GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche: Gut informiert in die Umsetzung starten [2 ed.] 9783748606017

Das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz bringt massive Veränderungen für die Refinanzierung der Personalkoste

118 28 3MB

German Pages 216 Year 2022

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Table of contents :
Inhalt
Kapitel I. Vorwort
Kapitel II. 2019 – 2022: Was ist geschehen?
Kapitel III. Thema: Entlohnung und Finanzierung
Kapitel IV. § 72 Versorgungsvertrag und § 82c Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen
Kapitel V. § 73 und 74: Abschluss und Kündigung von Versorgungsverträgen
Kapitel VI. § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung ambulant
Kapitel VII. § 132 SGB V Versorgung mit Haushaltshilfe
Kapitel VIII. Thema Digitalisierung
Kapitel IX. § 7a Pflegeberatung
Kapitel X. § 8 Gemeinsame Verantwortung: Förderfähige Projekte Abs. 7 und 8
Kapitel XI. § 37.3 Beratungsbesuche per Video
Kapitel XII. § 39a, 40a und 40b: Digitale Pflegeanwendungen
Kapitel XIII. § 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen
Kapitel XIV. § 125 Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege
Kapitel XV. § 293 SGB V: Kennzeichen für Leistungsträger und Leistungserbringer, Abs. 8
Kapitel XVI. § 302 SGB V sowie § 105 und 106a SGB XI: Abrechnung der Leistungen
Kapitel XVII. Thema: Übertragung von Aufgaben an die Fachpflege
Kapitel XVIII. § 37 Häusliche Krankenpflege
Kapitel XIX. § 64 d: Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
Kapitel XX. § 40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
Kapitel XXI. Weitere Änderungen: Auswirkungen auf die ambulante Pflege
Kapitel XXII. § 35 Erlöschen der Leistungsansprüche
Kapitel XXIII. § 36 Sachleistungen (ab 2022)
Kapitel XXIV. § 42 und § 88a: Regelungen zur Kurzzeitpflege
Kapitel XXV. § 43 c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen
Kapitel XXVI. § 45a Angebote zur Entlastung im Alltag
Kapitel XXVII. § 45c Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts, Verordnungsermächtigung
Kapitel XXVIII. § 113 Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität
Kapitel XXIX. § 39e Übergangspflege im Krankenhaus
Kapitel XXX. § 150a Pflegebonus
Kapitel XXXI. Anhang
Autor
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GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche: Gut informiert in die Umsetzung starten [2 ed.]
 9783748606017

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Andreas Heiber

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche Gut informiert in die Umsetzung starten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet. Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

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Andreas Heiber

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche Gut informiert in die Umsetzung starten

Inhaltsverzeichnis Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

Inhaltsverzeichnis



9

II • 2019 – 2022: Was ist geschehen? 2.1  Was hat sich alles geändert? 2.2  Die Übersicht der Änderungen 2.3  Die Thematische Gliederung des Buches 2.4  Das Vorhaben „Pflegereform“ und ihre Umsetzung

11 11 12 15

III • Thema: Entlohnung und Finanzierung 3.1  Die Pflegelandschaft und ihre Tarife 3.2  Umsetzung von Tarifverträgen in Zahlen 3.3  Die Vorgeschichte zur Neuregelung der Vergütung

19 19 21 22

16

IV •  § 72 Versorgungsvertrag und § 82c Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen 25 4.1  § 72: Was ist neu? Übersicht 25 4.2  § 82c: Was ist neu? Übersicht 26 4.3 Festlegung im Versorgungsvertrag 27 4.4  Die Ermittlung der Entgeltniveaus 33 4.5  Problematische Prüfwerte 35 4.6  Die Varianten der Personalentlohnung 43 4.7  Hinweise zur Auswahl der Varianten 56 4.8 Prüfwert zur Wirtschaftlichkeit der Personalvergütung 58 4.9  Sachliche Gründe für die Überschreitung des regionalen Entgeltniveaus61 4.10  § 84, Abs. 7: Richtlinie zur Überprüfung der Vergütungszahlung  63 4.11  Der Umsetzungszeitpunkt bleibt! 64 4.12  Auswirkungen der ‚Tariftransparenz‘ 66 4.13  Weitere Regelungen § 72 71 4.14  Gesetzestexte 72 V • § 73 und 74: Abschluss und Kündigung von Versorgungsverträgen  5.1 Was ändert sich?

79 79

Kapitel

VI • § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung ambulant 6.1  Was ist neu? 6.2  Praxis 6.3  Gesetzestext

81 81 81 81

Kapitel

VII • § 132 SGB V Versorgung mit Haushaltshilfe 7.1  Was ändert sich? 7.2  Gesetzestext

83 83 83

Kapitel

4

I • Vorwort

Kapitel

VIII • Thema Digitalisierung IX • § 7a Pflegeberatung 9.1  Was ist neu? 9.2  Inhalte 9.3  Gesetzestext

85 89 89 89 91

X • §   8 Gemeinsame Verantwortung: Förderfähige Projekte Abs. 7 und 8 10.1  Was ändert sich? 10.2  Gesetzestext

97 97 98

Kapitel XI • § 37.3 Beratungsbesuche per Video 11.1 Was ist neu? 11.2 Videosprechstunde mit technischen Auflagen 11.3 Gesetzestext § 37, Abs. 3

101 101 101 102

Kapitel XII • § 39a, 40a und 40b: Digitale Pflegeanwendungen 12.1 Was ist neu? 12.2  Digitale Helfer für die häusliche Pflege? 12.3 Gesetzestext

105 105 105 107

Kapitel

Kapitel

XIII • § 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen113 13.1  Was ändert sich? 113 13.2  Gesetzestext 113

Kapitel XIV • § 125 Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege 14.1  Was ändert sich? 14.2  Bewertung 14.3  Gesetzestext Kapitel Kapitel

115 115 116 116

XV • § 293 SGB V: Kennzeichen für Leistungsträger und Leistungserbringer, Abs. 8 15.1  Was ist neu? 15.2  Praktische Folgen 15.3  Gesetzestext

117 117 117 118

XVI •  § 302 SGB V sowie § 105 und 106a SGB XI: Abrechnung der Leistungen 16.1  Was ist neu? 16.2  Konsequenzen 16.3  Gesetzestexte SGB V 16.4  Gesetzestexte SGB XI

121 121 121 122 124

Kapitel XVII • Thema: Übertragung von Aufgaben an die Fachpflege

127

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Kapitel

5

Kapitel

XVIII • § 37 Häusliche Krankenpflege 18.1  Was ist neu? 18.2  Verordnungskompetenz zum Schein? 18.3  Gesetzestexte

129 129 129 132

XIX • § 64 d: Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten 139 19.1  Warum ist das neu? 139 19.2  Gesetzestext 140

Kapitel

XX • §   40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen143 20.1  Was ist neu? 143 20.2  Eingeschränkter Prüfauftrag (wie SGB V) 143 20.3  Erweiterte Verordnungskompetenz 144 20.4  Gesetzestext 147

Kapitel

Kapitel

151

Kapitel XXII • § 35 Erlöschen der Leistungsansprüche 22.1  Was ändert sich? 22.2  Gesetzestext

153 153 153

XXIII • § 36 Sachleistungen (ab 2022) 23.1  Was ist neu? 23.2  Kommentierung 23.3  Gesetzestexte

155 155 155 156

Kapitel

Inhaltsverzeichnis

XXI • Weitere Änderungen: Auswirkungen auf die ambulante Pflege

Kapitel XXIV • § 42 und § 88a: Regelungen zur Kurzzeitpflege 24.1  Was ändert sich? 24.2  Gesetzestext

159 159 160

Kapitel XXV • § 43 c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen 25.1  Was ist neu? 25.2  Auswirkungen auf die ambulanten Angebote? 25.3  Gesetzestext

163 163 163 167

Kapitel XXVI • § 45a Angebote zur Entlastung im Alltag 26.1  Was ändert sich? 26.2  Gesetzestext

169 169 169

Kapitel XXVII • § 45c Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts, Verordnungsermächtigung173 27.1  Was ändert sich? 173 27.2  Gesetzestext 174

6

Kapitel XXVIII •  § 113 Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität 28.1  Was ist neu? 28.2  Kommentar 28.3  Gesetzestext 

179 179 179 182

Kapitel XXIX • § 39e Übergangspflege im Krankenhaus 29.1  Was ändert sich? 29.2  Gesetzestext

185 185 186

XXX • § 150a Pflegebonus 30.1  Was ist neu? 30.2  Bedingungen der Auszahlung  30.3  Gesetzestext

187 187 187 189

Kapitel XXXI • Anhang 31.1 Zulassungsrichtlinie § 72 Abs. 3c 31.2 Pflegevergütungsrichtlinie nach § 82c Autor

193 193 205 215

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Kapitel

7

Kapitel I • Vorwort Das Buch kommt zu früh, eindeutig? So lautete die Einleitung der ersten Fassung, die nur als eBook Ende August 2021 veröffentlicht wurde, um schon frühzeitig allen Interessierten Hinweise zur Umsetzung zu geben. Die erste Buchfassung (also dann die zweite Fassung) war am 20. März fertig gestellt und sollte pünktlich zur Altenpflegemesse im April erscheinen, als klar wurde, dass mit dem Pflegebonusgesetz womöglich weitere Änderungen auch in Bezug auf die tarifähnliche Bezahlung geplant waren. Die nun inzwischen dritte Textfassung ist Ende Mai fertig geworden und fasst den bisherigen Stand zusammen, der sich auch durch das Pflegebonusgesetz kaum noch verändert hat. Nach dem mehrfachen Verschieben der Meldefristen, den verzögerten Veröffentlichungen der Richtlinien und der Entgeltniveaus einschließlich erster Korrekturveröffentlichungen gab es die Hoffnung, dass auch der Starttermin 01. September 2022 der Umsetzung noch verschoben wird. Aber wie zu befürchten, will der Bundesgesetzgeber diesen Termin halten, auch wenn sowohl die Pflegekassenverbände als auch die Leistungserbringer eine Verschiebung dringend angemahnt hatten. Es bleiben jetzt noch relativ sportliche knappe 3 Monate (beim Schreiben dieses Vorwortes), um den richtigen Tarif auszuwählen bzw. die Auswahl zu korrigieren, die Arbeits- und Pflegeverträge anzupassen und auch noch die evtl. nötigen Vergütungsverhandlungen zu führen. Und das mitten in der Sommerzeit, in der erfahrungsgemäß kaum einer in den Urlaub geht! Konstellationen mit Beispielen erläutert und so hoffentlich verständlich dargestellt. Technische Hinweise – Die Angabe von Paragrafen bezieht sich immer auf das SGB XI, nur wenn andere Rechtsgrundlagen gemeint sind, werden diese auch angeführt. – In den Gesetzestexten dieses Buches erscheinen die Textteile in fetter Schrift, die durch die aktuellen Reformen neu hinzugekommen oder geändert worden sind. – Wie immer sind die Fundstellen zur Historie der Entwicklung und zum Nachlesen in den Fußnoten aufgeführt, die wesentlichen Quellen/Fundorte findet man auch nochmal im Literaturverzeichnis. Viele Einschätzungen und Beurteilungen beziehen sich immer auf den Daten- und Wissenstand vom 28.05.2022 und können sich aufgrund der eigenen Dynamik noch ver-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Das Buch soll eine praktische Arbeitshilfe bei der Umsetzung sein, daher sind viele

ändern. 9

Im Gesundheitsministerium ist, so scheint es aktuell, das Thema Pflege kaum besetzt und es wird das umgesetzt, was die Vorgängerregierung angerichtet hat, zumal das beim Thema Tarifpflicht ‚federführende‘ Arbeitsministerium auch personell unverändert in dieser Regierung vertreten ist. Aber allein die Tatsache, dass ca. 6 Wochen nach Erscheinen der Richtlinien bereits 68 FAQs vom GKV-Spitzenverband zur Klärung von weiteren Fragen veröffentlicht worden sind, zeigt den weiterhin vorhandenen Klärungsbedarf genauso wie die gesetzlichen Änderungen durch das Pflegebonusgesetz. Wobei auch so nicht alle Punkte geklärt sind und es weiterhin Umsetzungsprobleme geben wird. Weil die erste Fassung des Buches mal wieder mitten in den Sommerferien geschrieben wurde, konnte/durfte/musste Klaus Mencke allein das Lektorat übernehmen. Wie immer hat Gerd Nett insbesondere auch mit seinem Hintergrund als Arzt den Text kritisch gelesen und wichtige Impulse beigetragen. Die zweite Fassung des Buches hat im Lektorat wieder Bettina Schäfer übernehmen können, ebenso jetzt die abschließende Druckfassung. Allen sei ausdrücklich gedankt! Bielefeld, der 28.05.2022

Kapitel I • Vorwort

Andreas Heiber

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Kapitel II • 2019 – 2022: Was ist geschehen? 2.1 Was hat sich alles geändert? Die Jahre 2019 bis Mitte 2022 waren auch für die ambulante Pflege wilde Jahre mit einer nie gekannten Pandemie, aber trotzdem mit sehr vielen Gesetzesänderungen bis hin zu den jüngst verabschiedeten Teilen einer Pflegereform als Anhängsel des GVWG. Und es ist erstaunlich, welche Menge an Regelungen der Gesetzgeber außerhalb der pandemieverursachten Regelungen trotzdem auf den Weg gebracht hat. Um einigermaßen den Überblick zu behalten, hier die Gesetze, dessen Regelungen in diesem Buch kommentiert werden: – Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur Patientendaten-Schutzgesetz – PDSG, vom 14. Oktober 2020 – Gesetz zur Stärkung der intensivpflegerischen Versorgung und Rehabilitation – Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – IPReG, vom 23.10.2020 – Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG), vom 22. Dezember 2020 – Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG), vom 3. Juni 2021 – Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG), vom 11. Juli 2021 – Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen (18.2.2022): hier wurden Regelungen zu den Digitalen Pflegeanwendungen weiter konkretisiert und eingegrenzt. richtungen (Pflegebonusgesetz), verabschiedet im Bundestag am 19.05.2022. Daneben traten auch noch einige andere Gesetze in Kraft, die indirekt Auswirkungen haben wie das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation – Digitale-Versorgungsgesetz – DVG, das Rahmenbedingungen für die weitere Digitalisierung im Gesundheitssystem definiert hat, und das MDK-Reformgesetz mit dem Titel: „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen – MDK-Reformgesetz“, das den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in eine nun eigenständige Körperschaft des Öffentlichen Rechts überführt. Daher heißt der Prüfdienst nun nur noch Medizinischer Dienst (MD) bzw. als Spitzenverband MD Bund. Der bisher nicht eigenständig definierte und geregelte Bereich der außerklinischen Intensivpflege wird durch das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz völlig eigenständig im Leistungs- und Vertragsrecht geregelt:

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

– Gesetz zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeein-

11

§ 37c: Definition der Leistungsansprüche, konkretisiert über eine eigenständige Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 die Leistungen an allen Versorgungsorten (zu Hause, in Gemeinschaftswohnformen und in vollstationären Pflegeeinrichtungen). § 132l: Regelungen zu einer Bundesrahmenempfehlung zur Intensivpflege sowie zu Verträgen mit den Leistungserbringern. § 275 b: Regelungen zur Durchführung von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der Häuslichen Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege. Da dieser Leistungsbereich damit völlig eigenständig und losgelöst von der Häuslichen Krankenpflege definiert ist, wird er in diesem Buch nicht behandelt. Manche Regelungen, insbesondere im vollstationären Bereich, haben sich schon wieder selbst ‚überholt‘: Es werden mit dem GPVG zum 01.01.2021 weitere zusätzliche Pflegestellen refinanziert, die mit dem GVWG schon wieder in ein neues System von bundeseinheitlichen Personalschlüsseln ab 2023 überführt werden. Es ist sehr viel los, also höchste Zeit, es für den Bereich und aus dem Blickwinkel der ambulanten Pflegedienste zu sortieren und praktisch einzuordnen.

