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German Pages 209 [416] Year 1862
Hallsreden.
Hausreden. Von
Jeopolü ArkeLer.
Dritte Auflage.
Leipzig.
Verlag von Veit & Comp.
1862.
Inhalt.
Das Haus Der Hausherr 6 Das Weib......................................................................................3 Höchster Mutterwunsch Das Nächste...................................................................... .12 Die klare Einsicht ............................ 14 Die schreckliche Versäumniß 15 Weltmelodie Die Armen und die Armuth 20 Ein leichtes Herz .................................. 24 Den Deinen Liebe — Allen Hülfe! 26 Das Gedenken Das Abgelebte Selbstachtung Das Verlorene Der Liebe Testament . ........................................................... 46 Unsterblichkeit Wirkung der Liebe . Vollendung Die Enkel 53 Herzenskältc — Herzenstod 54 Der Witwer . Nicht übcr's Ziel . . . ...................................................... 60 Die Verklärung 64
VI Seite
Die Kindergcsegneten .................................................................... 65 Die eigenen Tage..............................................................................68 Die Ehre........................................................................................ 71 Gerechte Klage.............................................................................. 74 Der wahre Fromme......................................................................... 77 Selbstgefühl.................................................................................... 79 Nichts verloren.............................................................................. 81 Die göttliche Unruhe.................................................................... 83Zu guter Nacht, zu gutem Morgen.......................................... 85 Menschensorge................................................................................... 86 DaS Scheiden................................................................................... 87 Nimm Alle auf, schließ' Keinen aus.......................................... 90Das Wunder unter Sterblichen............................................... 92 Größe im Dulden......................................................................... 94 Genesung............................................................................................. 96 Das wahre Geisterreich.............................................................. 99 Aelterntroft.......................................................................................101 Das belle Gelächter....................................................................... 104 Die heilige Kraft zu lachen........................................................ 107 Die Wünsche . . *.................................................................. 109 „Mein Gott!" ............................................................................ 111 Verdiente Gesellschaft.................................................................. 115 Schonung der Weiblichkeit........................................................ 117 Muth zur Wahrheit...................................................................... 118 Die drei Weltwunder ................................................................... 121 Die älteste Tochter....................................................................... 122 Das Spiel des Leben-.................................................................. 128 Der Bettler und die MauS.............................................. . 132 Die beste Meinung....................................................................... 135 Der Schlußstein............................................................................. 138Liebe dich selbst.................................................................. . 139 Das Ewige...................................................................................... 141 Die Welt de- Menschen................................... 142 Die Freiheit............................................................................ 143 Das Träumen ............................................................................ 148 Der kennt daS Unglück nicht, der es noch fürchtet ... 150
VII
Weltschmerz . . . .......................................................................152 Bestimmung ist Nothwendigkeit......................................................154 Der stille allgemeine Krieg............................................................ 156 Zu spätes Glück ................................................................................... 158 Zu späte- Unglück.............................................................................. 160 Die endlose Auferstehung; oder daS Vergessen .... 162 Das Naturwüchsige.........................................................................166 Theaterrede.........................................................................................168 Gefühl der Heimat.............................................................................. 173 Das Vaterland....................................................................................174 DaS bezaubernde Schloß...................................... 177 Des Gebers Gewinn.........................................................................179 Die Welt und das Leben . . . ...... ............................................ 182 Die Neugier..........................................................................................184 Ausgleichen und Nachräumen....................................................... 187 Arbeit......................................... .... 189 Die Stimmung.................................................................................... 190 Hab' es besser im Alter!................................................................... 192 Nachtgedanken.............................................................................. .194 Der Werth deS Ruhmes.............................................................. 196 Die Kunst: ein Zuschauer zu sein............................................. 197 Freiheit zu loben! und Freiheit zu tadeln!................................. 199 Seifenblasen...................................... 201 Lcbensfreiheit......................................................................................... 203 Die Schutz- und HülfSgeister . . . . .......................................206 Die Mutter aller Kühnheit............................................ 208 Der Gehorsam................................................................................... 210 Die einzige Sklaverei....................................................................... 214 Das Allgemeinmenschliche............................................................218 Die Kinderlosen............................................ .219 Das Fleisch der Welt....................................................................... 229 Das Göttliche............................................................. 231 Klarheit.................................................................................. 233 Lebensreise............................................................................................ 236 Selbstgenügen........................................................................................ 238 Werth der Gegenwart.......................................................................239
VIII
Die einzige Liebe...................................................................... 241 Gerechte Unterscheidung............................................ 244 Erhebung..................................................................................... 246 Die Fesseln..................................................................................... 248 Auferstehung........................................................................... 250 Die Liebe thut sich nie genug................................................. 251 Die Freude ist die Jugend ....................................... 253 Das Gebet.................................................................................... 254 Hilf, wem noch zu helfen ist .......... 256 Das immer Neue..................................................................... 258 Sei gefällig!.............................................................................. 259 Abschied........................................................................................ 261 Gleichgültigkeit..........................................................................263 Menschenlast und Menschenlist................................................. 267 Des Menschen Macht................................................................ 269 Die immer eitle Furcht........................................................... 271 Die Versäumniß........................................................... . . 273 Das Recht der Wesen................................................................276 Dle Ameisen............................................................................... 278 Leben ist Religion...................................................... 279 Das Glauben ist der Glaube................................................. 281 Auslächeln.................................................................................... 282 Göttlicher Lohn..........................................................................284 Die Segnenden................................................................. . 286 Vollkommenheit.......................................................................... 288 Lehrer................................................. 290 Menschenrecht........................................ 292 Der Bann....................................................................................294 Der Armen wahre Hülfe............................................................298 Das Bleibende.......................................................................... 303 Das Haus des Alters................................................................ 305 Die rechte Hoffnung ................................................................307 Der hohe Stolz.......................................................................... 309 Lohn der Leiden.......................................................................... 311 Blüte und Frucht..................................................................... 312 Ohnmacht der Hölle und des Himmels.................................. 315
IX
Der Muth sind wir............................................................................317 Zur Nachtruh'...................................................................................319 Bleibe still.............................................................................................320 Die beste Lernzeit............................................................................ 321 Die Herrlichen ................................................................................. 323 Der Morgen drauf............................................................................. 325 Zweimal lebt, wer wohl gelebt .................................................327 Die Götterblume.................................................................................. 329 Vergessen sein....................................................................................... 332 Die Noth............................................................................................. 334 „Das hat verthan"............................................................................ 341 Der heilige Geist.................................................................................. 345 Wunsch und Erfüllung................................................................. 350 Das wachsende Licht....................................................................... 352 Alles Gute gehört Jedwedem....................................................... 356 Entbehrlichmachung ....................................................................... 359 Werth der Unzufriedenheit............................................................ 363 Tapferkeit bis auS............................................................................ 368 Gegenseitigkeit....................................................................................... 371 Metamorphose ..................................................................................372 Spiegelung.............................................................................................374 Das Reich des Schönen................................................................. 376 Freudigkeit am Menschlichen........................................................... 380 Das bessere Leben............................................................................ 382 Reine Seele: reine Augen............................................................ 384 Wirke mit den Deinen...................................................................... 386 Die Weltüberwinder .......................................................................390 Der wahre Mensch............................................................................393 Alles Leben ist Gebet........................... 396 Tie Danksagung für das Leben................................................. 398
Die Liebe und das Leben lassen sich
Nicht lehren, nur behüten, an sich mahnen.
Non ihren Schätzen nur den Schleier heben, von ihrem Himmel nur die Wolken ziehn,
Die Nebelflecken schön als Sonnen deuten, Die Genien der Menschheit an den Abgrund Nah führen und Hinunterschauen lassen,
Der immer hinläust neben ihrem Wege, Darein ein falscher Tritt unrettbar stürzt —
Das unterfängt, das untersteht ein Mensch sich, Dem noch die Thränen rein im Auge blinken,
Dem noch das frohe Herz im Leibe lacht,
Der glücklich mar wie Einer je auf Erden,
Und bebt und glüht, ja ernst mit Inbrunst betet, Daß reine Liebe reine Liebe bleibe,
Nnd Seliglebende die Seligen.
Das Haus. Kannst du, so baue dir ein Haus, ein kleines,
Ein Hüttchen nur, ein eignes, daß du wissest, Wie mühsam Andern ihre Stadt entstanden,
Wie alte Völker sauer sich geplagt, Wie schwer ein jeder Stein gelegt ward, zweckvoll Als ein Gedanke durch die Seele ging,
Gleichwie ein Pinselstrich am Bild des Malers.
Hast du ein Eigenthum, dann wirst du recht Der Andern Eigenthum erst achten — wissen,
Was Eigenthum sei: unsrer Seele Wunsch,
Durch Müh' und Arbeit selber uns geschaffen. Geschenktes ist uns nur ein Halbbesitz, Nur eine kurze Ueberraschungsfreude. Gekauftes ist Bedurftes, nicht Erzeugtes
Von uns, nicht aus der Seele uns Gewachsenes.
Die ganze Welt gehört der ganzen Welt, So wie der Acker Millionen Halmen;
Wir selber sind nur unser Eigenthum Durch unser Werden aus uns, mit uns, in uns.
So schafft des Jünglings Liebe sich die Jungfrau, 1
2 — Die viele Jahre da war — ihm nur nicht! —
So schafft er sich aus ihr das Weib, die Mutter;
Sie werden beide aus und durch einander,
Sie schaffen aus der Seele sich die Kinder Durch Liebe, Müh' und Arbeit tausendfach.
Sich selbst allein besitzt der Mensch, und durch sich
Erst alles, was die Seele ihm verlangt,
Und an dem Andern nur besitzt er sich Erweitert, klar und ganz, so viel Er ist. Was nicht ein Theil von seinem Wesen ist,
Ein Hauch von ihm, ein Werk aus seinem Leben,
Das bleibt ihm streng geschieden, sonnenweit.
Lebendig, wie die Seele, ist Besitz; So groß, so reich sie ist, so liebevoll,
So rein, so heilig ist er, wie das Herz Des Menschen, so unraubbar ihm, wie er Sich selbst. — So schafft die Schnecke sich ihr Haus
Aus ihrem Saft, und so nur ist's ihr eigen. Mit deinem kleinen Haus und seinem Gärtchen
Erbaust du dir ein Königreich, das dein ist, Und keine Unterthanen drin, nur Freie, Nur Liebende, die alles dir zu Liebe Mit Freuden thun, und dennoch sich zum Nutzen.
Denn Das ist das Geheimniß aller Welt, Das nirgendwo in einem Lande wahr wird, Als ringsum nur in Hunderttausend Häusern
3 Bei guten Menschen: daß aus wahrer Liebe
Mit srohem Opfer Jegliches geschieht, Was alle Lieben Tag und Nacht bedürfen,
Und viele lange Jahre, stets das Andre Und Neue.
Und die Liebe ist stets neu;
Nur sie versteht, was einem Jeden nützt Zur Stunde, ja zum Augenblick.
Drum sind
Nur unsre Lieben uns zum Leben nöthig,
Wenn auch den Borrath zu dem Leben uns Die ganze Menschheit lang' erworben hat,
Die ganze Menschheit immerfort ihn fördert.
Doch all' die Mittel haben uns nur Werth, Wie eine Frucht vom Baume, wenn die Hand
Des Weibes, wenn der eignen Kinder Händchen
Sie uns mit Lächeln reicht; — sie wird noch mehr,
Wenn wir den Duft geathmet, sie beschaut, Und dann dem Kinde lieb sie wiedergeben — Da ist sie dreifach über allen Werth! Die Mutter ist die Walterin des Hauses,
Da ist sie mehr als alle Königinnen Im weiten Lande, denn da ist sie Alles. Der Vater ist ein Herr, wie keiner mehr; Im kleinsten Hanse fühlen sich die Kinder
Als sichre Erben von der ganzen Welt, Im Hause wird die Ewigkeit zum Tage, Der ungeheure Raum zur Kinderstube,
4 Die ew'gen Frühlinge zu lieben Blumen Am Fenster, und die ew'gen Herbste schwellen
Zu süßen Trauben an dem Hausgelände.
Verlangt das Glück von keinem Könige, Begehrt von keinem Reichen Eure Rettung, Sie sind zu arm dazu, wenn auch barmherzig.
Verlangt die Liebe nicht vom ganzen Volke: Ein Jeder hat sein Herz nur für die Seinen.
Nur seine Liebe soll den Menschen laben, Nur von den Lieben soll er Gaben nehmen,
Die Denen Freude sind, die sie ihm bringen.
Das Haus ist aller Paare Lebenswerkstatt, Und Größeres ist nirgendwo zu thun,
Als darin; nichts so Wichtig-Nöthiges,
Nichts Köstlichers und Seligers, als sich, Den Menschen zu vollenden!
Heiliger
Sogar ist Nichts, als sich unsterblich machen Durch Kinder . . . gute Menschen aufzustcllen
Als schönste Werke aus der Liebe Werkstatt, Die voll Geschäft von früh ist bis zu Nacht, Und jedes unausschieblich, froh begeistert,
Durch aller Liebe längst voraus belohnt!
Nur seine Arbeit soll den Menschen nähren, Denn unsre Arbeit schafft uns unser Glück,
Als treuen Tag-Verdienern durch das Werk, Das wir gethan; wenn auch ein Jeglicher
Nur zu der Seinen, zu der Lieben Wohl.
5 Wer seinen Lieben alles treu gewesen,
Der war der Welt und sich genug für immer; Denu nimmer kann und wird ein Anderer mehr sein.
So sei denn deinen Lieben alles treu —
Und gebe Gott dazu ein eigen Hans dir! Das Haus ist erst der Ort, worin das Glück
Sich Wohnung machen kann, wo selbst das Unglück Beklagt, gemildert und bezwungen weicht
Durch Liebe; wo das Alter sanft gepflegt,
Der Tod mit Thränen fromm gefeiert wird.
Drum ist das Haus der heiligste der Orte, Der Liebe Altar und des Himmels Tempel Zur schönsten Feier aller seiner Wunder,
Zum seligsten Genuß all seiner Zauber, Und sei das Haus die ärmste kleinste Hütte!
6
Der Hausherr.
Wer in der Welt für nichts zuvor gegolten,
Nur hier gehorchen mußte, da gehorchen, Der wird in seinem Haus ein Herr wie Keiner Im Lande größer, mächtiger und freier. Und was noch mehr als das: er wird beglückt,
Wie sonst durch Niemand wo!
Und er beglückt
Die Seinen, wie sonst Niemand thut: er liebt! Und was noch mehr als das: er wird geliebt.
Die kühlste Gattin fürchtet für sein Leben,
Die Kinder weinen, wenn er leis' nur klagt . . . Das Haus ist aus auf immer, elend sind sie, O nimmermehr so glücklich, wenn er stirbt. —
Da fühlt er seinen Werth, und liebt sie heißer.
Als Knabe mußt' Er laufen — Ihm nun läuft man I Als Jüngling mußt' Er dienen — Ihm nun dient man!
Und er befiehlt — und so geschieht, wie Er will. Doch wer sich Herr weiß, der befiehlt nicht grausam — (Unsicherheit nur macht Tyrannen grausam;
Siehst du wo Schrecken, Mord ... da ist kein Herr!)
7 Ihm ist das Herrschen sicher und die Liebe;
So herrscht er mild — er winkt
nur,
als
der
Vater!
Drum ist kein besserer Herr, als nur der Hausherr! Drum ist kein größerer Herr, als nur der Hausherr! Drum ist kein freierer Herr, als nur der Hausherr!
Was allen Königen im Land' unmöglich . . . Was in der Welt dem Manne selbst nicht möglich, Das wird ein Jeder in dem eignen Hause.
Drum willst du frei sein, Jüngling, werd' ein Mann! Ein treuer Gatte werde, und ein Vater! So
wirst
du
auch
zugleich
zum
guten
Menschen,
Zum Klügsten, der am rechten Ort', am einzig Stets möglichen, das Leben angegriffen,
Die ganze Welt am gegenwärt'gen Tage;
So lebst du götterhaft.
Aus freien Hausherrn
Nur wird ein freies Volk im ganzen Lande.
Drum, soll dein Volk ein freies Volk sein, werd' es Durch liebevolles Mann- und Vater-sein
An deinem Theil, an seinem Theil ein Jeder:
Durch Aller Glück nur wird die Freiheit Aller.
8
Das Weib. Was nicht im Menschen auch ist, das ist nirgend,
Was nicht im Weibe auch ist, lebt das wo?
Doch Alles, was umher im Aether glüht, In Stürmen braust, in Meeren wogt und schäumt,
In Sonnen stralt und stilllebendig zuckt In der Natur, der großen Chrysalide,
Das lebt im Weibe, wird geheimnißvoll Lebendig in der Mutter — heißt ein Kind. . . .
So ist das Weib denn eins mit der Natur,
Es ist sie selbst in reizender Gestalt, Boll ihrer Kraft und heißen Muttersinnes; Des Lebens Müh' ist ihr ein froh Geschäft; Mehr als die reichste Königstochter ist sie
Am seligsten begabt mit Fleiß und Arbeit!
Am reichsten ausgestattet mit der Sorge!
Nicht eine auferlegte Pflicht, kein Dienst Ist ihr des Lebens schweres Tagewerk —
Des Weibes muthig-unermüdet Wirken Ist ganz ihr eignes, freies, göttlich Wesen,
Wenn irgend etwas göttlich ist im All.
9 Die edle Jungfrau sie ergiebt dem Jüngling
Sich, weil er sagt und fleht: „Du bist mein Glück! ,,Nicht leben kann ich . . . mag ich ohne dich!"
Sie kann, sie will, sie muß ihn glücklich machen — Das soll ihr Glück sein, ihre schwere Arbeit, Die sie aus Lebensdauer übernimmt.
Sie nimmt den ganzen Mann auf ihr Gewissen, Für seine Jahre all'; den jungen, schönen Nicht nur, ach, auch den Alten einst, den Schwachen, Den Blinden, Tauben; ja sie nimmt den Kranken,
Den Sterbenden ... den Todten auf ihr Herz, Auf ihre Liebe! — und der Schwerste ist
Der Todte, der nicht da ist, dem sie nichts ist,
Der fehlt, so lange!
Doch sie hofft sich Kraft
Genug; und wenn sie ihr gebrach', noch Thränen Genug; und wenn sie ihr versiegten, Klagen
Genug; sie wird das Weib sein immerdar. Sie übernimmt das ganze Haus zur Sorge,
Die ganze Welt im Haus', auf ihren Tag!
Wo die Natur mit breiter Kraft und Fülle Nicht hingelangte mit der Götterhand,
Da langt des Weibes zarte Menschenhand Erst hin.
Die Sonne trocknet nicht dem Kinde
Die Thränchen — sieh', die Mutter thut es! — Nicht
Die Wolke tränkt den Durstigen — die Mütter! Die Sterne trösten nicht den kranken Mann —
10 Die Gattin thut es sanft mit feuchten Augen.
Wo selbst dem Mann der Muth versagt, da steht
Das Weib noch bei dem Sterbenden; sie wird ihm Die heilige Natur, die treue Freundin
Im Tode; und sie scheut sich kindisch nicht
Vor Sarg und Grab, darein sie ihre Lieben Beschickt, wie keine Göttin treuer könnte. Denn sie erinnert sich: sie war ja selbst schon In Schmerzen klar die heilige Natur,
Als sie in stiller Nacht das Kind gebar, Dem sie geheim schon lange, wie der Blume
Die Erde, seine Wunderwerkstatt war.
Sie scheut sich nicht zu sterben; denn sie fühlte Sich immer nah' und Eins mit jedem Zauber;
Und wie ein gutes Kind mit Lächeln sagt: ,,Was wird mir meine Mutter thun!" so spricht sie:
„Ich und die milde Liebe wir sind Eins; „Ich habe ihren Segen mir verdient."
11
Höchster Mutterwunsch.
Daß deine Frau und deine Kinder alle Dir niemals sterben sollen, — o das wäre Der grausam-unnatürlichste der Wünsche, Auch wenn Erfüllung je ihm möglich wäre!
Die frohe Mutter, die das Kind geboren,
Muß fromm und gut aus ihren Arm es nehmen, Und beten: „O mein Kind, mein liebes Kind,
Stirb ja mir wieder sanft und selig — einst!" Das ist die wahrhaft fromme, weise Mutter; Sie selber ist der tiefste Geist des Alls.
Wann aber stirbt das Kind ihr sanft und selig Für dieses und für alle Menschenleben? Wenn ganz als Mensch es selig hat gelebt.
Solch' Leben heißt den schönsten Tod ihm wünschen. Und vor der hohen Ahnung rinnen ihr
Die hellen Thränen heiß von ihren Wangen. Sie drückt den Knaben als den Himmlischen
Voll Himmelseligkeit an ihre Brust, Und beide küßt der Vater, beide segnend,
Und spricht:
„O sterbt dereinst mir beide — selig!"
12
Das Nächste.
Die Sterne mögen machen was sie wollen — Wir haben hier es mit uns selbst zu thun.
Nicht auszusorschen, was das Leben sei, Ist unser Werk; wir haben es zu leben;
Und damit ist es gründlich ausgekannt In allen Lagen, jedem menschlichen
Verhältniß, im Gefühl der Lust, des Leides, Und aller jener Wunder, drein das Leben Von Kindheit an uns führt, und klar und deutlich
Bei Hellem Sonnenschein und wacher Seel So weiß ein Jeder klar, das was er thut
Und wo er ist — denn stets in sich nur, bei sich, Und sich nur thut der Mensch von Kindheit an;
Nur sich zu thun hilft ihm die ganze Welt,
Und das nur kann die Menschheit Jedem helfen. Die Kinderfreuden lassen sich dem Kinde
Nicht malen: spielen, leben muß es sie!
Dem Jüngling und der Jungfrau lassen sich Die Lieb' und ihre Freuden nicht erzählen,
Nicht singen, sängen selbst die Götter alle!
13 Sie böten ihnen Schweigen vor dem Lallen
Des ersten Kindes! Und sie nähmen nicht Ein Buch der Baukunst aller Sternenhimmel
Für ihres Kindes Wiege an, auch wenn nur Ein Zimmermann sie mit der Axt gezimmert.
Ein Menschenpaar
nimmt
nicht
die ganze
Menschheit
Für seine Kinder, für ein einzig Kind; Nimmt nicht die großen Himmelsräume all'
Für seine Hütte mit der Hufe Erde. Das Eigene, das eigen sich Erschaffne, Das ist nur Jedes wahres Eigenthum!
Das Wenige, das ist das Himmelreich,
Das Rechte, das zur Stunde heiß Bedurfte,
Das ist das Selige, das Menschen-All, Ist Fülle, Freude, Trost und Herzensgnüge.
Denn mehr als gnug, das ist das größte Uebel, Das wird zu Nichts, das ist dem Menschen Nichts!
14
Die klare Einsicht.
Vom wirklich klar-erkannten Guten weicht Kein Mensch mehr ab, sonst wär' er nicht der Mensch!
Nur wo er sich zu nützen meint, und doch Sich oder Andern schadet, da nur sehlt er. Oft furchtbar, und unwiederbringlich stets.
Nur klare Einsicht hilft den Menschen wirklich.
Die besten Lehren bessern sie noch nicht; Denn willig, eifrig sind sie alle schon
Aus Herzensdrang, und meistens nur zu sehr,
Bis klare Einsicht ihren Willen bannt Und fest auf leichten schönen Weg sie führt.
Drum ist die Einsicht besser als die Lehren, Und nöthiger der Weise als der Priester;
Denn Gott schon hat das Menschenherz erfüllt. Doch Gutes gut zu thun, das zeigt der Weise Dem von der schönen Welt berauschten Menschen.
15
Die schreckliche Versäumnis. Saumseligkeit und Abgeschlagenheit Laß nicht dich überkommen; treib' sie aus.
Unrettbar-Armen und Unglücklichen Nur ist verzeihlich, träge zu verzichten Auf das, was rings geschieht und noch geschehn wird. Sie sollen Ruhe haben, sollen schlafen —
Und dazu giebt das stille sichre Bett Das gute Schicksal ihnen; gut, so wie
Der Blitz, der seinen Mann erschlagen hat Und ihn im Grab nicht weiter todten mag,
Noch todten kann, auch wenn er tückisch wollte. Drum ferne sei dir Abgeschlagenheit, Die schwere Sucht zu ruhn in allen Gliedern.
Saumseligkeit jedoch so lang du lebst
Und streben kannst, die schüttle stark dir ab!
Ein Herrscher lebt nicht immer; selbst ein Volk ist Langlebig wohl, doch immerlebig keins;
Und wie das ganze menschliche Geschlecht Nur seine Jahre haben wird, so hat
Ein jeder Mensch nur seine Lebenslage;
16 Und einen Tag versäumen, nur ein Gutes Zu thun versäumen, ist ein tausendfach
Verbrechen, und cs wird millionenfach Dann durch die Kinder, die es auch entbehren. Ein Gutes, das du dir in Zeiten thust,
Zeugt tausend Gutes in den weitern Tagen Und wird der Ahnherr tausend guter Folgen. Die Sorge,-was wohl dir und allen Deinen
Jetzt nöthig sei, heut' ausführbar — die Sorge,
Das ist die heilige, die göttergleiche!. Nur träg' erwarten, was vom Himmel falle, Was streng' erst Andre von dir fordern werden,
Und da zu sitzen wie ein trunkner Arzt, Dem selbst recht wohl ist in der Stadt voll Kranken —
Das ist die größte Schmach für einen Vater Von einem Kinde und von Millionen; Das ist die Blindheit, welche wohl die Sonne
Zu sehen glaubt — und doch nicht sieht; nicht sieht
Sie wandeln . . . sinken . . . untergehn; doch nicht
Die letzte Sonne sieht, die Jedem endlich Auf ewig untergeht: dem Haus, dem Volke, Saumselig ist fluchselig — reich an Fluch!
