Aus Westminster-Abtei [3., verm. Aufl., Reprint 2022]
 9783112637142

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Aus

WleLtminktei'-Abtei

Friedrich Wilhelm Uogge.

Dritte vermehrte Auflage.

RchM Verlag von Otto Wigand.

1865.

Das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen behält

der Berfasser sich vor.

An

Mäander von Humboldt.

Zueignung. iD.it Du's gewollt, so mag es denn geschehn, Gehst Du voran, wer könnte dann erlahmen; Ich lasse von Westminster's Thürmen wehn Als Banner heute Deinen stolzen Namen! Wie lang hab' ich, der Deines Ruhmes voll, Den Tag ersehnt, Dir huldigend zu nahen,' So oft ein Lied mir aus dem Herzen quoll, Gedacht' ich Dein, des Größten, den wir sahen! Du warst im Dienst der Menschheit ewig wach, Dir glänzten Sonn' und Mond auf allen Meeren, Dein Name klingt noch im Altai nach, Das Echo trägt ihn in den Cordilleren! Und wieder warst Du stets der Mann der Zeit, Der vor der Freiheit leuchtend hergeschritten,

Du trugst nicht still und stumm Dein Priesterkleid, Du hast das Unrecht nirgends je gelitten!

Nun hab' ich Dich, nun bist Du ewig mein,

Mit Melodien halt' ich Dich umschlungen, Und führe so Dich in Westminster ein,

Da weilen wir, bis einst mein Lied verklungen! Du bist der Meister, ich der Jünger nur,

Die heil'ge Gluth von Dir im Busen nährend, Dein Name ruht hinfort auf mir verklärend,

Geh Du voran, ich folge Deiner Spur! Schwerin, den 14. September 1858.

Aus

WrLtmrnLtrr-Mtri.

1857—1865.

Klarer wird die Welt uns stündlich, Selbst der Sterne Plan und Sauf; Doch ein Räthsel, unergründlich,

Giebt das Grab dem Menschen auf. Der nur wird den Tod besiegen, Der dem Tode nimmt sein Graun,

Welten, die dahinter liegen,

Laßt mit offnen Augen schaun...

9R. Wier in Wejtminjter's altehrwürd'gen Bau, ^Des Todes und zugleich des Lebens Hallen, Tret' ich betrachtend ein zur Todteuschau . Bon Heldenmännern, Kön'gen und Vasallen. Hier ward dem Tod erbaut ein Haus voll Glanz; Alt-England! klingt's aus diesen Sarkophagen, Um die des Ruhmes Hand aus Lied und Sagen Geflochten seinen ewiggrünen Kranz!

12

Nicht euch, ihr Dichter, ist mein Lied geweiht, Noch euch, ihr Denker, und ihr edlen Weisen, Von denen Bild und Denkmal hier gereiht, Und die voll Dank noch spät die Enkel preisen; Ihr seid ein friedlich Völkchen dieser Welt, Unblutig sind die Kränze, die euch schmücken, Ihr suchtet nur die Menschheit zu beglücken, Was that für sie der König und der Held?

Da ruhn sie nun, so einsam und allein, Nach Saus und Braus und Jubel und Gepränge, Und denen einst ein Königreich zu klein, Blieb kaum der Raum von ihres Leibes Länge! Wie sind wir Alle doch einander gleich: Den Ein- und Ausgang bilden Weh' und Jammer, Und wenn der Tod anpocht mit ehrnem Hammer, Theilt Jrus mit dem Krösus Kron' und Reich! —

13

Hier in St. Benedicts glanzvollem Raum Schläft Lionell von Middlesex in Frieden, Ein Siebziger, dem von des Lebens Baum Die schönste Frucht des Lebens ward beschieden. Ein Freund des Königs und des Landes Hort; Doch als der Reid begann ihn zu umstellen, Da liest er seines Schiffes Segel schwellen Und warf den Anker in des Himmels Port.

O Mensch, du Staub vom Staub, nein, mehr, als dies, Du Sohn des Himmels auf der schönen Erde, Die Welt, sie wär' ein ewig Paradies, Entstellten nicht die göttliche Geberde Des Lasters Narben .und der Sünde Maal; Und die geboren all aus einem Triebe, Die alle Kinder einer ew'gen Liebe, Sie machen Gottes Welt zum Jammerthal! —

14

Glückselig, wem vergönnt ward vom Geschick, Die Asche der Geliebten noch zu krönen,

Und das, woran einst trunken hing der Blick,

Im Tode noch verklärend zu verschönen! So that auch hier manch edles Liebespaar,

Die heimgefordert längst die Elemente;

Wer setzte nicht die Welt zum Monumente Dem, was einst Inhalt seines Herzens war! —

Hier ruht er selber, der gebaut dies Haus, Ein Heil'ger in der sündigen Gemeine; Hier ging die Schuld einst reuig ein und aus.

Und holte Trost sich aus Sauet Edward's Schreine.

Des Heil'gen Nähe wirkte wundersam;

Der Lahme ging, der Blinde lernte sehen, Wer zählt die Wunder all, die hier geschehen? Leicht zog dahin, wer schwerbeladen kam.

15

Du warst ein König in des Himmels Sold,' Sie hießen drum dich Edward den Bekenner ; Dein Sinn stand nicht nach Erdentand und Gold; Du rittest nie des Ruhmes wilden Nenner Dein Herz war nur auf Menscheuglück bedacht, Es war dein Wort ein Fels des Rechts im Leben, Du nahmst nicht, was du eben erst gegeben: Mit Treu' und Glauben spielte stets die Macht!

Treulose Dienerin des ew'gen Herrn, Den sie mit Weihrauchdüften meint zu ehren! Wie Nero bläs't ihr Hauch der Weisheit Stern Vom Himmel fort, sammt all der Tugend Lehren! Verständnißlos von Schlangentrug umwebt; Weh dem, der je sie näher lernte kennen, Und wie des Undanks Wuudenmaale brennen; Doch glücklich, wer fern von Palästen lebt!

16

Dem sonn'gen Maitag deines Königthums Folgt Sturm und Wetter, als des Lenzes Erben; Die wilde Jagd normannischen Heldenthums Schlug eine Welt titanenhaft in Scherben! Da saß die Nemesis an deinem Sarg Als Hüterin all ihrer Hoheitsrechte, Bis sie von dem unseligen Geschlechte In Nacht und Graun den letzten Sprößling barg!

Nun steht dein Schrein öd' und verlassen hier, Kein Sünder flüchtet mehr zu deinem Grabe; Wir lächeln deiner Einfalt gar, die wir Den Flug des Aars vertauschten mit dem Stabe. Wer bringt zurück uns jenen sel'gen Traum, Den Muttermund ließ durch die Kindheit wehen, Den frommen Glauben und der Inbrunst Flehen? Die Welt hat jetzt für Heil'ge keinen Raum!

17

Was ist doch all die Herrlichkeit der Welt, Wenn sie zu Staub und Asche muß vermodern! Hier schläft ein Paar, hier ruht ein Mann und Held, Um den die Fackeln ew'gen Ruhmes lodern! Wem siel nicht, wie Musik, in's Ohr der Klang Bon König Edward's und Philippa's Namen, Wer sah ein schön'res Bild im Lebensrahmen Von Lieb' und Schönheit, Kraft und Heldendrang!

In Frankreich ihm, und ihr bei Neville's Croß, Wie beiden da das Aug' im Kampfe glühte! Die deutsche Frau bestieg zur Schlacht das Roß, Und gab den Schwertern preis der Schönheit Blüthe! O deutsche Fraun, glicht ihr Philippa doch, Ihr brächtet uns wohl andre Knabensaaten, Statt schlaffer Träumer Männer stolzer Thaten, Und trügt noch einmal Deutschlands Banner hoch! 2

Nun schlummern sie vereint in einer Gruft, Die sich einander liebend hingegeben,

Die Poesie mit ihrem Zauberduft

Umweht sie noch im Tode wie im Leben! O Liebestraum, der uoch im Grabe währt,

Wie klingst du wonnig doch im Herzen wieder,

Wie durch den Lenz die Nachtigallenlieder, Bon Blütheuduft und Sonnenglanz verklärt.'

Und doch, bedenk' ich, welch ein End' er nahm, Dem Sieg und Ruhm gebaut einst Weihaltäre,

So tritt mir in die Wange noch die Scham

Um seines letzten Stündleins schnöde Mähre! So flieht dahin des Lebens Schmuck und Zier,

Und Elegie und Threnodie, sie werden Beklagen und beweinen stets auf Erden

Den kurzen Traum von allein Schönen hier!

19

Ja, Rauch und Schatten sind wir allzumal,

Und was wir baun, verweht in alle Lüfte, Kein Wunderwerk beschien der Sonne Strahl,

Das nicht getheilt das Loos im Schooß der Grüfte Wollt ihr den Wandel alles Jrd'schen sehn?

Schaut hier, im Nebelreiche der Barbaren, Ein Pfand der Liebe nach zweitausend Jahren — Den Löwen des Mausolus Wache stehn! —

Und weiter wandernd mit gedämpftem Schritt

Hin über manches Todtenhauses Schwelle, Trat ich zu Einer, die unsäglich litt,

Und in St. Edmund's schweigender Kapelle Von ihren Leiden die Erlösung fand:

Die Witwe Gloucester's im Gewand der Trauer,

Umlagert von des Mords geheimem Schauer,

Der den Gemahl entrafft an Frankreichs Strand.

2*

20

Und doch beklag' ich, Gloucester, nicht dein Loos,

Du durftest nicht der Nemesis entfliehen,

Du ließest nicht umsonst erbarmungslos

Die Tochter eines Kaisers vor dir knieen; Die Unschuld und die Treue ließest du Den grausen Tod der Hochverräther sterben,

Was Wunder, wenn dich packte das Verderben, Und wenn die Rache brachte dich zu Ruh!

Nun iveilt ihr friedlich unter einem Dach, Oheim und Neffen birgt derselbe Hafen; Doch Schmach und Ruhm sitzt nimmermüde wach,

Ob auch die Schläfer beide längst verschlafen!

Schlecht macht den Menschen der Besitz der Macht,

Nicht Unsersgleichen wähnt sich der Gekrönte, Zum' Gotte träumt sich der vom Glück Verwöhnte,

Und alle Laster machen auf ihn Jagd!

21

Die Thorheit nennt beneidenswert) allein Die Großen dieser Welt und ihr Gepränge, Weisheit belächelt all den müß'gen Schein, Den hohlen Pomp, der Huldigung Geklänge. Die uns verliehen hat des Lebens Hauch, Dieselbe Mutter ist's, die ewig eine Fremd ist Natur dem gleißnerischen Scheine, Die Gleichheit Aller ist ihr ew'ger Brauch!

Und Alle, die von ihr sich abgewandt Und sich entwunden ihren Mutterarmen, Wirft das Verderben jäh' an Klipp' und Strand, Erbarmunglos, die selber ohn' Erbarmen. Wie grausenrlich ist dieses Dreireichs Schooß, Vom Urbild aller Frau'n, dem Liedverklärten, Dem süßen Kinde Lear's, des Gramgenährten, Bis zu der Welfin jammervollem Loos! —

22

Und kaum setz' ich den Fuß hinweg von hier,

Abschied von dieser Greuelwelt zu nehmen, So tritt ein Frauenbild entgegen mir,

Und hinter ihr ein thränenwerther Schemen!

Ich kenne dich von meiner Jugend her, Du bist es, Strafford, du, für den ich schwärmte,

Um den mein Auge sich in Thränen härmte, Und Jugendliebe altert nimmermehr!

Mich mahnt an dich fast gleichen Namens Klang,

Ein edler Greis, der gleichem Loos verfallen, Ihr beiden hattet einst denselben Gang

Verhängnißvoll nach Towerhill zu wallen, Zwei Opferlämmer einer blinden Wuth: Vor euch des Hochgerichtes Graungepränge,

Und um euch her ein wogendes Gedränge Von Menschen, deren Wonne Mord und Blut!

23

Zwar hattest du dich nach Despotenart Ain grünen Erin frevelhaft vergangen,

Seit mit der Huld der Majestät gepaart

Der Macht Sirenenlaute dir erklangen; Dein König war dein Glanz und all dein Ruhm,

Du wardst ein Fremdling an des Volkes Herde; Doch ach, es fegt vom Angesicht der Erde Der Sturm der Freiheit bald dein Königthum!

Du warst ein treuer Diener deines Herrn, Ja, bei den Göttern, wenn er dir geglichen, Zu Whitehall wäre nimmermehr sein Stern

So blutig und so grausenhaft erblichen! Wer herrschen will, der sei ein Mann der That!

Doch weh dem Tag, da du, dem Königsworte

Vertrauend, eingingst durch Westminsters Pforte, Und deine Treue ward zum Hochverrath!

Da sitzen sie voll schauerlicher Lust, Die alten Freunde, feindlich umgewandelt ; O seht sie an, in ihrer ehrnen Brust V^ard längst der künftige Königsmord verhandelt!

Weit du dich selbst verbannt aus ihrem Rath, Vasall des Throns, der jüngst noch Volksvertreter,

So sieht ihr Aug' in dir nur den Verräther,

Und doppelt sündigt stets der Apostat.

Ja, Strafford, wenn dich frisch, wie Alpenschuee, Der Unschuld Mantel blendend auch umwehte, Es gleicht ihr Herz der stürmeschwangren See, Das selbst des Säuglings Lächeln nicht erflehte!

Und sprächest du mit Eugelszungen auch, Du hoffst umsonst, daß dir ihr Mitleid lauschte;

Der Haß, der in der Freiheit sich berauschte, Bleibt unberührt selbst von des Lenzes Hauch!

25

Und der noch jüngst geschworen, ihm kein Haar

Bon seinen Feinden krümmen hier zu lassen, Läßt treulos unter Henkershänden gar Das Haupt des stolzen Lieblings jetzt erblassen!

Weh, wer da baut und traut auf Fürstenwort! Ja, weine nur, zum Zeichen deiner Schwäche, Des Jammers und der Neue Thränenbäche,

O König Carl, um deines- Lieblings Mord!

Unseliger, du hast ihn selbst genährt, Statt wettergleich den Aufruhr zu zerschellen;

Ein kühner Griff hat sich noch stets bewährt Im Kampfe mit Verräthern und Rebellen.

Wer herrschen will, der sitze stolz zu Roß; Ob auch der Nenner schnaubend dampf' und qualme,

Was unter ihm des Hufes Schlag zermalme, Was kümmert ihn der namenlose Troß!

26

Doch ach, die Königssonne neigt' sich schon, Vernunft und Recht beginnen sich zu regen, Und du, du wirst zu ihrem hehren Thron Mit deinem Haupt den ersten Grundstein legen ’ Und die zum Opfer machen dich des Beils, Tollhäuslerisch erscheint ihr Thun und Wesen; Den tief'ren Sinn wird nur der Weise lesen, Und blutig war ja stets der Pfad des Heils!

Wer bringt je Licht in's Dunkel dieser Welt, Wo Mord und Tod bestellt zum Gleichgewichte, Und wo, damit das Dunkel nichts erhellt, Ein ew'ger Schleier weht vor dem Gesichte! Ja, wähnt euch nur in eurer Götter Hut! Mir aber scheint, ihr konntet längst es lernen, Daß sich kein Gott befaßt in jenen Fernen Mit dieser unglücksel'gen Menschenbrut!

27

Geh hin und such den eis'gen Norden auf, Der keinen Wunsch in dir vermag zu wecken, Und Bär und Wolf umkreisen deinen Lauf Und mahnen dich an ihres Nachens Schrecken. Natur gönnt nichts dem friedlichen Genuß; Und in des Südens wonnigen Gefilden Muß Löw' und Tiger dein Gefolge bilden, Und Schlangenbrut umstricken dir den Fuß

Du, der da droben thront in Glanz und Licht, Du thatest wohl, nm uns dich nicht zu quälen, Wir schlügen doch die Weisheit in's Gesicht, Zur Führerin die Thorheit Uns zu wählen! Ein wüst Geschlecht, voll Bosheit, Lug und Trug! Wie oft dir sonst auf deinem Wolkensitze In deiner Hand wohl zuckten deine Blitze, Säh'st du das Laster stolz im Siegeszug! —

28

Allüberall hier in Westminster's Bau Sind ihres Wandels Spuren noch zu schauen, Die Heil'gen Cromwell's faßte bei der Schau Der Liebesmal' ein ketzerisches Grauen! Der Beter haßt ja Schönheit, Kunst und Ruhm; Wie wunderbar, daß sie vergönnt den Särgen, In diesen Räumen ungestört zu bergen Des Staubes Mahnung an das Königthum!

Wie anders, wie ganz anders machten's die, Die blutig dann den zweiten Grundstein legten, Und in dem Tempelhaus von St. Denis Die Schmach der Väter aus den Grüften fegten Zwiefach erprobt hat sich dieselbe Kraft, Und zwiefach folgt der Gegenschlag dem Schlage; Ob ungelöst auch heute noch die Frage, Was kommen wird, wem wär' es zweifelhaft!

