im Kalender eingetragen wurde. So konnten sich beide Traditionen etablieren. Besonders fällt die im Marmorkalender verhältnismäßig große Anzahl an Heiligen aus dem Alten Testament auf. Dies ist eine byzantinische Tradition, da diese Heiligen zudem im Synaxarium von Konstantinopel ausgemacht werden können, während dies etwa im Martyrologium Bedas nicht im gleichen Ausmaß der Fall ist. Daher wäre es von höherem Erkenntnisgewinn, wenn sich nicht mehr so exponiert auf die mögliche Ausrichtung der neapolitanischen Kirche konzentriert werden würde, sondern eher auf den fruchtbaren Austausch, der innerhalb dieser Stadt an Heiligenfesten vorgenommen wurde. Die zunehmende Bedeutung Roms führte hingegen nicht zu einer Negierung der byzantinischen Wurzeln, sodass viele Heilige auf diesem Wege bekannt werden konnten. Es konnten zudem regionale Unterschiede beobachtet werden, was die Herkunftsregionen der Heiligen betrifft, da es in Benevent und Monte Cassino zu einem zahlenmäßig stärkeren Anwachsen an römischen Heiligenfesten kam, während in Neapel vor allem die Heiligen aus dem griechischsprachigen Osten übernommen und somit im Westen populär gemacht wurden. Die Heiligen aus Rom erhielten ebenfalls eine größere Bekanntheit im Laufe der Zeit, was an den Kalendarien aus Monte Cassino nachzuvollziehen ist, da sukzessiv mehr römische Heilige aufgenommen wurden, denen nun Verehrung zuteilwurde. Auch im Marmorkalender können viele römische Heilige nachgewie-
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Kultübernahme und Distanz – Heilige in den lokalen kalendarischen Werken
sen werden. Die römischen Heiligen stellten insgesamt eine große Gruppe der zu Verehrenden dar, die in den jeweiligen kalendarischen Werken aufgeführt wurden. Die geringe Anzahl an unteritalischen Heiligen überrascht ein wenig, doch erst in den Ergänzungen von Benevent werden diese nachgetragen. Somit war Monte Cassino zwar in beneventanischem Hoheitsgebiet, konnte sich aber kirchlich durchaus stark an Rom orientieren. Der byzantinische Einfluss scheint sich nur bedingt auf das Kloster ausgewirkt zu haben, da gerade einmal sieben Heiligenfeste von dort übernommen wurden.305 Ferner fehlen im sogenannten Martyrologium Erchemperts auch berühmte Heilige aus der Region, etwa Paulinus und Felix von Nola oder Sabinus von Canosa und Felix aus Benevent, die in den Kalendarien enthalten sind. Die Auswahl des Schreibers, nach der er über Aufnahme der Heiligen entschied, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Es handelt sich bei dem Martyrologium um ein Zeugnis der Heiligen, die einem Mönch in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts für erwähnenswert erschienen, wobei er vermutlich ebenfalls Heilige aufnahm, die er nicht kannte, da sie aus dem angel-sächsischen Raum stammen. Hier war es möglicherweise der Respekt vor dem Werk Bedas, der ihn dazu veranlasste, manche der Heiligen aus dessen Schaffensraum ebenfalls aufzunehmen. Warum aber einige der Heiligen aus der Region nicht genannt werden, kann letztlich wohl nicht erklärt werden. Bei den italischen Heiligen konnten einige Zentren ausgemacht werden, aus denen die Heiligen stammten, denen in den untersuchten Städten ebenfalls Verehrung zukam. So waren besonders die Heiligen aus Mailand in einem größeren Umfeld geläufig, was vielleicht mit der Verbreitung der ambrosianischen Liturgie und der Bedeutung dieses Bischofs für die Entwicklung der christlichen Kirche zusammenhängt. Zudem waren die Heiligen aus Ravenna von Interesse, was mit der byzantinischen Oberhoheit über das Exarchat erklärt werden kann, da dies ein verbindendes Element zwischen Neapel und Ravenna darstellte. In Neapel wurden verstärkt für die Heiligen Texte angefertigt, die in den Suffraganbistümern Neapels Verehrung erfuhren und auf diesem Wege angemessene Texte für ihren Kult erhielten. Insgesamt zeigte der Vergleich, dass einige Heilige sowohl in Neapel als auch in Monte Cassino beziehungsweise Benevent große Bedeutung erlangten, doch wurde vielen Heiligen nur in einem Ort Verehrung zuteil. Daraus kann geschlossen werden, dass es immer noch die lokalen Traditionen waren, die entscheidend für den Kult eines Heiligen waren und sich die Verehrung nicht zwangsläufig in der Umgebung verbreiten musste, vor allem wenn die Beziehungen zu den Nachbarn durch Konflikte geprägt waren. Einige untersuchte Heilige stammen aus anderen Regionen, wie dem fränkischen Reich oder aus Spanien. Hierbei handelte sich in der Regel um berühmte Personen, etwa Martin von Tours, was die große Verbreitung der Verehrung er-
305 Vgl. LOEW, Die ältesten Kalendarien, S. 62f.
Fazit: Allgemeine Verehrung und lokale Tradition
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klärt. Das Gros der Verehrung liegt aber auf den östlich-griechischen und den römischen Heiligen. Die Übersetzer von Neapel sorgten dafür, dass in der Region Heilige populär wurden, denen dort zuvor keine Verehrung zuteil geworden war, oder auch dass Heilige, die bereits in Neapel verehrt wurden, nun neben griechischen auch lateinische Texte erhielten, die eine größere Bevölkerungsmasse ansprechen konnten. Einige der Texte haben einen Bezug zur Region, bei anderen handelt es sich anscheinend um reine Übersetzungsarbeiten. Die gemeinschaftliche Verehrung eines Heiligen innerhalb einer Diözese konnte sicherlich zu einer verstärkten Verbindung zwischen den einzelnen Städten führen, besonders wenn in den Zeiten zuvor nicht immer eindeutig war, welche Stadt in welchen Herrschaftsbereich fiel. Auf solche Aspekte gehen die Texte allerdings nicht ein, weswegen diese Vermutungen hypothetisch bleiben müssen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Verbindungen zwischen Neapel und Konstantinopel nicht nur politisch, sondern auch kirchlich geprägt waren, da eine Vielzahl von Heiligen aus dem Osten durch die Übersetzung ihrer Texte im Westen bekannt gemacht werden konnte beziehungsweise sie bereits zuvor in Neapel populär waren, was am Marmorkalender ersichtlich wird. Diese bereits bestehende Bekanntheit musste aber nicht auf weitere Teile der Region Auswirkung haben, wie an den Kalendarien aus Monte Cassino zu sehen ist, da in ihnen die östlichen Heiligen nicht aufgeführt werden und sie in den späteren beneventanischen Ergänzungen teilweise nicht nachgetragen wurden. Gerade die kalendarischen Werke geben aber Auskunft über die große Anzahl von Heiligen, deren Verehrung ursprünglich im Osten angesiedelt war und erst später in den Westen gelangte. Viele Heilige werden in Neapel genannt, während sie in Monte Cassino oder in Benevent zunächst noch nicht bekannt waren, obwohl sie beispielsweise bei Beda aufgeführt wurden. Möglicherweise waren die Informationen, die sich in dessen Martyrologium fanden, für einen Kult zunächst noch nicht ausreichend, weswegen sie vorerst nicht in den Heiligenkanon aufgenommen wurden. Hierbei wäre allerdings anzumerken, dass Erchempert teilweise angelsächsische Heilige in sein sogenanntes Martyrologium schrieb, die er vielleicht gar nicht kannte. Anhand der Untersuchung der lokalen kalendarischen Werke kann erkannt werden, dass auch die Heiligenverehrung begrenzt war, da die Adoratio eines Heiligen in einer Stadt der Region nicht zwangsläufig zu einem Kult im gesamten Gebiet führen musste. Insgesamt gibt es aber durchaus Überschneidungen bei den Heiligen, die in den jeweiligen Städten bekannt waren und in den verschiedenen Werken Erwähnung fanden.