Es heißt, es ist: sein Herz ... die Welt verschlafen.
17
Wellmelodie. Die Seele schafft die Worte sich zur Welt,
Wie uns das eigne Herz den Busen schwellt. Die Liebe schafft die Worte sich zum Leide,
Die Jugend schafft die Worte sich zur Freude. Propheten, Dichter suchten sich die Welt — Den Todtenstrom, der seinen Sang behalt —
In Worte aufzulösen, zu erklären Seit alter Zeit, und ewig wirds so währen.
Der Mensch wird dieser Welt gewaltig sein,
Und Jeder singt zu ihr sein Wort allein,
Sein eignes Wort zu ihrer Melodie;
Kein Fremder giebt ein bessres nie uns, nie Drum singet selbst der große Sternen-Chor Kein Wort vom Himmel froh der Erde vor!
Sie ehren jedes Menschen eignes Herz Und ehren jedes Kindes eignen Schmerz,
Wie jeden Laut, wie jeder Blume Duft,
Rein, unerstickt vom Hauch der Himmelsgruft.
Und was, was Ungeheures sängen sie
18 Zu dies er Welt furchtbarer Melodie! Denn sie noch würden alles nicht ersassen,
Sie, einzeln, würden vor dem Chor erblassen, Stumm werden vor dem ungeheuren Wort,
Und jeder schlicht bestürzt sich einsam fort.
Die armen Menschenkinder fassen kaum
Den Text zur Welt als leichten Kindertraum, Und Menschenworte paßten für das Ohr
Der Sonne nicht, nicht für das Sternen-Chor;
Sie sängen nicht dem kleinen Menschen nach Sein innres Erden-Lebensungemach. Drum Jeder macht sich selbst den Text zur Welt Stets, stündlich, wie das Herz die Brust ihn: schwellt;
Wie jede Blume ihren Kelch sich baut,
Und jeder Wind weht mit dem eignen Laut.
Zur Frühlingsmelodie der Sonne macht Der Kuckuk sich den Text, tief ausgedacht! Die alte Frau macht flugs zum Donnerklange
Den Text in einem frommen Wort sich bange; Zum Schlafe macht das Kind den Text mit Gähnen,
Zum Tode macht der Mensch den Text mit Thränen; Sein tiefstes Wort sind seine stummen Klagen, Die blassen Wangen und das Herzverzagen, Die öde Ruh, die kalte Weltversäumniß —
Und jedes Herz ist klar sein Weltgeheimniß. Und zu der alten Todesmelodie
19 Gebricht das neuste Wort Beraubten nie.
So saust der große Sturm am Himmel fort Und jeder Mensch ist selbst dazu das Wort. Dem Armen weh! der Andrer Wort borgt
Zu Liebe, Leben, was er hofft und sorgt,
Zu Schmerz und Tod, zu Freude und Genügen —
Er ist der Erde Lügner und die Lügen! Du aber wirst des Himmels Wahrheit sein,
Schaffst du zu deinem Loos dein Wort allein.
20
Die Armen und die Armuth. O kränke mir die Armen nicht! Du thust
Sonst Schande dir, und ihnen bittres Unrecht. O denke sie dir nicht blos arm an Brot
Und Kleidern, arm an Wohnung; nein, erkenne
Die ganze Armuth, die sie rings umfängt An Leib und Seele, wie ein alter Mantel.
Gewöhnung arm zu sein und nichts zu gel ten —
Ob sie nun Weisheit reden oder Thorheit — Raubt ihnen andrer Menschen Eitelkeit, Den guten Schein, von dem ein Jeder lebt
Im Volk, und den sich ängstlich stets bewahrt,
Den guten Schein sich nutzlos zu bewahren. „Sie sind zu nichts, als noch zu Tod zu füttern!"
So sprechen Rohe wohl; das hören sie, Und wollen auf der Erde mit dem Schatze Des Lebens nichts, nichts mehr, als nach und nach
Die Tage ohne Qual so zu verlieren.
Der bittre Unmuth, mit dem sie zum Himmel
Noch manchmal aufschaun, wie in früherer Zeit,
21 Da sie noch hofften, zog in ihre Augen, Und finster blicken sie die Menschen an;
Der Klang in ihrer Stimme wird allmählich Kein bittender, er wird ein fordernder,
Und ihre Sprache eine ausgelernte,
Erkünstelt-hohle mit verstellten Thränen, Um die zu täuschen, die an Leib und Seele
Nicht angegriffen, nicht empört von Unglück, Die Hand nicht nach der kleinsten Gabe führen. Die ganzen Kleider würden ihnen schaden . . .
Drum ziehn sie früh die alten Lumpen wieder
Im reinen Glanz der Morgensonne an, Indeß sie eine Thrän' im Auge trocknen,
Mehr nicht; denn selbst sich klagen, selbst sich weinen, Macht ihnen nur das schwere Leben schwerer.
Sie sind nicht wohlerzogen, nichts gelehrt Von ihren Aeltern oder von den Menschen;
Sonst wären sie nicht arm; sie hätten wohl
Ein Häuschen, einen kleinen Acker, hätten Durch treuen Fleiß ihr Brot, und lehrten wieder Gern ihre Kinder, die nun ihnen nichts
Als kleine, kaum beseufzte Ebenbilder Und ihre Furcht statt ihre Hoffnung sind. — Sei du erst dreißig Jahre arm, dann siehe,
Wie du im Alter wirst gekleidet sein; In welcher Sprache du zu Menschen reden; In welchen Kreis die Seele dir gebannt
22 Und dein Gefühl! Ein armer, guter, treuer
Gerechter Mensch, ganz ohne Neid und Fehl, Noch hülfreich, wo er weiß und kann, noch sanft Und dankbar gegen Menschen, noch mit Freude
Zum Haus des Herrn — doch in die Halle—wandelnd — Der Arme ist ein Wunder dieser Erde Und wandelt einst ganz grad' ins Paradies. Drum sieh das ganze Elend wahrer Armuth,
Die Geistesarmuth bis zur Herzensarmuth, Dann weißt du ganz erst, was ein Armer ist.
Und dennoch hilf und gieb nur halb den Armen,
Die andre Hälfte deiner Gabe lege Du fromm zurück: die Armuth auszutilgen,
Den schlimmen Zu st and unter Menschen noch, Drein Tausend heut, und aber Tausend morgen
Versinken müssen, oder frei gesagt: Daraus nur wenig sich erheben können,
Und in dem besseren, dem leidlichen
Sich kaum durch Fleiß bei tödtend schwerer Arbeit Und bei Entbehrung mühevoll erhalten, Doch nie des Lebens froh geworden sind.
O schafft die Armuth . . . schafft den schlimmen
Zustand Der Menschen fort aus eurem Kreis, ihr Menschen!
Legt an die Zukunft eurer Kräfte Kraft Und eure Mittel an Vermittelung
23 Des rechten Lebens, das der Menschheit ziemt.
Was euch geholfen hat, nicht arm zu sein,
Das sagt nur, das gewährt den Andern klug Und gut; ihr wißt es ja, was euch noch Hilst Der Aeltern Tugend, eures Vaters Ehre
Und eurer Mutter Liebe — und sie waren Einst Kinder, und als Kinder ward einst gründlich Nur ihnen für des Lebens Zeit geholfen. Wollt ihr den Menschen helfen — helft den Kindern; Wollt ihr das nicht, so müßt ihr selbst vergehn,
Doch eure Enkel ganz gewiß im Thal Des breiten Unglücks rings im ganzen Volk.
Das muß euch Eifer, euch Begeistrung wecken, Es wäre denn, ihr wäret selbst schon arm
An Geist und Herzen, wie die ohne Brot. Ihr Glücklichen, o macht doch Andre glücklich!
24
Ein leichtes Herz. Laß Nichts auf lang’, aus immer dir geschehen; Du bleib’ allein auf immer dir Derselbe. Denn alles, wie aus einer Wanderschaft, Zum Jnnewerden und zum Anschaun kommt Und geht. Denn du ja gehst vorüber, leicht, Zu bleiben nicht, am Quell im Rosenhain. Das wisse stets, und wandle wie auf Wolken In deinem Geist, in deinem Herzen leicht. Wo frohes Gut-Sein, guter Frohsinn blüht, Da ist ein leichtes Leben, leichtes Herz, Da blüht der Mensch — nur wie ein Blütenbaum. — Lobst du dies Wort, und froh, dann kannst du leben! Dann bist du freigesprochen, bist du Meister,. Und ein unschuldig Kind als alter Greis. Und Alle, die da Großes-Ding für Sünder „Vollbracht", die haben’s klein und leicht er achtet, Und waren’s Schlachten voller Blut; denn sonst Vollbrachten sie es nicht und blieben stehn Am ersten Todten, der da fiel, erstaunt.
25 Denn nur mit leichtem Muth geschieht das Schwerste; Noch keine Sonne wälzten Götter schwer;
Wie BlumenstauL wehn leicht und
süß
die
Sterne! So zieh' du durch das Leben als ein Held,
Und ruhig laß der Erde Spielzeug liegen
In Sonn' und Mondschein, oder Lenz und Schnee!
Wen noch das Leben drückt, der hat noch nicht Es überwunden.
Leicht sei dir das Herz!
Dann ist dir einst die Erde leicht! — Du sprachst Auch selber nach dem schönsten Tage wohl: „Nichts ist doch besser als das Bett!" . . . und nach
Dem schönen Leben willst du das nicht sagen? O Kind! du bist zu müde! — Dir war schwer!
26
Den Deinen Liebe — Allen Hülfe!
Hilf Andern, bitt’ ich dich auf meinen Knien, Hilf allen Anderen zu deinem Heil! Was hülf’ es dir allein, ein Gott zu sein . . .
Die Sonne, die auf Elend niederlacht! Was hülf’ es, weise dir allein zu sein,
Wenn Andre noch im Irrthum rings ersticken,
Sich alle Tage, alle Stunden schaden, Den Andern gräßlich schaden, wider Willen Dir schaden, dich in Sklavenkreise bannen,
In denen du mit ihnen liegen mußt,
Weil sie darinnen liegen.
Glaub’, o glaube:
Nicht Einer ist je frei — als nur zum Tode; Die Freiheit ist der Tag, der Tag für Alle,
Nur alle, alle sind mit Ehren frei, Nur alle, alle sind mit Ehren weise — Die Weisheit ist dem Einen tiefster Kummer:
Sie sieht die Schrecken, sieht das Unglück erst Mit reinen Augen aus dem klaren Geiste!
Weh einem Menschenherzen in der Welt, Das wähnte, glücklich ganz allein zu sein,
27 Allein mit Weib und Kind in seinem Hause!
Kein
Mensch
allein
ist
glücklich,
als
ein
Schelm,
Ein leichter Thor, ein frevelhafter Spötter; Und ist der glücklich, ohne Herz und Sinn?
Das größte Unglück ist: das Unglück sehn,
Und
selbst
nicht
helfen
. .
.
selbst nicht
helfen
können. Die größte Thorheit ist: verschlossene Weisheit Zm Haupt; die schärfste Feuerqual ist Liebe Im Herzen wie in Mauern eingekerkert. Ein jeder Dulder ist dem Glücklichen Ein Schimpf; ein Vorwurf ist ein jeder Thor Dem Weisen, und ein jeder Arme ist
Dem Reichen ein Gespenst auf seinem Golde. Dem freien Menschen ist ein jeder Sklave
Ein Stich ins Herz, und eine Thräne Blut Aus seinen Augen! — Darum irre nicht: Selbst aus dem Throne giebt es keinen Freien, Wo noch ein Sklav' im ganzen Lande ist,
Der ihm erscheint und seine Ketten schüttelt!
Nicht einen Reichen giebt es, der da froh
Sich reich fühlt, da wo Menschen noch verhungern! Ein Weiser ist wie nicht da, wo die Thoren
Noch herrschen, hochgeehrt und mächtig sind!
Denn ihnen allen sind die hohen Güter, Die Freiheit und die Weisheit und der Reichthum,
28 Nur Qual und Trauer, Schande, Noth und Pein,
Und werden ihnen täglich größres Unglück. Hilf Andern! bitt' ich dich auf meinen Knien.
Schon helfen wollen, ernstlich helfen wollen, Läßt dir die Noth vor deinem Auge mildern,
Und zaubert dir den Menschen hin, dem du Zu helfen brennst!
Und thust du, thust du alles,
Was dir zur Hand ist, was in deiner Macht steht, So ist dir wohl, so fühlst du dich gelabt. Sieh' nur das kleine Knäbchen an!
Es hat
Mit seinen kleinen Armen, seinen Händchen
An meiner Seite Feuer löschen helfen,
Und auf die letzten fernen Kohlen nur Sein Kännchen ansgegossen.
Sieh', es schwitzt
Von seiner Arbeit und von Feucrglut —
Und wie ein tapfrer Held schon steht es da Und seine Augen funkeln ihm vom Geiste, Der es zu retten trieb, mit Freud' es sättigt.
Doch wird ein ganzes Volk von Helfenden
Im ganzen Lande, welch' ein Geist erscheint da!
Welch' süße Arbeit und welch' satte Freude! Da wird ein jedes Elend ausgegossen, Da wird ein jedes arme Kind errettet;
Da wird den Menschen Bahn gemacht zu leben; Die Hülse giebt das Leben nie, nur Mittel
Dazu, denn leben muß ein Jeder selbst.
29 Ameisen lieben sich doch nicht, fürwahr nicht,
Und dennoch wohnen, leben sie einander Beisammen, und wo ein’ auf ihrer Straße
Im Wald’ der anderen begegnet — gleich
Unnachgefragt hilft sie ihr ihre Raupe Mit aller Leibeskraft ins Sichre bringen; Noch Andre kommen, und wie Zimmerleute
Froh tragen sie — für sie den großen Stamm — Das kleine Aestchen, froh gemeinsam hin;
Jedwede eilt dann fort den eignen Gang
Und hilft auf anderm Wege wieder Andern, Und Andre helfen ihr aus Leibeskräften, Selbst mit Gefahr des Lebens, ohne Dank.
Und dennoch lieben sie sich nicht; sie sind
Ameisen alle nur, aus einem Hause. So sind die Menschen all’ aus einem Hause —
Der Erde, und sie helfen sich in Andern,
Zu wohnen und zu leben, Menschen würdig.
Zum Helfen brauchst du nicht die heil’ge Liebe, Die wahre, die den Deinen nur gehört,
Und die du keinem Andern schenken könntest, Auch wenn du wolltest; denn dein Herz verbietet
Dir das, die Einem froh geschworne Treue. Unmöglich ist dem Einen, Alle lieben, Die fernen und die unbekannten Menschen.
Die liebt der Mensch nur, die er sich erschaffen Durch seine Liebe: Mann und Weib und Kinder.
30 Doch ist dadurch kein andrer Mensch beschädigt; Das ganze Volk entbehret dadurch nichts, Nicht Kummer macht das ihm, es kennt dich nicht, Ein Jeder überall ja liebt die Seinen, Die Andern ehrt er, schätzt sie hoch als Menschen.
Du hilfst dem Räuber, der ertrinken will, Dem kranken Mörder — den du doch nicht liebst; Ihn liebt nur seine Frau noch, seine Kinder.
Du hilfst dem Maulthicr, das du doch nicht liebst; Du liebst den Hund nicht, und du hilfst ihm doch. So hilf dem Menschen auch, den dn nicht kennst,
Nicht liebst, den du nur siehst als hülfbedürstig, Besteh' die Hülfe auch worin sie wolle:
Auch in dem Stocke nur für einen Lahmen, Und für den Blinden nur in einem Führer, Das ist ihm alles!
Alles hilfst du ihm.
So ist ein Wassertrunk dem Sterbenden Die ganze Welt, die du ihm reichst im Kruge. Zum Helfen braucht es nur Gerechtigkeit,
Nur klare Einsicht, wohlverstandne Klugheit
Für dich und deine Seele; daß du dir Die bittre Scham ersparst: Du seist kein Mensch!
Gebrochne Bäume heilt der Gärtner nicht,
Die eine leichte Stütze schon gerettet!
Du aber rettest oft den armen Kranken Mit einem Groschen grad' zu rechter Zeit,
31 Der mehr ihm werth ist, als die ganze Sonne Und alle Menschenherzen rings von Stein.
Dem morgen todten Armen hilft kein Brot-Berg, Nicht Schüsseln voller Speis' an seinem Grabe;
Der Tod nun machte dich ihm überflüssig! Drum nimm die Augenblicke wahr, zu Helsen,
Die Zeit der Hülfe trifft das Uebel tödtlich. Wo er mit Wenigem am meisten hilft,
Da wehrt der Mensch zugleich der größten Noth!
Da hat er glücklich recht die Zeit getroffen! Drum giebt dem Guten seine Tüchtigkeit
Erst treue Menschenkenntniß, heil'ger Kummer, Sich ohne Scham um Arme zu bekümmern, Um den zu wissen und den Augenblick, Wo er mit kleiner Gabe Wunder thut! Ja, mit der leeren Hand schon, die er einem
Schon Sinkenden vom Rand des Ufers reicht.
Und wie belohnt sich dir das Gute thun!
Hilfst du, und helft ihr Alle, Arm' und Schwache Ernähren, und Gesunde durch die Arbeit
Erhalten — so befällt sie Krankheit nicht, Befällt sie nicht der schwarze Tod — und du,
Du bleibst am Leben am gesunden Orte. Hilfst du des Nachbars Schobendach bewahren,
So brennt daneben dein Palast nicht an! Was du den Kindern um dich her gelehrt,
32 Geht deinen Kindern einst zu gut von ihnen!
Du selber lebst erst froh und menschenwürdig, Wenn du zufriedne Menschen um dich siehst, Nicht Kranke, Arme, die in Lumpen betteln; Das macht dich selbst zum ganz elenden Menschen:
Du siehst in ihnen dich in deinem Spiegel,
Des Gottes Ebenbild als Bild des Todes. —
Hilf Andern, also hilfst du dir zugleich!
Und tausendfach wird dir dafür geholfen! Seist du nun reich, ja seist du selbst recht arm.
Wenn du geholfen hast, so weit du reichst, Und dir dann heimlich eine Thräne noch, Selbst arm, vom Auge rinnt . . . vielleicht gewahrt Ein Andrer sie, und Hilst!
Gewahrt sie Gott, und Hilst.
Vielleicht, gewiß
Denn stumme Klagen.
Des Menschen, und erst eines ganzen Volkes,
Sie schrein zu Gott um Hülfe!
Und er Hilst!
33
Das Gedenken. Du lebst nicht, Mensch, um Andrer nur zu denken,
Die einst ihr Tagwerk hier vor dir gethan; Du lebst nicht, Mensch, daß deiner stets gedacht
Von Allen werde, die dich nicht mehr finden.
Nur der Gekannten und Geliebten noch
Zu denken, bleibt ein Schein von ihrem Dasein In uns; das hält sie fest, so lang' wir leben, Und länger nicht, und länger Keinem nöthig,
Nicht uns, noch ihnen, Keinem in der Welt.
Und bricht dir auch dein Herz darüber säst Entzwei, daß, die so leibhaft gegenwärtig
Dir in die Augen sahn, die dich so liebreich
Umwandelten, an denen deine Seele Beglückter, als am ganzen Himmel hing —
Daß Derer einst kein Mensch gedenken soll
An keinem Erdentag ... daß sie dahin
Sein sollen, wie ein Wolkenbild, auf ewig . . .
Wohlan, so muß dein Herz darüber brechen — Wenn eben nicht dein Schmerz so fest sie hielte,
Dein Auge sie noch stets so deutlich schaute, 3
34 Daß nicht dein Herz darüber brechen kann!
Nur für die Unsern reicht des Herzens Liebe Uns völlig, ihnen völlig.
Fremde kümmert
Nur unser Loos als allgemeines Loos
Der Menschen, als ihr eignes Schicksal nicht; Sonst müßten alle Menschen stets verzweifeln, In Thränen schwimmen über alles Leid, Und über alles Glück in Wahnsinn stürzen. Rein aus der Menschen An gedenk en sch winden,
Das ist die Hoheit, Würd' und Heiligkeit Des Menschen; allen denen keusch erhaben Sich zu entziehn in ew'ge Götterstille,
Die ihn nicht einzig liebten, einzig ehrten!
Ein jeder Mensch verlischt gemach im dritten Geschlecht der Menschen.
Seine Kinder weinen
Um ihn viel schwerer, als um Erd' und Sonne.
Einst groß, erzählen sie den Kindern wieder
An manchem stillen Abend von der Mutter
Und von dem Vater, tief bewegt im Herzen,
Indeß die Kinder, still und ehrfurchtsvoll
Nur vor den Aeltern, hören, was sie sprechen; . Denn ihnen sind der Aeltern Aeltern schon
Nur Geister, wie die Bäume nicht einmal
Und wie die Berge, die vor ihnen stehn; Die Lieb' ist ihnen allgemeines Staunen,
Nicht klare Glut, nicht Bild gewordnes Gold.
35 Wad aber gehn den Späteren und Fremden Die alten Knochen an, die dürren Hände
Großmutters und ihr silbergraues Haar? —
Doch diese Hände haben deine Mutter Gewiegt; sie haben dann das kleine Schürzchen
Ihr vorgebunden; dieser Leib hat sie Getragen; dir ist sie die Heilige Mehr, als die ganze heilige Natur,
Die nur in ihr ganz nah und gegenwärtig Dir alles Himmlische und Göttliche Bedeutet, leibhaft dargestellt; die dir
Vergänglichem das Ew'ge war auf ewig.
Du wirst gewiß all' deiner Lieben denken;
Doch ohne Ehrenrührigkeit und Schaden Denkt ihrer mehr kein Fremder in der Zukunft. —
So lasst sie ernst in ihrer Götterstille, Darein voll Hoheit, Würd' und Heiligkeit Sie hocherhaben Allen sich entzogen, Die sie nicht liebten, die nicht sie geliebt!
36
Das Abgelebte. Ruinen anzuschaun, versallne Städte, Bemooste Gräber, abgeblühte Rosen
Und Alles aus dem Lebensstrom Geschwemmte Mild zu verstehn — dazu bedarf's ein klares
Ein ausgewirktes Herz, um nicht in Wehmuth
Zu sinken, nein, sie ernst ... gefaßt. .. dann lächelnd Sogar zu sehn, und sie mit Dank zu segnen.
Denn eher sieht der Mensch sie nicht mit Würde
Und sie in ihrem reinen Werthe nicht, Dem stillen, .heiligen, ja himmlischen.
Bewundre da Großvaters alte Brille;
Da seinen Stab mit glattgegriffnem Kopse; Großmutters abgeschnittnes Silberhaar, Den neunzig Jahr' durch aufgebrauchten Arm, Den sie dir zeigt, darüber selbst verwundert,
Nun sie ihn aufgestreifelt, und die Sonne Ihn ihr bescheinen muß als Wunderwerk, Das sie belacht, wie eine Göttin lachte,
Die über alle Welt sich hochgeschwungen.
37 Nicht Tempelsäulen müssen's sein im Grase,
Von Betern ausgekniete Marmorstufen: Ehrwürdig langt zu frommer süßer Wehmuth
Die Helmes-lose rostig alte Axt, Die im Gebrauch deS Lebens stumpf gehau'ne, Die ganz zerles'ne alte Hauspostille, Die viele Kranke redlich ausgetröstet. Der alten aufgebrauchten Dinge Werth Ist Menschen: daß sie leben einst geholfen
Den Lebenden in ihren heil'gen Tagen;
Denn heilig sind die einzigen Lebenstage Von einem Jeden: von dem fleiß'gen Weinstock
Da draußen an der Mauer vor den Fenstern — Ja von dem alten Bilde an der Wand: Als ihres Lebens freundliche Genossen,
Die ihnen schweigend sich dahingegeben, Wie redend manches Andern Zung' im Munde,
Und wie das alte Haus, das sie beherbergt Geschlechter durch, Großältern und Urenkel.
Wer nun, die alten Tag' im Herzen, einsieht:
Durch welche unaussprechlich treue Dienste Die abgelebten Dinge unbrauchbar
Und wieder neue Weltgehülsen worden, Der steht gerührt und weihet ihnen Dank,
Ja freut sich ihrer und beweint ske nicht, Auch wenn die Augen ihm voll Thränen stehn!
38 Sie führen ihn in jene heil'gen Tage,
Die guten Menschen sel'ge Tage waren; Er hebt sich still und fromm zu ihrer Ehre, Zu ihrem Angedenken und der Seinen Doch einen Stein vom alten Hause auf;
Er Pflanzt vom Rosenstrauch des lieben Gartens
Den letzten Sproß sich an sein neues Haus,
Und ist, im großen Sinn der Welt, ein Frommer Mit klarem Aug' und aufgeschloss'nem Herzen, Der als Prophet in lichte Himmel sieht, Und als ein Mensch, bezaubert auf die Erde.
39
Selbstachtung.
Ob du vieltausend Jahre wonnig schläfst, Ob einen Augenblick nur, oder ob du Reg' wachst bis an das Ende aller Welt
Und ob nur deinen Tag in reicher Gnüge — Das, das ist nur Ein Wachen, nur Ein Schlaf, Das ist dasselbe Unglück oder Glück, Das all' und jedes, was da mit dir lebt
Nun oder mit dir stirbt, in Frieden theilt. Wer seufzt: „Wie lebt das Veilchen doch so kurz!
„Wie ewig harrt ein Kind auf die Geburt „Seit unvordenklich alter grauer Zeit!"