29

Glückselig, wer dereinst den Tag erlebt, Den großen Kampf der Menschheit auszufechten, Der alle Welt verjüngt und neu belebt, Den Kranz der Freiheit sich um's Haupt zu flechten! Wie seligsüß ist Lieb' und Freundschaftstausch, Mit ew'gem Zauber hastend im Gemüthe, Doch süßer noch, als aller Wonnen Blüthe, -Ist eines Volkes hehrer Freiheitsrausch!

Dann wirst auch du, mein deutsches Vaterland, Ein lang gehöhnter Löwe dich erheben, Und wenn dein Ruf ergeht von Land zu Land, Wird Millionen froh das Herz erbeben! Wir freuen uns in unsern Gräbern noch, Wenn's über uns erschallt in Racheklängen, Wenn du gebändigt hältst in deinen Fängen Die dich, den Löwen, schmiedeten in's Joch! —

30

Doch, Stafjord, fast vergessen hätt' ich dein, Der du für deinen Glauben mußtest büßen, Die Unschuld selbst muß Königsmörder sein, Um ihr das Haupt zu legen zu den Füßen. Einst ging von Bethlehem und Nazareth Die Gnadenbotschaft aus in alle Lande, Die um die Menschheit schlang der Liebe Bande, Des Himmels Pforten öffnend dem Gebet.

Doch Tyrannei und Priesterschaft erlas Das Heil'ge stets sich zu gemeinen Zwecken, Der Glaube ward Gebot, und in sein Maß Mußt' Anathem und Flammentod uns schrecken. Haß und Verfolgung war die schnöde Frucht, Die eingeimpft dem grünen Baum des Lebens, Herrschaft und Knechtschaft Doppelziel des Strebens, Das sie noch heute zu erringen sucht.

31

Ja, immer noch, wie hell am Himmel auch Die Sonne des Gedankens stammt und leuchtet, Hält fest der alte Geist am alten Brauch Und sähe gern mit Purpur neu befeuchtet Die Saat des Heiles und des Glaubens Feld! Wir kennen ihn, er hat das Spiel verloren, Umsonst den alten Wahn heraufbeschworen — Es geht ein andrer Geist jetzt durch die Welt! —

Nun fahre fort, du lebensmüder Greis, Dein Erdenweh im Tode zu verschlafen ; Die dich geopfert einst, wer weiß, wer weiß, Wie schwer ihr Schlummer in des Schlummers Hafen! Die Nemesis kredenzt des Frevels Wein Dem eignen Schenken selber ohne Gnade, Und flöh' er bis an's fernste Weltgestade, Sie fängt ihn dennoch unbarmherzig ein!

32

Ihr Thoren, die ihr wähnt, es decke zu,

Was ihr gesündigt, einst die ew'ge Liebe, Und daß, mit eurem Staub gebracht zu Ruh, Die Saat der Frevel auch begraben bliebe!

Sie keimt, sie sproßt, sie wächst zum Himmel auf, Und fäßt ihr auch umringt von Engelschaaren,

Sie wird allüberall euch offenbaren, Wohin ihr lenkt auch euren Weltenlaus'

Ihr, die ihr schlaft in eurem Purpur hier,

Ihr hattet das Gesetz und die Propheten,

So spricht der Herr, was soll die Buße mir, Des Weihrauchs Duft und eurer Priester Beten!

Erkennt und schaut die Opfer eurer Schuld, Die fühllos ihr gemordet, wie die Tiger, Ich bin der Herr, der aller Sieger Sieger, Hinweg mir euch! Hier endet die Geduld! —

33

Emst gingst auch du gebrochen hier zu Ruh, Held Oliver, du heil'ger Zionsstreiter, Sie deckten dich mit Pomp und Ehren zu, Dunbar's und Worcesters graunurnwehten Reiter! Weil tu deu Tod in mancher beißen Schlacht Mit blut'gen Hekatomben hockgefeiert, So hat er sanft das Auge dir verschleiert, Und dein als Freund zu rechter Zeit gedacht.

Du botest einst ein seltsam Schauspiel dar, Auf Zung' und Rippen stets den Gott der kiebe, Indeß dein Hirn die blut'ge That gebar, Die an der Freiheit machte dich zum Diebe! Du hast umsonst auf Preis und Ruhm gezählt, Recht und Gesetz verwünscht dich als Vertreter, Weg mit dem Gott, der dich und deine Beter Zu seinem Rüstzeug hätte sich erwählt.

34

Sie sahn dich als den Mann der Freiheit an, Und als den Träger gottgeweihten Ruhmes, Der du mit Freuden hättest angethan Den Purpur des verhassten Königthumes! Du gingst mit deinem König zu Gericht, Ein herz- und seelenloser Missethäter, Du frommer, psalmodirender Verräther, Die Freiheit lieb' ich, doch die deine nicht!

Wer nie gesehn, wie in der Menschenbrust Im wilden Taumel Gott und Thier sich scheidet, Der ahnet nicht die schauerliche Lust, Mit der sein Aug' an fremder Qual sich weidet. Vor Whitehall hat cs grausig sich erfüllt; Ja, wenn der Wahnsinn hält ein Volk in Stricken, So wird die Welt erleben und erblicken Wovor die Sonne schaudernd sich verhüllt!

35

O Cromwell, wenn dir wer verkündigt hätte, Als du von Worcester siegreich heinigekehrt: Du wirst dereinst auf Tyburn's Schädetstätte -Im Tode von dem Henker noch entehrt! Ungläubig hätte sicherlich dein Mund Gelächelt und sich auf den Herrn berufen, Der dich hinangeführt die Herrscherstufen, Er gäbe sich durch deine Siege kund!

Ja, wandle nur im blinden Wahn dahin, Als ein Bewohner glänzender Paläste, Wer Blut gesä't, sieht nie des Heils Gewinn Und Lieb' und Glück um sich als traute Gäste! Wie bald, wie bald zerfällt dein stolzer Bau! Sie schlagen deinen Siegsruhm in die Lüfte, Sie holen hier dich aus dem Reich der Grüfte, Und stellen noch dein modernd Haupt zur Schau! 3*

36

Ihr, die ihr auf des Lebens Warte steht, Als Hüter von der Menschheit heil'gen Rechten, O flieht den Weg, der hin nach Whitehall geht, Mißtraut den Schwertern, die -für euch nur festen ! Weh dem, der mit dem Rechte spielt und dingt, Bis ihn des Aufruhrs wilde Mächte packen, Und tigergleich die Rach' ihm in den Nacken, Wie hier dem Herrscher dreier Reiche, springt—

Und in St. Nicolas' geweihtem Raum Schritt ich vorbei an Allen, die dort ruhen; Heil denen, die umweht der Unschuld Traum In ihren öd en^ wonnelosen Truhen! Aus dem Palast hinein in's enge Haus — Entrolle, wann er will, der Tod die Fahne, Ja, ja, du hattest Recht, des Nords Brahmane, So dumm läuft es am Ende doch hinaus!

37

Jüngst sah ich selber deinem Schlummer'zu, Das Ohr gelegt an deines Sarges Wände, Ob drinnen nichts, als lautlosstumme Ruh, Vom alten Troubadour kein Lied sich fände. Umsonst, du machst es, wie die Andern auch; Apoll an Schönheit und an Wohllautsfülle, Da liegt sie nun,-von einem Gott die Hülle, Noch auf den Lippen Lied und Liebeshauch!

Wer dachte wohl, daß Cäsar sterblich sei, Als er voranflog all den Legionen, Wem fiel-es wohl auf Wagram's Ebne bei, Als er den Kaiser sah siegathmend thronen: Du gehst dahin, wohin wir Alle gehn! So gingst auch du, kehrst nimmer, nimmer wieder, Du stolzer Blaun, du süßer Mund der Lieder, Und was du sangst, das ist dir nun geschehn!

38

Mich aber kränzt noch Lebenssüll' und Kraft, Und läßt um's Haupt mir blond die Locken wehen, Rings um mich her hier eine Ritterschaft, Wie Sonn' und Mond sie stolzer nicht gesehen! Wie herrlich sie wie glänzend hier gereiht! Nur königliches Blut kennt diese Schwelle, Des ersten Tudor's prangende Kapelle, Laßt sehn, ob sie den Glücklichen geweiht'

Wer bist denn du in diesem Sarkophag, Schwarz, wie die Nacht, besä't mit Silbersternen? Sang dir die Nachtigall im grünen Hag Nur Lieb' und Wonne, laß mich's kennen lernen! Ihr wart des Glücks verzogne Kinder ja, Die weich sein Arm gewiegt und hold umfangen, Es fächelte sein Hauch euch Stirn und Wangen, Und euer war, was nur euer Auge sah ’

39

Doch wie ich näher trete, weht mich v an, Wie Hauch des Fluchs und kalte Todesschauer! Wer bist du denu, daß mich beschleichen kann In deiner Näh' so namenlose Trauer? O Bild deS Jammers! Ja, sie ist es, sie, 3m Doppelreiz von Anmuth und von Grauen! Die Schönste, die Unseligste der Frauen! Wer sucht von Fotheriughay hier Marie

Wär' ich dein Sohn gewesen, wie der dort, Bei Gott! Es härt' ihr noch in ihrem Grabe Das Haupt vom Rumpf getrennt mein Königswort, Der meiner Mutter Blut einst süße Labe! Sei's immerhin den Frommen nicht genehm: Ein Schwächling mag vergessen und vergeben, Die Mörderin im Tode noch erheben — Mein ist die Racke des Neoptolem!

40

Ich sehe dich int vollsten Schönheilsglanz, Im Weihrauchduft um dich der Kirche Väter, Die Nacht der Locken deckt der Hochzeitskranz, So glanzdurchwebt, wie über'm Lenz der Aether! Wie sonnenhell war deines Glücks Beginn, Vom Lied getragen und vom Festgeläute, Du Blühendste, du Seligste der Bräute, Des schönen Frantreich's schöne Königin!

O Erdenglück, wärst du denn minder schön, Wenn du das Falsche nicht, das Wandelbare? Den Abgrund öffnend hinter sonn'gen Höh'n, Dicht an das Brautbett rücktest Sarg und Bahre? Geh', falsches Glück, ich lach' und spotte dein! Wer nicht die Schönheit achtet, Ruhm und Ehre, Sei mir verhaßt, wie Klipp' und Riff im Meere: Nicht meine Göttin sollst du jemals sein!

41

Wie selten that dem Menschen Güte gut;

Undank, du marmorherzig Ungeheuer, Du brachst ein Herz voll heißer Liebesgluth,

Das Himmelsschönheit, ach, gebüßt so theuer! Weh, wer wie Darnley lohnt der Frauenhuld! Als ob verschollen in der Erde Tiefen Die Nachegötter unerwecklich schliefen:

Sie wachen, und Blut zahlt des Blutes Schuld!

Wenn Lieb' im Lenz zum Fluch der Liebe wird,

Nicht grauser konnt' es dann sich offenbaren, Und das Gespann, vom Unheil aufgeschirrt,

Dem Abgrund blinder nicht entgegeufahren,

Denn Bothwell, als er mit hochfährt'gem Sinn In Holyrood's uralten Königshallen, Im holden Mai, beim Lied der Nachtigallen Jn's Brautbett stieg mit Schottland's Königin!

42

Longwood und Tutbury, o^wie viel Schmach Auf Englands Wappen diese Namen laden, Und ewig halt sie das Gedächtniß wach, So lang die Woge rollt an Kent's Gestaden! War' ich ein Grieche, mich erfaßte Graun, Im Reich der Frevel länger hier zu weilen, Ich fürchtete, mit seinen Donnerkeilen Stets über mir Zeus Henios zu schaun!

O, geht, ja, geht mit eurer Königin, Der Wölfin, die so gern als Lamm sich kleidet, Und an der armen holden Dulderin Den Zauber ihrer Schönheit nur beneidet! Da liegt sie nun, unweiblich Herz und Sinn; Wie sich ihr Namen auch der Schmach erwehre, Maria Stuart nahm ihr Ruhm und Ehre, Wer kennt sie nicht als ihre Mörderin

43

So klug, so groß, dämonisch, — wunderbar! Und doch in ihrem Hasse so befangen; Ein Blick von ihr, und kühner Männer SchaarMacht dieser Blick verhängnisvoll erbangen! Das ist der Zauber, der die Macht umweht, Die an sich selber glaubt, wie an die Sterne; Wer herrschen will, der merke wohl und lerne Berstehn von England die Elisabeth!-

Ihr ew'gen Götter, wenn ich scheiden muß, Laßt mich, wie ein Gedanke gehn vonhinnen, Still und geräuschlos sei mein Lebensschlnß, Still und geräuschlos, wie einst sein Beginnen! Ich preise nicht beneidenswerth das Loos Der Schläferin, vor der mein Fuß hier rastet, Es kommt der Tag, der jeden Kiel entmastet, Wie stolz ihn auch gewiegt des Meeres Sckwoß!

44

Schaut hin, und seht sie starren Angesichts Auf des Gemachs Getäfel hiugekauert, Im Ohre schon die Stimme des Gerichts, Das immer näher ihr entgegenschauert! Nicht wagt ihr Muud den Anblick kund zu thun, Der sie nicht will in ihrem Bette lassen: Sah sie vielleicht den bittend — blutigblassen, Den schönen Esser ihr im Arme ruhn?

Ja, ja, sie folgte gern der Leidenschaft, Und klugem Rath als des Erbarmens Meister ; Nun steigen, wie vor Macbeth, grausenhaft Vor ihren Blicken auf die Rachegeister! Die Schatten derer, die sie einst gebracht Um Glück und Ehr' und all des Lebens Wonnen, Nun hält der hehre Reigen sie umsponnen Der Eumeniden aus dem Schooß der Nacht! —

45

Ade, Marie! Und daß vor deinem Blick Äonenlang die Welt des Fluchs entweiche! Genug, daß wir dein blutiges Geschick Stets neu beweinen, o du Schmerzensreiche! Ja, wenn's den Sel'gen tröstend noch erscheint, Dann stieg hinauf zu dir manch heißes Sehnen, Um keine Sterbliche sind so viel Thränen Auf Erden jemals, als um dich geweint! —

Wer denkt nicht, wenn er hier betrachtend steht, An jenen König in dem Reich des Schönen, Wer fühlt hier nicht melodisch sich umweht Von seines Liedes zaubervollen Tönen! Des deutschen Barden von dem Neckarstrand, Sein denk' ich hier in liebender Bewahrung, Er warf den Lichtglanz ewiger Verklärung Hin über all das Weh, das sie empfand!

46

Er selbst ein Kind der Armuth und der Noth, Uni) doch ein König in dem Reich der Geister, Mit Sorgen ast er nur fein Erdenbrot — Was soll der Lorberkranz dem todten Meister! O WeltO Deutschland, hör' herab mich flehn Der Schmach Gedächtniß über all die Deinen, Die einen solchen Seraph sahn erscheinen, Und ihn im Elend ließen uutergehn!

Nun prunkt und prahlt mit dem Hellenenthum, Das solche Früchte trägt im eignen Lande! Schulmeisternd seid ihr voll von Hellas' Ruhm, Und der Barbar steckt doch in dem Gewände! Habt ihr in Hellas das gelernt, gesehn! Saß Pindar nicht in Detphi's Heiligthnme Als Gast des Gottes da in seinem Ruhme, Und war er nicht der Gastfreund von Athen!

47

Nun schmücken sie mit Erzstatü'n zuletzt Dem Himmelsboten noch die Schmerzensstätte, Dem doch der Werth von dem, was werthlos jetzt, Zum Paradies die Welt verwandelt hätte! Du Stern des Lichts, der hier die Nacht erhellt, Du Priester aus dem Reich der Ideale, Du lächelst wohl des Prunks im Jlmenthale, Und hast genug von dieser schönen Welt! —

Dort aber ruht ein andres Fraueubild, Die Himmelskönigin trägt ihren Namen; O Frauenherz, so süß, so sanft, so mild, So reich an Huld und jeder Tugend Samen! Doch dieses da, o Weib, o Jungfrau, flieh! Aus dieser Gruft wird dich kein Engel grüßen,Graun und Entsetzen starrt zu meinen Füßen, Denn vor mir liegt die blutige Marie!

48

Voll Sorg' und Angst um ihrer Seelen Heil, Den Himmel wonnereich sich zu bereiten, Ließ sie die Unschuld bluten unterm Beil, Den Scheiterhaufen Hunderte beschreiten. Blödsinn und Wahn war, was ihr Mund gebet; Auf Smithsield's grausig lodernden Altären Sehn wir den Blick der Dulder sich verklären, Sie gehn frohlockend in den Märtyrtod!