8. GESAMTFAZIT Die vergleichende Untersuchung von Heiligenkulten in drei Städten Süditaliens in der Zeit des 8. bis beginnenden 11. Jahrhunderts konnte verschiedene Ergebnisse erbringen. Ab dem ausgehenden 8. Jahrhundert kam es zu einer Veränderung in der Intensität der Anzeichen von Heiligenverehrung in Neapel und Benevent. Die unterschiedliche Quellenlage der untersuchten Städte erschwert einen direkten Vergleich zwischen den Entwicklungen, jedoch lassen sich grobe Linien nachzeichnen. Es lassen sich unterschiedlich starke Belege für Heiligenverehrung feststellen, ohne dass konkrete Aussagen über die tatsächliche Intensität der Kulte gemacht werden können. Diese drückten sich zunächst durch die Translation von Reliquien, aber auch in der zunehmenden Erstellung von hagiographischen Texten aus. In der Regierungszeit Arichis’ II., vornehmlich in den 760er Jahren, wurden die ersten Translationen nach Benevent vorgenommen. Die Heiligen, die in dieser Zeit transloziert wurden, stammten aus Byzanz und aus verschiedenen Orten Italiens. In Benevent scheint es für dieses Vorgehen keine direkten Vorbilder zu geben. Es kann die Vermutung angestellt werden, dass der neue Herzog, der möglicherweise aus dem Norden Italiens stammte, auf diesem Wege versuchte, Identitätsfiguren in Benevent zu etablieren, die sowohl die ursprüngliche als auch die langobardische Bevölkerung integrierten. Dies wird daran deutlich, dass neue Heilige in die Stadt gebracht wurden und keine Heiligen, welche die Langobarden bereits vorher besonders verehrt hatten, etwa der Täufer Johannes oder der Erzengel Michael. Ob es Arichis gelang, die neuen Heiligen als allgemeine Integrationsfiguren zu etablieren, kann anhand der Quellen nicht beantwortet werden. Etwa zur gleichen Zeit wie Arichis II. ließ Bischof Stephanus II. von Neapel Reliquieneinholungen durchführen. Zuvor waren bereits die Gebeine der Bischöfe der Stadt aus den Katakomben geholt und in den Kirchen innerhalb der Stadt niedergelegt worden. Ein solches Vorgehen ist in Benevent nicht feststellbar, da bis auf den Bischof Barbatus den beneventanischen Bischöfen keine Verehrung zuteilwurde. Nach Neapel wurden neben den Bischöfen Heilige transloziert, die zuvor ihre Grablege in der Umgebung Neapels hatten. Als möglichen Grund für die Verlegung der Gebeine der Heiligen Acutius und Eutychius kann der vorherige Brand der Kirche Stefania vermutet werden. Die beiden Heiligen sollten die neue Kirche vor einem ähnlichen Schicksal beschützen. Tatsächlich scheint es so, als ob die Translationen Folge eines allgemeinen Bedürfnisses nach Reliquien waren, ohne dass dies durch einen spezifischen Auslöser evoziert worden wäre. Von Bedeutung ist, dass diese Translationen nach Neapel während des Bilderstreites vorgenommen wurden, also in einer Zeit, in der auch teilweise gegen die Heiligenverehrung vorgegangen wurde. Hier wäre es möglich anzunehmen, dass durch die
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Translationen auch eine deutliche Abgrenzung zur byzantinischen Politik aufgezeigt werden sollte. Insgesamt wurden in der ersten Phase vier Translationen nach Benevent und zwei nach Neapel vorgenommen. Dieses Vorgehen fällt in die Zeit vor dem zweiten Konzil von Nicäa (787), weswegen es nicht mit den Bestimmungen, dass in allen Altären Reliquien sein sollen, erklärt werden kann. Zudem wurden auch nach dem Konzil nicht mehr Translationen vorgenommen. Die erste Phase endet bereits nach etwa einem Jahrzehnt, ohne dass sich dafür eine Begründung finden lässt. Für Bari ist ein ähnliches Vorgehen in dieser Zeit nicht durch Quellen zu belegen. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde in der Regierungszeit Grimoalds III. von Benevent eine Translation des heiligen Sabinus in die Kathedrale Canosas vorgenommen, das in diesen Jahren unter langobardischer Oberhoheit stand, woraus man ableiten kann, dass zu diesem Zeitpunkt ein Interesse an der Einholung von Heiligen vorhanden war. Im dazugehörigen Bericht über den Heiligen wird zudem die enge Verbindung zwischen diesem Heiligen und dem langobardischen Herrscherhaus vor der endgültigen Annahme des römisch-lateinischen Christentums aufzeigt. Dieser Heilige sollte in der späteren Heiligenverehrung Baris einen entscheidenden Platz einnehmen, was im Rahmen der Translation innerhalb Canosas nicht ersichtlich wird. Auch führte diese Umbettung nicht zu einem ähnlichen Verhalten in Benevent, da aus dieser Zeit keine Nachrichten über Heiligeneinholungen bekannt sind. Eine zweite Phase an Translationen kann in Benevent in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts festgestellt werden. Hierbei kam es unter anderem zum Diebstahl von Reliquien im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen mit Städten der Region, welchen jeweils der Hauptheilige entwendet wurde. So wurde aus Neapel der heilige Januarius und aus Amalfi die heilige Trophimenis gestohlen. Durch den Diebstahl sollte die gegnerische Stadt demoralisiert werden. Während es den Amalfitanern gelang, die Hälfte der Reliquien der heiligen Trophimenis zurück zu erhalten, blieben die Reliquien des heiligen Januarius vorerst in Benevent und gelangten erst Jahrhunderte später wieder nach Neapel. In den beiden bestohlenen Städten wurde unterschiedlich auf diesen Diebstahl reagiert, was mit den späteren beziehungsweise zunächst nicht erfolgten Rückgaben der Reliquien erklärt werden kann. Dieses Vorgehen zeigt aber zugleich, welche Bedeutung man den Heiligengebeinen zusprach. Zudem wurden Translationen von Heiligen aus der Umgebung nach Benevent vorgenommen, wobei aus dem Translationsbericht nicht immer ersichtlich wird, woher die heiligen Gebeine geholt wurden. Viele von ihnen stammten aus Nola, weswegen angenommen werden kann, dass mittels dieser Translationen die eigene Vormachtstellung über eine Benevent unterstellte Stadt präsentiert werden sollte. Auch dies unterstreicht die Bedeutung, die man den Reliquien zu dieser Zeit zusprach. Weiterhin wurden lokale Kulte gestärkt, etwa durch die Abfassung von hagiographischen Werken über den ersten Bischof des langobardischen Benevents, Barbatus. Auf diesem Wege wurde ferner die Unterstellung des Bistums Siponto unter Benevent begründet, weswegen diesen Werken ebenfalls eine poli-
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tische Komponente zukommt. Überdies konnte in dieser zweiten Phase die zunehmende Bedeutung des Bischofs der Stadt ausgemacht werden. Während in der ersten Phase ausschließlich Arichis II. oder einige Adlige entschieden wessen Gebeine transloziert wurden, wird in den Berichten aus der zweiten Phase auch die Rolle des Bischofs unterstrichen. Die Heiligen wurden nun in der dem Bischof unterstellten Kathedrale der Stadt und nicht mehr in der Palastkirche S. Sophia niedergelegt. Somit ist ein Wandel in der herrschaftlichen Struktur festzustellen, in welcher der Bischof für die kirchlichen Belange eine entscheidendere Rolle erhielt. Anders als in der ersten Phase kam keinen byzantinischen Heiligen eine besondere Bedeutung zu. Hierfür könnte die zeitweilige Abwesenheit des byzantinischen Interesses an der süditalienischen Region angenommen werden. Die wichtigste Translation nach Benevent stellte sicherlich diejenige des Apostels Bartholomäus dar, der 838 von Lipari nach Benevent überführt wurde. Sie ist die letzte Translation des Untersuchungszeitraums nach Benevent. Dies kann mit den Auseinandersetzungen zwischen Radelchis und Siconulf erklärt werden, die erst 849 durch die Teilung des Fürstentums beendet wurden. Da die Bedeutung Benevents danach immer mehr schwand, waren zunächst womöglich keine weiteren Translationen erstrebenswert. Möglicherweise war nach der Translation eines Apostels vorerst kein Bedarf an weiteren, weniger berühmten Heiligen vorhanden. Die Überführung des Apostels Bartholomäus ist die einzige Translation nach Benevent, die mit der Sarazenengefahr begründet wurde. Dies mag damit zusammenhängen, dass in den Kämpfen zwischen den jeweiligen Herrschern auch sarazenische Söldner eingesetzt wurden. Anders als im Falle Benevents lassen sich in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts keine Überführungen nach Neapel feststellen. Hierhin wurden erst in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die Reliquien des Bischofs Athanasius aus Monte Cassino gebracht. Dieser Heilige ist der einzige, der innerhalb des Untersuchungszeitraums wirkte und nach seinem Tod verehrt wurde. Da er ein Mitglied der neapolitanischen Herrscherfamilie war, besaß diese ein Interesse daran, seinen Kult zu etablieren. Nachdem er in Monte Cassino verstorben war, mussten seine Gebeine einige Zeit später nach Neapel transloziert werden. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts mussten die Heiligen Sosius und Severinus aufgrund der Sarazenengefahr aus ihren Kirchen nahe der Küste in die Stadt verlegt werden. Die Translation des heiligen Severinus zu Beginn des 10. Jahrhunderts war den Quellen nach die letzte im Untersuchungszeitraum für Neapel. Im Anschluss waren möglicherweise die verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen den Sarazenen, Ottonen und Byzantinern in der Region hinderlich, um weitere Heilige in die Stadt zu holen. Insgesamt kann also ein zunehmendes Bedürfnis nach Heiligen innerhalb der Stadt beziehungsweise der Versuch, die Gebeine in einer sicheren Umgebung niederzulegen und zu verehren, ausgemacht werden. Bei den meisten translozierten Heiligen handelte es sich um Verehrte aus der Region oder im Falle Neapels um solche, die meist in irgendeiner Form in Verbindung zur Stadt standen. Translationen über eine größere Distanz hinweg konnten nur nach Benevent festgestellt werden, wohin die Gebeine des Apostels Bartholomäus von Lipari gebracht wur-
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den und wo der Translationsbericht des Helianus die Verlegung von Konstantinopel dokumentiert. Die Motivation für die Translationen lässt sich vor allem in dem Bedürfnis, die Heiligen vor den Sarazenen zu schützen, finden. Die Zeitpunkte, zu denen Translationen stattfanden, sind ebenfalls unterschiedlich und lassen kein eindeutiges Muster erkennen. So konnten die Heiligenüberführungen vorgenommen werden, um die eigene Herrschaft zu unterstützen oder zu legitimieren, etwa bei Arichis II., der auf diesem Wege versuchte, eine Beziehung zu seinen neuen Untertanen aufzubauen, oder aufgrund von Sarazenenüberfällen, zur Positionierung im Bilderstreit und um die eigenen Heiligen wieder innerhalb der Stadt verehren zu können. Die drei Städte besaßen keine gemeinsamen Reliquien. Lediglich durch den Diebstahl von Gebeinen wurden die Heiligen der anderen Stadt in den eigenen Besitz gebracht. Eine Tradition der Translation des Bischofs Sabinus von Canosa nach Bari ist erst im 11. Jahrhundert, in einer Zeit, in welcher der Sitz des Bistums von Canosa nach Bari verlegt wurde, durch Quellen belegbar. Das Bedürfnis nach einer sakralen Legitimierung dürfte das Motiv gewesen sein. Weitere Translationen wurden dorthin nicht vorgenommen, wofür es verschiedene Erklärungsversuche gibt: Zunächst könnte es sein, dass sich entsprechende Quellen nicht erhalten haben. Des Weiteren kann die politische Lage als Begründung herangezogen werden, da die Stadt ständigen Machtwechseln ausgesetzt und zeitweilig sogar ein arabisches Emirat war. Im Unterschied zu Neapel und Benevent, die während des Untersuchungszeitraums über eine gewisse Autonomie verfügten, war Bari beständig unter wechselnder Herrschaft. Möglicherweise besaßen die jeweiligen Machthaber kein Interesse daran, Bari mit Reliquien auszustatten. Die byzantinischen Strategen hatten vielleicht keine persönliche Verbindung mit der Stadt, weswegen sie sich nicht in die kirchlichen Belange einmischten. Warum von Seiten der Bischöfe kein entsprechendes Vorgehen angestellt wurde, kann aufgrund der Quellenlage nicht gesagt werden. Obwohl Neapel während des gesamten Untersuchungszeitraums unter der Oberhoheit des byzantinischen Reiches stand, wurde kein Austausch von Reliquien vorgenommen. Dennoch wurden in Neapel und Benevent byzantinische Heilige verehrt, wobei die Vita der heiligen Arthellais derjenigen der heiligen Patricia sehr ähnelt. Vor allem Benevent bemühte sich eine Verbindung mit Konstantinopel mittels Heiliger zu schaffen. So soll Helianus aus Ostrom gekommen sein, während Mercurius durch den byzantinischen Kaiser Konstans II. nach Unteritalien gebracht worden sein soll, wo er dann später in Benevent Verehrung erhielt. Es gilt hierbei zu beachten, dass Konstantinopel keine eigenen Heiligen besaß, weshalb die Stadt am Bosporus ebenfalls auf Translationen angewiesen war und vorerst kein Interesse hatte, diese an entfernte Städte weiterzugeben. Anders als beispielsweise ins Frankenreich konnten keine römischen Translationen in die Untersuchungsregion festgestellt werden. Dies könnte in den beiden Fällen damit erklärt werden, dass durch die Übertragung von Heiligen eine Beziehung zwischen den jeweiligen Städten entstand, die in dieser Form nicht erwünscht wurde. Dennoch wurden auch römische Heilige und heilige Päpste in Süditalien verehrt, was an den kalendarischen Werken nachvollzogen werden
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kann. Ein päpstlicher Einfluss auf die Heiligenverehrung ist nicht auszumachen, doch war das Papsttum auf verschiedenen Wegen in der Untersuchungsregion präsent, etwa durch die Verhängung des Kirchenbanns über Städte, die mit den Sarazenen paktierten, oder durch die Erhebung von Bistümern zu Erzbistümern. Auch der Einfluss der beiden wichtigen Klöster der Region, Monte Cassino und San Vincenzo al Volturno, ist nur schwerlich zu belegen. Der Codex Casanatensis 641 wurde wohl in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts nach Benevent gegeben. Auf diesem Wege wurden die in Monte Cassino verehrten Heiligen ebenfalls in dieser Stadt bekannt und das Kalendar konnte durch beneventanische Heilige ergänzt werden, sodass es zu einem Anwachsen der Heiligenverehrung kommen konnte. Hierbei mag es auch entscheidend gewesen sein, dass die Palastkirche S. Sophia Monte Cassino unterstellt war, wodurch eine gegenseitige Beeinflussung wahrscheinlich ist. San Vincenzo al Volturno wurde von drei Beneventanern gegründet und immer wieder durch die beneventanischen Herzöge und Fürsten privilegiert, doch lässt sich keine Beeinflussung der Heiligenkulte durch dieses Kloster belegen. So erscheinen etwa die drei Gründer des Klosters Paldo, Tato und Taso nicht in den Kalendarien und wurden in Benevent nicht ergänzt, woraus man ableiten kann, dass sie zunächst nicht als Heilige verehrt wurden. Neben Translationsberichten entstanden Texte über das Leben, das Sterben und die Wunder der Heiligen. In der Mitte des 9. Jahrhunderts kann eine zunehmende Bedeutung der Bildung festgestellt werden, da etwa ab diesem Zeitpunkt in einem erhöhten Maße Kathedralschulen gegründet wurden, unter anderem in Benevent durch Bischof Ursus. Es wurden nicht nur Heilige, die in einer Beziehung zur Region standen, berücksichtigt, sondern auch ausschließlich im griechischen Osten Verehrte aufgenommen. In Neapel wurde eine Vielzahl von hagiographischen Texten angefertigt, wobei es sich vor allem um Übersetzungen aus dem Griechischen handelte. Diese Texte weisen abgesehen von den Prologen, in denen oft die Übersetzungsstadt genannt wird, keine regionalen Bezüge auf. Es handelt sich um reine Übertragungen ins Lateinische, ohne dass eine lokale Verehrung genannt wird. Auch für Heilige aus der unteritalischen Region wurden Werke in Neapel verfasst, die aber ebenso wie jene für die griechischen Heiligen keine Verbindungen mit Neapel aufweisen, obwohl dort ebenfalls eine Verehrung dieser Heiligen belegt werden kann. In den Werken über die Heiligen aus dem 9. und 10. Jahrhundert erscheinen häufiger die Sarazenen, deren Beutezüge Anlass für Translationen waren. Sie werden als Angreifer (etwa bei Euphebius) oder als Besatzer Baris (etwa im Mirakelbericht des Agnellus) dargestellt. Allgemein wurden sie aber nicht aufgrund ihrer Religion als Feinde betrachtet, sondern nur aufgrund ihres kriegerischen Vorgehens. Lediglich im Translationsbericht des Bartholomäus werden sie einmal als pagani bezeichnet. Ansonsten gibt es in den hagiographischen Werken keine Auseinandersetzung mit dem Islam. Hierbei war es vielleicht zuträglich, dass die christlichen Herrscher der verschiedenen Regionen Sarazenen als Söldner gegen andere christliche Herrscher einsetzten, sodass jene mehr unter diesem Aspekt in Erinnerung blieben. Es kam sogar teilweise zu Ansiedlungen der sarazenischen Truppen, etwa bei Benevent, wo eine friedliche Koexistenz über einen gewissen