Wer weint:
„Wie stirbt die Welt doch ewig
lang!" —
In dem schläft noch die heilige Vernunft. „Sein" ist der alte Zwang, die alte Noth. Sieh', leben ist Niemandem eine Ehre,
Und „sterben", einmal dagewesen sein, Ist keine Schande, wie die ganze Welt;
Und „lang" ist nichts, und „kurz" ist nichts; es fehlt
40 Für alle Dinge, und der Welt: das Maaß; Ein Jedes mißt allein nach sich sich ab;
Vergleichbar auch ist rings mit Allem nichts, Glückselig oder unglückselig ist In seiner Art und Weise alles nur, Von dem man sagt: „es lebt". — Nur Muth! Wo in der Welt nichts hilft, da hilft Verachtung; Selbstachtung aber ist die höchste Kraft.
41
Das Verlorene. Das, was du hast, das geht im täglichen
Gebrauch, gewöhnlichen Bedürfniß auf.
So geht's der Sonne, so der besten Mutter,
Die treu im Hause waltet.
Wie die Sonne
Den Tag nur da ist, und ihn mit sich nimmt,
So nimmt die Mutter ihre Liebe mit,
Den Tag mit, den sie froh gemacht im Hause
Durch ihre Gegenwart, die unerkannte. Doch ist die Sonne unter, wird es finster Auf Erden — ist die Mutter fort, verloren, Dann siehst du nicht, ach, was verloren ist,
Denn das Verlorene ist unsichtbar; Dann siehst du: welchen Werth Verlornes hatte!
Mehr als die Sonne ist dir nun dein Weib, Das dir aus immerdar verlorene,
Für früh verloren, für den Tag, den Abend, Verloren für die Nacht, das frohe Ausstehn,
Für euer so gewohntes süßes Leben. Du gäbst die Sonne für dein Weib mit Freuden,
Den Morgen, der alltäglich dir zurückkehrt,
42 Doch nicht dein Weib!
Der neue Frühling regt
Dir sie im Herzen aus — ein jeder Mond,
Ein jeder Blütenbaum, jedwede Rose, Die Lerche in der Luft regt sie dir auf Im Herzen, in dem leeren ohne sie!
Verlornes — hatt' es auch geringen Werth, Erscheint nun Plötzlich kostbar, unersetzlich;
Der Werth der andern Dinge scheint nicht mehr. Wie kleine Lichter vor der hellen Sonne.
Der Knabe hat nur seinen Ball verloren —
Und über ihn vergißt er Spiel und Kinder, Die Abenddämmrung und das Vaterhaus.
Das Mädchen hat den armen Ring verloren — Das Mädchen weint und sucht voll Herzensangst, Versäumt die heil'gen Stunden, und die Sonne Sie ist ihr nur das Licht, das suchen Hilst!
Der Hirt läßt seine ganze Herde stehn Und sucht, wie blind, sein ihm verlornes Lamm; Die ganze Herde ist ihm nichts geworden,
Er hat sie ja! so läßt er sie verlaufen.
Ein Weib verliert vom Halsband eine Perle,
Da sucht sie die verlorne Perle nur — Und läßt das Halsband von den Raben stehlen. Ein goldnes Herz ist dir ins Meer gefallen; So oft du wieder auf dem Ufer wandelst,
Sichst du hinab und zürnest auf das Meer! Du mußt hinabspähn nach dem unsichtbaren
43 Verlornen Schatz, der einst der deine war. Das Schlechte wird dir theuer durch Verlieren!
Selbst wiederum dir leicht Erlangliches Wird über alles rings Vorhandene Dir werth.
Die Seele trotzt: „es ist verloren!"
Und welchen Werth nun hat Verlorenes
Dir erst, das nimmer mehr erlanglich ist! Das einzig war! dem, als du es noch selig
Besaßest, Nichts sich auf der Welt verglich! Verlorenes, wie nichts Lieberes die Erde, Der ganze Himmel nicht mehr für dich hatte!
Ja, welchen tiefsten Schmerz nun fühlt der Mensch Mit Recht, dem sein Verlorenes das einzig
Ihm Eigne, das geliebt ihn liebte, war! Dem Weib' ihr Mann, dem Manne, weh', sein Weib!
Die doch Verlorene nur zu beweinen, Versäumt er seine Tage; läßt die Herde Der Sterne über ihm verloren sein, Verloren gehn.
Er giebt sich selbst verloren.
Die allen Ihren treugesinnte Mutter Weint über ihr verlornes Kind; sie sieht
Vor Thränen alle ihre andern Kinder . . . Und ihren Mann nicht, die doch um sie stehn — Das eine nur, nur das verlorne Kind, Das lebt ihr in der Angst allein, entsetzlich!
Es lebt ihr als die ganze, ganze Welt. Wer nicht verloren hat, der weiß es nicht,
44 Was er besessen!
Ach, und wer verloren,
Der weiß es, ohne Hülfe, ohne Trost,
Als diesen: in dem glühenden Ermessen Der Herrlichkeit des ihm Verlorenen
Den Götterwerth des Herrlichen zu fühlen, Und wehmuthseliger zu sein, als Götter, Die nie ein Weib, die nie ihr Glück verloren, Die daran Aermeren als arme Menschen,
In ihrer starren todten Sicherheit, Der ewigen Gewohnheit aller Schätze, Der ewigen Gewohnheit ihres Himmels.
Verlieren lassen, selbst das Theuerste Unwiederbringlich ganz verlieren lassen, Das ist die Weisheit jenes hohen Geistes,
Der wußte, daß Besessenes dem Menschen
Aufgehen würde in den Tag des Lebens, Nicht würdig Ihm genug geschätzt von Menschen
Und noch dem Menschen nicht genug geschätzt. So aber wird ihm selbst das Kleinste groß, Das Flüchtige zum Unvergänglichen,
Das Leichteste zum allerschwersten Golde.
Und wer mit Lebenden, mit Liebenden Noch nicht zufrieden war, beseligt nicht Genug, der wird es durch Verlorenes!
Umarmtes freue Menschen noch so hoch — Verlornes erst hat doch den höchsten Werth!
45 Unwiederbringlichkeit befestigt ihn
Und macht Verlornes zauberisch. — O, wohl Dem,
Der im Verlorenen das Göttliche Erblickt!
Ihm bannt die Seele fromm Erstaunen
Und Scheu, an ihm sich — wagend — zu vergreifen Mit Wünschen, bittend es zurückzuflehn
Mit Thränen.
Also hat es sich verschanzt
In stiller unsichtbarer Himmelsburg.
46
Der Liebe Testament. Wenn du nun auf der Erde lange Zeit Die Deinigen verlässest, reiche ihnen Doch eine Hand zuletzt von deinem Lager!
Laß sic darauf ausweinen, satt, recht satt. Wer von uns stumm zieht, macht die Welt uns todt,
Zum Liebesgram voraus.
Sag' ihnen doch
Ein Wort auf ihre lange Lebenszeit,
Die sie nun ohne dich erdulden sollen! Gieb ihnen da, wenn auch ein klein Geschäft, Das sie für dich alljährig immer wieder
Verrichten sollen!
Damit giebst du ihnen
Ein heilig Amt für ihre Lieb' und Treue;
Du lebst dadurch mit ihnen innen fort; Du weihst sie dir, und sie sind dir geweiht.
Sie üben dies empfangene Geschäft
Dann in den neuen Sonnentagen aus, Den neuen Frühlingen; und dir gehören Die Blumen noch, als wärst du gegenwärtig; Die Eine Rose doch gehöret dir,
Die sie dir jeden Sommer auf dein Grab
47 Zu legen weinend einst gelobt!
Ja, dir
Gehört die Erde, die noch Rosen trägt,
Die Sonne, die sie dir erzieht.
Du machst
Der Deinen Leben zu dem frömmsten Hochamt
Im größten Tempel, rührender und wahrer, Als alle Todtenmessen an Altären
Der winzig-kleinen Häuser für den Gott,
Den großen!
Und dein letztes Wort an sie
Wird stets lebendig in der Deinen Herzen
Durch Freud' und Leid zum Troste sortgetragen Hin unter alle Sonnen, bis zur letzten,
Wo sie sich wieder hin zum Abschied legen,
Sie, wiederum die Hand den Ihren reichen,
Ein fromm Gedenkwort treu den Ihren sagen, Und wiederum ein klein Geschäft den Ihren Verlassen, lebenslang für Sie zu thun. —
So wird die ganze große schöne Welt Ein süßes Erbe guter Menschenherzen Und Jahre — nur Ein treuer Augenblick!
Und du, du stirbst nicht, meinest nicht zu sterben; Du schaust die Zukunft, fühlst geliebt dich leben Mit deinen Kindern und mit deinen Enkeln.
Drum sag’ ein Wort! verlass’ ein Werk der Liebe! O scheide nicht so stumm, ohn’ eine Hand,
S onst sch affst du erst den Jammer und denTod.
48
Unsterblichkeit. Die Menschen hoffen all' Unsterblichkeit,
Das Ewige vor Augen und im Herzen, Als schönes Weltall und als volle Seele. Doch dies hinaus-getragene Gefühl
Der Seele in die Tage aller Zukunft, Was kann es jetzt sein und was ist es anders,
Was kann es alle Ewigkeiten sein In allen süß genoss'nen Himmeln selbst,
Als eine Hoffnung, Sicherheit und Ruhe In dieser Gegenwart? Der Lebenstag
Kann nie zugleich schon alle Tage sein! Das gegenwärtig-eine Weltgefühl
Kann nie voraus, zugleich vereint-gefaßt Die Summe sein, die aus Unsterblichkeit
Sich erst ergeben soll.
Unsterblichkeit
Ist nichts, ein Wort allein; unsterblich Leben
Würd' erst Unsterblichkeit.
Und ihr Gefühl
Ist sichres Leben in der Gegenwart,
Ist Ruhe nur im Jetzt, ist frohe Hoffnung.
Und voll von dieser süßen Hoffnung ist Ein jedes Menschenherz; denn in dem Geiste
Des Menschen fühlt der Geist sein ewig Leben.
49 Nun aber fragt das frömmste Herz am frömmsten
Und ersten, grade mit dem Recht des Gottes,
Es fragt der Gott selbst laut in ihrer Seele: Kann je ein Mensch so Großes hoffen Von seiner Zukunft in der Ewigkeit, Als von der Zukunft Gottes? Muß er nicht
Davor verstummen, muß erstaunend wünschen, Nur als ein Auge an der großen Sonne
Einst Theil zu nehmen?
Schon im Leben muß er
Das flehn, und einst in seinem Tode kann er Nicht süßer sterben, als den Gott im Herzen,
Mit seinem Leben ganz in ihn vergangen,
Ganz aufgegangen, ganz in ihn gegeben,
Da nie die Ewigkeit, so wie ein Meer nicht, Mit einem Zuge auszutrinken ist,
Was kann der Mensch in jedem Augenblicke
Noch Wonnereich'res fühlen, als die Freude Am Leben, an der gegenwärtigen Stunde,
Und als die Liebe zu den Seinen voll Und ganz! — Das heißt, das ist: „Die Ewigkeit „Aus goldenen Gesäßen Zug für Zug
„Genießen, während seine Augen tief „Versenkt
im großen blauen Himmelsspiegel
„Bezaubert ruhn."
Darin erblaßt die Hoffnung
Des Menschen, wie der Morgenstern im Tage,
Und segnend stralt die große Sonne ihm.
50
Wirkung der Kirbe. Wie Licht der Sonne scheint und sich verscheint Und wirkt und ausströmt in die schöne Wirkung; So wie das Veilchen duftet und verduftet In seiner Frühlingstage laue Luft —
So fließt die Liebe aus des Menschen Herzen
In Menschenherzen, die geliebten, über, Aus denen wieder ihre Liebe strömt
In sein erregtes, sein beglücktes Herz. Wie jede andre Kraft, die heiligste,
Aufgeht in ihre frohen Wirkungen,
So geht die Liebe unter Himmelswonne
Auch auf in ihre süßen Wirkungen, Und ist und wird das Leben, wird die Freude
Der seligen Geliebten; wird das Leben Der Wunderwesen, die da Kinder heißen;
Wird Sorg' und Mühe, Leiden, Klag' und Thränen;
Wird Träume, wird die wunderbare Füllung Der Tage, Nächte, von der Wiege an
Bis in das Alter, bis in Sarg und Grab. — So ist die Liebe denn der ganze Mensch,
51 Und da die Liebe bleibt, so bleibt der Mensch — So lang' ein Funken bleibt von diesem All.
Der Liebe Wirkung nur verlischt so sanft,
Wie alle — Menschen; wie der Regenbogen, Der doch so prachtvoll-schön in Wolken stand,
Doch wieder eingeht in den alten Himmel.
52
Vollendung.
Der stärkste Drang, das herrlichste Verlangen,
Die tiefste Sehnsucht glüht int Geist des Alls
Nach Ende und Vollendung alles Dessen, Was aus ihm lebt.
Nur mit dem reinen Ende
Von Jedem erst vollendet es sich selbst;
Nothwendiger und unentbehrlicher Ist nichts dem Endelosen, als das Ende;
Was ihm nicht endete, das lebte nicht;
Was sich nicht endet, wird sich nie vollkommen, Nur durch das Ende wird erst alles ganz,
Erfüllt, zufrieden, innerlich begnügt,
Sei das nun eine Rose, sei'n es alle, Und sei's der Fruchtbaum, sei es Mann und Weib,
Ja sei's das ganze menschliche Geschlecht,
Das erst das Ende wird vollkommen machen Und Ruh' ihm geben — wie dem Seidenwurme
Der auf dem Maulbeerblatt sich, träumend, einspinnt. Nichts ohne Grenzen — nicht ein Bild auch nur,
Ein Fest, ein Lied — was da vollkommen sei
Und schön, und göttlich ohne Ende nichts! Und mit dem Ende Alles überschwenglich!
53
Die Enkel. Es ist genug, daß jegliches Geschlecht Sich um die Seinen kümmert, als nur ihm
Zur Sorge und zur Freude anvertraut. Mich hatten meine Väter nicht; sie kannten Mich nicht, und sorgten unbewußt für mich, Ein jeder nur in seinen Kindern redlich.
Und dennoch bin ich da, ich lebe deutlich Hier unter ihrer Sonne jetzt, wie sie
Dereinst, und ich genieße alles Glück
Der Lebenden und trage all' ihr Schicksal. So werden meine Enkel da sein, leben, Hier unter meiner Sonne einst, wie ich
Anjetzt, und sie genießen alles Glück Der Lebenden, und tragen all' ihr Schicksal. — In meinen Kindern sorg' ich für die Enkel,
Daß sie erscheinen unter dieser Sonne! Denn ohne mich erschienen sie einst nicht; Jedoch das Glück ist jedes eigne Sorge.
Nicht in die Zukunft reicht des Menschen Kraft;
Sein Wunsch nur schwebt dahin als frommer Traum, Der ihnen träumen mag zu guter Stunde!
54
Hrrzcnskältt — Her^enstod. Lieblosen Mannes Weib ist abgesetzt
Vom mehr wie engelgleichen Rang der Frauen;
Denn ihr Mann, ihrer in der ganzen Welt,
Er freut sich nicht an ihr und ihren Kindern. Das macht sie todt im Herzen, macht sie müde.
Nur einen Finger für das Haus zu regen; Und nur ein Stein erscheinet ihr der Mann,
Für den sie lebt und einzig leben will,
Die für den Wind nicht lebt, noch für die Sonne,
Noch für die Erde, noch den ganzen Himmel, Nicht für die Zukunft, für die Seligkeit — Nein für das wahre Leben nur mit ihm.
Und ist er noch so treu, und hat sie noch So viele Kinder von dem kalten Weisen, Doch zieht er sie nicht vor den Frauen allen,
Und läuft für Andre emsig wie für sie Zum Arzt, und giebt den andern Weibern alles
Wie ihr, was irgend sie erfreut, und küßt Die Kinder seiner Nachbarin so zärtlich,
Wie ihre Kinder.
Fragt er, wenn sie weint:
55 „Wer ist mein Weib? und wer sind meine Kinder?"
Dann hat der Thor ein liebend Herz gebrochen; Er war nicht werth, daß ihn sein Weib geliebt,
Nicht werth, daß sie ihm Kinder hat geboren; Der war nicht werth, daß ihm die Sonne schien;
Der kann den Menschen nie ein Vorbild sein, Kein
Lehrer,
der nicht Lieb'
und Menschen
kannte; Der falsche Grund macht falsch das ganze Haus,
Und sein Gedenken löscht bei Menschen aus. Dem schreibet aus das Grab: „Der war kein Mensch.
„Der war nicht selig, wie Geliebt sein macht, „Der war nicht selig, wie das Lieben macht; „Der war der Thor, der eine Welt voll Sterne
„Für mehr hielt, als ein einzig liebend Herz. — Hier ruhe sanft, du Unglückseliger!"
56
Der Witwer. Was mühst du dich denn noch! was sorgst du noch! Denn deiner Tage Blume ist dahin. Was kümmern dich die andern Blätter noch,
Die andern Menschen und die kleinen Kinder;
Was kümmert dich der Strauch, der sie getragen, Der Baum: die Welt — o- er noch fortbesteht,
Ob langsam eingeht; nutzlos ist es dir!
Und dennoch mühst du dich noch, sorgst du noch;
Du stehst und lächelst mit Verwunderung Die winzig-kleinen lieben Mädchen an, Die in der Welt ihr Glück versuchen wollen,
Und hergekommen, Niemand weiß, woher; Zu welchem Schicksal aber weißt du wohl, Und darum seufzest du und stehst gerührt,
Beugst dich zu ihnen, hälft die Hand den Kleinen Hin, und sie schlagen ein mit lautem Lachen.
Dann gehst du, stehst du, schaust dich um, und sprichst
wohl: „Was mühest du dich noch, was sorgest du!"
57 Und kannst es doch nicht lasten, denn du bist
Ein Mensch.
Du warst ein Mensch, und sie sind
Menschen, Sie werden Menschen sein.
Das überwältigt
Dich ganz; das rührt dich, und du sorgst so fort
In deinem Herzen, wie du schon gesonnen,
Als deiner Tage Blume dir noch blühte, Als sie noch selbst oft zu dir trat, und sie Treu mit dir sorgte, treu sich mit dir mühte
Ganz um dasselbe, was dich heut noch kümmert; Sie weihte dir des Lebens Müh' — und du, Du sahst sie mit erstaunter Seele an
Und glücklich noch — doch schon, gedankenvoll Sie kleidend in der Erde Menschenschicksal,
Die Zukunft schauend in der Gegenwart,
Und eure Gegenwart in stiller Zukunft, So wie der Gärtner schon den Frühling schaut Als Herbst, daß er den Sommer Wohlbestelle,
Den Frühling treu benutze für den Herbst;
Im Winter aber sitzt er mit den Knaben,
Liest Samenkörner aus und hebt sie auf Für den, der künftig Blumen säen will;
Bedeckt die jungen Pflanzen, die den Winter Noch nicht ertragen, deckt die Pfirsichbäume; Die Reben legt er in die warme Erde,
Da sind sie wie verschwunden, unsichtbar
Schon ruhn die neuen Trauben in den Knospen
58 Den Geistern da; die Sonne wird sie sehen
Und wird sie Kindern sichtbar machen, groß
Und süß.
Die ausgetragnen alten Bäume
Nun reutet er zum Platz für neue aus, Denn ihre Früchte haben sie getragen, Die jungen aber wollen sie erst tragen.
So müht er sich denn noch, so sorgt er noch. So kümmerst du dich noch, so mühst du dich
Aus stillem, unabwehrbar treuem Dank, Aus einer unabwehrbar süßen. Hoffnung, In deinem Menschenkreise, in dem Kreise
Der Deinen; und du thust, gebannt vom Leben, Gebannt vom Herzen-nichts, als was du doch Nicht lassen kannst.
Das aber thust du alles.
Denn du erfuhrst in deiner reichen Brust: Was dir geschehen ist und deinen Lieben,
Das kann, das soll, das wird so weltgethan Nun Andern fortgeschehen; dir um so lieber, Da auch die Deinen mit genießen werden, Was irgendwo der gute Geist bereitet,
Der rings in allen lebt, wie auch in dir.
So hast du stille Freude, göttliche, So wie ein Vater, der dahingehn muß, Das Haus verschließt, die Schlüssel aber hinlegt
An den den Kindern wohlbekannten Ort;
Darinnen aber legt er auf die Tische
Zuvor die Gaben, wenn sie aus der Schule
59 Spät wiederkommen, daß sie alles finden, Der Gaben froh, viel froher noch des Vaters,
Der wohl hinwegging, doch nicht ohne Liebe Und ohne Liebeszeichen; und der Vater freut
Sich um die Stunde in der Ferne herzlich Und denkt der Kinder, die nun sein gedenken.
So freust du im voraus der Stunden dich,
Auch deren keine dir mehr schlägt, die du Nicht hörst, und die gewiß, gewiß doch schlagen,
Und um so näher, als dir deine schlägt . . .
Um so gewisser, als du sie nicht hörst! Drum mühst du dich denn noch, und sorgst du noch,
Und kümmerst dich aus alter, alter Liebe,
Die sich um dich gekümmert, um die Deinen, Und immer sich noch kümmert, wie du jetzt.
60
Nicht über's Ziel. Dem Leben eines Alten fehlt die Zukunft. Er bau' ein Haus, wie lange noch bewohnt er's!
Er kaufe Wiesen, Felder, setze Bäume, Wie lange werden sie ihm Früchte bringen! Er nehme sich ein junges schönes Weib,
Wie lange wird er ihrer sich erfreun,
So weint die Witwe hinter seinem Sarge; Und wenn sie ihn mit einem Kind' erfreut, Das ist ein Waisenkind, auch noch so reich;
Er hat das Kind und seine junge Mutter
Betrogen, oder aus dem Wahn getäuscht: „Der Mensch, der seine Jahre schon gelebt,
„Kann wiederleben; noch einmal von vorn
„Die Jugend neu beginnen, und den alten, „Ihm unvergessnen Lauf noch einmal lausen;
„Die alte Sonne scheint ihm noch einmal „Mit neuen, andern, jungen Menschen dennoch,
„Wenn ihm die Seinen auch im Grabe liegen." Mit seinem ausgelaufnen Lauf ist Nieman Begnügt, der schonen Welt doch noch nicht satt,
61 Des süßen Lebens immer noch nicht froh;
Und auch den Weisesten und Glücklichsten Bestürzt das Ende, das unnöthige,
Das unerklärliche, wie ihn bedünkt —
Weil noch die Sonne frisch vom Himmel glänzt, Wie er sie einst als Kind zuerst gesehn, Weil noch die Erde grünt und blüht, wie je! Schwer ist die Einsicht in des Lebens Wahrheit:
Durch sich erst macht der Mensch sein Leben aus, Die Menschen machen ihre Tag' und Jahre,
Die Sonne nicht!
Ihr stilles weites Glänzen
Giebt einem Mann mit seinem Weib und Kindern
Zwölf Tage in dem scheinbar Einen Tage,
Denn Zwölf sind Häupter, deren jedes Einen, Den seinen, als den eignen Tag vollbringt; Und neben ihnen lebt sich seinen Tag Der Apfelbaum noch; lebt sich seinen Tag
Ein jeder Grashalm noch und jede Traube Am alten Weinstock, jeder Käser noch,
Der unter seinem grünen Blatte wohnt.
Dem Leben eines Alten fehlt die Zukunft; Dem alten Grashalm und der reifen Traube
Fehlt auch die Zukunft, fehlt ihr Tag, den sie Nicht mehr erschaffen können aus sich selbst,
Weil sie sich ihre Tage schon geschaffen. Durch unsere Bergangenheit fehlt uns Aus Recht des frühern Daseins unsre Zukunft!
62 Um unseres erreichten Zieles willen Fehlt uns der Lauf!
Sonst fehlte er uns nicht,
Wie nicht den Kindern, nicht dem jungen Reh. Die blüh'nde Jungfrau zeihe — der Vernunft, Die einem ältern Manne, den sie liebt,
Und die er liebt, mit aufgeregtem Busen, Mit vielen Thränen und erbangter Stimme,
Doch lebensweise sanft versagt, mit ihm
Zum Altar hinzutreten, zur herzlosen Unmöglichkeit, wo sie, der Welt vergessen,
Ja sage, ihn lebendig mit sich fort In ihre Zukunfttage hinzuschleppen . . . In ihre Nächte.
Ihre Seele fühlt
Die heil'ge Ehrfurcht vor gelungener
Vergangenheit; sie bangt und zittert schüchtern, Ob sie die Bahn auch sicher selbst durchlaufe,
Und weinet ahnungsvoll schon vor dem Schreck, Wenn sie die Tage alle selbst erfüllt;
Denn ihre Liebe scheint ihr ohne Ende.
Doch auch die Liebe endet, stillverwandelt Als Opferduft den Todten dargebracht.
Der Mensch ist wahrlich doch ein Himmlischer, Und dennoch kommt er, währt und gehet wieder,
So wie die Sonne und die andern Sterne, Und alles Himmlische, so schön es sei;
Und auch die Liebe wird, und währt — und stirbt: Das Lieben stirbt, im Sterblichen auch sterblich.
63 So wird der Veilchendust erst mit dem Veilchen, Wenn ihm der Kelch in süß'ster Blüte steht; Die Blätter duften nicht, die Knospe wenig,
Doch blühend macht es seine Veilchentage Und Veilchennächte, jedes arme Veilchen, Und seine Bienen hangen ihm am Munde.
Der dürre Kelch hört leise aus zu duften,
Und traurig schwebt die Biene von ihm weg Thau hängt sich nur daran als Himmelsthräne.