2.2 Die Übersicht der Änderungen Die letzten Änderungen Aktuell wurden noch folgende Änderungen im Frühjahr 2022 durchgeführt: – Mit dem „Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen“ wurden Anfang März die Regelungen zu den Digitalen Pflegeanwendungen (§§ 39a, 40a,

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

40b und 78a) angepasst sowie die Möglichkeit der digitalen Beratungsbesuche nach § 37.3 bis 30.06.2022 verlängert.1 – Mit der „Dritten Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie“ vom 02.03.2022 wurden die Fristen für folgende Sonderregelungen bis zum 30. Juni verlängert: – Einstufungsbegutachtung ohne Hausbesuche (§ 147). – Alle Regelungen aus § 150, insbesondere Schutzschirm und längere Nutzung Pflegeunterstützungsgeld wird bis zum 30.06.2022 verlängert.2 – Mit dem Pflegebonusgesetz wurde nicht nur ein Pflegebonus in Höhe von bis zur 550 € für alle Pflegemitarbeiter:innen vereinbart, die am 30. Juni in der Pflege tätig. sind und im letzten halben Jahr mehr als 3 Monate beschäftigt waren. Dazu kom1 2

12

BT-Drs. 20/734, verabschiedet im Bundesrat am 11.03.2022 Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit: BR 98/22 vom 02.03.22

Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2020-Mai 2022

Hinweis. lediglich redationelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung auch durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt

SGB XI Pflegeversicherung

Aufgabe der Pflegeberatung, auch auf die Umsetzung der Empfehlungen zur medizinsichen Rehabiliation hinzuwirken Pflegeberatung kann auch digital erfolgen, der Anspruch auf andere Beratung § 7a bleibt erhalten Pflicht zum Beratungsangebot und Beratungsgutscheine konkretisiert und § 7b erweitert Neue Modellvorhaben zu innovativen Versorgungsansätzen unter besonderer § 8, 3a Berücksichtigung einer kompetenzorientierten Aufgabenverteilung des Personals in Pflegeeinrichtungen Modellvorhaben zur stationären Personalbemessung und der praktischen § 8, 3b Umsetzung § 8, 5a Finanzierung einer Geschäftsstelle nach § 82c § 8 Abs. 7 Konkrtisierung der Fördermöglichkeiten im Gesetz § 8, Abs. 8 Zuschuss zur Digitalisierung bis 2023 verlängert § 17 Abs. Ergänzte Richtlinie zur digitalen Beratung nach § 7a

§ 7a

1a § 18 § 35 § 36

§ 37 Abs. 3 § 39a § 40 § 40, Abs. 6 § 40 Abs. 7 § 40a § 40a § 40b § 42 § 43b

geändert, gültig ab

IPReG DVPMG GVWG

Pflegebonus GVWG DVPMG DVPMG

GPVG GVWG GVWG ab 01.01.2022 Umsetzung von Pflegeberatung per Videosprechstunde Pflegebonus Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen als DVPMG Leistungen der Pflegedienste Ermessensprüfung und Fristen analog SGB V GPVG Verordnungskompetenz auch für Pflegehilfsmittel der Krankenversicherung GVWG sowie Erstellung Richtlinie zur Umsetzung durch Krankenkassenverbände Fristen für Bearbeitung der Anträge nach Abs. 6 GPVG Digitale Pflegeanwendungen als Hilfsmittel DVPMG Befristete erste Bewilligung von Digitalen Pflegeanwendungen Pflegebonus Leistungsanspruch beim Einsatz digitaler Pflegeanwendungen DVPMG Höhere Leistungen der Kurzzeitpflege GVWG ab 01.01.2022 Pflegebedingter Eigenanteil bei vollstationärer Pflege wird schrittweise GVWG ab reduziert 01.01.2022 Angebot auch digitaler Pflegekurse zusätzlich zum bestehenden Angebot DVPMG Konkretisierung des Ablaufs bei Nutzung des Umwandlungsanspruchs GVWG GVWG ab 01.01.2022 GVWG

verlängerte Frist bis 01.01.2023, bis wann eine Fortbildung als leitende Pflegefachkraft vorliegen muss Verpflichtung im Versorgungsvertrag, die ordnungsgemäße Durchführung von IPReG § 72 Qualitätsprüfungen zu ermöglichen § 72, Abs. Neue Regelungen zur Zulassung, die abhängig ist von der Vergütung nach GVWG 3a bis f einem Mindesttarif § 72, Abs. Überarbeitung und Konkretisierung der bisherigen Regelung Pflegebonus § 71 Abs. 3

3a bis f § 72, Abs. die Leistungen sollen ressourcenschonden und effizient erbracht werden 3 Satz 3 § 75 § 78 § 78a § 82c § 82c § 88a

Verpflichtung der Rahmenvertragsparteien, Regelungen zur ortsüblichen Vergütung und deren Prüfung zu erlassen, wird aufgehoben Erweiterung Pflegehilfsmittelverzeichnis um digitale Technologien Verträge über digitale Pflegeanwendungen und Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen neu geregelt Konkretisierung der bisherigen Regelungen Neuregelung: wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege

Grafik 1 (auf den Seiten 13 - 14)

9 9

GPVG

Empfehlungen des MD zu Pflegehilfsmitteln nach SGB V bindend Ansprüche auf Kostenerstattung bis 12 Monate nach Tod Erhöhung Sachleistungen

Zuschlag für Kinderlose wird auf 0,35 angehoben

9

GPVG

§ 45 § 45a, Abs. 4 § 45c erweiterte Förderung regionaler Netzwerke zur strukturierten Zusammenarbeit GVWG § 55

Buch, Kap.

GVWG

10 10

22 23 11 12 20 20 20 12 12 12 24 25 13 26 27

Kapitel II

Betroffene Paragrafen

3 3 3 3

GVWG ab 01.09.2022 GPVG DVPMG GVWG Pflegebonus GVWG

4 4 24

➔ 13



Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2020-Mai 2022

Hinweis. lediglich redationelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung auch durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt

SGB XI Pflegeversicherung

Betroffene Paragrafen § 89, Abs. Änderungen aufgrund der Neuregelung in § 82c 1

geändert, gültig ab

GVWG

Grundsätze zur Vergütung längerer Wegezeiten sollen Rahmenempfehlungen GVWG § 89, Abs. nach § 132a SGB V berücksichtigt werden; auch zum Vorweis von 3 Personalkosten Angabe der Beschäftigtennummer nach § 293 SGB V sowie Verpflichtung zur PDSG § 105 elektronischen Abrechnung einschließlich elektronischen Leistungsnachweis Refinanzierung der Anbindung an Telematik-Infrastruktur DVG § 106b

Weiterbildung für Betreuungskräfte können auch berufsbegleitend erworben § 112a werden Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität sollen differenziert in ambulant, teilstationär, Kurzzeitpflege und § 113 vollstationär werden und flexible Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Krisensituationen umfassen § 113, Satz Mitarbeiter, die in Pflegediensten Betreuungsleistungen erbringen, müssen 4 neu wie Betreuungskräfte nach § 112a qualifiziert sein § 113c Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen § 120 Ergänzungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen § 125a Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege § 150a Pflege-Bonus: Regelungen zur Umsetzung

SGB V Krankenversicherung

Gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich mit 640 Mill. Euro an Behandlungspflegeleistungen in Pflegeheimen GBA regelt über Richtlinie verordnungsfähige Maßnahmen, die Pflegefachkräfte im Rahmen eines ärztlich festgestellten Verordungsrahmens § 37, Abs. selbständig über Häufigkeit und Dauer bestimmen können. Der Umfang des 8-10 Ausgabevolumens soll erfasst werden und nach drei Jahren in Bezug auf Wirkung und finanzielle Auswirkungen evaluiert werden § 37c Eigenständige Regelung der Außerklinischen Intensivpflege Übergangspflege im Krankenhaus als neue Leistung § 37, 2a

neu 39e

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Grafik 1

6 6 16 16 29

GVWG 29 GVWG GVWG DVPMG DVPMG Pflegebonus geändert, gültig ab

GVWG

29

14 30

Buch, Kap.

18

GVWG 18 IPReG GVWG

Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher GVWG Tätigkeiten Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tariflicher Vereinbarungen ist wirtschaftl GVWG § 132 Rahmenvertragsinhalte werden erweitert: Qualifikationsanforderungen an GVWG § 132a, Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen des Verordnungsrahmens nach § Abs. 1 37, Abs. 8 erbringen § 132a, Leistungserbringer müssen "zuverlässig" sein; Konsequenzen bei GVWG Abs. 4 Qualitätsmängeln, die über Prüfungen nach § 275b (Qualitätsprüfungen) Vertragsgrundlagen zur Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege und IPReG § 132l Verordnungsermächtigung Intensivversorgung: Konsequenzen bei Qualitätsmängeln, die über Prüfungen GVWG § 132l nach § 275b (Qualitätsprüfungen) § 132m Vertragliche Grundlage zur Übergangspflege im Krankenhaus GVWG § 275b Erweiterung um Prüfauftrag bei außerklinischer Intensivpflege IPReG Zusammenarbeit der Krankenkassen mit Aufsichtsbehörden der Heimaufsicht GVWG § 275b und Eingliederungshilfe, um Doppelprüfungen zu vermeiden § 277 Konkretisierung der Mitteilungspflichten des MD GVWG Einrichtung eines bundeseinheitlichen Verzeichnisses aller Pflegedienste nach PDSG § 293, Abs. § 132a oder SGB XI sowie Verzeichnis aller Beschäftigten mit Qualifikation 8 einschließlich Beschäftigungszeitraum Angabe der Beschäftigtennummer nach § 293 SGB V sowie Verpflichtung PDSG § 302 zum elektronischen Abrechnung einschließlich elektronischen 64d

14

GVWG

Buch, Kap.

19

19 7

15 16

men Regelungen zur Videosprechstunde bei Beratungsbesuchen nach § 37.3 und wesentliche Konkretisierungen zur tarifähnlichen Vergütung. Darüber hinaus sind einige Regelungen beim Auslaufen des Schutzschirms (insbesondere weitere Finanzierung notwendiger Coronatestungen) nach § 150 aufgenommen.

2.3 Die Thematische Gliederung des Buches Anders als in den vorherigen fünf Praxiskommentaren zu Gesetzesänderungen3, die für die Pflegedienste relevant sind, wird die Gliederung in diesem Buch nicht nach den Paragrafennummern erfolgen, sondern thematisch geordnet. Das liegt daran, dass insbesondere die neuen Vergütungsregelungen in den §§ 72 und 82c unmittelbar miteinander verzahnt und nur im Zusammenhang zu verstehen und zu kommentieren sind. Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben der Paragrafen immer auf das SGB XI. Folgende Themenschwerpunkte gliedern das Buch: Die neuen Entlohnungsregelungen und ihre Finanzierung: dazu gehören folgende Paragrafen – § 72 Versorgungsvertrag und § 82c: Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen – § 74: Kündigung von Versorgungsverträgen – § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelungen – § 132 SGB V: Versorgung mit Haushaltshilfe Zum Themenfeld Digitalisierung und digitale Anwendungen: dazu kommentierte Paragrafen – § 8 Gemeinsame Verantwortung – § 37.3 Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen: Beratungseinsätze – §§ 39a, 40a, und 40b: Digitale Pflegeanwendungen – § 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen

Kapitel II

– §7a/b Pflegeberatung

– § 125 Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege – § 302 SGB V und § 105 SGB XI: Abrechnung von Leistungen – § 293 SGB V: Kennzeichen für Leistungsträger Das Themenfeld: Übertragung von Aufgaben an Pflegefachkräfte umfasst folgende Paragrafen – § 37 Häusliche Krankenpflege – § 64d: Verpflichtende Modellversuche 3

Zum PNG, PSG 1-3 sowie PsSG/TVSG, alle erschienen bei Vincentz.net

15

– § 132a: Verträge Häusliche Krankenpflege – § 40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen Weitere Änderungen: Auswirkungen auf die ambulante Pflege Im letzten Teil werden weitere Gesetzesänderungen dargestellt, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf die ambulante Versorgung haben – § 35 Erlöschen von Leistungsansprüchen – § 36 Sachleistungen – § 42 und 88a: Regelungen zur Kurzzeitpflege – § 43: Vollstationäre Versorgung: Eigenanteile – § 45a: Angebote zur Entlastung im Alltag – § 45c Förderung von Netzwerken – § 39e Überleitungspflege im Krankenhaus – § 150a Pflegebonus

2.4 Das Vorhaben „Pflegereform“ und ihre Umsetzung Als ein wichtiges zu bearbeitendes Thema hatte das zuständige Gesundheitsministerium die Reform der Pflegeversicherung geplant, viele der Themen waren auch im Koalitionsvertrag von 2018 vereinbart worden. Ein erstes Eckpunktepapier hat das BMG am 4.11.2020 veröffentlicht. Darin waren folgende Punkte als Planung skizziert: – Begrenzung des stationären Eigenanteils auf 700 € (faktisch eine Sockel/Spitzen-Umkehr),

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

– Beteiligung der Länder an den stationären Investitionskosten in Höhe von 100 €, – Begrenzung der stundenweisen Verhinderungspflege, – Nutzung von 40 % der Sachleistungen zur Finanzierung osteuropäischer Kräfte in der 24-Stundenbetreuung, – Reduzierung der Tagespflegefinanzierung mit ambulanten Leistungen auf 150 %, – Entlohnung der Pflege wird an Tarif gebunden, – Verbesserung der stationären Personalausstattung entsprechend dem PeBeM, – Übertragung von Verordnungskompetenzen an Pflegefachkräfte, – Steuerzuschuss an die Pflegekasse. Schon das erste Papier löste viele Diskussionen insbesondere in Bezug auf die Kürzungsideen in der Tagespflege aus. Mit Datum vom 12.03.2021 hat das BMG dann einen Arbeitsentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeversicherung (Pflegereformgesetz) veröffentlicht, in dem die geplanten Änderungen schon konkret in entsprechenden Gesetzesformulierungen dar16

gestellt wurden. Neu aufgenommen wurden die Übergangspflege im Krankenhaus sowie neue Leistungen für gemeinschaftliche Wohnformen. Auch sollten die Leistungsbeträge aller Leistungen ab 2023 jährlich um 1,5 % steigen, zur Umsetzung des Gesetzes 2021 einmalig um 5 %. Darüber hinaus sollte die Verhinderungspflege mit der Kurzzeitpflege in einen gemeinsamen Jahresbetrag zusammengelegt werden, wobei aber die stundenweise Erbringung von Verhinderungspflege auf 40 % begrenzt werden sollte. Die tarifliche Bezahlung wurde nach dem Scheitern des allgemein verbindlichen Tarifvertrags (siehe Kap. 3.3) über §72 und dem neuen § 82c ausformuliert. Auch wurde die Umsetzung des neuen stationären Personalschlüssels gemäß den Ergebnissen der PeBeM-Studie von Rothgang u.a. in den Gesetzentwurf aufgenommen. Weiterhin sollten Pflegedienste wieder parallele Kostenvoranschläge für die zu erbringenden Leistungen nach Pauschalen und nach Zeit erstellen4. Der Arbeitsentwurf wurde mutmaßlich aufgrund der damaligen politischen Diskussion veröffentlicht, obwohl die Begründungen nur bis § 7 SGB XI fertig waren. Denn der Versuch, einen flächendeckenden Tarifvertrag Pflege für allgemeingültig zu erklären, scheiterte am 25.02.2021 an der fehlenden Zustimmung der Caritas. Daraufhin hat das Arbeitsministerium vom Gesundheitsministerium eine schnelle Alternative gefordert, das dürfte auch die rudimentäre Fassung des Arbeitsentwurfs erklären, der dann am 12.03.2021 veröffentlich wurde. Nach weiteren Diskussionen haben sich die Koalitionsparteien dann auf eine reduzierte Umsetzung der Pflegereform geeinigt, die in den Änderungsanträgen zum GVWG formuliert wurden. Aufgrund des Zeitdrucks (Ende der Legislaturperiode und wenige verbleibende Sitzungen des Bundestages und des Bundesrates) wurde die Pflegereform nicht mehr als eigenständiges Gesetz, sondern ‚huckepack‘ an ein anderes Gesetz (GVWG) angebunden (sogenanntes Omnibusverfahren). Dadurch wurden Verfahrensabläufe, aber auch Beteiligungen von betroffenen Gruppen erheblich reduziert bzw. verkürzt. Das GVWG hat versorgung zum Inhalt; Änderungen im SGB XI oder bei der Häuslichen Krankenpflege waren im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht enthalten. Die am 03.05.2021 vom BMG veröffentlichten Formulierungshilfen zu Änderungsanträgen SGB V und SGB XI zum GVWG haben die Punkte aufgegriffen, die offensichtlich

Kapitel II

ursprünglich nur Änderungen im Bereich der Krankenversicherung und der Krankenhaus-

nicht streitig waren. Rausgefallen sind die Änderungen bei der Verhinderungspflege und neuen Wohnformen, die Kürzung der Tagespflege, aber auch die generellen Leistungsanhebungen sowie die verpflichtenden Zuschüsse der Länder zu Investitionskosten. Auch wurde in der vollstationären Versorgung nicht mehr die anfangs geplante Sockel/ Spitzen-Umkehr (Pflegebedürftige zahlt festen Anteil, der Rest wird über Pflegekasse übernommen) umgesetzt, sondern eine dynamische Bezuschussung der Eigenanteile, gekoppelt an die Dauer des Aufenthaltes im Pflegeheim.

4

Diese Vorgabe wurde schon einmal 2013 mit dem Pflege-Neuausrichtungsgesetz eingeführt, aber 2015 mit dem PSG 1 umgehend und kommentarlos wieder abgeschafft!

17

Die Formulierungshilfen wurden nach weiterer geringfügiger Änderung dann am 02.06.2021 zur Ausschussdrucksache 19(14)320.1: Änderungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, die in dieser Form vom Gesundheitsausschuss mit Beschluss vom 09.06.2021 (Drucksache 19/30550) dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wurden, der zwei Tage später dem Gesetz zugestimmt hat. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 25.06.21 (Drucksache 511/21) zugestimmt, aber in Entschließungsanträgen weitere Reformschritte gefordert, u.a. auch die Einführung eines Sockel-Spitzen-Tausches in der stationären Pflege (siehe auch Kap. 26). Das Gesetz ist dann am 11.07.2021: im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021, Teil 1, Nr. 44, 19.07.2021: 2754 ff. veröffentlicht worden. Was sind die übrig gebliebenen Kernpunkte im GVWG für die Pflege? – Der Eigenanteil in der stationären Pflege wird in Abhängigkeit von der Verweildauer reduziert, aber es gibt keinen Sockel/Spitzen-Tausch, – Der bundeseinheitliche und neustrukturierte Personalschlüssel wird schrittweise eingeführt. – Die Entlohnung der Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen, muss an bestehende Tarifwerke gekoppelt werden und nur diese Höhen werden auch refinanziert. – Es werden geringfügige Verordnungskompetenzen an Pflegefachkräfte übertragen. – Ein Steuerzuschuss an die Pflegekasse in Höhe von 1 Milliarde pro Jahr wird eingeführt. – Ambulante Sachleistungen werden erhöht, andere Leistungen nicht verändert. – Die Finanzierung der Kurzzeitpflege wird eigenständig definiert, die Leistungen um 10 % angehoben.

Kapitel II

Diese ‚kleine‘ Pflegereform ist faktisch unter großem Zeitdruck und unterschiedlichen politischen Interessen und im Angesicht des beginnenden Wahlkampfs für die Bundestagswahl im September 2021 zustande gekommen, was sicherlich nicht nur einige handwerkliche Ungenauigkeiten erklärt, sondern auch den im Gesetz formulierten Zeitdruck, insbesondere bei der Tarifumsetzung. Mit dem Pflegebonusgesetz im Mai 2022 sind einige wesentliche Kriterien zur tarifähnlichen Bezahlung aus den Richtlinien in den Gesetzestext überführt wurden, insbesondere Definitionen zur Entlohnung, den variablen Zuschlägen sowie zur Berechnung des regionalen Entgeltniveaus. Tatsächliche Korrekturen oder zeitliche Veränderungen wurden nicht vorgenommen.