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Zeitraum möglich war. Da die Sarazenen nicht als religiöse Gegner wahrgenommen wurden, führte dies vorerst nicht zu einem Bündnis der christlichen Machthaber, für die ein gemeinsamer Heiliger eine Identifikationsfigur hätte darstellen können. Aber nicht nur die Sarazenen wurden in den hagiographischen Werken als Gefährdung dargestellt, sondern ebenso (im Mirakelbericht des Agrippinus) die Langobarden, die sukzessive versuchten, die gesamte Region unter ihre Herrschaft zu bringen. Auf langobardischer Seite hingegen wurden die Byzantiner als Feinde wahrgenommen, so etwa in der Vita des Bischofs Barbatus, und die Neapolitaner im Liber zur Erscheinung des Erzengels Michael. Als weitere Gefahren wurden Naturgewalten wie der Vesuv angesehen (im Mirakelbericht des Agrippinus), da ein Vulkanausbruch zur Zerstörung ganzer Städte führen konnte, daneben konnten Pestepidemien (im Mirakelbericht des Juvenalis) und Heuschreckenschwärme das Leben erschweren. Daher waren die Gräber von Heiligen, die besonders in solchen Fällen helfen sollten, beliebte Anlaufstellen im Gefahrenfall. Durch die Verehrung wurde der Schutz der Heiligen erbeten, um so die gefahrvollen Situationen zu überstehen. Andere Bedrohungen, die etwa von den Franken und später von den Ottonen ausgingen, fanden keinen Niederschlag in den hagiographischen Werken. Auch scheinen sie nicht zu Translationen geführt zu haben. Tatsächlich lässt sich in der Zeit des fränkischen Ausgreifens nach Italien ein Anwachsen an Klosterbauten verzeichnen, was aber anscheinend keine Veränderung in der Anzahl der zu verehrenden Heiligen mit sich brachte, wobei über die Intensität der Heiligenverehrung in Krisenzeiten keine Aussagen gemacht werden können. Durch die beständige Umstrukturierung der Machtverhältnisse kam es ferner nicht zur Etablierung eines Grenzheiligen, da sich klare Grenzen in dieser Region zunächst nicht halten konnten. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Quellenlage der untersuchten Städte ist eine einheitliche Linie innerhalb der Errichtung von Kirchen und Klöstern kaum feststellbar. Am besten können die Kirchen- und Klosterbauten in Neapel nachvollzogen werden, wo die Bischofschronik eindrücklich Zeugnis über die Bauten liefert, die von den Bischöfen vorgenommen wurden. Hier zeigt sich eine gewachsene Anzahl an kirchlichen Bauten, die unter den Bischöfen errichtet wurden. Es wurden viele Kirchen unter die Patrozinien lokaler Heiliger gestellt, etwa des heiligen Sosius oder Gaudiosus. Ab dem 6. Jahrhundert ist eine Hinwendung nach Rom durch die Errichtung einer Kirche unter dem Patrozinium des heiligen Laurentius ersichtlich. Ebenso wurden Kirchen und Klöster unter das Patrozinium griechischer Heiliger gestellt, etwa die Heiligen Cyricus und Julitta. Die Vermischung römisch-lateinischer und byzantinisch-griechischer Elemente lässt sich darüber hinaus in der Liturgie nachvollziehen, da im Translationsbericht des Sosius erwähnt wird, dass die Gesänge in Latein und Griechisch gesungen wurden. In Benevent ist die Situation aufgrund einer fehlenden Kirchengeschichte in dieser Form schon schwieriger, wobei sich durchaus einige Kirchen eruieren lassen, die im Untersuchungszeitraum errichtet wurden, und teilweise sogar erschließbar ist, unter wessen Patrozinium sie waren. Erst nach dem endgültigen Übertritt zum römisch-lateinischen Christentum konnte wieder ein geregeltes
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christliches Leben aufgenommen werden, zu dem auch Kirchen- und Klosterbauten gehörten, da diese im täglichen Kult von Nöten waren. Dennoch lässt sich in Benevent nur in einem geringen Maße der Bau von kirchlichen Gebäuden nachvollziehen. Kenntnisse darüber erscheinen in unterschiedlichen Kontexten, so durch die Herzogin Theodora und knapp hundert Jahre später durch Arichis II. Die Kathedrale der Stadt wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet, ihre Bedeutung erlangte sie aber erst in der Mitte des 9. Jahrhunderts, als die Reliquien des Apostels Bartholomäus dorthin transloziert wurden. Die Reliquien der Heiligen, die durch Arichis II. nach Benevent gebracht worden waren, wurden in der Palastkirche S. Sophia niedergelegt, wodurch die Bedeutung des Hofes auf kirchliche Belange unterstrichen wurde. Erst im 9. Jahrhundert gelang es den beneventanischen Bischöfen, besonders Bischof Ursus, Einfluss auf die Reliquieneinholungen zu nehmen. Die beneventanische Liturgie wurde wahrscheinlich gegen Ende des 8. Jahrhunderts zunehmend durch die römische ersetzt, was eine wachsende Bedeutung der römischen Kultpraxis in einem langobardischen Fürstentum aufzeigt. Während das Herzogtum zuvor in kirchlichen Belangen einen eigenen Weg beschritten hatte, wurde nun eine Annäherung im Kult an die römisch-lateinische Kirche vollzogen. Die Sakralbauten in Bari können mangels Quellen nicht eindeutig nachgezeichnet werden. Doch ist zumindest eine grobe Linie absehbar. So finden sich Bauten für griechische wie für lateinische Heilige. In der Zeit des Emirats soll auch eine Moschee in der Stadt errichtet worden sein, ohne dass gesagt werden kann, wo sich diese in der Stadt befand. Die Kathedrale Baris untersteht heute dem heiligen Sabinus. Eindeutige Auskünfte, seit wann dies der Fall ist, sind nicht erhalten. Vielleicht kam dieses Patrozinium erst am Ende des 11. Jahrhunderts auf, als wahrscheinlich die Tradition der Translation der Reliquien des Heiligen aufkam. Anhand des Vergleichs der verschiedenen Kalendarien wurde gezeigt, dass die Verehrung eines Heiligen in der einen Stadt keinen Kult in der ganzen Region bedingen musste. Teilweise waren Heilige nur in einer Stadt bekannt. Allerdings kann im Untersuchungszeitraum ein Anwachsen der „Heiligenbestände“ festgestellt werden, was möglicherweise mit der Verbreitung von hagiographischen Werken erklärt werden kann. Als Begegnungsraum zwischen römischlateinischen und byzantinisch-griechischen Traditionen kam Süditalien eine besondere Rolle zu. In Neapel konnten im Marmorkalender die verschiedenen Einflüsse festgestellt werden, da beispielsweise viele biblische Heilige aufgenommen wurden, was auf byzantinisch-griechische Einwirkungen hindeutet, aber es wurden auch einige Heilige an ihren römisch-lateinischen, nicht an ihren byzantinisch-griechischen Festtagen aufgenommen, was die unterschiedlichen Beeinflussungen aufzeigt. Die Ergänzungen des Codex Casanatensis 641 in Benevent weisen viele neue byzantinisch-griechische Heilige auf, was die Kontakte verdeutlicht. Vor der Spaltung der Kirche war ein gegenseitiger Austausch in einer politisch zersplitterten Region möglich.