So weint der Mensch um die, wie arme Veilchen, Ihm weggestorbenen Geliebten, weint Um ihre nun verlorene Liebe lang';
Und seine Liebe auch verwandelt sich In Starren, Nachschaun, zorniges Bewundern — Und wird ein Schatten der Erinnerung.
64
Die Verklärung. Es giebt nicht „Liebe", sieh', nur Liebende! Es giebt nicht „Jugend", aber junge Wesen; Es giebt nicht „Leben", sondern Lebende;
Es giebt nicht „Tod", nur Sterbende, nicht Todte. Das alles sind nur Namen, hohler Traum,
Nur täuschend-irremachende Gedanken. Gedanken sind die Seele nicht, ihr Werk nur.
Es giebt kein All, nur lauter Einzelne; Das Unbeschränkte wird erst werth als Eignes, Selbstständiges, als dieses Lebende.
Der ew'ge Quell ist jedem nur den Trunk werth!
Die ew'ge Kraft ist jedem nur sich selbst werth!
Das ist der Kraft hochherrlichste Verklärung! Ihr Lufttriumphzug durch die Himmelshallen,
Wozu sie sich mit tausend Sonnen leuchtet,
Durch unsere Geliebten wird die Erde
Zum Zauberschloß; durch unsre Werke wird Das, endlos, Keinem nutze All zum Orte, Das Haus zum Götterhaus; durch unser Leben Wird unsre Zeit; mehr als die Ewigkeit
Ist eine schöne Nacht, ein süßer Schlaf.
65
Die Kindergeskgnrtrn.
Mit Kindern geht das wahre Leben an, Die wahre Arbeit und die wahre Liebe; Der Dank für alles ausgestandne Leid,
Die Freude über den getrofsuen Weg, Den Weg, der in den Lebensgarten führte.
Mit Kindern geht die wahre Hoffnung an, Der ganze Himmel hat sich aufgethan;
Die Sonne möchte angebetet werden,
Daß sie den Kindern immer heiter scheine!
Der Mond schon zeigt mit Zauberglanz die Nächte. . . Er stellt die frohen Abende schon dar,
Darin die Kinder einst als Menschen schweben
Und gliicklich ruhn nach ihrem heißen Tage.
Die Mutter möchte laut die Blumen bitten, Nur ja für ihre Kinder stets zu blühn; Die Bäume rührt sie an mit Segenshand, Daß sie den Kindern ihre Früchte tragen;
Das Gras betritt sie weihend, daß es sanft
Die Kinder trägt und ihnen Beilchen blüht;
66 Die Wege sieht sie golden sich verlieren . . .
Die Wolken sieht sie sreudeahnend ziehen Hinaus — dahin, in ihrer Kinder Tage! Und fühlt sich jauchzend in der Götter Haus — Das Kind, das Kind hat ihr es aufgethan!
Das Kind, das Kind macht ihr's zum Himmelreich ... Wie konnte sie's — den Augenblick — vergessen?
Und hastig läuft sie in das HauS zum Kinde.
Da ist ihr wohl! Da hat sie sich und Alles Nun ganz.
Nun ist das leere Sehnen aus,
Die Seligkeit ist herrlich angegangen, Mehr als der Frühling voller Pracht und Schmuck. —
Der Vater aber hört den Kucknk schreien, Und steht gerührt.
Heut zählt er nicht die Rufe
Für sich — er zählt sie für das Kind!
Er betet,
Ganz ohne Worte, und er betet doch. Er schaut die Berge an, mit Kraft zu dauern,
Sie sind nicht festgebannte Wogen mehr;
Er sprüht die Fluren an mit Segensaugen, Sie sind die elysäischen Gefilde;
Sein Haus ist ihm das wahre „heil'ge Haus",*) Mit wahrer heiliger Mutter, heil'gem Kinde:
Sein Kind! Sie, sein Weib! hoch der Stern:
sein Stern! . *) La casa santa.
67 Er wünscht der ganzen Menschheit ew'ges Heil
Und Freud' und Wohlergehn, auch nicht ein Leid — Sein Kind ja soll durch sie beglückt, mit ihr
Beseligt leben, soll an ihrem Werk' und Glücke Sein eignes Glück erwerben und verdienen.
Er wünscht der Erde einen guten Tag; Er wünscht den Sternen eine gute Nacht;
Sich wünscht er. . . Nein! Er wünscht nicht mehr . ..
Als — noch ein Kind, und noch ein Kind — und
noch Eins!
68
Die eigenen Tage. Wer, wie er muß, nicht leben will, lebt gar
nicht! Das Weib, dem graute, Weib zu sein; der Mann, Der Mann mit Abscheu wäre, Mensch mit Zorn.
Den Knaben sieh, wie froh er Knabe ist, Er reitet seine Weidenruthe müb’;
Das Mädchen sieh, wie munter eS im Teich Mit andern Mädchen badet! Alle haben
Laut Himmelsfreud' an sich und aneinander.
Die Lilie steht als Lilie da, und schämt Sich nicht, noch rühmt sie sich.
Die Rose steht
Vor Scham nicht roth als Rose da; das Veilchen
Verbirgt sich nicht aus Zorn ... der Schatten labt es.
Was sollte nun der arme Specht erst sagen, Der sich das Brot aus Bäumen hacken muß?
Der Storch, der in den Wassern waten muß Nach Schlangen? Doch er weiß sie wohl zu spießen,
Sie wohl zu brauchen, darum geht er treu; Kann er vor Lust nicht singen — klappert er, Und sitzt als Greis noch ruhig in dem Schilfe
69 Und läßt die Sonne sich zu Ende scheinen.
Die Alte trägt das Leben noch so aus, Den alten Leib wie einen alten Rock
Noch ab. — Der Arme trägt die Armuth aus; Der Leidende die Leiden, selbst die Schmerzen;
Und Jener langsam seine blöden Augen; Zum Grabe trifft er doch damit, das weiß er.
Wer, wie er muß, nicht leben will, lebt gar
nicht: Die Witwe nicht, die ihren Mann verloren; Der Mann, der Witwer ward; der arme Jüngling, Dem seine Braut gestorben; und die Jungfrau,
Die Keiner sich gewählt; das stille Paar nicht, Das kinderlos sich selber nur so austrägt,
Sie müssen alle leben, als das, was sie
Die Kraft in dieses Sonnenreich geboren, Und also wie sie waren, wie das Leben
Da war, als sie hineingetreten, wie
Es ward in seinem heiligen Verlaufe, So müssen Alle leben!
Keine Mutter
Verändert nur das Näschen ihres Kindes; Kein Göttersohn verwandelt nur ein Gräschen Im Felde, keinen Baum im Wald, und macht, Daß er nicht dagewesen sei.
Kein König
Kann anders, als er selbst geworden, als
Er täglich wird, mit seinem Weibe gehen; Und auch mit ihr nicht anders, als sie wird.
70 Auf jedem Haupte ruht die Himmelsmacht! Auf jedem Keim, auf jeder dürren Blume,
Auf jedem todten Kind der Götterarm, Der Alle einschließt in das eigne Wesen.
Wer, wie er muß, nicht leben will, lebt gar nicht.
71
Die Ehre. Die Ehre ist dem Menschen, unverbrüchlich Den Weg des Lebens wandeln, wie sein Herz, „Die Stimme der Natur", ihm deutlich sagt; Und eine andre Stimme giebt es nicht
Und braucht er nicht, und er verstünde keine
Als sie, die heilige, aus seinen: Herzen.
Die einzige Schande nur ist Unrecht thun, Unglücklich werden und unglücklich machen; Das Andre Alles ist nur Eitelkeit,
Betrug von Andern, oder Selbstbetrug.
Dem Guten, Schönen, Wahren, Herrlichen
Noch Ehre anzuhängen, ist ein Greuel,
Zieht es hinunter in den Staub der Welt; Noch eine gute That belohnen wollen, Ist Frevel, unkeusch, ist Verrath, und quillt
Aus Seelen nur, die Gutes thun nicht kennen
Und ihre falschen Güter Göttersöhnen
Zu wahren Lebensgütern prägen wollen. Weh' dem, der Menschenruhm und Menschenlohn Bedarf zum Gutsein und zum Gutesthun.
72 Die Ehre ist dem Menschen, unverbrüchlich
Den Weg des Lebens wandeln, wie sein Herz, Die Stimme der Natur, ihm heilig sagt; Die Stimme der Natur ist eine Stimme Aus einem großen Reich, das ewig schon
Bestanden, eh' Gestirn' und Sonne schwebten; Ist eine Stimme, Jedem eingeboren, Und laut zu hören in der eignen Brust,
Wie Frühlingssäuseln — oder Donnerschläge.
Du höre stets sie sanft als Frühlingssäuseln, Und deine Ehre sei es, ihr zu folgen;
Du folgst, wenn du ihr folgst, nur dir, nur dir; Du thust, wenn du sie thust, dein Heil nur, deines, Und Aller Heil, mit denen du verkehrst.
Du halte menschenwürdig diese Stimme Für kein Gebot, das machte dich zum Sklaven;
Für kein Gesetz, das machte dich zum Schergen; — Für deine Seele halte sie! für dich!
Für deine Freude! für dein heitres Glück!
Halt' diese holde Stimme für dein Leben, Die Ehr' ist anders nichts, als treues Leben.
Nur das, was Unglück bringt, ist wahre Schande, Und wahre Ehr' ist, was da glücklich läßt
Den, der den heil'gen Weg des Lebens wandelt.
Dem neuen Ankömmling auf seiner Erde, Dem Kinde, nicht den Weg des Lebens lehren,
Sein eignes Herz verstehn und ihm allein
73 Zu folgen . . . nicht das große Himmelreich,
Die Welt, so tief sein eigner Geist vermag,
Erkennen lernen wollen, unermüdlich . . . Der Menschenjungfrau Liebe nicht zu halten, Nicht ihrem lieben Kind der Vater bleiben,
Sie einsam arm und trauernd zu verlassen . . .
Dem Gatten reine Treue nicht zu halten;
Nicht täglich, stündlich stets so gütig sein Dem Weib, dem Menschen um dich, so verehrend,
Wie du ihm wärst, wenn jetzo erst die Welt Entstünde, und er als ein Wunder heut
Anbetungswürdig, heilig dir erschiene —
Da hast du in den ewig großen Worten Genug für deine ganze Lebenszeit,
Was Schande wäre, weil es elend macht, Was Ehre wäre, weil es glücklich läßt.
74
Gerechte Klage. Der Schmerz um Todte, die nicht alt gestorben, Ist göttlich; denn er ist ein sittlicher,
Der Fehler und Unwissenheit beweint. — Nur widerwillig, langsam, sorgsam, schonend
Zerstöret wieder die Natur ein heilig
Gebild von ihrer Hand, mit ihrer Hand. Sehr fehlen, Vieles irren muß ein Mensch selbst, Ihm Schweres anthun müssen andre Menschen
Durch Frevel, Irrthum und Unwissenheit, Eh' die Natur dadurch gezwungen wird,
An ihrem eignen Werk sich zu vergreifen, Um früh ein End' mit ihm zu machen, Hoffnung
Des Grabes, Ruh' und Frieden ihm zu geben,
Statt ferner schönes Leben, bis zum rechten Genügevollen Ende sel'ger Menschen.
Und aus den Klagenden und Weinenden
75 Nun klagt und weinet die Natur, durch Mund Und Auge ihrer Menschen, drin sie wohnt
Und lebt, und deren Geist sie selber ist,
Und denen Göttersinn, als Menschensinn, Für höchste Sitte, Glück und Ehre glüht.
Der Schmerz um Todte, die nicht alt gestorben,
Ist unsre Wehmuth, daß der junge Mensch
Gefehlt, gefrevelt hat, sich schwer geirrt Nur . . . oder daß ein Andrer oder Viele An ihm gefrevelt, oder Erdenbrauch
Und Erdenweisheit nicht gekannt, geachtet, . . . Daß er sich selbst, sie ihn zum Tod gebracht, Der kein unendliches Bedauern sein soll,
Kein Herzzerreißen, jammervoll Gedenken Des Hingegangnen, nur sein sel'ges Ende
Des seligen Daseins, götterwerth im Leben Und götterwerth im Tode, fegen voll, Und von den Ueberlebenden gesegnet.
Der Schmerz um Todte, die nicht alt gestorben, Ist göttlich, denn er ist ein sittlicher; Doch um den Tod nicht — um ihr Leben nur!
Denn um den wahren Menschenwerthen Tod Fällt keine Thräne, als nur heilige, Erschallt kein Wort, als nur ein segnendes.
Die Sel'gen werden still und fromm vergessen —
76 Unglückliche, sie bleiben Klagenden Im Grab lebendig — bis sie selber sterben. Drum soll der Mensch der Seinen sich erbarmen,
Um ihrer Liebe nie so weh zu thun,
Sein Leben und den Tod ihr noch zu rauben!
77
Der wahre Fromme.
Noch viel zu thun sein wird in dieser Welt, In dieser selben Welt nach deinem Tode — Noch vieles Schöne wird zu schauen fehl, Noch viele Wonne zu genießen.
Willst du
Auch Einem eine gute That nur wegthun?
Nur Einem eine Wonne weggenießen? . . . So will'ge, nicht aus Sattigkeit des Herzens,
Nein, aus dem reinsten Edelmuth der Seele, Will'ge: vom Werk des Lebens abzutreten, Ja ausgeschlossen von der Welt zu sein — Wie Menschen völlig ausgeschlossen werden
Non dieser Erde durch den Tod, das Grab. Und das geschieht schon ohne dein Gebet,
Und Allen ist es also schon geschehen, Wie dir es wird.
Das Eine bleibt dir nur:
Das Ausgeschlossensein aus Edelmuth
Zu segnen, und den Thätern dieses Lebens Ihr neues Werk sammt ihrer Kraft zu gönnen
Mit ihrer Wonne, die sie schöpfen werden, Und deinen Frieden ihnen einst zu wünschen, Und deinen Edelmuth: das süße Werk
78 Des Lebens in der Werkstatt dieser Welt
Einst ihren Kindern wiederum zu gönnen, Noch ihre Enkel segnend, wie du deine.
So wird der Tod dein heilig srommes Werk, Dem keins sich gleicht, das du zuvor gethan!
So krönst du dich mit ew'ger Siegeskrone Der Güt' und Weisheit und der Lieb' und Tugend.
79
Selbstgefühl. Du ziehe keinen andern Menschen an,
Du krieche nicht in eines Andern Seele
Und sieh hinaus zu seinen Augensenstern, Noch lebe du als er! auf seinen Namen Du lebe dich, als du, als reiner Geist,
Der selber ist und der du selber bist.
Beschimpfe und erniedrige dich nicht Als solcher; denn als Wesen bist du Jedem Auf Erden und im Himmel gleich.
In dir
Quillt Güte, Wahrheit ganz ursprünglich auf, Und Schönheit schaust du götterreich aus dir.
Gieb Keinem unter einem andern Namen
Als deinem!
Gieb ihm unter seinem eignen
Erhabnen Namen „Mensch".
Empfange von ihm
Als Menschen unter seinem Namen selbst. So ehrst du ihn, so ehrt er dich erst recht. Wen du erst liebst, weil — Moses es gesagt,
Den machst du schlechter noch als einen Stein.
80 Wer dich erst nährt, weil — Mohammed es wollte,
Der stellt sich unter jeden guten Hund, Der ganz sich weiß, der klar dich sieht und fühlt:
Was du nicht thust als du, hat keinen Werth. Mensch, laß dich nicht bezaubern und umnebeln! Denn aller Wahn ist Täuschung, Trug und Unheil; Zum größten König macht dich Selbstgesühl.
Als Mensch sich fühlen, löst den dumpfsten Zauber, Selbst den: „nicht mein Geist sei mein eigner Geist!" Am seligsten und treusten lebt das Kind,
Das Menschenkind, das froh sich selbst empfindet,
Als Niemand Andrer, weder stolz noch kriechend Vor keiner Abkunft, ganz entzückt nur da. Den liebt es, wer es liebt; still bildet sich In ihm aus seinem eigenen Verständniß Ein Herr, der ihm im Herzen wohnen wird,
Der nur es selbst sein wird, als seiner Seele Tiefeigner Sinn, und seine eigne Kraft.
O Schänd' und Qual, je aus der Kindheit schreiten! Kein Weiser, kein Mensch, was er auch vollend e,
Je übertrifft das Kind an höchstem Werthe Durch reines, schönes,, frohes Selbstgefühl.
81 Nichts verloren. In diesem heiligen, großen, schönen Himmel — Gleich Einer reinen weiten Menschenseele,
Gleich einem düstevollen Lilienkelche — Ist nichts umsonst, das Sonnenstäubchen nicht!... Geschieht vergebens nichts.
Da fällt vergebens
Das kleinste Tröpfchen Thau nicht, haucht vergebens
Das leise unsichtbare Lüftchen nicht, Blinkt nicht ein Stral aus eines Sternes Haupt, Blickt nicht ein Blick aus einem Mutterauge,
Rührt sich des Nachts kein Blatt an einer Rose. Schon in der Urwelt längst zergangnes Wirken
Ist nicht vergangen: es ist nah', ist da Zu neuem Dienste! Was in später Nachwelt Einst kommen soll, das schläft schon in dem Apfel
Als Kern... als zartes Vorbild zu der Palme. Vergebens ist ein Hauch der Liebe nicht;
Er rührt, er schafft, er webt in einem Herzen,
Stark gleich dem Sonnenstral in warmer Erde, Der Blumen aufweckt und am Zweig' die Knospen. Vergebens fließt wo keine Menschenthräne,
Vergebens klagt wo keine Menschenseele.
In diesem heil'gen, großen, schönen Himmel
Ist nichts umsonst, geschieht vergebens nichts.
82
Unabhängigkeit. Beglückt der, wem ein Mensch noch helfen kann!
Dem Helfer, dem Geholfenen, Zwei'n ist wohl.
Beglückter, wem Niemand mehr helfen kann, Mit aller Allmacht nicht.
Da wird ein Mensch
Ein großer Halbgott, ohne Noth und Tod.
Heil dem, wem nicht geholfen werden kann! Die Hoffnung nur auf Hülfe, sie verdirbt Den Menschen!
Lange toär' die Menschheit schon
Am Ziele, ohn' Vertrauen, als zu sich. Die Würde ist's, das Selbstgefühl, die Größe Der Seele, die den Himmel sich erstiegen;
Denn höher steigt kein Mensch in allen Räumen. In allen Zeiten höher nie, als nur Durch Werth und Würd' und Größ' in seiner Seele. Das Unabhängigkeitsgefühl erst macht
Aus Menschen wahreMenschen; sonst giebt's keine!
83
Die göttliche Unruhe. Beruhigen — o welch unmenschlich Wort!
Zur Ruhe zwingen — grausam - harte That!
Nichts Aerg'res kann dem Menschen je geschehen,
Als ihn beruhigen.
Ruh' ist der Tod.
Gleichwie die Sonn' auf einer Riesenblume, So brütet aus dem Herzen heiß das All.
Das Herz, das ist die Unruh in der Weltuhr, Das immer schlägt, das immer drängt und mahnt: Du kannst nicht ruhig vor dem Glücke sein —
Denn alles Heil steht göttlich Menschen zu.
Du kannst nicht ruhig in dem Glücke sein,
Denn hoch da gehen dir des Lebens Wogen! Du sollst nicht ruhig nach dem Glücke sein,
Das Glück befestigen, verlangt erst Helden! Du sollst nicht ruhig in dem Unglück rasten,
Wie ein Verirrter in den Wald sich legt; Nur Muth und Anstrengung erlöst daraus.
Wer lebte ruhig in der Sklaverei, Daß er im Schlafe nicht doch stöhnt' und weinte! 6*
84 Wer lebte ruhig in der Freiheit erst,
— Die alles Gute froh erlaubt zu thun —
Daß jede Kraft sich ihm nicht heiß bewegte! Du kannst nicht ruhig in der Jugend sein, Dein LebenSglück dir redlich zu bereiten.
Du sollst im Alter dich nicht ruhig fühlen; So lang' die Deinen mit dir leben, kannst du
Nicht ruhig sein, um treu für sie zu wirken
Noch mit der letzten Hand, der letzten Lehre. Und wenn sie dir gestorben sind, da wirst du
Nicht ruhig sein, sonst warst du fühllos, todt. Drum lerne recht unruhig sein voll Eifer,
Und freu' dich deines Lebens, wenn du's bist.
85
Zu guter Nacht, ju gutem Morgen. Ein böses Wort, zu Nacht gesagt, verdirbt noch Den ganzen Tag nach rückwärts.
Sei denn sanft
Am Abend; sei im Alter sanft; o sei Den Alten sanft!
Der Frieden läßt die heil'ge
Erinnerung im Busen stärkend blühen Und duften! . . . Und was hast du sonst? und sie? Nur aus dem Frieden kommen gute Werke,
Nur aus dem Guten kommt die Ruh' und Freude.
Sieh', ungescholten gehn die Kinder fröhlich
Zu Bett, und haben Alles wohlgemacht, Nicht wissend, daß sie Kinder sind — nur glücklich! Und willst du gütig sein, so läute auch
Den Morgen nicht mit Feuerglocken ein, Viel lieber mit der Glockenhyazinthe,
Die du unmerklich auf das Angesicht
Von deinem Weibe legst, das schlummernd athmet. . . Den Frühling träumt und, von dem Dust erwacht, Den vollen Frühling findet — ach, und dich!
Des Lebens Morgen ist der Pflege werth,
Und jeder Morgen reinster Hut und Liebe; Drauf wird von Allen Alles wohlgemacht, Kaum wissend, daß sie Menschen find — nur glücklich.
86
Men schon sorge. Nichts an der Sternuhr hat der Mensch zu stellen. Nicht in der Sonne Oelkrug Qel zu gießen,
Den Mond nicht blank zu scheuern, zu vergolden, Den Himmel nicht zum Lenz neu blau zu malen. Der Mensch hat für die Erde nicht zu sorgen,
Nicht für des Meeres vollen Teich, nicht für Der Flüsse'Gang und Speisung von den Bergen,
Noch fiir der Berge sicher-heitre Ruh. Deß' ist er überhoben, als ihr Sohn. Sein Feld zu pflügen; seine Ernte trocken
Hereinzubringen; wo es ihm gefällt Den Baum in seinen Garten hinzusetzen; Den alten Weinstock dankbar zu verjüngen;
Den Quell zur Hütte nah der Frau zu leiten —
Das ist noch etwa seine ganze Müh' Mit dieser Welt.
Die Winde läßt er sausen,
Die Wolken treiben, um das Land zu wässern, Und weist dem Blitz ein Eckchen an zur Ruhe —
Der Rauch mag selber auf vom Herde steigen! Den Menschen kümmert immer nur der Mensch.
87
Das Scheiden.
„Die Welt verlassen, jene Morgenröthe, Den Blitz der Sonne, jene Abendröthe,
Und jeden Frühling, alle Lerchenlieder . . . Den Staar, der im bethauten Grase watet
Und funkelnd für die Kleinen Nahrung sucht . . .
Nur Den nicht mehr zu sehn, ihn ganz verlassen, Die Welt verlassen, welch' ein schwerer Gang!
O sage, was dabei den Menschen tröstet?" — Du gute Seele, sieh, der Mensch verläßt
Ja nicht die Welt!
Wie sollt' ihm das geschehn?
So lang' er in ihr lebt,-umstralt sie ihn,
Sie lebt in ihm, so lang' er nur noch haucht,
Und aus ihr fort zu sein begreift er nicht; Sein von ihr Abschiednehmen ist ein Traum,
Sein Scheiden von ihr nur ein wacher Traum! Kein Herz begreift „die letzte Stunde," keins
Begreift „das letzte Mal" voraus als Wahrheit,
88 Und wär' es wirklich auch das letzte 2)ial Für Andre, die's nachher dafür erkennen. Denn alles Letzte gleicht noch seinem Ersten:
Das letzte Mal zu trinken ist noch trinken; Das letzte Mal zu sehen ist noch sehen,
Nur leicht umwallt von mattem Silbernebel, Worin die Dinge geisterhaft erscheinen. Sie sind nur weggehaucht, die Scheidenden;
Zwar sind sie fort, doch nicht der Welt entbehrend.
Viel milder, billig halb und ganz natürlich
Erscheint das wiederum die Welt verlassen,
Der Nachgebliebnen Trauer um die Todten, Nun sie erwägen, ja bekennen müssen: Ach, unsre Lieben haben schon einmal
Die Welt ja nicht besessen! Morgenröthe Und Blitz der Sonne, jene Abendröthe
Und jeder Frühling mit den Lerchenliedern,
Dem Staar der im bethauten Grase watet . . . Das Alles war für sie ein finstres, ödes Und schwerverschloss'nes Haus seit unvordcnkbar
Urlängst vergess'ner Zeit.
So scheint es nur!
Denn sie, sie waren nicht.
Erst als sie kamen,
Erbaut' es sich für sie; sie selbst erbauten
Und schmückten und genossen es sich selbst. Und was von Kindheit an bis in das Alter Bis zum vollendet sattbegnügten Menschen Sie auch davon bedurften und darin,
89 Das Alles wurde ihnen tausendmal Zu Theil, zur Uebersülle, zum Erliegen! —
„Die Welt verlassen . . . nun, was war es denn? „Ein Wunder war's, in sie hineinzugehn, „Und aus ihr gehn — ein Kinder rasch entschlafen."
So würden selbst die Abgeschiednen sagen, Wenn ihnen nicht ein Gott die Stimme hemmte.
90
Nimm Alle aufj schließ' Keinen aus.
Nimm Alle auf, schließ' Keinen aus.
So thut
Der Gott; drum ist er's; und so thust du göttlich.
