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German Pages XVI, 355 [376] Year 22
Ilias Triantafyllakis Haftung nach dem Bail-in-Instrument
Schriften zum Europäischen und Internationalen Privat-, Bank- und Wirtschaftsrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Horst Eidenmüller, LL.M. (Cambridge), München Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Berlin Professor Dr. Susanne Kalss, LL.M. (Florenz), Wien Professor Dr. Wolfgang Kerber, Marburg Professor Dr. Karl Riesenhuber, M.C.J. (Austin/Texas), Bochum Professor Dr. Heike Schweitzer, LL.M. (Yale), Berlin Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski, Berlin Professor Dr. Reinhard Singer, Berlin Professor Dr. Christine Windbichler, LL.M. (Berkeley), Berlin
EIW Band 63
Ilias Triantafyllakis
Haftung nach dem Bail-in-Instrument
Eine Untersuchung zum europäischen Bankenabwicklungsregime
Dr. iur. Ilias Triantafyllakis, LL.M. (Berlin). Dissertation Humboldt-Universität zu Berlin 2021
ISBN 978-3-11-075969-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076443-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-076452-9 Library of Congress Control Number: 2021946575 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Printing and binding: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Meinen Eltern und Berdice
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung konnten bis Mitte Januar 2021 berücksichtigt werden. Ganz besonderer Dank gebührt zunächst dem zu früh verstorbenen Professor Dr. Dr. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard), dessen Anregungen in Seminaren und privaten Gesprächen den Anstoß zur Erarbeitung dieses Themas gab. Seine tiefe Überzeugung von der Sinnhaftigkeit der Verbindung von Ökonomie und Recht und seine brennende Leidenschaft für die Thematik werden unvergessen bleiben. Mein herzlicher Dank gilt meinem Professor Dr. Christoph Paulus, LL.M. (Berkeley), der als Doktorvater im besten Sinne des Wortes nicht nur konstruktive Hinweise bei der Umfassung des Untersuchungsgegenstandes gab, sondern mich in herausragender Weise auch menschlich gefördert hat. Fü r seine wichtigen Hinweise, die Erstellung des Zweitgutachtens sowie die Aufnahme dieses Werkes in die von ihm herausgegebene Reihe bin ich Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley) außerordentlich dankbar. Danken möchte ich auch Herrn PD Dr. Kaspar Krolop fü r sein wertvolles Feedback und sein Mitwirken in der Prüfungskommission. Für ihren motivierenden Zuspruch und ihre Bekräftigung möchte ich an dieser Stelle auch meinen Freunden, allen voran Manug Atmacayan, meinen herzlichen Dank aussprechen. Gleiches gilt für Herrn RA Dr. Ioannis Linaritis, der fü r Fragen und Diskussionen immer zur Verfü gung stand. Mein grö ßter Dank gilt jedoch meiner Familie und vor allem meinen Eltern, Fani und Giorgos Triantafyllakis. Sie haben mir nicht nur meine breit angelegten Studien ermö glicht, sondern mich darü ber hinaus auf meinem bisherigen Lebensweg unterstü tzt und gefö rdert. Ohne ihren steten und bedingungslosen Rü ckhalt und Zuspruch, ihren Glauben an meinem Erfolg und ihre Liebe wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Nicht entstanden wäre diese Arbeit aber auch ohne die unaufhörliche Ermutigung und außerordentliche Geduld meiner Frau, Berdice Boudiaf, die wie eine ganz besondere Stütze die heiße Phase der Realisierung liebevoll begleitet hat. Auch ihr ist diese Arbeit herzlich gewidmet. Ihr und unserer neugeborenen Eleni werde ich von nun an all meine Zeit widmen. Berlin, Oktober 2021
https://doi.org/10.1515/9783110764437-001
Ilias Triantafyllakis
Inhalt Hinweise zur Zitierung
XIII
Abkürzungsverzeichnis
XV
1 Einleitung I. Hintergrund 1 II. Gegenstand und Gang der Untersuchung
3
Erster Abschnitt Ökonomisch-rechtliche Grundlagen 9 A. Ökonomische Vorüberlegungen I. Volkswirtschaftliche Besonderheiten von Banken 9 9 a) Finanzmärkte und Banken b) Banken als Finanzintermediäre 11 c) Banken als Geldschöpfer – Die Abhängigkeit von Zentralbanken 13 18 II. Rechtfertigung staatlicher Eingriffe a) Fragiles Geschäftsmodell 20 b) Externalitäten und Systemrisiko 21 24 c) Asymmetrische Informationsverteilung III. Grenzen hoheitlicher Eingriffe 25 a) Komplexität der Finanzordnung 26 27 b) Marktbereinigung – Moral Hazard c) Verteilungsgerechtigkeit 29 30 IV. Ergebnis B. Rechtliche Rahmenbedingungen 32 I. Vorgeschichte des heutigen Regimes 33 II. Reaktion auf die Finanzkrise – Paradigmenwechsel 36 a) Die nationalen Alleingänge 36 b) Initiativen auf internationaler Ebene 39 c) Entwicklungen auf europäischer Ebene 43 i) Lastenverteilung im europäischen Beihilferecht 46 ii) Harmonisiertes Bankenabwicklungsrecht 48 III. Der Quantensprung – Aufbau der Bankenunion 51 a) Einheitliche Bankenaufsicht 54
X
Inhalt
b) c) IV. Der a) b)
V.
Einheitliche Bankenabwicklung 63 71 (Un‐)einheitliche Einlagensicherung neue Ansatz: Bail-in 73 Abwicklungsziele und -grundsätze 75 Die Anwendung des Bail-in-Instruments 77 82 i) Bail-in-fähige Verbindlichkeiten ii) Abgrenzung zu sonstigen Abschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen 82 iii) Gruppenproblematik 85 Ergebnis 88
Zweiter Abschnitt Der Bail-in-Haftungstatbestand 93 A. Haftungsvoraussetzungen 97 I. Ausfall oder drohender Ausfall eines Instituts a) Überschuldung 98 b) Zahlungsunfähigkeit 104 c) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen 108 111 d) Unterstützung durch staatliche Mittel II. Subsidiarität 115 a) Sanierungsmaßnahmen des privaten Sektors 116 117 i) Auf der Passivseite ii) Auf der Aktivseite 120 b) Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines 121 Institutssicherungssystems c) Aufsichtsbehördliche Sanierungsmaßnahmen 122 123 III. Öffentliches Interesse IV. Ergebnis 128 B. Haftungsausschlüsse 131 I. Einzelfallunabhängige Ausschlüsse 131 a) Zur Verhinderung von Bankruns bzw Ansteckungseffekten i) Gedeckte Einlagen 132 ii) Verbindlichkeiten gegenüber Einlagensicherungssystemen 134 iii) Inter-Bankverbindlichkeiten 135 iv) Verbindlichkeiten gegenüber Systemen oder Systembetreibern 136
132
Inhalt
b) Zur Wahrung kritischer Funktionen 138 i) Verbindlichkeiten aus dem alltäglichen 138 Geschäftsbetrieb ii) Intra-Bankverbindlichkeiten 139 c) Zum Gleichlauf mit dem Insolvenzrecht 139 140 i) Besicherte Verbindlichkeiten ii) Insolvenzgeschützte Kundenverbindlichkeiten 143 144 iii) Insolvenzgeschützte Treuhandverbindlichkeiten iv) Verbindlichkeiten gegenüber Steuer- und Sozialversicherungsbehörden 146 146 II. Ermessensgeleitete Ausschlüsse a) Wegen zeitlicher Unmöglichkeit 150 i) Angemessene Frist 150 151 ii) Rechtliche Unmöglichkeit iii) Praktische Unmöglichkeit 155 b) Zur Aufrechterhaltung kritischer Funktionen und 161 Kerngeschä ftsbereiche i) Identifizierung 162 ii) Schutzbedürftigkeit 167 iii) Zwingende Erforderlichkeit und Angemessenheit 173 176 c) Zur Vermeidung einer ausgedehnten Ansteckung i) Direkte Ansteckung 178 ii) Indirekte Ansteckung 179 181 iii) Zwingende Erforderlichkeit und Angemessenheit d) Zur Verhinderung einer Wertminderung 182 i) Derivate 184 III. Verlustabsorptionskapazität 185 a Der TLAC-Standard 186 b Die MREL-Quote 193 c Harmonisierung beider Ansätze 197 i Errechnung der Mindestanforderungen 200 ii Trichotomie des Adressatenkreises 204 iii Anrechnungskriterien 206 IV. Ergebnis 209 C. Haftungsschranken 213 I. Bewertung 214 a) Festlegung des Mindestumfangs 214 b) Festlegung der Umwandlungsquote 221 c) No-creditor-worse-off-Grundsatz 222
XI
XII
Inhalt
II. Haftungskaskade 229 232 III. Par-condicio-creditorum-Grundsatz IV. Kleinanlegerschutz 234 a) Die Suche nach dem idealen Bail-in-Investor 237 b) Veräußerungsbeschränkungen im Retail-Geschäft 239 244 VII. Ergebnis
Dritter Abschnitt Finanzierungs- und Liquiditätsfragen im Zusammenhang mit einem Bail-in A. Die Beteiligung von Einlagensicherungssystemen B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds I. Die nationalen Abwicklungsfonds II. Der SRF 265
252
258 259
274 C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten I. Staatliche Stabilisierungsinstrumente 274 II. Außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln 276 a) Staatliche Garantien für Liquiditätshilfe durch 276 Zentralbanken b) Staatliche Garantien für neu emittierte Verbindlichkeiten 280 c) Vorsorgliche Rekapitalisierung D. Der ESM als supranationaler Backstop 292 I. Direkte Rekapitalisierung II. Common Backstop 295
287
E.
Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken 301 I. Reguläre Liquiditä tsprogramme 303 II. Notfall-Liquiditätshilfe (ELA) 305 i) Tauglichkeit der ELA als Liquiditätsfazilität im Abwicklugsverfahren 310 ii) Reformansätze 314
F.
Ergebnis
317
Zusammenfassung in Thesen Literatur- und Quellenverzeichnis
321 328
277
Hinweise zur Zitierung Soweit nicht anders angegeben, können die folgenden, zitierten Rechtstexte unter den folgenden Adressen online abgerufen werden: ‒ ‒
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
die Entscheidungen, Pressemitteilungen, Leitlinien, Analysen und Berichte der Europäischen Kommission unter: www.ec.europa.eu. die Beschlüsse, Pressemitteilungen, Leitlinien, Erklärungen des Europäischen Rates sowie des „Euro-Gipfels“ und der „Euro-Gruppe“ unter: www.consilium.europa.eu. die Beschlüsse, Pressemitteilungen, Analysen und Berichte des Europäischen Parlaments unter: www.europarl.europa.eu. die Entscheidungen, Pressemitteilungen, Berichte, Analysen, Studien und Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) unter: www.ecb.europa.eu. die Beschlüsse, Pressemitteilungen, Leitlinien, Berichte und Handbücher des Single Resolution Board (SRB) unter: www.srb.europa.eu. die Leitlinien, RTS, Q&A und Stresstests der European Banking Authority (EBA) unter: www.eba.europa.eu. die Beschlüsse, Pressemitteilungen, Leitlinien usw. des Europäischen Stabilitäts-mechanismus (ESM) unter: www.esm.europa.eu. die Analysen, Berichte usw. des Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund – IMF) unter: www.imf.org. die Schlüsselmerkmale, Leitlinien, Prinzipien usw. des Financial Stability Board (FSB) unter: www.fsb.org. Die Schlüsselmerkmale, Leitlinien, Prinzipien uaq. des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) unter: www.bis.org. die Entscheidungen, Pressemitteilungen, Monatsberichte und Analysen der Deutschen Bundesbank unter: www.bundesbank.de. die Beschlüsse, Pressemitteilungen, Leitlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter: www.bafin.de.
Sämtliche Online-Fundstellen wurden zuletzt am 15. Januar 2021 aufgerufen.
https://doi.org/10.1515/9783110764437-002
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.F. Abl. EU ABS AbwMechG
AEUV AIF AQR Art. A-SRI AT1 Aufl. BaFin BCBS BCHD BdB BGB BGBl. BGH Bio. BIP BIS BKR BMF BoG BPE BPVI BR-Drucks. BRRD BRRD-II BT-Drucks. BVR bzw. CBR CCPs CCyB CDU CET1
anderer Auffassung alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union asset backed security Gesetz zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe (Abwicklungsmechanismusgesetz) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alternative Investmentfonds asset quality review Artikel(n) anderweitig systemrelevant(e) Institut(e) additional tier one Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Basel Committee on Banking Supervision (Basler Ausschusses für Bankenaufsicht) Richtlinie 2017/2399/EU zur Änderung der Richtlinie (EU) 2014/59/EU – Bank Creditor Hierarchy Directive Bundesverband deutscher Banken Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Billion/en Bruttoinlandsprodukt Bank for International Settlement Zeitschrift für Banken- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Finanzen Board of Governors Banco Popular Español Banca Populare di Vicenza Bundesrats-Drucksache(n) Richtlinie (EU) 2014/59 – Bank Recovery and Resolution Directive Richtlinie (EU) 2019/879 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU – Bank Recovery and Resolution Directive – II Bundestags-Drucksache(n) Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken beziehungsweise Combined Buffer Requirement Zentrale Gegenparteien (Central Counterparties) Countercyclical Cappital Buffer Christlich Demokratische Union common equity tier one
https://doi.org/10.1515/9783110764437-003
XVI
CMLR CoCos CRD-IV CRD-V
Abkürzungsverzeichnis
Common Market Law Review Contingent Convertible Bonds Richtlinie 2013/36/EU – Capital Requirements Directive Richtlinie (EU) 2019/878 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU – Capital Requirements Directive CRR-IV Verordnung (EU) 2013/575 – Capital Requirements Regulation CRR-V Verordnung (EU) 2019/876 zur Änderung der Verordnung (EU) 2013/57 – Capital Requirements Regulation CSU Christlich-Soziale Union Del-VO delegierte Verordnung Df-VO Durchführungsverordnung DGSD Richtlinie 20214/49/EU – Deposit Guarantee Schemes Directive DK Deutsche Kreditwirtschaft Dodd-Frank Act Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act DSGV Deutscher Sparkassen- und Giroverband DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht EBA European Banking Authority EBLR European Business Law Review EBOR European Business Organization Law Review ECOFIN Economic and Financial Affairs Council ECON Economic and Monetary Affairs Committee EdB Entschädigungseinrichtung deutscher Banken EDIS European Deposit Insurance Scheme EFDI European Forum of Deposit Insurers EFSF Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EFSM Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus ELA Emergency Liquidity Assistance ELR European Law Review EMIR Verordnung (EU) 2012/648 – European Market Infrastructure Regulation EMRK Europäische Menschenrechtskonvention ErwGr. Erwägungsgrund/Erwägungsgründe ESFS European System of Financial Supervision ESM Europäischer Stabilitätsmechanismus ESMA European Securities and Markets Authority ESMFinG Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Sta- bilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz) ESRB European Systemic Risk Board ESZB Europäisches System der Zentralbanken EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuR Zeitschrift Europarecht EUR Euro EUV Vertrag über die Europäische Union EUR Euro EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWR Europäischer Wirtschaftsraum
Abkürzungsverzeichnis
EWS EZB f. FAQ FDIC FDP Fed ff. FinalRL FinalRL-II FinalRL-III FMSA FMStBG
FMStFG FMStG Fn. FROB FS FSB G20 GBP gem. GG ggf. GRCh G-SIB(s) G-SRI h.M. HGB Hrsg. i. d. R. IFRS IGA i.H.v. IILR IMF InsO IRT i.S.d.
XVII
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Europäische Zentralbank folgende Frequently Asked Questions Federal Deposit Insurance Corporation Freie Demokratische Partei Federal Reserve System fortfolgende Richtlinie 98/26/EG – Finalitätsrichtlinie Richtlinie 2009/44/EG zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG – Finalitätsrichtlinie-II Richtlinie (EU) 2019/879 zur Änderung der Richtlinie 2009/44/EG und der Richtlinie 98/26/EG – Finalitätsrichtlinie-III Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Er- werbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Un- ternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanz- marktstabilisierungsfonds – FMS“ (Finanzmarktstabili- sierungsbeschleunigungsgesetz) Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilierungsfondsgesetz) Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) Fußnote Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria Festschrift Financial Stability Board Gruppe der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der Europäischen Union Pfund Sterling gemäß Grundgesetz gegebenfalls Charta der Grundrechte der Europäischen Union global systemically important bank(s) global systemrelevante(s) Institut(e) herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Herausgeber in der Regel International Financial Reporting Standards Intergouvernementales Agreement in Höhe von International Insolvency Law Review International Monetary Fund Insolvenzordnung Internal Resolution Team im Sinne der/des
XVIII
i.S.v. i.V.m. IWF JCMS JZ KMU KredReorgG KTS KWG LAA LCR lit. LR LRE MCC MiFiD MiFiR
mind. Mio. MPOE MPS Mrd. MREL NCA NCWO n.F. NPE NPL Nr. NRA NSFR NVwZ OGAW P1(R) P2(R) PONV Q&A RCA RL Rn. Rs. RStruktFG
Abkürzungsverzeichnis
im Sinne von in Verbindung mit Internationaler Währungsfonds Journal of Common Market Studies Juristen Zeitung kleine und mittlere Unternehmen Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz) Zeitschrift für Insolvenzrecht Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) loss absorption amount liquidity coverage ratio littera leverage ratio leverage ratio exposure market confidence charge Markets in Financial Instruments Directive (2014/65/EU) Markets in Financial Instruments Regulation – Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, L 173/84 mindestens Million(en) multiple points of entry Banca Monte dei Paschi di Siena Milliarde(n) Minimum Requirement for own funds and Eligible Liabilities national competent authority No Creditor Worse-Off neue Fassung Non-performing exposures Non-performing loans Nummer national resolution authority net stable funding ratio Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren pillar 1(requirement) pillar 2 (requirement) Point Of Non-Viability questions and answers recapitalization amount Richtlinie Randnummer(n) Rechtssache Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
RStruktG
RTS RWA S. SAG SFD s. o. SPOE SRB SREP SRF SRM SRMR SRMR-II SRO SSM SSMR s. u. T1 T2 TLAC TLOF TREA u. a. UAbs. USD VB vgl. VO VöB Vol. VuR WM WupD z. B. ZBB ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZVglRWiss
XIX
Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) regulatory technical standard risk weighted assets Seite oder Siehe Sanierungs- und Abwicklungsgesetz Richtlinie 98/26/EG – Settlement Finality Directive /Finalitätsrichtlinie siehe oben single point of entry Single Resolution Board Supervisory Review and Evaluation Process Single Resolution Fund Single Resolution Mechanism Verordnung (EU) 2014/806 – Single Resolution Mechanism Regulation Verordnung (EU) 2019/877 zur Änderung der Verordnung (EU) 2014/806 – Single Resolution Mechanism Regulation Supervisory Review Process Single Resolution Mechanism Verordnung (EU) 2013/1024 – Single Resolution Mechanism Regulation siehe unten tier one tier two total loss-absorbing capacity total liabilities and own funds total risk exposure amount unter anderem Unterabsatz United States Dollar Veneto Banca vergleiche Verordnung Bundesverband öffentlicher Banken volume Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts und Bankrecht Richtlinie 2001/24/EG -Winding up Directive zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung I. Hintergrund „Dieses Mal ist alles anders“¹; der Ironiegehalt dieses Spruchs, der die Unfähigkeit zum Ausdruck bringt, aus politischen und ökonomischen Fehlentscheidungen von vergangenen Finanzkrisen mit schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Folgen zu lernen, scheint in den aktuellen Zeiten der Pandemiebekämpfung etwas abgenommen zu haben.² Zur Vorbeugung der Ausbreitung des Coronavirus sahen sich viele Staaten weltweit dazu gezwungen, ihre Volkswirtschaften „einzufrieren“. Um einen Kollaps zu verhindern, werden nun staatlich induzierte und geldpolitische Maßnahmen beispiellosen Ausmaßes ergriffen, die weit über die Bankenrettungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der großen Finanzmarktkrise Ende des vergangenen Jahrzehnts hinausgehen. Während die Folgen der weltweiten Rezession sich noch nicht hinreichend abschätzen lassen, ist im Hinblick auf das stets steigende Volumen an notleidende Kredite in den Bilanzen der europäischen Banken davon auszugehen, dass die politischen Verantwortungsträger sowie die zuständigen Behörden sich bald erneut mit dem Problem aussfallender Banken auseinandersetzen müssen. Vor diesem Hintergrund stellt sich aktuell die Frage, ob das Bail-in-Instrument, als neu konzipierter Ansatz zur Bankenabwicklung für die Bewältigung derartiger exogener – und nicht idiosynkratischer – Krisen geeignet wäre. Während das neue Bankenabwicklungsinstrumentarium als zu starr empfunden wird, schien bis zum gegenwärtigen Pandemieausbruch jedoch weitgehend Einigkeit darüber zu bestehen, dass das Bail-in-Instrument einen sehr hohen Flexibilitätsgrad aufweist, welcher im Einzelfall ein Ausweichen von seiner zwingenden Mindestverlustbeteiligung zugunsten weniger strenger Lastenverteilungsmaßnahmen im Rahmen des europäischen Beihilferechts ermöglicht. So legte der Umgang mit der italienischen Monte dei Paschi di Siena die Vermutung nahe, dass eine systemverträgliche Abwicklung von Großbanken ohne Rückgriff auf Steuergelder eine Illusion sei. Ein solcher Standpunkt steht jedoch im eklatanten Widerspruch zu der propagierten Idee der Errichtung der Europäischen Bankenunion sowie zu der Grundausrichtung des Bail-in-Ansatzes, der als Antwort auf die Too-big-to-fail-
Zum sog. „Dieses-Mal-ist-alles-anders“-Syndrom s. Reinhart/Rogoff, This time is different: eight centuries of financial folly, Princeton, 2009, S. 15 ff. Vgl. Kennedy, Harvard’s Reinhart and Rogoff Say This Time Really Is Different, Bloomberg v. 18. Mai 2020. https://doi.org/10.1515/9783110764437-004
2
Einleitung
Problematik konzipiert wurde. Der Bail-in-Ansatz schreibt vor, dass beim Ausfall einer Bank ihre Anteilseigner und Gläubiger – zumindest bis zu einem gewissen Umfang – zur Haftung gezogen werden müssen, bevor jegliche öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden. Er stellt somit den Gegensatz zu den gläubigerschonenden Bail-out-Maßnahmen der Jahre 2008 ff. dar und ist zugleich die wohl brisanteste und politisch heiklste Reformmaßnahme in der jüngeren Bankenregulierung auf europäischer Ebene.³ Indem er die ordnungspolitisch ungerechtfertigte großzügige Haftungsherausnahme für Bankenaktionäre und Bankengläubiger aus dem Weg räumt, vermag der Bail-in-Ansatz die implizite staatliche Garantie, die Banken genießen, sowie die negativen Rückkopplungseffekte, die sich aus der „gewollten Mesalliance“⁴ zwischen Staaten und Banken ergeben, zu verringern. Dadurch soll der Gleichlauf zwischen Verantwortung und Haftung im Bankensektor wiederhergestellt werden sowie Ungerechtigkeiten unter der Maxime „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ entgegengetreten werden. Trotz seines jungen Alters und entgegen seinen ambitionierten Zielen fand das Bail-in-Instrument – zumindest im Rahmen der Bankenunion – bislang noch keine Anwendung.⁵ Dies mag weniger an einer Ermangelung von „bail-in-würdigen“ Sachverhalten in der europäischen Banklandschaft liegen, als an eigenen strukturellen Defiziten der Bankenabwicklungsordnung und inhärenten technischen Schwierigkeiten einer Bail-in-Durchführung. Als ein solches Defizit sind die bestehenden Möglichkeiten für politische Entscheidungsträger zu qualifizieren, Einfluss auf das Abwicklungsverfahren eines Instituts in verschiedenen Phasen und über verschiedene Wege zu nehmen und dabei den Haftungsumfang für Aktionäre und vor allem Gläubiger mitzubestimmen. Dies gelingt ihnen dadurch, dass sie das Institut im Rahmen des europäischen Beihilferechts rekapitalisieren oder ins nationale Insolvenzverfahren überleiten. Als ein weiteres Defizit sind die beachtlichen Spielräume der zuständigen Behörden anzusehen, aus denen sich
„What should policymakers do when faced with the potential failure of a large bank? In 2008 officials had to choose between taxpayer bail-outs (bad) or systemic financial collapse (probably worse). Various ideas to make finance safer, like contingent capital and living wills, are circulating today. But the central issue of bank resolution, perhaps the most vexing aspect of the financial crisis, has not been clearly addressed“. Callelo/Ervin, From Bail-out to bail-in, The Economist v. 28. Januar 2010. Vgl. Paulus, Staatspleiten und Bankenpleiten, eine gewollte Mesalliance, KTS 2013, S. 155, 157 ff. Vor dem Inkrafttreten des Instruments 2016 hat es „bail-in-ähnliche“ Bankenabwicklungen u. a. Dänermark (Andelskassen J.A.K.) und Österreich (HETA) gegeben. Vgl. Finansiel Stabilitet, First & Second Decision on the Resolution of Andelskassen J.A.K. Slagelse under Kontrol, v. 5. Oktober 2015; FMA, Mandatsbescheid Heta Asset Resolution AG, v. 1. März 2015 und v. 10. April 2016.
Einleitung
3
kein klares Bild über die Haftungsordnung im Bankenabwicklungsregime ableiten lässt. Insgesamt besteht die Gefahr, dass das Bail-in-Instrument zur Randnotiz des noch jüngen europäischen Bankenabwicklungsregimes wird oder dass es zum ultimum inter pares – verglichen zu den Übertragungsinstrumenten und vielmehr zu den Abschreibungs- bzw.– Umwandlungsbefugnissen⁶ – degeneriert. Man sollte sich jedoch vergewissern, dass das Bail-in-Instrument eine neben ad hoc Rettungsmaßnahmen und Insolvenzverfahren dritte Option für die Bewältigung des – nicht allzu seltenen jedoch – komplexen Phänomens der Bankeninsolvenz ist. Allein diese Überwindung der vermeintlichen Alternativlosigkeit stellt einen großen regulatorischen Fortschritt dar, sodass die Entscheidungsträger nicht immer das Rad neu erfinden müssen, wenn sie unmittelbar auf die Schieflage von Banken reagieren müssen. ⁷
II. Gegenstand und Gang der Untersuchung Vor diesem Hintergrund wird hier der Versuch unternommen, die aus dem neu etablierten europäischen Bankenabwicklungsregime resultierenden Defizite bei der Glä ubigerhaftung im Rahmen des Bail-in-Instruments zu identifizieren und konkrete Vorschläge zur Optimierung herauszuarbeiten. Hinzu tritt ein zweites und deutlich ambitionierteres Ziel: Das Bail-in-Instrument von dem vorgezeichneten Abstieg in die Bedeutungslosigkeit zu retten. Der Untersuchung liegt ein weites Begriffsverständnis des Bail-in zugrunde. Es handelt sich um einen neben dem tradierten Insolvenzrecht und europäischem Beihilferecht alternativen Mechanismus zur Haftungsverwirklichung und Lastenverteilung. Das Erkenntnisinteresse der Untersuchung liegt in der Systematisierung von haftungsrelevanten Aspekten für private Akteure, die sich aus der Anwendung des Bail-in-Instruments ergeben. Zu diesem Zweck werden die Merkmale des Bail-in-
Nach Art. 59 Abs. 2, Art. 60 BRRD-II bzw. Art. 21 Abs. 1 SRMR-II. Dies war der Fall 2017 im bislang einzigen Abwicklungsfall in der Bankenunion, die spanische Banco Popular. Näher dazu unter: Absch. 1., A. I, b. Nach den Worten des früheren Vorsitzenden der Federal Reserve Bank von New York (2003 – 09) und Finanzministers der USA (2009 – 13), Timothy Geithner: „there was no foolproof formula for crisis response. It was more art than science, more shades of gray than black and white. It required flexibility and creativity and humility, not unswerving principle. I like to paraphrase the boxer and philosopher Mike Tyson: Everyone’s got a strategy until they get punched in the face“; vgl. Geithner, Stress Test, Reflections on Financial Crises, 2014, S. 70.
4
Einleitung
Haftungstatbestandes sowie die sich darauf auswirkenden Finanzierungsfragen und die so gut wie unerforschten Verknüpfungen zwischen den Maßnahmen von Zentralbanken und der Gläubigerhaftung untersucht. Hauptgegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet die Haftung für Aktionäre und Gläubiger von Banken⁸ im Zusammenhang mit dem Bail-in-Instrument nach dem europäischen Bankenabwicklungsrecht. Flankierend treten, zwecks vollständiger Erfassung haftungsrelevanter Fragen, europäische beihilfe-,⁹ insolvenz-¹⁰ und kapitalmarktrechtliche¹¹ Vorschriften, völkerrechtliche Verträge¹² sowie europäisches und internationales Soft Law hinzu. Dabei sind zunächst ökonomische Vorüberlegungen erforderlich, um die Auswirkungen staatlicher Eingriffe und die Funktion der Banken in einer modernen Geldwirtschaft im Blick zu behalten (1. Abschnitt, A.) Auch wenn diese von manchen als selbstverständlich angesehen werden, empfiehlt es sich trotzdem, diese zu erörtern. Denn daraus lassen sich Anforderungen an einen effizienten Bail-in-Mechanismus ableiten. Daher wird im Zuge dieser Untersuchung, zur Erörterung haftungsrelevanter Aspekte, mehrfach auf sie zurückgegriffen. Im Anschluss daran (1. Abschnitt, B.) sollen die Grundzüge des Bail-in-Instruments im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes dargelegt werden: Anwendungsablauf, Gestaltungsformen, Gegenstand, Abgrenzung zu anderen Abschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, Verhältnis zu anderen Abwicklungsmaßnahmen, Besonderheiten von Gruppensachverhalten. Ihnen geht aber der Blick in die Entstehung, Ausgestaltung und Zuständigkeitsordnung in der Europäischen Bankenunion voraus. Dies soll die interinstitutionellen Abhängigkeiten und die eröffneten Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme auf die Haftungsherbeiführung durch das Bail-in-Instrument verdeutlichen. Darauf aufbauend rückt der Bail-in-Haftungstatbestand in den Fokus der Untersuchung (2. Abschnitt). Zunächst werden die genauen Voraussetzungen für den Einsatz des Bail-in-Instruments (A.) erörtert, da sie den ersten und ent-
Zwecks besserer Lesbarkeit werden in der vorliegenden Untersuchung die Begriffe „Bank“, „Kreditinstitut“ bzw. „Institut“ – der sprachgebräuchlichen Praxis entsprechend – abwechselnd als Synonyme verwendet. Das EU-Beihilfeverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV und vor allem der Ausnahmetatbestand nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV. Vereinzelt wird auf die deutsche InsO, die bankenspezifischen Regularien SAG und KWG sowie auf die US-amerikanischen Bankruptcy Code und Dodd-Frank Act verwiesen. Vornehmlich die – Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID). In Bezug auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).
Einleitung
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scheidenden Schritt zur Haftungsverwirklichung bilden. Dabei wird insbesondere auf die unpräzisen Kriterien für die Feststellung eines Bankausfalls sowie die bestehenden Auswege aus den strengen Anforderungen an Mindestverlustbeteiligung im Rahmen des europäischen Abwicklungsregimes hin zu den „gläubigerfreundlicher“ ausgestalteten schwammigen Haftungsvorgaben des europäischen Beihilferechts eingegangen werden. Bei einer Haftungsverwirklichung nach dem Bail-in-Instrument kommt den Ausnahmetatbeständen (2. Abschnitt, B.) eine große Bedeutung zu. Es sollen Kriterien herausgearbeitet und insbesondere systematisiert werden, um die bestehenden Beurteilungsspielräume der Abwicklungsbehörden auf das erforderliche Maß zu beschränken. Dabei nehmen die Anforderungen für verlustabsorptionsfähiges Kapital, die Mitte 2019 im Rahmen der Umsetzung des EUBankenpakets einer umfassenden Reform unterzogen wurden, eine Schlüsselrolle ein. Hierfür ist ein Eintauchen in die „regulatorische Buchstabensuppe“ (G-SIBs, TLAC, MREL, TLOF, RWA, TREA, LAA, RCA, MCC, LCR, NSFR usw.) erforderlich. Da jegliches Bankeninsolvenzrecht mit tiefen Einschnitten in die Aktionärsund Gläubigerrechte versehen ist, sind zur Wahrung der verfassungsmäßigen Garantien und zur Förderung der ex ante Transparenz gesonderte Schutzbestimmungen, insbesondere für Gläubiger von bail-in-fähigen Forderungen, erforderlich. Diese bilden ein Gegengewicht zu den umfangreichen Befugnissen, die den Abwicklungsbehörden eingeräumt werden. Dabei wird keine umfassende Analyse verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte angestrebt. Die Arbeit beschränkt sich auf die Erörterung der speziellen Schutzmechanismen im europäischen Bankenabwicklungsrecht (2. Abschnitt, E.). Abschließend sind Rekapitalisierungs- und Liquiditätsfragen zu klären (3. Abschnitt), die einen massiven Einfluss auf die Bestimmung des „Ob“ und des „Wie“ der Haftung von Anteilseignern und Gläubigern nach dem Bail-inInstrument entfalten. Dabei ist eine Trennlinie zu ziehen zwischen möglichen Quellen zur Rekapitalisierung oder Liquiditätsbereitstellung, die eine zwingende Mindestverlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern erfordern, und sonstigen Quellen außerhalb des europäischen Bankenabwicklungsregimes. Von besonderer Wichtigkeit ist die angestrebte Errichtung eines ESMRückhaltemechanismus für den einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) und die Rolle der EZB als Notfallliquiditätsversorger.
Erster Abschnitt Ökonomisch-rechtliche Grundlagen „Aliud est credere, aliud deponere“¹
Frei übersetzt: „Kredit geben ist das eine, zur Verwahrung hinterlegen das andere“.Vgl. Ulpian, D. 42, 5, 24, 2.
A. Ökonomische Vorüberlegungen Zur Erfassung des nicht allzu seltenen ökonomischen Phänomens der Bankeninsolvenzen, der staatlichen Reaktionen darauf und der daraus resultierenden Anreizwirkung, ist gerade für „normativ denkende Juristen“ ein Blick in den einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Diskurs notwendig. Die vorliegende Untersuchung vermag natürlich keine solche Wissensvermittlung zu bieten. Dennoch sollen einige ökonomische Grundfragen erörtert werden, deren Bedeutung elementar für das Rechtsgebiet der Bankenabwicklung und die Haftungsverwicklichung nach dem Bail-in-Instrument ist.
I. Volkswirtschaftliche Besonderheiten von Banken a) Finanzmärkte und Banken Im Rahmen einer vereinfachten Sichtweise stehen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt Sparer, die Kapital zur Anlage bereitstellen, und Investoren, die Kapital benötigen, einander gegenüber.² Das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage nach Kapital wird durch die Bildung eines (Finanz‐)Markts herbeigeführt. Dieser erfüllt wichtige Funktionen, die weit über die allgemeinen Allokations- und Koordinationsfunktionen eines Marktes hinausgehen und im Wesentlichen in der Transformation von Losgrößen, Fristen und Risiken bestehen. Viele der hier zugrunde gelegten Annahmen sind jedoch in Wirklichkeit nicht haltbar. Es gibt keinen einzigen Finanzmarkt, sondern parallel funktionierende und miteinander verflochtene Finanzmärkte, die diverse Erscheinungsformen annehmen.³ In diesen Märkten treten unterschiedliche Kreditgeber und -nehmer auf, die untereinander handeln, wobei einzelne Marktteilnehmer oft sowohl als Kreditgeber als auch als Kreditnehmer agieren. Dieses komplexe Umfeld bietet die Existenzgrundlage für Banken, die selbst als Marktteilnehmer auftreten und die von Kapitalgebern bereitgestellten Zahlungsüberschüsse an private Haushalte, Unternehmen und Staaten weiterreichen. Demnach agieren Banken – zumindest theoretisch – als Finanzintermediäre.⁴
Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 2019, S. 1 f. Von Marktplätzen wie die Börse bis hin zu internetbasierten Crowdinvesting-Plattformen. Vgl. Id., S. 2. Dafür verlangen sie von den Kreditnehmern einen Zins, welcher den Zins, den sie selbst an die Sparer zahlen, übersteigt. Aus dieser Differenz zwischen Soll- und Habenzinsen errechnen sich https://doi.org/10.1515/9783110764437-005
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
In einem vollkommenen Markt, welcher den Annahmen einer neoklassischen Wirtschaftslehre eins zu eins entsprechen würde, gäbe es keinen Platz für Banken. Denn es wäre durchaus möglich sämtliche Leistungen, die von ihnen angeboten werden, durch direkte Finanzbeziehungen nachzubilden. Lockert man aber die Annahme der Marktvollkommenheit wird schnell ersichtlich, dass Banken erhebliche Transaktionskosten- und Informationsbeschaffungs- bzw. Informationsverarbeitungsvorteile gegenüber einer unmittelbaren Marktfinanzierung realisieren. Diese zwei ökonomischen Termini – Transaktionskosten⁵ und (asymmetrische) Informationsverteilung⁶ – bilden den Schwerpunkt der ökonomischen Erklärungsansätze zur Existenz von Banken.⁷ So lassen sich die Transaktionskosten zum einen durch spezielle standardisierte Einlagen- oder Kreditkontrakte (economies of scale) und zum anderen durch die Streuung der Einlagen in unterschiedliche Regionen, Branchen und Unternehmen (economies of scope) reduzieren.⁸ Die asymmetrische Informationsverteilung stellt die wohl wichtigste Besonderheit der Finanzmärkte gegenüber anderen Märkten für neoklassisch-
die Erträge für Bankgeschäfte. Allgemein zur Theorie der Finanzintermediation s.u.a. Allen/ Santomero, The theory of financial intermediation, 21 The Journal of Banking & Finance 1998, 1461– 1485.; Hellwig, Banking, financial intermediation and corporate finance, in: Giovanni/ Mayer (Hrsg.), European Financial Integration, Cambridge s, 1991, S. 35 ff.; Santomero, Modeling the Banking Firm, 16 The Journal of Money, Credit and Banking 1984, S. 576 ff. Wichtige weitere Finanzintermediäre im Finanzsystem sind neben den Banken bspw. Versicherungen und Investmentfonds. Die Transaktionskosten werden als „costs of running the economic system“ definiert; vgl. Arrow, The organization of economic activity: issues pertinent to the choice of market versus nonmarket allocation, The Analysis and Evaluation of Public Expenditures: The PBB-System, Joint Economic Committee, 1969, S. 59. Sie entstehen in allen Phasen einer ö konomischen Transaktion, die von der Informationsbeschaffung bis hin zur Verhandlung und dem Vertragsschluss sowie schließlich zur Abwicklung reichen; vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik – Eine Einführung und kritische Würdigung, 2010, S. 523. Asymmetrische Information liegt immer dann vor, wenn die Glä ubiger nicht in der Lage sind, den tatsä chlichen Wert der Vermö gensgegenstä nde und Verbindlichkeiten des Schuldners zu beurteilen; vgl. Marinč/Vlahu, The Economics of Bank Bankruptcy Law, 2011, S. 23. Vgl. Diamond, Financial Intermediation and Delegated Monitoring. 51(3) Review of Economic Studies 1984, 393 ff.; Leland/Pyle, Informational Asymmetries, Financial Structure, and Financial Intermediation, 32 The Journal of Finance 1977, 371 ff.; Es handelt sich im Sinne von Coase um eine Koordination von wirtschaftlichen Transaktionen innerhalb eines Unternehmens anstelle der Koordination über einen dezentralen Markt. Vgl. Coase, The Nature of the Firm, 4 Economica 1937, S. 386 – 405. S. auch Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, New York, S. 18 ff.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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homogene Güter⁹ dar. Daher wird diese Frage im Laufe der vorliegenden Untersuchung wiederholt aufgegriffen.
b) Banken als Finanzintermediäre In ihrer Rolle als Finanzintermediäre wirken die Banken an wichtigen Funktionen in einer Volkswirtschaft mit, welche sich grob in drei Kategorien einteilen lassen:¹⁰ Transformations-, Informations- und Abwicklungsfunktion. Jegliche Störungen der Banken bei der Erbringung dieser Funktionen machen sich oft in der ganzen Wirtschaft spürbar. Daher empfiehlt es sich, diese grundlegenden Funktionen in komprimierter Form darzustellen. Die Transformationsfunktion bildet in der Regel die Kerngeschäftstätigkeit eines Finanzintermediäres. Damit wird das Zusammenbringen der Präferenzen von Kapitalgebern und -nehmern bezüglich der zu handelnden Beträge (Losgrößen), der Laufzeiten sowie der Gestaltung und Aufspaltung von Risiken bezeichnet.¹¹ Im Einklang damit lassen sich die Transformationsleistungen schematisch in drei Kategorien unterteilen:¹² Losgrößen-, Fristen- und Risikotransformation. Unter Losgrößentransformation wird die Bündelung vieler kleinen Einlagenbeträge, die isoliert betrachtet prohibitiv hohe Transaktionskosten aufweisen, und ihre Umwandlung in größere Kreditebeträge bezeichnet. Im Rahmen der Fristentransformation gelingt es den Banken, den Ausgleich der Interessen von Investoren und Sparern hinsichtlich ihrer gewünschten Forderungslaufzeiten, die in der Regel erheblich voneinander abweichen, weil Kredite langfristig vergeben, während Einlagen meist kurzfristiger Natur sind, herbeizuführen.¹³ Zudem verwandeln die Banken mit der Übernahme des Kreditausfallrisikos (sog. Intermediärhaftung bzw. Risikotransformation) unsichere Kredite in
Als solche gelten Güter, bei deren Qualität vollständige Informationen vorhanden sind, wie z. B. physische Güter und Währungen. Für eine Typologie siehe Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., 2001, S. 277 ff. Im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum finden sich unterschiedliche Systematisierungen und somit auch eine unterschiedliche Funktionsanzahl. Siehe exemplarisch hierfür Freixas/ Rochet, Microeconomics of Banking, 2008, S. 2. id., S. 4. De facto werden diese Funktionen miteinander verknüpft erbracht. Vgl. Kirmße, in: Kaluza/ Braun/Beschorner/Rolfes (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Fragen zu Steuern, Finanzierung, Banken und Management, 2017, S. 304. Ausführlich zu den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Vorteilen: Alexander/Schwarcz, in: Buckley/Avgouleas/Arner, Reconceptualising Global Finance and its Regulation, 2016, 156 f.; S. 9; Tirole, The Theory of Corporate Finance, 2006, S. 447 f.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
sichere Einlagen, indem sie das Risiko einer Insolvenz im Wege einer geeigneten Portfoliobildung auf sehr viele Schultern verteilen.¹⁴ Durch die Informationsverarbeitung und Überwachung im Rahmen der Informationsfunktion werden bestehende Informationsasymmetrien sowohl vor dem Vertragsschluss („hidden information“ bzw. adverse selection) als auch danach („hidden action“ bzw. moral hazard) abgebaut bzw. gemindert. Dies ist auf den Informationsvorsprung über Anlagemöglichkeiten und -risiken, worüber die Banken aufgrund ihrer regelmäßigen Aktivitäten an den Finanzmärkten gegenüber den privaten Kunden verfügen, zurückzuführen.¹⁵ Nicht zuletzt kommt den Banken im Rahmen ihrer Abwicklungsfunktion die entscheidende Rolle zu, ein Zahlungssystem für den Austausch von Gütern, Vermögenswerten und Dienstleistungen bereitzustellen und insbesondere die reibungslose Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sicherzustellen.¹⁶ Zu nennen sind u. a. die Abwicklung im Rahmen des In- und Auslandszahlungsverkehrs oder Clearing-/Settlement-Leistungen im Rahmen der Wertpapierabwicklung und -verwahrung.
Zukünftige Entwicklungslinien Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass Finanzmärkte und Banken in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen. Die für eine Volkswirtschaft wichtigen Funktionen werden nicht nur an dezentralen Finanzmärkten, sondern auch von Banken erfüllt. Wenn Kapitalangebot und -nachfrage ohne Mitwirkung von Banken zusammenkommen, spricht man von Disintermediation. ¹⁷ Vor diesem Hintergrund stellt sich die weitergehende Frage nach dem künftigen Verhältnis zwischen Finanzintermediären und Finanzmärkten, nämlich ob Banken auch in Zukunft als unerlässlich für die Erbringung dieser grundlegenden Funktionen und Leistungen betrachtet werden, oder ob die Disintermediation ü ber die Finanzmärkte zu einer Substitution der Funktions- und Leistungserbringung durch Banken führen wird. Empirisch lässt sich bereits seit Jahren ein Trend zu Markt-
Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 2019, S. 5 ff. Durch diese Vermittlung von Banken können die erforderlichen Transaktionskosten niedriger ausfallen als bei einer Direktanlage durch den privaten Kunden; vgl. Gischer/Herz/Menkhoff, Geld, Kredit und Banken – Eine Einführung, 2012, S. 123. Vgl. Freixas/Rochet, Microeconomics of Banking, 2008, S. 2 ff. Gründe hierfür sind u. a. der Wettbewerb durch Schattenbanken, die zunehmende Verbriefung von Finanzmitteln am Geld- oder Kapitalmarkt sowie die Weiterentwicklungen von Informations- und Kommunikationstechnologien, die das sog. peer to peer lending ermöglichen. Vgl. Hellenkamp, Bankwirtschaft, 2018, S. 7.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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lö sungen erkennen.¹⁸ Ursächlich hierfür ist der stetig steigende technologische, regulatorische und marktseitig induzierte Druck auf das Geschäftsmodell von Banken, der ihre Belastbarkeit, i.S.v. Anpassungs- und Ertragsfähigkeit, auf den Prüfstand stellt. Der privilegierte Kundenzugang – den Banken lange Zeit genossen haben – sowie das geschützte regulatorische Umfeld indem sie operieren konnten, werden u. a. durch die fortschreitende Digitalisierung und die Niedrigzinspolitik massiv beeinträchtigt.¹⁹ Daraus entstehen Gefahren für alle drei Kategorien von wesentlichen Funktionen, die von Banken klassischerweise erbracht werden, so dass sie drohen zu austauschbaren Kreditdienstleistern zu degenerieren. Insbesondere die Informations- und Abwicklungsfunktion von Banken geraten aufgrund der personalisierten und nutzerfreundlichen Angebote unterschiedlicher FinTechs unter Druck.²⁰ Die Aussichten des traditionellen Bankgeschäfts sehen noch düsterer aus, wenn man einen Blick auf die Entwicklungen im Bereich der Blockchain-Technologie wirft, die einen sichereren Austausch von Dienstleistungen und Informationen dezentral ohne jeglichen Bedarf an Zwischenschaltung von Intermediären ermöglicht.²¹
c) Banken als Geldschöpfer – Die Abhängigkeit von Zentralbanken Ein Verständnis der Rolle von Banken, dass sie als „Diener der Realwirtschaft“ erscheinen lässt, indem sie Kredite lediglich mit Mitteln vergeben können, die sie zuvor als Einlage hereingenommen haben, würde jedenfalls zu kurz greifen. Vielmehr würde ein derartiges Verständnis von Banken als reine Finanzintermediäre den Blick auf das vielleicht noch wichtigere Fungieren der Banken als
S.u.a. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 2019, S. 16 f. Im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum wird zunehmend davon ausgegangen, dass die traditionelle Finanzintermediation abgelöst werden wird. Näher dazu Alt/Puschmann, Digitalisierung der Finanzindustrie: Grundlagen der FintechEvolution, 2016, S. 24 ff. Bereits heute erfolgt die Abwicklung von Transaktionen nicht mehr zwangslä ufig ü ber Banken. Dies gilt vor allem fü r das Zahlungsabwicklungssystem gerade im Privatkundengeschä ft (s. PayPal). Vgl. Kirmße, in: Lister/Rolfes/Kirmße (Hrsg.), Management in Kreditinstituten und Unternehmen – ein Querschnitt aktueller Entwicklungen. 2016, S. 347 ff. Dadurch werden signifikante Effizienzgewinne erzielt. Ausführlich dazu Chamoni/Macedo, Blockchain technology – a distributed disruption for banking, in: Kirmße/Schü ller (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungslinien in der Finanzwirtschaft – Teil 1, FS zum 60. Geburtstag von Bernd Rolfes, 2017, S. 827 ff;Yermack, Corporate Governance and Blockchains, 21 Review of Finance 2017, S. 7 ff.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Geldschöpfer versperren.²² Anders als Privatpersonen, Unternehmen und sonstige Finanzdienstleister sind Banken nicht auf ihre eigenen Vorräte bzw. auf die ihnen von Kapitalgebern bereitgestellten Mittel beschränkt.²³ Vielmehr stellen sie ein Glied im Geldschöpfungsprozess dar und verfügen zugleich über eine private Geldschöpfungsmacht.²⁴ An der Spitze der Geldschöpfungskette stehen die Zentralbanken, die über verschiedene Transmissionskanäle, wovon die Mehrheit über Banken verläuft, ihre Geld- und Zinspolitik umsetzen.²⁵ Etwas überspitzt formuliert gilt, dass Banken insofern besonders sind, als sie besonders von den Zentralbanken behandelt werden.²⁶ Dass Banken durch die Kreditvergabe Geld schaffen, lässt sich am folgenden (vereinfachten) Beispiel zeigen:²⁷ Wenn eine Bank A ihrem Kunden X einen Kredit über 1.000 EUR gewährt, schreibt sie den Kreditbetrag als Sichteinlage auf dessen Girokonto bei ihr gut. Die Forderung der Bank A gegenüber dem Kunden X wird auf der Aktivseite und die Forderung des X gegenüber der A als Verbindlichkeit auf der Passivseite der Bank A verbucht. Durch diese Zunahme der Aktiv- und der Passivseite der Bankbilanz (sog. Bilanzverlä ngerung) wurden 1.000 EUR (neu) geschaffen.²⁸ In dem Moment, in dem die Gutschrift des Kreditbetrags in Form der Bankeinlage erfolgt, kommt es zu einer entsprechenden Ausweitung der Geld Ausführlich zu der Funktion der Banken als Geldschöpfer: McLeay/Radia/Ryland, Money Creation in the Modern Economy, Bank of England Quarterly Bulletin 2014, S. 14 ff; Jakab/Kumhof, Banks are not intermediaries of loanable funds – facts, theory and evidence, 2019, S. 30 f. Der Ursprung dieser Fehlannahme geht möglicherweise zurück auf Keynes, A Treatise on Money: 2 The Applied Theory of Money, S. 191: „A banker is in possession of resources which he can lend or invest equal to a large proportion (nearly 90 per cent) of the deposits standing to the credit of his depositors. In so far as his deposits are savings deposits, he is acting merely as an intermediary for the transfer of loan capital. In so far as they are cash deposits, he is acting both as a provider of money for his depositors, and also as a provider of resources for his borrowing customers.“ Für die Theorie der Kreditschöpfung durch Geschäftsbanken s. Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2. Teilband, 1965, S. 1352: „Es ist realistischer zu sagen, daß die Banken „Kredit schöpfen“, d. h. daß sie im Kreditgewährungsakt Depositen schöpfen, als zu behaupten, daß sie die ihnen anvertrauten Depositen ausleihen. […] Die Theorie der „Kreditschöpfung“ erkennt nicht nur klare Fakten an, ohne sie durch künstliche Konstruktionen zu verschleiern; sie bringt auch den besonderen Mechanismus von Sparen und Investieren, der für eine vollentwickelte kapitalistische Gesellschaft charakteristisch ist, sowie die wahre Rolle der Banken in der kapitalistischen Evolution ans Tageslicht.„ Aus Banken und Zentralbanken setzt sich das Bankensystem zusammen. Vgl. Huertas, Are Banks Still Special? Journal of Financial Perspectives, 2018, S. 12. Vgl. u. a. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 79 f; Issing, Einführung in die Geldtheorie, 2011, S. 56 ff.; Spahn, Geldpolitik – Finanzmärkte, neue Makroökonomie und zinspolitische Strategien, 2012, S. 18 ff. Vgl. McLeay/Radia/Ryland, Money Creation in the Modern Economy, Bank of England Quarterly Bulletin 2014, S. 14.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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menge.²⁹ Daraus folgt, dass Banken für eine Kreditgewährung nicht darauf angewiesen sind, dass ihnen zuvor Einlagen zugeflossen sind.³⁰ Die Geldschöpfung durch Kreditbereitstellung ist das Ergebnis eines Buchungsvorgangs, der als „Geldschöpfung aus dem nichts“ (creatio ex nihilo, im Engl. „fiat money“) bezeichnet wird.³¹ Neben der Kreditgewährung bestehen weitere geldschöpfende Bankgeschäfte, wie der Erwerb von Vermögenswerten durch die Banken (z. B. Ankauf von Wertpapieren, Devisen, Immobilien, Rohstoffen).³² Tatsächlich schaffen die Banken bei der Geldschöpfung durch Kreditvergabe aber kein Geld im Sinne des gesetzlichen Zahlungsmittels. Denn das obliegt der Zentralbank (sog. Emissionsmonopol)³³. Sie schaffen (nur) Buch- oder Giralgeld. Gesetzliches Mittel ist lediglich das Zentralbankgeld, das sich aus dem umlaufenden Bargeld sowie die Guthaben der Banken bei der Zentralbank zusammensetzt³⁴ und eine jederzeit einlösbare Forderung an die Zentralbank zum Umtausch in Bargeld beinhaltet.³⁵ Im Gegensatz dazu verkörpert das Buch- bzw. Giralgeld den Anspruch des Bankkunden gegenüber der kontoführenden Bank auf Auszahlung in Bargeld bzw. auf Überweisung an dritte Konten. Solange der Anspruch auf Zentralbankgeld einlösbar ist, spielt es jedoch aus der Sicht der Bakkunden keine Rolle, ob es sich dabei um „reale Kundeneinlagen“ oder „fiktive Krediteinlagen“ handelt. Das neu geschaffene Buch- bzw. Giralgeld wird durch die Abhebung oder die Ausführung des Überweisungsauftrags an einen Dritten in Bar- bzw. Zentralbankgeld umgewandelt und erfüllt mithin alle herkömmlichen Geldfunktionen. Wenn – anknüpfend an das obige Beispiel – der Kunde X sich den gewährten Kredit von 1.000 EUR in Bargeld auszahlen lässt oder auf das Konto der Bank B Sobald der Kredit zurückgezahlt wird, verschwindet das durch Kredite geschaffene Buchgeld wieder (Geldvernichtung); vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 79 f. Dieser Befund lässt sich auch empirisch belegen: Wären Banken reine Finanzintermediäre, wären sie nicht mehr in der Lage Kredite zu vergeben, wenn ihnen die Einlagen ausgegangen wären. Die Banken müssten dann genau wie eine Blutbank in einem Krankenhaus vereinzelt ihren Kunden mitteilen: „Leider haben wir im Moment keine Ersparnisse (Blut) mehr, aber Sie können sich in eine Warteliste eintragen, und wir benachrichtigen Sie dann, wenn wieder Ersparnisse bei uns eingetroffen sind“; vgl. Binswanger, Geld aus dem Nichts: Wie Banken Wachstum ermöglichen und Krisen verursachen, 2015, S. 22. Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschö pfungsprozess, Monatsbericht April 2017, 69(4), S. 19 f. Vgl. McLeay/Radia/Ryland, Money Creation in the Modern Economy, Bank of England Quarterly Bulletin 2014, S. 19. Vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 158. Für gesetzliche Zahlungsmittel besteht eine Annahmepflicht. Vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 77 f. Vgl. Gudehus, Neue Geldordnung – Notwendigkeit, Konzeption und Einführung, 2016, S. 8.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
überweist, fließt das geschaffene Buchgeld, nämlich die Sichteinlage des X, der kreditgebenden Bank A ab.³⁶ Um diesen Geldabfluss auszugleichen, kann sich die Bank A Mittel am Interbankenmarkt von anderen Banken oder direkt von der Zentralbank besorgen. Das Zentralbankgeld wird nach dem gleichen Prinzip wie das Buch- bzw. Giralgeld über Kredite erzeugt. Hierfür müssen die Kredite in der Regel besichert sein. Werden die eingebrachten Sicherheiten als angemessen betrachtet, schreibt die Zentralbank der Bank den aufgenommenen Betrag auf ihrem Konto bei der Zentralbank als Sichteinlage gut. Um die reibungslose Zahlungsabwicklung im Interbankenmarkt zu gewährleisten, sind die Banken zum Vorhalten einer Mindesteinlage bei der Zentralbank (sog. Mindestreservesatz) verpflichtet. In der Eurozone beträgt er aktuell 1 %.³⁷ Während diese Mindestreserveverpflichtung in der frühen Bankgeschichte eine freiwillige Vorsichtsmaßnahme der Banken war, um Liquiditätsengpässe effizient zu bewältigen, stellt sie in der modernen Geldwirtschaft ein geldpolitisches Instrument dar, das die Abhängigkeit der Banken vom Geldangebot der Zentralbanken verstärkt.³⁸ Nichtsdestotrotz ist die Höhe der eben beschriebenen „Teildeckung“ (sog. Teilreservesystem, im Engl.: fractional reserve banking) entgegen der weit verbreiteten Auffassung³⁹ nicht maßgeblich für den Umfang der durch Banken betriebene Kreditgeldschöpfung.⁴⁰ Das erweiterte Geldschöpfungspotenzial der
Vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 82. Vgl. EZB, Was ist Mindestreservepflicht, v. 11. August 2016. Die in der Eurozone ansässigen Banken müssen die vorgeschriebene Mindestreserve nicht an jedem Tag in voller Höhe als Einlage auf ihrem Zentralbankkonto halten, sondern nur im Durchschnitt über eine sechswöchige Mindestreserveperiode. Zudem können Einlagen auf Zentralbankkonten herangezogen werden, um dringende Zahlungspflichten nachzukommen. Damit wird den Banken ein hoher Grad an Flexibilität gewährt. Das Reserveguthaben entfaltet lediglich eine Pufferwirkung; vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 172 f. Vgl. Spahn, Geldpolitik – Finanzmärkte, neue Makroökonomie und zinspolitische Strategien, 2012, S. 22. Die Auffassung, dass je höher der Mindestreservesatz ist, desto niedriger die Multiplikatorwirkung und damit die Geldschöpfung, findet sich in vielen ökonomischen Lehrbüchern; s.u.a. Krugman/Wells, Economics, 2015, 864 ff.; Mankiw, Principles of Economics, 2012, S. 627 ff. So auch Köhler, Humes Dilemma – oder: Das Geld und die Verfassung.: „Geldschöpfung“ der Banken als Vermögensrechtsverletzung, Ludwig von Mises Institut Deutschland e.V. (Hrsg.), 2015, S. 909. Dieser Auffassung liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, dass jeder ausgegebene Kredit – abzüglich der Mindestreserve – als neue Einlage bilanziert wird, aus der wiederum Kreditgeld geschaffen wird. Wie bereits erläutert, setzt aber die Geldschöpfung durch Banken keinen vorherigen Einlagenzufluss voraus. Vgl. McLeay/Radia/Ryland, Money Creation in the Modern Economy, Bank of England Quarterly Bulletin 2014, S. 16, die eine dreiteilige Systematisierung der Grenzen an der Geldschöpfungsmacht der Banken bevorzugen.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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Banken darf allerdings nicht den Eindruck entstehen lassen, dass sie die Geldmenge unbegrenzt ausweiten können. Der Kreditvergabe und der damit einhergehenden Geldschöpfung werden in vierfacher Hinsicht Schranken gesetzt:⁴¹ Zunächst schränken sich dabei selbst die Banken ein, indem sie die Kreditvergabe von der eigenen Beurteilung über die im Einzelfall damit verbundenen Risiken und die Aussicht auf Rückzahlung abhängig machen. Zudem setzt die Kreditvergabe eine entsprechende Kreditnachfrage durch private Personen, Unternehmen oder Staaten voraus. Dadurch erlangen Haushalte, Unternehmen und Staaten in ihrer Rolle als Kreditnachfrager und Halter von Bankeinlagen Einfluss auf die Kredit- bzw. Geldschöpfung. Durch Anhebung oder Senkung des Leitzinses können Zentralbanken die Nachfrage nach Krediten und damit das Ausmaß der Buchgeldschöpfung steuern.⁴²Im Übrigen wird die Geldschöpfung auch durch bankaufsichtsrechtliche (Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen) begrenzt.⁴³
Zukünftige Entwicklungslinien Wie bereits angemerkt, stehen die Zentralbanken an der Spitze der Geldschöpfungskette. Für die Übertragung geldpolitischer Impulse auf die Realwirtschaft werden die Banken zwischengeschaltet. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Geldpolitik ist der ständige Bedarf an Zentralbankgeld. Hä lt die Zentralbank den Leitzins niedrig, kommen die Banken gü nstiger an Geld und kö nnen dieses auch „billiger“ zu niedrigen Zinsen an den Endverbraucher weitergeben („Zinskanal“). Während der Finanzkrise brach aber dieser Transmissionsmechanismus zusammen⁴⁴ und es stellte sich heraus, dass eine Zinssenkung allein nicht ausreichte, um kreditfinanzierte Investitionen anzuregen. Der Zinskanal war bei der Transmission der geldpolitischen Impulse überfordert. Als Reaktion darauf griffen die Zentralbanken weltweit auf unkonventionelle Konjuktursteuerungsmaßnahmen zurück: Durch den Ankauf von privaten und staatlichen Anleihen (sog. quantitative easing) sollte neues Zentralbankgeld nicht über den Umweg der Kreditrefinanzierung durch Banken, sondern direkt in den Wirtschaftskreislauf eingespeist werden.⁴⁵ Einen viel größeren Umfang weist das im März 2020 beschlossene
Id., S. 17. Vgl. EZB, The monetary policy of the ECB, 3.A., 2011, S. 58 ff. Vgl. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, 2019, S. 83. Vgl. Huertas, Are Banks Still Special? Journal of Financial Perspectives, 2018, S. 4 ff. In einem ersten Schritt kaufte das Eurosystem in der Zeit von Juli 2009 bis Oktober 2012 von Banken insbesondere Staatsanleihen krisengeschü ttelter Staaten (Covered Bond Purchase Programme 1/2 – CBPP1/2) und Securities Markets Programme – SMP). Nach der Verschä rfung der Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 wurde im September 2012 ein erweitertes Ankaufprogramm
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) auf, dass zur Abwendung von Gefahren für die Preisstabilität und das ordnungsgemäße Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus dienen soll.⁴⁶ Je standartisierter und voraussetzungsärmer solche geldpolitischen bzw. fiskalischen Maßnahmen zukünftig werden, desto mehr wird die Monopolstellung von Banken in der privaten Kredit- und Geldschöpfung in der Zukunft unter Druck geraten. Noch größere Gefahren für dieses Privileg zur Geldschöpfung der Banken können aber – ähnlich wie im Falle der Finanzintermediation – von der fortschreitenden Digitalisierung ausgehen. Insbesondere die Idee vom digitalen Zentralbankgeld, die gegenwärtig Gegenstand von Untersuchungen von vielen Zentralbanken weltweit ist⁴⁷, könnte die Zwischenschaltung von Banken in der Zukunft überflüssig machen.⁴⁸
II. Rechtfertigung staatlicher Eingriffe Die aufgezeigten Funktionen und Leistungen der Banken verdeutlichen das erhebliche öffentliche Interesse an einem funktionierenden Bankwesen. Dies mag
(Outright Monetary Transactions – OMT) eingeführt. Im Rahmen des erweiterten Programms zum Ankauf von Vermögenswerten erwarb die EZB verschiedene Aktiva im Umfang von 15 Mrd EUR bis 80 Mrd EUR pro Monat, darunter Staatsanleihen von supranationalen europäischen Institutionen begebene Wertpapiere, Unternehmensanleihen, forderungsunterlegte Wertpapiere (Asset-Backed Securities – ABS) und gedeckte Schuldverschreibungen. Vgl. EZB, Wie funktioniert das Programm der EZB zum Ankauf von Vermögenswerten?, 2019. Das Programm wurde im Dezember 2018 offiziel beendet. Ursprünglich war ein Gesamtumfang von 750 Mrd. EUR vorgesehen, um Ankäufe von Kategorien von Vermögenswerten, die im im Rahmen des bereits bestehenden Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) zugelassen sind, zu tätigen; vgl. EZB, Beschluss 2020/440 v. 24. März 2020 zu einem zeitlich befristeten Pandemie-Notfallankaufprogramm (EZB/2020/17), Art. 1. Im Juni 2020 wurde der Umfang des PEPP um 600 Mrd. EUR auf insgesamt 1,350 Mrd. EUR angehoben; vgl. EZB, Monetary policy decision, Pressemitteilung v. 4. Juni 2020. Für die EZB siehe Mersch, Digital Base Money: An Assessment from the ECB’s Perspective, 2017; für die FED siehe Powell, Innovation, Technology, and the Payments System, 2017; für die chinesische Zentralbank siehe Fan, On Digital Currencies, Central Banks Should Lead, 2017; für die Bank of England siehe Broadbent, Central banks and digital currencies, 2016; für die schwedische Zentralbank siehe Sveriges Riksbank, The Riksbank’s e-krona project, Report 1, 2017. S.u.a. Barrdear/Kumhof, The Macroeconomics of Central Bank Issued Digital Currencies, Bank of England Staff WP Nr. 605, 2016; Hanl/Michaelis, Digitales Zentralbankgeld als neues Instrument der Geldpolitik, 2019, S. 340 ff.; Griffoli//Peria/Ari/Kiff/Popescu/Rocchon, Casting Light on Central Bank Digital Currency, IMF, 2018.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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die differenzierte Sonderbehandlung des Bankensektors im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren erklären. Beleg dafür ist die aktuelle pandemiebedingte Krisensituation. Während viele Staaten weltweit zum Zwecke von Kontaktbeschränkungen einen „wirtschaftlichen Winterschlaf“ verordneten, sorgten weitere staatlich induzierten Maßnahmen sowie monetären Eingriffe der Zentralbanken für die ungestörte Fortführung der Bankgeschäfte. Somit agieren die Banken zum Teil als longa manus von Staaten für die Umsetzung politischer Umverteilungsvorhaben und von Zentralbanken für die Transmission ihrer monetären Impulse in die Realwirtschaft. Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht bedarf jedoch jeder staatliche Eingriff in die privatwirtschaftliche Marktordnung zur Erreichung eines legitimen Zwecks einer Rechtfertigung.⁴⁹ Dafür muss der Eingriff zum einen zur Abwendung eines Marktversagens dienen und zum anderen im Einklang mit den Wohlfahrtskriterien (u. a. das Pareto-Kriterium⁵⁰) stehen.⁵¹ Als spezielle Marktversagenstatbestände im Bankensektor werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur die strukturelle Fragilität des Geschäftsmodells von Banken sowie die systemischen Risiken durch Kettenreaktionen (Externalitäten) und die asymmetrische Informationsverteilung genannt.⁵² Aus diesen lässt sich ableiten, dass Banken einer besonderen Aufsicht und Regulierung unterzogen werden müssen. Im Hinblick auf diese allgemeinen Begründungsansätze für staatliche Eingriffe⁵³ in
Vgl. Haucap/Heimeshoff/Uhde, in: Michler/Smeets (Hrsg.), Die aktuelle Finanzkrise: Bestandsaufnahme und Lehren für die Zukunft, 2011, S. 185 ff, die auf einen „strengen Begründungszwang“ hinweisen. Das Pareto-Optimum beschreibt den Zustand, in dem durch eine Ressourcenumverteilung der kein Individuum bessergestellt werden kann, ohne dass dadurch ein anderes Individuum schlechter gestellt wird. Vgl. Pareto, Vilfredo, Il Massimo di Utilità Dato dalla Libera Concorrenza, 9 Giornale degli Economisti 1894, 48, 58. Vgl. Bonn, Bankenkrisen und Bankenregulierung, 1998, 37 f.; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht – Theorie und Praxis der Regulierung, 1996, S. 18; Ruffert, in: id./Fehling, (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, §7, S. 344. S.u.a. Armour, Bank Resolution Regimes: Designing the right model?, Oxford Law and Finance Workshop, v. 17. November 2010, S. 4; Čiha´k/Nier, The Need for Special Resolution Regimes, IMF, 2009, S. 4. Dabei lässt sich mit Bezug auf den Zeitpunkt zwischen präventiven Eingriffen, die auf die Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Krise abzielen, wie z. B. Zulassungs-, Eigenkapital-, die Liquiditäts-, die Diversifikationsanforderungen sowie Bilanzierungsvorschriften und protektiven Eingriffen unterscheiden, die zur Schadensbegrenzung dienen (vor allem Bail-outoder Bail-in-Maßnahmen sowie Einlagensicherungssysteme und sektorspezifische oder öffentliche Letztsicherungsfazilitäten); vgl. Göhner, Bail-in oder Bail-out?, 2018, S. 28 ff, der zutreffend darauf hinweist, dass in der Praxis häufiger Mischformen von Bail-in und Bail-out zu erwarten sind.
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das Bankwesen sowie die zusätzlichen Anreiz- und Umsetzungsprobleme, die eine Bankeninsolvenz im Vergleich zu sonstigen Insolvenzen mit sich bringt, wird im Folgenden in der gebotenen Kürze auch auf die Frage eingeganen werden, warum sich das Insolvenzrecht als ungeeignet erweist, um diese Herausforderungen ökonomisch effizient zu bewältigen.
a) Fragiles Geschäftsmodell Wie bereits erläutert, erhöhen Banken die Liquidität im Kreditmarkt und erzeugen damit einen volkswirtschaftlichen Nutzen, indem sie kurzfristig entgegengenommene Einlagen, die jederzeit zurückgefordert werden können, in langfristige Kredite umwandeln (Fristentransformation).⁵⁴ Ihrem Geschäftsmodell liegt ein immanentes Spannungsverhältnis zugrunde:⁵⁵ Die Banken halten nur einen Bruchteil der Anlagen in liquiden Mitteln vor und sind damit in gewisser Weise immer illiquide. Diese „bloße“ Teildeckung macht die Banken anfällig für ein „Wildhundrennen“ der Gläubiger. Angesichts der eben beschriebenen Passiva-Struktur sind Banken im Falle massenhafter Geldabflüsse seitens ihrer Kunden und Gegenparteien, wie 2007 bei der englischen Bank Northern Rock, existenzbedrohenden Risiken ausgesetzt. Vielmehr muss sich eine Bank nicht tatsächlich in einer Schieflage befinden, um einen Liquiditätsschock zu erleiden; auch negative Gerüchte können eine Bank im Wege einer selbsterfüllenden Prophezeiung in die Insolvenz treiben.⁵⁶ Dies bedeutet, dass auch eine solide Bank Opfer eines solchen Sturms auf die knappen liquiden Mittel werden kann. Aufgrund der Abhängigkeit der Banken von der Refinanzierung über den Interbankenmarkt handelt es sich dabei seltener um konventionelle Kleinanleger-Runs i.S.v. Schalterstürmen und häufiger um das Ergebnis der Einstellung der Finanzierung durch die sog. institutionellen Investoren (sog. „institutioneller Bank Run“ bzw. „stiller Bank-Run“).⁵⁷ Vgl. Armour, Bank Resolution Regimes, Designing the right model?, 2010, S. 5; Ayotte/Skeel, Bankruptcy or Bailouts?, 35 Journal of Corporation Law 2010, 469, 475. Vgl. Calomiris/Haber, Fragile by Design, 2014, S. 29. Im Gegensatz dazu nehmen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors in der Regel Kredite mit einer bestimmten Laufzeit auf, die (nur) unter vertraglich vereinbarten Bedingungen kündbar sind; vgl. Binder, Bankeninsolvenz im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, 2005, S. 105. „Anything that can lead to a run, will lead to a run“ […] „It need not be anything fundamental about the bank’s condition“; vgl. Vgl. Diamond/Dybvig, Bank Runs, Deposit Insurance and Liquidity, 91 Journal of Political Economy 1983, 401, 410. Auch bei der Insolvenz von Lehman Brothers Inc. spielte der institutionelle Bank Run eine entscheidende Rolle. Im Vorfeld der Insolvenz weigerten sich die Investoren, die kurzfristige Fi-
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Die naheliegende Lösung gegen derartige Liquiditätsrisiken-Probleme bestünde darin, Polster in der Bilanz zu schaffen. Allerdings ist der Bankensektor im Gegensatz zu anderen Wirtschaftssektoren bekanntermaßen durch eine niedrige Eigenkapitalquote gekennzeichnet.⁵⁸ Da grundsätzlich das Eigenkapital eines Unternehmens dem Auffangen von Verlusten dient (sog. Pufferfunktion), führt eine geringere Eigenkapitalquote zwangsläufig zu einem erhöhten Ausfallrisiko, sofern keine weiteren – öffentlichen oder sektorspezifischen – Letztsicherungsfazilitäten vorhanden sind. Dieses Risiko wird grundsätzlich durch drei sehr unterschiedliche Absicherungsmechanismen begrenzt: Die Festlegung von Eigenmittelund Verlustabsorptionspolstern, die Etablierung von Einlagensicherungssystemen⁵⁹ und die Liquiditätsbereitstellung, insbesondere die Notfall-Liquiditätsfazilitäten durch die Zentralbanken. Jeder dieser Ansätze ist jedoch mit eigenen Problemen behaftet, die im Rahmen dieser Untersuchung aufgegriffen werden.
b) Externalitäten und Systemrisiko Trotz der unterschiedlichen Auffassungen über den Begriff des Systemrisikos ⁶⁰, ist es relativ unumstritten, dass es zwei Kompenenten umfasst: Zum einen die gegenseitige Ansteckung von Banken und die damit verbundene Gefahr für die Fi-
nanzierung zu verlä ngern, was im Ergebnis dem Abzug von Kapital gleichkam; vgl. Kapur, The next Lehman Bankruptcy, in: Scott/Jackson/Taylor (Hrsg.), Making Failure Feasible, 2015, S. 198. Für die Mindesteigenmittelanforderungen in der EU vgl. Art. 92 Abs. 1 CRR. Die Einlagensicherung umfasst aber keine Gelder von institutionellen Investoren, so dass der Anreiz zum Abzug von Mitteln bei ihnen erhalten bleibt. Außerdem verschafft sie Anreize zur Überinvestition und wird als mitverantwortlich für die Verschärfung des Moral-hazard-Problems angesehen. Dazu unter: A. III. b. Vgl. die Definition der EZB: „it is the threat that developments in the financial system can cause a seizing-up or breakdown of this system and trigger massive damages to the real economy“ in: Trichet, Jean-Claude, University of Cambridge, 2009; s. auch die Legaldefinition von Systemrisiken in Art. 2 lit. c der VO (EU) 1092/2010 v. 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, L 331/1: „Risiken einer Beeinträchtigung des Finanzsystems, die das Potenzial schwerwiegender negativer Folgen für den Binnenmarkt und die Realwirtschaft beinhalten; in ähnlicher Richtung auch die Definition der G-10, Report on Consolidation in the Financial Sector, v. 25. Januar 2001: „the risk that an event will trigger a loss of economic value or confidence in, and attendant increases in uncertainly about, a substantial portion of the financial system that is serious enough to quite probably have significant adverse effects on the real economy“; vgl. auch die Legaldefinition im § 1 Abs. 33 KWG: „Risiko einer Stö rung im Finanzsystem, die schwerwiegende negative Auswirkungen fü r das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben kann“.
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nanzstabilität und zum anderen die Folgewirkungen auf die Realwirtschaft. Beide Komponenten sind mit negativen Externalitäten verbunden. Zur Berschreibung des gleichen Phänomens wird häufig der irreführende⁶¹ Krisenbegriff Too-big-tofail oder Abwandlungen dessen verwendet.⁶² Wie sich bereits den vorigen Ausführungen entnehmen lässt, kann der plötzliche Abzug des Fremdkapitals einer Bank ihren Zugang zum Interbankenmarkt erschweren oder sogar versperren und sie dadurch zum Verkauf illiquider Vermögenswerte zwingen. Aufgrund der damit einhergehenden Wertberichtigungen können derartige Fire Sales blitzartig die Insolvenz der betroffenen Bank herbeiführen.⁶³ Vielmehr kann aber die Folge davon sein, dass i.S. einer negativen Externalität die Preise von weiteren Finanztiteln fallen und andere Banken auch gezwungen werden, Wertberichtigungen in ihren Bilanzen vorzunehmen.⁶⁴ Dies wiederum kann weitere Verkä ufe bei diesen Banken induzieren, mit der Folge, dass die Preise weiter sinken und somit eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird, die in einem dominoartigen Zusammenbruch des Finanzsystems münden kann.⁶⁵ Ursächlich hierfür sind vor allem die weitreichende Vernetzung der Banken untereinander⁶⁶ und die damit eröffneten Ansteckungskanäle. Je stä rker die Vernetzung der Banken miteinander ist, desto anfälliger ist der Bankensektor fü r die Ausbreitung von solvenzbezogenen Ansteckungseffekten. Dies gilt – zumindest theoretisch – auch für die Mikroebene: Je höher die Forderungen einer ausfallenden Bank gegenüber anderen Instituten des Finanzsektors sind, desto größer ist die direkte Ansteckungsgefahr (too interconnected to fail). Neben der Gefahr einer direkten Ansteckung besteht im Finanzsektor auch das Risiko einer indirekten Ansteckung. Die Insolvenz eines Instituts kann als Signal ü ber den Zustand anderer Institute oder des gesamten Sektors aufgefasst werden, sich schnell zu einer Vertrauenskrise entwickeln und zu Mittelabflüssen bei dritten Instituten führen. Es handelt sich hierbei um eine Ansteckung nicht nach dem Domino-,
U. a. weil er suggeriert, dass allein die Größe eines Instituts maßgeblich für das von ihm ausgehende Systemrisiko ist; vgl. Kleinow, Systemrelevante Institute, 2016, S. 22. U. a. „Too big to jail“, „Too big to rescue“, „Too complex to fail“, „Too big to bail“, „Too big to exist“ „Too important to fail“; s. die Auflistung von über 20 Abwandlungen in Kleinow, Systemrelevante Institute, 2016, S. 25. Grundlegend dazu: Shleifer/Vishny, Fire sales in finance and macroeconomics, 25 Journal of Economic Perspectives, 2011, 29 ff. Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 2019, S. 322 f. id. Laut Jahresbericht der Deutschen Bank stehen Forderungen gegen Kunden in Hö he von etwa 399 Mrd. EUR Forderungen gegen Kreditinstitute in Hö he etwa 1.071 Mrd. EUR gegenü ber. Damit bestanden knapp 73 % der Forderungen gegen Unternehmen aus dem Finanzsektor; vgl. Deutsche Bank, Jahresbericht 2018, S. 191.
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sondern nach dem sog. Popcorn-Prinzip: Es kommt zum „Aufplatzen“ von vielen Instituten, ohne dass sie in einem Schuldner-Gläubiger-Verhältnis zueinanderstehen. Aus dem soeben skizzierten Systemrisiko lassen sich zwei grundsätzliche Schlüsse ziehen: Zum einen sind staatliche Korrektureingriffe zur Abwendung systemüberspannender Auswirkungen auf die Realwirtschaft gerechtfertigt, vor allem weil Letzere keinen Eingang in die Entscheidungsprozesse der Banken finden (negative Externalität); zum anderen erweist sich das klassische Insolvenzrecht als größtenteils ungeeignet, um die spezifischen Ansteckungseffekte und Run-Phänomene zu bewältigen und damit die makroökonomischen Auswirkungen einer Bankinsolvenz zu verringern, gerade weil es den sektorspezifischen Systemrisiken nicht ausreichend Rechnung trägt.⁶⁷ Wie bereits ausgeführt können auch solide Banken Liquiditätsschocks mit potenziell verheerenden Folgen für die Realwirtschaft erleiden. Zur Bewältigung solcher Risiken sind Mechanismen erforderlich, die bereits vor dem Eintritt des Konkurses eingreifen. Zu diesem Zweck ist auch die Kontinuität der von systemrelevanten Banken erbrachten Leistungen zu gewährleisten, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Spiel gesetzt würden. Außerdem treten die insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechte den Anreizen für einen Abzug des Fremdkapitals nicht wirksam entgegen.⁶⁸ In einer Gesamtschau liegt der grundlegende Unterschied zwischen einem ordentlichen Insolvenzverfahren und einem – speziell auf Banken zugeschnittenen Sonderinsolvenzrecht – Koordinationsproblem, das sie zu lösen versuchen: Während das Erstere die kollektive Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger herbeiführt, mit dem Ziel, dass sie den höchstmöglichen Ertrag erlangen, indem das kollektive Handlungsproblem in Gestalt einer Einzelzwangsvollstreckung verfahrensrechtlich beseitigt wird,⁶⁹ zielt das Zweite eher auf die Überwindung eines „chicken game“ ⁷⁰ zwischen Staat und Gläubigern des
In der post-Finanzkrise Literatur gilt es als (relativ) unumstritten, dass ein Sonderinsolvenzregime für Banken erforderlich ist. Exemplarisch hierfür: Cihák/Nier, The Need for Special Resolution Regimes for Financial Institutions, IMF, 2009 S. 4 ff.; Dombret, in: Kenadjian, Too Big To Fail – Brauchen wir ein Sonderinsolvenzrecht für Banken?, 2012, S. 28 ff.; Eidenmüller, Restrukturierung systemrelevanter Finanzinstitute, in: FS Hopt, Unternehmen, Markt und Verantwortung, 2010, S. 1716 f. Vgl. Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 86 f. Grundlegend dazu: Jackson, The logic and limits of bankruptcy, 1986, S. 10 ff., 20 ff. Als chicken game wird eine Situation verstanden, in der zwei Fahrzeuge aufeinander zufahren und das erste, das ausweicht, verliert. Übertragen auf den Ausfall einer systemrelevanten Bank wären der Staat und die Bankgläubiger die zwei Fahrzeuge. Damit wird die Ohnmacht und Erpressbarkeit des Staates beim Ausfall eines Too-big-to-fail anschaulich gemacht. Denn die
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ausfallenden systemrelevanten Instituts. Somit besteht das vorrangige Ziel eines Bankeninsolvenzrechts darin, die Finanzstabilität zu wahren und potenzielle Systemrisiken auch durch die Verlusttragung von Eigen- und Fremdkapitalgebern abzuwenden.
c) Asymmetrische Informationsverteilung Anders als bei Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist die Bewertung der tatsächlich durch eine Bank eingegangenen Risiken aufgrund einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren fü r die Glä ubiger nur schwer mö glich. Dies ist zum Teil auf die verhä ltnismä ßig begrenzte Aussagekraft von Bankbilanzen zurückzuführen.⁷¹ Hinzu kommt, dass Informationen in besonderem Maß asymmetrisch verteilt sind, ⁷² so dass Glä ubiger nur eingeschränkt zwischen riskanten und weniger riskanten bzw. ausfallgefährdeten und sicheren Instituten unterscheiden können. So wird oft auf Informationen dritter Banken zurückgegriffen, um Schlüsse über die Solidität der eigenen Bank zu ziehen. Treten mehrere negativen Meldungen über sie auf, droht sogar ein Einlagenabfluss auch bei der eigenen Bank. Dieses Phänomen lässt sich als Erwartungshomogenisierung⁷³ bzw. Homogenitätsannahme⁷⁴ der Gläubiger umschreiben. Bei Instituten mit ähnlicher Bilanzstruktur oder ähnlichem Geschäftsmodell gehen die Bankgläubiger häufig davon aus, dass die Grü nde fü r die
Bankgläubiger pochen auf eine Rettung mit öffentlichen Mitteln. Dem Bail-in-Mechanismus gelingt – zumindest theoretisch – eine wirksame Abstimmung der entgegengesetzten Interessen, indem es eine Mindestbeteiligung für die Bankgläubiger vorschreibt, die sowohl beim „Weiterfahren“ als auch beim „Ausweichen“ (in Form jeglicher Bail-out-Maßnahmen) eintritt. Ausführlich dazu: de Weijs, Too Big to Fail as a Game of Chicken with the State: What Insolvency Law Theory Has to Say About TBTF and Vice Versa, EBOR 2013, 214 ff. Gründe hierfür sind u. a. die starke Volatilität von Finanzinstrumenten im Vergleich zu Vorräten oder Immobilien, das Bekanntmachen der Bilanz nach dem Stichtag sowie der IFRS-Bilanzierungsgrundsatz der Marktwertbilanzierung (mark to market, fair value) nach IAS 39 – 46 und IFRS 7. Das Problem der asymmetrischen Informationsverteilung wurde von George Akerlof zunächst im Zusammenhang mit dem Markt für Gebrauchtwagen beschrieben: Aufgrund des Informationsvorsprungs der Verkäufer von Gebrauchtwagen gegenüber ihren Käufern und der begrenzten Möglichkeiten der Letzteren die „echte“ Qualität zu ermitteln, werden die Verkäufer lediglich qualitativ schlechte Wagen („lemons“) anbieten. Dies bedeutet nicht nur eine Benachteiligung der ahnungslosen Käufer, sondern führe auch zum Zusammenbruch des Marktes für Gebrauchtwagen. Vgl. Akerlof, The Market for „Lemons“ – Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 Quarterly Journal of Economics 1970, S. 489. Vgl. Körnert, Dominoeffekte im Bankensystem – Theorien und Evidenz, 1998, S. 106. Vgl. Bonn, Bankenkrisen und Bankenregulierung, 1998, S. 30.
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Insolvenz des anderen Instituts auch ihr Institut betreffen.⁷⁵ Auch empirisch lä sst sich dieser Effekt nachweisen.⁷⁶ Selbst wenn die Gläubiger von der stabilen Lage ihrer Bank ü berzeugt sind, kann es trotzdem rational sein, ihr Guthaben schnellstmöglich abzuziehen, wenn eine hinreichende Anzahl anderer Glä ubiger der Bank sich über die abnehmende Bonität der Bank einig ist und ein Bankrun droht. Im Ergebnis fü hrt individuell rationales Verhalten so zu einem in aus wohlfahrtsökonomischer Sicht kollektiv schlechteren Ergebnis.⁷⁷ Zur Verringerung der Anreize für einen Kapitalabzug kann u. a. ein glaubhafter ex-ante Absicherungsmechanismus, wie eine Einlagensicherung, dienen. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass asymmetrische Informationsverteilung die Gefahr eines Bank Run erhöht und damit die latente Instabilitä t des Finanzsektors verschärft.
III. Grenzen hoheitlicher Eingriffe Zwar bedürfen die soeben skizzierten bankenspezifischen Marktversagentatbestände einer Korrektur und rechtfertigen damit hoheitliche Eingriffe. Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass lediglich das Marktumfeld durch Unvollkommenheiten geprägt ist. So verfügen auch die Gesetzgeber sowie die Aufsichts- und Abwicklungsbehö rden über keine vollstä ndigen Informationen, weder ü ber den Regelungsgegenstand noch über die Marktrahmenbedingungen. Zudem verfolgt die Bankenregulierung oft widersprüchliche Ziele oder zieht unbeabsichtigte Folgen nach sich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidungsträger nicht zwangsläufig am Gemeinwohl orientiert sind, sondern zumindest teilweise auch im eigenen Interesse agieren. Nicht zuletzt sind die Ermittlung von Marktversagen, die Festlegung der geeigneten Regulierungsinstrumente bzw. der angemessenen Eingriffsintensität sowie deren Durchsetzbarkeit mit eigenen immensen Schwierigkeiten befrachtet. De facto ist oft ein ge-
In der Finanzkrise galt das in besonderem Maße fü r den Bereich des Verbriefungsgeschä fts. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung waren die Glä ubiger weder ü ber das Ausmaß des Verbriefungsgeschä fts ihres Schuldnerinstitutes noch ü ber das im Verbriefungsgeschä ft begrü ndete Risiko hinreichend informiert und zogen daher vorsichtshalber ihr Kapital ab. Vgl. Schwarcz, Disclosure Failure in the Subprime Mortgage Crisis, Utah Law Review 2008, 1108, 1113. Für den Zusammenhang zwischen asymmetrischer Information und Bank-run im historischen Kontext s. Scott, Interconnectedness and Contagion – Financial Panics and the Crisis of 2008, Banking and Insurance eJournal, v. 26. Juni 2014, S. 70 ff. Eine Art von Gefangenendilemma; vgl. u. a. Bonn, Bankenkrisen und Bankenregulierung, 1998, S. 26.
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schicktes Lavieren zwischen Skylla (in Form eines Marktversagens) und Charybdis (in Form eines Staatsversagens) erforderlich.
a) Komplexität der Finanzordnung Unmittelbar nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 geriet die schiere Größe von global agierenden Banken in den Fokus der Öffentlichkeit. Beleg hierfür ist die Entstehung und Verwendung des Symbol-Krisenbegriffs Too-big-to-fail (TBTF). Trotz unterschiedlicher Auffassungen über die Bedeutung dieses Begriffs, die sich anschaulich mit dem englischen Spruch „I can’t define it, but I know it when I see it“⁷⁸ zusammenfassen, stellt die Ermittlung der Größe einer systemrelevanten Bank und der damit verbundenen Risiken für die Finanzstabilität eine durchaus beherrschbare Aufgabe für die Aufseher dar.⁷⁹ Dennoch ist im Hinblick auf die Abwicklungsfähigkeit von TBTF-Banken ihre Komplexität⁸⁰ deutlich entscheidender (too complex to fail) als ihre reine Größe. Darüber müsste man allerdings aus der Sicht der Aufsichts- und Abwicklungsbehörden eher feststellen: „I can’t define it (and I can’t understand it)“. Der hohe und zunehmende Komplexitätsgrad der Finanz- bzw. Bankenordnung ist hauptsächlich auf folgende Grundentwicklungen zurückzuführen: Die Deregulierung der internationalen Märkte und die damit vollzogene Erweiterung des Umfangs von bankähnlichen Tätigkeiten;⁸¹ die bereits erwähnte starke Vernetzung von Banken untereinander sowie den ständigen Wandlungsszustand, in dem sich der Finanzsektor aufgrund der Finanzinnovationen in Produkten, Hierbei handelt sich um ein Zitat des US-amerikanischen Supreme Court Richters Potter Stewart zur Definition der Pornographie; vgl. Kleinow, Systemrelevante Institute, 2016, S. 23. Dazu sind etliche Indikatoren auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene herausgearbeitet worden. Vgl. die Definition der Komplexität von Hayek als „die Mindestzahl der Elemente […], aus der ein Einzelfall des Musters bestehen muß, um sä mtliche charakteristische Eigenschaften der betreffenden Klasse von Mustern aufzuweisen“; vgl. Hayek, Die Theorie komplexer Phänomene, in: Vanberg (Hrsg.), Wirtschaftstheorie und Wissen, Tübingen, 2007, S. 188, 192. Das Begriffsverständnis von Komplexität spiegelt sich auch in der grundlegenden Unterscheidung von Hayek zwischen spontaner und geplanter Ordnung. Da die Erstere das Ergebnis der menschlichen Vernunft, aber nicht eines menschlichen Entwurfs ist, ist sie per Definition komplexer als die Zweite. Dies sollte als Warnung vor staatlichen Eingriffen in eine spontane Ordnung dienen. Grundlegend hierzu: Hayek, Kosmos und Taxis, in:Vanberg (Hrsg.), Recht, Gesetz und Freiheit, Tübingen, 2003, S. 37, 53; Hayek, Arten der Ordnung, ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 2003, 3 ff. Vgl. Cetorelli/McAndrews/Traina, Evolution in Bank Complexity in: Federal Reserve Bank of New York, Special Issue: Large and Complex Banks Economic Policy Review 2, 2014, S. 85 ff.
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Dienstleistungen und internen Prozessen befindet⁸². Dadurch spitzt sich das Problem der systemischen Komplexität⁸³ zu und erschwert sich die Überwachungsaufgabe für die zuständigen Behörden.
b) Marktbereinigung – Moral Hazard Zwar eignen sich ad hoc beschlossene Rettungsmaßnahmen zugunsten ausfallender systemrelevanter Banken zur Abwendung von Ansteckungseffekten auf den Finanzmärkten und somit zur Verhinderung größerer Schäden in der Wirtschaft. Allerdings sind sie mit erheblichen ex ante Kosten verbunden, da solche Maßnahmen das marktwirtschaftliche Haftungsprinzip außer Kraft setzen.⁸⁴ Bleiben sog. Zombiebanken⁸⁵ am Markt bestehen, statt aus dem Wettbewerb auszuscheiden, wird der Marktallokationsmechanismus und die damit verbundene Selbstbereinigung des Marktes ausgesetzt. Es findet keine „schöpferische Zerstörung“ mehr statt.⁸⁶
Vgl. Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Mayer/Payne, Principles of Financial Regulation, 2016, S. 83 f. Für eine empirische Untersuchung von sechs Bankenkrisen im US-amerikanischen Bankensektor, die diesen Befung belegen s. Bruner/Carr/Mehedi in: Hollow/Akinbami/Michie (Hrsg.), Complexity and Crisis in the Financial System: Critical Perspectives on the Evolution of American, 2016, S. 20 ff. Nach der ordoliberalen Konzeption: „wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden haben“; vgl. Eucken, Grundsä tze der Wirtschaftspolitik, 1952/2004, S. 279 ff. Noch eklatanter Id., S. 285: „Jede Beschränkung der Haftung löst eine Tendenz zur Zentralverwaltungswirtschaft aus“. Die theoretischen Grundlagen zum Konnex von Freiheit und Verantwortung bzw. Nutzen und Kosten legte F.A. von Hayek in v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 88 ff. Siehe auch Röpke, Die Lehre von der Wirtschaft, 1954, S. 285: „Verantwortlichkeit und Risiko [müssen] aufs engste miteinander verkoppelt werden“. In einem anderen Zusammenhang, aber auch relevant Erhard, Prosperity through Competition, 1962, S. 162: „Freedom, without responsibility and a feeling of obligation can only results in degeneration and chaos.“ Der Ursprung dieses Begriffs geht auf die US-amerikanische Sparkassenkrise der 1980er Jahre zurück; vgl. Kane, The Savings and Loan Insurance Mess, Society, 1992, S. 4: „[…] have, for some time, been zombie institutions. […] These zombie S&Ls were able to survive only because they could feed off taxpayers through the device of government-guaranteed federal deposit insurance.“ „Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschinen in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- und Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Organisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft […] – wenn ich diesen biologischen Ausdruck verwenden darf -, der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ ist das für den
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Die Aussicht der Bankgläubiger auf eine staatliche Rettung lässt sich als MoralHazard-Problem⁸⁷ umschreiben und wirkt sich in zweierlei Hinsicht negativ auf die Anreize der Gläubiger aus. Da mögliche Verluste der Gesamtheit auferlegt werden, verringern sich ihre Anreize zur Einflussnahme auf die Entscheidungen der Geschäftsleitung der Bank (sog. direkte Marktdisziplinierung). Zugleich wird dadurch auch die Ausübung einer mittelbaren Kontrolle mittels Fremdkapitalaufschläge außer Kraft gesetzt (sog. indirekte Marktdisziplinierung).⁸⁸ In einer freien von Externalitäten Welt gehen riskante Geschäftsstrategien, die hö here Renditen versprechen, mit Finanzierungsaufschlägen seitens der Fremdkapitalgeber einher. Werden die Gläubiger aber geschont, entfallen auch solche Aufschläge, mit der Folge, dass Anreize für die Geschäftsleitung der Bank zur Verfolgung von riskanteren Strategien entstehen.⁸⁹ Die künstlich nach unten gedrückten Refinanzierungskosten entsprechen einer Art von impliziter Subvention für die systemrelevanten Banken und gewähren ihnen einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Banken. Es liegt dann im Interesse der Letzteren sich zusammenzuschließen, um als systemrelevant behandelt zu werden und von der impliziten Subvention zu profitieren.⁹⁰ Es lässt sich somit festhalten, dass Bail-out-Maßnahmen die Konzentrationstendenzen im Bankensektor verstärken und damit die Systemrisiken erhöhen können. Eine ähnliche Anreizwirkung entfaltet, zumindest für den abgesicherten Teil von Einlagen, die Einlagensicherung.⁹¹
Kapitalismus wesentliche Faktum“. Vgl. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 2005, S. 136. Da die neoklassiche Theorie von rational handelnden Individuen, die ihren Eigennutzen maximieren wollen, ausgeht, soll der Begriff „moral hazard“ nicht so verstanden werden, als würde er eine Beurteilung über die moralische Verwerflichkeit des Gläubigerverhaltens beinhalten. Vgl. Berger/Molyneux/Wilson, The Oxford Handbook of Banking, 2012, S. 569; Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 97 f. Grundlegend dazu: Mishkin, The Economics of Money, Banking and Financial Markets, 2016, S. 264. Auch empirische Analysen deuten darauf hin; s.u.a. Ferreira/Kershaw/Kirchmaier/Schuster, Measuring Management Insulation from Shareholder Pressure, LSE Law, 2016, S. 4 ff. Vgl. Siegert/Willison, Estimating the extent of the „too big to fail“ problem – a review of existing approaches, Bank of England, 2015, S. 10 ff. In diesem Zusammenhang stellt sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Frage, ob der Preis für die begrenzte vertrauensbildende Funktion durch die Einlagensicherung ihren Nutzen übersteigt. Theoretisch würde eine Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, die alle Einlagen vollumfänglich deckt, Kapitalanleger zu einer Gleichgültigkeit im Hinblick auf die Bonität eines Instituts veranlassen („moral hazard“). Um dieser entgegenzutreten, sollte die Einlagensicherung zwischen schutzwürdigen Kleinanlegern und sonstigen Anlegern differenzieren und eine umfassende Absicherung nur für die Letzteren gewährleisten können. Dazu ausführlich: Krimminger, Deposit insurance, banking resolutions and moral hazard: considerations in system
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c) Verteilungsgerechtigkeit Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die möglichen Verteilungseffekte staatlicher Eingriffe. So gehen Bankenrettungsmaßnahmen mit Neuverschuldung der Staaten und/oder Steuererhöhungen zur Finanzierung der zusätzlichen öffentlichen Ausgaben einher. Empirisch zeigt sich, dass solche Maßnahmen zum einen staatliche Transferzahlungen von Nichtteilnehmern an Teilnehmer im Finanzsektor darstellen, die zum anderen regressiv wirken. Geringverdiener sind stärker davon betroffen, während Wohlhabende in einigen Fällen sogar davon profitieren.⁹² Außerdem führen die für staatliche Bail-out-Maßnahmen benötigten enormen Beträge zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte.Wie die Eurokrise gezeigt hat, kann sich die Schuldentragfähigkeit von Staaten dermaßen verschlechtern, dass eine Staatsschuldenkrise mit Rückkoplungswirkungen auf das Bankensystem ausgelöst wird.⁹³ Laut empirischen Untersuchungen⁹⁴ belastet die Haushaltskonsolidierung überproportional die Bezieher geringer Einkommen und führt zu einem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Man könnte demgegenüber einwenden, dass auch ein Einbruch der Wirtschaft in Ermangelung von Bankenrettungsmaßnahmen erhebliche fiskalische Kosten verursachen kann, indem z. B. die Fiskuseinnahmen aufgrund des konjukturellen Rückgangs sinken. Auch in diesem Fall können regressive Verteilungseffekte (z. B. in Form von Massenarbeitslosigkeit) auftreten.⁹⁵ Dies soll als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Verteilungsgerechtigkeitsfrage sich nicht auf die Wahl zwischen Bail-out- und Bail-in-Ansätzen beschränkt, sondern viel weitreichender ist. Weitere Faktoren wie Lobbyingaktivitäten haben ebenfalls einen großen Einfluss darauf.
design, in: Mayes/Pringle/Taylor (Hrsg.), Towards a new Framework for Financial Stability, 2009, S. 199 ff. Vgl. Gezici, Distributional Consequences of Financial Crises: Evidence from Recent Crises, Review of Radical Political Economics 42(3), 2010, 373, 375 ff.; Halac/Schmukler, Distributional Effects of Crises: The Financial Channel, 1 Economia 2004, S. 1 ff. Vgl. Acharya/Drechsler/Schnabl, A Pyrrhic Victory? Bank Bailouts and Sovereign Credit Risk, 6 Journal of Finance 2014, 2689 ff. Empirisch zeigt sich, dass Bankenkrisen oft Vorbote von Staatsschuldenkrisen sind; vgl. Reinhart/Rogoff, From Financial Crash to Debt Crisis, 5 American Economic Review 2011, 1676 ff. Vgl. Ball/Furceri/Leigh/Loungani, The Distributional Effects of Fiscal Consolidation, IMF Working Paper 13/151, 2013. Vgl. Göhner, Bail-in oder Bail-out?, 2018, S. 38.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
IV. Ergebnis An den aus den obigen Ausführungen abgeleiteten Anforderungen soll der im europäischen Bankenabwicklungsregime verankerte Bail-in-Mechanismus gemessen werden. Er verfolgt das ambitionierte Ziel, die anderenfalls unvermeidliche alternative Liquidation oder Bail-out zu vermeiden⁹⁶. Es handelt sich zweifelsohne um einen Spagat, der nicht leicht zu meistern ist. Durch die Etablierung eines Regimes der partiellen Gläubigerhaftung sollen die Bail-out-Erwartungen der Gläubiger von systemrelevanten Banken einigermaßen eingedämmt werden. Zugleich soll er eine gewisse Flexibiltät aufweisen und Haftungsausnahmen sowie den Zufluss externer (darunter auch staatlicher!) Mittel im Abwicklungsverfahren unter strengen Bedingungen zulassen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität erforderlich ist. Als Idealfall soll der Ausfall eines Instituts verstanden werden, der ähnlich wie bei der Restrukturierung von Fluggesellschaften ein störungsfreies Ereignis darstellt, dass das Vertrauen der Marktteilnehmer nicht aufs Spiel setzt.⁹⁷
Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, FS für H.-S. Schwintowski, 2017, 259, 265. Tröger, Zu kompliziert, um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 26 f.
A. Ökonomische Vorüberlegungen
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Um dieses Gleichgewicht zu bewahren, genügt das bloße Vorhandesein von Bail-in-Regeln und -Befugnissen allerdings nicht.Vielmehr müssen solche Regeln hinreichend glaubwürdig sein.⁹⁸ Als solche gelten sie, wenn sie keine Anreize zu zeitinkonsistentem Verhalten bieten, nämlich von einer zuvor kommunizierten Strategie beim Bankausfall auszuweichen.⁹⁹ Zu diesem Zweck ist es auch erforderlich, dass die Ermessenspielrä ume der Entscheidungsträger zugunsten regelbasierter Verfahren möglichst begrenzt bleiben.¹⁰⁰ Eine diskretionä re Politik ist per se dem Zeitkonsistenzproblem verstä rkt ausgesetzt.¹⁰¹
Für eine empirische Untersuchung zum Zusammenhang zwischen bail-in-ähnlichen Maßnahmen und Erwartungen der Marktteilnehmer in Gestalt von Fremdkapitalaufschlägen s. Schäfer/Schnabel/Weder di Mauro, Bail-in expectations for European banks: Actions speak louder than words, European Systemic Risk Board, 2016. Vgl. Göhner, Bail-in oder Bail-out?, 2018, S. 33. Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankenbetriebslehre, 2015, S. 334 f. Für eine politö konomische Analyse der Bankenrettungspolitik s. Rosas, Bagehot or Bailout? An Analysis of Government Responses to Banking Crises, 1 American Journal of Political Science 2006, 175 ff.; Grossman/Woll, Saving the Banks: The Political Economy of Bailouts, 4 Comparative Political Studies, 2014, 574 ff. Vgl. Mishkin, The Economics of Money, Banking and Financial Markets, Global Edition, 11. Ausgabe, 2016, S. 654.
B. Rechtliche Rahmenbedingungen Die Bankenregulierung gilt als Paradebeispiel einer krisenveranlassten oder krisengetriebenen Regulierung und beherbergt als solche erfahrungsgemäß inhärente Risiken. Ihre Entwicklung wird mehr von den jeweiligen politischen und ökonomischen Erfordernissen als von der Theorie diktiert.¹⁰² So kommt es häufig zu einer gesetzgeberischen Überreaktion in zeitlicher¹⁰³ oder räumlicher¹⁰⁴ Hinsicht.¹⁰⁵ Dennoch bietet sich in diesen Krisenzeiten auch die günstige Chance, Veränderungen in der Finanzordnung herbeizuführen, die diese über die aktuelle Krisensituation hinaus beständig und krisenresistent machen können.Vor diesem Hintergrund sind auch die gegenwärtigen Bestrebungen zur Festigung der Wirtschafts- und Währungsunion und konkret zum Aufbau der Europäischen Bankenunion zu sehen. Die Finanzmarktkrise gab den Anstoß für eine fundamentale ideologische Kehrtwende in der Bankenaufsicht und -abwicklung und löste somit einen Reformprozess aus, der präzendenzlos in der Integrationsgeschichte der EU ist.¹⁰⁶ Als prominentestes Produkt dieser tektonischen Reformvorgänge gilt das
Vgl. Allen/Gale, Understandig Financial Crises, 2007, 190: „from a financial economics perspective, examining the empirical process through which financial regulation develops as a matter of trial and error, driven by the exigencies of history rather than by formal theory“. S. auch Ferran, in: Ferran/Moloney/Hill/Coffee, The Regulatory Aftermath of the Global Financial Crisis, 2012, S. 1 ff. Nämlich wenn die Ereignisse, die Anlass zu der Krisenregulierung gegeben haben, nicht mehr aktuell sind. Nämlich wenn der Anwendungsbereich der Krisenregulierung über die betroffenen Wirtschaftszweige hinaus auch auf Andere Anwendung findet. Allein der Basler Ausschuss veröffentlichte in den Nachkrisejahren „ganze 2795 Seiten“ voller bankenspezifischen Regelungen und damit „mehr als die Hälfte [seines] gesamten Regelwerks“; vgl. Kolly/Müller/Wimmer, Am Anfang stand ein Bankenkollaps. Dann kam die Regulierung – und hörte nicht mehr auf, NZZ v. 10. August 2017. In Bezug auf die US-amerikanische Bankenregulierung s. Coffee, The political economy of Dodd-Frank: Why financial reform tends to be frustrated and systemic risks perpetuated, Cornell Law Review, 2012, S. 1020 ff.; Triantafyllakis, US-Bankenregulierung: Schwingt nun das Pendel wieder zurück?, WM, 2019, S. 856, 857 f. In Bezug auf die EU s.: Moloney, The legacy effects of the Financial Crisis on Regulatory Design in the EU, in: Ferran/Moloney/Hill/Coffee, The Regulatory Aftermath of the Global Financial Crisis, 2012, S. 111, 144. Vgl. Rede des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama v. 2. Oktober 2008 in Grand Rapids, Michigan: „This financial crisis is a direct result of the greed and irresponsibility that has dominated Washington and Wall Street for years. […] Well, this crisis is nothing less than a final verdict on this failed philosophy – and it’s a philosophy I’m running for President to end“. Aus der Sicht vieler Ökonomen stellte sich die Finanzkrise als Kulminationspunkt der in den 1970er Jahren eingeleiteten Deregulierung der Finanzmärkte dar. Vgl. Tichy, Banken- und Staatsschuldenkrise: Ursachen, Folgen, Lösungsansätze, in: Hilpold/Steinmair (Hrsg.): Neue europäische https://doi.org/10.1515/9783110764437-006
B. Rechtliche Rahmenbedingungen
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Bail-in-Instrument, das den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet. Genauso wie die Finanzkrise kein punktuelles Ereignis, sondern eine Folge bzw. ein Symptom langfristiger umfassender Transformationen gewesen ist, ist auch die Entwicklung der europäischen Finanzarchitektur und mithin auch des Bail-inAnsatzes als kontinuierlicher „trial-and-error“-Prozess anzusehen, der oft momentbezogen und unkoordiniert war, sich nun aber auf einem etwas sicheren Fundament stützt. Es empfiehlt sich daher, zunächst einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte der EU-Bankenregelungsarchitektur und die damit einhergehende Haftungsordnung für Bankengläubiger, die sich grob in drei Phasen einteilen lässt, sowie über ihre heutige Ausgestaltung zu schaffen. Anschließend sollen die Grundzüge des neuen Ansatzes zum Umgang mit ausfallenden Banken skizziert werden.
I. Vorgeschichte des heutigen Regimes Die erste Phase, die sich bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007– 08 (sog. „Vorgeschichte des heutigen Regimes“¹⁰⁷) erstreckt, war fast ausschließlich von staatlichem souveränem Handeln geprägt. Finanzmarktrechtliche Regelungen, die nicht unmittelbar von den Staaten gesetzt worden sind, existierten kaum. Die staatliche Souveränität sollte nicht durch das Eingehen internationaler bindender Verpflichtungen abgetastet werden.¹⁰⁸ Auf europäischer Ebene bestand eine der obersten Prioritäten der Kommission im Bankensektor bis zur Finanzkrise darin, einen harmonisierten „Bankenbinnenmarkt“ bzw. „Finanzbinnenmarkt“ zu verwirklichen.¹⁰⁹ Dies sollte über
Finanzarchitektur – Die Reform der WWU, 2014, 223, 224 f.; Stiglitz, The Anatomy of a Murder: Who Killed America’s Economy? Critical Review: A Journal of Politics and Society 21/2009, 329, 330. Ausführlich zum Zusammenhang zwischen Deregulierung und Entstehung von großen, systemrelevanten Finanzinstituten: Kotz, Changes in the Postwar Global Economy and the Roots of the Financial Crisis in: Wolfson/Epstein (Hrsg.): The Handbook of the Political Economy of Financial Crises, 2013. 395 ff.; Silvers, Deregulation and the New Financial Architecture, in: Wolfson/Epstein (Hrsg.): The Handbook of the Political Economy of Financial Crises, New York, 2013, 430 ff. Vgl. Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 33. Vgl. Bergk, Makroprudentielle Aufsicht: Eine rechtliche und ökonomische Analyse, 2019, S. 80 f., der auf die vereinzelten internationalean Vereinbarungen in Form von Memoranda of Understanding (MoU) zwischen den EU-Mitgliedsstaaten hinweist. Vgl. Witte, Die Europä ische Bankenunion als mehrgleisiges Reformvorhaben, EuR Beiheft 2017, S. 29 f.. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass im Bankensektor „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ abweichende Bestimmungen vom freien Dienstleistungsverkehr
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Finanzmarktrichtlinien erfolgen, die als Eckfeiler des bankenspezifischen Sekundärrechts gelten.¹¹⁰ Diese Richtlinien führten drei Leitprinzipien ein, die bereits im Weißbuch der Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes von 1985¹¹¹ enthalten waren.¹¹² Nach dem Mindestharmonisierungsprinzip waren nur die wesentlichen Aufsichtsregeln für das grenzüberschreitende Bankgeschäft anzugleichen. Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung¹¹³ durfte ein Kreditinstitut, das in einem Mitgliedstaat zugelassen war, seine Tätigkeit durch die Errichtung einer Zweigstelle auch im Hoheitsgebiet der übrigen Mitgliedstaaten ausüben („Europäischer Pass“ bzw. „single license“). Nach dem Prinzip der Herkunftslandskontrolle unterlag ein Kreditinstitut bei seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit in der EU dem Aufsichtsrecht und der Überwachung der Bankenaufsichtsbehörde seines Sitzstaates.¹¹⁴ Zu einem gewissen Integrationsschub in der europäischen Finanzintegration führte der von der Kommission im Jahre 1999 vorgelegte Financial Services Action Plan (FSAP)¹¹⁵, der auf die Errichtung eines einheitlichen Finanzdienstleistungs- und Kapitalmarktes abzielte. Auf der Grundlage des FSAP¹¹⁶ wurde eine Expertengruppe unter dem Vorsitz von Alexander Lamfalussy beauftragt, Reformen für ein schnelleres und effektiveres
als fundamentalen Grundsatz des EU-Rechts rechtfertigen können. Vgl. EuGH, RS. C-222/95, Parodi, Slg. 1997, I-3899, Rz 26; EuGH, C-442/02, Caixa-Bank, Slg. 2004, I-8961 Rn. 19 f. Vgl. Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages, ABl. L 178 v. 8.7.1988, S. 5 – 18; Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates v. 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. L 386 v. 30.12.1989, S. 1– 13; Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L 141 v. 11.6.1993, S. 27– 46. Vgl. Tsikrikas, Die Lage der Banken und ihre Rettung im Lichte der Bankenunion, in: Hatje/Iliopoulos/Iliopoulos-Strangas/Kämmerer (Hrsg.), Verantwortung und Solidarität in der Europäischen Union, 2015, 369 f. Vgl. Europäische Kommission, Weißbuch der Kommission zur „Vollendung des Binnenmarktes“, KOM(85) 310 endg., S. 27 Rn. 102 f. Vgl. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, 2015, S. 169 f. Dieses Integrationsmodell zielte primär auf parlamentarische Gesetzgebung und sekundär auch auf exekutive Rechtsetzung, nicht aber auf den einzelfallbezogenen Vollzug des materiellen Aufsichtsrechts. Vgl. Ohler, Modelle des Verwaltungsverbunds in der Finanzmarktaufsicht, Die Verwaltung 2016, S. 309, 319. Vgl. Art. 18 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 89/646/EWG. Vgl. Art. 18 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 89/646/EWG. Deren Kontrolle erstreckt sich auch auf Zweigniederlassungen des Instituts im EU-Ausland. Vgl. Herdegen, Bankenaufsicht, 2010, S. 15 f.; Schneider/Troberg, Finanzdienstleistungen im EG-Binnenmarkt: Sitzland- oder Gastlandrecht?, WM 1990, 165 f. Vgl. Europä ische Kommission, Mitteilung v. 11. Mai 1999, Finanzdienstleitungen – Umsetzung des Finanzmarktrahmens – Aktionsplan, 232 endg. Id., S. 16.
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Rechtssetzungskonzept vorzuschlagen.¹¹⁷ Nach dem sog. Lamfalussy-Verfahren¹¹⁸ sollen Finanzmarktregulierungsgesetze als Rahmengesetze erlassen und anschließend durch Umsetzungsvorschriften konkretisiert werden. Im Bereich der Bankenabwicklung fanden sich die ersten sekundärrechtliche Elemente in der Sanierungs- und Liquiditationsrichtlinie von 2001 (WupD), die aber kein rein materielles Recht beinhaltete.¹¹⁹ Ziel der WupD war die Gewährleistung, dass Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsverfahren in allen Mitgliedsstaaten gegenseitig anerkannt werden. Ein Sonderinsolvenzrecht für Kreditinstitute wird nicht vorgegeben. So dauerte es bis 2012, bis von Seiten der Europäischen Union konkrete Vorschläge für den Umgang mit in Schieflage geratenen Kreditinstituten vorgelegt wurden. Demgegenüber stellte das Einlagensicherungsregime, das in funktionaler Sicht eng mit der Abwicklung verknüpft ist, das erste Gebiet des makroprudenziellen Bankaufsichtsrechts dar, das bereits 1994¹²⁰ Gegenstand europäischer Rechtssetzung war. Demnach wurden zum ersten Mal Strukturen für eine gesetzliche Einlegerentschädigung auf harmonisierter Basis geschaffen. Als Fazit aus dieser Phase lässt sich festhalten, dass trotz der allgemeinen Überzeugung, die sich in der nach Einführung der gemeinsamen Währung lauteren integrationsfördernden Rhetorik manifestierte – wonach weitere Integrati-
Die Vorschläge wurden im März 2002 vom Ministerrat gebilligt und über eine Reihe von Verordnungen umgesetzt. Ursprünglich waren die Vorschläge für den Kapitalmarkt- und Wertpapieraufsichtsbereich gedacht. Im weiteren Verlauf wurden sie allerdings auch auf den Bankenund Versicherungssektor ausgedehnt. Dies erfolgte im Wege der Errichtung neuer Beratungsausschüsse: Committee of European Banking Supervisors (CEBS) und Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS). Zwar handelte es sich bei den neu gegründeten Ausschüssen um Beratungsgremien ohne Entscheidungsgewalten. Dennoch galten sie als das Fundament für eine zukünftige EU-weite institutionelle Struktur. Vgl. Ferran, Understanding the New Institutional Architecture of EU Financial Market Supervision, 2010. Das Lamfalussy-Verfahren ist eine finanzmarktrechtliche Ausprä gung des Komitologieverfahrens in Form eines Vierstufenmodells, mit dem Ziel bestehende regulatorische Hemmnisse abzubauen; vgl. Ohler, in: Ruffert, Wirtschaftsrecht, 2013, § 10 Rn. 56. Näher dazu u. a.: Rötting/ Lang, Das Lamfalussy-Verfahren im Umfeld der Neuordnung der europäischen Finanzaufsichtsstrukturen, Entwicklung und Ablauf, EuZW 2012, 8 ff. Vgl. Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. 2001 L 125/15 (Winding up Directive – WupD), die allein die Zuständigkeiten und auch dies nicht sehr weitgehend regelte. Bei Zweigniederlassungen sollte auch im Zusammenhang mit Sanierung und Abwicklung die für die Muttergesellschaft zuständige Behörde zuständig bleiben. Das materielle Recht blieb hingegen nationales Recht. Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
onsmaßnahmen auf der Ebene der Wirtschafts- und Währungspolitik erforderlich seien, um einen marktgelenkten diskriminierungsfreien Waren- und Dienstleistungsverkehr sicherzustellen – keine unionsweite Einheitlichkeit und Kohärenz erzielt wurde.¹²¹
II. Reaktion auf die Finanzkrise – Paradigmenwechsel a) Die nationalen Alleingänge Durch die Finanzmarktkrise 2007– 08, die zunächst als eine am US-amerikanischen Immobilienmarkt begrenzte (Subprime)-Krise¹²² begann, sich ein Jahr später zur globalen Finanzkrise wandelte,¹²³ und 2010 in eine europäische Staatsschuldenkrise mündete,¹²⁴ rückten die Schwächen des geltenden Regelwerks zum Umgang mit angeschlagenen Kreditinstituten weltweit in den Vordergrund.¹²⁵ Es fehlten insbesondere effektive Instrumente zur Abwendung einer
Vgl. Avgouleas/Douglas, The Eurozone Debt Crisis and the European Banking Union: A Cautionary Tale of Failure and Reform, 2013, S. 18. Aufgrund der Erwartung stetig steigender Immobilienpreise im Hinblick auf die niedrigen Zinssätze für Hypothekenkredite wuchs die Anzahl an Hauseigentümern in den Jahren vor der Krise in den USA rasant. Ein Großteil der Kredite, die sog. Subprime-Kredite, wurde an Kreditnehmer mit geringer Bonität vergeben, die mit hohen Zahlungen konfrontiert wurden, als die Zinssätze erhöht wurden bzw. die Immobilienblase platzte. Die Bündelung und Verbriefung der Forderungen aus diesen zweitklassigen Hypothekenkrediten als Wertpapiere durch die US-Investmentbanken, so dass sie am globalen Kapitalmarkt an unterschiedlichste Käufer (Hedgefonds, Investmentfonds, Versicherungen) verkauft werden, trug zur schnellen Ausbreitung der Krise auf etliche Kreditinstitute bei, die zwar nicht am Subprime-Markt tätig waren, aber mittelbar dem Ausfallrisiko der Forderungspools ausgesetzt waren. S.u.a. Posner, A Failure of Capitalism: The Crisis of ’08 and the Descent into Depression, 2011, S. 49 ff. Als die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste. Ihr Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 des Bankruptcy Code am 15. September 2008 stellt den symbolträchtigen Höhepunkt der Finanzkrise dar. Zum Beginn und Verlauf der Finanzkrise vgl. Illing, Deutschland in der Finanzkrise – Chronologie der Deutschen Wirtschaftspolitik 2007– 2012, 2013, S. 143 ff.; Michaelis, Die Chronik der Finanzkrise 2007– 2010 – tag-genau in Fakten, Zahlen und Abbildungen, 2012, S. 3 ff. Für eine ausführliche Chronologie der europäischen Staatsschuldenkrise s. Zeller, Eurorettung um jeden Preis? Die Frage nach der demokratischen Legitimität, 2018, Anlage, S. 118 ff. Die in Rede stehenden institutionellen und rechtlichen Defizite befanden sich während der euphorischen Vorkrisenjahren in einem latenten Zustand.Vgl. Hellwig/Adamati, The banker’s new clothes: what’s wrong with banking and what to do about it, 2014; Kindelberger/Aliber, Manias, panics and crashes: a history of financial crises, 2011, S. 297 ff.; White, Lessons from the History of
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drohenden Zahlungsunfähigkeit ggf. zur Gewährung von Liquidität, sodass die Ausbreitung einer Vertrauenskrise verhindert wird. Angesichts des defizitären institutionellen Rahmens auf europäischer Ebene, vermehrten sich die „nationalen Alleingänge“ als Reaktion auf die unmittelbaren Folgen der Finanzkrise. Zunächst griffen die Zentralbanken durch Liquiditätsgewährung ein,¹²⁶ um den Wirtschaftseinbruch abzumildern.¹²⁷ Daraufhin sahen sich jedoch die Mitgliedstaaten zur Erhaltung des Marktvertrauens und Verhinderung eines Übergreifens auf die Realwirtschaft gezwungen, einzelne Kreditinstitute durch umfangreiche Stützungsmaßnahmen sowie regulatorische und institutionelle Reformen am Leben zu halten. Diese mitgliedstaatlichen Maßnahmen verfolgten das doppelte Ziel, sowohl ein Insolvenzverfahren nach den Vorschriften des tradierten Insolvenzrechts als auch eine unordentliche Insolvenz zu verhindern. Dies kam aber einer impliziten¹²⁸ Garantie gleich, die genauso wie eine explizite Garantie verzerrende Anreize im Bankensektor setzt und die Bonität einer jeden systemrelevanten Bank steigen lässt. Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf die Gefahr einer „Kernschmelze“¹²⁹ mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)¹³⁰ , das eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung von in Schieflage geratenen Kreditinstituten¹³¹ einführte.¹³² Die als Abwicklungsbehörde ins Leben gerufene Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) wurde mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet, die von Passivseiten-Garantien über Stärkung der Eigenkapitalbasis (durch Rekapitalisierungen und Risikoübernahmen)¹³³ bis hin zur Vermögensübertragung auf eine gesonderte Abwicklungsanstalt (sog. bad bank)¹³⁴ reichten. Diese Eingriffsbefugnisse sollten aber nur befristet zur Verfügung stehen, um die mit einer drohenden Schieflage verbundenen Widrigkeiten auf dem Interbankenmarkt
Bank Examination and Supervision in the United States 1863 – 2008, in: Gigliobianco/Toniolo (Hrsg.) Financial Market Regulation in the Wake of Financial Crises, 2009, S. 15. Vgl. Ohler, Finanzkrisen als Herausforderungen der internationalen, europäischen und nationalen Rechtsetzung, 2011, S. 1061, 1065. Vgl. Rudolph, Die internationale Finanzkrise. Ursachen, Treiber, Veränderungsbedarf und Reformansätze, ZGR, 2010, S. 6 ff. Sie ist implizit, nur weil es keinen einklagbaren Bail-out-Anspruch gibt. Vgl. Steinbrück, FAZ Interview v. 12. September 2009. Gesetz v. 17. Oktober 2008, BGB1. I S. 1982 Ursprünglich alle „Unternehmen des Finanzsektors“ gem. § 2 Abs. 1 FMStFG. Seit 1.1. 2013 nur Kreditinstitute. Vgl. § 2 Abs. 1 FMStFG i. d. F. v. 1.1. 2013 m.V. auf § 2 RStruktFG. Flankiert durch gesellschaftsrechtliche Anpassungen mit dem Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG). Vgl. §§ 6 – 8 FMStG. Vgl. §§ 8a FMStG.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
abzuwenden.¹³⁵ Diese unmittelbar nach dem Krisenausbruch ergriffenen rechtlichen Initiativen im Rahmen der Finanzmarktstabilisierungsgesetzgebung¹³⁶ milderten zwar die Symptome, dienten aber keineswegs zur Ursachenbeseitigung.¹³⁷ Dies war u. a. auf das sog. home bias ¹³⁸ zurückzuführen, dass sich während der Finanzkrise verstärkt bemerkbar machte. Damit wird das Phänomen beschrieben, wonach die Entscheidungsträger bzw. zuständigen Behörden ihren Fokus allein auf die Bedeutung der von ihnen beaufsichtigten Institute für die heimische Volks- und Finanzwirtschaft und den nationalen Finanzplatz legen und damit mögliche Externalitäten ihrer Aufsichtspraktiken auf andere Staaten bzw. Mitgliedstaaten der Eurozone unberücksichtigt lassen.¹³⁹ Dieses Problem nahm vor allem in der Eurozone bedrohliche Ausmaße an, weil deren Mitgliedstaaten kaum eigene geldpolitische Instrumente wie Abwertung, Geldmengenfestsetzung usw. zur Verfügung standen, um auf Haushaltsschieflagen zu reagieren. Die fragmentierte Aufsicht barg auch eine weitere, schwieriger zu erkennende, aber eng damit zusammenhängende Gefahr: Die Inanspruchnahme des nationalen Regulierungsakteurs bzw. der Aufsichtsbehörde durch die zu regulierende Branche (sog. „regulatory capture“¹⁴⁰). Es ist allerdings zu bezweifeln,
Vgl. Europäische Kommission, Staatliche Beihilferegelung Nr. N 625/2008 v. 12. Dezember 2008, Rn. 47 f. Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (FMStG) v. 17. Oktober 2008, BGB1. I S. 1982; Zweites Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz- 2. FMStG) v. 24. Februar 2012, BGBl. I S. 206; Drittes Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Drittes Finanzmarktstabilisierungsgesetz – 3. FMStG) v. 20. Dezember 2012, BGBl. I S. 2777. Vgl. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 904 f.; Hopt/Fleck/Kumpan/Steffek, Kontrollerlangung über systemrelevante Banken nach den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen (FMStG/FMStErgG), WM 2009, S. 821 ff. Vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2, 8; Thiele, Finanzaufsicht, S. 519 f.; Vollmer, „Stairway to Heaven“ oder „Highway to Hell“?, ORDO 66, S. 147, 159 ff. Dies ließ sich insbesondere an dem Umgang mit der belgischen Bank Fortis beobachten.Vgl. Hertig/Lee/McCahery, Empowering the ECB to Supervise Banks: A Choice-Based Approach, European Company and Financial Law Review, 2/2010, 171 ff.; Neyer/Vieten, Die neue europäische Bankenaufsicht – eine kritische Würdigung, Ordnungspolitische Perspektiven 2013, 3 f. Dies erfolgt auf verschiedenen Wegen: Ein direkter Weg ist das in Aussicht stellen von Beschäftigungsmöglichkeiten im Finanzsektor für Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde (sog. „Drehtüreffekt“). Allgemein dazu: Stigler, The theory of economic regulation, 2 Bell J. Econ. Man. Sci., 1971, S. 3; Huntington, The Marasmus of the ICC: The Commission, the Railroads, and the Public Interest, 614 Yale Law Journal, 1952, 467; Laffont/Tirole, The politics of government decision making. A theory of regulatory capture, 106 Quarterly Journal of Economics, 1991, S. 1089; Levine/ Forrence, Regulatory capture, public interest, and the public agenda – Toward a synthesis, 6
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ob diese Gefahr bei einer zentralisierten Aufsicht eindeutig geringer ist, insbesondere wenn die Aufsichtsbehörde nicht mehr auf das Mitwirken anderer Behörden angewiesen ist, sodass sie leichter von jeglichen Interessengruppen für die eigenen Zwecke in Anspruch genommen wird.¹⁴¹
b) Initiativen auf internationaler Ebene Während die Staaten ihre Krisenmaßnahmen ergriffen und umsetzten, um den in Not gerateneen Instituten Liquidität bereitzustellen, fand auf internationaler Ebene ein Diskurs zur grundlegenden Neuausrichtung der globalen Finanzmarktarchitektur statt. Aufbauend auf der Erkenntnis aus der Finanzkrise, dass systemische Risiken nicht zwingend an Staatsgrenzen halt machen, sondern sich auf andere Staaten erstrecken und somit globale Ausmaße annehmen können,¹⁴² gewannen die Anstöße für eine Aufsicht an Momentum, die die grenzüberschreitenden Dienstleistungen von global operierenden Kreditinstituten und die daraus ausgehenden Gefahren erfassen würde. Zwar würde eine vertiefte Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden und ein vereinheitlichtes Regelwerk mit grenzübergreifender Zusammenarbeit die Aufsicht über die sog. Globally Systemically Important Banks (G-SIBs) erleichtern, die Risikotransparenz verbessern und die Regelungslücken schließen. Die Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren, die sich an der internationalen Finanzmarktregulierung beteiligen sowie das unüberschaubare Ineinandergreifen von verschiedenen Zuständigkeiten und Aufgaben, stellten aber weiterhin große Hindernisse im Wege solcher Initiativen dar. Das faktisch bestehende Machtvakuum füllte die Gruppe der zwanzig führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20)¹⁴³ aus.¹⁴⁴ Obwohl ihre Beschlüsse
Journal of Law Economics & Organization, 1990, S. 167. Speziell im Zusammenhang mit der Bankenunion: Vollmer, „Stairway to Heaven“ oder „Highway to Hell“?, ORDO 66, S. 147, 159 ff. a. M. sind aber Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 69; Gören, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank, 2019, S. 97. Vgl. Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG 2009, S. 1401 f. Der Gruppe der 20 (G-20) gehören 19 Staaten und die EU an. Die teilnehmenden Staaten sollen über 80 % des weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts (BIP), 3/4 des Welthandels und rund 2/3 der Weltbevölkerung ausmachen. Zum ersten Mal fand ein G-20-Gipfel in Washington im November 2008 statt, um die Ursachen der globalen Finanzkrise zu analysieren und gemeinsame Lösungsansätze zu erarbeiten.