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In den drei Städten erscheinen griechische ebenso wie lateinische Heilige als Patrone, woran die Bedeutung der beiden Traditionen deutlich wird. Arichis II. ließ die S. Sophia bewusst in Anlehnung an das konstantinopolitanische Vorbild errichten und die vielen griechischen Heiligen, die in Neapel Verehrung erfuhren, boten sich als Patrone für neu errichtete Kirchen sicherlich besonders an. Auch in Bari waren beide Traditionen vorhanden, was mit den wechselnden Machthabern erklärt werden kann. Zudem existierte noch keine klare Trennung zwischen den beiden Traditionen. Gerade in einer kulturellen Grenzzone konnte es zu einer Vermischung der Heiligen und ihrer jeweiligen Bedeutung für eine Stadt kommen. So wurden besonders wichtige Heilige wie etwa die Apostel allgemein verehrt, während jede Stadt ihre eigene Tradition der Heiligenverehrung ausbilden konnte. Diese lokalen Heiligen erfuhren oft keine überlokale Verehrung. So wurde beispielsweise keine Kirche unter dem Patrozinium eines Heiligen der Nachbarstadt errichtet. Hierbei scheint die Konkurrenzsituation zwischen den Städten doch zu groß gewesen zu sein. Ob – und wenn ja wie – sich das in normannischer Zeit änderte, ist nicht mehr Teil dieser Untersuchung.
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VERZEICHNIS DER ORTS- UND PERSONENNAMEN Das Register listet in alphabetischer Reihenfolge Orts- und Personennamen auf, die im Haupttext oder in den Anmerkungen genannt sind, wenn sie nicht Teil von bibliographischen Angaben oder von Quellenzitaten sind. Die Abkürzungen orientieren sich am Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, S. XVII–XXI mit Ausnahme von Kl. = Kloster, Stift, O. = Ort, Terr. = Region, Landschaft, Herrschaftsgebiet, Provinz, Territorium. Bei den Amtsträgern werden nach Möglichkeit die Amtsjahre angegeben. Die Seitenzahlen beziehen sich sowohl auf den Haupttext, als auch auf die Anmerkungen auf der angegebenen Seite.
Abbibbo, Hl., 67, 266 Abellinate/ Avellino in Campanien, O., 162 Abraham, Hl., 241, 254 Abraham, Tyrann (850–902), 208, 209 Acutius, Hl., 157, 158, 163, 164, 167, 168, 169, 171, 172, 173, 241, 272 Adelperga v. Benevent, Hzgn. (740–788), 76, 96 Ademar v. Benevent, Hl., 60, 261 Adeodatus, Archipresbyter († 5./ 6. Jh.), 119, 241 Aeclanum, O., 104, 107, 108 Afrika, 18, 118, 180, 212, 216 Agapitus, Hl., Papst (535–536), 237, 238, 239, 241, 258 Agnellus v. Neapel, Abt (6. Jh.), 67, 91, 170, 175, 176, 177, 178, 179, 186, 212, 241, 276 Agrippinus v. Neapel, Hl., Bf. (†320), 67, 160, 161, 163, 164, 170, 189, 212, 216, 242, 277 Ägypten, 66 Aio II., Fs., (885–891), 77 Aio, Bf. (871–886), 61, 200 Alexander, Ks., (912–913), 208 Alexandria, O., 29, 131, 206, 268 Alphanus I. v. Salerno, Ebf. (1015–1085), 112 Amalfi, O., 134, 135, 136, 137, 204, 206, 273 Amantea, O., 51 Ambrosius Autpertus, Abt, († 784), 60
Ambrosius v. Mailand, Hl., Kirchenvater, (339–397), 28, 220, 227, 228 Amien, O., 224 Ananias, Hl., Ap., 242, 255 Anastasius Bibliothecarius, (†879), 60, 200, 201, 202 Anastasius der Perser, Hl., (†628) Datum fehlt in Arbeit, 58, 68, 220, 232 Anastasius Mönch, 189 Andreas v. Bergamo, (9. Jh.), 76, 91, 93, 117 Andreas, Hl., Ap., 206, 220 Angelarius, Hl., Bf. (855–876), 193, 194 Anna, Hl., 246, 254 Anthes, Hl., 144 Anthimus, Hl., Fs., 90, 91, 242 Antoninus Pius, röm. Ks., (138–161) , 122 Antonius, Hl., (3./4. Jh.), Einsiedler, 54 Apulien, Terr., 40, 45, 51, 121, 153, 191 Arethas, Hl., 242, 267 Arianus, (3./4. Jh.), 231 Arichis II., Hzg., (758–787), 43, 60, 77, 84, 85, 86, 96, 97, 98, 100, 101, 105, 106, 107, 108, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 125, 127, 127, 129, 147, 154, 155, 156, 157, 165, 171, 214, 217, 272, 274, 275, 278, 279, Armenien, Terr., 99, 198, 202, Artemas, Hl., 268 Arthellais, Hl., 102, 103, 104, 182, 216, 275 Athanasius I., Hl., Bf. (832–872), 63, 70, 90, 160, 170, 178, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 196, 215, 233, 261, 267
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Verzeichnis der Orts- und Personennamen
Athanasius II. v. Neapel, Bf., Hzg. (878– 898), 22, 46, 48, 62, 65, 67, 68, 90, 233, 242, 261, 267, 272 Athanasius III., Bf. (907–958), 265 Athanasius, Kirchenvater (†373), 54 Äthiopien, 146 Augustinus, Hl. Kirchenvater, (4./5. Jh.), 214, 220 Authari, Kg. der Langobarden, (584–590), 33 Barbatus, Hl. Bf., (7. Jh.), 42, 95, 124, 126, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 152, 216, 237, 272, 273, 277 Bari, O., 21, 34, 36, 41, 49, 50, 51, 52, 53, 66, 73, 75, 80, 92, 93, 95, 121, 148, 177, 179, 186, 191, 192, 193, 193, 195, 196, 197, 212, 216, 217, 273, 275, 276, 278, 279 Bartholomäus, Hl., Ap., 13, 60, 76, 94, 118, 120, 131, 139, 145, 157, 197, 198, 199, 200, 202, 203, 205, 206, 212, 213, 220, 274, 276, 278 Basilissa, Hl., 90, 242, 247 Basilius v. Caesarea, Hl., Kirchenvater, Bf., (†379), 242, 263, 264 Bayern, Terr., 94 Beda Venerabilis, († 735), 57, 61, 63, 99, 111, 112, 116, 119, 120, 123, 124, 126, 134, 144, 146, 150, 165, 167, 178, 180, 195, 199, 207, 211, 224, 225, 226, 227, 231, 232, 233, 234, 253, 254, 255, 257, 258, 259, 261, 262, 263, 265, 266, 267, 269, 270, 271, 274 Benedikt, Hl., 77, 87, 93, 150, 188, 220, 229 Benevent, O., 13, 21, 22, 24, 32, 34, 36, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 50, 53, 60, 61, 62, 74, 75, 76, 77, 83, 84, 85, 86, 87, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 151, 152, 154, 153, 154, 155, 156, 157, 164, 165, 169, 171, 172, 182, 187, 190, 191, 192, 193, 195, 197, 198, 199, 200, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 211, 213, 214, 215, 216, 219, 227, 228, 229, 232, 234, 236, 237, 239, 240, 241, 261, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278