18

Kapitel III • Thema: Entlohnung und Finanzierung 3.1 Die Pflegelandschaft und ihre Tarife Um die Geschichte der Arbeitnehmervergütung in der Alten- und Krankenpflege zu verstehen, sollen am Anfang einige konkrete Daten und Fakten dargestellt werden. Die Vergütungsgrundlage der Langzeitpflege (ambulant und stationär) ist vielfältig. Sie gliedert sich formal in zwei Gruppen: 1. Gruppe: Tarifverträge oder vergleichbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen Lt. Tarifvertragsgesetz § 2 sind Tarifverträge zwingend zwischen Arbeitgebern (oder ihren Verbänden) sowie Gewerkschaften abzuschließen. Das heißt aber auch, dass Einrichtungen, die sich (nur) arbeitsvertraglich (also einseitig) an ein vorhandenes Tarifwerk binden, keinen gültigen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Diese einseitigen Verträge sind gleichzusetzen mit anderen Arbeitgebern, die sich nach Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) richten. Auch diese sind keine Tarifverträge! Aufgrund der in der Weimarer Verfassung in Artikel 137, Abs. 3 festgelegten Freiheit der Kirchen, ihre „Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ zu regeln5, haben diese ein eigenes Modell definiert: Die kirchlichen Einrichtungen handeln ihre Arbeitsverträge im Rahmen des sogenannten Dritten Weges aus, indem die paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen als Vertragsparteien die Regelungen aushandeln. Daher werden diese kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen den tariflichen Regelungen gleichgestellt. Es gab bundesweit nach der Auflistung der KAP (=Konzertierte Aktion Pflege) AG 5 im Jahr 2018 folgende Tarifverträge: – 8 Tarife der Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt, – 18 kirchliche Arbeitsrechtsregelungen der Ev. Kirche (Diakonie), – 2 (eigentlich 3) kirchliche Arbeitsrechtsregelungen der Katholischen Kirche (Caritas), – 3 Tarifverträge der Verbände des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, – 1 Tarifvertrag des DRK. Wie vielfältig Tarifverträge/kirchliche Regelungen in Bezug auf die Vergütungshöhe sein können, zeigen ebenfalls die Auswertungen der KAP 5 Arbeitsgruppe: Die Zahlen sind für das Jahr 2018 in der Grafik 2 auf der Seite 20 dargestellt:

5

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

– 2 Tarife des öffentlichen Dienstes (TVÖD),

Der Artikel 137 der Weimarer Verfassung von 1919 ist über Artikel 140 des Grundgesetzes weiterhin gültig

19

Tarife und Bandbreiten

© Syspra: Darstellung aus KAP Vereinbarungstexte 2019, S. 163, Stand 2018

Fachkraft

Niedrigstes Höchstes Bruttostunde Bruttostunde nentgeld nentgeld Einstieg 13,14 € 17,58 € nach fünf Jahren 14,49 € 18,50 € nach zehn Jahren 14,49 € 19,43 €

Bandbreite in % 34% 28% 34%

Pflegekraft

Einstieg nach fünf Jahren nach zehn Jahren

10,88 € 11,83 € 11,83 €

14,97 € 15,89 € 17,65 €

38% 34% 49%

Hilfskraft

Einstieg nach fünf Jahren nach zehn Jahren

10,05 € 10,55 € 10,55 €

13,76 € 14,76 € 15,54 €

37% 40% 47%

Grafik 2

Die Bandbreite zwischen den einzelnen Vergütungstabellen ist zum Teil erheblich; sicherlich liegt das auch noch an den unterschiedlich hohen Tarifen in Ost und West im Jahre 2018 (teilweise fand hier schon eine weitere Angleichung statt). Dabei kann es sein, dass die Aufstellung unvollständig ist bzw. es inzwischen weitere Tarifverträge gibt. Gleiches gilt innerhalb der unterschiedlichen Berufsgruppen, aber auch der unterschiedlichen Regelungen bei den Steigerungsstufen. 2. Gruppe: Arbeitsvertragsrichtlinien und andere Vergütungssysteme Unabhängig davon gibt es einseitige Vergütungsvereinbarungen, sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien vom Paritätischen (1) sowie vom privaten Verband bpa für die verschiedenen Bundesländer (14). Auch Haustarife etc. fallen unter diese Kategorie, wenn sie nur

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

einseitig, also vom Arbeitgeber allein zugesagt werden und nicht mit einer Gewerkschaft ausgehandelt sind. Bundesweit ca. 130 Tarifverträge Aufgrund der Datenerhebung zur tarifähnlichen Bezahlung nach § 72 Abs. 3e hat der GKV-Spitzenverband alle die Tarifverträge benannt, die grundsätzlich von nicht tarifgebundenen Einrichtungen wählbar sind (siehe auch Seite 40). Die Veröffentlichung erfolgt pro Bundesland, so dass Mehrfachnennungen vorkommen. Auf den Seiten des AOK-Bundesverbandes wird auch noch die Anzahl der Tarifverträge benannt, die nicht grundsätzlich wählbar ist.6 Nach Abzug von Doppelnennungen erhält man so eine Anzahl von ca. 130 Tarifverträgen, die lokal, regional oder überregional angewandt werden. Diese

6

20

Beispiel Bayern: https://www.aok.de/gp/ambulante-pflege/tarifliche-entlohnung-von-pflegepersonal/tarifuebersicht/datengrundlage, Stand 14.03.22, 11.00

verteilen sich auf 6449 ambulante, teilstationäre oder vollstationäre Einrichtungen, wie man auf den Seiten des AOK-Bundesverbandes nachlesen kann.

3.2 Umsetzung von Tarifverträgen in Zahlen Die Trägerschaft in der ambulanten und vollstationären Pflege hat sich unterschiedlich entwickelt: Während in der ambulanten Pflege zahlenmäßig die privaten Träger dominieren, liegen die meisten Pflegeheime in den Händen von gemeinnützigen Trägern. Kommunale Träger spielen ambulant kaum eine Rolle, stationär sind sie noch stärker vertreten. Ende 2019 (Stand Bundespflegestatistik 2019) waren die Träger der Einrichtungen folgendermaßen verteilt: – Es gab 9.770 Pflegedienste in privater Trägerschaft, ca. 67 % aller Träger. – Es gab 4.720 Pflegedienste in gemeinnütziger Trägerschaft, ca. 32 % aller Träger. – Es gab 198 Pflegedienste in kommunaler Trägerschaft, ca. 1 % aller Träger.

Pflegeeinrichtungen in Deutschland © SysPra nach Bundespflegestatistik 2019 Private Träger

Pflegedienste

in Prozent

Pflegeheime (mit Tagespflege und Kurzzeitpflege) in Prozent

sonstige Freie gemeinnützige Wohlfahftspflege Träger

9.770 67%

4.218 29%

6.570

6.928

43%

45%

502 3%

kommunale und sonstige öffentlichen Träger

1.187 8%

Gesamt

198 1%

14.688 100%

695

15.380

5%

100%

In der Wohlfahrt sind die Einrichtungen der Diakonie (mit Johanniter-Unfall-Hilfe) und Caritas (mit Malteser Hilfsdienst) sowie die AWO-Einrichtungen im Regelfall an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen oder an Tarifvereinbarungen gebunden.

Kapitel III

Grafik 3

Im Bereich des DRK und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (dazu gehört auch der ASB) sind nur ein Teil der Träger tarifgebunden bzw. einer Tarifgemeinschaft beigetreten. Kommunale Träger dürften überwiegend ebenfalls an einen Tarif gebunden sein, in der Regel an den TVöD. Genaue Zahlen, welcher Wohlfahrtsverband wie viele Pflegedienste vertritt, sind in der Bundespflegestatistik nicht enthalten, aber geschätzt dürften von den gemeinnützigen Trägern ca. 60 bis 70 % tariflich oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sein, also ca. 3000 Einrichtungen.

21

Das bedeutet praktisch, dass ca. 11.000 bis 12.000 Träger von Pflegediensten mutmaßlich keinem formalen Tarifvertrag oder einer vergleichbaren kirchlichen Regelung unterliegen, das wären geschätzt ca. 70 bis 80 % aller Dienste! Aus den stationären Daten wird deutlich, dass hier die Verhältnisse etwas anders liegen. Zu beachten ist zudem, dass aus der Menge der Träger jedoch nicht ermittelt werden kann, wie viele Arbeitnehmer:innen davon betroffen sind, da gemeinnützige Träger ambulanter Pflegedienste im Schnitt deutlich größer sind als private Träger: Gemeinnützige Träger betreuen im Schnitt 96 Pflegebedürftige nach SGB XI je Pflegedienst, private Träger 53 Pflegebedürftige SGB XI7. Aktuellere Zahlen aus der Datenerhebung Die Datenerhebung zur Umsetzung der tarifähnlichen Bezahlung nach § 72, Abs. 3e, die im Februar 2022 veröffentlicht wurde8, bestätigt diese Schätzzahlen: Bundesweit liegt die Tarifquote über alle Einrichtungen bei 21,4 % mit deutlichen Schwankungen je nach Bundesland. Ausführlich auf Seite 41.

3.3 Die Vorgeschichte zur Neuregelung der Vergütung Pflege-Mindestarbeitsbedingungen seit 2010 Über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG können Mindestarbeitsbedingungen definiert werden, die (eigentlich) dem Schutz aus dem Ausland entsandter Arbeitnehmer:innen dienen sollen9, aber von der Wirkung her für alle in der Branche tätigen Arbeitnehmer:innen im Inland gelten.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Die Erste Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche

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wurde 2010 erlassen und definierte ein Mindestentgelt von anfangs 8,50 € pro Stunde, in den östlichen Bundesländern von 7,50 € pro Stunde. Sie war damals schon beschränkt auf die Arbeitnehmer:innen, die überwiegend pflegerische Tätigkeiten übernahmen10. Schritt für Schritt wurde der Regelungsbereich der Verordnungen ausgeweitet, in der inzwischen Vierten Pflegearbeitsbedingungenverordnung vom 22. April 202011 sind die Entgeltregelungen nach Berufsgruppen differenziert, Klärungen zu Bereitschaftsdiensten, zu Wegezeitvergütungen und zur Rufbereitschaft aufgenommen. Darüber hinaus wurde die Fälligkeit der Entgeltzahlung geregelt und die Zahl der zusätzlichen Urlaubstage festlegt. 7 8

Siehe Bundespflegestatistik 2019, Deutschlandergebnisse, Tab. 2.2; www.destatis.de https://www.transparenzberichte-pflege.de/(S(ccqinir5va2c1x0lufj51dze))/Tarif-Veroeffentlichung-Par-82c-Abs-5SGB-XI.aspx; stand 15.03.22 9 § 1 Zielsetzung, AEntG 10 Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vom 15. Juli 2010, Bundesanzeiger, Nr. 110, vom 27. Juli 2010, S. 2571 11 BAnz AT vom 28.04.2020

Diese Verordnung gilt bis Ende April 2022. Die Fünfte Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist am 5. Februar 2022 von der Pflegekommission beschlossen worden und soll vom 01.05.2022 bis 31.01.2024 gelten. Es werden die Vergütungen in den Berufsgruppen weiter angehoben und auch die Urlaubsansprüche nochmals erweitert12. Es sind also nun schon zahlreiche Punkte verbindlich für alle Marktteilnehmer als Untergrenzen definiert worden, die ansonsten regelmäßig Bestandteil von Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind. Von daher stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber den Verordnungsweg nicht für ausreichend ansieht, um eine bessere Vergütung der Pflege durchzusetzen. Denn auch kein Tarifvertrag darf die hier definierten Grenzen und Bedingungen unterschreiten. Konzertierte Aktion Pflege (KAP) Im Jahr 2019 wurde die Konzertierte Aktion Pflege unter Federführung der drei Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Familie gestartet. Über fünf verschiedene Arbeitsgruppen wurden Problembereiche benannt und Schritte zur Weiterentwicklung und Verbesserung definiert und mit der Umsetzung begonnen. Ein aktuelles Pflege-Thema der Politik ist die Vergütung in der Pflege, die ausführlich u.a. auch in der Konzertierten Aktion Pflege in der eigenen Arbeitsgruppe 5 thematisiert wurde13. Eine zentrale Beobachtung war, dass die Vergütung in der Langzeitpflege, also insbesondere der Altenpflege, deutlich geringer ist als in der Krankenpflege (und hier sicherlich vor allem gegenüber dem Vergütungsniveau im Krankenhaus). „Die Mitglieder der Arbeitsgruppe 5 sind der Auffassung, dass die Wertschätzung von Pflegekräften auch und insbesondere durch eine angemessene Entlohnung ausgedrückt wird. Es ist daher notwendig, zu einer Erhöhung der Entlohnung zu kommen, um die Zielsetzung der Konzertierten Aktion Pflege zu erreichen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Entlohnung in der Altenpflege ein.“14 Einheitlicher Tarifvertrag? Um einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag umzusetzen, wurden zunächst über das

Kapitel III

setzen sich daher durch verschiedene Maßnahmen für eine nachhaltige Verbesserung der

Pflegelöhneverbesserungsgesetz15 Änderungen im Arbeitnehmer-Entsendegesetz vorgenommen, um so den Weg zu einem allgemein gültigen Tarifvertrag zu schaffen. Ein Tarifvertrag Pflege wurde zwischenzeitlich zwischen der Gewerkschaft ver.di sowie der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche verhandelt, scheiterte aber im Februar 2021 daran, dass die kirchlichen Arbeitgeber, als erstes die Caritas, dem auszuhandelnden Tarifvertrag nicht zugestimmt haben, auch um ihre eigenen Rechte nicht 12 Siehe Arbeitgeberverband des bpa, https://www.bpa-arbeitgeberverband.de/Pflegemindestlohn.579.0.html, Stand 19.03.2022 13 KAP 14 KAP Vereinbarungstext S. 157 15 BGB Nr. 42 vom 22.11.2019, S. 1756

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einzuschränken. Somit gab es formal auch keine Möglichkeit mehr, diesen für allgemein verbindlich zu erklären. Daraufhin hat die Politik unter Federführung des Gesundheitsministeriums und des Arbeitsministeriums noch Arbeitsentwürfe zur Pflegereform umgestaltet, um hier mit gesetzlichen Regelungen eine bessere Bezahlung der Pflege noch vor der Neuwahl des

Kapitel III

Bundestages durchzusetzen.

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Kapitel IV • § 72 Versorgungsvertrag und § 82c Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen Der Gesetzgeber hat die Festlegung der Varianten einer tarifähnlichen Vergütung der Arbeitnehmer:innen in zwei Vorschriften geregelt, die tatsächlich eng miteinander korrespondieren: – Im Versorgungsvertrag nach § 72 muss eine Festlegung auf eine bestimmte Variante getroffen werden. Diese stellt dann die Untergrenze der zukünftigen Vergütung dar. – In der Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach § 82c wird die mögliche Auswahl der Varianten durch einen eigenständig definierten Prüfwert (regionales Entgeltniveau) begrenzt, der nur maximal um bis zu 10 Prozent überschritten werden darf = Obergrenze. Aus diesem Grund kann man nicht die Kriterien zur Auswahl einer Variante im Versorgungsvertrag diskutieren, ohne gleichzeitig die eingeschränkte Refinanzierung zu beachten (Grafik 4). Daher werden (entgegen der sonstigen Systematik im

§ 72

Zulassung durch Versorgungsvertrag

Buch) die beiden Vorschriften §§ 72 und 82c gemeinsam in einem dann entsprechend langen Kapitel zusammengefasst dargestellt.

Mindestens nach Tarif, tarifähnlich oder über Regionalem Entgeltniveau

Untergrenze

Obergrenze

Im Versorgungsvertrag § 72 wird nun die Verpflichtung aufgenommen, Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen, nach einem bestimmten Tarifvertrag oder entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen oder an diese angelehnt zu vergüten oder eine Entlohnungsuntergrenze pro Berufsgruppe einzuhalten.

§ 82c

Wirtschaftlichkeit der Vergütung

Maximal 10 % über Regionalem Entgeltnivau

Grafik 4

Dazu müssen tariflich oder nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebundene Einrichtungen jährlich zum 30.09. (ab 2023 31.08.) bestimmte Angaben zu ihrem Tarifwerk sowie zur Verteilung der Arbeitnehmer:innen an die Pflegekassen melden. Alle Pflegeeinrichtungen müssen dann erstmals formal bis 28.02.2022, mit aktueller Nachmeldefrist bis 30.04.202216, melden, an welchen Tarifvertrag oder an welche kirch-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

4.1 § 72: Was ist neu? Übersicht

16 Die Nachmeldefrist ist nicht weiter verschoben worden.

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liche Arbeitsrechtsregelung sie formal gebunden sind, oder welche tariflichen Regelungen für sie maßgebend (als Referenz) sind oder ob sie die Mindestgrenzwerte pro Berufsgruppe einhalten. Ab September 2022 sind die Arbeitnehmer:innen dann auch tatsächlich mindestens in Höhe der Referenztarife oder Referenzwerte zu entlohnen, ansonsten ist der Versorgungsvertrag gefährdet. Auch mit dem Pflegebonusgesetz, das im Mai 2022 durch den Bundestag verabschiedet worden ist, ist der Umsetzungstermin 1. September 2022 nicht verändert worden. Die sich aus den Meldungen der Tarifeinrichtungen ergebenden Vergleichsdaten (das sogenannte regionale Entgeltniveau) wurden erstmals am 07.02.2022 veröffentlicht und 05.04.2022 aktualisiert (es sind einzelne Tarifverträge wieder entfernt worden, weil sie nicht gültig waren)17. Die Richtlinie zur Zulassung nach § 72, 3c (im weiteren Zulassungs-Richtlinie genannt) ist genauso wie die Richtlinie zur Pflegevergütung nach § 82c (im weiteren Pflegevergütungs-Richtlinie genannt) am 28.01.2022 veröffentlicht worden und hat zumindest einige Fragestellungen geklärt. Die Richtlinie zum Nachweis/Überprüfung der vereinbarten Vergütung nach § 84, Abs. 7 muss erst bis zum 01.07.2022 erstellt werden und liegt daher noch nicht vor. Mit dem Pflegebonusgesetz18 wurden einige Definitionen und Inhalte, die bisher allein in der Zulassungsrichtlinie geregelt waren, ins Gesetz übernommen und spezifiziert, durchaus mit einzelnen abweichenden Regelungen. Insbesondere sind nun die tariflichlich und die nach entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Einrichtungen verpflichtet, diese Tarifverträge/Regelungen den Pflegekassen ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Weitere Regelungen § 72 Schon etwas früher in Kraft getreten (durch IPReG) ist die Regelung, dass Einrichtungen schon durch den Versorgungsvertrag verpflichtet sind, eine ordnungsgemäße Durchfüh-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

rung von Qualitätsprüfungen zu ermöglichen. Außerdem sollen die ambulanten Einzugsgebiete so festgelegt werden, dass die Leistungen ressourcenschonend und effizient erbracht werden können. Begründet oder kommentiert ist diese Einfügung nicht, so dass man hier eher den appellativen Charakter sehen wird. Denn kurze Wegezeiten sind immer auch im Interesse der Pflegedienste.