Stumpfsinn'ge Macht, wie bist du fürchterlich, Wenn deiner Hand vertraut die höchsten Güter; Als Wüste läßt der Wahnsinn hinter sich Ein Paradies, dem er bestellt zum Hüter! Sie war ein dreimal würdig Ehgemahl Von jenem Dämon, den die Welt verfluchte, An dem selbst das Gewürm zu rächen suchte, Daß Millionen er gelebt zur Qual!

49

Was Dichtermund von Höllenqualen sang, Willkommen wär's um solcher Frevler willen; Die Ewigkeit, sie wäre nicht zu lang, Den Rachedurst von einer Welt zu stillen! Wahnsinn'ger Beter im Escurial, Wenn dein und deines Hauses wir gedenken, So könnten wir sie bergetief versenken, Die Welt der Könige, die Welt der Qual ’

O Menschenkind, du Schattenbild des Trarnns, Wann wird es Tag in deinem Hirne werden! So viel dir auch des lichterfüllten Raums Sendboten noch erschienen hier auf Erden: Gesunder Sinn blieb selten» wie er war! Und edle Menschlichkeit hier zu erlernen, Rollt durch den Raum mit Sonne, Mond und Sternen Der Mensch vielleicht vergebens immerdar. 4

50

O Spanne Zeit, die zugewiesen ward Den Erdenkindern, um sich zu begrüßen,

Wie bist du klein, wenn so der Gegenwart Jahrhunderte sich lagern zu den Füßen! Mit wenig Schritten mess' ich aus den Raum

Bon drei Geschlechtern, die sich hier gebeitet, Die stolzen Tudors, die sich hier gerettet

Bon Macht und Glanz im Tode noch den Traum!

Der Kleinste derer, die hier noch im Schooß Der ew'gen Nacht der Macht Symbole halten, Er hätte mir beneidenswerth mein ?oos

Mit einem Wort vermocht einst zu gestalten.

Könnt' ich euch folgen auf der dunklen Spur! Ob ich in jenen unentdeckten Zonen

Euch wohl als Kön'ge wieder sähe thronen, Ob Alles hier ein Spiel des Zufalls nur?

51

Wenn das Geschick uns nicht zu Staub zerreibt, Wenn drunten in den sternenlosen Räumen Vom Schiffbruch der Pilot am Leben bleibt, Dem Wrack entspringt mit allen seinen Träumen: Ihr dächtet wohl mit Gram, daß ihr vermocht Zu schaffen hier ein Paradies des Schönen, Indeß ihr lauschtet den Sirenentönen Des Ruhmes nur, der Völker unterjocht!

O blöde Welt, die keine Weisheit heilt, Die stets dem Abgrund zugeht, wie ein Blinder, Und die des Lorbers Kränze dem ertheilt, Der, wie Saturn, verschlingt die eignen Kinder! Wer weiß, wie man dereinst uns noch belehrt, Ob nicht den Mann der zwei und sechzig Schlachten Die Welt der Geister wird so 'tief verachten, Als ihn die Welt hienieden hoch geehrt! 4*

52

So gern ich auch in diesem Heiligthnm Nur einen Einz'gen möchte mir erlesen, Ich finde Keinen, dessen Stolz und Ruhm Des Friedeus holde Künste je gewesen. Ich weiß von Einem, der gethan weit mehr Still und geräuschlos auf dem fseinen Throue, Denn Alle, die hier um mich her die Krone Von England einst getragen hoch und hehr!

O Max, du edler Sproß von Wittelsbach, Sei mir gegrüßt auf meines Liedes Pfaden! Heerschau und Tanz und Jagd und Lustgelag, Der Lebensinhalt der von Gottes Gnaden, Sie füllten deine Seele nimmer aus; Der du zum Hochaltar in deinem Busen Dein königliches Herz geweiht den Musen: Nun schmücken sie dir festlich auch dein Haus!

53

Ich sah dich einst, es hielt mit dir zugleich Derselbe Raum mich mondenlang umfangen, Wie war dein Aug' an Glanz und Leben reich, Wie rosig lag der Lenz auf deinen Wangen? Die Lein-Augusta hat in dir geliebt Den Vater, der mit Hellas eng verwoben, Und der Athen aus Schutt und Staub erhoben, Den Perikteisch Ruhm und Glanz umgiebt!

Du gingst in Allem l uchtend stets voran Den Ein und dreißig, die in Deutschland walten, Doch ihrer Keiner hat dir's nachgethan, Es lebt sich so gemüthlich fort beim Alten! Wie herrlich steht dein Nam' im Lebensbuch, Und huldreich werden mit des Heils Geschenken Die Götter deiner Krone stets gedenken, Die nur dein Haupt zu ihren Ehren trug! —

54

So sang ich einst, der Jugend eingedenk, Und heute klag' ich schon an deinem Grabe ; Du gabst dahin das herrlichste Geschenk, Mit Glanz und Macht der Schönheit Wenn' und Labe! Und was empfingst du wohl dafür zurück? Wallst du/ein Sel'ger^urch des Weltalls Räume? Schläfst du den Schlaf, aus dem uns keine Träume, Uud keine Sehnsucht weckt nach Wonn' und Glück?

Den Blick nach Westen brach in dir das Herz, Die Schmach am Belt schlug dir die Todeswunde; Selbst aus Egeria's Armen rief der Schmerz Um uns dich heim zur unglücksel'gen Stunde! Nun ruhst du hier bei deinen Vätern aus, Und weißt bereits, was wir erst müssen lernen; Wir aber denken dein, dort in den Sternen — Uud hier in deinem kleinen, engen Haus!

55

Sers, wie es mag!

Mit gleichem Maaße mißt

Uns ein Gesetz beim Kommen, wie beim Gehen. Was hinter diesem Erdenräthsel ist, Wir werden's sehen, wenn wir's werden sehen.

Du gingst uns um ein Kleines nur vorauf,

Der du mit deinen Dichtern, deinen Weisen Dich oft begeben auf Entdeckungsreisen: So, oder so, wir folgen deinem Lauf! —

Wer einst bei Crecy, wer bei Poitiers Gewagt dem Schwarzen Prinzen kund zu geben,

Wie es nm seines Hauses Schicksal steh', Um seiner Augen Wonn' und süßes Leben: Bei allen Göttern! Jeder Hauch und Laut

Wär' jach erstickt von des Propheten Stimme

Vor dieses Löwen Majestät und Grimme, Auf den mit ew'gem Stolz Alt-England schaut!

56

Heil uns, daß sich vor unserm Blicke barg Die Schau der Dinge jenseit unsrer Grüfte! So schlug zu Canterbury um Edward's Sarg

Umsonst des Aufruhrs Fittig wild die Lüfte. O, eine Stunde nur des Ruhms, des Glücks, Du Schwarzer Prinz, von Crecy's Ehrentage!

Doch ach, nun sang dein Mund vielleicht die KlagVon Peleus' Sohn am heldenreichen Styx!

So viel ich auch geforscht und selbst geschaut

Von dem, was jetzt, und dem, was einst geschehen,

Nie hab' ich noch, aus Freveln auferbaut,

Ein Haus voll Heil und Segen je gesehen! Wie drückt der Krone Last den Träger schwer;

Allnächtlich hin durch des Palastes Räume Zieht Richard bleich durch König Heinrichs Träume,

Und ständ' am Eingang auch ein ganzes Heer! —

57

Du heitrer Mann, so königlich, so groß, Sei mir gegrüßt, du aller Ritter Blüthe! Bist du vom Baum des Frevels gleich ein Sproß, Du trägst den Adel doch in dem Gemüthe! Du Held von Azincourt! O Siegsgetön! Nach so viel Schlachten, die dein Arm geschlagen, Harrt dein die Braut zu kurzen Wonnelagen, Jung, wie der Lenz, wie Aphrodite schön!

Einst saugst du selbst hier in Westmiuster's Bau Das Sühnelied an König Richard's Bette, In Thränen schwamm dein Auge bei der Schau Des düstren Pomps au dieser Friedensstätte. Ich glaub' es wohl, du hocbgesinnter Mann! Du hättest gern für König Richard's Leben Den Hermelin der Herrschaft hiugegeben, Womit dich fremder Frevel angethan.

58

Wie rauh dich auch umstürmten Wog' und Wind, Du trugst im Busen stets ein höh'res Sehnen, Von Allen, die hier Deinesgleichen sind, Trägst du allein den Stempel der Hellenen! Wer nährt sie jetzt, die du entflammt, die Gluth, Mit deinem edlen, schwärmerischen Herzen, Wo sind an Richard's Grabe jetzt die Kerzen, Gebet und Lied, als ew'ge Leichenhut?

Verweht, verstummt, du königliches Herz! Und Andre werden bald nach dir erscheinen, Die, um den Busen her dreifaches Erz, Dem Unglück niemals eine Thräne weinen Doch, nein! Sie glühn noch, wie am ersten Tag, Noch trägt das Echo deine Trauerklage, Und wie du hießest, bis am Schluß der Tage Hält Lied und Sage deine Kerzen wach'

59

Und nun dein Grab verstümmelt und beraubt? Des siegsgewalt'gen Herrschers zweier Reiche? Dein eigen Bild, da liegt es ohne Haupt, Im Tode noch entehrt die Königsleiche! O Zeus Kronion, als noch dein die Welt, Wie sah sie deine Blitze niederfahren Auf jene Rotte punischer Barbaren Auf Agrigent's entweihtem Leichenfeld! —

Und sie, die einst der Schönheit Wunder war, Die Lenzgestalt aus Lilien und aus Rosen, Die gleich der Göttin, die das Meer gebar, Verstummen ließ der Stürme wildes Tosen: Hier lag sie einst, all ihres Zaubers baar, Wie ein Gebild des hundertthor'gen Theben, Geweissagt hättet ihr ein ewig Leben Dem Wonneglanz in ihrem Augenpaar!

60

Ich sah die Ros, ätherisch angehaucht, Als Königin im Reich des Lenzes prangen, Indessen Wald und Flur in Duft getaucht, Bon Nachtigallenjubel rings erklangen! Ich sah sie wieder, wen'ge Tage drauf, Zum Tode welk im duftiggrünen Hage, Und hörte bang der Nachtigallen Klage — Das ist des Jrd'schen ew'ger Schicksalslauf! —

Wie wunderbar - zwei Helden, riesengroß, Und doch in ihren Erben so geschändet, Verstrickt vom Schicksal in dasselbe Loos, Um Kron' und Scepter schmählich ausgepfändet r. Wie einst zu Pontefract in schnöder Haft Der zweite Richard aus der Welt gegangen, So ward der sechste Heinrich eingefangen, Boni stununen Morde so dahingerafft! —

61

O, nun genug des Spiels von Zahn'um Zahn, Und laßt hinfort die Rachegötter schlafen

Doch, nein, o nein! Wann gingen Schuld nnd Wabn

Jemals vor Anker in des Friedens Hafen! Wohlan, es sei! So spielt denn wett um wett!

Edward von Uork, du magst das Unglück höhnen, Mit Blut und Schmach zu Tewksbury dich krönen, Doch rachelos fällt kein Plantagenet!

Ihr seid und bleibt euch all einander gleich, Noch heute steigt das Graun aus euren Grüften,

Und macht den Wandrer vor Entsetzen bleich, Als läg' hier Seelenaussatz in den Lüften! Leiht euch vom Tiger Tatzen und Gebiß, Unmenschliche, blutdürstige Barbaren,

Vom Ebenbilde Gottes kann gewahren In euch das Auge keinen Schattenriß!

62

Horch, wie der'Sturm die Themse fegt und schlägt. Und wie er rüttelt an dem alten Tower, Der schon so viel' im finstern Schooße trägt Und auf die alten häuft stets neue Schauer! Schaut hin und seht vollziehn am eignen Blut Die Bruderhand von Tewksbury die Rache, Wie das Entsetzen hält die stumme Wache Am Bette, drinnen süß die Unschuld ruht! —

Auf Bosworth's Schlachtgefild, da ward gemäht Die letzte Saat von Englaud's Tantaliden, Was sie des blut'gen Frevels ausgesä't, Ward heimgesucht an ihnen schon hienieden! O Nemesis, du Marathonische Frau, Dich bet' ich an, du ewig Allgerechte, Hoch über allem göttlichen Geschlechte, Dich seh' ich hier, wohin ich tret' und schau

63

Da liegt er nun, der von dem Erntcfeld Als Schnitter einst den Segen heimgetragen, Der sich sein Haus so glänzend hat bestellt, Sein Schlummerbette hier sich aufgeschlagen! Er sah den Tod mit Grausen ihm sich nahn: So lang das Fleisch noch willig ist zur Sünde, Da meßt ihr aus des Lasters offne Schlünde, Und lebt dahin in dem gekrönten Wahn!

Doch, wenn das Schicksal tritt an euch hinan, Da sendet ihr nach Priestern und Propheten, Als ob der Tod, der eh'rne Schreckensmann, Gewichen je vor Opfern und Gebeten. Unkäuflich sind dadroben Gnad' und Huld: Der da ließ sich zehntausend Messen lesen; Doch keine Seele wird jemals genesen Durch fremdes Flehn von ihrer eignen Schuld! —

64

Der Reigen schließt, so Bielen hier auch noch Das Haupt umfließt der Zauberglanz der Krone, So Viel' auch ihrer herrlich einst und hoch Das Scepter noch geführt auf England's Throne.' Des Lebens Strom rollt zwischen Wieg' und Grab, Und Glück und Unglück spiegeln seine Wogen; Wie Sonn' und Mond am ehernen Himmelsbogen, So lösen Wonn' und Weh sich ewig ab!

Nur du noch, du, voll hehrer Majestät, Oranien, komm', und lichte Nacht und Nebel, Du machst das Glück auf diesen Inseln stät, Und wardst der Freiheit königlicher Hebel! Durch dich ward England erst beneidenswerth, Schreckbild der Kön'ge, wie der Völker Wonne, Allüberall im weiten Reich der Sonne, Zu Land und Meer gefürchtet und geehrt!

65

Und schlägt der Enkel aus der Väter Art, So mag der Kleinmuth hoffnungslos verzagen, Als ob Trafalgar nie geschlagen ward: Der Ruhm zählt nicht nach Stunden und nach Tagen. Derselbe Geist, der durch Westminster weht, Er zeigt sich erst im Drang von Sturm und-Klippen, Das Rule Britarinia geht von seinen Lippen, Ein Sieg und Rührn verkündender Prophet! —

Ach, stets der Heimath denk' ich hier voll Weh, Du Volk der Reben und du Volk der Eichen! Wenn ich dich so geknickt, gebrochen seh', Statt kühn zu greifen in des Schicksals Speichen! Und doch, und doch, ich seh's im Geiste wehn, Das siegumjauchzte Banner der Ottonen, Wenn unter deinen vierzig Millionen Der erste Mann dereinst wird auferstehn! o

66

O Tag des Ruhms, da Kaiser Heinrich's Braut Antwerpen einst als deutsche Stadt gesehen, Und Englands Tochter unter Jubellaut Hier sah das Banner der drei Farben wehen! O Schmach und Scham! Wärt ihr nicht stark genug, Um einer Welt in Waffen zu entringen Des Reichs Juwel, Burgund und Lotharingen, Und was einst Deutschland's stolzen Namen trug!

Könnt' ich im Dome zu Palermo dich, Den wilden Sprößling Barbarossas wecken, Vor dem der Leu von England einst erblich, Als er gesckaut in deines Auges Schrecken! Du wärst der Mann, den wir so heiß begehrt! Wagt Keiner denn von all den großen Deinen Noch einmal hier auf Erden zu erscheinen, Liegt euch so fern, was euch doch einst so werth?

67

Wie weltgcbietend sah uns einst die Welt, Und auf des Sieges blitzgefeiten Flügeln Flog Deutschlands Name von dem eis'gen Belt, Bis wo der Ruhm sich sonnt auf sieben Hügeln Und nun zersplittert, wie ein Diamant, Das wundervolle Kleinod der Cäsaren, Und nun gehöhnt, zerrissen und zerfahren, Mein heißgeliebtes, deutsches Vaterland!

O, laßt dem Knaben an der Mutterbrust Als Wiegenlied den Ruhm der Väter singen. Durch seinen Schlummer, ob auch unbewußt, Des Vaterlandes Größe wiederklingen! Ihr, die voll Selbstsucht ihr beständig zagt Vor eures eignen Volkes Macht und Größe: Es kommt der Tag, der euch in nackter Blöße In Sturm und Wetter einst von hinnen jagt! 5*

68

Und fehlt daheim, was Männerbrust erwärmt,

In Englands Ruhm dann will ich mich berauschen , Verwünscht das Herz, das sich in Thränen härmt,

Statt sich des Lebens Güter einzutauschen,

Und wär's im Kampf auf Leben und auf Tod! Glaubt ihr, die Freiheit pflückt sich,wie ein Veilchen? Seht euch in England um nur auf ein Weilchen, Sie trägt den Mantel blutig, purpurroth!

Geflüchtet über'n deutschen Ocean

Hat sich was groß in Griechenland geschehen,

Was Nom mit ew'ger Jugend angethan, Ist leuchtend an der Themse noch zu sehen!