Bernardus, Bf. (†860), 145 Bernhard, Mönch, 52, 92 Bertharius, Hl., Abt (†883), 200 Blasius, Hl., 242, 266 Bonitus, Subdiakon, (9. Jh.), 58, 64, 65, 67, 68, 240, 266 Bretagne, Terr., 146 Brindisi, O., 41, 83 Brüssel, O., 129, 180, 200 Byzanz, 16, 18, 21, 39, 41, 43, 44, 47, 72, 85, 102, 104, 108, 109, 134, 157, 169, 198, 217, 228, 230, 272 Caesarea, O., 104, 107, 166, 169 Caius, Hl., 144 Calvus v. Neapel, Bf. (†763), 89 Campanien, Terr., 35, 98, 162, 165, 166, 171, 173, 181, 191 Canio, Bf., Hl., 268 Canosa, O., 50, 148, 149, 151, 152, 156, 171, 192, 193, 216, 217, 258, 273, 275 Capua, O., 45, 62, 175, 241 Carpanius, Hl., 166 Castus, Hl., Bf., 97, 116, 117, 154, 155 Catharina, Hl., 268 Chartres, O., 200 Christophorus, Hl. 243, 265, 266 Cicinnus, (9. Jh.), 68, 234, 235 Clemens I., Papst, (ca. 88–97), 117, 220, 226 Cleph, Kg. der Langobarden, (572/573– 574), 37 Coelestin I., Hl., Papst, (422–432), 258 Como, O., 200 Concordius v. Bari, Bf., (5. Jh.), 49 Córdoba, O., 52, 192 Cornelius, Hl., Papst, (251–253), 238, 239, 255 Cosma Vestitore, 259 Cosmas, Hl., 220, 234 Cuma, O., 69, 235, 236, 263 Cyricus, Hl. 91, 243, 268, 277 Cyrill v. Skythopolis, (†ca. 558), 262 Cyrus, Hl., 246, 265 Damasus, Papst, (366–384), 27 Damian, Hl., 220, 234 Daniel, Prophet, 253 David II. v. Benevent, Bf., (782–796), 44, 86, 206 Decius, Ks., (249–251), 104, 105, 106 Decoroso v. Capua, Hl., Bf., 42 Demetrius, Hl., 99, 244
Verzeichnis der Orts- und Personennamen
Deodatus, Hl., Bf., 118, 119, 120, 241 Desiderius, Kg. der Langobarden, (757– 774), 96, 98, 109, 112, 168 Desiderius, Hl., 128, 170, 171, 172, 173, 211, 244 Deutschland, 200 Diocletian, röm. Ks., (284–305), 91, 128, 166, 173, 236, Dionysius, Hl., Bf., 238, 244, 255, 256 Domitian, röm. Ks., (91–96), 49 Ecana, O., 114 Eleazar, Prophet, Hl., 223, 244, 253 Elia, Bf. (1089–1105) Elisa 252f. Elisabeth, 254 Elsass, Terr., 94 Emerith, 154 Emesa, O., 224 Epaphroditus, Hl., Bf., 244, 255, 256 Erasmus, Hl., 220, 232 Erchempert, Mönch, 24, 45, 60, 62, 63, 67, 75, 76, 77, 78, 84, 97, 99, 103, 111, 116, 119, 120, 123, 124, 126, 132, 134, 144, 146, 149, 150, 167, 171, 195, 199, 207, 211, 219, 225, 226, 227, 232, 234, 235, 239, 240, 241, 254, 255, 263, 264, 270, 271, Eugippius, 207, 208 Euphebius v. Neapel, Hl., Bf., (3./4. Jh.), 159, 160, 161, 212, 276 Euplius, Hl., 221, 236, 237 Eupraxia, Hl., 91, 244, Eusthratius, Hl., 221, 233 Euthymius, Hl., 245, 262 Eutyches, Hl., 157, 158, 164, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 245, 272 Evaristus, Hl., 166 Evodius v. Caesarea, Bf., 234 Febronia, Hl., 68, 245, 260 Felicitas, Hl., 122, 123, 222 Felix IV., Papst, (526–530), 235 Felix v. Nola, Hl., (3./4. Jh.), 111, 113, 120, 121, 221, 227, 238, 239, 245, 270 Festus, Hl., Diakon, 91, 128, 130, 167, 170, 171, 172, 173, 211, 245 Fortunatus, Hl., 144 Fortunatus, Hl., Bf., (593–600), 159, 176, 245 Frankreich, 102, 200 Frigento, O., 126, 127 Gaius, Papst, (283–296), 258
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Gaudiosus, Hl., Bf., 90, 91, 157, 158, 159, 167, 170, 177, 245, 277 Gaudiosus, Pilger, 162 Georgios v. Kappadokien, Hl., 221, 230 Georgius, Hl., 99 Germanien, Terr., 76 Germanus v. Capua, Bf. Gervasius, Hl., 28, 221, 227 Gisulf I., Hzg., (568–ca. 581), 83, 84 Gisulf II., Fs., (1052–1077), 146, 147 Gisulf II., Hzg., (†610), 84 Gregor I., Hl., Papst, (590–604), 59, 91, 120, 148, 150, 176, 198, 221, 226, 257 Gregor v. Neapel, Hzg., (939–955), 22, 67, 209 Gregor v. Nyssa, Hl. 265 Gregor v. Tour, Hl. († 594), 198 Gregorius aus Bari, Presbyter, 191 Gregorius aus Bari, Presbyter, 191 Gregorius Clericus, (10. Jh.), 58, 64, 68, 232, 233, 241 Gregorius Nazianzensus, Hl. 261 Gregorius Thaumaturgus v. Neocaesarea, Bf., Hl., 246, 264, 265 Gregorius Theologus, Hl., 246 Gregorius v. Armenien, Hl., Bf., 68, 245, 260 Gregorius, 151 Gregorius, 67 Gregorius, Sohn v. Stephan III., 47 Grimoald III. v. Benevent, Hzg., (788–806), 43, 156, 273 Grimoald IV. v. Benevent, Hzg., (806–817), 148, 151, 154, 156, 214 Gualtarus, Gastald, 100, 102, 155, 156, 234 Guarimpotus, (10. Jh.), 65, 67, 68, 183, 231, 233, 259, 260 Gurita, Hl., 67, 266 Hadrian I., Papst, (772–795), 98 Hadrian II., Papst, (867–872), 184, 201, 215 Helianus, Hl., 97, 98, 99, 100, 101, 102, 104, 154, 155, 156, 157, 216, 234, 275 Hiob, 55 Ignatius v. Antiochia, Hl., Bf., 246, 257 Indien, 198, 199, 202 Innozenz I., Papst, (401–417), 258 Ischia, 69, 175, 180 Isidor v. Sevilla, Bf., († 636), 61 Italien, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 21, 22, 24, 27, 31, 34, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 56, 57,
318
Verzeichnis der Orts- und Personennamen
58, 60, 63, 64, 72, 74, 75, 78, 79, 91, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 104, 105, 107, 108, 109, 113, 114, 115, 136, 142, 144, 146, 148, 151, 153, 154, 157, 160, 166, 170, 182, 183, 191, 192, 195, 196, 198, 200, 206, 214, 216, 217, 228, 235, 236, 264, 266, 272, 274, 275, 277, 278 Jakobus der Ältere, Hl., 87, 206, 238 Januarius, Hl., Bf., 42, 47, 87, 89, 90, 91, 111, 122, 124, 128, 129, 130, 132, 133, 137, 157, 158, 159, 161, 162, 163, 164, 167, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 184, 185, 187, 189, 196, 197, 210, 211, 212, 215, 216, 221, 273, Jason, Hl. 238, 246, 248, 255, 256, Jesaja, 252f. Jesaja, Prophet, 253 Joachim, Hl., 246, 254 Johannes Chrysostomos, Hl. 246, 259 Johannes der Täufer, Hl., 70, 115, 224, 254, 255, 257, 272 Johannes I. v. Neapel, Bf., (5. Jh.), 161 Johannes II. v. Neapel, Hzg., (915–919), 237 Johannes IV., Bf., (842–849), 89, 128, 159 Johannes v. Neapel, Diakon, († nach 906), 64, 65, 66, 78, 172, 187, 195, 196, 207, 210, 233, 262, 263, Johannes VIII., Papst, (872–882), 178, 179 Johannes XIII., Papst, (965–972), 40, 206 Johannes XV., Papst, (985–996), 16 Johannes, Abt, 207, 234 Johannes, Evangelist, 198, 221 Johannes, Hl., 93, 153, 221 Johannes, Konsul, 265 Judas , Ap., 223, 224 Juliana, Hl., 69, 221, 235, 236, 263 Julianus v. Antinoe, 90, 238, 247 Julianus, Ks., (360–363), 109, 110 Julitta, Hl. 91, 247, 268, 277 Justinian, Ks., (527–565), 103, 150 Juvenalis, Hl., 124, 277 Kalabrien, Terr., 51 Kappadokien, Terr., 104 Karl der Große, Kg. u. Ks., (768–814), 39, 43, 44, 78, 98, 109, 168 Karl der Kahle, Ks., (843–877), 66, 262 Karl III., Kg. u. Ks., (876–888), 262 Karlmann, Kg. (768–771),109 Karthago, O., 28, 180 Kleinasien, Terr., 106, 146