4.2 § 82c: Was ist neu? Übersicht Die Regelungen und Definitionen zur Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen werden erstmals für alle Bereiche des SGB XI zentral im § 82c geregelt, bisherige (identische)

17 Siehe: www.transparenzberichte-pflege.de 18 Verabschiedet im Bundestag am 19.05.2022

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Regelungen in § 84 (stationär) und 89 (ambulant) entfallen dadurch. Die Definition der Wirtschaftlichkeit unterscheidet wieder zwei Gruppen: Gruppe 1: Einrichtungen, die an einen Tarifvertrag oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind: Die Bezahlung von Gehältern aller Beschäftigten nach Definition der Verträge kann nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Gruppe 2: Einrichtungen, deren Entlohnung sich an einer im Versorgungsvertrag festgelegten Tarifregelung bzw. kirchlichen Arbeitsvertragsregelung orientiert (Variante 2) oder die lediglich die Durchschnittswerte pro Berufsgruppe übertreffen (Variante 3). Die Definition der wirtschaftlichen Vergütung beschränkt sich nur auf die Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung bei Pflegebedürftigen erbringen. Deren Entlohnung aufgrund entsprechender Regelungen darf das regionale Entgeltniveau um nicht mehr als 10 % überschreiten. Für eine höhere Vergütung bedarf es eines sachlichen Grundes. Zur Umsetzung hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen eine entsprechende Richtlinie zu erlassen sowie dann Übersichten über die vorhandenen regionalen Tarifverträge sowie das regionale Entgeltniveau zeitnah zu veröffentlichen. Mit dem Pflegebonusgesetz werden einige Definitionen und Abläufe, die bisher nur in der Richtlinie geregelt waren, ins Gesetz übernommen. Inhaltliche Veränderungen gibt es hier kaum. Insbesondere sind nun die Pflegekassen verpflichtet, die Werte zum regionalen Entgeltniveau spätestens bis 30. November 2022 und ab 2023 bis 30. Oktober jedes Jahres zu veröffentlichen einschließlich der dazugehörigen Vereinbarungen zu den Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen. Zur technischen Abwicklung können die Pflegekassenverbände eine gemeinsame Geschäftsstelle einrichten und beauftragen.

Grundsätzlich ist der Abschluss eines Versorgungsvertrags jetzt abhängig von einer klaren Verpflichtung einer bestimmten Entlohnungsart/-höhe für alle Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung für Pflegebedürftige erbringen. Dies gilt auch für

Kapitel IV

4.3 Festlegung im Versorgungsvertrag

alle Pflegeeinrichtungen, die aufgrund der Bestandsschutzregelung nach § 73 tätig sind. Da der neue Abs. 3 Punkt 2 im § 72 explizit auf die Einhaltung der Tarifregelungen nach Abs. 3a oder 3b verweist, wäre auch hier ein dauerhafter Verstoß gegen die Vergütungsregelungen ein Kündigungsgrund. Diese Festlegung im Versorgungsvertrag bedeutet zwangsläufig, dass ein Verstoß dagegen die Zulassung kostet! Und ohne Versorgungsvertrag kann keine Pflegeeinrichtung Leistungen mit den Pflegekassen abrechnen, nicht einmal über die Kostenerstattungsregelung nach § 91, weil auch diese eine Zulassung vorsieht!19 19 § 91, Abs. 1: „Zugelassene Pflegeeinrichtungen, die auf eine vertragliche Regelung der Pflegevergütung nach den §§ 85 und 89 verzichten…“

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Bei der Festlegung der Mindestentgelte, aber auch bei der späteren Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Vergütungen nach dem neuen § 82c, unterscheidet der Gesetzgeber grundsätzlich immer zwei Gruppen: Gruppe 1: Einrichtungen, die an Tarifverträge oder an kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind (3a) sowie Gruppe 2: Einrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder an kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind (3b): dazu gehören auch alle die Einrichtungen, die beispielsweise nur angelehnt an bestimmte Tarifwerke vergüten etc. Diese zwei Gruppen werden zukünftig getrennt und unterschiedlich behandelt! Daher soll noch einmal auf das Tarifvertragsgesetz hingewiesen werden: Tarifverträge sind immer zwingend mit einer Gewerkschaft ausgehandelt.20 Der Arbeitgeber kann dies direkt als Haustarifvertrag mit einer Gewerkschaft abschließen oder aber auch durch seinen Verband verhandeln lassen. Keine Tarifverträge sind „Haustarife“ oder Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), die einseitig durch den Arbeitgeber (oder einen Verband) definiert werden und dessen Anwendung der/die Arbeitgeber:in dem/der Arbeitnehmer:in im Arbeitsvertrag zusagt. Verpflichtung gilt nur für bestimmte Arbeitnehmer:innen Die verpflichtende tarifähnliche Vergütung für den Abschluss eines Versorgungsvertrags umfasst nicht alle Arbeitnehmer:innen in den Pflegeeinrichtungen, sondern ausdrücklich nur die „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen“ (Abs. 3a/b). Wesentlich ist eine Veränderung gegenüber den ersten Entwürfen: Anfangs war von „als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Beschäftigte im Pflege- und Betreuungsbereich“21 die Rede. Dann wäre das Anstellungsverhältnis bzw. die im Arbeitsvertrag definierte Aufgabe das Kriterium für die Definition der Arbeitnehmergruppe gewesen. Konkret wären dann alle

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

die Gruppen automatisch ausgegrenzt, die lt. Vertrag beispielsweise nur für die Haus-

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wirtschaft beschäftigt wurden, auch wenn sie später andere Leistungen erbringen. Die Gesetzesformulierung orientiert sich nun nicht mehr an dem Anstellungsverhältnis, sondern nur an der Frage, welche konkreten Leistungen die Arbeitnehmer:innen (tatsächlich) erbringen. Die Begrenzung auf Pflege und Betreuung folgt offensichtlich der stationären Abgrenzungslogik: Hier bezieht sich die Vergütung und Leistungspflicht der Pflegeversicherung nur auf den Bereich der Pflege und Betreuung (pflegebedingte Aufwendungen einschließlich Betreuung und medizinische Behandlungspflege), während die hauswirtschaftliche Tätigkeit dem Bereich Unterkunft und Verpflegung zugeordnet ist22, der nicht von der Pflegeversicherung refinanziert wird. 20 § 2 Tarifvertragsgesetz 21 Formulierungshilfe BMG , Seite 14 22 §43 sowie §87 SGB XI

Diese Trennung ist so auch in der Pflegearbeitsbedingungenverordnung definiert. In ihren Geltungsbereich gehören nur die Arbeitnehmer:innen, „deren auszuübende Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens 25 Prozent ihrer vereinbarten Arbeitszeit gemeinsam mit Bezieherinnen und Beziehern von Pflegeleistungen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig werden, …“23 Aber auch hier bezieht sich die Definition auf die Erbringung der tatsächlichen Leistungen und nicht allein auf das formale Anstellungsverhältnis. In der ambulanten Pflege ist es praktisch kaum möglich, eine formale Grenze zwischen Arbeitnehmer:innen zu ziehen, die einerseits Pflege oder Betreuung oder andererseits nur und ausschließlich Hauswirtschaft erbringen. Schon aufgrund der Wohnsituation können keine Arbeitnehmer:innen eingesetzt werden, die nicht auch mit dem Pflegebedürftigen kommunizieren und umgehen können, selbst wenn sie allein für die Wohnungsreinigung gekommen sind. Es lassen sich praktisch weder Hilfen bei der Mobilität oder beim Toilettengang vermeiden. Und insbesondere finden auch viele betreuende Leistungen/Tätigkeiten statt. Daher müsste man davon ausgehen, dass ambulant im Regelfall alle Arbeitnehmer:innen des Pflegedienstes, die Leistungen für Pflegebedürftige erbringen, unter die Definition nach Abs. 3a oder b fallen. Auch sei an dieser Stelle noch mal auf die Folgen der digitalen Abrechnung und des digitalen Leistungsnachweises hingewiesen: Ab 2023 werden die Pflege- und Krankenkassen für jede erbrachte Leistung aufgrund der eindeutigen Beschäftigtennummer nachvollziehen können, wer welche Leistung erbracht hat (siehe Kap. 15). Hat man die Arbeitnehmer:innengruppe nach § 72 Abs. 3a/b künstlich klein definiert, dann aber mit Arbeitnehmern außerhalb der formalen Tarifbindung doch Leistungen beispielsweise der Betreuung abgerechnet, könnte dies als Vertragsverstoß gewertet werden und dauerhaft zum Verlust des Versorgungsvertrages führen (siehe § 74 SGB XI). Daher ist davon auszu§72, Abs. 3a/b fallen. Aber das heißt nicht, dass zur Berechnung des regionalen Entgeltniveaus oder der Teilwerte alle Arbeitnehmer:innen, die Pflege und Betreuung erbringen, einbezogen werden (siehe ausführlich Seite 35).

Kapitel IV

gehen, dass alle Arbeitnehmer:innen in der ambulanten Pflege unter die Definition des

Nicht unter die Bestimmungen fallen außerdem Mitarbeitende in der Verwaltung, technische Dienste, wie Hausmeister, sowie die Geschäftsführung. Gerade bei kleinen Diensten lassen sich diese Bereiche jedoch kaum klar abgrenzen, weil oft die Pflegedienstleistung sowohl in der Pflege und Betreuung mitarbeitet als auch Verwaltungsund Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt. Ob und wie diese vergütet werden, ist hier nicht geregelt.

23 § 2, Abs. 4, 4. PflegeArbbV vom 22.04.2020

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Varianten der Vergütungsauswahl und Refinanzierung im SGB XI Variante

1. Echte Tarifanwender

2. Angelehnt an Tarif 3. Durchschnittswert

Entlohnung

Untergrenze für Zulassung (§ 72)

Obergrenze Vergütungsverhandlung (§ 82c)

lt. Tarifvertrag

lt. Tarifvertrag

alle Personalkosten werden anerkannt, keine Grenzwerte!

lt. Tariftabelle des angelehnten Tarifs

Tariftabelle und Eingruppierung

10% über regionalem Entgeltniveau

freie Vergütung nach regionales Entgeltniveau eigenen Vorstellungen pro Berufsgruppe

10% über regionalem Entgeltniveau

© SysPra.de, Stand 2022

Grafik 5

Pflicht zur Entlohnung in einer Mindesthöhe Die Entlohnung der Arbeitnehmer:innen kann in drei verschiedenen Varianten erfolgen (siehe Grafik 5). Grafik_5

Tarifgebundene Einrichtungen bzw. an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (Gruppe 1) gebundene Einrichtungen müssen ihr gültiges Tarifwerk auch der Entgelthöhe nach einhalten (Variante 1: echte Tarifanwender). Dabei ist auch dann eine reduzierte Personalvergütung zulässig, wenn das Tarifwerk das beispielsweise im Rahmen einer Notlagenregelung vorgesehen hat. Prüfgrenze sind damit alle zulässigen Regelungen aus dem Tarifwerk oder der vergleichbaren kirchlichen Arbeitsrechtsregelung. Nicht gebundene Einrichtungen (Gruppe 2) haben zwei andere Möglichkeiten, ihre Entlohnungsgrenzen zu definieren: Variante 2: angelehnt an Tarif: Sie können sich die Vergütungsregelungen eines vorhandenen Tarifwerkes bzw. einer entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zum Vorbild nehmen und mindestens danach entlohnen (als Untergrenze). Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung, die nach Abs. 3b abgeschlossen wird, bezieht sich nur auf die

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Entlohnung der Arbeitnehmer:innen, aber nicht auf andere tarifvertragliche Regelungen. Es wird bei Prüfungen der Pflegekassen dann nicht darum gehen, ob alle Bedingungen des maßgeblichen Tarifwerkes eingehalten sind, sondern es ist nur die Vergütungshöhe das Prüfmerkmal als Untergrenze. Bisher war nur in der Zulassungs-Richtlinie 24 in § 5, Abs. 11 geregelt, welche fixen und regelmäßigen Bestandteile der Entlohnung sowohl in das regionale Durchschnittsniveau einfließen als auch einzuhalten sind. Mit dem Pflegebonusgesetz ist die Definition nun ins Gesetz, § 72, Abs. 3b, übernommen und an einer Stelle verändert: folgende Bestandteile einer Entlohnung sind definiert und in der Gesetzesbegründung ausführlich erläutert25: – Grundlohn: das monatliche Grundgehalt entsprechend der Eingruppierung (nach Qualifikation) sowie der Erfahrungsstufen. – Jahressonderzahlungen: regelmäßige, nicht monatliche Sonderzahlungen, wie Urlaubs-, oder Weihnachtsgeld, jedoch keine einmaligen Prämien oder Boni. 24 Zulassungsrichtlinie mit Stand vom 24.01.2022 25 siehe BT-Drs. 20/1909 (Vorabfassung), S. 65

30

– Vermögenswirksame Leistungen des Arbeitsgebers: Definition nach § 2 des 5. Vermögensbildungsgesetzes. – Pflegetypische Zulagen: Gemeint sind fixe Zulagen, die unabhängig vom Arbeitseinsatz anfallen, wie z. B. Pflegezulagen, Schichtzulagen, Stellenzulagen etc. – Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft: Bereitschaftsdienst ist definiert als ständige Erreichbarkeit an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort, um jederzeit den Dienst aufzunehmen. Rufbereitschaft ist definiert als Verpflichtung, jederzeit erreichbar zu sein, um auf Abruf die Arbeit alsbald aufnehmen zu können. – Pflegetypische Zuschläge: Diese sind neu definiert und begrenzt auf Tätigkeiten in folgenden Zeiten: 1. Nachtzuschläge im Zeitraum von mindestens 23.00 bis 6.00 Uhr 2. Sonntagszuschläge (0 – 24 Uhr) 3. Feiertagszuschläge (0 – 24 Uhr) Die gesetzliche Definition der Bestandteile der Entlohnung schafft zunächst einmal Klarheit und Rechtssicherheit. Auch hat der Gesetzgeber die (Zeit-)Zuschläge auf drei Arten begrenzt und noch in der Richtlinie (in der Fassung vom 24.01.2022) aufgeführte Zuschläge wie Flexibilitätszuschlag weggelassen. Verwunderlich ist allerdings die Änderung beim Bereitschaftsdienst bzw. der Rufbereitschaft. Waren diese Zuschläge (so werden sie typischerweise auch berechnet) nach der (alten) Richtlinie nicht Bestandteil der Entlohnung, sind sie nun fixer Bestandteil bei der Berechnung der Entlohnung geworden. Eine Begründung findet sich nicht in den Gesetzesmaterialien. Zunächst stellt sich die Frage, wo in der Langzeitversorgung überhaupt klassische Bereitschaftsdienste (wie im Krankenhaus oder bei der Feuerwehr) vorkommen. Im Pflegeheim gibt es eine Nachtwache, die nicht nur als Bereitschaftsdienst ten, die aber als Versorgungsgruppe bisher keine große Rolle spielen. Auch wäre dies nur ambulant der Fall. Die Rufbereitschaft trifft im Prinzip auch nur allein die ambulante Pflege, denn in der Tagespflege gibt es sie nicht, im Pflegeheim ist rund um die Uhr Personal im Dienst. Pflegedienste sind zwar aufgrund der Regelungen in den Rahmenver-

Kapitel IV

arbeitet. Vorstellbar wären evtl. Bereitschaftsdienste in ambulanten Wohngemeinschaf-

trägen nach § 75 und den Gemeinsamen Maßstäben und Grundsätzen § 112 verpflichtet, ständig erreichbar zu sein, aber eine Verpflichtung zur Durchführung von Einsätzen ist dort nicht festgeschrieben. Ihre Dienstverpflichtung ist begrenzt durch die konkreten Aufträge, die im Rahmen der Pflegeverträge vereinbart sind. Auch stellt sich bei vielen Anrufen aufgrund eines Spontanereignisses die Frage, ob die Anfragen nicht außerhalb der fachlichen Zuständigkeit der Pflege liegen: bei einem Sturz mit unklaren Folgen wäre eher der Rettungsdienst oder der hausärztliche Notdienst zuständig.26 Neben der inhaltlichen Fragestellung ergibt sich ein technisches Problem: In vielen Tarifverträgen ist die 26 Ausführlich dazu: Heiber/Nett 2022, S. 72

31

Rufbereitschaft als Zuschlag auf den jeweils individuellen Stundenlohn geregelt: So wird im TVöD eine tägliche Pauschale in der Woche von 2 Stunden, am Wochenende sowie an Feiertagen von 4 Stunden auf der Basis des eigenen Stundenlohns bezahlt.27 Auch in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen findet sich die vergleichbare Struktur: in der AVR Diakonie Deutschland wird die Zeit der Rufbereitschaft mit 12,5% als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet28. Das heißt, für die Berechnung des Entgelts für die Rufbereitschaft gibt es kein festes Tabellenentgelt, sondern die Höhe der Kosten kann erst ermittelt werden, wenn feststeht, welche Mitarbeiter:innen diese übernehmen. Für eine Ermittlung des Entgeltniveaus würde man vermutlich eine Stichprobe eines Monats als Maßstab nehmen. Warum der Gesetzgeber die Rufbereitschaft nicht weiterhin als variablen Zuschlag versteht, sondern diese ins Entgeltniveau einzubeziehen ist, wird weder erläutert noch ist es plausibel. Denn die bisherige Definition als variabler Zuschlag war als Entlohnungsregelung genauso verbindlich wie in der Neufassung. Zur Schaffung der Rechtssicherheit ist die hier so genannte Variante 3 nun auch in den Gesetzestext aufgenommen (§ 72, Abs. 3b, Punkt 4), die bisher so nur in der Zulassungsrichtlinie (§ 3, Abs. 3) geregelt war. Ein weiterer Punkt ist ebenfalls geregelt: Die Vergütung der 6 genannten Punkte hat in „Geld” zu erfolgen (§ 72, Abs. 3 b, Satz 4). Damit ist klargestellt, dass andere Vergütungsformen wie Gutscheine, geldwerter Vorteil im Rahmen einer Dienstwagennutzung etc. in den definierten ‚Mindestlohn‘ nicht eingerechnet werden darf! Natürlich steht es Einrichtungen frei, über die hier definierte Entgelthöhe hinaus Gutscheine etc. an die Mitarbeiter:innen auszugeben. Sie können bei der Berechnung der Untergrenze nicht einbezogen werden, dürften aber, soweit die Obergrenze nach § 82c nicht überschritten wird, in Vergütungsverhandlungen zu berücksichtigen sein.29

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Variante 3: Einhaltung von Mindestgrenzen bei der Vergütung der drei Berufsgruppen,

32

die im Rahmen des regionalen Entgeltniveaus definiert werden. Hier müssten die berufsgruppenbezogenen Durchschnittswerte des Bundeslandes als Untergrenzen dauerhaft eingehalten (also überschritten) werden. Auch die Definition der Berufsgruppen und die Berechnungswege sind nun gesetzlich normiert (§ 82 c, Abs. 2) und nicht mehr allein in den Richtlinien. Der Gesetzgeber erschafft damit einen indirekten Tarifzwang, jedenfalls für die Höhe der ‚Mindestentgelte‘. Dabei wird jeder formal abgeschlossene Tarifvertrag gleichwertig anerkannt, unabhängig davon, ob er beispielsweise von „Pseudogewerkschaften und Pflegeanbietern, die weiterhin keine fairen Löhne zahlen wollen“ abgeschlossen worden ist, wie die Gewerk-

27 TVöD-VKA, B, § 8, Abs. 3, in der Fassung vom 25.10.2020 28 AVR Diakonie Deutschland mit Stand vom 1.1.2022, Anlage 8, S. 137 29 Siehe auch Gesetzesbegründung, BT-Drs. 20/909, (Vorabfassung), Seite 65-66

schaft Verdi es formuliert hat30. Der Gesetzgeber privilegiert damit alle Tarifverträge, unabhängig von der Höhe der vereinbarten Arbeitsentgelte. Die einzige formale Untergrenze - auch für Tarifverträge - sind die Regelungen des Pflegemindestlohns über die aktuelle Pflegearbeitsbedingungsverordnung. Jede Einrichtung muss nun prüfen, ob sie die möglichen bzw. dann zugesagten Entgelte eines zutreffenden Tarifwerkes auch schon jetzt bezahlt.