Wer sich und seine Sache einzig will
Zu starrer Herrschaft bringen, gegen den Erhebt sich jeder Mensch von freier Seele,
Und ihn, den Unduldsamen, duldet Keiner. Der.stützt nicht seine Macht, wer Andre ausschließt,
Der wird unmöglich in dem Menschenschwarm. Wer bös vor einem Haus, vor einer Stadt
Den Staub von seinen Füßen schüttelt, der
Hat sich daraus versperrt, hat sich beraubt, Viel Gutes erst zu lernen und zu thun.
Denn unverbesserlich ist auch nicht Einer; Am Bösen lernst du Gutes thun; das größte Verdienst wird an Verlorenen erworben; Wer richtig wandelt, wofür dankt' er dir?
Den nehmen Alle an, wer Alle aufnimmt. Wer Alle aufnimmt, der erweitert sich Das Herz zum Himmel; und wer Alle einschließt
In sein Gemüth, sein Glück und seinen Glauben,
91 Der ist der wahre Mensch, der redliche, Der große.
Wer zum Scheine noch Gewalt hat,
Der rede wahr und menschlich zu den Menschen, Und mein' es anders nicht, als wie er sagt;
Denn leicht erkennt das schlichte Volk die Falschheit. Nicht Drohung, Grobheit, ungeheure Strafe Schlägt mehr am Geist des freien Menschen an!
Nicht Klage, Schmerz, noch Thränen rühren ihn, Ihn rührt nur Wahrheit, ihn ergreift nur Edles
Und Gutes, das zu thun er aufgefordert,
Ja eingeladen wird!
Dies schöne Zutraun,
Daß Jeder frei von selbst das Seine thue,
Das giebt noch einen Schein der Macht; das giebt Den wahren Werth, ein Licht des Volks zu sein.
92
Das Wunder unter Sterblichen. Du schwarzverschleierte, betrübte Mutter
Gehst still an mir vorüber; mild bestreift Aus deinen bang-verweinten Augen mich Dein stummer, vorwursschwerer Blick, daß ich
Dich nicht beklagt! mit keinem Wort getröstet In deiner tiefsten Mutternoth, dem Sterben
Des lieben Knäbchens, der Begräbnißangst! Da ich ja trösten . . . doch beklagen könnte.
Ich stehe ehrfurchtstumm vor dir! — Du schaust Das Leben jetzt in seinen Tiefen an . . . Du könntest uns nun lehren.
Wem geschieht,
Fühlt Wahres, und er lehrt das Wahre glühend.
Das ist kein kleines Leid, wofür es Trost giebt, Denn nur Ersatz ist Trost, geträumter oder
Sichtbarer, wie wir Kinder damit täuschen. Das Heilige den Menschen wegzutrösten
Ist Sünde — und der Schmerz ist heilig, wenn
Je Etwas! Thränen auch zu trocknen ist Ein schwerer Frevel; denn sie kommen Menschen
Zu hoch und theuer durch Verlust der Lieben Zu stehn . . . und kommen ihm nicht ost im Leben,
93 Vielleicht nur einmal: daß er heilig werde,
Und heilig diese schöne Welt empfinde;
Und heilig, was er hier in seinem Arm
Besessen; heilig, was er selbst geboren. Es soll nicht Trost für große Dinge geben;
Und größer giebt es einem Weibe nichts,
Als Kind und Mann. Weil kein Ersatz.
Und dafür ist kein Trost,
Wer wagt, die Todbetrübten
Zu trösten, tobtet ihre Todten nur Vor ihren Augen noch einmal, und giebt Doch ihnen nichts dafür, beraubt sie nur.
Drum nicht beklagen darf ich dich in deinem
Hochheiligen Leid, o liebe treue Mutter . . . Geh', fühle dich gesegnet, wie bu’6 bist! Du bist das Wunder unter Sterblichen;
Ein ewiger Geist, der um Verlornes klagt, Die ew'ge Liebe, die den Tod beweint!
Im Morgenlande heilig ist das Weib, Das unter seinem Herzen still ein Kind trägt,
Ihr unbekannt, ein Mensch erst in der Zukunst — Unendlich heil'ger ist die Menschenbrust, Die einen langgeliebten Liebenden,
Den reifen Todten, köstlich in sich trägt Als Heiligthum, wie keins wo in den Himmeln.
94
Größe im Dulden.
Nachgeben lerne! dieses All's Gesetzen; Nachgeben lerne Menschen und der Noth, Der Nöthigung, die sie das Schicksal nennen.
Das, was dich bändigt, ist gewiß dein Schicksal — Auch wenn es Menschen sind, jaKinder nur. Nachgeben lerne!
Ohne Schande thust du's.
Erzwinge nicht, stets glücklich sein zu wollen; Der Kampf erst macht dich völlig arm und elend.
Unglücklich sein ist nicht das größte Unglück — Ist oft auch süß. Die Klage!
Die Thränen auch sind süß,
Jene heilige Bescheidung:
„Ich bin unglücklich — aber gut und edel." Ja, hüte dich, nicht stolz daraus zu sein,
Daß du, unglücklich wohl, ein Glück verdient;
Du lebst auch ohne das; du lebst als Du, Wenn auch nicht wie die Andern, wie du wünschtest. Auch Wünsche, Sehnsucht tragen ist noch menschlich,
Vergebne Sehnsucht ist die reizendste! Am allerbesten, fast dem Gotte gleich,
Lebst dann du, wenn du heiter leidest; schuldig
95 Nun, oder ganz unschuldig, und doch lebest,
Wie Menschen ziemt: gelassen, treu und willig Zu jedem Guten, ohne Haß und Neid Auf Andre neben dir, die fröhlich leben,
Umringt von ihren Lieben, ohne Gram. So unglückselig sein ist großes Glück;
Es scheint die Seligkeit und ist sie halb, Ja ganz, wenn du dich über dein Geschick
Erhoben, lebst, als gab' es keins für dich. Vielleicht nur wollte dich das Schicksal prüfen,
Gewiß erheben! frei dich von ihm machen. Und sieh': Dir ist's gelungen!
Sieh', es floh!
Und weinend, sehnend bist du erst recht glücklich. Nachgeben lerne! du erwirbst die Welt
Dir schöner so; du schaffst, verdienst sie dir. Und Andern wirst du noch ein Mensch erscheinen
So gut wie Einer; Andre werden dich Noch lieben, ehren, dein bedürfen — Herz,
Dein noch bedürfen! und du wirst sie lieben!
96
Genesung.
Die guten Aeltern, denen todtgefährlich
Ihr Kind erkrankt, sie lernen Grabes-Furcht,
Sie lernen Zagen um den Schatz des Lebens.
Der Mann, dem jäh' sein Weib zum Tod' erkrankt,
Er lernt da ihren, nimmer so zuvor Erkannten Werth; sie schien ihm so natürlich
Nothwendig da, wie nur ein Baum im Walde; Er lernt die Lieb' in ihrer vollen Glut.
Doch wenn sie glücklich wieder ihm geneset,
Da drückt er wieder rasch die Todespforte Ins Schloß; er ahnt kaum, welche Schrecken alle Er nicht geschaut! er ist, durch finstre Nacht Hinsteuernd, an dem rosigen Gestade
Der altbekannten klaren Heimat wieder Gelandet; blind und unerfahren hat
Das stumme Schicksal diesmal ihn gelassen . . . Er drückt sein Weib entzückt wohl an sein Herz,
Doch als Unsterbliche!
Er weint vor Freuden,
Und theilt zum Dank an arme kranke Frauen
Nun Speisen aus, wie seine Frau erquickt, Und sendet ihnen auch wohl ihren Arzt —
Und dennoch kennt er die Genesung nicht!
97 Tod-Armen nur, unherstellbar Beraubten Ist jene grause Kenntniß Vorbehalten;
Der Mann nur, dem sein Weib gestorben ist, Fühlt schwer: was „wiederum genesen" — wäre,
Doch was es keiner Menschenseele ist.
Denn wer es weiß, dem ist es hohl und schrecklich, (Lin Traum, den graus in ihm das Schicksal träumt
Zum eitlen Scheintrost, eitel, so als hätt' es Ihm eine Freude auch gegeben, welche Doch Menschen und doch Götter nie erfahren,
Und die als Traum den Mann zur Erde beugt,
Ihn zwingt, die Hand zum Himmel auszustrecken Nach einem überhimmlisch frohen Glück,
Das, wenn sein krankes Weib genesen wäre, Ihm selber ein Geheimniß auch geblieben.
So werden Menschen, werden Götter denn
Es nie erfahren, was Genesung ist; Es werden's alle nur als einen Traum Sich träumen — doch das Glück wird nimmer wahr.
Nur Todte wüßten, was das Leben wäre;
So weiß es Niemand!
Die nur, die geliebte
Gestorbene begraben, könnten wissen, Was wiederum genesen wäre — und so weiß cs Kein Hingestorb'ner, kein noch Lebender;
Jedoch die Todberaubten können's träumen
Bor allen Lebenden und Glücklichen;
Sie sind die Schwer-Bevorzugt-Eingeweihten; Denn feurig hülfreich sind sie, jedem Manne
Sein Weib, und jedem Weib den Mann zu retten, Als machten sie die Andern in dem Maße
Beseligt — wie sie selber elend sind!
Die da am seligsten erst könnten sein,
Die sind cs nie,
und werden's nie und
nirgend,
Und darum sprechen sie zu ihrem Freunde: „O Freund, erhalte deinem Weibe dich
„Als ihren höchsten Schatz, als ihre Erde „Und ihren Himmel, ihre Lieb' und Wonne!
„Denn stirbst du, stirbt das Alles, Alles ihr.
„Und du, o Weib, erhalte deinen Leib „Wie eine unschätzbare Perle!
Nichts
„Sei je dir werth, den Mann zu kränken, noch
„Dich je.
Tief unter euch liegt alles Jrd'sche!
„Näh' über euch schwebt sonst das schwerste Unglück,
„Das Elend, das kein Sterblicher erkennt, „Die allerhöchste Menschenseligkeit
„Zu ahnden — und verloren sie zu sehn:
„Genesung, die da kein Gcnes'ner kennt,
„Und Keiner, dem. ein Lieber nicht genesen."
O Weib und Mann, lernt bis ins Alter nicht Den Werth ermessen — den Genesung hätte!
99
Das wahre Geisterreich. Sind die verloren, die hinabgesunken,
Die Völker alle?
Die sind nicht verloren,
Die du nicht kanntest.
Die sind nicht verloren,
Die du dir auferweckst, mit dir zu wandeln.
Das große Volk von weggczognen Menschen,
Das kaum geschieden, wie im Nebcnsaale Still uns noch fortlebt, o wie macht es reich uns,
Ja froh!
Sie alle überstanden alles . . .
So werden wir's.
Wir wecken uns sie auf.
Da lassen sie uns schaun das, was auch wir sind;
Da sehn wir uns in Freud' und Mühe leben, Da sehn wir unser Schicksal schon erfüllt. —
Wohin ein treuer Mensch auch gehe, die ihn
Geliebt, erscheinen ihm auf seinem Wege, Begleiten ihn und sprechen hold mit ihm.
Und er erkennt sie nicht.
Er will sie nicht
Erkennen, weil sie todt im Grabe lägen!
Und dennoch sind es sie!
Sie sind es selbst.
Denn vorher schon, als sie noch lebten, hatt' er Von ihnen nur ihr Bild in seiner Seele — 7*
100 Und das hat er auch noch; er hat es ganz,
Ja reicher, schöner, rührender in sich. . . . Und mit der Mutter, die ihr Kind verloren,
Nun läuft es an der Mutter Hand! . . . Der Mann Geht mit dem bangen Weibe, seiner Witwe,
Ein Stück des Weges, und er tröstet sie; Sie klagt ihm ihre Noth! . . . Und dem Verlass'nen. Dem Vater mit den einsam-guten Kindern,
Erscheint die Mutter, und sie steht am Wege, Und lächelt seiner Treu', und weint sie an! . . . Der alte Vater und die alte Mutter
Sie sitzen Frohvermählten klar am Bache Im sonnegoldnen Wald, und segnen sie. Sie sind es selbst.
Sie scheiden nimmer ganz. —
Das ist das wahre Geisterreich am Tage, Das Geisterreich in jedes Menschen Brust,
Der treu geliebt, und Liebe treu verdient. Wer nach den glücklichen, den lauten Tagen
Des Lebens noch ein Besseres verlangt, Als süße Wehmuth, der verstand es nie!
Und nun die Wehmuth von sich stoßend, stößt er Wie blind sein schön verklärtes Leben weg!
101
Aelterntrost.
Du findest aus den alten Jahren, allen
Auch nicht ein Nest mehr auf den Bäumen wo, Nicht in dem Grase, noch auf alten Thürmen —
Das Gras ist hin, die Bäume sind vermorscht,
Die alten Mauern sind vorlängst zersallen. Du findest von den alten Völkern allen Auch nicht ein Haus mehr, vor dem neuen Regen Darein zu treten; von den Götterhäusern
Kaum eine Stufe . . . jetzt die Ruhebank.
Die Vögelnester waren einst Palläste Der Vögel für den Sommer; die Palläste,
Wie Götterhäuser, waren einst nur Nester Der Menschen, drinnen sie den Lebenssommer
Gewohnt.
Und als sie selbst daraus getragen
Hin in die Erde worden, war ihr Bau Ein überflüssig Werk, das Wind und Wetter
Mit Erbenrecht zerstörten und verwehten. Es langt das Nest, die Vögel großzuziehn, Es langt der Sommer, daß sie flügge werden;
102 Sie fliegen aus von ihren lieben Aeltern,
Und Jegliches von ihnen dann bedarf Sein eignes Nest für Weib und liebe Kleinen,
Die wiederum ihr neues Haus bedürfen. So können alle Kinder eines Vaters
Und einer Mutter nicht im Hause bleiben — Genug geschah, wenn sie drin groß geworden; Und alle Häuser sind nur Nester, Zelte
Der Menschen auf der immerwährenden Zerstreuung aller Kinder in dem Laude Der Väter, in dem Reich der Menschenkinder. Beweinet also ihr, ihr guten Aeltern,
Das Haus mcht, das das Nest der Kinder war,
Wenn ihr es ihnen nicht verlassen könnt. Es langt für
sie nicht,
langt nicht für die Enkel!
So mag es stehn; so mag es übergehen
An Andre, wie das nach der Brut uoch feste,
Bequeme Schwalbennest an Sperlinge, Die königlich-ergötzt draus freudig schreien.
Genug ist das, was uns zum Leben langt; Denn übrigbleiben soll vom Menschen nichts, Nichts soll von Völkern übrigbleiben.
Gnug,
Wenn das, was sie besessen, ausgelangt, Was sie gebaut, was sie mit ihrem Fleiße
Erworben, auf den Aeckern, in den Gärten, Auf Bergen, in den Flüssen, auf dem Meere.
103 Die frühern Völker sind ja nicht die Aeltern Der spätern Menschenkinder, Mcnschenenkel.
Nur für die eignen Kinder laugt mit Fug
Die Hand der Aeltern, langt die Mutterliebe, Des Vaters Segen; oft für Diese kaum.
Die besten Aeltern, selbst die mächtigsteu, Gleichwie die ärmsten, müssen ihre Kinder Dereinst für ihre Enkel sorgen lassen,
Die ja der Kinder Kinder sind, und freudig — Zu ihrem Erdgeschäft — auch für sie sorgen!
Denn Sorg' und Liebe, Müh' und Arbeit braucht Ein jegliches Geschlecht, und die ihm nehmen,
Sie ihm unnöthig machen, wär' sein Tod. — So ist denn von den ungeheuern Schätzen
Der alten Völker alle Nichts geblieben;
Aus daß die neuen Völker neu ihr Leben Verdienen, sich erbaun nach ihrem Wunsche,
Wie sie bedürfen; daß sie glücklich leben Durch ihre Arbeit in den eignen Tagen.
104
Das Helle Gelächter. O Tochter, höre deinen Vater gern! Er ist der treuste Freund, der beste Mensch
Für dich aus Erden, und dir näher keiner. Nun höre mir ein scheinbar Kleines an,
Doch, bist du frei davon, besitzest du Den höchsten Schatz: ein weises, frommes Herz — O Tochter, schlage kein Gelächter auf,
Das Helle, freche, das abscheuliche Dem edlen Sinn, dem redlichen Gemüthe. Belachst du einen Dummen, bist du dümmer;
Belachst
du einen Schlechten, bistdu schlechter;
Belachst
du einen Weisen, bist du thöricht;
Belachst
du einen Narren, bist du närrisch;
Belachst
du einen Armen, bist du schändlich;
Belachst du einen Buckligen, verdienst du,
Nicht ein gesundes Glied an dir zu tragen. Verlachst du einen Tauben, einen Stummen, Verdienst du, nicht zu hören, nicht zu reden;
Verlachst du Blinde, siehst du noch mit Ehren? Und gellst du sonst noch eine freche Lache,
105 Da glaubt der Menschenfreund, es bricht bei dir
Verborgner Wahnsinn aus; und wirklich ist es Der größte Wahnsinn: ein verdorbnes Herz
Voll Uebcrmuth, Stolz, Schonungslosigkeit. Für trunken räth' man dich zu Bett zu bringen!
Der Strenge aber spricht: dir thäte Noth, Noch einmal, und ein bessres Mal geboren Zu werden, oder lieber gar nicht mehr! Der Mensch allein kann lachen; lachen labt —
Der frohe Mensch lacht nur aus treuer Freude; Doch gellst du herzlos eine freche Lache —
Die Ziege ist ehrwürdiger als du,
Der Kuckuk ist ein Engel gegen dich,
Lacht er den Frühling an; und lachen Liebe Die Turteltauben bei der Abendröthe — Sind sie gebildet, aber du bist roh.
Der Geist der Liebe hat ihr Herz gcsänftigt,
Gefüllt.
Ein Weiser gegen dich erscheint
Sogar der Stein, der schweigt! Am Menschen zeigt
Das Schweigen Ehrfurcht an vor allem Guten,
Den Drang der Sehnsucht nach der Schönheit Fülle; Drum guter grauen süß'ste Red' ist Schweigen. Jedoch die frechen Lacherinnen haben Nicht einmal das, was schcinbegnügte Menschen
Sich Bildung heißen, die ein Bild nur sein
Und scheinen wollen, wie ein Marmorbild Vom Meisel wohlgestaltet und geglättet.
106 Ein abgethanes, ein erkanntes Wort Ist „Bildung", nur als halbes schädlich ganz.
Den Menschen aber baut der Himmlische Und füllt ihn aus mit seiner schönen Seele.
— Drum, gute Tochter, lache nie die Lache! Und laß sie niemals deine Töchter lachen, Sie ist dem bösen Weib nur Vorbehalten,
Als bös sie zu erkennen und zu meiden. Doch sieh' mich an, ich glaube gar: du weinst?
Du gutes Herz hast nie ja so gelacht — Sei mir gesegnet!
Und du wirst es sein,
Wenn jenen thränenwerthen Lacherinnen Gewisses Unglück naht aus ihrer Seele,
Verachtet jetzt, und unbedauert einst.
107
Die heilige Kraft ;u lachen. Vorzeichen sind im Hause dir von Unglück: Zorn, Aerger, Unzufriedenheit und Schweigen,
Gleichwie der Himmel vor Gewittern schweigt.
Den Keim des Unglücks nähren sie erst groß, Sie breiten durch die Ungeduld es aus,
Indeß sie selbst schon schwere Uebel sind.
Nur wähne nicht, der Zorn sei ohne Grund, Das Schweigen, Unzufriedenheit und Aerger; Sie sind die Früchte auch von Andrer Saat, Und nicht des Herzens Acker ist da schlecht.
Denn unzufrieden soll der Mensch ja sein Mit Widerwärtigem und Unvollkommnem.
Drum, wenn du schon die Zeichen siehst, die Träger,
Die Leid und Thränen, Schmerz und Krankheit bringen, Ja Tod und sein Gefolge, ew'ge Trauer — Dann halte dich . . . und halte Alle an
Im Lauf zum Abgrund; mache'nüchtern sie Und klar, des Uebels Anlaß auszutilgen,
Ihn wegzuräumen, auszugleichen, gut
108 Zu machen, zu verachten . . . wegzulachen! Denn dazu hat der Mensch das Lachen auch,
Den bösen Ernst in heitern Sinn zu wandeln,
Nicht nur die Freude aus der Brust zu jagen. Denn mit dem Lachen stammt die Freude weg, Als selbst die Freude und ihr Ausdruck . . . flammt
Der Aerger weg, die Unzufriedenheit,
Der Zorn — und wieder rein ist dir das Haus Mit allen Deinen, wie ihr heitres Herz. Wer lachen kann zu bittrem Erdgeschick,
Der hat den ernsten Weisen übertroffen! Der steht der Freud' am nächsten und den Göttern.
Nur was von Menschen kam, betrübt den Guten. Drum ist das Lachen keine Göttergabe,
Es ist der hohe Muth der Götter selbst.
109
Die Wünsche.
Wie viele Wünsche bleiben unerfüllt!
Gerechte, von der Noth erpreßte, theure Den Menschenherzen, als ihr schönstes Ziel.
Wenn sie den alten lieben Wunsch erreicht,
Dann wollen sie zufrieden sein!
Dann möge
Das Leben aus sein! — Und so streben sie, Von einem Traum der Seligkeit getragen,
Von einem Traum der Ruhe angehaucht. Des Tages Werke und die Tage haben
Zweifachen Werth für sie: den, was sie sind,
Und was sie ihnen erst bedeuten; doch
Das Leben selbst verliert den Herzen seine
Bedeutung in dem Wandel reicher Jahre, Die ihnen jegliches Erlangliche
Gewähren.
Verlauf,
Einsicht in den wirklichen des
Lebens
Wahrheit
bannt
die
Wünsche
Und heißt sie in der Tracht des Tages kommen.
110 So kommen sie denn hold als unsre Lieben, Dem Manne als sein Weib und seine Kinder,
Dem Weibe als die Kinder und der Mann,
Auch wenn die Kinder täglich größer wachsen,
Und wenn der Mann auch täglich älter ward. Sie kommen heut zu Abend als der Vollmond Und als die Morgensonne nach der Nacht,
Ja, als die Aepfel auf dem Apfelbaume.
O glücklich der, der sein Erlebtes — wünscht!
111
„Mein Gott!" Wie rühmst du hoch in feierlicher Seele Des Himmels Schönheit und der Erde Pracht,
Das unermessne Glück, ein Mensch zu sein. — Doch wie so rasch verschwindet dieser Schatz
Und über wie so Leichtem ist er aus!
Wie du ein Licht verlöschest in der Höhle Voll augentzückend schöner Zauberbilder,
Und Finsternis; fällt über dich und Grauen.
*
*
*
Der Mutter Wiegenfest ist heut.
Ihr Knäbchen
Steigt aus die Felsen, Blumen ihr zu suchen
Da droben, wie sie immer sich gelobt, Und an dem Abhang sieht es erst die schönste.
Es langt — es reicht nicht mit gedehntem Arme — Es streckt sich vor — und stürzt hinunter rhurmtief.
112 Zerschmettert liegt es drunten, seine Blume Fest in der Hand — und über ihm am Himmel
Scheint hell die Sonne fort, der Felsen strotzt So fort, die Wolken ziehn so fort, die Vögel
Sie singen fort.
Wie wird die Mutter weinen!
Denn über sie fiel Nacht und Finsterniß, Das Wunderbild des Knaben ist hinweg,
Dem Knaben ist die schöne Höhle aus.
Die alte, arbeitsame, arme Frau, Sie möchte gern die Finger blutig spinnen
Zu Brot, zu Holz, zu einem neuen Hemd — Ihr Todtenhemd, darin sie ruhen will,
Das sie sich selbst bescheren will zu Weihnacht; ■ Von allen Ihren blieb nur einsam sie. Den Flachs, den hat sie glücklich sich erbettelt;
Jedoch das Oel wird nicht im Lämpchen langen!
So geht sie in der Abenddämmrung hoffend
Zum Krämer über den gewohnten Steg; Sie ist in ihrer Jugend einst mit ihm
Zur Schule ja gegangen . . . und er borgt ihr Den Kreuzer Oel gewiß! sie wird recht bitten.
Und keinen Pfennig ist sie Jemand schuldig, Denn einem Armen borgt der Arme nur,
Die Armeu sind die Reichen ohne Schulden.
113 Ihr hat das Herz geklopft.-------- „Er hat geborgt!"
Und fröhlich eilt sie über ihren Steg. Die Thränen sind ihr in die alten Augen Getreten.
„Wie die Menschen doch gut sind!" . . .
Da hat sie fehl getreten — und sie treibt Dahin im Gießbach mit dem Fläschchen Oel —
Sie denkt des ganzen Hemdes, das nun fehlt . . . Sie schämt sich ... sinkt... sie muß das kalte Wasser
Nun trinken, und sie trinkt sich willig satt — Und ist ein armes altes Weib gewesen
In dieser Wunderhöhle „Welt" genannt!
Der schöne Abendstern, er scheint so fort, Der ganze Himmel funkelt über ihr,
Die Lichter stralen aus den Hüttenfenstern, Die Kinder singen Lieder an dem Herde —
Sie ist dahin zu allen Königinnen.
*
*
*
Das ist der große Schatz: das Menschenleben!
Das ist der Sternensaal mit seinen Erden! Das ist die Erde mit dem raschen Schicksal, Das selbst die Kinder nicht im Spiel verschont, Und nicht das alte Weib in seiner Freude,
Neuwaschen in die Grube hin zu gehn, Neuwaschen einst vor Gottes Aug' zu treten.