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kein bindendes Recht, sondern Empfehlungen an die nationalen und supranationalen Gesetzgeber darstellen (Soft Law), sind sie aufgrund des großen politischen Einflusses durch einen gewissen Befolgungsdruck gekennzeichnet.¹⁴⁵ Im Bereich der Bankenregulierung erscheint der Rückgriff auf Soft-Law oft vorzugswürdig gegenüber rechtsverbindlichen, staatlichen oder völkerrechtlichen Normen.¹⁴⁶ In den Deklarationen der G-20 fand der politische Wille zur Reform der internationalen Finanzmarktarchitektur auf internationaler Ebene seinen inhaltlichen Ausdruck. Somit wurde in der Abschlusserklärung des G-20-Treffens in Pittsburgh das Ziel bekräftigt, dass Banken künftig für übernommene Risiken zur Rechenschaft gezogen werden müssen.¹⁴⁷ Außerdem wurde auf dem Londoner G20-Treffen im April 2009¹⁴⁸ beschlossen, alle G-SIBs zu beaufsichtigten und das bis dahin eher lose organisierte Finanzstabilitätsforum (Financial Stability Forum – FSF)¹⁴⁹ zum Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board – FSB)¹⁵⁰ aus-
Beim Gipfel von Pittsburgh im September 2009 erklärte sich die G-20 selbst zum zentralen Forum für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, indem sie den Versuch unternahm, die Tätigkeiten der verschiedenen Akteure international abzustimmen und zu koordinieren; vgl. G20, Leaders Statement: Pittsburgh Summit, 2009, Rn. 50. Damit fungierte die G-20 als eine Koordinierungsstelle internationaler Koordinierungsgremien, vgl. Thiele, Finanzaufsicht, 2014, S. 533. Vgl. Bergk, Makroprudentielle Aufsicht, 2019, S. 82 f. Da die G-20 nicht über die notwendige Infrastruktur zur Umsetzung der von ihr erlassenen Leitlinien verfügt, ist sie auf die Arbeit anderer internationalen Institutionen und Gremien angewiesen. Dazu gehören u. a.: der FSB, die International Organization of Securities Commissions (IOSCO), das Basel Committee on Banking Supervision (BCBS), die International Association of Insurance Supervisors (IAIS), das International Accounting Standards Board (IASB), das Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI), das Committee on the Global Financial System (CGFS). Während die hoheitliche Gewalt eines Staates grundsätzlich auf das eigene Territorium begrenzt ist, kann der Soft Law die internationale bzw. globalisierte Dimension des Finanzmarktes erfassen. Zudem setzen Soft-Law-Instrumente meistens keine langwierigen Beratungsund Gesetzgebungsprozesse voraus und sind damit besser für das dynamische und innovative Umfeld des Finanzmarkts geeignet. Der wohl wichtigste Vorteil des Soft Law besteht aber darin, dass er die Staaten in ihrer Souveränität nicht beschränkt. Die Staaten geben keine Kompetenzen ab und gehen keine Rechtspflichten ein. Zu den Vorzügen des Soft Law als Regulierungsinstrument auf internationaler Ebene: Strauß, Soft Law als Steuerungsinstrument in der Bankenaufsicht, 2016, S. 95 ff. „We committed to act together to raise capital standards […] and to create more powerful tools to hold large global firms to account for the risks they take.“; vgl., G20, Leaders Statement: Pittsburgh Summit 2009, Präambel Rn. 17. Vgl. G20, Declaration on strengthening the financial system, London Summit v. 2. April 2009. Dieses internationale intergouvernementale Gremium wurde 1999 als Reaktion auf die Finanzkrise in Asien gegründet.
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zubauen.¹⁵¹ Die Hauptaufgabe des FSB besteht darin, die Arbeit der an der internationalen Finanzmarktregulierung und -aufsicht beteiligten nationalen und internationalen Akteure zu koordinieren.¹⁵² Diese Sonderstellung lä sst den FSB als einen Arbeitsausschuss der G20 auf dem Gebiet der Finanzstabilitä t erscheinen.¹⁵³ Eine weitere Erkenntnis aus der Finanzkrise lautete, dass die Verlustausgleichs- und Haftungsfunktion des Eigenkapitals nicht ausreichend gewahrt wurde, da viele Kreditinstitute nicht über ausreichendes bzw. nur minderwertiges Eigenkapital verfü gten.¹⁵⁴ Somit erhielt der Baseler Ausschuss fü r Bankenaufsicht¹⁵⁵ den Auftrag neue Eigenkapital- und Liquiditä tsregeln auszuarbeiten, um die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu stärken, ohne dass dabei die wirtschaftliche Erholung durch eine Verringerung der Kreditvergabemö glichkeiten der Banken in Folge zu hoher Eigenkapitalanforderungen gefä hrdet wird.¹⁵⁶
Der FSB besteht aus hochrangigen Vertretern von Finanzministerien, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden aus allen G20-Staaten, Spanien und der Europäischen Kommission sowie aus Vertretern von bedeutenden Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank, BIZ) und internationalen Standardsetzern (Baseler Ausschuss, IAIS, IOSCO). Bereits im November 2008 forderte die G20 bei ihrem Treffen in Washigton Reformen im Finanzsektor.Vgl. G20, Declaration of the Summit on Financial Markets and the World Economy, v. 15. November 2008, Nr. 9. Art. 1 S. 1 Charta des FSB. Zudem soll er Schwachstellen in der Finanzmarktordnung identifizieren und darüber berichten. So Ruddigkeit, Das Financial Stability Board in der internationalen Finanzarchitektur, 2011, S. 21. In Anbetracht dessen wird der FSB sogar als vierte Sä ule der global economic governance neben der der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO), der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund – IMF) bezeichnet. So der ehemalige US-amerikanische Finanzminister Geithner, Press Briefing by Treasury Secretary Geithner on the G20 Meetings v. 24. September 2009; vgl. Ruddigkeit, id., S. 6. Vgl. Schuster/Hastenteufel, Die Bankenbranche im Wandel, 2019, S. 153. Basler Ausschuss ist ein seit 1974 bestehendes internationales Kooperations- und Beratungsgremium im Bankensektor, das in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angesiedelt ist. Wichtig für die internationale und europäische Bankenregulierung und -aufsicht sind die von ihm entwickelten Regelungswerke. Zwar sind die Standards und Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht rechtlich unverbindlich, jedoch kommt ihnen auf Unionsund nationaler Ebene eine hohe faktische Durchsetzungskraft zu, Becker, ZG 2009, S. 123, 131; Manns/Schulte-Mattler, WM 2010, S. 1577 ff. Vgl. Deutsche Bundesbank, Basel III – Leitfaden zu den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken, 2011, S. 8.
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Dem Auftrag der G-20 entsprechend veröffentlichte der Baseler Ausschuss im Dezember 2010 das sog. Basel-III-Rahmenwerk.¹⁵⁷ In Bezug auf den Umgang mit kriselnden Banken herrschte Konsens über die Notwendigkeit eines speziell für Kreditinstitute zugeschnittenen Restrukturierungs- und Abwicklungsregimes („special resolution regime“) als Alternative zu ungeordneter Insolvenz oder staatlichen Stützungsmaßnahmen. Das neue Instrumentarium sollte einerseits die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls von systemrelevanten Instituten reduzieren und andererseits ihre Abwicklung ohne eine Gefährdung der Finanzstabilität oder einen massiven Einsatz von Steuergeldern ermöglichen.¹⁵⁸ Auf dem G-20-Treffen im November 2010 in Seoul wurde der FSB offiziell mit der Aufgabe betraut, die Schlü sselattribute wirksamer Regelungen für die Abwicklung von Finanzinstituten (Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions) zum ersten Mal auf internationaler Ebene festzulegen.¹⁵⁹ Ein Jahr später, im Oktober 2011, wurde das FSB-Papier veröffentlicht.¹⁶⁰ Darin heißt es, dass Finanzinstitute geordnet, ohne schwerwiegende systemische Auswirkungen und Verlusttragung durch den Steuerzahler abgewickelt werden sollen. Dabei sollen auch die Kontinuität ihrer kritischen Funktionen sowie eine gerechte Verlusttragung durch Anteilseigner und Gläubiger nach der Hierarchie ihrer Forderungen gewährleistet werden.¹⁶¹ Somit sollen die nationalen Abwicklungsverfahren folgende Ziele verfolgen:¹⁶² (1) Kritische Finanzdienstleistungen und Zahlungsfunktionen eines ausfallenden Instituts sollen aufrechterhalten werden; (2) Vermeidung jeglicher unnötiger Zerstörung von Werten, wie z. B. durch eine Bewertung zu Liquidations- statt zu Fortführungswerten oder durch Ansteckungskanäle; (3) Gerechte Zuordnung von Verlusten, indem sie zunächst von den Eigentümern des Instituts, dann von den ungesicherten Gläubigern und erst zuletzt von den Steuerzahlern getragen werden. Damit wurde das Bail-in als Lastenverteilungsmechanismus im Rahmen der
Vgl. BCBS, Basel III: A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems, December 2010; BCBS, Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring, December 2010. Vgl. Dombret, Solving the Too-Big-To-Fail-Problem for Financial Institutions, in: Dombret/ Kenadjian, The Bank Recovery and Resolution Directive – Europe’s Solution for „Too Big To Fail“?, 2013, S. 8. Vgl. G20, Leaders Statement: Pittsburgh Summit 2009, Rn. 13. Vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. Oktober 2011, aktualisiert am 14. Oktober 2014. id., Preamble. S. 3. Diese Ziele stehen nicht hierarchisch zueinander.
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Bankenabwicklung zum ersten Mal auf internationaler Ebene explizit thematisiert.¹⁶³
c) Entwicklungen auf europäischer Ebene Auf europäischer Ebene werden harmonisierte Regeln und deren gleichartige Umsetzung in den Mitgliedstaaten weiterhin als notwendig, aber nicht länger als hinreichend betrachtet, um eine effektive Aufsicht über international tätige Banken zu gewährleisten.¹⁶⁴ Die im Zuge der Finanzkrise eingeleiteten institutionellen Reformen modifizieren deshalb die etablierten Lösungskonzepte zur Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte, indem sie eine stufenweise Verlagerung von Vollzugszuständigkeiten auf die europäische Ebene vorsehen.¹⁶⁵ Es mag heute selbstverständlich erscheinen, aber bis zur Finanzkrise gab es auf europäischer Ebene keine Institution zur Überwachung von Risiken fü r die Stabilitä t des gesamten Finanzsystems der EU. Bereits Ende 2008 ist eine Expertengruppe unter dem Vorsitz von Jacque de Larosie`re beauftragt worden, Empfehlungen zur Verstärkung der europäischen Bankenaufsicht und Wiederherstellung des Vertrauens in das Finanzsystem auszuarbeiten. In dem von der de Larosière-Gruppe im Februar 2009 vorgelegten Bericht wurden zum einen die Hauptschwachstellen des europäischen Bankenregulierungsrahmens identifiziert:¹⁶⁶ Fehlende Geschlossenheit,¹⁶⁷ fehlende Makroaufsicht,¹⁶⁸ fehlende Eingriffsbefugnisse¹⁶⁹. Daraus ließen sich zum anderen zwei zentrale Reformvorschläge ableiten: Die Errichtung einer EU-weiten Makroaufsicht, die Risiken für die Stabilität des Finanzsystems erkennt und nach dem Vorbild des FSB Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken ausgibt, und der Aufbau eines neues Aufsichtsnetzwerks mit verbesserten Aufsichtsstruktu-
So forderte der FSB in seinen Leitlinien die Einführung von Bail-in-Befugnissen; vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. Oktober 2011, aktualisiert am 14. Oktober 2014, Rn. 3.5, S. 9. Vgl. Lutz, Ent-Nationalisierung aus der Perspektive der Aufsichtspraxis, ZVglRWiss 2014, 496, 498. Vgl. Roth, Die indirekte Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank, 2018, S. 55. Vgl. The High-Level Group of Financial Supervision in the EU, Report, v. 25. Februar 2009, Rn. 110 ff. Id., Rn. 102. Id., Rn. 153. Id., Rn. 160.
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ren.¹⁷⁰ Die Kommission nahm die Vorschläge in großen Teilen an und veröffentlichte Ende 2010 ein umfangreiches Legislativpaket. Ergebnis dieser Reformen war das Europäische System der Finanzmarktaufsicht (ESFS), das zum einen auf der Makroebene aus dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB)¹⁷¹ und zum anderen auf der Mikroebene aus den drei Europäischen Aufsichtsbehörden besteht: Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)¹⁷², die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)¹⁷³ sowie die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA)¹⁷⁴.¹⁷⁵ Insbesondere die Gründung des ESRB weist auf den Übergang von der mikro- zu der makroprudenziellen Sicht hin, denn er ist als erster Makroaufseher fü r das EU-Finanzsystem konzipiert.¹⁷⁶ Im Mittelpunkt seiner Aufsichtstä tigkeit steht die Erkennung, Abwendung und Eindä mmung von Systemrisiken fü r die EU-Finanzstabilitä t.¹⁷⁷ Dennoch verfügt der ESRB über keine Aufsichtsbefugnisse über einzelne Institute. Er darf lediglich Daten von einzelnen Instituten unter der Bedingung einfordern, dass sie systemrelevante Bedeutung
Konkret handelte es sich um den Europäischen Rat für Systemrisiken (European Systemic Risk Council – ESRC) und das Europäische Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision – ESFS). Vgl. Id., Empfehlung 16, Rn. 182 und Empfehlung 18, Rn. 189. Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 v. 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europä ischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. 2010 L 331/1 [im Folgenden: ESRB-VO];Verordnung (EU) Nr. 1096/2010 v. 17. November 2010 zur Betrauung der Europäischen Zentralbank mit besonderen Aufgaben bezüglich der Arbeitsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. 2010 L 331/162. Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 v. 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. 2010 L 331/12 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 v. 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. 2010 L 331/84. Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 v. 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl. 2010 L 331/48. Sie traten an die Stelle der durch das Lamfalussy-Verfahren errichteten Level-3-Ausschüsse (CESR, CEIOPS, CEBS). Vgl. Kämmerer, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS), NVwZ 2011, S. 1281. Vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 1 ESRB-VO. Er stellt eine unabhängige EU-Behörde ohne eigene Rechtspersönlichkeit dar. Vgl. ErwGr. 15 S. 2– 3 ESRB-VO. Zu den verschiedenen Arten von Systemrisiken s. Art. 2 lit. c ESRB-VO.
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haben.¹⁷⁸ Er kann demnach grundsätzlich nur auf solche Systemrisiken reagieren, die sich in aggregierten Daten von Akteursgruppen manifestieren.¹⁷⁹ Daraus wird ersichtlich, dass dem ESRB keine genuine Aufsicht über Risiken für die Finanzstabilität übertragen wurde, die von einzelnen Instituten ausgehen.¹⁸⁰ Neben dem Aufsichtsrahmen wurde auch das Eigenkapital- und Liquiditätsregime in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Baseler Ausschusses reformiert. So wurde im Juni 2013 das CRD-IV-Paket beschlossen, dass aus einer 99-seitigen Richtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD-IV)¹⁸¹ und aus einer 337-seitigen Verordnung (Capital Requirements Regulation – CRR)¹⁸² bestand und wesentliche Teile des Basel-III-Regelwerks in der Europäischen Union umsetzte.¹⁸³ Vorrangige Ziele des neuen Regelwerks waren eine quantitativ und vor allem qualitativ verbesserte Eigenmittelausstattung der Institute zu gewä hrleisten, europaweit harmonisierte Liquiditä tsanforderungen zu schaffen sowie einheitliche Hö chstgrenzen fü r die Verschuldung der Kreditinstitute zu etablieren. Mit der Umsetzung des sog. CRD-IV-Pakets wurden die bisher bestehenden regulatorischen Kapitalkategorien novelliert sowie hinsichtlich ihrer Struktur vereinfacht, sodass lediglich eine Einteilung in die Kategorien „hartes Kernkapital“¹⁸⁴, „zusä tzliches Kernkapital“¹⁸⁵ und „Ergä nzungskapital“¹⁸⁶ erfolgt.¹⁸⁷
Vgl. Art. 15 Abs. 6 ESRB-VO. Näher zum ESRB und seinen Aufgaben und Befugnissen: Ferran/ Alexander, Can soft law bodies be effective? Soft Systemic Risk Oversight Bodies and the special case of the European Systemic Risk Board, ELR, 37/2011, 751; Kaufhold, Systemaufsicht. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken im Finanzsystem als Ausprägung einer neuen Aufsichtsform, Die Verwaltung 2013, 21; Wymeersch, The Single Supervisory Mechanism or „SSM“, 2014, S. 64 ff. Vgl. Kaufhold, Die Verwaltung 2013, 21, 39. Im Gegensatz zur Rolle der EZB im Rahmen des SSM. Näher dazu unter: 1. Abschnitt, B. III. a. Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. Nr. L 176 v. 27. Juni 2013 [im Folgenden: CRD-IV]. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. Nr. L 176 v. 27. Juni 2013 [im Folgenden: CRR]. Mit der CRR hat der Unionsgesetzgeber erstmals für die Finanzmarktintegration zu einer Verordnung gegriffen und bewirkte damit eine Rechtsvereinheitlichung im Eigenkapital- und Liquiditätsregime. Wä hrend die CRR als Verordnung seit ihrem Inkrafttreten am 28. Juni 2013 unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten der Europä ischen Union darstellt, musste die CRD-IV als Richtlinie erst durch eine Vielzahl von Ä nderungen, insbesondere im KWG, in nationales Recht umgesetzt werden. Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 2013, S. 66. Vgl. Art. 26 – 50 CRR. Das harte Kernkapital weist den hö chsten Grad an aufsichtsrechtliche Qualitä t auf.
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Parallel dazu wurden die jeweiligen Zuordnungskriterien zur Anerkennung als Kern- oder Ergä nzungskapital verschä rft. Wä hrend das harte und das zusä tzliche Kernkapital Verluste aus dem laufenden Geschä ft abdecken sollen (going-concern), dient das Ergä nzungskapital lediglich der Verlustdeckung im Insolvenz- bzw. Liquidationsfall (gone-concern).¹⁸⁸ Auf der Basis des ESFS wird die einheitliche verwaltungsmäßige Anwendung in der gesamten EU befördert. Gerade diese Einheitlichkeit in der praktischen Anwendung von allen diesen unterschiedlichen Rechtsgebieten erfordert eine Kooperation zwischen nationalen und europäischen Behörden und Institutionen in horizontaler, vertikaler und diagonaler Hinsicht.¹⁸⁹ Die Schaffung einheitlicher regulatorischer Rahmenbedingungen sowie einheitlicher praktischer Verfahrensweise soll durch das sog. Single Rulebook (frei übersetzt: „Aufsichtshandbuch“)¹⁹⁰ begleitet und erleichtert werden. Zentrale Rolle bei der normgebenden Verfeinerung spielt die EBA,¹⁹¹ deren Leitlinien und Mitteilungen auch im heutigen institutionellen Gefüge für einheitliche Standards im Bereich der Eigenmittelausstattung, der Bankenaufsicht und Bankenabwicklung sorgen.
i) Lastenverteilung im europäischen Beihilferecht In den Krisenjahren 2008 – 11 erließ die Kommission zur Präzisierung der Kriterien, die bei der beihilferechtlichen Beurteilung jeglicher staatlichen Kapitalzuführungsmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV¹⁹² heranzuziehen waren, sechs unterschiedliche Mitteilungen¹⁹³. Hinzu trat 2013 eine Vgl. Art. 51– 61 CRR. Dazu zählen Kapitalinstrumente, die mit Kündigungs- bzw. Rückrufsrechten versehen sind. Vgl. Art. 62– 71 CRR. Durch die Begrenzung des Ergä nzungskapitals auf die Funktion des Glä ubigerschutzes im Insolvenzfall und die verschä rften Anerkennungskriterien wird die Bedeutung dieser Kapitalkategorie erheblich eingeschrä nkt. Vgl. Art. 25 CRR. Damit geht ein gewisser Bedeutungsverlust für diese Kapitalklasse einher; vgl. Deutsche Bundesbank, Basel III, 2011, S. 10; Schuster/Hastenteufel, Die Bankenbranche im Wandel, Status Quo und aktuelle Herausforderungen, 2019. Vgl. Grundmann in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 47 f. Id. Näher zu der Rolle der EBA in: Enria, The new role of the European Banking Authority in the Banking Union, Rede vom 29. September 2013; Ferran/Babis, Journal of Corporate Law Studies, 13/ 2013, 255, 279; Gurlitt, EuZW 2014, 14. „Beihilfen […] zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar
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weitere, die sog. Bankenmitteilung¹⁹⁴, die im Lichte der „anhaltenden Spannungen auf den Staatsanleihemärkten“¹⁹⁵ die Beihilferegelungen zur Verringerung des moralischen Risikos im Finanzsektor verschärfte. So führte sie das Konzept der Lastenverteilung (burden sharing)¹⁹⁶, d. h. die angemessene Beteiligung vorhandener privater Kapitalgeber an den Kosten, als Voraussetzung für Rekapitalisierungs- und Entlastungshilfen für Banken auf europäischer Ebene ein. Demnach werden als Erste die Anteilseigner vollumfänglich und nachfolgend die Hybridkapitaleigner und Inhaber nachrangiger Forderungen „so weit wie möglich“ im Wege einer Umwandlung in Eigenkapital oder Herabschreibung ihrer Forderungen zur Schließung der festgestellten Kapitallücke herangezogen.¹⁹⁷ Beim Verstoß des die Beihilfe ermpfangenden Instituts gegen die Mindesteigenmittelanforderungen, haften jedoch auch die zwei letzeren Kategorien in vollem Umfang.¹⁹⁸ Unbetroffen bleiben hingegen die Inhaber vorrangiger Verbindlichkeiten.¹⁹⁹ Auf den ersten Blick mag das burden-sharing-Konzept im europäischen Beihilferecht recht eindeutig anmuten. Dennoch erweist sich der vorgesehene Lastenverteilungsmechanismus vor allem aus zwei Gründen als porös: Zum einen normiert die Bankenmitteilung 2013 eine Ausnahme vom Grundsatz der Lasten2012, Abl. EU C 356, v. 6. Dezember 2011 [im Folgenden: Verlängerungsmitteilung 2011]; id., Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011, Abl. EU C 329, v. 7. Dezember 2010; [im Folgenden: Verlängerungsmitteilung 2010]; id., Mitteilung über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften Abl. EU C 195, v. 19. August 2009 [im Folgenden: Umstrukturierungsmitteilung]; id., Mitteilung über die Behandlung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der Gemeinschaft, Abl. EU C 72, v. 26. März 2009 [im Folgenden: Impaired-Assets-Mitteilung]; id., Mitteilung – Die Rekapitalisierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise: Beschränkung der Hilfen auf das erforderliche Minimum und Vorkehrungen gegen unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen, Abl. EU C 10, v. 15. Januar 2009 [im Folgenden: Rekapitalisierungsmitteilung]; id., Mitteilung – Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise, Abl. EU Nr. C 270 v. 25. Oktober 2008 [im Folgenden: Bankenmitteilung 2008]. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise, Abl. EU C 216 v. 30. Juli 2013 [im Folgenden: Bankenmitteilung 2013]. id., Rn. 5; vgl. auch Rn. 16 ff. id., Rn. 40 ff. id., Rn. 41. id., Rn. 44. id., Rn. 42. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zum Haftungsumfang nach dem Bail-in-Instrument.
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verteilung. Aus Finanzstabilitätsüberlegungen und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit ist ein Abweichen vom „beihilferechtlichen Bail-in“ zulässig.²⁰⁰ Darauf hat sich die Kommission 2020 berufen, um eine Ausnahme von der Lastenverteilung für mitgliedsstaatliche Beihilfen zu gewähren, die zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie dienen.²⁰¹ Seit dem 12. März 2020 hat die Kommission hunderte von staatlichen Beihilfemaßnahmen EU-weit auf dieser Grundlage bewilligt. Zum anderen entfaltet die Bankenmitteilung 2013 nach der Rechtssprechung des EuGH weder eine de iure noch eine de facto Bindungswirkung für die europäischen Mitgliedsstaaten.²⁰² Sie dient lediglich zur Einschänkung des Ermessens der Kommission. Daraus lässt sich der vorläufige Schluss ziehen, dass das europäische Beihilferecht nur bedingt für die Haftungsverwirklichung in der Bankenabwicklung geeignet ist.
ii) Harmonisiertes Bankenabwicklungsrecht Der wahre Durchbruch in Bezug auf die Lastenverteilung gelang jedenfalls mit der Schaffung eines einheitlichen europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrechts für Banken, nämlich eines Gesellschaftsrechts der Krise und eines Sonderinsolvenzrechts²⁰³, durch die Bankensanierungs- und Bankenabwicklungsrichtlinie (Banking Recovery and Resolution Directive – BRRD)²⁰⁴. Dadurch sollen ein ebenes
id., Rn. 45. „Soweit solche Maßnahmen der Behebung von Problemen im Zusammenhang mit dem COVID19-Ausbruch dienen, fallen sie unter Randnummer 45 der Bankenmitteilung von 2013, in der eine Ausnahme von der Anforderung der Beteiligung von Anteilseignern und nachrangigen Gläubigern an den Lasten festgelegt ist“; vgl. Europäische Kommission, Mitteilung – Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID19, 2020/C 91 I/01, ABl. C 91 I, v. 20. März 2020, Rn. 7. Diese Mitteilung wurde bereits viermal aktualisiert (Stand: 15. Januar 2021); s.u.a. Europäische Kommission, Mitteilung – Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, 2020/C 2215, ABl. C 112I v. 4. April 2020 sowie Europäische Kommission, Mitteilung – Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, v. 8. Mai 2020, Rn. 17. Vgl. EuGH, Rs. C‑526/14 – „Kotnik“, Urteil v. 19. Juli 2016, Rn. 44; vgl. auch Generalanwalt Nils Wahl, Rs. C-526/14 – „Kotnik“, Schlussanträge v. 18. Februar 2016, Rn. 45. Näher dazu Triantafyllakis, Italienische Banken: Wenn nicht alle Wege zum Bail-in führen,WM 2016, S. 2248, 2251 f.; Vgl. Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 39. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/ 25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/ 35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU so-
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Spielfeld (level playing field) für alle in der EU tätigen Institute geschaffen werden sowie Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt beseitigt werden.²⁰⁵ Kernziele der BRRD sind zum einen die Entlastung der Steuerzahler, zum anderen jedoch die Verlusttragung durch die Eigentümer und – entsprechend der Reihenfolge einer Haftung in der Insolvenz – nachrangigen Gläubiger des abzuwickelnden Instituts, sodass der marktwirtschaftliche Gleichlauf von Haftung und Kontrolle wiederhergestellt wird und risikoorientierte Strategien der Kreditinstitute diszipliniert werden.²⁰⁶ Im Wesentlichen richtet sich das durch die BRRD eingeführte Sonderinsolvenzrecht nach bankenaufsichtsrechtlichen Zielen und legt damit – viel deutlicher als im klassischen Insolvenzrecht – den Schwerpunkt auf den Fortbestand der betroffenen Institute (going concern).²⁰⁷ Erarbeitet wurde die BRRD von der Kommission auf der Basis der vom FSB vorgelegten Schlüsselmerkmale eines effektiven Abwicklungsregimes für Kreditinstitute. In systematischer Hinsicht ist sie der früheren Reformphase zuzuordnen, die jegliche Krisenmaßnahmen gegen die Bankenkrise als erste Form der globalen Finanzkrise umfasst, auch wenn sie taggleich mit der SRMR verabschiedet wurde.²⁰⁸ Rein formalistisch gesehen ist die BRRD kein Teil der Europäischen Bankenunion, woran grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten der Eurozone teilnehmen.²⁰⁹ Die BRRD ist mindestharmonisierend ausgestaltet²¹⁰ und wird durch delegierte Verordnungen, Durchführungsverordnungen und regula-
wie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates [im Folgenden: „BRRD“], ABl.EU 2014 L 173/190. Vgl. u. a. ErwGr. 9 BRRD. Ausführlich zu diesem (doppelten) Ziel der Verschiebung der Lasten von Steuerzahlern auf Bankgläubiger und -einleger und der damit verbundenen verbesserten Anreizsetzung: Feld/Fuest/ Haucap/Schweitzer/Wieland/Wigger, Europäische Bankenunion: Vom Prinzip Hoffnung zum Prinzip Haftung, Kronberger Kreis-Studien Nr. 59, S. 5, 25; Bruni, European Banking Union and Market Discipline, in: Barucci/Messori (Hrsg.) European Banking Union, S. 63, 65 ff.; Grünewald, Resolution of cross-border banking crises, 2014, 34 ff.; Gros/Schoenmaker, European Deposit Insurance and Resolution in the Banking Union, JCMS, 2014, S. 529. Vgl. Grundmann, ZHR 179, 2015, S. 563, 586. Die Kommission legte ihren BRRD-Vorschlag bereits im Juni 2012 vor. Vgl. Europäische Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council, establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms and amending Council Directives 77/91/EEC and 82/891/EC, Directives 2001/24/EC, 2002/47/EC, 2004/ 25/EC, 2005/56/EC, 2007/36/EC and 2011/35/EC and Regulation (EU) No 1093/2010, COM(2012) 28 final, 2012/0150 (COD), v. 6. Juni 2012. Sowie Staaten, die eine enge Zusammenarbeit mit der EZB auf dem Gebiet der Bankenaufsicht eingehen (sog. Opt-in). Dennoch können BRRD und SRMR nur in einer Gesamtschau sinnvoll betrachtet werden, da die materiellen Regelungen weitgehend deckungsgleich sind. Vgl. Art. 1 Abs. 2 BRRD. So auch in ErwGr. 10 BRRD.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
torische technische Standards (RTS) der EBA ergänzt²¹¹. Sie richtete sich an alle EU-Mitgliedstaaten²¹² und wurde mittlerweile von sämtlichen EU-Mitgliedsstatten in nationales Recht umgesetzt.²¹³ Eine längere Umsetzungsfrist war lediglich für das Bail-in-Instrument vorgesehen. Das sollte bis zum 1. Januar 2016 in nationales Recht umgesetzt werden.²¹⁴ Der Anwendungsbereich der BRRD umfasst alle in der EU niedergelassenen Institute, d. h. Kreditinstitute und Wertpapierfirmen.²¹⁵ Der Begriff „Kreditinstitut“ ist dabei im europarechtlichen Sinne des Einlagen- und Kreditgeschäfts zu verstehen.²¹⁶ Erfasst sind daneben auch in der EU bestehende Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten sowie bestimmte Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, gemischte Holdinggesellschaften und Mutterfinanzholdinggesellschaften und Finanzinstitute.²¹⁷
Gem. Art. 290 f. AEUV. Als Richtlinie hat sie gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV (grundsätzlich) keine unmittelbare Wirkung. Lediglich zwei Mitgliedstaaten setzten die BRRD innerhalb der vorgesehenen Frist, bis zum 31. Dezember 2014, vollständig um. Gegen die verbleibenden Mitgliedstaaten wurden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, die inzwischen nach vollständiger Umsetzung durch alle Mitgliedstaaten eingestellt wurden. Zurzeit überprüft die Kommission die Ordnungsmäßigkeit der nationalen Umsetzungsmaßnahmen. Vgl. Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung und Überprüfung der Richtlinie 2014/59/EU (Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten) und der Verordnung 806/2014 (Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus), v. 30. April 2019, COM(2019) 213 final, S. 2. Die Umsetzung der BRRD in Deutschland erfolgte durch das BRRDUmsetzungsgesetz, vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/ EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD-Umsetzungsgesetz) v. 10. Dezember 2014, BGBI. I 2014, 2091. Parallel dazu wurden die notwendigen Änderungen an der bereits bestehenden Gesetzten vorgenommen: KWT, RStruktG, KredReorgG. Kernbestandteil des BRRD-Umsetzungsgesetzes ist das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), vgl. Art. 1 BRRDUmsetzungsgesetz. Vgl. Art. 130 Abs. 1 BRRD. Ursprünglich war vorgesehen, dass das Bail-in-Instrument erst 2018 in Kraft treten soll. Vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 2 Abs. 23 BRRD. S. die Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR: Kreditinstitut ist „ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“. Dies bedeutet, dass nicht alle Unternehmen, die den weiteren Begriff des Kreditinstituts im deutschen Recht gem. § 1 Abs. 1 KWG erfüllen, von der BRRD erfasst sind. Vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. b bis e BRRD.
B. Rechtliche Rahmenbedingungen
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Die BRRD differenziert zwar nicht formal zwischen einem Sanierungs- und einem Abwicklungsverfahren.²¹⁸ Aus systematischer Sicht ergibt sich allerdings eine derartige klare Einteilung. Das Sanierungsverfahren umfasst zwei Maßnahmentypen: Alle privatwirtschaftlichen Maßnahmen, die in Eigenverantwortung des Instituts ergriffen werden und die nicht abschließend in der BRRD vorgegeben werden sowie aufsichtsrechtliche Maßnahmen im Rahmen der Frühintervention (early intervention)²¹⁹, die auf eine bestandserhaltende Sanierung des betroffenen Instituts abzielen. Auch das Abwicklungsverfahren weist eine duale Struktur – im Sinne präventiver und korrektiver Maßnahmen – auf. Denn es gliedert sich in die Phase der Abwicklungsplanung, die u. a. die Pflicht zur Aufstellung von Abwicklungsplänen (sog. „living wills“) umfasst²²⁰, und die Phase der Umsetzung der Abwicklungsmaßnahmen.
III. Der Quantensprung – Aufbau der Bankenunion Die etlichen Bankenrettungs- und Konjunkturmaßnahmen, die von den Mitgliedstaaten zur Bewältigung der sich ausweitenden Vertrauenskrise im Finanzsektor ergriffen wurden, führten bei einer Reihe von ihnen zur außergewöhnlichen Belastung ihrer öffentlichen Haushaltssituation.²²¹ Die daraus resultierende
Anders der deutsche Gesetzgeber: s. Sanierungsverfahren gem. §§ 2 ff. KredReorgG. Vgl. Art. 27 ff. BRRD. Vgl. Art. 10 – 14 BRRD; für die Bankenunion s. Art. 8 – 9 SRMR. Vgl. Armour, Making Bank Resolution Credible ecgi Law Working Paper Nr. 244/2014; Engelbach/Friedrich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, 662, 670; Freixas/Laeven/Peydró, Systemic Risk, Crises, and Macrorprudential Regulation, 2015, 339; Hüpkes‚ „Living Wills“ – An International Perspective, in: Dombret/ Kenadjian (Hrsg.) The Bank Recovery and Resolution Directive Europe’s Solution for „Too Big To Fail“?, 2013, S. 71. Auch wenn kein direkter Zusammenhang zwischen der Subprime-Krise und der darauffolgenden „Eurokrise“ bestehen mag, geht die ökonomische Literatur davon aus, dass die Bankenrettung, die in einigen Staaten mit großen Mengen von Staatsgeldern finanziert wurde, die Staatsverschuldung so stark und sprunghaft ansteigen ließ, dass dies die Ausbreitung der Staatsschuldenkrise von Griechenland auf andere Staaten der Eurozone mitverursacht haben dürfte. Zu den Ursachen der Staatsschuldenkrise s.u.a. Begg, Regulation and Supervision of Financial Intermediaries in the EU: The Aftermath of the Financial Crisis, JCMS 2009, 1107; Wymeersch/Hopt/Ferrarini (Hrsg.), Financial Regulation and Supervision – A Post-Crisis Analysis, 2012, S. vi, vii. Um das ganze Ausmaß der Rettungspakete zu begreifen: In den Jahren von 2008 bis 2014 sind staatliche Beihilfen in Höhe von ca. 10 % des aggregierten EU-Bruttoinlandprodukts (EU-BIP) zu verzeichnen und allein im Zeitraum zwischen Oktober 2008 und Oktober 2011 sind mehr als 4,5 Bil. EUR zur Rettung kriselnder Banken von der Kommission als Wettbewerbsbehö rde genehmigt worden; vgl. EZB, The Fiscal Impact of Financial Sector Support during the
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
verschlechterte fiskalische Situation brachte zwangsläufig eine Überprüfung der staatlichen Bonität mit sich, die angesichts neuer unerwarteter Stützungsmaßnahmen und somit neuer Verschuldungen negativ ausfiel. Es handelte sich um ein neuartiges Krisenszenario, das Zweifel an der Kreditwürdigkeit sowie an der Schuldentilgungsfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten im Euroraum begründete. Hiervon betroffen war zunächst insbesondere Griechenland. Als die Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten dermaßen an Attraktivität auf den Kapitalmärkten einbüßten, dass eine Refinanzierung über die Kapitalmärkte ihnen nicht mehr zumutbar war und sie nun auf externe Finanzhilfe angewiesen waren,²²² sahen sich die europäischen politischen Entscheidungsträger gemeinsam mit dem IWF dazu veranlasst, die ersten Rettungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.²²³ Vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrungen aus den Jahren 2007– 09 ließ das Risiko einer erneuten Störung der Finanzmärkte, das bei einem Ausfall Griechenlands als Schuldner mit damals noch umfangreichen Verbindlichkeiten bei zahlreichen Finanzinstituten zu befürchten war, die politischen Akteure erzittern.²²⁴ Trotz dieser ersten Hilfsmaßnahmen breitete sich die Krise über negative Selbstverstärkungs- und Ansteckungsprozesse schnell aus und erzwang zu weiteren Stabilitätsprogrammen in Irland²²⁵, Portugal²²⁶ und Zypern²²⁷. Spätestens als Crisis, 6 ECB Economic Bulletin 2015. Einer Studie zufolge sind nur 3,3 % dieser Gelder zurück in die nationalen Haushalte geflossen. Vgl. Adamczyk/Windisch, State Aid to European Banks: Return to Viability, Competition State Aid Brief, 2015. Deutlich besser fallen die Ergebnisse aus dem US-amerikanischen Troubled Asset Relief Program („TARP“) aus, wodurch sogar Gewinne bei den Rückzahlungen erzielt wurden. Vgl. US-Treasury, „TARP-Tracker“. Dazu Dombret, Robuste Regulierung für ein widerstandsfähiges Finanzsystem in: Grieser/ Heemann (Hrsg.), Bankenaufsicht nach der Finanzmarktkrise, S. 618 ff; Heise, Die Finanzkrise – Ursachen und mögliche Lösungen, in: Schäfer/Burghof/Johannig/Wagner/Rodt (Hrsg.) Risikomanagement und kapitalmarktorientierte Finanzierung, S. 43 ff. Die Darlehensfazilität zugunsten Griechenlands setzte sich aus befristeten bilateralen Krediten der Euro-Staaten i.H.v. 80 Mrd. EUR und des IWF i.H.v. 30 Mrd. EUR zusammen. Vgl. Europäische Kommission, The economic adjustment programme for Greece, Luxembourg, v. 26. Mai 2010, S. 26. Dabei ging es aus Sicht der beteiligten Darlehensgeber aber nicht nur um die Solvenz Griechenlands, sondern vielmehr um die Gewährleistung der Finanzstabilität in der gesamten Eurozone. Vgl. Europäischer Rat, Stellungnahme der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union v. 11. Februar 2010; Europäischer Rat, Stellungnahme der Staatsund Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets v. 25. März 2010; Europäischer Rat, Statement on the support to Greece by Euro area Member States v. 11. April 2010; Eurogruppe, Statement by the Eurogroup v. 2. Mai 2010. Vgl. Röger, Finanzhilfemechanismen für die Eurozone, 2016, 40 f. S. Gegenmeinung von Sinn, Die Bedeutung des Gewährleistungsgesetzes fü r Deutschland und Europa, ifo Schnelldienst 10/ 2010, 3 ff., der keine Gefahr für die Eurostabilität darin erkannte. Vgl. Government of Ireland, Department of Finances, Government Statement Announcement of joint EU-IMF Programme for Ireland, Dublin, v. 28. November 2010.
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Italien und Spanien²²⁸ in Refinanzierungsschwierigkeiten gerieten, war es deutlich, dass es sich hierbei um eine kaum noch mit den vorhandenen Instrumenten beherrschbare Vertrauenskrise handelte. Der Übergang von der Banken- zu der Staatsschuldenkrise zeigte zunächst die erheblichen institutionellen Lücken und Defizite der europäischen Finanzordnung. Es fehlte an Mechanismen und Instrumenten, die zur effektiven Bewältigung der Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Krisenerscheinungen und mithin zur Verhinderung von Kettenreaktionen beigetragen hätten.²²⁹Zudem brachte er in drastischer Weise den Teufelskreis (diabolic loop) zwischen Bankenrettung und Belastung der Staatsfinanzen zum Ausdruck:²³⁰ Je höher der Anteil der von einem Kreditinstitut gehaltenen Staatsanleihen ist, desto gravierender wirkt sich die Haushaltslage des emittierenden Staates auf die Bilanz des Kreditinstituts aus. Aufgrund dieser engen budgetmäßigen Abhängigkeiten können sich Banken- und Schuldenkrisen wechselseitig verstärken.²³¹ Genau diese wechselseitige Abhängigkeit zwischen Staatsfinanzen und Bankeninsolvenzen sowie die Erkenntnis der Unzulänglichkeit bisheriger Reformen im Bankwesen, die Finanzmarktstabilität wiederherzustellen, führten zur schnellen Ausreifung der Idee einer Kompetenzverlagerung im Bereich des Aufsichtsrechts und einer Neu-Etablierung eines Abwicklungsrechts. Beim EU-Gipfelbeschluss vom 29. Juni 2012²³² wurde der Grundstein für die Errichtung einer
Vgl. Europäischer Rat, Council approves aid to Portugal, sets out conditions, 10231/11, v. 17. Mai 2011. Das Stabilitätsprogramm zugunsten Zyperns wurde durch den ESM organisiert: S. ESM, ESM Board of Governors grants stability support to Cyprus, Luxemburg, v. 24. März 2013; mit einer geringen Beteiligung des IWF: S. IWF, Press Release, IMF Executive Board Approves € 1 Billion Arrangement Under Extended Fund Facility for Cyprus, Washington, v. 15. Mai 2013. Vgl. das Stabilitätsprogramm für den spanischen Bankensektor: Europäischer Rat, Eurogroup grants financial assistance to Spain’s banking sector, v. 20. Juli 2012. Diese Probleme beruhen auf dem sog. „financial trilemma“, das die Unmöglichkeit beschreibt, die finanzielle Stabilität bei nationaler Bankenaufsicht, gemeinsamer Währung und international integrierten Märkten langfristig zu bewahren s. Schoenmaker, The financial trilemma, Tinberger Institute Discussion Paper, 2011, 7 ff. Zur Verquickung zwischen Banken und Staaten vgl. Paulus, Jüngste Entwicklungen im Resolvenzrecht, WM 2013, S. 489, 493 sowie Paulus, Staatspleiten und Bankenpleiten: Eine gewollte Mesalliance, KTS 2013, S. 155, 161 ff. Vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5 Rn. 15; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 46; Kaufhold, ZG 2017, S. 18, 21. Dieser Tag gilt als Geburtsstunde des Projekts „Europäische Bankenunion“. Siehe Schlussfolgerungen des Europäischen Rates v. 28./29. Juni 2012, EUCO 76/12; siehe auch das MEMO/12/656 der Kommission v. 10. September 2012. S. auch Bericht des Präsidenten Herman Van Rompuy v. 26. Juni 2012 „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“, EUCO 120/12.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
„Europäischen Bankenunion“²³³ gelegt, die als der bedeutendste Schritt in Richtung vertiefter Intergration, seit der Einführung der gemeinsamen Währung des Euros, bezeichnet wird.²³⁴
a) Einheitliche Bankenaufsicht Das Herzstück²³⁵ der Europäischen Bankenunion bildet der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM)²³⁶, dessen Errichtung den vorläufigen Höhepunkt in der ca. 40-jährigen Integrationsgeschichte des europäischen Bankensektors markiert.²³⁷ Der SSM stellt die Aufsicht der Kreditinstitute der teilnehmenden Staaten unter eine enge Zusammenarbeit von der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden. Die bedeutenden (i.S.v. systemrelevanten) Kreditinstitute unterliegen der direkten Aufsicht der EZB und alle anderen Kreditinstitute, der teilnehmenden Staaten der nationale Aufsicht (indirekte Aufsicht mit Letztverantwortung bei der EZB).²³⁸ Die Aufsicht der Kreditinstitute
Als „Europäische Bankenunion“ wird das Zusammenführen von drei eigenständigen aber miteinander verknüpften Regulierungsvorhaben (sog. Säulen) bezeichnet: Des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM), des einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM) und der harmonisierten Einlagensicherung (European Deposit Insurance Scheme – EDIS). Zum Begriff der Bankenunion s. Neumann, The supervisory powers of national authorities and cooperation with the ECB – a new epoch of banking supervision, EuZW 2014, 9, 10. Vgl. Draghi, Stronger together in Europe: the contribution of banking supervision, Speech, marking the inauguration of the ECB’s new supervisory responsibilities, Frankfurt, v. 20 November 2014. Vgl. ErwGr. 12 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl.EU 2013 L 287/63 [im Folgenden: SSMR]. Der SSM hat seine Tätigkeiten am 4. November 2014 aufgenommen. Das Legislativpaket zur Errichtung des SSM umfasst zwei Verordnungen: Die SSMR und die Verordnung zur notwendigen Anpassungen an der EBA-VO; Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich der Übertragung besonderer Aufgaben auf die Europäische Zentralbank gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, ABl.EU 2013 L 287/5. Vgl. Kohtamä ki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012, S. 1. Nach der Systematik der Art. 4 und 6 SSMR stellt die direkte Aufsicht durch die EZB das Regelprinzip und die indirekte Aufsicht die Ausnahme dar, vgl. Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 2014, S. 443, 474.
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durch den SSM bezieht sich sowohl auf makro-²³⁹ als auch auf mikroprudenziellen²⁴⁰ Aufgaben. In räumlicher Hinsicht erstreckt sich der SSM auf die teilnehmenden Mitgliedstaaten, nämlich diejenigen die zur Eurozone gehören sowie Staaten, deren Währung zwar nicht der Euro ist, die aber in eine enge Zusammenarbeit mit der EZB i.S.v. Art. 7 SSMR eingetreten sind.²⁴¹ In sachlicher Hinsicht werden durch den SSM nur Kreditinstitute²⁴² erfasst. Ausgeschlossen sind hingegen Versicherungsunternehmen²⁴³ sowie Institute, die sich ausschließlich mit Wertpapierdienstleistungen beschäftigen (Hedge-Fonds, Private Equity Fonds). Der Ausschluss letzterer Institute ist vor dem Hintergrund der stets wachsenden Bedeutung von Nichtbanken auf den Finanzmärkten nicht unproblematisch. Dadurch dürften aus Schattenbanken resultierende systemische Risiken der Aufsicht verborgen bleiben. Solche Risiken werden nur teilweise insofern abgefangen, als eine enge Zusammenarbeit der EZB mit den im Rahmen des ESFS agierenden Behörden für Institute stattfindet, die „zusätzlich im Versicherungs- und Wertpapierbereich tätig sind“²⁴⁴. Mit der durch den SSM vollzogenen Verlagerung der Gesamtverantwortung²⁴⁵ für die Aufsicht von Kreditinstituten in der Eurozone auf europäische Ebene, tritt neben der Geldpolitik eine zweite Kernaufgabe mit unterschiedlicher Zielsetzung bei der EZB ein.²⁴⁶ Die damit verbundenen rechtlichen Frage, wie die EZB ihre geldpolitischen und bankaufsichtlichen Aufgaben vor dem Hintergrund von Art. 127 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AEUV im Konfliktfall zu gewichten hat, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die primärrechtlich vorgegebene Rangfolge, Interessenkonflikte zwi Vgl. Art. 5 SSMR. Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a-i SSMR. S. Definition im Art. 2 Nr. 1 SSMR. Zur Gewährleistung einheitlicher Standards bzw. Vermeidung der Enstehung neuer Divergenzen in der Aufsichtspraxis wäre es erstrebenswert, dass weitere Staaten und zumindest die restlichen EU-Staaten sich in den SSM hineinoptieren. Dies ist jedoch bislang nicht geschehen. Maßgeblich für die Einstufung als „Kreditinstitut“ ist das unionsrechtliche Begriffsverständnis; vgl. Art. 2 Nr. 3 SSMR i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1, 3 CRR. So expressis verbis der Art. 127 Abs. 6 AEUV. Vgl. ErwGr. 31 S. 2– 3 SSMR. Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 2 SSMR trägt die EZB die Gesamtverantwortung für das Funktionieren des SSM. Darunter fällt die Gewährleistung der Einhaltung aller Aufsichtsansforderungen an Kreditinstitute in Bezug auf Eigenmittel, Verbriefung, Beschränkungen für Großkredite, Liquidität, Verschuldungsgrad sowie Meldung und Veröffentlichung entsprechender Informationen; vgl. Art. 4 Abs. 3 SSMR. Zu diesem Zweck wurde ein für die Bankenaufsicht zuständiges Gremium innerhalb der EZB errichtet, vgl. Art. 26 Abs. 1 SSMR.
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schen Geldpolitik und Aufsicht zulasten letzteren aufgelöst werden müssten.²⁴⁷ Dies lässt sich damit begründen, dass der SSM ohne Vertragsänderung allein auf sekundärrechtlicher Basis eingerichtet wurde.²⁴⁸ Diese auf sekundärrechtlicher Basis erfolgte Kompetenzenverlagerung wurde auf Art. 127 Abs. 6 AEUV gestützt, der die Übertragung von „besonderen Aufgaben“ (i.S.v. „spezifischen Aufgaben“²⁴⁹) in Bezug auf Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute auf die EZB vorsieht.²⁵⁰ Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergeben sich zwar keine inhaltlichen Schranken, wonach der Schwerpunkt der Aufsicht auf nationaler Ebene verbleiben müsse.²⁵¹ Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Formulierung „besondere (Aufgaben)“ als Beschränkung auf einzelne Aufsichtsaufgaben dienen soll.²⁵² Im Umkehrschluss heißt es, dass eine Übertragung der Gesamtaufsicht auf die EZB gegen Art. 127 Art. 6 AEUV verstoßen würde.²⁵³ Neben dem Wortlaut sprechen auch die Systematik²⁵⁴ sowie
S. exemplarisch: Gaitanides, Das Recht der Europä ischen Zentralbank, 2005, S. 223; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Wä hrungsunion, § 5 Rn. 53; Waldhoff/Dieterich, Einfü hrung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene, EWS 2013, 72, 77; Manger-Nestler/ Bö ttner, Ménage à trois?, EuR 2014, 621, 631. Das einheitliche Bankaufsichtsrecht steht somit im krassen Gegensatz zum europäischen Wettbewerbsrecht, das mit seinen festen primärrechtlichen Grundlagen (vgl. Art. 101 ff. AEUV) einen umfassenden Rechtsrahmen mit materiell-rechtlichen Vorgaben und europäischer Rechtsdurchsetzung bildet. Vgl. Grundmann, ZHR 179, 2015, 563. In anderen Sprachfassungen: „Specific tasks“ (eng.), „missions spécifiques“ (fr.). Art. 127 Abs. 6 AEUV verdrängt als lex specialis die Rechtsangleichungskompetenz nach Art. 114 AEUV. Vgl. Kämmerer, Bahn frei der Bankenunion?, NVwZ 2013, S. 830, 835. Vgl. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism – European Banking Supervision by the SSM, 2017, Rn. 48 ff.; Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178/2014, 443, 453; Schuster, The banking supervisory competences and powers of the ECB, EuZW-Beilage, 2014, 3 f.; Wymeersch, The single supervisory mechanism or „SSM“, part one of the Banking Union, National Bank of Belgium, WP No. 255, April 2014, 18 f. Siehe aber die Gegenmeinung von Gören, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank, 2019, 195, der auf die Notwendigkeit einer Vertragsänderung hinweist. Kritisch zu der erfolgten Kompetenzzuweisung auf EU-Ebene auch Kämmerer, Bahn frei der Bankenunion?, NVwZ 2013, S. 830, 832 ff.; Sacarcelik, Europäische Bankenunion: Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht, BKR 2013, S. 353, 356; Waldhoff/Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene, EWS 2013, S. 72, 74 f. Vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2, 6; Waldhoff/Dieterich, Einführung einer gemeinsamen Bankenaufsicht auf EU-Ebene, EWS 2013, S. 72, 74 f. Vgl. BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2019, Az. 2 BvR 1685/14 u. a. (Bankenunion), Rn. 163; Lehmann/ Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2, 6; Sacarcelik, Europä ische Bankenunion – Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der einheitlichen europä ischen Bankenaufsicht, BKR 2013, 353, 355. Außer-
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der Telos²⁵⁵ für eine enge Auslegung der Ermächtigungsgrundlage. Es bleibt jedenfalls offen, wie der Umfang der Kompetenzverlagerung auf EU-Ebene zu bestimmen ist und ob absolute Größen, wie z. B. ein Vergleich der aggregierten Bilanzsummen von unter direkter Aufsicht der EZB stehenden und indirekt kontrollierten Kreditinstituten, herangezogen werden können.²⁵⁶
Zuständigkeitsverteilung im SSM Der SSM setzt sich als Finanzaufsichtssystem aus der EZB und den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden der Staaten zusammen die am SSM teilnehmen.²⁵⁷ Im Rahmen dessen wird eine grundlegende Unterscheidung zwischen der unmittelbaren EZB-Aufsicht über (zurzeit 117)²⁵⁸ systemrelevante Banken²⁵⁹ und der (überwiegend nationalen) Aufsicht über die restlichen Banken der Eurozone und sonstiger teilnehmender Staaten vorgenommen.²⁶⁰ Ausschlaggebend für die Ein-
dem spricht für eine enge Auslegung die Formulierung, dass nur Aufgaben „im Zusammenhang“ mit der Bankenaufsicht übertragen werden dürfen, vgl. Kämmerer, Bahn frei der Bankenunion?, NVwZ 2013, S. 830, 833. Vgl. BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2019, Az. 2 BvR 1685/14 u. a. (Bankenunion), Rn. 168, mit dem Hinweis auf die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV), der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV) und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV). Außerdem unterscheidet sich die Bankenaufsicht qualitativ von der Währungspolitik (Gebiet ausschließlicher Zuständigkeit der EZB). In den Worten des BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2019, Az. 2 BvR 1685/14 u. a. (Bankenunion), Rn. 166: „Die Bankenaufsicht ist jedoch auch unter dem Blickwinkel des Primärrechts kein Teil der Währungspolitik […], sondern eine im Kern gewerbepolizeiliche Aufgabe, die nicht notwendigerweise durch die EZB erfüllt werden muss und von ihr vor Erlass der SSM-Verordnung auch 15 Jahre lang nicht wahrgenommen wurde“. Vgl. BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2019, Az. 2 BvR 1685/14 u. a. (Bankenunion), Rn. 169 ff. Vgl. Dinov, Europäische Bankenaufsicht im Wandel, EuR 2013, S. 593, 604; Kämmerer, Rechtsschutz in der Bankenunion (SSM, SRM), WM 2016, S. 1 f., die ein beträchtliches politisches Ermessen zugunsten des Uniongesetzgebers feststellen. Vgl. Art. 2 Nr. 9 SSMR. Die EZB veröffentlicht gem. 49 SSM-RahmenVO eine Liste aller von ihr direkt beaufsichtigten Institute. Die aktualisierte Liste der 117 Institute findet sich auf der Webseite der EZB. Ein Bruchteil der bedeutenden Institute werden nach der vom FSB festgelegten Definition als globally systemically important banks (G-SIBs) eingestuft. Vgl. FSB, List of global systemically important banks (G-SIBs), v. 22. November 2019. Zurzeit operieren 30 G-SIBs weltweit, davon zwölf mit Sitz in der EU, acht in den USA, vier in China, drei in Japan und zwei in der Schweiz. Auf europäischer Ebene werden globally systemically important institutions (G-SIIs) anhand ähnlicher Kriterien identifiziert, die im Art. 131 Abs. 2 CRD-IV normiert sind. Ein Vergleich zum Fußballwettbewerb „Champions League“, woran nur die Topklubs teilnehmen können, lässt die hier vorgenommene Einteilung der Institute und den institutionellen Aufbau des SSM gut veranschaulichen.Vgl. Lastra, Northern Rock, UK Bank Insolvency and Cross-
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teilung der Institute in diese zwei Kategorien sind ihre Größe, ihre Relevanz für die Wirtschaft der Union bzw. eines teilnehmenden Mitgliedstaates sowie ihre internationale Verflechtung.²⁶¹ Grundsätzlich ist ein Kreditinstitut als bedeutend bzw. systemrelevant zu qualifizieren, ²⁶² (1.) wenn es eine Bilanzsumme über 30 Mrd. EUR hat oder eine Bilanzsumme von über 5 Mrd. EUR, die 20 % des nationalen BIP übersteigt,²⁶³ (2.) wenn die nationale Aufsichtsbehörde von einer Systemrelevanz des betreffenden Instituts für die heimische Volkswirtschaft ausgeht und die EZB zustimmt,²⁶⁴ (3.) wenn das Institut zu den drei größten Kreditinstituten eines Mitgliedstaats der Eurozone zählt,²⁶⁵ (4.) wenn Hilfe aus der (inzwischen abgelösten) Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) für das Institut beantragt oder entgegengenommen wurde²⁶⁶ oder (5.) ein Institut, das die EZB wegen seiner Border Insolvency, Journal of Banking Regulation, 2008, S. 165, 178. Ausführlich zur Zuständigkeitsverteilung im SSM sowie zu den Einteilungskriterien: Glos/Benzing, in: Binder/Glos/Riepe, Handbuch Bankaufsichtsrecht, 2018, § 2 Rz. 21 ff.; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, 2017, S. 137 ff. Die Modalitäten zur Methode, nach der die Einteilung zu erfolgen hat, werden in einer von der EZB erlassenen Rahmenverordnung näher bestimmt; s. Verordnung (EU) Nr. 468/2014 v. 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks fü r die Zusammenarbeit zwischen der Europä ischen Zentralbank und den nationalen zustä ndigen Behö rden und den nationalen benannten Behö rden innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung), ABl. 2014 L 141/1 [Im Folgenden: SSM-RahmenVO]. Diese Kriterien sind alternativ zu erfüllen; vgl. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 SSMR. Vgl. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 Nr. i-ii SSMR. Die Anwendung der Größenkriterien erfolgt auf der obersten Konsolidierungsebene innerhalb der teilnehmenden Mitgliedstaaten, sodass das Erreichen der Schwelle auf der konsolidierten Ebene dazu führt, dass auch gruppenangehörige Kreditinstitute als signifikant betrachtet werden, die für sich genommen die Signifikanzschwelle nicht überschreiten; vgl. Art. 40 Abs. 4 UA 2 SSMR i.V.m. Art. 53 SSM-RahmenVO. Die Ermittlung des BIP erfolgt anhand der durch die Eurostat veröffentlichten Daten. Vgl. Art. 56 UAbs. 2 SSMRahmenVO. Vgl. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 Nr. iii SSMR. Vgl. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 5 SSMR. Es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen. Dadurch soll den unterschiedlichen Strukturen in den Mitgliedstaaten Rechnung getragen und gewährleistet werden, dass auch Institute in Ländern mit einem relativ kleinen Bankenmarkt in die unmittelbare EZB-Aufsicht einbezogen werden können. Vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, S. 2, 14. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 4 SSMR i.V.m. Art. 61 ff. SSM-RahmenVO. Hiervon nicht erfasst ist der Fall eines Antrags des Instituts auf indirekte finanzielle Unterstützung durch den ESM oder einer Inanspruchnahme von Mitteln des ESM auf Grundlage des Direct Recapitalisation Instrument (s. hierzu ausführlich unten unter: 3. Abschnitt, D.I. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Antrag auf eine derartige Unterstützung bzw. die Gewährung solcher Mittel durch den ESM keinerlei Einfluss auf die Einstufung des betreffenden Instituts als bedeutend hat; vgl. Geier, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B. I. Rn. 64 Fn. 103.
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grenzüberschreitenden Vernetzung sonst als bedeutend einstuft und daher unter ihre Aufsicht zieht²⁶⁷. Die übrigen Kreditinstitute gelten als weniger bedeutend. Dazu zählen neben den kleineren Privatbanken auch die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die öffentlich-rechtlichen Sparkassen mit einem regional begrenzten Geschäftsgebiet. Der Bereich der indirekten Aufsicht ist durch ein Zusammenspiel zwischen nationaler Aufsichtskompetenz²⁶⁸ und ausschließlicher EZB-Aufsicht gekennzeichnet.²⁶⁹ Im Zeitverlauf können sich die Aufsichtszuständigkeiten ändern. So kann die EZB Institute, die erstmalig eines der Signifikanzkriterien erfüllen, unter ihre Aufsicht ziehen.²⁷⁰ Aber auch umgekehrt, kann sie die Zuständigkeit auf die nationale Aufsicht zurückübertragen, wenn ein Institut infolge eines erheblichen und voraussichtlich dauerhaften Geschäftsrückgangs keines der Signifikanzkriterien mehr erfüllt.²⁷¹ Von der grundsätzlichen Trennung der Zuständigkeiten zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden ausgenommen sind lediglich die Erteilung oder Entziehung der Bankzulassung, die Genehmigung von weiteren
Dabei soll man zwischen Antrag und Inanspruchnahme von direkter Hilfe durch den ESM differenzieren. Wenn ein Institut bereits direkte Unterstützung durch den ESM erhält, hat eine Überprüfung seiner Systemrelevanz bereits im Vorfeld der Gewährung dieser Mittel stattgefunden, da ESM-Mittel nach Art. 3 ESM-Vertrag der Rekapitalisierung von systemrelevanten Kreditinstituten vorbehalten sind. Außerdem liegen den Beschlüssen des ESM gem. Art. 13 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 18 Abs. 2 ESM-Vertrag Analysen der EZB und Bewertungen der Kommission zugrunde, die jegliche Gefahren fü r die Finanzstabilitä t der Eurozone bereits identifiziert haben mü ssen. Daher erübrigt sich, eine zweite Überprüfung der Systemrelevanz des Instituts durch die EZB für die SSM-Zwecke zu fordern; vgl. Bergk, Makroprudentielle Aufsicht, 2019, S. 167 ff. Anders ist aber der Fall eines Antrags auf indirekte Hilfe durch den ESM zu bewerten. Denn in diesem Fall hat keine entsprechende Überprüfung der Systemrelevanz stattgefunden. In jedem Fall ist die EZB nicht daran gehindert, Institute, die einen solchen Antrag gestellt haben bzw. direkte ESM-Hilfe erhalten, zwecks kohärenter Anwendung als bedeutend einzustufen; vgl. Art. 67 Abs. 2 SSMRahmenVO. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 3 SSMR. Ausführlich dazu: Gortsos, The Single Supervisory Mechanism (SSM), 2015, S. 183 ff.; Moloney, European Banking Union – assessing its risks and resilience, CMLR 2014, S. 1609, 1632; Wymeersch, The Single Supervisory Mechanism: Institutional Aspects, in: Busch/Ferrarini (Hrsg) European Banking Union, 2015, S. 93, 109. Um ein Eindringen in mitgliedsstaatliche Zuständigkeiten in Grenzen zu halten, ist dieses Selbsteintrittsrecht restriktiv auszulegen; vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5, Rz. 21. S. aber auch Gegenmeinung von Ruppel, Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 272 f. In Deutschland seitens der BaFin und Bundesbank.Vgl. § 7 KWG und Art. 25.2 ESZB-Satzung. Vgl. Art. 6 Abs. 4 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 SSMR. Vgl. Art. 39 Abs. 1 SSM-RahmenVO. Vgl. Art. 46 Abs. 1 S. 1 SSM-RahmenVO.
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„Grundlagengeschäften“ sowie die Beteiligungskontrolle.²⁷²Dabei greift unabhängig von systemischer Relevanz die ausschließliche EZB-Zuständigkeit ein. Selbst wenn ein Kreditinstitut eines der größenbezogenen Signifikanzkriterien erfüllt, kann im Einzelfall davon abgesehen werden, es als bedeutend einzustufen, sofern besondere Umstände vorliegen, die eine direkte Aufsicht durch die EZB als unangemessen erscheinen lassen.²⁷³ Dass die direkte Aufsicht durch die EZB unangemessen ist, kann nach europäischer Rechtsprechung der Fall sein, wenn sie verglichen mit einer nationalen Aufsicht weniger geeignet erscheint, die mit dem SSM verfolgten Ziele zu erreichen.²⁷⁴ Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei zumindest gleich gut geeigneter EZB-Aufsicht ein Institut, das eines der Signifikanzkriterien erfüllt, nicht der EZB-Aufsicht entzogen werden darf.²⁷⁵ Wenn ein Kreditinstitut diese für sich in Anspruch nehmen will, muss es den Nachweis erbringen, warum eine nationale Aufsicht besser geeignet ist.²⁷⁶ Diese Ausnahme soll hingegen keine Anwendung bei einer Rekapitalisierung mit EU-Mitteln finden, denn Finanzstabilitätsüberlegungen stehen dann in jedem Fall im Vordergund.²⁷⁷ Im Ergebnis lässt sich daraus ableiten, dass eine Gesamtwürdigung aller Umstände unumgänglich ist.²⁷⁸ Die Arbeitsteilung zwischen EZB und nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden sowie der Entscheidungsprozess im SSM ähneln stark der Organisation
Vgl. Art. 6 Abs. 6 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a-c SSMR. Vgl. Art. 70 Abs. 1 SSM-RahmenVO i.V.m. Art. 6 Abs. 4 Uabs. 2, 5 SSMR. Vgl. EuG, Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank/EZB -Bank), ECLI:EU:T:2017:337, Rn. 80 ff.; EuGH, Rs. C-450/17 P (Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank/EZB -Bank II), ECLI:EU:C:2019:372, Rn. 60 ff. Es ist z. B. denkbar, dass eine direkte Aufsicht durch die EZB unangemessen ist, wenn ein Institut Teil eines Finanzkonglomerats mit wichtigen Versicherungsaktivitäten ist. Da die konzernangehörigen Versicherungsunternehmen von der EZB nicht beaufsichtigt werden können, erscheint in einem solchen Fall die nationale Aufsicht besser geeignet. Denn sie verfügt über eine sektorübergreifende Zuständigkeit. Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2014, S. 48. So urteilte das EuG im vorgenannten Sachverhalt. Die EZB hatte die L-Bank als bedeutend eingestuft, da diese mit einer Bilanzsumme von ca. 70 Mrd. EUR das Größenkriterium der SSMR erfüllte. Die L-Bank machte dagegen geltend, dass in ihrem Fall die Rü ckausnahme des Art. 6 Abs. 4 SSMR i.V.m. Art. 70 SSM-RahmenVO zur Anwendung kommen mü sse; vgl. EuG, T-122/15, 461, 464, Rn. 46. Vgl. EuG, T-122/15, Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank / EZB, EuZW 2017, 461, 464, Tz. 65. Eine Sachverhaltsermittlung von Amts wegen erfolgt durch die Unionsgerichte jedenfalls nicht. Vgl. Würdemann, Urteilsanmerkung zu Urteil EuG T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Wü rttemberg/EZB), BKR 2017, 431 f. Vgl. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism – A Practioner’s Guide, 2017, E.III.6, Rn. 666. Vgl. Hanten/Bracht, Die Europä isierung des Bankaufsichtsrechts im Praxistest: die L-BankEntscheidung des Gerichts der Europä ischen Union, ZBB 2017, S. 236, 240.
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eines Verwaltungsverbunds²⁷⁹. Kernelemente eines Verwaltungsverbunds sind eine kooperative Zusammenarbeit und eine hierarchische Struktur. Im SSM weisen zum einen die gemischtnationale Zusammensetzung der Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams – JST)²⁸⁰ oder auch die Verpflichtung zum gegenseitigen Informationsaustausch²⁸¹ auf ein kooperatives Verhältnis und zum anderen das Selbsteintrittsrecht der EZB²⁸² auf ein hierarchisches Verhältnis hin.²⁸³ Somit erinnert der SSM an bestehende Verbundlösungen wie das aus EZB und nationalen Zentralbanken bestehende Eurosystem (ESZB)²⁸⁴, das ESFS oder das System zur einheitlichen Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts.²⁸⁵ Die jüngste europäische Rechtsprechung ließ jedoch Zweifel an der Charakterisierung des im SSM festgelegten Kooperationsmodells aufkommen, indem sie die nationalen Aufsichtsbehörden im Bereich der indirekten Aufsicht als durchführende Stellen
Vgl. Art. 6 Abs. 1, 2 SSMR aber auch Art. 2 Nr. 3 („Behördenverbund“) und Art. 97 SSMRahmenVO („Aufsichtsverbund“). Dabei handelt es sich um einen Terminus aus der Politikwissenschaft, der den ebenenübergreifenden Vollzug des Unionrechts durch unterschiedliche Verwaltungskooperationsmodelle bezeichnet. Hierzu ausführlich Schmidt-Aßmann, in: SchmidtAßmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der europäische Verwaltungsverbund, S. 1, 13 ff. Für die unterschiedlichen Erscheinigungsformen eines Verwaltungsverbunds s. Kahl, Der Europäische Verwaltungsverbund: Strukturen – Typen – Phä nomene, Der Staat 2011, 353, 356. Art. 31 Abs. 2 SSMR i.V.m. Art. 3 SSM-RahmenVO. Vgl. Gortsos, The Single Supervisory Mechanism (SSM) – Legal aspects of the first pillar of the European Banking Union, 2015, S. 171 ff.; Moloney, European Banking Union – assessing its risks and resilience, CMLR 2014, 1609, 1648. Zur Aufstellung grenzüberschreitender Aufsichtsteam vgl. auch die grenzüberschreitenden Aufsichtsbzw. Abwicklungskollegien, die schon Art. 116 CRD-IV und Art. 89 BRRD vorsehen. Art. 6 Abs. 2 SSMR. Zum Informationsregime bei dieser Verbundaufsicht s. Tutsch in: von der Groeben/Schwarz/Hatje (Hrsg.) Europäisches Unionsrecht, 2015, Art. 25 ESZB/EZB-Satzung Rn 34; Tröger, Der einheitliche Aufsichtsmechanimsus (SSM) – Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, EBOR, 2014, 470. Vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSMR. Vgl. Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der Europä ischen Bankenaufsicht, JZ 2014, S. 764, 766. So sind im SSM die nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden für die Vorbereitung und Durchführung der Entscheidungen verantwortlich, jedoch nach den Anweisungen bzw. Leitlinien der EZB; vgl. Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 SSMR. Vor allem weil die nationalen Zentralbanken häufig auch die für die Bankenaufsicht zuständigen Behörden sind. Dabei obliegt der Vollzug des Unionsrechts beiden – der nationalen und der europäischen – Ebenen; vgl. Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, S. 2, 10; Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 2014, S. 443, 472; Sacarcelik, Europä ische Bankenunion – Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der einheitlichen europä ischen Bankenaufsicht, BKR 2013, S. 353, 354.
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der EZB zu verstehen gab, die lediglich zum Vollzug des Unionsrechts dienen.²⁸⁶ Diese Argumentation vermag angesichts der Wahrnehmung eigenständiger mikroprudenziellen Aufgaben durch die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden wenig zu überzeugen. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der SSM als Kooperationsmodell bzw. Verbundform strukturelle Besonderheiten aufweist, die überwiegend auf seinen stark zentralisierten Charakter zurückzuführen sind.²⁸⁷ Die EZB ist ermächtigt auf Gefahren für die Finanzstabilität und die Stabilität der Kreditinstitute ²⁸⁸ oder für die Integrität des Binnenmarkts ²⁸⁹ zu reagieren. Sonstige Aufsichtsfunktionen wie der Verbraucherschutz oder die Geldwäschebekämpfung sowie die Überwachung von Kreditinstituten aus Drittländern, die im Euroraum Zweigstellen errichten oder grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringen, bleiben durch den SSM unberührt und liegen damit weiterhin bei den nationalen Aufsehern.²⁹⁰ Das heißt konkret, dass eine Verbotsentscheidung der EZB nicht primär kundenschützend ausgerichtet sein dürfte. Es bleibt nicht immer von vornherein klar, wo die Grenze zwischen Verbraucherschutz (nationale Aufsicht) und Finanzstabilität (europäische Aufsicht) zu ziehen ist.²⁹¹ Außerdem ist
Vgl. EuG, Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg – Förderbank/EZB -Bank), ECLI:EU:T:2017:337, Rn. 54. Kritisch dazu BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2019, Az. 2 BvR 1685/14 u. a. (Bankenunion), Rn. 183 – 194; sowie weite Teile der Literatur: Ipsen/Röh, Der lange Weg zur Rechtssicherheit: Das erste Urteil zum SSM, WM 2017, S. 2228, 2232; Kämmerer, Tektonische Verwerfungen im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) der, ZBB 2017, S. 317, 322. Siehe auch Witte, Die Architektur des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus und die Bedeutung administrativer Widerspruchsverfahren im europäischen Prozessrecht, EuR 2017, S. 648, 652, der für einen a priori Ausschluss der weniger bedeutenden Institute von der Kompetenzzuweisung an die EZB argumentiert. Vgl. Berger, Der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) – Bankenaufsicht im europä ischen Verbund, WM 2015, S. 501. Die EZB trägt gem. Art. 6 Abs. 1 S. 2 SSMR die Gesamtverantwortung für die kohärente Aufsicht im SSM. Diese gehobene Funktion der EZB ist insbesondere bei den von ihr indirekt beaufsichtigten Instituten relevant. Vgl. Art. 1 Satz 1 SSMR i.V.m. ErwGr. 5 – 6 SSMR. Vgl. Art. 1 Satz 1 SSMR i.V.m. ErwGr. 10, 30 SSMR. Vgl. ErwGr. 28 SSMR. Es ist durchaus denkbar, dass die Vermarktung eines Produkts massenweise irreführend für Verbraucher ist und zu breitem Misstrauen in Bankkundenkreisen führt, so dass es zur einer EZBAufsicht „durch die Hintertür“ kommt; vgl. Grundmann in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 56, 62, der in solchen Situationen überzeugend für eine Beibehaltung der EZB-Kompetenz argumentiert.
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die Frage noch zu klären, ob auch der Anlegerschutz unter den Verbraucherschutz und somit unter die EZB-Aufsicht fallen soll.²⁹² Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Aufsicht der EZB grundsätzlich dreifach eingeschränkt ist: (1.) In sachlicher Hinsicht sind nur die bedeutenden Institute von der direkten Aufsicht der EZB erfasst; (2.) In geographischer Hinsicht bleibt der Anwendungsbereich auf die in der Eurozone niedergelassenen Institute beschränkt; (3). Die Zielsetzung ist institutsbezogen und nur reflexartig geschäfts- bzw. transaktionsbezogen (Conduct of Business) ausgerichtet.²⁹³ Bei jeder dieser Einschränkungen sind jedoch weitere Ausnahmen vorgesehen. So kann die EZB jederzeit zur „Sicherstellung einer kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards“ ein unbedeutendes Institut unter ihre Aufsicht ziehen (sog. Selbsteintrittsrecht der EZB²⁹⁴) oder die Aufsicht über Kreditinstitute aus Nicht-Euro-Staaten übernehmen, wenn die Letzteren für eine sog. enge Zusammenarbeit hineinoptieren²⁹⁵. Aber auch wenn keine Ausnahmen explizit vorgesehen sind, verbleibt Raum für Unklarheiten bei der Zuständigkeitsabgrenzung. Dies kann u. a. der Fall sein, wenn die EZB bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben nicht nur das einschlägige Unionsrecht, sondern auch nationale Rechtsvorschriften anwendet.²⁹⁶
b) Einheitliche Bankenabwicklung Der zweite Pfeiler der Europäischen Bankenunion, der durch die SRM-Verordnung (SRMR)²⁹⁷ errichtete Einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution
Näher zum Verhältnis beider zueinander: Buck-Heeb, Vom Kapitalanleger- zum Verbraucherschutz, ZHR 176, 2012, 66; Moloney, The Investor Model Underlying the EU’s Investor Protection Regime: Consumers or Investors?, EBOR 2013, S. 169; Reifner, Europäische Finanzaufsicht und Verbraucherschutz – Wie kann der Schutz der Verbraucherinteressen in die BaFin integriert werden? VuR 2011, S. 410, 412; Wymeersch, The Single Supervisory Mechanism or „SSM“, Part One of the Banking Union, National Bank of Belgium Working Paper Nr. 255, 2014, 14– 04. Vgl. Grundmann in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 62. Vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSMR. Vgl. Art. 7 SSMR. Vgl. Art. 4 Abs. 3 UA 1 S. 2 SSMR. Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl.EU 2014 L 225/1 [im Folgenden: SRMR]. Die SRMR gilt gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen teilnehmenden Staaten verbindlich und unmittelbar. Soweit die SRMR keine
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Mechanism – SRM), stellt die bislang²⁹⁸ politisch ambitionierteste und rechtlich komplizierteste Maßnahme innerhalb der Europäischen Bankenunion dar. Denn dabei handelt es sich nicht nur um eine umfassende Zentralisierung der Kompetenzen, sondern vielmehr um die Schaffung eines harmonisierten Bankenabwicklungsrechts. Durch die vereinheitlichte Praxis soll das Vertrauen in den Finanzmarkt gestärkt werden.²⁹⁹ In sachlicher Hinsicht werden vom SRM diejenigen Institute³⁰⁰ erfasst, die unter die SSMR fallen und damit nur diejenigen Institute mit Sitz in Mitgliedstaaten der Eurozone sowie etwaigen Nicht-Euro-Staaten, die für eine enge Zusammenarbeit mit der EZB nach Art. 7 SSMR optieren. Institutionell besteht der SRM aus einem neu errichteten europäischen Abwicklungsgremium bzw. dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board – SRB) mit Sitz in Brüssel sowie dem von ihm verwalteten Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF), dem Rat, der Kommission und den nationalen Abwicklungsbehörden.³⁰¹ Den Kern bildet sicherlich der SRB, eine unabhängige Agentur der Union, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und im Allgemeininteresse handelt.³⁰² Der SRB trägt die Gesamtverantwortung für das Funktionieren des SRM, leitet die Abwicklung und überwacht die Umsetzung aller beschlossenen Abwicklungsmaßnahmen.³⁰³ Zu diesem Zweck erarbeitet er ein Abwicklungskonzept, das die im Einzelfall zum Einsatz kommenden Abwicklungsmaßnahmen bestimmt und von den nationalen Abwicklungsbehörden umzusetzen ist.³⁰⁴ Zu den Aufgaben des SRB zählen auch die Erarbeitung von Abwicklungsplänen, die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit, die Anordnung von Frühinterventionsmaßnahmen, die Festlegung der MREL, die Herabschreibung oder Umwandlung
Regelung trifft, bleibt das nationale Recht anwendbar. Dies betrifft u. a. die Sanierungsplanung, die gar nicht in der SRMR geregelt wird. Solange keine Vergemeinschaftung im Bereich der Einlagensicherung stattgefunden hat. Näher hierzu unter: 1. Abschnitt, B, III.c. Vgl. ErwGr. 3 SRMR. Nach der SRMR gelten als solche Institute nur die CRR-Kreditinstitute gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR; der Anwendungsbereich der BRRD erstreckt sich aber auch auf die CRR-Wertpapierfirmen mit einem Anfangskapital i.H.v. mind. 730.000 EUR. Vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a-e BRRD i.V.m. Art. 2 lit. a-c SRMR. Vgl. Art. 1 Abs. 2 S. 1 SRMR. Nach dem BVerfG stellt der SRB eine „unabhängige Regulierungsbehörde“ dar. Vgl. BVerfG, 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Urteil des Zweiten Senats v. 30. Juli 2019 (Bankenunion), Rn. 253. Vgl. Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 57 Abs. 1 SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 1 und 2 SRMR. Vgl. Art. 18 Abs. 6 SRMR.
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von relevanten Kapitalinstrumenten usw.³⁰⁵ Der SRB setzt sich aus einem Vorsitzenden und vier weiteren Vollzeitmitgliedern zusammen,³⁰⁶ die von der Kommission vorgeschlagen und durch das Parlament bestätigt werden.³⁰⁷ Diese Mitglieder bilden das SRB-Präsidium,³⁰⁸ welches grundsätzlich für die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen zuständig ist.³⁰⁹ Neben dem Vorsitzenden und den vier weiteren Vollzeitmitgliedern besteht der SRB aus jeweils einem von jedem teilnehmenden Mitgliedstaat benannten Mitglied und je einem ständigen Beobachter von Kommission und EZB.³¹⁰ Alle SRB-Mitglieder tagen im Plenum mindestens zweimal jährlich, um die Grundlinien seiner Arbeit festzulegen.³¹¹ Da keine expliziten Normen im Primärrecht für die Errichtung einer eigenständigen, europäischen Abwicklungsbehörde mit umfassenden Vollzugskompetenzen vorgesehen sind, machte der Unionsgesetzgeber von der Harmonisierungs- bzw. Binnenmarktkompetenz des Art. 114 Abs. 1 AEUV³¹² Gebrauch.³¹³ Dies
S. aufgelistete Aufgaben in Art. 7 Abs. 3 lit. a-f SRMR. Vgl. Art. 43 Abs. 1 SRMR. Vgl. Art. 56 SRMR. Vgl. Art. 53 Abs. 1 SRMR. Davon sind Ausnahmen vorgesehen. So muss z. B. der SRB die Abwicklungsmaßnahmen im Rahmen seiner Plenarsitzung entscheiden, wenn die Inanspruchnahme von Mitteln des Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) i.H.v. mehr als 5 Mrd. EUR vorgesehen ist.Vgl. Art. 54 Abs. 1 lit. b, Art. 50 Abs. 1 lit. d SRMR. Vgl. Art. 43 Abs. 1 lit. c, Abs. 3 SRMR. S. ausführlich zu den Aufgaben des Plenums Art. 50 – 51 SRMR. Hierfür verlangt der EuGH, dass der Rechtsakt objektiv und tatsächlich bezweckt, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. S. EuGH, Urteil v. 11. Juni 1991, Rs. C-300/89, Kommission/Rat (Titandioxid), ECLI:EU:C:1991:244, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 5. Oktober 2000, Rs. C-376/98, Deutschland/Europäisches Parlament und Rat, ECLI:EU:C:2000:181, Rn. 84; EuGH, Urteil v. 10. Dezember 2002, Rs. C-491/01, British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco, ECLI:EU:C:2002:741, Rn. 60; EuGH, Urteil v. 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Vereinigtes Königreich/Europäisches Parlament und Rat, ECLI:EU:C:2006:279, Rn. 42. Diese Rechtsgrundlage wurde auch bei der Errichtung des ESRB und der ESA-Behörden (EBA, ESMA, EIOPA) herangezogen. S. zu ESMA: EuGH, Urteil v. 22. Januar 2014 – Rs. C-270/12, Vereinigtes Königreich/Europäisches Parlament und Rat, ECLI:EU:C:2014:18, Rn. 100 ff. Zu den wenigen Stimmen in der Literatur, die eine Vertragsänderung gefordert haben s.: Alexander, European Banking Union – a legal and institutional analysis of the Single Supervisory and the Single Resolution Mechanism, ELR 2015, S. 154, 179 ff.; Sölter, Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung, 2017, S. 150 ff. Für eine ausführliche Untersuchung weiterer möglicher Rechtsgrundlagen für die SRMR, wie die Abrundungskompetenz aus Art. 352 AEUV oder der supranationale Weg eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen den teilnehmenden Staaten (wie im Falle der ESM-Errichtung) siehe: Bauernschmidt, Der einheitliche Bankenabwicklungsmechanismus: Legalität und Legitimation einer neuartigen Konstruktion, in: Bauernschmidt/Fassbender et. al. (Hrsg.), Konstitutionalisie-
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steht im Einklang mit der europäischen Rechtsprechung in Bezug auf die Zuweisung von Ermessenentscheidungen an nachgeordnete supranationale Behörden.³¹⁴ Diese Rechtgrundlage erstreckt sich allerdings nicht auf den SRF. Da dieser ü ber die bloße Harmonisierung des Rechts hinausgeht (ggf. eine nur auf nationaler Ebene zu erhebende Abgabe bzw. eine „Steuer“ i.S.d. Art. 114 Abs. 2 AEUV ist), wurde zu diesem Zwecke ein von allen Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme Großbritanniens und Schwedens – zwischenstaatliches Abkommen (intergovernmental agreement – IGA) am 21. Mai 2014 unterzeichnet.³¹⁵ Es mag in der Tat verwundern, dass die Euro-Staaten³¹⁶ sich in Gestalt eines völkerrechtlichen Vertrages einigen mussten, um die auf nationaler Ebene erhobenen Beiträge auf
rung in Zeiten globaler Krisen, 2015, 347, 353 ff. Die Erforderlichkeit einer Harmonisierung der Abwicklungsvorschriften und der Gründung des SRB zur Beseitigung von Hindernissen im europäischen Binnenmarkt wurde auch durch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 2019 bestätigt; vgl. BVerfG, 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Urteil des Zweiten Senats v. 30. Juli 2019 (Bankenunion), Rn. 246 ff. Der EuGH äußerte sich erstmals 1958 in der Rechtsache Meroni zur Zulässigkeit der Errichtung von mit Vollzugsbefugnissen ausgestatteten Agenturen unter dem Primärrecht. Vgl. EuGH, Rs. 9/56, Urteil v. 13. Juni 1958, Slg. 1958, S. 11 und Rs. 10/56, Urteil v. 13. Juni 1958, Slg. 1958, S. 53. In der Folge entwickelte die europäische Rechtsprechung ausdifferenzierte Anforderungen für Agenturen, die sich heute zusammenfassend als Meroni-Doktrin bezeichnen lassen. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie autonom eine Agentur handeln kann und welche Rückbindung an die primärrechtlich geschaffenen EU-Organe notwendig ist. Der EuGH unterscheidet zwischen den präzise umgrenzten Ausführungsbefugnissen, deren Ausübung einer strengen Kontrolle auf der Grundlage von objektiven Tatbestandsmerkmalen unterliegt, und denjenigen Befugnissen, die nach freiem Ermessen ausgeübt werden und somit nicht auf EU-Agenturen übertragen werden dürfen. Für die jüngere Rechtsprechung s.u.a. EuGH, Urteil v. 22. Januar 2014, Rs. C-270/12 (ESMA), ECLI:EU:C:2014:18, Rn. 41. Ausführlich dazu Craig, EU Administrative Law, 2012, S. 154 ff. Durch die Einbeziehung der Kommission und des Rates ins komplexe institutionelle Gefüge des SRM wird der Meroni-Doktrin Rechung getragen. Übereinkommen 8457/14 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (Intergouvernementales Abkommen – IGA) vom 21. Mai 2014; ratifiziert durch das Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge vom 17.12. 2014, BGBl. 2014 II, S. 1298. Näher dazu Fabbrini, On Banks, Courts and International Law: The Intergovernmental Agreement on the Single Resolution Fund in Context, Maastricht Journal of European and Comparative Law, 21/2014, 444. In Anbetracht der EuGH-Pringle-Rechtsprechung kritisch dazu: Wojcik/Ceysens, Der einheitliche EUBankenabwicklungsmechanismus, EuZW 2014, S. 893, 898. Der Europäische Bankenunion können auch andere Staaten beitreten. Dies war aber bei der Unterzeichnung der Gründungsakte und bislang auch noch nicht der Fall.
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die europäische Ebene (SRF) zu transferieren.³¹⁷ Dies war jedoch auf den fehlenden Konsens der Mitgliedstaaten über eine primärrechtliche Rechtsgrundlage für den SRF sowie über die finanzielle Lastenverteilung zurückzuführen. Neben dem SRB stellt die Errichtung des SRF den zweiten institutionellen Durchbruch dar, der mit der SRMR vollzogen wurde. ³¹⁸ Der SRF ist dem SRM angegliedert³¹⁹ und wird vom SRB verwaltet³²⁰. Mit seiner Gründung werden die nationalen Abwicklungsfonds, wie der Restrukturierungsfonds in Deutschland³²¹ , sofern sie im Rahmen der Bankenunion operieren, abgelöst.³²² Der SRF wird zur Verhinderung weiterer Belastungen der mitgliedsstaatlichen Haushalte grundsätzlich durch Beiträge des Bankensektors gespeist.³²³ Es wird dabei zwischen ex ante erhobenen³²⁴ und außerordentlichen ex post erhobenen³²⁵ Beiträgen differenziert. Die auf den SRF übertragenen Beiträge werden entsprechend der nationalen Herkunft in einzelne Kammern separiert und innerhalb einer Übergangsphase dann die national getrennten finanziellen Ressourcen sukzessive vergemeinschaftet.³²⁶ Der Umfang der dem SRF zur Verfügung stehenden Mittel
Vgl. die Bedenken des BVerfG gegen „die Errichtung von von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 114 Abs. 1 AEUV“, in: BVerfG, 2 BvR 1685/ 14, 2 BvR 2631/14, Urteil des Zweiten Senats v. 30. Juli 2019 (Bankenunion), Rn. 240 ff. Art. 67– 79 SRMR. Art. 67 Abs. 3 SRMR. Art. 75 Abs. 1 SRMR. Der SRB ist gem. Art. 67 Abs. 3 SRMR auch Eigentümer des SRF. Der SRB bedient sich aber des SRF ausschließlich für die Zwecke einer effizienten Anwendung der Abwicklungsinstrumente und Ausübung der Abwicklungsbefugnisse. Vgl. Art. 67 Abs. 2 SRMR. § 3 RStruktFG. Art. 96 SRMR. Dennoch bleiben die nationalen Abwicklungsfinanzierungsmechanismen außerhalb des SRM weiterhin zuständig für die Erhebung und Verwendung eigener Finanzmittel. Art. 60 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 67 Abs. 4 SRMR. Art. S. auch ErwGr. 19 SRMR. Art. 70 SRMR. Art. 71 SRMR. Vgl. Art. 4– 5 des zwischenstaatlichen Übereinkommens. Näher dazu Busch, in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, 281, 301 ff.; Hanten/Hanten, Die neue Bankenabgabe, WM 2017, 649 ff. Die Einzelheiten zu der Erhebung dieser Beiträge werden im zwischenstaatlichen Übereinkommen sowie in einer Reihe von delegierten Rechtsakten der Kommission geregelt: Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds [Df-VO 2015/81]; Delegierte Verordnung (EU) 2017/747 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Kriterien für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge sowie der Umstände und Bedingungen, unter denen die Zahlung außerordentlicher nachträglich erhobener Beiträge teilweise oder ganz aufgeschoben werden kann [im Folgenden „Del-VO 2017/747“]; Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Ok-
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muss bis 2024 mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten zugelassenen Kreditinstitute betragen.³²⁷ Schätzungen des SRB zufolge wird das zu einer maximalen Ausstattung zwischen ca. 60 bis ca. 70 Mrd. EUR führen.³²⁸ Neben der Bankenabgabe kann sich der SRF aber auch von den Märkten refinanzieren.³²⁹ Hinzu kommt noch die Möglichkeit auf öffentliche Finanzierungsfazilitäten zurückzugreifen.³³⁰ Aufgrund der Haushaltsautonomie hängt die Gewährung von öffentlichen Kreditlinien maßgeblich vom Willen der Mitgliedstaaten ab.³³¹
Zuständigkeitsverteilung im SRM Zwar zeichnet sich die auf zwei Ebenen verlaufende Zuständigkeitsverteilung im SRM und im SSM durch eine weitgehende Parallelität aus.³³² So liegt die Entscheidungsbefugnis über die Grundzüge der Abwicklung im Rahmen des SRM nicht mehr bei den nationalen Abwicklungsbehörden, sondern beim SRB in Zusammenarbeit mit der EZB³³³, der Kommission und dem Rat. Die Abwicklung selbst wird aber weiterhin durch die nationalen Abwicklungsbehörden durchgeführt. Dennoch ergeben sich bei genauerer Betrachtung gewisse Unterschiede. Während der EZB im Rahmen des SSM eine primäre Aufsicht eingeräumt wird, die in Einzelfällen an die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden delegiert wird,
tober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen [Del-VO 2015/63]; Delegierte Verordnung (EU) 2016/1434 der Kommission vom 14. Dezember 2015 zur Berichtigung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen [Del-VO 2016/1434]. Vgl. Art. 69 Abs. 1 SRMR. Vgl. Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Renata Alt, Jens Beeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus, BT-Drucks. 19/6772 v. 28. Dezember 2018, S. 1. Vgl. Art. 73 SRMR. Vgl. Art. 74 SRMR. Vgl. Art. 67 Abs. 2 S. 2, Art. 6 Abs. 6 SRMR. Der wichtigste Unterschied in institutioneller Hinsicht zwischen SSM und SRM dürfte darin liegen, dass der SRB als zuständige europäische Behörde an die Stelle der EZB tritt. Vgl. Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 60. Anders als beim SSM werden im Rahmen des SRM der EZB keine direkten Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die Abwicklung oder Sanierung von Kreditinstituten übertragen. Die Vereinbarkeit einer Übertragung von solchen Befugnissen mit dem primärrechtlichen Mandat der EZB nach Art. 127 Abs. 6 AEUV („besondere Aufgaben“) wäre zumindest fraglich gewesen.
B. Rechtliche Rahmenbedingungen
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erfolgt die Abgrenzung im SRM auf Basis einer allgemeinen Residualkompetenz des SRB. Die nationalen Behörden sind für alle Fragen von Abwicklungsplan und Abwicklung zuständig, der SRB kann jedoch jederzeit die Abwicklung vollständig übernehmen.³³⁴ Somit unterscheidet man im Rahmen des SRM zwischen direkter Zuständigkeit des SRB³³⁵ und verbleibender (direkter) Zuständigkeit bei den nationalen Abwicklungsbehörden. Die direkte Zuständigkeit des SRB über ein Institut ist grundsätzlich dann gegeben, wenn das Institut unter die direkte Aufsicht der EZB im Rahmen des SSM fällt,³³⁶ d. h. immer dann, wenn es sich um ein bedeutendes Institut i.S.v. Art. 6 Abs. 4 SSMR handelt.³³⁷ Wenn kein Fall der direkten Zuständigkeit des SRB vorliegt, entscheiden die national zuständigen Abwicklungsbehörden.³³⁸ Somit entwickelt und beschließt der SRB ein Abwicklungskonzept für bedeutende Institute, die direkt von EZB beaufsichtigt werden. Im Gegensatz zum Abwicklungsbeschluss der nationalen Abwicklungsbehörden entfaltet dies keine privatrechtsgestaltende Wirkung. Es ist an die zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden adressiert und verpflichtet sie zur entsprechenden Umsetzung auf Grundlage ihrer nationalen Befugnisse.³³⁹ Daraus folgt, dass der SRB für eine Bail-in-Anordnung, die sich per Definition auf die Privatrechtsverhältnisse auswirkt, auf die nationalen Abwicklungsbehörden angewiesen ist. Für die Erarbeitung von Abwicklungskonzepten in Bezug auf sämtliche Institute, die nicht der direkten Aufsicht durch die EZB unterliegen, bleiben hingegen die nationalen Abwicklungsbehörden zuständig.³⁴⁰ Dabei hat der SRB die kohärente Rechtsanwendung innerhalb der Bankenunion sicherzustellen.³⁴¹ Daraus wird ersichtlich, dass Aufsichts- und Abwicklungsregime sich gegenseitig
Vgl. Art. 7 Abs. 4 lit. b, Abs. 5 SRMR. Es handelt sich um eine Form des gesetzlich geregelten Selbsteintritts. Vgl. Geier, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B. I. Rn. 46. Vgl. Art. 7 Abs. 2 SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a SRMR. Vgl. aber auch Art. 6 Abs. 5 lit. b SSMR. Davon zu trennen ist die Frage, ob bei Zuständigkeit des SRB das bedeutende Institut (für die Zwecke des SSM) nach dem europäischen Bankenabwicklungsrecht abzuwickeln ist. Auch für bedeutende Institute kann eine Abwicklung auf europäischer Ebene abgelehnt werden, sodass sie ins nationale Insolvenzverfahren überleitet werden. Vgl. Art. 18 Abs. 6 i.V.m. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 4 SRMR, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 1, 2 BRRD. Vgl. Art. 29 i.V.m. Art. 18 Abs. 9 SRMR. Es handelt sich somit um eine rechtsverbindliche Maßnahme in Form eines adressatspezifischen Beschlusses nach Art. 288 Abs. 4 AEUV, vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 49. Vgl. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 SRMR. Art. 7 Abs. 4 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SRMR.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
ergänzen.³⁴² Die Einbeziehungskriterien für systemrelevante Banken sind die gleichen wie unter dem SSM. Der SRB ist auch zuständig, wenn die EZB eine weitere Bank wegen ihrer Systemrelevanz von sich aus unter ihre Aufsicht gezogen hat.³⁴³ Hiervon ist allerdings auch eine Ausnahme vorgesehen: Wenn Mittel des SRF zur Abwicklung in Anspruch genommen werden, bleibt der SRB direkt zuständig.³⁴⁴ Der Gleichlauf zwischen SRB-Kompetenzen im Rahmen des SRM und EZBKompetenzen im Rahmen des SSM ist jedoch insofern unterbrochen, dass der SRB bei grenzüberschreitenden Bankengruppen³⁴⁵ oder zwecks kohärenter Rechtsanwendung³⁴⁶ sowie aufgrund einer entsprechenden Aufgabenausdehnung durch einen Mitgliedstaat³⁴⁷ direkt zuständig bleibt, unabhängig davon, ob auch die EZB für diese Institute zuständig ist. Mit anderen Worten: Die direkte Zuständigkeit des SRB beschränkt sicht nicht nur auf die (zurzeit) 117 bedeutenden Institute.³⁴⁸ Dies kann zu einer de facto Ausdehnung des räumlichen Anwendungsbereichs des SRB führen. Daraus lässt sich festhalten, dass die Anwendungsbereiche von SSM und SRM in sachlicher Hinsicht nicht deckungsgleich sind.³⁴⁹ Diese Diskrepanz ist kritisch zu betrachten, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass das Ausmaß der grenzüberschreitenden Tätigkeit eines Instituts bereits in die vorgelagerte aufsichtsrechtliche Beurteilung der Frage einfließt, ob das Institut als als bedeutend nach Art. 6 Abs. 4 SSM einzustufen ist. Möglicherweise lässt sich der weitere Anwendungsbereich mit der Befürchtung begründen, dass die Einheitlichkeit nicht nur bei den bedeutenden Kreditinstituten, sondern bei allen grenzüberschreitenden gefährdet wird, weil verschiedene Verfahren konkurrieren würden und unterschiedliche Insolvenzrechte Anwendung fänden.³⁵⁰
Vgl. ErwGr. 15 – 16 SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 2 SRMR. In der BRRD wird als grenzüberschreitend eine Gruppe bezeichnet, deren einzelne Unternehmen in mehr als einem Mitgliedstaat niedergelassen sind, vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 27 BRRD i.V.m. Art. 7 Abs. 2 lit. b SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 4 lit. b SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 5 SRMR. Sie erstreckt sich auf alle grenzüberschreitenden Bankengruppen in der Bankenunion sowie auf alle ihm zugewiesenen Institute. Zur Deckungsgleichheit und dieser Ausnahme Busch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.) European Banking Union, 2015, S. 281, 284; Moloney, European Banking Union – assessing its risks and resilience, CMLR 2014, S. 1609, 1639. Dafür spricht auch die Tatsache, dass laut EuGH-Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 der EUInsolvenz-VO keine einheitliche Abwicklung der Gruppe gewährleistet wird. Vgl. EuGH, Urt. v.
B. Rechtliche Rahmenbedingungen
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c) (Un‐)einheitliche Einlagensicherung Im Gegensatz zum SSM und SRM, die in den Jahren 2014 bzw. 2016 zustande gekommen sind, ist bislang noch keine politische Einigung über die dritte Säule der Bankenunion und mit der Bankenabwicklung zusammenhängende europäische Einlagensicherung erzielt worden.³⁵¹ Im November 2015 legte die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag für die Schaffung eines europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance Scheme – EDIS) vor,³⁵² das sich schrittweise von einem Rück- über ein Mitversicherungssystem hin zu einem vollständigen Versicherungssystem entwickeln solle.³⁵³ Diesem Vorschlag der Kommission lagen zwei Hauptannahmen zugrunde: Mitgliedsstaatliche Einlagensicherungssysteme seien anfällig(er) für regionale Schocks und mitgliedstaatliche Haushalte seien stärker den vom heimischen Bankensektor ausgehenden Risiken ausgesetzt. Daher würde eine Zentralisierung der Einlagensicherungssysteme im Rahmen der Bankenunion³⁵⁴ zum einen zur Stärkung des Vertrauens der Einleger – unabhängig vom Mitgliedstaat, in dem ihre Bank niedergelassen ist – führen. Zum anderen würde dies einen erheblichen Beitrag zur teilweisen Auflösung des Staaten-Banken-Nexus innerhalb der Bankenunion leisten. Dennoch scheiterten die Pläne der Kommission für eine vollständig vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung an der Skepsis bzw. an dem Widerstand einiger Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschlands³⁵⁵, die
2. Mai 2006 – Rs. C-341/04 (Eurofood IFSC Ltd.), ECLI:EU:C:2006:281, Rn. 38; Paulus, Europäische Insolvenzverordnung: EuInsVO – Kommentar, 2013, Art. 3 Rn. 19 f., 22, 30 f. Kritisch dazu: Gros/Schoenmaker, European Deposit Insurance and Resolution in the Banking Union, JCMS 2014, 529; Colaert, Deposit Guarantee Schemes in Europe: Is the Banking Union in need of a third pillar? SSRN Research Paper, 2015. Ausführlich zu der Problematik: Arnaboldi, Deposit guarantee schemes: a European perspective, 2014; Huertas, Completing the Banking Union, SAFE White Paper 2019, S. 2 ff.; Eurofi Secretariat, The Protection of Deposits in the EU: Pros and Cons and a possible way forward, v. April 2020, S. 1 ff. Zu den Parallelen mit der USamerikanischen Federal Deposit Insurance Company (FDIC) s. Aizenman, US Banking over two centuries: Lessons for the Eurozone crisis, in: Beck (Hrsg.) Banking Union, 2012, S. 129 f. Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems, COM(2015) 586 final, 2015/0270 (COD), v. 24. November 2015 [im Folgenden „EDIS-VO-E“]. Vgl. 2 Abs. 2 EDIS-VO-E. Nämlich in den Eurostaaten sowie in den Staaten, die in den SSM optieren.Vgl. 4 Abs. 2 EDISVO-E. Siehe aktuelle Position der Bundesregierung in: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Florian Toncar, Christian Dürr, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Deutscher Bundestag, Drucksache 19/9583, v. 8. Mai 2019: „Die
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Haftungsrisiken für ihre eigenen Einlagensicherungssysteme fürchten und die Erfüllung einer Reihe von Vorbedingungen, wie die Reduzierung von notleidenden Krediten in den Bilanzen der südeuropäischen Banken auf ein akzeptables Niveau, den Ausbau von berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, fordern. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Kommission im Oktober 2017 einen im Vergleich zum ursprünglichen Verordnungsvorschlag leicht modifizierten Ansatz zur Ausgestaltung eines EDIS.³⁵⁶ Demnach könnte sich EDIS in einer ersten Phase der „Rückversicherung“ lediglich auf eine schrittweise ansteigende Liquiditätshilfe auf Kreditbasis beschränken.³⁵⁷ In einer zweiten Phase der „Mitversicherung“ könnte EDIS erst nach Erfüllung bestimmter Vorbedingungen graduell ansteigend auch Verluste übernehmen.³⁵⁸ Darüber hinaus sollen parallel zur Einführung eines EDIS die nationalen Einlagensicherungssysteme über Anpassungen an der bestehenden Einlagensicherungsrichtlinie (DGSD) noch weiter harmonisiert werden. Dabei hielt die Kommission an ihrem Kurs für eine letzte Etappe der Vollversicherung fest.³⁵⁹ Am 3. Dezember 2018 vereinbarte die Eurogruppe eine sogenannte hochrangige Arbeitsgruppe (High Level Working Group – HLWG) zu den politischen Verhandlungen der Einführung einer europäischen Einlagensicherung einzusetzen. Ein Jahr später veröffentlichte die HLWG eine Roadmap mit Eckpunkten zu den politischen Verhandlungen über die Ausgestaltung von EDIS.³⁶⁰ Zurzeit liegen die Gespräche über die Komissionsvorschläge aufgrund des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie auf Eis. Der infolge der massiven Einschränkungen sowie der beschlossenen Moratorien im Darlehensrecht zuerwartende dramatische Anstieg des Volumens an notleidende Kredite (NPL) in den Bankbilanzen in ganz Europa, dürfte eine weitere Hürde im Wege der Pläne der
Position der Bundesregierung zu einer gemeinsamen europäischen Einlagenversicherung (EDIS) ist unverändert: Politische Verhandlungen über EDIS können erst nach einer substantiellen, weitergehenden Reduktion der bestehenden Risiken und Fehlanreize beginnen […]. Es bedarf insbesondere eines Abbaus vorhandener und der Vermeidung zukünftiger notleidender Kredite und des Aufbaus hinreichender Verlustpuffer bei Banken sowie einer angemessenen regulatorischen Behandlung von Staatsanleihen.“ Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Vollendung der Bankenunion, COM(2017) 592 final, v. 11. Oktober 2017. Id., S. 11. Id., S. 12. Id., S. 10. Vgl. HLWG, Letter by the High-Level Working Group on a European Deposit Insurance Scheme (EDIS) Chair to the President of the Eurogroup, Further strengthening the Banking Union, including EDIS: A roadmap for political negotiations, v. 3. Dezember 2019.
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Kommission für eine Zentralisierung der Einlagensicherung darstellen. Auf der anderen Seite ist nicht auszuschließen, dass eine derartige Situation wie ein Katalysator für weitere Integrationsmaßnahmen im europäischen Bankensektor wirken würde.³⁶¹
IV. Der neue Ansatz: Bail-in Die Einführung hoheitlicher Befugnisse, zur zwingenden Beteiligung der Anteilseigner und Gläubiger an den Verlusten ihrer Bank, stellt zweifelsohne ein bankaufsichtsrechtliches Novum dar.³⁶² Der neue Ansatz fungiert als ein weiterer Mechanismus zur Haftungsverwirklichung und Lastenverteilung, der in einer insolvenznahen Situation für die Bank in Einsatz kommt. Als solcher entfaltet er in zweierlei Hinsicht eine gestaltende Wirkung, für die Verlustbeteiligung des privaten Sektors: Zum einen bestimmt er das Verhältnis zwischen der Beteiligung des privaten Sektors und der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel; zum anderen legt er mittels einer vorgegebenen Reihenfolge den Haftungsumfang der jeweiligen Gläubigerklassen fest. Als lex specialis verdrängt er in der Regel die parallel weiterhin bestehenden Mechanismen zur Haftungsverwirklichung und Lastenverteilung – das reguläre Insolvenzrecht und das EU-Beihilferecht. Er ist nach Effizienzgesichtspunkten ausgerichtet und soll bei alleiniger Anwendung im Grundsatz einem in Schieflage geratenen Institut die Möglichkeit zur Rekapitalisierung eröffnen, ohne dass öffentliche Gelder in Anspruch genommen werden, ohne dass dieses Institut aufgespalten werden muss und ohne dass ein privater Dritter hinzutritt. Stricto sensu stellt das Bail-in-Instrument eine bilanzielle Restrukturierungsmaßnahme dar. Es handelt sich um einen hoheitlichen Eingriff in die Passivseite des Instituts, der eine bilanzielle Entlastung durch einen Haircut auf die
So wird in den letzten Monaten zur Vermeidung einer „Lähmung“ großer Teile der europäischen Wirtschaft intensiv über die Errichtung einer europäischen Bad Bank diskutiert, die sämtliche toxische Aktiva übernehmen würde.Vgl. Arnold/Espinosa, ECB pushes for eurozone bad bank to clean up soured loans, Financial Times v. 19. April 2020. Vgl. u. a. Binder, Systemkrisenbewältigung durch Bankenabwicklung?, ZBB 2017, S. 57, 64; Thole, Bankenabwicklung nach dem SAG, ZBB 2016, S. 57 f., 61. Zur Zielsetzung s. ErwGr. 67 BRRD: „Ein wirksames Abwicklungsregelwerk […] sollte sicherstellen, dass systemrelevante Institute ohne Gefä hrdung der Finanzstabilitä t abgewickelt werden kö nnen. Das Bail-in-Instrument dient eben diesem Ziel, indem es sicherstellt, dass die Anteilseigner und Glä ubiger des ausfallenden Instituts Verluste in angemessenem Umfang tragen […]“.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Verbindlichkeiten oder deren Umwandlung in Eigenkapital herbeiführt.³⁶³ Im europäischen Bankenabwicklungsregime wird das Bail-in-Instrument als ein Mechanismus zur Abschreibung (write-off) und Umwandlung (conversion) von Verbindlichkeiten eines abzuwickelnden Instituts durch die Abwicklungsbehörden definiert.³⁶⁴ Demnach sind die Abwicklungsbehörden dazu befugt, Forderungen gegen das in Abwicklung befindliche Institut (teilweise oder vollständig) herabzusetzen oder in Eigenkapital umzuwandeln.³⁶⁵ Da es sich um hoheitliche Befugnisse handelt, kommt es auch nicht auf die Zustimmung der betroffenen Gläubiger an. Daher sollte das Bail-in-Instrument nicht mit privatrechtlichen Mechanismen verwechselt werden, die ebenfalls eine Herabschreibung oder Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital vorsehen. Prominentestes Beispiel hierfür sind die umgekehrten Wandelschuldverschreibungen (Contingent Convertibles – CoCos), die eine große Ähnlichkeit zum Bail-inMechanismus aufweisen. Die Grundidee ist dieselbe: Gläubiger des Kreditinstituts sollen an der Restrukturierung beteiligt werden, indem ihre Forderungen gegen die Gesellschaft herabgeschrieben werden oder es zu einer Wandlung von Fremdin Eigenkapital kommt. Der wesentliche Unterschied besteht, wie bereits angedeutet, in der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse, wodurch das Bail-in-Instrument zum Einsatz kommt. Demgegenüber zeichnen sich CoCo-Bonds durch die automatische Wandlung bei Eintritt des vertraglich festgelegten Trigger-events ohne Eingreifen Dritter aus. Daraus resultieren weitere Unterschiede, die die Ausgestaltung des Wandlungsmechanismus oder den Adressatenkreis betreffen. Während grundsätzlich alle Verbindlichkeiten des Instituts, sofern nicht per se ausgenommen, einem Bail-in unterworfen werden können, sind CoCos nachrangige Anleihen, die mit einer Klausel zur Wandlung in Eigenkapital unter bestimmten Bedingungen versehen sind. Zudem können CoCo-Bonds, im Gegensatz
Die bilanzielle Entlastung ist das Ergebnis der Verringerung von Schulden. Vgl. u. a. Bliesener, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), The Bank Recovery and Resolution Directive, 2013, S. 189, 198; Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, S. 91, 106 ff. Dieser Untersuchung liegt jedoch ein weites Verständnis des Bail-in-Instruments zugrunde, das über die bilanzielle Restrukturierung eines in Schieflage geratenen Instituts hinausgeht. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 57 BRRD bzw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 SRMR. Demgegenüber enthält das deutsche Umsetzungsgesetz keine Legaldefinition; s. § 90 SAG. Vgl. 63 Abs. 1 lit. e-f BRRD. Die Abwicklungsbehörden sind mit einem breiten Spektrum an Befugnissen ausgerüstet, um die von ihnen bevorzugte Abwicklungsstrategie im Einzelfall umsetzen zu können. Sie können Eigenkapital herabschreiben oder zwangsweise an die in den Bailin einbezogenen Gläubiger übertragen, Verbindlichkeiten (ganz oder teilweise) herabschreiben oder in Eigenkapital umwandeln, deren Laufzeit und ihren Coupon (Betrag und Fälligkeit) verlängern oder verändern sowie auch Verbindlichkeiten kündigen und Finanz- und Derivatkontrakte beenden.
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zu dem Bail-in-Instrument, auch bei der Abwicklung von nicht-systemrelevanten Instituten eigesetzt werden.³⁶⁶
a) Abwicklungsziele und -grundsätze Sowohl in der SRMR als auch in der BRRD ist ein Katalog von Abwicklungszielen (und -grundsätzen) normiert, die bei der Anordnung eines Bail-in sowie anderer Abwicklungsmaßnahmen zu beachten sind.³⁶⁷ Sollten die einzelnen Ziele im Einzelfall zueinander in Konflikt treten, obliegt es der Abwicklungsbehörde eine angemessene Gewichtung vorzunehmen. Die Abwicklungsziele sind zwar gleichrangig, ihnen kommt jedoch je nach Fallgestaltung unterschiedliche Bedeutung zu.³⁶⁸ Dies ist im Hinblick auf die bisherige Abwicklungspraxis einer der zentralen Kritikpunkte gegen das neue europäische Bankenabwicklungsregime. Zunächst muss die Kontinuität kritischer Funktionen des abzuwickelnden Instituts sichergestellt werden.³⁶⁹ Unter kritischen Funktionen sind Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte eines Instituts zu verstehen, deren Einstellung zu einer Störung der Realwirtschaft oder der Finanzmarktstabilität in einem Mitgliedsstaat oder europaweit führen würde.³⁷⁰ Dieses Abwicklungsziel stellt einen der wichtigsten Faktoren für die Beurteilung der Frage dar, ob der Einsatz des Bailin-Instruments im öffentlichen Interesse liegt. Das zweite Ziel der Abwicklung nach dem europäischen Bankenabwicklungsregime besteht in der Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, insbesondere durch die Verhinderung von Ansteckungsef-
Vgl. Cahn/Kenadjian, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, S. 222 f. Bei den Abwicklungszielen ist keine Präzisierungsermächtigung für Leitlinien und delegierten Rechtsakten durch die EBA – wie bei den Voraussetzungen nach Art. 32 BRRD – vorgesehen. Solche lassen sich jedoch aus dem internationalen Soft Law und insbesondere die FSBGuidance herleiten. Vgl. Schillig, Bank Resolutions in Europe – Part II: Resolution Tools and Powers, EBLR 2014, S. 67; näher dazu Binder, in: Binder/Singh (Hrsg.), Bank Resolution: The European Regime, 2016, Rn. 2.26 – 2.37. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. a SRMR bzw. Art. 31 Abs. 2 lit. a BRRD. Die betreffende Funktion muss nicht für das Institut selbst kritisch sein, sondern für die „Bürger, Unternehmen und Gesamtwirtschaft“, sodass die Liquidation im Rahmen eines Insolvenzverfahrens keine Alternative darstellen kann. Vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board in its Executive Session of 23 June 2017 „concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare do Vicenza S.p.A. (the „Institution“), addressed to Banca d’Italia in its capacity as National Resolution Authority“, S. 12.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
fekten.³⁷¹ Wie bereits ausgeführt verbreiten sich systemische Risiken über direkte (Vertragsbeziehung, Zugehörigkeit zum gleichen Institutssicherungssystem) indirekte (wegen der Erwartungshomogenisierung³⁷², fire sales) sowie geldpolitische Ansteckungskanäle. Im Rahmen der Bankenunion berücksichtigt der SRB bei der Beurteilung möglicher Gefahren auf die Finanzstabilität folgende Faktoren:³⁷³ Die Größe des Instituts, insbesondere im Hinblick auf seine Aktiva und seinen Marktanteil; die Einstufung des Instituts als anderweitig systemrelevant (other systemically important institution – O-SII) durch die zuständigen Aufsichtsbehörden; die Verflechtungen mit anderen Instituten sowie die Substituierbarkeit seiner Tätigkeiten. Drittens muss der Schutz öffentlicher Mittel bezweckt werden.³⁷⁴ Dies soll insbesondere durch die Vermeidung der Inanspruchnahme bzw. einer geringeren Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Mittel erfolgen. Die zweite Variante, nämlich eines begrenzten Einsatzes von Steuergeldern, soll grundsätzlich der Abwicklung systemrelevanter Institute vorbehalten bleiben. Erforderlich ist viertens der Schutz, der von der Einlagensicherung geschützten Einleger und von der Anlegerentschädigung geschützten Anleger.³⁷⁵ Dadurch sollen erhebliche negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft verhindert werden. Hierunter fällt auch der Schutz der Leistungsfähigkeit von Einlagensicherungssystemen. Der Schutz von Geldern und Vermögenswerten der Kunden des insolventen Instituts stellt das fünfte Abwicklungsziel dar.³⁷⁶ Der Kundenbegriff bleibt im europäischen Bankenabwicklungsregime undefiniert und ist auslegungsbedürftig.³⁷⁷ Aus diesen Abwicklungszielen lassen sich die Abwicklungsgrundsätze ableiten, die in Art. 15 SRMR und Art. 34 BRRD niedergelegt sind: ‒ Vorrangige Verlusttragung durch Anteilseigner³⁷⁸ und darauffolgende Verlusttragung durch Gläubiger.³⁷⁹
Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. b SRMR bzw. Art. 31 Abs. 2 lit. b BRRD. S.o. unter: A. II. c. Exemplarisch hierfür: SRB, Decision of the Single Resolution Board in its Executive Session of 23 June 2017 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A. (the „Institution“), addressed to Banca d’Italia in its capacity as National Resolution Authority, SRB/EES/2017/11, S. 16. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. c SRMR bzw. Art. 31 Abs. 2 lit. c BRRD. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. d SRMR bzw. Art. 31 Abs. 2 lit. d BRRD i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DGSD. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. e SRMR bzw. Art. 31 Abs. 2 lit. e BRRD. Näher dazu unter: 2. Abschnitt, B., I. c. ii. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. a SRMR bzw. Art. 34 Abs. 1 lit. a BRRD.
B. Rechtliche Rahmenbedingungen
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Gleichbehandlung von Gläubigern derselben Klasse.³⁸⁰ Keine Schlechterstellung der Gläubiger verglichen mit einem regulären Insolvenzverfahren (sog. No-Creditor-Worse-Off).³⁸¹ Ersetzung des Leitungsorgans des Instituts sowie Hilfeleistungspflicht zu Lasten der Geschäftsleitung des Instituts im Rahmen der Abwicklung.³⁸² Straf- und zivilrechtliche Haftung natürlicher und juristischer Personen.³⁸³ Absicherung gedeckter Einlagen.³⁸⁴ Beachtung geltender Schutzbestimmungen bei der Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen.³⁸⁵
b) Die Anwendung des Bail-in-Instruments Bei der Auswahl der geeigneten Abwicklungsmaßnahme verfügen die Abwicklungsbehörden über einen weiten Ermessensspielraum. Als solche ist grundsätzlich diejenige anzusehen, die diesich für das Institut erarbeitete Abwicklungsstrategiebestmöglich umsetzt.³⁸⁶ Zur Auswahl stehen vier Abwicklungsmaßnahmen: Das Instrument der Unternehmensveräußerung,³⁸⁷ das Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. b SRMR bzw. Art. 34 Abs. 1 lit. b BRRD. Konkret läuft die Herabschreibung dergestalt ab, dass das harte Kernkapital dauerhaft bis zur Höhe der Verluste und proportional zu diesen auf Null herabgesetzt oder verwässert wird. Die gleiche Prozedur folgt dann hinsichtlich des zusätzlichen Kernkapitals und des Ergänzungskapitals, sofern der erforderliche Betrag durch die Herabschreibung oder Umwandlung der höheren Stufe noch nicht erreicht wurde. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. f SRMR bzw. Art. 34 Abs. 1 lit. f BRRD. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR bzw. Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD. Es wird ein Vergleich zu dem hypothetischen Insolvenzverfahren gezogen. Dazu ausführlich unten unter: 2. Abschnitt, C., I.iii. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. c-d SRMR bzw. Art. 34 Abs. 1 lit. c-d BRRD. Dieser Grundsatz beruht auf der Vermutung, dass die bisherige Geschäftsleitung den Ausfall des Instituts zu verantworten hat. Die Abwicklungsbehörde kann ihn bei jeder Anwendung von Abwicklungsinstrumenten umsetzen. Ihre Entscheidung ist jedoch insofern begründungsbedürftig, als der Ersatz der Geschäftsleitung für die Erreichung der Abwicklungsziele erforderlich ist. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. e SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. e BRRD. S. dazu auch unten E. III. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. h SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. e BRRD. Es ist kein Mehrwert zu der Formulierung des Abwicklungsziels nach Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 lit. d SRMR ersichtlich. S. dazu auch die RL 2014/49/EU. Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. i SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. i BRRD. S. Art. 37 Abs. 4 BRRD bzw. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 SRMR. Vergleichbare Abwicklungsinstrumente mit vergleichbaren Ermessensspielräumen für die FDIC sind im US-amerikanischen Bankenabwicklungsrecht vorgesehen.Vgl. § 210(a)(1)(D), (F), (G), (M), 12 U.S.C § 5390(a)(1)(D), (F), (G), (M) Dodd-Frank Act. Vgl. Art. 38 f. BRRD bzw. Art. 24 SRMR.