4.4 Die Ermittlung der Entgeltniveaus Die zentralen Prüfwerte sowohl für die Zulassung in Variante 3 als mögliche Untergrenzen als auch für die Fragen der Wirtschaftlichkeit (Obergrenze) und damit der Höhe der Vergütung sind die sogenannten regionalen Entgeltniveaus. Diese werden berechnet auf der Basis der Meldungen der tariflich oder nach vergleichbaren kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Einrichtungen, die diese jährlich zum 30. September (ab 2023 bis 31. August) melden müssen. Aus diesen Rohdaten ermitteln dann die Landesverbände der Pflegekassen die entsprechenden Kennzahlen und veröffentlichen sie bis 30. November 2022 bzw. ab 2023 zum 31. Oktober). Die Ermittlung dieser Werte erfolgt nach einem festgelegten Schema, das auch für die Ermittlung des einrichtungseigenen Entgeltniveaus genutzt werden muss, weil man sonst keine sachgerechte Vergleichsbasis hat. Die inhaltliche Definition ist in der Zulassungs-Richtlinie, § 4, in Abs. 2 Punkt 10 – 11 geregelt, nun auch im Gesetzestext § 82c, Abs. 2, inhaltlich nicht geändert (bis auf die Veränderung bei Bereitschaftsdiensten/Rufbereitschaft, siehe Seite 31). Die nachfolgenden Daten sind für drei getrennte Berufsgruppen zu erfassen – Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens einer dreijähriGesundheitspfleger:innen und vergleichbar ausgebildete Fachkräfte. – Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einer einjährigen Berufsausbildung: das sind klassischerweise z. B. Alten- und Krankenpflegehelfer:innen, Medizinische Fachangestellte etc.

Kapitel IV

gen Berufsausbildung: dies sind klassischerweise Alten- und Krankenpfleger:innen,

– Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung: das sind in der Regel Hilfskräfte ohne Ausbildung oder nur mit kurzen Weiterbildungen, dazu gehören auch Betreuungskräfte im Sinne § 53b, die primär stationär eingesetzt werden. Zur Klarstellung: Bei der Frage der Berufsausbildung kommen logischerweise nur solche Berufsausbildungen infrage, die für die Versorgung von Pflegebedürftigen relevant sind. Nicht in die Vergleichswertberechnung einbezogen werden die verantwortliche Pflegefachkraft (PDL) sowie ihre Stellvertretung sowie Auszubildende. Eine Begründung für de30 Verdi, Bereich Gesundheit & Soziales, Pressemitteilung vom 02.06.2021

33

ren Ausschluss aus dem Entgeltniveau ist nicht formuliert: Allerdings würden gerade in kleinen Pflegediensten dann verzehrte Fachkraftwerte ermittelt werden, wenn hier die Leitungskräfte mit berücksichtigt würden. Gleiches gilt für die Mitarbeit von Auszubildenden. Für die Prüfwerte sollen lt. Zulassungsrichtlinie nur die Arbeitnehmer:innen berücksichtigt werden, die mehr als 50 % im Bereich Pflege und Betreuung arbeiten (zu den Auswirkungen dieser Reduzierung siehe Seite 37). Diese Definition findet sich ohne weitere Erläuterung nur hier. Eine Erklärung liefert hierzu nur eine „Erläuterungshilfe“ des AOK Bundesverbandes mit Stand vom 31. März 2022, die inzwischen öffentlich zugänglich ist31. Hier wird unter Punkt 3.3.7 erläutert, dass aufgrund der Tarifautomatik im Tarifwesen dann Arbeitnehmer:innen in eine Entgeltgruppe einzugruppieren sind, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihm, und nicht vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Angelehnt ist dies an Regelungen zum Beispiel des TVöD. Für diese Gruppen werden die Durchschnittswerte pro Vollzeitstelle für folgende Lohnbestandteile pro Monat ermittelt: – Tabellengehalt: das lt. Arbeitsvertrag zustehende Gehalt, dass je nach Arbeitnehmer:in in der Höhe abhängig ist von der individuellen Eingruppierung, der entsprechenden Steigerungsstufe. – Jahressonderzahlungen, wie Urlaubs-/Weihnachtsgeld oder andere fixe Zahlungen, – soweit im Durchschnitt gezahlt Vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers – die durchschnittlichen individuellen Zulagen (z. B. Pflegezulage, Schichtzulage, Wechselschichtzulage, Erschwerniszulage, Stellenzulage, Leistungszulage u. Ä.), soweit sie im Tarifwerk vorgesehen und vergütet werden. – Lohn für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft. – Summe der Vollzeitäquivalente (VZÄ) je Berufsgruppe.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Unter fixen Zulagen sind nur solche zu verstehen, die arbeitsvertraglich den Arbeitnehmer:innen fix zugesagt und nun per Gesetz definiert sind. Zu berücksichtigen sind nur Zahlungen in Geld. Hier nicht enthalten, aber später in der prozentualen Höhe anzugeben sind folgende variable Zuschläge, soweit das Tarifwerk sie vorsieht: – Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit. Da alle Tarifeinrichtungen die Daten als Summenwert: durchschnittliche definierte Kosten pro Monat melden müssen, ist für eine differenzierte Erfassung eine vorherige Erfassung pro einzelnem Arbeitnehmer:in notwendig gewesen und zukünftig notwendig. Aus den Meldewerten aller Pflegeeinrichtungen (eine Differenzierung nach Einrichtungstypen findet nicht statt) ermitteln dann die Landesverbände der Pflegekassen gemäß dem Rechenweg aus der Pflegevergütungsrichtlinie in § 4 bzw. jetzt im Gesetzestext § 82c Abs. 2 31 https://www.aok.de/gp/fileadmin/user_upload/Pflege/Gesetze/Erlaeuterungshilfe_Tariftreue_AOK.pdf, Stand 12.06.22, 12:00 Uhr

34

das regionale Entgeltniveau pro Berufsgruppe sowie das gewichtete regionale Entgeltniveau über alle Berufsgruppen und veröffentlichen diese. Mit den identischen Rechenschritten sollte jede Pflegeeinrichtung, die nicht tarifgebunden ist, für sich berechnen, wo sie mit ihren bisherigen Vergütungsstrukturen steht. Dabei sollte der Durchschnitt aus der Berechnung aller einzelnen Arbeitnehmer:innen gebildet werden, alle anderen Rechenwege wären unter Umständen verzerrte Schätzungen. Ein Muster für eine solche Berechnung ist die Tabelle von SysPra.de, siehe Grafik 6, in Version 3 aktualisiert durch das Pflegebonusgesetz. Diese Tabelle sieht die Möglichkeit vor, sowohl gemäß der Zulassungsrichtlinie die Werte zu ermitteln (nur für Arbeitnehmer:innen, die mehr als 50 % Pflege und Betreuung erbringen) als auch für alle Arbeitnehmer:innen, die mindestens Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen. Die Tabelle kann später auch von Tarifeinrichtungen für die regelmäßigen jährlichen Meldungen genutzt werden, falls diese Werte händisch zu errechnen sind.32

4.5 Problematische Prüfwerte Die nach dieser Systematik ermittelten und veröffentlichten Durchschnittswerte sind aus mehreren Gründen problematisch: Veränderter Durchschnittswert Im Gesetzestext, auch nach der Konkretisierung durch das Pflegebonusgesetz im Mai 2022, ist definiert, dass alle Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen, unabhängig von ihrem Arbeitsumfang für diese Leistungsarten zu berücksichtigen sind. In der Zulassungs-Richtlinie ist in § 3 die tarifgerechte Entlohnung für alle Arbeitnehmer:innen (unabhängig von ihrem Arbeitsanteil in diesem Bereich) Bei der Ermittlung der Vergleichswerte definiert in § 4 Zulassungsrichtlinie wird ohne weitere Begründung in der die Reduzierung auf die Arbeitnehmer:innen vorgenommen, die mehr als 50 % in Pflege und Betreuung arbeiten. Die Begründung „Tarifautomatik“

Kapitel IV

ebenfalls verpflichtend einzuhalten.

hat nun die AOK so formuliert (S.34). Widersprüchlich ist auch, dass in der aktuellen Verordnung zum Pflegemindestlohn dieser für diejenigen Arbeitnehmer:innen gilt, die mehr als 25 % betreuend oder pflegend tätig sind.33 Die Einschränkung (mehr als 50 %) hat in der stationären Pflege keine wirkliche Bedeutung, da alle Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung getrennt vom Pflegebereich erbracht, aber auch verhandelt und vergütet werden. Im stationären Pflegesatz, der von der Pflegekasse mitfinanziert wird, sind nur Pflegeleistungen, Betreuung sowie medizinische Behandlungspflege definiert.34 32 https://blog.syspra.de/shop/ 33 Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung; § 1 Abs. 4 34 § 84, Abs. 1

35

36

P4

GfB

6,00

40,00

6,00

ja

nein

ja

nein

7

9

25

P5

485,87 €

3.235,75 €

549,19 €

1.061,49 €

Anzahl Vollzeitstellen

GfB

2.972,18 €

3.715,22 €

1.061,49 €

916,59 €

401,01 €

458,30 €

Grafik 6

Allgemeine Zulagen

Stellenzulage

242,04 €

61,33 €

171,73 €

214,66 €

61,33 € 200,00 €

49,07 € 200,00 €

21,47 € 100,00 €

24,53 € 100,00 €

18,13

99,56 €

99,56 €

99,56 €

99,56 €

99,56 €

99,56 €

99,56 €

99,56 €

17,43

3.859,58 €

64.879,44 €

485,87 €

3.584,00 €

549,19 €

1.229,04 €

3.250,12 €

4.049,45 €

1.429,04 €

1.265,22 €

622,03 €

682,39 €

Summe pro Monat

150,00 €

150,00 €

150,00 €

150,00 €

150,00 €

150,00 €

150,00 €

150,00 €

5.094,27 €

42,45 €

280,27 €

46,46 €

103,40 €

255,81 €

315,08 €

103,40 €

91,59 €

50,60 €

55,16 €

Summe pro Monat

3.869,48 €

1.332,43 € 595,65 € 3.864,27 € 528,31 €

30,75 € 22,91 € 22,29 € 20,32 €

gewichteter Stundenlohn

23,13 €

69.973,71 €

4.364,53 € 3.505,93 €

28,78 € 28,89 €

1.356,81 € 1.532,43 €

39,14 € 35,36 €

737,55 € 672,64 €

21,28 € 22,17 €

23,19 €

67.439,56 €

3.864,27 €

1.332,43 €

3.505,93 €

4.364,53 €

1.532,43 €

1.356,81 €

Lohnsumme pro Monat mit >50% Pflege und Betreuung

Auswertung pro Monat Rechnerischer Lohnsumme pro Monat Stundenlohn

gewichteter Stundenlohn

509,36 €

3.213,27 €

557,53 €

1.090,74 €

2.919,67 €

3.630,92 €

1.090,74 €

949,12 €

457,24 €

511,89 €

jährliche Zahlungen

Urlaubsgel d Sonderzahlung

Jahressonderzahlungen

© SysPra.de V1 / 2022

Pro Monat im Durchschnitt

Pro Monat im Durchschnitt

© SysPra.de V1 / 2022

6,65 €

6,65 €

6,65 €

20,00 €

6,65 €

0,00 €

0,00 €

0,00 €

ähnliche Zulagen

regelmäßige und fixe pflegetypische Zulagen

monatliche Zahlungen

Vermögenswirksame Leistungen

VL

Durchschnitt mit >50% Pflege und Betreuung Anzahl Vollzeitstellen

Durchschnitt aller Arbeitnehmer

698,00

10,00

P5

P5

8

35,00

28,00

ja

L2

L2

L1

L1

ja

10,00

8,00

7,00

8,00

5

ja

ja

3

nein

2

4

nein

1

Name

6

Nr.

Grundgehalt

> 50% Lohn lt. Pflege und Wochen- Lohngruppe Beteuung arbeitszeit / Einstufung Eingruppierung

38,50

Musterdienst

Pflegefachkräfte mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung, die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen

Wochenarbeitszeit einer Vollzeitstelle

Name der Einrichtung

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Auswirkungen der unterschiedlichen Durchschnittsberechnung PDL/Stellv. Fachkräfte

Rechnerische StundenVollzeitstellen satz 2 28,00 € 17,43 23,19 €

Zulassung

Berechnet ohne Leitung

23,69 €

23,19 €

23,19 € 18,16 €

Pflegekräfte

19,35

18,16 €

18,16 €

18,16 €

Hilfskräfte mit 50 % Betreuung Hilfskräfte mit weniger Betreuung

3,65 11,5

17,26 € 15,99 €

16,30 €

16,30 €

zu zählende Stellen berechnetes Entgeltniveau

53,93 19,63 €

Regionales Entgeltniveau 2021

51,93

17,26 € 40,43

19,30 €

20,25 €

Grafik 7

Zu den ambulanten Sachleistungen gehören aber körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung.35 Werden die Arbeitnehmer:innen, die überwiegend hauswirtschaftliche Leistungen erbringen, weitgehend von der Durchschnittswertbetrachtung ausgenommen, ergeben sich deutliche Veränderungen der Werte (zumal die Pflegedienste die Hälfte aller Pflegeeinrichtungen stellen, deren Daten in die Durchschnittswerte einfließen!). Das soll an folgendem Beispiel (siehe Grafik) verdeutlicht werden: In der Tabelle sind drei verschiedene Berechnungen dargestellt (siehe Grafik 7). Grafik_7

1. Berechnung aufgrund der Festlegung in der Zulassungs-Richtlinie mit der Einbeziehung aller Arbeitnehmer:innen einschließlich der Leitungskräfte. Dabei wird gerade bei kleinen Pflegediensten der Durchschnittswert der Fachkräfte sowie der Gesamtdurchschnitt durch die Einberechnung der PDL/Stellvertretung verzerrt, so dass die rechnerische Nichtberücksichtigung hier nachvollziehbar ist. Durchschnittswerten in den Berufsgruppen sowie zum eigenen Entgeltniveau. 3. In der Variante, wie das regionale Entgeltniveau nach § 4 Zulassungsrichtline ermittelt wird, entfallen die Hilfskräfte, die vornehmlich hauswirtschaftliche Leistungen erbringen. Dadurch ändert sich nicht nur der Durchschnittswert der Hilfskräfte, sondern

Kapitel IV

2. Berechnung aller Arbeitnehmer:innen ohne Leitungskräfte führt zu realistischen

sehr deutlich auch das eigene Entgeltniveau. Die Auswertungstabelle zur Erfassung nach SysPra (Grafik 8) sieht folgendermaßen aus. Die ermittelten Durchschnittswerte aller Arbeitnehmer:innen werden dann im Verhältnis der Vollzeitstellenäquivalente gewichtet und so das Entgeltniveau der Einrichtung ermittelt. Dabei werden in dieser Auswertung beide Berechnungsmodelle dargestellt: Unter 1. Das eigene Entgeltniveau pro Berufsgruppe und Gesamt, das dann ins Verhältnis zu den Werten des eigenen Bundeslandes gesetzt werden kann. 35 § 36 Abs. 1

37

Auswertung Einrichtung

Musterdienst

1. Vergleich regionales Entgeltniveau nach § 82c

Vergleichswer t Bundesland

Berufsgruppen

VZÄ

Pflegefachkräfte

17,43 19,35

23,19 € 18,16 €

20,59 €

Pflegekräfte

5,21

17,33 €

15,59 €

41,98

20,15 €

18,25 €

Hilfskräfte eigenes Entgeltniveau

Stundensatz

17,08 €

regionales Entgeltniveau + 10%

20,08 €

entsprechend RL nach § 82c Abs. 4 SGB XI (Pflegevergütungs-Richtlinie): (nicht an Tarifverträge/AVR gebundene bzw. angelehnte Einrichtungen nach § 72 Abs. 3b SGB XI) § 3 Abs. 1 - 3 ; § 4 Abs. 2 - 5 (regionales Entgeltniveau)

© SysPra.de V1 / 2022

3. Ermittlung des eigenen Entgeltniveaus Formal für Zulassung so definiert. Es ist unklar, ob diese Werte benötigt werden!