Konstans II., Ks., (641–668), 50, 107, 108, 109, 140, 182, 275 Konstantin I., Ks., (306–337), 25, 46, 88 Konstantin II., Ks., (337–340) 104 Konstantin V., Ks., (741–775), 168 Konstantin VII., Ks., (905–959), 57 Konstantina, Ksn., (6. Jh.), 257 Konstantinopel, O., 40, 43, 45, 46, 48, 57, 69, 71, 72, 85, 90, 98, 100, 101, 102, 104, 135, 138, 154, 155, 156, 157, 169, 181, 182, 191, 200, 201, 206, 216, 224, 234, 272, 276 Konstantinus Caballinus, 168 Landulf II. v. Benevent, Bf., (943–961), 105, 146 Laurentius, Hl., 89, 90, 184, 189, 221, 229, 277 Le Mans, O., 29, 108 Leo I, Hl., Papst, (440–461), 93, 226, 227, 238, 240 Leo II, Hl., Papst, (682–683), 221, 226, 258 Leo IX, Papst, (1049–1054), 205 Leo VI., Ks. (886–912), 191, 208 Leo/ Leone, Presbyter, 181, 182 Leontios v. Neapel, Bf., 201, 247 Licinius, Ks., (308–324), 99 Lipari, 13, 157, 197, 198, 199, 202, 204, 275 Liutprand, Kg. der Langobarden, († 744), 76, 96, 214 Lucca, O., 112 Lucius, Prokonsul, 103 Ludwig II., Kg. u. Ks. (839/840–875), 44, 50, 72, 121, 184, 186, 188, 192, 197, 201 Lukanien, Terr., 87 Lukas, Evangelist, Hl., 26, 49, 103 Lupos, Presbyter, 260 Lupulus, 87 Lupus Protospatarius, 49, 80, 238 Madius Cariosus, 117 Magna Graecia, Terr., 17 Marcellinus, 92 Marcellus, 222, 227, 238, 247, 258 Marcianus v. Frigento, Bf., 126, 144, 238, 247 Marcianus v. Syrakus, Bf., 126 Margarita, Hl. 238, 240, Maria Aegyptiaca, Hl., 66, 247, 261 Maria Magdalena, Hl. 191 Maria, Jungfrau, 86, 140, 205, 222, 225, 254 Markus, Evangelist, 197, 198, 206
Verzeichnis der Orts- und Personennamen
Markus, Hl., Papst, (336), 258 Martin v. Monte Massico, Hl., 97 Martin v. Tours, Hl., 54, 270 Martin, 91 Matthäus, Hl., Evangelist, 112, 131, 144, 145, 146, 147, 206 Maurelianus, 194 Mauriokios, Ks., (582–602), 167 Maurus, 163 Maurus, Bf., 49 Maximian, Ks., (286–305), 111, 166, 236 Maximus v. Neapel, Hl, Bf., 159, 248 Maximus v. Nola, Hl., Bf., 118 Maximus, Hl., Bf., 118, 159, 222, 236, 248, 262, 263 Memorus, Hl., 192 Mercurius, Hl., 60, 85f., 97, 99, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 124, 154, 155, 216, 238, 275 Michael, Erzengel, 16, 89, 93, 99, 115, 149, 156, 214, 222, 228, 229, 230, 272, 277 Minori, O., 134, 135, 136, 137 Modestus, Hl., 87, 248 Mohammed, Prophet, 52 Monte Cassino, Kl., 22, 37, 51, 61, 62, 63, 74, 75, 77, 86, 93, 96, 103, 143, 160, 171, 183, 184, 188, 203, 207, 215, 219, 227, 232, 241, 260, 270, 271, 272, 275, 277 Monte Gargano, 138, 153, 228, 229, 230 Moses, Prophet, 253 Nathanael, Jünger, 198 Neapel, O., 21, 22, 32, 34, 36, 40, 41, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 63, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 78, 83, 88, 89, 90, 91, 92, 97, 102, 105, 112, 118, 119, 120, 121, 128, 129, 132, 134, 135, 136, 138, 144, 145, 147, 148, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 195, 196, 197, 198, 199, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 215, 216, 217, 219, 227, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 240, 241, 253, 254, 257, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279 Nicephoro Gregora, 105, 248 Nicomedia, O., 91, 235
319
Nikolaus I., Papst, (858–867), 201 Nikolaus v. Myra, Hl., 195, 196 Nikolaus v. Sion, 196 Nola, O., 118, 120, 121, 122, 173, 273 Ofternus, Hl., 209 Onisimus, Bf., 256 Österreich, 200 Otto der Große, Ks., (912–973), 41, 53, Otto II., Ks., ( 973–983), 78 Otto III., Ks., (983–1002), 120, 205 Paderborn, O., 29, 108 Palästina, Terr., 46, 166 Paldo, Hl., 276 Palermo, O., 51, 208, Pannonien, Terr., 19, Pantaleon, Hl., 91, 248 Paris, O., 112, 200, 268 Paschalis I., Papst, (†824), 119 Paschalis II., Papst, (1099–1118), 119 Patria, O., 165, 166, 169 Patricia, Hl., 181, 182, 216, 217, 275 Paul I., Papst, (757–767), 47, 214 Paul II. v. Neapel, Bf,, (762–768), 47, 249 Paul III. v. Neapel, Bf, (800–821), 69, 249 Paulinus I. v. Nola, Hl., 119, 120, 121, 205, 222, 270 Paulus Diaconus v. Neapel, (9. Jh.), 65, 75, 76, 77, 78, 83, 140, 159, 214, 261 Paulus, Ap. 90, 153, 185, 221, 222, 239, 248, 255, 257 Pavia, O., 38, 43, 75, 76, 85, 214 Petrus v. Alexandria, Hl., Bf. 231, 248 Petrus v. Bari, Bf., (800–842), 150, 153 Petrus v. Neapel, Subdiakon († nach 970), 64, 65, 66, 67, 120, 162, 163, 170, 176, 179, 180, 230, 232, 235, 236, 240, 263, 264, 265, 266, 268 Petrus, Hl., Ap., 49, 73, 83, 87, 89, 90, 95, 153, 164, 185, 202, 222 Philippus, Hl., Ap., 87, 222 Pippin der Jüngere, Kg., (714–768), 97, 98 Potentia, O., 114 Potitus, Hl., 91, 222 Potos, (†um 777), 61 Prinkipo, 200 Priscianus, Hl., 166 Procopius, Hl., Bf., 99, 209, 210 Proculus, Diakon, 170, 171, 172, 173 Protasius, Hl., 28, 221, 223, 227 Pseudo-Paulinus, 145 Publius, Statthalter, 122
320
Verzeichnis der Orts- und Personennamen
Puteoli, O., 67, 167, 168, 171, 173, 185, 268 Quatuor Coronati, Hl., 243, 263 Quingesius, Bf., 144 Quintodecimum, O., 107 Quirinus, Bf., 144 Quodvultdeus, 157, 158, 250 Radelchis v. Benevent, Hzg., (839–851), 44, 78, 274 Ravenna, O. 27, 47, 79, 186, 270 Reggio, O., 53, 208 Reynerius, 168 Rom, O., 16, 22, 28, 37, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 46, 47, 49, 69, 71, 90, 94, 105, 112, 120, 123, 129, 130, 138, 148, 150, 157, 160, 162, 164, 168, 172, 182, 183, 184, 185,186, 201, 205, 210, 217, 232, 233, 234, 235, 236, 240, 263, 268, 269, 270, 277 Romuald I. v. Benevent, Hzg., (662–687), 83, 95, 138, 139, 140, 143, 151, 152 Romuald II. v. Benevent, Hzg. (706– 731/32), 96 Rufinus, Hl., 192, 250 Sabinus v. Canosa, Hl., Bf., 93, 95, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 156, 192, 193, 194, 197, 216, 217, 239, 250, 270, 273, 275, 278 Sachsen, Terr. 94, 215, 217 Salerno, O., 45, 50, 78, 112, 131, 135, 136, 140, 144, 145, 146, 147, 203, 204 Samone, Hl., 67, 250, 266 Samuel, 250, 252, 253 San Vincenzo al Volturno, Kl., 83, 93, 203, 215, 276 Santiago de Compostela, O., 206 Scholastica, Hl., 93, 225 Sergius I., Hzg., 184, 188 Sergius III., Papst, 184 Sergius, Hl., 250 Severinus, Hl., 66, 157, 158, 190, 197, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 223, 274 Sicard v. Benevent, Fs., (832–839), 118, 122, 134, 135, 136, 137, 156, 178, 211, 214 Sico v. Benevent, Fs., (817–832), 86, 118, 128f., 133, 156, 158, Siconulf v. Salerno , Fs. (839–851), 44, 274 Silas, Hl., Ap., 250, 255 Silvester, Papst, 93, 223, 226, 227, 258 Simeon Metaphrastes, 196 Simeon v. Jerusalem, 225