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Instrument des Brückeninstituts,³⁸⁸ die Ausgliederung von Vermögenswerten³⁸⁹ sowie das Bail-in-Instrument³⁹⁰. Während das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten nur in Verbindung mit einem anderen Abwicklungsinstrument angewendet werden kann, stehen alle übrigen Abwicklungsinstrumente einzeln oder in Kombination zur Verfügung.³⁹¹ Systematisch lassen sich die vier genannten Abwicklungsinstrumente, je nachdem, ob das in Abwicklung befindliche Institut fortgeführt wird oder nicht, in zwei Kategorien unterteilen: Zum einen die sog. Übertragungsinstrumente, die – wenn auch in jeweils unterschiedlicher Ausgestaltung³⁹² – auf eine Übertragung der wesentlichen und systemsensiblen Geschäftsbereiche und Funktionen abzielen, um diese von den negativen Auswirkungen des Zusammenbruchs des Instituts abzuschirmen; zum anderen das Bail-in-Instrument, solange es darauf gerichtet ist, das abzuwickelnde Institut unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsträgerstruktur zu restrukturieren. Das Bail-in-Instrument kann allein oder im Zusammenhang mit anderen Abwicklungsinstrumenten angewandt werden. Somit ist die konkrete Ausgestaltung des Bail-in-Instruments in der europäischen Abwicklungsordnung flexibel gehalten.³⁹³ Die Wahl zwischen den unterschiedlichen Gestaltungsvarianten bildet den Ausgangspunkt bei der Anwendung des Bail-in-Instruments. Erst im späteren Verlauf setzen sich die Abwicklungsfragen mit Fragen der quantitativen Kalibrierung (einzubeziehende Rechtspositionen, Festlegung der jeweiligen Größenordnungen) auseinander.³⁹⁴ Die ausgewählte Gestaltungsvariante des Bail-in-Instruments schränkt zugleich den Ermessensspielraum der Abwicklungsbehörde entsprechend ein.³⁹⁵ Als eigenständiges Abwicklungsinstrument wird das Bail-in-Instrument zur bilanziellen Restrukturierung des ausfallenden Instituts mit dem Ziel eingesetzt,
Vgl. Art. 40 f. BRRD bzw. Art. 25 SRMR. Vgl. Art. 42 BRRD bzw. Art. 26 SRMR. Vgl. Art. 43 f. BRRD bzw. Art. 27 SRMR. Vgl. Art. 22 Abs. 2 und Abs. 4 SRMR. Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Natur des übernehmenden Rechtsträgers. Dieser kann ein privates Unternehmen (Instrument der Unternehmensveräußerung), ein Brückeninstitut (Instrument des Brückeninstituts) oder eine Vermögensverwaltungsgesellschaft (Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten) sein. Vgl. Bornemann, in: Kokemoor (Hrsg.), Kreditwesengesetz mit CRR, 2017, Rn. 100. Vgl. Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 83, 110. id., 108. Die in den Art. 43 Abs. 2 BRRD und Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 SRMR vorgesehenen Zwecke dienen zugleich als Einschränkung der Einsatzmöglichkeiten eines Bail-in-Instruments.
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um es nachhaltig zu stabilisieren.³⁹⁶ Dabei verbleiben die zu restrukturierenden Verbindlichkeiten beim abzuwickelnden Institut, das am Markt gehalten wird und seine Geschäftstätigkeit fortführt (sog. going concern- ³⁹⁷ bzw. open bank-Bailin ³⁹⁸).³⁹⁹ Diese Gestaltungsvariante einer Bail-in-Anwendung setzt in der Regel voraus, dass die Krise des Instituts nicht grundlegender bzw. struktureller Natur ist, sondern einem außergewöhnlichen Marktereignis geschuldet ist.⁴⁰⁰ Um die Wettbewerbsverzerrungen solcher Eingriffe auf ein Mindestmaß zu begrenzen bzw. deren wettbewerbsverzerrende Wirkung durch den stabilisierenden Effekt auf das Finanzsystem aufzuwiegen, werden höhere Anforderungen an die alleinige Anwendung des Bail-in-Instruments gestellt, die über die Verwirklichung der Abwicklungsziele hinaus, die langfristige Überlebensfähigkeit und die finanzielle Solidität des Instituts wiederherstellen. Die Rekapitalisierung muss ausreichend sein, um die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Zulassungsanforderungen nach CRD/CRR sicherzustellen und das Marktvertrauen in dieses Institut aufrechtzuerhalten.⁴⁰¹ Bei Inanspruchnahme von Mitteln der nationalen Abwicklungsfonds
Vgl. Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a SRMR, Art. 43 Abs. 2 lit. a BRRD. Vgl. Gordon/Ringe, Bank Resolution in the European Banking Union: A Transatlantic Perspective on What it Would Take, Columbia Law and Economics Working Paper Nr. 465, 2014, S. 1352. Vgl. Avgouleas/Goodhart, A critical evaluation of Bail-in as a bank recapitalisation mechanism, 2014, S. 279. Dies lässt sich im Umkehrschluss aus Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b SRMR, Art. 43 Abs. 2 lit. b BRRD herleiten, die bestimmen, dass das Bail-in-Instrument auf Verbindlichkeiten angewandt wird, die übertragen werden. Dies wird als „Sanierungsvariante“ bezeichnet.Vgl. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 955 f.; Engelbach/Friedrich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, S. 662, 666 f. Eine derartige Bail-in-Anwendung fand in Zypern bereits vorm Inkrafttreten der BRRD im Jahre 2013 bei der Bank of Cyprus statt. Auf der Basis von ad-hoc geschaffenen Regelungen wurden 47.5 % aller ungesicherten Einlagen in Eigenkapital des Instituts umgewandelt. Parallel wurde das zweite große Kreditinstitut des Landes, die Laiki Bank, abgewickelt und Teile seines Geschäfts auf die Bank of Cyprus übertragen. Dazu ausführlich: Duve/Wimalasena, BB 2014, 2755, 2758 ff.; Giotaki, The Cypriot „bail-in“ litigation, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law, 2013, S. 485 ff.; Michaelides, in: World Bank Group (Hrsg.), Bank resolution und „bail-in“ in the EU: selected case studies pre and post BRRD, 2016, S. 18, 20 ff.; Phylaktis, in: Castaneda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, 2016, S. 67 f. Vgl. Art. 43 Abs. 2 lit. a BRRD bzw. Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a SRMR. Zu diesem Zweck ist gem. Art. 43 Abs. 3 i.V.m. Art. 51– 52 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 2 und Abs. 16 SRMR die Erstellung eines Reorganisationsplans erforderlich. Die im Reorganisationsplan vorgesehenen Maßnahmen müssen sich gem. Art. 52 Abs. 4 UAbs. 1 BRRD auf realistische Annahmen hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzmarktbedingungen stützen, unter denen das Institut tätig sein wird. Diese Annahmen werden gem. Art. 52 Abs. 4 UAbs. 2 BRRD mit angemessenen sektorweiten Referenz-
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oder des SRF sind die Vorschriften über staatliche Beihilfen nach Art. 107 Abs. 2 AEUV zu beachten.⁴⁰² Alternativ hierzu kann das Bail-in-Instrument in Kombination mit den sog. Übertragungsinstrumenten mit dem Ziel eingesetzt werden, die auf einen neuen Rechtsträger zu übertragenen Verbindlichkeiten in ihrem Nennwert zu reduzieren oder in Eigenkapital umzuwandeln.⁴⁰³ Wenn dies mit dem Ziel erfolgt, das abzuwickelnde Institut unter Aufrechterhaltung seiner systemrelevanten Funktionen zu liquidieren, ist die Rede von einem gone concern- bzw. closed bank-Bailin⁴⁰⁴. Eine Bail-in-Anwendung im Zusammenhang mit dem Instrument des Brückeninstituts zielt vorrangig auf die adäquate Kapitalisierung des aufnehmenden Rechtsträgers ab.⁴⁰⁵ Eine Bail-in-Anwendung in Kombination mit dem Instrument der Unternehmensveräußerung soll hingegen ermöglichen, potenzielle Käufer dadurch anzulocken, dass die bisherigen Gläubiger zur Verlusttragung herangezogen werden.⁴⁰⁶ Auch hier gilt es zu beachten, dass der neue Rechtsträger, der das Bankgeschäft fortführt, den aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen gerecht wird. Dies ist Sinn und Zweck der Umwandlung als Umsetzungsalternative des Bail-in-Instruments. Denn eine bloße Abschreibung von Verbindlichkeiten führt nicht zur Beschaffung von Eigenkapitalinstrumenten. Demgegenüber ist die Kombination des Bail-in-Instruments mit dem Instrument zur Vermögensausgliederung teilweise anders zu bewerten.⁴⁰⁷ Dabei werden die Anteile des abzuwickelnden Instituts auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit dem Ziel übertragen, diese zu liquidieren.⁴⁰⁸ Dennoch handelt es sich
werten verglichen. Zu den Mindestkriterien für einen Reorganisationsplan s. EBA, Final Guidelines on the minimum criteria to be fulfilled by a business reorganisation plan, v. 19. Mai 2016. Vgl. Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 SRMR i.V.m. ErwGr. 75 SRMR bzw. Art. 43 Abs. 3 BRRD i.V.m. ErwGr. 69 BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b SRMR bzw. Art. 43 Abs. 2 lit. b BRRD. Vgl. Avgouleas/Goodhart, Critical Reflections on Bank Bail-ins, Journal of Financial Regulation 2015, S. 5 f.; Gordon/Ringe, S. 36 f. Kritisch zu der aus den angelsächsischen Rechtsordnungen übernommenen Bezeichnung „closed bank-Bail-in“ ist hingegen Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 110. Diese Gestaltungsvariante des Bailin-Instruments wird auch als „Abwicklungsvariante“ bezeichnet, vgl. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 955 f. S.u.a. Avgouleas/Goodhart, Critical Reflections on Bank Bail-ins, Journal of Financial Regulation 2015, S. 6. Vgl. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 959 f. Vgl. Art. 43 Abs. 2 lit. b BRRD i.V.m. Art. 26 Abs. 2 lit. a SRMR. Dies war der Fall bei der Abwicklung der Heta Asset Resolution AG in Österreich im April 2016: Bereits vor der Umsetzung der BRRD wurde sie in eine privatwirtschaftlich organisierte Abbaueinheit überführt, die aufgrund einer ausdrücklichen Bestimmung (§ 162 Abs. 6 BaSAG)
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bei Vermögensverwaltungsgesellschaften um keine Kreditinstitute, die aufsichtsrechtliche Eigenmittelanforderungen nach der CRR zu erfüllen haben.⁴⁰⁹ Dies bedeutet, dass in der Regel nur eine Abschreibung stattfindet. Eine Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapitalinstrumente kann nur insofern erforderlich sein, als sonstige gesellschaftsrechtliche Vorgaben greifen, die eine ausreichende Kapitalisierung sicherstellen.⁴¹⁰ Insgesamt stellt die Rekapitalisierung eines Instituts mittels Bail-in eine hochkomplexe Aufgabe für die Abwicklungsbehörden dar, die mit teilweise unüberwindbaren Bewertungshindernissen verbunden ist. Ihnen wird insbesondere die schwierige Prognose abverlangt, ob tatsächlich eine schnelle Stabilisierung des Instituts möglich ist und – noch problematischer – welche Kapitalausstattung angesichts der aufgetretenen Verluste erforderlich sein wird, um das Marktvertrauen in dieses Institut wiederherzustellen.⁴¹¹ Die damit einhergehenden Prognoseprobleme dürften schon deshalb komplexer in going concern als in gone concern-Fä llen ausfallen, weil die Gläubiger bei einer hoheitlich veranlassten und durchgeführten Rekapitalisierung, die einen Fortbestand des abzuwickelnden Instituts gewährleistet, länger in Unsicherheit hinsichtlich der Erfolgsaussichten gehalten werden, als bei sofortiger Umwandlung bzw. partieller Abschreibung ihrer Positionen und anschließender Verlagerung auf einen solventen dritten Erwerber bzw. ein Brü ckeninstitut. In Anbetracht dieser praktischen Schwierigkeiten lässt sich nicht vorhersagen, ob sich going-concern-Lö sungen als realistische Strategie etablieren werden. Über die Wahl zwischen den zwei Grundansätzen (going concern und gone concern) hinaus bestehen jedoch – je nach Anwendungsszenario – viele Folgeprobleme. Insbesondere bei Bail-in-Anwendungen auf Bankengruppen nehmen die Zahl der Gestaltungsmö glichkeiten und damit auch die praktischen Schwierigkeiten exponentiell zu. So ergeben sich bedeutende Unterschiede je nachdem, ob das Bail-in-Instrument lediglich bei
unter den persönlichen Anwendungsbereich des österreichischen BRRD-Umsetzungsgesetzes BaSAG fiel; vgl. FMA, Mandatsbescheid Heta Asset Resolution AG v. 1. März 2015, 12 f; FMA, Mandatsbescheid Heta Asset Resolution AG v. 10. April 2016, 8 ff.; Lincoln/Lintner, in: World Bank Group (Hrsg.), Bank resolution and „bail-in“ in the EU: selected cases pre and post BRRD, 2016, 9, 12 f.; Raschauer in: World Bank Group (Hrsg.), Bank resolution and „bail-in“ in the EU: selected cases pre and post BRRD, 2016, S. 15 ff.; Potacs, Anwendung der BRRD auf eine bestehende Abbaueinheit?, EuZW 2017, S. 10. Vgl. Art. 42 Abs. 4 BRRD i.V.m. Art. 26 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a SRMR. Dazu: Avgouleas/Goodhart, Journal of Financial Regulation 2015, 5. Für die Mindesthöhe des Grundkapitals einer AG s. § 7 AktG; für eine GmbH s. § 5 GmbHG. Vgl. Avgouleas/Goodhart, A critical evaluation of Bail-in as a bank recapitalisation mechanism, 2014, S. 278 ff.
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einem Rechtsträ ger (z. B. der Muttergesellschaft) oder bei mehreren Gruppenunternehmen angewendet werden soll.⁴¹²
i) Bail-in-fähige Verbindlichkeiten Vom Grundsatz her beschränkt sich das Bail-in-Instrument nicht auf bestimmte Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts, sondern findet auf alle seine Verbindlichkeiten Anwendung (sog. comprehensive approach).⁴¹³ Das Gegenpostulat zu diesem Ansatz, wonach eine neue Haftungsklasse geschaffen würde, die dem Risiko eines Bail-in ausgesetzt wäre, wurde von der Kommission nicht befürwortet.⁴¹⁴ Dieser sog. targeted approach geht auf die Empfehlungen der von der Kommission eingesetzten Expertengruppe für Strukturreformen im EU-Bankensektor unter dem Vorsitz von Erkki Liikanen zurück.⁴¹⁵ Die Expertengruppe sprach sich für einen eng definierten Anwendungsbereich aus, um die Haftungsrisiken für Gläubiger greifbarer zu machen. Die Kommission sah darin die Gefahr, dass die Gläubigerhaftung vom Grundsatz zur Ausnahme degradiert werden würde. Um den einzelfallspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen, soll es die Möglichkeit von ad hoc Haftungsausschlüssen geben. Ob der Ansatz der Kommission zweckmäßig war, lässt sich zumindest mit Blick auf die weit geschnittenen Ausnahmetatbestände bezweifeln.
ii) Abgrenzung zu sonstigen Abschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen Unabhängig davon, ob es zum Einsatz des Bail-in-Instruments kommt, sind die zuständigen Abwicklungsbehörden gem. Art. 59 Abs. 2, Art. 60 BRRD-II, Art. 21 Abs. 1 SRMR-II zur Abschreibung bzw. Umwandlung von relevanten Kapitalin-
Näher dazu gleich unter: 1. Abschnitt, B., IV. b. iii. Vgl. Art. 44 Abs. 1 BRRD sowie im Umkehrschluss aus Art. 27 Abs. 3, 5 SRMR. Vgl. Europäische Kommission, Accompanying the document Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms and amending Council Directives 77/91/EEC and 82/ 891/EC, Directives 2001/24/EC, 2002/47/EC, 2004/25/EC, 2005/56/EC, 2007/36/EC and 2011/35/EC and Regulation (EU) No 1093/2010, v. 6. Juni 2012 [im Folgenden: „BRRD-Auswirkungsanalyse“], S. 44 ff. sowie DG Internal Market and Services, Technical Details of a Possible EU Framework for Bank Recovery and Resolution, 2011, 87 ff. „Liikanen Report“, High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector – Chaired by Erkki Liikanen, v. 2. Oktober 2012, S. VIII f., 82 f. Vom Ansatz der Expertengruppe inspiriert ist der Vorschlag für ein Maximalvolumen an bail-in-fähige Verbindlichkeiten. Dazu ausführlich: Götz/Krahnen/Tröger, Fünf Jahre nach dem Liikanen-Bericht: Was haben wir gelernt?, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2017, S. 205, 219 ff.
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strumenten sowie berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten⁴¹⁶ befugt, um die wirtschaftliche Schieflage krisengefährdeter Institute abzuwenden bzw. ihre Existenzfähigkeit wiederherzustellen. Als relevante Kapitalinstrumente gelten Kapitalinstrumente, die im Rahmen der Eigenmittelanforderungen als zusätzliches Kapital oder Ergänzungskapital anerkannt sind.⁴¹⁷ Unter berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten sind die Verbindlichkeiten zur Erfüllung der MREL-Anforderung zu verstehen.⁴¹⁸ Daraus folgt, dass die Herabschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnisse eine verkürzte Reichweite im Vergleich zum Bail-in aufweisen. Denn sie umfassen lediglich Instrumente, die als nachrangig und verlustabsorptierend begeben worden sind. Grundlage für die Durchführung der Abschreibung oder Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente ist eine vorherige Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts nach Art. 36 Abs. 1 BRRD-II, Art. 20 Abs. 1 SRMRII.⁴¹⁹ Diese Bewertung dient der Ermittlung des Umfangs der abzuschreibenden relevanten Kapitalinstrumente bzw. berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, um Verluste zu absorbieren sowie des Umfangs der umzuwandelnden relevanten Kapitalinstrumente bzw. berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, um das Institut zu rekapitalisieren. Auf dieser Bewertung beruht auch die Behandlung der Anteilseigner und Gläubiger hinsichtlich der Höhe der Abschreibungs oder Umwandlungssätze ihrer Schuldtitel. Im Übrigen ist bei der Wahrnehmung von Abschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen gegenüber einer Gruppe zu beachten, dass die vom Tochterunternehmen emittierten relevanten Kapitalinstrumente nicht zu einem größeren Umfang abgeschrieben oder umgewandelt werden, als die gleichrangigen Kapitalinstrumente des Mutterunternehmens.⁴²⁰ Auch wenn die Grundidee dieselbe wie beim Bail-in-Instrument ist, wonach die Gläubiger des Instituts zur Verlusttragung herangezogen werden, stellen die Abwicklungs- und Umwandlungsbefugnisse kein echtes Abwicklungsinstrument⁴²¹ dar und sind somit vom Bail-in stricto sensu abzugrenzen. Somit werden Investoren in Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals und des Ergänzungskapitals bereits vor einem bevorstehenden Ausfall und jedenfalls vor der Anwendung der Abwicklungsinstrumente zur Verlusttragung herangezogen. Daher
Die Vorschrift wurde 2019 überarbeitet, sodass auch berücksichtigungsfähige bzw. MRELfähige Verbindlichkeiten den Abwicklungs- und Umwandlungsbefugnissen unterliegen. Vgl. die Legaldefinition in den Art. 3 Abs. 1 Nr. 51 SRMR, Art. 2 Abs. 1 Nr. 74 BRRD. Ausführlich dazu unter: 2. Abschnitt, B., III., b. Vgl. Art. 59 Abs. 10 BRRD-II, Art. 21 Abs. 8 UAbs. 2 SRMR-II. Vgl. Art. 59 Abs. 7 BRRD-II bzw. Art. 21 Abs. 6 SRMR-II. Zur Definition von „echten“ Abwicklungsinstrumenten: Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 i.V.m. Art. 37 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 SRMR.
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sind sie gegenüber den Inhabern von sonstigen bail-in-fähigen Schuldtiteln strukturell nachrangig. Ihnen wird insofern eine Art von „Pufferfunktion“ zugewiesen.⁴²² Daraus folgt, dass die Befugnisse zur Abschreibung bzw. Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente oder berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten einem Abwicklungsverfahren vorgelagert sind.⁴²³ Sie können aber auch zusammen mit⁴²⁴ oder unabhängig von der Anordnung von Abwicklungsinstrumenten wahrgenommen werden.⁴²⁵ Die Abwicklungsbehörden sind zur Ausübung dieser Befugnisse in Bezug auf relevante Kapitalinstrumente verpflichtet: Erstens bei einer Feststellung eines (bevorstehenden) Ausfalls des Instituts (1. Abwicklungsvoraussetzung), sofern dieser nicht durch mildere Mittel abgewendet werden kann (2. Abwicklungsvoraussetzung)⁴²⁶, und zweitens, wenn eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gewährt wird⁴²⁷.⁴²⁸ Dies wird jedoch durch die Ausnahme der Art. 32 Abs. 4 lit. d Nr. iii BRRD, Art. 18 Abs. 4 lit. d Nr. iii SRMR relativiert. Da sie außerhalb des Abwicklungsverfahrens eingesetzt werden, müssen sie auch nicht unbedingt dem öffentlichen Interesse (3. Abwicklungsvoraussetzung) dienen, d. h. sie müssen nicht zur Erreichung der Abwicklungsziele notwendig und verhältnismäßig sein. Demnach sind die Herabschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnisse nicht auf die mit dem Abwicklungsverfahren verbundene öffentliche Zwecksetzung beschränkt. Maßgeblich für ihren Einsatz ist die Frage nach der Überlebensfähigkeit des betroffenen Instituts. Insgesamt sind die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Abschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnisse etwas weniger stringent formuliert. Obwohl sie mit Eingriffen in die Gläubigerrechte einhergehen, unterliegen sie nicht den gleichen prozessualen Schutzbestimmungen für die Gläubigerinteressen wie das Bail-in-Instrument. Daher verwundert es nicht, dass sie in der Abwicklungspraxis dem Bail-in bevorzugt werden. Somit machte der SRB im allerersten und bislang noch einzigen im Rahmen des SRM geleiteten und durchgeführten Abwicklungsverfahren im Falle der Banco Popular Español S.A. von diesen Befugnissen S. auch ErwGr. 81 BRRD. S. Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, 83, 108, der diese „Pufferfunktion“ als möglichen Grund der ungewöhnlichen Systematik zwischen Art. 43 ff. und Art. 59 ff. nennt. Vgl. u. a. Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, 91, 112. Vgl. Art. 59 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 59 Abs. 3 lit. a BRRD bzw. Art. 21 Abs. 1 lit. a SRMR. Vgl. Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 59 Abs. 3 lit. b-e BRRD bzw. Art. 21 Abs. 1 lit. b-e SRMR. Unter diesen „milderen Mitteln“ fallen auch die Maßnahmen zur Abschreibung und Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten. Vgl. Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b-e, Abs. 3, 8 SRMR, Art. 59 Abs. 3 lit. b-e BRRD. Bei ihrer Ausübung sind die in Art. 21 Abs. 10 SRMR festgelegten Grundsätze zu beachten. Vgl. Art. 59 Abs. 4 BRRD.
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Gebrauch. Es handelte sich hierbei um eine kombinierte Herabschreibung und Umwandlung von aufsichtsrechtlichem Eigenkapital mit dem Instrument der Unternehmensveräußerung.⁴²⁹
iii) Gruppenproblematik Bei der Untersuchung haftungsrelevanter Aspekte in Bezug auf Gruppensachverhalte lässt sich folgende Unterscheidung vornehmen:⁴³⁰ Zum einen die materielle Behandlung von Bankengruppen und deren angehörigen Gesellschaften im Rahmen eines Bail-ins und zum anderen die Zuweisung von Kompetenzen für die Bail-in-Anordnung im grenzüberschreitenden Kontext. Beide Themengebiete sind maßgeblich für das „Ob“ und „Wie“ der Haftungswirklichung nach dem Bail-inInstrument.
Konzernübergreifende Bail-in-Anwendung Auf internationaler Ebene wird zwischen zwei grundlegenden Abwicklungsstrategien differenziert. Während nach dem „multiple point of entry“-(MPOE‐)Ansatz die Abwicklung von einer oder mehreren Abwicklungsbehö rden in Bezug auf mehrere gruppenangehöriger Gesellschaften parallel durchgefü hrt wird, wird im Rahmen des „single point of entry“-(SPOE‐)Ansatzes lediglich auf die Mutter- bzw. Bank-Holdinggesellschaft zurückgegriffen.⁴³¹ Letzters eignet sich eher für das USamerikanische sowie das schweizerische zentraliserte Holdingmodell und weist mehrere operationelle Vorteile auf.⁴³² Solche Bankengruppenstrukturen finden sich jedoch in der EU nicht. Deshalb ist auch die Umsetzung einer SPOE-Ab-
Vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board in its executive session of 7 June 2017 concerning the adoption of a resolution scheme in respect of Banco Popular Español, S.A., SRB/ EES/2017/08, Art. 5 f. Vgl. Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 123. Vgl. FDIC/BoE, Resolving Globally Active, Systemically Important, Financial Institutions, 2012, S. 1; FSB, Recovery and Resolution Planning: Making the Key Attributes Requirements Operational, 2012, S. 4. Durch die Konzentration des Abwicklungsverfahrens auf Ebene der Muttergesellschaft kann die Kontinuität der kritischen Funktionen der Tochtergesellschaften gewährleistet werden. Daraus ergeben sich Finanzstabilitätsgewinne; vgl. FDIC, Resolution of Systemically Important Financial Institutions: The Single Point of Entry Strategy, Federal Register, Vol. 78, Nr. 243, v. 18. Dezember 2013, S. 76614 f. Näher dazu Gordon/Ringe, Bank Resolution in the European Banking Union: A Transatlantic Perspective on What it Would Take, Columbia Law Review,Vol. 115(6), S. 1362 ff.
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wicklungsstrategie schwer vorstellbar.⁴³³ Im Rahmen der BRRD sind jedenfalls beide Ansätze möglich.⁴³⁴ Nichtsdestotrotz spricht sowohl die Struktur der europäischen Banken sowie die Systematik der BRRD für rechtsträgerbezogene Abwicklungsstrategien.⁴³⁵ Danach findet das Bail-in-Instrument auf der Ebene einzelner gruppenangehöriger Institute statt. Die damit einhergehende Gefahr einer finanziellen und organisatorischen Auflösung des Konzernverbundes wird durch das Statuieren von Pflichten zum Vorhalten einer ausreichenden Verlustabsorptions- bzw. Rekapitalisierungskapazität auf Einzelunternehmensbasis (sog. internal MREL) erheblich verringert.⁴³⁶
Grenzübergreifende Bail-in-Anwendung Im grenzüberschreitenden Zusammenhang hängt die Haftungsverwirklichung zu Lasten der Anteilseigner und Gläubiger des ausfallenden Instituts im Rahmen des Bail-in-Instruments in erster Linie von der Anerkennung der Rechtsfolgen einer Abschreibung bzw. Umwandlung in den jeweiligen Mitglied- und vor allem Drittstaaten. Versagt die Anerkennung, wird keine Verlusttragung durch private Akteure herbeigeführt. Innerhalb der Bankenunion wenden sowohl der SRB⁴³⁷ sowie die nationalen Abwicklungsbehörden⁴³⁸ bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse in Bezug auf den Beschluss eines Abwicklungskonzepts unmittelbar Unionsrecht an. Zwar erfolgt die Durchsetzung der Rechtsfolgen eines Bail-in nicht immer automatisch, da es sich um einen europäischen Verwaltungsverbund handelt. Allerdings unterliegen die nationalen Abwicklungsbehörden dem Weisungsrecht des SRB.⁴³⁹
Vgl. Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 124; Gordon/Ringe, Bank Resolution in the European Banking Union: A Transatlantic Perspective on What it Would Take, Columbia Law Review, S. 1364. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 42, Art. 33 BRRD-II sowie ErwGr. 32, 80, 100 BRRD; vgl. auch Art. 8 Abs. 10 SRMR sowie ErwGr. 84 SRMR. Vgl. Haentjens/Wessels, Research Handbook on Cross-Border Bank Resolution, 2019, S. 298; Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 36. Vgl. Art. 45 f Abs. 1 BRRD-II, Art. 12 g Abs. 1 SRMR-II; vgl. auch ErwGr. 18 BRRD-II, ErwGr. 20 SRMR-II. Mehr dazu unter: 2. Abschnitt, B., III. b. Vgl. Art. 5 Abs. 2 SRMR. Vgl. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 SRMR; vgl. auch ErwGr. 61 SRMR. Vgl. Art. 29 Abs. 1. S. 2 SRMR.
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Etwas komplexer ist die Situation jedoch auf europäischer Ebene außerhalb der Bankenunion. Aufbauend auf der WupD⁴⁴⁰ normiert die BRRD ein institutionelles Gefüge gegenseitiger Anerkennungspflichten für die EU-Mitgliedsstaaten und konkretisiert dies in Bezug auf die Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse. Danach haben die Mitgliedsstaaten einer Bail-in-Anwendung, die von der zuständigen Abwicklungsbehörde eines Mitgliedsstaates gegenüber einem in Abwicklung befindlichen Institut angeordnet wurde, volle Wirksamkeit zu verleihen.⁴⁴¹ Mit anderen Worten: Die Rechtsfolgen eines Bail-ins sind EU-weit bindend. Problematischer ist jedoch die institutionelle Ausgestaltung der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Gruppenabwicklungskonzepte. Sie sind Gegenstand einer geteilten Zuständigkeit, der für die Gruppenabwicklung zuständigen Behörde und der Abwicklungsbehörden, die für die Tochtergesellschaft zuständig sind, die vom Gruppenabwicklungskonzept betroffen ist.⁴⁴² Zwar initiiert und leitet die Gruppenabwicklungsbehörde das Verfahren, indem sie dem zuständigen Abwicklungskollegium⁴⁴³ den Vorschlag für ein Gruppenabwicklungskonzept unterbreitet.⁴⁴⁴ Die maßgebliche für die Bail-in-Anwendung gemeinsame Entscheidung des Abwicklungskollegiums muss aber von den jeweiligen beteiligten Behörden anerkannt werden.⁴⁴⁵ Bei nicht erzielter Einigung können einzelne Abwicklungsbehörden vom Vorschlag für ein Gruppenabwicklungskonzept abweichen.⁴⁴⁶ Auch wenn es sich um kein echtes Blockadepotenzial handelt, da eine Durchsetzung des Abwicklungskonzepts für die nicht divergierienden Staaten weiterhin möglich bleibt,⁴⁴⁷ droht ein aus heimischen politischen Interessen diktiertes Ausscheiden einzelner Abwicklungsbehörden, die wirksame grenzüberschreitende Durchführung des Bail-in-Instruments zu verhindern.
Zum Verhältnis zwischen BRRD und WupD s.: Supreme Court, Goldman Sachs International (Appellant) v Novo Banco SA (Respondent), Trinity Term [2018] UKSC 34. Ausführlich dazu Dodt, Zum Anwendungsbereich der RL 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, WM 2019, S. 529, 535 ff. Vgl. Art. 66 Abs. 4 BRRD. Vgl. Art. 92 Abs. 3, Art. 91 Abs. 7 BRRD. Beim Abwicklungskollegium handelt sich um kein Entscheidungsgremium, sondern um eine Plattform zur Erleichterung der Entscheidungsfindung; vgl. ErwGr. 98 BRRD. Für seine Mitgliederstruktur vgl. Art. 88 Abs. 2 BRRD. Vgl. Art. 91 Abs. 4 i.V.m. Art. 88 Abs. 5 BRRD. Vgl. 92 Abs. 6 BRRD in Bezug auf die Muttergesellschaft sowie Art. 91 Abs. 10 BRRD in Bezug auf die Tochtergesellschaft. Vgl. 92 Abs. 4 BRRD in Bezug auf die Muttergesellschaft sowie Art. 91 Abs. 8 BRRD in Bezug auf die Tochtergesellschaft. Vgl. Art. 92 Abs. 5, Art. 91 Abs. 9 BRRD.
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Erwartungsgemäß problematischer ist die Durchsetzung der Rechtsfolgen eines Bail-in im Verhältnis zu Drittländern. Zur gegenseitigen Anerkennung sind internationale Übereinkünfte⁴⁴⁸ oder Rahmenkooperationsvereinbarungen der EBA⁴⁴⁹ notwendig. Flankierend treten vertragliche Bail-in-Klauseln hinzu, die entsprechende Maßnahmen aus Drittstaaten anerkennen und dadurch die effektive Ausübung der Bail-in-Befugnisse auch außerhalb der EU gewährleisten.⁴⁵⁰
V. Ergebnis Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass die Verlagerung der Aufsichtskompetenzen auf EU-Ebene sowie das einheitliche Recht für die Bankensanierung und -abwicklung als Reaktion auf die Schwachstellen zu verstehen sind, die sich im Zuge der Finanzkrise bemerkbar gemacht haben.⁴⁵¹ Die Reformen der europäischen Finanzmarktordnung in der Phase zwischen 2009 und 2012, die als Reaktion auf die erste Gestaltungsform der globalen Finanzkrise, nämlich der internationalen Bankenkrise, zu verstehen sind, gingen nicht weit genug. Sie legten den Fokus hauptsächlich auf die Angleichung des materiellen Bankaufsichtsrechts und die Novellierung des Eigenkapitalregimes.⁴⁵² Die eigentliche Entscheidungskompetenz blieb dennoch bei den nationalen Aufsichtsbehörden. Zudem waren die Reformen in dieser Phase auch von außen (s. Basel-III-Standards) angestoßen. Hervorzuheben ist jedenfalls, dass mit dem einheitlichen Bankenabwicklungsrecht erstmals seit den 1990er Jahren wieder ein ganzes neues Teilgebiet des materiellen Bankaufsichtsrechts auf EUEbene ausgebildet wurde.⁴⁵³
Vgl. Art. 93 ff. BRRD. Vgl. Art. 97 Abs. 2 BRRD. Vgl. Art. 55 Abs. 1 BRRD-II. Im Rahmen des EU-Bankenpakets wurde die Vorschrift dahingehend geändert, dass Institute von der Pflicht zur Aufnahme einer solchen Klausel entbunden werden, sofern die Anerkennung des Bail-in „rechtlich oder in sonstiger Weise undurchführbar ist“; vgl. Art. 55 Abs. 2 BRRD-II. Vgl. Ferran, in: Ferran/Moloney/Hill/Coffee, The Regulatory Aftermath of the Global Financial Crisis, 2012, S. 4 ff.; Howarth/Quaglia, The Steep Road to European Banking Union – Constructing the Single Resolution Mechanism, JCMS 52/2014, 125; Alexander, European Banking Union – a legal and institutional analysis of the Single Supervisory and the Single Resolution Mechanism, ELR 2015, S. 154, 159 f. Vgl. Grundmann, ZHR 179, 2015, 563, 586; sowie Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, 2015, S. 174. Vgl. Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 34.
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Demgegenüber stellt die Errichtung der Bankenunion sicherlich einen Meileinstein im europäischen Integrationsprozess dar. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Reformen noch ausstehen und Kernprobleme, wie das angesprochene home bias Phänomen, bislang nicht hinreichend adressiert wurden. Insgesamt beschränken sich die bislang erzielten Fortschritte im größten Teil auf den einheitlichen Aufsichtsmechanismus. Weniger positiv fällt das vorläufige Urteil über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus aus, von dessen Anwendung und insbesondere vom Bail-in-Instrument im Einzelfall zugunsten beihilfenrechtlicher Vorgaben ausgewichen wird, die weniger streng mit Blick auf die Lastenverteilung sind. Rund sieben Jahre nach seinem Inkrafttreten erfuhr 2019 das Aufsichts- und Abwicklungsregime für Banken in der EU sowie in der Bankenunion mit der Verabschiedung des „EU-Bankenpakets“ seine erste umfassende Reform.⁴⁵⁴ Mit dem EU-Bankenpaket wurden die vier wichtigsten europäischen Rechtsakte im Bereich der Eigenmittelaustattung und Bankenabwicklung überarbeitet: Die SRMR-II⁴⁵⁵, die BRRD-II⁴⁵⁶, die Eigenkapitalverordnung (Capital Requirements Regulation – CRR-II)⁴⁵⁷ und die Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive – CRD-V)⁴⁵⁸. Eine Bewertung der Folgen dieser Reform für das Bail-in-
Damit wurden hauptsächlich drei Ziele verfolgt: Die Umsetzung von verbleibenden Elementen aus dem ersten Basel-III-Paket von 2010, die Umsetzung von Risikoreduzierungsmaßnahmen im Rahmen der Bankenunion und die Ausweitung der Verhältnismäßigkeit in der Bankenregulierung mit Blick auf kleine, nicht komplexe Institute. Näher dazu: Wellerdt, Auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion – Vorschlag eines Legislativpakets zur Reform des Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte, EuZW, 2017, 172. Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, L 150/226 [SRMR-II]. Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG, L 150/296 [BRRD-II]. Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Meldeund Offenlegungspflichten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, L 150/1 [CRR-II]. Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen, L 150/253 [CRD-V].
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Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen
Instrument und die Gläubigerhaftung wird insbesondere mit Blick auf die überarbeiteten Anforderungen zur Verlustabsorptionskapazität erfolgen. Erwachsen aus den schmerzlichen Erfahrungen der vergangenen Finanzmarktkrise und mit dem Auftrag eine gerechtere Haftungsordnung im Finanzsystem herzustellen, stellt der Bail-in-Ansatz eines der wichtigsten Produkte der Reformbestrebungen in der Bankenregulierung auf internationaler und europäischer Ebene dar. Im europäischen Kontext tritt er, neben dem nationalen Insolvenzrecht der Mitgliedsstaaten und dem europäischen Beihilferahmen, als ein weiterer Mechanismus zur hoheitlich angeordneten Haftungswirklichung. Dabei wird der Grundsatz verfolgt, dass alle Passiva einer Bank dem Bail-in-instrument unterliegen, wobei er durch die Statuierung einer Reihe von Haftungsausschlüssen verwässert wird. Das Bail-in ist für die insolvenznahe Situation einer Bank konzipiert. Ihm vorgelagert sind privatwirtschaftliche, verlustbeteiligende Instrumente, wie die umgekehrten Wandelschuldverschreibungen (CoCo-Bonds) sowie weitere Befugnisse der Abwicklungsbehörden zur Herabschreibung und Umwandlung von Verbindlichkeiten, die zwar nicht die gleiche Breite von Instrumenten umfassen, aber weniger restriktiven Voraussetzungen unterliegen und daher in der Abwicklungspraxis bislang bevorzugt werden.
Zweiter Abschnitt Der Bail-in-Haftungstatbestand „Discretion, like the hole in a doughnut, does not exist except as an area left open by a surrounding belt of restriction. It is therefore a relative concept. It always makes sense to ask, „Discretion under which standards?“ or „Discretion as to which authority?“¹
Dworkin, Ronald, Taking Rights Seriously, 2013, S. 48.
A. Haftungsvoraussetzungen Die Anwendung des Bail-in-Instruments – wie auch der Übertragungsinstrumente – setzt die Einleitung des Abwicklungsverfahrens gegenüber einem Institut durch die zuständigen Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden voraus. Dafür müssen die in den 18 Abs. 1 SRMR und Art. 32 Abs. 1 BRRD festgelegten Voraussetzungen (sog. Trigger) kumulativ vorliegen:² Das in Abwicklung zu bringende Institut muss ausfallen bzw. wahrscheinlich ausfallen (failing or likely to fail).³ Es kann zweitens bei Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände nicht angenommen werden, dass alternative Maßnahmen der Privatwirtschaft oder der Aufsichtsbehörden den Ausfall abwenden können. Drittens muss das Abwicklungsverfahren im öffentlichen Interesse erforderlich sein. Bei der Entscheidung, ob alle drei Haftungsvoraussetzungen vorliegen, handelt es sich um eine gebundene, rechtsförmige Entscheidung. Bei der Auslegung und Anwendung der einzelnen Tatbestandsmerkmale kommt den Abwicklungsbehörden ein beachtlicher Prognose- und Beurteilungsspielraum zu.⁴ Da keine entwickelte Verwaltungspraxis auf europäischer Ebene vorhanden ist und nicht unmittelbar auf die nationalen Insolvenzrechtordnungen der Mitgliedstaa-
Ausführlich dazu: Armour, Making Bank Resolution Credible ecgi Law Working Paper Nr. 244, 2014, S. 24; Cihák/Nier The Need for Special Resolution Regimes for Financial Institutions, IMF WP/09, 2009, S. 13 f.; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, 2011, S. 7; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus, EuZW 2014, 893, 895; für das englische Bankenabwicklungsrecht s. Davies, Bank resolution in the UK – creating a culture of early intervention, Law and Financial Markets Review 8, 2015, S. 4. Vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. a BRRD bzw. Art. 18 Abs. 1 lit. a SRMR. Diese Voraussetzung lässt sich mit der Bestandsgefährdung i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 SAG vergleichen. Auführlich dazu: Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 83, 93 ff.; Binder, in: Binder/ Singh, Rz. 2.38 – 2.46; Busch, in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2015, Rz. 9.101; Micossi/Bruzzone/Carmassi, The New European Framework for Managing Bank Crises, S. 6 ff.; Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, S. 91, 98 f. Dies gilt insbesondere, wenn die jeweilige Bestimmung eine Prognose für die „nahe Zukunft“ beinhaltet. Näher dazu: Armour, Making Bank Resolution Credible, ecgi Law Working Paper Nr. 244, 2014, S. 24; Moloney, European Banking Union – assessing its risks and resilience, CMLR 2014, S. 1609, 1639 ff..; Dohrn, Der Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, WM 2012, 2033. Auch das Abstellen auf die durch die EBA erarbeiteten Kriterien zur Auslegung der Begriffe „Schuldnerausfall“ und „Zahlungsverzug“ nach Art. 178 CRR-II erweist sich als wenig hilfreich; vgl. EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemä ß Artikel 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013, EBA/GL/2016/07, v. 18. Januar 2017. https://doi.org/10.1515/9783110764437-007
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
ten zur Auslegung des Europarechts zurückgegriffen werden kann⁵, ergibt sich im Einzelfall eine erhebliche Unsicherheit über das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen.⁶
Zuständigkeitsverteilung Im Hinblick auf die Feststellung des Abwicklunsfalls und die Einleitung des Abwicklungsverfahrens liegt die Entscheidungskompetenz nicht immer bei der gleichen Behörde.⁷ Dies ist auf die durch das SRM/BRRD-Rahmenwerk errichtete, multidimensionale Entscheidungsstruktur zurückzuführen, die Quelle für zusätzliche Unsicherheit ist.⁸ Der Ausfall bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls wird primär durch die EZB in Bezug auf „bedeutende“ Institute oder die nationalen Aufsichtsbehörden in Bezug auf die „weniger bedeutenden“ Institute festgestellt.⁹ Der SRB kann jedoch nach Ankündigung und bei dreitägiger Untätigkeit der EZB bzw. der nationalen Aufsichtsbehörden auch selbst darüber entscheiden.¹⁰ Die besondere Stellung der EZB bzw. der nationalen Aufsichtsbehörden bei der Feststellung der ersten Voraussetzung lässt sich vor dem Hintergrund erklären, dass die Beurteilung über das Vorliegen der einschlägigen Anhaltspunkte maßgeblich von den
Allgemein zur selbstständigen Auslegung von europäischem Sekundärrecht s.: EuGH, Rs C-582/ 15, EU:C:2017:37, Rz. 25 – van Vemde; EuGH, Rs C-294/16, EU:C:2016:610, Rz. 35 – J.Z.; EuGH, Rs C108/16, EU:C:2016:346, Rz. 28 – Dworzecki; Rs C-66/08, [2008] Slg. I-6041, Rz. 42 – Kozłowski.Vgl. Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 16. Vgl. Avgouleas/Goodhart, A critical evaluation of Bail-in as a bank recapitalisation mechanism, 2014, S. 270, 278. Kritisch dazu: Pagano, in: Faia/Hackethal/Halliassos/Langenbucher, Financial Regulation, 2015, S. 23 f., 40. Vgl. Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 83, 89 ff.; Binder, in: Binder/Singh, Bank Resolution: The European Regime, 2016, Rz. 2.42; Philippon/ Salord, S. 47. In den USA liegt die entsprechende Kompetenz beim Finanzministerium auf Basis der Empfehlungen von FDIC und dem Board of Governors der FED; vgl. § 203(a)(1)(A), § 12 U.S.C. § 5383(a)(1)(A) Dodd-Frank Act. Vgl. Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 SRMR i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 CRR und Art. 4 Abs. 1, 6 SSM; Art. 32 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 BRRD. In der Literatur wird die Verquickung zur Aufsicht insofern kritisiert, als die Aufsichtsbehörden über Anreize verfügen, die Abwicklung hinauszuschieben, um eigene Fehler zu vertuschen. Ausführlich dazu: Pisani-Ferri/Sapir/Veron/Wolff, What Kind of a European Banking Union, Bruegel Policy Contribution Issue 12, v. Juni 2012, S. 11. Vgl. Art. 18 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 SRMR. Eine entsprechende Vorschrift ist in der BRRD nicht enthalten. Dennoch kann die Befugnis zur Feststellung des Ausfalls auch auf die nationalen Abwicklungsbehörden übertragen werden, die dann in konkurriender Zuständigkeit mit den Aufsichtsbehörden agieren. Vgl. Art. 32 Abs. 2 BRRD.
A. Haftungsvoraussetzungen
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Bewertungen über eingegangene Risiken und einzuhaltende Kapitalanforderungen abhängt, die wiederum primär in der laufenden Aufsicht vorgenommen werden. Man kann nämlich davon ausgehen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde über die notwendigen Informationen verfügt, nicht zuletzt aufgrund der regelmäßigen Banken-Stresstests, die sie durchführt. Nichtsdestotrotz bleibt innerhalb der Bankenunion der SRB mächtigster Akteur und verfügt über die Entscheidungskompetenz für die Feststellung über das Vorliegen der zwei weiteren Abwicklungsvoraussetzungen, nämlich ob eine Rettung dennoch möglich erscheint und ob ein öffentliches Interesse vorliegt.¹¹ Liegen nach Einschätzung der EZB und des SRB die Abwicklungsvoraussetzungen vor, hat der SRB ein Abwicklungskonzept zu erarbeiten und an die Kommission zu übermitteln.¹² Zu beachten ist jedoch, dass bei diesen Fragen die Kommission Einwände im Zusammenspiel mit dem Rat erheben kann.¹³ Dafür ist ein kompliziertes „Vermittlungsverfahren“ zwischen SRB und den beiden politischen Organen vorgesehen.¹⁴ Die Kommission kann Einwände innerhalb von 24 Stunden gegen das Abwicklungskonzept erheben, die dann den SRB zur Überarbeitung seines Konzepts zwingen.¹⁵ Darüber hinaus kann die Kommission auch innerhalb von 12 Stunden dem Rat vorschlagen, gegen das Abwicklungskonzept Einwände aus zwei unterschiedlichen Gründen zu erheben:¹⁶ Zum einen kann der Rat einwenden, dass eine Abwicklung nach dem europäischen Bankenabwicklungsrecht nicht im öffentlichen Interesse liegt und zum anderen kann der Rat Einwände gegen die Inanspruchnahme von Mitteln des SRF erheben. Die Frist hierfür beträgt für den Rat ebenfalls 24 Stunden. Beim Einwand gegen das Vorliegen des öffentlichen Interesses findet keine Abwicklung nach dem Abwicklungsregime statt und das betreffende Institut wird regelmäßig ins nationale Insolvenzverfahren überführt.¹⁷ Bei anderen Einwänden muss der SRB das Abwicklungskonzept innerhalb von acht Stunden unter Berücksichtigung der Einwände überarbeiten.¹⁸ Wird das Konzept hingegen vom Rat und der Kommission gebilligt oder
Vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b-c SRMR-II. Ähnliches gilt für die nationalen Abwicklungsbehörden nach Art. 32 Abs. 1 lit. b-c BRRD-II (außerhalb der Bankenunion). Vgl. Art. 18 Abs. 6 und 7 SRMR. Vgl. Art. 18 Abs. 7 UAbs. 2 SRMR. Vgl. Busch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.) European Banking Union, 2015, S. 326 ff.; Wojcik/ Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus, EuZW 2014, S. 893, 895 f. Vgl. Art. 18 Abs. 7 UAbs. 5 und 7 SRMR. Daher tritt das erarbeitete Abwicklungskonzept nur dann ohne Änderungen in Kraft, wenn keine Einwände seitens der Kommission oder des Rates (auf Vorschlag der Kommission) erhoben worden sind. Vgl. Art. 18 Abs. 7 UAbs. 3 SRMR. Vgl. Art. 18. Abs. 8 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 lit. c SRMR. Vgl. Art. 18. Abs. 7 UAbs. 7 SRMR.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
werden keine fristgerechten Einwände erhoben, weist der SRB die nationalen Abwicklungsbehörden an, das Abwicklungskonzept umzusetzen. Die nationalen Abwicklungsbehörden setzen das Konzept dann nach nationalem Recht¹⁹ und unter Aufsicht des SRB²⁰ um. Dieser komplexe Entscheidungsfindungsprozess eröffnet diverse Möglichkeiten für politische Einflussnahme auf die Feststellung des Abwicklungsfalls und damit die Haftungsverwirklichung nach dem Bail-in-Instrument.²¹ Diese verlaufen sowohl über die Kommission als auch über den Rat. So können beide Unionsorgane den Umfang der Gläubigerhaftung zum Teil mitbestimmen. Dies gelingt zunächst dem Rat durch sein Veto für eine Abwicklung nach dem europäischen Abwicklungsregime, das zum Ausbleiben der Mindestverlustbeteiligung führt oder durch seine Änderungen am Betrag der benötigten Mittel des SRF Fonds²². Letzteres ist u. a. maßgeblich für die Höhe, in der die nach der Herausnahme bestimmter Gläubigerkategorien auf der Grunlage von ad hoc Haftungsausschlüssen verbleibenden Gläubiger zur Verlusttragung herangezogen werden. Für die Entscheidung des Rates wird lediglich eine einfache Mehrheit gefordert.²³ Im Hinblick auf die Intensität der Kontrolle ist die Stellung der Kommission in diesem institutionellen Gefüge noch gehobener. Sie kann unmittelbar den Inhalt des Abwicklungskonzepts und der darin vorgesehenen Bail-inAnwendung abändern bzw. den SRB dazu verpflichten. Hinzutritt ihre übliche beihilferechtliche Bewilligung für jegliche Auszahlungen aus dem SRF nach Art. 67, 76 – 79 SRMR. Im Folgenden werden die drei normierten Trigger für den Einsatz des Bail-inInstruments erörtert.
Vgl. Art. 18. Abs. 9 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 SRMR. Vgl. Art. 29. Abs. 1 SRMR. Vgl. Gegenmeinung von Grundmann, in: Binder/Grundmann/Möslein, HGB, Bankvertragsrecht, 2016, Rn. 63. Es muss sich um „erhebliche Änderungen“ handeln. Als solche gelten Abweichungen von den im Abwicklungskonzept des SRB vorgesehenen Mitteln des SRF von 5 % oder mehr; vgl. ErwGr. 26 SRMR. Vgl. Art. 18 Abs. 7 UAbs. 4 SRMR.
A. Haftungsvoraussetzungen
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I. Ausfall oder drohender Ausfall eines Instituts In welchen Fällen ein Institut von einem Ausfall betroffen oder bedroht ist, wird anhand von vier Indikatoren beurteilt.²⁴ Ein Ausfall ist grundsätzlich gegeben beim Vorliegen der klassischen Insolvenztatbeständen Überschuldung (Nr. 1)²⁵ und Zahlungsunfähigkeit (Nr. 2),²⁶ bei Verstößen bzw. bei unmittelbar bevorstehenden Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen, insbesondere gegen die Eigenmittelanforderungen²⁷ (Nr. 3)²⁸ sowie bei der Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln (Nr. 4)²⁹. Daraus lässt sich ein systematischer Gleichlauf zwischen allgemeinen Insolvenz-³⁰, Bankaufsichts-³¹, Beihilfe-³² und Bankenabwicklungsrecht erkennen. Bei der Interpretation gängiger Begriffe muss dennoch den Besonderheiten des Bankensektors Rechnung getragen werden. Es ist leicht vorstellbar, welche Schwierigkeiten dieses Geflecht von Rechtsgebieten und ökonomischen Zusammenhängen den Abwicklungsbehörden bereiten kann. Diese ergeben sich allein aus dem bloßen Umstand, dass die verwendeten Begriffe nicht speziell auf die Besonderheiten von Bankenkrisen zugeschnitten sind. Zur Konkretisierung der Umstände, unter denen ein Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, hat die EBA bereits Leitlinien erlassen.³³ Diese sollen eine Orientierung bei der Beurteilung der Frage bieten, ob und wann eingegriffen werden soll bzw. eine Abwicklung nach dem SRM/BRRDRahmenwerk erfordelich ist. Dennoch bestehen hierbei weiterhin erhebliche Unklarheiten. Dies ist vor allem zwei Gründen geschuldet: Zum einen sind viele der in den Leitlinien enthaltenen Anhaltspunkte vage formuliert bzw. sie schlie Vgl. Art. 18 Abs. 4 lit. a-d SRMR und Art. 32 Abs. 4 lit. a-d BRRD. Es reicht schon aus, wenn eins dieser Unterkriterien erfüllt ist. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b SRMR. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. c BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. c SRMR. Auf der einen Seite ermöglichen die insolvenzbezogenen Auslöser die Bail-in-Anwendung in einer Phase, in welcher Eigentumsrechte der Anleger kein wesentliches Hindernis darstellen, während sie auf der anderen Seite zu spät eingesetzt werden, um das Institut ökonomisch wiederherzustellen.Vgl. Zhou/ Rutledge/Bossu/Dobler/Jassaud/Moore, From Bail-out to Bail-in: Mandatory Debt Restructuring of Systemic Financial Institutions, IMF Staff Discussion Note, SDN/12/03, v. April 2012, S. 11. Nach Art. 24– 386 CRR. Vgl. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR. Vgl. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d SRMR. Vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO. Vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 3 – 8 KWG. Vgl. Art. 107 Abs. 2 AEUV. Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6. August 2015.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
ßen einen Beurteilungsspielraum ein, der nicht nur im institutsspezifischen Kontext (Geschäftsmodell, Organisationsstruktur usw.) sondern auch mit Blick auf die Marktgegebenheiten im Einzelfall ausgefüllt werden kann.³⁴ Zum anderen wird der weite Beurteilungsspielraum, worüber die zuständigen Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden im Rahmen der Feststellung über den (drohenden) Ausfall eines Instituts verfügen, durch die in den Leitlinien vorgesehenen objektiven Anhaltspunkte nicht zwingend eingeschränkt.³⁵ Es handelt sich um widerlegbare Anhaltspunkte, sodass trotz ihrem Vorliegen im Einzelfall ein Ausfall verneint werden kann. Mit anderen Worten soll der Ausfall nicht allein aus dem Vorliegen eines der in den Leitlinien enthaltenen Anhaltspunkte automatisch abgeleitet werden, sondern das Ergebnis eines sachverständigen Urteils sein.³⁶
a) Überschuldung Ein Institut gilt als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend, wenn seine Vermögenswerte die Höhe seiner Verbindlichkeiten unterschreiten oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.³⁷ Dies entspricht zum Teil dem Überschuldungstatbestand nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO.³⁸
S. Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 27. Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6. August 2015, Rn. 3. Id., Rn. 11. Vgl. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b SRMR.Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6. August 2015, Rn. 15 – 18. Für Deutschland s. § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG. Vgl. § 16 InsO. Der Überschuldungstatbestand des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO wurde durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) von 2008 geändert. Er ist erfüllt, wenn eine rechnerische Überschuldung sowie eine negative Fortführungsprognose kumulativ vorliegen. Eine positive Fortführungsprognose stellt keine bloße Bewertungsprämisse mehr dar, sondern ein Tatbestandsmerkmal, bei dessen Vorliegen eine Überschuldung ausgeschlossen ist. Vor diesem Hintergrund entspricht die Voraussetzung nach Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b SRMR der rechnerischen Überschuldung im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 1 InsO. Ausführlich zu der beschränkten Aussagekraft einer bilanziellen Überschuldung sowie allgemein zu der Notwendigkeit eines Überschuldungstatbestands im Insolvenzrecht: Jaspers, Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft, 2014, S. 268 ff. Zur Entwicklung des Überschuldungsbegriffs s. Braun, InsO, 2017, § 19 Rn. 1 ff. Für die Abschaffungspflicht der Insolvenzan-
A. Haftungsvoraussetzungen
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Grundsätzlich tritt eine Überschuldung als Folge einer Wertminderung der Aktiva³⁹ oder einer Realisierung von außerbilanziellen Verlusten ein (sog. bilanzielle Überschuldung).⁴⁰ Zur Beurteilung der Frage, ob eine bilanzielle Überschuldung vorliegt wird eine faire ⁴¹, vorsichtige ⁴² und realistische Bewertung sämtlicher⁴³ Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts durch eine unabhängige Sachverständige vorgenommen.⁴⁴ Dabei hat sie bestimmte Grundsätze zu berücksichtigen,⁴⁵ die von der EBA in ihren verbindlichen technischen Regulierungsstandards näher konkretisiert werden.⁴⁶ Diese sind bereits in den
tragspflicht bei Überschuldung s. die Ergebnisse der Expertenbefragung bei Bitter/Hommerich/ Reiß, Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs, 2012ZIP 2012, S. 1201, 1205 f. Als ein klassischer Fall der Überschuldung infolge der Wertminderung der Aktiva gilt der Zusammenbruch der Herstatt-Bank. Vgl. Der Spiegel, Gespielt, getäuscht, gemogelt – Die Anatomie der Herstatt-Pleite, v. 7. April 1975. Allgemein liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen einer Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht deckt. Man spricht auch von „Schuldendeckungsunfähigkeit“. Vgl. Büschgen, Das kleine Bank-Lexikon, 2006, S. 910. Dies erinnert an den vom International Accounting Standard Board (IASB) veröffentlichten Fair Value-Bewertungsstandard nach IFRS 13, der als zentraler Wertmaßstab der internationalen Rechnungslegung gilt. Demnach wird der Zeitwert einer Verbindlichkeit aus einer hypothetischen Transaktion zwischen einem vertragswilligen Käufer und einem vertragswilligen Verkäufer zu marktüblichen Bedingungen abgeleitet. Vgl. IFRS 13, International Financial Reporting Standard 13 – Bemessung des beizulegenden Zeitwerts (IFRS 13), Übernommen durch Verordnung (EU) 1255/2012 vom 11. Dezember 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf International Accounting Standard 12 und International Financial Reporting Standards 1 und 13 sowie Interpretation 20 des International Financial Reporting Interpretations Committee (ABl. Nr. L 360 S. 78, 87); zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2017/1986 vom 31. Oktober 2017 zur zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den International Financial Reporting Standard 16. Vgl. Art. 20 Abs. 5 lit. g SRMR, Art. 36 Abs. 5 BBRD. Erfasst sind sowohl bilanzielle als auch außerbilanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten. Vgl. Art. 20 Abs. 1 und 4 lit. a SRMR, Art. 36 Abs. 1 und 4 lit. a BRRD. S. auch Art. 7 Abs. 1 Del-VO 2018/345. Vgl. ErwGr. 52 BRRD. Vgl. EBA, Regulatory Technical Standards on valuation for the purposes of resolution and on valuation to determine in treatment following resolution under Directive 2014/59/EU on recovery and resolution of credit institutions and investment firms, EBA/RTS/2017/05 – 06, v. 23. Mai 2017, insb. Chapter II – Criteria for the valuation for the purpose of Article 36(4)(a), S. 18 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
delegierten Rechtsakten der Kommission aufgenommen worden⁴⁷. Zusätzlich haben sowohl die EBA⁴⁸ als auch der SRB⁴⁹ ausführliche Leitfäden für die Bewertung im europäischen Bankenabwicklungsregime ausgearbeitet, um die einheitliche Interpretation in der Abwicklungspraxis zu fördern. Die Bewertung in dieser Phase wird als „Bewertung-1“ („Valuation-1“) bezeichnet und dient den zuständigen Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden als Beurteilungsgrundlage für die fundierte Entscheidung über den (drohenden) Ausfall eines Instituts.⁵⁰ Sie ist dem Eingriff der Abwicklungsbehörde zeitlich vorgelagert.⁵¹ Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mangels der Bewertung-1 die grundsätzliche Feststellung des (drohenden) Ausfalls eines Instituts nicht erfolgen kann.⁵² Denn maßgeblich hierfür sind die Vorschriften des Art. 32 Abs. 1 und 4 BRRD bzw. Art. 18 Abs. 1 und 4 SRMR sowie die einschlägigen Leitlinien der EBA.⁵³ Außerdem können die Abwicklungsbehörden in Ausnahmefällen, in denen aus Dringlichkeits- bzw. Komplexitätsgründen die Durchführung einer detaillierten Bewertung nicht zumutbar ist, selbst eine provisorische Bewertung (sog. vorläufige Bewertung) erstellen.⁵⁴ Die Bewertungen auf dieser ersten Ebene müssen zwar im Einklang mit den jeweils geltenden Rechnungslegungsstandards sowie den Vorgaben zur Bemes Insb. Art. 7– 9 Delegierte Verordnung (EU) 2018/345 der Kommission vom 14. November 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Instituten oder Unternehmen (Im Folgenden: Del-VO 2018/345). Vgl. EBA, Handbook on Valuation for Purposes of Resolution, v. 22. Februar 2019, insb. Kap. 3 „Valuation 1“, S. 16 – 18. Vgl. SRB, Framework for Valuation, v. Februar 2019. Vgl. Art. 7 Abs. 1 Del-VO 2018/345. Vgl. EBA, Regulatory Technical Standards on valuation for the purposes of resolution and on valuation to determine in treatment following resolution under Directive 2014/59/EU on recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 23. Mai 2017, EBA/RTS/2017/05 – 06, v. 23. Mai 2017, S. 4. Vgl. EBA, Handbook on Valuation for Purposes of Resolution, v. 22. Februar 2019, S. 16. Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 06. August 2015. Vgl. Art. 20 Abs. 3 SRMR, Art. 36 Abs. 2 BRRD. Eine vorläufige Bewertung kann von den in Art. 20 Abs. 7 und 9 SRMR, Art. 36 Abs. 6 und 8 BRRD genannten Anforderungen abweichen. Vgl. Art. 20 Abs. 10 UAbs. 1 SRMR, Art. 36 Abs. 9 UAbs. 1 BRRD. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass eine spätere Bewertung durch einen unabhängigen Bewerter vorgenommen wird, die alle inhaltliche Anforderungen erfüllt.Vgl. Art. 20 Abs. 11 SRMR, Art. 36 Abs. 10 BRRD. Die vorläufigen Bewertungen tragen dem Vorsichtsprizip Rechnung, indem sie gem. Art. 20 Abs. 10 UAbs. 2 SRMR, Art. 36 Abs. 9 UAbs. 2 BRRD einen Sicherheitsabschlag für zusätzliche Verluste vorsehen müssen.
A. Haftungsvoraussetzungen
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sung der aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen stehen.⁵⁵ Daraus sollte aber keine Pflicht der Sachverständige abgeleitet werden, die Wertansätze von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten der Jahresabschlüsse und aufsichtsrechtlichen Meldungen der Institute punktgenau zu übernehmen bzw. einfach zu aktualisieren.⁵⁶ Es liegt in ihrem Ermessen denjenigen Bewertungsansatz zu wählen, der die Finanzlage des Instituts vor dem Hintergrund vorhandener Chancen und Risiken fair und realistisch wiedergibt.⁵⁷ Ihr wird vielmehr die Befugnis eingeräumt von den Annahmen, Daten und Methoden, auf denen die internen Bewertungen des Instituts beruhen, abzuweichen.⁵⁸ Wenn keine Zweifel am Risikomanagement des Instituts und an der Qualität der vom Institut gemeldeten Daten bestehen, kann der Bewertungsansatz auch auf die internen Bewertungsmodelle des Instituts gestützt werden.⁵⁹ Die Ergebnisse der Bewertung sollen in Form der besten Punktschätzungen und ggf. als Spannbreiten abgegeben werden.⁶⁰ Ex-ante Bewertungen sollten auf den aktuellen, angemessen abgezinsten Barwert der Zahlungsströme abgestellt werden, die das Institut unter fairen, vorsichtigen und realistischen Annahmen vernünftigerweise erwarten kann.⁶¹ Es sind mit anderen Worten nicht Buchwerte, sondern abgezinste zukünftige Marktwerte bzw. Erwartungswerte heranzuziehen. Liegen diese Werte unter dem ermittelten aktuellen Marktwert der Verbindlichkeiten des Instituts, so ist von einer eingetretenen Überschuldung auszugehen. Diese Gegenüberstellung von zukünftigen Werten setzt probabilistische und zum Teil spekulative Vorhersagen über den Verlauf von Zahlungen und Kapitalkosten voraus, die mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit für die Marktteilnehmer behaftet sind. Es ist aus diesem Grund unerlässlich, dass die Prognosen ex post auf ihre ex ante-Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit überprüft werden müssen.
Vgl. Art. 7 Abs. 3 Del-VO 2018/345. Es handelt sich nämlich um keine „Werthaltigkeitsbescheinigung“. Vgl. EBA, Regulatory Technical Standards on valuation for the purposes of resolution and on valuation to determine in treatment following resolution under Directive 2014/59/EU on recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 23. Mai 2017, EBA/RTS/2017/05 – 06, v. 23. Mai 2017, S. 4; Hebertinger/Hoppenburg/Schuck, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, 441 f., Rn. 42. Art. 2 Abs. 1 Del-VO 2018/345. Vgl. auch ErwGr. 5 Del-VO 2018/345. Hiermit sind die „Selbst-Bewertungen“ der Kreditinstitute im Rahmen ihrer Meldepflichten gemeint.Vgl. Art. 2 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 2 Del-VO 2018/345. Jegliche Abweichung muss begründet sein; vgl. Art. 6 lit. e Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 7 Abs. 2 Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 2 Abs. 3 und Art. 8 Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Del-VO 2018/345.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Die Kommission versucht dieser Unsicherheit bei der Bewertung durch delegierte Rechtsakte entgegenzutreten. Demnach erfordern bestimmte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, deren Wertermittlung sich vor allem in der Krise als eine höchst schwierige Aufgabe erwiesen hat, besondere Aufmerksamkeit. Dazu gehören u. a.⁶² Darlehen, bei denen die zu erwartenden Zahlungsströme von der Fähigkeit, der Bereitschaft oder dem Anreiz der anderen Vertragspartei zur Leistungserfüllung abhängen und von den Annahmen über Ausfallquoten, Ausfallwahrscheinlichkeiten oder Verlusthöhe bei Ausfall beeinflusst werden; Vermögenswerte, die im Rahmen von Sicherheitsverwertungen in das Eigentum des Instituts übergegangen sind (sog. repossesed assets) und deren Zahlungsströme vom Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Verwertung bzw. Zwangsverwertung sowie in der Phase nach der (Zwangs‐)Verwertung abhängen; Vermögensgegenstände, die zu fair values angesetzt wurden und deren Annahmen nicht mehr zutreffend sind; Geschäfts- oder Firmenwerte und andere immaterielle Vermögenswerte, deren Bewertungen (stark) von subjektiven Einschätzungen des Instituts selbst abhängen; Rechtsstreitigkeiten und Regulierungsanordnungen, bei denen die zu erwartenden Zahlungsströme mit Unsicherheiten bezüglich ihrer Höhe und zeitlichen Verlaufs behaftet sind; Pensionsguthaben und -verbindlichkeiten sowie latente Steuern. Bei der vorzunehmenden Bewertung solcher Vermögenswerte und Verbindlichkeiten soll bestimmten marktbezogenen (allgemeine wirtschaftliche Lage) als auch branchen(Verflechtungsgrad im Bankensektor) sowie vor allem institutsspezifischen Faktoren (Geschäftsmodell, Kriterien zur Darlehensaufnahme, Liquiditäts- und Finanzierungsstruktur) Rechnung getragen werden.⁶³ Noch problematischer als die Feststellung einer bereits eingetretenen Überschuldung ist allerdings die Frage, ob schon objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese zumindest in naher Zukunft eintreten wird. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die grundlegende Frage, ob das bloße Vorliegen objektiver Anhaltspunkte für eine drohende Überschuldung den Einsatz des europäischen Sonderinsolvenzrechts und insbesondere des Bail-in-Instruments hinreichend zu rechtfertigen vermag. Zwar bleibt grundsätzlich den Anteilseignern und der von ihnen eingesetzten Geschäftsleitung die Entscheidung überlassen, wie sie mit dem eingebrachten Kapital zu wirtschaften beabsichtigen, solange Glä ubigerpositionen nicht gefährdet werden.⁶⁴ Im Hinblick auf die oben skizzierten Besonderheiten des Bankensektors, kann es aber aus einer Reihe von
Vgl. Art. 8 Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 9 Abs. 1 Del-VO 2018/345. Vgl. Jaspers, Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft., 2014, S. 288.
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Gründen, wie z. B. aufgrund der assymmetrischen Informationsverteilung zwischen Instituten und deren Gläubigern, bei Bekanntwerden neuer Informationen zu einem schnellen Vertrauensverlust kommen, der zu Massenabzügen von liquiden Mitteln führt und damit die Zeit bis zur bilanziellen Überschuldung erheblich verkürzt. Allein Gerüchte über eine vermeintliche Überschuldung können erhebliche Auswirkungen haben und sogar eine Kettenreaktion in Gang setzen.⁶⁵ In Anbetracht dieser Überlegungen sind zwei weitere Fragen hinsichtlich der Feststellung einer drohenden Überschuldung zu klären: Zum einen auf welchen Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit der die Überschuldung herbeiführenden Ereignisse abzustellen ist und zum anderen welcher Zeitraum einer solchen Prognose zugrunde liegen sollte. Das Wahrscheinlichkeitsmaß des Eintritts einer drohenden Überschuldung wird in den Regulierungsstandards der EBA nicht quantifiziert. Hierzu wären verschiedene Grenzschwellen denkbar, die von einem Abstellen auf die „schlimmsten Ereignisse des vergangenen Jahrzents“ (sog. „worst in a decade events“)⁶⁶ oder eine prozentual errechnete ex ante festgelegte Eintrittswahrscheinlichkeit (z. B. 20 %) bis hin zu einer erhöhten bzw. überwiegenden Wahrscheinlichkeit reichen, die nach einem einfachen quantitativ-statistischen Verständnis bei > 50 % liegt. Aus dem Begriff „objektive Anhaltspunkte“ geht hervor, dass konkrete Hinweise (wie z. B. ein Stresstest-Ergebnis) vorhanden sein müssen die auf eine Überschuldung hindeuten.⁶⁷ Daher erweist sich eine sehr niedrig gesetzte Wahrscheinlichkeits-Schwelle als ungeeignet. Es bleibt allerdings offen, ob bilanzielle Risiken, deren Eintreten nach sorgfältigem kaufmännischem und technischem Ermessen eher nicht zu erwarten sind, als ausreichend für die Zwecke des Sonderinsolvenzrechts bei der Prüfung einer drohenden Überschuldung erachtet werden müssen. Hierbei könnte ein Blick in die differenzierte Risikogewichtung von Ereignissen je nach Basis- oder adversem Szenario, wie sie von der EBA im Rahmen der EU-weiten Stresstests angewandt wird, zur Orien-
Um solchen Bank Runs entgegenzutreten sowie Ansteckungseffekte auf andere Institute zu verhindern, muss ein effektiver Abwicklungsmechanismus bei Zahlungsausfällen eines Instituts frühzeitig zum Einsatz kommen. Ausführlich dazu: IMF, Macrofinancial stress testing – principles and practices, 2012. Alternativ können empirische Daten herangezogen werden. Vgl. Glasserman/Kang/Kang, Stress scenario selection by empirical likelihood, Journal of Quantitative Finance, 2014, 25 ff. Dadurch sollen subjektive Vorhersagen über den Eintritt einer Überschuldung ausgeschlossen bleiben; vgl. Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 208.
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tierung beitragen.⁶⁸ Demnach erscheint es angemessen, auch unwahrscheinliche, aber nicht ganz unwahrscheinliche Risiken, zu berücksichtigen. Die fehlende Konkretisierung des Begriffs der „nahen Zukunft“ legt die Vermutung nahe, dass der europäische Gesetzgeber bewusst einen ausreichenden Handlungsspielraum bewahren wollte, so dass bei der Prüfung einer drohenden Überschuldung auf die instituts- und branchenspezifischen Charakteristika sowie auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen ist. Dies ist allerdings aufgrund der damit einhergehenden Unsicherheit schwer hinnehmbar. Denn die Wahl eines kurz-, mittel- oder langfristigen Prognosezeitraums ist maßgeblich für die Feststellung einer drohenden bzw. bevorstehenden Überschuldung. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein mehrjähriger Prognosehorizont größeren Instrumentalisierungsgefahren durch die an der Abwicklung beteiligten Akteure – Institute und Behörden – ausgesetzt ist. Außerdem liegt ein langer Vorausschätzungszeitraum oft jenseits der faktischen und theoretischen Erkenntnismöglichkeiten ökonomischer Ansätze.⁶⁹ Auch hier kann auf die Vorgaben der EBA bei den Banken-Stresstests zurückgegriffen werden, bei denen auf eine Zeitspanne von drei Jahren abgestellt wird.⁷⁰ Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass von einer drohenden Überschuldung auszugehen ist, wenn sich in einem Stresstest konkrete Hinweise finden, dass ein Institut am Ende der dreijährigen Prüfphase überschuldet sein wird.
b) Zahlungsunfähigkeit Neben der Überschuldung stellt auch die Zahlungsunfähigkeit eines Instituts bzw. das Vorliegen objektiver Anhaltspunkte dafür, dass das Institut in naher Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten zu erfüllen, einen Ausfall dar.⁷¹ Auch hier knüpft die europäische Bankenabwicklungsordnung an einen gängigen Insolvenzeröffnungsgrund.⁷² Die EBA empfiehlt den negativen Ergebnissen (negative outcomes) bei einem adversen Szenario ein größeres Gewicht zukommen zu lassen; vgl. EBA, 2020 EU-Wide Stress Test, Methodological Note, v. 25. Juni 2019, Rn. 423, S. 127 f. In der insolvenzrechtlichen Literatur gilt ein Prognosezeitraum von einem bis maximal zwei bis drei Jahren als angemessen. Vgl. Jaspers, Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft., 2014, 304 f. Vgl. EBA, 2020 EU-Wide Stress Test, Methodological Note, v. 25. Juni 2019, Rn. 24, S. 15. Vgl. Art. 32 Abs. 4 lit. c BRRD, Art. 18 Abs. 4 lit. c SRMR. Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6. August 2015, Rn. 19 – 21. Für Deutschland s. § 63 Abs. 1 Nr. 3 SAG.
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In der Regel sagt die Illiquidität, begriffen als ein Übergewicht der fälligen Verbindlichkeiten über die Vermögenswerte in einem bestimmten Zeitpunkt, für sich genommen nicht viel über die Fähigkeit eines Schuldners aus, im Insolvenzfall seinen Verbindlichkeiten nachkommen zu können.⁷³ Eine nur vorübergehende Inkongruenz von Ein- und Auszahlungen stellt eine sehr geläufige Praxis im Zahlungsverkehr dar und ist nicht zwangsläufig mit einer Gefährdung der Glä ubigerpositionen verbunden.⁷⁴ Anderenfalls würden vor allem Banken dauerhaft die Voraussetzungen dieses Insolvenzgrunds erfüllen.⁷⁵ Den Banken gelingt es in der Praxis solchen Liquidititätsengpässen zu entgehen, indem sie sich im Interbankenmarkt weiter refinanzieren, um ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen.⁷⁶ Etwas überspitzt formuliert, stellt die ständige Refinanzierung zwecks der Erfüllung ihrer fälligen Zahlungspflichten das Hauptgeschäft von Banken dar.⁷⁷ Zusätzlich werden aufgrund dieser Anfälligkeit für plötzliche Liquiditätsschocks und zur Verhinderung von Kettenreaktionen über Ansteckungskanäle im Interbankengeschäft den Instituten regelmäßig liquide Mittel durch die Zentralbanken zur Verfügung gestellt. Angesichts dieser Liquiditätsversorgung durch den Kapital- bzw. Interbankenmarkt und die Zentralbanken wird in der Literatur die praktische Bedeutung des Zahlungsunfähigkeitstatbestands bezweifelt.⁷⁸ Tatsächlich hilft die durch die Zentralbanken
S. Zahlungsunfähigkeit in § 17 InsO und drohende Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO. Mangels einer Einbeziehung der insolvenzrechtlichen Voraussetzung einer Fortführungsprognose ist aber vom § 17 InsO zu unterscheiden. Ein solcher Zustand kann einfach die Folge einer fehlerhaften Synchronisierung von Ein- und Auszahlungen sein mit der Konsequenz, dass hinreichende Mittel zur Forderungsbefriedigung zur Verfügung stehen – nur nicht zeitnah. Vgl. Jaspers, Opportunistisches Verhalten in der Krise der Kapitalgesellschaft, 2014, 250 f. Daher sollten vorübergehende Zahlungsengpä sse, die nicht in der mangelnden Ertragskraft des Schuldnerunternehmens wurzeln, nicht zur wertvernichtenden Insolvenzverfahrenseröffnung des Instituts führen; vgl. id., 253. Vgl. Binder, Sachverständigengutachten, S. 22 f.; Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 209, die zu Recht darauf hinweisen, dass fast jedes Kreditinstitut dauerhaft zahlungsunfähig wäre, wenn man die insolvenzrechtliche Definition der Zahlungsunfähigkeit dem Wortlaut nach anwenden würde. Vgl. Dombret, in: Kenadian, Too big to fail, S. 30. Dies führt wiederum zu einer starken Abhängigkeit vom Kapital- und Interbankenmarkt ggf. vom Marktvertrauen in die Solvenz des illiquiden Instituts. Vgl. Benston, What’s Special About Banks?, Financial Review 2004, 13, 15 f. Vgl. Binder, Bankeninsolvenz im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichts- und Insolvenzrecht, 2005, S. 143; Crawford, Resolution Triggers for Systemically Important Financial Institutions, Nebraska Law Review, 2018, S. 65, 85 f. Siehe a. M. von Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 210.
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bereitgestellte Liquidität den Instituten, insbesondere unter angespannten Umständen, ihre lang- und kurzfristigen Verbindlichkeiten weiterhin zu erfüllen, wobei auch hinreichendes Vermögen zur Besicherung oder hinreichendes Marktvertrauen in die Stabilität des Instituts vorhanden sein müssen.⁷⁹ In diesem Zusammenhang bietet die Abwicklung von Banco Popular Español eine interessante Fallstudie für den massiven Einfluss, den die Bereitstellung von Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA) durch die nationalen Zentralbanken auf die Entscheidung haben kann, ob das empfangende Institut als zahlungsunfähig und somit ausfallgefährdet einzustufen ist. Das spanische Kreditinstitut wurde am 6. Juni 2017 von der EZB für „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“ mit der Begründung erklärt, dass seine Liquiditätssituation sich signifikant verschlechtert hatte.⁸⁰ Dies war die Folge eigener Versäumnisse sowie Herabstufungen durch die Rating-Agenturen und negativer Publizität bzw. Medienberichte, die einen Einleger-Run in Gang gesetzt hatten.⁸¹ Dennoch erhielt die Bank einen Tag vor ihrer Einstufung durch die EZB als ausfallgefährdet ELA-Kredite i.H.v. 2 Mrd. EUR von der Zentralbank Spaniens (Banco de España). Dagegen erhob der EZB-Rat keine Einwände⁸².⁸³ Dieser Fall macht das Ausmaß der Kontextabhängigkeit des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit und vor allem der Abhängigkeit von der Gewährung von Notfall-Liquiditätshilfen durch die Zentralbanken deutlich. Zwar sollte die Inanspruchnahme solcher Unterstützung per se kein ausreichender Grund dafür sein, um eine Zahlungsunfähigkeit anzunehmen.⁸⁴ Dennoch sprechen gute Gründe für die Annahme, dass Banco Popular Español nicht als ausfallgefährdet eingestuft worden wäre, falls weitere ELA-Hilfen gebilligt worden wären. Gegen den Abwicklungsbeschluss des SRB, dem die Feststellung des Ausfalls durch die EZB zugrunde lag, sind bereits Klagen eingereicht worden und es bleibt abzu-
Dazu ausführlich unten unter: 3. Abschnitt, E. Vgl. EZB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of Banco Popular Español, v. 6 Juni 2017. id., Rn. 5 – 8 sowie SRB, Decision of the Single Resolution Board in its Executive Session of 7 June 2017 concerning the adoption of a resolution scheme in respect of Popular Español, S.A, Addressed to FROB, SRB/EES/2017/08, v. 2. August 2018, Rn. 24. Der EZB-Rat kann gem. Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung Beschlüssen der nationalen Zentralbanken zur Gewährung von ELA-Krediten mit einer Zweidrittelmehrheit widersprechen (sog. Einspruchsprinzip). Vgl. EZB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of Banco Popular Español, v. 6 Juni 2017, Rn. 14. S. die Abfolge von Ereignissen in European Parliament, Briefing – The Resolution of Banco Popular, v. 28. August 2017, S. 2. Einem erneuten Antrag am 6. Juni 2017 wurde hingegen aufgrund nicht ausreichender Sicherheiten doch nicht zugestimmt. Vgl. ErwGr. 41 BRRD.
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warten, wie das EuG darüber entscheidet.⁸⁵ Unanhängig von der künftigen Entscheidung des EuG, verdeutlicht der Fall Banco Popular Español die Schwäche in der institutionellen Ausgestaltung der Europäischen Bankenunion im Hinblick auf die Einleitung des Abwicklungsverfahrens. Denn die Frage, ob ein Institut (wahrscheinlich) ausfällt oder nicht, deren Beantwortung im Ermessen der EZB liegt, hängt maßgeblich von Maßnahmen ab (Liquiditätshilfe), die auch nach dem Ermessen der EZB ergriffen werden. Wie bei der Überschuldung reichen auch bei der Zahlungsunfähigkeit objektive Anhaltspunkte dafür aus, dass das Institut in naher Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten zum Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen. Liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass vermehrt Mittel abgezogen werden, beispielsweise aufgrund eines sich anbahnenden Bank Run, so kann eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit bejaht werden. Fraglich ist aber auch hier für welchen Zeitraum die Zahlungsfähigkeit ermittelt werden muss. Insbesondere ist fraglich, ob der Prognosezeitraum mit demjenigen für die Überschuldung deckungsgleich ist.⁸⁶ Die Verwendung des gleichen Begriffs („nahe Zukunft“) im Wortlaut muss nicht zwangsläufig zur gleichen Interpretation führen. Ein Blick in die insolvenzrechtliche Literatur zur drohenden Zahlungsunfähigkeit erweist sich hierbei aufgrund der oben beschriebenen bankspezifischen Besonderheiten als wenig hilfreich.⁸⁷ Zur Veranschaulichung dient das bekannte Beispiel von Lehman Brothers: Während die Investmentbank fünf Tage vor ihrer Antragsstellung auf Gläubigerschutz nach dem Chapter 11 über Aktiva von 42 Mrd. USD verfügte, verringerte sich der Bestand nur zwei Tage später auf weniger als 2 Mrd. USD.⁸⁸ Für die Beurteilung des Zeitraums lässt sich auf die bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in Bezug auf die mittel- und längerfristige Liquidität, zurückgreifen. Nach Art. 411 ff. CRR müssen Kreditinstitute die Liquidity Coverage
Vgl. La Guirigaña u. a./EZB und SRB, Rechtssache T-613/17 (2017/C 424/58), v. 4. August 2017. Vgl. Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 210. id., S. 211. In den Worten des Sachverständigers A. Valukas vor dem Kongress: „On June 9, 2008 – just three months before declaring bankruptcy – Lehman announced its liquidity pool was at $45 billion, its „largest ever. On September 10, 2008 – five days before it filed for bankruptcy – Lehman publicly announced that its liquidity pool was holding steady at approximately $41 billion. By Friday, September 12, however, Lehman had less than $2 billion of assets that could readily be turned into cash; it literally did not have sufficient cash to open for business on Monday, and it filed for bankruptcy protection on September 15.“ Vgl. Valukas, Examiner Lehman Brothers Bankruptcy before the Committee on Financial Services, United States House of Representatives, regarding „Public Policy Issues Raised by the Report of the Lehman Bankruptcy Examiner, v. 20. April 2010, S. 8.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Ratio (LCR) sowie die Net Stable Funding Ratio (NSFR) erfüllen.⁸⁹ Die LCR sieht die Haltung eines Bestands an hochliquiden Aktiva (Liquiditätspuffer) für die innerhalb der nächsten 30 Tage anfallenden Nettozahlungsabflüsse unter bestimmten Stresssituationen vor.⁹⁰ Seit 2018 müssen die Institute eine 100 %igeLCR-Quote vorhalten. Dies bedeutet, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen der nächsten 30 Tage nachkommen müssen. Somit vermittelt sie ein Bild über die mittelfristige Liquidität eines Instituts. Die strukturelle Liquiditätsquote NSFR fordert als notwendiges Korrelat zur LCR ein Mindestmaß an stabiler Refinanzierung für die langfristigen Verbindlichkeiten.⁹¹ Insgesamt lässt sich aus den obigen Ausführungen schließen, dass das Tatbestandsmerkmal der „Zahlungsunfähigkeit“ mit einem noch höheren Maß an Unsicherheit als die Überschuldung behaftet ist. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Kreditinstitute, solange sie solvent sind,⁹² Zugang zum Liquiditätstopf der Zentralbanken unter Bedingungen haben, die weder klar definiert oder gar transparent sind noch Investoren möglicher bail-in-fähiger Instrumente außerhalb des Bankensektors bekannt sein können.
c) Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen Ein für die Praxis möglicherweise wichtiger Indikator für die Feststellung des Ausfalls eines Instituts findet sich in Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a BRRD, Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR.⁹³ Demnach ist von einem Ausfall auszugehen, wenn ein Institut gegen die an eine dauerhafte Zulassung geknüpften Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen in einer Weise verstößt, die den Entzug der Zulassung durch die zuständige Aufsichtsbehörde rechtfertigen würde.⁹⁴Ähnlich wie bei den
Diese Liquiditätskennzahlen sind bereits im Basel-III-Rahmenwerk eingeführt worden. Hierdurch wird das Liquiditätsrisiko erstmalig auf internationaler Ebene harmonisiert. S. hierzu Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergä nzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europä ischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Liquiditä tsdeckungsanforderung an Kreditinstitute [im Folgenden: Del-VO 2015/61]. Vgl. Art. 412 CRR i.V.m. Art. 4 Abs. 1– 2 Del-VO 2015/61. Für die bestimmten Stressszenarien s. Art. 5 Del-VO 2015/61. Vgl. Art. 510 CRR i.V.m. ErwGr. 111 f. CRR. Dazu ausführlich unter: 3. Abschnitt, E. Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der BRRD als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6. August 2015, Rn. 15 und 19. Für Deutschland s. § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG. U. a. wenn die Eigenmittel aufgrund voraussichtlich großer Verluste weitgehend aufgezehrt werden.
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anderen Indikatoren reicht es schon aus, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Institut in naher Zukunft gegen die Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen verstoßen wird.⁹⁵ Auf europäischer Ebene sieht die Kapitaladäquanzrichtlinie (CRD-V) eine Reihe von Gründen vor, die den Entzug der Banklizenz rechtfertigen.⁹⁶ Dementsprechend kann sie auch dann entzogen werden, wenn das Institut den an die Zulassung geknüpften Voraussetzungen nicht gerecht wird.⁹⁷ Somit umfasst dieser Ausfall-Indikator bereits Fälle der Unterkapitalisierung des Instituts.⁹⁸ Der Entzug der Banklizenz kann auch gerechtfertigt sein, wenn das Institut gegen die Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen verstößt, die in den Teilen 3, 4 und 6 der CRR festgelegt sind oder „es keine Gewähr mehr für die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern und insbesondere keine Sicherheit mehr für die ihm von Einlegern anvertrauten Vermögenswerte bietet“.⁹⁹ Somit greift der hier festgelegte Ausfalltrigger dann ein, wenn das Institut (erhöhte) Eigenmitteloder Liquiditätsanforderungen oder Großkreditvorschriften verletzt bzw. zu verletzen droht.¹⁰⁰ Mit anderen Worten beinhaltet der in Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR, Art. 32 Abs. 4 lit. a BRRD i.V.m. Art. 18 lit. d CRD-V vorgesehene Trigger einen (drohenden) Verstoß gegen die Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen,
Der (drohende) Verstoß gegen die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen dient zugleich als Indikator für das Ergreifen von Frühinterventionsmaßnahmen, was zur Folge hat, dass die bestehenden Spielräume der Aufsichts- und Abwicklungsbehörden weiter ausgedehnt werden und damit das bekannte Unvorhersehbarkeitsproblem für die Marktteilnehmer noch verschärft wird. Diese Parallelität zwischen den Abwicklungsvoraussetzungen für die Anwendung des Bail-inInstruments ggf. der Übertragungsinstrumente und den Eingriffsvoraussetzungen für Frühinterventionsmaßnahmen sollte aber nicht als Einbahnstraße verstanden werden. Daraus können sich auch Einschränkungen für die Aufsichtsbehörden ergeben. So legen z. B. Art. 102 Abs. 1 lit. b CRDIV, Art. 16 SSMR fest, dass die Aufsichtsbehörden zum Erlass von Maßnahmen in der Phase der Frühintervention befugt sind, nur wenn es ihnen nachweislich bekannt ist, dass das Kreditinstitut gegen die einschlägigen Anforderungen verstoßen wird. Daher könnte diese Formulierung auch in der Abwicklungsphase eine ermessensreduzierende Wirkung entfalten. Ähnliche Wertung Uffelmann, Maßnahmen der Vor-Insolvenz zur Vermeidung von Bankenkrisen, 2017, S. 226. Vgl. Art. 18 CRD-V. Es handelt sich hierbei um ein Mindestmaß an Anforderungen, das von den Mitgliedstaaten nicht unterschritten werden darf. Vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2 CRD-V. Vgl. Art. 18 lit. c CRD-V. Dies ist nämlich gem. Art. 12 Abs. 1 CRD-V der Fall, wenn das Institut nicht mehr über getrennte Eigenmittel verfügt oder diese unter einen Betrag von 5 bzw. 1 Mio. EUR fallen. Vgl. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR, Art. 32 Abs. 4 lit. a BRRD i.V.m. Art. 18 lit. c, Art. 12 CRD-V. Vgl. Art. 18 lit. d CRD-V. Vgl. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR bzw. Art. 32 Abs. 4 lit. a BRRD i.V.m. Art. 18 lit. d CRD-V. Für Deutschland s. § 35 Abs. 2 Nr. 8 KWG mit dem Verweis auf die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen der CRR sowie die Vorschriften zur Beschränkung von Großkrediten.
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die im europäischen Bankaufsichtsrecht bzw. Eigenkapitalregime festgelegt werden. Daraus folgt, dass bereits die (drohende) Verletzung bestimmter aufsichtsrechtlicher Anforderungen zur Einstufung eines Instituts als ausfallend bzw. ausfallgefährdet und somit zum Einsatz des Bail-in-Instruments sowie der Übertragungsinstrumente führen kann. Dies wirft die Frage nach dem Mehrwert der zwei ersten Indikatoren für die Feststellung eines (drohenden) Ausfalls auf, die bereits oben erörtert wurden. Wenn ein Institut überschuldet bzw. von einer Überschuldung bedroht ist ¹⁰¹ oder zahlungsunfähig bzw. von einer Zahlungsunfähigkeit bedroht ist¹⁰², wird es zwangsläufig bereits gegen die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen der CRR-II/CRD-V verstoßen und damit die Voraussetzungen der Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. a SRMR, Art. 32 ABs. 4 lit. a BRRD für die Feststellung eines Ausfalls erfüllt haben. Es ist nämlich keine Situation denkbar, in der die ersten zwei Indikatoren, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, erfüllt sind und die deutlich strengeren bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf Eigenmittel und Liquidität nicht erfüllt sind. Daher sind die zwei ersten Tatbestände überflüssig.¹⁰³ De lege ferenda empfiehlt es sich, die zwei ersten Indikatoren zu streichen. Dadurch dürfte die rechtliche Konsistenz des europäischen Bankenabwicklungsregimes und die Vorhersehbarkeit für Marktteilnehmer befördert werden. Zwar könnte dagegen eingewendet werden, dass die bankaufsichtrechtlichen Kriterien den Abwicklungsbehörden keine Flexibilität gewähren oder dass sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung tragen. Dennoch sollten solche Überlegungen nicht in die Beurteilung der Frage einfließen, ob ein Institut ausfällt oder nicht. Ihnen kann im Rahmen der zwei weiteren Abwicklungsvoraussetzungen ausreichend Rechnung getragen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Transparenz wäre ein Quantifizierungsversuch an dieser Stelle überlegenswert, wonach der Einsatz des Bail-inInstruments an starre Bewertungskriterien geknüpft wird. Hierfür könnten unterschiedliche quantitative Schwellenwerte herangezogen werden, die leicht nachweisbar sind und die z. B. auf das Unterschreiten der Eigenmittelanforderungen um 50 % oder 75 % abstellen würden.¹⁰⁴ Alternativ könnten die Indikatoren für die Einstufung von Banken als bedeutend an die Signifikanzkriterien des
i.S.d. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. b SRMR bzw. Art. 32 ABs. 4 lit. b BRRD. i.S.d. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. c SRMR bzw. Art. 32 ABs. 4 lit. c BRRD. Zum gleichen Ergebnis aber paradoxerweise nur für den Zahlungsunfähigkeitstatbestand Uffelmann, Maßnahmen der Vor-Insolvenz zur Vermeidung von Bankenkrisen, 2017, S. 227. Vgl. Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 17; Zhou/Rutledge/Bossu/Dobler/Jassaud/Moore, From Bail-out to Bail-in: Mandatory Debt Restructuring of Systemic Financial Institutions, IMF 2012, S. 11.
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SSM angeglichen werden. Wenngleich solche Ansätze die bestehende Unsicherheit über das Vorliegen der Abwicklungstrigger zum großen Teil beseitigen würden, könnten sie sich aber zugleich als trügerisch erweisen, da ein Mindestmaß an Flexibilität notwendig ist, um den Marktgegebenheiten, wovon die finanzielle Situation einer Bank sehr stark abhängt, hinreichend Rechnung zu tragen. Dies soll wiederum nicht bedeuten, dass jegliche Anknüpfung an vorgegebene Kriterien abzulehnen ist. Aus den Abwicklungszielen sowie aus dem Grundsatz der primären Anwendung des nationalen Liquidationsverfahrens lässt sich ableiten, dass das europäische Bankenabwicklungsregime für die Bewältigung systemischer Krisenereignisse konzipiert wurde. Zu diesem Zweck sollte das Heranziehen von makroökonomischen und martkbasierten Indikatoren, die eine verlässliche Differenzierung zwischen idiosynkratischen und systemischen Ereignissen ermöglichen, in Erwägung gezogen werden. In jedem Fall würde – zumindest mittelfristig – die weitere Konkretisierung der Haftungsvoraussetzungen durch Leitlinien der EBA und des SRB einen gangbaren Mittelweg darstellen.
d) Unterstützung durch staatliche Mittel Grundsätzlich soll die außerordentliche finanzielle Unterstützung eines Instituts durch öffentliche Mittel¹⁰⁵ zur Feststellung des Ausfalls des empfangenden Instituts und je nach Vorliegen der restlichen Abwicklungsvoraussetzungen zur anschließenden Abwicklung auf Unionsebene oder Liquidation nach dem nationalen Insolvenzrecht führen.¹⁰⁶ Die Prämisse hinter diesem Indikator für den Ausfall eines Instituts lautet, dass das Institut ohne Inanspruchnahme der Finanzhilfe durch den Staat in Schieflage geraten wäre und damit die Abwicklungsvoraussetzungen erfüllt hätte. Somit lösen staatliche Stützungsmaßnahmen den EU-Abwicklungsmechanismus nach SRM/BRRD aus. Die Einstufung als „staatlich“ soll anhand beihilferechtlicher Kriterien erfolgen. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob präventive Maßnahmen der Einlagensicherungssysteme nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 3 DGSD eine finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln für die Zwecke der BRRD/SRMR
Zur Definition der außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln wird eine Brücke zum EU-Beihilferecht geschlagen; vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 BRRD „eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV – oder eine sonstige öffentliche finanzielle Unterstützung auf supranationaler Ebene, die, wenn sie auf nationaler Ebene geleistet würde, als staatliche Beihilfe gälte —, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Existenzfähigkeit, Liquidität oder Solvenz eines Instituts […] gewährt wird“. Vgl. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d SRMR bzw. Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
darstellen. Der bankspezifische beihilferechtliche Rahmen kennt lediglich eine Ausnahme aus dem Beihilfebegriff für Auszahlungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Entschädigungsfunktion durch Einlagensicherungsfonds, sodass alle anderen Maßnahmen der Beihilfekontrolle der Kommission unterliegen.¹⁰⁷ Die paradoxe Konsequenz ist jeodch folgende: Das Ergreifen präventiver Maßnahmen durch nationale Einlagensicherungssysteme zur Abwendung des drohenden Konkurses eines Instituts führt zur Feststellung des Abwicklungs- oder Insolvenzfalls des empfangenden Instituts durch die Abwicklungsbehörden.¹⁰⁸ Bei Feststellung des Ausfalls des Instituts ist wiederum der Einsatz präventiver Maßnahmen unzulässig.¹⁰⁹ Aus diesem Grund wird diese Wechselwirkung zwischen Bankenabwicklungs- (BRRD/SRMR), Beihilfe- (Bankenmitteilung) und Einlagensicherungsrecht (DGSD) zurecht kritisiert.¹¹⁰ De lege ferenda scheint kein Weg daran vorbeizuführen, das europäische Beihilferecht an die neuen Gegebenheiten anzupassen und unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung¹¹¹ dahingehend zu reformieren, dass präventive Maßnahmen von privat verwalteten Einlagensicherungssystemen unter Bedingungen nicht zur Feststellung des Abwicklungsfalls führen.¹¹² Eine Ausnahme vom obigen Grundsatz, dass die Gewährung von außergewöhnlichen Stützungsmaßnahmen aus öffentlichen Mitteln die Einstufung des empfangenden Instituts als ausfallend zur Folge hat, ist für folgende drei Formen vorgesehen, die ohne die Einleitung eines Abwicklungsverfahrens gewährt werden können:¹¹³ (i) staatliche Garantien für die Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbanken; (ii) staatliche Garantien für neu emittierte Verbindlichkeiten und
Vgl. Bankenmitteilung Rn. 62 sowie ErwGr. 55 BRRD und ErwGr. 3 DGSD. Vgl. EBA, Opinion on deposit guarantee scheme funding and uses of deposit guarantee scheme funds, EBA/OP/2020/02, v. 23. Januar 2020, Rn. 202. Vgl. Art. 11 Abs. 4 DGSD, der fälschlicherweise auf Art. 27 Abs. 1 BRRD verweist. Richtig wäre der Verweis auf Art. 32 Abs. 1 li. a BRRD. Vgl. EBA, Opinion on deposit guarantee scheme funding and uses of deposit guarantee scheme funds, EBA/OP/2020/02, v. 23. Januar 2020, Rn. 202. Vgl. EuG, Rs. T-98/16, T- 196/16 und T-198/16 (Italien u. a. gegen Kommission), ECLI:EU: T2019:167, v. 19. März 2019. Mehr dazu unter: 3. Abschnitt, A. So auch die Empfehlung der EBA in: EBA, Opinion on deposit guarantee scheme funding and uses of deposit guarantee scheme funds, EBA/OP/2020/02, v. 23. Januar 2020, Rn. 10 lit. b und e. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d Nr. i-iii SRMR, Art. 32 Abs. 4 UAbs. 1 lit. d Nr. i-iii BRRD.
A. Haftungsvoraussetzungen
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(iii) außerordentliche finanzielle Unterstü tzungen im Wege einer als Vorsichtsmaßnahme durchgefü hrten Rekapitalisierung aus staatlichen Geldern (precautionary recapitalization).¹¹⁴ Während die ersten zwei Ausnahmen bereits im BRRD-Entwurf der Kommission enthalten waren, ist die dritte Ausnahme im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugefügt worden.¹¹⁵ Alle drei Ausnahmeregelungen ermöglichen ein Ausweichen von den politisch gescheuten SRM/BRRD-Zwängen und der damit einhergehenden Gläubigerbeteiligung, indem sie den Grundsatz einschränken, dass ein Institut als (wahrscheinlich) ausfallend gilt, wenn es Unterstützung aus öffentlichen Mitteln in Anspruch nimmt.¹¹⁶ Dahinter verbirgt sich die Angst der politischen Akteure und Entscheidungsträger auf europäischer Ebene Investoren abzuschrecken bzw. das Vertrauen der Märkte in die europäischen Banken durch ein starres Bankenabwicklungsinstrumentarium zu untergraben.¹¹⁷ Um nicht die komplette EU-Abwicklungsordnung über Bord zu werfen, ist es aber wichtig sicherzustellen, dass diese Ausnahmeregelungen nur wirklich außergewöhnlichen Situationen vorbehalten bleiben. Aus diesem Grund unterliegen sie strengen Voraussetzungen, die – wenn sie rigoros angewandt werden – hohe Hürden an außerordentliche staatliche Unterstü tzungsmaßnahmen stellen.¹¹⁸ Zunächst dürfen diese außerordentlichen Stütztungsmaßnahmen nur zugunsten solventer Institute ergriffen werden. Was unter „Solvenz“ in diesem Zu-
Vgl. ErwGr. 41 BRRD. Ausführlich dazu unter: F. III. iii. Vgl. Europäischer Rat, Pressemitteilung, Bank recovery and resolution: Council confirms agreement with EP, v. 20 Dezember 2013. In der Abwicklung verlangen Art. 56 Abs. 1, Art. 37 Abs. 10 lit. a BRRD, dass mindestens 8 % der gesamten Verbindlichkeiten herabgeschrieben wurden, bevor eine staatliche Unterstützung in Form von Eigenkapitalbeteiligungen oder aber der Verstaatlichung der Banken nach Art. 57, 58 BRRD erfolgen kann. Ähnlich auch Art. 44 Abs. 5 BRRD/Art. 12 Abs. 17 SRMR, der einen Bail-in in eben dieser Höhe verlangt, bevor ein Abwicklungsfinanzierungsmechanismus zur Verlusttragung herangezogen werden kann. S. dazu: Triantafyllakis, Italienische Banken: Wenn nicht alle Wege zum Bail-in führen, WM 2016, S. 2248, 2253; Tröger, Regulatory Influence on Market Conditions in the Banking Union, EBOR 2016, S. 575, 590. Für die Inanspruchnahme des Fonds nach Art. 27 Abs. 6, 7 SRMR muss ebenfalls durch Herabschreibung, Umwandlung oder auf andere Weise ein Beitrag zum Verlustausgleich und zur Rekapitalisierung i.H.v. mindestens 8 % der gesamten Verbindlichkeiten geleistet werden, Art. 27 Abs. 7 lit. a SRMR. Nach den Worten von Mario Draghi: „By structurally impairing the subordinated debt market, it could lead to a flight of investors out of the European banking market, which would further hamper banks’ funding going forward“; vgl. Reuters, Draghi asked EU to keep state aid rules for banks flexible, v. 19. Oktober 2013. Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, S. 259, 273 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
sammenhang zu verstehen ist, wird von der EBA mit einem Rückgriff auf die ersten drei Kriterien zur Feststellung eines Ausfalls präzisiert: Solvent ist für die Zwecke einer Rekapitalisierung ein Institut, sofern keiner der Trigger nach Art. 32 Abs. 4 lit. a, b, c BRRD (Verstoß gegen Zulassungsanforderungen, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit) erfüllt ist.¹¹⁹ Mangels entsprechender Regelung stellt sich die Frage, in wessen Zuständigkeitsbereich welcher Behörde die Durchführung des Solvenz-Tests fällt. Da man sich immer noch im Rahmen der Feststellung des (drohenden) Ausfalls bewegt, ist primär die Aufsichts- und nicht die Abwicklungsbehörde zuständig. Außerdem kann die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Kriterien zur Beurteilung der finanziellen Solidität nur von Behörden der mikroprudenziellen Aufsicht geprüft werden. Daher obliegt dieser Test der Aufsichtsbehörde. Zweitens müssen sie für die „Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats und zur Wahrung der Finanzstabilität“ erforderlich sein. Durch diese Formulierung wird ein Gleichlauf mit dem Ausnahmetatbestand des europäischen Beihilferechts nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV („Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“) hergestellt.¹²⁰ Während in der englischen Sprachfassung der exakt gleiche Wortlaut in den Ausnahmen vom EU-Abwicklungsrahmen und vom EU-Beihilferecht verwendet wird („to remedy a serious disturbance in the economy of a Member State“),¹²¹ wird in der deutschen Sprachfassung der vom EU-Beihilferecht divergierende Begriff der „Abwendung“ nach Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD (statt „Behebung“ nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV) verwendet. Dies ist verwunderlich und dürfte in der Praxis nicht zu unterschiedlichen Interpretationen führen. Ähnliches gilt auch für den dritten Weg den die französische Sprachfassung mit Verwendung eines zusätzlichen Begriffs im Wortlaut einschlägt („d’empêcher ou de remédier“ zusätzlich zu „de remédier“). Aus dem Gleichlauf zwischen europäischem Beihilfe- und europäischem Bankenabwicklungsrecht folgt drittens, dass die Stützungsmaßnahmen beihilferechtliche Genehmigungen durch die EU-Kommission voraussetzen.¹²² Die Kommission ist dazu verpflichtet, deren Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht (insb. Art. 107 Abs. 3 Var. b bzw. Art. 107 Abs. 2 Var. b AEUV) zu prüfen. Zu diesem Zweck
Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A,What is a solvent institution in the context of Article 32(4)(d) of Directive 2014/59/EU(BRRD)?, 2015_1777, v. 17. April 2015. S. auch Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 5. Vgl. Veron, Precautionary recapitalisation: time for a review?, Policy Contribution, Issue No 21, July 2017, S. 6, der sich für die Übernahme des exakt gleichen Wortlauts ausspricht, so wie in der englischen Sprachfassung. Vgl. Art. 32 Abs. 4 lit. d UAbs. 2 S. 1 BRRD.
A. Haftungsvoraussetzungen
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müssen die Mitgliedsstaaten vor dem Ergreifen der Maßnahmen einen Umstrukturierungsplan bei der Kommission anmelden und ihre beihilferechtliche Genehmigung einholen.¹²³ Dafür sieht die Bankenmitteilung eine angemessene Lastenverteilung, durch Beiträge der Hybridkapitaleigner und der Inhaber nachrangiger Schuldtitel, als Bedingung vor.¹²⁴ Hiervon wird jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn die Umsetzung dieser Maßnahmen die Stabilität des Finanzsystems gefährden oder zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde.¹²⁵ Viertens müssen die Stützungsmaßnahmen vorbeugend, vorübergehend sowie angemessen sein, um den Folgen schwerer Störungen abzuhelfen. Der vorbeugende Charakter der Maßnahmen soll den Fokus der Ausnahmeregelung auf die Zukunft richten und gleichzeitig verhindern, dass die Kapitalzufuhr zur Deckung bereits erlittener Verluste genutzt wird. Die getroffenen Maßnahmen dürfen aber auch nicht zum Ausgleich von Verlusten dienen, die in naher Zukunft zu erleiden sind. Wie das Wort „vorübergehend“ andeutet, sollen die Maßnahmen zeitlich befristet sein und am besten wieder rückgängig gemacht werden können, wenn dies erforderlich ist. Daher erscheint eine Kapitalzufuhr in Form von bedingten Pflichtwandelanleihen (CoCos) passender zu sein, als eine Eigenkapitalzufuhr zum Konzept einer vorsorglichen Rekapitalisierung.¹²⁶ Schließlich sind die Maßnahmen angemessen, wenn sie auf das Mindestmaß beschränkt bleiben, das zur Deckung der Kapitallücke notwendig ist. Im Kapitel F. wird näher auf die drei Ausnahmetatbestände eingegangen.
II. Subsidiarität Als zweite Voraussetzung für die Einleitung des europäischen Abwicklungsverfahrens darf keine Aussicht bestehen, dass der festgestellte Ausfall durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder Maßnahmen der Aufsichtsbehörden
Ausnahmsweise können jedoch bereits vor der Genehmigung des Umstrukturierungsplans befristete Rettungshilfen gewährt werden, wenn dies aus Gründen der Finanzstabilität erforderlich ist. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 50. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 41. Id., Rn. 45. Vgl. Mesnard/Margerit/Magnus, Precautionary recapitalisations under the Bank Recovery and Resolution Directive: conditionality and case practice, 2017, S. 2. Aus diesem Grund erfolgte die Rekapitalisierung der zwei griechischen Kreditinstitute Ende 2015 hauptsächlich mittels CoCo-Bonds. Sie machten 75 % der gesamten Kapitalspritze aus; vgl. Europäische Kommission, Decision SA.43365, National Bank of Greece, Rn. 13 und Europäische Kommission, Decision SA.43364, Piraeus Bank, Rn. 13.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
in angemessener Zeit abgewendet werden kann.¹²⁷ Demnach soll davon auszugehen sein, dass das betreffende Institut über keine Möglichkeiten verfügt, die Krise aus eigener Kraft zu überwinden. Zudem dürfen auch den Aufsichtsbehörden keine Maßnahmen zur Verfügung stehen, die ähnliches bewirken könnten. Normativ lässt sich das daraus ableiten, dass der Einsatz des Bail-in-Instruments sowie der Übertragungsinstrumente im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsrechts als ultima ratio anzusehen ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Ausfall des Instituts lediglich durch das Bankenabwicklungsrecht vermeidbar sein muss.
a) Sanierungsmaßnahmen des privaten Sektors Zur Verhinderung der Abwicklung bzw. zur Sanierung eines Instituts können verschiedene privatautonome Maßnahmen ergriffen werden. Ihnen muss grundsätzlich folgende Prämisse zugrundeliegen: Der Fortführungswert des Instituts muss seinen Liquiditationswert übersteigen. Auch Maßnahmen im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung können eine bilanzielle Restrukturierung bzw. Entlastung auf der Passiv- (u. a., Debt equity swaps, CoCos) und/oder auf der Aktivseite (u. a. Forderungsverzicht, Einzelveräußerungen, Auslagerung, Fusion) bewirken.¹²⁸ Einerseits weisen solche vertraglichen Vereinbarungen alle Vorzüge der Privatwirtschaft gegenüber einem administrativen Verfahren auf: Schnelligkeit, Effizienz, Flexibilität.¹²⁹ Andererseits sind sie aufgrund der hohen Gläubigeranzahl und des heterogenen Gläubigerpools mit erheblichen Informationsverteilungs- und Koordinationsproblemen¹³⁰ behaftet.
Vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. b BRRD, Art. 18 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b SRMR. Vgl. Salord, Rechtsstellung der vorrangigen Fremdkapitalgeber in der Insolvenz der Investmentbank, 2015, S. 61 ff. Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, 1999, S. 337 ff. S. die „Akkordstörer“-Rechtsprechung BGH, v. 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91. In Bezug auf G-SIBs spitzen sich diese Probleme wegen der enormen Gläubigeranzahl zu. So meldeten sich 16.000 Gläubiger bei der Insolvenz von Lehman Brothers an, deren Forderungen kaum zu identifizieren waren. Vgl. Scinta/Sandler, Lehman Facing More Than 16,000 Creditors’ Claims, Bloomberg v. 23. September 2009.
A. Haftungsvoraussetzungen
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i) Auf der Passivseite Bei der Restrukturierung auf Passivseite lässt sich grundsätzlich zwischen zwei Maßnahmenkategorien unterscheiden: Zur ersten Kategorie, die an die Abschreibungsvariante des Bail-in-Instruments erinnert, zählen u. a. der Forderungsverzicht durch einen Erlassvertrag i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB und die Stundung. Der Forderungsverzicht führt zur Abbuchung der entsprechenden Verbindlichkeit aus der Bilanz einer Bank.¹³¹ Dass einzelne Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten, ist in der Praxis eher unüblich. Denn dadurch werden sie gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt. Häufiger ist ein (Teil‐)verzicht aller Gläubiger oder ein vorübergehender bzw. bedingter Forderungsverzicht gegen Besserungsschein¹³² der Fall. Stundungen (Moratoria) nach § 311 Abs. 1 BGB weisen in der Regel die vergleichsweise geringste Eingriffsintensität für die Gläubigerinteressen auf bzw. fordern das vergleichsweise geringste Opfer von ihnen. Die zweite Maßnahmenkategorie, die an die Umwandlungsvariante des Bailin-Instruments erinnert, umfasst die Umwandlung von Gläubigerverbindlichkeiten in Eigenkapital an der Bank (debt-equity-swap). Klassischerweise wird dies im Wege einer Kapitalerhöhung durchgeführt.¹³³ Die Umwandlung von Gläubigerverbindlichkeiten kann sowohl in Eigenkapital (debt-equity-swap stricto sensu) sowie in eigenkapitalähnliche Kapitalinstrumente (Wandel- oder Genussrechte, Hybridanleihen, Mezzanine-Instrumente) erfolgen (debt-equity-swap lato sensu).¹³⁴ Im Ergebnis erlischt die Forderung entweder durch eine Forderungsübertragung an die emittierende Bank im Wege einer Konfusion oder durch einen Erlassvertrag gemäß § 397 BGB.¹³⁵ Eine weitere Sanierungsmöglichkeit auf der Passivseite bietet die Eigenkapitalerhöhung. Dennoch erweisen sich die Eigenkapitalerhöhungen in der Praxis bei einer angespannten Rentabilitä tslage des Instituts oft als wenig erfolgversprechend. Dies ist hautpsächlich auf das in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur als Schuldenüberhang (debt overhang)¹³⁶ bekannte Phänomen zurück-
Zur Überwindung des Kollektivhandlungsproblems ist im deutschen Recht für einen Forderungsverzicht sowie für einen Zahlungsaufschub bei verbrieften Forderungen erforderlich, dass ein qualifizierter Beschluss von mindestens einer Dreiviertelmehrheit der teilnehmenden Stimmrechte gefasst wurde; vgl. § 5 Abs. 3 SchVG. Auch er führt zur Ausbuchung aus der Bilanz und ist daher nicht mit einem Rangrücktritt zu verwechseln, bei dem der Bestand der Forderung unberührt bleibt. S. exemplarisch §§ 27, 183 AktG, §§ 5 Abs. 4, 56 GmbHG. Auch hier gilt bei verbrieften Forderungen das Zustimmungserfordernis von mindestens 75 % aller Anleiheglä ubiger; vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG. Vgl. u. a. Bronger. Debt-Equity-Swap als Sanierungsinstrument, 2019, S. 60. Zum ersten Mal dargestellt von Myers, Journal of Financial Economics 1977, 147 ff. Vgl. u. a. Admati/De Marzo/Hellwig/Pfleiderer, Debt Overhang and Capital Regulation, 2012.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
zuführen, das die fehlende Bereitschaft der Anteilseigner zu einer dringend benötigten Kapitalerhöhung beschreibt. Für die Eigenkapitalgeber einer ausfallgefährdeten Bank bestehen nämlich kaum Anreize sich an einer Neuemission zu beteiligen, sofern das zusätzliche Kapital für die Schließung bereits bestehender Kapitallücken gedacht ist und damit allein der Sicherheit von Fremdmitteln dient.¹³⁷ Vor diesem Hintergrund gewannen in den Nachkrisejahren die bedingten Pflichtwandelanleihen (contingent convertible bonds – CoCos) als verlustabsorbierende hybride Finanzierungsinstrumente an Bedeutung.¹³⁸ Es handelt sich um eine besondere Form der Wandelschuldverschreibung die erstmals 2002 speziell in Bezug auf den Finanzsektor vorgeschlagen und diskutiert wurde.¹³⁹ Der zentrale Unterschied des Bail-in-Instruments zu einer Wandelschuldverschreibung liegt in der automatischen, bedingten Wandlung der Anleihe.¹⁴⁰ Mit anderen Dieses Phänomen kann bei allen Unternehmen mit dringendem Eigenkapitalbedarf angetroffen werden, ist aber insbesondere für Kreditinstitute relevant, da bei ihnen die Mö glichkeiten der Risikoübernahme und somit ihre Geschä ftsmö glichkeiten unmittelbar an die Eigenkapitalquote gekoppelt sind.Vgl. Rudolph, Contingent Convertibles (CoCo-Bonds) als Bail-in-Instrumente für Banken, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Vol. 65, 2013, 97, 104 f.; Schade, The Value Impact of Bank Bailouts during the Financial Crisis 2008, 2016, S. 125 ff. Sie werden als hybride Instrumente bezeichnet, weil sie weder dem Eigen- noch dem reinen Fremdkapital zugeordnet werden können. Zur wirtschaftswissenschaftlichen Literatur und insb. zu den ökonomischen Ansätzen zur optimalen Ausgestaltung von CoCo-Bonds: U. a. Berg/Kaserer, Does contingent capital induce excessive risk-taking?, 24 Journal of Financial Intermediation 2015, 356; Calomiris/Herring, How to Design a Contingent Convertible Debt Requirement That Helps Solve Our Too-Big-To-Fail Problem, 25 Journal of Applied Corporate Finance, 2013, 39 ff.; Flannery, in: Scott (Hrsg.), Capital Adequacy Beyond Basel, 2005, 171 ff.; id., Stabilizing Large Financial Institutions with Contingent Capital Certificates, 6 Quarterly Journal of Finance, 2016, 1 ff.; Hilscher/Raviv, Bank stability and market discipline: The effect of contingent capital on risk taking and default probability, 29 Journal of Corporate Finance, 2014, 542 ff.; Sundaresan/Wang, On the Design of Contingent Capital with a Market Trigger, 70 Journal of Finance, 881 ff. Zu rechtswissenschaftlichen Untersuchungen: U. a. Bader, Contingent Convertible, Wandelanleihen und Pflichtwandelanleihen im Aktienrecht, AG 2014, S. 472, 480 ff.; Florstedt, Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung, ZHR 180, S. 152 ff.; Mö hlenkamp/Harder, Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung (CoCo-Bonds) – ein neues Sanierungsinstrument, ZIP 2016, S. 1093 ff.; Nodoushani, Contingent Convertible Bonds – Eine Bestandaufnahme, WM 2016, S. 589 ff. Von Flannery, No Pain, No Gain? Effecting Market Discipline via „Reverse Convertible Debentures“, 2002. Die Grundidee von „automatischen Wandelanleihen“ wird jedoch erstmals in einem Aufsatz der Harvard Law Review aus dem Jahr 1991 umrissen.Vgl. The Harvard Law Review Association, Distress-Contingent Convertible Bonds: A Proposed Solution to the Excess Debt Problem, Harvard Law Review 1991, S. 1857 ff. Insofern unterscheiden sich die CoCo-Anleihen auch von der umgekehrten Wandelschuldverschreibung nach § 221 Abs. 1 S. 1 AktG. Näher dazu Kaufmann, Die umgekehrte Wandelschuldverschreibung in der Insolvenz, 2019, S. 35 f.
A. Haftungsvoraussetzungen
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Worten obliegt die Wandlung nicht dem Willen des Schuldverschreibungsinhabers, sondern erfolgt bedingt und damit automatisch.¹⁴¹ Das Auslö seereignis (trigger event) wird in den Anleihebedingungen näher spezifiziert. Tritt diese Bedingung ein, wandelt sich die Schuldverschreibung und der Inhaber wird Aktionär des emittierenden Instituts.¹⁴² Eine potenzielle Verlustteilnahme des Inhabers kann dadurch sichergestellt werden, dass der Zeitpunkt der Pflichtwandlung an ein bestimmtes, im Voraus definiertes Ereignis geknüpft wird. Die CoCos bieten eine Reihe von Vorteilen. Zunächst ermöglichen sie die Fremdfinanzierung des Emittenten zu gü nstigeren Konditionen als bei der Emission von Eigenkapital, ohne Verwä sserung der Altaktionä re und ohne Mitwirkungsbedü rfnis der Bankaufsichtsbehö rden. Zweitens erhö hen sie im Krisenfall das Eigenkapital nach der Umwandlung. Drittens wirken sie der falschen Anreizwirkung (moral hazard) entgegen, da die Aktionä re durch die Verwässerung ihrer Mitgliedschafts- und Vermögensrechte an den Verlusten des Instituts beteiligt werden.Viertens verbesseren sie die Liquiditä tslage nach der Umwandlung, weil die Tilgungs- und Zinskosten entfallen. Fünftens vermindern sie den Verschuldungsgrad, weil der Anteil am Fremdkapital sinkt und der Anteil am Eigenkapital sich erhö ht.¹⁴³ Die bedingten Pflichtwandelschuldverschreibungen kö nnen als Instrumente des zusä tzlichen Kernkapitals (going-concern-capital),¹⁴⁴ das der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen soll oder als Instrumente des Ergä nzungskapitals (gone-concern-capital),¹⁴⁵ das zu einer Vergrößerung der Haftungsmasse im Falle einer Insolvenz führen soll, begeben werden.¹⁴⁶
Vgl. Hinze/Menk/Mies, Kriseninstrument Contingent Convertible Bond: Struktur und aktuelle Entwicklungen der Bilanzierung, ZBB 2017, S. 95, 96. Vgl. Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, 2018, S. 27. id. Vgl. Art. 51 lit. a, Art. 52 Abs. 1, lit. n, Alt. 2 sowie Art. 54 CRR. In diesem Fall gilt gem. Art. 92 Abs. 1, lit. a CRR.als zwingendes Wandlungsereignis das Unterschreiten der harten Kernkapitalquote (4,5 %). Den Instituten steht es aber nach Art. 54 Abs. 1, lit. a, Nr. ii, lit. b CRR frei, weitere Auslö sungsereignisse in die Anleihebedingungen aufzunehmen. Ungeachtet dessen müssen die Institute entweder eine Umwandlungsquote und eine Obergrenze für die Umwandlungsmenge oder eine Spanne, innerhalb derer eine Umwandlung in Instrumente des harten Kernkapitals erfolgt, festsetzen. Vgl. Art. 54 Abs. 1, lit. c, Nr. i-ii CRR. Zwar werden CoCo-Bonds als Instrumente des Ergä nzungskapitals nicht explizit erwä hnt, allerdings ist die Definition der Instrumente des Ergä nzungskapitals deutlich weiter gefasst, sodass sich hierunter unproblematisch Anleihen mit einem Wandlungsmechanismus fassen lassen, sofern sie den Anforderungen des Art. 63 CRR genügen. Vgl. Dreher, Bedingte Pflichtwandelanleihen, 2018, S. 49. id., S. 52.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
ii) Auf der Aktivseite Nicht nur auf der Passivseite, sondern auch auf der Aktivseite kann eine Umstrukturierung vorgenommen werden. Dazu zählen zunächst die Einzelveräußerung von Vermögenswerten, deren rechtliche Einordnung sich grundsätzlich nach der Form des Vermögensgegenstandes richtet.¹⁴⁷ Als eine weitere Maßnahme kann die Möglichkeit einer Auslagerung wertgeminderter notleidender Aktiva auf einen Dritten (private Zweckgesellschaft) in Erwägung gezogen werden. Die Auslagerung kann mittels Einzelrechtsübertragung¹⁴⁸, Risikobeteiligung¹⁴⁹ und Abspaltung bzw. Ausgliederung¹⁵⁰ oder eine Kombination hiervon¹⁵¹ erfolgen.¹⁵² Anders als bei der Auslagerung gehen Sanierungsfusionen mit einer Auflösung des übertragenden Rechtsträgers einher.¹⁵³ Es kann sich hierbei um eine Verschmelzung,¹⁵⁴ die durch Aufnahme, d. h. Ü bertragung des Vermö gens auf einen bereits bestehenden Rechtsträ ger, oder Neugrü ndung, d. h. Ü bertragung auf einen neuen gegrü ndeten Rechtsträ ger unter Auflö sung der Beteiligten,¹⁵⁵ erfolgt, handeln.¹⁵⁶ Sanierungsfusionen beseitigen die Zahlungsunfähigkeit des übertragenden Rechtsträgers und verhindern dadurch Folgeausfälle bzw. Ansteckungseffekte auf den Finanzmärkten. Da sie aber zur erhöhten Machtkonzentration und Verschärfung der Too-big-to-fail-Problematik führen, werden sie speziellen bankaufsichts-¹⁵⁷ und kartellrechtlichen¹⁵⁸ Vorgaben unterworfen.
Es kann sich um einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB (bei verbrieften Forderungen), eine Abtretung i.S.d. § 398 BGB (bei unverbrieften Forderungen) oder eine Kombination aus Abtretung und Schuldübernahme (bei Derivaten) handeln; vgl. Salord, Rechtsstellung der vorrangigen Fremdkapitalgeber in der Insolvenz der Investmentbank, 2015, S. 86 ff. Vgl. §§ 929 ff. BGB bzw. §§ 398 ff. BGB. Bspw. in Form eines Credit Default Swaps (CDS), bei dem der Sicherungsgeber eine Ausgleichszahlung an das Kreditinstitut (Sicherungsnehmer) leisten muss, sobald der Referenzschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Vgl. Zerey, in: Zerey, Finanzderivate, 2016, § 8, Rn. 15 ff. I.S.d. § 123 UmwG. So erfolgte im Fall von Hypo Real Estate die Auslagerung von Vermögenswerten i.H.v. 173 Mrd. EUR auf die Abwicklungsanstalt durch Abspaltung, Abtretung und Risikobeteiligung; vgl. FMS Wertmanagement, Geschäftsbericht 2010, S. 26. Vgl. Salord, Rechtsstellung der vorrangigen Fremdkapitalgeber in der Insolvenz der Investmentbank, 2015, S. 92 ff. Vgl. Müller-Eising, in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, § 6 Rn. 388. I.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. § 2 UmwG. Vgl. Salord, Rechtsstellung der vorrangigen Fremdkapitalgeber in der Insolvenz der Investmentbank, 2015, S. 100 ff. Siehe Anzeigepflicht gegenüber der BaFin nach § 2c KWG.