114 Das ist das Schicksal, das den Ernst nur kennt,
Und Menschen faßt als Menschen, wie der Tod — Doch der auch alle Menschen ruhig macht,
So wie ein Kindchen, das so eben munter Noch auf dem Schooß der Mutter spielet, plötzlich
Vom Schlaf gefaßt, sich an die Brust ihr lehnet Und fest entschlafen ist, wenn sie es ansieht Und ganz erstaunt nur leise spricht: „mein Gott!"
115
Verdiente Gesellschaft. Versammle eine heitere Gesellschaft Dir, die dich einst umgeben soll im Alter. Dann werden Kinder kommen, die dir danken,
Die du vor Schaden, vor Gefahr bewahrt . . . Dann kommen Jünglinge, die du gelehrt, Den Lebensweg zu gehn; und frohe Jungfraun,
Die du gewarnt, vielleicht mit einem Blick, Mit einem Finger, und ihr Herz erweckt. Da mögen Freunde kommen, denen du
Der Freund gewesen, bieder, hülfreich, tröstlich. Da mögen deine Schwestern, deine Brüder, Da mag der Vater, mag die Mutter kommen . . .
Der fremde Wandrer, den du nie gesehen, Als jenen Tag, an dem er dein bedurfte.
Da mögen Blütenbäume vor dich treten,
Die du gewässert; mögen arme Vögel Geflogen kommen, die du füttertest
In tiefem Schnee... da mag die Schwalbe zwitschern,
Der du am Hause nicht ihr Nest verwehrt . . .
Da mögen Lerchen singen, denen du Den Stößer von den Jungen hast verscheucht. 8*
116 Und sie gewiß, sie alle kommen! kommen,
Auch wenn sie längst schon vor dir hingegangen, Nicht Kinder mehr sind, Greise nicht und Wandrer,
Nicht BlütenLLume mehr, und Lerchen nicht! Doch zeitig schon, als Kind noch fange an,
Die heitere Gesellschaft dir zu werben, Und immer aufmerksam auf deinem Wege,
Dir sie vergrößernd, ihrer dich zu freuen. Die Freunde deiner Seele sterben nicht, Denn deine Seele selbst ist alle sie,
Und wird sie wiederum aus sich hervor Vor deine Augen zaubern, wenn du einst
Des Lebens denkst, und tiefgerührt der Erde Gedenken mußt — die sie dir alle sandte! Drum ist des guten Menschen Alter nicht
Verlassen, öde, nicht vereinsamt, traurig; Sein kleines Zimmer wird ihm oft zu voll . . .
Er schwebt wie eine Sonne über Tagen . . . Er fliegt mit Flügeln über weite Lande . . .
Er leuchtet über Nächte wie der Mond . . . Er fühlt sein Haupt hoch in die Wolken wachsen, Darin die ganze Welt sich ihm begiebt:
Ihm wird die Brust wie voll von süßem Honig, Und seine Seele wird zu Lerchenliedern.
117
Schonung der Weiblichkeit. Willst du das Weib beglücken und beglückt sein, So übe Schonung! Duldung, ohne Ende!
Sonst weinet sie und härmet sich zu Tode. Denn was das Weib zeitlebens braucht, um was sie
Mit jedem Blick dich ansieht, das ist Schonung; Denn ungeschont, da steht sie nackt im Traume Vor allen Geistern und vergeht in Scham.
118
Muth zur Wahrheit.
„Was Andern heilig ist, das sei dir heilig, Ein jeder Wahn, die lächerliche Thorheit, Die schädliche sogar — denn schädlich ist
Ein jeder Trug.
So ist den guten Aeltern
Die Puppe ihres kleinen Mädchens heilig — Die Mutter hebt sie sorgsam Abends auf, —
Das Pferd des Knaben, das den Tag ihn trägt Auf seinen flinken Beinen, und das Heu,
Das er zu Nacht ihm in die Krippe steckt!" So sprichst du, Ungeheures fehlend, selbst
Verbrechend an der Menschheit Weiserwerden,
Wenn du als heilig Wahn und Irrthum schonest! Den guten Aeltern ist das Pferd nicht heilig
Des Knaben, heilig nicht des Mädchens Puppe,
Noch gar die Krippe, noch das Heu, der Stall — Die Kinder nur sind ihnen heilig, nicht
Ihr Spiel, das sie nur dulden, weil sie wissen:
119 Die Kinder werden bald ja Menschen sein, Sie werden sie belehren, und die Welt, Daß ihren Selbstbetrug sie froh belächeln.
Der ist der schändlichste, der schädlichste Der Menschen, wer den Wahn und Irrthum schont. Der schont die Menschen nicht, der ihren Wahn
schont, Des Herzens Fehler und Unwissenheit,
Ja ihren Puppen Häuser baut und Hallen;
Der greift den Menschen nicht an Herz und Leben, Wer ihnen Licht und Recht und Wahrheit bringt;
Denn ihre Seele sehnt sich selbst danach, Und war in alte Bande nur verfallen,
Drin aufgewachsen wie der Staar im Bauer. Doch Menschen tobten, Lebende verdammen,
Um Wahn und Irrthum also auszurotten —
Das heißt den Wahn nicht todten! Denn von Feuer Und Schwert und Gift stirbt nicht der kleinste Wahn.
Den größten Irrthum löst Verstand und Lehre, Und haucht ihn aus dem Sinn, wie Wind den Nebel.
Scharf unterscheide Wahn und „Menschen!" Schone
Den Menschen, und den Wahn erwürge frei. Wer sich beleidigt fühlt durch sanfte Lehren
Und reines Licht, der ist kein Mensch gewesen,
Und würde keiner, wie du kein Mensch wärest,
Wenn du nicht frei ihm sagtest: „Das ist Täuschung!
120 „Ist Lüge! Du Belogner und Betrogner, „Verlieren sollst du nichts, gewinnen Alles,
„Ja selbst den Gott, der Licht und Wahrheit ist."
Drum: Muth zur Wahrheit! und die Lüge berstet, Die Lügner sterben; die Belognen nicht;
Du hemme ihre Hand zur Rach' an allen, Die sie so lang gehemmt an wahrem Menschsein!
Denn unversöhnbar-bittre Feinde werden
Getäuschte! zwischen ihren Feinden stürzte Die Brücke ein, ein tiefer Abgrund trennt sie,
Worüber mehr kein Vogel fliegt; zum alten, Verlornen Glauben giebt es keine Rückkehr,
Zur todten, abgelebten Liebe keine!
121
Die drei Weltwunder. Da, wo die Erde noch ist, wie seit Ursprung, In Mitten Afrikas, da soll auch noch
Der schaudervollste Ort der ganzen Welt sein, Wo man das Unglückseligste noch schaut,
Die gleichsam Tiefst-Betrognen aller Dinge, Die ärmsten drei Weltwunder für die alle, Die kommen, leben, wieder weiter wandeln. Die Dinge sollen sein: Ein kleines Kind, Das seit der Urwelt um kein Haar gewachsen;
Dann eine unaufhörlich-blüh'nde Rose; Zuletzt ein muntrer Greis, der niemals stirbt.
Sie werden vorgezeigt und ernst erklärt Von Priestern, Jegliches in seinem Tempel;
Und alle Mütter, welche je den Tod, Auch noch so frühen Tod von ihren Kindern
Beklagt; und alle Menschen, die Bestand Für ihrer Werke Pracht aus ewig wünschen; Und alle, die da nicht begreifen konnten,
Daß alles sich beschließen müsse, was Vollkommen sein, ein Ganzes werden soll,
Die ziehn belehrt, entsetzt, verstummt und Heilige-
Zufrieden weg aus diesem Heiligthum.
122
Die älteste Tochter. Du lebst ein schönes und ein schweres Leben. Erst, als das einzige, das Erstlingskind
Vom Himmel in der Aeltern Haus gesandt, Wirst du dem Engel gleich geliebt.
Im Laufe
Der Zeit, noch selbst ein kleines Jüngferchen, Schon wirst du die verständige Führerin
Von deinen kleineren Geschwistern.
Du bist
Ihr Rath, ihr Trost in allem, ihre weise Gespielin, die die ew'gen Kinderspiele
Schon treu gelernt auf Erden; du bist ihnen Die kleine Mutter, die vertrauliche.
So wie die Gans zum Wasser ihre Gänschen, Führst du die Kleinen säuberlich zur Schule.
Du lehrst sie beten; zeigest ihnen fromm Das erste Vogelnest mit lieben Kleinen, Und sagst dazu: „der Vater sagte heimlich:
Das wäre unser Haus, das wären wir!" Dann hilfst du früh der Mutter, machst die Härchen
Den Schwestern und dem Brüderchen den Ball.
123 Die Mutter spricht: Kind, komm, zu sehn den neuen
Weltbürger! . . . Und du siehst die gute Kuh
Im Stall an ihrer Krippe stehn, ganz froh Und mutterstolz; denn neben ihr steht schon
Ihr Sohn, das Kalb, und ißt schon Blumen mit, Und sie beschaut euch mit den großen Augen, Ob ihr es seht? ihr Mutterherz versteht?
Da streichelst du den lieben Sohn, und sie Beleckt dir dankbar deine Hand dafür.
Das hilft dir, deiner Mutter Lob verstehn.
Nun wirst du bald Gehülfin eurer MutterIm Haus, im Garten, treu von früh bis spät,
Von Lenz bis Herbst, das ganze Jahr hindurch . . .
Durch manche Jahre, manchen stillen Winter; Ihr seid die Engel in dem Menschenhause, Die Seligen auf Erden bei einander
Seid ihr, der Menschen Glück nun euch erstrebend,
Wie nie zuvor, und schöner kaum je nachher! Ihr thut das, was die Sterblichen seit Alters Da „leben" nennen. — Aber lange nicht
Besteht ein Kreis von Glücklichen; er löst
Sich leis'; oft von dem sommergrünen Baume Schon fällt ein gelbes Blatt.
So neigt das Leben
Der Mutter heimlich sich gemach zu Ende.
Ach, wie erschrickst du, daß die Liebe Vieler Nicht Einen vor dem Tod bewahren könne . . . Wie Alles eilt! ... Du wirst die Pflegerin
124 Ihr — und sie nennt dich „meine gute Tochter". Das bricht dir bald das Herz!
Doch Alles muß
Geschehn, was uns das Leben mit sich bringt,
Es muß sogleich geschehn, da gilt kein Aufschub, Und Alles kann die Liebe, was sonst Niemand, Und Alles thut sie auch, wie Niemand sonst. Und also drückst du deiner Mutter auch
Die Augen zu. — Darauf ist Alles leicht! Was wäre dann noch einem Kinde schwer
Und einem Weibe? nicht ihr eigner Tod. Du windest ihr die Kränze auf den Sarg,
Indeß die Kleinen zuschaun, oder dir „Die fehlenden drei Rosen" eilig holen.
Gebüsche Laubwerk von den Eichen bringen Dir, ganz darein versteckt, die Knaben stumm.
Wer weiß da vom Begräbniß seiner Mutter? Denn seiner Mutter heiliges Begräbniß
Vergißt das beste Kind zuerst ... es hat es kaum
Gesehn, geglaubt nicht, hat es nur geträumt, Indeß von Engeln aus der Welt getragen!
Verstand und Güte aber erbt das Haus, Der Sorgende, der erbt die Müh' und Sorge. So hast du nun das ganze Haus geerbt,
Der Mutter Segen und sogar ihr Grab.
Denn du bepflanzest jeden neuen Lenz
Der Mutter stille Gruft mit jungen Blumen;
125 Denn
blüht
ein Grab
schön,
meint
der
Mensch,
der Tod Darunter sei auch schön; und ruhet es
In Frieden, ruh' darin der Todte auch In Frieden.
Herzlich bist du so der Sorge Gewohut, und du bemutterst deine Schwestern, Den Lieben thust du.nicht das kleinste Gute Hinweg!
Dich freut, was jedes selbst vollendet.
Du nun beschickst den Bruder in der Fremde Mit jeglichem Bedurften, und ein Briefchen
Dazu: „Behalt' uns alle lieb, o Bruder!" Was lange Tag' und Nächte dir gekostet, Das liegt nun fertig zugeschnürt, so wenig!
Noch in die leeren Räume stopftest du Ihm Nüss' und Aepfel aus dem Vaterhaus,
Die liebe Heimat, eingedenk, zu kosten! Die Schwestern auszustatten schaffst du Rath; Vom Segen eures Hauses giebst du ihnen
Das Beste mit, Gesponnenes, Gebleichtes Noch von der Mutter Hand, in jener Zeit, Der heil'gen, da ihr alle bei einander
In Frieden saßet, oft spät in der Nacht, Der nah'nden Zukunft arbeitsam gedenkend.
Nun kam die Zeit!
Nun scheidet sie auf immer —
Du drückst sie weinend noch einmal an's Herz;
126 Du wirst noch wiederschafsen, was ihr etwa Bedürft; was nicht, das wirst du fromm entbehren —
Denn in die rechten Hände ift’6 gewandert. Darauf empfängst du noch den alten Vater — Der sich noch auslebt und noch alles auslebt —
Zur Pflege.
Du umwandelst ihn des Tages
Und du behorchst ihn leise noch des Nachts —
Der eines Morgens doch nicht mehr erwacht.
Und eilig schleicht der letzte Morgen her; Und athmet er in Ruh', und seufzt er nicht Am Morgen? nein, er lächelt dir . . . er hält
Dir deine Hand, mit welcher du ihn streichelst,
Drückt dir sie, sieht dich gerne bei ihm stehn, Als für ihn wichtiger, dich noch zu sehen,
Und dir noch wichtiger, als jedes andre
Geschäft, wie du wirst viele noch nach ihm
Verrichten können, und er bittet: „Bleibe
Bei mir!" ... O wie hoch bist du da beglückt Im wonnigen und schmerzlich bangen Herzen,
Daß auch dies euer letztes Glück dir leise Sich seinem Ende naht.
Denn das bedeutet Die Hand, die dir der Vater still zum Segen
Sanft auf dein Haupt gelegt — und sähe dich
Ein Gott, und liebte, segnete dich nicht?
127
Du Gute folgst dem besten Bräutigam
Nicht in sein Haus von deinem Vater weg; Und wenn er leise fragt: „ob nie? ach, wann?"
Da schlägst du deine Augen stumm zur Erde,
Er sieht dir Thränen durch die Wimpern quellen,
Und schaubar steht vor ihm die heil'ge Liebe.
128
Das Spirl drs Lebens.
Das Kind noch will von gar nichts ein Ergebniß; Ihm ist ein jedes Spiel das Leben selbst In höchster Würde, so von größtem Werth.
Und wie die Kinder leben auch die Vögel, Selbst wenn sie spielen „Nesterbaun, und Brüten,
„Und Iungefüttern, über Meere ziehn."
Die goldnen Vögel, die Gestirn' am Himmel, Sie spielen auch nur so ihr kindlich Leben.
Der Jüngling aber will zuletzt von all' Dem Schönen, Süßen, Lieben ein Ergebniß Von seinem Thun, selbst von der schönen Jungfrau.
Sein Leib, sein Leben, alles soll ihm fruchten
Zum festlich-ordentlichen Spiel des Lebens, Wie alle Menschen vor ihm es gespielt,
Sonst graut zuletzt die süß'ste Lust ihn an;
Genuß ist hohl, und Wünsche thun es nicht — Des Lebens tiefer Geist hat ihn gefaßt, Der Ewigheitre, über Welten hohe.
Nun strebend wohnt der Mann in seinen Tiefen, Und thut die höchsten Wunder aller Welt
129 Verborgen in der Zeit und in dem Raume, Unfaßbar-große — doch ihm herzens-klare! Doch vom Genuß wird auch die Seele satt,
Das Leben zehrt wie eine Frucht sich auf,
Es spielt sich aus, wie jedes andre Spiel — Was ihm erfüllt ist, wirst er hinter sich
In die Vergangenheit, die stille Kammer Voll — Nichts, nicht einmal Staub und Spinngewebe.
Ganz leise wird das Leben unbedeutend . . . Und wieder müssig, ohne recht Geschäft,
Als abgesetzte Könige der Welt, Dann gehn die Menschen um, wie fremde Geister-
Im eignen Hause.
Müde sehn die Alten
Den Kinderspielen zu, davon ganz ernstlich
Begnügt, in ihre Kinderzeit versunken,
— Die Nichts als ihre Kinderseele war — Wo „Weinen und Begraben" nur ein Spiel war;
Und Weinen und Begraben sind nun wieder
Ein Kinderspiel, gespielt von großen Leuten,
Und schön dazu geblasen und gesungen, Daß selbst die Vögel unterdessen schweigen.
Und ist der Zug vorbei, da spielt der Greis,
Der Welt vergessen, eifrig mit den Kindern. Das ist die Vorbereitung auf den Himmel,
Die heilige Verborgenheit und Stille. Und jedem Menschen scheint zuletzt erlaubt,
Die Welt als Ernst recht herzlich satt zu haben; 9
130 Die ewigen Verwandlungen, das Wachsen
Der Kinder, all' die Herbste, die Verluste, Sie dringen sich dem Menschen auf als Spiel, Den Trauernden sogar, um wie viel mehr Den Heitern und Beglückten, welche zeitlos
Und sanft aus wellenweichen Tagen schiffen.
„Verzeiht das Spiel, und seht es günstig an; „Es soll euch Keinem zur Ermüdung dauern!"
So ruft die Sonne früh vom Himmel aus,
Vor Freude stralend.
Und die Sterne rufen
In großem Chor zu Nacht: „Verzeiht das Spiel! „Wir mühen uns für euch, das Leben wagend, „In Lüften tanzend schwere Reigen, spielend.
„Wer weint, —der ist noch nicht einmal ein Kind! „Wer lacht, hat uns verstanden; und wer schläft,
„Auch Diesem spielen wir geduldig fort — „Er könnt' erwachen! . . . Einer könnte wach sein! „Fehlt nicht! Wir fehlen nie. — Verzeiht das Spiel."
*
*
*
Die Spiele spielt das Kind mit heil'gem Ernst,
Mit Eifer, alle seine Kraft dran setzend,
Nicht Kleider, Glieder, Leib und Leben schonend. Sie spielen Jagd, sie spielen Krieg, Erstürmen
Der Burgen, spielen Kirchenbauen, Läuten,
131 Und singen, beten, und zu Grabe gehn;
Sie spielen Schule halten, predigen,
Schulmeister, Psarrherrn, Blinde, Taube, Lahme; Sie spielen Aerzte, ja sie spielen Todte Und Thiere-sein, ja Glocken, Bäum' und Steine;
Sie spielen Himmel, Höll' und Weltgericht, Und Auferstehung — bis sie nichts mehr wissen,
Bis Alles sich in Einen Wirrwarr löst, Der draußen fortsaust als die schöne Welt,
Wenn sie, zu Nacht nach Haus gerufen, schlafen. Die Spiele spielen die Erwachsenen
Mit Ehren, Ordnung, Kunst und größten Opfern. O hielten Menschen erst ihr Erdenleben Für nur so hehr und wichtig, wie die Kinder
Ihr Spiel, das oft sie zur Verzweiflung bringt; Nicht für ein sinnlos nichtiges Gewirr,
Wie's eben will gerathen oder enden — Und sie verwandelten die Welt zum Tempel!
Zu Priestern und zu Göttern sich — wie Kinder. Erst wem das Leben schöne Dichtung ist, Dem wird die Welt und wird der Mensch gefallen,
Ja süß ergötzen — eher keinen Tag.
132
Der Bettler und die Maus. Nichts nützlicher, als jene Einbildung Der Menschen all': ein Herr zu sein worüber; Da über Menschen, über Wald und Fluß
Und Berg, ja über einen Hund, ein Roß, Ein Lamm nur, und den Vogel im Gebauer.
Durch jenen Wahn, als Herr sie zu besitzen,
Fühlt sich der Mensch als Vater oder Mutter
Der Wesen und der Dinge, übernimmt Die Sorge stolz für sie; er wird zum Vogt
Der Erde, und sie dreie habens wohl.
Doch sieh, es bleiben in der Menschen Hand Das Kind, das Roß, das Lamm und Feld und Berg Unsichtbar, aber mächtig ganz allein
Nur in der Hand der heiligen Natur, Und nichts besitzt der Mensch an seinen Gütern, Als seinen Kinderstolz, ein reges Herz
Und den Gebrauch der Dinge, die er sein nennt. Denn sie vergehn ihm unter seinen Handen . . . Er selber muß von ihnen bald von dannen.
133 Dann leben sie ihr eignes Leben weiter,
Gleichwie die Berge stehn, die Flüsse rauschen,
Die Sonnen ziehn und Nachts die Sterne wandeln. Daß zum Gebrauch die Dinge einem Herrn
So anvertraut sind, also wie die Kinder Von der Natur der Mutter und dem Vater,
Das hat ihm keinen — als des Lebens Werth,
Als daß er für sie sorgt zu seiner Freude, Und zu der Dinge eignem Wohlergehn;
Sei das des Menschen Weib und Kind und Lamm,
Sein Hund, der Obstbaum, all' die frohen Halme Des wohlbestellten Ackers, und die Fische Im Teiche und die Bäume seines Waldes,
Ja selbst die Rosen seines Blumengartens. Ein schlechter Herr ist der, in dessen Obhut
Sein eingebildet Eigenthum verkümmert: Der Mensch, das Kind, der Born, das Haus, das Laud; Erträumt den Traum, „einHerr zu sein", nicht herzlich—
Und Herzensohnmacht ist des Volkes Elend, Und Land- und Geldgier macht zu rohen Herrn,
Gewalt und Eigendünkel reißt zum Wahnsinn, Selbst Eseln seinen Kopf noch auszusetzen Und Menschen nur als arme Schafe brauchen
Zu wollen; denn geschehn doch wird das nie. Indeß ein Bettler ist noch treu ein Vater
Der Maus und streut ihr redlich alle Krumen
134
Aus seinem Bettelsack.
Dem Bettler gleiche
An Herrgesühl! ... Er könnte sie ermorden —
Er aber fühlt: er ist ihr Herr und Vater, Sie ist die letzte Freundin ihm, sein Kind.
So thu'! . . . und wären deine Mäuse — „Menschen!" Und hätt' er Gold genug statt armer Krumen, Er schüttete sie auf, die armen Leute, Reich wie die Wolke Regen auf die Flur; Er ließe Jeden leben, wie ihm wohl ist,
Und ließe ihn in seinem Haupte herrschen,
Wie seine Maus in ihrem Mäuseloch. —
So ist's nicht menschlich blos, so ist es göttlich.
135
Die beste Meinung. Du willst nicht deinen Lebenstag voll Leid,
Du willst ihn ruhig, glücklich, als ein Mensch; Doch darum ohne jenen Wandel nicht,
Den dir der Erde Jahreszeiten bringen . . . Den Wechsel deiner Lebensjahreszeiten.
Denn darin nur erkennst du Menschenleben,
Daß du geboren wardst, ein Kind, ein Jüngling, Ein Mann, ein Greis bist, und dann wieder stirbst, Und wie zuvor einst ungedacht, so nachher
Gleich-unbekannt bist auf der alten Erde,
Die vor der Unzahl ihrer Wesen aller Da über Keines Rechnung führt und Merk, Was nur ihr großes Kind, der Mensch, versucht:
Ein kurzes Tagebuch von seiner Wand'rung Zu führen — ohne Anfang, ohne Ende,
Und Jahreszahlen sich erdenkt und Feste,
Indeß es heilig wie die Bienen lebt Und wie die sel'gen Blumen auf den Wiesen.
136 Nun schiltst du mich: ich nenne Alles gut;
Ich sag': „ich wurde nicht von Regen naß,
„Nicht kalt von Frost, nicht müde von der Arbeit,
,,Ich weine über Keins der mir Gestorbnen,
„Ich halte Jedes Leben schon für gut,
„Die Erde schon für menschlich eingerichtet." Ich meine: „diese Welt sei ganz vollkommen,
„Kein Gräschen zuzuthun, kein Stern da droben
„Hinwegzunehmen, nicht ein Wolf zu bessern, „Je einer Wolke Zug nur zu verändern."
Nun halte du das, wie du willst, wie das Dein blöder oder klarer Geist gebietet. Doch meine „beste Meinung" von der Welt Ist nur die beste von dem Menschenherzen,
Und von des Menschen Kraft, er selbst zu sein.
Der Topf ist gut, der Feuer hält und Wasser. Ja, wäre wirklich diese Welt die schlechte, Die schlechteste, die Ordnung all' ein Greuel,
Und dieses eine große ganze All —
Und müßt' es jedem Wesen nicht genügen, Ihm Leben, Tod und Freud' und Leid zu sein; Ja, stimmte auch ein Hauch nur nicht mit ihm, Und wäre Menschenwissen, Kunst und Streben
Nur aus dem Nichts her . . . wäre nicht die Frucht
Und die Erfüllung eben dieses All's — Dann hätt' ich erst recht heilig-köstlich Recht, Das feste, hohe Menschenwort zu sagen:
137 „Und wär' die Welt noch tausendmale schlechter, „Das Leben tausendmal noch unvollkommner, „Von noch mehr Elend, Leid und Schmach beladen, „Da stieg' Ich erst zu tausendfachem Werth —
„Da ist die Welt gut, wo Ich gut sein kann,
„Nur gut sein will; schon gut ist guter Wille;
„Selbst in der Hölle wär' ich dann ein Halbgott. „Der Mensch ist stets nur gut aus seiner Kraft! „Sie ist der Mensch geworden, Er ist sie nur!"
Besäß' dich eine andre „beste Meinung",
Verkenntest du den einz'gen Menschenwerth, So bitt' ich: Tritt auf meine Seite, bleibe
Bei mir! du freust dich sonst des Lebens nie,
Es wäre denn, dich freute, Zorn und Fluch Im reinen Menschenherzen dir zu füttern
Mit unerkannt dir schauderhaften Dingen! Der Frieden in dir ist die Freud' an allen,
Den williges Erkennen süß dir nährt.