Berufsgruppen

VZÄ

Pflegefachkräfte

18,13

Pflegekräfte

24,42

23,13 € 18,06 €

15,40

16,74 €

57,94

19,30 €

Hilfskräfte eigenes Entgeltniveau

Stundensatz

entsprechend RL nach § 72 Abs. 3c SGB XI (Zulassungs-Richtlinien): § 3 Abs. 1 - 3 (nicht an Tarifverträge/AVR gebundene Einrichtungen nach § 72 Abs. 3b SGB XI)

Grafik 8

Unter 3. Das Entgeltniveau mit der Berücksichtigung aller Arbeitnehmer:innen, die Pflege und Betreuung erbringen (unabhängig vom prozentualen Anteil). Grafik_8

Wie man im Beispiel sieht, hat die Reduzierung auf die Gruppe der Arbeitnehmer:innen, die mehr als 50 % Pflege und Betreuung erbringen, insbesondere in der Gruppe der Hilfskräfte eine relativ große Bedeutung. Das Durchschnittsniveau ist in der reduzierten

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Gruppe deutlich höher (17,33 €) als in der Darstellung mit allen Arbeitnehmer:innen. Für die Einhaltung der Grenzwerte steigt so das regionale Entgeltniveau in der Gruppe Hilfskräfte, aber damit steigt entsprechend auch das Entgeltniveau hier im Beispiel über den Grenzwert des Landes. Würde man das Entgeltniveau aller Arbeitnehmer:innen nutzen, dann läge das einrichtungseigene Entgeltniveau mit dann 19,30 € unter dem Grenzwert des Landes. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtslage habe ich sowohl den GKV-Spitzenverband als auch das BMG um Auskunft gebeten, warum diese Kürzung vorgenommen wurde und was sie bedeuten soll. Zum Zeitpunkt des Buchdrucks ist noch keine Antwort auf die Anfragen erfolgt. Nur in der Anleitung findet sich eine Erklärung (S. 34). In den aktuellen FAQs ist eine Frage in gleicher Richtung gestellt worden und die Antwort ist wohl symptomatisch: Frage 33: „Warum entspricht der Kreis der Beschäftigten, die in die Berechnungen einfließen, nicht dem Personenkreis, der Anspruch auf Pflegemindestlohn hat?“ 38

Antwort: „Der Geltungsbereich des Pflege-Mindestlohns wird auf Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und damit unabhängig von der Berechnung des regional üblichen Entgeltniveaus nach § 82c Abs. 2 SGB XI festgelegt.“36 Schöner kann man fast nicht neben der Frage antworten: „Weil wir das anders festgelegt haben, aber warum sagen wir nicht“, wäre vermutlich die ehrliche Antwort gewesen! Etikettenschwindel: Landesweites Entgeltniveau aller Pflegeeinrichtungen Aus der Summe aller Pflegeeinrichtungen im Bundesland werden die sogenannten regionalen Entgelte ermittelt, wobei die Einrichtungswerte entsprechend der Menge ihrer Vollzeitäquivalente berücksichtigt werden. Das Gesetz verlangt zwar ausweislich des Gesetzestextes in § 82c ein „regionales Entgeltniveau“, aber die von den Bundesministerien genehmigte Pflegevergütungs-Richtlinie definiert das jeweilige Bundesland als Region.37 Zwar könnte gemäß Abs. 2 von den Landesverbänden auch eine kleinere Region gebildet werden, dies müsste dann aber besonders begründet werden. Die Landesverbände der Pflegekassen haben darauf verzichtet und die Werte nur pro Bundesland ermittelt und veröffentlicht. Obwohl es regional deutliche Unterschiede gibt, die im landesweiten Durchschnittswert verschwinden: das sicherlich für alle nachvollziehbarste Bespiel ist der Großraum München mit seinen überteuerten Immobilienpreisen. Ohne entsprechende (oft übertarifliche) Zulagen könnten sich Arbeitnehmer:innen gar nicht die Wohnung leisten. Trotzdem werden hier die Vergleichswerte nicht nach Regionen aufgeteilt, sondern auch hier landesweit ermittelt. Daher ist hier „Region“ immer Bundesland. Und deshalb unterscheiden dann die FAQ sprachlich die Region = Bundesland von einem Gebiet = Region, wie in der Antwort auf Frage 43 verdeutlicht wird: „Eine evtl. bestehende herausfordernde Fachkräftesituation in der Region ist von der jeweiligen Pflegeeinrichtung in Bezug auf den Ort ihrer Betriebsstätte in den Vergütungsverfahren darzulegen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht auf die Region im Sinne des § 2 der Pflegeeinrichtung befindet.“38 39 Keine Differenzierung nach Einrichtungstypen Gemäß § 1 Abs. 3 der Richtlinie werden zwar alle Einrichtungstypen (ambulant, teilsta-

Kapitel IV

Pflegevergütungs-Richtlinien abzustellen, sondern auf das Gebiet, in welcher sich die

tionär, vollstationär) einbezogen, aber es wird nur ein gemeinsames Entgelt über alle Einrichtungen hinweg ermittelt. Obwohl die Arbeitsbedingungen und Voraussetzungen unterschiedlich sind und sich diese auch in den Entgeltniveaus ausdrückt: denn beispielsweise werden Schichtzulagen typischerweise im vollstationären Bereich anzutreffen sein, nicht aber in der Tagespflege. Oder Zulagen/ Zuschläge für Rufbereitschaft gibt es nur in der ambulanten Pflege. Auch setzt sich der Personalmix in den verschiedenen Ein36 37 38 39

FAQ Stand 15.03.2022 § 2 Pflegevergütungs-Richtlinie § 82c FAQ 43 in der Fassung vom 15.03.2022 Zur Klarstellung: das stammt nicht aus dem „Kabarettprogramm“ von Andreas Heiber, sondern wörtlich aus den FAQ des GKV-Spitzenverbandes zitiert, die mit Hinweisen aus dem BMG veröffentlicht wurden!

39

Gemeldete Tarifeinrichtungen * Baden-Württemberg 1.123 Bayern 819 Berlin 116 Brandenburg 184 Bremen 75 Hamburg 99 Hessen 368 Mecklenburg- Vorpommern 189 Niedersachsen 450 Nordrhein- Westfalen 1.868 Rheinland- Pfalz 257 Saarland 100 Sachsen 292 Sachsen-Anhalt 192 110 Schleswig- Holstein Thüringen 188

Einrichtungen TarifeinRegionales gesamt ** richtungen Entgeltniveau 3.115 4.093 1.033 1.361 267 584 2.221 1.011 3.314 5.921 1.098 321 2.207 1.333 1.184 1.005

36,1% 20,0% 11,2% 13,5% 28,1% 17,0% 16,6% 18,7% 13,6% 31,5% 23,4% 31,2% 13,2% 14,4% 9,3% 18,7%

30.068

21,4%

20,55 € 20,24 € 19,36 € 17,66 € 16,87 € 19,68 € 19,26 € 18,03 € 19,29 € 20,59 € 20,18 € 19,66 € 18,25 € 17,25 € 20,77 € 17,85 €

© SysPra.de 2022

6.430

Quellen: *Veröffentlichung GKV/AOK 2022; Datenstand 5.4.22; ** Bundespflegestatistik 2019

Grafik 9

richtungstypen unterschiedlich zusammen: Ambulant ist dieser zusätzlich geprägt durch Vorgaben aus dem Bereich der Behandlungspflege, die je nach Bundesland unterschiedlich sind und Auswirkungen auf den ambulanten Fachkraftanteil haben. Nur ein Fünftel der Einrichtungen definiert die Entgelte! In der Begründung des Änderungsantrags zum GVWG wird als Kernforderung der Konzertierten Aktion Pflege eine „flächendeckende Entlohnung nach Tarif als wesentliches Element der Verbesserung“ zitiert, allerdings ist diese Feststellung so nicht in den

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe 5 zu lesen. Denn gerade zur Frage eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages gab und gibt es unterschiedliche und differenzierte Meinungen.40 Während die tarifgebundenen Einrichtungen ihre Personalkosten grundsätzlich refinanziert bekommen, wurde für die nicht tarifgebundenen Einrichtungen neben Untergrenzen eine Obergrenze eingeführt. Warum die Richtlinien dann keine weitere Differenzierung nach echten Regionen sowie nach Einrichtungstypen vorsehen, ist nicht nachvollziehbar. So werden Vergleichswerte ermittelt, die regional oder lokal weder typisch noch sinnvoll sind. Schon ein Blick auf die Ermittlungsbasis zeigt die Willkür der Datenbasis auf: Denn nur 21,4 % der Pflegeeinrichtungen in Deutschland sind formal tarif- bzw. an vergleichbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden. Dabei ist die Verteilung bundesweit relativ weit gestreut (siehe Grafik 9).

40 Siehe Punkt 4.6, Konzertierte Aktion Pflege, Vereinbarungen der Arbeitsgruppe 1 bis 5, S. 170

40

Regional übliches Entgeltniveau Fachkräfte

Pflegekräfte

Hilfskräfte

Baden-Würtemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg- Vorpommern Niedersachsen Nordrhein- Westfalen Rheinland- Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig- Holstein Thüringen

20,55 € 20,24 € 19,36 € 17,64 € 16,87 € 19,68 € 19,28 € 18,03 € 19,36 € 20,60 € 20,18 € 19,66 € 18,25 € 17,25 € 20,78 € 17,85 €

23,24 € 23,19 € 22,85 € 20,68 € 20,12 € 22,58 € 22,20 € 20,88 € 22,21 € 23,28 € 22,98 € 22,73 € 20,59 € 19,52 € 23,92 € 20,51 €

19,11 € 19,02 € 17,86 € 16,43 € 15,64 € 18,51 € 18,16 € 16,82 € 18,52 € 19,76 € 18,47 € 18,91 € 17,08 € 16,35 € 18,63 € 16,03 €

16,93 € 17,00 € 17,17 € 15,40 € 14,79 € 16,37 € 16,26 € 15,49 € 16,20 € 17,06 € 16,46 € 16,20 € 15,59 € 15,01 € 17,75 € 15,29 €

Mittelwert Höchster Wert Niedrigster Wert

19,10 € 20,78 € 16,87 €

21,97 € 23,92 € 19,52 €

17,83 € 19,76 € 15,64 €

16,19 € 17,75 € 14,79 €

Quelle: GKV-Spitzenverband, Stand 05.04.22; Durchschnittswerte: Berechnung SysPra 2022

Grafik 10

In Baden-Württemberg liegt die Tarifquote bei 36 %, in Schleswig-Holstein bei 9,4 % der Einrichtungen. Das höchste landesweite Entgeltniveau gibt es erstaunlicherweise im Bundesland mit der niedrigsten Tarifquote: Schleswig-Holstein. Da hier der überwiegende Teil der Tarifeinrichtungen zum Diakonischen Werk gehört, dürfte sich dies auch im höchsten Durchschnittswert manifestieren. hohe durchschnittliche Tarifvergütung bedeutet: Bremen hat eine überdurchschnittliche Tarifquote von ca. 28 %, aber fast bei allen Berufsgruppen die niedrigsten Durchschnittswerte. Das liegt auch daran, dass Bremen so etwas wie einen landesweiten einheitlichen

Kapitel IV

Gleichzeitig zeigt diese Darstellung auch, dass eine hohe Tarifquote keineswegs eine

Tarifvertrag hat (Tarifvertrag Pflege in Bremen), dem sich auch die ansonsten höher bezahlenden Einrichtungen der Diakonie und Caritas angeschlossen haben41 42. Sind die veröffentlichten Werte plausibel? Veröffentlicht sind nur die gewichteten Durchschnittswerte auf Landesebene, ermittelt auf der Basis der Eingaben der Tarifeinrichtungen. Die Auswertungszahlen beruhen auf eigenen Berechnungen (siehe Grafik 10). 41 Siehe Homepage der Tarifgemeinschaft Pflege in Bremen: https://www.tarifgemeinschaft-pflege-bremen.de/mitglieder/; Stand: 08.03.2022 42 Ob diese niedrige Tarifvergütung in Bremen als Argument gegen einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag genutzt werden könnte, bleibt jedem selbst überlassen zu entscheiden.

41

Bei der ersten Diskussionen nach der Veröffentlichung wurde vom GKV-Spitzenverband bzw. von der DatenClearingStelle, die die technische Erfassungslösung erstellt hat, erklärt, dass eine Plausibilisierung der Daten bei oder nach der Eingabe nicht stattgefunden hat. Diese wäre mutmaßlich auch schwierig durchzuführen. Wer sich einmal einige Durchschnittswerte näher ansieht, wird um die Frage nicht herumkommen, ob alle Tarifeinrichtungen die Daten tatsächlich nach der vorgegebenen Anweisung ermittelt haben. Dazu einzelne Beispiele: Gemäß dem Faktenblatt Vergütung der Caritas 202143 beträgt das Tabellenentgelt für eine Pflegefachkraft in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, NRW sowie Regionen Mitte und Nord einschließlich Pflegezulage, Geriatriezulage, Schichtzulage, Sonderzahlung und Leistungsentgelt bei einer 39 Stundenwoche 19,91€ im ersten Berufsjahr. Im fünften Berufsjahr wären das dann 20,91€, ab dem 16. Berufsjahr maximal 24,38 €. Wenn aber das durchschnittliche Tarifentgelt in Baden-Württemberg landesweit bei 23,24 € liegen soll, obwohl der mutmaßlich höchste Tarifvertrag nur in den letzten Gehaltsstufen darüber liegt, stellt sich die Frage, ob die Rohdaten zur Ermittlung dieser Durchschnitte sachgerecht ermittelt wurden. Mögliche Fehlerquellen wären Angaben der monatlichen Entlohnung auf der Basis der tatsächlichen Lohnzahlungen, die dann auch alle möglichen Zuschläge etc. enthielten. Da die Durchschnittsentgelte pro Berufsgruppen verbindliche Untergrenzen zur Zulassung sein können (Variante 3) und das landesweite Entgeltniveau eine verbindliche Obergrenze der Refinanzierung darstellt, muss man die Richtigkeit der Daten voraussetzen, woran man deutliche Zweifel haben kann. Aufgrund dieser Daten können Versorgungsverträge entzogen oder Vergütungsforderungen verweigert werden, daher ist hier auch durch die Landesverbände der Pflegekassen sicher zu stellen, dass diese sachlich richtig sind!

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Im Gesetzgebungsverfahren zum Pflegebonusgesetz wird in den Änderungsanträgen

42

des Gesundheitsausschusses ausdrücklich ausgeführt: „Im Zuge der erstmaligen Meldung nach § 72 Absatz 3e im Jahr 2021 wurde nach Auswertung der gemeldeten Daten deutlich, dass ein Teil der an Tarifverträge oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig alle angeforderten maßgeblichen Informationen gemeldet haben.“44 Das heißt also: der Gesetzgeber weiß selbst, dass die erfassten Durchschnittswerte aus dem Jahre 2021 unvollständig, unrichtig etc. sind, zieht daraus aber nicht die Konsequenz, den Umsetzungstermin bis nach der zweiten Erhebung zu verschieben! Er schafft nur die Möglichkeiten für die Pflegekassenverbände, in der Richtlinie nach § 72 abgestufte Sanktionen für fehlerhafte, falsche oder verspätete Meldungen vorzusehen. 43 Faktenblätter Vergütung: https://caritas-dienstgeber.de/publikationen/faktenblaetter-neu/verguetung-regionen-west.html, Stand 09.03.2022 44 BT-Drs- 10/1909 (Vorabversion) S. 66

Varianten der Vergütungsauswahl und Refinanzierung im SGB XI Variante

1. Echte Tarifanwender

2. Angelehnt an Tarif 3. Durchschnittswert

Entlohnung

Untergrenze für Zulassung (§ 72)

Obergrenze Vergütungsverhandlung (§ 82c)

lt. Tarifvertrag

lt. Tarifvertrag

alle Personalkosten werden anerkannt, keine Grenzwerte!

lt. Tariftabelle des angelehnten Tarifs

Tariftabelle und Eingruppierung

10% über regionalem Entgeltniveau

freie Vergütung nach regionales Entgeltniveau eigenen Vorstellungen pro Berufsgruppe

10% über regionalem Entgeltniveau

© SysPra.de, Stand 2022

Grafik 11

Eine systemische Gefahr liegt auch in den jährlich neu zu erstellenden Werten. Wenn, wie zu vermuten ist, bei der zweiten Erfassung in 2022 weniger fehlerhafte Datenmeldungen erfolgen, werden insbesondere die landesweiten Entgeltniveaus eher sinken als steigen. Folgt dann eine Phase der Lohnstagnation, wenn Einrichtungen, die mit Variante 2 angelehnt an einen Referenztarif bezahlen müssen, nun aufgrund der ‚neuen‘ Werte auf einmal über den Prüfwerten des regionalen Entgeltniveaus liegen und zwar aktuelle Tarifsteigerungen umsetzen müssen, diese aber nicht mehr refinanziert werden können? Prüfwerte und Vergütungsverhandlungen Tatsächlich stellt das regionale Entgeltniveau sowie die dazugehörigen Berufsgruppenniveaus nichts anderes als Prüfwerte dar, die einzuhalten sind. Aber diese Prüfwerte bieten keine Hilfestellung bei Vergütungsverhandlungen, auch wenn das so aussehen

4.6 Die Varianten der Personalentlohnung Um die Grundidee einer tariflichen Bezahlung in der Pflege umzusetzen, lässt das Gesetz in der aktuellen Fassung drei verschiedene Varianten der Entlohnungsregelung zu (siehe

Kapitel IV

könnte. Sie sollten daher allein als (zusätzliche) Prüfwerte verstanden werden.

auch Grafik 11): Grafik_11

1. Echte Tarifanwender: Die Einrichtungen haben selbst oder über ihren für sie handelnden Arbeitgeberverband mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag ausgehandelt und unterschrieben bzw. sind diesem beigetreten (§ 72, 3a). 2. Angelehnt an Tarif (im Anmeldesystem „individualrechtliche Umsetzung“ genannt): Es wird ein Tarifwerk ausgewählt und benannt, deren Vergütungssystematik (Lohntabellen, Eingruppierung, Steigerungsstufen) die Einrichtung übernimmt (§ 72, 3b Punkt1). 3. Durchschnittswert (im Anmeldesystem „Durchschnittsbetrachtung“ genannt): Die Einrichtung nutzt eigene Entgeltsystematiken, muss aber gewährleisten, dass die aus43

Ermittlungsschritte Regionales Entgeltniveau: Beispiel Einrichtung Rechenweg § 4 PV. R Schritt 1 Abs. 2

Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Schritt 2

Abs. 3

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 €

Schritt 3

Abs. 4

Gewichtete VZÄ

Schritt 4

Abs. 5

43%

43%

13%

Gesamt 67

Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung Regionales Entgeltniveau

19,54 €

plus 10%

21,50 €

Grafik 12

gewiesenen regionalen Entgeltniveaus pro Berufsgruppe nicht unterschritten werden (§ 72,3b Punkt 4). Bei der Auswahl der Varianten muss die mögliche Refinanzierung der Personalkosten eine wesentliche Rolle spielen: denn sie ist einerseits das Unterscheidungsmerkmal, aber die Refinanzierbarkeit beschränkt auch tatsächlich die Auswahlmöglichkeiten. Nicht jedes Tarifwerk, das wählbar ist, wird auch refinanziert: Hier ist die entscheidende Grenze das regionale Entgeltniveau, das maximal um 10 % überschritten werden darf. Im Folgenden werden anhand eines Beispiels Möglichkeiten der Tarifauswahl sowie deren Auswirkungen dargestellt. Im Ausgangsbeispiel wird das regionale Entgeltniveau beispielhaft aus drei Tarifeinrichtungen ermittelt, sowohl als Grenzwert pro Berufsgruppe sowie als Obergrenze (regionales Entgeltniveau) (siehe Grafik 12). Zur weiteren Prüfung muss jede Einrichtung zunächst auf der Basis ihrer jetzigen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Personalkosten das eigene Entgeltniveau (nach den Regeln des regionalen Entgeltniveaus) ermitteln. Nur mit diesen Vergleichswerten lassen sich die Varianten vergleichen und überprüfen! Echte Tarifanwender (auch mit entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen) können sich diesen Aufwand sparen, weil für sie keinerlei Grenzwerte gelten, wie das erste Beispiel für die Variante 1 zeigt.