A. Haftungsvoraussetzungen
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b) Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines Institutssicherungssystems Maßnahmen, die durch institutsbezogene Sicherungssysteme ergriffen werden, sind hinsichtlich der Abwicklungsvoraussetzungen den Maßnahmen des privaten Sektors gleichzusetzen.¹⁵⁹ Sofern vorhanden, schließen sie die Feststellung eines Abwicklungsfalls aus. Als institutsbezogene Sicherungssysteme werden vertragliche oder satzungsmäßige Haftungsvereinbarungen zwischen Instituten bezeichnet, die sie absichern und bei Bedarf ihre Liquidität und Solvenz sicherstellen, um einen Konkurs zu vermeiden.¹⁶⁰ Dieser Privilegierung liegt der Gedanke zugrunde, dass der Einsatz institutsbezogener Sicherungssysteme nicht mit einer Belastung der öffentlichen Finanzen einhergeht. Solche Institutssicherungssysteme sind durch einen Haftungsverbund¹⁶¹ gekennzeichnet, der die finanzielle Stützung von in Not geratenen Mitgliedsinstituten sicherstellt.¹⁶² Durch unterschiedliche Stützungsmaßnahmen wird die Insolvenz und somit der Eintritt eines Einlagensicherungsfalls abgewendet.¹⁶³ Dazu zählen u. a. Eigenkapitalzuschüsse, Übernahme von Garantien und Bürgschaften, Darlehenvergabe sowie Erfüllung von gegen die Mitglieder gerichteten Ansprüchen Dritter und Beteiligungen an CRR-Kreditinstituten zur Rekapitalisierung.¹⁶⁴ Solche Sicherungseinrichtungen sind vor allem unter den Banken der öffentlichen Hand in Deutschland und Österreich üblich. Zu den Institutssicherungssystemen in Deutschland zählen das Sicherungssystem der Sparkassenfinanzgruppe¹⁶⁵ und das Sicherungssystem der am Bundesverband der Deutschen Verordnung (EU) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, L 24/1 (Fusionskontrollverordnung). Vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. b BRRD-II bzw. Art. 18 Abs. 1 lit. b SRMR-II. Vgl. Art. 113 Abs. 7 lit. c CRR i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 BRRD. S. Definition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 127 CRR. Vgl. Art. 113 Abs. 7 CRR. Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht v. Juni 2014, Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, S. 34; Greve, Bafin Journal Oktober 2013, 18 f. Zu den Grundzügen des Haftungsverbunds im Sparkassensektor s. Pehla, Der Haftungsverbund der Sparkassen-Finanzgruppe, 2006. Vgl. § 17 Abs. 3 der Rahmensatzung für das als Einlagensicherungssystem anerkannte institutsbezogene Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe, zuletzt geändert durch Beschluss der Mitgliederversammlung am 18. Juni 2018, abrufbar unter: www.dsgv.de (Stand: 15. Januar 2021); § 21 Abs. 2 der Satzung der BVR Institutssicherung GmbH, v. 1. Januar 2019, abrufbar unter: www.bvr-institutssicherung.de (Stand: 15. Januar 2021). An der Institutssicherung der Sparkassenfinanzgruppe nehmen 403 Sparkassen, 6 Landesbanken eine Girozentrale und 8 Landesbausparkassen teil; vgl. eigene Darstellung der Sparkassenfinanzgruppe unter: www.dsgv.de (Stand: 15. Januar 2021).
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Volks- und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) teilnehmenden Institute¹⁶⁶.¹⁶⁷ Von ihnen zu unterscheiden sind Einlagensicherungseinrichtungen, wie die der privaten Banken (EdB)¹⁶⁸ und die der öffentlichen Banken (EdÖ)¹⁶⁹, die in privater Rechtsform mit gesetzlichem Auftrag (sog. „Beliehene“) handeln. Die DGSD harmonisierte europaweit die bestehenden Einlagensicherungssysteme und führte die Pflicht einer Zugehörigkeit an einem Einlagensicherungssystem ein, sodass die Teilnahme an einem Institutssicherungssystem nicht mehr ausreichend war.¹⁷⁰
c) Aufsichtsbehördliche Sanierungsmaßnahmen Neben vertraglichen Bestimmungen und Institutssicherungssysteme können auch aufsichtsbehördliche Maßnahmen im Rahmen der Frühintervention als „mildere Mittel“ zur Abwendung des bevorstehenden Ausfalls eines Instituts klassifiziert werden. Die Frage, ob die von der Aufsicht angeordneten Sanierungsmaßnahmen Erfolg versprechen, hängt maßgeblich mit der diesbezüglichen Entscheidungspraxis der zuständigen Behörden zusammen. Sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen, sind die Frühinterventionsmaßnahmen nach Art. 27– 29 BBRD sowie etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach Art. 104 CRD-IV vorrangig anzuwenden.¹⁷¹ Hierzu zählen u. a. das Vorschreiben von verschärften Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen,¹⁷² die Umsetzung eines zuvor erstellten Sanierungsplanes¹⁷³, der Einsatz eines Sonderverwalters¹⁷⁴ und die Entlassung der Geschäftsleitung¹⁷⁵.¹⁷⁶ Hinzu tritt die Forderung der Aufsichtsbehörden ge-
Mitglieder der Institutssicherung des BVR sind insgesamt 916 Banken; vgl. die Liste unter: www.bvr.de (Stand: 15. Januar 2021). Grundlegend dazu u. a. Dietl, Das Ende der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung: Materielle Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken, 2010, S. 72; Geiger, Die deutsche Sparkassenorganisation, 1992, S. 28 f. S. Auflistung der Mitgliedsinstitute unter: www.bankenverband.de (Stand: 15. Januar 2021). S. Auflistung der Mitgliedsinstitute unter: www.voeb.de (Stand: 15. Januar 2021). Vgl. ErwGr. 11, 13 DGSD sowie § 2 Abs. 1 EinSiG. Die Sicherungssysteme des DSGV und des BVR wurden von der BaFin als Einlagensicherungssysteme gem. § 43 EinSiG anerkannt. Vgl. ErwGr. 40 BRRD. Die Frühinterventionsmaßnahmen wirken aufgrund ihrer rein aufsichtsrechtlichen Natur teilweise wie ein „Fremdkörper“ in der BRRD. Systematisch betrachtet wäre die Überführung dieser Befugnisse ins Aufsichtsregime konsequent. Vgl. Art. 104 Abs. 1 lit. a, d, k CRD-IV. Vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. a BRRD i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. b CRD-IV. Vgl. Art. 29 BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. 4 BRRD, Art. 28 BRRD i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. g CRD-IV.
A. Haftungsvoraussetzungen
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genüber dem Institut, einen Plan für Verhandlungen mit seinen Gläubigern über eine Umschuldung zu erstellen. Auch diese Aufsichtsmaßnahme geht aber mit keinen unmittelbaren Eingriffsbefugnissen in die Gläubigerrechte einher. Bedeutender – aufgrund ihrer Wechselwirkungen mit dem Bail-in-Instrument – sind die Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse der Abwicklungsbehörden gem. Art. 59 Abs. 2 BRRD-II, Art. 21 Abs. 1 SRMR-II, die relevante Kapitalinstrumente und MREL-fähige Verbindlichkeiten zum Gegenstand haben. Die Ausübung dieser Befugnisse soll in Betracht gezogen werden, nachdem die Frühinterventionsmaßnahmen erwogen wurden, aber bevor es zum Einsatz des Bail-in-Instruments gekommen ist. Es ist insgesamt festzuhalten, dass der Einsatz von Frühinterventionsmaßnahmen sowie die Ausübung der Abschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse im Ermessen der zuständigen Aufsichts- ggf. Abwicklungsbehörden liegt, sodass nicht immer davon auszugehen ist, dass sie dem Bail-in vorausgehen. Außerdem können weitere Befugnisse statuiert sein, die möglicherweise vorrangig Anwendung finden müssen.¹⁷⁷
III. Öffentliches Interesse Als dritte Voraussetzung muss das Bail-in-Instrument und ggf. die Übertragungsinstrumente dem öffentlichen Interesse dienen (sog. public interest assessment – PIA).¹⁷⁸ Demnach muss ein Bail-in zur Erreichung der Abwicklungsziele gem. Art. 31 Abs. 2 BRRD, Art. 14 Abs. 2 SRMR erforderlich und verhältnismäßig sein. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem (drohenden) Ausfall des Instituts und dem Nichterreichen eines Abwicklungszieles bestehen, d. h. dass die Abwicklungsmaßnahme für das Erreichen eines oder mehrerer Abwicklungsziele notwendig ist. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass diese Abwicklungsziele besser durch eine Bail-in-Anwendung erreicht werden können als durch die Liquidation des Instituts im Rahmen eines
Näher dazu Schillig, Bank Resolution Regimes in Europe I – Preparation and Prevention, Early Intervention, 2012, S. 16 ff. Die BRRD stellt lediglich Mindestanforderungen. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, darüber hinaus weitere Instrumente bereitzustellen, solange diese nicht andere Instrumente oder die Abwicklungsziele konterkarieren. Vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. c, Abs. 5 BRRD, Art. 18 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c, Abs. 5 SRMR.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
regulären Insolvenzverfahrens¹⁷⁹. Eine Liquiditation soll mit anderen Worten die Erreichung der Ziele nicht in dem gleichen Maße gewährleisten können.¹⁸⁰ Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass das SRM/BRRD-Rahmenwerk eine Alternative zum klassischen Insolvenzverfahren darstellt. Das Letztere wird dadurch nicht verdrängt. Anders als bei Unternehmensinsolvenzen außerhalb des Finanzsektors, in denen das Ziel verfolgt wird, den verbleibenden Unternehmenswert zu maximieren bzw. die Gläubigerverluste zu minimieren, zielt die Bankenabwicklungsordnung vornehmlich auf den Erhalt der Finanzstabilität durch die Weiterführung aller kritischen Funktionen des ausfallenden Instituts ab.¹⁸¹ Dementsprechend gilt als Grundsatz, dass ausfallende Kreditinstitute im Rahmen eines ordentlichen Insolvenzverfahrens liquidiert werden müssen. Nur wenn dies aus Gründen der Finanzstabilität (insb. Vermeidung einer Ansteckung, Gewährleistung der Kontinuität kritischer Funktionen) nicht zumutbar ist, soll das europäische Bankenabwicklungsregime zum Einsatz kommen. Man könnte davon ausgehen, dass dies bei systemrelevanten europäischen Banken zutrifft. Die „Systemrelevanz“ des betreffenden Instituts im Rahmen des SSM soll aber nicht zwangsläufig zu der Annahme führen, dass seine Abwicklung nach SRM/ BRRD auch im öffentlichen Interesse liegt. So entschied der SRB im Juni 2017, dass eine Abwicklung der zwei italienischen Institute Banca Popolare di Vicenza SpA und Veneto Banca SpA („Veneto-Institute“), die von der EZB bereits als bedeutend eingestuft worden waren,¹⁸² innerhalb des europäischen Abwicklungsregimes nicht im öffentlichen Interesse sei. Stattdessen reiche eine Liquiditation nach italienischem Recht aus.¹⁸³ Auch in seiner jüngeren Entscheidung in Bezug auf die lettische ABLV Bank, die bereits als bedeutend eingestuft war, da sie zu den drei
S. Legaldefinition in Art. 3 Abs. 2 SRMR mit Verweis auf Art. 2 Abs. 1 Nr. 47 BRRD: „Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Liquidators oder Verwalters zur Folge haben und nach nationalem Recht üblicherweise auf Institute Anwendung finden, sei es speziell auf die betroffenen Institute oder generell auf natürliche oder juristische Personen“ Vgl. Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, S. 91, 100. Vgl. Art. 31 Abs. 2 lit. a und b BRRD, Art. 14 Abs. 2 lit. a und b SRMR; ausführlich dazu: Binder, in: Binder/Singh, Bank Resolution: The European Regime, 2016, Rz. 2.26 ff. Nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 5 SSMR sind die drei größten Kreditinstitute eines Mitgliedstaats als bedeutend einzustufen. Vgl. SRB, The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, Pressemitteilung v. 23. Juni 2017. Die zwei Institute wurden nicht als Other Systemically Important Institutions (O-SII’s) für die Zwecke der in der CRD-IV vorgesehenen Kapitalpuffer eingestuft.
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größten Banken Lettlands zählte,¹⁸⁴ lehnte der SRB das Vorliegen eines öffentlichen Interesses mit dem Argument ab, dass sie keine kritischen Funktionen für die Realwirtschaft erbrachte, weil ihr Hauptfeld im Einlagengeschäft mit ausländischen Einlegern bestand.¹⁸⁵ Interessanterweise sah der SRB auch bei der luxemburgischen Zweigniederlassung der ABLV keine Erfüllung des öffentlichen Interesses. Obgleich man erwartet hätte, dass sowohl die lettische Mutter- als auch die luxemburgische Tochtergesellschaft ins jeweilige nationale Insolvenzverfahren überleitet und liquidiert werden, geschah dies nur bei der Ersteren. Somit lehnte das luxemburgische Handelsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab und öffnete damit den Weg für den anschließenden Verkauf der Tochtergesellschaft an einen privaten Dritten.¹⁸⁶ Dieser Vorfall verdeutlicht die Kluft zwischen den Haftungsvoraussetzungen des europäischen Bankenabwicklungsregimes und den nationalen Insolvenzauslösern, indem Institute, die für (wahrscheinlich) ausfallend erklärt werden, deren Abwicklung jedoch nicht im öffentlichen Interesse liegt, an den nationalen Voraussetzungen für die Einleitung des Insolvenzverfahrens scheitern. Durch die Statuierung einer Pflicht in der überarbeiteten BRRD-II, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass bei Erfüllung der zwei ersten Haftungsvoraussetzungen und Nicht-Erfüllung der dritten Haftungsvoraussetzung – nämlich des öffentlichen Interesses – die betroffenen Institute liquidiert werden müssen, dürfte sich das beschriebene Problem nur teilweise entschärfen.¹⁸⁷ Denn solange sehr unterschiedliche Verfahrensweisen mit unterschiedlicher Zielsetzung auf nationaler Ebene unter den Liquidationsbegriff fallen, lassen sich divergierende Ergebnisse nicht vermeiden. Dies steht im Widerspruch zum dualen Ansatz der europäischen Bankenabwicklungsordnung, wonach systemrelevante Institute, die kritische Funktionen erbringen bzw. von deren Ausfall Ansteckungsgefahren ausgehen, auf europäischer Ebene abgewickelt werden und alle anderen Institute nach nationalen Vorgaben aus dem Markt ausscheiden. De lege ferenda empfiehlt sich daher eine möglichst einheitliche
Sie war von den nationalen Aufsichtsbehörden Lettlands als anderweitig systemrelevant (ASRI) eingestuft worden; vgl. ESRB, Notification template for Article 131 CRD – Other Systemically Important Institutions (O-SII), v. 1. März 2016. Vgl. SRB, Notice summarizing the decision taken in respect of ABLV Bank, AS, v. 23. Februar 2018; SRB, The Single Resolution Board does not take resolution action in relation to ABLV Bank, AS and its subsidiary ABLV Bank Luxembourg S.A., 24 February 2018. Vgl. ABLV, The Court Recognises the Soundness of ABLV Bank Luxembourg, S.A. Which Can Now Be Sold to New Investors, v. 9. März 2018, sowie ABLV, Duet Group Acquires ABLV Bank Luxembourg, S. A., v. 16. Januar 2019. Vgl. Art. 32b BRRD-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Auslegung des Liquidationsbegriffs zu fördern. Hierbei handelt es sich zwar um keine einfache Aufgabe, da die nationalen Unterschiede oft auf lange Rechtstraditionen und bewährten Praktiken zurückzuführen sind. Allerdings könnten mittelfristig Alternativen erwogen werden, wie z. B. die Anknüpfung der Feststellung über den Ausfall eines Instituts an den Entzug der Banklizenz. Über das Verhältnis zwischen aufsichtsrechtlicher Systemrelevanz und öffentlichem Interesse für Abwicklungszwecke und über die festgestellte Inkongruenz zwischen Abwicklungs- und Insolvenztriggern hinaus, stellt sich in Bezug auf die zwei Veneto-Institute eine wohl wichtigere Frage, die das Verhältnis zwischen Bankenabwicklungs- und EU-Beihilferecht betrifft. Wie zuvor ausgeführt, sah der SRB kein öffentliches Interesse in der Abwicklung dieser Institute. Der SRB weichte von den Vorgaben der Abwicklungspläne für die zwei Institute ab und bevorzugte eine dynamische Betrachtungsweise, um zum Schluss zu kommen, dass weder kritische Funktionen von den Veneto-Instituten erbracht wurden noch erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität von ihrem Ausfall zu erwarten waren. Demzufolge wurden die Institute ins nationale Insolvenzverfahren übergeleitet. Dies eröffnete dem italienischen Staat die Möglichkeit zur Umgehung der Bail-in-Vorgaben. So gewährte die italienische Regierung im Juni 2017 den zwei Veneto-Instituten insgesamt ca. 17 Mrd. EUR,¹⁸⁸ um deren vorrangige Anleihegläubiger vor jeglichen Verlusten zu schützen. Diese Unterstützung unterlag der beihilferechtlichen Einwilligung durch die Kommission, wonach grundsätzlich nur eine Beteiligung von Anteilseignern und nachrangigen Gläubigern gefordert wird.¹⁸⁹ Daraufin bestätigte die Kommission die beihilferechtliche Konformität der Maßnahmen auf der Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV, der von „Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ spricht.¹⁹⁰ Daraus wird ersichtlich, dass zwei unterschiedliche Maßstäbe für die Beurteilung der Frage gelten, ob das öffentliche Interesse vorhanden ist:¹⁹¹ Während die Kommission die staatlichen Beihilfen zugunsten der Veneto-Institute im
Ca. 5 Mrd. EUR in Form einer Eigenkapitalzufuhr und ca. 12 Mrd. EUR in Form von Garantien; vgl. Ball, Italy to Spend Up to $19 Billion to Bail Out Two Banks,Wall Street Journal, v. 25 Juni 2017, New York; Sanderson et. al., Italy sets aside €17bn to wind down failing lenders, Financial Times v. 26. Juni 2017, London. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung von 2013, Rn. 40 ff. Vgl. Europäische Kommission, State Aid SA. 45664 (2017/N) – Italy – Orderly liquidation of Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca – Liquidation aid, v. 25 Juni 2017, C(2017) 4501, Rn. 95 ff. Vgl. Schillig, The (Il‐)Legitimacy of the EU Post-Crisis Bailout System, King’s College London Law School Research Paper Nr. 2018 – 18, S. 71 ff.
A. Haftungsvoraussetzungen
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Hinblick auf deren Systemrelevanz genehmigte, um eine Beeinträchtigung der italienischen Realwirtschaft abzuwenden, lehnte der SRB eine Abwickkung nach dem europäischen Bankenabwicklungsregime wegen mangelnder Systemrelevanz ab, weil seiner Ansicht nach keine solche Gefährdung für die italienische Realwirtschaft gegeben war. Damit kommt der Kontrast zwischen der Beurteilung über das Vorliegen des öffentlichen Interesses im EU-Abwicklungsregime und im EU-Beihilferecht zum Ausdruck. Diesen naheliegenden Rechtsgebieten liegt ein divergierendes Begriffsverständis vom „öffentlichem Interesse“ zugrunde. Im europäischen Bankenabwicklungsrecht ist zur Bejahung des öffentlichen Interesses die Feststellung erforderlich, dass die Abwicklung notwendig und verhältnismäßig für die Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele (insbesondere den Fortbestand kritischer Funktionen und die Vermeidung erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf das Finanzsystem) ist, während das Regelinsolvenzverfahren die Erfüllung dieser Abwicklungsziele nicht gleichermaßen gewährleisten kann. Demgegenüber setzt das europäische Beihilferecht die Hürde für die Genehmigung von staatlichen Beihilfen aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses ab und überlässt seine Interpretation in erster Linie der nationalen Ebene. Daraus dürfte das allgemeine Problem der Unvorhersehbarkeit für Marktteilnehmer und Bail-in-Halter verschärft werden. Denn sie werden im Unklaren darüber gelassen, unter welchen Bedingungen sie welchem Haftungsrisiko ausgesetzt sind. Eine gewisse Orientierung lässt sich jedenfalls aus der divergierenden Handhabung der spanischen Banco Popular ableiten, deren Abwicklung nach dem EU-Bankenabwicklungsregime nach Ansicht des SRB erforderlich war. Anders als bei den Veneto-Banken, deren aggregierte Bilanzsumme bei ca. 30 Mrd. EUR lag, war Banco Popular ein deutlich größeres Institut und verfügte über Aktiva i.H.v. ca. 150 Mrd. EUR. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Anwendung des europäischen Bankenabwicklungsrechts sich auf eher große/sehr große Banken beschränkt. Sollte sich dieser Trend in der Abwicklungspraxis des SRB in den kommenden Jahren bestätigen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Gläubigerhaftung zur Folge. Es ist jedenfalls fraglich, ob der SRB die Hürde für das Eingreifen des SRM/BRRD-Regelwerks nicht etwas zu hoch gesetzt hat. Denn es gibt zurzeit nur 38 Kreditinstitute mit Bilanzsumme über 100 Mrd. EUR in der Eurozone, wenngleich 117 Banken aktuell der direkten EZB-Aufsicht unterliegen, weil sie als systemrelevant gelten.¹⁹² Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Voraussetzung des Vorliegens von öffentlichem Interesse das Einfallstor für divergierende und teils ins-
Vgl. EZB, List of supervised entities, v. 1. Januar 2020.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
konsistente ad hoc Lösungen hinsichtlich der Lastenverteilung im Bankausfall darstellt. Dies ist insbesondere auf die unterschiedlich ausgestalteten nationalen Insolvenzrechtsordnungen zurückzuführen, die zwar parallel auf Institute anwendbar sind, sich jedoch für eine Abwicklung nach dem SRM/BRRD-Rahmenwerk nicht qualifizieren. Trotz der teilweise erzielten Angleichung der mitgliedstaatlichen Gläubigerrangfolgen hinsichtlich der Vorrangstellung von Einlagen nach Art. 108 BRRD und der Etablierung einer neuen Klasse von sog. „non-preferred senior“-Instrumenten mit der BRRD-Änderungsrichtlinie 2017 (BCHD), weichen die nationalen Insolvenzordnungen sowohl in verfahrens- sowie in materiellrechtlicher Hinsicht voneinander erheblich ab.¹⁹³ Solange es keinen politischen Willen auf EU-Ebene zur weiteren bankspezifischen insolvenzrechtlichen Harmonisierung gibt, wird es keine nachhaltige Lösung für dieses Defizit geben. Zur Abmilderung der damit verbundenen Unsicherheit könnte allerdings – ähnlich wie bei der Feststellung über den Ausfall eines Instituts – das Abstellen auf quantifizierbare Indikatoren dienen, bei deren Vorliegen das öffentliche Interesse (widerlegbar) vermutet wird.¹⁹⁴ Als eine weniger bindende Lösung wäre die zwingende Offenlegung der behördeninternen Bewertungen zur Feststellung über das Vorliegen des öffentlichen Interesses durch die zuständigen Entscheidungsträger denkbar Daraus könnten die Marktteilnehmer wichtige Erkenntnisse über die Gewichtung der einzelnen Kriterien im Einzelfall ableiten.
IV. Ergebnis Im Rahmen der Feststellung über das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen werden den zuständigen Entscheidungsträgern beachtliche Spielräume eingeräumt, die eine Haftungsverwirklichung nach dem Bail-in-Instrument beeinträchtigen oder gar verhindern können. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Anreize der Gläubiger ex ante aus. So hängt die Frage, ob eine außergerichtliche Sanierung als milderes Mittel Erfolg verspricht, maßgeblich von dem Zeitpunkt ab, ab dem die zuständigen Behörden nach etablierter Abwicklungspraxis eingreifen.
Vgl. Nieto/Binder/Singh/Krimminger, The choice between judicial and administrative sanctioned procedures to manage liquidation of banks: a transatlantic perspective, Capital Markets Law Journal 2019, S. 178, 181 f. So deutet nach dem Ansatz der englischen Zentralbank die Führung von mehr als 40.000 bis 80.000 Bankkonten, bei denen regelmäßig Abhebungen vorgenommen wurden, grundsätzlich darauf hin, dass eine Abwicklung nach dem SRM/BRRD-Regelwerk angemessen wäre; Vgl. Bank of England, The Bank of England’s approach to setting a minimum requirement for own funds and eligible liabilities (MREL), v. Juni 2018, S. 5.
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Die damit verbundenen Unsicherheiten erschweren die Prognose der Inhaber von bail-in-fähigen Schuldtiteln über die von ihnen eingegangen Risiken, da ihnen eine Beurteilung über verschiedene Variablen abverlangt wird, die sich nicht auf markt- oder institutsbezogene Faktoren, sondern teilweise auch auf politischen Prozessen stützt.¹⁹⁵ All dies ist in erster Linie auf die komplexe Kompetenzordnung des europäischen Bankenabwicklungsregimes zurückzuführen, die besonders anfällig für politische Einflussnahme ist. Zwar kann es durchaus gerechtfertigt sein, im Fall einer systemischen Bankenkrise mit öffentlichen Mitteln zu intervenieren, um Ansteckungseffekte zu begrenzen. Allerdings sollte eine solche Intervention außergewöhnlichen exogenen Schocks nach dem Vorbild der US-amerikanischen Systemic Risk Exception ¹⁹⁶ vorbehalten bleiben. Dies wäre im Einklang mit der Forderung, den Ermessenspielraum der zuständigen Behörden in Bezug auf Erö ffnung eines Abwicklungsverfahrens mö glichst gering zu halten. Hinzutritt der vage formulierte und teilweise unüberschaubare Kriterienkatalog für die Feststellung des Abwicklungsfalls. Aus der Untersuchung geht hervor, dass die zwei insolvenzähnlichen Eröffnungsgründe – Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit – bereits bei der Prüfung über das Vorliegen der dritten Haftungssvoraussetzung, nämlich der Verletzung von Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen, berücksichtigt werden und daher keinen Mehrwert bieten. Außerdem empfiehlt es sich zur Förderung der Rechtssicherheit und der ex ante Transparenz marktbasierte und makroökonomische Kriterien zu erarbeiten, an die der Einsatz des Bail-in-Instruments geknüpft wird.Wichtig ist dabei, dass eine Unterscheidung zwischen idiosynkratischen und systemischen Risikofaktoren vorgenommen wird. Eine besonders knifflige Herausforderung stellt die Beurteilung darüber, ob eine Abwicklung nach dem europäischen Bankenabwicklungsregime im öffentlichen Interesse liegt, die den Mitgliedsstaaten einen „Fluchtweg“ ins nationale Insolvenzverfahren und in die weniger strengen Lastenverteilungsvorgaben des europäischen Beihilferechts ermöglicht. Aus der bisherigen Abwicklungspraxis ergibt sich eine Divergenz zwischen Abwicklungs- und Beihilferecht über die Hürden, die erfüllt sein müssen, um ein öffentliches Interesse im Einzelfall zu bejahen. Mangels umfassender Harmonisierung der nationalen Insolvenzregime ist keine Lösung für das Problem der fragmentierten Anwendung des abwicklungsrechtlichen Instrumentariums in Sicht. Mittelfristig könnten quantifizier-
Daraus sind auch Preisaufschläge bei diesen Finanzinstrumenten zu erwarten; vgl. die noch kritischere Betrachtung von Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 16 f. § 5384(a) i.V.m. § 5383(a) sowie § 5383(c)(4) Dodd-Frank Act.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
bare Schwellenwerte, die zu einer Vermutung des öffentlichen Interesses führen, einen Beitrag zur Orientierung über den genauen Haftungsumfang für Gläubiger leisten. Zur Förderung der Transparenz und Vorhersehbarkeit für Marktteilnehmer könnte auch die Einführung von Offenlegungspflichten zu Lasten der Abwicklungsbehörden in Bezug auf die von ihnen durchgeführte public interest assessment (PIA) in Erwägung gezogen werden.
B. Haftungsausschlüsse Die normierten Ausnahmetatbestände verkümmern den Haftungsgrundsatz, wonach alle Verbindlichkeiten eines ausfallenden Instituts Gegenstand eines Bailins sein können und bewirken die Verkürzung der Reichweite des Instruments. Wenngleich eine gewisse Flexibilität durchaus notwendig ist, um maßgeschneiderte Lösungen im Einzelfall zu erarbeiten, bergen die bei bei der Durchführung des Bail-in-Instruments bestehenden Entscheidungsfreiräume für Abwicklungsbehörden das Potenzial seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit zu untergraben. Vorgesehen sind zwei Typen von Ausnahmetatbeständen: Per se Ausnahmen und ermessensgeleitete Ausnahmen. Im Rahmen der ersten Kategorie wird eine Reihe von Verbindlichkeiten vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgenommen, ohne dass die Abwicklungsbehörden über einen Spielraum im konkreten Einzelfall darüber verfügen. Es handelt sich hierbei um geschützte Rechtspositionen. Das Gegenteil ist der Fall beim zweiten Typus. Schonen die Abwicklungsbehörden bestimmte Gläubiger im Einzelfall dadurch, dass sie bailin-fähige Verbindlichkeiten bzw. Kategorien hiervon aus dem Bail-in herausnehmen, entsteht ein zusätzlicher Kapitalbedarf für das abzuwickelnde Institut. Dieser ist grundsätzlich aus den restlichen Gläubigerpositionen aufzubringen, ¹⁹⁷ die nun in einem höheren Umfang haften.¹⁹⁸ Daraus wird ersichtlich, dass es gerade in diesem durch beachtliche Spielräume gekennzeichnetem Umfeld notwendig ist, Kriterien zu erarbeiten, mit dem Ziel die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Gläubigerhaftung im europäischen Abwicklungsregime zu verbessern.
I. Einzelfallunabhängige Ausschlüsse In diesem Abschnitt werden die einzelnen per se Ausschlüsse von Passiva aus dem Bail-in-Instrument analysiert und zugleich der Versuch unternommen, sie anhand ihrer Zielsetzung in Gruppen einzuordnen. So liegen den Ausnahmetatbeständen nach Art. 44 Abs. 2 BRRD, Art. 27 Abs. 3 SRMR folgende Ziele zugrunde: ‒ Verhinderung von Bankruns bzw. Ansteckungseffekten über die Finanzmärkte
Art. 27 Abs. 5 UAbs. 2 SRMR, Art. 44 Abs. 3 UAbs. 2 BRRD. Dieser Überwälzung von Kosten werden jedoch Grenzen gesetzt. Näher zum No-CreditorWorse-off-Grundsatz unter: 2. Abschnitt, C., I. iii. https://doi.org/10.1515/9783110764437-008
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
und die Finanzmarktinfrastruktur (Ausschluss von gedeckten Einlagen und Verbindlichkeiten gegenüber Einlagensicherungssystemen, Inter-Bankverbindlichkeiten sowie Verbindlichkeiten gegenüber Marktinfrastrukturen), Wahrung der wesentlichen Funktionen (Verbindlichkeiten gegenüber Beschäftigten und Geschäftsgläubigern, Intra-Bankverbindlichkeiten), Herstellung eines Gleichlaufs mit dem anwendbaren Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten (Ausschluss von besicherten Verbindlichkeiten, Kundenverbindlichkeiten, sowie Verbindlichkeiten aus Treuhandverhältnissen), Rücksicht auf das Fiskalinteresse der Mitgliedstaaten (Ausschluss von Verbindlichkeiten gegenüber Steuer- und Sozialversicherungsbehörden).
Diese zwar aus guten Gründen gerechtfertigte, aber lange Liste der ausgenommenen Forderungen wirft das offensichtliche Problem auf, dass sie die Ausnahme schon in die Nähe der Regel rückt und es nur im Ausnahmefall zum Bail-in einer Forderung kommt. Die für einen Schuldenschnitt zur Verfügung stehenden Verbindlichkeiten machen daher nur einen geringen Anteil an den Gesamtschulden aus. Zum Teil ist dies mit Blick auf die politischen und ökonomischen Kosten, die mit einem Bail-in einhergehen, hinnehmbar. Zugleich bedarf es aber einer Antwort auf die Gefahr hin, dass eine Bank ihre bail-in-fähigen Bestände im Wege der Vertragsgestaltung noch weiter nach unten korrigiert.¹⁹⁹ Vom Bail-in-Instrument sind folgende Verbindlichkeiten per se ausgenommen und zwar unabhängig davon, ob sie dem Recht eines Mitgliedsstaats oder eines Drittstaats unterliegen:²⁰⁰
a) Zur Verhinderung von Bankruns bzw Ansteckungseffekten i) Gedeckte Einlagen An erster Stelle der Ausnahmeliste werden die gedeckten Einlagen genannt.²⁰¹ Als solche gelten alle i.S.d. Art. 6 Abs. 1 DGSD erstattungsfähigen Einlagen,²⁰² sofern sie die gesicherte Deckungssumme nicht übersteigen, die grundsätzlich 100.000
Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, 2017, S. 259, 270. Vgl. Art. 27 Abs. 3 SRMR, Art. 44 Abs. 3 BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. a SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. a BRRD. S. die Legaldefinition von Einlagen in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 DGSD.
B. Haftungsausschlüsse
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EUR pro Einleger²⁰³ beträgt.²⁰⁴ Darüberhinausgehende Einlagenbeträge werden vom Bail-in-Anwendungsbereich nicht ausgenommen.²⁰⁵ Wie die Einordung des Ausschlusstatbestandes zugunsten gedeckter Einlagen bereits zeigt, soll dadurch die Stabilität des Finanzsystems im EU-Binnenmarkt gewährleistet werden, indem Bankruns vermieden werden.²⁰⁶ Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Einleger aufgrund einer berechtigten oder unberechtigten Panikreaktion massenhaft Einlagen abziehen könnten.²⁰⁷ Dieser Mittelabfluss kann die von einem Kreditinstitut vorgenommene Fristentransformation aufs Spiel setzen. Das streng risikoaverse Verhalten der Bankkunden führt letztlich so die (vermeintlich) drohende Insolvenz herbei und der allgemeine Bankrun erhält den Charakter einer „self-fulfilling prophecy“.²⁰⁸ Neben dieses Ziel tritt der Kleineinlegerschutz als weiteres Ziel hinzu. Durch die normierte Freistellung aus der Gläubigerhaftung soll der einzelne Einleger gewissermaßen vor Verlusten geschützt werden, die mit dem Ausfall des Kreditinstituts einhergehen.²⁰⁹ Dies ist vor allem aus Verbraucherschutzgesichtspunkten geboten. Denn der typische Kleinanleger hat in der Regel keine Möglichkeit die Bonität von Instituten umfassend zu prüfen.²¹⁰ Daher soll ihm nicht die Überwachung der finanziellen Stabilität und des Risikoprofils ihres Kreditinsti Die harmonisierte Deckungssumme bezieht sich auf Einleger und nicht Einlagen, vgl. Art. 6 Abs. 1 und ErwGr. 22 DGSD. Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 SRMR, Art. 2 Nr. 94 BRRD, die auf die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 d DGSD verweisen. S. auch die deutsche Umsetzung: Art. 4 Abs. 1 lit. d DGSD-Umsetzungsgesetz i.V.m. § 2 Abs. 4, 5 i.V.m. § 6 und § 8 Abs. 1 EinSiG. Vgl. parallel § 91 Abs. 2 Nr. 1 SAG. Vgl. Art. 27 Abs. 4 UAbs. 1 SRMR, Art. 44 Abs. 2 UAbs. 4 BRRD. Ein Anspruch auf eine höhere Deckung besteht gem. Art. 6 Abs. 2 DGSD für einen begrenzten Zeitraum (bis 12 Monaten nach Gutschrift des Betrags) bei Einlagen, die aus Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien herrühren sowie Einlagen, die soziale Zwecke erfüllen und an bestimmte Lebensereignisse eines Einlegers geknüpft sind, (z. B. Heirat, Scheidung, Renteneintritt, Kündigung, Entlassung, Invalidität oder Tod). Vgl. ErwGr 7 S. 2 sowie ErwGr. 21 DGSD. Grundlegend zur stabilisierneden Funktion der Einlagensicherung Diamond/Dybvig, Bank Runs, Deposit Insurance, and Liquidity, Journal of Political Economy, 91/1983, 401 ff. Vgl. Calomiris/Gorton, in: Hubbard, Financial Markets, S. 109, 112 ff.; Id., in: Calomiris, US Bank Deregulation, S. 93, 96 f. Der Bankrun gilt in der betriebswirtschaftlichen Literatur als die wesentliche Ursache eines Marktversagens in den Finanzmä rkten. Näher dazu: Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, 1996, S. 23; Burghof, Eigenkapitalnormen, 1998, S. 91 ff. Vgl. ErwGr 14, 21 DSGD. S.u.a.: Bader, EG-Bankrechtsharmonisierung, 173, 185; Dale, The Regulation of International Banking, 1986, S. 65 f.; id., Deposit Insurance, 2000, S. 559, 564; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2000, 31; Möschel, Public Law of Banking, Rn. 230; Zimmer, Bankenregulierung, 259 f. S. aber auch Gegenmeinung von: Wenger/Kaserer, Einlagensicherung, 1997, S. 22 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
tuts aufgebürdet werden.²¹¹ Außerdem ist insbesondere für Kleinsparer oft wichtiger als die „Verwahrung“ ihrer Ersparnisse der rasche und ungehinderte Zugriff darauf. ²¹² Ihnen dient das eigene Bankkonto nicht nur als Vermögensanlage, sondern auch als eine Art Verwahrstelle ihres regelmäßigen Zahlungsverkehrs. Daher sind Kleineinleger aufgrund ihrer mangelnden „Professionalität“ auf einen zusätzlichen Schutz angewiesen. Die Kapitallücke, die durch die Haftungsausnahme für gedeckte Einlagen entsteht, führt jedenfalls nicht zu einer Erweiterung des Haftungsumfangs für nicht-ausgenommene Gläubigerpositionen. Um eine Benachteiligung der restlichen Gläubiger zu vermeiden,²¹³ ist der Ausschlusstatbestand mit einer Ausgleichspflicht für die jeweiligen mitgliedsstaatlichen Einlagensicherungssysteme verknüpft.²¹⁴ Somit treten die Einlagensicherungssysteme an die Stelle der geschützten Einleger und beteiligen sich an den mit einem Bail-in einhergehenden Verlusten. Um den Fortbestand und die Funktionalität der Einlagensicherungssysteme nicht zu untergraben, beschränkt sich diese Ausgleichspflicht wiederum auf 50 % der gesetzlichen Zielausstattung (0,8 % der Gesamteinlagen des jeweiligen Einlagensicherungssystems)²¹⁵.²¹⁶ Dadurch soll eine Überforderung der knappen Ressourcen von Einlagensicherungssystemen verhindert werden. Im Übrigen sollen auch die Einlagensicherungssysteme wie im regulären Insolvenzverfahren zur Verlusttragung herangezogen werden. Die Einlagensicherung ist im Rahmen des Bail-in-Instruments nur insofern privilegiert, dass sie innerhalb der Haftungsreihenfolge nachrangig haftet.²¹⁷
ii) Verbindlichkeiten gegenüber Einlagensicherungssystemen Verbindlichkeiten des Instituts gegenüber Einlagensicherungssystemen, die aus den Beitragspflichten des Art. 10 DGSD resultieren, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments.²¹⁸ Hierunter fallen die Forderungen gegenüber Einlagensicherungssystemen, die sich aus den im Voraus erhobenen S. ausführlich dazu: Binder, Bankeninsolvenzen im Spannungsfeld zwischen Bankaufsichtsund Insolvenzrecht, 2005, S. 109 ff.; Hissnauer, Die Reform der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung in Deutschland, 2013, S. 27 f. Die maximale Erstattungsfrist für Einlagensicherungssysteme beträgt sieben Arbeitstage. Vgl. Art. 8 Abs. 1 sowie ErwGr. 38 – 40 DGSD. S. auch die deutsche Umsetzung in § 14 Abs. 3 EinSiG. Vgl. ErwGr. 81 SRMR, ErwGr. 71 BRRD. Vgl. Art. 79 Abs. 1 SRMR, Art. 109 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a BRRD. Vgl. Art. 10 Abs. 2 DGSD. Vgl. Art. 79 Abs. 5 UAbs. 2 SRMR, Art. 109 Abs. 5 UAbs. 2 BRRD. Vgl. Art. 108 lit. b Nr. ii BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. g Nr. iv SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. g Nr. iv BRRD.
B. Haftungsausschlüsse
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Beiträgen gem. Art. 10 Abs. 1 DGSD, aus den außerordentlich ex post Beiträgen gem. Art. 10 Abs. 8 DGSD oder aus Zahlungsverpflichtungen gem. Art. 10 Abs. 3 DGSD ergeben, sofern die Letzteren als Verbindlichkeiten in der Bilanz auszuweisen sind²¹⁹. Das offenkundige Ziel dieses Ausnahmetatbestandes besteht in der Vermeidung einer Überstrapazierung der Ressourcen von Einlagensicherungssystemen. Dadurch soll das Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit aufrechterhalten bleiben.²²⁰
iii) Inter-Bankverbindlichkeiten Ausgenommen werden auch Verbindlichkeiten gegenüber anderen Kreditinstituten bzw. Wertpapierfirmen mit einer Ursprungslaufzeit von weniger als sieben Tagen.²²¹ Der Ausnahmetatbestand umfasst jegliche kurzfristige Finanzierungsformen, die den Instituten als wichtige Refinanzierungsquelle dienen, um ihren Liquiditätsbedarf effizient abzudecken. Dazu zählen ungesicherte Interbankenkredite, Commercial Papers und Certificates of Deposit sowie gesicherte Formen wie Repos, Swaps und besicherte Geldmarktpapiere (asset-backed commercial papers – ABCP).²²² Neben Banken und Wertpapierfirmen sind auch weitere Finanzintermediäre auf diese kurzfristigen Refinanzierungsmittel angewiesen (z. B. die Geldmarktfonds oder Money Market Funds – MMFs).²²³ Im Gegensatz zu den Erstgenannten kommen jedoch die Letzteren nicht in den Genuss der Haftungsausnahme. Diesem Ausnahmetatbestand liegt die Prämisse zugrunde, dass die Kreditvergabe der Institute untereinander im Rahmen des Wholesale Funding ein schutzwürdiges Gut ist, das unbeeinträchtigt von hoheitlich angeordneten Haircuts bleiben soll. Durch die Refinanzierung über den kurzlaufenden Interbankenmarkt sollen die Institute besser in die Lage versetzt werden Liquiditätsengpässe zu überwinden, die sich infolge eines Vertrauensverlustes in Form einer destabilisierenden Kapitalflucht oder sogar eines Runs manifestieren. Daraus
Vgl. EBA, Clarification of Z02.00, row 0200 (DGS liabilities), Q&A 2018_4213, v. 29. November 2019. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07, v. 6. März 2015, S. 19. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. e SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. e BRRD. Näher zu den verschiedenen Refinanzierungsquellen für Kreditinstitute: IMF, Global Financial Stability Report v. Oktober 2013, S. 108 ff. Während der Finanzkrise kam es bei den Geldmarktfonds zu massenweisen Rücknahmeforderungen zahlreicher Anleger. S. ErwGr. 3 VO 2017/1131/EU v. 14. Juni 2017 über Geldmarktfonds („Geldmarktfonds-VO“).
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
resultieren positive realwirtschaftliche Effekte. Da gerade diese kurzfristigen Finanzierungsinstrumente besonders anfällig für den plötzlichen Entzug sind, der zum Zusammenbruch der Liquiditätsversorgung von Kreditinstituten führen kann, wie sich während der Finanzmarktkrise eindrucksvoll gezeigt hat, sind sie aus dem Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments herauszunehmen.²²⁴ Daher zielt dieser Ausnahmetatbestand auf die Vermeidung von panikartigen Runs in den Interbankenmärkten und dadurch auf die Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit. Diese Privilegierung des kurzlaufenden Interbankenmarkts ist jedoch im Hinblick auf das angestrebte Ziel eines stabileren Finanzsystems nicht unumstritten. Aus der Haftungsausnahme entstehen Anreize für Banken und Bankgläubiger besonders viele kurzfristige Kredite nachzufragen. Dies kann destabilisierend statt stabilisierend wirken, insbesondere wenn jeglicher Schutzmechanismus aufgrund der exponentiell steigenden Volumina an seine Grenzen stößt.
iv) Verbindlichkeiten gegenüber Systemen oder Systembetreibern Eine weitere Ausnahme gilt für Verbindlichkeiten gegenüber Zahlungssystemen, Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen oder den Systembetreibern sowie Mitgliedern an solchen Systemen die im Einklang mit der Richtlinie 98/26/EU stehen (Finalitätsrichtlinie bzw. FinalRL)²²⁵, sofern diese Verbindlichkeiten auf der Teilnahme an einem entsprechenden, geschützten System beruhen.²²⁶ Unter dem Terminus System ²²⁷ ist eine förmliche Vereinbarung zu verstehen, die zwi-
S.u.a. Hellwig, Finanzkrise und Reformbedarf, 2010, S. 18 ff. Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierlieferung- und -abrechnungssystemen (Finalitätsrichtlinie – FinalRL; im Englischen: Settlement Finality Directive – SFD), die durch die RL 2009/44/EG und die RL 2019/879 geändert wurde. Die Richtlinie dient der Absicherung der Teilnehmer an Zahlungs- sowie Wertpapierlieferung- und -abrechnungssystemen im Falle der Insolvenz eines anderen Teilnehmers, um Beeinträchtigungen des Systems so gering wie möglich zu halten und eine effiziente und kostengünstige Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungsvereinbarungen zu gewährleisten.Vgl. ErwGr 3 – 4 FinalRL. Näher dazu: Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf/Nettescheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 63 AEUV Freier Kapital- und Zahlungsverkehr, Rn. 440. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. f SRMR-II, Art. 44 Abs. 2 lit. f BRRD-II. S. die Definition des Begriffs „System“ in Art. 2 Abs. 1 lit. a FinalRL-II (geändert durch die RL 2009/44/EG). Eine Vereinbarung zwischen interoperablen Systemen stellt hingegen kein System dar; Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 FinalRL-II. Demgegenüber können Vereinbarungen mit indirekt teilnehmenden Kreditinstituten ein System bilden.
B. Haftungsausschlüsse
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schen mindestens drei Teilnehmern²²⁸ getroffen wurde und gemeinsame Regeln sowie vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern oder das Clearing, mit oder ohne Einschaltung einer zentralen Vertragspartei, umfasst. Als Teilnehmer²²⁹eines Systems kommen vor allem Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, Verrechnungsstellen²³⁰, zentrale Gegenparteien (CCPs) ²³¹, Clearingstellen²³² sowie Clearingmitglieder einer CCP²³³ in Betracht. In der heutigen digitalisierten Geldwirtschaft stehen Zahlungs-, Abrechnungs- und Clearingsysteme hinter fast jedem Zahlungsvorgang und bilden damit den ideallen Kanal für die Ausbreitung von Ansteckungseffekten auf den Finanzmärkten.²³⁴ Sie konzentrieren erhebliche Risiken auf sich, die über die Systeme und deren Teilnehmern hinausgehen und deren Eintreten die Finanzstabilität bedrohen kann. Aus diesem Grund soll bereits bei der Entstehung von potenziellen Systemrisiken eingegriffen und verhindert werden, dass der Ausfall eines Teilnehmers zu einer derartigen Störung im System führt, die auch andere Teilnehmer zur Zahlungsunfähigkeit zwingt. Dabei soll zwischen für die Finanzstabilität bedeutsamen und sonstigen Systemen unterschieden werden.²³⁵ Entscheidend hierfür ist u. a. die konkrete Ausgestaltung der Zahlungs-, Abrechnungs- und Clearingsysteme.²³⁶ Um mögliche Störungen an solchen Systemen durch die Insolvenz eines ihrer Teilnehmer abzuwenden, sieht die FinalRL vor, dass die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht rückwirkend in die aus der Teilnahme am System resultierenden Rechte und Pflichten eines Teilnehmers
Ohne den Betreiber dieses Systems, einer etwaigen Verrechnungsstelle, zentralen Vertragspartei oder Clearingstelle oder eines etwaigen indirekten Teilnehmers mitzuzählen; vgl. id. Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. f FinalLR-III (zuletzt geändert durch die RL 2019/879 v. 20. Mai 2019). Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. d FinalLR-I. Vgl. Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. c FinalLR-III Art. 2 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, L201/1 (Marktinfrastrukturverordung; im Englischen: European Market Infrastructure Regulation – EMIR). Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. e FinalLR-I Die gem. Art. 17 EMIR zugelassen sind. Vgl. BIZ, Principles for financial market infrastructures, v. April 2012, S. 5; BIZ, Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, die für die Stabilität des Finanzsystems bedeutsam sind, Nr. 43, v. 21. Januar 2001, S. 1. Vgl. BIZ, Grundprinzipien für Zahlungsverkehrssysteme, die für die Stabilität des Finanzsystems bedeutsam sind, Nr. 43, v. 21. Januar 2001, S. 7. So wird u. a. je nach Art und Zeitpunkt des Zahlungsausgleichs zwischen Echtzeit-Bruttoausgleichs-systemen („Real-Time Gross Settlement“ – RTGS), Systemen mit Nettozahlungsausgleich („Deferred Net Settlement“ – DNS) und Hybridsystemen differenziert; vgl. id., S. 30 f.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
eingreifen darf sowie dass die Rechte von Systembetreibern oder Inhabern dinglicher Sicherheiten vom Insolvenzverfahren unberührt bleiben.²³⁷ Im Einklang damit sollen Verbindlichkeiten gegenüber solchen Systemen oder deren Teilnehmern auch vor einer Einbeziehung in das Bail-in-Instrument geschützt werden. Denn auch das birgt das Risiko, Ansteckungseffekte auszulösen. Der Schutz beschränkt sich allerdings auf kurzlaufende Verbindlichkeiten. Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über sieben Tage sollen weiterhin in den Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments fallen. Aufgrund ihrer besonderen Run-Anfälligkeit werden aber Verbindlichkeiten gegenüber Systembetreibern oder Teilnehmern weiterhin von den Aussetzungsbefugnissen (Moratoria) ausgenommen.²³⁸ Es soll sichergestellt werden, dass Frühinterventionsmaßnahmen, Moratoria gem. Art. 33a BRRD-II oder Abwicklungsmaßnahmen für sich genommen keinen Beendigungsgrund bzw. kein Insolvenzverfahren für die Zwecke der FinalRL darstellen, sofern die wesentlichen vertraglichen Verpflichtungen weiterhin erfüllt werden.²³⁹ Im Übrigen vollzog sich mit Inkrafttreten des Bankenpakets von 2019 (SRMRII/BRRD-II) eine Ausweitung des hier untersuchten Ausnahmetatbestandes, so dass auch kurzlaufende Verbindlichkeiten gegenüber den von der ESMA anerkannten zentralen Gegenparteien aus Drittländern²⁴⁰ vom Bail-in ausgenommen sind.²⁴¹ Von der Ausnahme ausgeschlossen bleiben jedoch weiterhin die kurzlaufenden Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und Wertpapieren sowie Verrechnungs- und Clearingstellen aus Drittländern, sofern sie nicht nach Maßgabe der FinalRL benannt worden sind (sog. non designated systems).
b) Zur Wahrung kritischer Funktionen i) Verbindlichkeiten aus dem alltäglichen Geschäftsbetrieb Die Privilegierung von Forderungen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb²⁴² zielt auf die Sicherstellung der operativen Kontinuität systemrelevanter Geschäftsbereiche und kritischer Funktionen ab. Somit sind Verbindlichkeiten gegenüber Geschäfts- oder Handelsgläubigern ausgenommen, die aufgrund von Lieferungen und Dienstleistungen für den alltäglichen Geschäftsbetrieb des Instituts von
Vgl. Art. 7, 9 FinalRL-II. Vgl. Art. 33a Abs. 2 lit. a, Art. 69 Abs. 4 lit. a, Art. 70 Abs. 2 lit. a, Art. 71 Abs. 3 lit. a BRRD-II. Vgl. ErwGr. 30 BRRD-II. Gem. Art. 25 EMIR. Vgl. auch Art. 12a FinalRL-III. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. g SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. g BRRD.
B. Haftungsausschlüsse
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wesentlicher Bedeutung sind. Als Beispiele werden IT-Dienstleistungen, Versorgungsdienste, Anmietung, Bewirtschaftung und Instandhaltung von Gebäuden genannt. Das gleiche Ziel wird aber auch mit dem Ausschluss von Verbindlichkeiten gegenüber Beschäftigten aufgrund ausstehender Lohnforderungen, Rentenleistungen oder anderer fester Vergütungen verfolgt, mit Ausnahme variabler Vergütungsbestandteile,²⁴³ die nicht tarifvertraglich geregelt sind. Dabei stehen keine arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkte im Vordergrund. Stattdessen liegt der Fokus auf die Fortführung der operativen Geschäfte des Instituts.²⁴⁴
ii) Intra-Bankverbindlichkeiten Hierbei handelt es sich um die jüngste von allen Ausnahmetatbeständen die im Zuge der Umsetzung des EU-Bankenpakets im Juni 2019 in das SRM/BRRD-Rahmenwerk aufgenommen wurde.²⁴⁵ Demnach unterliegen Verbindlichkeiten gegenüber Instituten, die Teil derselben Abwicklungsgruppe, aber keine Abwicklungseinheit sind, explizit nicht dem Bail-in-Instrument. Dies soll ungeachtet ihrer Laufzeiten gelten, es sei denn diese Verbindlichkeiten nehmen nach den national anwendbaren Vorgaben einen niedrigeren Rang als gewöhnliche unbesicherte Verbindlichkeiten ein. Dieser Ausnahme liegt die Befürchtung zugrunde, dass die Einbeziehung von Forderungen gegenüber Gruppenmitgliedern in das Bail-in-Instrument das operative Geschäft der Bankengruppe beeinträchtigen und bis zum Herauslösen des Konzernverbunds führen kann.
c) Zum Gleichlauf mit dem Insolvenzrecht Die folgenden Ausschlusstatbestände knüpfen an das jeweilige mitgliedsstaatliche Insolvenzregime an, mit dem Ziel Unstimmigkeiten zwischen dem größtenteils harmonisierten Bankenabwicklungs- und dem größtenteils nicht harmonisierten Insolvenzrecht zu vermeiden. Dabei geht es vornehmlich um die Verhinderung einer Schlechterstellung der Bankgläubiger im Rahmen des Abwicklungsverfahrens im Vergleich zu einem hypothetischen Insolvenzverfahren, in dem ihnen bestimmte Rechte zustünden. Zwar besteht für die zu dieser Kategorie gehörenden Ausschlusstatbestände für bestimmte Forderungen eine insol-
Gem. Art. 92 Abs. 2 CRD-V. Vgl. ErwGr. 70 BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. h SRMR-II, Art. 44 Abs. 2 lit. h BRRD-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
venzrechtliche Privilegierung in den Rechtsordnungen der allermeisten Mitgliedsstaaten. Dennoch fällt der gewährte Schutz hinsichtlich seines Umfangs und seines Rangs unterschiedlich aus. Hinzu kommen weitere fundamentale Unterschiede, die das Grundverständnis der jeweiligen Begriffe betreffen. Somit lässt sich eine divergierte Behandlung der Gläubigerpositionen im grenzüberschreitenden, unionsweiten Kontext kaum vermeiden.
i) Besicherte Verbindlichkeiten Von der Anwendung des Bail-in-Instruments ausgenommen sind besicherte Verbindlichkeiten.²⁴⁶ Denn sie werden auch insolvenzrechtlich in Form von Aus-²⁴⁷ oder Aussonderungsrechten²⁴⁸ geschützt. Gäbe es diese Schutzvorgabe im Bankenabwicklungs-regime nicht, stünden gesicherte Gläubiger schlechter da, als sie im Rahmen einer hypothetischen Insolvenz stehen würden, in der ihnen das Recht zur Aus- oder Absonderung ihrer Sicherheiten zustünde.²⁴⁹ Genau dies soll dieser Ausschlusstatbestand verhindern. Dem europäischen Bankenabwicklungsregime liegt ein weites Begriffsverständnis von besicherten Verbindlichkeiten zugrunde, das sich auf Pfandrechte, pfandrechtsähnliche Zurückbehaltungsrechte sowie Sicherungsvereinbarungen in Form der Vollrechtsübertragung erstreckt.²⁵⁰ Zur Konkretisierung des Begriffs empfiehlt sich der Blick in die delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 zur vertraglichen Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnis-
Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. b SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. b BRRD. Vgl. § 47 InsO. Vgl. §§ 49 – 52 InsO. Vgl. Begründung des BRRD-Umsetzungsgesetzes, BT-Drs. 18/2575, v. 22. September 2014, S. 172. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 67 BRRD ist als besichert eine Verbindlichkeit zu verstehen, „bei der der Anspruch des Gläubigers auf Zahlung oder auf eine andere Form der Leistung durch ein Pfand oder pfandrechtsähnliches Zurückbehaltungsrecht oder durch eine Sicherungsvereinbarung abgesichert ist, einschließlich Verbindlichkeiten aus Pensionsgeschäften und anderen Sicherungsvereinbarungen in Form der Eigentumsübertragung“. In der SRMR ist keine entsprechende Vorschrift enthalten. Anstelle des in der englischen Sprachfassung verwendeten Begriffs „title transfer collateral arrangement“ wird in der deutschen Sprachfassung irrtümlich der Begriff „Eigentumsübertragung“ verwendet; vgl. für den Hinweis Köhling, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016,VI.B. Rn. 58, S. 362. Die Definition der besicherten Verbindlichkeit (secured liability) in der englischen Sprachfassung lautet: „a liability where the right of the creditor to payment or other form of performance is secured by a charge, pledge or lien, or collateral arrangements including liabilities arising from repurchase transactions and other title transfer collateral arrangements“.
B. Haftungsausschlüsse
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sen,²⁵¹ auch wenn sie besicherte Verbindlichkeiten für die Zwecke des Art. 55 BRRD betrifft.²⁵² Darin heißt es, dass die Verpflichtung zur Aufnahme von vertraglichen Bail-in-Klauseln in besicherte Verbindlichkeiten gem. Art. 55 Abs. 1 lit. a BRRD i.V.m. Art. 44 Abs. 2 lit. b BRRD weiterhin gilt, wenn diese Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht vollständig besichert sind, oder vollständig besichert sind, aber einer vertraglichen Bestimmung unterliegen, die den Schuldner nicht dazu verpflichtet, die Verbindlichkeit gemäß den Anforderungen des Unionsrechts (oder eines Drittlandes) auf kontinuierlicher Basis vollständig besichert zu halten.²⁵³ A contrario könnte man daraus schließen, dass eine besicherte Verbindlichkeit für die Zwecke des Art. 44 Abs. 2 lit. b BRRD ununterbrochen und vollumfänglich durch Sicherheiten abgedeckt sein muss. Besicherte Verbindlichkeiten sind per se vom Anwendungsbereich des Bailin-Instruments ausgeschlossen nur soweit sie mindestens durch den Wert der zugrunde liegenden Sicherheit besichert sind.²⁵⁴ Im Umfang, in dem eine Verbindlichkeit durch die gestellte Sicherheit aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung der Sicherheit oder aufgrund des Marktwertes der Sicherheit nicht abgesichert ist, handelt es sich um eine bail-in-fähige Verbindlichkeit.²⁵⁵ Dadurch sollen Umgehungsstrategien der Gläubigerhaftung vermieden werden, indem z. B. Verbindlichkeiten mit wertlosen bzw. minderwertigen Sicherheiten allein mit dem Ziel besichert werden, diese Verbindlichkeiten vom Bail-in-Haftungsrisiko zu befreien. Die Behandlung von nur partiell besicherten Verbindlichkeiten kann sich als hochproblematisch in der Abwicklungspraxis erweisen.
Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075, vom 23. März 2016 zur Ergä nzung der Richtlinie 2014/ 59/EU des Europä ischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplä nen, Abwicklungsplä nen und Gruppenabwicklungsplä nen, die Mindestkriterien, anhand deren die zustä ndige Behö rde Sanierungs- und Gruppensanierungsplä ne zu bewerten hat, die Voraussetzungen fü r gruppeninterne finanzielle Unterstü tzung, die Anforderungen an die Unabhä ngigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt wird, L 184/1, [im Folgenden: „Del-VO 2016/1075“]. Vgl. Köhling, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, VI.B. Rn. 60, S. 362, der eine Gesetzesanalogie trotz der unterschiedlichen Zielsetzung und Betrachtungsweise der einschlägigen Vorschriften (Art. 44 Abs. 2 BRRD einerseits und Art. 55 Abs. 1 BRRD andererseits) für unbedenklich und gar sinnvoll hält. Vgl. Art. 43 Abs. 1 Del-VO 2016/1075. Somit ist der Schutz auf den Liquidationswert der Sicherheit beschränkt. Vgl. Art. 27 Abs. 4 SRMR, Art. 44 Abs. 2 UAbs. 3 BRRD. S. auch § 91 Abs. 2 Nr. 2 SAG. Vgl. u. a. Mirtschink/Gallei, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, C. III. Rn. 39.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Vom Ausnahmetatbestand erfasst sind besicherte Verbindlichkeiten aus gedeckten Schuldverschreibungen sowie Verbindlichkeiten in Form von Finanzinstrumenten, die Absicherungszwecken dienen, die einen festen Bestandteil des Deckungsstocks bilden und die nach einzelstaatlichem Recht ähnlich wie gedeckte Schuldverschreibungen besichert sind.²⁵⁶ Ähnliches gilt für die einer Netting-Vereinbarung unterliegenden Derivate, die ebenfalls vom Bail-in ausgeschlossen sind. Dies gilt jedoch nur, wenn alle im Rahmenvertrag enthaltenen Derivate vollständig auf Nettobasis besichert sind, d. h. bei Glattstellung bzw. Close-out keine (neue) bail-in-fähige Verbindlichkeit des Instituts entstehen würde. Als besichert gelten auch Verbindlichkeiten von Zentralbanken im Rahmen ihrer Refinanzierungsgeschäfte, sofern sie durch einen Sicherheiten-Pool gedeckt sind. Problematischer könnte in der Praxis die Behandlung von ELA-Krediten sein, da sie lediglich durch „angemessene Sicherheiten“ gedeckt sein müssen. Sofern sie die erbrachte Sicherheit übersteigen, ist davon auszugehen, dass ELAKredite als bail-in-fähig einzustufen sind. Eine besondere Art von Verbindlichkeiten sind entgegengenommene Sicherheiten (z. B. Barsicherheiten), die in der Bilanz ausgewiesen werden. Wenn solche Sicherheiten an eine Forderungsposition gebunden sind, sollten sie auch für die Zwecke der BRRD als besicherte Verbindlichkeiten gelten. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass die Ausnahme nur auf persönliche Sicherheiten Anwendung finden sollte.²⁵⁷ Dingliche Sicherheiten sind hingegen hiervon nicht erfasst, da sie keine persönliche Haftung begründen. Umstritten ist, ob bereits die Absicherung durch eine persönliche Sicherheit wie etwa eine Garantie genügt. Nach Auffassung der EBA gelten Garantien durch Dritte nicht als Besicherung. Es bedarf einer durch das Institut selbst gestellten Sicherheit, d. h. die Sicherheitsleistung eines Dritten reicht für die Gewährung einer Ausnahme nicht aus.²⁵⁸
Vgl. Art. 44 Abs. 2 lit. b Alt. 2 BRRD, Art. 27 Abs. 3 lit. b Alt. 2 SRMR. Vgl. Geier, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B. I. Rn. 176, S. 202. „Guarantees or liabilities guaranteed by third party are not considered as secured liability in the meaning of Article 43(2)(b) [sic] because that concept must be interpreted as covering only liabilities secured/guaranteed by assets of the institution under resolution.“ Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question 2015_1779; „As clarified in Q&A 1779, the liabilities guaranteed by third party may not be considered as „secured liabilities“ in the meaning of Article 44(2)(b) of Directive 2014/ 59/EU (BRRD) and are thus not excluded from bail-in.“ Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question 2016_2951. Anders jedoch im ErwGr. 70 S. 1 BRRD: „Das Bail-in-Instrument sollte nicht auf Forderungen angewandt werden, die abgesichert, besichert oder auf andere Art und Weise garantiert sind“.
B. Haftungsausschlüsse
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ii) Insolvenzgeschützte Kundenverbindlichkeiten Ausgenommen werden auch Verbindlichkeiten aus der Verwaltung bzw. Verwahrung von Kundenvermögen oder Kundengeldern sofern die jeweiligen Kundenverhältnisse auch durch das anwendbare Insolvenzrecht – in Form von Ausbzw. Absonderungsrechten – geschützt werden.²⁵⁹ Anders als bei den besicherten Verbindlichkeiten enthält das SRM/BRRDRahmenwerk keine Definition zum Kundenbegriff. Daher stellt sich die Frage, welche Reichweite diesem Begriff beizumessen ist. Ausgehend von der Grundausrichtung des europäischen Bankenabwicklungsregimes zur Wahrung der Finanzstabilität bzw. Verhinderung von Ansteckungseffekten könnte man argumentieren, dass der Begriff weit auszulegen ist, so dass auch „mittelbare Kunden“ des betreffenden Instituts geschützt werden, sofern ein insolvenzrechtlicher Schutz für sie besteht. Um einen Gleichlauf mit dem Aufsichtsinstrumentarium herzustellen, könnte als erste Orientierung für die Festlegung des Kundenkreises der Begriff der „verbundenen Kunden“²⁶⁰ herangezogen werden. Als solche gelten natürliche oder juristische Personen, die aufgrund ihrer engen Verflechtung miteinander denselben idiosynkratischen Risiken ausgesetzt sind und mithin als eine Risikoeinheit zu behandeln sind. In aufsichtsrechtlicher Hinsicht wird hierbei zwischen Kunden, unter denen ein Kontrollverhältnis jeglicher Art besteht, und Kunden, die in sonstiger wirtschaftlicher Abhängigkeit zueinanderstehen, unterschieden.²⁶¹ Übertragen auf das Abwicklungsregime würde ein derart weites Verständnis des Kundenbegriffs zu einer erheblichen Erweiterung der vom Ausnahmetatbestand erfassten Verbindlichkeiten führen. Damit würde das weitere Ziel des Abwicklungsregimes, das zugleich ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Aufsichtsregime darstellt, nämlich die Haftungsverwirklichung und der Schutz öffentlicher Mittel, konterkariert werden. Außerdem finden in systematischer Hinsicht Stabilitätsüberlegungen im Rahmen der ermessensgeleiteten Haftungsausschlüsse ausreichende Berücksichtigung. Vor diesem Hintergrund erfüllt der hier untersuchte Ausnahmetatbestand eine eher klarstellende Funktion und soll verdeutlichen, dass Verbindlichkeiten, die im Eigentum der Kunden stehen und nicht dem abzuwickelnden Institut gehören, vom Bail-in
Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. c SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. c BRRD. Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR. Vgl. id., a-b CRR; s. die von der EBA ausgearbeiteten Kriterien hierzu in EBA, Guidelines on connected clients under Article 4(1)(39) of Regulation (EU) No 575/2013, EBA/GL/2017/15 v. 23. Februar 2018, Rn. 11– 15 (für die erste Fallkonstellation eines bestehenden Kontrollverhältnisses), Rn. 16 – 30 (für die zweite Fallkonstellation einer wirtschaftlichen Abhängigkeit) sowie Rn. 31– 33 (für das Verhältnis der zwei Fallkonstellationen zueinander).
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
unberührt bleiben.²⁶² Dafür spricht letztendlich auch der Wortlaut des Ausnahmetatbestandes, der explizit Bezug auf die Kundenvermögen und Kundengelder nimmt, die im Namen von Wertpapierfonds (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren – OGAW)²⁶³ oder alternativen Investmentfonds (AIF)²⁶⁴ hinterlegt wurden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass hauptsächlich die durch das Institut verwalteten bzw. verwahrten Wertpapiere oder Fondsanteile seiner Kunden unter den Ausnahmetatbestand fallen. Aber auch dingliche Gegenstände, wie z. B. die Inhalte von Bankschließfächern, können hiervon erfasst sein.
iii) Insolvenzgeschützte Treuhandverbindlichkeiten Ein weiterer Ausnahmetatbestand ist für etwaige aus Treuhandverhältnissen²⁶⁵ resultierenden Verbindlichkeiten zwischen dem Institut (als Treuhänder) und dem Begünstigten bzw. Treugeber vorgesehen, sofern der Letztere im Insolvenzfall des treuhänderischen Instituts durch das anwendbare Insolvenz- bzw. Zivilrecht geschützt ist.²⁶⁶ Für Verbindlichkeiten aus Treuhandgeschäften²⁶⁷ sind verschiedene Erscheinungsformen denkbar.²⁶⁸ Zunächst kommen Treuhandkredite in Betracht. Je
Vgl. EBA, Scope of bail-in tool regarding client assets or client money held on behalf of UCITS, Q&A v. 3. Februar 2017, 2016_3022: „The purpose of Article 44(2)(c) BRRD is to leave no scope for doubt […]“. Für ein weit gefasstes Begriffsverständnis plädiert hingegen Schöneberger, Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung in Deutschland und den USA, 2018, S. 174 f. I.S.d. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. L 302 v. 17.11. 2009. I.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlament und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/ 2010, ABl. L 174 v. 1.7. 2011. Ähnlich wie der Kunden- ist auch der Treuhandbegriff gesetzlich nicht definiert. Allgemein liegt einem Treuhandverhältnis ein Rechtsverhältnis zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber mit dem Treuhandgut – das Sachen oder Rechte umfasst – als Gegenstand zugrunde. Für einen Überblick zu den diversen Definitionsansätzen im deutschen Schrifttum sowie in der deutschen Rechtsprechung s. Wilhelm, Die rechtsgeschäftliche Treuhand in Deutschland und Frankreich, 2017, S. 71 ff. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. d SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. d BRRD. Für die deutsche Rechtsordnung s. Gesetzesdefinition der Treuhandverbindlichkeiten in § 6 Abs. 1 S. 1 RechKredV: „[…] Schulden, die ein Institut im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung hält, sind in seine Bilanz aufzunehmen. Die Gesamtbeträge sind in der Bilanz unter den Posten […] “Treuhandverbindlichkeiten“ (Passivposten Nr. 4) auszuweisen […]“.
B. Haftungsausschlüsse
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nach Rechtsstellung des treuhänderischen Kreditinstituts bzw. dem Umfang seiner Einwirkungsmacht auf das Treugut, unterteilen sie sich in solche, die im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung durch das Kreditinstitut gewährt werden,²⁶⁹ und solche, die für fremde Rechnung sowie im fremden Namen verwaltet werden (sog. Verwaltungskredite) ²⁷⁰. Da die Letzteren im Namen des Treugebers eingegangen werden, bleibt er auch alleiniger Rechtsinhaber. Aus diesem Grund sind diese Verbindlichkeiten anders als die erstgenannte Kreditkategorie nicht in den Passivposten der Bilanz des treuhänderischen Instituts auszuweisen²⁷¹ und werden vom hier untersuchten Ausnahmetatbestand per Definition nicht erfasst. Demgegenüber wird bei sog. durchgeleiteten Krediten²⁷², die von Instituten im eigenen Namen und für eigene Rechnung vergeben werden, ein zumindest partielles, fremdes Kreditrisiko (des Treugebers) vom kreditgebenden Institut selbst getragen. Somit begründen durchgeleitete Kredite eine über die treuhänderisch hinausgehende Haftung für das kreditgebende Institut. Daher werden sie bilanztechnisch nicht als Treuhandgeschäfte behandelt.²⁷³ Anders als die Treuhandkredite sind die in der Bankpraxis sehr oft anzutreffenden Treuhandkonten zu bewerten.²⁷⁴ Letztere werden zu dem alleinigen Zweck errichtet, auf ihnen Geldbeträge gutzuschreiben, die dem Kontoinhaber von dritter Stelle anvertraut werden.²⁷⁵ Aus der Sicht des kontoführenden Instituts sind Treuhandkonten durch das Auseinanderfallen von Konto- (Treuhänder) und Forderungsinhaberschaft (Treugeber) gekennzeichnet. Dabei ist das kontoführende Institut in aller Regel keine Vertragspartei. Das Treuhandverhältnis besteht
Hier soll nicht der Versuch unternommen werden, alle in der Praxis auftretenden Treuhandformen auszuführen. Eine grobe Einordnung ist jedoch sinnvoll, um herauszufinden, welche Treuhandverhältnisse vom Bail-in nach Maßgabe des hier untersuchten Ausnahmetatbestands unberührt bleiben müssen. Hierbei wird je nachdem, ob ein Rechts- bzw. Eigentumsübergang vom Treugeber ans treuhänderische Institut stattfindet, zwischen Vollrechtstreuhand (bzw. fiduziarischer Treuhandschaft) und Ermächtigungstreuhand differenziert. In diesem Fall wird dem treuhänderischen Institut lediglich eine Vollmacht nach § 167 Abs. 1 BGB zur Vornahme von Verfügungsgeschäften im Rahmen der Verwaltung des Treuguts eingeräumt (sog. Vollmachtstreuhand). S. Bilanzierungsverbot in § 6 Abs. 3 RechKredV. Dazu kritisch Hartmut/Waschbusch, Bankbilanzierung nach HGB und IFRS, 2017, S. 164. In diesem Zusammenhang spricht man von einer fiduziarischen Treuhandschaft (Sicherungstreuhand). Näher zu ihrer bilanziellen Behandlung in: Hartmut/Waschbusch, Bankbilanzierung nach HGB und IFRS, 2017, S. 162. Eine Unterform der Treuhandkonten sind auch die sog. Anderkonten. Ausführlich dazu: Hadding/Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski/Joeres, Bankrechts-Handbuch, 2011, § 38 Rn. 1. id., Rn. 2 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
lediglich zwischen dem Kontoinhaber und dem überweisenden Dritten.²⁷⁶ Das Institut schafft hingegen die abwicklungstechnischen Voraussetzungen, die für die Führung des Treuhandkontos notwendig sind.²⁷⁷ Mangels treuhänderischer Bindung mit dem Institut, stellt das bei ihm eingelegte Geld eine bail-in-fähige Verbindlichkeit dar, die nicht vom Ausnahmetatbestand für Verbindlichkeiten aus Treuhandverhältnissen erfasst ist.²⁷⁸ So können z. B. Gelder bei Anderkonten durchaus Gegenstand eines Bail-in sein. Aussonderungsrechte, die dem Treugeber zustehen, können nicht gegenüber dem kontoführenden Institut, sondern nur gegenüber dem Kontoinhaber bzw. dem Insolvenzverwalter über dessen Vermögen geltend gemacht werden.
iv) Verbindlichkeiten gegenüber Steuer- und Sozialversicherungsbehörden Das Bail-in-Instrument findet keine Anwendung auf Steuerforderungen und Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger, sofern sie nach dem anwendbaren Insolvenzrecht keine vorrangigen Verbindlichkeiten darstellen.²⁷⁹ Von der hiermit geschaffenen Möglichkeit machte allerdings der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch, da auch in der InsO keine entsprechende Privilegierung vorgesehen ist.²⁸⁰
II. Ermessensgeleitete Ausschlüsse Neben den einzelfallunabhängigen Ausnahmen können die Abwicklungsbehörden bestimmte bail-in-fähige Verbindlichkeiten oder Kategorien hiervon (ganz oder teilweise) auch im Einzelfall auf Grundlage einer Ermessensentscheidung aus dem Anwendungsbereich des Bail-in ausschließen.²⁸¹ Die Möglichkeit von adhoc-Ausnahmen ist in der Literatur umstritten. Während von Einigen die dadurch
So id., Rn. 3; Wilhelm, Die rechtsgeschäftliche Treuhand in Deutschland und Frankreich, 2017, S. 105 f. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass das kontoführende Institut, vertragliche Verpflichtungen zugunsten des Treugebers eingeht, die über die zur Erfüllung der Kontoführung notwendigen Pflichten hinausgehen. id.; id. Vgl. Bunkert/Cranshaw, „Bail-in“ – Gläubigerbeteiligung in einer Bankenkrise und die Behandlung von Treuhandverhältnissen, DZWIR 2015, S. 443, 454. Vgl. Art. 27 Abs. 3 lit. g Nr. iii SRMR, Art. 44 Abs. 2 lit. g Nr. iii BRRD. Vgl. Dohrn, WM 2012, 2033, 2038; Zimmer/Weck/Schepp, ZWeR 2014, 257, 264 ff. Vgl. Art. 27 Abs. 5 SRMR, Art. 44 Abs. 3 BRRD. Diese ermessensgeleiteten Befugnisse waren Gegenstand kontroverser Verhandlungen im Gesetzgebungsverfahren; vgl. DG Internal Market, Discussion Paper on the debt write-down tool – Bail-in v. 30. März 2012, S. 7 ff.
B. Haftungsausschlüsse
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eröffnete Möglichkeit einer Fortführung der bisherigen „Bail-out-Politik“ kritisiert wird,²⁸² weisen Andere auf die Gefahren einer umfangreichen Bail-in-Anwendung hin²⁸³. Im US-amerikanischen Recht dürfen ad-hoc-Ausnahmen lediglich zu folgenden vier Zwecken gewährt werden: (1). um den Wert des Unternehmens zu maximieren, (2). um eine Übertragung auf ein Brü ckeninstitut zu vereinfachen, (3). um den zu erzielenden Erlös bei einer Unternehmensverä ußerung oder bei Einzelverkäufen zu erhöhen und (4). um Verluste in den o.g. Fä llen zu reduzieren.²⁸⁴ Die Entscheidung darüber, ob bzw. in welchem Umfang bestimmte bail-infähige Verbindlichkeiten oder Kategorien hiervon aus dem Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments herausgenommen werden, liegt im alleinigen Ermessen der Abwicklungsbehörde. Dies bedeutet, dass kein automatischer Haftungsausschluss aus dem bloßen Vorliegen der Voraussetzungen der hier untersuchten Ausnahmetatbestände abzuleiten ist. Die Ausübung der Ermessensbefugnisse soll aber Ausnahmefällen vorbehalten bleiben. Denn sie führt zu einer Ungleichbehandlung von Gläubigern mit gleichem Insolvenzrang und einer Mehrbelastung der von der Ausnahme nicht erfassten Gläubigern.²⁸⁵ Außerdem steht einem umfangreichen Haftungsausschluss die zentrale Zwecksetzung des Bail-inInstruments entgegen, wonach Anteilseigner und Gläubiger vorrangig die Verluste tragen und öffentliche Mittel geschützt werden müssen²⁸⁶. Bei der Ausübung des Ermessens nach Art. 44 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR haben die Abwicklungsbehörden die allgemeinen Abwicklungsziele und Abwicklungsgrundsätze zu beachten.²⁸⁷ Konkret haben sie Folgendes zu berücksichtigen:
Vgl. u. a. Franke/Krahnen/von Lüpke, Effective resolution of banks: Problems and solutions, ZVglRWiss, 2014, S. 556. Vgl. u. a. Dewatripont, European banking: Bail-out, bail-in and state aid control, International Journal of Industrial Organization 2014, S. 37. Vgl. 12 U.S.C. § 5390(b)(4)(A). Vgl. Geier, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung- und -abwicklung, 2016, B.I Rn. 178. Vgl. Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 lit. c SRMR, Art. 31 Abs. 2 UAbs. 1 lit. c BRRD. Relevant sind insbesondere die Abwicklungsziele in Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a-b SRMR, Art. 31 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a-b BRRD: Sicherstellung der Kontinuität der kritischen Funktionen und Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Diese Abwicklungsziele spiegeln sich bereits in den Ausnahmetatbeständen wider.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
a) Den Grundsatz, dass Verluste in erster Linie von den Anteilseignern und dann grundsätzlich von den Gläubigern des sich in Abwicklung befindlichen Instituts entsprechend ihrer Rangfolge zu tragen sind,²⁸⁸ b) das Niveau der Verlustabsorptionskapazität, über die das in Abwicklung befindliche Institut noch verfügen würde, wenn die Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten ausgeschlossen würde,²⁸⁹ c) die Beibehaltung ausreichender Mittel zur Abwicklungsfinanzierung²⁹⁰ und d) den Grundsatz des Art. 44 Abs. 1 BRRD, wonach das Bail-in-Instrument auf alle Verbindlichkeiten angewandt werden kann, sofern sie nicht explizit gem. 44 Abs. 2 BRRD ausgeschlossen sind. Daraus folgt, dass die Abwicklungsbehörden keine neuen Kategorien von Verbindlichkeiten herausbilden dürfen, die immer vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgenommen werden.²⁹¹ Die Ausschlussmö glichkeiten nach Art. 44 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR können entweder angewandt werden, um eine Verbindlichkeit vollständig von der Herabschreibung auszuschließen oder um den Umfang der auf diese Verbindlichkeit angewandten Herabschreibung zu begrenzen.²⁹² Ausschlüsse sollten fallweise abgewogen werden, indem relevante Erwägungen anhand der einzelnen Ausschlussgründe analysiert werden, statt den besonderen Charakter der betreffenden Institute für sich genommen zu betrachten. Dieser Ansatz dürfte eine kohärente Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände gewährleisten und unnötige Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die Merkmale eines Instituts (wie Größe, Vernetzung oder Komplexität) sollten, wenn relevant, mitberücksichtigt werden, um zu bewerten, ob die den Haftungsausschluss rechtfertigenden Umstände vorliegen. Allerdings sollten diese Merkmale nicht automatisch Ausschlüsse von Verbindlichkeiten eines Instituts vom Bail-in rechtfertigen.²⁹³ Einige allgemeine Faktoren, wie z. B. die Marktbedingungen, die als ursächlich für den Ausfall oder die Höhe der Kapitallücke anzusehen sind, könnten einen Einfluss Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 27 Abs. 12 lit. a SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 44 Abs. 9 lit. a BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 12 lit. b SRMR, Art. 44 Abs. 9 lit. b BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 12 lit. c SRMR, Art. 44 Abs. 9 lit. c BRRD. Vgl. ErwGr. 12 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 5. Vgl. Art. 44 Abs. 10 i.V.m. Art. 44 Abs. 3 BRRD. Vgl. ErwGr. 11 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 5.
B. Haftungsausschlüsse
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darauf haben, ob das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände i.S.v. Art. 44 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR im Einzelfall zu bejahen ist. Dennoch sollten solche allgemeinen Faktoren keine weiteren eigenständigen Gründe für einen Ausschluss neben den bereits genannten Gründen bilden. Zur Konkretisierung der Umstände, unter denen ein Ausschluss nach Ermessen der Abwicklungsbehörde erforderlich ist, wurde die Kommission ermächtigt, delegierte Rechtsakte auf Grundlage von Art. 290 AEUV zu erlassen.²⁹⁴ Die Kommission machte von dieser Befugnis Gebrauch und erließ die Delegierte Verordnung (EU) 2016/860,²⁹⁵ die zwecks einheitlicher Anwendung rechtsverbindliche Vorgaben enthält und den Ausnahmecharakter der hier untersuchten Haftungsausschlüsse betont.²⁹⁶ Im Einklang damit soll vorrangig die Option eines teilweisen Ausschlusses der betreffenden Verbindlichkeiten in Betracht gezogen werden, bevor Gläubigerpositionen vollumfänglich geschont werden.²⁹⁷ Zudem unterliegen die Abwicklungsbehörden besonderen Angabe- und Erläuterungspflichten, wenn sie Ausschlüsse für Verbindlichkeiten gewähren, die nicht im Abwicklungsplan der Institute vorgesehen waren.²⁹⁸ Vier Fallkategorien werden festgelegt in denen Gebrauch von den Ausnahmebefugnissen gemacht werden darf: Unmöglichkeit eines rechtzeitigen Bail-ins (unter a.), Fortbestand kritischer Funktionen des betreffenden Instituts (unter b.), Schutz vor Ansteckungseffekten im Finanzsystem (unter c.) und Verlustminimierung gegenüber anderen Gläubigern (unter d.).
Vgl. Art. 2 Abs. 2 SRMR i.V.m. Art. 115 BRRD. Dies ist nicht mit den ebenfalls als delegierte Rechtsakte zu erlassenden technischen Regulierungsstandards zu verwechseln, bei denen die Kommission gem. Art. 10 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 i.V.m. Art. 4 Abs. 6 S. 3 BRRD an die ausgearbeiteten Entwürfe der EBA gebunden ist; vgl. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012, S. 180; Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 119. Delegierte Verordnung (EU) 2016/860 v. 4. Februar 2016 zur Präzisierung der Umstände, unter denen ein Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse gemäß Art. 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen erforderlich ist [im Folgenden: „Del-VO 2016/860“]. Art. 5 Abs. 2 SRMR i.V.m. Art. 290 AEUV. Bereits vor Erlass der Del-VO 2016/860 ersuchte die Kommission um Stellungnahme der EBA. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015. Vgl. Art. 4 Abs. 3 Del-VO 2016/860. Vgl. Art. 4 Abs. 7 Del-VO 2016/860.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
a) Wegen zeitlicher Unmöglichkeit Ein wesentlicher Umstand ist die im Krisenfall zumeist geringe Zeit zur Reaktion, Planung und Umsetzung des Bail-in-Instruments. Bei akut auftretenden Krisen geschieht dies an einem Bankfeiertag oder an einem Abwicklungswochenende. Das europäische Bankenabwicklungsregime berü cksichtigt diese Eilbedü rftigkeit an verschiedenen Stellen durch die Setzung einer 24-Stunden-Frist.²⁹⁹ Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne kann u. a. aufgrund komplexer vertraglicher Regelungen eine sichere Bewertung mancher Derivate und strukturierter Anleihen unmöglich sein. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist im Bankenabwicklungsregime eine Ausnahme vorgesehen.³⁰⁰ Eine Verbindlichkeit (oder Kategorie von Verbindlichkeiten) darf nur dann von der Anwendung des Bail-in-Instruments ausgeschlossen werden, wenn die bestehenden Abwicklungshindernisse es trotz aller Bemühungen der Abwicklungsbehörde unmöglich machen, dass das Bail-in-Instrument innerhalb einer angemessenen Frist Anwendung findet.³⁰¹ Daraus folgt, dass im Einzelfall der Geschwindigkeit einer Abwicklungsanordnung höhere Bedeutung zukommt als dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung.
i) Angemessene Frist Zentral und somit auslegungsbedürftig ist dabei der Begriff der angemessenen Frist, der weder in der BRRD noch in den auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten definiert wird. Bei der Festlegung der angemessenen Frist muss dem erforderlichen Tempo des Abwicklungsverfahrens Rechnung getragen werden, so dass Verzögerungen vermieden werden.³⁰² Es muss insbesondere sichergestellt werden, dass der Bail-in-Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt endgültig an die verschiedenen Gläubigerklassen zugeteilt wird, um negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft zu verhindern. Nur wenn sich nicht alle Hindernisse zeitnah beseitigen lassen, damit bestimmte Verbindlichkeiten dem Bail-in-Instrument unterzogen werden, können die Abwicklungsbehörden von der Unmöglichkeit einer Bail-in-Anwendung ausgehen.
Vgl. Art. 44 Abs. 12 i.V.m. Art. 91 Abs. 4, 5 BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 5 lit. a SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. a BRRD. Vgl. Art. 5 Abs. 1 Del-VO 2016/860. Vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a-b Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 10.
B. Haftungsausschlüsse
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Die Frage was eine „angemessene Frist“ darstellt hängt in hohem Maße von den konkreten Umständen ab die zum Ausfall des Instituts geführt haben sowie den Marktgegebenheiten zum Zeitpunkt der Abwicklung. Allein dadurch wird die Ausarbeitung von allgemeinen Kriterien zur Präzisierung der Angemessenheit einer Frist erheblich erschwert.³⁰³ Aus diesem Grund empfiehlt es sich, dass die Umstände, die eine rasche Bail-in-Durchrührung überhaupt erforderlich machen, in den Fokus der Abwicklungsbehörden rücken. Die Del-VO 2016/860 bietet dafür folgende Anhaltspunkte, die von den Abwicklungsbehörden bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Zeitspanne zu berücksichtigen sind:³⁰⁴ Die Notwendigkeit der Veröffentlichung eines Bail-in-Beschlusses und der Festlegung der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten; die möglichen Marktreaktionen (bspw. Liquiditätsabflüsse) sowie die Auswirkungen auf das Vertrauen der Marktteilnehmer und auf die Wirksamkeit der Abwicklungsmaßnahmen durch eine verzögerte Bail-in-Beschlussfassung, insbesondere unter Berücksichtigung der Fragen, ob den Marktteilnehmern die Notlage und das Risiko eines Ausfalls des Instituts bekannt und die Folgen der Notlage oder des potenziellen Ausfalls des Instituts für sie sichtbar sind; die Öffnungszeiten der jeweiligen Referenzmärkte³⁰⁵ soweit sie die Kontinuität kritischer Funktionen und Ansteckungseffekte beeinflussen; die Stichtage, an denen die Kapitalanforderungen erfüllt sein müssen; den Fälligkeitstag und die Laufzeit der betreffenden Verbindlichkeiten.
ii) Rechtliche Unmöglichkeit Eine Bail-in-Durchführung kann im Einzelfall aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich sein.³⁰⁶ Auch wenn eine trennscharfe Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien nicht immer möglich ist, lassen sich die für eine zeitnahe Anwendung des Bail-in-Instruments bestehenden Hürden in Hindernisse rechtlicher und praktischer Natur aufteilen.
EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 11. Art. 6 Abs. 2 lit. a-e Del-VO 2016/860. Vgl. auch EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 11. Damit sind Märkte gemeint, die die Kontinuität kritischer Funktionen beeinträchtigen oder Ansteckungseffekte auslösen können. Vgl. ErwGr. 15 – 16 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 12.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Fraglich ist zunächst, ob ein rechtliches Hindernis und somit eine rechtliche Unmöglichkeit des Bail-in-Instruments darin bestehen kann, dass die betreffenden Verbindlichkeiten nicht dem EWR-Recht sondern dem Recht eines Drittlandes unterliegen.³⁰⁷ Dies dürfte insbesondere vor dem Hintergund des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU von großer praktischer Relevanz sein. Zwar ist das Bail-in-Instrument grundsätzlich auch auf Verbindlichkeiten anwendbar, die unter dem Recht eines Drittstaats begeben wurden, sofern sie nicht ausdrücklich gem. Art. 44 Abs. 2 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 3 SRMR ausgeschlossen sind. Um zu gewährleisten, dass solche Verbindlichkeiten unter die Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse der Abwicklungsbehörden fallen können, führte Art. 55 Abs. 1 BRRD eine Aufnahmepflicht von sog. Bail-in-Klauseln in die dem Recht von (nicht EWR‐)Drittstaaten unterstehenden Verträge ein.³⁰⁸ Dieser Mechanismus der vertraglichen Anerkennung vermag zu gesteigerter Wirksamkeit in der grenzüberschreitenden Abwicklung beizutragen, indem er die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Verbindlichkeiten innerhalb einer angemessenen Frist ins Bailin-Instrument einbezogen werden.³⁰⁹ Dies gilt umso mehr, wenn man berück-
Im Gegensatz dazu ist eine rechtliche Unmöglichkeit für Verbindlichkeiten, die dem EWRRecht unterliegen, auszuschließen. Somit stellen nationale Vorschriften der Mitgliedsstaaten, die das Halten von Eigenkapitalinstrumenten an Kreditinstitute verbieten oder beschränken, kein rechtliches Hindernis dar, das einen Haftungsauschluss aus Gründen der Unmöglichkeit gem. Art. 27 Abs. 5 lit. a SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. a BRRD rechtfertigt. Dies ergibt sich u. a. aus der Pflicht zum Wirksamwerden des Bail-in-Instruments gem. Art. 53 BRRD. Außerdem stellt allein die mit der gerichtlichen Kontrollmöglichkeit einhergehende Rechtsunsicherheit oder die Ungewissheit über den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens über eine Bail-in-Anwendung in einem Mitgliedstaat kein rechtliches Hindernis dar, auf Grundlage dessen die betreffenden Verbindlichkeiten aus dem Bail-in-Instrument herausgenommen werden können. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 13. Vgl. Art. 55 Abs. 1 UAbs. 1 BRRD-II. Keine Aufnahmepflicht solcher Bail-in-Klauseln besteht jedoch gem. Art. 55 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD-II, wenn das Recht des Drittlandes oder eine mit dem jeweiligen Drittland geschlossene bindende Vereinbarung der Abwicklungsbehörde des Mitgliedstaats ermöglichen, ihre Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse auszuüben. Vgl. ErwGr. 78 BRRD-I sowie ErwGr. 26 BRRD-II. Im Art. 43 Abs. 3 Del-VO 2016/860 sind ausführliche Vorgaben zu dieser Ausnahme enthalten. Vgl. auch die entsprechenden technischen Regulierungsstandards der EBA: EBA, Final Report, Draft Regulatory Technical Standards on the contractual recognition of write-down and conversion powers under Article 55(3) of Directive 2014/59/ EU, EBA/RTS/2015/06. Vgl. ErwGr. 15 Del-VO 2016/860. Die vertraglichen Anerkennungsmechanismen sollen auch helfen, die Zeit bis zum Abschluss zwischenstaatlicher Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Abwicklungsmaßnahmen zu überbrücken oder sogar noch solche zwischenstaatlichen Abkommen flankieren. Vgl. FSB, Principles for Cross-border Effectiveness of Resolution Action, v. 3. November 2015, Rn. 4.
B. Haftungsausschlüsse
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sichtigt, dass das Versäumnis der Aufnahme einer entsprechenden Bail-in-Klausel in eine Forderung durch das emittierende Institut bzw. die entsprechende Verweigerung des Einverständnisses für die Aufnahme der Klausel durch die Gegenpartei, die zuständige Abwicklungsbehörde nicht zwangsläufig an der Ausübung ihrer Bail-in-Befugnisse hindert.³¹⁰ Vertragliche Anerkennungsklauseln können jedoch Effektivitätshindernisse nicht immer beseitigen. Zunächst sind hierfür bis dato keine einheitlichen Standards in der Praxis etabliert worden, so dass solche Vertragsklauseln unterschiedlich ausformuliert sind, was wiederum Raum für unterschiedliche Interpretationen zulässt. Zwar geht aus dem Wortlaut des Ausnahmetatbestands klar hervor, dass die Abwicklungsbehörde sich um eine Anerkennung der Bail-inVorgaben durch die Drittstaaten bemühen sollte.³¹¹ Es sind aber Situationen denkbar, in denen die Bail-in-Anordnung trotz aller Bemühungen³¹² der Abwicklungsbehörde von den zuständigen Drittstaatsbehörden³¹³ bzw. Drittstaatsgerichten nicht anerkannt wird. Dies kann dem anzuwendenden Recht des Drittstaates geschuldet sein, das die Wirksamkeit von Bail-in-Klauseln aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (u. a. aufsichts- oder verbraucherschutzrechtliche Vorgaben) oder gegen die öffentliche Ordnung versagt.³¹⁴ Über einen Verstoß gegen die rechtlichen Bestimmungen des Drittstaates kann die Anerkennung der Bail-in-Befugnisse auch an der gegenteiligen Anweisung der zuständigen Drittstaatsbehörde scheitern. Den Anlass dafür könnte z. B. die Feststellung einer Ungleichbehandlung zwischen Gläubigern des Drittstaates und Gläubigern des Abwicklungsstaats geben. Andere Gründe für die Anerkennungsversagung können ein Konflikt mit eigenen Maßnahmen des Drittstaates oder die Belastung von dessen Steuerzahlern sein.³¹⁵ Ein weiterer Fall, woran die Anerkennung der Bail-in-Klauseln scheitern kann, ist gegeben, wenn das emittierende Institut die entsprechenden vertraglichen Bestimmungen nicht abändern bzw. über sie nicht verhandeln kann, weil Letztere durch international vereinbarte
Vgl. Art. 55 Abs. 4 BRRD-II und ErwGr. 26 BRRD-II. So auch Art. 5 Abs. 1 Del-VO 2016/860. Einschließlich der Befugnisse nach Art. 67 Abs, 1 lit. a und b BRRD, wonach die Abwicklungsbehörden verlangen können, dass der Verwalter, der vorläufig bestellte Verwalter oder eine andere Person, die das abzuwickelnde Institut kontrolliert, alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass die Anwendung des Bail-in-Instruments wirksam wird. S. Definition der Drittstaatsbehörde in Art. 2 Nr. 90 BRRD. Vgl. ErwGr. 26 BRRD-II; FSB, Principles for Cross-border Effectiveness of Resolution Actions, v. 3. November 2015, 12 ff. S. z. B. Rechtsstreitigkeit zwischen Island und England in Bezug auf die Entschädigung britischer Einleger nach dem Bankrott isländischer Banken im Krisenausbruchsjahr 2008, vgl. Der Spiegel, Brown droht Island mit Klage, v. 8. Oktober 2008.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Standards vorgegeben sind.³¹⁶ Ähnliches gilt für den Fall, dass eine Aufnahme der Bail-in-Klauseln in die vom Institut emittierten Verbindlichkeiten als Vertragsbruch durch die Marktinfrastrukturanbieter oder Systeme, an denen das Institut teilnimmt, zu qualifizieren wäre.³¹⁷ Zur Präzisierung dieser und ggf. weiterer Anwendungsfälle soll die EBA technische Regulierungsstandards erarbeiten.³¹⁸ Bei der Feststellung des Vorliegens eines der soeben skizzierten Annerkennungsversagungsgründe hat das Institut die Abwicklungsbehörde darüber in Kenntnis zu setzen.³¹⁹ Das Institut unterliegt dabei bestimmten Begründungsbzw. Rechtfertigungspflichten gegenüber der Abwicklungsbehörde.³²⁰ Neben diesen Pflichten zulasten des Instituts, die gem. Art. 55 BRRD-II auf den Zeitpunkt der Emission bzw. des Vertragsabschlusses abstellen, treten weitere Erläuterungspflichten zulasten der Abwicklungsbehörde hinzu, die gem. Art. 44 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR den Zeitpunkt der Abwicklung bzw. der Ausübung der Bail-in-Befugnisse betreffen.³²¹ Demnach müssen die Abwicklungsbehörden darlegen, weshalb die vorliegenden Anerkennungsversagungsgründe nicht im Rahmen der Abwicklungsplanung ausreichend berücksichtigt worden sind bzw. aus welchen Gründen sie nicht in dieser zeitlich vorgelagerten Phase vorhersehbar waren.³²² Daraus folgt, dass einer Befreiung von Verbindlichkeiten aus dem Bail-in-Instrument aufgrund von rechtlichen Anerkennungsschwierigkeiten hinsichtlich der Ausübung der Bail-in-Befugnisse eine doppelte Begründung vorausgehen muss: Im Zeitpunkt der Abwicklungsplanung durch die Institute selbst mit anschließender Bewertung seitens der Abwicklungsbehörde und im Zeitpunkt der Abwicklung durch die Abwicklungsbehörden.
Vgl. ErwGr. 26 BRRD-II. id.; auch dieser Fall impliziert eine Situation, in der das Institut die einschlägigen Vertragsbestimmungen nicht einseitig abändern kann. Der EBA-Entwurf für diese RTS ist am 28. Juni 2020 fällig; vgl. Art. 55 Abs. 6 UAbs 1 lit. a i.V.m. UAbs. 2 BRRD-II. Vgl. 55 Abs. 2 BRRD-II. Die Abwicklungsbehörde soll dann innerhalb einer angemessenen Frist die Feststellung des Instituts und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Abwicklungsfähigkeit des Instituts bewerten und Maßnahmen ergreifen, um Abhilfe zu schaffen; vgl. id. sowie ErwGr. 26 BRRD-II. Mit anderen Worten: Es sind unterschiedliche Zeitpunkte für die Zwecke der hier untersuchten Art. 44 Abs. 3 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR und für die Zwecke des Art. 55 Abs. 1 BRRD-II zu berücksichtigen: Während für die Ersteren der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem die Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse durch die zuständige Abwicklungsbehörde in Bezug auf die betreffenden Verbindlichkeiten wahrgenommen werden, betrifft Art. 55 Abs. 1 BRRD-II die vorgelagerte Phase der Emission der betreffenden Verbindlichkeiten. Vgl. Art. 4 Abs. 7 lit. a-b sowie Abs. 8 lit. a-b DelVO 2016/860.
B. Haftungsausschlüsse
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Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob bzw. welcher Raum für ein Haftungsausschluss wegen rechtlicher Undurchführbarkeit gem. Art. 44 Abs. 3 lit. a BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 lit. a SRMR übrig bleibt. Ein Haftungsauschluss allein auf der Grundlage von Annerkennungsversagungsgründen kann erheblich auf die Abwicklungsfähigkeit des Instituts und die Wirksamkeit des Bail-in-Instruments im Einzelfall einwirken. Dies kann zu einem erweiterten Haftungsumfang für die übrigen, dem EWR-Recht unterliegenden, Gläubigerpositionen führen, die nun auch zur Schließung der infolge des Ausschlusses der unter dem Recht eines Drittstaats begebenen Verbindlichkeiten entstehende Kapitallücke herangezogen werden. Dadurch erhöht sich das Risiko einer Verletzung des „No-Creditor-WorseOff“-Grundsatzes³²³ durch die Abwicklungsbehörden in Bezug auf die übrigen, dem EWR-Recht unterliegenden Verbindlichkeiten. Dies könnte wiederum die Abwicklungsbehörden dazu veranlassen, von der Bail-in-Anwendung insgesamt abzusehen. Im Übrigen kann die Berufung auf Anerkennungsversagungsgründe, als Rechtfertigung für die Gewährung von Haftungsausschlüssen, Anreize verschaffen, Forderungen nach dem Recht von Drittstaaten zu emittieren, in denen die entsprechenden Klauseln zur gegenseitigen Anerkennung nicht zugelassen sind. Dies würde die Einbeziehung der betreffenden Forderungen in das Bail-inInstrument innerhalb einer angemessenen Frist noch unwahrscheinlicher machen. In Anbetracht der daraus resultierenden Verlustdistributionsprobleme sowie der Anreizwirkung sollte der Haftungsausschluss von Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittstaats unterliegen, gem. Art. 44 Abs. 3 lit. a BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 lit. a SRMR lediglich einigen wenigen nicht vorhersehbaren Situationen vorbehalten bleiben.
iii) Praktische Unmöglichkeit Neben den rechtlichen Hindernissen können auch praktische Hindernisse im Wege einer Bail-in-Durchführung stehen. In der Regel handelt es sich hierbei um Bewertungsschwierigkeiten bei einzelnen Verbindlichkeiten im Rahmen der exante Bewertung gem. Art. 36 BRRD bzw. Art. 20 SRMR. So kann von einer Unmöglichkeit der Anwendung des Bail-in-Instruments ausgegangen werden, wenn die Höhe der Verbindlichkeiten sich durch die Abwicklungsbehörden nicht zeitnah ermitteln lässt. Mit anderen Worten: Es liegt ein praktisches Hindernis vor, wenn eine Verbindlichkeit bzw. Kategorie von Verbindlichkeiten nicht (rechtzeitig) quantifizierbar ist.
Gem. Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD bzw. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR. Mehr dazu: E. I. ii.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Aus dem Wortlaut des Art. 36 BRRD lässt sich kein bestimmbarer Zeitrahmen zur Durchführung der Bewertung herleiten. Grundsätzlich kann dies in ein paar Wochen oder sogar in mehreren Monaten erfolgen. Es kommt auf die Detailgenauigkeit sowie auf die Größe und Komplexität des Instituts an. Ferner auf die Qualität, Quantität und Aktualität der Daten und Informationen, die das Institut offenlegt sowie auf die Intensität und das Ausbreitungstempo der Krise.³²⁴ Es ist davon auszugehen, dass für die ex-ante Bewertungen in der Regel nur wenige Stunden zur Verfügung stehen. Daher sind die bei den Abwicklungsbehörden vorgehaltenen Abwicklungspläne entscheidend, genauso wie die von den Instituten eingereichten Informationen im Rahmen ihrer Meldepflicht für die Richtigkeit der Annahmen und Einschätzungen auf den die Bewertungen nach Art. 36 BRRD beruhen. Insbesondere Verbindlichkeiten deren Wert von unbestimmbaren Variablen bzw. ungewissen Ereignissen in der Zukunft abhängig ist, wie Eventualverbindlichkeiten, Kreditzusagen usw.³²⁵ sowie besicherte Verbindlichkeiten³²⁶, die den Wert der entsprechenden Sicherheit übersteigen, sind mit solchen Bewertungsschwierigkeiten befrachtet. Allein aus dem Umstand, dass es schwer ist, den Wert der betreffenden Verbindlichkeiten zu ermitteln, lässt sich aber kein automatischer Ausschluss der betreffenden Verbindlichkeiten vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ableiten. Die Entscheidung darüber, wann aus „schwierig“ „unmöglich“ wird, soll nach denselben Kriterien erfolgen, wie die Entschei-
Deutlich geringer fallen die Anforderungen aus, die an die vorläufige Bewertung gestellt werden. Die außerbilanziellen Geschäfte werden im Anhang I der CRR aufgelistet und in Risikokategorien eingestuft. Die Ermittlung des Risikopositionswertes einer außerbilanziellen Position ist in Art. 111 Abs. 1 CRR geregelt. Hiervon zu unterscheiden sind außerbilanzielle Posten, wie etwa Verbindlichkeiten aus Handelsfinanzierungsinstrumenten sowie nicht in Anspruch genommene Kreditzusagen, die nicht als Zahlungsverbindlichkeiten für die Zwecke des Art. 44 BRRD einzuordnen sind und somit nicht in den Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments fallen. Näher dazu in: Berg, Zur aufsichtsrechtlichen Berücksichtigung des Kreditrisikos, Eine Analyse gegenwärtiger und möglicher künftiger Regulierungsvorschriften, Springer 2019, S. 36 ff.; Brixner/ Schaber, Bankenaufsicht: Institutionen, Regelungsbereiche und Prüfung, 2016, S. 277. Bei demjenigen Teil einer besicherten Verbindlichkeit, der nicht durch den Vermögenswert der hinterlegten Sicherheit gedeckt ist, handelt es sich trotz der damit verbundenen Bewertungsschwierigkeiten um eine bail-in-fähige Verbindlichkeit (s.o.: 2. Abschnitt, B., I., c. i.); vgl. Art. 27 Abs. 4 SRMR, Art. 44 Abs. 2 UAbs. 3 BRRD. Eine Ausnahme von besicherten Verbindlichkeiten wird auch dann in Erwägung gezogen, wenn es für die Abwicklungsbehörden de facto unmöglich ist, die Höhe der Sicherheit zu ermitteln. Vgl. ErwGr. 16 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 17, 19.
B. Haftungsausschlüsse
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dung über die Angemessenheit der Frist.³²⁷ Generell kommt der vorläufigen Bewertung gem. Art. 20 Abs. 10, Art. 36 Abs. 2 und 9 BRRD eine besondere Bedeutung zur Überwindung solcher Schwierigkeiten zu.³²⁸ Eine solche Bewertung muss nicht den strengen Anforderungen einer „fairen, vorsichtigen und realistischen“ Bewertung i.S.v. Art. 36 Abs. 1 BRRD bzw. Art. 20 Abs. 1 SRMR genügen. Sie zielt lediglich auf die bestmögliche Schätzung der (Vermögenswerte und) Verbindlichkeiten innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit ab.³²⁹
Derivate Ein denkbarer Anwendungsfall des hier untersuchten einzelfallabhängigen Ausnahmetatbestandes sind Verbindlichkeiten aus Derivaten³³⁰, sofern sie nicht ohnehin bereits unter die per se Ausnahmetatbestände nach Art. 44 Abs. 2 BRRD aufgrund von Besicherungsvereinbarungen³³¹ oder ihrer Laufzeit³³² fallen. Ohne Zweifel bereitet die Bewertung von Derivaten der Praxis eine Vielzahl von Problemen. Zum einen ist ihr Wert an die Entwicklung der zugrunde liegenden Instrumente bzw. Verbindlichkeiten (Basiswert) geknüpft, die oft sehr volatil sind und sich während der Vertragslaufzeit massiv verändern (Komplexität). Zum Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 22. S. auch § 74 SAG. Die vorläufige Bewertung bildet die Grundlage für die Entscheidung über geeignete Abwicklungsmaßnahmen. Näher zu den Anforderungen an die vorläufige Bewertung: Delegierte Verordnung (EU) 2018/345 der Kommission vom 14. November 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Instituten oder Unternehmen [Im Folgenden: „Del-VO 2018/345“]. Gem. Art. 20 Abs. 10 UAbs. 2 SRMR, Art. 36 Abs. 9 BRRD (§ 74 Abs. 3 SAG) muss die vorläufige Bewertung einen Sicherheitspuffer für zusätzliche Verluste enthalten, deren Höhe und zeitlicher Anfall ungewiss sind. Dies wird in Art. 13 Abs. 1 Del-VO 2018/345 näher konkretisiert. Vgl. EBA, Handbook on valuation for purposes of resolution, v. 22. Februar 2019, 8.1.3, S. 75: „a provisional valuation shall seek to deliver the best possible quality in whatever time is available“. Für die Definition von Derivaten im deutschen Recht s. § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. Eine (vollständige) Besicherung von Derivatekontrakten, die unter einem Rahmenvertrag abgeschlossen wurden, schließt gem. Art. 44 Abs. 2 lit. b BRRD eine Bail-in-Anwendung auf sie aus. Dadurch entfällt auch das außerordentliche Beendigungs- bzw. Kündigungsrecht der Abwicklungsbehörden. Dies ist nämlich der Fall für an der Börse gehandelte Derivate, für die zwingend eine Clearingstelle zwischengeschaltet wird. Eine Clearingpflicht ist aber gem. Art. 4 EMIR auch für einige außerbörslich gehandelte Derivate (over the counter – OTC) vorgesehen. Gem. Art. 44 Abs. 2 lit. e und f BRRD bzw. Art. 27 Abs. 3 lit. e und f SRMR; § 92 Abs. 2 Nr. 5 – 6 SAG. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Laufzeit der Verbindlichkeit oder des ihr zugrundeliegenden Derivatekontraktes maßgeblich ist.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
anderen lässt sich dieser Basiswert erst bei Fälligkeit bzw. Close-Out herauskristallisieren. Zudem können Eingriffe in die bestehenden Verträge durch die Abwicklungsbehörden enorme Kosten verursachen.³³³ Aufgrund derartiger Praxisprobleme wurde die Kommission gem. Art. 49 Abs. 5 i.V.m. Art. 36 Abs. 16 BRRD zum Erlass von Level-2 Rechtsakten zur Konkretisierung der Bewertungsmethoden und -grundsätze für die aus Derivaten resultierenden Verbindlichkeiten befugt. Darauf stützend erließ die Kommission die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1401 (Del-VO 2016/1401).³³⁴ Grundsätzlich hat die Wertermittlung der aus den Derivaten resultierenden Verbindlichkeiten unter folgenden Gesichtspunkten zu erfolgen: (i) Angemessene Methoden zur Bestimmung der Derivatekategorien; (ii) Grundsätze zur Festlegung des Zeitpunkts, zu dem der Wert der Derivateposition festgestellt wird; (iii) geeignete Methoden zum Vergleich der Wertvernichtung, die aus der Glattstellung und dem Bail-in der Derivate resultieren würde, mit der Höhe der Verluste, die für die Derivate bei einem Bail-in entstehen würden.³³⁵ Wenn die Abwicklungsbehörden von ihren Abschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnissen in Bezug auf Derivateverbindlichkeiten Gebrauch machen, haben sie die speziellen Regelungen in Art. 49 BRRD zu beachten.³³⁶ Grundsätz Dies kann wiederum Anlass zur Herausnahme dieser Verbindlichkeiten aus dem Bail-inInstrument auf Grundlage einer Vermeidung von unnötiger Wertvernichtung gem. Art. 27 Abs. 5 lit. d SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. d BRRD geben. Hierzu mehr unter: 2. Abschnitt, B. II., d. Denkbar sind direkte Kosten (u. a. aus der Terminierung bestehender Verträge) sowie indirekte Kosten (u. a. aufgrund anschließender Rechtsstreite); vgl. Omarova, The „Too Big To Fail“ Problem, 2019, S. 2495, 2518. Delegierte Verordnung (EU) 2016/1401 vom 23. Mai 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/ 59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für Methoden und Grundsätze der Bewertung von aus Derivaten entstehenden Verbindlichkeiten, ABEU v. 23. August 2016, L 228/7. Die Del-VO 2016/1401 folgt den Leitlinien der EBA, die bereits im Mai 2015 ihren Abschlussbericht zu diesem Thema veröffentlicht hatte: EBA, Final Report – Draft Regulatory Technical Standards on the valuation of derivatives pursuant to Article 49(4) of the Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), EBA/RTS/2015/11 v. 17. Dezember 2015. Vgl. Art. 49 Abs. 4 lit. a-c BRRD. Zum Hintergrund der privilegierten Behandlung von aus Derivaten resultierenden Verbindlichkeiten und den damit einhergehenden rechtlichen Rahmenbedingungen u. a.: Paulus, The Wonderful World of Privileges – The par condicio creditorum vs. close out-netting, ECFR 2014, 531; Id., Close-out Netting und weitere Privilegien der Finanzindustrie, in: Graf-Schlicker/Prütting/Uhlenbruck, Festschrift für Heinz Vallender, 2015, 397 ff; Roe, The Derivatives Market’s Payment Priorities as Financial Crisis Accelerator, Stanford Law Review, Vol. 43, 2011, 539; Skeel/ Jackson, Transaction Consistency and the New Finance in Bankruptcy, Columbia Law Review, Vol. 112, 2012, 152.
B. Haftungsausschlüsse
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lich werden Derivate bzw.Verbindlichkeiten aus Derivaten vom Bail-in-Instrument unter der Bedingung einer vorherigen oder gleichzeitigen Glattstellung (Closeout)³³⁷ erfasst.³³⁸ Zu diesem Zweck wird beim Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen den Abwicklungsbehörden eine entsprechende Befugnis zur außergewöhnlichen Kündigung und Abrechnung der Derivateverbindlichkeiten eingeräumt.³³⁹ Unterliegen die glattzustellenden Derivate einer Saldierungsvereinbarung (netting agreement)³⁴⁰, so haben die Abwicklungsbehörden die darin festgelegten Saldierungssätze zu beachten und einen Nettowert für die erfassten Verbindlichkeiten zu ermitteln.³⁴¹ Dadurch wird die Einheitlichkeit der Rahmenverträge gewährleistet und damit ein selektives Herauspicken (sog. cherry picking) einzelner Kontrakte durch die Abwicklungsbehörden verhindert.³⁴² Der nach Ab- und Verrechnung aller Transaktionen, einschließlich der gestellten Sicherheiten, verbleibende positive Nettobetrag der Gegenparteien des abzuwickelnden Instituts (sog. Close-out Betrag), stellt die bail-in-fähige Verbindlichkeit dar.
Der in der deutschen Sprachfassung (sowie im § 93 Abs. 1 SAG) verwendete Begriff der Glattstellung kann missverständlich sein. Daher soll unter Verweis auf die englische Fassung, die den Begriff „Close-out“ verwendet, unter „Glattstellung“ die Beendigung aller von der Vereinbarung erfassten Transaktionen durch Close-out verstanden werden. Vgl. Fried, in: Zerey (Hrsg.) Finanzderivate, Rechtshandbuch, 2016, § 17, Rn. 31; Kusserow/Scholl, Kreditderivate im Kraftfeld der BRRD – Die neuen Musterbedingungen für Kreditderivate – Teil I und II, WM 8 – 9/2015, S. 360 (367), S. 413 (419). Vgl. Art. 49 Abs. 2 UAbs. 1 BRRD; § 93 Abs. 1 SAG. Es handelt sich hierbei um ein gesetzliches Beendigungsrecht. Hierdurch werden die Abwicklungsbehörden überhaupt erst in die Lage versetzt, die rechtliche Voraussetzung dafür zu schaffen, dass eine Verbindlichkeit entsteht, in die dann das Bail-in-Instrument vollzogen werden kann.Vgl. Köhling, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, VI.B. Rn. 69, S. 366. Der Ausübung dieses Beendigungsrechts vorgelagert sind die Feststellung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen und die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen. Damit sind die marktüblichen Close-out-Netting-Vereinbarungen gemeint. S. die Legaldefiniton in Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 BRRD. Vgl. Art. 49 Abs. 3 BRRD. Beim Abweichen dieses zu ermittelnden Nettowerts vom Nettowert der Saldierungsvereinbarung greift der No creditor-worse-off-Grundsatz gem. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR; Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD ein. Vgl. EBA, Final Report – Draft Regulatory Technical Standards on the valuation of derivatives pursuant to Article 49(4) of the Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), EBA/RTS/2015/11 v. 17. Dezember 2015, S. 8. So auch ErwGr. 6 Del-VO 2016/1401. Die Einheitlichkeit der Saldierungsvereinbarungen wird auch durch den No-Creditor-Worse-Off-Grundsatz gem. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD und § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG gewährlesitet. Denn eine Missachtung des Rahmenvertrages würde die Gegenpartei zweifelsohne schlechter stellen, als im Falle einer Insolvenz stünde.
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Die Ermittlung des Close-out-Betrags dürfte sicherlich keine leichte Aufgabe für die Abwicklungsbehörden sein.³⁴³ Auch in diesem Fall ist aber kein automatischer Ausschluss der betreffenden Derivateverbindlichkeit allein aus der Schwierigkeit abzuleiten, dass ihr Wert sich nicht in Übereinstimmung mit den in Art. 49 Abs. 4 i.V.m. Art 36 BRRD genannten Methoden zeitnah bestimmen lässt.³⁴⁴ In solchen Fällen sollten die Abwicklungsbehörden erwägen, eine vorläufige Bewertung nach Art. 36 Abs. 9 BRRD vorzunehmen, um einen vorläufigen Wert der Derivateverbindlichkeiten auf der Grundlage von Wertschätzungen und zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Daten zu bestimmen.³⁴⁵ In jedem Fall sollte der Frage, ob Derivateverbindlichkeiten in ein Bail-in einbezogen oder hiervon ausgeschlossen werden, bereits vor der Close-Out-Entscheidung im Rahmen des Bewertungsprozesses gem. Art. 36 BRRD, nachgegangen werden.³⁴⁶ Zusammenfassend lässt sich anmerken, dass wenig Raum für den Haftungsausschluss von Derivateverbindlichkeiten aufgrund von Bewertungshindernissen bleibt. Denn sie unterliegen in der Regel Besicherungsvereinbarungen bzw. Clearingpflichten. Außerdem muss bei der Entscheidung darüber, ob unquantifizierbare Verbindlichkeiten vom Bail-in-Instrument ausgeschlossen werden, auch der Anreizwirkung von umfangreichen Befreiungen vom Bail-in Rechnung getragen werden. Es ist nämlich zu befürchten, dass die Bewertung von Derivateverbindlichkeiten künstlich (z. B. durch eingebettete Derivate) erschwert wird, um vom Bail-in-Instrument ausgenommen zu werden. Daher gilt auch hier, dass besonderes Augenmerk auf die richtige Wertermittlung und die Identifizie-
Ausführlich dazu: Art. 6 Del-VO 2016/1401. Die Entscheidung darüber, wann aus „schwierig“ „unmöglich“ wird, soll nach denselben Kriterien erfolgen, wie die Entscheidung über die Angemessenheit der Frist. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 22. Andere aufsichtsrechtliche Anforderungen greifen dabei ein und erleichtern die Arbeit der Abwicklungsbehörden und der unabhängigen Sachverständige. So muss ein Institut gem. Art. 205 CRR jederzeit in der Lage sein, die unter die Netting-Vereinbarung fallenden Forderungen und Verbindlichkeiten zu bestimmen, die mit dem Close-out verbundenen Risiken sowie die betreffenden Verbindlichkeiten auf Nettobasis zu überwachen und zu steuern. Vgl. Rauch, Close-out Netting für Finanzunternehmen, 2017, S. 47 f. Vgl. ErwGr. 8 Del-VO 2016/1401. Wie die EBA in ihren RTS zur Bewertung von Derivaten gem. Art. 49 Abs. 4 BRRD klarstellt, ist die Bewertung von Derivaten gem. Art. 49 BRRD als Teil der Bewertung von Verbindlichkeiten gem. Art. 36 BRRD anzusehen. Vgl. EBA, Final Report – Draft Regulatory Technical Standards on the valuation of derivatives pursuant to Article 49(4) of the Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), EBA/RTS/2015/11 v. 17. Dezember 2015, S. 9: „Articles 36 and 49 of the BRRD should be read together and operate to provide a valuation process that is compatible with the swiftness inherent in the resolution process and allows for a valuation on the basis of prudential assumptions and objective elements.“
B. Haftungsausschlüsse
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rung bestehender Abwicklungshindernisse im Rahmen der Abwicklungsplanung zu legen ist.³⁴⁷ Ein Haftungsausschluss wegen tatsächlicher Undurchführbarkeit soll nur außerordentlichen und im Rahmen der vorlgelagerten Phase der Abwicklungsplanung nicht bereits absehbaren Umständen vorbhalten bleiben.
b) Zur Aufrechterhaltung kritischer Funktionen und Kerngeschä ftsbereiche In diesem Ausnahmetatbestand³⁴⁸ spiegelt sich eins der zentralen Abwicklungsziele wider.³⁴⁹ Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass die Sicherstellung der Kontinuität von kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereichen des abzuwickelnden Instituts in gewissen Konstellationen unerlässlich für die Sicherung der Finanzmarktstabilität und die Unterstützung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft ist. Der Schutz dieser operativen Teile des betreffenden Instituts von einem Bail-in liegt im Fokus des hier behandelten Ausnahmetatbestandes. Ihm kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn die per se Ausnahme zum Schutz der Marktinfrastruktur gem. Art. 44 Abs. 2 lit. f BRRD, Art. 27 Abs. 3 lit. f SRMR zu kurz greift.³⁵⁰ Die Systematik dieses ermessengeleiteten Haftungsauschlusses lässt sich in folgende drei Schritte gliedern: Zunächst sind die bestimmten Verbindlichkeiten bzw. Kategorien hiervon zu identifizieren, die mit kritischen Funktionen verbunden bzw. erforderlich zum Fortbestand der Kerngeschäftsbereiche sind (unter i.). Anschließend wird die Schutzbedürftigkeit der identifizierten kritischen Funktionen anhand zweier Maßstäbe gemessen die (unter ii.) näher zu untersuchen sind. In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob die Einbeziehung dieser Verbindlichkeiten bzw. Kategorien hiervon in das Bail-in-Instrument die Fortführung dieser operativen Geschäfte beeinträchtigen würde. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob die Herausnahme der betreffenden Verbindlichkeiten aus dem Bail-in zwingend notwendig und verhältnismäßig ist, um die Kontinuität der
So wird auf Level-2-Ebene die abstrakt gefasste Befugnis der Abwicklungsbehörden festgelegt, von den Instituten die Veräußerung jeglicher Vermögenswerte zu verlangen, die die Durchführbarkeit der Bewertung beeinträchtigen können; vgl. ErwGr. 17 Del-VO 2016/860. Vgl. Art. 27 Abs. 5 lit. b SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. b BRRD. Es handelt sich um das erstgenannte Abwicklungsziel: Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. a SRMR, Art. 31 Abs. 2 lit. a BRRD. Im Wortlaut des Abwicklungsziels sind die Kerngeschäftsbereiche jedoch nicht enthalten. Wenn z. B. Forderungen aus Derivaten über eine Restlaufzeit von mehr als sieben Tagen verfügen. S. Geier, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B. I. Rn. 177, S. 203.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche des Instituts sicherzustellen (unter iii.).
i) Identifizierung Die Identifizierung von kritischen Funktionen spielt eine Schlüsselrole im Rahmen der Abwicklungsplanung sowie im gesamten Abwicklungsverfahren. So werden das Vorhandensein bzw. die Bedeutung von vorhandenen kritischen Funktionen bereits im Rahmen der Beurteilung der vorgelagerten Frage berücksichtigt, ob die Abwicklung eines Instituts und ggf. die Anordnung eines Bail-in überhaupt im öffentlichen Interesse liegt. Dies ist nämlich der Fall, wenn das betreffende Institut nicht nach einem nationalen Insolvenzverfahren liquidiert werden kann, ohne zugleich sein operatives Geschäft einstellen zu müssen und dadurch Risiken für die Finanzstabilität eines oder mehrerer teilnehmenden Staaten auszulösen. Vereinfacht gesagt ist es ex ante wahrscheinlicher, dass ein öffentliches Interesse an der Abwicklung eines Instituts besteht, wenn das Letztere kritische Funktionen erbringt. Des Weiteren bildet die Feststellung von kritischen Funktionen die Entscheidungsgrundlage für die Auswahl der bevorzugten Abwicklungsstrategie und damit die Bestimmung der Höhe der MREL-Anforderung und die Anordnung eines Bail-in bzw. eines Übertragungsinstruments³⁵¹ oder die Ausübung der Abschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnisse³⁵². Daher haben die Abwicklungsbehörden bei der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines Instituts³⁵³ zu prüfen, ob durch die gewählte Abwicklungsstrategie die Kontinuität der kritischen Funktionen gewährleistet ist.³⁵⁴ Zu diesem Zweck können sie Maßnahmen zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen im Zusammenhang mit den kritischen Funktionen ergreifen.³⁵⁵ Die zwei Kerntermini – „kritische Funktionen“ und „Kerngeschäftsbereiche“ – sind in der BRRD legal definiert. Als kritische Funktionen gelten „Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte, deren Einstellung aufgrund der Größe, des Marktanteils, der externen und internen Verflechtungen, der Komplexität oder der grenzüberschreitenden Tätigkeiten eines Instituts oder einer Gruppe wahrscheinlich in einem oder mehreren Mitgliedstaaten
Die Bestimmung der kritischen Funktionen ist u. a. auch für die Anwendung des Brückeninstut-Instruments gem. Art. 40 BRRD erforderlich; vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 4. Nach Art. 59 Abs. 1 lit. a, Art. 60 BRRD-II, Art. 21 Abs. 1 lit. a, Abs. 7 SRMR-II. Gem. Art. 10 SRMR, Art. 15 – 18 BRRD. Art. 10 Abs. 3, 4 SRMR, Art. 15 Abs. 1 UAbs. 2, Art. 16 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD. Art. 10 Abs. 11 lit. a, g SRMR, Art. 17 Abs. 5 lit. a, g BRRD.