Ihr wägt jedwede Tugend voll und rein, Ihr krönt den Feldherrn und ihr kränzt den Dichter,

Ihr seid kein Volk gemeiner Splitterrichter,

Und euer wird die Welt noch lange sein!

69

Wie lieb' ich euch, ihr Männer kühn und groß, So keck, so frei im wilden Reich der Wogen, Es hat euch in der Elemente Schooß Die Windsbraut und das Wetter groß-gezogen! Drum ist die Welt euer ew'ger Wiederhatt, Ihr seid das einzig Große noch auf Erden, Und fallt auch ihr, o Tag des Wehs! so werden Die Götter selbst beweinen euren Fall! —

Doch sei gedenk voll Hoheit und voll Dank, Du Brudervolk, du kauust es ohn' Erröthen, Wie oft der Deutsche känipfend für dich sank, Ein treuer Freund dir in Gefahr und Nöthen! Ein Fürst, ein Marschall waren's, deutschen Bluts, Die dir die Burg der Freiheit auferbauten, Und deinen Händen gläubig anvertrauten Das heil'ge Pfand des höchsten Erdenguts!

70

Sie ließen's stehlen an der Seine sich, Am Belt, am Main und auf den sieben Hügeln, Und blicken nun so sehnsuchtsvoll auf dich, Wo Schänd' und Scham empor sie sollte flügeln! Ist aus der Welt verschwunden denn so ganz Werth und Bewußtsein stolzer Männerwürde? Des Reiches Schmach selbst wird zur Ritterbürde, Und Alles adelt einer Krone Glanz! —

Und nun, schlaft wohl, schlaft wohl, auf Wiedersehn, Ihr stolzen Todten, hier in diesen Räumen! Stets wird zurück nach euch mein Sehnen stehn, Die ich gehegt in meinen Jugendträumen. Ein Deutscher sang ich England's Heldenthum; Einst kommt der Tag, da werden Andre singen, Daß Berg' und Thäler jubelnd wiederklingen, Von Deutschland's neuerblühtem Glauz und Ruhm!

An

Alexander von Humboldt.

J858.

Iloch einen Gruß, Du wunderbarer Greis, Ruf' ich Dir zu in Deine Sternennächte,

Wenn Du mit Jugendsinn, des Weisen Fleiß Die Räthsel deutest urgeheimer Mächte! Glückselig, wer zu Deinen Füßen saß, Und Weisheit trank von Deinem Sehermunde!

Du bist der Arzt, durch den vielleicht genas Manch krank Gemüth von seines Zweifels Wunde.

72

Du, der mehr weiß, als Menschen je gewußt. Der weiser noch als Rom's und Hellas' Weisen: Dein Anblick hebt uns wunderbar die Brust, Wir folgen Dir auf ungebahuten Gleisen. Sag, weißt Du mehr, als jener arme Mann, Der mit dem Pflug den harten Boden spaltet, lljib so der Erde mühsam abgewann, Was ihm sein Loos erträglich hier gestaltet? Ich frage Dich, was wir umsonst gefragt Die unerbittlichewigstummen Mächte, Woran so mancher Geist sich hat gewagt, Ob er vielleicht des Räthsels Lösung brächte: Was unsres Wesens Kern und Inhalt sei? Dir ist vielleicht im Urwald es erklungen, Wo mit des Beuterufes wildem Schrei Der Jaguar Dich in den Schlaf gesungen! Sag' an, o Greis, weißt Du, wie's nm uns steht? Kennst Du das Land, wo wir die Anker lichten? Weißt Du, von wem der Ruf an uns ergeht? Wohin wir einst die Fahrt von neuem richteu? Trat ich hier ein als Gast aus freier Wahl, Und kehr' ich, gleich den Vögeln in den Lüften,

73

Wenn rauh der Wald und wounelos das Thal, Und wenn die Rose starb an ihren Düften? Wie? Oder bin ich gar, wie Pflanz' und Thier, Ein Spielzeug iu der Hand der Elemente? Dien' ich vielleicht der Schöpfung nur zur Zier? Prangt meine Heimath nicht am Firmamente? Hast du Beweis, gieb dem ihn, der Dich fleht, Der stoisch nicht betrachtet Welt und Leben: Ob nicht mit unsrem letzten Hauch verweht, Was wir für göttlich, ewig ausgegeben? Warum ward ich so hoch begnadigt hier, Am Baume der Erkenntniß mich zu laben? Da Millionen doch, verdammt zum Thier, Jahrtausende verträmut, verloren haben? Deut' ich Dich recht, wenn ich betrachtend steh' In Deines Weltgebäudes stolzen Hallen, So ließest Du vor tiefgeheimem Weh Oft eine Thräne stiller Wehmuth fallen! Doch, nein! Wie oft hab' ich Dir nicht gesagt, Du sei'st der wandellosen Geister einer, Bor deren Blick es unaufhörlich tagt, Und deren Himmel stets ein wolkenreiner?

74

Sang auch Dein Mund das wundervolle Lied,

Das um Kolouos' Hügel einst erklungen? „Glückselig, wer die schöne Welt hier mied,

Und wem die Flucht hinweg aus ihr gelungen! - "

Du, dessen Name Nord- und Südpol nennt, O, zürne nicht den ungestümen Fragen, Dir, dessen Güte keine Grenzen kennt,

Dir könnt' ich das Geheimste kindlich klagen!

Und giebt Dein Mund auch niemals Antwort mir, Wirft Du mich auch als Seher nie belehren, So hält mein Herz doch ewig Dich in Ehren,

Und sendet diesen Gruß im Liede Dir!

Unmerku ngen.

MMiMr-Mti.

Die Gründung der Abtei verliert sich in die fernsten Zeiten des christlichen Alterthums und ist in Dichtung und Sage ge­

hüllt.

Selbst die Erzählungen der Geschichtschreiber sind von

Sir Christopher Wren, der den Auftrag hatte, das gegen-

wärtige Gebäude zu überwachen, in Zweifel gezogen worden,

und er fand bei der genauesten Untersuchung nichts, was dem allgemeinen Glauben hätte zum Halt dienen können, daß die Abtei auf den Trümmern eines heidnischen Tempels errichtet

wäre. Keine Fragmente von römischer Arbeit wurden in irgend

einem Theile des Gebäudes entdeckt, von denen sich doch ganz unzweifelhaft viele mit dem Material vermischt hätten finden müssen, wenn früher ein römischer Tempel an derselben Stelle

gestanden hätte. Auch die Einweihung der Abtei ist nicht minderes die

Gründung derselben ^in ein geheimnißvolles Dunkel gehüllt.

Die Legende sagt, daß Sebert, König derOst-Sachsen, der im

78 Jahre 616 starb, den Bischof Melitus von London beauftragt

habe, die Ceremonie zu verrichten, daß aber St. Peter selber in der Nacht vor dem Einweihungstage diese heilige Handlung vorgenommen habe, begleitet von Engeln und umgeben von

der himmlischen Erscheinung brennender Lichter.

Daß der

Glaube an diese Legende sich noch erhielt, als das Gebäude selbst längst zerstört war, erhellt aus einer Urkunde oder aus

einem Gnadenbriefe, dessen wir später zu erwähnen Gelegenheit

haben werden, und obwohl aus diesen Dichtungen nichts mit Sicherheit geschlossen werden kaun, so läßt sich doch daraus ent­ nehmen, daß sowohl die St. Paul in London, als auch die St.

Peter in Westminster geheiligte Kirche zu den frühsten Werken der ersten Bekenner des Christenthums in Britannien gehörten.

An diese Legende anlehnend haben die Geschichtschreiber die erste Abtei in das sechste Jahrhundert gesetzt und dem Könige

Sebert die Ehre zugeschrieben, das Werk geleitet und wenigstens den Theil vollendet zu haben, der gegenwärtig den östlichen

Flügel bildet, und der wahrscheinlich Alles war, was der ur­

sprüngliche Plan enthielt. Die Söhne des frommen Königs fielen wieder in das Heidenthum zurück und verödeten die Kirche, die ihr Vater mit

heiligem Eifer errichtet und ausgestattet hatte, gänzlich, und nicht lange nachher verwüsteten die Dänen, was die Sachsen

verachtet und vernachlässigt hatten. Von dieser Periode an^iö zu der Negierung Edward's des

Bekenners blieb die erste Abtei ein Denkmal der kirchenschänderischen Wuth jener Zeiten; da aber der Einfluß des Christen-

79 thumö unter seiner Negierung sich mehr und mehr ausbreitete,

so wurden die Trümmer des alten Gebäudes hinweggeräumt und ein für jene Zeiten sehr prachtvoller Bau an ihrer Stelle aufgeführt. Die Kirche ist in Kreuzform erbaut,und diese Ge­ stalt wurde später das Vorbild zu allen Kirchenbauten im Königreiche.

Um sich der Geistlichkeit angenehm zu machen,

hatte jener staatskluge Fürst nicht bloß alle früheren Schen­ kungen bestätigt, sondern er stellte auch einen Gnadenbrief

(charter) aus, in welchem er der Einweihung St. Peter's und der Verwüstungen der Dänen gedachte und die Gründe an­ führte, welche ihn veranlaßt, das heilige Gebäude in seinem

ehemaligen Glanze wiederherznstellen, und es noch reicher

mit Gütern und Privilegien auszustatten.

Diese Urkunde

schloß mit feierlichen Verwünschungen gegen alle diejenigen,

die es in künftigen Zeiten wagen sollten, irgend einen Theil

des Gebäudes zu entstellen, oder zu zerstöreu, oder sich Ein­ griffe in die Rechte der Geistlichkeit zu erlauben. Heinrich III. 1216—1271 ließ nicht bloß diese alte Abtei

abtragen und ihren Plan erweitern, sondern er fügte noch eine

Kapelle hinzu, die der heiligen Jungfrau Maria geweiht sein sollte; aber erst unter der Negierung Heinrich's VII. wurde jene stattliche und prachtvolle Kapelle, die jetzt unter seinem Namen bekannt ist, entworfen und ausgeführt.

Die Kapelle

Heinrich's VII. wurde von dem Florentiner Pietro Torregiano meinem reichen fast überladenen Stile erbaut, und der Grund­ stein den 24. Januar 1502 mit großem Pompe gelegt. Sie

ist äußerlich mit sechszehn gothischen Thürmen versehen, die mit

80 außerordentlicher Kunst gearbeitet sind, ein wunderbares archi­

tektonisches Schnitzwerk.

Leland nennt sie Orbis miraculum

und nach Hollinshed kostete der Bau 200,000 £ nach dem

gegenwärtigen Werthe des Geldes.

neun Jahren vollendet.

Das Ganze wurde in

Heinrich VII. erlebte jedoch die Be­

endigung des Banes nicht mehr, sondern starb, nachdem er für die Ausführung der Werke in reicher Weise gesorgt. Er be­

stimmte dieKapellezurBegräbnißstättefürsich und seine Nach­ folger und traf in seinem Testamente die Verfügung, daß nur

Personen von königlichen: Blute dort im Tode zngelassen wer­

den sollten. Von dem Tode Heinrich's VII. bis zu der Negierung von Wilhelm und Marie ward keine Sorge auf die gleichmäßige Er­

haltung der alten Kirche verwandt. Durch die Räubereien, die Heinrich VIII. an ihr beging, und die Verwüstungen, die sie

unter der Republik erlitt, warvon ihrer ehemaligen Schönheit wenig geblieben.

Da nahm sich das Parlament der West­

minster-Abtei an, bewilligte die Summen zu einer gründlichen Wiederherstellung und reichen Verschönerung dieses NationalDenkmals und beauftragte den berühmten Baumeister Sir Christopher Wren (geboren 1632, gestorben 1723) mit der

Ausführung und Leitung.

Er entledigte sich seines Auftrags

mit großer Hingebung und Gewissenhaftigkeit, und gegen­ wärtig steht Westminster-Abtei wieder da in ihrer ganzen ehe­ maligen Festigkeit und Pracht und hat nach dem Urtheile der Engländer durch die beiden neuen Thürme und das neue Chor des Sir Christopher noch an Schönheit gewonnen.

81 Auch die Kapelle Heinrich's VII. wurde unter der Leitung

ton James Wyatt von 1809—1822 gründlich restaurirt und das Parlament bewilligte dazn verschiedene Summen bis zu

dem Betrage von beinahe 50,000 £. Westminster-Abtei, reich an so vielen historischen Sehenswürdigkeiten, ist nicht bloß

die Krönungskirche, sondern war auch viele Menschenalter hindurch das Mausoleum der englischen Könige und Königinnen, und die Ruhestätte, wo viele der größten Staatsmänner und Dichter endlich ein Asyl fanden vor der Mißgunst und dem

Neide der Mitlebenden. Seit Georg II. ausschließlich ist das

königliche Familien-Begräbniß nach Windsor verlegt, wo auch

Heinrich VIII. ruht, Andre an andren Orten, denn Westmin­ ster-Abtei umfaßt bei Weitem nicht alle königlichen Gräber.

Wer sich ausführlicher über die berühmte Kirche unterrichten

will, den verweisen wir auf:

The history of the Abbey

Clnirch of St. Peter’s Westminster, its antiquities and

monuinents.

2 Bde. .London 1812, mib Neale: Ilistory

and antiquities of the Abbey Westminster etc. mit Kupfern

und literarischen Erläuterungen (London 1818 und öfter).

Ohne der Beurtheilung dieser kleinen Dichtung in irgend

einer Weise vorgreifen zu wollen, so wird doch der urtheilsfähigeLeser bald finden, daß der Verfasser an keine consequente Durchführung politischer Grundsätze dabei gedacht hat, son­

dern daß die Stimmungen mit den Personen und den Zeiten

wechseln.

82 Hier ruht er selber, der gebaut dies Haus — Edward der Bekenner, der Sohn Ethelrred's II. und

Emma's, der Perle aus der Normandie, wurde zu Jslip in Oxfordshire

wahrscheinlich 1002

geboren.

Er war der

letzte König ans dem Geschlechte Cerdic's, jenes sächsischen Häuptlings, der 494 in England ein siel und das Königreich

der West-Sachsen gründete. Am Ostertage 1013 gekrönt starb er am 5. Januar 1066 und wurde vor dem Hochaltar in

Westminster-Abtei bestattet.

Papst Alexander III. versetzte

ihn unter die Zahl der Heiligen 1163 auf den wiederholt aus­ gesprochenen Wunsch König Heinrich's II.

König Edward der

Bekenner war einer der frommsten, mildherzigsten, liebens­ würdigsten und wohlthätigsten Fürsten, die jemals über ein Volk geherrscht haben.

Harm- und arglos wie die Unschuld

selber, mit einem so kindlichgläubigen Gemüth, daß auch das

unzugänglichste Herz davon ergriffen wurde, ist Edward Jahr­

hunderte lang der Liebling der Kirche und das Ideal from­ mer Seelen gewesen.

Die Westminster-Abtei verdankt ihm

ihre Wiederherstellung und reiche Dotirnngen.

Hier schläft ein Paar, hier ruht ein Mann und

Held — Eduard III., Sohn Edward's II. und Isabella's, der Tochter König Philipp's IV. von Frankreich, geb. 1312,

gest, am 21. Juni 1377, machte nach dem Tode Philipp's IV. als nächster männlicher Erbe seine Ansprüche auf die Krone von

83 Frankreich geltend. Der Nuhm der englischen Waffen bewährte sich nie glänzenderes während der Kriege, welche in Folge

dieser Ansprüche geführt wurden. Durch seine Staatsklugheit und seine persönliche Tapferkeit brachte er im Verlauf derselben fast das ganze französische Königreich unter seine Botmäßigkeit. Er besiegte Philipp VI. am 24. Juni 1340 in der großen

Seeschlacht im Kanal, und bei Crecy 1346, den 26. August. Er nahm nach einer Belagerung von zwölf Monaten, den 4.

August, 1347 das ausgehungerte Calais, welches dann über

zwei Jahrhunderte unter dem Schutze Eugland's fortblühte. Eduard III. war vermählt mit Philippa, der Tochter Wilhelm's

von Bayern und Hennegau, die ihm sieben Söhne und fünf Töchter gebar. Die Königin zeichnete sich nicht bloß durch ihre Schönheit und durch alle weiblichen Tugenden aus, sondern

auch durch ihr heroisches Benehmen in der Schlacht von Neville's Croß, in der Nähe von Durham, wo sie den König David von Schottland den 17. Oct. 1346 gefangen nahm.