Variante 1: Echte Tarifanwender Echte Tarifanwender bzw. an vergleichbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundene Einrichtungen haben die besten Möglichkeiten, denn alle Personalkosten, die tariflich bedingt sind, werden als wirtschaftlich anerkannt. Das gilt auch für alle Personalgruppen einschließlich Leitung und Verwaltung. Für diese Gruppe hat sich die Rechtslage zur bisherigen Definition im SGB XI praktisch nicht geändert: „Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen

44

1. Variante: Vergütung nach Tarifvertrag Einrichtung Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € 43% 43% Gewichtete VZÄ Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung 19,54 € Regionales Entgeltniveau

13% plus 10%

Gesamt 67

21,50 €

Ermittlungsschritt eigenes Entgeltniveau: Tarifeinrichtung nach 2. Untergrenze

Werte für Zulassung stehen nicht fest, individuell aufgrund Einhaltung Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Tarif wie 2. 23,19 € 18,16 € 17,26 € Gesamt 14 12 1 1 Gewichtete VZÄ 86% 7% 7%

Obergrenze

gilt nicht für Tarifeinrichtung!

22,41 € kann 'Grenzwert' überschreiten!

Grafik 13

nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Für eine darüber hinausgehende Bezahlung bedarf es eines sachlichen Grundes.“45 Sie ist damit auch identisch zur Rechtslage für die Refinanzierung der Häuslichen Krankenpflege im SGB V46 (siehe Grafik 13). Im Beispiel gilt ein Tarifwerk wie von Einrichtung 2: Aufgrund der hohen Tarifzahlungen, aber auch aufgrund der Personalzusammensetzung wird das regionale Entgeltniveau deutlich um mehr als 10 % überschritten. Aber trotzdem ist die Vergütung wirtschaftlich, weil die Grenzwerte bei echten Tarifverträgen ohne Bedeutung sind. Natürlich könnte im Rahmen einer Prüfung der Bezahlung (nach § 84, Abs. 7) jede Ob und wie diese Prüfungen in der Praxis stattfinden werden, ist einerseits abhängig von der Formulierung der entsprechenden Richtlinie nach § 84, Abs. 7, die aber erst zum 01.07.2022 fertig gestellt sein muss (siehe Seite 63). Grundsätzlich dürfte man davon aus-

Kapitel IV

Vertragspartei den Nachweis einer tarifgerechten Einstufung und Bezahlung verlangen.

gehen, dass eine weitergehende Prüfung bei Tarifeinrichtungen kaum stattfindet, vermutlich auch weil die Kostenträger davon ausgehen können, dass die zuständigen Betriebsräte bzw. Mitarbeitervertretungen auf eine tariftreue Umsetzung achten. Zwar ist es richtig, dass die Pflegekassen verpflichtet sind, die Personalkosten nach Tarif komplett zu refinanzieren, was aber nicht dazu führen sollte, Tarifverträge ohne Berücksichtigung der eigenen Situation abzuschließen: es gibt einen sehr neuen Tarifabschluss des Arbeitgeber- und BerufsVerbandes Privater Pflege e.V. (ABVP) und der eher unbekannten Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD), der für Pfle45 § 89 Abs. 1 Satz 4 und 5 in der Fassung bis 30.08.2022 46 Hier § 132a, Abs. 4, Satz 7, sowie neu eingeführt mit dem GVWG § 132 Haushaltshilfe, Abs. 1 Satz 2

45

gefachkräfte eine Mindestvergütung von 4.000 € zuzüglich 100 % Sonderzahlung in der Eingangsstufe vorsieht (was schon allein einem Stundenlohn von ca. 26 € entsprechen würde)47. Solche Vergütungen sind für München vielleicht notwendig oder auch für Intensivpflegekräfte möglich, aber in weiten Teilen Deutschlands meist sehr weit über dem Durchschnitt. Auch wenn die Pflegekassenverbände diese Tarifvergütung in Verhandlungen anerkennen müssten, wären die Anwender dann sofort von heute auf morgen die vermutlich teuersten Pflegedienste in der Region. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kunden zu günstigeren Diensten auch aus der Wohlfahrt wechseln werden, dürfte sehr hoch sein. Deshalb sollte bei der Entscheidungsfindung immer auch die Gesamtsituation einschließlich der Mitbewerber und der Marktsituation berücksichtigt werden.

Variante 2: angelehnt an einen Tarif Diese Variante (von den Pflegekassen bzw. im Anmeldesystem „individualvertragliche Umsetzung“ genannt) nimmt einen bestehenden Tarifvertrag bzw. eine kirchliche Arbeitsrechtsregelung zum Maßstab als Untergrenze bei der Umsetzung der Personalvergütung: Die Einrichtung muss mindestens die Lohn- und Eingruppierungsregelungen einschließlich der dazugehörenden Wochenarbeitszeit, der vereinbarten Zulagen, Sonderzahlungen und variablen Zuschläge übernehmen und wie eine Tarifeinrichtung mindestens umsetzen. Diese Verpflichtung gilt nur für die Berufsgruppen, die Leistungen der Pflege und Betreuung übernehmen. Wie die Bezahlung der anderen Arbeitnehmer:innen erfolgen soll und kann, ist nicht im Gesetz oder in der Zulassungs-Richtlinie geregelt. Allerdings erweitert die am 15.3. 2022 mit den FAQ Stand 2.0 veröffentlichte Antwort auf die Frage 47 den Handlungsrahmen: hier stellt der GKV-Spitzenverband fest, dass eine Bezahlung der anderen Arbeitnehmer:innen (PDL, Stellv. PDL; Verwaltung, Geschäftsführung etc.) nach dem gleichen (angelehnten) Tarif ebenfalls nicht als unwirtschaftlich abgelehnt

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

werden kann48! Auch in der Gesetzesbegründung zum Pflegebonusgesetz findet sich diese

46

Interpretation.49 Das hieße für die Praxis, dass der Unterschied zwischen einer echten Tarifeinrichtung (Variante 1) und einer an einen Tarifvertrag angelehnten Einrichtung (Variante 2) in Bezug auf die Refinanzierung schwindet! Einzuhalten ist bei angelehnten Einrichtungen (Variante 2) lediglich die Obergrenze mit maximal 10 % über regionalem Entgeltniveau. Vergütungsregelungen sind Untergrenzen Einrichtungen ohne Tarifbindung aber mit Anlehnung an ein Tarifwerk steht es theoretisch frei, auch mehr zu zahlen als das angelehnte Tarifwerk vorsieht. Die Überlegung könnte ja sein, eine niedrige und auf jeden Fall finanzierbare Untergrenze zu benennen und dann später quasi ‚freiwillig’ die Arbeitnehmer:innen besser zu vergüten. 47 https://www.goed-online.de/index.php/themen-und-fachbereiche/gesundheit-und-pflege/221-tarifabschluss-berufsverband-privater-pflege-e-v-abvp-goed, Stand 17.03.2022 48 FAQ zur Umsetzng der Zulassungs-Richtlinien nach § 72 Abs. 3c sowie der Pflegevergütungs-Richtlinie nach § 82c SGB XI mit Stand vom 15.03.2022 49 BT-Drs. 20/1331, Vorabversion, Seite 23

Der Prüfmaßstab ist der im Versorgungsvertrag festgelegte Referenz-„Tarif“: die tarifliche Vergütung als Untergrenze benannt („mindestens in Höhe“50), es wird Folgendes gefordert: „Dabei muss durch die Entlohnung sichergestellt sein, dass das in dem von der Pflegeeinrichtung als maßgebend mitgeteilte Tarifvertragswerk oder in den von ihr als maßgebend mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vorgesehene Lohngefüge beachtet wird.“ Zum „Lohngefüge“ gibt es zusätzlich folgende Fußnote: „Hierzu gehören die sich aus einem Tarifvertragswerk oder aus kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebenden Ansprüche entsprechend Absatz 2 unter Mindesteinhaltung der jeweiligen Erfahrungsstufen sowie die Einhaltung der Eingruppierungsgrundsätze des Tarifvertragswerks oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen.“ 51 In Absatz 2 sind folgende Punkte aufgezählt: „ Grundvergütung, einschließlich Entgeltbestandteilen, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Region anknüpfen, sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätze.“ Auch die Übernahme der Definition der Entlohnungsbestandteile in den Gesetzestext durch das Pflegebonusgesetz verwendet die identischen inhaltlichen Beschreibungen. Praktisch kann man auch ‚übertariflich‘ = abweichend von dem gewählten Tarifwerk bezahlen, wenn man das ‚Lohngefüge‘ des Tarifwerkes für die Grundvergütung (Untergrenze) beachtet wird. Begrenzt wird die mögliche übertarifliche Bezahlung nur durch die Finanzierungsobergrenze nach § 82c (mehr als 10 % über regionalem Entgeltniveau). Dazu ein Beispiel: lt. Referenztarif erhalten die Pflegefachkräfte ein im Sinne des Gesetzes definiertes Entgelt von 3.500 € im Monat, insgesamt liegt das Entgeltniveau der Einrichtung sogar unter dem regionalen Entgeltniveau, die Vergütung ist wirtschaftlich. Die Pflegefachkräfte erhalten nun übertariflich einen Zuschlag von 500 €, also 4.000 € 5 % über dem regionalen Entgeltniveau; diese Vergütung wäre im Sinne des Gesetzes wirtschaftlich. Die Pflegefachkräfte erhalten einen übertariflichen Zuschlag von 1.000 €, also 4.500 €

Kapitel IV

im Monat. In der Gesamtdarstellung steigt nun das eigene Entgeltniveau auf einen Wert

im Monat. Damit steigt das eigene Entgeltniveau der Einrichtung auf einen Wert von 11 % über dem regionalen Entgeltniveau, die Personalvergütung insgesamt wäre daher grundsätzlich unwirtschaftlich. Die Untergrenze bestimmt durch die Eingruppierungsregelungen des Referenztarifes ist keine Obergrenze. Die Pflegeeinrichtung kann also Mitarbeitende auch höher eingruppieren und es wäre im Sinne dieser Regelungen wirtschaftlich. Ausdrücklich außerhalb der ‚Tarifbezahlung‘ sind alle Gehaltsbestandteile zu sehen, die nicht in Geld erfolgen, wie Tankgutscheine, Einkaufskarten, Dienstwagennutzung, 50 So in § 3, Abs. 4 Zulassungsrichtlinie 51 § 3 Abs. 4 Zulassungsrichtlinie

47

etc. Denn im neu formulierten § 72, 3b wird definiert, dass bei der hier definierten Entlohnung nur die Lohnbestandteile berücksichtigt werden, die in Geld bezahlt werden. Auch die im Entgeltniveau nicht berücksichtigten variablen Zuschläge sind in Höhe des angelehnten Tarifwerkes zu bezahlen. Da es im Rahmen der variablen Vergütung in immer mehr Tarifverträgen auch Leistungszulagen gibt, könnte diese Möglichkeit genutzt werden, quasi innerhalb des Tarifvertrages trotzdem noch im Einzelfall abweichend zu bezahlen. Den richtigen Tarif finden? Das erste Problem bei Variante 2 ist das Finden eines geeigneten Tarifs oder einer entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung. Dessen Geltungsbereich muss gemäß § 72 Abs. 3b räumlich, zeitlich, fachlich und persönlich eröffnet sein bzw. mindestens von einer Einrichtung im Geltungsbereich genutzt werden. Zur Übersicht sind die Landesverbände der Pflegekassen gemäß § 84 Abs. 5 verpflichtet, entsprechende Übersichten zu veröffentlichen. In der Pflegevergütungs-Richtlinie § 7 ist festgelegt, dass nur die Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen veröffentlicht werden, bei dessen Anwendung mindestens eine der Pflegeeinrichtungen die Obergrenze (10 % über dem regionalen Entgeltniveau) im Bundesland nicht überschreitet. Das führt dazu, dass beispielsweise nach Darstellung der AOK in Bayern von 21 Tarifverträgen bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen 3 nicht in die Liste der veröffentlichten Tarife aufgenommen wurden.52 Dabei können auch Tarifverträge benannt werden, die nicht in der Liste des Bundeslandes stehen, soweit sie die oben genannten Kriterien des Abs. 3b erfüllen53. Wenn lt. FAQ auch nicht benannte Tarifverträge gewählt werden können (mit der möglichen eingeschränkten Refinanzierung), dann stellt sich die Frage, warum man hier solch komplizierte und im Einzelfall willkürliche Regelungen überhaupt eingeführt hat. Denn nur weil ein Tarifvertrag grundsätzlich die 10 %-Grenze einhält, heißt das nichts für die

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

konkrete Einrichtung. Deren durchschnittliches Entgeltniveau wird eben auch maßgeb-

48

lich vom Personalmix beeinflusst. Während für die Auswahl die Obergrenze berücksichtigt wird (und deshalb einige Verträge nicht benannt werden), gibt es bei der Auswahl der Tarifverträge keine Untergrenze zu beachten (also auch nicht die ermittelten Durchschnittswerte pro Berufsgruppe). Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass alle Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen anwendbar im Sinne des Gesetzes sind. Auch wenn eine niedrige Vergütung tarifvertraglich vereinbart wurde, ist sie im Sinne dieser Regelungen akzeptiert. Die einzige Untergrenze der jeweils aktuellen Pflegemindestlohnregelungen müssen alle Tarifverträge einhalten, danach herrscht Vertragsfreiheit!

52 https://www.aok.de/gp/ambulante-pflege/tarifliche-entlohnung-von-pflegepersonal/tarifuebersicht/datengrundlage, Stand 14.03.22, 11.00 53 Siehe FAQ 16, Stand 28.02.22: nur die Frage der Refinanzierung ist dann offen!

Die Verbände der Pflegekassen haben mit den Zahlen zum Entgeltniveau auch die Tarifverträge gegliedert nach Bundesland benannt, die grundsätzlich wählbar sind. Während die bundesweit geltenden Tarifverträge bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen oftmals öffentlich zugänglich sind, wird es bei Gruppen- oder Haustarifverträgen schwierig: denn diese sind oftmals nicht veröffentlicht. Die Pflegekassen verweisen auch darauf, dass eine Sammlung bei den Landesverbänden der Pflegekassen nicht gesetzlich vorgesehen ist54. Zwar wird auf das gesetzlich vorgeschriebene Register der Tarifverträge sowie die Durchführungsrichtlinie TVGDV, § 16 verwiesen: Nur dort heißt es: „Die Einsicht des Tarifregisters sowie der registrierten Tarifverträge ist jedem gestattet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erteilt auf Anfrage Auskunft über die Eintragungen. Die Einsichtnahme ist einzuschränken oder zu verwehren, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der betreffende Tarifvertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten beinhaltet.“ Da bei Einzeltarifverträgen immer ‚Betriebsgeheimnisse‘ enthalten sind (und sei es die Höhe der Bezahlung), dürften viele Tarifverträge tatsächlich nicht zugänglich sein. Es stellt sich dann aber auch die Frage, wie die Kostenträger ihre Prüfaufgaben wahrnehmen wollen, wenn sie diese Grundlage nicht haben. Auf die dadurch mögliche Intransparenz hat der Gesetzgeber reagiert und entgegen den Wünschen/Stellungnahmen der Pflegekassenverbände diese verpflichtet, die relevanten Informationen aus allen Tarifverträgen (auch Laufzeit, Gültigkeit etc.) zu veröffentlichen, die von den gebundenen Einrichtungen gemeldet wurden (Meldepflicht in § 72, Abs. 3e; Veröffentlichungspflicht in § 82c, Abs. 5). Bei der Veröffentlichungspflicht der Pflegekassen gibt es nur eine Einschränkung im Gesetz „soweit nicht zwingende betriebliche Gründe dagegensprechen“.55 Lt. Gesetzesbegründung ist ein „zwingender betrieblicher Grund“ gegeben, wenn es sich um einen Haustarifvertrag handelt, der nur von einer Pflegeeinrichtung anzuwenden ist.56 Interessant ist auch, dass die Gewerkschaft Verdi, die ja immer ein Tarifparteien (also auch die Gewerkschaften) stimmen der Veröffentlichung zu.57 Der Gesetzgeber hat aber nun allein die Pflegeeinrichtungen zur Übersendung der Informationen verpflichtet, wird aber wohl einzelvertragliche Regelungen nicht veröffentlichen. Damit sind faktisch nur die Tarifverträge/kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wählbar, die von

Kapitel IV

Verfechter von Tarifverträgen ist, auch gegen eine Veröffentlichung ist, es sei denn, beide

den Pflegekassenverbänden bzw. deren Geschäftsstelle veröffentlicht sind. Untergrenze nach Referenztarif, Obergrenze maximal 10 % über Entgeltniveau Bei der Auswahl der möglichen Tarif- oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelung, dessen Vergütungssystematik man übernehmen möchte, muss man allerdings immer die (eigene) Obergrenze der Refinanzierbarkeit beachten: denn mit dem eigenen Personalmix darf das regionale Entgeltniveau nicht um mehr als 10 % überschritten werden. 54 55 56 57

Siehe FAQ 19, Stand 28.02.22 § 82c, abs. 5, letzter Satz BT-Drs. 20/1331, Vorabversion, Seite 24 Bt.DRs. 20(14)29(18), Stellungnahme verdi zum Gesetzentwurf Pflegebonusgesetz

49

2. Variante: Vergütung angelehnt an Tarifvertrag, Beispiel 1 Einrichtung Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € 43% 43% Gewichtete VZÄ Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung 19,54 € Regionales Entgeltniveau

13% plus 10%

Gesamt 67

21,50 €

Ermittlungsschritt eigenes Entgeltniveau: angelehnt an Einrichtung 1 Untergrenze

Werte für Zulassung stehen nicht fest, individuell aufgrund Einhaltung Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Angelehnt an 1. 23,45 € 17,24 € 16,85 € Gesamt 12 8 2 2 Gewichtete VZÄ 67% 17% 17%

Obergrenze

Eigenes Entgeltniveau

21,32 € Grenzwert eingehalten

Grafik 14

Dazu drei verschiedene Beispiele Beispiel 1 (siehe Grafik 14) Die Einrichtung wählt das Tarifwerk von Einrichtung 1 als Referenztarif. Mit der Einstufung der eigenen Arbeitnehmer:innen ergeben sich etwas andere Werte pro Berufsgruppe als bei der Referenzeinrichtung, was aber unwichtig ist (es gibt hier keine Untergrenze). Da das eigene Entgeltniveau bei 21,32 € liegt und damit unter der Grenze von 21,50 € (aus dem Beispiel), kann die Einrichtung das Tarifwerk wählen und in Vergütungsverhandlungen anführen. Beispiel 2 (siehe Grafik 15)

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Die Einrichtung wählt das Tarifwerk der Einrichtung 2 mit den höchsten Vergütungen für

50

alle Berufsgruppen. Aufgrund der eigenen Einstufungen sind die Vergütungen je nach Berufsgruppe niedriger als bei der Referenzeinrichtung. Die Einrichtung könnte diesen Tarif wählen, aber hat Schwierigkeiten mit der Refinanzierung, denn mit dem eigenen Entgeltniveau von 21,94 € (das auch vom Personalmix beeinflusst ist) liegt sie deutlich über dem regionalen Entgeltniveau von 21,50 €. Evtl. könnten Sonderfaktoren für die Überschreitung geltend gemacht werden (siehe Seite 61), ansonsten gibt es grundsätzliche Probleme bei der Vergütungsverhandlung. Grafik_15

Beispiel 3 (siehe Grafik 16) Diese Einrichtung wählt die niedrigsten Tarif aus, aufgrund der eigenen Einstufung werden die Durchschnittsvergütungen sogar noch unterschritten. Auch das Entgeltniveau liegt weit unter den Durchschnitten.