B. Haftungsausschlüsse
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die Unterbrechung von für die Realwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen oder eine Störung der Finanzstabilität zur Folge hat, besonders mit Blick auf die Substituierbarkeit dieser Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte“.³⁵⁶ Darin ist eine Reihe von erklärungsbedürftigen Begrifflichkeiten, deren Konkretisierung in erster Linie unter Berücksichtigung der allgemeinen Abwicklungsziele zu erfolgen hat. Parallel dazu erließ die Kommission auf Grundlage von Art. 290 AEUV³⁵⁷ die Delegierte Verordnung (EU) 2016/778,³⁵⁸ die rechtsverbindliche Vorgaben³⁵⁹ zur Auslegung der Begrifflichkeiten enthält. Außerdem können die von europäischen Aufsichtsbehörden (EZB, EBA) erarbeiteten Konzepte und Begriffsbestimmungen zur inhaltlichen Konkretisierung bestimmter Termini durch die Abwicklungsbehörden herangezogen werden. Dies betrifft u. a. den Begriff „Finanzstabilität“³⁶⁰.
Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 BRRD. An diese Legaldefinition knüpft gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 SRMR auch der SRM. Für die deutsche Umsetzung s. § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG. Diese Definition findet sich zunächst in den Leitlinien des FSB; vgl. FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, S. 7. Vgl. Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 115 BRRD. Dies ist nicht mit den ebenfalls als delegierte Rechtsakte zu erlassenden technischen Regulierungsstandards zu verwechseln, bei denen die Kommission gem. Art. 10 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 i.V.m. Art. 4 Abs. 6 S. 3 BRRD an die ausgearbeiteten Entwürfe der EBA gebunden ist. Vgl. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, 2012, S. 180; Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 119. Delegierte Verordnung (EU) 2016/778 der Kommission vom 2. Februar 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Umstände und Bedingungen, unter denen die Entrichtung von außerordentlichen nachträglich erhobenen Beiträgen teilweise oder vollständig aufgeschoben werden kann, und auf die Kriterien für die Bestimmung der Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte im Zusammenhang mit „kritischen Funktionen“ und zur Präzisierung der Kriterien für die Bestimmung der Geschäftsbereiche und damit verbundenen Dienste im Zusammenhang mit den Kerngeschä ftsbereichen [im Folgenden: „Del-VO 2016/778“]. Vgl. Art. 5 Abs. 2 SRMR i.V.m. Art. 290 AEUV. Bereits vor dem Erlass der Del-VO 2016/778 ersuchte die Kommission um die Stellungnahme der EBA, vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 1. Der Begriff der Finanzstabilität wird in der ökonomischen Literatur umfangreich erörtert. Ein allgemein anerkanntes Begriffsverständnis der Finanzstabilität existiert jedoch noch nicht. S. überblicksartig Allen/Wood, Defining and achieving financial stability, Journal of Financial Stability 2006, S. 152, 153 ff.; Schinasi, Safeguarding financial stability – Theory and Practice, IMF 2006, S. 76 ff.; Id., Defining financial stability and a framework for safeguarding it, Central Bank of Chile, WP/550, 2009, S. 82 ff. Viele Ökonomen bevorzugen eine negative Definition der Finanzstabilität bzw. eine Definition der Finanzinstabilität. Vgl. Ferguson, Should Financial Stability Be An Explicit Central Bank Objective?, IMF 2002, S. 2. Ihre inhaltliche Konkretisierung stellt ohne Zweifel eine gewaltige Aufgabe dar.Vgl. die sinngemäße Definition der EZB: „Finanzstabilität kann als Zustand definiert werden, in dem das Finanzsystem – also die Finanzintermediäre, Finanzmärkte und Marktinfrastrukturen – widerstandsfähig gegenüber Schocks sowie unerwarteten Ent-
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Unter „Funktion“ ist jede „Kombination aus Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäften, die durch das Institut oder eine Gruppe an Dritte erbracht werden, unabhängig von der internen Organisation des Instituts“ zu verstehen.³⁶¹ Eine klare Abgrenzung zwischen den Begriffen „Tätigkeiten“ (activities), „Dienstleistungen“ (services) und „Geschäften“ (operations) scheint nach der EBA nicht möglich zu sein.³⁶² Entscheidend ist jedenfalls, dass die Funktion vom Institut an Dritte erbracht wird.³⁶³ Die Erbringung an Dritte unterscheidet kritische Funktionen von internen Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäften, die zwischen den Gesellschaften einer Bankengruppe stattfinden und die möglicherweise kritischen Funktionen zugrunde liegen. Als solche gelten auch kritische Dienstleistungen (critical services), die sowohl durch ein oder mehrere Unternehmen innerhalb der Bankengruppe erbracht (interne Dienstleistung) oder an einen externen Anbieter ausgelagert werden (externe Dienstleistung) können.³⁶⁴ Im Gegensatz zu kritischen Dienstleistungen werden kritische Funktionen immer Dritten, die weder dem Institut noch der Bankengruppe angehören, zur Verfügung gestellt. Dies ist auch bei den Kerngeschäftsbereichen (core business lines) nicht ander. Als solche werden in der BRRD „Geschäftsbereiche und damit verbundene Dienste“ definiert, „die für ein Institut oder eine Gruppe, der ein Institut angehört, wesentliche Quellen der Einnahmen, der Gewinne oder des Franchise-Werts darstellen“.³⁶⁵ Im Gegensatz zu den kritischen Funktionen, die anhand ihrer Bedeutung für das Funktionieren der Realwirtschaft und der Finanzmärkte ermittelt werden, stellen Kerngeschäftsbereiche wesentliche Einnahme-, Gewinn- oder Franchise-Quellen für das betreffende Institut dar.³⁶⁶ Zur Identifizierung von Kerngeschäftsbereichen wird nicht auf die (externen) destabilisierenden Effekte in der Realwirtschaft oder in der Finanzstabilität eines teilnehmenden Staates infolge ihres Ausfalls abge-
wicklungen in Bezug auf finanzielle Ungleichgewichte ist.“ […] „Finanzstabilität reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Störung des Finanzintermediationsprozesses, die so schwerwiegend ausfällt, dass es zu einer Beeinträchtigung der realwirtschaftlichen Aktivität kommt.“, in: EZB, Finanzstabilität und makroprudenzielle Politik. Vgl. Art. 2 Nr. 2 Del-VO 2016/778. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 12. Vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a Del-VO 2016/778. Vgl. ErwGr. 8 Del-VO 2016/778. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 36 BRRD, Art. 7 Abs. 1 Del-VO 2016/778. Die SRMR enthält keine entsprechende Definition. Die Legaldefinition der BRRD gilt allerdings gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 SRMR auch für den SRM. Vgl. ErwGr. 11 2016/778; EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 9.
B. Haftungsausschlüsse
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stellt, sondern auf die (interne) Beeinträchtigung des Geschäftsmodells des Instituts.³⁶⁷ Die Aufgabe der Festlegung von kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereichen obliegt sowohl den Instituten als auch den Abwicklungsbehörden. In einem ersten Schritt sind sie vom Institut selbst (self-assessment)³⁶⁸ in seinem Sanierungsplan festzulegen und der zuständigen Abwicklungsbehörde zu übermitteln.³⁶⁹ Letztere überprüft die Angaben des Instituts und lässt in einem zweiten Schritt die Ergebnisse in den jeweiligen Abwicklungsplan einfließen. Dabei nimmt die Abwicklungsbehörde ihre eigene Bewertung der kritischen Funktionen vor und führt ausführlich aus, inwiefern kritische Funktionen und Kerngeschäftsbereiche im erforderlichen Umfang rechtlich und wirtschaftlich von anderen Funktionen getrennt werden könnten, um ihre Fortführung bei einem Ausfall des Instituts sicherzustellen.³⁷⁰ Somit liegt die endgültige Entscheidung über die Festlegung von kritischen Funktionen bei den Abwicklungsbehörden.³⁷¹ Aufgrund der Komplexität und der unterschiedlichen Betrachtungsweisen sowie Interessen sollte der Identifizierungsprozess von kritischen Funktionen Gegenstand von Erörterungen zwischen Instituten, Aufsichts- und Abwicklungsbehörden sein.³⁷² Um eine konsequente Umsetzung des Rahmens innerhalb der Bankenunion zu gewährleisten, hat der SRB – in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden und unter Beteiligung der EZB und der EBA – einen gemeinsamen Ansatz zur Identifizierung kritischer Funktionen und Kerngeschäftsbereiche entwickelt.³⁷³ Der Ansatz und die damit verbundenen Leitlinien befinden Vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 138. Vgl. ErwGr. 7 Del-VO 2016/778; Die EBA bezeichnet diesen Ansatz als bottom-up approach. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 14. Eine solche Pflicht ist zwar weder in der BRRD noch in der SRMR enthalten. Sie ergibt sich allerdings aus der Systematik. Zudem können die Abwicklungsbehörden bei Unzulänglichkeiten des vorgelegten Sanierungsplans, das Institut dazu verpflichten, seine Refinanzierungsstrategie zu ändern, damit die Widerstandsfähigkeit der kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche erhöht wird. Vgl. Art. 6 Abs. 6 UAbs. 3 lit. d BRRD. Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. c SRMR, Art. 10 Abs. 7 lit. c BRRD. In der von EBA verwendeten Sprache handelt es sich um einen top-down-approach.Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/ 2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 28 ff. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 28; FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, v. 16. Juli 2013, S. 6. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
sich in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Zunächst war in Art. 3 Nr. 3 i.V.m. Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1066 der Kommission vom 17. Juni 2016 (Df-VO 2016/1066)³⁷⁴ das Ausfüllen eines standardisierten Meldebogens (sog. Critical Functions Template) für die Selbstbewertung vorgesehen. Anhand der im Rahmen des Template gemeldeten Daten und unter Berücksichtigung institutsspezifischer und marktrelevanter Informationen sollte die Kritikalität der einzelnen Funktionen des Instituts bewertet werden. Dadurch sollten die notwendigen Informationen unionsweit einheitlich erfasst und die Arbeit der Abwicklungsbehörden erleichtert werden. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624 der Kommission vom 23. Oktober 2018 wurde ein sehr detailliertes, einheitliches Datenpunktmodell geschaffen, das eine strukturierte Darstellung aller gemeldet Daten ermöglicht.³⁷⁵ In Anlehnung an die Leitlinien des FSB³⁷⁶ legt die Del-VO 2016/778 fünf Wirtschaftsfunktionen fest die als kritisch eingestuft werden können. Dazu zählen: (i) das Einlagengeschäft, (ii) die Kredit- und Darlehensvergabe, (iii) die Zahlungs-, Clearing-, Verwahrungs- und Abrechnungsdienstleistungen sowie (iv) die Geschäfte auf dem Interbankenbankenmarkt und (v) auf den Kapitalmärkten (bzw. Investitionstätigkeiten).³⁷⁷
Durchführungsverordnung (EU) 2016/1066 der Kommission vom 17. Juni 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf Verfahren, Standardformulare und Dokumentvorlagen zur Bereitstellung von Informationen für die Erstellung von Abwicklungsplänen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gemäß der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates. Damit wurde die Df-VO 2016/1066 aufgehoben. S. Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624 der Kommission vom 23. Oktober 2018 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf Verfahren, Standardformulare und Meldebögen für die Bereitstellung von Informationen für die Erstellung von Abwicklungsplänen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gemäß der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1066 der Kommission. Vgl. FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang 1, S. 14 ff. Vgl. ErwGr. 4 Del-VO 2016/778. Der SRB teilt diese Funktionen weiter in vordefinierte Teilfunktionen auf, um länderübergreifende Vergleiche zu ermöglichen; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 36.
B. Haftungsausschlüsse
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Zwar finden sich dieselben fünf Segmente auch im vom SRB erarbeiteten Ansatz zur Identifizierung kritischer Funktionen.³⁷⁸ In seinen ersten Beschlüssen hat sich allerdings der SRB auf die Prüfung von drei von ihnen beschränkt:³⁷⁹ Einlagengeschäft, Kreditvergabe, Zahlungsdienste. In jedem Fall soll keine Funktion a priori ohne vorherige Bewertung als kritisch gelten. Dies soll immer im spezifischen Kontext beurteilt werden.³⁸⁰
ii) Schutzbedürftigkeit Neben der Erbringung für Dritte ist für die Einstufung einer Funktion als kritisch erforderlich, dass sie zu einem gewissen Grad unerlässlich für die Sicherstellung der Kreditvergabe an Unternehmen der Realwirtschaft inklusive der Liquiditätsbereitstellung sowie für die Erhaltung der Finanzstabilität sind.³⁸¹ Dies ist nämlich der Fall, wenn der plötzliche Ausfall³⁸² der Funktion (wahrscheinlich) wesentliche negative Auswirkungen auf Dritte entfalten würde.³⁸³ Aufbauend auf den Leitli-
Vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 35. Vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board in its executive session of 7 June 2017 concerning the adoption of a resolution scheme in respect of Banco Popular Español S.A. […] Adressed to FROB, SRB/EES/2017/08, S. 12– 16; SRB, Decision of the the Single Resolution Board in its executive session of 23 June 2017 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A., SRB/EES/2017/11, S. 11– 15; SRB, Decision of the the Single Resolution Board in its executive session of 23 June 2017 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Populare di Vicenza S.p.A., SRB/EES/2017/12, S. 11– 15. In seinen zwei letzteren Beschlüssen prüfte der SRB als vierte eigenständige Funktion auch die „Emission von Schuldtiteln“; vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board of 23 February 2018 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of ABLV Bank, AS, SRB/EES/ 2018/09, S. 12– 18; SRB, Decision of the Single Resolution Board of 15 August 2019 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of AS PNB Banka, SRB/EES/2019/131, S. 22– 27. Von dieser Regel sind auch die Einlagen nicht ausgenommen. Solange keine beträchtlichen Marktanteile am relevanten Markt bestehen und ein vergleichbares Ersatzangebot schnell und effektiv angenommen werden kann, ist von keiner Kritikalität auszugehen; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 35. Dabei dienen als Bezugsgrundlage die Realwirtschaft und das Finanzsystem jedes teilnehmenden Staates. Es wird nicht auf die gesamte Bankenunion abgestellt. Dennoch behält sich der SRB das Recht vor, in Ausnahmefällen die Auswirkungen auf weitere Märkte zu berücksichtigen; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 55 ff. Der Ausfall einer Funktion ist anzunehmen, wenn die Funktion nicht mehr in vergleichbarem Ausmaß, unter vergleichbaren Bedingungen oder in vergleichbarer Qualität erbracht wird, es sei denn, der Wechsel bei der Erbringung der betreffenden Funktion erfolgt in geordneter Weise. Vgl. Art. 6 Abs. 5 Del-VO 2016/778. Vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. b Del-VO 2016/778.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
nien des FSB und der EBA sieht die Del-VO 2016/778 ein Bewertungsverfahren zur Ermittlung von kritischen Funktionen vor, das in zwei Schritten erfolgt³⁸⁴. Zum einen sollen die Folgewirkungen auf Dritte beim Ausfall der erbringenden Funktion (Auswirkungsanalyse) und zum anderen die Substituierbarkeit der Funktion (Substituierbarkeitsanalyse) bewertet werden. Es handelt sich hierbei um zwei separate Bewertungen, die von den zuständigen Abwicklungsbehörden unter Berücksichtigung der von den Instituten gemeldeten Daten im Rahmen ihrer Selbstbewertung und der in der Del-VO 2016/778 festgelegten Indikatoren vorzunehmen sind. Im Gegensatz zu den kritischen Funktionen, scheitert die Ermittlung von Kerngeschäftsbereichen allein auf Grundlage von quantitativen Indikatoren an der Komplexität der Gewinngenerierung in einem Institut.³⁸⁵ Daher soll deren Bestimmung grundsätzlich unter Berufung auf die interne Organisation des Instituts, seine Unternehmensstrategie sowie den Anteil erfolgen, den diese Kerngeschäftsbereiche zum finanziellen Ergebnis des Instituts beitragen.³⁸⁶ Trotz der sehr ausführlichen Bewertungskriterien soll die Ermittlung kritischer Funktionen nach Gesamtwürdigung des in der betreffenden Funktion immanenten Schadenspotenzials, der Institutsspezifika sowie der Marktgegebenheiten erfolgen. Denn die Kritikalität einer Funktion ist nicht als binäres Konzept
Auch bei der dreistufigen Bewertung, die vom FSB empfohlen wird, handelt es sich im Kern um eine Auswirkungs- und eine Substituierbarkeitsanalyse. Dennoch wird die Letztere in zwei Etappen unterteilt: Eine institutsspezifische Substituierbarkeitsanalyse (firm-specific test) und eine Angebotssubstituierbarkeits-analyse (supply side analysis). Vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, S. 7 ff. S. auch EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 20 f. Vgl. das prägnante Beispiel eines Kerngeschäftsbereichs, der als wachstumsstark gilt, aber Umsatzeinbußen in der Anfangs- bzw. Investitionsphase verursacht, in: EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 39. Vgl. Art. 7 Abs. 2 Del-VO 2016/778. Dennoch wird nicht komplett auf eine Quantifizierung verzichtet. So sieht Art. 7 Abs. 2 Del-VO 2016/778 eine Reihe von Indikatoren vor, die sich möglicherweise als relevant für die Einstufung von Geschäftsbereiche als „Kerngeschäftsbereiche“ erweisen können: a) Der Anteil der durch den Kerngeschäftsbereich erzielten Einnahmen an den Gesamteinnahmen; b) Der Anteil der durch den Kerngeschäftsbereich erzielten Gewinne am Gesamtgewinn; c) Kapitalerträge oder Vermögensrendite; d) Gesamtvermögen, -einnahmen und -erträge; e) Kundenstamm, geografische Verbreitung, Marken- und Betriebssynergien des Unternehmens mit anderen Unternehmen der Gruppe; f) Auswirkungen der Einstellung des Kerngeschäftsbereichs auf Kosten und Erträge, sofern er eine Finanzierungs- oder Liquiditätsquelle darstellt; g) Wachstumsaussichten des Kerngeschäftsbereichs; h) Attraktivität des Unternehmens für Mitbewerber als mögliches Übernahmeobjekt; i) Attraktivität des Unternehmens für Mitbewerber als mögliches Übernahmeobjekt.
B. Haftungsausschlüsse
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zu verstehen.³⁸⁷ Es besteht nämlich ein breites Spektrum an Kritikalitätsstufen,³⁸⁸ das eine dynamische Bewertung ermöglicht. Daraus lässt sich folgende Schlussfolgerung ziehen: Maßgebend für die Schutzbedürftigkeit einer Funktion ist nicht lediglich die Frage nach dem „Ob“, sondern auch nach dem „Wie“, nämlich welcher Kritikalitätsstufe sie zuzuordnen ist bzw. mit welcher Sicherheit die zuständigen Abwicklungsbehörden von ihrer Unerlässlichkeit ausgehen. Hierbei handelt es sich nicht um rein theoretische Überlegungen ohne jegliche Praxisrelevanz. Denn im Krisenszenario ist der gleichzeitige Zusammenbruch mehrerer kritischer Funktionen nicht auszuschließen. In einem solchen Fall werden zuerst die kritischsten aller kritischen Funktionen geschützt.³⁸⁹ Entscheidend für diese Reihenfolge wäre deren Zuordnung in den verschiedenen Kritikalitätsstufen. Auf ein Ermessen bei der Einstufung einer Funktion als kritisch deutet auch die in der Del-VO 2016/778 vorgenommene Differenzierung der Auswirkungen auf Dritte je nach Art und Grad der Betroffenheit zwischen „wesentlichen negativen Auswirkungen auf Dritte“, einer „Ansteckung“ und einer „Untergrabung des allgemeinen Vertrauens der Marktteilnehmer“ hin. Die erste Form umfasst Folgewirkungen auf Dritte, gegenüber denen die Funktion direkt erbracht wird und die von ihrem Ausfall direkt betroffen sind.³⁹⁰ Wenn die Einstellung der erbringenden Funktion nur direkte negative Auswirkungen auf eine kleine Anzahl von Gegenparteien hat, die aufgrund ihrer Größe oder Verflechtung (aufgrund der Umstände zum Zeitpunkt der Beurteilung) nicht systemrelevant sind, sollte die Funktion im Allgemeinen nicht als kritisch angesehen werden. Unter die beiden anderen Formen der Folgewirkung fallen Auswirkungen auf Dritte, die nicht unmittelbar mit dem die Funktion erbringenden Institut kontrahieren, aber dennoch nachteilig betroffen sind (z. B. Kunden, Marktinfrastrukturanbieter, öffentliche Dienstleistungen). Unter einem allgemeinen Vertrauensverlust der Marktteilnehmer soll eine noch weitgehendere Folgewirkung auch auf andere Märkte verstanden werden. Bei der Auswirkungsanalyse gilt vereinfacht, dass je gravierender die Folgewirkungen auf Dritte sind, desto kritischer ist die angebotene Funktion. Dabei haben sowohl das betreffende Institut (im Rahmen der Sanierungsphase) als auch
Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 31; FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, S. 6. Vgl. das vom SRB erarbeiteten Kritikalitätsspektrum in Form einer Tabelle mit Farbabstufungen in: SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 53. Vgl. Kowolik, Das Bail-in Instrument, 2018, S. 147. id., S. 122 f.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
die zuständigen Abwicklungsbehörden (im Rahmen beider, Sanierungs- und Abwicklungsphasen) verschiedene Indikatoren zu berücksichtigen, die sich in induktiver Weise in vier Gruppen einteilen lassen:³⁹¹ Als erste fließen die Merkmale der erbringenden Funktion in die Bewertung ein, wie z. B. die Art und Reichweite der Tätigkeit, der Umfang und die Anzahl der Transaktionen sowie die Anzahl der Kunden und Gegenparteien. Anschließend treten institutsbezogene Faktoren in den Vordergrund. Dazu zählen Größe, Marktanteil, externe und interne Verflechtungen, Komplexität sowie grenzüberschreitende Tätigkeiten des betreffenden Instituts. Auf einer dritten Stufe verschiebt sich der Fokus zur Art der Kunden und Stakeholder, die auf die erbringende Funktion angewiesen sind, wie z. B. Privat-, Unternehmens- oder Interbankenkunden, zentrale Clearingstellen und öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Darauf aufbauend erfolgt in der abschließenden Phase die genauere Folgenabschätzung des Ausfalls der erbringenden Funktion auf die betreffenden Märkte einschließlich der Auswirkungen auf die Liquidität von angrenzenden Märkten infolge von Domino-Effekten, auf die bestehenden Marktinfrastrukturen, auf das Kundengeschäft sowie auf die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen. Im Rahmen der Substituierbarkeitsanalyse wird der Frage nachgegangen, ob bzw. inwieweit die erbringende Funktion in vertretbarer Weise und innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch andere Marktanbieter ersetzbar ist.³⁹² Ein Ersatzangebot durch alternative Anbieter soll nur dann in Frage kommen, wenn dadurch nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte oder die Realwirtschaft vermieden werden.³⁹³ Dabei sind folgende Indikatoren zu berücksichtigen:³⁹⁴ bestehende Marktstruktur einschließlich Marktzutrittsschranken und die Verfügbarkeit von alternativen Anbietern am Markt; tatsächliche Kapazitätsauslastung sowie Anreize dieser Anbieter zur Übernahme der erbringenden Funktion; die für eine solche Übernahme benötigten Ressourcen (einschließlich Zeit und Kosten).³⁹⁵ Ergibt die Analyse die Möglichkeit einer Übernahme und ggf. eines
Vgl. Art. 6 Abs. 2 Del-VO 2016/778. Vgl. Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 Del-VO 2016/778. Dies setzt zwangsläufig voraus, dass derartige Auswirkungen bereits festgestellt worden sind. Vgl. Kowolik, Das Bail-in Instrument, 2018, S. 123, der zutreffend die Substituierbarkeits- als nachgelagert zur Auswirkungsanalyse einordnet. Vgl. Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 Del-VO 2016/778. Der SRB weicht teilweise von den in Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 Del-VO 2016/778 festgelegten Kriterien ab. Aufgrund der praktischen Schwierigkeit die Anreize für andere Anbieter zur Übernahme der erbringenden Funktion zu ermitteln, verzichtet er auf dieses Kriterium. Aus dem gleichen Grund solle auch keine Bewertung der Verfügbarkeit solcher Anbieter stattfinden. Stattdessen wendet der SRB fünf Schlüsselindikatoren an, die einfacher zu erfassen sind: i) Marktanteil des Instituts; ii) Zahl der Wettbewerber, die die Funktion anbieten könnten; iii) er-
B. Haftungsausschlüsse
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Angebots der Funktion durch den Markt, entfällt ihr kritischer Charakter. In einem solchen Fall dürfen die mit der Funktion verbundenen (Kategorien von) Verbindlichkeiten nicht Gegenstand eines ermessensgeleiteten Ausschlusses aus der Haftung nach dem Bail-in-Instrument sein. Fraglich ist, ob die Kritikalität einer Funktion bei Feststellung von vorhandenen Ersatzmöglichkeiten automatisch aberkannt werden soll. In gewissen Konstellationen kann dies zu unerwünschten Ergebnissen führen. So ist im Falle eines allgemeinen Vertrauenverlusts der Marktteilnehmer denkbar, dass die erbringende Funktion zwar substituierbar ist, dies aber nicht ausreichend ist, um Beeinträchtigungen des Zahlungsverkehrssystems entgegenzutreten bzw. das Vertrauen in diese wiederherzustellen.³⁹⁶ Vor diesem Hintergrund erscheint eine Gesamtwürdigung vorzugswürdiger. In jedem Fall soll die Substituierbarkeitsbewertung auch beim Ausfall der einer Funktion zugrunde liegenden kritischen Dienstleistungen vorgenommen werden.³⁹⁷ Zwar ist für sie die Einstufung der Funktion, der sie dienen, als kritisch maßgebend.³⁹⁸ Deren Schutzbedürftigkeit hängt allerdings von der Frage ab, ob sie selbst durch alternative Anbieter am Markt zu ersetzen sind. Überträgt man die Ansatzpunkte und Schlüsselindikatoren des soeben geschilderten zweistufigen Bewertungsverfahrens für die Ermittlung schutzbedürftiger kritischer Funktionen auf die oben genannten fünf Kategorien von Wirtschaftsfunktionen, die die Del-VO 2016/778 sowie der SRB als mögliche kritische Funktionen einordnen, ergeben sich in Übereinstimmung mit den vom FSB erarbeiteten Leitlinien³⁹⁹ folgende Grundsätze: (i) Einlagen können unabhängig davon, ob sie durch eine Einlagensicherung abgedeckt sind, als kritische Funktionen eingestuft werden. Einlagen mit geringer Restlaufzeit sind als kritischer einzustufen. Die Kritikalität von Ein-
wartete Zeit für die Übernahme der Funktion; iv) rechtliche Hindernisse und v) betriebliche Anforderungen für Wettbewerber, die Dienstleistung anzubieten oder in den Markt einzutreten. Vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 50. Dies kann insbesondere bei öffentlich bekannten Anbietern der Fall sein, die z. B. im Retailgeschäft tätig sind. Ein alternativer Anbieter wird in der Regel nicht automatisch dasselbe Vertrauen genießen. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 20, die das Problem zwar erkennt, aber keinen Lösungsansatz bietet. Vgl. Art. 6 Abs. 4 Del-VO 2016/778. Vgl. ErwGr. 8 Del-VO 2016/778; EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05 v. 6. März 2015, Rn. 25. Vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang, S. 14 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
lagen hängt von der Art des Einlegers⁴⁰⁰ sowie von der Art der Konten ab⁴⁰¹. Die Ausstattung und Glaubwürdigkeit von Einlagensicherungssystemen soll bei der Bewertung der Kritikalität von Einlagen mitberücksichtigt werden⁴⁰². (ii) In Bezug auf die Kreditvergabe gilt, dass die Standardisierung insbesondere bei Verbraucherkrediten die Substituierbarkeit eines Kredits erhöht und seine Kritikalität verringert.⁴⁰³ Die Größe der Kreditnehmer erhöht in der Regel die Substituierbarkeit von Unternehmenskrediten und verringert deren Kritikalität.⁴⁰⁴ Kurzfristige Kredite sind als kritischer im Vergleich zu längerfristigen Krediten anzusehen. Die Auswirkungen potenzieller neuer Kredite sind gewichtiger als der derzeitige Bestand an ausstehenden Darlehen.⁴⁰⁵
So sind institutionelle Investoren im Vergleich zu Privatanlegern grundsätzlich besser informiert, reagieren schneller auf neue Entwicklungen und verfügen über ein diversifiziertes Portfolio sowie eine größere Auswahl an alternativen Anbietern. Daher sind die Privatkundeneinlagen in der Regel kritischer anzusehen; vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang, S. 15. Eine entsprechende Differenzierung wird jedoch nicht vom SRB vorgenommen. So empfiehlt der FSB u. a. zwischen Giro- und Sparkonten zu differenzieren. Der SRB unterscheidet hingegen nicht von vornherein zwischen verschiedenen Arten von Einlagen. Er trägt lediglich der Transaktionsdimension von Girokonten im Rahmen der „Zahlungsfunktion“ Rechnung; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 45. Demgegenüber lehnt der SRB eine Mitberücksichtigung der Rolle von Einlagensicherungssystemen mit dem Argument ab, dass ein nationales Einlagensicherungssystem die Störung am Einlagengeschäft (kritische Funktion) eines Instituts nicht dadurch beseitigen kann, dass es die gedeckten Einlagen auszahlt. Daher können Einlagensicherungssysteme nicht als Ersatzanbieter angesehen werden; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 44. Diese Auffassung ist kritisch zu betrachten. Einlagensicherungssysteme spielen eine große Rolle beim Auffangen von negativen Auswirkungen und Ansteckungseffekten in den Finanzmärkten und verhindern mithin deren Übertragung auf die Realwirtschaft. Somit hängt die Kritikalität einer Einlage erheblich davon ab, ob die Kapazität des Einlagensicherungssystems ausreicht, um den Ausfall beim Einglagengeschäft abzudecken. Vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang, S. 17 f. Während kleine und mittlere Unternehmen in der Regel nur eine einzige Hausbank haben, haben größere Unternehmen in der Regel Zugang zu einer breiteren Palette potenzieller Kreditgeber und zu den Finanzmärkten; Id., S. 18. Daher fordert der SRB die Institute auf, die erwarteten künftigen Kreditflüsse zu berücksichtigen, einschließlich bestehender Kreditfazilitäten, die bereits den Kunden zugesagt, aber noch nicht (vollständig) genutzt wurden; vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 46.
B. Haftungsausschlüsse
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(iii) Die Marktkonzentration im Bereich der Zahlungsverkehrssysteme erhöht die Kritikalität der erbringenden Funktionen.⁴⁰⁶ Ähnliche Wirkung entfalten ein großer Umfang der Geschäftstätigkeit⁴⁰⁷ sowie komplexe, nicht standardmäßige Schnittstellen⁴⁰⁸. (iv) Im Mittelpunkt der Beurteilung, ob bestimmte Kapitalmarktaktivitäten als kritisch anzusehen sind, steht die Rolle von Instituten als Liquiditätsgeber für die Finanzmärkte.⁴⁰⁹ Maßgeblich für die Substituierbarkeit sind die Anzahl der Unternehmen mit Vertriebskapazität und Fachwissen auf dem relevanten Markt, die Transaktions- bzw. Handelsintensität sowie die operationellen und rechtlichen Hindernisse bei der Übertragung von Kundenkonten.⁴¹⁰ (v) Bei der Bewertung von Interbankenaktivitäten ist in erster Linie der systemischen Relevanz des Interbankenfinanzierungsmarkts sowie der des Instituts selbst Rechnung zu tragen.⁴¹¹ Zudem gelten eine hohe Verflechtung der Institute untereinander und eine übermäßige Risikotransformation als Indikatoren einer erhöhten Kritikalität.⁴¹²
iii) Zwingende Erforderlichkeit und Angemessenheit Mit der Identifizierung von kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereichen eines Instituts und der Ermittlung ihrer Schutzbedürftigkeit erfolgt kein automatischer Haftungsausschluss für die mit den unerlässlichen operativen Geschäften verbundenen Verbindlichkeiten aus dem Bail-in-Instrument. Es muss noch geprüft werden, ob bzw. inwiefern der Fortbestand dieser Geschäfte gerade durch die Einbeziehung der ihnen dienenden Verbindlichkeiten in das Bail-inInstrument aufs Spiel gesetzt würde. Vielmehr verlangen Art. 27 Abs. 5 UAbs. 1 lit. b SRMR und Art. 44 Abs. 3 UAbs. 1 lit. b BRRD, dass mögliche Haftungsausschlüsse
Je höher der Marktanteil eines Anbieters in einem bestimmten Marktsegment, desto größer die Kritikalität der von ihm erbringenden Dienstleistungen, da sein Ausfall mehr Gegenparteien betreffen würde; vgl. Id., S. 21. Daher werden Zahlungs-, Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen in einem größeren geografischen Gebiet mit hohen Volumina in der Regel als kritischer angesehen; vgl. Id. Dies gilt auch für die Verknüpfung mit verwandten Dienstleistungen, wie Transaktionskonten, Einlagen und Verwahrung; vgl. Id. Vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 48. Vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang, S. 27 f. Vgl. SRB, Critical Functions: SRB Approach, 2017, Rn. 49. Vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 2013, Anhang, S. 25.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
zwingend bzw. unbedingt ⁴¹³ erforderlich und angemessen zur Erfüllung der genannten Zwecke sein müssen. Daraus wird ersichtlich, dass zum einen die Anforderungen, die an die ermessensgeleitete Ausnahme aus einer Bail-in-Anwendung gestellt werden, über den bloßen Kausalzusammenhang zwischen Gläubigerhaftung und Beeinträchtigung der kritischen operativen Teile des Instituts hinausgehen.⁴¹⁴ Zum anderen sollen Maßnahmen, deren Einsatz die Kontinuität der kritischen Operationen in vergleichbarer Weise sicherstellt, vorrangig – d. h. vor einem ad hoc gewährten Haftungsausschluss – Anwendung finden. Problematisch dürfte die Beurteilung darüber ausfallen, ob die hier vorgenommene Bewertung auch die Inanspruchnahme außerordentlicher öffentlicher Mittel umfasst, nämlich ob auch staatliche Gelder, zumindest solange sie keine Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AUEV darstellen, weil sie zu marktüblichen Konditionen gewährt werden, vorrangig in Betracht zu ziehen sind. Dagegen sprechen die Systematik des europäischen Abwicklungsregimes sowie das zu beachtende Abwicklungsziel des Schutzes von öffentlichen Mitteln⁴¹⁵. Vorrangig zu prüfen sind daher alternative Maßnahmen mit vergleichbarer Wirkung zur Sicherstellung der Kontinuität von kritischen Funktionen, die vom Institut initiiert werden. Daher ist ein dermaßen weites Verständnis von alternativen Maßnahmen abzulehnen. Mit staatlichen Stützungsmaßnahmen nicht gleichzusetzen sind hingegen nicht die Maßnahmen von Zentralbanken zur Liquiditätsbereitstellung im Rahmen von Refinanzierungsgeschäften oder außergewöhnlichen Programmen. Denn sie gehen nicht mit einer Belastung der öffentlichen Finanzen einher. Dennoch erfolgen sie auch nicht „aus eigener Kraft“ des abzuwickelnden Instituts und sollen ebenfalls ausgeklammert werden. Neben den allgemeinen Abwicklungszielen und den spezifischen Grundsätzen, den bei der Ausübung von Ausnahmebefugnissen gem. Art. 27 Abs. 12 SRMR, Art. 44 Abs. 9 BRRD Rechnung getragen muss, sind weitere Anforderungen, die an den Kausalzusammenhang zwischen Schutz der erbringenden kritischen Funktionen bzw. Erhaltung der Kerngeschäftsbereiche und Haftung nach dem Bail-inInstrument zu stellen sind, Art. 7 Del-VO 2016/860 zu entnehmen. In Bezug auf die kritischen Funktionen wird klargestellt, dass kein Ausschluss von Verbindlichkeiten bzw. Kategorien hiervon allein auf Grundlage ihrer Laufzeit, der Erwartung von angestiegenen Finanzierungskosten oder eines möglichen künftigen Gewinns
Vgl. ErwGr. 77 SRMR, ErwGr. 7 BRRD. Dadurch soll verhindert werden, dass der Schutz einzelner kritischer Funktionen automatisch zu einem Schutz der damit verbundenen Gläubiger führt. Vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 140. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. c SRMR, Art. 31 Abs. 2 lit. c BRRD.
B. Haftungsausschlüsse
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erfolgen darf.⁴¹⁶ Ein Haftungsausschluss ist hingegen zulässig, wenn die Einbeziehung der betreffenden Verbindlichkeiten in das Bail-in-Instrument zu einer Austrocknung der benötigten Finanzierung führen oder die Abhängigkeit des Instituts von Gegenparteien (z. B. absichernden Gegenparteien, Infrastrukturen oder Dienstleistungsanbietern) dermaßen beeinträchtigen würde, dass sie Geschäfte mit dem Institut abbrechen würden.⁴¹⁷ Gleiches gilt für kritische Dienstleistungen, die von der ununterbrochenen Erfüllung der Verbindlichkeit abhängig sind⁴¹⁸. Darüber hinaus dürfen Verbindlichkeiten für Absicherungszwecke im Zusammenhang mit kritischen Funktionen nur ausgenommen werden, wenn die damit verfolgte Absicherung für Aufsichtszwecke anerkannt sowie unerlässlich für die mit der Funktion im Zusammenhang stehenden Geschäft ist und es dem Institut nicht möglich wäre, die Absicherung zu vertretbaren Bedingungen innerhalb der notwendigen Zeitspanne zu ersetzen.⁴¹⁹ Verbindlichkeiten dürfen zur Erhaltung einer Finanzierungsbeziehung nur ausgeschlossen werden, wenn die Finanzierung unerlässlich für die Sicherung der kritischen Funktion ist und es anderenfalls dem Institut nicht möglich wäre, die Finanzierung zu vertretbaren Bedingungen und innerhalb der notwendigen Zeitspanne zu ersetzen.⁴²⁰ Etwas missverständlicher sind hingegen die Vorgaben zu der Erforderlichkeit von Haftungsausschlüssen zwecks Aufrechterhaltung von Kerngeschäftsbereichen. Danach darf die Rentabilität für sich genommen nicht als Ausschlussgrund für die Sicherung von Kerngeschäftsbereichen dienen.⁴²¹ Dieses Erfordernis scheint im Widerspruch mit dem Begriffsverständnis von Kerngeschäftsbereichen im Rahmen der Del-VO 2016/778 zu stehen, wonach sie „wesentliche Quellen der Einnahmen, der Gewinne oder des Franchise-Werts darstellen“.⁴²² Außerdem darf Vgl. Art. 7 Abs. 4 lit. a-c Del-VO 2016/860.Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 34. Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. a Del-VO 2016/860. Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. b Del-VO 2016/860. Dies ist vor dem Hintergrund der mangelnden Substituierbarkeit zu verstehen; vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 36. Vgl. Art. 7 Abs. 2 Del-VO 2016/860. Vgl. Art. 7 Abs. 3 Del-VO 2016/860. Ein Ausschluss zwecks Erhaltung bestehender Finanzierungs-beziehungen soll nach Ansicht der EBA nur unter sehr strengen Bedingungen möglich sein; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 41. Vgl. ErwGr. 18 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 28. Vgl. Art. 7 Abs. 1 Del-VO 2016/778.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
ein Haftungsausschluss aus dem Bail-in-Instrument nur gewährt werden, wenn dies zur Erreichung der Abwicklungsziele nach Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a, b SRMR, Art. 31 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a, b BRRD erforderlich ist.⁴²³ Diese nehmen jedoch lediglich Bezug auf die Wahrung von kritischen Funktionen. Die Kerngeschäftsbereiche bleiben unerwähnt. Aus der Anknüpfung an die Bedingungen, die für den Ausschluss von kritischen Funktionen gelten, folgt, dass kein Raum für eine separate Prüfung der Besonderheiten von Kerngeschäftsbereichen im Rahmen der Wahrnehmung der Ausnahmebefugnisse übrigbleibt.⁴²⁴ In systematischer Hinsicht ist dies jedenfalls kritisch zu bewerten.
c) Zur Vermeidung einer ausgedehnten Ansteckung Die Verhinderung einer Ansteckung mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Finanzmarkstabilität ist ein weiteres Abwicklungsziel, das einen Ausschluss von der Anwendung des Bail-in-Instruments rechtfertigen kann.⁴²⁵ Im Einklang damit können die Abwicklungsbehörden Freistellungen gewähren, um finanzmarktbezogene Ansteckungseffekte zu vermeiden bzw. einzudämmen, die zu einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedsstaates führen würden.⁴²⁶ Als (einziges) Beispiel solcher Verbindlichkeiten werden im Ausnahmetatbestand Einlagen von natürlichen Personen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen ausgeführt, die über die Deckung durch Einlagensicherungssysteme hinausgehen. Die Abwicklungsbehörden sind verpflichtet, besonderes Augenmerk auf sie zu werfen. Genauso wie die kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche fließen auch mögliche Ansteckungseffekte in die Prüfung der Abwicklungsfähigkeit des betreffenden Instituts und die Erarbeitung der geeigneten Strategie im Rahmen der Abwicklungsplanung ein.⁴²⁷ Daher bedürfen Abweichungen von der kommunizierten Strategie in Gestalt ad hoc gewährter Haftungsausschlüsse einer
Vgl. Art. 7 Abs. 5 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 39. Vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 139 f., der aus diesem Grund den Kerngeschäftsbereichen einen eigenständigen Inhalt im Zusammenhang mit der Ausübung der Ausnahmebefugnisse abspricht. Vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. b SRMR, Art. 31 Abs. 2 lit. b BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 5 lit. c SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. c BRRD. Vgl. auch ErwGr. 72 BRRD, ErwGr. 77 SRMR. Vgl. Anhang, Abschnitt C., Nr. 26 BRRD.
B. Haftungsausschlüsse
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gesonderten Erklärung durch die zuständigen Entscheidungsträger. Dafür genügt ein Nachweis über das Bestehen von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit des Instituts nicht. Vielmehr haben die zuständigen Behörden darzulegen, aus welchem Grund die befürchteten Ansteckungseffekte nicht vollumfänglich im Rahmen der Abwicklungsplanung berücksichtigt wurden.⁴²⁸ Auch wenn dies nach einer hohen Anforderung klingt, dürfte ein solcher Nachweis angesichts der starken zeitlichen und kontextuellen Abhängigkeit der behördlichen Beurteilung über das Vorliegen einer Gefahr von finanzmarktbezogenen Ansteckungseffekten jedoch keine besonderen Probleme in der Abwicklungspraxis bereiten. Je nach Marktkonditionen zum Zeitpunkt, in dem der Bail-in-Beschluss gefasst wird, können die ihm zugrundeliegenden Annahmen überschießen oder zu kurz greifen. So müssen die Abwicklungspläne der Institute im Abwicklungsfall an die signifikant veränderten Martkbedingungen angepasst werden. Damit verfügen die Abwicklungsbehörden weiterhin über einen beträchtlichen Ermessensspielraum. Wichtig ist jedenfalls, dass es sich um eine ausgedehnte Ansteckung handelt mit einem Schadenpotenzial für die Finanzmärkte sowie für weite Teile der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder der Union. Daraus folgt, dass eine erhebliche Destabilisierung sowohl der Finanzmärkte als auch der Wirtschaft vorhanden sein muss. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass ein gewisses Risiko einer Ansteckung jeglichem Einsatz des Bail-in-Instruments und der damit realisierenden Gläubigerhaftung immanent ist.⁴²⁹ Für sich genommen darf dies keinen automatischen Haftungsausschluss rechtfertigen. Daher haben die Abwicklungsbehörden zu prüfen, ob zum einen der Ausfall des Instituts (nicht) die Folge einer systemübergreifenden Krisensituation ist und zum anderen, ob der Ansteckungseffekt aus dem Einsatz des Bail-in-Instruments bei den betreffenden Verbindlichkeiten herrührt oder dadurch erheblich verschärft wird oder vielmehr durch den Ausfall des Instituts an sich entsteht.⁴³⁰ Die in Art. 8 Del-VO 2016/860 vorgesehenen Kriterien tragen zu einer gewissen Orientierung bei der Wahrnehmung der Ausnahmebefugnisse durch die Abwicklungsbehörden und der Gewährung von Haftungsausschlüssen zur Abwendung einer Ansteckung bei. Darin wird die grundsätzliche systematische Einteilung von Ansteckungsarten anhand ihrer Entstehung und Ausbreitung in direkte und indirekte Ansteckung vorgenommen.
Vgl. ErwGr. 23 Del-VO 2016/860. Vgl. ErwGr. 22 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 43. Vgl. ErwGr. 22 Del-VO 2016/860.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
i) Direkte Ansteckung Eine direkte Ansteckung liegt vor, wenn die aus der Bail-in-Anwendung herrührenden Verluste bei den mit dem abzuwickelnden Institut kontrahierenden Vertragsparteien dermaßen hoch sind, dass ihr eigener Ausfall in naher Zukunft eintritt bzw. einzutreten droht.⁴³¹ Gehen die Abwicklungsbehörden von solchen Domino-Effekten aus, können sie bestimmte Gläubiger schonen, um die „Ansteckungskette“ zu durchbrechen. Dies erfordert eine nicht unkomplizierte Bewertung im Wege einer hypothetischen Verlusttragung. Zunächst sind die Verluste zu ermitteln, die auf die Gläubiger des Instituts, bei dem ein Bail-in durchgeführt würde, entfallen würden. Zu diesem Zweck sollen jegliche Verflechtungen des Instituts mit den haftenden Gegenparteien, die auch dem Bankensektor im weiten Sinne gehören, unter die Lupe genommen werden. Zwar ist der Wert der Verbindlichkeiten gegenüber anderen Instituten relativ unproblematisch der Bilanz des betreffenden Instituts zu entnehmen. Die Erfassung von außerbilanziellen Risiken stellt aber eine deutlich schwierigere Aufgabe dar. Neben dem Interbankenmarkt stellen der Wertpapierhandel⁴³² sowie das Geschäft mit Großkundeneinlagen⁴³³ weitere wichtigen Marktsegmente für die Ermittlung von Ansteckungsrisiken dar. In einem zweiten Schritt rückt die systemische Bedeutung der Gegenparteien in den Vordergrund.⁴³⁴ Dadurch sollen weitere Verflechtungen entlang der „Ansteckungskette“ oder sogar neue Ansteckungkanäle erfasst werden. Dies dürfte insbesondere mit Blick auf die Finanzmarktinfrastrukturanbieter mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein. Bereits aus diesen zwei ersten Punkten lässt sich ableiten, dass ein oligopolistischer Bankensektor mit hohem Verflechtungsgrad in einem Staat mit einem nicht allzu bedeutenden Kapitalmarkt⁴³⁵ und keine strengen bzw. glaubwürdigen Eigenmittel- und Liquiditäts-
Vgl. die Definition in Art. 3 Nr. 1 Del-VO 2016/860. Konkret prüft der SRB den genauen Anteil der vom abzuwickelnden Institut ausgegebenen Schuldverschreibungen an den gesamten Schuldverschreibungen im heimischen Bankensektor; vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board of 15 August 2019 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of AS PNB Banka, SRB/EES/2019/131, S. 28. So setzte sich der SRB mit Blick auf potenzielle Ansteckungseffekte mit der Problematik auseinander, dass sich drei gesetzliche Alterversorgungssysteme unter den 100 größten Einlegern der lettischen AS PNB Banka befanden; Id. Vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. b Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 47. Integrierte Kapitalmärkte tragen zum Ausgleich von Liquiditätsengpässen bei und verringern somit die externen Effekte auf die Realwirtschaft. Näher dazu: Langfield/Pagano, Bank bias in Europe: Effects on systemic risk and growth, Economic Policy 2016, S. 61 ff.
B. Haftungsausschlüsse
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anforderungen das passende Terrain für die Gewährung eines Haftungsausschlusses bildet. In einem dritten Schritt ist dann genauer auf die Frage einzugehen, ob und inwieweit der Einsatz des Bail-in-Instruments im konkreten Abwicklungsfall zu Folgeausfällen führen würde.⁴³⁶ Maßgeblich hierfür ist in erster Linie der Umfang der Abschreibung von Verbindlichkeiten bzw. der Umwandlung in (unterbewertete) Eigenanteile des abzuwickelnden Instituts im Rahmen des Bail-ins: Je umfangreicher der hoheitliche Eingriff in die Bilanz des Instituts ist, desto wahrscheinlicher sind Folgeausfälle bei den Gläubigern des Instituts. Dennoch bietet allein die Höhe der Abschreibung keinen hinreichenden Indikator für das Vorliegen einer drohenden Ansteckung. Auch die Art sowie der Rang der Verbindlichkeiten entlang der Haftungskaskade spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Ebenfalls von Bedeutung sind die Kapazitäten der Gegenparteien Verluste aufzufangen, ohne selbst gegen die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen zu verstoßen. Schließlich müsste der Nachweis einer ausgedehnten Ansteckung erbracht werden, die in räumlicher und zeitlicher Hinsicht über das gewöhnliche Maße an Marktturbulenzen hinausgeht.
ii) Indirekte Ansteckung Ähnlich wie beim Coronavirus sowie vielen anderen Infektionskrankheiten, bei denen der physische Kontakt nicht der einzige Übertragungsweg ist, breiten sich Ansteckungen im Finanzsektor nicht nur über vertragliche Verpflichtungen aus. In Wirklichkeit sind die viel gefürchteten „Domino-Ausfälle“ nicht zuletzt aufgrund der Rolle der Zentralbanken⁴³⁷ eine Rarität.⁴³⁸ Häufiger und deutlich gravierender sind hingegen die Verluste infolge indirekter Ansteckung.⁴³⁹ Sie sind in der Regel auf sog. fire sales, die sich massiv auf die Marktpreise von Vermögenswerten anderer Institute bzw. Marktteilnehmer mit ähnlichen Merkmalen wie das ausfallende Institut, oder auf Informationsasymmetrien in den Finanzmärkten, wodurch es oft zu panischartigen Reflexreaktionen kommt, zurückzuführen.
Vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. a Del-VO 2016/860. Dazu ausführlich unter: 3. Abschnitt, E. Für eine Zusammenfassung der Befunde in der ökonomischen Literatur, die dies belegen s. Upper, Simulation methods to assess the danger of contagion in interbank markets, Journal of Financial Stability, 7(3), 2011, 111 ff. Vgl. u. a. Clerc/Giovannini/Langfield/Peltonen/Portes/Scheicher, Indirect contagion: the policy problem, ESRB 2016, S. 3 ff., die aber auch auf die Wechselwirkungen zwischen diesen zwei unterschiedlichen Ansteckungswegen im Falle einer systemischen Krise hinweisen.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Der Einsatz des Bail-in-Instruments kann negative Reaktionen von Marktteilnehmern hervorrufen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Finanzsystems mit möglichen Schäden für die Realwirtschaft führt;⁴⁴⁰ in einem solchen Fall liegt der Ausnahmetatbestand der indirekten Ansteckung grundsätzlich vor. Die indirekte Ansteckung kann schnell eine Vertrauenskrise im Bankensektor auslösen und zu einer weitgehenden Austrocknung der Liquidität insbesondere bei Geldmarktfonds führen.⁴⁴¹ Aus diesen Gründen ist sie auch bei der Abwicklung kleiner Institute unter Einsatz des Bail-in-Instruments möglich und somit noch weniger vorhesehbar als die Gefahr einer direkten Ansteckung. Daher darf es nicht verwundern, dass die Del-VO 2016/860 ein Dutzend Kriterien festlegt, die bei der Bewertung über das Vorliegen einer indirekten Ansteckung heranzuziehen sind. Dazu zählen u. a.:⁴⁴² Die Anzahl, Größe und Verflechtung der vom Bail-in betroffenen natürlichen Personen und Gegenparteien (auch aus dem Nichtbankensektor) sowie der Institute mit ähnlichen Merkmalen wie das abzuwickelnde Institut; die Substituierbarkeit der erbringenden kritischen Funktionen; die Gefahr einer ausgedehnten Einstellung der Finanzierung oder einer umfassenden Einstellung kritischer Funktionen; die Gefahr eines ausgedehnten Ausfalls von Instituten; erhebliche Rückgänge bei den Aktienkursen oder bei den zur Verfügung stehenen Sicherheiten, erhebliche Anstiege der Einschussanforderungen oder der Preise für Kreditausfallversicherungen; sogar noch die Medienberichterstattung über die Anordnung bzw. Umsetzung des Bail-in-Instruments. Aus diesem Indikatorenkatalog lässt sich ableiten, dass die indirekte Ansteckungsgefahr noch stärker als der direkte Übertragungsweg von den konkreten Umständen der Schieflage des Instituts abhängig ist. Eine ex ante-Bestimmung kann daher nicht zuverlässig erfolgen. Den Abwicklungsbehörden wird nicht nur eine Gesamtwürdigung der Marktbedingungen, sondern vielmehr eine Prognose über die Entwicklung dieser Faktoren abverlangt. Die daraus resultierende Unsicherheit für die Glä ubiger über die Anwendbarkeit des Bail-in-Instruments dürfte, wie zuvor dargelegt, zu Fremdkapitalaufschlägen führen. Leider hat die bisherige Abwicklungspraxis des SRB zu keiner Entschärfung dieses Problems beigetragen. Ganz im Gegenteil ergibt sich daraus ein widersprüchliches Bild. So wird zunächst zur Ermittlung möglicher Ansteckungsgefahren auf die SignifkanzKriterien des SSM oder sonstige durch die EBA erarbeiteten aufsichtsrechtlichen
Vgl. die Definition in Art. 3 Nr. 2 Del-VO 2016/860. Für ein aktuelles Beispiel im außereuropäischen Kontext s. Havemann, Can Creditor Bail-in Trigger Contagion?, Review of Finance 2019, S. 1155, 1166 ff., der einen großen Zuwachs an Rückkaufanträge gegenüber Geldmarktfonds infolge eines Bail-in bei der südafrikanischen African Bank Ltd. feststellt. Die vollständige Liste ist Art. 8 Abs. 2 Del-VO 2016/860 zu entnehmen.
B. Haftungsausschlüsse
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Größenkriterien⁴⁴³ abgestellt, um sie dann trotz ihres Vorliegens zugunsten einer dynamischen Sicht zurückzuweisen.⁴⁴⁴ Zudem wird vom standardmäßigen relevanten Markt der Mitgliedsstaaten zum Teil abgewichen, damit Folgewirkungen auf die gesamte Bankenunion berücksichtigt werden.⁴⁴⁵ Vielmehr werden neben den in der Del-VO 2016/860 enthaltenen auch weitere Indikatoren zur Erkennung von Ansteckungsrisiken herausgearbeitet.⁴⁴⁶ Dadurch gelingt es dem SRB seinen Ermessensspielraum erheblich zu erweitern.
iii) Zwingende Erforderlichkeit und Angemessenheit Die Möglichkeit eines Ausfalls eines oder mehrerer Finanzinstitute, die als unmittelbare Folge des Bail-ins ausfallen oder in Schieflage geraten, führt jedenfalls zu keinem automatischen Haftungsausschluss. In Übereinstimmung mit dem Ausnahmetatbestand für kritische Funktionen und Kerngeschäftsbereiche muss der Ausschluss zwingend erforderlich und angemessen sein, um eine Ansteckung zu vermeiden, die zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen könnte, die die
Nämlich den Gesamtpunktewert für die Einstufung eines Instituts als anderweitig systemrelevant (A-SRI) gemäß EBA, Guidelines On the criteria to determine the conditions of application of Article 131(3) of Directive 2013/36/EU (CRD) in relation to the assessment of other systemically important institutions (O-SIIs), EBA/GL/2014/10, v. 16. Dezember 2014, Rn. 9. So heißt es ausdrücklich im Beschluss über die mögliche Abwicklung von Banca Populare di Vicenza: „The Institution has been classified by the ECB as a Significant Institution solely on the basis of its size. However, […] the total assets of the banking sector in Italy, were only slightly above the size threshold (EUR 30 billion). It has to be noted that the business volume of the Institution is rapidly decreasing.“ Vgl. SRB, Decision of the the Single Resolution Board in its executive session of 23 June 2017 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Populare di Vicenza S.p.A., SRB/EES/2017/12, S. 15. Ähnlich auch im Falle der lettischen ABLV Bank: „With regard to the systemic relevance of the Institution, it is recalled that, as at 30 September 2017, the Institution had total assets of EUR 3.63 billion (representing a market share of 15.4 %) and was ranked as the third largest credit institution, in terms of total assets. […] However, the above rankings are not representative of the extent of the impact that the failure of the Institution could have on the financial system and the real economy of Latvia or other Member States.“ Vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board of 23 February 2018 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of ABLV Bank, AS, SRB/EES/2018/09, Rn. 99 – 100. Vgl. SRB, Decision of the Single Resolution Board of 23 February 2018 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of ABLV Bank, AS, SRB/EES/2018/09, Rn. 102. So wird im Rahmen des Beschlusses über die Abwicklung der lettischen PNB die Kapazität des lettischen Einlagensicherungssystems für ausreichende Abwehr im Falle von Ansteckungseffekten gehalten, um Letztere zu dementieren. SRB, Decision of the Single Resolution Board of 15 August 2019 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of AS PNB Banka, SRB/EES/2019/131, Rn. 130 – 133.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der gesamten Union erheblich beeinträchtigen könnten. Die Besonderheit des hier untersuchten Ausnahmetatbestandes liegt aber wohl darin, dass die Erfoderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eines Haftungsausschlusses aufgrund des Risikos einer ausgedehnten Ansteckung anhand der zum Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung herrschenden Marktbedingungen zu beurteilen und folglich im starken Maße von externen Faktoren abhängig ist, letztendlich von der Frage, ob das Finanzsystem unter erheblichem Stress steht bzw. an mangelndem Vertrauen leidet.⁴⁴⁷ Dadurch wird auch die Beurteilung darüber, ob andere weniger gläubigerschonende Maßnahmen als ad hoc gewährte Haftungsausschlüsse, deren Einsatz die Vermeidung von Ansteckungseffekten in vergleichbarer Weise gewährleistet, erheblich erschwert. Dies führt zu einer entsprechenden Erweiterung des Ermessensspielraums, worüber die Abwicklungsbehörden bei der Wahrnehmung dieser Ausnahmebefugnisse verfügen.
d) Zur Verhinderung einer Wertminderung In einzelnen Fällen kann die Einbeziehung bestimmter Verbindlichkeiten in das Bail-in-Instrument zu einer unnötigen Wertvernichtung führen. Um eine solche Wertvernichtung zu verhindern, können solche Verbindlichkeiten aus der Haftungsverwirklichung ausgeschlossen werden.⁴⁴⁸ Nicht jede Wertminderung darf jedoch als Ausschlussgrund dienen. Denn dies stünde im krassen Widerspruch zum Sinn und Zweck des Bail-in-Instruments. Voraussetzung hierfür ist, dass die Einbeziehung der in Rede stehenden Verbindlichkeiten ins Bail-in zu größeren Verlusten (auch) bei den nicht ausgeschlossenen Verbindlichkeiten führen würde.⁴⁴⁹ Dies kann der Fall sein, wenn diese Verbindlichkeiten besondere gewinnbringende Merkmale aufweisen oder Teile eines erfolgreichen operativen Geschäfts sind und durch ihre Veräußerung an einen potenziellen Käufer den Wert des Instituts steigern würden.⁴⁵⁰
Vgl. ErwGr. 23 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 44. Vgl. Art. 27 Abs. 5 lit. d SRMR, Art. 44 Abs. 3 lit. d BRRD. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 56 f. Vgl. ErwGr. 26 Del-VO 2016/860; EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 63.
B. Haftungsausschlüsse
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Zur Beurteilung der möglichen Vorteile hinsichtlich der Werterhaltung eines Ausschlusses vom Bail-in-Instrument muss der infolge des Haftungsausschlusses erhöhte (hypothetische) Haftungsumfang der Inhaber von nicht ausgeschlossenen Verbindlichkeiten dem Beitrag dieser Verbindlichkeiten zum Verlustausgleich und Rekapitalisierung im Falle ihrer Einbeziehung in das Bail-in-Instrument gegenübergestellt werden.⁴⁵¹ Dies soll im Rahmen einer Bewertung nach Art. 20 SRMR bzw. Art. 36 BRRD erfolgen. ⁴⁵² Geht aus dieser Bewertung eindeutig hervor, dass der durch den Haftungsausschluss erzielte Nutzen für die nicht ausgeschlossenen Gläubiger den Rückgang beim Gesamtbetrag zum Verlustausgleich bzw. zur Rekapitalisierung aufwiegt, können die Abwicklungsbehörden diese Verbindlichkeiten aus dem Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments herausnehmen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der erhaltene Wert durch einen entsprechenden Anstieg der von einem privaten Käufer zu entrichtenden Gegenleistung eindeutig zu ermitteln ist.⁴⁵³ Somit fließen auch bei diesem Ausnahmetatbestand Einschätzungen über die konkrete Marktlage in die Entscheidungsfindung der Abwicklungsbehörden ein. Die vorzunehmende Bewertung soll nicht auf den Buchwert, sondern auf den wirtschaftlichen Wert abstellen und die vernünftigerweise zu erwartenden Zahlungsströme des Instituts berücksichtigen.⁴⁵⁴ Somit dürfen auch künftig zu erwartenden Einnahmen, Wachstumssaussichten sowie Erwartungen einer Wertsteigerung des Franchise-Werts⁴⁵⁵ des Instituts als Ausschlussgrund dienen, sofern sie durch plausible und belegte Prognosen untermauert sind. Fraglich ist jedoch, ob mittelbare Vorteile für die nicht ausgeschlossenen Gläubiger, die sich u. a. aus der Erneuerung der Aktivastruktur, der Refinanzierung der offenen Verpflichtungen oder der Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit des Instituts infolge der Bail-in-Anwendung ergeben, nicht zu ungewiss sind, um sie bei der vorzunehmenden Bewertung positiv zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich auch solche Vorteile zu berücksichtigen, sofern ihr Barwert auf verlässliche
Vgl. Art. 9 Abs. 2 Del-VO 2016/860. Es kann sich um eine Bewertung gem. Art. 36 Abs. 1 BRRD oder eine vorläufige Bewertung gem. Art. 36 Abs. 2 und 9 BRRD handeln. Vgl. ErwGr. 26 Del-VO 2016/860. Vgl. ErwGr. 7 Del-VO 2018/345. Der Begriff „Franchise-Wert“ wird in Art. 1 lit. g Del-VO 2018/345 definiert, als der: „NettoBarwert der Zahlungsströme, die nach vernünftigem Ermessen aus der Erhaltung und Erneuerung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten oder Geschäften resultieren, und umfasst die Auswirkungen aller Geschäftsmöglichkeiten, einschließlich solcher, die sich durch die verschiedenen, vom Bewerter zu prüfenden Abwicklungsmaßnahmen ergeben. Der Franchise-Wert kann höher oder niedriger sein als der Wert, der sich aus den Vertragsbedingungen für die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zum Bewertungsstichtag ergibt.“ Vgl. auch ErwGr. 8 Del-VO 2018/345.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Weise zu ermitteln ist und ein Kausalzusammenhang zwischen Ausschluss der bestimmten Verbindlichkeiten und erwarteter Werterhaltung besteht.⁴⁵⁶ Dies bedeutet, dass eine nur theoretische Möglichkeit zur Erzielung von Gewinnen bzw. spekulative Aussicht auf Erholung nach dem Einsatz des Bail-in-Instruments keine Grundlage für den Haftungsausschluss bieten darf.
i) Derivate Vorausgesetzt sie sind nicht von einem anderen Ausnahmetatbestand erfasst, dürften die Derivatekontrakte der Hauptanwendungsfall eines Haftungsausschlusses zwecks Werterhaltung bzw. Wertsteigerung im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes sein.⁴⁵⁷ Wie bereits erwähnt, findet das Bail-in-Instrument auf Verbindlichkeiten aus Derivaten Anwendung, jedoch nur nach deren Glattstellung (Close-out).⁴⁵⁸ Bereits vor dem Close-out wird aber die Bewertung nach Art. 20 SRMR bzw. Art. 36 BRRD vorgenommen, die die Grundlage der Entscheidung darüber bildet, ob Derivateverbindlichkeiten vom Bail-in einbezogen werden sollen. Da der Wert von Derivaten sich am Wert der ihnen zugrundeliegenden Instrumente orientiert und der Letzere erst beim Close-out ermittelbar ist, besteht das Risiko, dass nicht alle Verluste in die vorgenommene Bewertung eingeflossen sind. Mit anderen Worten: Es können zusätzliche Verluste eintreten, die je nach der jeweils angewandten Bewertungsmethode nicht von der Bewertung nach Art. 20 SRMR bzw. Art. 36 BRRD im Fortführungswert der Derivate erfasst wurden.⁴⁵⁹ Solche mit dem Closeout von Derivaten verbundenen Verluste können sowohl die Gegenparteien (bspw. in Form neu entstehender Ersatzkosten) als auch das abzuwickelnde Institut selbst (bspw. in Form neu entstehender Kosten zur Wiederherstellung von offengelassenen Absicherungen) betreffen.⁴⁶⁰
Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 58. S. auch Art. 12 Abs. 6 lit. d Del-VO 2018/345. Derivate sind das einzige Beispiel eines möglichen Haftungsausschlusses aus Gründen der Verhinderung einer Wertminderung, das in der BRRD angeführt wird; vgl. Art. 49 Abs. 5 lit. c BRRD. Vgl. Art. 49 Abs. 2 UAbs. 1 BRRD. Näher dazu: Benzler/Hissnauer, in: Binder/Singh (Hrsg.) Bank Resolution, Rn. 4.19 ff. Vgl. ErwGr. 27 Del-VO 2016/860 sowie ErwGr. 10 Del-VO 2016/1401.Vor diesem Hintergrund ist auch die Anforderung an eine vorläufige Bewertung nach Art. 36 Abs. 9 UAbs. 2 BRRD zu verstehen, einen Sicherheitspuffer für mögliche – noch nicht eingetretene bzw. bekannte – Verluste zu umfassen. Wobei das Institut auch im ersten Fall aufgrund der gestiegenen Glattstellungskosten haftet.
B. Haftungsausschlüsse
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Sind diese zusätzlichen durch die Glattstellung entstehenden Kosten höher als der erzielte Nutzen durch eine Einbeziehung der betreffenden Verbindlichkeiten aus Derivaten in das Bail-in-Instrument, können die Abwicklungsbehörden einen Ausschluss dieser Derivateverbindlichkeiten zur Verhinderung einer Wertminderung gem. Art. 27 Abs. 5 lit. d SRMR bzw. Art. 44 Abs. 2 lit. d BRRD⁴⁶¹ in Betracht ziehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Belastung für nicht ausgeschlossene Gläubiger sich durch das Close-out der Derivate höher ausfällt, als sie bei einem Ausschluss dieser Verbindlichkeiten vom Bail-in-Instrument wäre.⁴⁶² Um herauszufinden, ob dies der Fall ist, haben die Abwicklungsbehörden zwei Größen einander gegenüberzustellen:⁴⁶³ Den Betrag der Verluste, die bei einer Bail-in-Anwendung auf die Derivate entfallen würde,⁴⁶⁴ und den Wertverlust basierend auf einer Bewertung der Kosten, Aufwendungen und sonstiger Belastungen, die infolge der Glattstellung zu erwarten sind.⁴⁶⁵
III. Verlustabsorptionskapazität Um die Realisierbarkeit und Einsatzfähigkeit des Bail-in-Instruments und damit seine ex ante Glaubwürdigkeit zu erhöhen, muss eine Reihe von Vorbedingungen erfüllt sein. Insbesondere zwei dieser Vorbedingungen erweisen sich im Hinblick auf die per se und diskretionären Ausnahmetatbestände als unabdingbar. Zum
Vgl. auch Art. 11 Del-VO 2016/860 Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 60. Vgl. Art. 49 Abs. 4 lit. c BRRD i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Del-VO 2016/1401. Dieser Betrag ergibt sich gem. Art. 2 Abs. 1 lit. a Nr. i und ii Del-VO 2016/1401 aus der Multiplikation des Anteils der Verbindlichkeiten aus Derivaten unter allen bail-in-fähigen Verbindlichkeiten des gleichen Rangs mit den gesamten erwarteten Kosten, die auf alle Verbindlichkeiten des gleichen Rangs wie die Derivate abgewälzt würden (einschließlich Derivateverbindlichkeiten aus dem Close-Out). Dieser Betrag ergibt sich gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b Nr. i-iv Del-VO 2016/1401 aus der Summe folgender Elemente: i) Risiko einer höheren Close-Out-Forderung der Gegenpartei aufgrund der erwarteten Kosten für die neue Absicherung der Gegenpartei; ii) erwartete Kosten des abzuwickelnden Instituts für den Abschluss vergleichbarer Derivategeschäfte, die zur Wiederherstellung einer Sicherung für eine offene Position oder zur Aufrechterhaltung eines akzeptablen Risikoprofils gemäß der Abwicklungsstrategie notwendig sind; iii) Minderungen des Franchise-Werts aufgrund des Close-Out von Derivatekontrakten, einschließlich der Wertvernichtung in Bezug auf andere oder zugrunde liegende Vermögenswerte, die mit den Derivatekontrakten, die Gegenstand des Close-Out sind, in Zusammenhang stehen, und Auswirkungen auf Finanzierungskosten oder Ertragsniveaus; iv) Präventionspuffer für mögliche negative Auswirkungen des Close-Out wie Fehler und Streitigkeiten in Bezug auf Transaktionen oder den Austausch von Sicherungen.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
einen muss ein gewisses Volumen an sog. bail-in-fähiges Kapital vorhanden sein, das sich zum Auffangen von Verlusten eignet. Zum anderen muss verhindert werden, dass die Banken ihre Bilanzen, im eigenen oder im Interesse ihrer Gläubiger, auf eine Art und Weise strukturieren, die die Freistellung von der Bailin-Haftung für möglichst viele Passiva ermöglicht. Mit anderen Worten: Es muss ein effektives Bankenabwicklungsregime, das die privaten Investoren zur Verlusttragung heranzieht, auch bei den Anreizen der Institute ansetzen, Verbindlichkeiten zu emittieren, die einer Gläubigerhaftung nach dem Bail-in-Instrument entgehen. Zu dieser Erkenntnis gelangen Vertreter internationaler Organisationen und standardsetzender Gremien bereits im Rahmen der regulatorischen Konkretisierung der vom FSB erarbeiteten Schlüsselattribute wirksamer Regelungen für die Abwicklung von Finanzinstituten. Das Credo lautete: Global systemrelevante Banken (globally systemically important banks – G-SIBs)⁴⁶⁶ bzw. global systemrelevante Institute (G-SRI)⁴⁶⁷ müssen zum Vorhalten von hinreichenden Verlustabsorptions- sowie Rekapitalisierungskapazitäten verpflichtet werden. Denn nur so lässt sich das Vertrauen in ihre Abwicklungsfähigkeit wiederherstellen. Hauptziel dieser zusätzlichen, über die Eigenmittel- hinausgehenden Kapitalanforderungen, sei die Fortführung kritischer Funktionen von G-SIBs zu gewährleisten, ohne dass auf öffentliche Mittel zurückgegriffen wird oder die Finanzstabilität zu gefährden. Dies solle insbesondere bei Stresssituationen zutreffen, in denen die Kapitalreserven nach den Basel-Vorgaben bereits aufgezehrt worden sind.
a Der TLAC-Standard Zu diesem Zweck wurde der FSB beim G20-Gipfel in St. Petersburg im September 2013 mit der Aufgabe betraut, Vorschläge zu internationalen Mindestanforderungen an verlustabsorbierendes Kapital zu entwickeln.⁴⁶⁸ Kurz vor dem darauffolgenden G20-Gipfel in Brisbane im November 2014 legte der FSB seinen Vorschlag für einen Standard zur Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (total loss
Aktuell sind 29 Institute als G-SIBs durch den FSB eingestuft. Vgl. FSB, List of systemically important banks, v. 22. November 2019. Dieser Terminus wird im Unionsrecht verwendet. Siehe Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 83c BRRD-II; Art. 3 Abs. 1 Nr. 24c SRMR-II. Im KWG werden sie wiederum als G-SII bezeichnet. Zur Unterstützung bei technischen Fragen und Prüfung der Vereinbarkeit der diversen Vorschläge mit dem Basel-III-Rahmenwerk war auch der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) dabei eng eingebunden.
B. Haftungsausschlüsse
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absorbing capacity – TLAC) zur Konsultation vor.⁴⁶⁹ Ein Jahr später wurde der sog. TLAC-Standard auf dem G20-Gipfel in Antalya verabschiedet. ⁴⁷⁰ Er stellt eine bindende Mindestquote für alle G-SIBs dar (Säule 1), die sich zum einen aus den risikobhängigen Eigenmittelanforderungen des Basel-III-Rahmenwerks⁴⁷¹ („going-concern“-Kapital), d. h. dem harten Kernkapital⁴⁷², dem zusätzlichen Kernkapital⁴⁷³ sowie dem Ergänzungskapital⁴⁷⁴ und zum anderen aus den Verbindlichkeiten mit besonderer Eignung für ihre Herabschreibung oder Umwandlung im Falle einer Bail-in-Anwendung („gone-concern“-Kapital⁴⁷⁵) zusam-
Die Ausarbeitung des sog. TLAC-Standards war Gegenstand eines Konsultationspapiers des FSB. Vgl. FSB, Adequacy of loss-absorbing capacity of global systemically important banks in resolution, Consultative document, v. 10. November 2014. Unmittelbar nach dem G20-Gipfel in Brisbane veröffentlichte die EBA ihren Entwurf von technischen Standards zur Ermittlung von Mindestanforderungen an Eigenmittel und bail-in-fähige Verbindlichkeiten. Vgl. EBA, Consultation Paper, Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/59/EU, EBA/CP/2014/41. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, 2015. Ausführlich dazu Bauer/Werner, TLAC – Neue Herausforderungen für die Kapitalstruktur?, WM 2015, S. 1135 ff. Näher zu den ökonomischen Befunden: FSB/BIZ/BCBS, Summary of Findings from the TLAC Impact Assessment Studies, 2015; BCBS, TLAC Quantitative Impact Study Report, 2015; BIZ, Assessing the economic costs and benefits of TLAC implementation, 2015. Nach den Basel-III-Vorgaben liegt die formale Mindestanforderung an Eigenkapital bei 8 % der risikogewichteten Aktiva (RWA). Die 8 %ige Mindestanforderung setzt sich aus mind. 4,5 % hartem Kernkapital (Common Equity Tier 1 – CET 1), mind. 1,5 % zusätzlichem Kernkapital (Additional Tier 1 – AT 1) und 2 % Ergänzungskapital (Tier 2 – T2) zusammen.Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, Dezember 2010; BIS, Finalising Basel III, v. Dezember 2017. Die Basel-III-Reformen wurden in zwei Phasen umgesetzt: Zunächst im Jahr 2010 wurden Mindeststandards für die Qualität und die Quantität von Eigenkapital (einschl. Kapitalpuffer), eine Leverage Ratio und neue Liquiditätsstandards eingeführt. In einem zweiten Schritt erfolgte 2017 die Finalisierung des Basel-III-Reformpakets, indem insbesondere die Verfahren zur Ermittlung der risikogewichteten Aktiva (RWA) überarbeitet wurden. Vgl. Art. 26 ff. CRR. Vgl. Art. 51 ff. CRR. Vgl. Art. 51 ff. CRR. Nicht in die TLAC-Quote einzubeziehen sind dagegen die sog. Kapitalpuffer nach Basel III, TLAC Term Sheet, Ziffer 4. Anders als beim „going-concern“-Kapital, das ausschließlich Eigenmittel beinhaltet, kann das „gone-concern“-Kapital auch Verbindlichkeiten umfassen, die im Rahmen einer Bail-in-Anwendung umgewandelt werden können. Vgl. Deutsche Bundesbank, Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, Monatsbericht Juli 2016, S. 68 f.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
mensetzt.⁴⁷⁶ Von der TLAC-Quote wird hingegen nicht das Eigenkapital erfasst, das der Erfüllung der sog. kombinierten Kapitalpufferanforderungen dient.⁴⁷⁷ Anderenfalls wäre die Pufferfunktion⁴⁷⁸ nicht mehr gewährleistet, da die Institute dieses Kapital in einer Stresssituation nicht heranziehen könnten. Nicht jede Verbindlichkeit gilt als verlustabsorbierendes Kapital und darf im Zähler der TLAC-Quoten angerechnet werden. An die TLAC-Quoten sind zunächst nur Verbindlichkeiten anrechenbar, die im Abwicklungsfall einem Bail-in unterliegen würden (sog. bail-in-fähige Verbindlichkeiten). Somit bleiben gedeckte Einlagen, Sichteinlagen, kurzfristige Einlagen, Derivateverbindlichkeiten und strukturierte Schuldverschreibungen sowie Verbindlichkeiten, die nicht aus einem Vertrag entstehen (z. B. Steuer-verbindlichkeiten) grundsätzlich unberücksichtigt. Dennoch sind nicht alle bail-in-fähigen Verbindlichkeiten gleichzeitig TLAC-fähig. Die TLAC-Mindestanforderung bildet nur eine Teilmenge der im Rahmen einer Bail-in-Anwendung wandelbaren oder abschreibbaren Verbindlichkeiten. Um das nötige Vertrauen zu schaffen, muss die TLAC-Quote erhöhten Anforderungen genügen, die international gelten. Somit dürfen neben den regulatorischen Eigenmitteln im Zähler der TLAC-Quote (berücksichtigungsfähige) Verbindlichkeiten unter den folgenden vom FSB gesetzten Voraussetzungen (eligibility criteria) angerechnet werden: ‒ Sie wurden von der Abwicklungseinheit emittiert und ‒ sind vollständig eingezahlt⁴⁷⁹, ‒ nicht besichert, ‒ nachrangig gegenüber den übrigen (nicht-TLAC-fähigen) Verbindlichkeiten,⁴⁸⁰ Vgl. Adolff/Häller, Bail-in im Lichte des EU-Bankenpakets: Das Zusammenspiel von MREL, TLAC und TLOF, ZBB 2019, S. 371. Das Basel-III-Rahmenwerk führte neben den klassischen Eigenkapitalquoten noch zwei zusätzliche Kapitalpuffer ein: Den Kapitalerhaltungspuffer (Art. 92 Abs. 3 CRR, Art. 129, 160 CRDIV; § 10c KWG) und den antizyklischen Puffer (Art. 92 Abs. 3 CRR, Art. 130, 135– 140 CRD-IV; 10d KWG). Beide Kapitalpuffer sind in Form von hartem Kernkapital bereitzuhalten. Abgesehen hiervon sind weitere Puffer für bestimmte Institute einzuhalten: Systemrisikopuffer (Art. 133 – 134 CRD-IV), Puffer für G-SIBIs (Art. 131– 132 CRD-IV; § 10e KWG), Puffer für anderweitige systemrelevante Institute (Art. 131– 2 CRD-IV; § 10 g KWG), Puffer auf Basis von Flexibilisierungsmaßnahmen (Art. 458 CRR). Dies bedeutet, dass die Puffer in Stresssituationen aufgezehrt werden und dadurch eine weitere Erfüllung der TLAC-Anforderung ermöglichen. Es darf sich hierbei nicht um eine Eventualverbindlichkeit handeln. Die erforderliche Nachrangigkeit lässt sich prinzipiell gesetzlich, vertraglich oder strukturell sicherstellen. Strukturelle Nachrangigkeit ist gesellschaftsrechtlich bedingt und entsteht z. B. bei Emission von Instrumenten durch Holdinggesellschaften; vertraglicher Nachrang ist auf einen Vertrag zurückzuführen, der die nachrangige Bedienung gegenüber anderen Gläubigern vorsieht;
B. Haftungsausschlüsse
‒ ‒ ‒ ‒
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nicht Gegenstand einer Netting-Vereinbarung,⁴⁸¹ nicht vorzeitig durch den Kapitalgeber kündbar,⁴⁸² haben eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr bzw. gar keine Restlaufzeit und sind weder direkt noch indirekt von der Abwicklungseinheit oder einem nahestehenden Institut gehalten.⁴⁸³
Die Festlegung der genauen Höhe der TLAC-Quote war Gegenstand umfassender Auswirkungsanalysen und Ergebnis politischer Verhandlungsprozesse und Kompromisse im Rahmen des FSB.⁴⁸⁴ Ihre Umsetzung erfolgt über die Baseler Säule-1 und -2.⁴⁸⁵ Zusätzlich zu den beiden TLAC-spezifischen Komponenten, müssen die Institute gleichzeitig die Einhaltung der für sie relevanten Basel-IIIKapitalpuffer sicherstellen. Als verbindliche Säule-1-Anforderung für alle G-SIBs beträgt der TLAC-Standard seit dem 1. Januar 2019 mindestens 16 % ihrer risikogewichteten Vermögenswerte (risk-weighted assets – RWA) [siehe Darstellung – (1) TLAC-Quote] sowie mindestens 6 % ihrer Verschuldungsquote (leverage ratio – LR) [siehe Darstellung – (2)TLAC-Quote].⁴⁸⁶ Nach Ablauf einer dreijährigen
gesetzlicher Nachrang ist an die nationale Insolvenzregelung angelehnt und weicht erheblich zwischen verschiedenen Rechtsordnungen ab. Denn dies würde die Verlustabsorptionsfähigkeit im Abwicklungsfall beeinträchtigen. Bei einer vorzeitigen Rückzahlungsmöglichkeit seitens des Gläubigers gilt die Restlaufzeit bis zum erstmöglichen Rückzahlungszeitpunkt. Hierbei ist die Restlaufzeit von über einem Jahr einzuhalten. Werden innerhalb einer Gruppe Abwicklungseinheiten von verschiedenen Abwicklungsbehörden beaufsichtigt, können Ausnahmen von dieser Regelung getroffen werden. Die Erlaubnis erfolgt durch die Abwicklungsbehörde nach Rücksprache mit den zuständigen Krisenmanagementgruppen (crisis management groups – CMGs). S. Auswirkungsstudien & Einfluss einiger FSB-Mitglieder. In der Schweiz gelten ab 2019 deutlich strengere Anforderungen für systemrelevante Institute. Zu erfüllen ist eine Gesamtkapitalquote von 28,6 % RWA bzw. 10 % LR und davon mind. 14,3 % RWA bzw. 5 % LR in Form von nachrangigen Bail-in-Instrumenten. Vgl. Deutsche Bundesbank, Abwicklung und Restrukturierung von Banken – Die neuen Mindestanforderungen TLAC und MREL, Monatsbericht Juli 2016, S. 69. Das Drei-Säulen-Modell nach dem Basel-III-Rahmenwerk setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen: Mindestkapitalanforderungen („Säule-1“, „Pillar 1“); aufsichtliches Überprüfungsverfahren („Säule-2“, „Pillar 2“); Offenlegung und Marktdisziplin („Säule-3“, „Pillar 3“). Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC), Term Sheet, Ziff. 4. Siehe auch Art. 92a Abs. 1 lit. a CRR-II. Bindend soll die jeweils höhere der beiden Anforderungen sein.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Übergangsphase erhöht sich ab dem 1. Januar 2022 die Mindestquote auf 18 % der RWA bzw. 6,75 % der LR.⁴⁸⁷ TLAC!1$ " Eigenkapital # berücksichtigungsfähige ! RWA Verbindlichkeiten
TLAC!2$ " Eigenkapital # berücksichtigungsfähige ! LR Verbindlichkeiten Durch die Kalibrierung auf Basis von zwei Referenzgrößen (RWA & LR) wird sowohl risikoorientierten als auch risikounabhängigen Komponenten Rechnung getragen.⁴⁸⁸ Dies ist vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass die RWA sich gerade in der Finanzkrise als fehler- bzw. manipulationsanfällige Größe für die Risikobemessung und damit die Berechnung der Mindesteigenkapitalanforderungen erwiesen haben. Daher soll die Höchstverschuldungsquote (LR) als Korrektiv zu den risikobasierten hausinternen Berechnungsmodelle dienen, indem sie wenig Raum für Variation je nach Bank und ggf. nach Jurisdiktion lässt.⁴⁸⁹ Um zu gewährleisten, dass Fremdkapital im Falle einer Bail-in-Anwendung in Eigenkapital umgewandelt werden kann, müssen die an der TLAC anrechenbaren Kapitalin-
Hiervon ausgenommen sind u. a. die G-SIBs in Schwellenländern, die die TLAC-Mindestanforderung erst ab dem Jahr 2025 und graduell bis zum Jahr 2028 erfüllen müssen. Diese Ausnahme betrifft zurzeit nur vier chinesische G-SIBs: Bank of China, Agricultural Bank of China, Industrial and Commercial Bank of China and China Construction Bank. Vgl. FSB, List of global systemically important banks (G-SIBs), v. 22. November 2019. Näher zum Vergleich zwischen Gesamtaktiva und risikogewichteten Aktiva als richtigen Maßstab für die MREL-Anforderungen Hellwig, „Total Assets“ versus „Risk Weighted Assets“: does it matter for MREL requirements, 2016, 17 ff. Vgl. BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen fü r widerstandsfä higere Banken und Bankensysteme, v. Dezember 2010, geändert im Juni 2011, S. 2 ff.
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strumente zumindest zu 33 % aus Fremdkapital („debt liabilities“) bestehen.⁴⁹⁰ Dahinter dürfte sich auch der Gedanke verbergen, dass Fremdkapitalgeber besser in der Lage sind, die Institute zu überwachen und das Management zu disziplinieren.⁴⁹¹ Neben der TLAC-Säule-1-Mindestanforderung steht es der zuständigen Abwicklungsbehörde frei, eine zusätzliche institutsspezifische (Säule-2) Quote festzulegen, sofern diese ihrer Einschätzung nach für die geordnete Abwicklung, die Sicherung der Finanzstabilität sowie die Aufrechterhaltung kritischer Funktionen erforderlich ist.⁴⁹² Die Höhe dieser zusätzlichen TLAC-Säule-2-Anforderung wird durch die zuständige nationale Aufsichtsbehörde in Abstimmung mit der jeweiligen Krisenmanagementgruppe des FSB im Rahmen des Abwicklungsabschätzungsverfahrens (resolvability assessment process – RAP) errechnet.⁴⁹³ Die Darstellung der Abwicklungssituation und der Handlungsoptionen in den Sanierungs- bzw. Abwicklungsplänen der G-SIBs liegen dieser Errechnung zugrunde. ⁴⁹⁴ Außerdem gibt der FSB eine Reihe von Kriterien vor anhand derer die Höhe der TLAC-Quote festgelegt werden soll.⁴⁹⁵ Demnach fällt das zur Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit erforderliche Kapital unterschiedlich hoch je nach Anzahl von kritischen Funktionen, Grad an Vernetzung im Finanzmarkt und Risikoprofil des Instituts aus. Es wird zwischen interner und externer TLAC-Quote differenziert.⁴⁹⁶ Während die Mindestanforderung an externer TLAC für alle Abwicklungseinheiten eines G-
Dieses umfasst sowohl Fremdkapital, das auch im Rahmen der regulatorischen Eigenmittel angerechnet werden darf, als auch andere TLAC-fähige Verbindlichkeiten über die Eigenmittelbestandteile hinaus. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of GSIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, 2015, Rn. 6, S. 12. Im Gegensatz dazu sollen Institute innerhalb der EU ihre berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten in vollem Umfang mit Eigenmitteln decken dürfen, vgl. ErwGr. 7 SRMR. Vgl. Bauer/Werner, TLAC – Neue Herausforderungen für die Kapitalstruktur?, WM 2015, S. 1135, 1137. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, Ref: 7/2015, v. 9. November 2015, Ziff. 5, S. 10.Vgl. Kleinow, Systemrelevante Finanzinstitute, 2016, S. 227, der einen „drastischen Schritt“ in dieser Anforderung sieht. S. ausführlich zu RAP: FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 15. Oktober 2014, unter Key Attribute Nr. 10 „Resolvability Assessment“, S. 15 ff. Vgl. Bauer/Werner, TLAC – Neue Herausforderungen für die Kapitalstruktur?, WM 24/2015, S. 1135, 1137. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, Ref: 7/2015, v. 9. November 2015, S. 9 ff. Geregelt sind die externe TLAC-Quote in den Rn. 3 – 15 und die interne TLAC-Quote in den Rn. 16 – 21 der FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Re-
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
SIB gilt, betrifft die interne TLAC alle bedeutenden Tochterunternehmen einer Abwicklungseinheit⁴⁹⁷. Die Identifikation bedeutender Tochterunternehmen erfolgt anhand qualitativer und quantitativer Kriterien, von denen zumindest eines erfüllt sein muss. Als qualitative Kriterien werden die Systemrelevanz, insbesondere im Hinblick auf kritische Funktionen sowie die konkrete Abwicklungsstrategie für die gesamte Abwicklungsgruppe aufgeführt. Zu den quantitativen Faktoren zählen die Anteile der Tochter an den konsolidierten RWA, dem Betriebsergebnis und der LR der G-SIB-Gruppe. Die Wesentlichkeitsschwelle liegt jeweils bei 5 %.⁴⁹⁸ Ein weiteres Ziel der internen TLAC besteht darin, die nationalen Abwicklungsbehörden vom Phänomen des sog. ring fencing abzuhalten, das sich während der Finanzkrise verstärkt bemerkbar machte.⁴⁹⁹ Vorrangiges Ziel der internen TLAC-Quote ist, Verluste auf das Mutterinstitut zu übertragen, sodass im Abwicklungsfall zunächst die Forderungen der Muttergesellschaft gegenüber den Tochtergesellschaften herangezogen werden, bevor andere Gläubiger Verluste tragen müssen. Zu diesem Zweck müssen die Tochterunternehmen TLAC-fähige Schuldtitel i.H.v. 75 – 90 % der externen TLAC an ihr Mutterunternehmen emittieren.⁵⁰⁰ Das verbleibende TLAC-Kapital (sog. SurplusTLAC) ist bei der Tochtergesellschaft vorzuhalten und soll zur Vorsorge gegenüber Risiken auf Einzelbasis und auch zur Rekapitalisierung von Töchtern herangezogen werden.⁵⁰¹ Demnach könnte zusätzliche TLAC in Form von Vermögens-
solution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, Ref: 7/2015, v. 9. November 2015. Näher zur internen TLAC-Quote: FSB, Guiding Principles on the Internal Total Loss-absorbing Capacity of G-SIBs („Internal TLAC“), v. 6. Juli 2017. S. Legaldefinition der Abwicklungseinheit auf europäischer Ebene in Art. 2 Abs. 1 Nr. 83a BRRD-II bzw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 24a SRMR-II; s. auch Art. 2 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624 der Kommission v. 23. Oktober 2018, zur Festlegung technischer Durchfü hrungsstandards in Bezug auf Verfahren, Standardformulare und Meldebö gen fü r die Bereitstellung von Informationen fü r die Erstellung von Abwicklungsplä nen fü r Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gemä ß der Richtlinie 2014/59/EU des Europä ischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Durchfü hrungsverordnung (EU) 2016/1066 der Kommission (im Folgenden: Df-VO 2018/1624). Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, 2015, Rn. 17. Dies beschreibt das Vorgehen von nationalen Abwicklungsbehörden die unter ihrer Aufsicht stehenden Tochtergesellschaften von der Bankengruppe einzugrenzen. Während die interne TLAC auf der Basis des Einzelabschlusses berechnet werden kann, ist die externe TLAC auf die konsolidierte Bilanz zu beziehen. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, Ref: 7/2015, v. 9. November 2015, Rn. 18, S. 19. Vgl. FSB, Guiding Principles on the Internal Total Loss-absorbing Capacity of G-SIBs („Internal TLAC“), v. 6. Juli 2017, S. 8.
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werten vorgehalten werden, die schnell liquidierbar und unabhängig von Marktstress sind.⁵⁰²
b Die MREL-Quote Parallel zu der Ausarbeitung des TLAC-Standards auf internationaler Ebene trat auf europäischer Ebene im Januar 2015 die BRRD in Kraft, die ebenfalls die Einführung einer neuen Kapitalkennzahl zur Messung der Verlustabsorptionsfähigkeit vorsah.⁵⁰³ Mit der Festlegung von einheitlichen Mindestanforderungen an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten (minimum requirements for own funds and eligible liabilities – MREL) ging der europäische Gesetzgeber den internationalen Entwicklungen sogar einige Schritte voraus.⁵⁰⁴ Nach dem MREL-Ansatz müssen alle in der EU niedergelassenen Institute einen Mindestbetrag an abschreibungsfähigen bzw. umwandelbaren Kapital vorhalten.⁵⁰⁵ Dadurch soll sichergestellt werden, dass Verluste im Wege einer Bail-inAnwendung aufgefangen werden und – wenn nötig – ein Beitrag zur Rekapitalisierung des abzuwickelnden Instituts geleistet werden können. Die Frage, wie viel Kapital von den Kreditinstituten im Rahmen der MRELAnforderung vorgehalten werden muss, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Die vorgeschriebene Höhe der Kennziffer wird nicht für alle Institute der EU einheitlich festgelegt und hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Da die konkrete Abwicklungsstrategie des abzuwickelnden Instituts maßgeblich für die Im Übrigen gilt hier auch das Erfordernis einer Zusammensetzung der internen TLAC aus mindestens 33 % Fremdkapital. Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution/Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, Ref: 7/2015, v. 9. November 2015, Rn. 6. Vgl. die alte Fassung in Art. 45 Abs. 1 BRRD sowie die neue Fassung in Art. 45 Abs. 1 BRRD-II mit Verweis auf Art. 45 – 45i BRRD-II; Art. 12 Abs. 1 SRMR-II mit Verweis auf Art. 12a – 12i SRMR-II. Die Verabschiedung der BRRD und der darin vorgesehenen MREL-Vorgabe erfolgte im Frühjahr 2014 und somit vor der Veröffentlichung des TLAC-Term-Sheet. Vgl. Art. 12 SRMR, Art. 45 BRRD sowie ErwGr. 83 SRMR, ErwGr. 79 BRRD. Eine Freistellung von der MREL-Anforderung wurde im Rahmen der 2019 vollzogenen Überarbeitung des europäischen Bankenabwicklungsregimes für Hypothekenkreditinstitute eingefügt, die durch gedeckte Schuldverschreibungen finanziert werden und keine Einlagen entgegennehmen. Die Freistellung wird an zwei Bedingungen geknüpft: Zum einen dass im Abwicklungsplan der Hypothekenkreditinstitute die Liquidation in einem nationalen Insolvenzverfahren (oder insolvenzähnlichen Verfahren) als Abwicklungsstrategie festgelegt ist; zum anderen dass die Gläubiger dieser Institute (und ggf. auch die Inhaber der gedeckten Schuldverschreibungen) zur Verlusttragung im Einklang mit den Abwicklungszielen herangezogen werden. Vgl. Art. 45a Abs. 1 BRRD-II bzw. Art. 12b Abs. 1 SRMR-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Bestimmung der MREL-Quote ist, erfolgt ihre Festsetzung im Rahmen der Abwicklungsplanung. Die genaue Höhe der Quote wird durch die Abwicklungsbehörden anhand unterschiedlicher Kriterien festgelegt, die in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission (Del-VO 2016/1450)⁵⁰⁶ und in einem technischen Regulierungsstandard (Regulatory Technical Standard – RTS) der EBA konkretisiert werden⁵⁰⁷. Demnach müssen die zuständigen Abwicklungsbehörden einen Grund- (sog. baseline) sowie einen Anpassungsbetrag (sog. adjustment) bestimmen,⁵⁰⁸ die zur Erreichung der Abwicklungsziele erforderlich sind. Der Grundbetrag gliedert sich in einen Verlustabsorptions- und einen Rekapitalisierungsbetrag. Über diese Beträge hinaus kann die zuständige Abwicklungsbehörde einen Marktvertrauenszuschlag erheben, der dem Auffangen möglicher zusätzlicher Verluste dienen soll, mit dem Ziel das Marktvertrauen in den Fortbestand des betreffenden Instituts aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Die Festlegung der MREL-Quote bedarf jedoch auch einer Auseinandersetzung mit der konkreten Situation des jeweiligen Instituts und unterliegt kontinuierlichen Anpassungen.⁵⁰⁹ Im Rahmen der Festlegung des Anpassungsbetrags ist zunächst der Abwicklungsplan und insbesondere die Frage zu berücksichtigen, ob darin vorgesehen ist, dass bestimmte Klassen MREL-fähiger Verbindlichkeiten vom Bail-in-Instrument ausgenommen werden.⁵¹⁰ In einem solchen Fall muss sichergestellt sein, dass andere MREL-fähige Verbindlichkeiten in entsprechender Höhe an die Stelle der ausgenommenen Verbindlichkeiten treten,
Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission vom 23. Mai 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/59/EU, EBA/RTS/2015/05, v. 3. Juli 2015. Die zwei ersten Kriterien (Art. 1– 2 RTS) werden zur Konkretisierung des Grundbetrags und die vier restlichen Kriterien (Art. 3 – 6 RTS) zur Konkretisierung des Anpassungsbetrags herangezogen. Vgl. EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/59/EU, RTS/ 2015/05, v. 3. Juli 2015, S. 6 ff. Vgl. Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, S. 91, 113. Vgl. Art. 12 Abs. 1, 9 – 10 i.V.m. Art. 7 Abs. 3 lit. d SRMR; Art. 3 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1450; EBA, RTS, Art. 3. Siehe auch Delegierte Verordnung (EU) 2016/860 der Kommission v. 4. Februar 2016 zur Präzisierung der Umstände unter denen ein Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse gemäß Art. 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen erforderlich ist.
B. Haftungsausschlüsse
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sodass ein ausreichendes Volumen von verlustabsorbierenden Passiva (die sog. Bail-in-Masse) vorhanden ist. Mit anderen Worten: Die Abwicklungsbehörden müssen eine Erhöhung der MREL-Quote in Erwägung ziehen, wenn ein Institut viele vom Zähler ausgenommene Verbindlichkeiten aufweist. Zudem sind auf Grundlage der SREP-Ergebnisse Größe, Geschäfts- und Refinanzierungsmodell sowie Risikoprofil des Instituts für die genaue Höhe der Quote maßgeblich.⁵¹¹ Zu berücksichtigen sind auch mögliche Auswirkungen auf die Finanzstabilität, die von einem Ausfall des Instituts ausgehen. Die MREL-Quote soll höher sein für Institute, deren Ausfall negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität hat. Schließlich sind mögliche Beiträge von Einlagensicherungssystemen zur Abwicklungsfinanzierung nach Art. 109 BRRD zu beachten. Eine Inanspruchnahme solcher Leistungen soll zur entsprechenden Minderung der MREL-Quote führen.⁵¹² Nur bail-in-fähige Verbindlichkeiten können zur Erfüllung der MREL-Quote angerechnet werden. Hieraus ergibt sich, dass die MREL-fähigen Verbindlichkeiten eine regulatorisch definierte Teilmenge der bail-in-fähigen Verbindlichkeiten bilden. In der folgenden Abbildung ist der Zusammenhang zwischen Gesamtverbindlichkeiten, bail-in-fähigen⁵¹³ und berücksichtigungsfähigen⁵¹⁴ bzw. MREL-fähigen Verbindlichkeiten schematisch dargestellt:
Vgl. Art. 4– 5 Del-VO 2016/1450; Vgl. EBA, RTS, Art. 4– 5. Vgl. Art. 6 Del-VO 2016/1450; Vgl. EBA, RTS, Art. 6. S. Definition in: Art. 2 Abs. 1 Nr. 71 BRRD-II bzw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 49 SRMR-II. S. Definition in: Art. 2 Abs. 1 Nr. 71a BRRD-II buw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 49a SRMR-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Die Festsetzung der MREL-Quote für die von der EZB beaufsichtigten Institute sowie für die grenzüberschreitenden Gruppen, für die der SRB im Rahmen des SRM direkt zuständig ist, fällt in den Zuständigkeitsbereich des SRB.⁵¹⁵ Der Beschluss des SRB wird der nationalen Abwicklungsbehörde kommuniziert, die ihn umzusetzen hat.⁵¹⁶ Für alle anderen Institute bleibt die nationale Abwicklungsbehörde⁵¹⁷ zuständig, die aber an die durch das SRB erarbeiteten Leitlinien gebunden ist. In einem ersten Schritt zur individuellen MREL-Errechnung hat der SRB auf der Grundlage von Art. 34 SRMR im Februar 2016 ein Formular zur Datenerhebung (Liability Data Template) an alle direkt vom SRB beaufsichtigten Institute versendet.⁵¹⁸ Dieses Template muss jährlich von den betroffenen Instituten mit Informationen zur Verbindlichkeitsstruktur befüllt und beim SRB eingereicht werden.⁵¹⁹ Hiermit möchte der SRB einen zusammenfassenden Überblick über die Verbindlichkeitsstrukturen der Institute als Ansatzpunkt zur Abwicklungsplanung gewinnen sowie Daten zur Ermittlung der jeweiligen MREL-Quote sammeln.⁵²⁰ Bei grenzüberschreitenden Gruppen ist auch eine Koordination im Rahmen der Abwicklungskollegien (resolution colleges) erforderlich. Grundsätzlich wird die Quote sowohl auf der Gruppenebene als auch auf Ebene der Tochterinstitute festgelegt.⁵²¹ In Sonderfällen kann von der Festlegung auf Ebene der Tochterinstitute abgesehen werden.⁵²²
Nach Anhörung der zuständigen Aufsichtsbehörden. Vgl. Art. 12 Abs. 1, 2 SRMR, Art. 45 Abs. 1, 6 BRRD. Der SRB kann Anweisungen gegenüber den nationalen Abwicklungsbehörden erlassen. Vgl. Art. 31 Abs. 1 lit. a SRMR. In Deutschland wird die MREL-Quote durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) festgesetzt. SRB, Liability Data Template, 2016. Nach Anweisung des SRB sind die befüllten Templates bei der ersten Erhebung von priorisierten Bankengruppen (priority banking groups) bis zum 15. Mai und bei allen weiteren dem SRB unterstellten Instituten bis zum 15. Juni 2016 einzureichen. Vgl. SRB, Guidance to the completion of the SRB’s liability data template for 2016. Die Daten sind nicht auf MREL-fähige Instrumente beschränkt, sondern umfassen auch die nicht berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten. Art. 12 Abs. 8 – 10 SRMR, Art. 45 Abs. 8 – 12 BRRD. S. zu den Ausnahmen § 52 SAG. Vgl. Art. 12 Abs. 10 SRMR.
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c Harmonisierung beider Ansätze Beide Ansätze (TLAC und MREL) weisen eine vergleichbare Zielsetzung auf: ⁵²³ Sie sollen die Verlustabsorptionsfähigkeit von Banken im Abwicklungsfall gewährleisten, indem Letztere zum Vorhalten von verlustabsorbierenden Passiva über ihre aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen hinaus verpflichtet werden. Die Einhaltung der Mindestquoten soll als Indikator dafür dienen, dass ein ausfallendes Institut ohne staatliche Hilfsmaßnahmen und ohne erhebliche Beeinträchtigungen des Finanzsystems restrukturiert, saniert oder abgewickelt werden kann. Dennoch bestehen zwischen den zwei Ansätzen wichtige Unterschiede die hauptsächlich auf die unterschiedliche Entstehungsgeschichte⁵²⁴ und die EUspezifischen ökonomischen Gegebenheiten zurückzuführen sind. Während die TLAC-Mindestanforderung von den zurzeit 29 G-SIBs zu erfüllen ist, richtet sich die MREL-Mindestanforderung an sämtliche Institute, die in den Anwendungsbereich der BRDD fallen.⁵²⁵ Darüber hinaus gilt die TLAC-Quote als ein allgemeingültiges Minimum im Sinne eines Level Playing Field einheitlich für alle GSIBs.⁵²⁶ Im Gegensatz dazu wird die MREL-Mindestanforderung zum Teil als feste Quote und zum Teil individuell für jedes Institut festgelegt. Eine einheitliche Quote wäre im Hinblick auf die heterogene europäische Banklandschaft und zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zweckmäßig gewesen. Daher wird die MREL-Mindestquote von den Abwicklungsbehörden unter Berücksichtigung institutsbezogener Faktoren bereits im Rahmen der Abwicklungsplanung auch auf Einzelfallbasis festgesetzt.⁵²⁷ Außerdem wird im Rahmen der Vgl. Friedrich/Skorobogatov,Vorschläge der EU-Kommission zur Harmonisierung der Bail-inHaftungskaskade sowie der MREL- und TLAC-Andorderungen, WM 2017, S. 840 ff.; Geier, in: Jahn/ Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B I, RdNr. 99 ff.; Grieser, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, B III, RdNr. 65 ff.; Wellerdt, Bail-in statt Bail-out – Die Abwicklung und Restrukturierung von Banken erfordert TLAC und MREL: Umsetzung durch ein Legislativpaket für die Bankenunion, BKR 2017, S. 363 ff. Die MREL-Anforderung wurde bereits vor Finalisierung des TLAC-Standards in der BRRD verankert. Darunter fallen alle in der EU niedegelassene Institute sowie die in der EU niedergelassenen Tochterunternehmen von Banken aus Drittstaaten und bestimmte Finanzholdinggesellschaften. Vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a-e i.V.m. Art. 2 Abs. 23 BRRD. Es ist dennoch möglich, den TLAC-Standard durch institutsspezifische Aufschläge (Säule 2) anzupassen. Art. 12 Abs. 4 SRMR, Art. 45 Abs. 1 BRRD; § 49 Abs. 1 SAG. Auch Verbindlichkeiten aus Derivaten werden den gesamten Verbindlichkeiten auf der Grundlage zugerechnet, dass die Saldierungsrechte der Gegenpartei uneingeschränkt anerkannt werden.Vgl. Art. 12 Abs. 4 S. 2 SRMR, Art. 45 Abs. 1 S. 2 BRRD.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
MREL-Festlegung – anders als bei der TLAC-Quote (33 % Eigen-/Fremdkapital) – kein zwingendes Verhältnis des Eigen- zum Fremdkapital vorgeschrieben. Dies bedeutet, dass es zumindest theoretisch möglich ist, dass die MREL-Quote vollständig mittels berücksichtigungsfähiger Fremdkapitalbestandteile erfüllt wird.⁵²⁸ Die MREL-Quote darf lediglich nicht geringer als die regulatorischen Eigenmittel und die darauf aufbauenden Puffer des jeweiligen Instituts sein.⁵²⁹ Weitere Unterschiede bestanden bisher in der Referenzgröße für die Kalibrierung der Höhe der zwei Quoten, den Anrechnungskriterien von Kapitalinstrumenten sowie den Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die Mindestanforderungen. Diese letzteren Unterschiede werden allerdings im Zuge der Umsetzung des sog. EU-Bankenpakets, das am 16. April 2019 verabschiedet wurde, größtenteils beseitigt.⁵³⁰ Bereits in ihrer Mitteilung vom 24. November 2015 „Auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion“ hatte sich die Kommission dazu verpflichtet, den international beschlossenen TLAC-Standard bis 2019 in unmittelbar anwendbares europäisches Recht umzusetzen.⁵³¹ Besonders wichtig war aber, genauer zu klären, wie diese Umsetzung erfolgen soll. Auf Grundlage einer Auswirkungsanalyse⁵³² lehnte die Kommission die Etablierung eines eigenständigen TLAC-Regelwerks neben den bereits vorhandenen MREL-Vorgaben ab. Denn dies würde zum einen zu zusätzlichen Kosten und Rechtsunsicherheit führen und zum anderen die Anwendung des Bail-in-Instruments auf G-SIBs erheblich erschweren. Um eine kohärente Auslegung der Mindestanforderungen und gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt sowie eine effektive Anwendung des Bail-in-Instruments zu gewährleisten, wurde stattdessen die In-
Vgl. Herz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechts in den Jahren 2017/2018 (Teil II), EuZW 2, 2019, 60 f.; Wojcik, Bericht aus Brüssel, ZBB 2018, S. 250 ff. Art. 12 Abs. 6 UAbs. 3 SMR-VO; keine entsprechende Vorschrift in der BRRD. Wichtiger Unterschied bleibt das Erfordernis einer Nachrangigkeit der anrechenbaren Schuldtitel. Hierzu gleich unter: 2. Abschnitt, B., III. c. iii. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europä ische Parlament, den Rat, die Europä ische Zentralbank, den Europä ischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion“, COM(2015) 587 final, v. 24. November 2015, Abschnitt 5, S. 11. Insbesondere drei Optionen waren Gegenstand der Untersuchung: 1. Beibehaltung der Bestimmungen nach BRRD/SRMR und Etablierung eines separaten TLAC-Regelwerkes; 2. Ergänzung der MREL-Anforderungen um die Vorschläge des FSB zur TLAC; 3. Integration der Vorschläge des FSB zur TLAC in das aufsichtsrechliche Rahmenwerk für G-SIBs und anderweitig systemrelevante Institute (A-SRIs).
B. Haftungsausschlüsse
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tegration des TLAC-Standards in das MREL-Rahmenwerk für G-SIBs als Lösung gewählt.⁵³³ In Erfüllung der obigen Verpflichtung unterbreitete die Kommission am 23. November 2016 ihren Vorschlag zur Einführung des TLAC-Standards. Der Vorschlag bildete einen der Schwerpunkte des „EU-Bankenpakets“, das am 16. April 2019 verabschiedet wurde.⁵³⁴ Damit vollzog sich die Harmonisierung der TLAC- mit der MREL-Mindestanforderung.⁵³⁵ Dennoch erfolgte die Harmonisierung der beiden Ansätze nicht ohne Berücksichtigung europäischer Spezifika und des vorhandenen europäischen Bankenabwicklungsregimes. Die Institute werden zur regelmäßigen Offenlegung ihrer MREL und TLAC sowie der Hö he und Zusammensetzung der berü cksichtigungsfä higen Verbindlichkeiten und deren Fä lligkeit und Insolvenzrang gegenüber der Abwicklungsbehörde verpflichtet.⁵³⁶ In Bezug auf die TLAC mü ssen G-SBIs eine entsprechende Meldung gem. CRR-II⁵³⁷ halbjä hrlich erstatten, wä hrend die BRRD-II für Informationen bezüglich der MREL zwischen halb-⁵³⁸ und jährlichen⁵³⁹ Meldungen der betroffenen Institute⁵⁴⁰ differenziert. Ein Verstoß gegen TLAC- oder MREL-Vorgaben stellt aus abwicklungsplanerischer Sicht ein Abwicklungshindernis dar, das die Behörden mit entsprechen Vgl. ErwGr. 3 BRRD-II, ErwGr. 3 SRMR-II. Die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt rechtfertigte auch das Heranziehen des Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage für die mit dem EU-Bankenpaket vollzogenen Reformen. Das EU-Bankenpaket wurde am 7. Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die CRR ist 20 Tage später am 27. Juni 2019 in Kraft getreten. Vgl. Art. 3 CRR-II. Dies war nach Ansicht der Kommission gerade vor dem Hintergrund nötig, dass die beiden Vorgaben trotz macher Unterschiede übergeordnet den gleichen Regulierungszweck verfolgen. Vgl. ErwGr. 2 SRMR-II; ErwGr. 2 BRRD-II. Vgl. ErwGr. 17 BRRD-II. Art. 430 Abs. 1 lit. b CRR-II i.V.m. Art. 433a Abs. 3, Art. 437a CRR-II. In Bezug auf die Beträge an Eigenmitteln und die Beträge der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, einschließlich einer Angabe dieser Beträge als prozentuale Anteile der RWA bzw. der LR. Vgl. Art. 45i Abs.1 lit. a BRRD-II i.V.m. Abs. 2 lit. a BRRD-II. In Bezug auf die Beträge der übrigen bail-in-fähigen Verbindlichkeiten sowie über die Zusammensetzung von Eigenmitteln, berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten und übrigen bailin-fähigen Verbindlichkeiten, einschließlich ihres Fälligkeitsprofils sowie ihrem Rang im regulären Insolvenzverfahren. Vgl. Art. 45i Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 lit. b BRRD-II. Daneben muss jährlich gemeldet werden, ob die Eigenmittel, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten oder übrige bail-in-fähige Verbindlichkeiten den Vorschriften eines Drittlandes unterliegen und, falls zutreffend, um welches Drittland es sich handelt sowie ob sie eine Klausel über die vertragliche Anerkennung des Bail-in enthalten, vgl. Art. 45i Abs. 1 lit. c i.V.m. Abs. 2 lit. b BRRD-II. Hiervon ausgenommen sind Institute, deren Abwicklungsplan vorsieht, dass sie im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens zu liquidieren sind. Vgl. Art. 45i Abs. 4 BRRD-II i.V.m. Art. 12 Abs. 2 UAbs. 1 SRMR-II.
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den Maßnahmen aus dem Weg räumen müssen. Dazu gehören u. a. die Anordnung von Frühinterventionsmaßnahmen, die Verhängung von Ausschüttungsverboten, die Aufforderung zur Erstellung und Umsetzung von Plänen zur erneuten Einhaltung der Vorgaben sowie Anpassungen an der Fälligkeit der jeweilige Kapitalinstrumente. ⁵⁴¹ Ein Verstoß kann sogar Anlass zur Vornahme einer Bewertung über den (wahrscheinlichen) Ausfall des in Rede stehenden Instituts.⁵⁴² Sollte es zu einer Herabschreibung oder Umwandlung entsprechender Kapitalinstrumente oder zur Anwendung des Bail-in-Instruments kommen, so ist das Institut von der Erfüllung der MREL-Mindestanforderung über einen Zeitraum von zwei Jahren nach dieser Maßnahme befreit.⁵⁴³ Im Folgenden werden die Angelpunkte dargestellt, auf denen das neue Kapitalanforderungsregime für Banken im Anwendungsbereich des SRM/BRRDRahmenwerks beruht.
i Errechnung der Mindestanforderungen Zunächst werden die Nenner, die die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazitä t von Instituten messen, an den TLAC-Standard angeglichen, sodass die MREL-Mindestanforderung künftig nicht mehr als Prozentsatz der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten an der Summe der Gesamtverbindlichkeiten und Eigenmittel (Total Liabilities and Own Funds – TLOF) eines Instituts,⁵⁴⁴ sondern genauso wie die TLAC-Quote als Prozentsatz der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten am Gesamtrisikobetrag (Total Risk Exposure Amount – TREA)⁵⁴⁵ und an der Verschuldungsquote (Leverage Ratio Exposure – LRE) ausgedrückt wird.⁵⁴⁶ Die aus den beiden Messgrö ßen resultierenden Werte sind von den Instituten zu jedem Zeitpunkt einzuhalten.⁵⁴⁷ In Anlehnung an das vorherige Kapitalanforderungsregime setzt sich die MREL-Quote für Institute, die nicht nach einem Regelinsolvenzverfahren liquidiert werden müssen, aus zwei Hauptkomponenten zusammen: Verlustabsorptions- (Loss Absorption Amount – LAA)⁵⁴⁸ und Rekapitalisierungsbetrag (Reca-
Vgl. Art. 45k BRRD-II bzw. Art. 12j SRMR-II; ErwGr. 16 SRMR-II, ErwGr. 16 BRRD-II. Vgl. Art. 45k Abs. 1 UAbs. 2 BRRD-II; Art. 12j Abs. 1 UAbs. 2 SRMR-II. Vgl. Art. 92a Abs. 2 CRR-II i.V.m. Art. 12k Abs. 1b SRMR-II. Vgl. Art. 45 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 BRRD-II. Hierbei handelt es sich um die gleiche Bemessungsgröße (RWA). Art. 12a Abs. 2 SRMR-II, Art. 45 Abs. 2 BRRD-II i.V.m. Art. 92 Abs. 3 und Art. 429, 429a CRR-II. Vgl. ErwGr. 6 SRMR-II; ErwGr. 6 BRRD-II. Vgl. Art. 45c Abs. 2 lit. a BRRD-II; Art. 12d Abs. 2 lit. a SRMR-II.
B. Haftungsausschlüsse
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pitalization Amount – RCA)⁵⁴⁹.⁵⁵⁰ Nun werden aber beide Beträge als prozentualer Anteil an den zwei Referenzgrößen (TREA und LRE) ausgedrückt.⁵⁵¹ Das bedeutet, dass der LAA sowohl auf TREA-Basis als auch auf LRE-Basis berechnet wird. Ähnliches gilt für den RCA. Der LAA dient zur Abdeckung unerwarteter Verluste und ergibt sich aus den Säule-1 (P1)⁵⁵²- und Säule-2 (P2R)⁵⁵³-Kapitalanforderungen oder aus dem Betrag, der 3 % der LRE entspricht.⁵⁵⁴ Als RCA wird der Betrag festgesetzt, in dem die Eigenmittel wieder angehoben werden müssen, damit das Institut die Mindesteigenkapitalanforderungen zum Erhalt einer Banklizenz weiterhin erfüllt.⁵⁵⁵ Er setzt sich aus den Säule-1- und Säule-2- Kapitalanforderungenzusammen und aus 3 % der LRE zusammen.⁵⁵⁶ Die Summe dieser beiden Beiträge stellt die MREL-Anforderung für ein Institut dar. Wie bereits erwähnt ist die im Rahmen der Abwicklungsplanung dargelegte Abwicklungsstrategie für die Ermittlung der Höhe der MREL-Quote maßgeblich. Demnach unterliegen Institute, in deren Abwicklungsplänen die Liquidation nach einem regulären Insolvenzverfahren vorgesehen ist, einer MREL-Quote, die lediglich aus einem LAA – und keinen RCA – besteht.⁵⁵⁷ Grundsätzlich gilt, dass bei der Festlegung der Höhe der MREL-Quote dem Grad der Systemrelevanz eines Instituts sowie der potenziellen Beeinträchtigung der Finanzstabilität bei seinem Ausfall Rechnung getragen werden muss, wobei auch die Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen von vergleichbaren Instituten untereinander berücksichtigt werden soll.⁵⁵⁸ Daher sind die Abwicklungsbehörden ermächtigt, nach Rücksprache mit der zuständigen Aufsichtsbehörde, einen individuellen Zu- oder Abschlag für beide dieser Komponenten je nach den institutsspezifischen Anforderungen (Säule-2) festzulegen.⁵⁵⁹ Dies kann vor allem zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen (u. a. zusätzlicher Kapital- oder Liquiditätsbedarf in der Abwicklung, Kontinuität kritischer Funktio-
Vgl. Art. 45c Abs. 2 lit. b BRRD-II; Art. 12d Abs. 2 lit. b SRMR-II. Dies hat auch der SRB in seinen aktualisierten Leitlinien bestätigt. Vgl. SRB, MREL Policy Under the Banking Package, 2020, Rn. 14, 18 ff. MRELTREA = LAATREA + RCATREA; MRELLRE = LAALRE + RCALRE. Vgl. Art. 92 Abs. 1 CRR. Vgl. Art. 104a CRD-V. LAATREA = P1 + P2 x TREA (vor der Abwicklung); LAALRE = 3 % LRE (vor der Abwicklung). Als Mindestbetrag wird auch hier die Höhe des Basel-I-Floors gem. Art. 500 CRR festgesetzt. Vgl. Art. 2 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1450; EBA, RTS, Art. 1. RCATREA= P1 + P2 x TREA (nach der Abwicklung); RCALRE = 3 % LRE (nach der Abwicklung). Vgl. Art. 45c Abs. 2 BRRD; Art. 12d Abs. 2 SRMR. Dies soll jedenfalls nicht ohne Berücksichtigung der Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen von vergleichbaren Instituten untereinander erfolgen. Vgl. ErwGr. 16 SRMR-II. ErwGr. 19 SRMR-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
nen, Zugang zu Finanzmarktinfrastrukturen) erforderlich sein.⁵⁶⁰ Gegenstand einer Anpassung nach unten oder nach oben kann insbesondere der Rekapitalisierungsbetrag (RCA) sein.⁵⁶¹ Am wichtigsten dürften wohl die im überarbeiteten SRM/BRRD-Rahmenwerk vorgesehenen Möglichkeiten einer Erhöhung des RCA sein. Demnach kann der auf TREA-Basis berechnete RCA um einen zusätzlichen Marktvertrauenspuffer (Market Confidence Charge – MCC) erhöht werden.⁵⁶² Ziel des Letzteren ist, das betreffende Institut in die Lage zu versetzen, die Zulassungsvoraussetzungen für einen angemessenen Zeitraum, der nicht länger als ein Jahr ist, weiter zu erfüllen und mithin genügend Marktvertrauen aufrechtzuerhalten. Der MCC beläuft sich standardmäßig auf die Höhe der kombinierten Kapitalpufferanforderung⁵⁶³ abzüglich des antizyklischen Puffers.⁵⁶⁴ Der RCA kann aber auch auf LRE-Basis um einen Betrag erhöht werden, der zumindest 8 % der Gesamtverbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel (TLOF) des betreffenden Instituts entspricht.⁵⁶⁵ Dies soll der Fall sein, wenn Mittel eines Abwicklungsfinanzierungsmechanismus bzw. des SRF in Anspruch genommen werden sollen. Denn dies setzt zwingend voraus, dass Anteilseigner und Gläubiger einen Mindestbeitrag von 8 % der TLOF geleistet
Die BaFin, als zuständige Abwicklungsbehörde, erhob einen Zuschlag bis dato nur – und auch nur in wenigen Fällen – auf die RCA Komponente. Vgl. Balder, BaFin, Festlegung der MREL Quote, v. 30. Oktober 2018, S. 6. Vgl. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 5 BRRD-II; Art. 12d Abs. 3 UAbs. 5 SRMR-II. Vgl. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 6 BRRD-II; Art. 12d Abs. 3 UAbs. 6 SRMR-II. Dann würde die Formel lauten: MRELTREA = LAATREA + RCATREA+ MCC. Die kombinierte Kapitalpufferanforderung (Combined Buffer Requirement – CBR) umfasst den Kapitalerhaltungspuffer, den antizyklischen Kapitalpuffer, den Kapitalpuffer für global oder anderweitig systemrelevante Institute sowie den Systemrisikopuffer. Vgl. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 6 BRRD-II, Art. 12d Abs. 3 UAbs. 6 SRMR-II i.V.m. Art. 128 Nr. 6 lit. a CRD-V. Gehen dennoch die zuständigen Abwicklungsbehörden davon aus, dass ein geringerer Betrag genügt, um das Marktvertrauen aufrechtzuerhalten und sowohl die Fortführung kritischer Funktionen des Instituts als auch seinem Zugang zu den Finanzmärkten sicherzustellen, können sie diesen Betrag nach unten anpassen. Vgl. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 7, 8 BRRD-II, Art. 12d Abs. 3 UAbs. 7, 8 SRMR-II. Nach dem vorherigen Kapitalanforderungsregime wurde der Marktvertrauenszuschlag auf Basis der kombinierten Kapitalpufferanforderung abzüglich 125 Basispunkte; vgl. SRB, Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) 2018 SRB Policy for the first wave of resolution plans, v. 20. November 2018, Rn. 9. In seinen aktualisierten Leitlinien schlägt der SRB den Übergang zur neuen Formel stuffenweise zu vollziehen; vgl. SRB, MREL Policy Under the Banking Package, 2020, Rn. 31. Vgl. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 4 BRRD-II m.V. auf Art. 37 Abs. 10 und Art. 44 Abs. 5, 8 BRRD; Art. 12d Abs. 3, 7 SRMR-II m.V. auf Art. 27 Abs. 5, 7 SRMR.
B. Haftungsausschlüsse
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haben.⁵⁶⁶ Hiermit wird ein Gleichlauf der MREL-Quote, die im Rahmen der Abwicklungsplanung festgesetzt wird, mit den Voraussetzungen für den Einsatz von Abwicklungsfonds (s. ausführlich unter: 2. Abschnitt, B) gewährleistet. Dies stellt sicherlich einen Schritt hin zu einem konsequenteren Bankenabwicklungsregime und ist daher zu begrüßen. Der Ermächtigung der Abwicklungsbehörden, die MREL-Mindestanforderungen aufzusetzten, werden auch Grenzen gesetzt. So ist die zum einen auf TREABasis berechnete MREL-Quote auf das Zweifache der kombinierten Säule-1 und -2Eigenmittelanforderungen⁵⁶⁷ und die MREL-Quote auf LRE-Basis auf das Zweifache der Verschuldungsquote beschränkt⁵⁶⁸.
Abb. 1: Graphische Darstellung leicht modifiziert entnommen aus Heemann, BRRD 2 und MREL, BaFin – Abwicklungskonferenz v. Dezember 2019, S. 4.