Zu Calais rettete sie dann durch ihre Fürbitten und Thränen

die Besiegten vom Tode, kleidete, bewirthete und beschenkte sie reichlich mit Geld. Sie starb nach zweiundvierzigjähriger Ehe den 15. August, 1369, und wie sie es gewünscht hatte, wurde der König 1377 in Westminster-Abtei in derselben Gruft mit ihr vereinigt. Das Ende Eduard's III. entsprach keines­

wegs seiner glänzenden und ruhmvollen Laufbahn. Nach dem Tode der Königin, am Abende seines Lebens vom Alter ge­ beugt und auch geistig herabgekommen, verbrachte er seine Tage in Dunkelheit und in den Banden der schönen Alice Perrers,

6*

84 die ihm in dem Palaste zu Shene bei Richmond an dem Morgen

vor seinem Ableben mitten im Todeskampfe den Ring vom Finger zog, alle Kostbarkeiten zu sich nahm und entfloh. Ihrem

Beispiele folgten Höflinge und Dienerschaft. So lag derKönig von Allen verlassen da, ohne Beistand und Trost. Als ein armer Priester, der zufällig in dem Palaste war, hievon Kunde

erhielt, eilte er sofort an das Bette des Sterbenden, ermahnte ihn seines Heilands und seiner Sünden eingedenk zu sein, und

reichte ihm ein Crucifix dar, das derKönig mit bebender Hand ergriff und unter Thränen küßte.

Mit dem Rufe „Jesus!"

schied sein Heldengeist von hinnen.

Siehe Lingard: The

Ilistory of England. Vol. III. London, Ch. Dolman, 1849,

und I. P. Reale und E. W. Brayley: The Ilistory and Antiquitics of the Abbey Clinrch St. Peter Westminster. Vol. II. Seite 96 — 100. London 1823.

Ja, Rauch und Schatten sind wir allzumal — Als Napoleon, der Schüler Plutarch's, während seines

Aufenthalts in Wien im Jahre 1809, am 3. Oct. des Abends

seinen Besuch der Heldengruft in der Augustinerkirche unter Fackelbeleuchtung abstattete und dem Marschall Daun noch im Tode seine Huldigung darbrachte, da beleuchtete er mit dem

Blitze seines Geistes die kriegerische Laufbahn deö Marschalls, sprach von seinen Verdiensten an dem blutigen Tage von Kolin, den 18. Juni, 1737 und in der unheimlichen, nächtlichen

Schlacht bei Hochkirch, den 14. Oct. 1738 und nachdem er seinem Andenken jede Ehre und jedes Lob gezollt, wandte

85 er sich zu seiner glänzenden Umgebung, unter der sich auch der

General Napp und der Marschall Duroc befanden, und sagte mit wegwerfender Bewegung der Hand: Da liegt er nun, pah, fumus et umbra sumus—Schatten und Rauch sind wir!

Siehe Preuß' Leben Friedrich's des Großen. Berlin 1832—

34. 4 Bände.

Wollt ihr den Wandel alles Jrd'schen sehn — Mausolus, König von Karien, gest. 333, wurde von seiner Gemahlin Artemisia so zärtlich geliebt, daß sie nach dem Tode

desselben seine Asche in Wein gemischt trank und ihn so in sich selber begrub. Sie errichtete ihm außerdem znHalikarnaß ein Grabdenkmal, das wegen seiner Pracht und Schönheit unter die

sieben Wunderwerke der alten Welt gezählt wurde und an welchem die berühmtesten Baumeister und Bildhauer des dama­

ligen Griechenlands arbeiteten. Die Engländer haben an der Stelle, wo es gestanden, in unsern Tagen Ausgrabungen an­

stellen lassen und manche kostbare Ueberreste zu Tage gefördert, unter denen sich der kolossale Löwe befindet, dessen hier gedacht wird. Siehe Plinius' Naturgeschichte Buch 36, 9. und Graf

Caylns' Abhandlung über dieses Gebäude mit Kupfern.

Bekanntlich wurde das Material dieses Denkmals zu An­ fang des 15. Jahrhunderts von den Johanniterrittern zur Er­

bauung ihrer Festung Torre di S. Pietro, jetzt Budrun, ver­

wandt, dasselbe aber erst im Jahre 1522 bei Wiederherstellung

der Mauern dieses Castells beinahe völlig zerstört, und zuKalk verbrannt.

Zwölf Basreliefs mit Amazonenkämpfen, welche

86 in die Mauern des letztem eingefügt waren, wurden zwar längst von Reisenden als Reste des Mausoleums bezeichnet, dennoch

aber erst in den vierziger Jahren durch Lord Stratford deRed-

cliffe, der sich dieselben von dem Sultan schenken ließ, von dort weggenommen und ins britische Museum versetzt. Im Jahr 1855 besuchte Hr. Newton das Castell, und fand im Innern

desselben noch sechs Löwenk'öpfe eingemauert. Auf feine Vor­

stellung sandte die englische Negierung tut I. 1856 eine Ex­ pedition an Ort und Stelle, an deren Spitze Hr. Newton trat, und so gelang es die Stelle des Mausoleums, die mit Häusern und Gärten bedeckt war, anszufinden und, was von demselben

nicht völlig zerstört war, ans Tageslicht zu fördern. Nach der Beschreibung des Plinius, welche man durch die Trümmer voll­ ständig bestätigt fand, bestand das Mausoleum aus einem mit

jonischen Säulen umgebenen Tempelgebäude auf einem Unter­ bau aus Quadern. Das Dach bildete eine Pyramide von vier undzwanzig Stufen, auf deren Spitze eine kolossale Quadriga stand. Letztere muß durch einen gewaltigen Stoß, wie es scheint

eines Erdbebens, umgestürzt sein, denn man fand die Hälfte

zweier Pferde, die offenbar einem Wagen angehört hatten, außerhalb des Peribolos des Monuments ; eben daselbst zahl­ reiche Fragmente von Statuen, aus denen sich zwei kolossale Figuren von vortrefflicher Arbeit zusammenstellen ließen, in

denen man denMausolos selber nebst Artemisia, der Erbauerin des Grabmals, zu erkennen glaubt. Mehrere kolossale weibliche und männliche Köpfe sind von edelstem Stil, ganz besonders

merkwürdig aber ist das Fragment der kolossalen Figur eines

87 Reiters in persischer Kleidung aus bäumendem Rosse von

höchster Lebendigkeit. Im ganzen fanden sich Bruchstücke von 20 Statuen und ebenso viele Löwen. An die schon in England

befindlichen 12 Tafeln mit Amazonenkämpfen, zu denen zwei andere in Genua aufbewahrte gehören, schließen sich vier von außerordentlicher Schönheit und besserer Erhaltung an, ge­

funden an der Ostseite des Monuments — ein Umstand, welcher deßhalb wichtig ist, weil an dieser Seite Skopas selber das

Grab mit seinen Werken geschmückt hatte, so daß man jetzt zweifellos authentische Schöpfungen dieses Meisters besitzt. A. A. Z. 1. März 1800.

Die Witwe Gloucester's u. s. w. Zwischen dem Schreine St. Edward's und dem Grabe

der Königin Philippa liegt der große Thomas von Woodstock, Herzog von Gloucester und Onkel Richard's II., unter dessen

Regierung er eine so gewaltthätige und blutige Rolle spielte. Er war der Bruder des Schwarzen Prinzen und sechster und jüngster Sohn Edward's III. Er wurde auf Befehl Richard's

II. den 8. Sept. 1397 zu Calais ermordet.

Die Tochter eines Kaisers u. s. w. Anna, die noch lange nach ihrem Tode unter dem Namen die „guteKönigin Anna" bekannt war, Tochter Kaiser Karl's

IV. und Schwester von Wenceslaus, Kaiser von Deutschland

und König von Böhmen.

Sie starb nach zwölfjähriger Ehe

zu Shene, den 7. Juni 1394.

88 Sie kniete vor Gloucester, um das Leben des unschuldigen

Sir Simon Burley zu retten, der noch zu dem Hofe Ed-

ward's III. gehört und den der Schwarze Prinz selber zum Bormund Richard's II. bestellt hatte. Er hing an dem Könige,

wie an seinem Sohn, und der König verehrte ihn wie seinen

Vater.

Siehe John Lingard : Ilislory of England. London,

Charles Dolman, 1849. Vol. III. 337.

Bis zu der Welfin jammervollem Loos! Karol ine von Braunschweig, die unglückliche Gemahlin Georg's IV.

Du bist es, Strafford, u. s. w. Thomas Wentworth, Graf von Strafford, aus einer alten

Familie der Grafschaft Jork, geb. am 13. April 1593 und ent­

hauptet am 12. Mai 1641.

Reich uud mit einer vielseitigen

Bildung ausgestattet, trat er 1621 in's Unterhaus, bekämpfte siegreich die Politik Jacob's I. und ebenso die seines Sohnes

uud Nachfolgers Karl's I. Der Fanatismus uud die Maß­ losigkeit, welche sich der puritanischen Partei nach den parla­ mentarischen Siegen über Karl I. bemächtigten, stießen ihn zurück. Buckingham gewann ihn für den König, er empfing die Pairswürde, trat 1628 in den Geheimrath, erhielt das

Gouvernement der Nordprovinzen und 1632 die Statthalter-

scbaft von Irland, wo er zwar mitunter schroff und willkürlich verfuhr, im Ganzen aber während der acht Jahre seiner Ver­

waltung mehr Gutes stiftete und für das Wohl Irlands thätiger

89 war, als die meisten Statthalter vor ihm.

Bei der Energie

seines Charakters rieth er dem König überall zu entschiedenen Maßregeln und hieß die demokratischen Uebergriffe gewaltsam Niederschlagen.

Als die Schotten (1638) rebellisch wurden,

drang er auf Krieg, sorgte für Soldaten und Geld und legte

dem König persönlich seine Pläne vor, welche dieser billigte.

Nach Irland zurückgekehrt,beriefersogleich das Parlament und nöthigte es zu großen Geldbewilligungen zum Krieg gegen

Schottland.

Da er überall in Irland wie in England durch

die Schwäche und Unentschiedenheit des Königs an einem

kräftigen und durchgreifenden Auftreten gehindert wurde, so legte er seine Stelle nieder.

Das Lange Parlament, das im

November 1640 zusammentrat, erfüllte Strafford mit bangen Ahnungen, er wollte nicht nach London.kommen, sondern bei dem Heere bleiben; aber der König bat und beredete ihn und versprach ihn zu schützen.

Er kam und ward an dem Tage, an

welchem er das Oberhaus betrat, durch Pym in den Anklage­

zustandversetzt und nach dem Tower abgeführt. Die Anklage bestand aus 28 Artikeln und betraf besonders seine Verwaltung

in Irland und seine ihm schnldgegebenen Bestrebungen, die Freiheiten England's umzustürzen. Die Verhandlungen währ­

ten achtzehn Tage, und Strafford vertheidigte sich mit der

ganzen siegreichen Gewalt des Genies, so daß Alle mit wenigen Ausnahmen von seiner Unschuld überzeugt waren und voll Neue

und Mitleid dasaßen. Dabei bewunderte man den Adel seines Wesens, die Würde, die Anmuth, die Bescheidenheit, mit derer auftrat.

Aber das ominöse Toben und Heulen von 6000

90 banditenartig bewaffneten Vaterlandsfreunden, die täglich

Westminsterhall umlagerten, schüchterte die Lords ein und sie verurteilten Strafford endlich gegen Ueberzeugung und Ge­ wissen.

Karl I. spielte in dieser ganzen Angelegenheit die

kläglichste Nolle, und war unköniglich genug, auf Strafford's eigne Bitte das Todesurtheil zu bestätigen.

mit Würde und Hoheit.

Strafford starb

Die Menge der Zuschauer soll sieb

auf 100,000 Personen belaufen haben.

Er war in seinem

Leben gegen Jedermann freundlich und herablassend, gegen

seine Freunde hingebend und.liebevoll, hatte aber im Grunde, wie alle Charaktere von geistigem Uebergewichtund energischem

Gepräge, etwas Jmponirendes, Stolzes, Kaltes.

Karl II.

brachte sein Andenken wieder zu Ehren und stellte die Familie

in ihren Rechten und Würden wieder her. Siehe David Hume: The History of England. Vol. V.

London, Longman re. 1848.

Desgleichen Lingard: Histon­

es England. Vol. VII. Chapter VI. Ein wüst Geschlecht, voll Bosheit, Lug und Trug! Als Friedrich der Große in einer Unterredung mit Sul­

ger fragte, wie es mit den unter seiner Leitung stehenden Schulen gehe? antwortete Jener: „Seitdem man auf

Rousseau's Grundsatz, daß der Mensch von Natur gut sei,

fortgebaut habe, fange es an, besser zu gehen." „Ah, sagte

der König, mon eher Sulzer, vous ne connaissez pas assez cette maudite race, ä laquelle nous appartenons “ I. D.

E. Preuß, Friedrich der Große, Band IV. 221. Berlin, 1834.

91

Doch, Stasford, fast vergessen hätt' ich dein — England litt noch so sehr an den Nachwehen des Bürger­ krieges und den puritanischen Geistesverzückungen, daß jedes

Gerücht, welches den Normalzustand, zu dem es unter Karl II. zurückgekehrt war, zu gefährdender in Frage zu stellen drohte,

das ganze Land in eine fieberhafte Aufregung versetzte.

Der

klare unbefangene Blick, der gesunde praktische Sinn der Eng­ länder, ja, Urtheil und Vernunft waren so sehr aus dem Gleichgewichte gerathen, daß das handgreifliche Mährchen

eines speculativen Bösewichts vielen edlen und unbescholtenen Katholiken das Leben kostete und ganz England mit Angst und Schrecken erfüllte.

Im August 1678 entdeckte nämlich Titus

Oates der Negierung jene furchtbare Verschwörung, die unter dem Namen The Popish Plot in der englischen Geschichte so

bekannt ist, und die darin bestehen sollte, daß der Papst bei der Ketzerei des Königs und des Volkes die Souverainetät von

England an sich genommen, alle Protestanten dem Untergange geweiht habe, England znm Katholicismus zurückführen wolle,

und daß Spanien und Frankreich mit Heeresmacht und in Verbindung mit allen Katholiken in England die Pläne des

Papstes zu verwirklichen in Begriff ständen.

Karl II. begriff

vollkommen das Widersinnige und Lächerliche dieser Erfindung; aber die Wogen der Leidenschaft gingen so hoch über ganz

England hin, daß es dem Könige bedenklich und gefährlich er­ scheinen mußte, ihnen einen Damm entgegenzusetzen. Zu den

Opfern des „Popish Plot“ gehörte auch Lord Stafford, ein

92 edler, aber geistig harmloser Mann, der durch die Schwächen und Gebrechen des Alters niedergebeugt, nicht einmal im

Stande gewesen wäre, die Nolle, die ihm zugetheilt wurde, zn spielen. (*r wurde aber gleichwohl bei der allgemeinen Berblenduna verurtheilt und am 29. Dec. 1680 hingerichtet. Siehe David Hnme: History of England. Vol. II. Des­ gleichen Lingard : History of England. Vol. IX. Chap. VI. Uebrigens ruhen weder Stafford nach Strafford in Westmin­

ster-Abtei, sondern nur die Gemahlin des Ersteren hat dort ihre Grabstätte gefunden und vermittelt die Anknüpfung.

Einst gingst auch du gebrochen hier zu Ruh, Held Oliver — Oliver Cromwell, am 24. April 1699 geboren, stammte

von einem jüngeren Zweige jener alten und angesehenen Familie der Cromwell's in Huntingdonshire ab, welche durch jene Grafschaft und den ganzen Fenn-District weit verbreitet ist.

Er zeichnete sich als Kind, als Knabe, als Jüngling

durch feine hervorragende Eigenschaften des Geistes aus. Auf der Universität Cambridge lag er nicht den Studien ob, sondern zerrüttete durch Ausschweifungen sein Nervensystem, verfiel in Folge dessen in Melancholie und quälte sich nach der Art

mancher jungen Männer zwischen 20—30 mit Sterbegedanken, so daß er oft um Mitternacht den Arzt rufen ließ. Zwei Jahre hindurch litt er an Geistesstörungen. Nach seiner Wiederher­

stellung gewann eine schwärmerisch religiöse Richtung in ihm die Oberhand, er sah sich an als ein auserwähltes Gesäß

93 Gottes.

Er schloß sich den Puritanern an, deren Bestreben

dahin ging, den Despotismus in Staat und Kirche zu brechen.

Er wurde 1640 von Cambridge in beide durch Karl I. berufene Parlamente gewählt.

Obwohl bäurisch und linkisch und von

rauher Stimme, imponirte er doch, so oft er sprach, durch die

Energie und die Unbeugsamkeil seines Charakters.