138
Der Schlußstein. Das Kleinste gleich dem Größten redlich thun
Nach Wissen und Gewissen und Perstand — Mehr können alle Lehrer uns nicht lehren, So viel' auf allen Sternen Weisheit schreien, Geschrieen haben und noch schreien werden.
Das ist die Zeit und ist die Ewigkeit; Das ist: von Furcht der Strafe und von Hoffnung
Des Lohnes frei sein, ist die ganze Welt Sammt aller Herrlichkeit in seinem Herzen. Denn nirgend war sie mehr, nie wird sie mehr;
Und nur das Eine überbietet sie: Sich in den Tod hinlegen rein und froh.
139
Liebe dich selbst. Es kommt darauf nicht an, daß Jemand lebe, Nur daß er rein und gutbewußt sich fühle. Wer ewige Gesetze frech beleidigt,
Der wäre besser nicht da, als sie leidend; Dem nutzt es nicht, zu hohen Jahren kommen,
Denn länger schleppt er doch nur seine Last. Dem Bösen nutzt es, früh die Welt verlassen. Und erben Weib' und Kinder von ihm Schätze —
Wie können sie ihn redlich da beweinen,
Als einen heimlich doch Verachteten . . . Aus frommem Sinn nur stumm Bedauerten,
Daß er der Menschen würdig nicht gelebt, Viel eher des Gerichts, der Strafe werth,
Als einer Thräne, die ihn selig Preiset,
Wenn er nun dennoch nackt zur Grube fährt. Drum: Von den Seinen selig einst gepriesen Zu werden, deutet auf ein selig Leben, Auf einen sanften Tod, auf Ruh' im Grabe,
Und Frieden in „der Nachgelassnen" Brust.
140
O du, verdiene Dir und Ihnen Ruh'
Und Frieden, Gnüg' und Treue, Lieb' und Segen! Wenn du dich selbst liebst, liebst du auch die Deinen, Und um der Deinen willen bist du redlich Und freundlich, treu und willig gegen Andre;
Denn so nur liebst du wahrhaft treu dich selbst.
141
Das Ewige.
Wer heute schön ist, den bewundre heut,
Den Mann, das Weib, die Rose und die Wolke; Die Schönheit ziehet langsam wie die Sonne Am Himmel hin — doch zieht sie bald vorüber. Wer heute mächtig ist, dem beug' dich nicht,
Denn Macht
ist
flüchtig,
mit
dem
schen hin.
Wer heute weise ist, den ehre hoch,
Denn in ihm lebt der ewige Verstand; Im Guten ehrest du die ew'ge Güte,
Die ew'ge Liebe in dem Liebenden.
Men
142
Die Welt des Menschen. Für wen, für wen in aller Ewigkeit Gedenkt wohl der zu leben, der nicht ganz
Für seinen Gatten und die Kinder lebt?
Der nicht die Sonne würdigt anzuschaun, Die Sterne kalt vorüberflimmern läßt,
Wie Kinder, die mit kleinen Lichtern gaukeln.
Was wird ihn freuen, freut der Tag ihn nicht, Der Frühling und die Blumen und der Herbst, Der reifen Früchte Duft, die letzte Nuß! Wen will er laben, labt er nicht den Wandrer,
Der heut, der jetzt zu seiner Hütte kommt? Wem wohlthun, wenn dem Bettler nicht, der leis Mit magerm Knöchel an die Thür' ihm klopft? . . .
Den armen Kindern, die mit feiner Stimme
Im Hausflur betend stehn — daß Götter weinten! Wer soll sich jemals seiner freuen, freuen Sich feiner nicht die Menschen um ihn her?
Denn war ein Mensch den Seinen nichts, so war er Sich nichts. Wer Mensch sich ist, ist Andern theuer.
143
Die Freiheit. Wie viel gelitten hast du schon, o Menschheit, Du arme Menschheit, aus der Wanderschaft
Hin über diese Erde bis ins Grab!
Wie viel gelitten von den Elementen,
Den Wettern, Stürmen und den Wasserfluten, Von Feuer aus dem Boden unter dir,
Von Steinen über dir, herabgeschleudert Vom Himmel; von der kranken Erde Beben,
Von Brand der Sonne und von grimmer Kälte, Und von der Erde alter Pest, dem Tode —
Wie viel gelitten hast du! Doch wie viel
Auch hast du schon besiegt! . . . und wich das Uebel Nicht von dir, bettetest du dich im Grabe,
Dem sichern Zufluchtsort von Anbeginn,
Dem schaurigen, der nichts als Ruhe giebt; Doch nimmer dein ersehntes schönes Leben
Auf Erden, deren altes Kind du bist. Wie viele deiner Feinde sind vertilgt —
144 Du hast sie ausgetilgt, die wilden Thiere, Die wilden Menschen.
Denn die größten Feinde
Der Menschen sind allein die bösen Menschen, Die sich nur lieben, sich nur Freiheit wollen, Für sich nur Reichthum und für sich nur Wohlsein —;
Doch nicht aus Bosheit, nur aus tiefer Blindheit,
In allen Menschen um sich her den Menschen Nicht auch zu sehn! — Das ist die Leidenschaft, Die, Herz und Sinn umnebelt, ganz welt-einsam,
Sich selbst nur fühlt, doch Andre schwer verletzend Sich elend macht.
Nun, sie auch haben sich
Zu Tod gewüthet und zu Tod geraset — Die Pharaonen-Sorten . . . Alexander. . .
Der Volksbestehler Cäsar . . . und der feige Augustus, dessen Wuth nur Lächeln war, Sogar nur Sanftmuth, ja Gerechtigkeit,
Verbriefte Freiheit — alles: um zu herrschen! Sie alle sind, verwünscht, hinabgefahren,
Sie alle sind, $um wenigsten — gestorben, Und liegen als Gerippe in den Gräbern!
So wälzten sich die Völker durch Jahrhundert'
Nach ihrem Himmel — bis ans Herz im Elend; Denn immer standen neue Feinde auf.
Und immer stehn noch neue Feinde auf Mit andrer Zeit; so wie aus andrem Frühling
Ganz neue, eigene Gewitter steigen
145 Und andre Blitze zischen, die die neuen
Gebäu' zerschmettern, und die neuen Schloßen, Die neue Saat verhageln.
Also soll Des Menschen Leben sein auf dieser Erde; Es soll ein ew'ger Kampf der Guten sein
Mit allen Bösen, und ein steter Sieg. Die Grausamkeit der Anderen erzeugt Erst recht Barmherzigkeit in bessern Menschen; Die Ungerechtigkeit erzeugt erst lebhaft Gerechtigkeitsgefühl in jeder Brust;
Die Unterdrückung wirkt erst recht die Freiheit
Im Sklaven, der auf seinem Strohe weint In Ketten, die er Nachts dem Himmel zeigt.
Des Menschen Güter sind nur innre Güter, Und diese sind viel tausendmale höher Und werther, als die äußern Gaben alle,
Die ihnen auch der beste Thor nur schenkte.
Der Mensch soll alles selber sich erwerben, Sich alles selbst verdienen.
Und verdient er's,
Ist er desselben werth: dann mehr besitzt er's,
Wie Götter ihren Himmel nie besäßen! Und also würdig wird der Mensch auf Erden
In allen Hütten jedes Gut sich schaffen, Dies heut, und jenes morgen; aber alle Gewiß, gewiß — wenn er es nöthig findet.
10
146
Jedoch das Höchste ist die Sittlichkeit. So weit nur frei sein soll der Mensch, so weit Er sittlich bleiben kann. Was da ihm bleibt, Das soll er ordnen nach der Freiheit. Freiheit Erst ordnet himmlisch sich und alles Gleiche. Die „allerhöchste" Ordnung unter Sklaven . . . Der Frieden und das Wohlsein unter Sklaven Sind wahren Menschen Abscheu, sind die Hölle! Doch Sittlichkeit ist nicht der Freiheit Grenze Nur etwa, nein! sie ist die ganze Freiheit, Ihr Wesen, Inhalt, und ihr volles Leben! Drum stößt sie alle Falschheit, alles Unrecht Und alle Tyrannei mit Abscheu aus, Und schließt ein jedes Wahre, Rechte, Schöne Und jedes herzliche Bedürfniß ein, Sie giebt ihm Geltung, Leben und Gestalt. Drum ist die Freiheit froh des Todes werth, Denn Dasein ohne sie ist bittre Schmach Und tiefstes Elend, tiefer als das Grab.
Die Worte werden alle Völker richten Und aller Schicksal eisenfest bestimmen: Wer frei sein will, der sei zuerst ein Mensch. Nur also wird er gleich dem Göttlichen Und ordnenbar und stark, so stark wie Alle. Unfreie Menschen haben nur Gelüste,
147 Der freie Mensch allein hat einen Willen;
Denn nur der Freie ist der Sittliche, Der Gute, und das Gute ist der Gott.
So sind die freien Menschen denn erst Menschen. Wer frei sich macht, der wird gesegnet sein!
Der fürchtet nicht Tyrannen, nicht den Tod; Und wer das nicht thut, sei er, wer er wolle,
Der wird zergehn, verwehn wie Spreu im Winde,
Heut oder morgen, aber ganz gewiß.
148
Das Träumen.
Dein Träumen auch ist treuer Sorge werth!
Dir wichtig, lehrreich, froh und schön zu sein,
Nicht blos ein Blocksbergs-Tanz verworrner Geister, Kein Leuchten faulen Holzes in der Nacht.
Aus reiner Quelle steigt kein gift'ger Nebel, Aus reinem Blut nicht Angst und Wuth und Mord,
Aus reinem Leben keine Reu' und Qual, Nein: Blumen! Rosen und Vergißmeinnicht; Weltmärchen da erzählen sich die Geister
In stiller Freude — und Dir Schlafendem! So hat der gute Mensch des Lebens Vorbild Und Nachgesang in seiner Seele Macht.
Und weiß dann auch der Schläfer wach am Morgen Nichts mehr davon, was er im Schlaf gewesen, Was ihm da hold geschehn, er hold gethan
Im stillen Reich des Schlummers; wußt' er selbst nicht
Da drunten: daß er droben in der Welt
149 Ein Mensch sei ... daß er einen Namen trage,
Und daß ihn jemand liebe — o so ist doch Ein Jemand — ja ein göttergleicher Geist
Der seligen Natur: ein Seliger Gewesen, der sich hell und süß empfand;
Und mehr wie Jemand sind wir alle nicht, Und mehr wie Jemand ist sogar kein Geist, Der sich in sich in stiller Nacht erkennt; Und mehr als selig-still gewesen sein Hier im geheimen unerforschten Reiche,
In das er nimmermehr je wiederkehrt: Mehr kann der wache klar-bewußte Mensch
Auf schöner Erde unter blauem Himmel
Auch nicht verlangen von dem Wachen Leben; Mehr kann der Sterbende, mehr kann der Todte Auch uicht verlangen, hoffen und erlangen.
Drum lerne ja der Mensch durch schönesLeben Am Tag: des Nachts schön träumen! und er
schafft
Sich sein Verweilen in der Welt noch einmal
So lang, und noch einmal so süß und lieblich Blos durch ein reines treues Kinderher;.
150
Der kennt das Unglück nicht, der es noch fürchtet.
Du Guter, dem sein Weib nun sterben wird, Du preisest mich — aus Furcht und Angst — beglückt. Daß ich den Tod der Meinen überstanden! Nun ja, ich habe wohl dabei gestanden,
Bei ihrem Tod bin ich lebendig blieben . . .
Ich konnte noch zu Grabe mit ihr gehn . . . Ich lebe heute noch nach sieben Jahren. Doch irrst du traurig, und du wirst cS sehn,
Nicht mit dem Blitzschlag und dem Donnerrollen Ist auch der Brand des Hauses überstanden;
Mit deines Weibes Tode geht der Gram
Erst an! die Einsamkeit beginnt! die Krankheit
Des Herzens ist für immer ausgebrochen. Selbst deines Weibes Sterben und Begraben
Ist niemals überstanden — ihr Verlust Währt fort, ja schwerer wird er Tag für Tag Und Nacht für Nacht empfunden bis zuletzt: Und darum kehrst du stets in jene Stunde
151 Zurück, wo sie dir starb, und immer wieder
Hörst du den Todtenstrom vom Felsen stürzen, Und wo du wandelst, dröhnt er dumpf dir nach.
Die Augen haben ein getreu Gedächtniß,
Die Ohren wissen von Vergessen nichts — Und fällt dir dann ein, daß du mich beneidet,
Da hüte dich vor bittrem Reugelächter! Der Neid aus Menschen wird vor Nacht ost Mitleid
Umsonst, voraus das Unglück sich zu denken, Wenn in der Ferne wild Gewitter tosen, Wenn Feuer aufgeht und die Nacht durchleuchtet — Das alles bleibt so stumm dir wie ein Bild.
Ganz was ein Blitzschlag ist, erfährst du erst, Wenn er ins Haus dir schlägt! Und was der Tod ist,
Erfährst du, wenn er dir dein Liebstes hinstreckt — Dann bist du ein Gelehrter dieser Welt.
152
Weltschmerz Wohl dem, der im Verlorenen Das Göttliche erblickt!
Du sprichst von Weltschmerz.
Aber unterscheide:
Dir an der Welt erholten Schmerz, und sondre
Den Schmerz noch ab, den uns der Weltlauf bringt.
Die ganze Welt hat seit der Ewigkeit
Noch nicht den kleinsten Schmerz gefühlt, selbst nicht
So wie ein Kind nur um ein Kinderzähnchen; Die Sterne wehen stumm am Himmel hin Schmerzlos wie glüh'nde Schmiedeeisen-Funken; Sie Sonne weiß von keiner Müdigkeit;
Der Mond, der Kahlkops, hat zur Winternacht
Vor Kälte keine Mütze noch vermißt; Das Meer im Sturm hat seine Lust zu wogen;
Stets fröhlich pfeift der Wind im Feld sein Stückchen; Schmerzlos gebiert die Erde ihre Blumen, Und keine Wolke weinte je um Menschen,
Die Sonn' um keinen Regenbogen.
Alle,
Sie alle sind Schlafwandler, selige,
Die still hinwandeln voller Wonnekrast. Sie haben keinen Schmerz, und machen keinen —
153 So segne, wie dein schlafend Kind, die Welt! Die Menschen nur und alles, was da lebt,
Sie fühlen Lebensschmerz, wenn ihnen nicht Das Leben treu verläuft nach heil'ger Ordnung.
So rauscht der Wiesenbach nur über Steine In seinem Bett; sonst rinnt er still und lieblich. Doch wer dem Menschen Klag' und Thränen nähme,
Nähm' ihm die Sehnsucht nach dem rechten Leben Und mit ihr auch die Kraft: es sich zu schaffen.
Nur „ein Indeß" ist Leid und Klag' und Thräne. Und weint der Glücklichste und Weiseste Auch um den glücklichsten gestorbnen Lieben, So sind das heil'ge Thränen der Bewundrung
Des heil'gen Alls, des Gottes ew'gen Lebens, Der, selber unsichtbar, in wundervollen Gestalten schön und wunderbar erscheint,
Und wunderbar verschwindet aus der Sonne Nach frohem, königlich gelebtem Leben. Verschwinden ist Verklärung.
Die Geliebten
Beweinen aber, ist sie seligsprecheu,
Hich selber aber heilig.
Und das kann
Allein die alte hohe Götterseele,
Die unaufhörlich auferstanden ist
Und stets sich wiedersieht im Weltenspicgel. Du sprichst von Weltschmerz? —sprich: Weltseligkeit! Nur wer von Gott sich unterscheidet, — leidet.
154
Bestimmung ist Nothwendigkeit.
Wenn dir das Glück des Lebens fehlgeschlagen Trotz Müh' und Redlichkeit; wenn du auf immer Den armen Leuten zugesellt geblieben —
Und bist du fromm und weise, sprich doch niemals: „Es hat nicht sollen sein, was ich gestrebt,
„Und, was gekommen, das hat kommen sollen." Der war' ein Schrecklicher, der dumpf voraus Bestimmte: „Dieses Gute soll uicht sein! „Und Jener soll Kamcele-Lasten tragen!"
Du thust ihm keine Ehre damit an; Denn bloße Macht verdient noch keine Achtung; Und Einem Macht vcrleihn, der starr sie mißbraucht, Tas fordert statt Berehrung gar Verachtung.
Die höchste Willkür ist erst schändlicher, Als je „das Schicksal" alter Heiden war.
Sprich also wahr: „Das hat nicht können sein; „Und was gekommen, das hat kommen müssen."
Das ist die Einsicht, die mit Recht beruhigt Zu diesem großen Reich der freien Kräfte,
155 Auf deren jeder Wirkung Legen ruht Und herzliche Bescheidung für den Weisen.
Rings um dich und im menschlichen Geschlecht Muß alles das geschehen, was da kaun;
Hann alles das geschehen, was da muß:
Dies Gute Jenem, jenes Neble Diesem.
Das ist die große Eigenschaft dLt Welt, Das ist die heil'ge Macht, die Keinen, drückend, Im voraus blind zum Untergang bestimmt; Die, Keinem einen Vorzug schenkend, ihn
Aus Gnadeuwillkür reich und glücklich machte.
Ein edler Sinn ist über alle Gnade, Ein gut Gemüth ist über alles Glück.
Denn daß das All mit seinem Geist ist, das ist
Nicht Gnade, nicht von ihm, noch einem Andern.
So lebt denn Alles auf sein eignes Recht.
156
Der stille allgemeine Krieg.
Die Welt ist selbst der ew'ge Krieg, der stille,
Der allgemeine, nimmerruhende
Der Elemente, Geister, Kräfte, Willen rings In allen Häusern, Städten und in Neichen.
Kommt dieser heil'ge stille Krieg in Stocken Wie ein gestauter Strom — dann bricht der laute,
Der kleine Krieg mit Styhl und Eisen aus — Ein rollendes Gewitter durch den Frühling —
Dem großen Kriege wieder Bahn zu machen, Dem segenbringenden, zum Heil der Menschen,
So Nacht wie Tag von früh bis spät geführt,
Wo dumme Gcisterleichen, Wahn und Irrthum Nur fallen, schweigend froh zur Gruft gebracht Nou hohen aber ernst bescheidnen Siegern. -
Bei Thoren bringt das Blutvergießen Ruhm, „Lein Leben opfern" heißt da gölterhaft;
Doch nichts gewonnen wird durch Sklavenmachen.
Nur wer da wilde Schaaren rasch besiegt, Wer Nutz' und Freiheit zu dem großen Kriege
Der Menschheit wiederum dem Volk ersiegt
157 Und lehrreich umgeht mit deu Ueberwundnen, Der ist ein Held im großen Sinn der Erde Des blühenden Olivenkranzes werth,
Geflochten von den Müttern und den Iungsraun, Ihm auf das Haupt gesetzt von guten Fürsten!
Dem danken Weise, Künstler, alles Volk Das freie Wirken in dem stillen Kriege,
Der schläft im Tode als ein Menschenfreund Und bleibt der Nachwelt noch in Ruhm und Segen.
158
Zu spätes Glück. Laß deinen Freund, laß deine Freundin sterben . . .
Dann möge in den Tagen sich erfüllen, Was sie bei ihrer Lebenszeit gewünscht
Für dich, für sich, ein Schönes und ein Gutes:
Der lang vermißte Sohn kehrt aus der Ferne — Die kleine Tochter steht als große Jungfrau Nun vor dem Traualtar beglückt — ja nur Der Apfelbaum, der große, der noch nie
Getragen, stehet voller Früchte — siehe, Dann wirst du weinen über solches Glück, Das, statt zu Lust, zu bittrem Schmerze wird, Zu leisem Hohn, zu Spott und stillem Vorwurf. Dann wirst du sehn, woher die Sage stammt:
„Die Todten schaun vom Himmel auf uns nieder; „Sie freuen sich an unsrer Freude, sie
„Betrüben sich bei unsrem Schmerz." — Du wirst
Zum klaren Sternenhimmel sehnend schaun Und deine Augen seufzend niederschlagen. Dann wirst du tief empfinden: Das allein
159 Ist Glück, was Unsre Lieben mitgenießen;
Und alles das ist keins, was sie nicht theilen,
Nicht wissen.
Und das Alles, was sie mit uns
Auch leiden, ist kein Schmerz; es einigt nur
Noch unsre Seelen inniger und süßer.
Und das auch wirst du lernen: Thu' in Zeiten, Was deine Lieben freut, damit es noch
Dir Freude sei! Die Blumen auf dem Grabe Der Todten duften bitter, sind es auch
Die vollsten schönsten Rosen. — Und noch Eins: Die Zeit ist kurz, wo wir die Unsern haben; Denn wie die Nachtigal ihr Lied oft plötzlich Abbricht, o so verstummt uns rasch das Leben, Und alle Freude wird zu stillem Leid.
160
ZU spätes Unglück. O Mensch, der du dein Liebstes hast verloren, Du wirst nun weiter nicht mehr glücklich sein;
Du mußt vom Schatz der frohen Jahre zehren. Doch fasse auch den sichern Trost: Du wirst Auch
weiter
nicht
unglücklich.
Nach
dem
Liebsten
Verblaßt das andre Werthe nur zu Schatten. Was auch noch weiter dir entrissen würde,
Reißt dir das Herz nicht aus. Du wirst nur lächeln,
So wie die Mutter, der ihr Kind verbrannt,
Sein buntes Spielzeug auch als Kohlen findet. Du bist gefeit; nichts kann dir mehr geschehen.
Der Himmel und die Erde und die Menschen,
Sie haben über dich die Macht verloren;
Dir giebt es keine Götter mehr, kein Schicksal; Dir sind sie todt.
Dein freier Herr bist du
In dieser Welt, so groß du dich noch fühlest, So reich, als vollen Erben deiner Liebe. Dir schadet nichts mehr, weil es deine Lieben Nicht mehr betrübt, in Angst um dich nicht stürzt.
161 Was einem Menschen, ihm allein geschieht,
Das achtet er nicht groß; er findet damit
Sich duldsam ab, zum heiligen Beweise, Der Gute lebt zumeist für seine Lieben:
Was sie nicht mittrifft, hat ihn selbst verfehlt. Nun, werde alt — du wirst es nicht beklagen . . .
Nun, werde krank — du legst dich friedvoll hin. . .
Verliere Hab' und Gut — du gehest betteln, Du legst dich stumm und sanft zum Tode hin . . .
Und selbst das Grab, das alle Menschen schreckt, Ist dir zum wahren Ruhebett geworden, Die schöne Welt ein sattgeschautes Bild.
Und wollt' ein Böser noch „dem Unglück" rathen,
Wie erst recht bitterweh es Menschen thäte, So müßt' er ihm den Rath ertheilen: „Komme
„Bei Zeit, wenn seine Lieben ihm noch leben. „Nachher verlacht er dich und schweigt; ja dankt
wohl „Dir gar, daß du zu spät für sie gekommen."
162
Die endlose Auferstehung; oder
das Vergessen.
„Vergessen", welch ein bang gefürchtet Wort, — So bang, als unser ganzes Leben schön war —
Und ist geschehend und geschehn doch Nichts,
Ohn' alle Mühe; und was alles lebt Kann Alles ohne Schaden leicht vergessen.
Bergessnes rührt nicht eine Seele mehr, Berg ess er sind die seligsten Verlierer.
Vergissest du nicht jede Nacht die Deinen? Die Sonne und den Tag und Freud' und Leid,
Die Sterne draußen und den stillen Mond! Die Mutter selbst vergißt ihr Kind am Busen, Ja, gar so süß noch, angenehm und lächelnd!
Mehr braucht der Tod als Zeugniß nicht zu bringen:
Daß Er und alle Vorwelt Nichts sei, Nichts.
163 Die da in eines Jeden Brust genoffnen Gefühle sind genossen; die Gedanken
Gedacht; die Schmerzen in den großen Abgrund Hinabgesenkt, und find sogar nicht Lust,
Nicht Traum, noch leises Flüstern mehr, — sie waren.
Drum schweigt die ganze Welt, der blaue Himmel Von allem Alten, einst Gewesenen; Die grüne Erde schweigt so ruhevoll,
So gnügereich seit aller ihrer Zeit Bis immerfort in alle Ewigkeit, Wie eine Mutter, die die Kinder alle
In stillen Schlaf gelegt, und deren keines
Sogar nicht eines Sonnenstäubchens Schwere Bekümmerniß, Bedauem oder Sehnsucht
Auf seinem Herzen hat, das ausgeschlagen. Vergessen ist das stumme leichte Walten, Die jedem unbewußte größte That.
Selbst nicht zu ahnen, daß sie ruhn und schlafen, Das ist der Todtenschlaf, selbst Götter würdig;
Denn nicht zu sein, ist keinem eine Schande. O wüßte Einer: „Weh! ich ruh' im Grabe", Das wär' der Ruhe Schauder-schwerste Qual!
Und Der ein Schändlichster, der sie ersonnen. Im Tod', im Grabe giebt es keine Ruhe,
Die Todten ruhen nicht und schlafen nicht Vom Leben und von ihren Leiden aus,
11*
164 Dieweil eö niemals einen Todten gab.
Die Schmerzen hören mit dem Leben auf;
Es braucht im Grabe also keine Ruhe
Zu geben, keine Hoffnung — nur vorher Den Traum davon.
Die Lebenden, sie leben
Nur nicht mehr, und so leiden sie nicht mehr Das Leben und die Welt, die erst mit ihnen
Geboren ward, und ihnen erst geschaffen . . . Die Sonne, ihren Augen ausgehangen Und wieder ausgelöscht mit ihren Augen
Und klanglos stumm geschwelgt mit ihren Ohren. Nie also weiß und nie erfährt ein Todter
Je: daß er todt ist; sei er wirklich todt Nun, oder lefc’ er hoch im Himmel wo. So weiß zum Ruhm und Glück der ganzen Welt In Ewigkeit denn Keiner, daß er todt ist.