Speziell für sog. Top-Tier-Banken⁵⁶⁹ hat die Abwicklungsbehörde diese Anforderung „nach oben“ auf maximal 27 % der TREA zu begrenzen, wenn der Zugang zum Abwicklungsfinanzierungsmechanismus im Abwicklungsplan nicht als Op Vgl. Art. 44 Abs. 5, 8 BRRD; Art. 27 Abs. 5, 7 SRMR. Ähnliches gilt im Rahmen der BRRD für den Einsatz von staatlichen Stabilisierungsinstrumenten, die jedoch nicht im SRM vorgesehen sind. Vgl. Art. 37 Abs. 10 lit. a. MRELTREA ≥ 2 x (P1 + P2R). Vgl. Art. 45c Abs. 3 BRRD-II, Art. 12d Abs. 3 SRMR-II. MRELLRE ≥ 2 x 3 %. Vgl. Art. 92a Abs. 1 CRR-II i.V.m. Art. 45c Abs. 3 UAbs. 1 lit. b BRRD-II und Art. 12d Abs. 3 UAbs. 1 lit. b SRMR-II. Hierzu gleich unter: 2. Abschnitt, B., III., c., ii.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
tion betrachtet wird oder die Voraussetzungen für den Zugang zum Abwicklungsfinanzierungs-mechanismus anderweitig erfüllt werden.⁵⁷⁰ Außerdem soll bei der Entscheidung das Risiko einer unverhältnismäßigen Auswirkung auf das Geschäftsmodell des betreffenden Instituts berücksichtigt werden.⁵⁷¹
ii Trichotomie des Adressatenkreises Im Rahmen der Überarbeitung des SRM/BRRD-Rahmenwerks wird der Adressatenkreis von Instituten⁵⁷² hinsichtlich der Mindestanforderungen an verlustabsorptionsfähiges Kapital in drei Klassen, je nach Intensität der ihnen auferlegten Pflichten, eingeteilt: Die G-SIBs, die sog. „Top-Tier-“ bzw. „gefischten-Institute“ und die sonstigen Banken, die unter den Anwendungsbereich der BRRD fallen. Den strengsten Auflagen unterliegen bereits seit dem 27. Juni 2019 die GSIBs⁵⁷³. Für sie wird eine feste gesetzliche (Säule 1) Quote eingeführt, die dem TLAC-Standard entspricht.⁵⁷⁴ Sie wird als prozentualer Anteil an dem TREA (bzw. den RWA) und an der LRE gemessen und ist zu jedem Zeitpunkt zu erfüllen. Demnach müssen G-SIBs MREL-fähige Verbindlichkeiten vorhalten, die zumindest 16 % ihrer RWA sowie 6 % ihrer LRE entsprechen.⁵⁷⁵ Die Mindestquote ist in einem Umfang von 90 % auch für bedeutende EU-Tochterunternehmen von außereuropäischen G-SIBs verbindlich, sofern sie selbst keine Abwicklungseinheit darstellen.⁵⁷⁶ Über die feste gesetzliche Quote hinaus ist der SRB ermächtigt die MREL institutsspezifisch zu erhöhen (Säule 2).⁵⁷⁷ Dies soll aber nur dann der Fall sein, wenn die MREL-Quote im Einzelfall einen den TLAC-Standard überschrei Vgl. Art. 45b Abs. 4 UAbs. 2 lit. a-b BRRD-II; Art. 12c Abs. 4 UAbs. 2 lit. a-b SRMR-II. Diese Begrenzung gilt jedoch nicht für die nach Art. 45c Abs. 6 BRRD-II bzw. Art. 12d Abs. 5 SRMR-II „gefischten Banken“. Vgl. Art. 45b Abs. 4 UAbs. 6 BRRD-II; Art. 12c Abs. 4 UAbs. 4 SRMR-II. Vgl. Art. 45b Abs. 4 UAbs. 3 BRRD-II; Art. 12c Abs. 4 UAbs. 3 SRMR-II. Hierfür führte das EU-Bankenpaket den Begriff der „Abwicklungseinheit“ ein, der alle juristischen Personen umfasst, auf die das Bail-in Instrument (sowie die Übertragungsinstrumente) anwenbar sind. Die Abwicklungseinheiten sind bereits im Rahmen der Abwicklungsplanung und der Festlegung der Abwicklungsstrategie von den zuständigen Behörden zu identifizieren. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 83a BRRD-II; Art. 3 Abs. 1 Nr. 24a SRMR-II. Als solche gelten Bankengruppen und Institute, die aufgrund ihrer Größe, Verflechtung mit dem Finanzsystem, Ersetzbarkeit, Komplexität und grenzüberschreitenden Aktivitäten eine Gefahr für die Finanzstabilität darstellen können und deshalb einer besonderen Aufsicht unterliegen müssen. Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 133 CRR-II i.V.m. Art. 131 Abs. 1– 2 CRD-V. Vgl. Art. 92a CRR-II; Art. 45d BRRD-II; Art. 12 SRMR-II. Nach Ablauf der dreijährigen Übergangszeit sollen sich die Mindestquoten von 16 % RWA – 6 % LRE auf 18 % RWA – 6,75 % LRE erhöhen. Vgl. Art. 494 i.V.m. Art. 92a Abs. 1 CRR-II. Vgl. Art. 92b Abs. 1 CRR-II. Vgl. Art. 45d BRRD-II; Art. 12e SRMR-II.
B. Haftungsausschlüsse
205
tenden Betrag ergibt,⁵⁷⁸ nämlich wenn der nicht institutsspezifische TLAC-Standard nicht genügt, um die vollständige Verlustabsorption und angemessene Rekapitalisierung im Einzelfall zu gewährleisten.⁵⁷⁹ Zu begrüßen ist der für G-SIBs vorgesehene Abzug der gehaltenen TLAC-Instrumente anderer Banken von der eigenen TLAC-Quote.⁵⁸⁰ Mit der Überarbeitung des europäischen Bankenabwicklungsrechts im Rahmen der Umsetzung des EU-Bankenpakets wurde eine neue Institutenklasse geschaffen, für die Kapitalanforderungen mittlerer Intensität gelten. Diese Klasse wird ab 2022⁵⁸¹ einer einheitlichen MREL-Quote unterliegen müssen und nicht mehr der Einzelfallbeurteilung durch die Abwicklungsbehörden überlassen. Hierunter fallen Institute, die nicht als G-SIBs klassifiziert sind, die aber über eine Bilanzsumme von über 100 Mrd. EUR verfügen (sog. „Top-Tier-Institute“)⁵⁸² sowie Institute mit einer Bilanzsumme von unter 100 Mrd. EUR, sofern ihr Ausfall nach Ansicht der Abwicklungsbehörden die Finanzstabilität gefährden könnte (sog. „gefischte“ Institute)⁵⁸³. Solche „Top-Tier-“ und „gefischte-Institute“ müssen Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten vorhalten, die zu jedem Zeitpunkt mindestens 13,5 % ihrer RWA sowie 5 % ihrer LRE entsprechen.⁵⁸⁴ Für Institute, die nicht von den ersten zwei Kategorien erfasst sind, weil ihre Bilanzsumme unter 100 Mrd. EUR liegt und die Abwicklungsbehörden ihnen kein systemisches Risiko zuschreiben, gilt keine feste, sondern lediglich eine institutsspezifische MREL-Quote, deren Höhe im Rahmen der Abwicklungsplanung von den zuständigen Abwicklungsbehörden bestimmt wird.⁵⁸⁵
Vgl. Art. 45d BRRD-II; Art. 12e SRMR-II. Vgl. ErwGr. 15 SRMR. Vgl. Art. 72 h-i CRR-II. Vgl. Art. 45 m Abs. 2 BRRD-II; Art. 12k Abs. 2 SRMR-II. Vgl. Art. 45c Abs. 5 BRRD-II; Art. 12d Abs. 4 SRMR-II. Vgl. Art. 45c Abs. 6 UAbs. 1 BRRD-II; Art. 12d Abs. 5 UAbs. 1 SRMR-II. Maßgeblich für die Einstufung als „Top-Tier-Institut“ sind folgende Faktoren: Zunächst ob bzw. inwieweit Einlagen überwiegen und Schuldtitel in dem Refinanzierungsmodell fehlen; zweitens inwieweit der Zugang zu den Kapitalmärkten für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten beschränkt ist und drittens inwieweit die Abwicklungseinheit auf den Rückgriff auf hartes Kernkapital angewiesen ist. Vgl. Art. 45c Abs. 6 UAbs. 2 BRRD-II bzw. Art. 12d Abs. 5 UAbs. 2 SRMR-II. Vgl. Art. 45c Abs. 5 BRRD-II; Art. 12c Abs. 5 SRMR-II. Graphische Darstellung leicht modifiziert entnommen aus Heemann, BRRD 2 und MREL, BaFin – Abwicklungskonferenz v. Dezember 2019, S. 5.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Abb. 2: Graphische Darstellung leicht modifiziert entnommen aus Heemann, BRRD 2 und MREL, BaFin – Abwicklungskonferenz v. Dezember 2019, S. 5.
iii Anrechnungskriterien Im Zuge der Umsetzung des EU-Bankenpakets wurden die Kriterien für die Anerkennung von Verbindlichkeiten als MREL-fähig an die entsprechenden TLACAnrechnungskriterien angeglichen.⁵⁸⁶ Per se nicht anerkennungsfähig sind zunächst Verbindlichkeiten, die nicht als bail-in-fähig einzustufen sind, d. h. Verbindlichkeiten die vom Bail-in ausgenommen sind. Hinzu kommen weitere Ausnahmen für Sichteinlagen und kurzfristige Einlagen mit einer ursprünglichen Laufzeit von weniger als einem Jahr,⁵⁸⁷ für erstattungsfähige Einlagen von natürlichen Personen und KMUs für den die festgelegte Deckungssumme übersteigenden Teil⁵⁸⁸ sowie für aus Derivaten bzw. Schuldtiteln mit eingebetteten Derivaten entstehende Verbindlichkeiten⁵⁸⁹.
Vgl. ErwGr. 7 SRMR-II; ErwGr. 7 BRRD-II. Vgl. Art. 72a Abs. 2 lit. b CRR-II i.V.m. Art. 12c Abs. 1 lit. a SRMR-II i.V.m. Art. 45b Abs. 1 lit. a BRRD-II. Vgl. Art. 72a Abs. 2 lit. c CRR-II i.V.m. Art. 12c Abs. 1 lit. a SRMR-II i.V.m. Art. 45b Abs. 1 lit. a BRRD-II.
B. Haftungsausschlüsse
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Damit eine Verbindlichkeit als berücksichtigungsfähig gilt und in den Zähler der überarbeiteten MREL-Quote einfließt, muss sie eine Reihe von Kriterien erfüllen, die sich sowohl inhaltlich als auch strukturell an den Eigenmittelanforderungen orientieren. Ihr Ziel ist sicherzustellen, dass die Verlustabsorptionsfähigkeit nicht nur in qualitativer aber auch in quantitativer Hinsicht im Einzelfall vorhanden ist. U. a. müssen folgende Kriterien vorliegen:⁵⁹⁰ ‒ Sie ist unmittelbar vom Institut begeben bzw. aufgenommen und in voller Höhe valutiert; ‒ sie wird weder vom Institut selbst noch von einer gruppenangehörigen Einheit oder einem Unternehmen gehalten, an dem das Institut direkt oder indirekt mit mindestens 20 % der Stimmrechte bzw. des Kapitals beteiligt ist; ‒ ihrem Erwerb liegt weder eine direkte (durch das Institut) noch eine indirekte (durch die Abwicklungseinheit) Finanzierung zu Grunde; ‒ sie ist nicht besichert oder Gegenstand einer Garantie;⁵⁹¹ ‒ sie entstammt nicht aus Aufrechnungs- oder Nettingvereinbarungen, die ihre Verlustabsorptionsfähigkeit beeinträchtigen können; ‒ sie enthält in ihren vertraglichen Bestimmungen keinen Anreiz für das Institut, ihren Kapitalbetrag frühzeitig zu kündigen, tilgen oder zurückkaufen;⁵⁹²
Hierunter fallen nicht die Schuldtitel mit Option zur vorzeitigen Tilgung sowie Schuldtitel, die sich aus einem allgemein genutzten Referenzsatz ableiten. Vgl. Art. 72a Abs. 2 lit. k-l CRR-II i.V.m. Art. 12c Abs. 1 lit. a SRMR-II i.V.m. Art. 45b Abs. 1 lit. a BRRD-II. Für die vollständige Auflistung s. Art. 72b Abs. 2 lit. a-m CRR-II i.V.m. Art. 12c Abs. 1 lit. b SRMR-II i.V.m. Art. 45b Abs. 1 lit. b BRRD-II. Bzw. Gegenstand einer anderen Regelung, die ihr einen höheren Rang verleiht. Adressaten dieser Anforderung sind: i) das Institut selbst und seine Tochterunternehmen, ii) das Mutterunternehmen des Instituts und dessen Tochterunternehmen, iii) jegliches Unternehmen mit engen Verbindungen zu den unter i) und ii) genannten Unternehmen. Vgl. Art. 72b Abs. 2 lit. e CRR-II. Besteht aber ein Anreiz für das emittierende Institut zur vorzeitigen Kündigung, Tilgung oder Rückzahlung bzw. Rückkauf, wird die Laufzeit der Verbindlichkeit als der frühestmögliche Zeitpunkt definiert, ab dem die obigen Optionen geltend gemacht werden können.Vgl. Art. 72b Abs. 2 lit. g CRR-II i.V.m. Art. 72c Abs. 3 CRR-II. Eine vorzeitige Kündigung, Tilgung oder Rückzahlung bzw. ein vorzeitiger Rückkauf bleiben dennoch weiterhin zulässig, aber nur unter bestimmten Bedingungen und nach einer entprechenden Erlaubnis der zuständigen Aufsichtsbehörde. Vgl. Art. 72b Abs. 2 lit. j CRR-II i.V.m. Art. 77, 78a CRR-II. Hierfür muss das Institut sicherstellen, dass Eigenmittelinstrumenten zumindest gleicher Qualität an die Stelle der vorzeitig gekündigten, getilgten bzw. zurückgezahlten Verbindlichkeit treten oder nachweisen, dass seine Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten die Mindestanforderungen sowieso übersteigen.
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‒
Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
sie verleiht ihren Inhabern keine vorzeitige Rückzahlungsoption.⁵⁹³
Hinzu kommt das Nachrangerfordernis (subordination), das sich als kniffligster Punkt bei der Aushandlung der Harmonsierung der zwei Ansätze – TLAC und MREL – erwiesen hat. Grundsätzlich kann die Nachrangigkeit gegenüber den nicht berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, z. B. Einlagen von Privatpersonen,in dreierlei Hinsicht erfüllt sein: Über die Aufnahme einer entsprechenden Nachrangsklausel in den Vertragsbestimmungen (vertragliche Nachrangigkeit); über eine gesetzliche Anordnung, die solchen Verbindlichkeiten die Nachrangigkeit zuschreibt (gesetzliche Nachrangigkeit); über die Emission von Schuldtiteln auf der Ebene der Holdinggesellschaft, die nachrangig gegenüber den von den operativen Tochtergesellschaften begebenenen Schuldtiteln ist (strukturelle Nachrangigkeit). Bis vor der umfassenden Reform des europäischen Bankenabwicklungsrechts durch das EU-Bankenpaket war keine zwingende Nachrangigkeit der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gegenüber allen übrigen Verbindlichkeiten gefordert. Darin lag der entscheidende Unterschied zu den TLAC-Anrechnungskriterien. Aus der Sicht der Eingriffsintensitä t war damit die MREL-Anforderung weniger streng. Sie erforderte lediglich die Einhaltung des No-Creditor-Worse-OffGrundsatzes. Nun ist aber auch im europäischen Bankenabwicklungsregime eine Nachrangforderung für G-SIBs und Top-Tier- bzw. „gefischte“-Banken vorgesehen. Sämtliche Banken, die nicht als G-SIBs bzw. Top-Tier-Banken klassifiziert sind, sind von dieser Pflicht ausgenommen.⁵⁹⁴ Dies gilt jedoch nicht, soweit die Abwicklungsbehörden beschließen, dass diese Institute den TLOF-Standard zu erfüllen haben.⁵⁹⁵ Dafür ist es notwendig, dass ein Risiko besteht, dass im Falle einer Bail-in-Anwendung gegen den „NoCreditor-Worse-Off“-Grundsatz (NCWO) verstoßen wird,⁵⁹⁶ d. h. wenn ein Gläubiger durch die Abwicklung wirtschaftlich schlechter gestellt würde als bei der Durchführung eines ordentlichen Insolvenzverfahrens.⁵⁹⁷ Die Anordnung der
Ist dennoch eine solche Option vorgesehen, wird die Laufzeit der Verbindlichkeit als der frühestmögliche Zeitpunkt definiert, ab dem die Inhaber diese Option ausüben können. Vgl. Art. 72b Abs. 2 lit. h CRR-II i.V.m. Art. 72c Abs. 2 CRR-II. Vgl. Art. 45b Abs. 1 lit. b BRRD-II i.V.m. Art. 72b Abs. 2 lit. d CRR-II; Art. 12c Abs. 1 lit. b SRMR-II i.V.m. Art. 72a ff. CRR-II. Art. 45b Abs. 5 BRRD-II; Art. 12c Abs. 5 SRMR-II S. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Art. 45b Abs. 5 lit. a-c BRRD-II; Art. 12c Abs. 5 lit. a-c SRMR-II. Vgl. Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, Einführung in die Ratio und Funktionsweise der Abwicklungsregeln für Banken, WM 2019, S. 1677, 1678.
B. Haftungsausschlüsse
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Anwendbarkeit des TLOF-Standards sowie des damit bedingten Nachrangerfordernisses der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten durch die Abwicklungsbehörde ist jedoch der Höhe nach beschränkt.⁵⁹⁸
IV. Ergebnis Die im europäischen Bankenabwicklungsregime vorgesehenen Haftungsausnahmen bergen ein beträchtliches Missbrauchsrisiko. Zum einen sind die per se Ausnahmen anfällig für einen Missbrauch durch Banken und ihre Gläubiger. Zum anderen können die ermessensgeleiteten Ausschlussbefugnisse durch die (nationalen) Entscheidungsträger instrumentalisiert werden, so dass Gläubigerpositionen geschont werden, ohne dass dies erforderlich ist, um Gefahren für die Finanzstabilität vorzubeugen. Gerade in diesem durch beachtliche Spielräume gekennzeichnetem Umfeld ist es notwendig, Kriterien aus den delegierten Rechtsakten und den Leitlinien der EBA zu erarbeiten, die eine ermessensreduzierende Wirkung entfalten, um die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Gläubigerhaftung im europäischen Abwicklungsregime zu verbessern. Durch rechtlich bindende Anforderungen, die eine gerichtliche Kontrolle ermöglichen, lässt sich der Handlungsspielraum, der den Abwicklungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Ausnahmebefugnisse eingeräumt wird, bis zu einem gewissen Grad wieder einschränken. Dies ist allerdings keine leichte Aufgabe, da normativen Vorgaben oft in Widerspruch zueinander geraten. Außerdem enthalten sie auch unbestimmte Rechtsbegriffe, die gewisse Entscheidungsspielräume eröffnen, die wiederum eine umfassende gerichtliche Kontrolle zurücktreten lassen. Um zu verhindern, dass die Banken ihre Bilanzen im eigenen oder im Interesse ihrer Gläubiger mit dem Ziel ausrichten, möglichst viele Passiva aus der Anwendung des Bail-in-Instruments auszuschließen, werden die Banken zum Vorhalten eines Mindestbetrags an verlustabsorptionsfähigen Verbindlichkeiten (MREL-Quote) verpflichtet. Damit soll dem Missbrauch von einzelfallunabhängigen Ausnahmetatbeständen entgegengewirkt und zugleich sichergestellt werden, dass im Abwicklungsfall ausreichend Kapital vorhanden ist, dessen Heranziehung im Rahmen einer Bail-in-Anwendung Verluste auffangen und wenn nötig Der Nachrang kann bis maximal zu dem höheren Betrag von 8 % TLOF und der Summe aus der zweifachen Gesamtkapitalquote i.S.v. Art. 92 Abs. 1 lit. c CRR-II zzgl. des zweifachen Betrags der zusätzlichen Eigenmittelanforderungen i.S.v. Art. 104a CRD-V sowie zzgl. der kombinierten Kapitalpufferanforderung angeordnet werden, Art. 45b Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 BRRD-II bzw. Art. 12c Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 SRMR-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
zur Rekapitalisierung der abzuwickelnden Bank beitragen kann. Dadurch wird zwar die Einsatzfähigkeit des Bail-in-Instruments erhöht. Daraus folgt aber nicht, dass das Bail-in-Instrument tatsächlich zum Einsatz kommen wird, insbesondere wenn andere Lastenverteilungsmechanismen wie das EU-Beihilferecht sich als politisch günstigere Optionen erweisen, weil sie die Möglichkeit einer Gläubigerschonung eröffnen. Um die Ausweichmöglichkeiten zu verringern, könnte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, die Verlustbeteiligung von MREL- bzw. berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten an das Unterschreiten von Eigenmittelanforderungen zu knüpfen (Pufferfunktion). Sollte dies zum Auffangen von Verlusten oder zur Rekapitalisierung nicht ausreichen, könnte das Bail-in-Instrument im engeren Sinne zum Einsatz kommen, sodass weitere Klassen bail-infähiger Verbindlichkeiten zur Haftung gezogen werden. Bei der inhaltlichen Festlegung der MREL-Quote könnten schlüssige Lehren aus dem Ansatz gezogen werden, den die Bank of England verfolgt.⁵⁹⁹ Demzufolge soll die Festlegung der MREL-Anforderung zum einen an die konkret bevorzugte Abwicklungsstrategie gekoppelt und zum anderen mit dem ausgewählten Abwicklungsinstrument verknüpft sein. Hat sich als geeignete Abwicklungsstrategie herausgestellt, dass ein Institut liquidiert werden muss, wird der Rekapitalisierungsbetrag der MREL auf Null gesetzt. Um zu beurteilen, wann eine Liquidation statt eine Abwicklung vorzunehmen ist, hat die Bank of England klare Kriterien festgelegt:⁶⁰⁰ Auszuschließen sei die Liquiditation, wenn das Scheitern des Instituts aufgrund der von ihm erbrachten Dienstleistungen direkt oder indirekt das Vertrauen in das britische Finanzsystem beeinträchtigen werde oder wenn das betreffende Institut weniger als 40.000 bis 80.000 aktive Zahlungskonten führe, d. h. Konten, von denen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten neunmal oder öfter Abhebungen vorgenommen werden. Demgegenüber sollen für Institute mit einer Bilanzsumme von bis zu 15 bis 25 Mrd. GBP die Übertragungsinstrumente anstelle des Bail-in-Instruments zum Einsatz kommen, sofern die Bank of England es für angemessen hält, die kritischen Funktionen einer Bankengruppe auf eine andere Einheit zu übertragen. In diesen Fällen wird der MREL-Rekapitalisierungsbetrag reduziert, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Institut nach der Abwicklung über weniger Vermögenswerte verfügt als davor. Auf einer dritten Stufe wendet die Bank of England das Bail-in als Standard-Abwicklungsinstrument auf Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 25 Mrd. GBP
Vgl. Bank of England, The Bank of England’s approach to setting a minimum requirement for own funds and eligible liabilities (MREL), Statement of Policy, v. Juni 2018. Id., S. 5.
B. Haftungsausschlüsse
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an. Daher werden diese Institute (hauptsächlich G-SIBs und O-SIIs) zur Erfüllung der „vollen“ MREL-Quote verpflichtet. Der SRB hat erst im Jahr 2017 die ersten Anpassungen des Rekapitalisierungsbetrags vorgenommen. Es bleibt daher noch ein langer Weg zurückzulegen. Auf der Grundlage des bevorzugten Abwicklungsinstruments sollten differenzierte MREL-Quoten angeordnet werden. So besteht im Rahmen der BRRD-II die Möglichkeit, den Rekapitalisierungsbetrags nach unten anzupassen, wenn dies aufgrund der Gefahren gerechtfertigt ist, die von einem Institut nach der Abwicklung ausgehen. Dies ist besonders relevant für Institute mit einem hohen Bestand an Non-performing-exposures (NPE), denen übermäßig hohe Säule-IIAnforderungen (P2) gestellt werden. Es ist gerade in solchen Fällen, in denen der Verlustabsorptionsbetrag in die Verringerung des Deckungsgrades der NPE einfließt, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den Rekapitalisierungsbetrag nach unten zu korrigieren. Des Weiteren würde eine derartige Entlastung den erheblichen Unterschieden Rechnung tragen, die in den Mitgliedsstaaten der Eurozone beim MREL-Defizit festzustellen sind. Während deutsche Institute ein MREL-Defizit von 1 % der gesamten RWA aufweisen, finden sich höhere Defizite in Italien (4 %), Griechenland (10 %), Portugal (6 %), Irland (4 %) und im EU-Durchschnitt (3,7 %).⁶⁰¹ Zu begrüßen ist jedenfalls die Harmonisierung der MREL-Vorgaben mit dem vom FSB entwickelten internationalen TLAC-Standard, die mit der Verabschiedung des EU-Bankenpakets im Mai 2019 herbeigeführt wurde. Künftig sollen unterschiedliche Mindestanforderungen für drei Kategorien von Banken gelten: G-SIBs, sog. Top-Tier-Banken bzw. „gefischte“ Banken sowie sonstige Banken im Anwendungsbereich der BRRD. Die Einführung der TLAC- und der harmonisierten MREL-Anforderung soll einigen der festgestellten Schwachstellen bei der Durchführung des Bail-in-Instruments entgegentreten und gewährleisten, dass die Verluste im Rahmen des Bail-in-Instruments bereits ex ante in einer vorhersehbaren Weise den Gläubigern zugewiesen werden. Zentrale Rolle hierbei spielt die Nachrangforderung von berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gegenüber den vom Bail-in nicht erfassten Verbindlichkeiten. Im Übrigen sind die Entwicklungen am Markt für MREL- und TLAC-fähige Verbindlichkeiten und ihre Auswirkungen auf die Refinanzierungskosten für Banken genauer unter die Lupe zu nehmen. Ersten Schätzungen zufolge wird allein den G-SIBs ein Fehlbetrag an TLAC-fä higen Verbindlichkeiten von 767 Mrd.
S. graphische Darstellung in: Garcia/Rocamora, How prepared are European banks to comply with MREL? The importance of the subordination requirement, BBVA Research, v. August 2018, S. 5.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
EUR attestiert.⁶⁰² Mittlerweile werden non-preferred-senior-Anleihen von Kreditinstituten emittiert, die unmittelbar nach den Eigenmitteln und den sonstigen Nachranginstrumenten, jedoch vor preferred-senior-Instrumenten (senior-unsecured-Anleihen) haften.⁶⁰³
Vgl. Maurer/Opher/Wolfgarten, MREL und TLAC – Neue Anforderungen an die Verlustabsorptionsfähigkeit von Banken, Deloitte, White Paper No. 74, v. 15. Juni 2016, S. 13. Sie lassen sich daher auch als „T3-Kapital“ bezeichnen.
C. Haftungsschranken Dem europäischen Bankenabwicklungsregime liegt ein Spannungsverhältnis zwischen der benötigen Wirksamkeit des Bail-in-Instruments sowie der Übertragungsinstrumente und dem Gläubigerschutz (Rechtsstaatlichkeitsprinzip): Auf der einen Seite haben die Abwicklungsbehörden für eine zügige Durchführung des Abwicklungsverfahrens und ggf. Verlustzuweisung an die jeweiligen Gläubigerklassen zu sorgen, deren Ergebnisse nicht sich nicht rügängig machen lassen. Anderenfalls droht ein unerheblicher Glaubwürdigkeitsverlust für die neue Abwicklungsordnung. Auf der anderen Seite müssen Mechanismen vorhanden sein, die die Gläubiger vor staatlichen Eingriffen schützen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Die Forderung nach einem effektiven Rechtsschutz ist nicht nur im Hinblick auf die skizzierten Eingriffsbefugnisse und die damit einhergehenden weiten Ermessensspielräume der Abwicklungsbehörden notwendig. Vielmehr findet sie ihre Begründung in Art. 47 EU-GRCh, Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 GG. Die vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten lassen sich nach dem Trennungsprinzip in nationale und europäische Ebene aufteilen.⁶⁰⁴ Eine weitere Unterteilung kann in Bezug auf den Zeitpunkt erfolgen, in dem sie Schutz gewähren: Während des Abwicklungsverfahrens oder nach dessen Abschluss.⁶⁰⁵ Als erste Verteidigungslinie kommt die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen die auf nationaler Ebene gefasste Bail-in-Anordnung in Betracht, die aber keine aufschiebende Wirkung hat.⁶⁰⁶ Da die nationalen Abwicklungsbehörden die Beschlüsse des SRB umzusetzen haben,⁶⁰⁷ gilt dies auch für die durch den SRB erarbeiteten Abwicklungskonzepte. Denkbar wäre jedenfalls die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 Abs. 1 lir. b AEUV. Unabhängig davon besteht für Gläubiger die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage gegen den Abwicklungseschluss des SRB.⁶⁰⁸ Hierfür ist jedoch eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit der einzelnen Gläubiger erforderlich,⁶⁰⁹ die im Einzelfall zu prüfen ist.⁶¹⁰
Vgl. Hofmann, in Schmidt-Aßmann/Schöndorf- Haubold (Hrsg), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 353, 359. In die letztere Kategorie fällt der Ausgleichanspruch nach dem NCWO-Grundsatz. Vgl. Art. 85 Abs. 3, 4 UAbs. 1 BRRD. Für die deutsche Rechtsordnung s. § 150 SAG. Vgl. Art. 29 Abs. 1 SRMR. Vgl. Art. 86 Abs. 1, 2 SRMR mit Verweis auf Art. 263 AEUV. Vgl. Art. 263 Abs. 4 AEUV. Ablehnend zur Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage gegen die Anwendung des Bail-in-Instruments Kämmerer, Rechtsschutz in der Bankenunion (SSM, SRM), WM 2016, S. 1, 10. https://doi.org/10.1515/9783110764437-009
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Im Folgenden wird nicht näher auf diese Frage der Klagelegitimation eingegangen. In den Fokus rücken hingegen die speziellen Schutzvorgaben des europäischen Bankenabwicklungsregimes, die (mit‐)bestimmend für den Haftungsumfang der Gläubiger sind.
I. Bewertung Im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes spielt die Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des ausfallenden Instituts eine Schlüsselrole bei der Bestimmung des Haftungsumfangs von Gläubigern eines ausfallenden Instituts. Je nach Ergebnis der Bewertung droht zum einen die Gefahr einer überschießenden Haftung für die Bankgläubiger, die möglicherweise nachteilige Auswirkungen auf den Finanzmärkten mit sich bringen kann, oder eine Externalisierung der Verluste auf die Allgemeinheit ganz im Sinne des beschriebenen Moral Hazard.
a) Festlegung des Mindestumfangs Die Festlegung des aggregierten Bail-in-Betrags durch die zuständigen Abwicklungsbehörden, die der Höhe der durch das Bail-in abzudeckenden Kapitallücke entspricht, bildet den entscheidenden Schritt zur Bestimmung des minimalen Umfangs der Gläubigerhaftung. Bei der Berechnung des aggregierten Bail-in-Betrags wird je nach Gestaltungsvariante der Bail-in-Anwendung zwischen zwei Grundkonstellationen differenziert. Wenn das abzuwickelnde Institut über einen negativen Nettovermögenswert (net asset value) verfügt, werden seine bail-in-fähigen Verbindlichkeiten in dem Umfang herabgeschrieben, der erforderlich ist, damit sein Nettovermögenswert wieder auf Null gebracht wird, d. h. bis seine Bilanz ausgeglichen wird.⁶¹¹ Weist hingegen das abzuwickelnde Institut einen positiven Nettovermögenswert auf und muss zusätzliches hartes Kernkapital gebildet werden (z. B. für das Brückeninstitut oder im Falle eines open bank Bail-in), werden die bail-in-fähigen Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts in dem Umfang in Eigenkapital des rekapitalisierten Instituts oder des Brückeninstituts umgewandelt, der erforderlich ist, um die Mindestquote an hartes Kapi Die Abschreibung von Eigenmittelinstrumenten reicht hierfür nicht aus, da sie keine Passiva bzw. keine Verbindlichkeiten sind. Daher muss die Abschreibung mit einer Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital einhergehen. Vgl. Art. 27 Abs. 13 UAbs. 1 lit. a SRMR, Art. 46 Abs. 1 lit. a BRRD.
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tal⁶¹² des Letzteren wiederherzustellen bzw. zu erreichen.⁶¹³ Zusätzlich dazu soll ein Marktvertrauensaufschlag berechnet werden, wodurch das abzuwickelnde Institut in die Position versetzt wird, die Bankzulassungsvoraussetzungen für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr weiterhin zu erfüllen und seine Geschäftstätigkeiten gem. CRD-V/CRR-II fortführen zu können.⁶¹⁴ Sollte die Umwandlung im Rahmen einer Kombination mit dem Instrument der Vermögensausgliederung oder der Veräußerung erfolgen, ist hingegen die Bildung von zusätzlichem aufsichtsrechtlichem Eigenkapital nicht erforderlich, da es sich um keine Kreditinstitute handelt.⁶¹⁵ Nichtsdestotrotz statuiert das SRM/BRRD-Rahmenwerk eine vage Pflicht für die Abwicklungsbehörden, Rücksicht auf den Kapitalbedarf der Zweckgesellschaft zu nehmen.⁶¹⁶ Der Errechnung des aggregierten Bail-in-Betrags geht eine Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts voraus. Die sog. Bewertung-II bildet die Basis für die Entscheidung über die Auswahl der angemessenen Gestaltungsvariante des Bail-in-Instruments und des konkreten Umfangs der Abschreibungs- oder Umwandlungssätze.⁶¹⁷ Sie bezweckt einen Ausgleich zwischen dem Gebot der präzisen und vollständigen Erfassung sämtlicher Verluste in Bezug auf Vermögenswerte des Instituts zum Zeitpunkt der Bailin-Anordnung⁶¹⁸ und der notwendigen Dringlichkeit in Abwicklungssituationen, insbesondere wenn sie an einem sog. resolution weekend vorgenommen werden muss⁶¹⁹. Um den Abwicklungsbehörden eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen, wird die Bewertung-II durch folgende Dokumente flankiert:⁶²⁰ (i) Eine
Gem. Art. 92 Abs. 1 lit. a CRR-II beträgt die harte Kernkapitalquote (CET 1) mindestens 4,5 % der RWA des Instituts. Vgl. Art. 27 Abs. 13 Uabs. 1 lit. b SRMR, Art. 46 Abs. 1 lit. b BRRD. Im Falle eines kombinierten Einsatzes mit dem Instrument des Brückeninstituts können Mittel der nationalen Abwicklungsfinanzierungs-mechanismen bzw. des SRF zum harten Kapital für den aufnehmenden Rechtsträger angerechnet werden; vgl. Art. 27 Abs. 13 UAbs. 2 SRMR; Art. 46 Abs. 2 UAbs. 1 BRRD i.V.m. Art. 76 lit. d SRMR, Art. 101 Abs. 1 UAbs. 1 lit. d BRRD. Dies ist hingegen nicht zur Bildung von hartem Kernkapital beim abzuwickelnden Institut zulässig. Vgl. Art. 27 Abs. 13 UAbs. 2 SRMR, Art. 46 Abs. 2 UAbs. 1 BRRD. S.o.: 1. Abschnitt, B., IV., b. Vgl. Art. 27 Abs. 13 UAbs. 3 SRMR, Art. 46 Abs. 2 UAbs. 2 BRRD. Daraus folgt, dass die Bewertung-II weitestgehend bestimmt, welcher Gläubiger einem Abschreibungs- und welcher einem Umwandlungsrisiko ausgesetzt ist. Vgl. Art. 20 Abs. 1, Abs. 5 lit. d SRMR; Art. 36 Abs. 1, Abs. 4 lit. d BRRD. Vgl. Art. 20 Abs. 5 lit. g SRMR; Art. 36 Abs. 4 lit. g BRRD. Die Bewertung muss „möglichst nahe“ vor dem Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung vorliegen; vgl. Art. 3 lit. a Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 20 Abs. 7, 9 SRMR; Art. 36 Abs. 6, 8 UAbs. 1 BRRD. Bei einer kombinierten Anwendung des Bail-in mit Übertragungsinstrumenten tritt als fünftes Element (v) eine Schätzung
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aktualisierte Bilanz und einen Bericht über die Finanzlage des abzuwickelnden Instituts, (ii) eine Analyse und Schätzung des Buchwerts der Vermögenswerte, (iii) eine Aufstellung der offenen bilanziellen und außerbilanziellen Verbindlichkeiten sowie (iv) eine Unterteilung der Gläubiger in Klassen und eine Einschätzung über ihre Behandlung im Rahmen einer hypothetischen Liquidation nach ordentlichem Insolvenzverfahren. In Übereinstimmung mit der Bewertung zur Feststellung des Ausfalls des Instituts im Rahmen der Abwicklungsvoraussetzungen (sog. Bewertung-I) muss auch die Bewertung-II auf fairen, vorsichtigen⁶²¹ und realistischen⁶²² Annahmen beruhen sowie von einer unabhängigen Stelle (bzw. Sachverständige)⁶²³ vorgenommen werden.⁶²⁴ Die speziellen Anforderungen, die an die ihr zugrundeliegenden Bewertungsmethoden gestellt werden, sind ebenfalls in der Del-VO 2018/ 345 sowie in den von EBA und SRB erarbeiteten Leitlinien näher konkretisiert.⁶²⁵ Darin ist vorgesehen, dass die Bewertung den tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Wert und nicht den Buchwert des Instituts wiedergeben soll.⁶²⁶ Zu diesem Zweck muss die Bewertung-II möglichst nahe vor dem Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung vorgenommen werden.⁶²⁷ Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass in Stresssituationen die Buchwerte in der Bilanz des Instituts nicht mehr die realen
des Marktwerts von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts hinzu; vgl. Art. 20 Abs. 8 SRMR; Art. 36 Abs. 7 BRRD. Der Europäische Rechungshof kritisierte die mangelnde Bereitstellung der einschlägigen Informationen durch die Banken, die für die Bewertung durch den SRB benötigt sind; vgl. Europäischer Rechnungshof, Einheitlicher Abwicklungsausschuss: Erste Schritte auf dem anspruchsvollen Weg zur Bankenunion sind getan, es ist jedoch noch ein weiter Weg bis zum Ziel, Sonderbericht Nr. 23/2017, Rn. 67 und Anhang III sowie beigefügte Antwort des SRB S. 6. Vgl. Art. 20 Abs. 6 S. 1 SRMR, Art. 36 Abs. 5 S. 1 BRRD sowie Art. 8 Del-VO 2018/345 für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, bei denen besondere Vorsicht geboten ist. Das Wort „realistisch“ soll ein Abweichen von Buchwerten rechtfertigen und in die Auslegung von Rechnungslegungsstandards einfließen. Zu den genauen Unabhängigkeitsanforderungen an die bewertende Stelle vgl. Art. 38 – 41 Del-VO 2016/1075. Im Abwicklungsfall von Banco Popular wurde die Bewertung-II von Deloitte durchgeführt; vgl. Deloitte, Hippocrates Provisional Valuation Report. Siehe aber auch Art. 36 Abs. 2, 9 BRRD, wonach im Falle einer vorläufigen Bewertung die zuständige Abwicklungsbehörde die Funktion der unabhängigen Prüferin übernimmt. Vgl. Art. 20 Abs. 1 SRMR, Art. 36 Abs. 1 BRRD, ErwGr. 1 Del-VO 2018/345. Vgl. EBA, Handbook on Valuation for Purposes of Resolution, v. 22. Februar 2019, S. 19 ff. und speziell im Zusammenhang mit der Anwendung des Bail-in-Instruments S. 63 – 66; SRB, Framework for Valuation, v. Februar 2019, S. 7 ff. und speziell im Zusammenhang mit der Anwendung des Bail-in-Instruments S. 18 ff. Vgl. ErwGr. 7 Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 3 lit. a Del-VO 2018/345.
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Risiken abbilden. Sie bedürfen einer Korrektur nach unten, um an die veränderten Marktgegebenheiten angepasst zu werden. Dies eröffnet aber zugleich der Sachverständige große Spielräume bei der Einschätzung des Werts von Gläubigerforderungen und wirkt sich unmittelbar auf den Umfang der Gläubigerhaftung aus. Für die Auswahl der geeigneten Bemessungsgrundlage – Halte- bzw. Fortführungs-⁶²⁸ oder Veräußerungswert – ist wiederum die konkrete Variante des Bail-inInstruments maßgeblich, d. h. die Frage, ob das Bail-in als alleiniges Instrument oder in Kombination mit Übertragungsinstrumenten zum Einsatz kommen soll.⁶²⁹ Zugleich darf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln oder einer ELA-Liquiditätshilfe sowie sonstiger Liquiditätshilfen der Zentralbanken auf der Grundlage nicht standardisierter Bedingungen nicht in die Bewertung einfließen.⁶³⁰ Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH⁶³¹ und des EGMR⁶³². Dadurch soll die Abbildung der Marktbedingungen ohne wettbewerbsverzerrende Effekte ermöglicht werden. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob auch bereits eingetretene Wettbewerbsverzerrungen im Wege zuvor gewährter staatlicher Beihilfen oder ELA-Kredite, die dem Institut ökonomische Vorteile verschafft haben, bei der Bewertung durch die Sachverständige zu berücksichtigen sind.⁶³³ Aus Fairnessgründen wäre dies durchaus gerechtfertigt, aus praktischen Gründen de facto nicht umsetzbar. Aus den obigen Ausführungen lässt sich ableiten, dass die Bewertung durch eine Sachverständige aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf den Umfang der Gläubigerhaftung hohe Anforderungen an Präzision, Objektivität und Legitimität erfüllen muss. Doch die Realität spricht allzu oft eine andere Sprache. So Nach Art. 1 lit. e Del-VO 2018/345 bezeichnet der Haltewert „den angemessen abgezinsten Barwert der Zahlungsströme, die das Unternehmen unter fairen, vorsichtigen und realistischen Annahmen vernünftigerweise erwarten kann, wenn es bestimmte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten weiterhin hält, wobei Faktoren, die das Verhalten der Kunden oder Gegenparteien oder sonstige Bewertungsparameter im Zusammenhang mit der Abwicklung beeinflussen, zu berücksichtigen sind.“ Konsequenterweise ist im Falle einer kombinierten Anwendung mit Übertragungsinstrumenten der Veräußerungswert heranzuziehen; vgl. Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 20 Abs. 6 SRMR; Art. 36 Abs. 5 BRRD. Vgl. EuGH, Kotnik u. a. C-526/14 v. 19. Juli 2016, Rn. 65 ff. (in Bezug auf nachrangige Gläubiger). Vgl. EGMR, Grainger v. UK, 34940/10 v. 10. Juli 2010, Rn. 42 (in Bezug auf Aktionäre). Vgl. de Serière/van der Houwen, ‘„No creditor worse off“ in case of bank resolution: food for litigation?’, Journal of International Banking Law and Regulation, 2016, S. 376, 379, die zutreffend die Frage stellen, ob in einem solchen Fall die Sachverständige die staatlichen Kapitalzuführungen zurückverfolgen muss und ihre Auswirkungen auf die Finanzierung des Instituts eventuell nachträglich aufheben.
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hatte die Sachverständige beim bislang einzigen Anwendungsfall einer Bewertung-II in der Bankenunion lediglich zwölf Tage um die Bewertung der Bilanz der spanischen Banco Popular vorzunehmen.⁶³⁴ In ihrem Bericht ermittelte die Sachverständige einen Negativwert i.H.v. ca. 2 Mrd. EUR, bezeichnete aber selbst ihre Ergebnisse als „höchst unsicher“.⁶³⁵ Ist aufgrund der Dringlichkeit der Umstände das Einhalten all obiger Anforderungen den zuständigen Abwicklungsbehörden bzw. der Sachverständige nicht zumutbar, zumindest nicht ohne dass das Erreichen der Abwicklungsziele gefährdet werden, kann hiervon abgewichen werden, indem lediglich eine vorläufige Bewertung vorgenommen wird.⁶³⁶ Als Bewerterin tritt dann an die Stelle der Sachverständige die zuständige Abwicklungsbehörde ein.⁶³⁷ Dadurch soll verhindert werden, dass die Durchführbarkeit des gesamten Abwicklungsverfahrens und darunter auch des Bail-in-Instruments an einer anspruchsvollen Quantifizierung scheitert. Denn das hätte das Potenzial, jegliche Möglichkeit zum raschen Eingreifen für die Entscheidungsträger zu versperren. Wenngleich diese simplifizierte Form der Bewertung in einigen Fällen aufgrund des zeitlichen Drucks gerechtfertigt sein kann, tritt eine weitere Anwendungsmöglichkeit für sie hinzu, bei der auf jegliche Dringlichkeitsüberlegungen verzichtet wird. Demnach soll eine vorläufige Bewertung auch aus sonstigen Gründen einer Unmöglichkeit der sog. endgültigen ⁶³⁸ Bewertung vorgenommen werden können. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass sie einen zusätzlichen Sicherheitspuffer für sämtliche zum Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung noch nicht eingetretenen bzw. erkennbaren Verluste umfasst – ergänzt durch eine angemessene Begründung.⁶³⁹ Dies kommt einer per se Ausweitung des Haftungsum-
Trotz ursprünglicher Vereinbarung mit dem SRB für eine sechswöchige Bearbeitungszeit; vgl. Deloitte, Hippocrates Provisional Valuation Report. Deloitte legte eine sehr weite Bewertungsspanne von + 1,3 Mrd. bis – 8,2 Mrd. EUR fest; vgl. id., S. 2. Daraus ergibt sich ein Mittel-Negativwert i.H.v. 2 Mrd. EUR, der exakt der Höhe der ausstehenden nachrangigen Verbindlichkeiten von Banco Popular entsprach, so dass kein Bail-in auf die vorrangigen Gläubiger nötig war. Diese „zufällige“ Übereinstimmung der festgestellten Kapitallücke mit dem ausstehenden Betrag an nachrangige Verbindlichkeiten gab der Presse Anlass zu Zweifeln an der Unabhängikgeit des Berichts. Vgl. Hale, Putting a price on Banco Popular, Financial Times v. 2. Februar 2018. Vgl. Art. 20 Abs. 10 UAbs. 1 SRMR, Art. 36 Abs. 2, 9 UAbs. 1 BRRD. Vgl. Art. 20 Abs. 3 SRMR, Art. 36 Abs. 2 UAbs. 2 BRRD, Art. 1 lit. b Del-VO 2018/345. Vgl. Art. 20 Abs. 2 SRMR; Art. 36 Abs. 1 S. 2 BRRD. Als endgültig oder vorläufig wird eine Bewertung Bewertung-I oder -II bezeichnet. Sie soll nicht mit der ex post vorzunehmenden Bewertung-III zur Feststellung der Schlechterstellung von Gläubigern (NCWO) gem. Art. 74 BRRD verwechselt werden. Vgl. Art. 20 Abs. 10 UAbs. 2 SRMR, Art. 36 Abs. 9 UAbs. 2 BRRD, Art. 13 Abs. 1 Del-VO 2018/345.
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fangs für Gläubiger des abzuwickelnden Instituts gleich und birgt ein hohes Missbrauchspotenzial seitens der Abwicklungsbehörden. Sie haben nämlich in ihrer zusätzlichen Rolle als Bewerterinnen zusätzliche Anreize dafür, den ökonomischen Wert des abzuwickelnden Instituts zu unterschätzen bzw. den Wert möglicher Verluste zu überschätzen, um eine umfassende Gläubigerhaftung herbeizuführen und das Institut „endgültig“ abzuwickeln, ohne zugleich Prozessrisiken wegen Verletzung des No-creditor-worse-off(NCWO)-Grundsatzes ausgesetzt zu sein. Angesichts dessen lässt sich auch unter Berücksichtigung der bisherigen Abwicklungspraxis voraussagen, dass die vorläufige Bewertung zunehmende Bedeutung erlangen wird. Als einziger verfahrensrechtlicher Garant für die Gläubigerinteressen im Zusammenhang mit der Bewertung bleibt in solchen Situationen die Verpflichtung, eine Bewertung, die den bereits erwähnten höheren Anforderungen genügt, möglichst bald nach der Abwicklung durch eine Sachverständige nachzuholen.⁶⁴⁰ Dadurch soll zumindest die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur einer überschießenden Gläubigerhaftung bestehen bleiben. Zur Bewältigung einiger der hier skizzierten praktischen Herausforderungen, mit denen sich Abwicklungsbehörden und Sachverständige bei der kurzfristigen Durchführung der Bewertung konfrontiert sehen, wird von Teilen der Literatur die Verhängung eines Moratoriums auf Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts befürwortet.⁶⁴¹ Auch die Kommission forderte im Rahmen der umfassenden EU-Bankenpaket-Reform des europäischen Bankenabwicklungsregimes die Aufnahme entsprechender Aussetzungsbefugnisse für Bewertungszwecke.⁶⁴² Durch Ausübung dieser Befugnisse würden die Entscheidungsträger das Einfrieren der Zahlungsströme des abzuwickelnden Instituts um ein paar – zusätzlich zum resolution weekend – Tage herbeiführen („langes resolution weekend“). Ob dies ein gangbarer Weg wäre, lässt sich zumindest bezweifeln. Die Verhängung eines Moratoriums auf Auszahlungen stellt einen Eingriff in die Gläubigerrechte dar, welcher im Einzelfall das Potenzial Vgl. Art. 20 Abs. 11 SRMR, Art. 36 Abs. 10 BRRD. Vgl. u. a. Lastra/Olivares-Caminal, Valuation reports in the context of banking resolution: What are the challenges? In-depth analysis, European Parliament, 2018, S. 17 ff.; zustimmend – aber nur als ultima ratio – auch de Groen, Valuation reports in the context of banking resolution: What are the challenges? In-depth analysis, European Parliament, v. Juni 2018, S. 16 f. Der Vorschlag der Kommission setzte sich aber im Rahmen der interinstitutionellen (Trilog‐) Verhandlungen nicht durch. Vgl. Art. 63 Abs. 1 lit. n, in: Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/ EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/47/EG, 2012/30/EU, 2011/35/ EU, 2005/56/EG, 2004/25/EG und 2007/36/EG, COM(2016) 852, v. 23. November 2016, S. 48.
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hätte, die bankenspezifischen Risiken zu verschärfen.⁶⁴³ Allein Spekulationen über die Anordnung eines Moratoriums könnten zu raschen Geldabflüssen oder zur Einstellung der Refinanzierung des Instituts über den Interbankenmarkt führen und damit die Insolvenz des Instituts beschleunigen oder gar herbeiführen.⁶⁴⁴ Angesichts dieser bankspezifischen Umstände ist der Vorschlag von Moratoria zu Bewertungszwecken kritisch anzusehen. Flankiert durch eine effektive Letztsicherungsfazilität für die Bereitstellung von Liquidität im Abwicklungsverfahren, die keine Zweifel an der Kontinuität der wesentlichen Funktionen des abzuwickelnden Instituts und an der Auszahlung von Einlagen aufkommen lässt, könnte dies aber eine tragfähige Lösung darstellen.⁶⁴⁵ Eine verbesserte bzw. weiterentwickelte Version dieses Vorschlags wurde von der Bank of England erarbeitet und fand inzwischen Niederschlag in den Leitlinien des FSB für eine effektive Bail-in-Umsetzung⁶⁴⁶. Um hohe Bewertungsstandards zu bewahren und der Sachverständige die notwendige Zeit zur vollständigen Quantifizierung von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten und eintretenden Verlusten des abzuwickelnden Instituts zu gewähren, soll ein sog. Bail-in-Austauschmechanismus (bail-in exchange mechanic) etabliert werden.⁶⁴⁷ Im Mittelpunkt dessen stehen zum einen ein Moratorium und zum anderen austauschbare Berechtigungsscheine (certificates of entitlement), die vom abzuwickelnden Institut zum Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung an die Gläubiger von bail-in-fähigen Verbindlichkeiten ausgegeben werden und den Anspruch auf mögliche Entschädigung beinhalten.⁶⁴⁸ Angelehnt an die unterschiedlichen Gläubigerklassen sollen auch die Berechtigungsscheine in entsprechenden Klassen eingeteilt werden.⁶⁴⁹ Beim Abschluss des Bewertungsverfahrens können die ursprünglichen Gläubiger der bail-in-fähigen Verbindlichkeiten und nun Inhaber der entsprechenden Berechtigungsscheine ihre Wertpapiere gegen Aktien des neu rekapita-
Zutreffend Hellwig, Valuation reports in the context of banking resolution: What are the challenges? In-depth analysis, European Parliament, 2018, S. 19. Id. Näher dazu unter: 3. Abschnitt, E. Vgl. auch Avgouleas/Goodhart, in: Arner/Avgouleas/ Busch/Schwarcz (Hrsg.), Systemic Risk in the Financial Sector: Ten Years After the Great Crash, 2019, S. 42 f. Vgl. FSB, Principles on Bail-in Execution, v. 21. Juni 2018, Principle 10: Disclosure and specification of the bail-in exchange mechanic, S. 15 f. Vgl. Bank of England, The Bank of England’s approach to resolution, 2017, S. 39, Rn. 17– 18. Wird z. B. eine Verbindlichkeit in Eigenkapital umgewandelt, beinhaltet der an sie gekoppelte Berechtigungsschein einen potenziellen Anspruch auf einen Anteil dieses Eigenkapitals; vgl. id. Vgl. Gracie, Making banks resolvable: the key to making resolution work, Speech v. 4. Dezember 2017, Amsterdam.
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lisierten Instituts austauschen. Der große Vorteil dieses Ansatzes liegt aber darin, dass die Gläubiger nicht auf den Ausgang des Bewertungsverfahrens und eventuell damit verbundener Gerichtsverfahren warten müssen. Sie können während dieser Übergangsphase ihre Wertscheine am Sekundärmarkt weiter veräußern. Dadurch soll die notwendige Refinanzierung des abzuwickelnden Instituts insbesondere über den Interbankenmarkt sichergestellt werden. Trotz der skizzierten Vorzüge wäre ein solcher Mechanismus allerdings nur von begrenztem Nutzen für Kleinanleger und sonstige Gläubiger, die auf das Institut für ihren alltäglichen Bedarf angewiesen sind. Außerdem setzt dieser Vorschlag voraus, dass die bail-infähigen Verbindlichkeiten in sehr kurzer Zeit identifiziert werden können, damit sie anschließend in handelbare Wertscheine umgewandelt werden könnnen. Doch gerade dies kann, wie die Erfahrung mit Banco Popular gezeigt hat, eine große Herausforderung darstellen. Hinzu treten weitere Komplikationen im grenzüberschreitenden Kontext auf, nämlich die Frage, wie solche Umwandlungsvorhaben zwischen verschiedenen Staaten zu koordinieren sind. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um einen durchgängigen Ansatz, dem künftig eine höhere praktische Relevanz zukommen dürfte.
b) Festlegung der Umwandlungsquote Im Rahmen einer Bail-in-Anwendung ist zunächst die Frage zentral, in welchem Verhältnis die Abschreibung und die Umwandlung zueinanderstehen. Im Hinblick auf die Eingriffsintensitä t stellt die Umwandlung im Vergleich zur Herabschreibung sicherlich das mildere Mittel dar. Denn nur bei ihr besteht die Mö glichkeit fü r den betroffenen Kapitalgeber, als Eigenkapitalgeber an einem eventuellen zukü nftigen Erfolg der Bank zu partizipieren.⁶⁵⁰ Wie bereits angemerkt, ist für die Beurteilung der Frage, ob und inwiefern die Abschreibungsund/oder die Umwandlungsvariante des Bail-in-Instruments zum Einsatz kommen soll, der Nettovermögenswert des abzuwickelnden Instituts maßgebend.⁶⁵¹ Fällt er negativ aus, wovon im Regelfall auszugehen ist, ist eine Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital der Abschreibung der Eigenmittelinstrumente nachgelagert. Das Gegenteil gilt, wenn ein positiver Nettovermögenswert ermittelt wird.
Vgl. Grieser, in: Jahn/Schmitt/Geier (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Rn. 59. S.o. 2. Abschnitt I., a.
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Bei der Bestimmung der jeweiligen Umwandlungssätze verfügt die zuständige Abwicklungsbehörde über einen gewissen Ermessenspielraum.⁶⁵² Ihm werden die ersten Schranken durch die konkrete Gestaltungsvariante einer Bail-in-Anwendung sowie die Höhe der festgestellten und durch das Bail-in zu schließenden Kapitallücke gesetzt. Wohl bedeutender ist die ermessensreduzierende Wirkung, die die allgemeinen Grundsätze, insbesondere das Gleichbehandlungsgebot, das No-Creditor-Worse-Off-(NCWO‐)Prinzip und die einzuhaltende Haftungskaskade sowie das im Art. 17 der Charta der Grundrechte der EU niedergelegte Eigentumsrecht entfalten.⁶⁵³ Die allgemeinen Grundsätze können jedoch im Einzelfall in Konflikt zueinander geraten. So kann eine unterschiedliche Behandlung von Gläubigern im Sinne einer differenzierteren Umwandlungsquote aufgrund unterschiedlicher insolvenzrechtlicher Rangfolgen zur Einhaltung des NCWOGrundsatzes erforderlich sein, wobei dies einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellen würde. Zur Orientierung der zuständigen Abwicklungsbehörde gibt die BRRD zwei weitere Leitungsgrundsätze vor. Zum einen muss sich die Höhe der Umwandlungsquote nach der spiegelverkehrten insolvenzrechtlichen Rangfolge richten, sodass Gläubigern, die am unteren Rand der Bail-in-Haftungskaskade stehen und die im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens vorrangig eingestuft sind, eine höhere Umwandlungsquote im Vergleich zu nachrangigen Gläubigern zugewiesen wird.⁶⁵⁴ Zum anderen muss die festgesetzte Umwandlungsquote eine angemessene Entschädigung für die betroffenen Gläubiger darstellen, für jegliche Verluste, die ihnen entstanden sind und die ihnen in einem regulären Insolvenzverfahren nicht enstanden wären.⁶⁵⁵
c) No-creditor-worse-off-Grundsatz Die theoretisch wirksamste⁶⁵⁶ und zugleich komplizierteste verfahrensrechtliche Schutzvorkehrung für die Gläubigerinteressen im europäischen Bankenabwick-
Vgl. Art. 27 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a, Abs. 13 SRMR, Art. 46 Abs. 1 BRRD. Für die deutsche Umsetzung s. § 96 Abs. 1 SAG. Vgl. EBA, Final Guidelines on the rate of conversion of debt to equity in bail-in, EBA/GL/2017/ 03, v. 5. April 2017, Rn. 1.4 ff. Vgl. Art. 50 Abs. 3 BRRD. Somit muss die Umwandlungsquote mindestens den hypothetischen Erlös im Insolvenzfall entsprechen; vgl. Art. 50 Abs. 2 BRRD sowie EBA, Final Guidelines on the rate of conversion of debt to equity in bail-in, EBA/GL/2017/03, v. 5. April 2017, Rn. 1.22. So auch Gortsos, in: Binder/Gortsos (Hrsg.), The European Banking Union: A compendium, 2016, S. 59.
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lungs-regime dürfte der NCWO-Grundsatz⁶⁵⁷ sein. Er schreibt vor, dass kein Gläubiger⁶⁵⁸ höhere Verluste zu tragen hat, als er im Falle der Liquidation⁶⁵⁹ des Schuldner-Instituts im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens⁶⁶⁰ getragen hätte. Dieses Prinzip war bereits vor seiner Aufnahme im SRM/BRRD-Regelwerk in den Leitlinien des FSB⁶⁶¹ sowie im europäischen Beihilferecht⁶⁶² – jedoch nur für nachrangige Gläubiger –vorgesehen.⁶⁶³ Es handelt sich hierbei um das notwendige Korrektiv zu den fehlenden Mitwirkungsmöglichkeiten von Anteilshabern und Gläubigern im nach Stabilitätsgesichtspunkten ausgerichteten Bankenabwicklungsrecht. Zugleich werden dadurch die Entscheidungsträger einem Kontrollmechanismus unterworfen, der sie zur Rechtfertigung über die Verhältnismäßigkeit ihres Eingriffs in die Anteilsinhaber- und Gläubigerrechte zwingt.⁶⁶⁴ Von Eingriffen, die nicht zwingend erforderlich sind, sollte abgesehen werden. Daraus lässt sich auch ableiten, dass die Unterschreitung der NCWO-Schwelle ermessensreduzierend für die Abwicklungsbehörden wirkt.⁶⁶⁵ Da außerdem davon auszugehen ist, dass Gläubiger häufig nicht in der Lage sind, die mit dem Bailin-Instrument verbundenen Haftungsrisiken angemessen zu beurteilen, trägt der NCWO-Grundsatz auch dem Fairnessgebot Rechnung, indem er ihrer Haftung eine
Vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD sowie ErwGr. 62 SRMR, ErwGr. 5, 50 BRRD. Für die deutsche Umsetzung s. § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG. Darunter fallen auch nationale Einlagensicherungssysteme, wenn sie an die Stelle der vom Bail-in ausgeschlossenen Gläubiger treten. Mehr dazu unter: 3. Abschnitt, A. S. Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 Nr. 42 SRMR, Art. 2 Abs. 1 Nr. 54 BRRD. S. Legaldefinition des regulären Insolvenzverfahrens in Art. 3 Abs. 2 SRMR mit Verweis auf Art. 2 Abs. 1 Nr. 47 BRRD. Vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, Oktober 2014, S. 11. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung 2013, Rn. 46. Es war außerdem dem US-amerikanischen Bankeninsolvenzrecht nicht fremd; vgl. § 210(d) Dodd-Frank Act i.V.m. § 210(b)(4)(B) Dodd-Frank Act. Vgl. ErwGr. 62 SRMR, ErwGr. 50 BRRD. Näher zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zusammenhang mit Eingriffen in Eigentumsrechte: Gardella, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, 373, 387 ff. Dies ergibt sich aus Art. 36 Abs. 8 BRRD, Art. 20 Abs. 9 SRMR sowie aus einer Reihe von Vorschriften, die die Abwicklungsbehörden zur Berücksichtigung einer möglichen Verletzung des NCWO-Grundsatzes verpflichten. Sogar die Höhe der MREL-Quote lässt sich danach bestimmen; vgl. Art. 45b Abs. 5 BRRD-II; Art. 12c Abs. 5 SRMR-II. Für die Ermessensreduktion auch Gleeson, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, 408, 413 f.; sowie de Serière, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, 2014, 153, 178. A.A. Kowolik, Das Bail-inInstrument, 2018, S. 228 ff.
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Obergrenze setzt.⁶⁶⁶ Dadurch fördert er auch die ex-ante Transparenz des europäischen Abwicklungsregimes in Bezug auf den Haftungsumfang und ermöglicht eine Bepreisung der bail-in-fähigen Verbindlichkeiten.⁶⁶⁷ Zwar beschränkt sich der NCWO-Grundsatz nicht nur auf das Bail-in-Instrument, sondern findet auch auf die Übertragungsinstrumente Anwendung. Er entfaltet aber im Rahmen einer Bail-in-Anwendung aufgrund ihrer höheren Eingriffsintensität in Bezug auf Anteilshaber- und Gläubigerrechte seine größte Wirkung. In Anbetracht der bereits aufgezeigten Ermessensspielräume der Abwicklungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Ausnahmebefugnisse und der damit verbundenen Abwälzung der Kosten auf sämtliche nicht ausgenommene Gläubiger ist es kein schwer vorstellbares, sondern ein sehr realistisches Szenario, dass Gläubiger bei einer Bail-in-Anwendung einen höheren Verlust erleiden könnten, als sie im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens erlitten hätten.⁶⁶⁸ Dies soll aber zugleich keinen Anspruch der schlechter gestellten Gläubiger darauf begründen, dass die erfolgte bilanzielle Restrukturierung im Wege einer Herabschreibung ihrer Forderungen oder deren Umwandlung in Eigenkapital wieder rückgängig gemacht wird. Ihnen steht in einem solchen Fall (nur) ein Anspruch auf Zahlung des Ausgleichs gegen den nationalen Abwicklungsfinanzierungsmechanismus⁶⁶⁹ oder (in der Bankenunion) den SRF⁶⁷⁰ zu.⁶⁷¹ Daraus
Vgl. de Serière/van der Houwen, 2016, S. 376, 377, die zutreffend darauf hinweisen, dass eine Bail-in-Anwendung ohne Rücksicht auf diese Problematik die Refinanzierungsmöglichkeit des Kreditinstituts untergraben könnte. Vgl. FSB, Principles on Bail-in Execution, v. 21. Juni 2018, S. 7. Etwas unwahrscheinlich erscheint hingegen eine Situation, in der ein Liquiditationserlös im Insolvenzfall für die Aktionäre verbleibt. Vgl. Art. 101 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e BRRD. Unter Berücksichtigung der Art. 29 Abs. 1 und 96 SRMR i.V.m. Art. 75 BRRD sowie Art. 288 UAbs. 2 AEUV ist davon auszugehen, dass Anteilseignern und Gläubigern innerhalb der Bankenunion ein direkter Anspruch gegen den SRF zusteht. Dafür spricht auch ErwGr. 63 SRMR. Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, was geschehen soll, wenn es zu einer Überforderung des SRF aufgrund mehrerer NCWO-Ausgleichsansprüche kommt. Da seine Mittel begrenzt sind, wird sich der SRF eventuell mit dem Problem konfrontiert sehen, seine in Art. 76 Abs. 1 lit. a-g SRMR normierten Einsatzzwecke nach einer Priorität zu ordnen. Dabei erweist sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Abwicklungsziele und Abwicklungsgrundsätze als wenig hilfreich. Teleologisch betrachtet, stellt die wirksame und effiziente Anwendung von Abwicklungsinstrumenten die raison d’être des SRF, d. h. dass seine Mittel zweckgebunden sind. Daher wäre in einem solchen Fall der Konflikt dadurch zu lösen, dass den Aufgaben Vorrang gewährt wird, die diesen Zweck am besten erfüllen. Daraus folgt, dass die Befriedigung von Ausgleichsansprüchen im Falle konfligierender Aufgaben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als oberste Priorität angesehen wird. Mit teilweise anderer Argumentation, aber zum gleichen Ergebnis gekommen
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folgt, dass die Rechtsfolgen eines Bail-in auch im Falle einer nachträglich festgestellten Schlechterstellung der Anteilseigner oder Gläubiger des betreffenden Instituts unberührt bleiben. Anderenfalls würde ein nicht unerheblicher Wirksamkeitsverlust für das Bail-in-Instrument drohen, wenn nämlich seine rechtliche Durchsetzbarkeit an das Ergebnis dieses hypothetischen Vergleichs geknüpft wäre, ob alle dem Bail-in unterworfenen Gläubiger besser dastehen, als sie bei einer Liquidation gestanden hätten. Die Feststellung darüber, ob einem Gläubiger im Einzelfall ein Ausgleichsanspruch zusteht, setzt eine Bewertung durch eine Sachverständige voraus.⁶⁷² Dieser sog. Bewertung-III (Valuation III), die nicht mit der endgültigen Ex-postBewertung zu verwechseln ist,⁶⁷³ liegen folgende Prämissen zugrunde:⁶⁷⁴ Erstens, dass das abzuwickelnde Institut zum Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung⁶⁷⁵ in das nationale Insolvenzverfahren übergeleitet worden wäre. Zweitens ist die Durchführung des Bail-in-Instruments wegzudenken und drittens sollen jegliche außerordentlichen finanziellen Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln aus der Bewertung ausgeklammert werden.
Dreistufiges Bewertungsverfahren Im Einklang damit verläuft die Bewertung-III in drei Schritten: Zunächst ist zu ermitteln, wie die Anteilseigner oder Gläubiger behandelt worden wären, wenn das abzuwickelnde Institut in ein reguläres Insolvenzverfahren eingetreten worden wäre.⁶⁷⁶ Hierfür wird auf den hypothetischen Liquidationserlös⁶⁷⁷ jedes einKowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 226 ff., der aber sich für eine allgemeine Nachrangigkeit der Ausgleichsansprüchen ausspricht. Im Gegensatz zur klaren Vorgabe des Art. 75 BRRD findet sich keine explizite Anspruchsgrundlage in der SRMR; sie ergibt sich aber aus der Kombination von Art. 15 Abs. 1 lit. g SRMR, Art. 76 Abs. 1 lit. e SRMR i.V.m. Art. 75 BRRD. Näher dazu: Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 219 ff.Vgl. dazu auch ErwGr. 63 SRMR, ErwGr. 51 BRRD. Für die deutsche Rechtsordnung s. § 147 S. 1 SAG. Vgl. Art. 20 Abs. 16 S. 1 SRMR; Art. 74 Abs. 1 S. 1 BRRD. Beide sollen separat durchgeführt werden; vgl. Art. 20 Abs. 16 S. 2 SRMR; Art. 74 Abs. 1 S. 2 BRRD. Die Sachverständige kann jedoch bei diesen unterschiedlichen Bewertungen dieselbe sein; vgl. Art. 20 Abs. 11 UAbs. 1 SRMR, Art. 36 Abs. 10 UAbs. 1 BRRD. Vgl. Art. 20 Abs. 18 SRMR; Art. 74 Abs. 3 BRRD. Nach Art. 82 BRRD. Vgl. Art. 20 Abs. 17 lit. a. SRMR, Art. 74 Abs. 2 lit. a BRRD, Art. 3 lit. a Delegierte Verordnung (EU) 2018/344 der Kommission vom 14. November 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien für die Methoden zur Bewertung einer unterschiedlichen Behandlung bei der Abwicklung [im Folgenden: „Del-VO 2018/344“].
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zelnen Aktionärs bzw. Gläubigers abgestellt, der zugleich den Höchstumfang seiner Haftung ex post bestimmt. Konkret obliegt der Sachverständige die Aufgabe, die Höhe der abgezinsten Nettozahlungsströme sowie deren voraussichtlichen zeitlichen Ablauf festzulegen, die in einem Insolvenzverfahren jedem Gläubiger zugeflossen wären.⁶⁷⁸ Um dies zu erfüllen, soll sie das einschlägige nationale Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sowie etwaige Besonderheiten des nationalen Bankensektors, die die Liquiditationserlöse beeinflussen können, berücksichtigen⁶⁷⁹ und zugleich auf eventuell vorhandene Erfahrungswerte über Insolvenzen ähnlicher Institute in jüngster Vergangenheit zurückgreifen.⁶⁸⁰ Daraus wird ersichtlich, dass der Sachverständigen ein immenses Arbeitspensum abverlangt wird, womit auch eine Zuspitzung des bereits angesprochenen Problems der Unvorhersehbarkeit für die Marktteilnehmer einhergeht. Dies ist hauptsächlich auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen gibt es auf europäischer Ebene kein einheitliches Bergriffsverständnis vom Insolvenzverfahren. Denn darunter können sowohl nationale Restrukturierungsverfahren die Fortführungswerte heranziehen sowie nationale Liquidationsverfahren fallen, die auf Zerschlagungswerte setzen.⁶⁸¹ Zum anderen treten im Rahmen der hier vorge-
Für eine kritische Wertung der Liquiditationswerte s. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 970 f. Auch der SRB scheint davon auszugehen, dass in manchen Fällen das Heranziehen von Liquiditationswerten problematisch ist, da es Fortführungswerte unberücksichtigt lässt. Zu diesem Zweck fordert er von der Sachverständige besondere Vorsicht und zusätzliche Erläuterungen bei der Bewertung einiger Bankaktiva. Näher dazu SRB, Framework for Valuation, v. Februar 2019, S. 37 f. Vgl. Art. 4 Abs. 1 sowie ErwGr. 6 S. 1 Del-VO 2018/344. Die nach dieser Methode ermittelten hypothetischen Erlöse werden dann auf jeden Anteilseigner und Gläubiger nach seinem insolvenzrechtlichen Rang aufgeteilt, vgl. Art. 4 Abs. 8 Del-VO 2018/344. Für Vermögenswerte, die an den Märkten gehandelt werden, sind gem. Art. 4 Abs. 4 Del-VO 2018/344 deren Marktpreise heranzuziehen, es sei denn besondere Umstände (z. B. erhöhte Marktkonzentration) liegen vor. Für nicht gehandelte Vermögenswerte soll in erster Linie auf die Marktpreise ähnlicher Instrumente zurückgegriffen werden, die an den Märkten angeboten werden. Für weitere Faktoren vgl. Art. 4 Abs. 5 Del-VO 2018/344. All diese Daten sollen in einem umfassenden Verzeichnis integriert werden, vgl. Art. 2 Del-VO 2018/344. Vgl. EBA, Handbook on Valuation for Purposes of Resolution, v. 22. Februar 2019, S. 82 sowie SRB, Framework for Valuation, v. Februar 2019, S. 33. Explizit genannt unter den zu berücksichtigten Faktoren werden die Insolvenzkosten, vgl. Art. 4 Abs. 3 lit. b Del-VO 2018/344. Vgl. Art. 3 Abs. 4 lit. c sowie ErwGr. 6 S. 2 Del-VO 2018/344. So sah der SRB ein „reguläres Insolvenzverfahren“ im italienischen liquidazione coatta amministrativa, im Rahmen dessen bei der Abwicklung der zwei Veneto-Institute 2017 eine Veräußerung ihrer Vermögenswerte zu Fortführungswerten erfolgte; SRB, Decision of the the Single Resolution Board in its executive session of 23 June 2017 concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A., SRB/EES/2017/11, Rn. 51; SRB, Decision of the the Single Resolution Board in its executive session of 23 June 2017 concerning the assessment
C. Haftungsschranken
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nommenen Bewertung die Unterschiede der nationalen insolvenzrechtlichen Gläubigerrangfolgen in den Vordergrund.⁶⁸² Diese Unsicherheiten wurden bis zu einem gewissen Umfang durch das neue Nachrangerfordernis aus dem Weg geräumt, das mit der BRRD-Änderungsrichtlinie (Bank Creditor Hierarchy Directive – BCHD)⁶⁸³ eingeführt worden ist. Die BCHD verpflichtete die europäischen Mitgliedsstaaten zur Schaffung einer neuen Haftungsklasse „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Verbindlichkeiten⁶⁸⁴, die nachrangig gegenüber sämtlichen unbesicherten Verbindlichkeiten sind. Dadurch bewirkte sie eine teilweise Harmonisierung der nationalen insolvenzrechtlichen Haftungskaskaden und verminderte zugleich das Risiko eines Verstoßes gegen das NCWO-Prinzip, indem sie einen gewissen Gleichlauf zwischen insolvenz- und bankenabwicklungsrechtlichen Rangfolgen herstellte. Nichtsdestotrotz sind die europäischen Mitgliedsstaaten nicht daran gehindert diese neue Haftungsklasse in weitere Klassen zu unterteilen.⁶⁸⁵ Außerdem lässt die BCHD unter Bedingungen abweichende Regelungen auf nationaler Ebene zur Vermeidung widersprüchlicher Nachranganforderungen zu.⁶⁸⁶ Daher verbleibt weiterhin Raum für divergierende Regelungen⁶⁸⁷, die Anlass zu Ausgleichsansprüchen geben könnten. Ähnliche Unvollständigkeiten lassen sich mit Blick auf die im Zuge der umfassenden Reform im europäischen Bankenabwicklungsrecht 2019 (EUBankenpaket) eingeführten Nachranganforderungen für die Erfüllung der MRELQuote feststellen. Zwar werden G-SIBs und „Top-Tier“- bzw. „gefischte“-Banken
of the conditions for resolution in respect of Banca Populare di Vicenza S.p.A., SRB/EES/2017/12, Rn. 51. Vgl. Grünewald, Legal challenges of bail-in, ECB Legal Conference 2017, S. 305 f., die zutreffend auf das divergierende Begriffsverständnis eines fiktiven Insolvenzverfahrens hinweist, das der Prüfung über die Feststellung des öffentlichen Interesses und der Feststellung einer Schlechterstellung von Anteilseignern und Gläubigern nach dem NCWO-Grundsatz zugrundeliegt. Ausführlich zu dieser Problematik Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, S. 91, 124 ff. Richtlinie (EU) 2017/2399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge [im Folgenden: Bank Creditor Hierarchy Directive – „BCHD“]. Dazu gleich unter: E. II. Vgl. Art. 108 Abs. 2 BRRD (geändert durch Art. 1 Abs. 2 BCHD). Vgl. ErwGr. 10 BCHD sowie EZB, Opinion of the European Central Bank of 8 March 2017 on a proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on amending Directive 2014/59/EU as regards the ranking of unsecured debt instruments in insolvency hierarchy (CON/ 2017/6), veröffentlicht am 26. April 2017, Rn. 2.3.1– 2.3.3. Vgl. Art. 108 Abs. 7 BRRD (geändert durch Art. 1 Abs. 7 BCHD). Für eine aktuelle Übersicht s. Europäische Kommission, Study on the differences between bank insolvency laws and on their potential harmonization, v. November 2019, S. 30 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
zum Vorhalten von nachrangigen Verbindlichkeiten i.H.v. mindestens 8 % ihrer Gesamtverbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel (TLOF)⁶⁸⁸ verpflichtet, so dass es sich erübrigt, einen hypothetischen Insolvenzvergleich zur Feststellung einer möglichen Schlechterstellung nach dem NCWO-Grundsatz vorzunehmen. Diese Nachrangerfordernisse gelten jedoch nicht für sonstige Banken, die nicht unter die zwei genannten Kategorien fallen.⁶⁸⁹ Hinzu kommt, dass es selbst für diese zwei Bankkategorien im Einzelfall zulässig ist, hiervon abzuweichen und die Anforderungen herabzusetzen.⁶⁹⁰ Im nächsten Schritt erfolgt eine Bewertung über die tatsächliche Behandlung von Gläubigern im Zuge der Bail-in-Anwendung, nämlich die Höhe ihrer Verlustbeteiligung.⁶⁹¹ Dabei sollen vor allem mögliche Entschädigungen in Form von Eigenkapital berücksichtigt werden, die an Gläubiger als Gegenleistung infolge der Umwandlung ihrer Forderungen in Aktien des rekapitalisierten Instituts oder eines Brückeninstituts ausgezahlt wurden.⁶⁹² Die Höhe dieser Entschädigungen dürfte zur entsprechenden Minderung der Verlustbeträge führen die Gläubiger erlitten haben. Daraus entstehen Anreize für die Abwicklungsbehörden die Umwandlungs- statt die Abschreibungsvariante des Bail-in-Instruments umzusetzen. Denn so können sie sich erhoffen, streitigen Ausgleichsansprüchen die Grundlage zu entziehen. Diese Grundlage beruht auf dem im Rahmen des dritten und letzten Schritts der vorgenommenen Bewertung errechneten Differenzbetrag aus den beiden ersten Beträgen (fiktive Insolvenz und tatsächliche Behandlung).⁶⁹³
Bewertungszeitpunkt In jedem Fall ist Bewertung-III möglichst bald nach der Anwendung des Bail-inInstruments bzw. der Übertragungsinstrumente vorzunehmen,⁶⁹⁴ wobei ihre endgültige Durchführung mehrere Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen kann.⁶⁹⁵ So wurde der Bewertungsbericht-III der Sachverständige im Falle der
Vgl. Art. 45b Abs. 4 S. 1 BRRD-II, Art. 12c Abs. 4 S. 1 SRMR-II. Vgl. Art. 45b Abs. 1 lit. b BRRD-II i.V.m. Art. 72b Abs. 2 lit. d CRR-II; Art. 12c Abs. 1 lit. b SRMR-II i.V.m. Art. 72a ff. CRR-II. Abmildernd wirkt allerdings die Vorgabe, dass die Abwicklungsbehörden auch solche Banken dem TLOF-Standard unterwerfen können, sofern es das Risiko eines Verstoßes gegen das NCWO-Prinzip besteht; vgl. Art. 45b Abs. 5 BRRD-II; Art. 12c Abs. 5 SRMR-II. Vgl. Art. 45b Abs. 4 S. 2 BRRD-II, Art. 12c Abs. 4 S. 2 SRMR-II. Vgl. Art. 20 Abs. 17 lit. b. SRMR, Art. 74 Abs. 2 lit. b BRRD, Art. 3 lit. b Del-VO 2018/344. Vgl. Art. 5 sowie ErwGr. 6 Del-VO 2018/344. Vgl. Art. 20 Abs. 17 lit. c. SRMR, Art. 74 Abs. 2 lit. c BRRD, Art. 3 lit. c Del-VO 2018/344. Vgl. Art. 20 Abs. 16 SRMR, Art. 74 Abs. 1 BRRD. So Merc, in: World Bank (Hrsg.), Understanding bank recovery and resolution in the EU: A guidebook to the BRRD, 2016, S. 139.
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Abwicklung von Banco Popular über einem Jahr nach dem Abwicklungsbeschluss vorgelegt.⁶⁹⁶ Nichtsdestotrotz ist für die Bewertung der Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung maßgeblich.⁶⁹⁷ Damit sie den damaligen angespannten Marktbedingungen hinreichend Rechnung trägt, soll sie grundsätzlich auf Informationen beruhen, die zu diesem Zeitpunkt bereits vorlagen.⁶⁹⁸ Auch nachträglich erworbene Informationen sollen aber in die Bewertung einfließen können, wenn nach vernünftigem Ermessen davon auszugehen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Bail-inAnordnung bekannt waren und falls sie der Sachverständige bekannt gewesen wären, dass sie einen Einfluss auf die Quantifizierung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten des Instituts gehabt hätten.⁶⁹⁹
II. Haftungskaskade Die Reihenfolge, in der die unterschiedlichsten Stakeholder zur Verlustabdeckung im Rahmen einer Bail-in-Anwendung herangezogen werden, wird in der sog. Haftungs- bzw. Verlusttragungskaskade festgelegt, die sich nach der insolvenzrechtlichen Verteilungsordnung orientiert.⁷⁰⁰ Dies bedeutet, dass die Kapitalgeber entsprechend ihres Ranges im Insolvenzverfahren an den Verlusten beteiligt werden. Mit anderen Worten erfolgt die Beteiligung der unterschiedlichen Klassen von Fremdkapitalinstrumenten in modifizierter bzw. spiegelverkehrter Insolvenzrangfolge.⁷⁰¹ Instrumente, die in einem Insolvenzverfahren zuletzt befriedigt werden, werden im Rahmen einer Bail-in-Anwendung als erste zur Verlusttragung herangezogen. Der Betroffenheitsgrad von Anteilseignern und Glä ubigern der jeweiligen Klassen lässt sich nach dem folgenden Grundsatz bestimmen: Erst wenn eine Klasse von Verbindlichkeiten komplett herangezogen wurde und dies nicht genü gt, um Verluste ausreichend zur Stabilisierung der Bank zu kompen-
Vgl. Deloitte, Valuation in difference of treatment, Banco Popular Espanol, v. 6 August 2018. Vgl. Art. 20 Abs. 17 SRMR, Art. 74 Abs. 2 BRRD, Art. 1 Abs. 3 2018/344. Vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie ErwGr. 3 Abs. 2 Del-VO 2018/344 i.V.m. Art. 82 BRRD. Aus Praktikabilitätsgründen dafür Hellwig, Valuation reports in the context of banking resolution: What are the challenges? European Parliament, 2018, S. 15 f., der aber auch auf die inhärenten Schwäche eines solchen ex ante Ansatzes hinweist. Vgl. Art. 1 Abs. 1 Del-VO 2018/344. Vgl. Art. 17 Abs. 1 SRMR i.V.m. Art. 48 und 108 BRRD. Für Deutschland s. § 97 SAG. Vgl. die divergierende Konzeption des US-amerikanischen Bankeninsolvenzrechts, wonach ein Abweichen von der insolvenzrechtlichen Rangordnung zwecks Fortführung oder Maximierung des Erlöses aus dem abzuwickelnden Institut zugellasen ist; vgl. § 210 (b)(4) Dodd-Frank Act. Vgl. Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 963.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
sieren, kann die in der Haftungskaskade folgende Klasse von Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder umgewandelt werden. Es handelt sich somit um ein gestuftes Haftungsregime, das den Abwicklungsgrundsätzen zur Verlustzuweisung Rechnung trägt. Vor jeglichem Eingriff in Gläubigerpositionen muss das regulatorische Eigenkapital des abzuwickelnden Instituts zur Verlusttragung herangezogen werden. Dementsprechend werden zunächst die Inhaber von Instrumenten des harten Kernkapitals (CET1)⁷⁰² des abzuwickelnden Instituts belastet. Somit tragen die Anteilsinhaber (Aktionäre sowie Inhaber sonstiger Gesellschaftsanteile) das höchste Verlustrisiko. Das harte Kernkapital wird bis zu seiner Kapazitätsgrenze verringert und die bestehenden Eigentumstitel werden gelöscht, übertragen bzw. erheblich verwässert. Reicht dies nicht zur Verlustdeckung aus, wird auf einer zweiten Stufe auf Inhaber von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals (AT1) zurückgegriffen (z. B. Inhaber von unbesicherten, unbefristeten, nachrangigen Schuldverschreibungen und stillen Einlagen mit Herabschreibungs- bzw. Umwandlungsklausel, die nachrangig gegenüber Instrumenten des Ergänzungskapitals sind).⁷⁰³ Auf einer dritten Stufe sind Inhaber von Instrumenten des Ergänzungskapitals (T2) zur Haftung zu ziehen (z. B. Ergänzungskapitalanleihen, nachrangige Darlehen, Genussrechte).⁷⁰⁴ Während die ersten drei Klassen die Eigenmittelbestandteile⁷⁰⁵ nach der CRR betreffen, umfassen die nachfolgenden Klassen die Fremdkapitalpositionen. So werden auf einer vierten Stufe unbesicherte, nachrangige Finanzinstrumente und Verbindlichkeiten (z. B. Darlehen, Inhaberschuldverschreibungen, Genussrechte) herangezogen, die nicht die Anforderungen erfüllen die an das zusä tzliche Kernkapital oder an das Ergä nzungskapital gestellt werden. Wie bereits angemerkt, rufen die fragmentierten nationalstaatlichen Haftungsregime eine zusätzliche Unsicherheit bei Emittenteninstituten und Investoren von bail-in-fähigen Schuldtiteln hervor. Zudem stellen divergierende Ansätze ein Hindernis im Wege grenzüberschreitender Abwicklungsverfahren dar.⁷⁰⁶ Aus diesem Grund wurde im Jahr 2017 die Bank Creditor Hierarchy Directive
Für den Begriff Instrumente des harten Kernkapitals s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 45 SRMR und Art. 2 Abs. 1 Nr. 68 BRRD i.V.m. Art. 28 Abs. 1– 4, Art. 29 Abs. 1– 5, Art. 31 Abs. 1 CRR. Für Deutschland s. § 2 Abs. 3 Nr. 32 SAG. Für den Begriff Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 46 SRMR und Art. 2 Abs. 1 Nr. 69 BRRD i.V.m. Art. 52 Abs. 1 CRR. Für Deutschland s. § 2 Abs. 3 Nr. 46 SAG. Für den Begriff Instrumente des Ergänzungskapitals s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 47 SRMR und Art. 2 Abs. 1 Nr. 73 BRRD i.V.m. Art. 63 CRR. Für Deutschland s. § 2 Abs. 3 Nr. 17 SAG. Art. 72 CRR i.V.m. Art. 26, Art. 52, Art. 62 CRR. Vgl. ErwGr. 7 BCHD.
C. Haftungsschranken
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(BCHD) erlassen, mit dem Ziel die Haftungskaskaden EU-weit stärker zu harmonisieren.⁷⁰⁷ Die Richtlinie sieht eine neue Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel (non preferred senior debt instruments) vor, die auf der fünften Stufe zur Verlusttragung heranzuziehen sind.⁷⁰⁸ Als solche gelten unbesicherte Forderungen aus Schuldtiteln mit einer anfänglichen vertraglichen Mindestlaufzeit von einem Jahr, die aber keine Derivate sind oder beinhalten und deren Vertragskonditionen auf diesen Nachrang hinweisen.⁷⁰⁹ Trotz der damit erreichten Harmonisierung bleibt die Unterteilung innerhalb der neu geschaffenen Gläubigerklasse für die Mitgliedsstaaten weiterhin möglich.⁷¹⁰ Die Inhaber von sonstigen unbesicherten und nicht-nachrangigen Schuldtiteln und Forderungen werden auf der sechsten Stufe zur Verlustabdeckung herangezogen. Darunter fallen Anleger von Inhaberschuldverschreibungen, strukturierten Schuldtiteln, Derivaten sowie nicht gedeckte Einlagen ü ber 100.000 EUR von Großunternehmen.⁷¹¹ Einlagen von Privatpersonen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die von der Einlagensicherung nicht gedeckt sind, weil sie die Schwelle von 100.000 EUR überschreiten, haben eine privilegierte Stellung und sind erst ganz zum Schluss auf der siebten Stufe vom Bail-in-Instrument betroffen („bevorzugte Einlagen“).⁷¹² Diese Unterteilung innerhalb der Einleger-Klasse steht im Widerspruch zum Grundsatz der allgemeinen Vorrangstellung der Einleger (general depositor preference) im US-amerikanischen Recht, wonach bei der Ab-
Die Richtlinie war bis zum 1. Januar 2019 in nationales Recht umzusetzen; vgl. Art. 2 Abs. 1 BCHD. Die BCHD wurde durch Änderung des § 46 f KWG ins deutsche Recht umgesetzt. Dies war die zweite Änderung dieser Vorschrift. Denn bereits zum 1. Januar 2017 hatte der deutsche Gesetzgeber durch das AbwMechG eine neue Haftungsklasse zwischen dem Rang von Insolvenzgläubigern i.S.d. § 38 InsO und dem Rang von nachrangigen Insolvenzgläubigern i.S.d. § 39 InsO. Vgl. Art. 108 Abs. 2 BRRD (geändert durch Art. 1 Abs. 2 BCHD) sowie ErwGr. 1– 6 BCHD. Für die deutsche Umsetzung s. § 46 f KWG; Vgl. Art. 8 im Gesetz zur Ausü bung von Optionen der EUProspektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze, BGBl. Nr. 25 v. 13. Juli 2018, S. 1102– 1115. Dies war die zweite Änderung des § 46 f KWG. Vgl. EZB, Opinion of the European Central Bank of 8 March 2017 on a proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on amending Directive 2014/59/EU as regards the ranking of unsecured debt instruments in insolvency hierarchy (CON/2017/6), veröffentlicht am 26. April 2017, Rn. 2.1.1– 2.1.3. Es handelt sich hierbei lediglich um Beispiele. Maßgeblich für die Zuordnung zur jeweiligen Stufe ist immer die konkrete vertragliche Ausgestaltung. Vgl. Art. 108 lit. a Nr. i BRRD. Auch der Betrag der gedeckten Einlagen (bis zu 100.000 EUR pro Einleger pro Kreditinstitut) kann grundsätzlich vom Bail-in erfasst sein. Dennoch trägt nicht der Einleger, sondern das Einlagensicherungssystem die Kosten hierfür. Ausführlich dazu: Kap. F. I.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
wicklung eines insolventen versicherten Einlageninstituts (FDIC-Instituts) alle Einlagenforderungen vorrangig vor allen anderen Verbindlichkeiten des Instituts und gleichrangig untereinander zu behandeln sind.⁷¹³ Aus Sicht der EZB dürfte eine allgemeine Vorrangstellung der Einleger im europäischen Bankenabwicklungsregime die Anwendung des Bail-in-Instruments auf vorrangige unbesicherte Bankforderungen effektiver und glaubwürdiger machen, weil Einlagen mit einem höherem Ansteckungsrisiko als sonstige unbesicherte, nicht bevorrechtigte Forderungen behaftet sind.⁷¹⁴ Nichtsdestotrotz sprach sich die EZB nicht gegen die abgestufte Haftungsrangfolge per se aus, sondern schlug die Einräumung einer zusätzlichen Unterteilung bzw. einer weiteren Vorrangstellung für sonstige Einlagen vor, wie z. B. großvolumige Unternehmenseinlagen, Einlagen von Kreditinstituten, Pensionsfonds usw. die unterhalb der Einlagen und erstattungsfähigen Einlagen, aber vor anderen vorrangigen Verbindlichkeiten rangieren würden.⁷¹⁵ Im Hinblick auf die Wirksamkeit des Bail-in-Instruments ergibt sich aus dem Vorschlag der EZB ein eher gemischtes Bild. Während die Ausweitung der vom Bail-in ausgeschlossenen Einlagepositionen einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Ansteckungseffekten in den Finanzmärkten leisten dürfte, würde sie zugleich solchen Einlagen die MREL-Anrechnungsfähigkeit absprechen und die Institute zum Aufbau von teuererem Fremdkapital verpflichten, weil weniger verlustabsorbierendes Kapital vorhanden wäre. Dies könnte einer de facto Verringerung des Adressatenkreises vom Bail-in gleichkommen, da weniger Institute in der Lage wären, die zusätzlichen und für die erfolgreiche Bail-in-Durchführung unabdingaren Kapitalposter aufzubringen.
III. Par-condicio-creditorum-Grundsatz Der in vielen europäischen Rechtsordnungen⁷¹⁶ verankerte insolvenzrechtliche par-condicio-creditorum- bzw. pari-passu-Grundsatz⁷¹⁷ strahlt sich auch auf das Vgl. Title 12, Chapter 16, Sec. 1821(d)(11)(A), Sec. 1813(l)(5)(A) U.S. Code. Ein solcher Ansatz würde auch das Risiko strittiger Ausgleichsansprüche auf der Grundlage des NCWO-Prinzips verringern; vgl. EZB, Opinion of the European Central Bank of 8 March 2017 on a proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on amending Directive 2014/59/EU as regards the ranking of unsecured debt instruments in insolvency hierarchy (CON/ 2017/6), veröffentlicht am 26. April 2017, Rn. 2.3.2. Id., Rn. 2.3.4 und 2.3.1. Dies wäre eine verwässerte Umsetzung des Prinzips der allgemeinen Vorrangstellung der Einleger auf Grundlage einer abgestuften Haftungsreihenfolge. S. für Deutschland § 1 S. 1 InsO sowie §§ 38, 87– 89, 226 InsO. Zum Fundament, auf dem die par condicio creditorum beruht, s. Paulus, § InsO und sein Insolvenzmodell, NZI 2015, 1001, 1005 ff. Vgl. auch BGH v. 10. Juli 2014, BGHZ 202, 59 Rn. 25 mit
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europäische Bankenabwicklungsrecht aus.⁷¹⁸ Er soll die Gleichbehandlung innerhalb eines Gläubigerranges gewährleisten und dadurch die Gläubiger vor einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung durch die Abwicklungsbehörden schützen. Gläubiger der gleichen Klasse beteiligen sich grundsätzlich pro rata an den Verlusten. Im SRM/BBRD-Regelwerk unterliegt jegliche Abweichung der NCWOHaftungsobergrenze. Insbesondere bei der Wahrnehmung der ermessensgeleiteten Ausnahmebefugnisse kommt diesem Grundsatz eine große Bedeutung zu. Es ist keinesfalls auszuschließen, dass unterschiedlich hohe Gefahren für den Fortbestand kritischer Funktionen des abzuwickelnden Instituts oder für Ansteckungseffekte von unterschiedlichen Gläubigerkategorien innerhalb des gleichen Haftungsrangs ausgehen. Theoretisch kann es sich auch um einzelne Gläubiger handeln, die für die Zwecke der Ausnahmetatbestände geschützt werden müssen.⁷¹⁹ Dies soll aber nicht zur Annahme führen, dass jegliche Abweichung von der par condicio creditorum unzulässig ist, da sie zur Erreichung der Abwicklungsziele gerechtfertig sein kann.⁷²⁰ Daher soll den zuständigen Behörden eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden. Dafür spricht auch der Wortlaut des Grundsatzes, dass Gläubiger derselben Klasse vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen gleich zu behandeln sind. Darunter fallen auch die Vorgaben zu den ermessensgeleiteten Haftungsausschlüssen gem. Art. 27 Abs. 5 SRMR, Art. 44 Abs. 3 BRRD.⁷²¹ Die Zulässigkeit solcher Abweichungen vom Pari-passu-Prinzip wird ausdrücklich in Art. 48 Abs. 2 UAbs. 2 BRRD-II anerkannt, der von günstigerer Behandlung der ausgeschlossenen Verbindlichkeiten im Vergleich zu sonstigen gleichrangigen bail-in-fähigen Verbindlichkeiten spricht. Eine Differenzierung muss allerdings aus Gründen des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein und darf nur auf Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien erfolgen, die die Ermittlung homogener Arten von Verbindlichkeiten ermöglichen.⁷²²
Verweis auf Huber, ZInsO 2013, S. 1049, der das Gleichbehandlungsgebot als „Magna Carta des Insolvenzrechts“ bezeichnete. Vgl Art. 15 Abs. 1 lit. f SRMR, Art. 34 Abs. 1 lit. f BRRD sowie auch ErwGr. 60 SRMR, ErwGr. 47, 77 BRRD. Vgl. EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/Op/2015/07, v. 6. März 2015, Rn. 51 ff. Vgl. FSB, Principles on Bail-in Execution, v. 21. Juni 2018, S. 7 f. id. Vgl. ErwGr. 60 SRMR, ErwGr. 47 BRRD sowie EBA, Technical advice on the delegated acts on the circumstances when exclusions from the bail-in tool are necessary, EBA/OP/2015/07 v. 6. März 2015, Rn. 54. Sie bedarf außerdem einer gesonderten Begründung; vgl. FSB, Principles on Bail-in Execution, v. 21. Juni 2018, S. 7 f.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Die praktische Relevanz dieses Grundsatzes ist am Beispiel des 2015 noch größten Kreditgebers in Portugal, der Banco Espirito Santo, festzustellen. Nur wenige Tage vor dem Inkrafttreten des Bail-in-Instruments am 29. Dezember 2015 ordnete die portugiesische Zentralbank Banco de Portugal die Rückübetragung von fünf unbesicherten Anleihen der Novo Banco in Höhe von ca. 2 Mrd. EUR an die Banco Espirito Santo an,⁷²³ während alle weiteren gleichrangigen Forderungen bei der Ersteren verblieben.⁷²⁴ Dadurch wurde der Wert der nach portugiesischem Recht emittierten ausgewählten Anleihen auf Null herabgesetzt. Die damit verbundene Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips löste Unruhe unter den Investoren und eine Klagewelle gegen die Übertragungsanordnung der portugiesischen Zentralbank aus.⁷²⁵
IV. Kleinanlegerschutz Wenngleich der Typologie der Gläubigerkategorien und den Auswirkungen ihrer Einbeziehung in das Bail-in-Instrument bereits im Rahmen der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines Instituts in der vorgelagerten Phase der Abwicklungsplanung Rechnung zu tragen ist,⁷²⁶ enthält das europäische Bankenabwicklungsregime keine expliziten Haftungsausschlüsse für Kleinanleger im konkreten Abwicklungsfall. Letztere können lediglich im Zuge der Gewährung von ad hoc Ausnahmen nach Ermessen der Abwicklungsbehörde befreit werden.⁷²⁷
Vgl. Banco de Portugal, Banco de Portugal approves decisions that complete the resolution measure applied to BES Pressemitteilung v. 29.12. 2015. Die Novo Banco war als Good Bank zwecks Sanierung der Banco Espirito Santo gegründet, geriet aber wenig später selbst in finanzielle Engpässe. Näher dazu Garcia, in: World Bank (Hrsg.), Bank resolution and „bail-in“ in the EU: selected case studies pre and post BRRD, Washington D.C., 2016, 52 ff. Die Anleihen waren nach dem Euro Medium Term Note Programm emittiert, in dessen Bedingungen das pari-passu-Prinzip explizit vorgesehen ist; vgl. Anleiheprospekt, Prospectus Banco Espirito Santo S.A. and BES Finance Ltd., v. 3. November 2011, S. 15. „By moving just five bonds off the healthy bank’s balance sheet, Portugal has destroyed the principle of equality between debt securities“; vgl. Gilbert, Portugal’s Bank Bail-In Sets a Dangerous Precedent, Bloomberg v. 5. Januar 2016. Vgl. Anhang, Abschnitt C, Nr. 24 BRRD. Ein Indikator dafür findet sich lediglich auf Level-2 Ebene; vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. b Del-VO 2016/ 860, wonach im Rahmen des Haftungsausschlusses zur Verhinderung von Ansteckungseffekten gem. Art. 44 Abs. 3 lit. c BRRD die „Anzahl der direkt und indirekt vom Bail-in betroffenen natürlichen Personen“ zu berücksichtigen ist.
C. Haftungsschranken
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Dass ein übermäßiger Vertrieb von bail-in-fähigen Schuldtiteln an Kleinanleger der Zielsetzung des europäischen Bankenabwicklungsrechts zuwiderlaufen kann, zeigte sich eindrucksvoll in den vergangenen Jahren im Umgang mit dem Ausfall von mehreren (vornehmlich) italienischen Banken. Dabei rückten insbesondere die Offenlegungspraktiken dieser Banken beim Verkauf nachrangiger Schuldverschreibungen und vorrangiger unbesicherter Anleihen an unerfahrene Privatanleger aufgrund von Verletzungen vebraucherschutz- bzw. kapitalmarktrechtlicher Anforderungen (sog. Mis-selling) in den Vordergrund.⁷²⁸ Diese Fälle sorgten für Aufsehen, riefen heftige Proteste hervor und brachten die italienische Regierung dazu, nachrangige Kleinanleger, die Verluste erlitten hatten, ex post vollumfänglich zu entschädigen.⁷²⁹ Über die kapitalmarktrechtliche Problematik der Verstöße gegen bankspezifische Informationspflichten und die Spezifika des italienischen Bankensektors hinweg offenbarte die Herangehensweise der italienischen Regierung das bereits angesprochene einem umfangreichen Bail-in immanenten Ansteckungsrisiko.⁷³⁰ Da Kleinanleger in der Regel auch Kunden (z. B. Einleger, Kreditnehmer) der betreffenden Institute sind und auf die Letzteren zur Abdeckung des täglichen Bedarfs angewiesen sind, besteht die allgemeine Befürchtung, dass ihre Verlustbe-
Vorwürfe wegen Verletzung kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten beim Vertrieb von Schuldtiteln an Privatanleger („mis-selling“), die im Rahmen eines im späteren Zeitpunkt durchgeführten Abwicklungsverfahrens abgeschrieben wurden, sind gegen eine Reihe von italienischen Banken erhoben worden: Im Jahr 2015 gegen drei Regionalbanken (Banca delle Marche, Cassa di Risparmio di Ferrara und Cassa di Risparmio di Chieti) und eine Volksbank (Banca Popolare Etruria e Lazio); im Jahr 2017 gegen zwei venezianische Banken (Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza) sowie gegen Monte dei Paschi di Siena. Im Nachgang zu diesen hoheitlich angeordneten Gläubigerbeteiligungen wurden Abhilfemaßnahmen zur Entschädigung von Kleinanlegern getroffen. Ausführlich dazu: Conac, Mis-selling of Financial Products: Subordinated Debt and Self-placement, Study – Requested by the ECON committee, IP/A/ECON/ 2016 – 17, v. Juni 2018, S. 25 ff. S.u.a. Europäische Kommission, Decision on State Aid SA. 45664 (2017/N) – Italy – Orderly liquidation of Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca – Liquidation aid, Rn. 50. Der SRB lehnt die Gewährung von ad hoc Haftungsausschlüssen allein auf der Grundlage von Verstößen gegen anlegerschutzrechtliche Vorgaben ab. Vgl. SRB, 2018 SRB Policy for the second wave of resolution plans, v. 16. Januar 2019, S. 16, Rn. 39: „therefore, any possible failure to comply with investor protection rules is not an argument to exclude these liabilities from the computation of MREL targets or, finally, bail-in.“ Nichtsdestotrotz können solche Verstöße gegen die Aufklärungspflichten von Instituten gegenüber Kleinanlegern ein Hindernis für die Abwicklungsfähigkeit dieser Institute darstellen; vgl. ErwGr. 15 BRRD-II: „Falls ein erheblicher Teil der MREL-Instrumente eines Instituts oder Unternehmens von Kleinanlegern gehalten wird, die möglicherweise keine angemessenen Hinweise auf relevante Risiken erhalten haben, könnte dies an sich ein Hindernis für die Abwicklungsfähigkeit darstellen“.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
teiligung sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der post-Abwicklung Erholungsphase auf den Franchisewert des Instituts auswirken wird. Vielmehr droht die Beteiligung von Privatanlegern und Haushalten an den Verlusten des im Rahmen eines Bail-in abzuwickelnden Instituts soziale Krisen auszulösen. Aufgrund der Abhängigkeit von ihrer Anleger-Wählerschaft können politische Entscheidungsträger dazu verleitet werden, gläubigerschonende Maßnahmen zu ergreifen. Verfestigen sich solche Bail-out-Erwartungen der Privatgläubiger, wird die Glaubwürdigkeit des Bail-in-Instruments und damit das gesamte europäische Bankenabwicklungsinstrumentarium aufs Spiel gesetzt.⁷³¹ Auch im gegenteiligen Fall könnte allerdings die Glaubwürdigkeit des neuen Instrumentariums leiden, nämlich wenn die Einbeziehung von Forderungen von Kleinanlegern in den Bailin eine Kettenreaktion im Finanzsystem in Gang setzt. Daraus lässt sich festhalten, dass das Halten von bail-in- oder vielmehr berücksichtigungsfähigen Schuldtiteln durch Kleinanleger (natürliche Personen oder KMUs) ein Hindernis für die Abwicklungsfähigkeit⁷³² des Emittenteninstituts darstellen kann.⁷³³ Dies ist nach Ansicht des SRB vor dem Hintergrund zu verstehen, dass im Falle der Einbeziehung solcher Forderungen ins Bail-in-Instrument unumkehrbare Folgen, wie der Verlust von Kunden, Geldabflüssen sowie Rechtsstreitigkeiten drohen.⁷³⁴ Ist demgegenüber ein großer Bestand an Kleinanlegern vorhanden und wird er aus der Gläubigerhaftung herausgenommen, können die verbleibenden verlustabsorbierenden Verbindlichkeiten auf ein Mindestmaß reduziert werden, was wiederum zur praktischen Undurchführbarkeit des Bail-in-Instruments führen kann. Auf diese Problematik haben 2018 die EBA und die ESMA in einer gemeinsamen Erklärung⁷³⁵ hingewiesen und die Abwicklungsbehörden aufgefordert, bereits im Rahmen der Abwicklungsplanung zu berücksichtigen, ob ein wesentlicher Bestand („material presence“ ⁷³⁶) der bail-infähigen Forderungen von Privatanlegern gehalten ist und ggf. ob dies eine Bail-inDurchführung im Einzelfall behindern würde. Wenn dies der Fall ist, sollte weiterhin geprüft werden, ob der Ausschluss dieser Verbindlichkeiten vom Bail-in gem. Art. 44 Abs. 3 der BRRD bzw. Art. 27 Abs. 5 SRMR gerechtfertigt wäre und
Vgl. Binder, Systemkrisenbewältigung durch Bankenabwicklung?, ZBB 2017, S. 57, 68 ff. Vgl. Art. 44 Abs. 2 und 5, Art. 17 Abs. 5 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 3, Art. 10 Abs. 11 SRMR. Vgl. ErwGr. 15 BRRD-II; SRB, Annual report 2017, v. Juli 2017, S. 120. Vgl. SRB, Policy for 2017 and Next Steps, S. 16; SRB, 2018 SRB Policy for the second wave of resolution plans, v. 16. Januar 2019, S. 16 f., Rn. 40. Vgl. EBA/ESMA, Statement of the EBA and ESMA on the treatment of retail holdings of debt financial instruments subject to the Bank Recovery and Resolution Directive, EBA/Op/2018/03, v. 30. Mai 2018. Id., S. 3.
C. Haftungsschranken
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welche Auswirkungen eine solche Haftungsfreistellung auf die restlichen Verbindlichkeiten sowie auf die Verlustabsorptionsfähigkeit des Instituts insgesamt hätte. Die große praktische Relevanz dieses Problems spiegelt sich in der Höhe der von Privatanlegern gehaltenen Bankverbindlichkeiten wider. So hielten im Jahr 2017 Privatanleger im Euro-Raum Anleihen von europäischen Banken i.H.v. 262,4 Mrd. EUR (17,2 % der an Anleger im Euro-Raum ausgegebenen Anleihen), auf die vorrangige unbesicherte Anleihen 81 % des Betrags entfielen.⁷³⁷ Das ist ein besonders drängendes Problem in Italien, wo über 130 Mrd. EUR an Schuldtiteln von Privatkunden gehalten werden (36,9 % aller Schuldtitel, die von Banken emittiert wurden). In Deutschland und Frankreich beliefen sich hingegen die entsprechenden Beträge auf 49,4 Mrd. EUR bzw. 31,7 Mrd. EUR.⁷³⁸
a) Die Suche nach dem idealen Bail-in-Investor Dass die Zusammensetzung der Gläubigerstruktur des abzuwickelnden Instituts ein ausschlaggebender Faktor für die Erfolgsaussichten seiner Abwicklung und ggf. einer Bail-in-Durchführung ist, ist alles andere als eine neue Erkenntnis. In der betriebswirtschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Literatur wird seit einigen Jahren kontrovers nach den richtigen Investoren von bail-in-fähigen-Anleihen bzw. dem optimalen Typus von bail-in-Haltern gesucht.⁷³⁹ Ganz abstrakt könnte man als solche diejenigen Gläubiger bezeichnen, die zum einen zur effektiven Marktdisziplin der Schuldnerinstitute beitragen und deren Beteiligung an den Verlusten der Schuldnerinstitute im Abwicklungsfall keine negativen Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben. Während für einige Autoren der Anlagehorizont im Mittelpunkt steht, sodass bail-in-fähige Schuldtitel im Idealfall von langfristig orientierten Anlegern wie Versicherungen, Pensionsfonds zu halten sind,⁷⁴⁰ sehen andere darin einen Widerspruch zu der von solchen Investoren präferierten konservativen Anlagestrategie, wonach das Risiko ihrer Anlage im
S. die graphische Darstellung in: Id., S. 6. Id., S. 7. Die Diskussion war bereits 2012 vom sog. Liikanen-Bericht angestoßen, der den Vorschlag unterbreitete, die dem Bail-in unterliegenden Verbindlichkeiten außerhalb des Bankensektors abzuladen. Vgl. „Liikanen Report“, High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector – Chaired by Erkki Liikanen, v. 2. Oktober 2012, S. 104. Vgl. Krahnen/Moretti, Bail-in Clauses, in: Faia/Hackethal/Haliassos/Langenbucher (Hrsg.), Financial Regulation: A Transatlantic Perspective, 2015, S. 125 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
Laufe der Zeit sinken soll.⁷⁴¹ Andere Autoren legen den Fokus auf die Verhinderung von Ansteckungseffekten und plädieren mithin für den Vertrieb von Bail-inSchuldtiteln an institutionelle Investoren, die selbst keinen Intermediationsrisiken ausgesetzt sind und über hinreichende Verlusttragungskapazitäten verfügen.⁷⁴² Diesem Ansatz zufolge können institutionelle Investoren sowie vermögende Privatkunden die sich kurzfristig realisierenden Kosten eines Bail-ins verkraften, ohne selbst in Liquiditätsstress zu geraten.⁷⁴³ Hinter dem Charme solcher Regulierungsansätze verbergen sich aber große praktische Schwierigkeiten sowie rechtliche Probleme. Es ist zunächst nicht leicht zu durchschauen, wie solche Halterestriktionen in das institutionelle Gefüge der Kapitalmarktaufsicht eingeführt werden können.⁷⁴⁴ Zudem ist auch die Prämisse einer abstrakt gefasst idealen Klasse von Bail-in-Haltern nicht leicht hinnehmbar. Denn es mangelt an einem entsprechenden Überwachungsmechanismus, der die Weitergabe von bail-in-fähigen Schuldtiteln einschränken würde. Auch unter der Annahme, dass dies möglich wäre, könnte eine alleinige Belastung institutioneller Investoren die Praktikabilität des Bail-in-Instruments unterminieren, indem dies zur zusätzlichen Volatilität in den Finanzmärkten führt, die das Ansteckungsrisiko möglicherweise verschärfen würde. Der hier diskutierte Ansatz geht davon aus, dass Anleger mit einem langfristigem Investmenthorizont mögliche Verluste im Rahmen eines Bail-in besser „verkraften“ können. Doch dies setzt eine zeitkonsistente Vorgehensweise seitens der zuständigen Behörden voraus, die mit Blick auf die bisherige Abwicklungspraxis keine Selbstverständlichkeit ist. Außerdem verfügt die abstrakt gefasst Gruppe professioneller Investoren über keine homogenen Interessen. Im Übrigen stellt die Konzentration der bail-in-fähigen Bankverbindlichkeit in den Händen von regulatorisch vorbe-
Der erste Ansatz hätte zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Forderungen von langfristig orientierten Anlegern einem Bail-in unterzogen werden, sich im Laufe der Zeit erhöht. Dies widerspräche z. B. der Anlagestrategie von Pensionsfonds.Vgl. Persaud, A ticking time bomb: TLAC and other attempts to privatise bank bail-outs, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law, 3/2016, 160, 162. Vgl. Götz/Krahnen/Tröger, Fünf Jahre nach dem Liikanen-Bericht: Was haben wir gelernt?, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2017, S. 205, 207; Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 37 ff. id. Aufgrund ihrer hohen Anforderungen lassen sich die Produktinterventionsmaßnahmen der Kapitalmarktaufsichtsbehörden nicht ohne Weiteres auf bail-in-fähige Schuldtitel übertragen; vgl. Art. 42 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 MiFIR.
C. Haftungsschranken
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stimmten Gläubigerklassen (wie Hedge Fonds) mit Blick auf die zwingend zu wahrende Finanzstabilität kein wünschenwertes Szenario dar.⁷⁴⁵
b) Veräußerungsbeschränkungen im Retail-Geschäft Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten führte der europäische Gesetzgeber 2019 mit Art. 44a BRRD-II Einschränkungen beim Vertrieb bestimmter Schuldtitel, die dem Bail-in-Risiko ausgesetzt sind, an Kleinanleger⁷⁴⁶ ein.⁷⁴⁷ Damit werden herkömmliche Anlegerschutzmechanismen des europäischen Kapitalmarktrechts teilweise ins europäische Bankenabwicklungsrecht eingebettet. Es wird eine Brücke zwischen den beiden Rechtsgebieten geschlagen. Wenngleich die neuen Vorgaben (auch) dem Kleinanlegerschutz dienen, besteht ihr primäres Ziel in der Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit des jeweiligen Emittenteninstituts⁷⁴⁸ und ggf. der Durchführbarkeit des Bail-in-Instruments gerade in politisch gesehen schwierigen Situationen. Dadurch soll auch die Glaubwürdigkeit des EU-Bankenabwicklungsinstrumentariums bewahrt werden. In Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich der neuen Vorgabe bleibt es unklar, wer Adressat dieser Anforderungen ist. Im Wortlaut findet sich der dem europäischen Bankenabwicklungsrecht fremde Begriff des „Verkäufers“ der undefiniert bleibt. Damit könnte jeder weitere auf dem Sekundärmarkt handelnde Verkäufer unter Art. 44a BRRD-II fallen, der möglicherweise in keinerlei Verhältnis zum Emittenteninstitut steht. Eine so weite Auslegung stünde aber nicht im Einklang mit dem Ziel dieser Vorschrift die zügige Abwicklung des jeweiligen Emittenteninstituts zu gewährleisten. Außerdem soll Art. 44a BRRD-II keinesfalls die allgemein geltenden Anlegerschutzbestimmungen verdrängen. Daher soll der Adressatenkreis dieser Vorschrift im Sinne einer teleologischen Reduktion auf die dem BRRD/SRMR-Rahmenwerk unterworfenen Institute, Wertpapierfirmen usw. gem. Art. 1 Abs. 1 BRRD bzw. Art. 2 SRMR beschränkt werden, sofern sie sich an der Erbringung von Wertpapier-, Anlageberatungs- und Portfolioverwaltungsdienstleistungen für die Zwecke der MiFID beteiligen.
Vgl. Avgouleas/Goodhart, A critical evaluation of Bail-in as a bank recapitalisation mechanism, 2014, S. 292 f. Als Kleinanleger gilt gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID i.V.m. Art. 44a Abs. 1 BRRD-II der nicht professionelle Kunde; vgl. „Privatkunde“ in § 67 Abs. 3 WpHG. Als Gegenpostulat gilt der professionelle Anleger; vgl. Anhang II MiFID sowie § 67 Abs. 2 WpHG. In der SRMR-II findet sich keine entsprechende Vorschrift. Vgl. ErwGr. 15 – 16 BRRD-II.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
In sachlicher Hinsicht erfasst Art. 44a BRRD-II alle ab dem 28. Dezember 2020 begebenen⁷⁴⁹, nachrangigen, berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, nämlich MREL-fähige Instrumente, die nicht als Eigenmittel einzustufen sind (sog. senior non-preferred bonds).⁷⁵⁰ Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Eigenmittelpositionen, wie Instrumente des zusätzlichen Kapitals und Ergänzungskapitals, ausgeschlossen sind, zumal sie auch aus einer Fremdkapitalaufnahme stammen können. Es lässt sich nämlich nicht ohne Weiteres rechtfertigen, warum der Erwerb nachrangiger MREL-fähiger Schuldtitel durch Kleinanleger in abwicklungsrechtlicher Hinsicht problematischer als z. B. die Erbringung von stillen Einlagen ist, die höher in der Haftungskaskade stehen und als zweite Posten zur Verlusttragung herangezogen werden. Im Übrigen räumt Art. 44a BRRD-II den Mitgliedstaaten grundsätzlich zwei alternative Möglichkeiten zur Festlegung von Restriktionen beim Vertrieb nachrangiger, berücksichtigungsfähiger Kapitalinstrumente an Kleinaleger in ihrem nationalen Recht ein. Sie können entweder die Höhe der entsprechenden von Kleinanlegern gehaltenen Verbindlichkeiten beschränken oder Mindestgrenzwerte bei der Emission der entsprechenden Kapitalinstrumente an Kleinanleger festlegen. Sofern im intra-EU grenzüberschreitenden Kontext keine Übereinstimmung über die einzuhaltenden Anforderungen besteht, nämlich wenn Institute eines Mitgliedstaats, der die erste Option umgesetzt hat, nachrangige berücksichtigungsfähige Schuldtitel an Kleinanleger eines Mitgliedstaates emittieren, der sich für die zweite Option entschieden hat, hat jeder Mitgliedstaat die Einhaltung seines eigenen Regimes sicherzustellen. Optiert ein Mitgliedstaat für die erste Umsetzungsalternative⁷⁵¹, darf ein in ihm ansässiges Institut nachrangige MREL-fähige Verbindlichkeiten (ausgenommen Eigenmittel) an Kleinanleger veräußern, nur wenn (i) ein Eignungstest gem. Art. 25 Abs. 2 MiFID-II im Vorfeld durchgeführt wurde, (ii) auf Grundlage dessen das Institut der Auffassung war, dass diese Verbindlichkeiten für die Kleinanleger geeignet waren und (iii) die Eignung nach Art. 25 Abs. 6 MiFID-II dokumentiert
Vgl. Art. 44a Abs. 7 BRRD-II. Als solche gelten gem. 44a Abs. 1 BRRD-II diejenigen Instrumente, die alle Bedingungen von Art. 72a CRR-II i.V.m. Art. 72b und 72c CRR-II erfüllen mit der Ausnahme von Art. 72a Abs. 1 lit. b CRR-II sowie Art. 72b Abs. 3 – 5 CRR-II. Es handelt sich hierbei um MREL-fähige Verbindlichkeiten, die weder hartes Kernkapital (CET1) noch zusätzliches Kapital (AT1) sind. Auch Derivate sind hiervon ausgeschlossen. Diese Definition ist enger gefasst als die Legaldefinition von „nachrangigen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten“ in Art. 2 Abs. 1 Nr. 72b BRRD-II bzw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 49b SRMR-II, die auch Posten des Ergänzungskapitals (T2) gem. Art. 72a Abs. 1 lit. b CRRII umfasst. Vgl. Art. 44a Abs. 1– 4 BRRD-II.
C. Haftungsschranken
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wurde.⁷⁵² Liegen diese Voraussetzungen vor und verfügen die betreffenden Kleinanleger über ein Finanzportfolio von bis zu 500.000 EUR, treten eine prozentuale und eine absolute Begrenzung hinzu. Die Institute haben zum einen zu gewährleisten, dass die Anlage in berücksichtigungsfähige Instrumente nicht 10 % des Portfolios des jeweiligen Kleinanlegers überschreitet und zum anderen dass sich der anfängliche Anlagebetrag auf mindestens 10.000 EUR beläuft.⁷⁵³ In diesen hohen Hürden an den Erwerb von bestimmten, dem Bail-in unterworfenen Verbindlichkeiten durch Kleinanleger spiegelt sich das Erfordernis einer ausreichenden Verlusttragungskapazität wieder.⁷⁵⁴ Alternativ⁷⁵⁵ können Mitgliedsstaaten im Rahmen der zweiten Option entscheiden, fü r den Verkauf nachrangiger Verbindlichkeiten eine Mindeststü ckelung von 50.000 EUR vorzuschreiben.⁷⁵⁶ Die vorgegebene Mindeststückelung soll für jede einzelne Verbindlichkeit gelten. Anders als die Begrenzungen im Rahmen der ersten Option, denen eine äußerst komplexe und für die Zwecke der Abwicklungsordnung aufwendige, individuelle Prüfung der Verhältnisse des jeweiligen Kleinanlegers zur Feststellung seiner Geeignetheit vorausgehen muss, stellt die zweite Option lediglich auf einen Mindeststückelungsbetrag im Emissionszeitpunkt der betreffenden Verbindlichkeiten ab. Daher erscheint die Anforde Vgl. Art. 44a Abs. 1 UAbs. 1 BRRD-II. Diese Anforderungen können gem. Art. 44a Abs. 1 UAbs. 2 BBRD-II auf Eigenmittel sowie sonstige bail-in-fähige Verbindlichkeiten ausgeweitet werden. Vgl. Art. 44a Abs. 2 lit. a und b BRRD-II. Als eines der Kriterien zur Ermittlung von idealen Bail-in-Haltern; s.o. Dass es sich um zwei alternative und nicht kumulative Optionen handelt, ergibt sich eindeutig aus dem ErwGr. 16 BRRD-II: „Um sicherzustellen, dass Kleinanleger nicht übermäßig bei bestimmten Schuldtiteln anlegen, die für die MREL berücksichtigungsfähig sind, sollten die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Mindeststückelung solcher Instrumente verhältnismäßig hoch ist oder dass die Anlage in solche nstrumente keinen übermäßig großen Anteil im Portfolio des Anlegers darstellt“. Vgl. Art. 44 Abs. 5 BRRD-II. Der deutsche Gesetzgeber hat sich gem. § 65b WpHG-E für diese Alternative entschieden, ging aber auch über den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 44a Abs. 1 BRRD-II hinaus, indem er die Pflicht für eine Mindeststückelung nicht auf nachrangige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten beschränkte, sondern auf alle nachrangigen Verbindlichkeiten (d. h. auch auf Instrumente des zusätzlichen Kapitals sowie des Ergänzungskapitals) ausweitete. Die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, verschärfte Anforderungen in Bezug auf den Kleinanlegerschutz einzuführen, wird ausdrücklich im Art. 44a Abs. 1 UAbs. 2 BBRD-II geregelt, ergäbe sich aber ohnehin aus der Mindestharmonisierung, die die BRRD allgemein vorgibt. Daher schadet die unglückliche Systematik der Vorschrift nicht, wonach Art. 44a Abs. 1 UAbs. 2 BRRD-II der ersten Umsetzungsalternative nach Art. 44a Abs. 1– 4 BRRD-II zugeordnet wird, obwohl er im Hinblick auf das Prinzip der Mindestharmonisierung auch für die zweite Umsetzungsalternative gilt. Dafür spricht auch der Wortlaut im ErwGr. 16 BRRD-II: „Außerdem sollten die Mitgliedstaaten die Vermarktung und den Verkauf bestimmter anderer Instrumente an bestimmte Anleger weiter einschränken können“.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
rung für eine Mindestemissionsstückelung aus Anlegersicht leichter abschätzbar und aus Institutssicht einfacher umsetzbar. Sie ist aber zugleich hoch genug gesetzt, damit eine breite Masse von Kleinanlegern von der Investition ausgeschlossen bleibt. Das ist das offenkundige Defizit der zweiten gegenüber der ersten Option. Zu beachten ist jedenfalls, dass die Umsezung der zweiten Option nicht zur Aushebelung der kapitalmarktrechtlichen Anforderung zur Durchführung eines Eignungstests gem. Art. 25 Abs. 2 MiFID führen darf. Diese ist bei der Erbringung von Anlageberatungs- und Portfolioverwaltungsdienstleistungen weiterhin einzuhalten.⁷⁵⁷ Zu den zwei genannten Grundoptionen tritt eine Dritte hinzu, die Einführung deren jedoch nicht der uneingeschränkten Wahl der Mitgliedstaaten überlassen wird, sondern an besondere Bedingungen geknüpft wird. Aus Proportionalitätsüberlegungen und zur Verhinderung einer Benachteiligung kleinerer Mitgliedsstaaten bzw. Mitgliedsstaaten mit kleineren Märkten, kann gem. Art. 44a Abs. 6 BRRD-II von den obigen Umsetzungsalternativen und den entsprechenden Kleinanlegerschutzbestimmungen ausgewichen werden, mit Ausnahme der Anforderung nach einem Mindestanlagebetrag von 10.000 EUR.⁷⁵⁸ Als Trennlinie für die Festlegung der Mitgliedsstaaten mit kleineren Märkten, die das Ausweichen auf weniger strenge Anforderungen zulässt, wird der Schwellenwert von 50 Mrd. EUR der Vermögenswerte sämtlicher Institute, die im Mitgliedstaat niedergelassen sind und die der MREL-Anforderung⁷⁵⁹ unterliegen, herangezogen. Beim Überschreiten dieses Schwellenwertes entfällt die Rechtfertigung für die gelockerten Kleinanlegerchutzbestimmungen. Es muss wieder auf eine der ersten zwei Umsetzungsalternativen zugegriffen werden. Zwar dürften die eingeführten Einschränkungen beim Verkauf bestimmter Verbindlichkeiten an Kleinanleger trotz ihrer nicht zu übersehenden Komplexität einen gewissen Beitrag zur erhöhten Operabilität des Bail-in-Instruments leisten. Indem sie bereits im früheren Stadium der Emission bzw. des Vertriebs nachrangiger MREL-fähiger Instrumente (ausgenommen der Eigenmittel) greifen, verhindern sie, dass solche Instrumente massenhaft an die Hände von Kleinanlegern landen und dadurch dass die Entscheidungsträger im Abwicklungsfall sich mit sog. hard cases überhaupt konfrontiert sehen. Zu diesem Zweck werden die zuständigen Abwicklungsbehörden auch mit interventionistischen Eingriffsbefugnissen im Rahmen der Abwicklungsplanung ausgestattet. Zur Beseitigung fest Demgegenüber ist die Eignungsprüfung im Rahmen der ersten Option auch auf Geschäfte jenseits der Anlageberatung anwendbar. Vgl. Art. 44a Abs. 6 i.V.m. Art. 44 Abs. 2 lit. b BRRD-II. Genauer gesagt wird hier auf die externe MREL-Anforderung aller dem Art. 45e BRRD-II unterliegenden Abwicklungseinheiten abgestellt.