Bei dem

Ausbruche des Krieges zwischen dem König und dem Parla­

mente unternahm er die Bildung eines Neitercorps, ging Allen in der Erlernung des Dienstes und der strengsten Disciplin mit seinem Beispiele voran. Dem Corporations-Geiste des Adels im Heere des Königs wußte er durch religiöse Schwärmerei,

Bußübungen und Andacht zu begegnen und in dem Volksheere

den Glauben an seine göttliche Sendung und den Schutz des

Herren zu wecken und zu befestigen. Durch die Siege bei Horncastle und Marstonmoor Oct. und Juni 1644 begründete er seine kriegerische Befähigung , seine Reiterei erfocht überall glänzende Erfolge. Als die Puritaner zu einer Versöhnung mit dem Könige neigten, schlug er sich zu den Independenten,

die sich die Aufgabe gestellt hatten, jeden Zwang des Glaubens und der weltlichen Macht zu vernichten, die Standeöunterscbiede

aufzuheben und das Reich Christi vorzubereiten. Die Unter­ handlungen mit dem Könige mißlangen, im April 1645 kam es auf's neue zum Kriege und am 13. Juni wurde der König

von Cromwell bei Naseby so gänzlich geschlagen, daß er im Frühjahr 1646 zu den Schotten floh, die ihn im Januar 1647 für 400,000 £ an das Parlament auslieferten. Um die An­

bahnung des Friedens zu ermöglichen, wollte das Parlament

94 das Indep endenten-Heer von 22,000 Mann auflösen, Crom­

well wußte dies auf ränkevolle Weise zu vereiteln.

Er be­

handelte den König jetzt mit großer Auszeichnung, gewährte

ihm die rücksichtsvollste Freiheit und Aufmerksanckeit und unter­

handelte mit ihm über die Bedingungen seiner Wiederher­ stellung.

Das Heer gerieth in Besorgniß und Angst über den

Abfall seines Feldherrn, als Ireton, Cromwell's Schwieger­ sohn, diesem die schriftlichen Beweise von des Königs Doppel­

züngigkeit und Treulosigkeit lieferte und Cromwell die Gefahr zeigte, in welcher er selber schwebte. Die Osficiere glaubten ihre eigne Sicherheit unverträglich mit dem Leben des Königs,

die Gründe für den gerechten Tod desselben wurden aus der

Bibel beigebracht. Cromwell betrieb den Proceß des gefallenen Monarchen mit berechneter Heuchelei und herzloser Grausam­

keit; der König dagegen zeigte eine Duldsamkeit, eine Würde und Hoheit, eine Majestät des Unglücks, die noch heute ergreift und zuThränen rühren kann.

Seine letzten Augenblicke, und

die Art, wie er am 30. Januar 1649 in den Tod ging, haben

über sein Andenken einen Glanz der Verklärung verbreitet, vor dem die Fehler und Sünden seiner Negierung abgeblaßt zurück­

treten.

Cromwell erklomm jetzt mit jener kalten und ruhigen

Berechnung, die allen seinen Handlungen zu Grunde lagen,

eine Stufe der Macht nach der andern, bis er mit mehr als königlicher Gewalt als Lord Protector der drei Königreiche dastand und das Ziel seines Ehrgeizes erreicht hatte.

Den

Anfstand Jrland's gegen die Republik unter Ormond schlug er

mit unerhörter Grausamkeit zu Boden, 1649—10. Mai 1630.

95 Die Schotten'hatten inzwischen Karl II. als ihrenKönig aus Frankreich herübergerufen und unter Leven und David Leslie

ein Heer von 30,000 Mann zum Sturze der Republik zu­ sammengebracht.

Cromwell, ernt 26. Juni zum alleinigen

Feldherrn sämmtlicher Parlamentsstreitkräfte ernannt, über­

schritt am 16. Juli mit 16,oco Veteranen den Tweed und schlug nach langen vergeblichen Versuchen, den Feind zum

Kampfe zu bringen, die Schotten am 3. September bei Dun­ bar, wo sie3000Todte, 10,000Gefangene, dieArtillerie und sämmtliches Heergeräth verloren. Cromwell spielte das de­

müthige Rüstzeug des Herren und den vollendeten Heiligen

nach diesem glänzenden Siege in Schottland, er sang Psalmen, predigte und legte seinem Heere die Schrift aus. Da Schott­

land für Karl II. verloren war, so fiel er am 31. Juli 1631 in England ein und rief dort die Anhänger seines Hauses zu

seinen Fahnen.

Nur Wenige erschienen.

So erreichte er

Worcester mit etwa 14—16,000 Mann. Cromwell, betreten und überrascht, sandte ihm Lambert und Harrison nach, um ihn zu beobachten und zu beschäftigen. Das Parlament ge-

rieth in Angst und Schrecken.

Am 28. August traf Cromwell

mit dem Hauptheer ein und wurde mit Begeisterung empfangen. Er verlegte die Entscheidung auf den 3. September, den Tag von Dunbar und vernichtete an demselben bei Worcester die Armee und die Hoffnungen Karl's II. nach einem blutigen und

hartnäckigen Kampfe.

Der Aberglaube ließ in der Schlacht

bei Worcester den Teufel an Cromwell's Seite fechten.

glänzende Aufgabe für den Maler.

Eine

Von jetzt an blieb die

96 Republik und die Macht Cromwell's im Felde'bis zu seinem

Tode unangefochten.

Derselbe Mann, der die Waffen gegen

Karl I. ergriffen batte, um die Freiheiten der Engländer zu vertheidigen und aufrecht zu halten, trug kein Bedenken, die­ selben Freiheiten unter die Füße zu treten, so oft Rachsucht oder

Eigennutz in's Spiel kamen.

Er lös'te jedes Parlament unter

seiner Regierung, weil es in Opposition gegen ihn trat, ohne

Recht und Gesetz gewaltsam auf.

Seine Freiheit war ein

Regiment der Selbstsucht und des Säbels; wenn überall ein so religiösverschrobener Kopf fähig gewesen wäre, ein gesundes

großartiges Staatsgebäude zu schaffen, es fehlte ihm dazu der freie Blick und die Hoheit des Geistes. Die Träger seiner Macht waren seine Creaturen. Seine Politik nach Außen stellte das gesunkene Ansehn Englands in Europa wieder her. Die Königskrone, die ihm auf sein Anstiften vom Parlamente

angetragcn wurde, wies er zurück im Mai 1637 aus Furcht vor dem Heere und dem Abfall seiner getreuesten Anhänger,

ja, seiner eignen Familie.

Seine Religiösität war keine Heuchelei; aber er scheint das Verhältniß, in welchem er zu Gott zu stehen glaubte, so be­

trachtet zu haben, als könne Gott ohne Oliver Cromwell nicht bestehen, daher die Zuversicht, mit der er z. B. bei Dunbar

in die Schlacht ging.

Wie die meisten Frömmler, so war

auch er uucmpfäuglich für Kunst und Wissenschaft, für die er nichts gethan hat. Die Opposition, die sein Regiment in ganz

England nach und nach wach rief, brach ihn körperlich und geistig. Dazu kam der Tod seiner Lieblingstochter Elisabeth

97 Claypole den 6. August 1638. Gewissensbisse über die Hand­

lungen seines Lebens scheint er nicht gekannt zu haben; der

Tod Karl's I. lastete zu feiner Zeit auf seiner Seele.

Seine

letzte Krankheit und sein Tod bieten nichts dar, was ihn über

andre Sterbliche erhübe; als der Tod bereits an ihn hinan­ trat, hielt er sich für einen Genesenden.

Den 30. August

furchtbarer Sturm, den der Aberglaube zwiefach auf den Tod

Cromwell's deutete.

Er starb an dem Tage seiner Siege

von Dunbar und Worcester den 3. Sept. 1638 zuWhitehall, und wurde feierlich in Westminster-Abtei bestattet. Er wurde 39 Jahre alt, war von kräftigem Körperbau, von männlichem,

aber nicht angenehmem Aeußern.

Am 30. Januar 1661 am

Todestage Karl's I. wurde seine Leiche auf Befehl beider Häuser

und unter Genehmigung Karl's II. aus Westminster-Abtei ge­ holt, von dem Henker nach Tyburn geschleift, an den Galgen gehängt, am Abend abgeschnitten, enthauptet und sein Kopf

vor Westminster-Hall aufgepflanzt. Vergleiche John Lingard: The History of England, Vol. VIII. und David Hume:

The History of England, Vol. V. London, Longman, 1848.

Aus dem Palast hinein in's enge Haus — Siehe Goethe's Faust, beide Theile in einem Bande. Stuttgart und Tübingen. 1843. S. 443. Des ersten Tudor's prangende Kapelle —

Owen-ap-Tudor, — ein Abkömmling von Cadwallader, dem letzten Könige der Briten, wie Heinrich VII. es gern 7

98 hörte —vermählte sich im Jahre 1422 mit Katharina, TochterKarl's VI. von Frankreich und Witwe Heinrich's V. von Eng­

land, und zeugte mit ihr drei Söhne, von denen Edmund, zum Grafen von Richmond erhoben, Margarethe von Beaufort, die

Erbin des Hauses Lancaster, heirathete. Heinrich Tudor, Graf

von Richmond, Sohn Edmund's und Margarethen's, erbte somit die Ansprüche seiner Mutter auf die Krone. Nach der

Schlacht von Bosworth, in welcher Richard III. am 22. Aug. 1485 fiel, bestieg er als Heinrich VII. und erster Tudor den eng­

lischen Thron und endigte durch feine Vermählung mit Elisa­ beth, Tochter Edward's IV., die langen und blutigen Kriege der rothen und weißen Rose. Sämmtliche Tudors, mit Aus­

nahme Heinrich's VIII., haben ihre Gräber in Westminster,

nämlich Heinrich VII., Edward VI., Marie und Elisabeth.

Wer sucht von Fothcringhay hier Marie — Nachdem Maria Stuart am 8. Februar 1487 zu Fothe-

ringhay war enthauptet worden, schritt man noch denselben Tag zur Einbalsamirnng des Körpers, der dann in Blei ein­ geschlagen und sechs Monate in demselben Zimmer anfbewahrt

wurde.

Den 1. August ließ Elisabeth die Leiche mit könig­

lichem Pompe in der Abtei-Kirche zu Peterborough beisetzen,

dem Grabe Katharinen's, der Gemahlin Heinrich's VIII. ge­ genüber, und 25Jahre später, den 11. October 1612, wurde sie auf Befehl Jacob's nachlWestminster-Abtei versetzt. Lingard: History of England. Vol. VI. p. 468.

Jacob, der

99 Sohn Maria Stuart's, errichtete der Königin Elisabeth auch das Grabdenkmal in Westminster.

Mein ist die Rache des Neoptolem! Es geschah nämlich dem Neoptolemos, Achilleus'Sohn, der den Priamos am Herde des Zeus Herkeios getödtet hatte,

daß er ebenfalls zu Delphoi am Altare des Apollon ermordet

wurde, und davon nennt man, wenn Einer erleiden muß, wie

auch er gethan, Solches die Neoptolemische Wiedervergeltung. Pausanias, Messenika IV. 17. E. Wiedasch.

Wenn Lieb' im Lenz zum Fluch der Liebe wird — Den 13. Mai 1367 ward Maria Stuart mit Bothwell vermählt, ein Ehebündniß, dem man in jeder Hinsicht Un­ glück weissagen konnte, ohne zu dem Volksaberglauben Zu­ flucht zu nehmen, den die Schotten den alten Classikern ent­ lehnt haben, daß Ehen, im Mai geschlossen, unheilbringend

seien. W. Scott's Geschichte von Schottland, 28. Kapitel.

Longwood und Tutbury. Longwood, Napoleon's Gefängniß auf St. Helena. Eli­

sabeth ließ Maria Stuart von einem festen Schlosse zum andern bringen, nach Bolton, Sheffield, Tutbury und endlich nach

Fotheringhay; in Tutbury wurde sie am längsten gefangen gehalten.

100

Zeus Xenios. Zeus als Beschützer und Rächer der 'Gastfreundschaft.

Als solcher Hatteer eine Bildsäule zu Sparta da, wo dieLacedämonier die gemeinschaftlichen Mahlzeiten hielten.

Schaut hin, und seht sie starren Angesichts — Elisabeth hielt während ihrer glänzenden und langen Laufbahn beständig die Blicke Europa's auf sich gerichtet, sie war bestimmt den Abend ihres Lebens in Kummer und Gram zu beschließen.

Was sie von den Schwächen und Gebrechen

des Körpers zu leiden hatte, konnte dem Alter zur Last gelegt werden, ihre Seelenleiden werden von den Geschichtschreibern

dem Schmerze der Uebereilung zugeschrieben, mit welcher sie

die Hinrichtung ihres Lieblings und Günstlings, des schönen und ritterlichen Grafen von Essex befahl, und das Haupt, das sie tausendmal liebend geküßt hatte, am 23. Februar 1601 auf

Towerhill unter dem Beile des Henkers fallen ließ und zwar zunächst wegen eines Aufstandes, den er in London zur Ent­ fernung seiner Feinde im Räthe der Königin zu erregen ver­ sucht hatte. Er war 20, als er ihr Liebling wurde und er starb 33 Jahre alt. Seine Feinde und Neider waren eben so zahlreiches erbittert; denn es strebten Viele nach der Gunst der „jungfräulichen" Königin und ihrer „göttlichen Schönheit";

aber der Stiefsohn Leicester's imponirte ihr vorAllen durch sein

offenes, kühnes, ritterliches Wesen. Ob nun der Schmerz über seinen Tod und die Erinnerung an die Stunden der Liebe, die

101 sie mit ihm verlebt, den sie selber unterrichtet und gebildet hatte.

Tag und Nacht ihren Augen Thränen erpreßten, oder ob die

Gründe dafür in dem Zustande ihres Körpers lagen, der mit raschen Schritten der Auflösung entgegenging, so steht doch so viel fest, daß sie nach Essex'Tode jene stolze Haltung des Geistes

verlor, die ihr bis dahin eigen gewesen.

Seit dem 31. Ja­

nuar 1603 wurde ihr Zustand immer bedenklicher, sie wies jeden ärztlichen Beistand zurück. In den Paroxysmen ihrer Krank­

heit wurde sie durch die schrecklichen Phantome, welche ihre Phantasie heraufbeschwor, geängstigt. Zuletztweigerte sie sick­ hartnäckig in ihr Bett zurückzukehren, saß Tag und Nacht in

Kissen gepackt auf einem Teppich, den Finger in dem Mund, das Auge starr zu Boden gerichtet, selten sprechend und jede Nahrung von sich weisend. Sie behandelte alle ihre Räthe mit der gründlichsten Verachtung, nur der Lord Admiral Henry

Howard machte davon eine Ausnahme, weil er ihr Blutsver­ wandter war, von ihm nahm sie eineTasseBeuillon.

Als er

sie flehend bat, sich zu Bette zu begeben, antwortete sie: „Wenn

Ihr gesehen hättet, was ich dort sah, Ihr würdet niemals eine solche Bitte an mich richten." Auf Cecil's Frage, ob sie Geister gesehen hätte, entgegnete sie, es sei das eine müßige Frage und unter ihrer Würde darauf zu antworten. Als Cecil dringender

wurde und zu ihr sagte: Aber Ihre Majestät müssen zu Bette

geheu, uud wäre es auch nur, um die Wünsche Ihres Volkes zu befriedigen! da fuhr sie auf: „Müssen? ist das ein Wort, das man an Fürsten zu richten wagen darf? Kleiner Mann, kleiner

Mann, dein Vater, wenn er noch am Leben wäre, hätte es nicht

102 wagen dürfen, mir gegenüber ein solches Wort zu gebrauchen, aber du bist keck und verwegen geworden, weil du weißt, daß ich im Begriff bin zu sterben."

Nachdem sie alle Andern hatte

abtreten lassen, rief sie den Lord Admiral zu sich und in einem kläglichen Tone sagte sie zu ihm: „My Lord, ich bin gefesselt

mit einem eisernen Ning um meinen Hals!" Als er sie zu trösten suchte, erwiderte sie: „Nein, nein, ich bin gefesselt, und meine Angelegenheiten haben eine andre Wendung ge-

uommen." Am 24. März lag siebewußtlos da und um 3Uhr des Morgens nahm sie ein ruhiges Ende. Sie starb zu Rich­ mond in dem 70. Jahre ihres Lebens und in dem 43. ihrer Regierung. Ihr Körper wurde einbalsamirt, in Blei geschlagen

und vonRichmond zu Wasser nach dem Palaste von Whitehall

gebracht und schließlich am 28. April 1603 in feierlicher Procession und unter einem Gefolge von 1600 Leidtragenden zu Westminster in der Kapelle Heinrich's VII. beigesetzt. Bergl.

Lingard : The History of England. Vol. VI.; desgl. Hume a. a. O. Vol. IV.

Saß Pindar nicht in Delphi's Heiligthmne — Pindaros, der größte lyrische Dichter des griechischen Alter­ thums, war der Sohn des Dasphantos und derKleidike, 522

geboren, in Böotien, im Gebiete von Theben, starb er 80 Jahre alt 442 vor Christi. Er widmete der Stadt Athen, der Bor­ kämpferin im Perserkriege, ein begeistertes Lob in einem Dithy­

rambus, welcher beginnt: Glänzendes- veilchenbekränztes, ge­ sangreiches, ruhmvolles Athen, Schutz und Schirm von

103 Griechenland, dn göttliche Stadt! Seine Mitbürger von The­ ben bestraften ihn dafür mit 1000 Drachmen, aber die Athener

vergüteten ihm das Zwiefache der Geldbuße, ernannten ihn zu

ihrem Staatsgastfreund und so oft er nach Athen kam, wurde er auf Kosten des Staats bewirthet.