Simon, Ap., 223, 224 Siponto, O., 138, 140, 228, 229, 273 Sixtus II., Papst, (257–258), 240 Sizilien, 46, 47, 51, 52, 121, 134, 208, 209, 213 Söhne v. Felicitas: Januarius, Felix, Philippus, Silvanus, Alexander, Vitalis, Martialis, 122 Sontia, O., 114 Sosius, Hl., Diakon, 66, 89, 157, 158, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 186, 190, 197, 207, 210, 211, 212, 251, 274, 277 Speratus, Hl., 209, 251 Spoleto, O., 42, 43, 116, Stephanus I., Bf. (ca. 499/501), 88, 89, 251 Stephanus I., Papst (254–274), 258 Stephanus II., Bf., Hzg., Konsul (755–800) 46, 47, 89, 90, 91, 164, 165, 166, 167,168, 169, 173, 190, 209, 210, 251, 272 Stephanus II., Papst, (752–757) 47, 168 Stephanus III. v. Neapel, Hzg. (821–832), 128 Stephanus III., Bf. (898–907), 66, 79 Stephanus III., Papst, (768–772) 47, 164 Stephanus, Hl. 26, 223 Symeon Metaphrasta, 105 Taormina, O., 208, 209, 210 Tarent, O., 52, 83, 121 Taso, Hl., 276 Tato, Hl., 276 Teano, O., 62 Thecla, Hl., 111, 251, 256 Theodemar, 61 Theoderada, Hzgn., 87, 95, 149, 151, 152, 153, 251, 278 Theodonanda, 91 Theodorius, 240 Theodorus Studites, 200, 201, 202 Thomas, Hl., Ap., 93, 223 Timotheus, Hl., 173 Titus v. Kreta, Bf., 252, 255, 256 Totila, Kg. der Ostgoten, 150, 151 Trivento, O., 117, 154 Trophimenis, Hl. 134, 137, 204, 239, 273 Tryphon, Hl. 252, 268, Tunesien, 111 Ulrich v. Augsburg (923–973), 16 Urban II., Papst, (1088–1099), 194 Urbanus, Statthalter, 166
Verzeichnis der Orts- und Personennamen
Ursus v. Neapel, Bf., (ca. 831–838) 122, 123, 126, 127, 156, 200, 214, 252, 264, 276, 278 Ursus, Presbyter, (10. Jh.), 64, 67 Vatikan, 78, 105, 112, 120, 129, 138, 139, 148, 172, 200, 236, 240, 268 Velea, O., 114 Venedig, O., 29, 47, 131, 197, 198, 206, Venusia, O., 114
321
Victor, Hl., Bf., 170, 252 Vienna, O, S. 189 Zacharias, Hl., 252, 253 Zacharias, Papst, (741–752), 97 Zacharias, Prophet, 253, 255 Zenoe/ Zeno/ Zosimus v. Benevent, († 543), Bf., 87, 144, 159, 252 Zwölf Brüder, 85, 108, 111, 113, 114, 115, 154, 165
b e i t r äg e z u r h ag i o g r a p h i e
Herausgegeben von Dieter R. Bauer, Klaus Herbers, Volker Honemann und Hedwig Röckelein.
Franz Steiner Verlag
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ISSN 1439–6491
Dieter R. Bauer / Klaus Herbers (Hg.) Hagiographie im Kontext Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung 2000. XXVIII, 288 S. mit 2 Abb. und 1 Kte., kt. ISBN 978-3-515-07399-8 Anke Krüger Südfranzösische Lokalheilige zwischen Kirche, Dynastie und Stadt vom 5. bis zum 16. Jahrhundert 2001. 398 S., geb. ISBN 978-3-515-07789-7 Martin Heinzelmann / Klaus Herbers / Dieter R. Bauer (Hg.) Mirakel im Mittelalter Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen 2002. 492 S., kt. ISBN 978-3-515-08061-3 Charles Mériaux Gallia irradiata Saints et sanctuaires dans le nord de la Gaule du haut Moyen Âge 2006. 428 S. mit 10 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08353-9 Dieter R. Bauer / Klaus Herbers / Gabriele Signori (Hg.) Patriotische Heilige Beiträge zur Konstruktion religiöser und politischer Identitäten in der Vormoderne 2007. 405 S., kt. ISBN 978-3-515-08904-3 Berndt Hamm / Klaus Herbers / Heidrun Stein-Kecks (Hg.) Sakralität zwischen Antike und Neuzeit 2007. 294 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08903-6 Uta Kleine Gesta, Fama, Scripta Rheinische Mirakel des Hochmittelalters zwischen Geschichtsdeutung, Erzählung und sozialer Praxis 2007. XVI, 481 S. mit 6 Abb. und 6 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-08468-0
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Dieter R. Bauer / Klaus Herbers / Hedwig Röckelein / Felicitas Schmieder (Hg.) Heilige – Liturgie – Raum 2010. 293 S. mit 35 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09604-1 9. Christofer Zwanzig Gründungsmythen fränkischer Klöster im Früh- und Hochmittelalter 2010. 539 S. mit 10 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09731-4 10. Sofia Meyer Der heilige Vinzenz von Zaragoza Studien zur Präsenz eines Märtyrers zwischen Spätantike und Hochmittelalter 2012. 383 S., kt. ISBN 978-3-515-09068-1 11. Waltraud Pulz (Hg.) Zwischen Himmel und Erde Körperliche Zeichen der Heiligkeit 2012. 227 S. mit 28 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10283-4 12. Daniel Nuß Die hagiographischen Werke Hildeberts von Lavardin, Baudris von Bourgueil und Marbods von Rennes Heiligkeit im Zeichen der Kirchenreform und der Réécriture 2013. 257 S., kt. ISBN 978-3-515-10338-1 13. Andrea Beck / Andreas Berndt (Hg.) Sakralität und Sakralisierung Perspektiven des Heiligen 2013. 210 S. mit 2 Abb. und 20 Farbtaf., kt. ISBN 978-3-515-10624-5 14. Gordon Blennemann / Klaus Herbers (Hg.) Vom Blutzeugen zum Glaubenszeugen? Formen und Vorstellungen des christlichen Martyriums im Wandel 2014. 319 S. mit 12 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10715-0 15. Klaus Herbers / Hans-Christian Lehner (Hg.) Unterwegs im Namen der Religion /
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On the Road in the Name of Religion Pilgern als Form von Kontingenzbewältigung und Zukunftssicherung in den Weltreligionen / Pilgrimage as a Means of Coping with Contingency and Fixing the Future in the World’s Major Religions 2014. 152 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10777-8 Klaus Herbers / Larissa Düchting (Hg.) Sakralität und Devianz Konstruktionen – Normen – Praxis 2015. 314 S. mit 23 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10921-5
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Klaus Herbers / Hans-Christian Lehner (Hg.) Unterwegs im Namen der Religion II / On the Road in the Name of Religion II Wege und Ziele in vergleichender Perspektive – das mittelalterliche Europa und Asien / Ways and Destinations in Comparative Perspective – Medieval Europe and Asia 2016. 306 S. mit 19 Abb., kt. ISBN 978-3-515-11464-6
Die Heiligenverehrung in drei Städten Süditaliens steht im Fokus dieses Bandes. Am Beispiel von Benevent, Neapel und Bari in der Zeit vom 8. bis zum beginnenden 11. Jahrhundert werden jene Heilige untersucht, die in der süditalienischen Region Verehrung erfuhren. Diese wurden entweder aufgrund von Translationen in die jeweiligen Städte gebracht oder in den Kalendarien der verschiedenen Orte aufgeführt, weswegen man in beiden Fällen einen Kult annehmen kann. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich
die Heiligenverehrung in einer kulturell durchmischten Region entwickelte: Gab es Unterschiede zwischen den langobardisch, römisch-lateinisch und byzantinisch-griechisch geprägten Gebieten in Bezug auf die Heiligenkulte? Wenn ja, welche waren diese und wo kam es zu Überschneidungen? Wer besaß Einfluss auf die Einführung und Etablierung von Heiligenkulten? Diesen Fragen geht Larissa Düchting anhand hagiographischer, historiographischer, architektonischer und liturgischer Quellen nach.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-11506-3
9
7835 1 5 1 1 5063