So ist denn kein Tod.
So sind keine Todten,
Kein Weltvergessen ist, kein Weltbedauern; Auch daß er stirbt, bleibt Jedem ein Geheimniß, Kein Vogel je erfährt es, daß er todt ist, Nie eine Blume weiß, daß sie gestorben,
Der Sternenhimmel weiß kein Wort vom Tode, Nur die Lebendigen wissen: daß sie leben!
So ist das Leben ewig denn! das Fest Der ohne Ende Auferstehenden!
165 Und Finden . . . Freude . . . Liebe . . . und Ver lieren
Und Weinen sind des süßen Lebens Inhalt, Gehalt urrd Mark — sonst wär' es hohl zum Fürchten — Mit ihnen aber ist's das Himmelreich,
Sogar die ew'ge Seligkeit des Gottes.
166
Das Naturwüchsige.
Eins lerne, rath' ich dir, von der Natur: . Wie sie das einführt, was sie Neues schasst,
Sie macht das Alte zu des Neuen Schirme,
Zu seiner Wiege, seiner Pflegemutter,
Zu seiner Nahrung! Wie die Chrysalide Dem Sommervogel, der aus ihr Mr Stoffe Allein so schön, ein neues Wesen wird) So schafft sie sparend! Auch das Älte ist
Ihr heilig! Sie selbst hat es einst-geschaffen, Als ihres Lebens Gipfel, ihren Ausdruck;
Es hat sie dargestellt.
Darum zerstört
Sie rasend nicht das Alte; wie der Landmann Den Acker nicht, darein er säen muß,
Den Baum nicht, der ihm eben Frucht soll tragen.
Natur erschlägt die Mutter nicht! Sie wüßte Sonst nicht, woraus sie neue Menschen schüfe —
Sie legt das Kind, das nun ihr Mensch soll werden,
Der Mutter in den Schooß zu ihrer Wonne, Sie muß es pflegend aus den Armen tragen,
Sie trägt es auf den Armen sich zur Freude,
167 Es wächst und blüht aus ihrer vollen Brust;
Und Beide leben mit einander fort Und helfen sich: dem Kinde anzuleben
Die Mutter — und der Mutter auszuleben
Das Kind, als großer Sohn, als große Tochter. So dankbar und so weise lehrt Natur
Aus sich, dem menschlichen Geschlecht zu sein, Und also nur besteht die höchste selbst
So dauernd, die allmächtige so liebreich In sanftem Gleis, gerecht, gesegnet, sicher.
Weintrauben bringen nur die jungen Sprossen, Die dieses Frühjahr aus der Rebe drangen,
Und keine alte Rebe trägt mehr Trauben: Doch aus der alten reisen Rebe sprossen
Die jungen Schosse nur, die Trauben tragen.
Ja, wenn du Geistesaugen hast, so siehe:
Noch heute trägt der tiesverborgne Grund Der Pyramide ihren ganzen Bau, Und ohne ihn zerfiele sie noch heut.
Die Pyramide aber ist die Welt; Das menschliche Geschlecht, das ist der Weinstock.
Ihr guten Alten, und ihr jungen Tapfern,
Nachahmen möchtet ihr doch Das im Leben,
Im Lande, ja in seinem Haus' ein Jeder — Es stets dazu in Haupt und Herzen tragen!
168
Theaterrede.
Die Erde ist die große Schauspielbühne
Des großen wandernden Geschlechts der Menschen, Frei unter offnem, sonnenhellem Himmel.
Da soll es seine Mensch-Begehungen
Aufführen, seine großen Heereszüge Mit scharfen Waffen, Dolchen, tod-geladnen
Geschossen, mit den lebenden Personen, Die ihren eignen Lebenölaus aufführen,
In ihren eignen Kleidern, ganz mit ihren Selbsteignen Worten aus der eignen Brust,
Mit echten Thränen aus dem Quell der Augen,
Mit einer Wahrheitstreu', Gefühles-Inbrunst, Die tief ergreift, und zum Erstaunen hinreißt.
Das Leben ist das allerhöchste Kunstwerk, Vom allergrößten Dichter ausgedacht,
Mit allerreichsten Mitteln schön in Scene
Gesetzt, mit Bergen, Thälern, Meeren, Städten,
169 Mit Thürmen — und mit wahren Grabern, wahren
Denkmalen; Alles wirklich: was es scheint. Und wie bewundernswürdig und natürlich
Spielt jedes Kind: „das Kind" in jedem Hause,
Daß es die Mutter froh au's Herz sich zieht, Sie, die „die Mutter" giebt als eine Göttin, Als Meisterin, der nie in ihrer Rolle
Die rechte That, das rechte Wort gebricht! Der Vater aber spielt sich als der große, Mit allen Schätzen ausgerüstete
Urdichter; für „den Abend" seines Lebens Der Vater selbst geworden — und nicht länger
Als seine „Spielzeit", die ein Jeder hat. Unwiderstehlich ist die heilige Verwandlung Aller in die Zauberdinge:
Sie müssen all' geheimnißvoll hinein In ihre wunderlichen Spielgestalten.
So muß die kleine Eichel in die Eiche< Die große, aus der finstern Welt hinaus! So muß das kleine Schlangen-Ei hinaus,
Muß in die große Schlange sich verkleiden;
Und nur der Punkt an einem Rosenzweige Muß in das Sonnenreich als volle Rose.
Und jede Seele, die sie sieht, und selbst sieht, Wird von der Prachterscheinung hingerissen
Und reißt die Andern hin durch ihre Wahrheit:
170 Daö Dargestcllte selbst so schön zu sein
Wie eine Rose wahr die Rose ist, Und wie der Abendstern den Abendstcrn
So Prächtig vorstellt, und zugleich er ist.
Drum alles Spiel sei frei und jeder Spieler,
Der Schädliches nicht spielt; frei alle Züge: Der Heereszug zur Schlacht; der Priester Züge, Ein Jeder mit den eignen Requisiten
Und mit dem Mundvoll schauriger Gesänge, Die da ihr Gott nun, oder ihre Göttin,
Und selbst ihr Kind gern hört, so wie sie glauben; Sonst sängen sie ja nicht, und zögen nicht.
Mit allem seinem freien Thun und Wirken Ist erst der große Dichter selber frei
In seinem eignen weltengroßen Hause,
In seiner wunderschöpferischen Seele.
Nur wer der Andern Spiele launisch stört, Der sei nicht werth des Lebens Spiel zu spielen, Die Kinderspiele auf den ewigen Wiesen,
Die Schwalbenzüge in den blauen Lüften, Und alles Volk in seiner Tracht und Sprache. Unvorbereitet, unversucht, sogleich
Zum ersten und zum letzteu Mal vollkommen
Spielt jede Jungfrau schön die junge Mutter, Und sagt das Herzenswort zu ihrem Kinde,
171 Das meisterhaft die kleinen Thränchen weint!
Unübertrefflich spielt der ärmste Bettler „Den Bettler!" Ganz unübertrefflich spielen
Die Todten sich im Sarge selbst, die Todten.
Unübertrefflich spielt die Gans: „die Gans"! Kein Engel könnte je sie wahrer spielen. Das kleinste Hühnchen spielt schon hold „das Hühnchen"
Und pickt, und nippt im Schnäbelchen das Wasser, Und blickt dabei zum Himmel rührend auf,
Daß Dem, der's schaut, vor Andacht Thränen fließen. Und wie das Leben frei ist, frei die Welt,
Und Alles, was in ihr der Künstler aufführt, Sei auch die Kunst frei! Nur die Kunst sei frei,
So ist das schönste Menschenleben frei. Die Kunst ist selbst das göttervolle Leben: Sie lehrt die Welt anschaun mit Seel'-Entzücken,
Lehrt jedes Kind und Weib, jed' Haar, jeb’ Veilchen Und selbst den Thau mit Herzenswonn' empfinden.
Drum, eh' auf dem Theater eines Volkes Nicht alles Schöne, Menschliche und Wahre Gleich aufgesührt darf werden,.was von Todten
Auch gestern erst geschah, ja selbst der Todte Von gestern und der Lebende von heute,
Und was schon morgen in der Welt geschehn soll, Das Herz zu stimmen für den neuen Act —
Eh' ist der Mensch nicht frei, so wie der Meister
172
Es dann nicht wär', der Alles herrlich aufführt. Doch wo der Künstler frei ist wie der Meister
Mit allem seinem wundervollen Schaffen,
Da sind die Völker nicht mehr Geistessklaven,
Und Keiner angstvoll Herr und ehrlos Diener.
173
Erfühl drr Heimat.
Wo in der Ferne, wo in fremdem Hause
Geziemt sich nicht, in Thränen da zwHM Und Klagen auszustöhnen, die doch Keitl^tt
Der Fremden rühren.
Kaum erzählen sie:
„Da saß ein Mann." Drum schämet sich dein Herz,
Zu jammern, und du hältst dich für zu gut.
Doch was dich überzeugt, das Haus der Erde
Sei deine Heimat, das ist dein Vertrauen, Darin zu weinen, ohne daß ein Weib dich Beschämt und daß die Kinder um dich stehen,
Die Hände auf dem Rücken; denn ein Knäbchen
Tritt rasch vor dich — und schenkt dir seine Blumen.
Und du, du ziehst das Kind in deine Arme, Du blickst zum blauen Himmel auf und sprichst: Du lehrst, o Mitleid, mich, „ich bin zu Hause!"
Doch nur die Deinen wissen, was du leidest; Wer dich nicht kennt, der weiß nicht, was dir fehlt, Dich glücklich macht.
So bist du denn vor allem
In deinem Hause nur zu Hause.
Doch
Die Deinen ahnen auch nur, wie du leidest — So bist du wahrhaft nur daheim in dir.
174
Das Vaterland. Wer nicht ein Vaterland auf Erden fühlt, Der wird im Himmel keinen Himmel haben.
Das Vaterland ist auch das Land der Mutter,
Es ist die Kinderstube deines Volkes, Die Erde da ist deiner Spiele Garten.
Ein bloßes Gleichniß deiner Heimatbäume Sind alle Bäume dir nur in der Fremde,
Ein Gleichniß nur die Sonne dir da draußen Von deiner Sonne, und der Mond von deinem;
Ein Gleichniß nur die Flüsse dir vom Flusse In deinem Thal; die Rosen von der Rose,
Die deiner Mutter du zuerst gebracht. Die Kinder draußen scheinen Waisenkinder; Die Menschen in dem fremden Lande bleiben Dir bunte Schatten, niemals recht von dir
Gekannt, und die dich niemals ganz verstehn, So wie du sie aus einer andern Welt,
Gleich wie aus Luft und Wasser, Fisch und Vogel.
175 Ich nehm' des ganzen Orientes Pracht
Nicht für mein Heimatthal, mein Vaterhaus, Nicht für mein Volk! Nicht Mausoleen nehm' ich
Für den umgrünten Raum der theuern Gräber
Von meinen Lieben, — nicht für meinen eignen
Grabhügel, der mir schon geschüttet, aber Noch leer, still auf mich harrt, und wundersam Mich ansieht und ich ihn, wenn er mich sonnhell
Anflüstert mit dem sanftbewegtem Grase Das leis im Hauch vom blauem Himmel säuselt.
Der Geist von meinem Volke hat im Lande Der Väter sich sein Leben eingerichtet Nach seinem Wunsch, ja Wahn, es ausgeschmückt Der Väter Land ist ihm sein Kleid, sein Mantel,
Sein trautes Nest, sein Kinder-Hirtenhäuschen Mit Hirsch und Reh, mit Schäfer, Hund und Schafen,
In leiser freundlicher Bewegung rings
Umher ihm an die Wand geschattet.
Alles
Hat Er nach seinem Bildniß ausgeprägt.
Das Vaterland ist seine weite Brust, Sein Haupt, darin er lebt in seinem Himmel,
Ich selbst bin meines Volkes Geist; ich lebe, Ich athme, ihm verständlich.
Meinen Geist
Und jedes Kind versteh' ich, das da weint.
Wohl Dem, der in dem Land der Väter blieb!
Heil, wer in das zum Unglück nur verlassne
176
Zurückkchrt, wär' es lieber selbst als Bettler, Als draußen in der todten Fremd' ein König
Wo über Todte, ewig sehnsuchtsbang, Denn üi der Heimat stirbt er nicht, — er schläft Nur wie ein Kind in seiner Wiege ein.
Wer nicht sein Vaterland im Herzen trägt, Der wird im Himmel keinen Himmel haben
177
Das bezaubernde Schloß. Schön ist die Erde, wenn die Scheidesonne In Helles Gold sie schmilzt; der Himmel schön,
Wenn ihn der Mond zu Silberdust verwandelt. Doch wenig ist das, nichtig ganz dagegen,
Von einer Todten unerforschtem Antlitz Zurück in ihre Tage schaun.
Da wandeln
Die Tage sich zum Himmelreich.
Da ist
Die Sonn' ein unaussprechlich Meteor!
Des Donners Weihezug ein tief Geheimniß! Die Rose, die du ihr, der Erdenjungfrau,
Für ihre Brust da reichtest — was ist sie! Wer ist die jugendprangende Gestalt!
Der Blick aus ihren braunen Augen wiegt Den Schein von allen Sternen heut hernieder . . .
Ihr weißes Hochzeitbett ist Blütenschnee
Aus seligen Höhn! . . . Sie mit dem Kinde ist Die Himmelskönigin aus goldnem Grunde
Des zauberischen All's heraufgequollen,
Schön wie das Mondbild, schön mit seinem Stern
Aus klarem, Abendgold-behauchten See. Sie schwimmt auf jener Göttertage Strom In heiligem Kahn . . . und du da schwimmst mit ihr; 12
178 So fahrt ihr in dem ew'gen Glanze sicher. Jedwede Freude, die sie da genoß,
Zerreißt das Herz vor Wonne dir; und erst Ein Glück, die kleinste Gabe, die sie da
Entbehrte ... und ihr Lächeln zu der Armuth — Kein Gott vermöchte das zu tragen! Kein Gott Auch sagte: was das war, und wer sie war,
Die dich nun so bestürzt mit Seligkeit, Mit ungeahntem Reichthum überschüttet,
Und eine niegekannte Art von Thränen Dich weinen heißt, wie Götter sie vor Fülle
Des Glückes weinten. Und dies Glück ist dir nun
Verherrlicht nah! so wirklich —wie die Todte. O glaube nicht, die Lebenden, die Lieben
Beglücken uns allein im Leben — nein, Die Todren machen uns die Welt zum Himmel, Die Welt, die aus ist, und nun in uns angeht:
Die angeschaute innre Welt, die einst Die äußre war, und jetzt die einzig-wahre
Dem armen Menschen ist zu seinem Trost.
Ihm klopft das Herz; er wagt, gebeugt von Fülle Des einst genossenen Glücks, nicht laut zu schreien. . .
Er singt den Schmerz und lächelt seine Thränen. Und wie ein Kind entschläft vom Zauberduft
Des Frühlings, schläft er ein.-------- Still! laßt ihn schlafen!
179
Des Gebers Gewinn.
Aus Noth nur, aus Bedürfniß nimmt der Arme, Aus gutem Herzen aber giebt der Gute.
Er giebt nur Brot, nur Kleider oder Holz
Und nimmt des Wohlthuns Freude dafür ein — Für Sichtbar-Irdisch- bald Verschwundenes:
Ein Unsichtbares, Bleibendes auf immer! So nimmt der Arme denn nicht ganz umsonst,
So giebt der Reiche denn nicht ganz umsonst —
Sie lauschen nur, und schön gewinnt der Reiche. O so gewöhnt die Kinder früh an Geben,
Sogar das Selbstbedurfte; denn darüber Geht hoch erst das dafür Empfundene! Von einem großen vollen Apfelbaume Zehn Kindern nur fünf kleine Aepfel reichen —
Die Freude kann dir nicht den Himmel öffnen,
Viel eher ruft es aus den Wolken: „Geizhals!"
Gieb reichlich! Reichliches ist erst gegeben. 12*
180 Ein Wenig zu, erfreut des Menschen Sinn: Die Rose zu — dem Käufer der Melone,
Drei Lebenstage zu — dem kranken Alten. Ein wenig Fehlendes verleidet aber
Den Werth von einem Ganzen; schon das Goldstück Nur eines Pfefferkornes Schwere leichter;
Der Mantel, einer Spannenlange nur Zu kurz; die schönste Jungfrau schon verleidet Dir ganz der kleine Finger, der ihr fehlt.
Dem Bettler schenk' zum kleinen Stücke Brot
Ein freundliches Gesicht, so wird es groß;
Doch schenkst du ihm zum großen Stücke Brot Noch deinen Segen, heißt ihn wiederkommen,
Dann hast du ihm das Betteln leicht gemacht, Und froh verzehrt er's unter Blütenbäumen
Am Born, als auch ein Gast im Himmelssaal Mit prächtigem Kronleuchter an der Decke--------
Und neben ihm in Blumen sitzt sein Schatten! . . . Den sieht er an mit leiser Furcht und Rührung,
Und rückt hinweg: der Schatten rückt ihm nach. . . Und er erkennt ihn — denn er gleicht ihm selber —:
Es ist sein alter ihm gestorbner Bruder, Der ihn besucht — da er ihn eingeladen „An seiner reichen Gabe Theil zu nehmen" . . .
Und beide essen nun dasselbe Brot.
Das Schattengastmahl aber stiftete
181 Die junge Hausfrau — der das Brot gerathen,
Ihr erstes, das sie buk als neue Wirthin.
Vor Freuden geben auch die Aermsten gern, Verdrossne Reiche schließen ihre Hand.
O lebe froh!
Du lebst dir froh, den Deinen,
Und Jedem, dem dein lieb Gesicht erscheint!
182
Die Welt und das Leben.
Es
läuft die
Welt
gleich
einem
goldnen
Faden Durch eines Jeden Hand, so schön und weich,
Und ihn in Händen halten ist das Leben.
Es hallt die Welt gleich einer Riesen-Orgel In eines Jeden Ohr, so reich, so voll, Und ihr Gebrause hören ist das Leben.
Es stralt die Welt gleich einer stch'nden Sonne In eines Jeden Aug', so lieb, so reizend,
Und sich an ihr entzücken ist das Leben.
Wer auch nur eine Rede weiter führt,
Die Furche nur im Acker weiter Pflügt, Ein Weib sich nimmt und Kinder auferzieht,
Sogar ein altes Haus nur wieder bessert, Nur heut dem Volk zur nächsten Freiheit hilft, Der hat das Ewige berührt, der hat
Das Ewige gethan, gewollt, gelebt — Da nie die ganze Welt zu Ende kommt,
183
Da nie der Traum „die Ewigkeit" erscheint,
Nie selbst, nie anders als die Gegenwart, In der das ganze All enthalten ist, Das niemals ist, wenn jetzt nicht voll und ganz — Der hat das Ewige gefaßt, der hat
Das Ewige gefühlt, erschöpft, genossen, Wenn stets das Leben nur das Streben ist,
Kein Sieg, nur ein gesegnet-heil'ger Kampf, In dem die Kräfte loh'n, in Unmaaß feurig Und markerquickender, als Ruh' und Frieden.
184
Die Neugier. Die Neugier ist des ganzen Menschenlebens Grundfeuer und der Seele süßer Reiz, Sie ist schon Ruh' und Glück als Helle Ahnung.
Die ganze Welt ist einem Kinde neu; Neu sind ihm seine eignen kleinen Händchen,
Die es erhebt, besieht, im Mündchen kostet,
Neu ist ihm seine schöne junge Mutter, Ihr Haar, die Stirn, die Augen und die Brust
Neu ist die Sonne ihm, der Mond im Wasser, Das Gras, der Blütenbaum... die Sänger drinn,
Sein Schatten an der Erde, den es gern Mit Füßchen treten will — und nie erreicht. Doch zum Beweis: es stamme aus den Himmeln,
So ist ihm Nichts ein W und er — Reiz nur Alles. Die Neugier ist die Mutter alles Kennens Und Lernens, Wissens, Könnens und des Thuns;
Sie achtet Alles — sonst verschmähte sie es;
185 Sie ist der schönste Theil des Lebens selbst, Neugier ist Jugend, Alter ist Mißachten.
„Neugierig machen ist die erste Lehre; Das Neue angenehm erscheinen lassen
Und wichtig, unentbehrlich — ist die zweite; Die dritte Lehre ist: die Anwendung Der Dinge und ihr Nutzen für das Leben. Neugier beherrscht die großgewachsnen Menschen
In allen Landen Tag für Tag so fort.
Das ganze liebe Leben wäre wenig, Wenn Jeder sein Loos, schon sein Alter wüßte;
Sie legten sich mit Murren in das Gras Und schliefen mit dem Wort „das weiß ich ja!"
Ob das geschehn wird? — Wie? — und Was cs sein wird?
Das zieht und treibt die Menschen, Männer, Weiber,
Und treibt die Jungfraun und die Jünglinge: Die Neugier sich zu stillen, in der Liebe, In ihrem Hausstand. Denn der Mensch lernt nicht An Andrer Schicksal selbst sein Schicksal fühlen;
Er lernt' an Engeln selber nicht den Himmel. Und wenn auch Neugier Keinen in den Sarg
treibt, Wie in den Kahn, um aus der Welt zu schiffen, So treibt doch Neugier „Ob?" . . . und „Wie?" . . .
und „Was?"
186. Da Groß' und Kleine, Thoren, Alt' und Arme, Selbst Solche, die hier gnüglich-glücklich waren,
Aus Neugier dennoch: — hinzu abzufahren . . . Hin, wo die Sonnen schienen herzukommen,
Und alles Schöne — das hier aufersteht! . . . Selbst übertreiben, schön die Dinge lügen,
Sogar den Himmel noch ... das nutzt der Neugier.
So tadelt nicht die Neugier! Sie ist meist Das Beste, ja wie selbst ein lebend Wesen! Auch Liebe ist zum frühsten Theil nur Neugier,
Und immer reizend! immer angenehm! Die Welt verschölle leis so ohne Neugier Wie blinden Menschen selbst die Sonn' erlischt.
187
Ausgleichen und Nachräumen.
So vieles bleibt unaufgeräumt, zerstreut
Von jedem Tag an jedem Abend liegen In allen Hausern arbeitsel'ger Menschen . . . Von Angefangnem und Unfertigem, Das erst der Morgen weiterführen soll; . Vollendetes selbst bleibt unaufgehoben,
.Unangewandt zu Vieler Freud' und Nutzen; Bon Völkern bleibt so viel unausgeräumt ' Im Kreis der Erde, wo es dumpf verkommt. Die Menschenmutter räumt am Abend nach
Im Hause, was die Kinder bunt verstreut Auf Wiederfinden, oder auch auf nicht;
Sie aber hebt es auf in aller Stille,
Ohn' Tadel für die Kinder, ohne Lob Für sich.
Das ist ihr göttlich angeboren
Die stille Güte und die stille Sorge, Die hat sie von den guten Geistern allen, Den unermüdlich-fleißigen, gelernt,
188 Die still im Wald das kranke Häschen heilen, Den Specht, der sich den Schnabel abgebrochen,
Die Schloßen aus Gewittern leis zerschmelzen, Daß früh kein weißer Streif mehr wo zu sehn; Sie lassen Armer Grab schön grün bewachsen,
Verfallne Städte lassen sie berasen; Und wo kein Mensch hindenkt, sind sie . . . gewesen!
Das ist die Hausfrau, ist der Hausherr wahrhaft! Das ist der König treu in gutem Herzen, Der ohne Ruhmsucht immer still und fleißig
Das Nachgelassne und das Unterlassne Aufnimmt und ausräumt und zum Guten führt. Wer mit sich selber innerlich zufrieden,
Der ist es auch mit Andern, still und freundlich ... Wer Allem nachhilft, was er nur erreicht,
Der hätt' ein Recht: ein Engel einst zu werden.
189
Arbeit.
Die Lust zum Leben wächst dir mit der Arbeit;
Thu' was du willst, es ist ein Stück der Welt, Und was du anrührst, das bezaubert dich Mit seiner alldurchdringend süßen Kraft.
190
Die Stimmung.
Die Kunst zu tadeln ist die frömmste Kunst,
Die Gute ehrt und Neble, lehrt und bessert — Die Pflicht zu bessern giebt das Recht zu tadeln.
Der Zorn ist göttlich, der die Seele schmerzt,
Daß eine Seele fehlte, ja verbrach.
Doch wahrer Zorn ist sanft; er wüthet nicht, Er raset, donnert, flucht, vernichtet nicht; Er bleibt der edlen Seele still Geheimniß,
Ihr reiner Schmerz und ihre Himmelskraft; Er scheint dem Fehlenden, so wie die Sonne, Die über seine That hell aufgegangen, So wie der Mond, der über Schuldige
Vertrauen breitet, ihre Thränen löst. So lehrt er Künstler, lehrt er Jünglinge,
Thut ihnen ihre schöne Seele auf, Und sie, sie glühn ihm Dank in reinen Werken.
Vor tückisch spott- und strasesücht'gen Blicken Erschrickt der Mensch, der Uebles hat gethan,
Und zieht sich, wie die Schnecke, in ihr Haus,
In seine Seele starr und stolz zurück.
191 Nur Menschengüte macht den Menschen gut, Eröffnet ihm sein Herz, den eignen Himmel,
Und aus ihm selbst sproßt ihm das Schöne auf. Nicht Worte, Lehren, Warnung, Strafe bessern;
Vergebung, Himmelsgnade thun es nicht. Und sei ein Mensch auch noch so unbelehrt,