Später setzten sie ihm zu

Ehren eine ehrne Bildsäule vor der köuiglichen Halle: da saß er in einem weiten Mantel, die Lyra in der Hand, auf dem

Haupte ein Diadem und auf den Knien ein aufgeschlagenes Buch.

Der Delphi'sche Gott wies dem gottgeweihten Sänger

in seinem heiligen Tempel nicht weit von dem Opferherde, wo einst ein Priester den Sohn des Achilleus erschlageu hatte,

einen ehrnen Sessel an, worauf er, so oft er nach Delphi kam,

seine dem Apollon geweihten Lieder zu singen pflegte.

Er

wurde regelmäßig von der Pythia zu den dortigen Götter­ mahlen berufen, um dabei seinen Antheil zu empfangen von allen Gaben, die dem Gotte dargebracht wurden. Sein Tod entsprach seinem Leben. Sanft und schmerzlos entschlief er, 80 Jahre alt, in den Armen eines geliebten Jünglings Theoxenos

im Theater zu Argos.

Seine Töchter Eumetis und Protomache

und sein Sohn Daiphantos brachten seine Asche nach Theben zurück, wo ihm ein schönes Denkmal errichtet wurde. G. Lud­ wig : Pindar's Siegsgesänge, Stuttgart, 1836 und Pau­

sanias , IX. 22—23. X. 24.

Dort aber ruht ein andres Frauenbild — Die Königin Marie, welche in der englischen Geschichte

den Namen bloody Mary, die blutige Marie führt, wurde

104 den 11- Februar 1515 geboren, gelangte nach demTode ihres

Bruders Edward VI. den 6. Juli 1553 auf den Thron und

starb nach einer fünfjährigen Negierung den 17. November 1558, zwei und fünfzig Jahr alt, im Palast St. James. Sie war die Tochter König Heinrich's VIII. und Katharina's

von Aragonien.

Bon ihrer unglücklichen Mutter in den

Grundsätzen der katholischen Religion erzogen, die in Spa­ nien einen so finsteren,‘ intoleranten und blutdürstigen Cha­ rakter angenommen hatte, hing sie an derselben um so inniger

und fester, als ihre Mutter und sie selber unter den refor­ matorischen Bestrebungen Heinrich's VIII. von den schmerz­ lichsten Kränkungen und Bedrückungen und von Leiden jeder

Art waren heimgesucht worden.

Bon dem Augenblicke ihrer

Thronbesteigung an begann die spanisch-katholische Glaubens­

reaction in England sich geltend zu machen, und die Königin Marie, deren Gemüth durch die langen Leiden und Zurück­ setzungen verbittert war, rächte die Unbilden und Kränkungen

der beiden voraufgegangenen Regierungen — Heinrich's VIII. und Edward's VI. — doppelt und dreifach an ihren ehe­ maligen Bedrängern.

Die äußere Erscheinung der Königin

hatte nichts weiblich Gewinnendes.

Sie war klein und

schmächtig, hager und unansehnlich von Gestalt; ihre schwarzen^stechenden Augen erfüllten Jeden mit Grauen, auf den sie gerichtet waren. Kummer und Sorgen hatten in ihrem Antlitz riefe Furchen zurückgelasseu.

Obwohl sie wüßte, daß die

junge, ebenso schöne als tugendhafte Lady Jane Gray, welche als einOpfer des Ehrgeizes und der Intriguen ihres Schwie-

105 gervaters Northumberland zehn Tage die Krone von England

getragen hatte, an ihrer Erhebung unschuldig war, so ließ sie dieselbe dennoch sammt deren Gemahl Dudley Gnilford den 8. Februar 1554 den Tod von Henkershand auf Towerhill sterben, ungerührt von Jugend und Schönheit, von Unschuld und Liebe, die umsonst in ihrem Herzen Mitleid und Er­

barmen wach zn rufen gesucht hatten.

Trotz der Abmahnun­

gen und der Antipathien des englischen Volkes vermählte sie

sich 39 Jahre alt unter der Entfaltung von außerordentlicher

Pracht den 25. Juli 1554 im Tom zu Winchester mit dem

zwölf Jahre jüngeren Philipp II. von Spanien.

Nach der

Art so ungleichalteriger Verbindungen hing sie an diesem Urbilde aller Tyrannen mit abgöttischer, lästig fallenderLiebe.

Sein Einfluß'trug nicht dazu bei, den Brand der Scheiter­

haufen in Smithfield zum Verlöschen zu bringen.

Die Zahl

aller Hinrichtungen in Glaubenssachen während ihrer kurzen Regierung wird von 300 bis auf 800 Personen beiderlei

Geschlechts angegeben, immerhin eine kleine Zahl, wenn wir sie gegen die 50,000 halten, die ihr Schwiegervater,

Kaiser Karl V. in den Niederlanden, dem Laude, in dem er

geboren und zum Theil seine Jugend verlebt hatte, aus gleichen Gründen demselben martervollen Tode überantwortete. Durch die spanische Heirath wurde England in den spanischen Krieg

hineingezogen, zu welchem Marie die erforderlichen Geld­

mittel durch erzwungene Anleihen und gewaltthätige Er­

pressungen herbei zu schaffen suchte, und in welchem den 8. Januar 1558Calais an denHerzog von Guise verloren ging,

106 nachdem es, 1347 von Edward III. erobert, über zwei Jahr­ hunderte im Besitze der Engländer gewesen war.

Getäuscht

in ihrer Hoffnung auf einen Thronerben, welche das Auftreten der Wassersucht ihr und ihrer Umgebung vorgespiegelt hatte,

trugen Sehnsucht und Aufregung um ihren von England lange abwesenden Gemahl, der Verlust von Calais, und das Be­

wußtsein des Hasses und der Verachtung, in denen sie bei dem größten Theile ihres Volkes stand, dazu bei, ihren ohne­ hin gebrechlichen Körper rasch dem Tode zu überliefern.

Während ihrer dreimonatlichen Krankheit erbaute sie Alle um sich her durch ihre Heiterkeit und Frömmigkeit und durch

ihre Ergebung in den Willen der Vorsehung. Sie wird von den

Geschichtsschreibern verschieden beurtheilt, jenachdem diese Protestanten, oder Katholiken sind.

Hume bezeichnet sie als

halsstarrig, bigott, gewaltthätig, grausam, boshaft, rach­

süchtig und tyrannisch.

Alles in ihrem Charakter zeugt von

einer schlechten Gemüthsart und von einem beschränkten

Verstände, und nach ihm besaß sie, außer daß sie aufrichtig

war, kaum eine andre Tugend; jedoch gab sie Beweise von Geistesstärke und Entschlossenheit, Eigenschaften, die in ihrer

Familie erblich gewesen zu sein scheinen.

Lingard, der Ka­

tholik, nimmt sie dagegen in Schutz, rühmt ihre Bildung, ihre Klugheit und ihren Verstand den gewandtesten Diplo­

maten gegenüber.

Sie verstand Italiänisch, sprach Fran­

zösisch und Spanisch, ja sogar mit Eleganz Lateinisch, d. h.

sie hatte, wie ihre Schwester Elisabeth, eine Art gelehrte Erziehuug erhalten, die indeß auf die eine, wie auf die andre

107 keine im höheren Sinn veredelnde, ideale Wirkung ausgeübt hatte. Schließlich meint Lingard, es sei mehr ihr Unglück als ihre Schuld, daß sie nicht erleuchteter^als die weisesten

ihrer Zeitgenossen gewesen.

Indeß welchen Maaßstab soll

die Beurtheilung an alle diejenigen legen, auf betreu derFluch

der Nachwelt ruht, wenn die fortgeschrittene Cultur den Grund zu all ihren Unthaten lediglich in dem Mangel einer gesunden, rein menschlichen Erziehung zu suchen hätte? Daß Kaiser-

Karl V.) Philipp II., die blutige Marie und Andre von der

Alles überragenden Höhe ihrer Lebensstellung sich in ihren Welt­

anschauungen nicht über den Horizont des bornirtestenPfaffenthums zu erheben vermochten, vielmehr die Ausgeburten infer­

nalischer Geister durch ihre Macht uud Gewalt Leben und Gestalt annehmen ließen, daß sie selber sich weiden konnten an den Qualen ihrer Mitmenschen: das eben macht sie so verabscheu­ ungswürdig , daß die Nachwelt sie ewig zu den schlimmsten

Feindendes mensch'.ichenGeschlechts zählen, sie verachten und bei ihrem Andenken sich kreuzen und segnen wird! Marie

Tudor wurde am 12. December 1538 in der Kapelle Hein­ richs VII. in der Westminster-Abtei beigesetzt, wo sie noch

gegenwärtig neben ihrer Schwester der Königin Elisabeth

ruht.

Vergleiche Lingard: History of England , Vol. V. ;

desgleichen Hume, Vol. III.

Wer einst bei Crecy, wer bei Poitiers — Crecy, ein kleiner Ort in der Grafschaft Ponthien, De­

partement der Somme, nördlich von Abbeville, zwischen dem

108 Flusse Maye zur Rechten und Wadicourt zur Linken.

Hier

fand am 26. August 13 iß zwischen Edward III. von England

und Philipp VI. von Frankreich jene berühmte Schlacht statt, in welcher eine Handvoll Engländer ein so glänzendes Heer

schlugen, wie Frankreich nur jemals eins aufzuweisen gehabt.

Ueber die Stärke der Franzosen schwankt die Angabe zwischen sechzig und hundertundzwanzig tausend Mann. Auf Seite der Franzosen nahmen der König Johann von Böhmen, sein Sohn

der römische König, und der König von Majorca an derselben Theil.

In dieser Schlacht bedienten sich die Engländer von

allen Europäern zuerst der Artillerie. Der Schwarze Prinz, der

sich hier nach seines Vaters Ausdruck die Sporen verdienen sollte, hatte eben sein fünfzehntes Jahr vollendet. Ueber 30,000 Todte bedeckten das Schlachtfeld, ohne die Ritter uud die Gefal­

lenen von hohem Range mitzuzählen, unter denen sich der blinde König Johann von Böhmen, der Herzog von Lothringen, die Brüder Philipp's VI. und der König von Majorca befanden.

Zur Erinnerung an diesen Sieg sind dem jedesmaligen Prinzen

von Wales das Motto : „Ich dien" und die drei Straußenfedern des Königs von Böhmen bis auf den heutigen Tag eigen­ thümlich.

Zehn Jahre später, am 19. September 1336, gewann der Schwarze Prinz ohne seinen Vater die ebenso denkwürdige Schlachtbei Poitiers, in welcher 12000 Engländer 60000 Fran­ zosen schlugen und den König Johann von Frankreich nach hel-

denmüthiger Gegenwehr gefangen nahmen. Wie in der Schlacht

durch seine Tapferkeit, so gewann der Schwarze Prinz nach der-

109 selben unsterblichen Ruhm durch die Hochherzigkeit seines Be­ nehmens gegen den gefangenen König von Frankreich, den er

tröstete und aufrichtete, und bei der Abendtafel, hinter seinem Sessel stehend, eigenhändig bediente, dem Unglück und der Majestät gegenüber ganz Hingebung und Demuth. Bei seinem Einzuge in London ritt König Johann ein milchweißes Roß

von großer Schönheit und prachtvoll aufgeschirrt, während der Schwarze Prinz auf einem kleinen Pony ohne alle Auszeichnung neben ihm ritt. Vergleiche David Hume: History of England. Vol. II.

Desgl. Lingard: History of England. Vol. V. In dem herrlichen, im normannisch-gothischen Stile er­

bauten Dome zu Canterbury ist noch gegenwärtig das Grab­

mal des Schwarzen Prinzen zu sehen, der am 8. Juni 1376 starb. Edward III. dagegen ruht in der St. Edward's-Kapelle zu Westminster.

Doch ach, nun sang dein Mund vielleicht die Klage — Siehe Homer's Odyssee XI. V. 467.

Allnächtlich hin durch des Palastes Räume — Bald nach der Empörung des Erzbischofs Scrope ward Heinrich IV. von einem widrigen Aussatz im Gesicht befallen, was das Volk als eine Strafe des Himmels für den Tod jenes

Prälaten ansah. Epileptische Zufälle, deren Heftigkeit sich all­ mählich steigerte, führten ihn rasch dem Grabe zu. Die Aussicht

110 auf das nahe Schicksal, das seiner harrte, erinnerte ihn an die Mittel, durch welche er die Krone gewonnen^und an das Blut,

durch welches er sie behauptet. Er begann zuletzt an derUutrüglichkeit seines Lieblingsgrundsatzes zu zweifeln, daß der Er­

folg eines Unternehmens die Billigung des Himmels einschließe.

Eines Tages, als er nach einem heftigen epileptischen Anfalle wie todt dalag, ließ der Prinz von Wales (Heinrich V.) die

Krone, die dem Gebrauche gemäß auf einem Kissen neben seinem Bette lag, in ein anderes Zimmer tragen. Als der König wieder zu sich gekommen war, fragte er finster, wer die Krone hinweggenommen? Und aus die Auskunft der Wachen, ließ er den Prinzen sofort wieder zu sich bescheiden. Zufrieden­ gestellt durch des Prinzen Liebe und Gehorsam sagte er:

„Ach, lieber Sohn, welches Recht hast du an der Krone, wenn

du weißt, daß dein Vater keins hatte?" „Mein Gebieter," antwortete der junge Prinz, „mit dem Schwerte gewannt Ihr die Krone, und mit dem Schwerte will ich sie behaupten." Nach einer Pause sagte der König mit schwacher Stimme: „Thue, was dir als das Beste erscheint, ich überlasse den Ausgang Gott und hoffe, er wird meiner Seele gnädig sein." Vergleiche Lingard: History of England. Vol. III. 437.

Du Held von Azincourt ’ ' Heinrich V. benutzte die Zerrüttung, in die Frankreich unter dem geisteskranken Karl VI. gerathen war, um die An­

sprüche Edward's III. an Frankreich zu erneuern und geltend zu machen, landete den 14. August 1413 mit einemHerre von

111 30000 Mann, darunter 24000 Bogenschützen, in der Nähe von

Harfleur und nahm diese Festung anz 22. September. Die Be­

lagerung und Krankheiten hatten das Heer des Königs indeß so sehr geschwächt, daß an eine Fortsetzung seiner kriegerischen Unternehmung nicht zu denken war, er beschloß daher durch die Normandie, Picardie und Artois auf Calais zu maschiren

und dort sein Winterquartier zu nehmen. Auf dem Marsche dahin ward er beständig von einer Armee von mehr als 50000

Franzosen unter der Anführung des Connetable d' Albret ver­

folgt und in der Ebene von Azincourt eingeholt; dort legte die

ganze französische Armee sich ihm quer in den Weg. Heinrich V. war jetzt in einer eben so verzweifelten Lage, als Edward HI. bei Crecy, und der Schwarze Prinz bei Poitiers es nur ge­

wesen waren, und es blieb ibm, wie Jenen, nur die Wahl, ent­ weder zu siegen, oder rühmlos unterzugehen. Derselbe Hoch­ muth und Leichtsinn, dieselbe Verwegenheit und Tollkühnheit, welche damals die Franzosen vernichtet hatte, richtete sie auch

am 25. October 1415 bei Azincourt zu Grunde. Die Engländer waren kaum 14000 Mann stark.

Der König ritt an diesem

Tage ein stattliches graues Schlachtroß, er trug einen Helm

von polirtem Stahl und oben darauf eine Krone, deren Ju­ welen weithin leuchteten. Sein Waffenrock zeigte die Wappen

von England und Frankreich in Gold. Wiederholt in der größten Lebensgefahr, aber immerwiederherausgehauen, brach sich zuletzt der Herzog von Alenyon Bahn zu ihm, streckte mit einem Hiebe den Herzog von Jork zu Boden und spaltete mit dem zweiten Schlage die Krone auf des Königs Helm.

Alle

112 Schwerter waren in diesem Augenblick gegen ihn gehoben. Der Herzog, die Gefahr, in der er schwebte, erkennend, rief aus:

„Ich ergebe mich, ich bin Alenxon!" Der König streckte ab­

wehrend die Hand aus, aber der Herzog war schon gefallen, und mit seinem Tode die Schlacht gewonnen. Der Nerlust der Franzosen betrug 10,000 Todte und

14,000 Gefangene, darunter Viele vom höchsten Range. Nach der Schlacht ließ Heinrich V. den französischen Wappenkönig Montjoy zu sich rufen, und fragte ihn, wem der Sieg gebühre?

„Euch, Herr," erwiederte Montjoy.

Und wie heißt Ihr das

Schloß, das ich dort in einiger Entfernung sehe? fuhr der König fort. „Man heißt es das Schloß von Azinconrt," war die Antwort. Nun denn, begann der König wieder, so soll

diese Schlacht hinfort die Schlacht von Azinconrt genannt

werden.