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gestellter Abwicklungshindernisse können sie u. a. vom betreffenden Institut den Verkauf neuer oder bestehender Produkte einschränken bzw. unterbinden.⁷⁶⁰ De facto lässt sich jedoch das soeben beschriebene Ziel der Vermeidung der Konzentration von Kapitalinstrumenten, die dem Bail-in-Risiko ausgesetzt sind, in den Händen von Kleinanlegern nicht immer erreichen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Kleinanleger irrtümlicherweise für professionele Kunden gehalten werden, dass kein Eignungstest aufgrund mangelnder Informationen durchgeführt wird, dass die Mindeststückelung nicht auf jede einzelne Verbindlichkeit angewendet wird. Es sind vielmehr Situationen denkbar, in denen die nationalen Entscheidungsträger aus innenpolitischem Kalkül heraus, von der rigorosen Einhaltung der einschlägigen Anforderungen – kapitalmarktrechtlicher Natur – im Einzelfall absehen. Wie solche Situationen, in denen die Verletzung dieser Anforderungen ex post festgestellt wird, nachdem möglicherweise die betreffenden Verbindlichkeiten im Rahmen eines Bail-in herabgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt worden sind, zu bewältigen sind, bleibt offen. Die Rückgängigmachung der durch die Bail-in-Anordnung vollzogenen Restrukturierung stellt aus Gründen, die bereits im Rahmen des NCWO-Grundsatzes erörtert wurden, kein hinnehmbares Ergebnis dar. Als weiteres Problem in Bezug auf die effektive Durchsetzung der hier untersuchten Veräußerungsbeschränkungen kommt hinzu, dass es sich dabei um einen Bereich der „parallelen Zuständigkeit“ der Abwicklungs- und der Finanzmarktaufsichtsbehörden handelt. Letztere können im Rahmen von Produktinterventionen den Vertrieb und Vermarktung von Finanzinstrumenten beschränken oder untersagen.⁷⁶¹ Auch hinsichtlich der Anforderungen des Art. 44a BBRDII ist es fraglich, ob deren Durchsetzung der zuständigen Abwicklungsbehörde nach Maßgabe der BRRD/SRMR oder der zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörde nach Maßgabe der MiFID/MiFIR obliegt. Aus dem ErwGr. 16 BRRD-II lässt sich herleiten, dass dies als eine gemeinsame Aufgabe wahrgenommen werden sollte, deren erfolgreiche Ausführung die enge Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Abwicklungs- und Finanzmarktaufsichtsbehörde erfordert.⁷⁶² Aufgrund der unterschiedlichen Mandate der zwei konkurrierend agierenden Instanzen stellt die effektive Durchsetzung der Veräußerungsbeschränkungen eine erhebliche Herausforderung dar. Wird diese Aufgabe nicht
Vgl. Art. 17 Abs. 5 lit. f BRRD-II. Vgl. Art. 69 Abs. 2 lit. s und t MiFID-II; Art. 40 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. a MiFIR. Für eine federführende Zuständigkeit der Abwicklungsbehörden im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Halterestriktionen hingegen Götz/Tröger, Should the marketing of subordinated debt be restricted/different in one way or the other? What to do in the case of mis-selling?, ECON, 2016, S. 13 ff.
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Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand
angemessen in der Abwicklungsplanung wahrgenommen, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Bail-in-Anwendung im Abwicklungsfall. Ein Ausweg aus den bisher skizzierten Defiziten könnte in der Etablierung neuer ermessensunabhängiger Haftungsausschlüsse für Kleinanleger bestehen. Wären die Positionen von Kleinanlegern a priori aus dem Bail-in ausgenommen, wären Eingriffe im Vertriebsstadium obsolet und das europäische Bankenabwicklungsrecht vom europäischen Kapitalmarktrecht entkoppelt. Die Aufnahme einer neuen Gläubigerkategorie in die Haftungsausschlüsse würde allerdings zu einer entsprechenden Anhebung der Haftung der restlichen – nicht-ausgenommenen – Gläubiger und mithin zu einer Erhöhung des Risikos einer Verletzung des NCWO-Grundsatzes führen. Um dieses Risiko zu verringern, wäre de lege ferenda denkbar, dass analog zu den Einlagensicherungs- auch Anlegerentschädigungssysteme an die Stelle der ausgenommenen Kleinanleger treten und sich an den Verlusten beteiligen.
VII. Ergebnis Die dargelegten Schutzmechanismen für (Anteilseigner und) Gläubiger offenbaren die Grundausrichtung des europäischen Bankenabwicklungsregimes, in dessen Mittelpunkt nicht die Rechtspositionen der Forderungsinhaber stehen. Der ihnen gewährte Schutz beschränkt sich stattdessen größtenteils auf ihre Vermögenspositionen.⁷⁶³ Zentral sind dabei die Bewertungsfragen, die sowohl die Unterals auch Obergrenze i.S. einer ex post Korrektur mit ex ante Ermessensreduzierung der Gläubigerhaftung bestimmen. Zur Bewältigung einiger der damit verbundenen technischen und rechtlichen Schwierigkeiten kann der Ansatz von handelbaren Berechtigungsscheinen beitragen. Etwas komplexer ist die Bewertung-III zur Feststellung einer Schlechterstellung im Vergleich zu einem hypothetischen Insolvenzverfahren. Zwar schaffen die mit der Überarbeitung des SRM/ BRRD-Rahmenwerks 2017 und 2019 eingeführten Nachranganforderungen mehr Klarheit und verringern die Diskrepanz zwischen dem europäischen Bankenabwicklungsrecht und dem weitestgehend nationalen Insolvenzrecht, sie erweisen sich jedoch als lückenhaft. Die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit ausfallenden Instituten haben verdeutlicht, dass die Einbeziehung von Kleinanlergerpositionen ins Bail-in mit hohen politischen Kosten behaftet ist und systemische Risiken auslösen kann. Daher wird von den Entscheidungsträgern ein Ausweg aus der „Sackgasse“ des
Vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 193.
C. Haftungsschranken
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Bankenabwicklungsregimes hin zu weniger strengen europäischen Beihilferahmen gesucht. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung der neuen aus dem Kapitalmarktrecht stammenden Bestimmungen zum Kleinanlegerschutz, die darauf abzielen, eine übermäßige Konzentration von bail-in-fähigen Verbindlichkeiten in den Händen von Kleinanlegern zu verhindern, grundsätzlich positiv zu bewerten. Dennoch bleiben einige wichtige Fragen, wie die konkurrierende Zuständigkeit von Abwicklungs- und Finanzmarktaufsichtsbehörden oder die ex post Durchsetzung der neuen Anforderungen, ungeklärt. Es wird angeregt, der Frage nachzugehen, ob ein neu normierter Haftungsauschluss für Kleinanleger flankiert durch die Einbeziehung von Anlegerentschädigungssystemen nach dem Vorbild der Einlagensicherungssysteme nicht vorzugswürdiger wäre.
Dritter Abschnitt Finanzierungs- und Liquiditätsfragen im Zusammenhang mit einem Bail-in „The UK and U.S. have a solid, whole process of resolution that includes those liquidity problems during that period of time, and I hope that Europe will get to some solution“.¹
König, Elke, Banco de España Joint Conference, IMF Panel discussion: Completing the Banking Union v. 3. April 2018.
Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
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Die Einsatzfähigkeit und Wirksamkeit des Bail-in-Instruments hängen in einem erheblichen Ausmaß von der Verfügbarkeit einer kurzfristigen Finanzierung ab.² Selbst wenn ein Institut im Wege einer Bail-in-Anwendung rekapitalisiert wird und weiter operiert, benötigt es immer noch Mittel, um seinen Schulden nachzukommen, sobald sie fällig werden. Vor allem ist aber eine Brückenfinanzierung erforderlich, deren Höhe sich nach den Marktbedingungen, der Dauer des Abwicklungsverfahrens und der verbleibenden Liquidität des abzuwickelnden Instituts richtet, um den Fortbestand kritischer Bankgeschäfte zu gewährleisten. Anderenfalls droht bei einer Liquidation von Vermögenswerten die Erbringung kritischer Funktionen eingestellt zu werden, wodurch die Finanzstabilität eines Staates gefährden werden könnte, was wiederum das neue Bankenabwicklungsregime zu vermeiden versucht. Insbesondere bei der Abwicklung systemrelevanter Institute dürfte aber die Suche nach Finanzierungsquellen große Schwierigkeiten bereiten. Nach den Leitlinien des FSB³ hat eine G-SIB in erster Linie mit eigenen Ressourcen die Fortführung ihrer operationellen Geschäfte zu gewährleisten, indem sie z. B. ihre liquiden Mittel veräußert bzw. als Sicherheiten für verschiedene Formen der Kreditaufnahme verwendet. Nur wenn keine eigenen Mittel vorhanden sind, soll eine Fremdkapitalbeschaffung am Markt angestrebt werden.⁴ Zwar kann eine Bank zur Finanzierung auf ihre eigenen Vorräte zurückgreifen, Vermögensgegenstände verwerten und den Erlös verwenden oder neue Finanzmittel durch bestehende bzw. neue Gläubiger erhalten. Dennoch sind Gläubiger in der Regel nicht dazu bereit neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Dies ist u. a. auch dem Umstand geschuldet, dass Fremdkapitalgeber keinerlei Einfluss auf die strategischen Entscheidungen der Geschä ftsfü hrung des notleidenden Instituts haben. Auch wenn der Verschuldungsgrad des Schuldners nicht prohibitiv hoch für die Fremdkapitalgeber ist, kann die Fremdkapitalerhö hung an einem Informationsdefizit auf der Glä ubigerseite scheitern.⁵ Neue Finanzmittel würden aber
Das gilt auch für Rechtsnachfolger des abzuwickelnden Instituts, wie ein Brückeninstitut. Vgl. ErwGr. 103 BRRD. Vgl. FSB, Guiding principles on the temporary funding needed to support the orderly resolution of a global systemically important bank („G-SIB“), v. 18. August 2016, S. 6 f. Vgl. u. a. die Möglichkeit einen Sanierungskredit gem. § 8 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 3 KredReorgG aufzunehmen, dessen Höhe zum Schutz der restlichen Gläubigerpositionen jedoch die Höhe des Kredits anders als bei Krediten im allgemeinen Insolvenzverfahren auf 10 % der Eigenmittel begrenzt ist; vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fridgen, § 2 KredReorgG, Rn. 14. Allgemein dazu Fama/Jensen, Agency Problems and Residual Claims, The Journal of Law and Economics 1983, 327 ff. Der Prinzipal-Agent-Theorie nach entstehen nä mlich Transaktionskosten, wenn ein Auftraggeber (Prinzipal) an einen Ausfü hrenden (Agent) Aufgaben ü bergibt. Vgl. Morrisson/Wilhelm, Investment Banking: Institutions, Politics and Law, 2008, S. 22. Daher können https://doi.org/10.1515/9783110764437-010
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
zum einen die Fortführung des Instituts ermöglichen und zum anderen den Verwertungserlös erhöhen. Durch eine Darlehensaufnahme wären letztlich die unbesicherten Gläubiger bessergestellt. Aus diesem Grund werden neue Darlehensgeber auch im Insolvenzrecht bevorzugt.⁶ Eine solche Finanzierung ist aber nur möglich, wenn die Vermögensgegenstände ausreichen, um alle Masseverbindlichkeiten zu begleichen. Andernfalls würden auch neue Gläubiger Verluste erleiden müssen. Im US-amerikanischen Bankruptcy Code kann eine Kreditfinanzierung aufgrund der Möglichkeit der vorrangigen Sicherheitenbestellung auch dann erfolgen, wenn die verbleibende Insolvenzmasse unzureichend ist.⁷ Daraus wird ersichtlich, dass schnelle und beträchtliche Hilfen sich im Krisenfall oft nur aus anderen Finanzierungsquellen angefordert werden können. Zu diesem Zweck ist nach internationalen Standards der Rückgriff auf einen glaubwürdigen Backstop-Mechanismus des öffentlichen Sektors als ultima ratio notwendig, um die Kontinuität der kritischen Funktionen in der Abwicklung aufrechtzuerhalten und die Entstehung von Ansteckungseffekten zu verhindern.⁸ Im Einklang damit räumt das europäische Bankenabwicklungsregime den Instituten die Möglichkeit ein, nach einem abgestuften Verfahren zunächst Mittel der Abwicklungsfonds, an zweiter Stelle der öffentlichen Haushalte der Mitgliedsstaaten und zuletzt innerhalb der Eurozone – falls nötig – Mittel des supranationalen ESM in Anspruch zu nehmen. Zwingende Voraussetzung hierfür ist eine Mindestverlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern des begünstigsten Instituts von 8 % seiner Gesamtverbindlichkeiten (einschließlich Eigenmittel). Das Abstellen auf eine starre 8 %ige-Mindestverlustgrenze⁹ lässt sich nicht eindeutig erklären. Die Vermutung liegt aber nahe, dass sie sich an der Höhe der Eigenmittelanforderungen orientiert. Jedenfalls muss diese Mindestverlustgrenze nicht unbedingt im Wege einer Abschreibung erfüllt werden. Auch eine Umwandlung der Verbindlichkeiten in Eigenkapital des rekapitalisierten Instituts oder des Brückeninstituts kann hierfür zulässig sein. Sorgt dann eine erfolgreiche Reka-
eine mangelhafte Ü berwachung des Agenten und eine fehlende Informationsverteilung die Gläubigerpositionen gefä hrden. In der deutschen Insolvenzordnung werden neue Darlehen gem. § 55 i.V.m. § 53 InsO als Masseverbindlichkeiten behandelt. Außerdem kann der Insolvenzverwalter auch neue Sicherheiten für den Darlehensgeber bestellen. Vgl. Schöneberger, 2018, S. 295. Vgl. Sec. 364 (c)(1),(d) Bankruptcy Code. Kritisch dazu Tabb, The Law of Bankruptcy, 2009, S. 1063 f. Vgl. FSB, Guiding principles on the temporary funding needed to support the orderly resolution of a global systemically important bank („G-SIB“), v. 18. August 2016, S. 7. Für die variierende Höhe der benötigten Verlustausgleichs- und Rekapitalisierungsbeträge je nach simuliertem Krisenszenario vgl. Europäische Kommission, BRRD-Auswirkungsanalyse, S. 134
Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
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pitalisierung für einen Aufwärtstrend der als Gegenleistung erhaltenen Eigenanteile, erleiden die Anteilseigner und Gläubiger keine Verluste. Vorab lässt sich anmerken, dass das europäische Bankenabwicklungsregime, zumindest im Vergleich zum US-amerikanischen und zum britischen Rahmen, vielmehr darauf ausgerichtet ist, die Restrukturierung von in Schieflage geratenen Instituten zu ermöglichen, als sich mit der Frage zu befassen, wie die dringend benötigte Finanzierung und vor allem Liquidität im Abwicklungsverfahren sichergestellt werden kann. Daraus resultiert eine zusätzliche Unsicherheit für Marktteilnehmer und Halter von bail-in-fähigen Schuldtiteln. Denn sie werden im Unklaren gelassen, in welchem Umfang und aus welchen Quellen das Abwicklungsverfahren finanziert wird und mithin inwiefern sie haften.
A. Die Beteiligung von Einlagensicherungssystemen Abwicklungsregime und Einlagensicherungssysteme ergänzen sich gegenseitig insofern als sie vergleichbare Ziele verfolgen.¹⁰ Es mag daher nicht überraschen, dass die Kommission bereits 2012 einen Verordnungsvorschlag unterbreitet hat, der die Errichtung einer Europäischen Einlagensicherungs- und Abwicklungsbehörde (European Deposit Insurance and Resolution Authority – „Edira“) und eines von ihr verwalteten Europäischen Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds (European Deposit Guarantee and Resolution Fund – „Edgar“) vorsah.¹¹ Der Plan scheiterte aber an den Einwänden einiger Mitgliedsstaaten insbesondere Deutschlands. Stattdessen ist im „Fahrplan für die Bankenunion“ von 2012 lediglich die Rede von EDIS. Aktuell laufen sowohl auf europäischer¹² als auch auf internationaler Ebene¹³ Diskussionen über eine „europäische FDIC“, die die Themenfelder Bankenabwicklung und Einlagensicherung unter einem Dach fusionieren und die entsprechenden Aufgaben für bedeutende Institute möglicherweise dem SRB zuweisen würde. Insbesondere im Falle einer Bail-in-Anwendung, die die Einlagepositionen nicht unberührt lässt, müssen Abwicklungsregime und Einlagensicherungssysteme aufeinander abgestimmt sein. So ist das Einlagensicherungssystem, dass das abzuwickelnde Institut absichert, über die Feststellung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen sowie über die Anordnung des Bail-in-Instruments bzw. der Übertragungsinstrumente vorab durch die zuständige Abwicklungsbehörde zu informieren.¹⁴ Dadurch soll das Einlagensicherungssystem für den Bailin-Fall gerüstet sein und möglicherweise eine Überstrapazierung seiner Finanzmittel abwenden.
So räumt auf nationaler Ebene die BRRD den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, für ihre Einlagensicherungssysteme dieselbe Verwaltungsstruktur wie ihre Finanzierungsmechanismen zu nutzen; vgl. Art. 100 Abs. 2 BRRD. Vgl. Barker, Brussels shelved bank deposit scheme, Financial Times v. 13. September 2012. Vgl. Deslandes/Dias/Magnus, „Liquidation of Banks: Towards an ‘FDIC’ for the Banking Union? „, Economic Governance Support Unit of the European Parlament, 2019; Gelpern/Veron, An Effective Regime for Nonviable Banks: US Experience and Considerations for EU Reform, 2019. Vgl. Restoy, How to improve crisis management in the banking union: a European FDIC?, Lissabon, v. 4. Juli 2019; Baudino/Defina/Fernández Real/Hajra/Walters, Bank failure management – the role of deposit insurance, Financial Stability Institute (FSI) – Insights on policy implementation no. 17, v. 23. August 2019. Vgl. Art. 81 Abs. 3 lit. f BRRD i.V.m. Art. 83 Abs. 2 lit. d BRRD. https://doi.org/10.1515/9783110764437-011
A. Die Beteiligung von Einlagensicherungssystemen
253
Auf europäischer Ebene werden Einlagensicherungssystemen verschiedene Aufgaben zugewiesen. Während einige hiervon verpflichtend sind, wie ihre traditionelle Funktion als Entschädigungseinrichtigungen¹⁵ und die neu eingefügte Pflicht zur Beteiligung an den Kosten des Abwicklungsverfahrens¹⁶, sind andere optional, d. h. dass deren dem nationalen Ermessen überlassen bleibt¹⁷. Zu den Letzteren zählen das Ergreifen präventiver Maßnahmen zur Verhinderung des Aufalls eines Instituts¹⁸ sowie die Vornahme alternativer Maßnahmen im Rahmen eines mitgliedstaatlichen Insolvenzverfahrens zur Wahrung des Zugangs von Einlegern zu gedeckten Einlagen¹⁹. Zur Wahrnehmung dieser Funktionen haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die verfügbaren Finanzmittel eines Einlagensicherungssystems bis zum 3. Juli 2024 mindestens einer Zielausstattung von 0,8 % der Höhe der gedeckten Einlagen seiner Mitglieder entsprechen.²⁰ Die Kernaufgabe der nationalen Einlagensicherungssysteme besteht darin, den ausfallfreien Charakter von Einlagen bei der Insolvenz eines Kreditinstituts zu gewährleisten, indem sie die Einleger für mögliche Verluste bis zu festgelegten Obergrenzen entschädigen (Entschädigungs- bzw. „paybox“-Funktion).²¹ Die beitragsleistenden Einlagensicherungssysteme erhalten dann eine Forderung
Vgl. Art. 11 Abs. 1 DGSD. Gem. Art. 11 Abs. 2 DGSD i.V.m. Art. 109 BRRD bzw. Art. 79 SRMR. „Sofern nach einzelstaatlichem Recht zulässig“; vgl. ErwGr. 16 S. 1 DGSD. S. die Ergebnisse einer umfassenden Studie zu den divergierenden nationalen Umsetzungen von Art. 11 Abs. 3 und 6 DGSD in: EFDI, Deposit Guarantee Schemes’ alternative measures to pay-out – For effective banking crisis solution, Non-Binding Guidance Paper, v. 7. November 2019, Rn. 19 ff. Vgl. Art. 11 Abs. 3 DGSD, der unglücklicherweise von „alternativen Maßnahmen“ spricht. Diese Formulierung ermöglicht keine Abgrenzung zu den Maßnahmen nach Art. 11 Abs. 6 DGSD, die erst nach dem Eintritt des Insolvenzfalls zum Einsatz kommen können. Der theoretischen Klarheit halber sowie zur Vermeidung einer Verwechselung zwischen den zwei unterschiedlichen Maßnahmenkategorien, müssten die Maßnahmen nach Art. 11 Abs. 3 DGSD in „präventive Maßnahmen“ umbenannt werden, da sie im Vorfeld bzw. zur Verhinderung des Eintritts des Insolvenzfalls getroffen werden, und die Maßnahmen nach Art. 11 Abs. 6 DGSD als „alternativ“ bezeichnet werden. Vgl. EBA, Opinion on deposit guarantee scheme funding and uses of deposit guarantee scheme funds, EBA/OP/2020/02, v. 23. Januar 2020, Rn. 203. Die verbreitesten Formen von präventiven Maßnahmen auf europäischer Ebene sind die Gewährung von Garantien auf Eigenkapitalinstrumente und Darlehen Dritter, die direkte Kapitalzufuhr sowie Zinssatzzuschüsse; vgl. EFDI, Deposit Guarantee Schemes’ alternative measures to pay-out – For effective banking crisis solution, Non-Binding Guidance Paper, 2019, Rn. 23 Tabelle 2. Vgl. Art. 11 Abs. 6 DGSD. Zu den häufigsten Formen von alternativen Maßnahmen zählen Vermögensausgliederungen bzw. Übertragungsinstrumente und Garantien; vgl. EFDI, Deposit Guarantee Schemes’ alternative measures to pay-out – For effective banking crisis solution, NonBinding Guidance Paper, v. 7. November 2019, Rn. 25 Tabelle 5. Vgl. 10 Abs. 2 UAbs. 1 DGSD. Vgl. Art. 11 Abs. 1 DGSD sowie ErwGr. 14 DGSD.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
gegen das betreffende Kreditinstitut, die der Höhe der von ihnen geleisteten Zahlungen an die Einleger entspricht und nach nationalem Recht im Rang mit gedeckten Einlagen gleichgestellt sein muss.²² Insbesondere durch die Absicherung der Einlagen von privaten Haushalten dienen sie in Krisensituationen als Puffer, der Verluste auffangen kann, und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Bankruns und ggf. zur Sicherung der Finanzstabilität. Parallel zu dieser (ex post) Entschädigungsfunktion verringert die Einlagensicherung (ex ante) die Anreize der Entscheidungstäger für steuerfinanzierte Bail-outs. Die Heranziehung von Anteilseignern und Gläubigern zur Tragung der Abwicklungskosten wird zur politisch günstigeren Option, wenn die Entscheiungsträger davon ausgehen können, dass Kleineinleger im Abwicklungsfall von leistungsfähigen Einlagensicherungssystemen geschützt werden.²³ Über diese Aufgabe hinaus nehmen die europäischen Einlagensicherungssysteme eine Weitere wahr, womit eine Brücke zum Bankenabwicklungsregime geschlagen wird: Sie tragen zur Finanzierung des Abwicklungsverfahrens bei.²⁴ Diese Funktion geht auf die international geltenden Standards für effektive Einlagensicherungssysteme zurück²⁵ und ist im Hinblick auf den Haftungsausschluss zugunsten gedeckter Einlagen zu rechtfertigen. Um eine unangemessene Benachteiligung der restlichen Gläubiger zu vermeiden, die dem Bail-in unterlägen und aufgrund der Nicht-Einbeziehung gedeckter Einlagen ins Bail-in-Instrument einen entsprechend höheren Beitrag leisten müssten,²⁶ haften die Einlagensicherungssysteme im Fall einer Bail-in-Anwendung im Umfang, in dem die gedeckten Einlagen des abzuwickelnden Instituts zur Verlusttragung herangezogen würden, wenn sie im Bail-in miteinbezogen worden wären.²⁷ Dadurch soll si Vgl. Art. 108 Abs. 1 lit. b Nr. 2 BRRD (geändert durch Art. 1 Abs. 2 lit. b Nr. 2 BCHD) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 DGSD. Vgl. Ayadi/Lastra, Proposals for reforming deposit guarantee schemes in Europe, Journal of Banking Regulation 2010, S. 210, 215. Vgl. Art. 11 Abs. 2 DGSD i.V.m. Art. 109 BRRD bzw. Art. 79 SRMR. Vgl. International Association of Deposit Insurers (IADI), Core Principles for Effective Deposit Insurance Systems v. November 2014, Prinzip 9, Kriterium 8; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 15. Oktober 2014, Rn. 6.3: „Jurisdictions should have in place privately-financed deposit insurance or resolution funds, or a funding mechanism with ex post recovery from the industry of the costs of providing temporary financing to facilitate the resolution of the firm.“ Vgl. ErwGr. 71 BRRD. Vgl. Art. 109 Abs. 1 lit. a BRRD i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a BRRD und Art. 44 Abs. 2 lit. a BRRD; für die Bankenunion Art. 79 Abs. 1 SRMR i.V.m. Art. 27 Abs. 3 lit. a SRMR mit Verweis auf Art. 109 BRRD. Die Auszahlungen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Abwicklungsverfahrens bzw. mit der Anwendung des Bail-in-Instruments haben in bar zu erfolgen; Vgl. Art. 109 Abs. 3 BRRD.
A. Die Beteiligung von Einlagensicherungssystemen
255
chergestellt werden, dass Einleger trotz einer Bail-in-Anwendung ungestört auf ihre Einlagen, zumindest bis zur Deckungssumme, zugreifen können. Hinter dieser Regelung verbirgt sich die schlichte Erkenntnis, dass die Einlagensicherungssysteme auch dann in Anspruch genommen würden, wenn anstelle der Abwicklung eine Liquidation mit dann fälliger Entschädigung der Einleger stattgefunden hätte. Um eine Überforderung der Einlagensicherungssysteme bzw. eine Überstrapazierung deren Ressourcen zu vermeiden, unterliegt ihre Haftung einer vierfachen Begrenzung: Sie ist erstens in prozentualer Hinsicht auf maximal 50 % ihrer Zielvolumina begrenzt.²⁸ Wenn zweitens die Mittel eines Einlagensicherungssystems aufgrund seiner Beteiligung an den Kosten aus dem Abwicklungsverfahren auf weniger als zwei Drittel von dessen Zielvolumen reduziert werden, gilt derjenige Betrag als Haftungslimit, der dem Einlagensicherungssystem ermöglicht, sein Zielvolumen binnen sechs Jahren zu erreichen.²⁹ Eine weitere Haftungsgrenze stellt der Betrag dar, den die Einlagensicherungssysteme im Insolvenzfall zu erstatten hätten. Mit anderen Worten: Die Einlagensicherungssysteme sollen nicht schlechter stehen, als sie im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens stünden (NCWO-Prinzip).³⁰ Ergibt sich aus der sog. Bewertung-III³¹, dass die Beteiligung des Einlagensicherungssystems an der Abwicklungsfinanzierung größer war als die Nettoverluste, die es im Falle einer Liquidierung des Instituts nach dem regulären Insolvenzverfahren erlitten hätte, steht dem Einlagensicherungssystem ein Ausgleichsanspruch gegen den Abwicklungsfinanzierungs-mechanismus bzw. den SRF zu. Zudem haften die Einlagensicherungssysteme im Falle eines Bail-in nicht für Verluste, die sich aus einer Rekapitalisierung der Bank oder einer Brückenbank ergeben.³² Mit der Ausnahme von Auszahlungen im Rahmen der erstgenannten Entschädigungsfunktion, die per se keine staatliche Beihilfe darstellen, müssen die Stützungsmaßnahmen im Rahmen der sonstigen Funktionen von Einlagensicherungsfonds mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar sein.³³ Über die beihilferechtliche Bewertung solcher Maßnahmen herrscht zurzeit große Unsi-
Art. 109 Abs. 5 UAbs. 2 S. 1 BRRD, Art. 79 Abs. 5 UAbs. 2 SRMR. Den Mitgliedstaaten wird die Möglichkeit eingeräumt, eine höhere Kappungsgrenze festzulegen. S. Art. 109 Abs. 5 UAbs. 2 S. 2 BRRD. Art. 109 Abs. 5 BRRD, Art. 79 Abs. 5 SRMR i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DGSD. Art. 109 Abs. 1 UAbs. 4 BRRD i.V.m. Art. 74 f. BRRD. S. auch ErwGr. 110 S. 3 BRRD. Nach Art. 20 Abs. 16 S. 1 SRMR; Art. 74 Abs. 1 S. 1 BRRD. Vgl. Art. 109 Abs. 1 S. 3 BRRD mit Verweis auf Art. 46 Abs. 1 lit. b BRRD. Vgl. Bankenmitteilung Rn. 62 sowie ErwGr. 55 BRRD und ErwGr. 3 DGSD.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
cherheit. Somit hob das EuG im März 2019³⁴ einen Beschluss der Kommission³⁵ auf, der die Maßnahmen zur Deckung des Eigenkapitalbedarfs der Banca Tercas durch den italienischen Einlagensicherungsfonds Fondo Interbancario di Tutela dei Depositi ³⁶ als staatliche Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft hatte.³⁷ Konkret sei in diesem Fall nicht nachgewiesen worden, dass zum einen die italienischen Behörden an der Annahme der betreffenden Maßnahme beteiligt waren, so dass die Unterstützungsmaßnahmen dem italienischen Staat zurechenbar gewesen wären³⁸ und zum anderen, dass die in Frage stehenden Mittel der Kontrolle der italienischen Behörden unterlagen³⁹. Die Kommission hat bereits Berufung gegen dieses Urteil eingelegt.⁴⁰ Es bleibt insofern abzuwarten, wie die Kriterien der Zurechenbarkeit an den Staat und des staatlichen Ursprungs der Mittel im Zusammenhang mit finanziellen Unterstützungen durch Einlagensicherungsfonds vom EuGH im Rahmen seiner beihilferechtlichen Beurteilung intepretiert werden. Die Anknüpfung an das europäische Beihilferecht und die entsprechende Anforderung für das Ergreifen von Lastenverteilungsmaßnahmen schränken die Handlungsmöglichkeiten von Einlagensicherungssystemen erheblich ein, zumal ihnen in der Regel die Befugnisse für die Durchsetzeung solcher Maßnahmen Vgl. EuG, Urteile v. 19. März 2019, Rs. T-98/16, T- 196/16 und T-198/16 (Italien u. a. gegen Kommission), ECLI:EU:T 2019:167, , Rn. 162. Vgl. Kommission, Decision on the state aid SA.39451 (2015/C) implemented by Italy for Banca Tercas, C (2015) 9526 final, v. 23. Dezember 2015. Dazu Stanghellini, The Implementation of the BRRD in Italy and its First Test: Policy Implications, Journal of Financial Regulation 2016, 158 f. Der Fondo Interbancario di Tutela dei Depositi ist ein privatrechtlich organisiertes Bankenkonsortium, das 1987 auf freiwilliger Basis gegründet wurde und Maßnahmen zur Unterstützung seiner Mitglieder sowohl im Rahmen der gesetzlichen Einlagensicherung als auch auf freiwilliger Basis, wenn diese Maßnahmen kosteneffizienter sind, ergreifen kann; vgl. EuG, Rs. T-98/16, T- 196/ 16 und T-198/16 (Italien u. a. gegen Kommission), ECLI:EU:T2019:167, v. 19. März 2019, Rn. 5 – 8. Es ging um eine Kapitalzufuhr i.H.v. 265 Mio. EUR zur Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas und zwei Garantien i.H.v. 65 Mio. EUR insgesamt, die am 7. Juli 2014 durch die Banca d’Italia in Wahrnehmung ihrer aufsichtsrechtlichen Kompetenzen genehmigt wurden. Id., Rn. 132. Id., Rn. 161. In diesem Zusammenhang ist auf die weniger stringente Anwendung des beihilferechtlichen „Private-Investor-Tests“ durch die Kommission im Falle der Kapitalzufuhr 2019 zugunsten der Nord LB hinzuweisen, als die Bundesländer Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie der DSGV und seine Mitgliedsinstitute 2,8 Mrd. EUR der Bank zur Verfügung stellten. Die Kommission sah keine unerlaubte staatliche Beihilfe darin; vgl. Europäische Kommission, State Aid SA.49094 (2019/N) – Germany Market-conform measures for strengthening capital and restructuring of Norddeutsche Landesbank, Brüssel, v. 5. Dezember 2019 C(2019) 8821 final. Kritisch dazu Véron, Banking regulation in the Euro Area: Germany is different, v. 27. Mai 2020. Vgl. Guarascio, In blow to Italy, EU’s Vestager appeals ruling over bank rescue, Reuters v. 29 Mai 2019.
A. Die Beteiligung von Einlagensicherungssystemen
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fehlen. Das Problem wird durch die bestehende Unsicherheit über die Vereinbarkeit von Interventionen durch Einlagensicherungssysteme mit dem europäischen Beihilferecht verschärft. Hiervon betroffen sind vor allem die Maßnahmen des vorgelagerten Krisenmanagements, nämlich diejenigen, die zur Abwendung einer Krise des von ihnen versicherten Instituts getroffen werden. Infolgedessen scheitern oft Einlagensicherungssysteme an der Erbringung ihrer systemschonenden Pufferfunktion, die darin besteht, dass sie in frühen Stadien einer Krise eingreifen. ⁴¹
Empirisch zeigt sich, dass die mit präventiven Maßnahmen verbundenen Kosten geringer als Einlegerentschädigungen im Insolvenzfall ausfallen; vgl. EFDI, Deposit Guarantee Schemes’ alternative measures to pay-out – For effective banking crisis solution, Non-Binding Guidance Paper, v. 7. November 2019, Rn. 40.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds Wie oben beschrieben sind Geschäftsmodelle von Banken durch ein hohes Maß an negativen Externalitäten gekennzeichnet. Um zu verhindern, dass deren Ausfall der Allgemeinheit aufgebürdet wird, ist es im Hinblick auf die Finanzstabilität notwendig, dass die daraus entstehenden Verluste in einem ersten Schritt auf die Anteilseigner und Gläubiger und in einem zweiten Schritt auf die Finanzbranche auferlegt werden.⁴² Zu diesem Zweck sind die Mitgliedsstaaten im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes verpflichtet, wirksame Verfahren zur Bereitstellung finanzieller Mittel einzurichten, die durch den Einzug risikobemessener Beiträge von der Kreditwirtschaft den Banken in Notfällen unter Bedingungen finanziellen Beistand leisten können. Für diese privilegierte Behandlung von Kreditinstituten spricht insbesondere, dass eine mangelnde Brückenfinanzierung die Liquidation des Instituts erzwingen und damit eine bestehende Finanz- oder Liquiditätskrise noch verschärfen könnte.⁴³ In der Eurozone kommt als weiterer Aspekt hinzu, dass das neue Abwicklungsregime auch den fatalen Nexus aus Bankeninsolvenzen und Staatsverschuldung zu durchbrechen vermag. Ein Bail-out kann somit die Staatsverschuldung dermaßen erhöhen, dass ein Vertrauensverlust an den Mä rkten in die Zahlungsfä higkeit des Staates und damit letztlich ein Zahlungsausfall droht. Die Idee hinter solchen sektor-spezifischen Fonds ist diejenigen Akteure zu belasten, die als (Mit‐)Verursacher der Entstehung systemischer Risiken gelten, und geht zurück auf die Schlü sselattribute des FSB.⁴⁴ Die Finanzierung wird aber auf Institute beschrä nkt, die nicht ü berschuldet sind. Dadurch soll zum einen die Abhängigkeit von Staatshaushalten und Zentralbanken verringert werden und zum anderen die wirksame Anwendung des Bail-in-Instruments durch einen finanziellen Backstop abgesichert werden.⁴⁵
Vgl. ErwGr. 103 BRRD. Vgl. Rö sch/Kaserer, Market liquidity in the financial crisis: The role of liquidity commonality and flight-to-quality, Journal of Banking & Finance 2013, S. 2284, 2300 f. Vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions v. 15. Oktober 2014, Rn. 6.1 ff. Vgl. Art. 100 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 UAbs. 1 BRRD; Für die Bankenunion siehe Art. 67 Abs. 2, Art. 76 Abs. 1 SRMR. https://doi.org/10.1515/9783110764437-012
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
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I. Die nationalen Abwicklungsfonds Die BRRD sieht die Einrichtung eines europäischen Systems von sog. Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (Resolution Financing Arrangements)⁴⁶ vor, das folgende Elemente umfasst: i) Nationale Finanzierungsmechanismen;⁴⁷ ii) Kreditaufnahme zwischen nationalen Finanzierungsmechanismen⁴⁸ und iii) die gegenseitige Unterstützung nationaler Finanzierungsmechanismen im Fall einer Gruppenabwicklung⁴⁹. Jeder Mitgliedstaat⁵⁰ hat einen eigenen Finanzierungsmechanismus zu schaffen – in der Regel in Form eines Bankenabwicklungsfonds, der von der zuständigen nationalen Abwicklungsbehörde verwaltet wird.⁵¹ Bei Bankengruppen werden die nationalen Finanzierungsmechanismen institutionell vergemeinschaftet und von der für die Gruppenabwicklung zuständige Abwicklungsbehörde auf der Grundlage des vereinbarten Finanzierungsplans verwaltet.⁵² Um als glaubwürdiger finanzieller Backstop für die Bankenabwicklung zu fungieren, benötigen die Abwicklungsfinanzierungsmechanismen eine angemessene Mittelausstattung.⁵³ Ihnen ist eine dynamische Zielausstattung vorgegeben. Bis Ende 2024 soll ihre Kapazität den Mindestbetrag von 1 % aller gedeckten Einlagen im Finanzsektor des jeweiligen Mitgliedstaates entsprechen.⁵⁴ Dies bedeutet, dass die nationalen Abwicklungsbehörden auch eine höhere, über die 1-%ige Schwelle hinausgehende, Zielausstattung anordnen können. Die Mittel der Finanzierungsmechanismen setzen sich in erster Linie aus den unmittelbar zur Verfü gung stehenden, von dem Finanzsektor ex ante geleisteten jä hrlichen Beiträ gen sowie den außerordentlichen ex post Beiträgen zusammen.⁵⁵
S. Legaldefinition in Art. 3 Nr. 4 Del-VO 2015/63; § 2 Nr. 20 SAG. Vgl. Art. 99 lit. a BRRD, Art. 100 – 105 BRRD. Vgl. Art. 99 lit. b BRRD, Art. 106 BRRD Art. 99 lit. c BRRD, Art. 107 BRRD Für Deutschland s. § 3 Abs. 2, § 3a Abs. 1 RStruktFG. Vgl. Art. 100 Abs. 1 UAbs. 1– 2, 100 Abs. 5 BRRD. Den Mitgliedstaaten wird aber auch die Möglichkeit eingeräumt die Mittel ohne die Zwischenschaltung eines Fonds direkt über deren Haushalte bereitzustellen. Dafür müssen die in Art. 100 Abs. 6 UAbs. 1 lit. a-e BRRD genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Vgl. Art. 107 Abs. 1– 3 BRRD. Vgl. Art. 100 Abs. 3 BRRD. Vgl. Art. 102 Abs. 1 BRRD. Die Aufbauphase kann bis um vier Jahre verlängert werden, wenn die Finanzierungsmechanismen insgesamt Auszahlungen von mehr als 0,5 % aller durch Einlagensicherung abgedeckten Einlagen in ihrem Hoheitsgebiet vorgenommen haben. Vgl. Art. 102 Abs. 2 UAbs. 2 BRRD. Vgl. Art. 103 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1 UAbs. 1 BRRD.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Die Höhe der ex ante erhobenen Beiträge wird anhand der Größe und des Risikogrades jedes beitragspflichtigen Instituts ermittelt.⁵⁶ Allgemein gilt, dass je größer ein Institut ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Abwicklungsbehörde im Falle einer Stresssituation es im öffentlichen Interesse für angebracht halten wird, das Institut abzuwickeln und zur Gewährleistung einer wirksamen Anwendung der Abwicklungsinstrumente den Abwicklungsmechanismus zum Einsatz zu bringen.⁵⁷ Die Modalitäten zur Berechnung werden in der delegierten Verordnung (Del-VO) 2015/63 genauer spezifiziert. Darin ist die Unterscheidung zwischen „jährlichem Grundbeitrag“,⁵⁸ der auf der Grundlage der Verbindlichkeiten des betreffenden Instituts seine Größe ermittelt und „zusätzlicher Risikoanpassung“, die das Verfahren einer technischen Risikobewertung mit verschiedenen Multiplikatoren je nach Risikotypus beschreibt, vorgesehen.⁵⁹ Die Institute müssen nicht den Gesamtbeitrag in Form von Barbeiträgen leisten. Nach Erlaubnis durch die zuständige Abwicklungsbehörde können sie bis zu 30 % unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen (irrevocable payment commitments) an dem zuleistenden Gesamtbeitrag anrechnen lassen.⁶⁰ Diese Zahlungsversprechen sollen sich auf Anforderung der Abwicklungsbehörde in einen entsprechenden Barbetrag umwandeln können. Die krisenverschärfende Wirkung, die eine solche Einforderung von liquiden Mitteln in Krisensituationen entfalten kann, ist nicht zu unterschätzen. In jedem Fall müssen die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen vollumfänglich durch Sicherheiten mit niedrigem Risiko abgesichert, frei verfügbar und nicht durch Rechte Dritter belastet sein. Um die tatsächliche Zahlung im Abwicklungsfall zu gewährleisten, sind zur Deckung von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen lediglich Sicherheiten
Vgl. Art. 103 Abs. 2 BRRD mit Verweis auf den Kriterienkatalog zur Risikobemessung in Art. 103 Abs. 7 BRRD. Die Kriterien sollen das Ausmaß des Kredit-, Liquiditäts- und Marktrisikos berücksichtigen, das die Institute eingehen. Vgl. ErwGr. 107 BRRD. Zu den Risikofeldern und Risikoindikatoren sowie zu ihrer jeweiligen relativen Gewichtung siehe Art. 6 – 7 Del-VO 2015/63. Vgl. ErwGr. 5 f. Del-VO 2015/63. Vom Nenner abzuziehen sind gem. 103 Abs. 2 BRRD die gedeckten Einlagen, da sie bereits vollumfänglich durch Einlagensicherungssysteme abgesichert sind. Vgl. Art. 4 ff. Del-VO 2015/63. Zu beachten ist, dass die Art. 4 bis 7 sowie Art. 9 und der Anhang 1 der Del-VO 2015/63, die die Berechnung der zusätzlichen Risikoanpassungsbeträge der ex ante erhobenen Beiträge vom EuG für teilweise nichtig erklärt wurden. Dies sei auf den festgestellten Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz und die Begründungspflicht zurückzuführen. Vgl. EuG, Urteile v. 23. September 2020 – Rs. T-411/17, Landesbank Baden-Württemberg gegen Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), ECLI:EU:T:2020:435, Rn. 141; Rs. T-414/17, Hypo Vorarlberg Bank AG gegen SRB, ECLI:EU:T:2020:437 und Rs. T-4120/17, Portigon AG gegen SRB, ECLI:EU:T:2020:438. Vgl. Art. 103 Abs. 3 BRRD. Daraus folgt, dass Barbeiträge mindestens 70 % des Gesamtbeitrags ausmachen müssen.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
261
zu akzeptieren, die zeitnah realisierbar sind.⁶¹ Darüber hinaus sind die Sicherheiten einer konservativen Bewertung zu unterziehen, um einer etwaigen deutlichen Verschlechterung der Marktbedingungen Rechnung zu tragen.⁶² Wenn die durch ex-ante Beiträge aufgebrachten Finanzmittel zur Verlustdeckung nicht ausreichen, werden die ex post Beiträge eingefordert.⁶³ Als Obergrenze wird für sie das Dreifache des Jahresbetrags der ex ante Beiträge festgesetzt.⁶⁴ Ihre Berechnung orientiert sich nach den Berechnungsvorgaben für die ex ante erhobenen Beiträ ge.⁶⁵ Die Besonderheit dabei ist allerdings, dass die beitragspflichtigen Institute aufgrund einer allgemein am Markt herrschenden Liquiditäts- oder Vertrauenskrise oft zu gleichem Zeitpunkt von finanziellen Schwierigkeiten betroffen sein können. Zwar besteht beim Auftreten von Liquiditäts- oder Solvenzproblemen die Möglichkeit für die Institute, deren Beitragspflicht hinauszuschieben.⁶⁶ Dies kann aber keine schnelle Linderung bieten, wenn die Beitragsausfälle und der dringend benötigte Kapitalbedarf gleichzeitig aufeinander treffen, wovon in realen Krisensituationen häufig auszugehen ist.⁶⁷ In solchen Fällen, wenn nämlich die außerordentlichen ex post Beiträge nicht ausreichend oder nicht unmittelbar verfügbar sind, können die Finanzierungsmechanismen auf sog. alternative Finanzquellen zurückgreifen und sich Fremdkapital durch Institute oder Dritte im Wege von Krediten oder sonstigen Zuwendungen am Markt beschaffen.⁶⁸ Falls auch diese Finanzierungsquelle ausgeschöpft ist, wird den Finanzierungsmechanismen als letzter Ausweg die Möglichkeit eingeräumt, die Finanzierungsmechanismen anderer Mitgliedstaaten, um eine Kreditgewährung zu ersuchen.⁶⁹ Dadurch soll die Krisenfestigkeit des Vgl. Art. 13 Abs. 3 S. 2 Del-VO 2015/63. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die Abwicklung an einem sog. resolution weekend erfolgen soll. Id. Vgl. Art. 104 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 BRRD. Vgl. Art. 104 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD. Vgl. Art. 104 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 BRRD. Vgl. Art. 104 Abs. 2 BRRD. Dafür sind konkrete Vorgaben in Art. 3 – 6 Del-VO 2016/778 enthalten. Danach ist ein Zahlungsaufschub von außerordentlich ex post erhobenen Beiträgen zu gewähren, wenn die Zahlung zu einem drohenden Verstoß innerhalb sechs Monate gegen die Mindesteigenmittelanforderungen gem. Art. 92 CRR, gegen die Liquiditätsdeckungsanforderung des Art. 412 Abs. 1 CRR oder gegen die besonderen Liquiditätsanforderungen des Art. 105 CRD-IV geführt hätte; vgl. Art. 3 Abs. 3 Del-VO 2016/778. Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, 2017, S. 259, 277. Vgl. Art. 105 BRRD i.V.m. Art. 44 Abs. 7 BRRD; für Deutschland siehe § 94 Abs. 2 SAG.Weder die BRRD noch die SRMR sehen eine Legaldefinition zum Begriff der alternativen Finanzierungsquellen vor. Vgl. Art. 106 Abs. 1, 3 BRRD i.V.m. Art. 99 lit. b BRRD.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
europäischen Systems der Finanzierungsmechanismen erhöht werden.⁷⁰ Zu diesem Zweck ist auch eine entsprechende Befugnis zur Kreditgewährung vorgesehen.⁷¹ Letzteres bleibt ohnehin eine Ermessensentscheidung des ersuchten Mitgliedstaates.⁷² In der Gesamtschau ergibt sich folgende abgestufte Finanzierung: Zunächst werden die ex ante erhobenen Beiträge eingesetzt. Wenn sie unzureichend sind, wird auf die außerodentlichen ex post Beiträge zurückgegriffen.Wenn sie nicht verfügbar sind, besteht die Möglichkeit einer Fremdkapitalbeschaffung. Wenn auch keine Kredite am Markt zu vertretbaren Bedingungen vergeben werden können, bleibt eine Kreditaufnahme von Finanzierungsmechanismen anderer Mitgliedsstaaten als Option bestehen.
Zweckbindung Die nationalen Abwicklungsfinanzierungsmechanismen sind trotz der sui generis Ausfallversicherung, die sie leisten, nicht mit Versicherungs- oder Garantiefonds zu verwechseln.⁷³ So ist ihre Nutzung zweckgebunden. Deren Mittel dürfen nur in dem für die wirksame Anwendung des Bail-in-Instruments oder der Übertragungsinstrumente erforderlichen Umfang, im Einklang mit den allgemeinen Abwicklungsgrundsätzen bzw. Abwicklungszielen und nur für bestimmte Zwecke in Anspruch genommen werden.⁷⁴ Ein direkter Rückgriff auf sie, mit dem Ziel Verluste einer Bank auszugleichen oder eine Bank zu rekapitalisieren, ist unzulässig.⁷⁵ Hiervon abweichend können sie aber zur Verlusttragung herangezogen werden, wenn bestimmte Verbindlichkeiten auf der Basis von ermessensgeleiteten Ausnahmebefugnissen vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgenommen werden und die daraus entstehenden Verluste nicht vollumfänglich auf die restlichen Gläubiger überwälzt werden können.⁷⁶ Die Mittel der nationalen
Vgl. ErwGr. 109 BRRD. Vgl. Art. 106 Abs. 2 BRRD. Aufgrund der damit verbundenen Haushaltsauswirkungen sollte eine Entscheidung über die Kreditgewährung an andere Finanzierungsmechanismen nur nach Anhörung des zuständigen Ministeriums oder mit dessen Zustimmung getroffen werden. Vgl. Art. 106 Abs. 3 BRRD. Vgl. Nieto/Garcia, The Insufficiency of Traditional Safety Nets: What Bank Resolution Fund for Europe?, LSE 2012, S. 25. Zulässige Zwecke sind u. a.: Die Besicherung der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten des abzuwickelnden Instituts, die Gewährung von Darlehen, der Erwerb von Vermögenswerten des abzuwickelnden Instituts, die Bereitstellung von Kapital für ein Brückeninstitut sowie für Entschädigungszahlungen an Anteilseigner oder Gläubiger. Vgl. Art. 101 Abs. 1 lit. a-h, Art. 100 Abs. 1 UAbs. 3 BRRD. Vgl. Art. 101 Abs. 2 BRRD. Vgl. Art. 101 Abs. 1 lit. f BRRD i.V.m. Art. 44 Abs. 4 BRRD.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
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Finanzierungsmechanismen fließen dann in die Schließung der nach der Haftungsausnahme von Gläubigerpositionen verbleibenden Kapitallücke. Dies dürfte der Hauptanwendungsfall von Abwicklungsfinanzierungsmechanismen im Zusammenhang mit der Anwendung des Bail-in-Instruments sein. Die BRRD ordnet an, dass der zuleistende Beitrag der Finanzierungsmechanismen aus ex ante oder ex post Beiträgen sowie aus alternativen Finanzierungsquellen aufgebracht werden kann.⁷⁷ Es ist dabei nicht zu übersehen, dass die vierte Mittelbeschaffungsmöglichkeit von Finanzierzierungsmechanismen, nämlich die Kreditaufnahme durch andere Mitgliedsstaaten, unerwähnt bleibt. Der fehlende Hinweis darauf legt die Vermutung nahe, dass der europäische Gesetzgeber eine Fallgestaltung verhindern wollte, in der die vom Bail-in verschonten Gläubigerpositionen von Finanzierungsmechanismen anderer Mitgliedsstaaten im Wege der Vergabe von Krediten übernommen werden. Dieser Standpunkt ist aber angesichts des freiwilligen Charakters der Darlehensvergabe im Rahmen des Art. 106 BRRD kaum vertretbar.Vielmehr wird mit dem Ausschluss der Möglichkeit einer Kreditaufnahme durch andere Mitgliedsstaaten der eigentliche Zweck der Einrichtung von Abwicklungsfinanzierungsmechanismen, nämlich die wirksame Anwendung des Bail-in-Instruments bzw. der Übertragungsinstrumente durch eine finanzielle Letztsicherung abzusichern, konterkariert.
Die 8 %-Mindestbeteiligung Die Inanspruchnahme von Finanzierungsmechanismen zur Deckung der nach der Schonung von bestimmten Positionen entstehenden Kapitallücke setzt zwingend voraus, dass die verbleibenden Anteilseigner und Glä ubiger zuvor einen Sanierungsbeitrag von mindestens 8 % der Gesamtverbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel (TLOF)⁷⁸ des betreffenden Instituts geleistet haben.⁷⁹ In dieser Mindestbeteiligung spiegelt sich der Grundsatz wieder, dass die Finanzierungsmechanismen erst nach der Anteilseigner- bzw. Gläubigerebene eingesetzt werden dürfen. Die Festlegung der 8-%igen-Grenze darf allerdings nicht als Obergrenze fehlinterpretiert werden, mit der Folge dass sich Bail-out-Erwartungen für darüber hinausgehende Verbindlichkeiten verfestigen.⁸⁰ So ist im Falle der Verwendung der Finanzmittel von Finanzierungsmechanismen zur Deckung der nach der
Vgl. Art. 44 Abs. 6 BRRD. Berechnet zum Zeitpunkt der Bail-in-Anordnung; vgl. Art. 20 Abs. 1– 15 SRMR, Art. 36 BRRD. Vgl. Art. 44 Abs. 5 lit. a BRRD. Für Deutschland siehe § 94 Abs. 1 SAG i.V.m. § 7a Abs. 3 RStruktFG. Vgl. Sachverständigenrat, Mehr Vertrauen in Marktprozesse, Jahresgutachten 2014/15, S. 188, Rn. 338.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Schonung von bestimmten Gläubigerpositionen entstehenden Kapitallücke nicht der gesamte Kapitalbedarf des abzuwickelnden Instituts damit abzudecken, sondern nur der Betrag, der der durch die Ausübung der ermessensgeleiteten Ausnahmebefugnisse im Einzelfall verbleibenden Kapitallücke entspricht.⁸¹ Daher ist in einem solchen Fall die bloße Erfüllung der 8 %-Grenze, um die Mittel der Abwicklungsfonds für den gesamten verbleibenden Kapitalbedarf zu nutzen, unzulässig.⁸² Abweichende Anforderungen gelten beim Einsatz von Finanzierungsmechanismen für die Abwicklung von kleineren Kreditinstituten mit Aktiva unter 900 Mio. EUR. Voraussetzung hierfür ist die Verlusttragung von Anteilseignern und Gläubigern in einer Höhe, die mindestens 20 % der risikogewichteten Aktiva (RWA) des betreffenden Instituts entspricht.⁸³ Das Abstellen auf die RWA anstelle der Gesamtverbindlichkeiten als Referenzgröße für die Ermittlung des Mindestbeitrags, den Anteilseigner und Gläubiger kleinerer Institute leisten müssen, ermöglicht gerade bei kleineren Instituten eine präzisere Abbildung des von ihnen eingegangenen Risikos u. a. durch das Erfassen von hochriskanten kleinvolumigen Geschäftsaktivitäten. Außerdem wird damit ein Gleichlauf mit den bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen sichergestellt, die auch im Verhältnis zu den RWA gemessen werden, was wiederum die Vorhesehbarkeit für Bankgläubiger fördern dürfte. Empirisch lässt sich feststellen, dass je kleiner und retailorientierter eine Bank ist, desto höher fällt der Anteil von RWA zu den Gesamtverbindlichkeiten aus.⁸⁴ Daher mag es im Hinblick auf die privilegierte Risikogewichtung von Staatsanleihen im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalunterlegung von Banken wenig überraschen, dass SIBIs und öffentliche Banken den geringsten Anteil von RWA an den gesamten Passiva aufweisen.⁸⁵ Ob diese abweichende Regelung eine zusätzliche Last oder eine Erleichterung für kleinere Banken darstellt, lässt sich nicht eindeutig voraussagen. Dies kann nur im einzelfallspezifischen Kontext beurteilt werden. Ihr kommt ohnehin keine große praktische Bedeutung zu, da sie im Rahmen des SRM nicht anwendbar ist.⁸⁶ Vgl. Kowolik, Das Bail-in-Instrument, 2018, S. 158. Vgl. Gardella, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, S. 373, 380 f. Zudem muss die durch ex ante erhobene Beiträge aufgebrachte Ausstattung des betreffenden Finanzierungsmechanismus mindestens 3 % aller gedeckten Einlagen im heimischen Finanzsektor entsprechen, bevor die Mittel des Finanzierungsmechanismus herangezogen werden dürfen. Vgl. Art. 44 Abs. 8 BRRD. Ausführlich dazu de Groen, „Total Assets“ versus „Risk Weighted Assets“: does it matter for MREL requirements?, European Parliament, S. 13 ff. Id. Vgl. Art. 27 Abs. 11 SRMR. Daher wurde auch keine entsprechende Regelung im RStruktFG aufgenommen.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
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Jedenfalls liegt die Obergrenze, bis zu der die Finanzierungsmechanismen eingesetzt werden können, in der Regel bei 5 % der TLOF des betreffenden Instituts.⁸⁷ In außergewöhnlichen Situationen ist aber auch eine höhere über die 5%ige Grenze hinausgehende Inanspruchnahme von Finanzierungsmechanismen möglich, wenn eine Fremdkapitalbeschaffung am Markt erfolgt ist oder wenn Mittel aus ex ante Beiträgen bereits vorhanden sind und wenn alle nicht besicherten und nicht bevorrechtigten Verbindlichkeiten, die keine berücksichtigungsfähigen Einlagen sind, vollständig herabgeschrieben oder umgewandelt worden sind.⁸⁸
II. Der SRF Um einerseits eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Abwicklungsfinanzierung sicherzustellen und andererseits die Haushaltslage einzelner Euro-Staaten und den Finanzierungskosten der dort ansässigen Banken aus ihrer Verwobenheit herauszulösen, legten die Euro-Staaten ihre nationalen Mechanismen mit der Einrichtung des SRF am 1. Januar 2016 zu einem gemeinsamen Fonds zusammen.⁸⁹ Im Rahmen der BRRD ist der SRF als ein nationaler Finanzierungsmechanismus der teilnehmenden Mitgliedstaaten anzusehen. Inhaltlich entsprechen die Vorgaben der SRMR zum SRF weitgehend denen der BRRD zu den nationalen Finanzierungsmechanismen. In funktionaler Hinsicht löste der SRF die nationalen Bankenabwicklungsfonds innerhalb der Europäischen Bankenunion fast vollständig ab. Die im SRM operierenden nationalen Abwicklungsfonds dienen grundsätzlich als Zwischenstellen für die Erhebung der nationalen Beiträge und deren Übertragung auf den SRF.⁹⁰ Von diesem Grundsatz wird nur insofern abgewichen, als die Anwendungsbereiche der BRRD und der SRMR nicht vollständig aufeinander abgestimmt sind. Somit wirken sich Diskrepanzen bei den von ihnen adressierten Instituten auch auf die Bestimmung der Beitragspflichten nach der BRRD (für die nationalen Abwicklungsfonds) oder nach der SRMR (für den SRF) aus. Konkret trifft dies bei nicht bedeutenden Unionszweigstellen⁹¹ sowie Wertpapierfirmen⁹²
Vgl. Art. 44 Abs. 5 lit. b BRRD. Für Deutschland s. § 94 Abs. 1 SAG i.V.m. § 7a Abs. 4 RStruktFG. Vgl. Art. 44 Abs. 7 BRRD. Für Deutschland s. § 94 Abs. 2 Nr. 2 SAG. Vgl. ErwGr. 19 SRMR. Vgl. Art. 67 Abs. 4 SRMR. Siehe Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 89 BRRD. Für sie findet auch die der BRRD ergänzenden Del-VO-2015/63 keine Anwendung. Vgl. ErwGr. 2 Del-VO-2015/63.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
zu, die nicht in den Anwendungsbereich der SRMR fallen, aber beitragspflichtig nach der BRRD sind.⁹³ Daher müssen für die Erhebung und Verwaltung der Beiträge von Unionszweigstellen und Wertpapierfirmen eigenständige Abwicklungsfonds auf nationaler Ebene vorgehalten werden. Ob der Fortbestand solcher nationalen „Mini-Abwicklungsfonds“⁹⁴ mit dermaßen eingeschränkter Finanzmittelausstattung eine glaubhafte Absicherung im Abwicklungsfall bietet, lässt sich zumindest bezweifeln. Die Ausstattung des SRF leisten in erster Linie die beitragspflichtigen Banken durch ex ante zumindest jährlich erhobene⁹⁵ Beiträge.⁹⁶ In Anlehnung an die EUweiten Vorgaben der BRRD kann der SRB unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anrechnung von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen bis zu einem Anteil von 30 % an den Gesamtbeiträgen im SRF zulassen.⁹⁷ Die auf nationaler Ebene erhobenen, ordentlichen Beiträge werden auf Unionsebene übertragen und während der achtjährigen Übergangsphase ihrer nationalen Herkunft entsprechend einzelnen Kammern zugewiesen.⁹⁸ Die nationalen Kammern wer-
So sind Wertpapierfirmen mit Stammkapital von über 730.000 EUR nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BRRD i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Art. 28 Abs. 2 CRR verpflichtet, Beiträge an den nationalen Abwicklungs-finanzierungsmechanismus zu leisten. Demgegenüber ist die SRMR enger gefasst: Nach Art. 2 lit. c SRMR i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. g SSMR sind lediglich diejenigen Wertpapierfirmen für den SRF beitragspflichtig, die als Teil einer Gruppe der direkten Aufsicht durch die EZB unterliegen. Vgl. Brandt/Güth, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, C. I. Rn. 8 ff. Dies hat u. a. zur Folge, dass auch die Ausnahme des Art. 44 Abs. 8 BRRD hinsichtlich der Mindestbeteiligung bei Anwendung des Bail-in-Instruments (20 % der RWA) für diese Institute in Frage kommt. Vgl. Brandt/Güth, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, C. I. Rn. 8. Vgl. Art. 67 Abs. 4, Art. 70 Abs. 1 SRMR mit Verweis auf Art. 2 SRMR. Das Verfahren sowie die Methoden, anhand denen die Beiträge berechnet werden, sind in den delegierten Rechtsakten der Kommission festgelegt. Die Erhebung der Beiträge auf nationaler Ebene, deren Einsammlung und Übertragung auf den SRF sind neben dem BRRD/SRMR-Rahmenwerk im zwischenstaatlichen Übereinkommen geregelt. S.o.: 1. Abschnitt, B., III. b. Vgl. Art. 70 Abs. 3 SRMR. Grundsätzlich liegt die Gewährung der Möglichkeit einer Anrechnung von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen im Ermessen des SRB. Abweichend hiervon ist der SRB während der achtjährigen Aufbauphase des SRF zur Genehmigung der entsprechenden Anträge der Institute verpflichtet. Vgl. Art. 8 Abs. 3 DfVO-2015/81. Vgl. Art. 79 UAbs. 2 SRMR sowie Art. 4 des zwischenstaatlichen Übereinkommens. Vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung der Beiträge v. 17. Dezember 2014, BGBI. II 2014, S. 1298. Näher dazu Busch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2015, 281, 301 ff.; Hanten/Hanten, Die neue Bankenabgabe, WM 2017, 649 – 655, 650.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
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den sukzessive vergemeinschaftet bzw. aufgelöst.⁹⁹ Die ex ante Beiträge setzten sich aus einem Pauschalbetrag, der auf der Grundlage der Verbindlichkeiten eines Instituts – ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen – ermittelt wird, und einem risikoadjustierten Beitrag zusammen, der auf der Grundlage des Kriterienkatalogs im Art. 103 Abs. 7 BRRD zum Risikoprofil errechnet wird.¹⁰⁰ Reicht die durch die ex-ante Beiträge aufgebrachte Summe nicht aus, um eine hinreichende Abwicklungsfinanzierung aufstellen zu können, werden als nächstes ex post Sonderbeiträge eingefordert.¹⁰¹ Die Berechnung ihrer Höhe erfolgt grundsätzlich in Übereinstimmung mit der Berechnung der ordentlichen Beiträge nach Art. 103 Abs. 4 bis 8 BRRD und Del-VO 2015/63¹⁰². Allerdings sind auch hier Besonderheiten zu beachten: Zunächst gilt für sie eine andere Deckelung;¹⁰³ zweitens kann ihre Entrichtung ganz oder teilweise um bis zu sechs Monaten aufgeschoben werden;¹⁰⁴ drittens sind sie von ihrer Konzeption her unvorhersehbar, da sie zu einem ex ante nicht bestimmbaren Zeitpunkt eingezogen werden und sich nach dem Refinanzierungsbedarf des SRF hinsichtlich der für einen konkreten Abwicklungsfall aufgewendeten Mittel richten.¹⁰⁵ Die Zielausstattung des SRF beträgt – im Einklang mit den EU-weiten BRRDAnforderungen – mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller zugelassenen Kreditinstitute in den am SRM teilnehmenden Mitgliedsstaaten und soll bis zum
Ausführlich zur sukzessiven Vergemeinschaftung der erhobenen Beiträge in: Art. 5 Abs. 1 lit. a des zwischenstaatlichen Übereinkommens. Vgl. Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 SRMR. Siehe auch ErwGr. 7 DfVO-2015/81. Der SRB errechnet die einzelnen Beiträge nach Anhörung der EZB (oder der NCA) und in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden, mit dem Ziel dass die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichtenden Beiträge nicht 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen. Vgl. Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 SRMR. Vgl. Art. 71 Abs. 1 UAbs. 1 SRMR. S. die jüngste Rechtsprechung des EuG, wonach Teile der Del-VO 2015/63 für nichtig erklärt wurden; s.o. Fn. 1293. Sie sind auf das dreifache des Jahresbetrags der ex ante erhobenen Beiträge begrenzt. Vgl. Art. 71 Abs. 1 UAbs. 2 SRMR; Art. 104 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD. Der Aufschub wird vom SRB zum Schutz der Finanzlage des Instituts gewährt und kann nach seinem Ablafu auf Antrag des Instituts erneurt werden. Vgl. Art. 71 Abs. 2 SRMR; Art. 104 Abs. 3 BRRD. Daher können ex post Beiträge nur von Instituten eingezogen werden, die zum Zeitpunkt der Abwicklungsanordnung in den Anwendungsbereich des SRB fallen. Ausführlich zur Frage, ob im Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme für außerordentliche Beiträge dieselben Regeln gelten wie für ordentliche Beiträge: EuG, Urteil v. 14. November 2019, SSB International GmbH gegen Banca d‘ Italia, C-255/18, ECLI:EU:C:2019:967, Rn. 59 ff.; Generalanwalt beim EuGH (Sánchez-Bordona), Schlussantrag v. 26. Juni 2019 – C-255/18, ECLI:EU:C:2019:539, BeckRS 2019, 12361, Rn. 81 ff.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Ende einer achtjährigen Aufbauphase, den 31. Dezember 2023, erreicht werden.¹⁰⁶ Der SRB kann allerdings eine auf jährlicher Basis höhere Zielausstattung für den SRF ansetzen, wenn dies z. B. aufgrund eines Anstiegs des Nenners (nämlich der gedeckten Einlagen in der Bankenunion) zur Erreichung der Zielausstattung am Ende der Aufbauphase erforderlich ist.¹⁰⁷ Dennoch werden dieser Flexibilität zugunsten des SRB gewisse Schranken mit dem Ziel gesetzt, eine zeitlich gleichmäßige Staffelung der jährlichen Beiträge zu gewährleisten. Demnach ist das jährliche Beitragsaufkommen während der Aufbauphase auf 12,5 % des Zielvolumens begrenzt.¹⁰⁸ Eine solche Begrenzung kennt die BRRD hingegen nicht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Zielausstattung und die 12,5 %ige-Vorgabe in Einklang miteinander zu bringen sind, insbesondere wenn die Erstere nicht ohne Verletzung der Zweiten zu erreichen ist. Dabei muss man zwischen folgenden Szenarien differenzieren: Für den Fall, dass die Zielausstattung unerreicht bleibt, weil Mittel des SRF während der Aufbauphase in Anspruch genommen werden, die einem Betrag von über 50 % seiner Zielausstattung entsprechen, besteht die Möglichkeit einer Verlängerung der Aufbauphase durch den SRB um bis zu vier Jahre.¹⁰⁹ Die während dieser Verlängerung erhobenen jährlichen Beiträge können über die 12,5-% ige-Grenze hinausgehen.¹¹⁰ Eine solche Flexibilität ist in sonstigen Fällen hingegen nicht vorhanden. Die SRMR enthält keine Vorgaben, die Situationen regeln, in denen zum Ende der achtjährigen Aufbauphase der Betrag der aufgebrachten Mittel unter der festgelegten Zielausstattung liegt, ohne dass Mittel des SRF eingesetzt worden sind bzw. wenn Mittel unter 50 % seiner Zielausstattung eingesetzt worden sind.¹¹¹ Nach der Del-VO 2017/747 hat der SRB in einem solchen Fall sicherzustellen, dass die ex ante erhobenen Beiträge so lange erhoben werden, bis die Zielausstattung erreicht ist.¹¹² Mit anderen Worten ist hierfür die Möglichkeit einer Überschreitung der 12,5-%igen-Grenze nicht vorgesehen.
Vgl. Art. 69 Abs. 1 SRMR. So legte der SRB die Zielausstattung des SRF für 2019 bei 1,15 % fest. Vgl. SRB, Informationsblatt – Beitragszeitraum 2019, S. 1 ff. Vgl. Art. 70 Abs. 2 SRMR i.V.m. Art. 69 Abs. 2 SRMR. Vgl. 69 Abs. 3 SRMR. Vgl. ErwGr. 6 S. 3 Del-VO 2017/747. Dabei handelt es sich um kein rein fiktives Szenario. Dies könnte durchaus der Fall sein, wenn z. B. die Einlagen in der Europäischen Bankenunion im Laufe der achtjährigen Übergangsphase erheblich zunehmen und der SRF nicht mit dem Tempo dieser Marktentwicklung mithält. Vgl. Brandt/Güth, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, C. I. Rn. 15. Vgl. ErwGr. 6 f. Del-VO 2017/747.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
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Anders ist der Fall zu beurteilen, in dem die Zielausstattung erstmals erreicht wurde und anschließend die verfügbaren Mittel infolge von Auszahlungen auf weniger als zwei Drittel der Zielausstattung abgeschmolzen sind.¹¹³ Der SRB muss dann sicherstellen, dass die genannten Beiträge in einer Höhe festgelegt werden, mit der die Zielausstattung binnen sechs Jahren erreicht werden kann. Dafür ist auch eine Überschreitung der 12,5-%-Grenze zulässig.¹¹⁴
Zweckbindung Der SRF steht im Eigentum des SRB und wird vom Letzteren ausschließlich zur Gewährleistung einer effizienten Anwendung des Bail-in-Instruments bzw. der Übertragungsinstrumente und der Ausübung der Abwicklungsbefugnisse verwaltet.¹¹⁵ Daraus folgt, dass auch die Nutzung der Fondsmittel zweckgebunden ist.¹¹⁶ In Übereinstimmung mit den EU-weiten Vorgaben der BRRD ist ein direkter Einsatz der Fondsmittel zum Ausgleich erlittener Verluste oder zur Rekapitalisierung eines Instituts nicht zulässig.¹¹⁷ Dennoch kann der SRB – soweit es im Abwicklungskonzept vorgesehen ist – die finanziellen Ressourcen des SRF im Rahmen der Anwendung des Bail-in-Instruments heranziehen, um die durch eine Haftungsausnahme verbleibende Kapitallücke zu schließen.¹¹⁸ Demnach erfolgt
Vgl. Art. 69 Abs. 4 SRMR. Vgl. ErwGr. 6 S. 5 Del-VO 2017/747. Vgl. Art. 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 SRMR i.V.m. Art. 75 Abs. 1 SRMR. Unter keinen Umständen sollen der Unionshalt oder die einzelstaatlichen Haushalte für Verluste oder Aufwendungen des SRF in die Pflicht genommen werden. Vgl. Art. 67 Abs. 2 S. 2 SRMR. Vgl. Art. 27 Abs. 6 SRMR, Art. 44 Abs. 4 BRRD. Die Mittel des SRF dürfen nur für folgende Zwecke herangezogen werden: Die Besicherung der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten des in Abwicklung befindlichen Instituts, eines Brückeninstituts oder einer für die Vermögensverwaltung gegründeten Zweckgesellschaft; die Gewährung von Darlehen an das in Abwicklung befindliche Institut, ein Brückeninstitut oder eine für die Vermögensverwaltung gegründete Zweckgesellschaft; den Erwerb von Vermögenswerten des in Abwicklung befindlichen Instituts; für die Bereitstellung von Kapital für ein Brückeninstitut und eine für die Vermögensverwaltung gegründete Zweckgesellschaft; Entschädigungszahlungen an Anteilseigner oder Gläubiger, falls sie nach einer Bewertung gem. Art. 20 Abs. 5 SRMR größere Verluste erlitten haben als sie nach einer Bewertung gem. Art. 20 Abs. 16 SRMR bei einer Liquidation im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens erlitten hätten (NCWO-Prinzip); Beitragsleistungen an das in Abwicklung befindliche Institut anstelle der Herabschreibung oder Umwandlung der Verbindlichkeiten bestimmter Gläubiger, wenn das Bail-in-Instrument angewandt wird und bestimmte Gläubiger vom Anwendungsbereich des Bail-in gemäß Art. 27 Abs. 5 SRMR ausgeschlossen bleiben; für eine beliebige Kombination dieser Maßnahmen. Vgl. Art. 76 Abs. 3 SRMR; 101 Abs. 2 BRRD. Vgl. Art. 18 Abs. 6 lit. c, Art. 76 Abs. 1 lit. f SRMR.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
die Verlustverteilung nach einem abgestuften Ansatz zunächst auf die Gläubiger, im zweiten Schritt auf den SRF und schließlich auf alternative Finanzierungsquellen¹¹⁹. Gegen die im Abwicklungskonzept vorgesehene Nutzung der Mittel des SRF kann die Kommission innerhalb von 24 Stunden Einwände erheben.¹²⁰ Zudem übt die Kommission bei der Inanspruchnahme des SRF auch eine Beihilfekontrolle aus. Wenngleich die SRF-Mittel aus dem Bankensektor und nicht aus den öffentlichen Haushalten stammen, erfolgt eine Finanzierung durch den SRF im Zusammenhang mit der Anwendung des Bail-in-Instruments oder der Übertragungsinstrumente nur nach Zustimmung der Kommission, als würde sie eine staatliche Beihilfe darstellen.¹²¹ Die Einstufung einer Unterstützung durch den SRF als staatliche Beihilfe dürfte allerdings am Kriterium der staatlichen Zurechenbarkeit scheitern, denn der SRB ist als Verwalter des SRF eine unabhängige Behörde, die im Interesse der Allgemeinheit handelt.¹²² Der eigentliche Zweck der Beihilfekontrolle durch die Kommission gem. Art. 19 SRMR besteht möglicherweise darin, zusätzliche Bedingungen an die Verwendung von Mitteln des SRF zu knüpfen.¹²³ Die Bedingungen, die von der Kommission aufgestellt werden können, umfassen ein ganz breites Spektrum von aufsichtsrechtlichen Anforderungen.¹²⁴ Im Einzelfall kann dies mit der Befugnis der Kommission konkurrieren,
Vgl. Art. 27 Abs. 9 SRMR; Art. 44 Abs. 7 UAbs. 1 BRRD. Vgl. Art. 18 Abs. 7 UAbs. 2, 5 SRMR. Vgl. Art. 18 Abs. 9 S. 3 SRMR, Art. 19 SRMR; ErwGr. 30, 75 S. 3 SRMR. Vgl. Hadjiemmanuil, Christos, Bank Resolution Financing in the Banking Union, LSE Law, Society and Economy Working Papers 6/2015, S. 28. Eine entsprechende Vorschrift ist in der BRRD nicht geregelt, könnte sich jedoch aus den Unterrichtungspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission gem. Art. 100 Abs. 6 lit. c-d BRRD i.V.m. dem allgemeinen Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht bei der Anwendung von Abwicklungsinstrumenten gem. Art. 34 Abs. 3 BRRD ergeben. Vgl. Art. 47 SRMR. Somit kann nicht von einer „staatlichen Zurechenbarkeit“ ausgegangen werden. Die Einstufung von Unterstützungen aus nationalen Finanzierungsmechanismen als staatliche Beihilfen dürfte hingegen daran scheitern, dass sie zur Erfüllung abwicklungsrechtlicher Vorgaben geleistet werden. Vgl. Zavvos/Kaltsouni, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Research Handbook on Crisis Management in the Banking Sector, 2015, 117, 130 ff.; Hadjiemmanuil, in: Binder/Singh (Hrsg.), Bank Resolution, 2016, 177, 198. Dazu zählen u. a.: Anforderungen in Bezug auf die Lastenteilung; Beschränkungen der Auszahlung von Dividenden aus Anteilen oder Coupons auf hybride Finanzinstrumente, des Rückkaufs eigener Anteile oder hybrider Finanzinstrumente, oder von Kapitalmanagementgeschäften; Beschränkungen des Erwerbs von Beteiligungen an Unternehmen entweder durch Übertragung von Vermögenswerten oder durch Übertragung von Anteilen; Verbot aggressiver Geschäftspraktiken oder -strategien oder der Werbung für Unterstützung aus öffentlichen Mitteln;
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
271
Einwände gegen die im Abwicklungskonzept vorgesehene Inanspruchnahme der SRF-Mittel zu erheben.
Abgestufte Finanzierung Wie bereits erwähnt, speist sich der SRF aus ordentlichen Beiträgen der dem SRB unterliegenden Institute. Diese Beiträge werden auf nationaler Ebene erhoben, auf EU-Ebene übertragen und zumindest im Laufe der achtjährigen Aufbauphase des SRF nationalen Kammern zugewiesen. Genügen jedoch die Mittel in der jeweiligen, nationalen Kammer nicht, können unter sukzessiv gelockerten, prozentualen Beschränkungen die in den anderen Kammern verbleibenden Mittel in Anspruch genommen werden.¹²⁵ Sind auch in den anderen Kammern keine ausreichenden Mittel vorhanden, können außerordentliche bzw. ex post Beiträge auf nationaler Ebene erhoben und vergemeinschaftet werden.¹²⁶ Für den Fall, dass die Beiträge der Institute insgesamt nicht ausreichend bzw. nicht unmittelbar verfügbar sind, besteht die Möglichkeit der Fremdkapitalbeschaffung am Markt.¹²⁷ Ein solcher Rückgriff auf sog. alternative Finanzierungsquellen soll nur unter außergewöhnlichen Umständen stattfinden und wenn die Obergrenze zum Einsatz des SRF erreicht ist sowie wenn alle nicht besicherten und nicht bevorrechtigten Verbindlichkeiten, die keine erstattungsfähigen Einlagen sind, vollständig herabgeschrieben oder umgewandelt worden sind.¹²⁸ Die jeweilige Ausgestaltung der Fremdkapitalfinanzierung sowie ihre Rechtsgrundlage dürften maßgeblich für die Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den Einsatz alternativer Finanzierungsquellen sein. In jedem Fall sind die durch Dritte gewährten Krediten oder Darlehen das innerhalb ihrer Laufzeit
Anforderungen hinsichtlich der Marktanteile, der Preisbildung und der Produktmerkmale oder andere das Verhalten betreffende Anforderungen; Anforderungen an Umstrukturierungspläne; Anforderungen an die Unternehmensführung; Anforderungen an Berichterstattung und Offenlegung, auch in Bezug auf die Einhaltung derjenigen Bedingungen, die von der Kommission festgelegt werden können; Anforderungen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Begünstigten oder aller oder eines Teils seiner Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten; Anforderungen im Zusammenhang mit der Liquidation des Begünstigten. Vgl. ErwGr. 30 SRMR. Vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b des zwischenstaatlichen Übereinkommens. Vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung der Beiträge v. 17. Dezember 2014, BGBI. II 2014, S. 1298. Vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. c des zwischenstaatlichen Übereinkommens. Vgl. Art. 73 Abs. 1 SRMR. Art. 72 Abs. 1 lit. c SRMR. Vgl. Art. 27 Abs. 9 SRMR, Art. 44 Abs. 7 UAbs. 1 BRRD. Vgl. ErwGr. 79 SRMR.
272
Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
durch nachträgliche Bankenabgaben in voller Höhe vom SRF zurückzuerstatten.¹²⁹ Ist jedoch der Kreditmarkt ausgetrocknet oder erfolgt die Fremdkapitalbeschaffung nur zu unvertretbaren Bedingungen, können Darlehen von Abwicklungsfinanzierungs-mechanismen von nicht teilnehmenden Staaten in Frage kommen.¹³⁰ In diesem Fall können EU-Mitgliedsstaaten, die aber keine EuroStaaten sind, auf Antrag des SRB Kredite an den SRF gewähren. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, auf öffentliche Finanzierungsfazilitäten zurückzugreifen.¹³¹ Mit der Gewährung von öffentlichen Kreditlinien soll jeder Mitgliedsstaat in einem konkreten Abwicklungsfall seine nationale Kammer im SRF unterstützen. Die Entscheidung darüber hängt aber nur von ihm ab (Haushaltsautonomie¹³²). Auf supranationaler Ebene kommt die Rolle einer finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln vorrangig dem ESM zu. So soll nach der Aufbauphase eine gemeinsame Letztsicherung beim ESM für den SRF entwickelt werden.¹³³
Die 8 %-Mindestbeteiligung Wie bei den nationalen Abwicklungsfonds setzt auch der Einsatz von SRF-Mitteln zwingend voraus, dass eine Mindestverlustbeteiligung der Anteilseigner und Gläubiger des abzuwickelnden Instituts i.H.v. 8 % der TLOF erfolgt ist.¹³⁴ Die durch den SRF bereitgestellten finanziellen Mittel sind – im Einklang mit den BRRDVorgaben – auf einen maximalen Betrag i.H.v. 5 % der TLOF des abzuwickelnden Instituts begrenzt.¹³⁵ Dieser Betrag ist durch die ex ante oder ex post Beiträge der beitragspflichtigen Institute sowie durch alternative Finanzierungsmöglichkeiten, aber jedenfalls nicht durch Darlehen von nationalen Abwicklungsfonds aufzubringen.¹³⁶ Eine Finanzierung über die 5 % Grenze hinaus bleibt weiterhin möglich, wenn noch Mittel aus bereits erhobenen Beiträgen vorhanden sind oder wenn die Mittel aus alternativen Finanzierungsquellen stammen.¹³⁷
Vgl. Art. 73 Abs. 2 SRMR. Vgl. Art. 72 SRMR. Vgl. Art. 74 SRMR. Vgl. Art. 67 Abs. 2 S. 2, Art. 6 Abs. 6 SRMR. Vgl. ECOFIN, Statement on Banking Union and bridge financing arrangements for the Single Resolution Fund, 884/15, v. 8. Dezember 2015. Vgl. Art. 27 Abs. 7 lit. a SRMR, Art. 44 Abs. 5 lit. a BRRD. Vgl. Art. 27 Abs. 7 lit. b SRMR, Art. 44 Abs. 5 lit. b BRRD. Für Deutschland s. § 94 Abs. 1 SAG i.V.m. § 7a Abs. 4 RStruktFG. Siehe fehlenden Hinweis in Art. 27 Abs. 8 SRMR. Vgl. Art. 27 Abs. 9 – 10 SRMR; Art. 44 Abs. 7 UAbs. 2 BRRD.
B. Rückgriff auf Bankenabwicklungsfonds
273
Insgesamt soll der SRF die Hauptquelle für Fremdfinanzierungen bei der Bankenabwicklung von Banken innerhalb der Bankenunion darstellen. Dennoch wird sein Eingriff durch die vorgeschriebene Grenze von 5 % der gesamten Verbindlichkeiten begrenzt, sofern nicht alle ungesicherten, nicht bevorzugten Verbindlichkeiten vollständig abgeschrieben wurden. Außerdem unterliegen alle Interventionsmöglichkeiten des SRF der absoluten Grenze, die durch seine insgesamt verfügbaren Ressourcen festgelegt wird. Schätzungen des SRB zufolge wird der SRF zum Ende der achtjährigen Aufbauphase über ein Volumen zwischen ca. 60 bis ca 70 Mrd. EUR verfügen.¹³⁸ Bis dahin sollen die Mitgliedsstaaten flankierend eine öffentliche Brückenfinanzierung leisten. Realistischerweise würde sich diese Mittelausstattung als unzureichend erweisen, um den Finanzierungsbedarf eines mittelgroßen Instituts im Abwicklungsfall zu decken, geschweige denn eine systemische Krise, in der mehrere Institute gleichzeitig SRFMittel benötigen würden.¹³⁹
Vgl. Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Renata Alt, Jens Beeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus, BT-Drucks. 19/6772 v. 28. Dezember 2018, S. 1. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Mittel des SRF sowohl für Eigenkapitalzufuhr als auch für Liquiditätszwecke verwendet werden können.
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten Die raison d’être eines speziell auf Banken zugeschnittenen Sanierungs- und Abwicklungsregimes ist staatliche Bail-outs so weit wie möglich vorzubeugen.¹⁴⁰ Es ist allerdings u. a. im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit ausfallenden (insb. italienischen) Banken zu bezweifeln, ob die Staaten sich ü berhaupt glaubwü rdig ex-ante auf ein regelbasiertes Vorgehen zum Umgang mit Bankeninsolvenzen verpflichten können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Entscheidungsträ ger in Krisensituationen, wenn nämlich der politische Druck wächst, vom Versprechen die Folgen der Fehler des Bankensektors nicht den Steuerzahlern aufzubü rden, zugunsten ad hoc Rettungsmaßnahmen ausweichen. In einigen Fällen kann dies auch aus volkswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sein, wenn davon auszugehen ist, dass das zuvor beschlossene Verfahren allein nicht mit hinreichend hoher Sicherheit das Auftreten einer Bankenkrise abwenden kann. Somit verbleibt immer ein Restrisiko von ad-hoc Bankenrettungen im Rahmen diskretionärer nationaler Staatseingriffe.
I. Staatliche Stabilisierungsinstrumente Daher sind mitgliedstaatliche Bail-outs auch im europäischen Bankenabwicklungsregime nicht kategorisch ausgeschlossen. Vielmehr sieht die BRRD im Regelfall eine Mischform aus Bail-in und nachfolgenden Bail-out vor, um Investoren und Glä ubiger an den Verlusten zu beteiligen und daher an den Risiken, die sie bewusst eingegangen sind, festzuhalten. Art. 37 Abs. 10, Art. 56 – 58 BRRD sehen die Möglichkeit eines solchen „kleinen Bail-out“ für Kreditinstitute vor, die die Abwicklungsvoraussetzungen erfüllen. Die staatlichen Stabilisierungsinstrumente umfassen ein Instrument der staatlichen Eigenkapitalunterstützung und ein Instrument der vorübergehenden staatlichen Übernahme. Die staatliche Eigenkapitalunterstü tzung erlaubt es dem ö ffentlichen Sektor in Eigenkapital des Instituts zu investieren.¹⁴¹ Bei der vorü bergehenden staatlichen Ü bernahme wird das Institut vorü bergehend in staatliche Eigentü merschaft ü berfü hrt.¹⁴² Für den Einsatz dieser Instrumente ist das Vorliegen folgender Voraussetzungen erforderlich: Zuallererst ist ihr Einsaz nur einer „sehr außergewöhnlichen Situation einer Krise“ vorbehalten. Zudem müssen sie unabdingbar zur Wahrung
Vgl. ErwGr. 1 BRRD. Vgl. Art. 57 Abs. 1 BRRD. Vgl. Art. 58 BRRD. https://doi.org/10.1515/9783110764437-013
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
275
der Finanzmarktstabilität sein und sind nur als letztes Mittel zulässig, nachdem das Bail-in und ggf. die Übertragungsinstrumente so umfassend wie möglich zur Sicherstellung der Finanzmarktstabilität erwogen und soweit zielführend eingesetzt wurden.¹⁴³ Es muss außerdem festgestellt werden, dass der Einsatz von Abwicklungsmaßnahmen nicht genügen würde, um erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu verhindern oder das öffentliche Interesse zu schützen, wenn das betreffende Institut zuvor ELA-Kredite in Anspruch genommen hat.¹⁴⁴ Hinzu tritt die Anforderung einer beihilfenrechtlichen Bewilligung durch die Kommission.¹⁴⁵ Der Einsatz von staatlichen Stabilisierungsinstrumenten ist nicht im SRM geregelt. Es liegt somit im Ermessen der Mitgliedsstaaten, die einschlägigen Vorschriften in ihr nationales Recht aufzunehmen oder nicht. Dabei ist jedenfalls der in Art. 6 Abs. 6 SRMR niedergelegte Grundsatz des Ausschlusses nationaler Transfers zum Zwecke der Abwicklungsfinanzierung zu beachten: „Beschlüsse oder Maßnahmen des Ausschusses, des Rates oder der Kommission dürfen weder von den Mitgliedstaaten die Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln verlangen noch die Haushaltshoheit oder die haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Auf dieser Grundlage hat Deutschland Art. 56 – 58 BRRD nicht in sein nationales Recht umgesetzt.¹⁴⁶
Die 8 %-Mindestbeteiligung Dem politischen Versprechen, die Folgen der Versäumnisse des Bankensektors nicht den Steuerzahlern aufzubü rden, wird nur insofern Rechnung getragen, indem die Anteilseigner und Glä ubiger zuvor einen Beitrag zur Sanierung des Instituts geleistet haben mü ssen. Dieser muss mindestens 8 % der TLOF des Instituts betragen.¹⁴⁷
Der Wortlaut des Art. 56 Abs. 3 BRRD ist insofern irreführend, als von „übrigen“ Abwicklungsinstrumenten die Rede ist. Die hier erörterten staatlichen Stabilisierungsinstrumente stellen keine Abwicklungsmaßnahmen nach Art. 38 ff. BRRD dar. Speziell in Bezug auf das Instrument der vorübergehenden staatlichen Übernahme muss die Anwendung des Bail-in-Instruments oder der Übertragungsinstrumente nach Ansicht der Abwicklungsbehörden nicht genügen, um das öffentliche Interesse zu wahren, nachdem eine Eigenkapitalunterstützung bereits gewährt wurde; vgl. Art. 56 Abs. 4 lit. a-c BRRD. Dies bedeutet, dass es subsidiär zum Instrument der staatlichen Eigenkapitalzufuhr Anwendung finden soll. Vgl. Art. 56 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 37 Abs. 10 lit. b BRRD sowie ErwGr. 57 S. 2 BRRD. Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 206, 217 f. Vgl. Art. 37 Abs. 10 lit. a BRRD.
276
Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
II. Außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln Wie bereits erlä utert wurde, bedeutet die Bereitstellung ö ffentlicher Mittel im Normalfall, dass das begünstigste Institut als ausfallend anzusehen ist, womit zugleich eine zentrale Abwicklungsvoraussetzung erfü llt ist. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Ö ffnungsklausel im EU-Abwicklungsrahmen für Banken verankert. Hiernach fü hrt eine außerordentliche finanzielle Unterstü tzung einer Bank durch den Einsatz ö ffentlicher Gelder ausnahmsweise nicht unmittelbar zur Einstufung der Bank als „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“.¹⁴⁸ Dies hat zur Folge, dass keine Mindestverlustbeteiligungsgrenze (8 %-Grenze) eingehalten werden muss. Von dieser Öffnungsklausel erfasst sind insbesondere drei Fallkategorien, die im Folgenden erörtert werden.
a) Staatliche Garantien für Liquiditätshilfe durch Zentralbanken Das europäische Bankenabwicklungsverfahren soll unter bestimmten Bedingungen nicht ausgelöst werden, wenn staatliche Garantien für Liquiditätsfazilitäten von Zentralbanken mit dem Ziel gewährt werden, Abhilfe bei einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats zu leisten und damit die Finanzstabilität im Falle vorübergehender Liquiditätsengpässe mit systemischem Ausmaß zu wahren. Hiervon erfasst sind jegliche Garantiemaßnahmen, die Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme von Instituten an den Refinanzierungsgeschäften des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB)¹⁴⁹ oder mit der Inanspruchnahme von Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA) decken. Somit soll die Notwendigkeit der Gewährung von ELA-Hilfen durch die nationale Zentralbank für sich genommen keinen hinreichenden Nachweis dafür darstellen, dass ein Institut ausfällt bzw. ausfallen wird.¹⁵⁰ Dennoch müssen solche Garantiemaßnahmen zeitlich streng begrenzt sein und dürfen nicht Teil eines größeren Hilfspakets sein.¹⁵¹ Zudem ist immer nach ihrer Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht zu prüfen. In ihrer Stellungnahme in Bezug auf Garantien des italienischen Staates für die Inanspruchnahme der ELA-
Vgl. Art. 18 Abs. 4 lit. d i.V.m. Art. 18 Abs. 4 UAbs. 2– 3 SRMR i.V.m. Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD i.V.m. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 2– 3 BRRD. Das ESZB setzt sich gem. Art. 282 Abs. 1 AEUV aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Eurozone zusammen. Vgl. ErwGr. 41 BRRD, ErwGr. 57 SRMR. Vgl. ErwGr. 41 BRRD, ErwGr. 57 SRMR.
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
277
Fazilität legte die EZB weitere Restriktionen fest:¹⁵² Zunächst müssen solche Maßnahmen möglichst kurzfristig angelegt sein. Zweitens müssen vom konkreten Einzelfall Gefahren für die Finanzstabilität ausgehen. Zudem darf es keine Zweifel an der Rechtsgültigkeit und Durchsetzbarkeit der Staatsgarantien nach geltendem nationalem Recht sowie an ihrer Angemessenheit bestehen, so dass die finanzielle Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken in vollem Umfang gewahrt bleibt.
b) Staatliche Garantien für neu emittierte Verbindlichkeiten Auch Garantien auf der Passivseite können in Schieflage geratenen Kreditinstituten über Liquiditätsengpässe hinweghelfen, ohne dass eine Abwicklung nach dem SRM/BRRD-Rahmenwerk ausgelöst wird. Solche Garantiezusagen sollen sicherstellen, dass die Institute sich am Interbankenmarkt oder über die Kapitalmärkte weiterhin refinanzieren können. In den Jahren von 2007 bis 2015 war die Liquiditätsbeschaffung mittels staatlicher Garantien die mit Abstand häufigste Form von staatlichen Beihilfen zur Stützung notleidender Kreditinstitut.¹⁵³ Die EU-Mitgliedstaaten ergriffen nach Angaben der Kommission Rekapitalisierungsmaßnahmen¹⁵⁴ i.H.v. 671 Mrd. EUR im Vergleich zu Garantiemaßnahmen i.H.v. 1,288 Mrd. EUR.¹⁵⁵ Auch wenn die Bedingungen für die Letzteren weniger streng sind,¹⁵⁶ werden auch an sie restriktive Anforderungen gestellt, die in der Bankenmitteilung von 2013 festgelegt
Vgl. EZB, Opinion on a guarantee scheme for the liabilities of Italian banks and on the exchange of lira banknotes v. 24 Januar 2012, CON/2012/4, Rn. 5. Das Ausmaß der Finanzkrise rechtfertigte die Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV. Damit sind vor allem die Eigenkapitalzufuhr sowie die rückzahlbaren Kredite gemeint. Vgl. Europäische Kommission, State aid to European banks: returning to viability, Competition – State aid brief, v. Februar 2015. Pressemeldungen zufolge genehmigte die Kommission allein am 26. Juni 2016 staatliche Liquiditätsgarantien für den italienischen Bankensektor i.H.v. ca. 150 Mrd. EUR. S. White, Bloomberg, EU Approves $166 Billion Liquidity Guarantee for Italy Banks, v. 30. Juni 2016. Im Gegensatz zu Rekapitalisierungs- und Entlastungsmaßnahmen, die erst nach Anmeldung eines Umstrukturierungsplans durch den betreffenden Mitgliedstaat und nach Genehmigung der Kommission gewährt werden dürfen, kann die Kommission Garantien und Liquiditätshilfen als befristete Rettungsbeihilfen bereits vor der Genehmigung eines Umstrukturierungsplans genehmigen. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung Rn. 56 S. 2. Dennoch muss innerhalb von zwei Monaten nach der Inanspruchnahme einer Garantie ein Umstrukturierungs- oder Abwicklungsplan vorgelegt werden. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung Rn. 59 lit. e.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
werden.¹⁵⁷ Demnach darf zunächst keine Kapitallücke in der Bilanz des begünstigsten Instituts ausgewiesen sein,¹⁵⁸ da für solche Fälle die Rekapitalisierungsmaßnahmen vorgesehen sind. Zudem dürfen zur Verhinderung einer Privilegierung der bereits bestehenden Anteilseigner- und Gläubigerpositionen keine nachrangigen Verbindlichkeiten Gegenstand einer Garantie sein. Nur neu begebene und vorrangig besicherte Verbindlichkeiten dürfen durch Garantien abgedeckt sein.¹⁵⁹ Darüber hinaus bedürfen Garantien eines angemessenen Entgelts vom Institut¹⁶⁰ sowie einiger Verhaltensmaßregeln¹⁶¹, so dass die Rettungshilfen auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben.¹⁶² In der Praxis werden die staatlichen Garantien für neu emittierte Verbindlichkeiten durch die Kreditinstitute zum Zweck der Teilnahme an den Refinanzierungsgeschäften der Zentralbanken instrumentalisiert. Da die Emission von Schuldtiteln mit dem unmittelbaren Ziel, sie als Sicherheiten bei der nationalen Zentralbank einzureichen, um Refinanzierungskredite zu erhalten, für die Kreditinstitute unzulässig ist (sog. Verbot der Eigennutzung notenbankfähiger Sicherheiten)¹⁶³, schalten sie den Staat in die Rolle des Garants ein und verwandeln die durch den Staat garantierten Schuldtitel in notenbankfähige Sicherheiten, die dann bei der Zentralbank für Refinanzierungskredite hinterlegt werden, ohne dass diese Schuldtitel je am Markt wirklich gehandelt wurden. Auf diese Art gelingt es den Mitgliedstaaten der Eurozone, den Umfang der verfügbaren Sicherheiten bei Liquiditätsengpässen für bestimmte Institute massiv auszuweiten. Eine derartige Vorgehensweise steht ohnehin im Widerspruch zu der originären Ziel-
Ausführlich in Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 59 – 60. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung Rn. 60 lit. a. Dabei unterscheidet die Kommission zwischen Schuldtiteln mit einer Laufzeit von drei Monaten bis zu fünf Jahren und gedeckten Schuldverschreibungen mit Laufzeiten von höchstens sieben Jahren. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung Rn. 59 lit. a-b. Vgl. ErwGr Nr. 57 SRMR, ErwGr. Nr. 41 BRRD; Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 59 lit. c mit Verweis auf die „Formel für das Garantientgelt“ im Anhang der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für Staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012, v. 1. Dezember 2011, S. 7. Unzulässig ist das Verfolgen aggressiver Geschäftsstrategien. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 59 lit. f. Der von der Kommission vorgebrachte BRRD-Entwurf (v. 6. Juni 2012, COM/2012/280/final) sah im Art. 27 Abs. 2 lit. d UAbs. 2 als zusätzliche Voraussetzung vor, dass die Garantiemaßnahmen für einen maximalen Zeitraum von drei Monaten entgegengenommen werden dürfen. Dennoch setzte sich die EZB mit ihrer Forderung nach einer mehrmonatigen Eingriffsmöglichkeit durch. Sonst könnten die Kreditinstitute unbegrenzte Mengen notenbankfähiger Sicherheiten erschaffen und sie für Refinanzierungszwecke nutzen. Dies käme einer de facto Aufhebung des Monopols des Eurosystems über das Geldangebot gleich.
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
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stellung der Bankenunion, den Risikoverbund aus Banken und Staaten (StaatenBanken-Nexus) aufzulösen bzw. zu lockern. Der EZB ist diese Umgehungstaktik bewusst. Als Reaktion darauf sprach sie mit einem Beschluss vom 20. März 2013 die Notenbankfähigkeit von solchen Schuldtiteln mit Wirkung vom 1. März 2015 ab.¹⁶⁴ Ihr Beschluss wurde allerdings rund zwei Wochen vor seinem geplanten Inkraftreten rückgängig gemacht.¹⁶⁵ Infolgedessen bilden staatlich garantierte hinterlegte Sicherheiten heute noch einen Großteil des Volumens notenbankfähiger Sicherheiten.¹⁶⁶ Diese Duldung seitens der EZB sowie ihre Vorgehensweise bei der Hereinnahme von Sicherheiten insgesamt werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur oft kritisiert.¹⁶⁷ Zur Einschränkung der Spielräume, worüber die Mitgliedstaaten bei der Hinterlegung von Sicherheiten verfügen, verkündete die EZB neulich, dass ab dem 1. Februar 2020 gedeckte Anleihen nur dann für die Eigennutzung zugelassen sind, wenn eine Bonitätsbeurteilung einer externen Ratingagentur (external credit assessment institutions – ECAI-Rating) bereits vorgenommen wurde.¹⁶⁸ Bislang können Bonitätsrisiken auch anhand hausinterner Bewertungsmodelle (in-house credit assessment systems – ICAS) eingeschätzt werden.
Vgl. EZB, Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 20. März 2013 über die Regelungen bezüglich der Verwendung von ungedeckten staatlich garantierten Bankschuldverschreibungen zur Eigennutzung als Sicherheiten für geldpolitische Operationen des Eurosystems (EZB/2013/6), Art. 1 Abs. 1. Vgl. EZB, Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 18. Februar 2015 zur Aufhebung des Beschlusses EZB/2013/6 über die Regelungen bezüglich der Verwendung von ungedeckten staatlich garantierten Bankschuldverschreibungen zur Eigennutzung als Sicherheiten für geldpolitische Operationen des Eurosystems und des Beschlusses EZB/2013/35 über zusätzliche Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten sowie zur Aufhebung von Artikel 1, 3 und 4 des Beschlusses EZB/2014/23 über die Verzinsung von Einlagen, Guthaben und Überschussreserven (EZB/2015/9), Art. 1 Abs. 1. Vgl. die Auflistung in Deutsche Bundesbank, Von den Geschäftspartnern der Deutschen Bundesbank hinterlegte Sicherheiten, Stand: 2019 Q2. Vgl. Nyborg, Collateral Frameworks: The Open Secret of Central Banks, 2016, S. 182 ff. fasst es wie folgt zusammen: „This reduces the role of markets and potentially enhances the role of politics“. Vgl. EZB, Leitlinie (EU) 2019/1032 vom 10. Mai 2019 zur Änderung der Leitlinie (EU) 2015/510 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2019/11); siehe insb. die geänderte Fassung des Art. 138 Abs, 3 lit. b der Leitlinie 2015/510. Dabei sind die Mindestanforderungen des Anhangs IXb der Leitlinie 2015/510 einzuhalten.
280
Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
c) Vorsorgliche Rekapitalisierung Die letzte Möglichkeit einer außerordentlichen finanziellen Unterstü tzung im Wege einer als Vorsichtsmaßnahme durchgefü hrten Rekapitalisierung (sog. precautionary recapitalization)¹⁶⁹ stellt die wohl umstrittenste und politisch brisanteste Ausnahme im gesamten europäischen Abwicklungregime dar. Sie gilt als ein „Bail-out durch die Hintertür“, der nur schwer mit der Zielsetzung des SRM/ BRRD-Rahmenwerks in Einklang zu bringen ist. Sie ist für Ausnahmefälle konzipiert Für Aufsehen über die gesamte Bankenbranche hinaus sorgte ihre praktische Anwendung bei der Kapitalbereitstellung für die italienische Banca Monte dei Paschi di Siena ¹⁷⁰ 2017. Weniger bekannt sind zwei andere Entscheidungen der Kommission am Ende 2015, bei denen sie sich ebenfalls auf die Ausnahme der vorsorglichen Rekapitalisierung berufen hatte. Beide Entscheidungen betrafen griechische Banken: Die National Bank of Greece ¹⁷¹ und die Piraeus Bank¹⁷². Um zu gewährleisten, dass die vorsorgliche bzw. vorbeugende Rekapitalisierung angemessen und entsprechend der Logik des Abwicklungsrahmens eingesetzt wird, wird sie zusätzlich zu den bereits (unter 2. Abschnitt, A. I. d.) diskutierten fünf restriktiven Bedingungen zur Gewährung außerordentlicher finanzieller Unterstüzungen aus öffentlichen Mitteln weiteren Bedingungen unterworfen, die kumulativ zu erfüllen sind. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass andernfalls die Gefahr droht, dass die Bail-outs ohne Verlustbeteiligung des privaten Sektors in der Abwicklungspraxis von der Ausnahme zur Regel werden und somit das mit einer Bail-in-Anwendung verfolgte Regelungsziel komplett verfehlt wird.¹⁷³ Vgl. ErwGr. 41 BRRD. Europäische Kommission, SA.47677 – Banca Monte dei Paschi di Siena, Decision not to raise objections, v. 4. Juli 2017. Siehe dazu: Binder, Systemkrisenbewältigung durch Bankenabwicklung?, ZBB 2017, 57, 68 ff.. Vgl. Europäische Kommission, State Aid SA.43365 – Greece – Amendment of the restructuring plan approved in 2014 and granting of new aid to National Bank of Greece, v. 4. Dezember 2015, C(2015) 8930 final, Rn. 182. Vgl. Europäische Kommission, State Aid SA.43364 – Greece – Amendment of the restructuring plan approved in 2014 and granting of new aid to Piraeus Bank, v. 29. November 2015, C(2015) 8626 final, Rn. 173. S. auch Götz/Krahnen/Tröger, Taking Bail-in Seriously, 2017, SAFE Policy Letter No. 54; Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 2015, S. 83, 93 ff.; Binder, in: Binder/Singh, Bank Resolution: The European Regime, 2016, Rz. 2.41, 2.42. Hierzu finden sich Ausführungen in Bankenmitteilung der Kommission von 2009: Die Mitteilung beschäftigte sich mit den wettbewerbsrechtlichen Implikationen staatlicher Unterstützungsleistungen an Institute, insbesondere nach der Insolvenz von Lehman Brothers. In ihr führt die Kommission unter anderem aus, wozu solche Leistungen dienen sollen. Ziel ist es nicht nur, solche „Banken (…) [zu
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
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Zunächst sind nicht alle finanziellen Unterstützungen vom Ausnahmetatbestand erfasst. Es muss sich bei der Stützungsmaßnahme um eine Eigenkapitalzuführung bzw. einen Ankauf von Kapitalinstrumenten handeln. So würde z. B. eine Übertragung von Vermögenswerten zu Preisen, die über den im Markt erzielbaren Preisen liegen, nicht unter die Ausnahmeregelung fallen, auch wenn sie per se eine Form von Kapitalunterstützung darstellt.¹⁷⁴ Zweitens muss sich die Kapitalzuführung auf das Schließen von Kapitallücken beschränken, die im Rahmen der szenariobasierten Stresstests der EBA in Zusammenarbeit mit der EZB sowie einer Bilanzüberprüfung (Asset Quality Review – AQR) festgestellt worden sind.¹⁷⁵ Dementsprechend erfolgten die von der Kommission zugelassenen Kapitalzuführungen i.H.v. 2,71 und 2,72 Mrd. EUR jeweils für National Bank of Greece und Piraeus Bank im Jahr 2015 und i.H.v. 8,1 Mrd. EUR für Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) im Jahr 2017 auf der Berechnungsgrundlage adverser Szenarien im Rahmen EU-weiter Banken-Stresstests.¹⁷⁶ Wie die Kommission in ihren Beschlüssen aufführte, seien aber nur diejenigen staatlichen Beihilfen als vorbeugende Rekapitalisierungen einzustufen, die eine im adversen Szenario festgestellte Kapitallücke decken, während Kapitalbedürfnisse, die sich aus dem Basisszenario eines Stresstests bzw. aus einer AQR ergeben, durch private Mittel zu decken sind.¹⁷⁷ Damit beabsichtigte die Kommission,
stützen], die aufgrund ihres Geschäftsmodells oder ihrer Investitionsstrategie von Insolvenz bedroht sind“, sondern auch grundsätzlich soliden Instituten, die ein zuverlässiges Geschäftsmodell verfolgen. Es geht also nicht nur um Krisenabwendung, sondern auch um Krisenprävention. Vgl. Europäische Kommission, Die Rekapitalisierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise, 15. Januar 2009, ABl. C 10/2. Vgl. Mesnard/Margerit/Magnus, Precautionary recapitalisations under the Bank Recovery and Resolution Directive: conditionality and case practice, European Parliament, 2017, S. 2. Art. 32 Abs. 4 UAbs. 3 BRRD. Zu den Anforderungen, die von der EBA an solchen Bewertungen bzw. Prüfungen gestellt werden, damit sie als Grundlage für Feststellung einer Kapitallücke dienen können, s. insb. Art. 9 – 14 der EBA, Guidelines on the types of tests, reviews or exercises that may lead to support measures under Article 32(4)(d)(iii) of the Bank Recovery and Resolution Directive, EBA/GL/2014/09, v. 22. September 2014. Ungeklärt ist die Frage, auf welcher Grundlage eine vorbeugende Rekapitalisierung gestützt werden könnte, wenn keine aktuellen Stresstests vorliegen. So beschloss die EBA aufgrund der Folgen der Pandemie den EU-weiten Stresstest 2020 auf 2021 zu verschieben und die europäischen Banken von diesem betrieblichen Aufwand zu entlasten; vgl. EBA, Statement on actions to mitigate the impact of COVID-19 on the EU banking sector, v. 12. März 2020. Ein Abstellen auf festgestellte Kapitallücken auf der Basis von Stresstests aus vergangenen Jahren ist aufgrund der dynamischen Marktbedingungen abzulehnen. Vgl. EBA, 2016 EU-Wide Stress Test Results, v. 29. Juli 2016, Figure 6, S. 15. Vgl. Europäische Kommission, Decision SA.43365, National Bank of Greece, Rn. 13 und Europäische Kommission, Decision SA.43364, Piraeus Bank, Rn. 13: „In order to qualify for a pre-
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
den Ausnahmecharakter der vorbeugenden Rekapitalisierung zu bewahren und ihren Anwendungsbereich einzuschränken. Sie legte aber zusätzliche Kriterien dafür fest, die weder in Art. 32 BRRD noch in den EBA-Leitlinien enthalten sind.¹⁷⁸ Dies ist insofern gerechtfertigt, als eine vorsorgliche Rekapitalisierung nicht dem Ausgleich von Verlusten dienen darf, die sich im Basisszenario eines Stresstests oder in einer AQR aufzeigen. Aus der von der Kommission gewählten Interpretation lässt sich jedoch folgende Regel ableiten: Fällt ein Institut bei einem Stresstest nach dem Basisszenario durch, kommt möglicherweise das Bail-in-Instrument zum Einsatz. Besteht aber das Institut das Basisszenario und fällt beim adversen Szenario durch, müsste eine vorbeugende Rekapitalisierung erwogen werden. Somit kommt der konkreten Ausgestaltung der Banken-Stresstests eine Schlüsselrolle bei der Feststellung des Abwicklungsfalls und der damit einhergehenden Haftungsverwirklichung im Zuge eines Bail-in zu. Dies ist kritisch anzusehen. Zwar können Banken-Stresstests als Indikatoren genutzt werden. Sie dürfen jedoch nicht als Grundlage für die Feststellung fungieren, ob ein Institut Verluste erleiden wird bzw. ausfallen wird, da sie nicht den Anforderungen einer fairen, vorsichtigen und realistischen Bewertung der Bilanzstruktur des betreffenden Instituts nach Art. 20 SRMR, Art. 36 BRRD entsprechen. Mit anderen Worten: Es darf nicht allein auf der Basis der Ergebnisse von Stresstests zu einer Bail-in-Anordnung kommen. Drittens darf sie kein Teil eines größeren Hilfspakets sein, woraus dem Kreditinstitut ein Vorteil gegenüber den Konkurrenten verschafft wird. Diese Voraussetzung einer Nicht-Begünstigung des empfangenden Instituts erscheint sehr streng formuliert zu sein. Es sind kaum Situationen denkbar, in denen ein Institut mit öffentlichen Mitteln rekapitalisiert wird und dies keine Begünstigung gegenüber seinen Konkurrenten darstellt. Hält man beim Wortlaut fest, würde jegliche Kapitalzufuhr, die nicht zu Marktwerten (oder höheren) erfolgt, außerhalb des Anwendungsbereichs einer vorsorglichen Rekapitalisierung fallen. Dies stünde aber im krassen Widerspruch zum Ziel einer derartigen Maßnahme, das genau darin besteht, einem Institut, das sich über den Markt nicht refinanzieren kann, Kapital bereitzustellen, ohne dass eine Abwicklung nach SRM/BRRD ausgelöst wird. Daher schränkte die Kommission in ihren Beschlüssen zu den zwei grie-
cautionary recapitalisation and thus avoid resolution, State aid can cover only the capital shortfall stemming from the adverse scenario of the stress test, while capital needs stemming from the AQR and baseline scenario have to be covered by private means“. Vgl. EBA, Guidelines on the types of tests, reviews or exercises that may lead to support measures under Article 32(4)(d)(iii) of the BRRD, v. 22 September 2014. Vgl. Champsaur, Venetian banks‘ liquidation: loophole or circumvention of EU rules?, IFLR 2016.
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
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chischen Kreditinstituten 2015 dieses Erfordernis zu Recht ein, indem sie die Verschaffung eines ungerechtfertigten (im Engl.: „undue“) Vorteils verlangte.¹⁷⁹ Viertens dürfen die objektiven Kriterien von Art. 32 a, b, c BRRD und die Bedingungen von Art. 59 Abs. 3 BRRD nicht erfüllt sein. Anders als bei den allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln wird hier explizit Bezug auf die Kriterien zur Feststellung eines (wahrscheinlichen) Ausfalls genommen. Dadurch soll verhindert werden, dass die im EU-Abwicklungsregime vorgesehene Haftungskaskade durchbrochen bzw. umgangen wird. Da diese Kriterien über einen einfachen Solvenz-Test hinausgehen, erübrigt sich eine zusätzliche Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva. Schließlich unterliegt die Gewährung einer vorsorglichen Rekapitalisierung der beihilfenrechtlichen Kontrolle der Kommission.
Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) Eigentlich dürfte man der Ausnahmeregelung einer vorsorglichen Rekapitalisierung mit Blick auf die vielschichtigen und sehr anspruchsvollen Voraussetzungen, die an sie gestellt werden, kaum einen praktischen Nutzen zuschreiben können. Dennoch bietet die Rekapitalisierung von MPS, der ältesten Bank der Welt, eine interessante Fallstudie dafü r, wie mithilfe der nationalen Spielräume die Ausnahme zum Regelfall werden kann und insolvenzgefä hrdete Banken am Leben gehalten werden, ohne dass der private Sektor im Rahmen einer Bail-inAnwendung zur Verlusttragung herangezogen wird. Tatsächlich wurde der Umgang mit dem italienischen Kreditinstitut als erste Bewährugnsprobe der Glaubwürdigkeit der neuen EU-Abwicklungsordnung angesehen. Dies war u. a. dem Umstand geschuldet, dass die MPS direkt von der EZB beaufsichtigt wurde. So liegt die Vermutung nahe, dass es die Glaubwürdigkeit des neuen Abwicklungsregimes gestärkt hätte, wenn es der Aufsicht gelungen wäre, durch Frühinterventionsmaßnahmen das Institut zu stabilisieren oder es durch eine Bail-in-Anwendung zu rekapitalisieren.¹⁸⁰ Aus einer Reihe von Gründen, deren Untersuchung nicht im Fokus dieser Arbeit liegt, hatte die MPS 2017 ca. 45 Mrd. EUR an notleidenden Krediten in ihren
Vgl. Europäische Kommission, Decision SA.43365, National Bank of Greece, Rn. 173 sowie Europäische Kommission, Decision SA.43364, Piraeus Bank, Rn. 164: „The Commission notes that the aid measures do not confer an undue advantage to the Bank“. Vgl. Philippon/Salord, Bail-ins and Bank Resolution in Europe, A Progress Report, Geneva Reports on the World Economy, 2017, 41 f.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Büchern¹⁸¹ und wies eine besonders schlechte Eigenkapitalausstattung auf ¹⁸². Die Situation verschlechterte sich seit 2008 Jahr für Jahr dramatisch. Trotz aller bereits gewährten Refinanzierungskredite durch die Banca d’Italia und Garantiemaßnahmen durch den italienischen Staat beantragte die MPS im Mai 2017 eine direkte Rekapitalisierung.Vor dem Hintergrund der politisch fragilen Situation nach dem Scheitern des Verfassungsreferendums am 4. Dezember 2016 und den Protesten beim Ausfall von vier Regionalbanken Ende 2015, wo es zu Verlusten für italienische Kleineinleger kam, sah sich die italienische Regierung gezwungen zu handeln. Eine Besonderheit des italienischen Bankensektors dürfte dabei eine gravierende Rolle gespielt haben. Schätzungen zufolge werden ca. 1/3 aller Bankanleihen mit einem Gesamtwert von über 600 Mrd. EUR und ca. 1/2 von allen Nachranganleihen mit einem Gesamtwert von über 60 Mrd. EUR von Kleinanleger gehalten.¹⁸³ Somit eröffnete die vorsorgliche Rekapitalisierung der italienischen Regierung die Möglichkeit italienische Haushalte und insbesondere die Inhaber nachrangiger Schuldtitel von der Verlusttragung nach der SRM/BRRD-Haftungskaskade auszunehmen. Die erforderliche Flexibilität war im EU-Beihilferecht, nicht aber im Bankenabwicklungsregime vorhanden.¹⁸⁴ Demnach erhob die Kommission im Rahmen ihrer Beihilfekontrolle auch keine Einwände gegen das Vorgehen der italienischen Regierung, Kleinanleger aus sozialpolitischen Gründen zu entschädigen. In der Literatur wird insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Probleme von MPS (angehäufte Bestände an notleidenden Krediten, wiederholt schwaches Abschneiden bei den vorangegangenen Banken-Stresstests usw.) der vorbeugende Charakter der Rekapitalisierung bezweifelt.¹⁸⁵ Zwar war eine Gefahr für die Finanzstabilität Italiens aufgrund der gestreuten Fremdkapitalstruktur von MPS sowie anderer Banken nicht unbegründet. Im Rahmen des Bankenabwicklungsregimes hätte man sich jedoch mit dieser Frage auseinandersetzen können, indem die zuständige Abwicklungsbehörde (im vorliegenden Fall der SRB) von den Ausnahmebefugnissen Gebrauch gemacht und bestimmte Gläubigerkategorien vom Bail-in-Instrument herausgenommen hätte. Eine Schonung von Privatanlegern aus sozialpolitischen Gründen ist hingegen nicht vorgesehen. Ande-
Zum unterschiedlichen Begriffsverständins von notleidenden Krediten durch IWF und Banca d’Italia s. Triantafyllakis, Italienische Banken: Wenn nicht alle Wege zum Bail-in führen, WM 2016, S. 2249 f. Vgl. EBA, 2016 EU-Wide Stress Test Results, v. 29. Juli 2016, Figure 6, S. 15. Vgl. IMF, Country Report No. 16/222, Italy, Juli 2016, S. 24 f. Siehe die Ausnahme in Europäische Kommission, Bankenmitteilung Rn. 45. Vgl. u. a. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2017/18, Rn. 435, S. 217 f.
C. Rekapitalisierung durch die Mitgliedstaaten
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renfalls droht die Verfestigung der Erwartung, dass die Glä ubigerhaftung selbst dann umgangen wird, wenn eine systemische Krise kaum zu befü rchten ist. Über die Frage hinaus, ob die hohen Hürden für eine vorsorgliche Rekapitalisierung im Fall von MPS tatsächlich vorlagen, stellt sich die weitere Frage nach der Glaubwürdigkeit des neuen EU-Bankenabwicklungsinstrumentariums. Die italienische Regierung rechtfertigte die nachträgliche Entschädigung für Kleinanleger mit dem Argument, dass die Anleger beim Kauf nachrangiger Anleihen nicht angemessen ü ber die damit verbundenen Risiken aufgeklä rt worden waren (sog. misselling).¹⁸⁶ Insofern scheint das SRM/BRRD-Rahmenwerk den nationalen (bankensektorspezifischen) Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung zu tragen. Insgesamt besteht bei der Ausnahmeregelung der vorsorglichen Rekapitalisierung ein hoher Verbesserungsbedarf, um die Verlä sslichkeit und Vorhersehbarkeit des Verfahrens zu verbessern. Dies räumte auch die Kommission in ihrem jüngsten Evaluationsbericht zum SRM/BRRD-Regelwerk ein.¹⁸⁷ Gerade in Krisensituationen wie die Coronapandemie erweist sich das Bankenabwicklungsregime mit seiner zwingenden Mindestverlustbeteiligung als zu starr. In solchen Fällen außergewöhnlicher exogener Schocks stellt die vorsorgliche Rekapitalisierung ein durchaus wirksames Instrument dar, das zur Abwendung negativer Auswirkungen auf die Realwirtschaft dienen kann.¹⁸⁸ Dies hat die Kommission in ihren jüngsten beihilferechtlichen Mitteilungen zur Eindämmung der Pandemie bestätigt.¹⁸⁹ Zwecks Einräumung der benötigten Flexibilität in absolut außerge-
S.o.: 2. Abschnitt, C. IV. „Die Kommission hat festgestellt, dass die Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung einer vorsorglichen Rekapitalisierung möglicherweise weiter klargestellt werden müssen, um Zeitnähe und die Koordinierung zwischen den jeweiligen Akteuren zu gewährleisten“; vgl. Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung und Überprüfung der Richtlinie 2014/59/EU (Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten) und der Verordnung 806/2014 (Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus), v. 30. April 2019, COM(2019) 213 final, 6. So auch Binder, Systemkrisenbewältigung durch Bankenabwicklung?, ZBB 2017, S. 57, 68. Grundsätzlich gegen die vorbeugende Rekapitalisierung Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 2013, S. 902, 956 ff. sowie Tröger, Zu kompliziert um zu funktionieren, ZBB 2018, S. 20, 27 ff. „Wenn Banken aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln […] in Form einer Liquiditäts-, einer Rekapitalisierungs- oder einer Entlastungsmaßnahme für wertgeminderte Vermögenswerte benötigen, muss geprüft werden, ob die jeweilige Maßnahme die Voraussetzungen des Artikels 32 Absatz 4 Buchstabe d Ziffer i, ii oder iii der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und des Artikels 18 Absatz 4 Buchstabe d Ziffer i, ii oder iii der SRM-Verordnung erfüllt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so wird die Bank, die solch eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erhält, nicht als Kreditinstitut betrachtet, das von einem Ausfall betroffen oder bedroht ist.“ Vgl.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
wöhnlichen Krisen darauf zurückgreifen zu können, empfiehlt es sich insbesondere das Solvenz-Kriterium und das Abstellen auf die Banken-Stresstests zu überdenken.
Europäische Kommission, Mitteilung – Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, 2020/C 91 I/01, ABl. C 91 I, v. 20. März 2020, Rn. 7. Diese Mitteilung wurde bereits zweimal aktualisiert; vgl. Europäische Kommission, Mitteilung – Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, 2020/C 2215, ABl. C 112I v. 4. April 2020 sowie Europäische Kommission, Mitteilung – Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, v. 8. Mai 2020, Rn. 17.
D. Der ESM als supranationaler Backstop Als Reaktion auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise richteten die Euro-Staaten mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) einen dauerhaften finanziellen Rettungsmechanismus ein, der bisher vor allem die Funktion eines lenders of last resort (LOLR)¹⁹⁰ für die Euro-Staaten erfüllt hat. Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag (ESMV)¹⁹¹ gegründet wurde ¹⁹² und dessen Mitglieder (derzeit) die 19 Euro-Staaten sind.¹⁹³ Das maximale Ausleihvolumen des ESM beträgt 500 Mrd. EUR.¹⁹⁴ Zudem verfügt er über ein Stammkapital i.H.v. ca. 705 Mrd. EUR.¹⁹⁵ Der
Herkömmlicherweise wird der LOLR-Begriff im Zusammenhang mit in Schieflage geratenen Kreditinstituten verwendet. Insbesondere in der Eurozone weisen allerdings der Interbanken- und der Staatsanleihenmarkt gewisse Parallelen auf. So können Zahlungsprobleme eines Eurostaates, die zu einem Vertrauensverlust und zum Verkauf von Staatsanleihen führen auch eine Liquiditätskrise in der gesamten (oder in Teilen der) Währungsunion in Gang setzen. Näher dazu De Grauwe, The European Central Bank as Lender of Last Resort in the Govern ment Bond Markets, CESifo Economic Studies, Vol. 59, 2013, S. 520 – 535. Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), v. 1. Februar 2012. Mit dem ESMV wurde im Art. 136 AEUV ein dritter Absatz angefügt: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen“. Der Deutsche Bundestag inkorporierte den ESMV durch das ESM-Zustimmungsgesetz in den deutschen Rechtsraum und nahm die Beteiligungsregeln eigenständig im ESM-Finanzierungsgesetz auf. Vgl. Gesetz zum Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus v. 13. September 2012, BGBI. II 2012, S. 981; Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus v. 13. September 2012, BGBI. II 2012, S. 1918. Der ESM ist die Nachfolgeeinrichtung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility – EFSF). Die EFSF besteht weiterhin, mit dem Ziel die früheren Programme abzuwickeln. Näher zu diesen komplexen Zusammenhängen: Forsthoff, Fünf Jahre ESM – Entwicklungsperspektiven, EuZW 2018, 108 ff. Nur Euro-Staaten dürfen Mitglieder des ESM sein. Vgl. Art. 1 Abs. 2 ESMV. Vgl. Art. 39 i.V.m. Art. 41 Abs. 2 ESMV sowie ErwGr. 6 ESMV. Aufgrund der ausstehenden Rückzahlungen aus den Stabilitätshilfen an Spanien, Zypern und Griechenland ist die Darlehenskapazität des ESM zurzeit lediglich zu ca. 18 % gebunden. S. auf die Website www.esm.euro pa.eu unter „Facts“ (zuletzt abgerufen am: 15. Januar 2021) sowie die Tabelle in: Zoppè/Dias, The European Stability Mechanism: Main Features, Instruments and Accountability, Economic Governance Support Unit, 2019, S. 5. Der ESM beschafft sich Mittel über die Emission von eigenen Anleihen. Vgl. Art. 3 S. 2 ESMV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 ESMV. Vgl. Art. 8 Abs. 1– 2 ESMV. Hiervon ist ca. 10 % von den Mitgliedstaaten direkt eingezahlt worden und der weitere 90 % kann erforderlichenfalls von den Mitgliedstaaten abgerufen werden. Zur Ermittlung der Gewichtsanteile der einzelnen Mitgliedsstaaten am Kapital des ESM stellt https://doi.org/10.1515/9783110764437-014
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Zweck des ESM besteht darin, seinen Mitgliedern unter „strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen“ eine finanzielle Stabilitätshilfe zur Verfügung zu stellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität der Eurozone insgesamt und ihrer Mitgliedsstaaten unabdingbar ist.¹⁹⁶ So wurden seit der Einrichtung des ESM Stabilitätshilfen i.H.v. ca. 295 Mrd. EUR gebilligt. Dieses Darlehensvolumen ist etwa zweieinhalb Mal so groß wie das vom IWF genehmigte Kreditvolumen im gleichen Zeitraum.¹⁹⁷ Im ESMV ist eine Reihe von Finanzhilfeinstrumenten vorgesehen, auf die der ESM zurückgreifen kann, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Konkret kann der ESM den Mitgliedsstaaten Darlehen¹⁹⁸ und vorsorgliche Finanzhilfen¹⁹⁹ gewähren, die von seinen Mitgliedern emittierten Anleihen auf dem Primär- oder dem Sekundärmarkt ankaufen,²⁰⁰ die Rekapitalisierung von Kreditinstituten über Darlehen an die Mitgliedsstaaten finanzieren (indirekt)²⁰¹ sowie Kreditinstitute unter bestimmten Auflagen direkt rekapitalisieren²⁰². Außerdem verfügt der ESMGouverneursrat über eine Änderungkompetenz, so dass er die Instrumentenliste überprüfen und anpassen kann.²⁰³ Die dem ESM zur Verfügung stehenden Instrumente weisen unterschiedliche Grade von Konditionalität auf. Auf der einen Seite des Spektrums gibt es die vorsorglichen Kreditlinien (credit lines), die sich auf Euro-Staaten mit grundsätzlich soliden Haushalten und Wirtschaftsdaten (fundamentally sound) beschränken und mit dem Ziel gewährt werden, ihnen den ununterbrochenen Zu-
Art. 11 Abs. 1 ESMV mit Verweis auf Art. 29 des Protokolls über die ESZB-Satzung auf den Beitragsschlüssel für die Zeichnung des Kapitals der EZB ab. Daraus ergibt sich für Deutschland ein Beitragsschlüssel i.H.v. ca. 27 %. Näher dazu im „Anhang I“ des ESMV. Dies entspricht 21,7 Mrd. EUR an eingezahltem und 168,3 Mrd. EUR an abrufbarem Kapital. Die Haftung eines jeden Mitgliedsstaates ist gem. Art. 8 Abs. 5 ESMV auf seinen Anteil am Stammkapital begrenzt. Demnach liegt das maximale Ausfallrisiko Deutschlands bei 190 Mrd. EUR. Bei Bedarf kann das genehmigte Stammkapital des ESM auch erhöht werden. Dafür ist ein einstimmiger Beschluss des ESMGouverneursrates erforderlich, der die Zustimmung der Mitgliedsstaaten nach den jeweiligen nationalen Verfahren voraussetzt. Art. 10 Abs. 1 ESMV. Vgl. Art. 3 S. 1 ESMV. S. auf die Website www.esm.europa.eu unter „Facts“ (zuletzt abgerufen am: 15. Januar 2021). Vgl. Art. 16 ESMV. Vgl. Art. 14 ESMV. Vgl. Art. 17– 18 ESMV. Vgl. Art. 15 ESMV. Vgl. ESM, Board of Governors Resolution, Meeting of 8 December 2014, Establishment of the instrument for the direct recapitalisation of institutions. Art. 19 ESMV. Die entsprechenden Beschlüsse sind im gegenseitigen Einvernehmen zu fassen. Vgl. Art. 5 Abs. 6 lit. i, Art. 4 Abs. 3 ESMV.
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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gang zu den Kapitalmärkten aufrechtzuerhalten.²⁰⁴ Der ESMV kennt zwei Formen von vorsorglichen Finanzfazilitäten:²⁰⁵ Die vorsorglich bedingte Kreditlinie (Precautionary Conditional Credit Line – PCCL) und die Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen (Enhanced Conditions Credit Line – ECCL).²⁰⁶ Zur Gewährung einer PCCL muss der antragstellende Mitgliedsstaat folgende Voraussetzungen erfüllen:²⁰⁷ (1). Er muss die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts²⁰⁸ sowie der Verpflichtungen des Verfahrens bei übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichten einhalten. (2). Seine Staats- und Auslandsverschuldung müssen tragfähig sein. (3). Er muss einen Nachweis (track record) über den Zugang zu den Kapitalmärkten zu angemessenen Bedingungen zwecks Refinanzierung erbringen und es dürfen keine Solvenzprobleme im heimischen Bankensektor vorhanden sein, die die Finanzstabilität im Euroraum gefährden könnten.²⁰⁹ Diese strengen Kriterien werden allerdings durch den vorliegenden Entwurf eines Änderungsvertrages zum ESMV (ESMV-E)²¹⁰ sowie den Entwurf für eine neue Leitlinie²¹¹ insofern verwässert, als verlangt wird, dass sie (nur) in der Regel („as a rule“) erfüllt sein müssen.²¹² Dadurch weitet sich der entsprechende Be-
Vgl. Art. 14 ESMV i.V.m. Art. 1 ESM Guideline on Precautionary Financial Assistance. Art. 14 ESMV; Die Zugangsvoraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung von vorsorglichen Finanzhilfen sind in einer ESM-Leitlinie festgelegt. Vgl. Art. 2 Abs. 1 ESM, Guideline on Precautionary Financial Assistance. Zur Abgrenzung der beiden Varianten, wonach die ECCL in Betracht kommt, wenn nicht alle Voraussetzungen der PCCL erfüllt sind, Bark/Gilles, Der ESM in der Praxis: Rechtsgrundlagen und Funktionsweise, EuZW 2013, S. 367, 369. Keine dieser Varianten ist allerdings in der Praxis bislang angewandt worden. Vgl. Art. 2 Abs. 2 ESM Guideline on Precautionary Financial Assistance. Wird das Vorliegen dieser Kriterien festgestellt und die Kreditlinie gewährt, überwacht die Kommission in Zusammenarbeit mit EZB deren fortwährende Einhaltung während der Programmlaufzeit.Vgl. Art. 2 Abs. 3 ESM Guideline on Precautionary Financial Assistance. Alle finanziell soliden Mitgliedsstaaten, die die Kriterien für eine PCCL nicht erfüllen, können die ECCL in Anspruch nehmen. Vgl. Art. 2 Abs. 4 S. 1 ESM Guideline on Precautionary Financial Assistance. Auch wenn er sich im Defizitverfahren befindet. Die Einhaltung dieser Kriterien ist auch nach der Gewährung der PCCL sicherzustellen. Art. 2 Abs. 3 ESM Guideline on Precautionary Financial Assistance. Vgl. ESM, DRAFT revised text of the treaty establishing the European Stability Mechanism as agreed by the Eurogroup v. 14. Juni 2019 (im Folgenden: „ESMV-E“). Vgl. ESM, Draft Guideline on Precautionary Financial Assistance v. 4. Dezember 2019. Vgl. Zif. 1 Annex III, Eligibility criteria for ESM precautionary financial assistance, ESMV-E; Art. 2 Abs. 2 ESM Draft Guideline on Precautionary Financial Assistance v. 4. Dezember 2019. Nach dem ESMV-E soll auch das Erfordernis des Abschlusses eines Memorandum of Understanding (MoU) entfallen. Stattdesssen muss der antragsberechtigte Eurostaat lediglich einen Letter of Intent (LoI) vorlegen, in dem seine „wirtschaftspolitische Strategie“ (policy strategy) skizziert wird. Vgl. Art. 3 Abs. 1 ESM Draft Guideline on Precautionary Financial Assistance v. 4. Dezember 2019 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 ESMV-E. Beim LoI handelt es sich um einen für den ESM neuen Terminus,
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
urteilungsspielraum der Entscheidungsträger aus, mit dem Ziel die Funktionalität der vorsorglichen Kreditlinien zu erhöhen.²¹³ Dies dürfte aber nicht ohne Konsequenzen für die Finanzierung von Banken in der Abwicklungsphase bleiben. Es ist nämlich durchaus vorstellbar, dass ein Mitgliedsstaat die PCCL zwecks Finanzierung laufender Abwicklungsverfahren beantragen würde. Jedenfalls werden die Hürden für die Inanspruchnahme von präventiven Kreditlinien durch den ESM herabgesetzt.²¹⁴ Auf der anderen Seite des Spektrums steht die Darlehensvergabe ²¹⁵ an ersuchende Mitgliedsstaaten, die im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms gewährt wird und das bislang am häufigsten eingesetzte Instrument darstellt.²¹⁶ Voraussetzung für die Auszahlung war die Verpflichtung der Empfängerstaaten zu konkreten Politik- bzw. Reformauflagen, die gem. Art. 12 Abs. 1 ESMV in einem Memorandum of Understanding (MoU) ausgehandelt und der lediglich bekannt aus der Praxis des IWF sein dürfte. Siehe dazu Gilles, Konditionalität der Finanzhilfen für die Euro-Staaten, Tübingen 2019, S. 137 f. Das Bestehen von Beurteilungsspielräumen räumt auch die Bundesregierung ein, die aber zum gegenteiligen Ergebnis kommt, dass insgesamt die Hürde für die Inanspruchnahme von vorsorglichen Kreditlinien durch die neuen Kriterien erhöht wird.“ Vgl. Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Drucksache 19/15519 – Geplante Reform des ESM insbesondere hinsichtlich Letztsicherung und kurzfristigen Kreditlinien, v. 13. Dezember 2019, S. 6. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Entschärfung des Erfordernisses, dass der beantragende Staat einen stabilen Bankensektor aufweisen muss. So ist im ESMV-E die Rede nicht mehr von „Abwesenheit von Solvenzproblemen im heimischen Bankensektor“, sondern lediglich von „Abwesehnheit von schwerwiegenden Schwachstellen“ („severe vulnerabilities“). Eine gewisse Einschränkung der damit eröffneten Beurteilungsspielräume soll das Heranziehen von quantitativen Referenzwerten bewirken, die die geltenden etwas abstrakter formulierten Fiskalkriterien zur Inanspruchnahme von vorsorglichen Kreditlinien ersetzen sollen. Demnach dürfen erstens das gesamtstaatliche Defizit des beantragenden Staates nicht 3 % seines BIP und zweitens sein Schuldenstand nicht 60 % seines BIP (es sei denn, er sank in den letzten zwei Jahren um mehr als 5 % des BIP jährlich) überschreiten. Drittens darf der gesamtstaatliche strukturelle Haushaltssaldo den sog. länderspezifischen „Minimum Benchmark“ nicht unterschreiten. Vgl. Zif. 1 lit. a Annex III, Eligibility criteria for ESM precautionary financial assistance, ESMV-E; Art. 2 Abs. 2 lit. a ESM Draft Guideline on Precautionary Financial Assistance v. 4. Dezember 2019. Vgl. Art. 16 – 18 ESMV. So haben bereits vier Euro-Staaten (Irland, Portugal, Griechenland und Zypern) ESM- bzw. EFSF-Kredite in Anspruch genommen. Irland erhielt in den Jahren 2010 – 2013 EFSF-Kredite i.H.v. 18,41 Mrd. EUR; Griechenland erhielt in den Jahren 2012– 2015 EFSF-Kredite i.H.v. 141,84 Mrd. EUR und in den Jahren 2015 – 2018 ESM-Kredite i.H.v. 61,93 Mrd. EUR; Portugal erhielt in den Jahren 2011– 2014 EFSF-Kredite i.H.v. 27,33 Mrd. EUR und Zypern erhielt in den Jahren 2013 – 2016 ESMKredite i.H.v. 6,30 Mrd. EUR. Für einen Überblick aller Programme siehe ESM, Programme Overview Dashboard, auf der Website: www.esm.europa.eu (Stand: 15. Januar 2021).
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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niedergelegt wurden.²¹⁷ Bevor eine Stabilitätshilfe gewährt wird, ist eine Schuldentragfähigkeitsanalyse in Zusammenarbeit mit dem IWF durchzuführen,²¹⁸ aus der sich die Notwendigkeit einer Privatsektorbeteiligung (private sector involvement – PSI) herausstellen kann. Dies war auch der Fall, als die zypriotische Regierung 2012 Finanzhilfen durch den ESM beantragte, nachdem die zwei größten heimischen Institute Bank of Cyprus und Laiki Bank of Cyprus in Schieflage geraten waren. Der ESM stimmte einer Darlehengewährung i.H.v. 9 Mrd. EUR²¹⁹ u. a. unter der Bedingung zu, dass Privatanleger sich an den Verlusten für die Restrukturierung der Banken Bank of Cyprus und Laiki beteiligen. Demnach wurden Aktien abgeschrieben und Bankeinlagen über 100.000 EUR in einem Verhältnis von 37,5 % in Eigenkapital umgewandelt.²²⁰ Angesichts des stark einzelfallbezogenen Charakters solcher PSI-Maßnahmen lassen sich keine verlässlichen Kriterien dazu aufstellen. Neben dem Instrument der Darlehensvergabe wurde bislang auch das Instrument der speziellen Darlehensvergabe zur Rekapitalisierung von Kreditinstituten (indirekte Rekapitalisierung) einmal durch den ESM eingesetzt, als im Juli 2012 ein 18-monatiges Programm mit einem maximalen Programmvolumen von bis zu 100 Mrd. EUR für Spanien beschlossen wurde.²²¹ Das Instrument der indirekten Rekapitalisierung wird grundsätzlich mit dem Ziel eingesetzt, drohende oder bestehende finanzielle Schwierigkeiten abzuwenden, die nicht im Zusammenhang mit der Fiskal- oder Konjunkturpolitik des Empfängerstaates stehen,
Die Auflagen können alle haushalts- und wirtschaftspolitischen Bereiche des Empfängerstaates betreffen. Vgl. Art. 13 Abs. 3 ESMV. Vgl. Art. 13 Abs. 1 lit. b ESMV. Näher dazu: Gilles, Die Konditionalität der Finanzhilfen für Euro-Staaten, 2019, S. 11 ff. Wovon 6,3 Mrd. EUR in Anspruch genommen wurden. Vgl. Europäische Kommission, The Economic Adjustement Programme for Cyprus, S. 39; Jack/ Cassels, Cyprus: an analysis of the impact of the resolution methodology on stakeholders’ claims including the emergency liquidity assistance, 8 Capital Markets Law Journal 2013, 450 – 463, 451. In Zypern wurden häufig Rentenansprüche einmalig ausgezahlt und in Bankeinlagen angelegt. Daher waren von der hoheitlich angeordneten Privatsektorbeteiligung nicht nur Großinvestoren betroffen. Vgl. Meek, The Depositor Haircut, James Meek reports from Cyprus London Review of Books, vol. 35 No. 9, v. 9. Mai 2013, S. 11 ff. Zu den Vorwürfen, dass ausländische und insbesondere russische Großinvestoren Geldwäsche über das zypriotische Bankensystem betrieben haben, siehe Michaelides/Orphanides, The Cyprus Bail-in: Policy Lessons from the Cyprus Economic Crisis, 2016, S. 113 ff. Vgl. Eurogruppe, Statement by the Eurogroup v. 20. Juli 2012. Dieser Finanzierungsrahmen wurde nicht ausgeschöpft. Denn bis zum Abschluss des Programms sind 41,3 Mrd. EUR an den spanischen Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria eingefloßen.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
sondern auf den Bankensektor selbst zurückzuführen sind.²²² Daher erfolgt das Darlehen jenseits der Einschränkungen und Auflagen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms.²²³ Das Darlehen wird an den antragstellenden Mitgliedsstaat ausgezahlt und ist vom Letzteren an das zu rekapitalisierende Institut oder einen Bankenrestrukturierungsfonds weiterzureichen.²²⁴ Die Auszahlung wird an folgende Bedingungen geknüpft: Zunächst muss der Empfängerstaat zunächst Nachweise dafür erbringen, dass weder privatfinanzierte Lösungen noch eine Rekapitalisierung der Institute durch eigene Mittel – wozu auch die Gläubigerbeteiligung zählt – möglich sind, ohne dass daraus zusätzliche Risiken für die Finanzstabilität oder die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen entstehen.²²⁵ Zudem muss der Empfängerstaat nachweisen, dass es sich um die Rekapitalisierung eines systemrelevanten Instituts handelt, dessen Ausfall die Finanzstabilität beeinträchtigen würde und dass er in der fiskalischen Lage ist, das Darlehen an den ESM zurückzuzahlen. Außerdem setzt die Gewährung des Darlehens voraus, dass dessen Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferahmen durch die Kommission bejaht wurde.²²⁶ Da das Darlehen von den antragsberechtigten Mitgliedsstaaten zurückgezahlt werden muss, erweist sich dieses ESM-Finanzhilfeinstrument als wenig attraktiv. Insbesondere für Mitgliedsstaaten mit einer hohen Schuldenquote dürfte dies keine Option sein. Außerdem verschärft sich dadurch das vieldiskutierte Problem des Staaten-Banken-Nexus.
I. Direkte Rekapitalisierung Um die sich gegenseitig verstärkenden Krisen im Bankensektor und in den öffentlichen Finanzen eines Mitgliedstaats voneinander zu entkoppeln, soll der ESM dazu befugt sein, Finanzhilfe direkt an das in Schwierigkeiten geratene Institut auszureichen. Zu diesem Zweck wurde unmittelbar nach der Einrichtung des SSM das ESM-Instrumentarium um das Direct Recapitalisation Instrument (DRI) ergänzt.²²⁷ Demnach werden die Kapitalspritzen direkt an die illiquiden
Vgl. Art. 1 Abs. 3 ESM, Guideline on Financial Assistance for the Recapitalisation of Financial Institutions v. 8. Oktober 2014 (im Folgenden: „ESM Guideline on indirect recapitalisation“). Id. Vgl. Art. 15 Abs. 1 ESMV. Vgl. Art. 3 Nr. 1 ESM Guideline on indirect recapitalisation. Vgl. Art. 15 Abs. 3 ESMV i.V.m. Art. 4 Abs. 4 ESM Guideline on indirect recapitalisation. Die Erweiterung erfolgte gem. Art. 19 Abs. 1 ESMV über einen entsprechenden Beschluss des ESM-Gouverneurats; vgl. ESM, Resolution adopted by the ESM Board of Governors, Establishment
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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Institute vergeben, ohne dass sie auf den Schuldenstand des Mitgliedsstaates, in dem sie ansässig sind, angerechnet werden.²²⁸ Die Mittel, die der ESM im Rahmen des DRI zur Verfügung stellen kann, werden auf 60 Mrd. EUR begrenzt.²²⁹ Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der Kreditgewährung an einen Staat ein deutlich geringeres Risiko als dem Erwerb von Stammaktien – wie im Falle der DRI-Fazilität²³⁰ – beigemessen wird.²³¹ Das DRI soll nur unter strengen Auflagen institutsspezifischer, sektorspezifischer oder gesamtwirtschaftlicher Natur eingesetzt werden, die in einem MoU mit den jeweils unterstützten Finanzinstituten sowie mit dem antragstellenden Mitgliedstaat niedergelegt werden. Die im Rahmen des DRI bereitgestellten Mittel sollen die Überlebensfähigkeit (going concern) des begünstigten Instituts sichern.²³² Eine Rekapitalisierung durch den ESM bleibt damit ausgeschlossen, wenn das Institut liquidiert werden soll.²³³ Dies soll allerdings weit interpretiert werden, sodass eine Rekapitalisierung von Brü ckeninstituten oder Zweckgesellschaften, auf die Teile des Instituts übertragen worden sind, weiterhin möglich bleibt.²³⁴ Im Übrigen werden Finanzmittel im Rahmen der DRI-Fazilität nur nach einer beihilfenrechtlichen Bewilligung der Kommission ausgezahlt.²³⁵ Die allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der DRI-Fazilität richten sich sowohl an die zu rekapitalisierenden Institute als auch an die Mitgliedsstaaten und sind im ESMV, im Beschluss des ESM-Gouverneursrats und in der vom ESM erlassenen DRI-Guideline²³⁶, enthalten. Demnach ist ein Institut nach dem DRI zu fördern, wenn i) es gegen die Eigenkapitalanforderungen ver-
of the instrument for the direct recapitalization of institutions, v. 8. Dezember 2014. Zu den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Aspekten siehe Calliess/Schoenfleich, Die Bankenunion, der ESM und die Rekapitalisierung von Banken, 70 JZ 2015, 113, 115 ff. Den Antrag hierfür müssen jedoch weiterhin die Mitgliedsstaaten stellen. Dadurch sollen ausreichende Mittel für den Einsatz der anderen Instrumente übrigbleiben; vgl. ESM, FAQ on the ESM direct recapitalisation instrument v. 8. Dezember 2014, S. 5, Frage Nr. 16. Vgl. Art. 10 Abs. 1– 2 ESM-Guideline on Financial Assistance for the Direct Recapitalisation of Institutions v. 8. Dezember 2014 (im Folgenden: „ESM DRI-Guideline“). Aufgrund des höheren Risikos würde die Gewährung von 1 EUR im Rahmen der DRI-Fazilität die Kreditvergabekapazität des ESM um deutlich mehr als 1 EUR verringern. Vgl. ESM, FAQ on the ESM direct recapitalisation instrument v. 8. Dezember 2014, S. 5, Frage Nr. 17. Dafür soll der ESM zusammen mit dem gefö rderten Institut, dem antragstellenden Mitgliedstaat und nach Konsultation mit der EZB und der zustä ndigen Abwicklungsbehö rde einen Restrukturierungsplan erstellen. Vgl. Art. 4 Abs. 5 ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 2 Abs. 3 ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. c ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 5, 6 ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 1 Abs. 1, 4 und Art. 3, 4 ESM DRI-Guideline.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
stößt bzw. zu verstoßen droht;²³⁷ ii) der festgestellte Kapitalbedarf nicht durch die bestehenden Anteilseigner bzw. Gläubiger oder durch die Anwendung des Bail-inInstruments gedeckt weden kann;²³⁸ iii) es sich um ein systemrelevantes Institut oder ein Institut handelt, dessen Ausfall die Finanzstabilität in der gesamten Eurozone oder im antragstellenden Mitgliedstaat gefährden könnte;²³⁹ iv) die DRIFazilität zur Sicherstellung der Finanzstabilitä t in der gesamten Eurozone oder im antragstellenden Mitgliedstaaten unverzichtbar ist;²⁴⁰ v) der antragstellende Mitgliedstaat nicht in der Lage ist, Finanzhilfe an das Institut ohne sehr negative Auswirkungen auf seine eigene fiskalische Nachhaltigkeit zu leisten²⁴¹.
Die 8 %-Mindestbeteiligung Daraus lässt sich ableiten, dass das DRI nur quintär in Betracht kommt: Zunächst müssen Anteilseigner und Gläubiger des zu rekapitalisierenden Instituts einen Mindestbeitrag von 8 % seiner TLOF leisten.²⁴² An zweiter Stelle ist der Bankensektor im Wege der nationalen Abwicklungsfonds bzw. des SRF mit einem Beitrag von bis zu 5 % der TLOF des zu rekapitalisierenden Instituts einzuspringen. Drittens müssen jegliche mitgliedsstaatlichen Bail-out-Maßnahmen sowie viertens die supranationale indirekte Rekapitalisierung durch den ESM ausgeschöpft sein. Erst nach Erwägung aller dieser Möglichkeiten darf das DRI als ultima ratio zum Einsatz kommen.²⁴³ Hinzu kommt eine weitere Hürde: Neben dem ESM muss auch der beantragende Mitgliedsstaat einen eigenen Kapitalbeitrag zur Rekapitalisierung des Instituts leisten.²⁴⁴ Dieses Erfordernis ist schwer mit der obigen Voraussetzung von fehlenden eigenen Mitteln (unter v.) in Einklang zu bringen und dürfte die Einsatzmöglichkeiten des DRI weiter beschränken. Im Übrigen darf
Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a ESM DRI-Guideline. id. Die Systemrelevanz ist gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b ESM DRI-Guideline in erster Linie anhand der Größe, der Verflechtungen, der Komplexität und der Substituierbarkeit der vom Institut erbrachten Leistungen zu beurteilen. Das Institut wird der Aufsicht durch die EZB unterworfen, wenn es bislang durch die nationale Aufsichtsbehö rde ü berwacht wurde. Vgl. Art. 4 Abs. 2 ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. b ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. a ESM DRI-Guideline. Vgl. Art. 8 Abs. 3 Nr. i ESM DRI-Guideline. Vgl. Hadjiemmanuil, Bank resolution financing in the Banking Union, LSE Law, Society and Economy Working Paper No. 6, 2015, S. 30 f. Vgl. Art. 9 ESM DRI-Guideline.
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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das DRI nicht als vorbeugende Rekapitalisierung nach Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD, Art. 18 Abs. 4 lit. d SRMR eingesetzt werden.²⁴⁵ Die restriktiven Anforderungen, die das zu rekapitalisierende Institut und der antragstellende Eurostaat für die Inanspruchnahme der DRI-Fazilität erfüllen müssen sowie die zahlreichen prozessualen Hürden, die dem DRI-Einsatz gegenüberstehen,²⁴⁶ lassen Zweifel an seiner praktischen Tauglichkeit aufkommen.²⁴⁷ Aufgrund der ihm inhärenten Defizite soll nun das DRI nach dem vorliegenden Entwurf eines Änderungsvertrages zum ESMV (ESMV-E),²⁴⁸ zugunsten eines neuartigen Letztsicherungsinstruments für den SRF abgeschafft werden.²⁴⁹
II. Common Backstop Bereits Ende 2013 hatten die Eurogruppe²⁵⁰ und der EcoFin-Rat²⁵¹ mit Blick auf die begrenzte Volumenkapazität des SRF in Aussicht gestellt, dass Letzterer zumindest während der achtjährigen Aufbauphase im Wege einer Brückenfinanzierung durch den ESM abgesichert werden soll.²⁵² Dennoch wurde unter dem Druck einiger Mitgliedsstaaten (darunter auch Deutschlands) gegen eine solche Brückenfinanzierung durch den ESM und für nationale Kreditlinien entschieden. Demgegenüber hielt die Kommission an ihrem Kurs für eine mit gemeinsamen
Vgl. Art. 8 Abs. 1 ESM DRI-Guideline. So beteiligen sich an der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der DRI-Fazilität bis zu fünf unterschiedliche Entscheidungsträger: Die Kommission, die EZB, der Geschäftsführende Direktor des ESM, die zuständige nationale Abwicklungsbehörde und ggf. auch der IWF. Vgl. Art. 4 Abs. 2 ESM DRI-Guideline. Vgl. Hadjiemmanuil, Bank resolution financing in the Banking Union, LSE Law, Society and Economy Working Paper No. 6, 2015, S. 34: „The DRI is thus relegated almost to a footnote in the Banking Union’s overall design“, Vgl. ESM, DRAFT revised text of the treaty establishing the European Stability Mechanism as agreed by the Eurogroup v. 14. Juni 2019. Vgl. ESM, DRAFT Board of Governors Resolution for annulment of the instrument for the direct recapitalisation of institutions v. 6. Dezember 2019. Die Eurogruppe ist ein informelles Gremium, in dem die MinisterInnen aus den Euro-Staaten über jegliche Fragen zur gemeinsamen Währung beraten, mit dem Ziel die Wirtschaftspolitik der Euro-Staaten zu koordinieren. Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (Economic and Financial Affairs Council – EcoFin) ist das zentrale Koordinierungsorgan auf EU-Ebene für die Bereiche Wirtschaftspolitik, Steuerfragen und Regulierung von Finanzdienstleistungen. Er setzt sich aus den Wirtschafts- und FinanzministerInnen aller EU-Mitgliedstaaten zusammen. Vgl. Eurogruppe & EcoFin, Statement of Eurogroup and ECOFIN Ministers on the SRM backstop, v. 18. Dezember 2013.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Mitteln ausgestattete Letztsicherungsfazilität fest. In Anbetracht seiner gewaltigen Darlehenskapazität sowie seines praxiserworbenen Wissens in der Finanzierung von Staaten stellt der ESM aus der Sicht der Kommission die am besten geeignete Institution für die Übernahme der Backstop-Funktion für die Bankenabwicklung dar. Somit unterbreitete die Kommission Ende 2017 im Rahmen ihres „Fahrplans für die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas“ den Vorschlag,²⁵³ den bislang intergouvernemental ausgestaltete ESM in einen Europäischen Währungsfonds (European Monetary Fund – EMF) weiterzuentwickeln und in das supranationale Unionsrecht zu überführen.²⁵⁴ Dieser Vorschlag wurde aber vorerst auf Eis gelegt. Stattdessen wurde im Dezember 2018 eine weniger ambitionierte Vereinbarung in der Eurogruppe zu den politischen Eckpunkten für eine Reform des ESM abgeschlossen.²⁵⁵ Im Juni 2019 verständigte sich die Eurogruppe²⁵⁶ auf den überarbeiteten ESMV (ESMV-E) und im Dezember 2019 wurde auch eine grundsätzliche Einigung über die flankierenden Leitlinien herbeigeführt. Dennoch steht eine endgültige Einigung aufgrund einiger noch zu klärenden rechtlichen Fragen noch aus.²⁵⁷
Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Einrichtung des Europäischen Währungsfonds v. 6. Dezember 2017, COM(2017), 821 final. Ausführlich dazu Gros/Mayer, How to deal with sovereign default in Europe: Create the European Monetary Fund now!, CEPS Policy Brief No. 202, 2010; Hofmeister, From ESM to EMF and Back: A Critical Analysis of the Euro Area Reform Proposals, Swiss Review of International and European Law 2019, S. 367 ff.; Nettesheim, in: Binder/Psaroudakis (Hrsg.), Europäisches Privatund Wirtschaftsrecht in der Krise, 2018, S. 29. Siehe auch den 2010 unterbreiteten Vorschlag vom damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds nach dem Vorbild des IWF: Dams, Schäuble liebäugelt mit einem EU-Währungsfonds,WELT v. 7. März 2010: „Dabei sollten wir keine Vorschläge von vornherein ausschließen, auch nicht die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds. Wir planen keine Konkurrenzinstitution zum Internationalen Währungsfonds, aber für die innere Statik der Eurozone brauchen wir eine Institution, die über die Erfahrungen des IWF und über analoge Durchgriffsbefugnisse verfügt. Dazu werde ich in Kürze Vorschläge machen.“ Vgl. Eurogruppe, Eurogroup report to Leaders on EMU deepening, Pressemitteilung v. 4. Dezember 2018; siehe auch die Anlagen: „Terms of reference of the common backstop to the Single Resolution Fund“ sowie „Term sheet on the European Stability Mechanism reform“. Anschließend wurde die Einigung in der Eurogruppe vom darauffolgenden Euro-Gipfel gebilligt.Vgl. Euro-Gipfel, Erklärung v. 14. Dezember 2018, 530/18, Ziff. 1 f. Vgl. Eurogruppe, Eurogroup agrees term sheet on euro-area budgetary instrument and revised ESM treaty, Pressemitteilung v. 15. Juni 2019. Siehe auch die Billigung durch den Europäischen Rat auf dem darauffolgenden Euro-Gipfel: Euro-Gipfel, Erklärung v. 21. Juni 2019, 502/19, Ziff. 1. Vgl. Eurogruppe, Remarks by Mário Centeno following the Eurogroup meeting of 16 March 2020, „On the Treaty, back in December we reached an agreement – in principle – on all elements related to the ESM reform, but a left a few legal issues to be clarified. Work done by our deputies
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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Die wohl wichtigste Änderung, die im ESMV-E vorgesehen ist, ist die Einrichtung einer gemeinsamen Letztsicherung („Common Backstop“ bzw. „Backstop“) für den SRF beim ESM. Demnach soll der ESM (Ende der Aufbauphase des SRF)²⁵⁸ am untersten Rand der Haftungskaskade als finanzielle Absicherung für den SRF fungieren und den SRB bei der Anwendung des Bail-in-Instruments bzw. der Übertragungsinstrumente sowie bei der Ausübung seiner Abwicklungsbefugnisse unterstützen.²⁵⁹ Die Unterstützung soll in Form einer revolvierenden Kreditlinie mit Kreditlaufzeiten von drei Jahren erfolgen.²⁶⁰ Für die Inanspruchnahme der Letztsicherung soll der SRB verpflichtet sein, dem ESM Zinsen und Gebühren zu zahlen, welche die Kosten der Letztsicherung inklusive einer angemessenen Marge abdecken sollen.²⁶¹ Die im Rahmen der Letztsicherung als Kreditlinie des ESM an den SRF bereitgestellten Mittel sind in zweierlei Hinsicht begrenzt: Zum einen durch die nominale Obergrenze, die vom Gouverneursrat einstimmig festgelegt wird und das verfügbare maximale Volumen begrenzt;²⁶² zum anderen durch das maximale Volumen, das bei der Gewährung der Finanzhilfe im Rahmen der Letztsicherungsfazilität im Einzelfall einstimmig durch das ESM-Direktorium bestimmt wird.²⁶³ Auf der Grundlage des vereinbarten Gleich-
clears up our remaining open issues. I am confident that we will be able to close this big chapter shortly.“ Maßgeblich für die Bestimmung des genauen Zeitpunkts für den Einsatz der ESM-Backstopfunktion ist die Bewertung darüber, ob und in welchem Umfang eine Risikoreduzierung in den Bilanzen der Kreditinstitute in der Eurozone in Form vom NPL-Abbau oder Aufbau von ausreichenden MREL-Quoten erfolgt ist. Vgl. Eurogruppe, Terms of reference of the common backstop to the Single Resolution Fund, v. 4. Dezember 2018, S. 4. Vgl. Art. 3 Abs. 2 ESMV-E i.V.m. Art. 18 A ESMV-E sowie Art. 1 ESM – Draft guideline on the backstop facility to the SRB for the SRF v. 4. Dezember 2019 (im Folgenden: „Draft ESM-Backstop guideline“). Im Rahmen dieser Reform wird auch eine entsprechende Anpassung des intergouvernementalen Abkommens (intergovernmental agreement, IGA) zum SRF angestrebt. Vgl. Art. 18 A Abs. 2 ESMV-E, Art. 2 Abs. 1 Draft ESM-Backstop guideline i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Draft ESM-Backstop guideline. Die Laufzeiten können auf Antrag des SRB durch das ESM-Direktorium um bis zu zwei Jahren verlängert werden. Vgl. Art. 6 Abs. 2 Draft ESM-Backstop guideline. Die Zinskosten berechnen sich auf der Grundlage des ESM-Finanzierungssatzes zuzüglich eines Aufschlags von 35 Basispunkten. Wenn eine verlängerte Frist vereinbart wird, erhöht sich der Aufschlag auf 50 Basispunkte. Vgl. ESM, Draft resolution for the nominal cap and the provisions on the procedure for the verification of compliance with the condition of the permanence of the legal framework for bank resolution, v. 6. Dezember 2019, Ziff. 5 lit. a. Vgl. Art. 18 A Abs. 1 UAbs. 3, Art. 5 Abs. 6 lit. g bis ESMV-E. Vgl. Art. 18 A Abs. 1 UAbs. 3 ESMV-E, Art. 3 Abs. 1, 2 Draft ESM-Backstop guideline.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
laufs der Ausstattung vom ESM-Backstop und SRF soll die Höhe der verfügbaren Mittel 60 Mrd. EUR betragen.²⁶⁴ Die finanziellen Bedingungen und Auszahlungsmodalitäten über die Letztsicherungsfazilität sollen in einer Vereinbarung zwischen ESM und SRB ausgehandelt werden (backstop facility agreement).²⁶⁵ Über den Einsatz der ESMLetztsicherung wird jedoch im Einzelfall entschieden. Dafür sind ein Antrag des SRB²⁶⁶ und ein befürwortender Vorschlag des ESM-Direktoriums notwendig. Diese Kompetenz kann wiederum einstimmig auf den Geschäftsführenden Direktor delegiert werden.²⁶⁷ Grundsätzlich entscheidet das Direktorium innerhalb von 12 Stunden, in außergewöhnlich komplexen Situationen kann aber die Frist auf 24 Stunden verlängert werden.²⁶⁸ Für die Entscheidungsfindung gilt das Einstimmigkeitsgebot, wobei ein neu einzurichtendes Dringlichkeitsabstimmungsverfahren²⁶⁹ die Schwelle auf 85 %²⁷⁰ der Stimmen senkt. Durch die geplante ESM-Backstopfunktion für die Bankenabwicklung wird ein neues Finanzierungsinstrument eingeführt werden, das nicht der Änderungskompetenz des ESM-Gouverneursrat unterläge.²⁷¹ Dies brächte zugleich eine
Vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Draft ESM-Backstop guideline sowie ESM, Draft Board of governors resolution for the nominal cap and the provisions on the procedure for the verification of compliance with the condition of the permanence of the legal framework for bank resolution, v. 6. Dezember 2019, Ziff. 1. Um diesen Gleichlauf zwischen SRF und ESM-Backstop aufrechzuerhalten soll das maximale Volumen durch einen einvernehmlichen Beschluss des Gouverneursrates angehoben werden können. Vgl. Art. 18 A Abs. 3 ESMV-E. Zu den umfassenden Informationen, die im Antrag des SRB enthalten werden müssen, s. Art. 4 Abs. 1 Draft ESM-Backstop guideline. Allerdings nur für einen befristeten Zeitraum und für ein begrenztes Kreditvolumen. Vgl. Art. 18 A Abs. 5 Satz 2 ESMV-E, Art. 5 Draft ESM-Backstop guideline. Vgl. Art. 4 Abs. 5 – 6 Draft ESM-Backstop guideline. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in Fällen, in denen der Deutsche Bundestag innerhalb der Frist kein zustimmendes Votum erteilt hat, der deutsche Vertreter mit Nein stimmen müsste.Vgl. Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Drucksache 19/15519 – Geplante Reform des ESM insbesondere hinsichtlich Letztsicherung und kurzfristigen Kreditlinien, v. 13. Dezember 2019, S. 1. Vgl. Art. 18 A Abs. 6 ESMV-E i.V.m. Art. 4 Abs. 4 ESMV-E, Art. 4 Abs. 4 Draft ESM-Backstop guideline. Siehe ähnliche Vorgabe im geltenden ESMV in: Art. 4 Abs. 4 ESMV. Dieses Verfahren sollte lediglich Fällen vorbehalten sein, in denen auf Grundlage von Berichten der Kommission und der EZB davon auszugehen ist, dass das Versäumnis einen Beschluss zu fassen, die wirtschaftliche und finanzielle Nachhaltigkeit der Eurozone bedrohen würde. Dies bedeutet, dass Deutschland mit einem Anteil i.H.v. ca. 27 % am ESM-Stammkapital die Beschlussfassung blockieren könnte (Sperrminorität). Die Letztsicherungsfazilität könnte daher nur im Wege einer formellen Änderung des ESMV durch die Vertragsparteien geändert werden. Vgl. Art. 19 ESMV-E.
D. Der ESM als supranationaler Backstop
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entsprechende Erweiterung des ESM-Mandats mit sich. Denn dem ESM würde neben der Überbrückung von Zahlungsengpässen seiner Mitglieder zur Wahrung der Finanzstabilität in der Eurozone eine zweite Aufgabe im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes zugewiesen werden. Dies würde wiederum heißen, dass in konzeptioneller und operationeller Hinsicht der ESM Teil der Bankenunion wird. Er wird sich vom reinen Rettungsmechanismus für EuroStaaten hin zu einem zusätzlichen Absicherungsmechanismus für die Bankenunion weiterentwickeln. Hinzu käme eine Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs des ESMV. Da auch Nicht-Euro-Staaten am SRM teilnehmen können, soll künftig der Begriff der teilnehmenden Mitgliedsstaaten (participating Member States) auch im ESM-Recht eingeführt werden. Diese sollen an der Letztsicherung zu denselben Bedingungen wie Euro-Staaten teilnehmen.²⁷²
Die 8 %-Mindestbeteiligung Nach dem ESMV-E müssen für den Einsatz der ESM-Letztsicherungsfazilität insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllt sein:²⁷³ Zunächst darf die entsprechende Finanzhilfe – wie der Name des Instruments bereits verrät – nur nach der Erschöpfung aller vorrangig zu prüfenden Finanzierungsmöglichkeiten als ultima ratio gewährt werden.²⁷⁴ Dies bedeutet, dass keine SRF-Mittel aus ex ante Bankenabgaben mehr vorhanden sind und dass die Möglichkeit einer Erhebung von ex post Beiträgen oder einer Fremdkapitalbeschaffung am Markt zu vertretbaren Konditionen nicht mehr besteht. Zweitens ist – zumindest mittelfristig – der Grundsatz der Haushaltsneutralität zu wahren, wonach die an den SRF gewährten Finanzmittel über außerordentliche ex post erhobene Beiträge durch den Bankensektor an den ESM zurückfließen müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass letztlich der Bankensektor und nicht die Steuerzahler für etwaige anfallende Kosten aus der Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen aufkommt. Dies dürfte auch ein zentraler Unterschied zum DRI sein. Die auf ihn entfallenden Verluste wären anders beim ESM-Backstop direkt dem ESM und nicht dem Bankensektor zuzurechnen. Die Rückzahlungspflicht der ESM-Krediten obliegt dem SRB, dessen Rückzahlungskapazität durch den ESM im Vorfeld der Auszahlung zu prüfen ist.²⁷⁵ Drittens ist der Einsatz der Letztsicherung an die Einhaltung des europäi-
Vgl. ErwGr. 9 A ESMV-E. S. den kompletten Kriterienkatalog im Annex IV des ESMV-E, Criteria for approval of loans and disbursements under the backstop facility. Vgl. Art. 12 Abs. 2 ESMV-E, Art. 1 Abs. 2 Draft ESM-Backstop guideline. Vgl. Art. 18 A Abs. 5, 7 ESMV-E. Für die Modalitäten zur Bewertung der Rückzahlungsfähigkeit des SRB siehe Art. 9 Draft ESM-Backstop guideline.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
schen Bankenabwicklungsregimes und insbesondere der Bail-in- und MRELVorgaben gekoppelt.²⁷⁶ Dies lenkt den Blick auf die zwingende Vorgabe einer Mindestbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern i.H.v. 8 % der TLOF des abzuwickelnden Instituts, bevor Mittel des ESM über den SRF in die Abwicklungsfinanzierung einfließen dürfen.²⁷⁷ Viertens müssen die aus dem intergouvernementalen Abkommen (IGA) resultierenden vertraglichen Pflichten der Mitgliedsstaaten für die Aufstockung des SRF erfüllt sein. Zudem muss der ESM über die nachgefragten Finanzmittel verfügen. Schließlich darf kein Zahlungsausfall des SRB gegenüber dem ESM oder anderen Gläubigern vorliegen. Wie bereits angedeutet, dürfen die Mittel des ESM-Backstops vorbehaltlich angemessener Schutzbestimmungen (adequate safeguards) für alle Zwecke verwendet werden, für die auch die SRF-Mittel in Anspruch genommen werden können.²⁷⁸ Dazu gehört auch die Liquiditätsbereitstellung für die sich in Abwicklung befindlichen Institute. Sie erfolgt über eine Kreditlinie des ESM an den SRB und wird vom letzteren im Rahmen in der SRMR vorgesehenen Möglichkeiten zur Unterstützung von Abwicklungsmaßnahmen verwendet. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für den Einsatz des ESM-Backstops treten hierfür weitere Schutzvorkehrungen.²⁷⁹ So soll die Finanzhilfe in Tranchen und mit einer Erhöhung der Marge (sog. step-up margin) ausgezahlt werden können. Zudem sollen eine anfängliche Laufzeit der Kredite von zwölf Monaten und eine erweiterte Berichtspflicht des SRB gegenüber dem ESM vorgesehen sein. Im Übrigen soll die Liquidität durch den SRB an das abzuwickelnde Institut auf besicherter Basis bereitgestellt werden.
Vgl. Art. 18 A Abs. 9 ESMV-E. Das Erfordernis der Einhaltung der 8 %igen-Grenze lässt sich auch aus der ersten Voraussetzung (ESM-Letztsicherung als „last resort“) ableiten, wird aber hier auf Grundlage eines Gleichlaufs zum europäischen Bankenabwicklungsrecht besser systematisiert. Art. 18 A Abs. 1 ESMV-E. Art. 7 Draft ESM-Backstop guideline.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken Wie bereits in der Einleitung erwähnt steht im Zentrum der Liquiditätszirkulation im Finanzsystem die Zentralbank. Sie gibt den Leitzins vor und steuert auf diese Weise mittelbar auch die Zinssätze, zu denen sich die Banken untereinander liquide Mittel leihen und dadurch auch die gesamte Marktliquidität.²⁸⁰ Unter normalen Umständen genügt es, dem Bankensektor genau so viel Zentralbankliquidität zur Verfügung zu stellen, wie nachgefragt wird. Die Zuteilung der bereitgestellten Liquidität wird dann dem Interbankenmarkt überlassen.²⁸¹ Diese konventionelle Geldpolitik stieß jedoch während der Finanzkrise auf ihre faktischen Grenzen. Aus einer Reihe von Gründen, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind, übersetzte sich die Senkung des Leitzinses nicht in eine erhöhte Liquidität am Geldmarkt. Als Reaktion darauf leiteten die Zentralbanken eine Kehrtwende ein, indem sie im Rahmen einer Geldpolitik der quantitativen Lockerung (sog. quantitative easing) groß angelegte Anleihekaufprogramme in Gang setzten.²⁸² Während Zentralbanken in der Vergangenheit eher indirekt durch die Preissetzung für Zentralbankgeld auf die Anleihe- und Kreditmärkte einwirkten, haben sie mit den Anleihekaufprogrammen eine neue Qualität von Markteingriffen zum Einsatz gebracht.²⁸³ Dieser Einsatz geht über die reine Liquiditätsbereitstellung hinaus. Über diverse Kanäle kann eine Erhöhung des Liquiditätsangebots die Realwirtschaft stützen bzw. stimulieren. Dies führte aber nicht nur zu einer enormen Ausweitung der Geldmenge, sondern zu einer de facto Behebung von Liquiditätsengpässen für Banken (sog. Überschussliquidität).²⁸⁴
Vgl. McLeay/Radia/Ryland, Money Creation in the Modern Economy, Bank of England Quarterly Bulletin 2014, S. 14, 20 f. Vgl. Illing/König, Die Europäische Zentralbank als Lender of Last Resort, DIW Wochenbericht Nr. 24, 2014, S. 542. Vgl. Wullweber, Zentralbanken als marktmachende Akteure, Zeitschrift für internationale Beziehungen 2018, S. 33, 42. „September 2008 was the moment when the Fed moved from lender of last resort to dealer of last resort“, vgl. Mehrling, The New Lombard Street: How the Fed Became the Dealer of Last Resort, 2011. Vor Beginn der Finanzkrise befriedigte die EZB den Liquiditätsbedarf des Bankensystems im Euroraum anders: Sie schätzte den Liquiditätsbedarf des Bankensystems wöchentlich und stellte den Banken den entsprechenden Betrag in Form von Krediten zur Verfügung. Die Banken mussten in einer Auktion Gebote für diese Finanzmittel abgeben, und die EZB stellte sicher, dass die Kredite dem Bedarf des Bankensystems insgesamt entsprachen. Sobald sich die Liquidität im System befand, wurde sie über Interbankenkredite bedarfsgerecht an die einzelnen Banken verteilt. Vgl. EZB, Was ist Überschussliquidität und warum ist sie wichtig?, v. 28. Dezember 2017. Zu den einzelnen geldpolitischen Offenmarktgeschä ften des Eurosystems (Anleihekaufprogrammen) https://doi.org/10.1515/9783110764437-015
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Begründet wurde diese massive geldpolitische Intervention der Zentralbanken damit, dass anderenfalls der Zusammenbruch des Finanzsystems gedroht hätte.²⁸⁵ Damit traten die Zentralbanken als Kreditgeber der letzten Instanz (sog. Lender of Last Resort – LoLR) auf. Die Ausübung der LoLR-Funktion geht auf das Konzept von Thornton ²⁸⁶ und Bagehot ²⁸⁷ zurück und leitet sich unmittelbar aus der Übertragung des Monopols zur Emission des gesetzlichen Zahlungsmittels an die Zentralbank und der sich daraus ergebenden strukturellen Abhängigkeit der Banken von der Zentralbank ab. Sie lässt sich als die Bereitstellung von Reserven in Form von besicherten Krediten durch die Zentralbank in einem durch Panikreaktion hervorgerufenen Liquiditätsengpass definieren.²⁸⁸ Dies ist vor dem Hintergrund der von Banken ausgeübten Transformationsfunktionen, wonach kurzfristig abrufbare Verbindlichkeiten (Sichteinlagen) die Finanzierungsbasis fü r Vermö genswerte mit lä ngerer Laufzeit (Kredite) bilden, nachvollziehbar. Wenn diese Funktionen nicht mehr erbracht werden können, weil die Transmissionskanäle der Geldpolitik beeinträchtigt werden, sehen sich die Zentralbanken dazu gezwungen, die schleppende Nachfrage am Interbankenbankenmarkt zu ersetzen und als LoLR zu fungieren. Dieser Anmaßung steht auch das Preisstabilitätsmandat nicht eindeutig entgegen. Zwar würden unter normalen Umständen solche Maßnahmen zu höheren Inflationsraten führen, was aber im Falle einer Kreditklemme nicht der Fall ist. Gerade dann ist die Bereitstellung von zusätzli-
s. Decision of the European Central Bank of 14 May 2010 on establishing a securities markets programme, ABl.EU 2010 L124/8 (ECB/2010/5); EZB, Asset Purchase Programmes, Economic Bulletin Issue 1/2015. Für einen Ü berblick siehe auch Hofmann, Greek Debt Relief, Oxford Journal of Legal Studies, OJLS 2017, 1, 10 f. Die Liquiditätsbereitstellung erfolgte über folgende Kanäle: Über das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP), das dritte Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3), das Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP) und das Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP). Der Umfang von Refinanzierungskrediten durch die Zentralbanken, die am Eurosystem der Zentralbanken teilnehmen, schwankte: Während er im Juni 2012 bei ca. 1.260 Mrd. EUR lag, ging er in den folgenden Jahren fast auf sein Vorkrisen-Niveau von ca. 500 Mrd. EUR zurück, um dann wieder im Juni 2018 auf 744 Mrd. EUR zu steigen. Vgl. Steinkamp, Wie dezentral sind Geldpolitik und Bankenaufsicht in Europa?, 20(1) Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2019, 70, 75. Vgl. Thornton, An enquiry into the nature and effects of the paper credit of Great Britain, London 1802, 172 ff. Vgl. Bagehot, Lombard Street: A Description of the Money Market, 1919, 160 ff. „Theory suggests, and experience proves that in panic the holders of the ultimate Bank reserve […] should lend to all that bring good securities quickly, freely, and readily“. Vgl. id., S. 173. Die grundsätzliche Ausgestaltung dieses Politikinstruments wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur kontrovers debattiert.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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cher Liquidität zwecks Erhaltung der Preisstabilität geboten. Somit lassen sich Wahrung der Preis- und der Finanzstabilität als einander ergänzende Ziele verfolgen. In der Eurozone beschaffen sich Banken über verschiedene Wege Liquidität von den Zentralbanken. Je nach Regelmäßigkeit lassen sich die Liquiditätsprogramme in ordentliche bzw. reguläre geldpolitische Geschäfte des Eurosystems und außerordentliche Notfallsprogramme Liquiditätshilfe unterteilen.²⁸⁹ Die Zielsetzung hinter dieser beiden Liquiditätsquellen ist unterschiedlich. Daher gelten für ihre Bereitstellung verschiedene Rahmenbedingungen.
I. Reguläre Liquiditä tsprogramme Bei der Wahrnehmung seiner regulären geldpolitischen Aufgaben und im Rahmen der Refinanzierungsgeschäfte stellt das Europäische System der Zentralbanken (ESZB)²⁹⁰ den Kreditinstituten liquide Mittel zur Verfügung.²⁹¹ Die damit verbundenen rechtlichen Fragen sollen hier nicht ausführlich erörtert werden. Es genügt ein knapper Überblick über die Wirkung dieser geldpolitischen Maßnahmen auf das Liquiditätsmanagement der Banken und die Zusammenhänge mit der Abwicklung. Die Liquiditätsbereitstellung erfolgt durch die Offenmarktgeschä fte, wie das Hauptfinanzierungsinstrument und die langfristigen Refinanzierungsgeschä fte sowie durch die „stä ndigen Fazilitä ten“ wie die Spitzenrefinanzierungsfazilitä t zur Beschaffung von Liquiditä t ü ber einen Geschä ftstag. Dafür müssen zwei wesentliche Bedingungen erfüllt sein: Erstens müssen die empfangenden Institute finanziell solide sein²⁹².²⁹³ Zur Beurteilung der finanziellen Solidität von In-
Vgl. Mersch, The limits of central bank financing in resolution, Vortrag v. 30. Januar 2018. Das ESZB setzt sich gem. Art. 282 Abs. 1 AEUV aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Eurozone zusammen. Vgl. Art. 1 ESZB/EZB-Satzung. Vgl. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 ESZB-Satzung i.V.m. Art. 127 Abs. 2 AEUV.Vgl. EZB, The Financial Risk Management of the Eurosystem’s Monetary Policy Operations, Juli 2015, S. 11. Vgl. Art. 55 lit. c der Leitlinie (EU) 2018/570 der Europäischen Zentralbank vom 7. Februar 2018 zur Änderung der Leitlinie (EU) 2015/510 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2018/3). Dennoch wird dem EZB-Rat gem. Art. 158 – 159 Leitlinie (EU) 2018/570 die Möglichkeit eingeräumt, im Einzelfall von diesen Bedingungen abzuweichen und nach seinem Ermessen zu entscheiden. Bestehen z. B. begründete Bedenken, kann ein Institut, das die Zulassungskriterien erfüllt, von den Refinanzierungsgeschäften ausgeschlossen werden.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
stituten wird auf bankaufsichtsrechtliche Anforderungen der CRR verwiesen.²⁹⁴ Dadurch wird ein Gleichlauf zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht sichergestellt. Zweitens können Liquiditätskredite nur gegen angemessene Sicherheiten vergeben werden.²⁹⁵ Die von den Instituten hinterlegten Sicherheiten müssen bestimmten Mindestqualitätsstandards entsprechen, die von der EZB näher definiert werden.²⁹⁶ Zu diesem Zweck veröffentlicht die EZB ein aktualisiertes Verzeichnis notenbankfähiger Sicherheiten auf ihrer Website.²⁹⁷ Aus der Sicht der zuständigen nationalen Zentralbank, an deren Refinanzierungsgeschäften teilgenommen wird, ist es von besonderer Bedeutung, dass die hinterlegten Sicherheiten die Zentralbank vor sämtlichen Verlusten bei Kreditgeschäften schützen, da diese Verluste grundsätzlich gemeinsam getragen werden. In der Praxis wird dies durch Verpfändungs- oder Rückkaufvereinbarungen gewährleistet, die angemessen durch Vermögenswerte gesichert sind, welche unverzüglich in Besitz genommen, übertragen und/oder veräußert werden können.²⁹⁸ Im Übrigen sind Liquiditätshilfen, die im Rahmen der eben beschriebenen regulären geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken bereitgestellt werden, in der Regel vom EUBeihilferecht ausgenommen.²⁹⁹ Solange die Kriterien fü r Offenmarktgeschä fte des Eurosystems erfü llt sind, kö nnen die Institute beim Eurosystem ihren Bedarf an Geld zu günstigen Konditionen abdecken. Somit haben Institute, die mit unvorhergesehenen Abflü ssen liquider Mittel konfrontiert sind, keine Schwierigkeiten, sich Zentralbankgeld zu beschaffen, solange sie ü ber Finanztitel verfü gen, die auf der Liste zugelassener Sicherheiten stehen. Genau darin liegt aber das Problem fü r vom Ausfall bedrohte Institute, da sie diese Voraussetzungen regelmä ßig nicht mehr erfüllen. Da die Aufsichtsbehörden das Institut mit der Feststellung des bevorstehenden Ausfalls (failing or likely to fail) in die Abwicklung übergeben, kann das Institut per Definition nicht mehr finanziell solide sein, da die Einhaltung der aufsichtlichen Kriterien bereits geprüft worden ist.
Vgl. Art. 55a Abs. 1 der Leitlinie (EU) 2015/1938 der Europäischen Zentralbank vom 27. August 2015 zur Änderung der Leitlinie (EU) 2015/510 der Europä ischen Zentralbank ü ber die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2015/27). Vgl. Art. 58 Abs. 2 id. Ausführlich in Art. 62 ff. id. Vgl. Art. 61 Abs. 1 S. 1 id. Vgl. Art. 58 Abs. 3 lit. a-b id. Somit stellt z. B. eine bloße Garantie keine „angemessene Sicherheit“ dar. Vgl. Mersch, The limits of central bank financing in resolution, Vortrag v. 30. Januar 2018. Vgl. Bankenmitteilung, Rn. 62.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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II. Notfall-Liquiditätshilfe (ELA) Solchen Instituten kann die in der Eurozone als Emergency Liquidity Assistance (ELA)³⁰⁰ bezeichnete Notfall-Liquiditä tsfazilität eine letzte Zuflucht bieten.³⁰¹ Die ELA umfasst alle Maßnahmen, mit denen eine nationale Zentralbank des Eurosystems solventen Instituten mit vorübergehenden Liquiditätsproblemen finanzielle Unterstützung gewährt, die ihnen Zentralbankgeld verschafft.³⁰² Diese außerordentliche Hilfe stellt kein traditionelles Instrument der Bankenrekapitalisierung dar. Sie ist eine Liquiditätszufuhr für illiquide Kreditinstitute, die sich kein Kapital am Geld- oder Interbankenmarkt beschaffen können. Konzipiert wurde die ELA vor allem als Instrument zur Krisenprävention. Somit löst der Einsatz der ELA-Fazilität nicht den europäischen Bankenabwicklungsrahmen aus.³⁰³ Sie soll hingegen eingesetzt werden, bevor Banken an den Punkt gelangen, wo sie nicht mehr überlebensfähig sind (point of non-viability). Dennoch hat die Entscheidung darüber, ob im Einzelfall Gelder aus der ELA-Fazilität ausgezahlt werden, einen massiven Einfluss zum einen auf die Beurteilung der Frage, ob ein Institut als ausfallend einzustufen ist, und zum anderen – wenn diese Frage bejaht wird – auf die Bestimmung des Zeitpunkts, in dem das Abwicklungsverfahren gegenüber dem betreffenden Institut eingeleitet wird. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist die ELA auch kein rein präventives Instrument, sondern auch ein Instrument zur Liquiditätsbereitstellung im Rahmen des Abwicklungsverfahrens. Daher ist die Entscheidung über die Gewährung von ELA nicht nur für die Einleitung des Abwicklungsverfahrens, sondern auch für ihre erfolgreiche Durchführung maßgeblich. Der ELA kommt eine große praktische Bedeutung zu, wenn die Institute über keine EZB-notenbankfähige Sicherheiten bzw. keine Sicherheiten mit angemessenen Bonitätsrating verfügen. Der Grund hierfür ist, dass es bei der Refinan-
S. Legaldefinition der „Notfall-Liquiditätshilfe“ in Art. 2 Abs. 29 BRRD: „die Bereitstellung von Zentralbankgeld durch eine Zentralbank oder die Gewährung einer sonstigen Unterstützung, aus der sich eine Zunahme von Zentralbankgeld ergeben kann, für ein solventes Finanzinstitut oder eine Gruppe solventer Finanzinstitute mit vorübergehenden Liquiditätsproblemen, wobei diese Operation nicht im Zuge der Geldpolitik erfolgt.“ Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, S. 259, 288 f. Vgl. EZB, Verfahren für die Gewährung von Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance ‒ ELA), Verfahren, die der Rolle des EZB-Rats gemäß Artikel 14.4 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank hinsichtlich der Gewährung von ELA an einzelne Kreditinstitute zugrunde liegen, v. Februar 2014. ErwGr. 41 BRRD, ErwGr. 57 SRMR. Dennoch ist im Rahmen der Abwicklungsplanung nicht von einem Einsatz der ELA-Fazilität auszugehen.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
zierung von Instituten über die Notfall-Liquiditätshilfe im alleinigen Ermessen der nationalen Zentralbanken liegt, zu entscheiden, welche Mindestanforderungen für hinterlegte Sicherheiten gelten sollen. Während das ESZB für die Liquiditätsversorgung von Kreditinstituten im Rahmen allgemeiner geldpolitischer Maßnahmen in der Eurozone zuständig ist, stellt die Vergabe von ELA-Krediten eine einzelstaatliche Aufgabe dar, die den nationalen Zentralbanken obliegt und in eigener Verantwortung sowie auf eigene Rechnung wahrgenommen wird.³⁰⁴ Somit trägt die jeweilige nationale Zentralbank das Ausfallrisiko des Empfä ngerInstituts alleine, so dass die finanziellen Folgen die Bilanz des Eurosystems nicht belasten. Noch wichtiger ist aber, dass die nationalen Stellen grundsätzlich für die Bedingungen des Zugangs zu ELA, die Festlegung der Höchstdauer der Beförderung sowie der Höchstbeträge und der Kategorien von Vermögenswerten, die zur Besicherung von ELA-Geschäften hereingenommen werden können, zuständig sind. So können die nationalen Zentralbanken Mittel für Sicherheiten bereitstellen, die von geringerer Qualität sind als die im Rahmen des einheitlichen geldpolitischen Rahmens notenbankfähigen Sicherheiten, und im Gegenzug einen Strafzins verlangen.³⁰⁵ Dies wird nur insofern eingeschränkt, als dem EZB-Rat eine Vetoposition eingeräumt wird, sofern eine Zweidrittelmehrheit der Ansicht ist, dass diese Kredite nicht mit den Zielen und Aufgaben des Eurosystems vereinbar sind.³⁰⁶ Insgesamt weist die Gewährung von ELA-Hilfen einen kaum regelgebundenen Charakter auf. Denn sie ist weder in den EU-Verträ gen noch in der ESZB-Satzung geregelt. Sie unterliegt nicht nur in größerem Ausmaß Ermessensentscheidungen der nationalen Zentralbanken, sondern erfolgt auch unter sehr intransparenten Bedingungen. Zudem ist auch keine starre Obergrenze bei der Vergabe solcher Mittel festgelegt.³⁰⁷ In der Praxis formulierten viele Zentralbanken insbesondere in der Eurozone bewusst vage Kriterien für einen bankenrettenden Einsatz der ELA-Fazilität oder legten bewusst nicht alle Bedingungen fest, um Raum für
„Andere Aufgabe“ i.S.d. Art. 14 Abs. 4 S. 2 ESZB-Satzung. Vgl. EZB, Agreement on emergency liquidity assistance, v. 17. Mai 2017, Ziff. 7. Art. 14 Abs. 4 S. 1 ESZB-Satzung i.V.m. EZB, Agreement on emergency liquidity assistance, v. 17. Mai. 2017, Ziff. 5. Der EZB-Rat besteht gem. Art. 10 Abs. 1, Art. 112 Abs. 1 ESZB-Satzung aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 19 Mitgliedsstaaten der Eurozone. Jedes Mitglied im EZB-Rat verfügt gem. Art. 10 Abs. 2 ESZB-Satzung über eine Stimme. Die Beförderung ist auf 2 Mrd. EUR begrenzt, kann aber mit Zustimmung des EZB-Rates erhöht werden. Vgl. EZB, Agreement on emergency liquidity assistance, v. 17. Mai 2017, Ziff. 3.3.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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„konstruktive Unsicherheit“ (constructive ambiguity) zu belassen.³⁰⁸ Begründet wurde diese Herangehensweise mit Bedenken mit Blick auf das moralische Risiko, das entstehen würde, wenn Banken die genauen Bedingungen wüssten, unter denen ELA zur Verfügung gestellt wird, und ihr Geschäft darauf ausrichten würden. Die Unklarheit über den Zugang zur ELA-Fazilität räume den Zentralbanken hingegen die wünschenswerte Flexibilität ein und wirke einer Verzerrung der Anreize für differenziertes und solides Liquiditätsmanagement seitens der Institute entgegen. Über die Praxis der Zentralbanken hinweg zielen auch einige bankenaufsichtsrechtliche Vorschriften speziell auf die Nichtoffenlegung der Verwendung von ELA ab. So heißt es in den EBA-Leitlinien zur Offenlegung von belasteten und unbelasteten Vermögenswerten gem. Art. 433 CRR ausdrücklich, dass die EBA spezifische Anpassungen vornahm, mit dem Ziel dass die Höhe der von den Zentralbanken gewährten Liquiditätshilfen nicht ermittelbar ist.³⁰⁹ Angesichts der Erfahrungen aus der Finanzkrise und insbesondere der gravierenden Folgen, die der Ausfall systemrelevanter Banken mit sich bringen kann, vollzog sich jedoch in jüngerer Zeit eine partielle Abkehr vom Ansatz der „konstruktiven Unsicherheit“ zu einer transparenteren ELA-Politik.³¹⁰ Letztendlich kann das moralische Risiko auch durch mildere Maßnahmen eingegrenzt werden, z. B. indem die Inanspruchnahme der ELA-Fazilität zu einem Preis (Strafzins) kommt.³¹¹ Die nationalen Notenbanken können – müssen aber nicht – nach einer
Näher dazu Central banks as lender of last resort: Domanski/Moessner/Nelson, experiences during the 2007– 2010 crisis and lessons for the future, Federal Reserve Board, Washington D.C., 2016, S. 2 ff. Im Originaltext: „Specific modifications have been made to the draft guidelines to ensure that the level and evolution of assets encumbered to central banks and the amount of liquidity assistance given by central banks cannot be detected, as recommended by the ESRB.“ Vgl. EBA, Guidelines on disclosure of encumbered and unencumbered assets, EBA/GL/2014/03, v. 27. Juni 2014; Magnus/ Xirou, Briefing – Emergency Liquidity Assistance – moving away from „constructive ambiguity“?, European Parliament, PE 587.395, v. 2. März 2017, S. 2. Vgl. Zilioli, Panel 2 – Emergency Liquidity Assistance Between Monetary Policy And Supervision: National Central Bank Or Eurosystem Task?, ECB Legal Conference 2015: From Monetary Union to Banking Union, on the way to Capital Markets Union: New opportunities for European integration, December 2015, S. 49. Vgl. Magnus/Xirou, Briefing – Emergency Liquidity Assistance – moving away from „constructive ambiguity“?, European Parliament, 2017, S. 2. Nicht ganz so überzeugend erscheint hingegen mit Blick auf die herrschende Intransparenz das Argument der Autoren, dass ELAKredite aufgrund der stigmatisierenden Signalwirkung in den Finanzmärkten nur ungern von Instituten in Anspruch genommen werden. Sofern nicht offengelegt wird, welches Institut und in welchem Umfang ELA-Kredite in Anspruch nimmt, wird kein entsprechendes Signal vermittelt.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
Mitteilung der EZB von 2015 die von ihnen bewilligten ELA-Gesamtvolumen offenlegen.³¹² Trotz des Ausnahmecharakters und der restriktiven Leitlinien der EZB erweist sich die ELA in der Praxis aufgrund zum einen ihres ermäßigten Zinssatzes im Vergleich zu einer Refinanzierung über die Märkte und zum anderen aufgrund ihrer niedrigeren Sicherheitsanforderungen im Vergleich zu einer Refinanzierung über sonstige Operationen der Zentralbanken als sehr vorteilhaft für in Not geratene Kreditinstitute. Die Institute sind lediglich dazu verpflichtet, die Kredite zum frü hestmö glichen Zeitpunkt zurü ckzuzahlen.³¹³ Daher wurden bislang mehrmals ELA-Kredite zur Stützung in Schieflage geratener Institute gewährt:³¹⁴ U. a. in Belgien (2008)³¹⁵, Deutschland (2008)³¹⁶, Griechenland (2012 – 15)³¹⁷, Zypern (2013), Irland (2013) und Italien (2016 – 17). Gerechtfertigt wurde dieses Vorgehen mit Bezug auf die begrenzten fiskalischen Möglichkeiten von Staaten, erneut Rettungsmaßnahmen zugunsten kriselnder Banken zu ergreifen. Dies ist
Vgl. EZB, Communication on Emergency Liquidity Assistance, v. 16. September 2015. Für eine Übersicht der divergierenden ELA-Offenlegungspolitik aller 19 Euro-Staaten s. Hallerberg/Lastra, The single monetary policy and decentralization: an assessment, European Parliament, 2017, S. 13. Kritisch zu der Bilanzierung der ELA durch die nationalen Zentralbanken Klose, Die Emergency Liquidity Assistance der EZB – ein Blick in die Black Box,Wirtschaftsdienst 2016, S. 49, 50 f. Der Umfang aller Maßnahmen unter dem ANFA-Abkommen soll durch ELA nur kurzfristig bestimmte Grenzen ü bersteigen dü rfen. „A deviation is justified if, for example, it is caused […] by an NCB’s provision of Emergency Liquidity Assistance (ELA) to its banking system […]. If this happens, the NCB has to reduce its NFA as soon as possible in order to comply again with ANFA“. Vgl. Meyer, Euro-Geldschöpfung durch die Mitgliedstaaten – Gefahren aus dem nationalen Zusatzgeld, 69(6) ifo Schnelldienst, 2016, 30 ff.; Id., Italienische Bankenrettung – EU-Abwicklungsrichtlinie und ein „italienischer Weg“, 69(16) ifo Schnelldienst, 2016, 33, 37. Allein der ELA-Bestand von Fortis erreichte im Oktober 2008 51,3 Mrd. EUR. Vgl. National Bank of Belgium, Financial Stability Review 2009, v. 17. Juni 2009, S. 30. Ende 2018 stellte die Deutsche Bundesbank 20 Mrd. EUR im Rahmen eines größeren Pakets zur Rettung von Hypo Real Estate bereit.Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2009, v. 19. November 2009, S. 36. Nach den offengelegten Informationen wurden die weitaus grö ßten ELA-Kredite zugunsten griechischer Banken in den Jahren 2012– 15 vergeben. Im Gegensatz zur intransparenten Vorgehensweise der meisten Zentralbanken in der Eurozone veröffentlichte die Zentralbank Griechenlands regelmäßig das Gesamtvolumen der gewährten ELA-Kredite. Demnach betrugen sie im September 2015 87,9 Mrd. EUR, was einem Betrag über 40 % des griechischen BIP entsprach. Vgl. Bank of Greece, Presse releases – ELA ceiling for Greek banks, 2015. Kritisch dazu Götz/Haselmann/Krahnen/Steffen, Did emergency liquidity assistance (ELA) of the ECB delay the bankruptcy of Greek banks?, SAFE Policy Letter No. 46, 2015.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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auf den entscheidenden Vorteil der Zentralbank zurückzuführen, dass die Finanzierung ihres Handels ü ber die eigene Geldschö pfung läuft.³¹⁸ Im Gegensatz zu den regulären Geldoperationen der Zentralbanken (wie z. B. Offenmarktgeschäfte und ständige Fazilitäten), die in der Regel nicht unter das EU-Beihilferecht fallen, kann die ELA eine staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Sie muss dann auf der Grundlage eines Umstrukturierungsplans genehmigt werden, in dem festgelegt ist, wie das Empfänger-Institut seine Überlebensfähigkeit wiederherstellen wird und in welcher Höhe die Fremdkapitalgeber einen eigenen Beitrag zur Umstrukturierung leisten. Dennoch ist das beihilferechtliche Erfordernis von Lasternverteilungsmaßnahmen unter folgenden kumulativ zuerfüllenden Voraussetzungen aufgehoben:³¹⁹ Zunächst muss das Institut zum Zeitpunkt der Liquiditätsversorgung solvent³²⁰ und lediglich vorübergehend illiquide sein; die ELA muss in Abhängigkeit von ihrer Qualität und ihrem Marktwert vollständig durch Sicherheiten gesichert sein, auf die angemessene Abschläge angewendet werden; ein Strafzins muss erhoben werden; die ELA wird eigenverantwortlich von der nationalen Zentralbank beschlossen und ist nicht durch eine Staatsgarantie gedeckt. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der ELA ist zunächst das Einbringen von ausreichenden Sicherheiten, deren Höhe und Qualität – wie bereits erwähnt – von den nationalen Zentralbanken festgelegt werden. Zudem müssen die Empfänger-Institute solvent sein, sodass sie sich nur vorübergehend mit Liquiditätsproblemen konfrontiert sehen.³²¹Als solvent sollen Institute gelten, wenn sie ihre Säule-1-Eigenmittelanforderungen erfüllen oder wenn die glaubwürdige Aussicht auf ihre Rekapitalisierung innerhalb von sechs Monaten besteht.³²² Daraus folgt, dass die jeweilige nationale Zentralbank einem Institut, das als ausfallend ein-
Vgl. Gordon/Ringe, Bank Resolution in the European Banking Union: A Transatlantic Perspective on What it Would Take, Columbia Law Review 2015, 1297; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks and Financial Institutions, Oxford, Rn. 12.35. Vgl. Europäische Kommission, Bankenmitteilung, Rn. 62 lit. a-d. Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Es bleibt an dieser Stelle offen, welches Verständnis der (In‐)Solvenz zugrunde liegt. Fraglich ist insbesondere, ob für die Bestimmung dieses Terminus auf die Vorgaben des EU-Beihilferechts (wonach der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der ELA-Fazilität maßgeblich ist) oder auf die speziellen Regeln der EZB (wonach Institute auch dann als solvent gelten, wenn sie gegen Mindestkapitalanforderungen verstoßen, aber eine glaubwürdige Aussicht auf Rekapitalisierung innerhalb von sechs Monaten besteht) abzustellen ist. Eine Beförderung von insolventen Instituten bzw. Instituten, für die ein Insolvenzverfahren nach nationalem Recht eingeleitet wurde, bleibt ausgeschlossen. Diese Frist kann jedoch in hinreichend begründeten Ausnahmefällen durch den EZB-Rat verlängert werden.Vgl. EZB, Agreement on emergency liquidity assistance, v. 17. Mai. 2017, Ziff. 4.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
gestuft wurde und einem Bail-in unterzogen wird, theoretisch weiterhin ELA bereitstellen kann. Denn die Rekapitalisierung stellt auch ein Abwicklungsziel dar. Hierfür müsste das betreffende Institut lediglich über ausreichende – nach Ermessen der nationalen Zentralbank – Sicherheiten verfügen. Das weite Verständnis von „Solvenz“, das den EZB-Kriterien zugrunde liegt, ermöglicht, dass die Bereitstellung von ELA nicht nur zur Krisenprävention (vor der Abwicklung), sondern auch im Abwicklungsverfahren (während der Abwicklung) zugunsten unterkapitalisierter Institute erfolgen kann. So kann eine „glaubwürdige Aussicht auf Rekapitalisierung“ bestehen, sowohl wenn ein Institut mit einer Rekapitalisierung aus privaten Mitteln rechnen kann als auch wenn seine Eigenmittelausstattung im Wege einer Bail-in-Anwendung wiederhergestellt werden kann. Hierfür ist erforderlich, dass die Durchführung des Bail-in-Instruments im öffentlichen Interesse liegt. Umgekehrt lässt sich daraus schließen, dass der Zugang zur ELA für Institute, die auf private Mittel zwecks Rekapitalisierung nicht zurückgreifen können oder deren Abwicklung im Wege eines Bail-in nicht im öffentlichen Interesse liegt, versperrt bleibt.
i) Tauglichkeit der ELA als Liquiditätsfazilität im Abwicklugsverfahren Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die ELA eine taugliche Fazilität zur Bereitstellung von Liquidität im Rahmen des europäischen Bankenabwicklungsregimes darstellt.³²³ Der Hauptvorteil einer solchen Möglichkeit wird deutlich, wenn man sich die kombinierte „Feuerkraft“ von SRF- und ESM-Kapazitäten vor Augen führt, die auf 120 Mrd. EUR geschätzt wird. Diese Summe wäre im Falle einer systemischen Krise unzureichend, um den Liquiditätsbedarf von mehreren Instituten zu decken. Allein die für die Restrukturierung der Hypo Real Estate Bank gewährte Liquiditätsunterstützung lag bei 145 Mrd. EUR und hätte damit die Finanzierungskapazität von SRF und ESM zusammengerechnet gesprengt. Daher sprechen insbesondere zwei Gründe dafür, dass Zentralbanken eine stä rkere Rolle bei der Abwicklungsfinanzierung ü bernehmen: Zum einen ist ihre Finanzkraft rechtlich unbegrenzt. Daher sind sie sogar besser ausgestattet als Staaten. Denn Letztere unterliegen den faktischen Grenzen ihrer Haushalte bzw. ihrer Refinanzierungskapazitäten.³²⁴ Zum anderen können Zentralbanken große Geldbeträge innerhalb kurzer Zeit einsetzen, was wiederum von enormer Bedeutung für die zügige Durchführung des Abwicklungsverfahrens ist.
Im SRM/BRRD-Rahmenwerk sind keine Vorgaben dazu enthalten. Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, FS für H.-S. Schwintowski, 2017, 259, 291.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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Auf der anderen Seite bestehen bei genauerer Betrachtung auch für Zentralbanken faktische Grenzen. Um das Vertrauen in die eigene Wä hrung zu erhalten, ist eine Zentralbank gehalten, die Geldmenge nicht zu stark auzuweiten und ihre Bilanz in Ordnung zu halten.³²⁵ So ist das Eurosystem der Zentralbanken besonders streng auf geldpolitische Maßnahmen beschrä nkt und darf diese nicht für fiskalpolitische Zwecke instrumentalisieren. Dies wird vor allem durch das Verbot der monetä ren Staatsfinanzierung nach Art. 123 AEUV gewährleistet. Im Übrigen wird gegen die ELA eingewandt, dass sie keinen Mechanismus zur Rückforderung möglicher Hilfeleistungen vom Bankensektor im Einklang mit dem europäischen Bankenabwicklungsregime und den internationalen Standards des FSB vorsieht. Besonders problematisch ist, dass die Einbindung von Zentralbanken bei der Abwicklungsfinanzierung auf die nationale Ebene abgewälzt wird, indem die Gewährung der ELA vom Willen der nationalen Zentralbanken abhängt und dass die Kriterien hierfür nicht harmonisiert sind.³²⁶ So wurden Presseberichten zufolge³²⁷ im Juni 2017 ELA-Kredite i.H.v. 3,6 Mrd. EUR von der spanischen Zentralbank (Banco de España) zugunsten der Banco Popular mit Abschlägen von bis zu 90 % (!) auf die vom Institut eingebrachten Sicherheiten bewilligt. Dies geschah nur zwei Tage bevor das Abwicklungsverfahren vom SRB gegenüber Banco Popular eingeleitet wurde.³²⁸ Ähnliche Widersprüche traten auch im Falle der lettischen ABLV Bank, die von der lettischen Zentralbank (Latvijas Banka) ELAKredite i.H.v. 297 Mio. EUR erhielt, bevor sie kurz darauf von der EZB als ausfallend eingestuft wurde.³²⁹ Diese Beispiele bringen das bekannte Problem der Abgrenzung zwischen Solvenz und Illiquidität zum Ausdruck,³³⁰ dessen Ursachen zum einen in der Zu den Grundsä tzen und Gefahren s. EZB, The financial risk management of the Eurosystem’s Monetary Policy Operations 5, Juli 2015, S. 5; Goodhart, Myths about the Lender of Last Resort, International Finance 1999, 339, 343. Vgl. Schoenmaker, in: Goodhart (Hrsg.), Which Lender of Last Resort for Europe?, Central Bank Publications 2000, S. 215, 218 f. Siehe u. a. Gore, Rushed Popular resolution casts long shadow over Europe’s banks, Reuters v. 7. Juni 2019. Vgl. Buck/Arnold/Sanderson, Banco Popular burnt through €3.6bn in two days ahead of rescue, Financial Times, v. 8. Juni 2017. Vgl. EZB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of ABLV Bank, AS, v. 23. Februar 2019, Rn. 16; EZB, Pressemitteilung – ECB determined ABLV Bank was failing or likely to fail, v. 24. Februar 2018. Ausführlich dazu Delston/Campbell, Emergency Liquidity Financing by Central Banks: Systemic Protection or Bank Bailout?, IMF Working Paper, v. 7.–17. Mai 2002; Hellwig, Financial Stability, Monetary Policy, Banking Supervision, and Central Banking, Max Planck Institute for Research on Collective Goods, 2014; Tucker, The lender of last resort and modern central banking: principles and reconstruction, Re-thinking the lender of last resort, BIS Papers No 79, 2014, S. 10 ff.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
asymmetrischen Informationsverteilung und zum anderen in den unbeabsichtigten Folgen hoheitlicher Interventionen liegen. Demnach kann die Gewährung von ELA im konkreten Fall als Signal in den Märkten für die verschlechterte Finanzsituation des empfangenden Instituts interpretiert werden. Allein Gerüchte darüber können in einer Art selbst erfüllenden Prophezeiung zur Insolvenz des Instituts führen. Aber auch umgekehrt kann die Nicht-Gewährung von ELA so verstanden werden, als stünde das Institut vor der Insolvenz und sich Bargeldabflüsse verstärken würden. In beiden Fällen droht sich eine vorübergehende Illiquidität zu einer Solvenzkrise zu entwickeln. Wichtiger sind allerdings die Schwierigkeiten, die im Hinblick auf die zuerst angesprochene Ursache in der Praxis zu entwarten sind. Zwar kann theoretisch davon ausgegangen werden, dass eine Unterscheidung zwischen (In‐)Solvenz und (Il‐)Liquidität möglich ist, sofern die Aufsichts- und Abwicklungsbehörden über vollständige Informationen über die finanzielle Lage des betreffenden Instituts verfügen. Diese Annahme ist jedoch in der realen Welt nicht haltbar. Das Problem der asymmetrischen Informationsverteilung unter den beteiligten Entscheidungsträger verschärft sich – in Anbetracht der oben erwähnten Beispiele einer unkoordinierten Handhabung bei der Liquiditätsbereitstellung – in der Bankenunion: Während die Entscheidung über die Gewährung von ELA (auch im Abwicklungsverfahren) auf nationaler Ebene getroffen wird, fällt die Anordnung des Bail-in-Instruments – zumindest für die bedeutensten Banken in der Bankenunion – auf die europäische Ebene. Aus den obigen praktischen Beispielen lassen sich aber auch weitere Probleme erkennen. Dem Ausfall eines Instituts gehen in der Regel Liquiditätsengpässe voraus, die sich in einem allmählichen Verlust des Zugangs zu Kapitalmärkten oder in massiven Bargeldabflüssen manifestieren. Diese werden (oft) mittels ELA überbrückt, wodurch sich die Abhängigkeit von der Zentralbank erhöht. Beim Scheitern des Instituts und Auslösen des Abwicklungsverfahrens ist es durchaus möglich, dass das abzuwickelnde Institut noch große ELA-Bestände aufweist. Darin lauert die Gefahr, dass die ELA-Fazilität dazu missbraucht wird, kurzfristigen Gläubigern einen verlustfreien Ausstieg aus dem Institut zu ermöglichen. Damit verbunden wäre auch eine unzulässige Privilegierung von kurzfristigen Verbindlichkeiten zulasten langfristiger Verbindlichkeiten des gleichen Rangs. Darüber hinaus bleibt es unklar, wie diesen ELA-Verpflichtungen nachzukommen ist, wenn das betreffende Institut den Zugang zum Markt am Ende des Abwicklungsverfahrens nicht wiedergewinnen wird. Solche Bedenken wurden zunehmend im Gefolge der Finanzkrise geäußert, als die durch ELA in Anspruch
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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genommenen Kredite in die Höhe getrieben wurden.³³¹ In einem solchen Fall ist angesichts der angespannten Liquiditätslage des Instituts und im Hinblick auf die durch die nationale Zentralbank verhängten Abschläge auf die hinterlegten Sicherheiten davon auszugehen, dass der Marktwert dieser Sicherheiten (weit) unter dem Nennwert der ELA-Fazilität liegt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die gewährte ELA-Fazilität von einem Bail-in erfasst sein könnte. Dies ist zu bejahen, sofern keine weiteren Ausschlusstatbestände eingreifen, was im Einzelfall zu prüfen wäre. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die ELA zumindest für den die Sicherheit übersteigenden Teil einem Bail-in unterliegen kann, sofern nicht andere Ausnahmetatbestände erfüllt sind. Dieses Problem lässt sich zumindest teilweise dadurch umschiffen, dass die Eurostaaten im Zuge der Finanzkrise Gesetze erließen, die staatliche Garantien für die Rückzahlung von ELA vorsahen.³³² Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Gewährung von ELA für alle Banken – oder zumindest für diejenigen Banken, die der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterstehen – zu zentralisieren.³³³ Dadurch ließe sich die Liquiditätsbereitstellung besser koordinieren und die oben festgestellten Diskrepanzen beseitigen. Nach den Worten des ehemaligen EZB-Präsidenten, Mario Draghi, sei die ELA „ein Überbleibsel aus verganenen Zeiten“³³⁴ – nämlich aus den Jahren vor der Einrichtung der Europäischen Bankenunion. Bei einer solchen Zentralisierung würden auch die Anreize der EZB erhalten bleiben, in ihrer Doppelfunktion als Aufsichtsbehörde und Lender-of-last-resort mit Umsicht vorzugehen und sich davon leiten zu lassen, dass im Fall einer ELA-Bewilligung, die auf einer unzulänglichen Solvenzbeurteilung beruht, der Entscheider auch die Konsequenzen zu tragen hat. Dies wäre auch ein Schritt in Richtung Vollendung der Banken-
Vgl. Fisher, in: ECB Legal Conference 2015: From Monetary Union to Banking Union, on the way to Capital Markets Union: New opportunities for European integration, 2015, S. 88. Diese Garantiezusagen unterlagen ohnehin der beihilferechtlichen Kontrolle durch die Kommission. Vgl. Angeloni/Lenihan, in Faia, Ester/Hackethal, Andreas/Haliassos, Michael/Langenbucher, Katja (Hrsg.), Financial Regulation: A Transatlantic Perspective, 2015, S. 116. Hierfür wäre keine Vertragsänderung nötig nach Hallerberg/Lastra, The single monetary policy and decentralization: an assessment. European Parliament, 2017, S. 8 f. Originalzitat: „the ELA policy should be changed and I personally have argued several times for a centralisation of ELA. This is a remnant from a past time, but to change it we ought to have the agreement of all the members of the governing council, namely all countries in fact. They have to decide that they would abandon this remnant of national sovereignty in monetary policy, because that is what it is“. Vgl. Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON), Monetary dialogue with Mario Draghi, President of the European Central Bank, v. 26. Februar 2018, S. 10.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
union,³³⁵ nicht zuletzt, weil Zweigstellen von Bankengruppen mit grenzüberschreitenden Operationen innerhalb der Bankenunion oft auf Schwierigkeiten stoßen, Zugang im Aufnahmestaat zu ELA zu erhalten.³³⁶
ii) Reformansätze Zu diesem Zweck ist die Einführung einer Liquiditätsfazilität speziell für die Bankenabwicklung innerhalb der Eurozone, die als „Eurosystem Resolution Liquidity“ (ERL) bezeichnet wird, seit ca. drei Jahren Gegenstand von EZB-Untersuchungen.³³⁷ Beim ERL dürfte es sich um ein geldpolitisches Instrument handeln, das den Fortbestand der Transmission geldpolitischer Impulse über das abzuwickelnde Institut gewährleisten würde. Es sollte nur dann zum Einsatz kommen, wenn ein Institut alle Abwicklungsvoraussetzungen erfüllt und wenn folgende Grundsätze eingehalten werden:³³⁸ a) Es handelt sich um ein an den geldpolitischen Operationen des Eurosystems teilnahmeberechtigtes Institut. b) Sicherheiten werden eingebracht, wenngleich sie von geringerer Qualität im Vergleich zu den Sicherheiten der geldpolitischen Standardoperationen der EZB sein dürften. c) Die im Rahmen der ERL-Fazilität bereitgestellten Mittel sind durch eine Garantie des öffentlichen Sektors auf europäischer Ebene in voller Höhe gedeckt. d) Ein Strafzins, der mindestens dem Spitzenfinanzierungssatz der EZB entspricht, wird erhoben. Das ERL würde sich nah am Rande des geldpolitischen Mandats der EZB bewegen. Letztendlich käme die Finanzierung von in Abwicklung befindlichen Instituten
So Gortsos, in ECB Legal Conference 2015: From Monetary Union to Banking Union, on the way to Capital Markets Union: New opportunities for European integration, v. December 2015, S. 63 f. So machte die zypriotische Laiki Bank in ihrem Antrag auf Schlichtung vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) geltend, dass sie von der griechischen Zentralbank 2012 ungleich behandelt wurde, indem ihrem Zweig in Griechenland der Zugriff auf die ELA-Fazilität verweigert wurde. Näher dazu Glinavos, Challenging Emergency Liquidity Assistance Decisions in International Tribunals, Oxford Law Blog, v. 1. Juli 2016. Siehe u. a.: Weber/Speciale, ECB Weighs Emergency Cash Injections to Smooth Bank Rescues, Bloomberg v. 9. April 2018. Vgl. European Parliament, Banking Union: Towards new arrangements to finance banks under resolution?, v. Juli 2018, S. 10.
E. Liquiditätsbereitsstellung durch Zentralbanken
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einer Entlastung der öffentlichen Finanzen gleich und wäre damit eine unerlaubte Staatsfinanzierung bzw. Ausübung von Fiskalpolitik.³³⁹ Ob ein derartiges Vorgehen sich mit Bezug auf die Preisstabilität rechtfertigen lässt, ist nicht unumstritten.³⁴⁰ Andere Zentralbanken, z. B. das US-amerikanische Federal Reserve System (Fed) und die Bank of England (BoE) verfügen stattdessen über ein abgestuftes System von Liquiditä tsfazilitä ten.³⁴¹ Bei der Übertragung solcher Ansätze auf das europäische institutionelle Gefüge ist jedenfalls der Grundsatz der Unabhängigkeit der EZB zu beachten.³⁴² Über jegliche monetären Unabhängigkeitsüberlegungen hinaus würde die Einrichtung einer neuen Liqudititätsfazilität für die Bankenabwicklung, die von der EZB zur Verfügung gestellt würde, kritische Fragen zur institutionellen Ausgestaltung der Liquiditätsbereitstellung von ERL, SRB (SRF) und ESM-Backstop aufwerfen. Einige dieser Bedenken könnte jedoch die Heranziehung des SRF³⁴³ oder des ESM³⁴⁴ als Garanten für die ERL-Mittel aus dem Weg räumen.³⁴⁵ Perspektivisch
Kritisch zur Übernahme der Aufgabe der Liquiditätsbereitstellung von Zentralbanken Mersch, The limits of central bank financing in resolution, Goethe-Universität Frankfurt, v. 30. Januar 2018. Zum Primat der Preisstabilitä t Art. 127 Abs. 1 AEUV, Art. 2 ESZB-Statut. Siehe auch die Aufgaben des Eurosystems in Art. 127 Abs. 2 AEUV und die rechtlich schwer einzuordnende Bestimmung in Art. 127 Abs. 5 AEUV.Vgl. Steinbach, The Lender of Last Resort in the Eurozone, CMLR 2016, 361. Zu den Fazilitä ten der Fed s. Federal Reserve System, Report Pursuant to Section 129 of the Emergency Economic Stabilization Act of 2008: Asset-Backed Commercial Paper Money Market Mutual Fund Liquidity Facility, September 2008; Carlson/Wheelock, The Lender of Last Resort: Lessons from the Fed’s First 100 Years, Nov 2012 and rev. Feb 2013. Zur Bank of England s. Bank of England, The Bank of England’s Sterling Monetary Framework,v. Juni 2015; Plenderleith, Review of the Bank of England’s Provision of Emergency Liquidity Assistance in 2008 – 09, Report – Presented to the court of the Bank of England, 2012. Nicht jede Zentralbank unterliegt den gleichen Einschränkungen in Bezug auf ihre Unabhängigkeit. So kann die Bank of England von Garantien des britischen Finanzministeriums profitieren, wenn sie Liquidität im Abwicklungsverfahren bereitstellt. Vgl. Bank of England, The Bank of England’s approach to resolution, 2017, S. 22. Siehe den Vorschlag für die Einrichtung einer Liquiditätsfazilität der Europäischen Zentralbank mit Garantien des SRF (sog. Transitional Liquidity Assistance) in: de Groen, Financing bank resolution: An alternative solution for arranging the liquidity required, European Parliament, ECON 2018, S. 10. Siehe den entsprechenden Vorschlag für Garantien durch den ESM: Demertzis/Gonçalves/ Hüttl/Wolff, How to provide liquidity to banks after resolution in Europe’s banking union, European Parliament, ECON 2018, S. 13. Zu Recht weisen die Autoren darauf hin, dass dieser Vorschlag eine erneute Anpassung des ESMV erfordern würde. Denn der aktuelle ESMV-E sieht keine Vorgaben für derartige Garantien vor.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
interessant erscheint insbesondere eine Garantenstellung des SRF, indem er konkret Garantien an das ersuchende Institut direkt oder an die EZB für den gesamten Umfang der Liquiditätshilfe vergeben würde.³⁴⁶ Dadurch wäre die EZB keinem Ausfallrisiko ausgesetzt. Ein derartiges Fungieren des SRF als Garant für eine zentralisierte Liquiditätsfazilität hätte mehrere Vorteile:³⁴⁷ Zunächst würde dies keine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen voraussetzen, denn „die Besicherung der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten des in Abwicklung befindlichen Instituts“ zählt zu den bereits in der SRMR normierten Verwendungszwecken des SRF.³⁴⁸ Zudem würden die Garantien des SRF für die Finanzierung zu Abwicklungszwecken den geltenden beihilferechtlichen Anforderungen genügen, sofern das begünstigste Institut im Wege eines Bail-ins rekapitalisiert würde und nicht mehr als insolvent gälte. Die Garantien des SRF würden auch eine angemessene Sicherheit darstellen und wären nicht mit staatlichen Maßnahmen gleichzusetzen. Darüber hinaus würde eine solche Lösung den Grundsatz der Haushaltsneutralität wahren. Die ausgezahlten Liquditätshilfen wären vom Bankensektor mittels ex post Beiträge einholbar. Trotz dieser Vorzüge findet auch ein solcher Vorschlag seine praktischen Grenzen in der begrenzten Ausstattung des SRF.
In diesem Zusammenhang wurde in der Eurogruppe die Möglichkeit der Einrichtung eines Liquiditätsabwicklungsrahmens (Liquidity Resolution Framework) diskutiert. Vgl. Eurogruppe, Letter by Eurogroup President Mário Centeno to European Council President Donald Tusk ahead of the Euro Summit of 29 June 2018, v. 25. Juni 2018: „work needs to continue on a possible framework for liquidity in resolution, including on the possible institutional framework“. So auch Ringe, Bail-in between Liquidity and Solvency, 2017, S. 38. Vgl. Fernandez de Lis/Garcia, Funding before and in resolution, BBVA Research, 2018, S. 6 ff. Vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. a SRMR. Zuzugestehen ist jedoch, dass die Wahrnehmung einer solchen Aufgabe durch den SRF effizienter durch Gesetzesänderungen zu gestalten wäre. So könnte de lenge ferenda die Option in Betracht gezogen werden, der durch den SRF abgedeckten Finanzierung eine Vorrangstellung in der Gläubigerhierarchie – nach dem US-amerikanischen Vorbild einer super priority – einzuräumen.
F. Ergebnis In diesem Abschnitt wurden zunächst alle im europäischen Bankenabwicklungsregime vorhandenen Finanzierungs- und Liquiditätsfazilitäten erörtert. Dieser Untersuchung lag der Gedanke zugrunde, dass eine ausreichende Finanzierung und Liquidität im Abwicklungsverfahren zwingende Voraussetzungen für ein wirksames und glaubwürdiges Bail-in-Instrument sind. Hierbei wurde eine Darstellungsweise bevorzugt, wonach die verschiedenen Fazilitäten nach ihrem institutionellen Ursprung sortiert werden: Einlagensicherungssysteme, nationale Abwicklungsfonds bzw. SRF, mitgliedsstaatliche Rettungsmaßnahmen und Garantien, supranationale Backstop-Mechanismen und zuletzt EZB bzw. nationale Zentralbanken der Mitgliedsstaaten. Alternativ hätte man diese Fazilitäten in zwei Kategorien aufteilen können, je nach dem, ob die Finanzierung oder Liquiditätsbereitstellung im Einklang mit dem europäischen Abwicklungsregime eine Mindestverlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern i.H.v. 8 % erfordert bzw. ob das empfangende Institut den sog. point of non viability erreicht hat oder ob sie auch im Vorfeld (oder noch im Laufe) dessen erfolgen kann. Demnach würde die erste Kategorie, die nationalen Abwicklungsfonds bzw. den SRF und den ESM umfassen, während die präventiven Maßnahmen der Einlagensicherungssysteme, die ad hoc Bail-outMaßnahmen und die Liquiditätsbereitstellung durch die Zentralbanken in die zweite Kategorie fallen würden. Eine solche Darstellungsweise vermag aus systematischer Sicht zutreffend sein, um den jeweiligen Haftungsumfang für Gläubiger zu bestimmen, hätte jedoch die Lektüre erheblich erschwert. Stattdessen wurde ein Hinweis auf die 8-%-ige Minimalgrenze beim Einsatz der verschiedenen Mechanismen aufgenommen, sofern dies vorgesehen ist. Im Übrigen sind für die Bewertung der bestehenden Finanzierungs- und Liquiditätsfazilitäten zwei Fragen von zentraler Bedeutung: Erstens ob die bereitgestellten Mittel ausreichend sind, um die Einsatzfähigkeit des Bail-in-Instruments zu erhöhen und zweitens, wie sich die jeweilige Finanzhilfe im Abwicklungsrahmen integrieren lässt. Bezüglich der Rolle der Einlagensicherungssysteme wurde festgestellt, dass sie im europäischen Einlagensicherungsregime grundsätzlich mit vier Aufgaben betraut werden: Einlegerentschädigung im Insolvenzfall, Abwicklungsfinanzierung, präventive und alternative Maßnahmen. Mit Ausnahme der ersteren unterliegen alle weiteren Intervententionen von Einlagensicherungssystemen der Beihilfekontrolle der europäischen Kommission. Dadurch werden die nationalen Einlagensicherungssysteme an der Erfüllung ihrer Pufferfunktion oft gehindert. Dies gilt insbesondere für präventive Maßnahmen, die – wie ihr Name bereits verrät – im Vorfeld und zur Abwendung des Insolvenz- bzw. Abwicklungsfalls des https://doi.org/10.1515/9783110764437-016
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
empfangenden Instituts ergriffen werden. Die neueste Rechtssprechung des EuGH („Tercas“) greift in das Dreiecksverhältnis „Einlagensicherung – Beihilferahmen – Bankenabwicklung“ und verlagert zurecht den Fokus auf die Organisationsstruktur bzw. die Autonomie der Einlagensicherungssysteme. Die Unsicherheit für Einleger wird allerdings ohne eine Reform der überfälligen Bankenmitteilung nicht aus dem Weg geräumt. Aber auch eine solche Reform würde auf ihre eigenen Grenzen stoßen. Denn anders als bei den Bankenabwicklungsfonds, die in der Bankenunion mit der Einrichtung des SRF fast vollumfänglich zentralisiert worden sind, ist der Bereich der Einlagensicherung derzeit noch durch eine fragmentierte Entscheidungsfindungsstruktur gekennzeichnet, die wiederum Quelle für zusätzliche Unsicherheit ist. An der Ausgestaltung finanzieller Unterstützung durch bankenspezifische Abwicklungsfonds oder den SRF ist in erster Linie zu bemängeln, dass sie als Alternative zu einem staatlichen Bail-out durch verschiedene Einschränkungen verwässert wird. Solche Einschränkungen tragen dazu bei, dass ein sektorspezifischer Bail-out an die Stelle eines staatlichen Bail-outs tritt und damit das Moral Hazard bestehen bleibt. Demnach ist der Beitrag, den die Finanzierungsmechanismen an das notleidende Institut leisten, auf 5 % der gesamten Passiva begrenzt. Zudem werden (klassische) Bankenrettungen mit dem Geld der Finanzierungsmechanismen untersagt. Denn deren Mittel dü rfen nicht direkt zur Rekapitalisierung oder zum Ausgleich erlittener Verluste eingesetzt werden. Sie sollen stattdessen für die Darlehensvergabe oder den Erwerb von Vermö gensgegenstä nden des Instituts (bzw. des Brü ckeninstituts oder einer Zweckgesellschaft) verwendert werden. Dennoch dient keiner dieser Verwendungszwecke zur Bereitstellung von Mitteln, die für den Fortbestand des Instituts benötigt sind.³⁴⁹ Zusammenfassend lässt sich anmerken, dass das europäische Abwicklungsregime geringere Hü rden fü r ein Bail-out durch staatliche Mittel aufzustellen scheint, als fü r eine Rekapitalisierung durch die sektorspezifischen Abwicklungsfonds.³⁵⁰ Dies steht im krassen Gegensatz zu den aus der Finanzkrise gewonnenen Erkenntnissen und den internationalen Standards des FSB, dass der Finanzsektor vor den Steuerzahlern zur Rettung einzelner Banken in Anspruch genommen werden sollte. Daher sind Verwendungsmö glichkeiten von Mitteln aus Abwicklungsfonds zu stringent konzipiert. Darüber hinaus erscheint die vorhandene finanzielle Ausstattung von Bankenabwicklungsfonds bzw. des SRF unangemessen zu sein, um eine umfangrei Im Übrigen auch nicht die weiteren drei Verwendungsmöglichkeiten in Art. 101 Abs. 1 lit. a, e und g BRRD. Vgl. Hofmann, in: Brömmelmeyer/Ebers/Sauer (Hrsg.), Innovatives Denken zwischen Recht und Markt, FS für H.-S. Schwintowski, 2017, 259, 265.
F. Ergebnis
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che Bail-in-Anwendung auf eine systemrelevante Bank zu begleiten – geschweige denn einer Abwärtsspirale im Bankensektor effektiv entgegenzutreten. Es ist auch zu bezweifeln, dass die Letztsicherung des ESM im Rücken des SRF daran etwas Grundsätzliches verändern würde. Die aggregierte „Feuerkraft“ beider Mechanismen würde auf 120 Mrd. EUR belaufen. Zur Veranschaulichung: Im Zeitraum 2008 – 2016 wurden dagegen in der Eurozone von den Mitgliedstaaten Garantiemaßnahmen in Höhe von bis zu 900 Mrd. EUR und Kapitalzuführungen in Höhe von 500 Mrd. EUR an Finanzinstitute gewährt.³⁵¹ Wie die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt haben, sind in systemischen Krisen häufig Summen zur Abwicklungsfinanzierung benötigt worden die ungefähr 2 bis 5 % des BIP des jeweiligen Landes entsprechen.³⁵² Dies würde – umgerechnet auf das BIP der gesamten Eurozone (11,6 Bil. EUR im Jahr 2018) – bedeuten, dass ein gut gerüsteter Backstop-Mechanismus über Mittel i.H.v. ungefähr 250 – 450 Mrd. EUR verfügen müsste. Dies legt den vorläufigen Schluss nahe, dass die Zentralbank in der Ausübung ihrer Funktion als LoLR die einzige Institution ist, die in einer vertrauensbedingten Krisensituation noch in der Lage ist, die Nachfrage nach sicheren und liquiden Anlagen zu bedienen, den Bankensektor zu stützen und die Finanzstabilität wiederherzustellen. So spricht sowohl die kaum Grenzen gesetzte Möglichkeit der Zentralbank zur Schöpfung von Liquidität sowie ihr effizientes bzw. rasches Handeln für die Einrichtung einer im Rahmen der Zentralbank operierenden Letztsicherungsfazilität zur Liquditätsbereitstellung für Abwicklungszwecke. Um dem Unabhängigkeitsmandat der EZB Rechnung zu tragen und ihr Verlustrisiko zu eliminieren, könnte eine Lösung erwogen werden, wonach die Liquiditätsbereitstellung der EZB durch Garantien abgedeckt ist, die vom SRF ausgegeben werden und die als notenbankfähige Sicherheiten gelten würden. In institutioneller Hinsicht ist im gegenwärtigen Bankenabwicklungseregime kein effizienter Mechanismus für die Bereitstellung von Liquidität im Abwicklungsverfahren vorhanden, der die entsprechende Aufgabe der Zentralbanken wahrnehmen kö nnte. Dennoch erfolgt die Liquiditäsversorgung – insbesodere im Rahmen der Notfallliquiditätshilfe (ELA) – in der Regel zu sehr intransparenten Bedingungen. Im Gegensatz zu den regulären Refinanzierungsmöglichkeiten durch Zentralbanken, die Institute adressieren, deren Solvenz außer Frage steht und die Sicherheiten an Vermö genswerten mit geringem Ausfallrisiko (und ent Vgl. Europäische Kommission, State Aid Scoreboard 2018. Vgl. Nieto/Garcia, The Insufficiency of Traditional Safety Nets: What Bank Resolution Fund for Europe?, LSE Financial Markets Group Paper Series, 2012, S. 17; Gordon/Muller, Confronting Financial Crisis: Dodd-Frank’s Dangers and the Case for a Systemic Emergency Fund, Yale Journal on Financial Regulation, 2011, S. 151, 204 ff.
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Dritter Abschnitt: Finanzierungs- und Liquiditätsquellen
sprechend gutem Rating) bestellen kö nnen, werden diese Standards für die ELA abgesenkt. Dieser Notmechanismus wirft viele rechtliche und geldpolitische Fragen auf. Während in der Eurozone das Eurosystem fü r die Liquiditä tsversorgung der Banken im Rahmen allgemeiner geldpolitischer Maßnahmen zustä ndig ist, wird ELA den einzelnen dem Eurosystem angehö renden nationalen Zantralbanken ü berlassen. De lege ferenda empfiehlt es sich die Gewährung von ELA auf europäischer Ebene zu zentralisieren. Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird und der ebenfalls geklärt werden sollte, ist der Zusammenhang zwischen der Finanzierung in der Abwicklung und der Finanzierung vor der Abwicklung. Die meisten Bankenkrisen liegen in einer Grauzone zwischen Liquiditäts- und Solvenzproblemen. Vor der Abwicklung ist eine Bank durch regelmäßige monetäre Operationen in normalen Zeiten und durch Kreditgeber von Fazilitäten der letzten Instanz – wie ELA – auf die Zentralbank angewiesen. Die Einrichtung einer ständigen Finanzierungsfazilität im Abwicklungsmechanismus muss diesem Zusammenhang Rechnung tragen und die Rolle der Zentralbank vor und während der Abwicklung klären.
Zusammenfassung in Thesen Erster Abschnitt: Ökonomisch-rechtliche Grundlagen A Ökonomische Vorüberlegungen ‒
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Banken sind nicht nur Finanzintermediäre, sondern auch ein wichtiges Glied in der Geldschöpfungskette, an der Spitze derer die Zentralbanken stehen. Daraus ergibt sich ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis: Die Banken genießen eine Monopolstellung in der Kredit- und Geldschöpfung und sind auf die Versorgung mit Zentralbankgeld durch die Zentralbanken angewiesen. Die Zentralbanken setzen ihre Geld- und Zinspolitik über Transmissionskanäle, die über Banken verlaufen. Der Grund des starken öffentlichen Interesses an einem stabilen und funktionierenden Bankwesen ist in den wichtigen Leistungen zu suchen die Banken erbringen. Die Fragilität des Geschäftsmodells von Banken, deren Vernetzung untereinander und die bestehenden Informationsasymmetrien bei der Beurteilung von Risiken durch die Gläubiger, liefern die Rechtfertigung für staatliche Eingriffe in das Bankwesen. Da das reguläre Insolvenzrecht sich als untauglich erwies, erfolgten diese Eingriffe im Zuge der globalen Finanzkrise 2007 ff. in Form von massiven finanziellen Rettungsmaßnahmen zugunsten von strauchelnden Banken. Dennoch gingen von solchen Eingriffen Gefahren aus, die deren Vorteile oft nachweislich überwogen. Aus diesen Erkenntnissen heraus wuchs die Vision, einen neuen Lösungsansatz zur Bewältigung von Bankinsolvenzen zu entwickeln, welcher eine an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierte Lastenverteilung unter Wahrung der Finanzstabilität ermöglicht. Der Idealfall wäre, dass der Ausfall einer Bank zu einem störungsfreien Ereignis wird, das das Vertrauen der Marktteilnehmer in den Finanzsektor nicht beeinträchtigt.
B Rechtliche Rahmenbedingungen ‒
Das europäische Bankenabwicklungsregime nimmt mit der Schaffung des Bail-in-Instruments die Herausforderung an, ein Gleichgewicht zwischen den anderenfalls unvermeidlichen Alternativen Liquidationen oder Bail-out zu finden. Das Bail-in-Instrument stellt eine Maßnahme zur bilanziellen Restrukturierung dar. Im Kern handelt es sich um einen hoheitlichen Eingriff in
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Zusammenfassung in Thesen
die Passivseite des Instituts, die eine bilanzielle Kapitalreduzierung durch einen Haircut auf die Gläubigerforderungen oder eine Umwandlung nachrangiger Schuldtitel in Eigenkapital bewirkt. Der Untersuchung liegt jedoch ein weites Begriffsverständnis des Bail-in-Instruments zugrunde als einer der verschiedenen vorhandenen Mechanismen zur Haftungsverwicklichung und Lastenverteilung bei der Bankenabwicklung, der eine Alternative zum Regelinsolvenzverfahren und zum europäischen Beihilferecht bietet. Als ein solcher Mechanismus bestimmt das Bail-in zum einen das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Verlustbeteiligung und zum anderen die Haftung der jeweiligen Gläubiger anhand einer vorgegebenen Kaskade untereinander. Aus dem Ineinandergreifen verschiedener Akteure im Rahmen der Bankenunion ergibt sich eine erhebliche Unsicherheit für Marktteilnehmer. Das europäische Aufsichts- und Abwicklungsregime für Banken umfasst insbesondere: ‒ Die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden, ‒ den SRB und die nationalen Abwicklungsbehörden, ‒ die Kommission und den Europäischen Rat, die für die Annahme der durch den SRB vorgelegten Abwicklungskonzepte zuständig sind, ‒ die EZB und die nationalen Zentralbanken, bei der Wahrnehmung ihrer Rolle als Liquiditätsliniengeber, ‒ die nationalen Finanzministerien, die über die Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln entscheiden, ‒ die Kommission, die die Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit dem EUBeihilferecht prüft, ‒ den ESM, ‒ die nationalen Einlagensicherungssysteme. Der komplexe Entscheidungsfindungsprozess für die Bankenabwicklung eröffnet Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme sowohl auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Haftung nach dem Bail-in-Instrument.
Zweiter Abschnitt: Der Bail-in-Haftungstatbestand A Haftungsvoraussetzungen ‒
Die Voraussetzungen für den Einsatz eines Bail-in-Instruments (sog. Trigger) sind mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet, die seine Glaubwürdigkeit untergräbt. Problematisch ist zunächst die Feststellung des Bank-
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ausfalls. Die Untersuchung nährt Zweifel an der praktischen Bedeutung und der Zweckmäßigkeit der vom Insolvenzrecht bekannten Tatbestände der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Ein Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen schließt sie bereits ein bzw. geht über sie hinaus, so dass die zwei insolvenzrechtlichen Tatbestände als überflüssig erscheinen. Um die Rechtssicherheit und ex ante Transparenz des Bankenabwicklungsregimes zu fördern, wird der Vorschlag befürwortet, die Einleitung des Abwicklungsverfahrens an das Unterschreiten quantitativer Schwellenwerte zu knüpfen. Solche Schwellenwerte sollten aber sowohl den institutsspezifischen Faktoren als auch den herrschenden Marktbedingungen Rechnung tragen. Alternativ kann ein Gleichlauf mit den Signifikanzkriterien im SSM angestrebt werden. In jedem Fall besteht ein Konkretisierungsbedarf der Haftungsvoraussetzungen, dem durch Leitlinien der EBA und des SRB nachgekommen werden kann. Wie auch der Umgang mit der luxemburgischen Zweigniederlassung der lettischen Bank ABLV gezeigt hat, besteht eine Inkogruenz zwischen abwicklungs- und insolvenzrechtlichen Triggern. Aufgrund des divergierenden Begriffsverständnisses der Liquiditation erfüllen Institute, die als ausfallend (failing likely to fail) eingestuft werden, aber deren Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse liegt und die ins nationale Insolvenzverfahren überführt werden, nicht die nationalen Insolvenz-Trigger. Ihr Ausscheiden aus dem Markt bleibt somit aus. Die neue Vorgabe im Art. 32b BRRD-II wirkt zwar abmildernd, bietet aber keine zufriedenstellende Lösung. Es bedarf einer Präzisierung des Liquiditationsbegriffs sowie einer Harmonisierung der nationalen Verfahren. Eine mittelfristige Lösung kann in der Anknüpfung der Ausfall-Indikatoren an die Bank-Zulassungsanforderungen nach Maßgabe der CRD-V. Aus dem Ausfall der venezianischen Banken geht hervor, dass das öffentliche Interesse, als Voraussetzung für ein Bail-in, das Einfallstor für eine diviergierende Abwicklungspolitik nationaler diskretionärer Spielräume darstellt. Zudem sind die „öffentlichen Interessen“ im europäischen Bankenabwicklungsregime (wie vom SRB interpretiert) und im europäischen Beihilferahmen (wie von der Kommission interpretiert) nicht deckungsgleich. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit des Bail-in-Instruments und seine Vorhersehbarkeit für die Gläubiger von bail-in-fähigen Verbindlichkeiten. Damit wird ein Ausweichen von den Bail-in-Vorgaben zugunsten einer auf Anteilseigner und nachrangige Gläubiger beschränkte Haftung nach Maßgabe des EU-Beihilferechts ermöglicht.
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Außerdem offenbart der Vergleich zu der Abwicklung der spanischen Banco Popular, dass der europäische Abwicklungsmechanismus lediglich dem Ausfall von großen Banken (über 100 Mrd. EUR) vorbehalten bleiben soll. Mangels weiterer Anwendungsfälle bleibt abzuwarten, ob dieser Trend sich in der Abwicklungspraxis des SRB in den kommenden Jahren bestätigt.
B Haftungsausschlüsse ‒
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Das europäische Bankenabwicklungsregime sieht eine lange Liste von per se Ausschlusstatbeständen vor, die den zentralen Haftungsgrundsatz verwässern. Zwecks besserer Übersicht werden sie in der Untersuchung anhand ihrer Zielsetzung in folgende Gruppen eingeordnet: Ausschlüsse zur Verhinderung von Bankruns bzw. Ansteckungseffekten über die Finanzmärkte und die Finanzmarktinfrastruktur; zur Wahrung wesentlicher Funktionen; zur Herstellung eines Gleichlaufs mit dem anwendbaren Insolvenzrecht der Mitgliedsstaaten; zur Rücksicht auf das Fiskalinteresse der Mitgliedsstaaten Eins der größten Defizite des neuen EU-Abwicklungsregimes besteht darin, dass die Abwicklungsbehörden über erhebliche Beurteilungsspielräume verfügen, die ihnen Manipulationsmöglichkeiten eröffnen. Besondere Vorsicht ist bei den ermessensgeleiteten bzw. einzelfallbezogenen Ausnahmetatbeständen erforderlich. Zu diesem Zweck wird hier der Versuch unternommen, die Kriterien aus den delegierten Rechtsakten und den Leitlinien der EBA zu systematisieren, die als Einschränkung dienen und somit ermessensreduzierende Wirkung entfalten. Hierbei kommt den MREL/TLAC-Mindestanforderungen eine Schlüsselrolle zu. Sie tragen zur verbesserten Einsatzfähigkeit des Bail-in-Instruments bei. Daher ist die Harmonisierung der Mindestanforderungen im Zuge der Umsetzung des EU-Bankenpakets positiv zu bewerten. Insbesondere die Trichotomie des Adressatenkreises von Instituten sowie die Einführung einer zwingenden Nachrangforderung sollen mehr Klarheit über den Haftungsumfang von Bankgläubigern schaffen. Es empfiehlt sich, die Höhe der Verlustabsorptionskapazität weiterhin an die bevorzugte Abwicklungsstrategie anzuknüpfen und je nach bevorzugtem Abwicklungsinstrument (Bail-in-Instrument oder Übertragunsinstrumente) festzusetzen. Wichtige Erkenntnisse liefert in diesem Zusammenhang der Ansatz, den die Bank of England verfolgt, wonach das Bail-in-Instrument grundsätzlich nur bei systemrelevanten Banken Anwendung finden soll.
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C Haftungsschranken ‒
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Zum Schutz der Gläubigerinteressen vor einem Bail-in sieht das europäische Bankenabwicklungsregime bestimmte Mechanismen vor. Eine zentrale Position nehmen dabei die unterschiedlichen Bewertungen, die sowohl das Maximum als auch das Minimum der Gläubigerhaftung nach dem Bail-inInstrument festsetzen. Die Mindestgrenze für die Gläubigerhaftung wird durch die Bewertung-II zum Zeitpunkt der Abwicklung vorgegeben. Die unterschiedlichen Bewertungsmethoden sowie die bestehenden Ermessensspielräume erschweren zwangsläufig die Einschätzung der eingegangenen Risiken durch die Bankgläubiger. Die Unsicherheit verschärft sich in dringenden Situationen, in denen nur eine vorläufige Bewertung vorgenommen werden kann. Um die Wirksamkeit des Bail-in-Instruments zu gewährleisten, ohne dass auf die qualitativen Anforderungen einer fairen und präzisen Bewertung zu verzichten, wird der Vorschlag für austauschbare Berechtigungsscheine befürwortet. Sie sollen bei Feststellung des Abwicklungsfalls an die Halter bail-infähiger Schuldtitel ausgegeben werden und ihnen ermöglichen, ihre Schuldtitel während der Übergangsphase bis zum Vorliegen der endgültigen Bewertung zu veräußern. Die Obergrenze für die Gläubigerhaftung wird durch den No-creditor-worseoff-Grundsatz (NCWO) vorgegeben. Das hypothetische Regelinsolvenzverfahren bleibt hierbei die Referenzgröße für die Feststellung der Schlechterstellung von Anteilseignern und Gläubigern. Beim Vorliegen einer Schlechterstellung wird den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern ein Ausgleichsanspruch gegen den Abwicklungsfonds eingeräumt. Insgesamt erfordert der NCWO-Grundsatz eine Prognose über den Ausgang verschiedener Entscheidungsprozesse, die auf dem jeweils anwendbaren nationalen Insolvenzrecht beruhen und diverse Sachverhalte (Rangfolge der Gläubiger, Ausgestaltung von Anfechtungsrechten) umfassen. Daraus entstehen Anreize für die Abwicklungsbehörden niedrige Liquidationswerte anzusetzen, um sich größere Spielräume bei der Lastenverteilung zu verschaffen. Die Gläubiger werden im Rahmen einer gestuften und nach der insolvenzrechtlichen Verteilungsordnung ausgerichteten Haftungsreihenfolge zur Verlustabdeckung im Rahmen eines Bail-in herangezogen. Wird eine Klasse komplett herangezogen und genügt dies nicht, um Verluste aufzufangen, kann die in der Haftungskaskade folgende Klasse von Verbindlichkeiten herabgeschrieben oder umgewandelt werden. Innerhalb einer Stufe gilt zudem das pari-passu-Prinzip. Die teilweise EU-weite Harmonisierung der Haftungskaskaden im Zuge der entsprechenden Richtlinie Ende 2017 schafft
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mehr Klarheit und verringert die Diskrepanz zwischen Insolvenz- und Bankenabwicklungsrecht und das daraus resultierende Risiko von strittigen Ausgleichsansprüchen auf Grundlage des NCWO-Grundsatzes. Die darin vorgesehenen Nachrangerfordernisse bleiben aber teilweise brüchig. Denn sie lassen abweichende nationale Ansätze weiterhin zu. Vor allem die Erfahrungen mit dem Ausfall einiger italienischen Banken lösten eine Diskussion über den optimalen Typus von Bail-in-Haltern sowie über die Notwendigkeit der Einfürhung von aufsichts- bzw. kapitalmarktrechtlichen Halterestriktionen für Kleinanleger aus. Es ist zu begrüßen, dass in der überarbeiteten BRRD-II Einschränkungen beim Vertrieb nachrangiger berücksichtigungsfähiger Schuldtitel an Kleinanleger vorgesehen sind. Es bestehen dennoch Unklarheiten in Bezug auf die geteilte Zuständigkeit von Abwicklungs- und Marktaufsichtsbehörden sowie die ex-post Durchsetzung der aus dem Kapitalmarktrecht herrührenden Ansprüche. De lege ferenda empfiehlt es sich näher mit der Frage eine ad hoc Haftungsausschlusses für Anlegerentschädigungssysteme nach dem Vorbild der Einlagensicherungssysteme auseinanderzusetzen.
Dritter Abschnitt: Finanzierungs und Liquiditätsfragen im Zusammenhang mit einem Bail-in ‒
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Maßgeblich für die Fortführung kritischer Funktionen sowie die Vermeidung von Ansteckungseffekten ist die Finanzierung der in Abwicklung befindlichen Bank. Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Gläubigerhaftung. Es sind verschiedene Optionen zur Finanzierung sowohl innerhalb als auch außerhalb des europäischen Bankenabwicklungsregimes denkbar. Unter die erste Kategorie fallen die staatlichen Stabilisierungsinstrumente und die wohl wichtigere Finanzierung durch den SRF. Seine Mittel werden zur effizienten Anwendung des Bail-in-Instruments sowie zur Sicherstellung der Abwicklungsziele eingesetzt. Ausgeschlossen bleibt eine Finanzierung zur Verlustdeckung. Aus der begrenzten „Feuerkraft“ des SRF geht die Notwendigkeit einen zusätzlichen gut ausgestatteten Backstops hervor. Daher ist der entsprechende Entwurf für eine Reform des ESM grundsätzlich zu begrüßen, wonach der ESM zukünftig am Ende der Haftungskaskade und somit nachdem auch die Mittel des SRF erschöpft sind als Letztsicherung für den SRF fungieren soll. Auch ein beim ESM angesiedelter Rückhaltemechanismus würde sich allerdings bei einer systemischen Krise als unzureichend erweisen.
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Die im europäischen Bankenabwicklungsregime verankerten Ausnahmen für Finanzierungsfazilitäten, deren Einsatz nicht der 8-%igen Mindestbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern unterliegt, zeichnen sich durch mangelnde Transparenz, Abhängigkeit von politischen Entscheidungen und geringe Prognostizierbarkeit für die Marktteilnehmer aus. Sie eröffnen die Möglichkeit für ad hoc Lösungen außerhalb des europäischen Bankenabwicklungsregimes. Trotz der anspruchsvollen Anforderungen, die an sie gestellt werden, dürften diese Ausnahmen in der Praxis oft zum Regelfall werden. Daher müssen die Kriterien, unter denen sie gewährt wird, konkreter gefasst werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das Abstellen auf das Solvenz-Kriterium sowie die Ergebnisse von Stresstests. Eine Abschaffung der vorbeugenden Rekapitalisierung erscheint im Hinblick auf das Erfordernis einer gewissen Flexibilität, die bei systemischen Kriseereignissen geboten ist, nicht als vorzugswürdig. Maßgeblich für die Einleitung des Abwicklungsverfahrens und damit die Festlegung des Hafungsumfangs für Aktionäre und Gläubiger ist aber auch die Liquiditätsbesorgung der auszufallenden Bank im Rahmen der ELA-Notfallliquiditätshilfe. Kritisch zu betrachten sind ihre unübersichtlichen und intransparenten Rahmenbedingungen, die Gegenstand einer engeren Regulierung werden sollte. Zu bemängeln sind u. a.: das Fehlen einer Obergrenze für ELA-Kredite, die nationalen Spielräume zur Festlegung von Sicherheiten, die entgegengenommen werden, sowie die Umgehungstaktik der Banken durch die Einschaltung der Staaten in die Garantenrolle, die im Widerspruch zu der Zielsetzung der Europäischen Bankenunion steht. Aus der Untersuchung geht hervor, dass die ELA kein rein bloßes Krisenvorbeugungsinstrument darstellt, sondern auch ein Instrument zur Liquiditätsbereitstellung im Abwicklungsverfahren. Damit ist ein nicht unbeachtliches Risiko verbunden, das die ELA den verlustfreien Ausstieg bestimmter Gläubigerkategorien ermöglichen könnte. De lege ferenda empfiehlt es sich die Gewährung von ELA auf EU-Ebene zu zentralisieren. Damit kommt man zurück auf die in der Einleitung erörterte Frage der gegenseitigen Abhängigkeit von Banken und Zentralbanken. Letztere verfügen über eine eigene Geldschöpfungsmacht und dienen damit am besten zur Wiederherstellung der Finanzstabilität im Falle einer systemischen Krise. Daher erweist sich eine bei der EZB ansässige Letztsicherungsfazilität – nach dem US-amerikanischen Vorbild – als vorzugswürdiger Reformansatz zur Bewältigung systemischer Krisen und zur Unterstützung der Bail-in-Anwendung auf einem systemrelevanten Institut. Um eine Haftungsübernahme durch die EZB auszuschließen, könnte der SRF als Garant operationalisiert werden.
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