Vergleiche Lingard: Ilistory of England,

Vol.

III. 494. Hume, Vol. II. 310.

Jung, wie der Lenz, wie Aphrodite schön — Katharina, die jüngste Tochter Karl's VI. von Frankreich. Sie war von außerordentlicher Schönheit, und als der König

sie eines Tages zufällig sah, war er von ihr so bezaubert, daß

er dem Herzog von Burgund schwur, sie solle die Seinige wer­ den, oder er wolle den König aus Frankreich und ihn aus sei­

nem Burgund treiben. Die Vermählung fand in der St. Katharinen-Kirche zu Troyes durch den Erzbischof von Sens statt. Ihr einziger Sohn aus der Ehe mit Heinrich V. war Heinrich VI. Nach dem frühzeitigen Tode ihres Gemahls am

113 31. August 1422 zu Vincennes bei Paris, vermählte sie sich mit Owen Tudor, einem wallisischeu Edelmann, der für den

schönsten Mann seiner Zeit galt, und wurde durch ihn die Stammmutter der Könige aus dem Hause Tudor. Sie war­ um 27. Oct. 1400 geboren und starb im Januar 1437. Als

ihr Enkel Heinrich VII. die Kapelle unserer lieben Frau Nie­ derreißen ließ, befand sich ihr Sarg in schadhaftem Zustande.

Heinrich ließ die Gebeine herausnehmen, und in einen Sarg legen neben dem Grabmale Heinrich's V. Hier sah man unter

Glas die mumienartig aufgetrocknete Gestalt der einst bild­ schönen Königin, bis dieses unheimliche Schauspiel von der Vergänglichkeit aller irdischen Größe imb Herrlichkeit den

Blicken der Neugierigen entzogen, und der Sarg im Decem­ ber 1776 in den Gewölben der Kapelle St. Nicolaus unter

dem Monumente Sir George Villiers beigesetzt wurde. Neale und Brayley: Westminster Abbey. Vol. II. 88 — 89.

Einst sangst du selbst hier in Westminster's Bau — Heinrich IV. hatte nach der Ermordung Nichard's II. dem voll ihm entthronten Könige am 12. März 1400 selber das

Leichenbegängniß gefeiert, mit welchen Gefühlen mag der Phantasie des Lesers überlassen bleiben; aber er hatte es nicht gewagt, den Todten iu^Westminster-Abtei und in feiner Nähe

ruhen zu lassen, sondern entfernte die Leiche nach Langley, der Lieblings-Residenz Nichard's II. Dort blieb sie bis zur Thron­ besteigung Heinrich's V., wo sie von diesem nach Westminster-

8

114 Abtei zurückgebracht und zum zweiten Male feierlich bestattet wurde.

Wie einst zu Pontefract in schnöder Haft Der zweite Richard aus der Welt gegangen Richard II. starb am St. Valentin'^ Tage zu PontefractCastle eines unnatürlichen Todes, darüber sind alle Geschicht­

schreiber einig, nur über die Art weichen sie ab.

Nach Wal-

singham hungerte er sich selber aus Gram zu Tode.

Nach

Stow wurde er 16 Tage und Nächte durch Hunger, Durst und

Kälte zu Tode gequält. Nach Fabian wurde er gewaltsam ermordet. Nachdem ihn sein Vetter, Heinrich von Bolingbroke, Herzog von Lancaster entthront und sich selber als Heinrich IV.

die Krone auf das Haupt gesetzt hatte, ließ er gegen Sir Piers de Exton einige dunkle Winke fallen, welche diesem genügten,

um mit 8 Gehülfen an die Ermordung Nichard's ll. zu gehen. Bei ihrem Eintritt in sein Zimmer erkannte der entthronte

Monarch die Gefahr, entriß einem der Mörder die Streitaxt und erschlug deren vier, als ihn Sir Piers de Exton mit einem Streiche ans den Kopf zuBoden streckte und ihn daun vollends des Lebens beraubte.

Heinrich IV. ließ die Leiche in der St.

Panl's Kathedrale zu London drei Tage öffentlich zur Schan stellen, der Kopf war bis zu den Augenbrauen verhüllt, und der einst bildschöne König bis znm Skelet herabgemagert. Bei

der späteren Eröffnung seines Grabes und der Untersuchung

des Schädels fand sich eineOeffnung am 0s tcmporis, die von

115 einem Schlage herrühren konnte. Siehe I. P. Neale, West-

niinster-Abbey. Vol. II. 105. Und mm dein Grab verstümmelt und beraubt —

Die schöne Katharina von Frankreich hatte den Sarg

ihres Gemahls mit einer liegenden Statue geschmückt, deren Kopf ans massivem Silber war, so wie auch die einzelnen Theile des Körpers in vergoldeten Silberplatten gearbeitet waren. Man hat Oliver Cromwell die Beraubung des Grabes zur Vast

gelegt, doch scheint dieselbe bereits unter Heinrich VIII. siattgefnnden zu haben.

Diodor von Sieilieu erzählt Buch XIII. Cap. 86, daß,

als die Feldherren der Karthager zur Aufführung eines Walles

gegen die Manern von Agrigent die Zerstörung der Gräber­

vornehmen ließen, bei dem Grabmale des Theron der Blitz unter die Arbeiter fuhr, daß sie betäubt auseinander stoben und die Seher dem Heere Finch und Verderben weissagten.

Wirk­

lich brach auch sogleich eine bösartige Seuche aus, die einen Theil des Heers und den Feldherrn Hauuibal hiuwegrafste, die

Ucbcrlebeudeu aber von ihrem gottlosen Vorhaben abzustehen zwang. Edward von 2)ork, du magst das Unglück höhnen —

Nach der Schlacht von Tewksbury am

4. März 1471

wurde der gefangene Prinz von Wales, SohnHeinrich's VI.,

vor Edward IV. gebracht, der ihn fragte, was ihn nach Eng­ land geführt? Der Prinz antwortete treffend und kühn: „Die

8*

116 Pflicht, die Krone meines Vaters und mein eignes Erbtheil zu

verfechten." Prinzen

Da beging Edward IV. die Barbarei, den jungen

von Wales mitdem Handschuh in das Gesicht zu

schlagen ; worauf die Herzöge von Clarence und Gloucester ihn

mit ihren Schwertern niederstießen. O Nemesis, du Marathonische Frau —

Ueber die Statue selber, die in einem Tempel in der Nähe des Meeres zu Rhamnus, etwa sechzig Stadien von Marathon

entfernt, stand, vergleiche Pausanias, Attila I

33 und

Winckelmann's sämmtliche Werke, Baud XI. Versuch einer Allegorie §. 340.

Das Sandbild der Nemesis. Als mit verheerendem Grimm die geheiligten Fluren von Hellas

PersischerHochmuth trat, drohend mit Banden der Schmach : Da ließ hinter sich her zu dem Siegsdenkmale der König Führen den Marmorblock, Parischer Brüche Gestein. Thor! Auf Salamis'Fluth, der unsterblichen, ward ihm das Denkmal,

Leuchtend mit ewigem Ruhm allem hellenischen Volk! Aber die Nemesis selbst, zu Marathon harrt sie des Marmors, Daß ihn in ihre Gestalt wandele Phidias' Hand!

F. W. 9ioMc. Da liegt er nun, der von dem Erntefeld — Der

hervorstechendste Zug in dem Charakter Hein-

rich's VII., geb. 1456, gest, den 21. April 1509, war eine uner^

117 sättliche Geldgier, von deren Befriedigung ihn keine Unehre und

keine Ungerechtigkeit zurückschreckten.

Als er jedoch dem letzten

unabwendbaren Acte der Natur und der grausigen Metamor­ phose immer näher rückte, da wurde ihm unheimlich zu Muthe.

Er ließ durch den Mund seiner Priester sich von dem ewigen Rich­ ter ein mildes und nachsichtiges Urtheil erflehen, denn seine Sunden und der ungerechte Mammon lasteten schwer ans seinem

Gewissen; um indeß ihrem Gebete mehr Nachdruck zn verleihen,

entschloß er sich mit schwerem Herzen dazu, dem Himmel einen Theil seiner erpreßten Schätze zmn Opfer zu bringen; daher

seine Stiftungen und Vermächtnisse.

Er beichtete gewissenhaft

und ließ sich absolviren; allein auch dies schien ihm noch keine genügende Bürgschaft zu gewähren , sondern um so sicher zu gehen als möglich, verordnete er in seinem Testamente, daß

10,000 Messen über seiner Leiche zum Heil seiner Seele und

zur Bergebung seiner Sünden gelesen werden sollten und zwar 1300 zur Ehre der Dreieinigkeit, 2500 zur Ehre der fünf Wunden Christi, 2500 zur Ehre der fünf Freuden der heiligen

Jungfrau Maria, 450 zur Ehre der nenn Classen^der Engel, 150 zur Ehre der Patriarchen, (»00 zur Ehre der zwölf Apostel, und 2300 zur Ehre aller Heiligen.

Siehe I. P. Neale, West­

minster-Abbey, Vol. I. 52 gegen Ende.

Ein Fürst, ein Marschall waren's, deutschen Bluts —

Nämlich Wilhelm von Oranien und der Marschall und

Herzog von Schömberg.

Friedrich Hermann von Schömberg,

118 aus einer edlen Familie der Pfalz stammend, wurde zu Heidel­

Seine Mutter war eine Englän­

berg im Jahre 1616 geboren. derin, Tochter Lord Dudley's.

Er diente als Soldat mit stei­

gendem Glücke in den Armeen von Holland ,Frankreich, Portu­ gal, Preußen und England.

Ludwig XIV. ernannte ihn für die

vielen ausgezeichneten Dienste, welche er ihm geleistet, zum Marschall von Frankreich, trotz dem, daß er Protestant war. Als Wilhelm von Oranicn seine Borbereitungen traf, England

von der Tyrannei Jaeob's II. zu erretten, da suchte er vorAllem den Marschall von Schömberg zu gewinnen, und es gelang ihm. Der Marschall war beim Ausbruch der Expedition im November 16S8 schon über sein siebzigstes Lebensjahr hinaus, aber körper­

lich noch ungebeugt, rüstig und leichtznNoß.

Er galt für den

größten damals lebenden Feldherrn. Aber er war nicht bloß ein großer und tapferer Soldat, sondern auch ein durch und durch

edler Mann, ein Protestant im schönsten Sinne des Wortes,

fromm, bieder, duldsam, treu, wohlwollend und dabeivon feinen

Sitten und angenehmem Wesen. Er fiel bei einem CavalerieAngriff gegen Jacob II. in der Schlacht an der Bohne, den

20. Juli 1690.

England hat seine Dienste reich belohnt. —

Vergleiche Th. B. Macaulay's Geschichte von England, deutsch von Wilh. Beseler. Braunschweig, 1834. Band IV. Seite 70

und 71. 106 u. a. Stellen. Desgl. T. Smollett: The History of England. London, Lougman, 1848. VoL I Chapt, II 75. u. d. f.

119 OTag des Ruhms, da Kaiser Heinrich's Braut — Am 7. Januar 1114 feierte Kaiser Heinrich V. zu Mainz

mit der größten Pracht und in Gegenwart sämmtlicher Fürsten des deutschen Reichs seine Vermählung mit Mathilde, der Tochter Heinrich'S I. von England, die bereits vor seinem R'ömerznge mit ihm verlobt und zur Königin gekrönt worden

war.

Bei ihrer Neberfahrt von England war Antwerpen die

erste deutsche Stadt, die sie betrat.

Siehe E. Gervais' Ge­

schichte Kaiser Heinrich's V. Seite 11 ß. Leipzig, 1841. Eben

daselbst traf auch am 15. Mai 1235 Isabella, Schwester Heinrich's III. von England, als Braut KaiserFriedrich'ö II.

ein.

Siehe Raumer's Geschichte der Hohenstaufen, Leipzig,

1824, Band III. S. 702.

Könnt' ich im Dome zu Palermo dich,

Den wilden Sprößling Barbarossa's wecken — Kaiser Heinrich VI. 1190 —28. Sept. 1197.

Richard

Löwenherz hatte nach der Uebergabe von Ptolemais die Fahne des Herzogs Leopold von Oesterreich, der Einer der Thätigsten bei der Belagerung gewesen war, gewaltthätig von dem Thurme seiner Wohnung heruntergerissen und in den Koth getreten und durch diese That ganz Deutschland beleidigt. Als Richard nun nach großen Mühseligkeiten und Gefahren über Deutschland nach England von seinem Kreuzzuge zurückkehren wollte, wurde

er am 21. December 1192 von Leopold von Oesterreich ge­ fangen genommen und nach Thierstein in Gewahrsam gebracht.

120 Aus die Kunde hievon erklärte jedoch Kaiser Heinrich VI., daß

es sich für einen Herzog nicht gezieme, einen König gefangen zn halten, ließ sich Richard Löwenherz ausliefern, ihn nach

Trifels bringen, äußerlich ehren, aber sonst strenge bewachen. Auf die wiederholten und dringenden Bitten des Papstes Cö­ lestin III. berief er endlich eine Reichsversammlung nach Hage­

nau und saß dort nach derAnsicht kaiserlicher, römisch-deutscher Weltherrschaft über den König zu Gericht und belegte ihn mit

einer Buße von 130,000 Mark für seinen Frevel ameinem deutschen Fürsten. seine Freiheit.

Erst im Februar 119'i erhielt der König

UnterHeinrich VI. gehörten noch Arles, Mar­

seille, Lyon, Provence n. s. w. zuM deutschen Reiche, und der Kaiser stand einen Augenblick im Begriff, Richard Löwenherz

damit zu belehnen. Dieser Kaiser, der Großes mit Deutschland im Sinne hatte, starb leider schon im 32. Jahre seines Alters

zu Messina in Folge eines kalten Trunkes ans der Jagd und

wurde im Dome zu Palermo, wo auch Kaiser Friedrich II. ruht, feierlich bestattet. Nach beinahe 600 Jahren öffnete man sein Grabmal, und der wohlerhaltene Leichnam sah noch immer finster und trotzig aus.

Siehe Friedrich Raumer: Geschichte

der Hohenstaufen, Band 3. Leipzig, 1K2-4.

Der stoisch nicht betrachtet Welt und Leben — Friedrich der Große fand Beruhigung in seiner Ungewiß­ heit über die Unsterblichkeit des Menschen in den Trostgründen, die er aus dem III. Buche des Lncrez schöpfte.

In ähnlicher

121 Weise äußert sich vor 1700 Jahren ein Römer über denselben

Gegenstand, indem er sagt: Nach dem Begräbniß schweift die abgeschiedene Seele

(Manes) bald hier bald da herum.

Es ist aber mit Allen

nach dem letzten Tag beschaffen, wie es vor dem ersten war.

Leib und Seele haben nach dem Tode eben so wenig Gefühl, als vor der Geburt.

Aber unsere Thorheit erstreckt sich auch

auf die Zukunft, und erlügt sich noch nach dem Tode ein Leben. Bald soll die Seele unsterblich sein, bald soll sie verwandelt

werden.

Bald giebt man den Begrabenen Bewußtsein, ver­

ehrt die abgeschiedenen Seelen, und macht die zu Göttern, die sogar anfgehört haben, Menschen zu sein, als ob die

Menschen anders athmeten, als die Thiere, oder als ob es nicht viele andere Dinge von längerer Dauer in der Welt gäbe,

denen doch Niemand die Unsterblichkeit prophezeit.

Was ist

das Wesen der Seele für sich betrachtet? Was für ein Stoff? Wo sitzt ihre Denkkraft? Wie siehet und hört sie? Wie fühlt

sie? Was nimmt sie vor? Oder was kann sie ohne dies Gutes genießen? Ferner: Was hat dieMeuge der seit so vielJahr-

hnnderten abgeschiedenen Seelen oder vielmehr Schatten für

einen Aufenthalt? Lauter Erdichtungen,

die nur kindischer

Unverstand und unersättliche Lebensgier ansbringen konnte. Eben so thöricht war das Versprechen des Demokrit von Er­

haltung und Wiederauslebung der Leiber; er lebte ja selbst

nicht wieder auf.

Welche Tollheit, mit dem Tode ein neues

Leben wieder anfangen zu wollen! Wann wird der Mensch Ruhe haben, wenn seine Seele in der Ober-und sein Schatten

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in der Unterwelt noch Empfindung hat? In der Tdat, diese süße Schwärmerei verdirbt nns das größte Gnt der Natnr, den Tod, nnd die bange Besorgniß in Absicht der Zukunft vervielfacht das Sterben. Denn wenn es zu leben angenehm ist, wem kann es, gelebt zn haben, angenehm sein? Wie viel leichter nnd sicherer ist es, sich selbst glauben und den Beweis für seine Ruhe ans dem, was man vor der Gebnrt war, her­ nehmen? Plinius, Naturgeschichte Buch VII. §. 56.