2. Variante: Vergütung angelehnt an Tarifvertrag, Beispiel 2 Einrichtung Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € Gewichtete VZÄ 43% 43% Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung Regionales Entgeltniveau 19,54 €

13% plus 10%

Gesamt 67

21,50 €

Ermittlungsschritt eigenes Entgeltniveau: angelehnt an Einrichtung 2 Untergrenze

Werte für Zulassung stehen nicht fest, individuell aufgrund Einhaltung Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Angelehnt an 2. 22,50 € 18,00 € 16,85 € Gesamt 14 2 0 16 Gewichtete VZÄ 88% 13% 0%

Obergrenze

nicht eingehalten!

21,94 € Grenzwert überschritten

Grafik 15

Weil der Referenztarif aber vereinbart und wählbar ist, kann die Einrichtung ihn wählen und ihre Arbeitnehmer:innen entsprechend niedrig vergüten. Sie hat auch keine Schwierigkeiten in Vergütungsverhandlungen, weil die Obergrenzen nicht erreicht werden.

2. Variante: Vergütung angelehnt an Tarifvertrag, Beispiel 3 Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € 43% 43% Gewichtete VZÄ Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung 19,54 € Regionales Entgeltniveau

13% plus 10%

Gesamt 67

Kapitel IV

Einrichtung

21,50 €

Ermittlungsschritt eigenes Entgeltniveau: angelehnt an Einrichtung 3 Untergrenze

Werte für Zulassung stehen nicht fest, individuell aufgrund Einhaltung Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Angelehnt an 3. 19,25 € 15,55 € 14,20 € Gesamt 12 8 2 2 Gewichtete VZÄ 67% 17% 17%

Obergrenze

Eigenes Entgeltniveau

17,79 € Grenzwert eingehalten

Grafik 16

51

Beispiel 3 zeigt aber deutlich, dass eine Bezahlung mit Tarif oder auch in Anlehnung an einen Tarif nicht unbedingt eine gute/hohe Bezahlung sein muss, um trotzdem alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Um selbst die Möglichkeit der Tarifanlehnung für die eigene Einrichtung zu beurteilen, müssten alle Arbeitnehmer:innen nach der ausgewählten Tariftabelle eingruppiert/eingestuft und entsprechend berechnet werden. Nur so erhält man die Vergleichswerte, die man zur Beurteilung des ausgesuchten Tarifwerkes benötigt! Was muss eingehalten werden? Verbindlich einzuhalten ist die vergleichbare Vergütung: Dazu gehört: – Eingruppierung jedes einzelnen Arbeitnehmers/jeder Arbeitnehmerin entsprechend der Qualifikationsdefinition des Tarifwerkes. – Anwendung der Steigerungsstufen, die im Regelfall nach Betriebszugehörigkeit anzuwenden sind. Dabei ist der Referenztarif so anzuwenden, als wenn dieser seit Bestand der Pflegeeinrichtung vorhanden gewesen wäre: So sind z. B. Arbeitnehmer:innen, die schon seit 5 Jahren im Betrieb arbeiten, entsprechend höher einzugruppieren. – Die definierten Zulagen sowie die Sonderzahlungen nach Referenztarif. – Die Entlohnung der Rufbereitschaft. – Die variablen Zuschläge zu bestimmten Arbeitszeiten, wie Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit. – Die Wochenarbeitszeit. Da nur die für die Vergütung relevanten Regelungen übernommen werden müssen, sind weitere Regelungen, wie z. B. Regelungen zum Urlaub, Sonderurlaub, Mitbestimmungsregelungen etc., nicht zu beachten, sondern hier gelten im Zweifelsfall die Untergrenzen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

aus der entsprechenden Pflege-Mindestlohnverordnung. Im Gesetz ist inzwischen klar gestellt, in welcher Zeitspanne die Einrichtungen Änderungen im Tarifwerk/kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen übernehmen müssen. Lt. § 72, 3b, Satz 6 sind alle Änderungen, sobald sie von den Landesverbänden der Pflegekasse nach § 82c, Abs. 5 veröffentlicht wurden, innerhalb von 2 Monaten umsetzen. Das heißt nicht, dass beispielsweise Tarifsteigerungen, die mit verdi zum 1.2. vereinbart wurden, auch zu diesem Zeitpunkt von den angelehnten Einrichtungen umgesetzt werden müssen. Diese haben ab dem Datum der Veröffentlichung zwei Monate Zeit zur Neuverhandlung der Vergütungen und zur Umsetzung. Ob eine Tarifanpassung immer einen Sonderkündigungsgrund nach § 85, Abs. 7 darstellt, wird sich in der Praxis noch erweisen müssen. In thematisch ähnlichen Fragestellungen hat der GKV-Spitzenverband bereits auf das Sonderkündigungsrecht hingewiesen58.

58 Siehe Antworten zu FAQ i.d.F.15.03.2022; Nr. 61

52

3. Variante: Vergütung über Durchschnittswert Einrichtung Einrichtung 1 Einrichtung 2 Einrichtung 3

Fachkräfte VZÄ Std.Satz 9 21,96 € 17 23,19 € 3 19,52 €

Pflegekräfte VZÄ Std.Satz 4 17,85 € 19 18,16 € 6 15,64 €

Hilfskräfte VZÄ Std.Satz 4 16,18 € 4 17,26 € 1 14,79 €

Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € 43% 43% Gewichtete VZÄ Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung 19,54 € Regionales Entgeltniveau

13% plus 10%

Gesamt 67

21,50 €

Ermittlungsschritt eigenes Entgeltniveau: an Durchschnitt Untergrenze

Feststehende Werte für Zulassung pro Berufsgruppe Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Durchschnitt 22,87 € 18,25 € 17,00 € Gesamt 22,43 € 17,60 € 16,51 € 12 8 2 2 Gewichtete VZÄ 67% 17% 17%

Obergrenze

Eigenes Entgeltniveau

21,12 € Grenzwert eingehalten

Grafik 17

Variante 3 Durchschnittswerte übertreffen Die Variante 3 (von den Pflegekassen bzw. im Anmeldesystem „Durchschnittsbetrachtung“ genannt) bietet scheinbar die meisten Freiheiten. Denn sie sieht keine definierten Lohntabellen oder Einstufungsregelungen vor. Die Einrichtung muss aber die Einhaltung der Untergrenzen pro Berufsgruppe im Bundesland garantieren (siehe Grafik 17). Da die Einrichtung im Beispiel jeweils ein höheres Entgeltniveau pro Berufsgruppe ausweisen kann, werden alle Grenzwerte der Untergrenze eingehalten, auch die Obergrenze wird mit 21,12 € nicht berührt. stufungen nutzen kann und nicht auf Dritte angewiesen ist. Aber das Problem ist die Einhaltung der Untergrenzen: da die Vergütungsregelungen jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei auch nachzuweisen sind 59, ist dies ein Management zwischen vier verschiedenen Grenzwerten. Nur vorübergehende Abweichungen sind

Kapitel IV

Der Vorteil der Durchschnittswerte wäre, dass man eigene Tariftabellen und Ein-

erlaubt, aber nicht dauerhafte: In den FAQs wird die Frage gestellt, was zu tun ist, wenn durch das Ausscheiden einer/eines langjährigen Arbeitnehmers:in und den Ersatz durch eine/en jüngere/n Arbeitnehmer:in der Grenzwert unterschritten wird? Wenn dies nicht nur vorübergehend ist60, muss der Pflegedienst Maßnahmen einleiten, um das auszugleichen: Man müsste also eine weitere Prämie etc. zahlen, damit das Entgeltniveau in dieser Berufsgruppe wieder überschritten wird. Daher ist die Variante 3 die schwierigste Möglichkeit. 59 § 84, Abs. 7 60 Lt. FAQ 40 mit Stand vom 15.03.2022 wird „vorübergehend“ vom GKV-Spitzenverband als Zeitraum bis drei Monate definiert.

53

Haustarife, die auf die landesweiten Grenzwerte abstellen, haben ein weiteres Problem zu berücksichtigen: Die Grenzwerte werden sich einmal im Jahr ändern: denn diese müssen ja jährlich zum 30.09. bzw. 31.08. (ab 2023) eines Jahres von den Tarifeinrichtungen neu gemeldet und neu veröffentlicht werden. Das heißt praktisch, dass mit jedem Grenzwertwechseln dann evtl. auch die Haustarife angepasst werden müssten. Dabei steht gar nicht fest, dass die Werte jedes Jahr angehoben werden. Denn es kann auch sein, dass aufgrund des demografischen Wandels viele langjährige (und damit in hohen Stufen eingruppierte) Arbeitnehmer:innen ausscheiden und durch junge Kräfte ersetzt werden, was dann sogar zu einem Absenken der Durchschnittswerte führen könnte. Und insbesondere mit der nächsten Erfassung/Meldung 2022 dürften auch viele eher fehlerhaften Werte aus der allerersten Erfassungsrunde (nach unten) korrigiert werden. Und die Tarifwerte des Haustarifes müssten so austariert sein innerhalb der Stufengruppen, dass sie zum passenden Durchschnittswert führen!? Auch die Idee, die Durchschnittswerte als Einheitsvergütung zu wählen, bringt gleich zwei Probleme mit sich: Alle Arbeitnehmer:innen würden dann je nach Berufsgruppe eine Einheitsvergütung (Stundensatz, der auch Zuschläge, Sonderzahlungen etc. umfasst) erhalten, eine Differenzierung nach Betriebszugehörigkeit wäre mathematisch kaum sinnvoll lösbar. Und auch bei der Einhaltung der Landeswerte pro Berufsgruppe kann trotzdem die Obergrenze überschritten werden, wenn der Personalmix anders ist als der (unbekannte) Mix auf Landesebene: Dazu zwei weitere Beispiele: In Beispiel 1 werden die Entgelte pro Berufsgruppe (Tabellenentgelt, VWL, Zulagen, Einmal- und Sonderzahlungen) nicht unterschritten, sondern liegen immer knapp oberhalb. Aber aufgrund des abweichenden Personalmixes überschreitet diese Einrichtung trotzdem das regionale Entgeltniveau um mehr als 10 %. Das Beispiel 2 mit gleich hohen Entgelten hat einen anderen Personalmix, so dass die

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Obergrenzen nicht überschritten werden. Da die tarifgebundenen Einrichtungen zum 30.09.2022, danach zum 31.08. jedes Jahres, die neuen Personalmeldungen abgeben und daraus dann die neuen Prüfwerte definiert und veröffentlicht werden, müssen diese Grenzwerte nach der Gesetzeskonkretisierung mit dem Pflegebonusgesetz zwei Monate nach Veröffentlichung der Werte umgesetzt werden. Das sind die neuen Werte, die spätestens bis 30. November 2022 veröffentlicht werden, dann ab Februar 2023, danach müssen die Pflegekassen die neuen Werte bereits zum 31. Oktober jeden Jahres veröffentlichen und die Pflegeeinrichtungen ab 01.01. des Folgejahres die Grenzwerte einhalten. Die Anpassung kann dann auch nach den FAQ evtl. über ein Sonderkündigungsrecht nach § 85 Abs. 7 erfolgen.61 Faktisch ist die Variante 3 diejenige, die ständig zwischen vier Grenzwerten jonglieren muss und daher dauerhaft nicht zu empfehlen (siehe Grafik 18)!

61 FAQ 61, Stand vom 15.03.2022

54

3. Variante: Vergütung über Durchschnittswert Untergrenze für Zulassung pro Berufsgruppe bei Variante 3 Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Gesamt 29 22,43 € 29 17,60 € 9 16,51 € 43% 43% Gewichtete VZÄ Obergrenze für Wirtschaftlichkeit der Vergütung 19,54 € Regionales Entgeltniveau

13% plus 10%

Gesamt 67

21,50 €

Beispiel 1: Wirkung Personalmix auf Entgeltniveau Untergrenze

Feststehende Werte für Zulassung pro Berufsgruppe Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Durchschnitt 22,50 € 17,70 € 16,60 € Gesamt 34 29 2 3 Gewichtete VZÄ 85% 6% 9%

Obergrenze

Eigenes Entgeltniveau

21,70 € Grenzwert überschritten

Beispiel 2: Wirkung Personalmix auf Entgeltniveau Untergrenze

Feststehende Werte für Zulassung pro Berufsgruppe Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Durchschnitt 22,50 € 17,70 € 16,60 € Gesamt 11 8 0 3 Gewichtete VZÄ 73% 0% 27%

Obergrenze

Eigenes Entgeltniveau

20,89 € Grenzwert eingehalten

Grafik 18

Variable Zuschläge einhalten Die variablen Zuschläge, die einzuhalten sind, sind nun gesetzlich eingeschränkt auf Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit (siehe auch Neudefinition Seite 31). Sie müssen bei angelehnten Einrichtungen (Variante 2) entsprechend dem Referenztarifvertrag vergütet werden. Daher gelten hier keine Durchschnittswerte. Für Pflegeeinrichtungen mit Variante 3, die die Durchschnittswertvariante gewählt haben, sind die Zuschläge mindestens in der Höhe der landesweit ermittelten DurchBei der Veröffentlichung dieser Werte in der ersten Fassung 2021 stellen sich viele Fragen: So gibt es bei der Arbeit an Feiertagen oftmals in Tarifverträgen auch die Regelung des Freizeitausgleichs zusätzlich zum normalen Lohn, was einem Zuschlag von 100 %

Kapitel IV

schnittswerte zu vergüten (siehe Grafik 19).

entsprechen würde. Ob solche Regelungen konkret richtig umgerechnet wurden, dürfte fraglich sein. Da die Erfassung der variablen Zuschläge in der Runde 2021 wohl nicht eindeutig definiert bzw. nicht eindeutig umgesetzt wurde, wird aktuell von einer Überprüfung abgesehen und auf die Gültigkeit der Werte ab der nächsten Erhebung abgestellt62. Dann werden die veränderten und reduzierten variablen Zuschläge nach der Neudefinition des Gesetzestextes vorliegen.

62 Zulassungsrichtlinie i.d.F. vom 21.3.22, § 5, Abs. 5

55

Regionale Durchschnittswerte der vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge auf den Stundenlohn in %

Nachtarbeit Baden-Württemberg 20% Bayern 22% Berlin 24% Brandenburg 24% Bremen 11% Hamburg 20% Hessen 14% Mecklenburg- Vorpommern 21% Niedersachsen 16% Nordrhein- Westfalen 19% Rheinland- Pfalz 18% Saarland 17% Sachsen 16% Sachsen-Anhalt 16% Schleswig- Holstein 20% Thüringen 16%

Sonntagsarbeit 26% 22% 31% 30% 26% 34% 25% 27% 26% 25% 25% 25% 28% 24% 30% 24%

Feiertagsarbeit 60% 48% 42% 42% 100% 71% 58% 37% 57% 63% 68% 89% 37% 38% 64% 40%

Schicht- und WechselFlexibilitätsschichtarbeit zuschlag 4% 4% 10% 6% 22% 27% 1% 6% 1% 3% 7% 11% 10% 2% 4% 6% 2% 2% 5% 2% 2% 2% 1% 68% 1% 18% 3% 9% 1% 7% 13% 12%

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft 18% 15% 19% 14% 3% 20% 12% 5% 12% 15% 12% 12% 21% 11% 16% 10%

Stand: 26.1.2022, Quelle: GKV-Spitzenverband; Aufbereitung: SysPra.de 2022; ohne Nachkommastellen wie AOK ab 3.3.22

Grafik 19

4.7 Hinweise zur Auswahl der Varianten Vorweg: momentan kann man diese Empfehlungen nur auf dem jeweiligen temporären Wissensstand formulieren! Falls sich nach Veröffentlichung Änderungen ergeben, müssen diese ebenfalls mit berücksichtigt werden. – Die vom Gesetzgeber gewollte Variante des Abschlusses eines echten Tarifvertrages lässt sich nicht einfach schnell realisieren, es sei denn man könnte einem Arbeitgeberverband beitreten oder ist schon Mitglied, der einen Tarifvertrag ausgehandelt hat. Ansonsten dürften erste Gespräche mit Gewerkschaften schon daran scheitern,

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

dass im Regelfall kaum oder gar kein Arbeitnehmer:in Gewerkschaftsmitglied ist

56

und deshalb keiner da ist, den die Gewerkschaft vertreten könnte. – Die Wahl eines Tarifvertrags oder die Anlehnung an eine Vergütungsregelung eines Tarifwerkes garantiert keineswegs eine hohe Bezahlung, wie man bei einigen Tarifverträgen sehen kann (siehe Beispiel Bremer Durchschnitt, Seite 41). Die Eckpunkte des Tarifvertrags für die Altenpflege vom Dezember 2021 sehen zum Beispiel Vergütungen vor, die ab 2022 teilweise unterhalb des zukünftigen Pflegemindestlohns liegen würden63. – Strategisch sollte man sich dauerhaft immer für eine angelehnte Variante entscheiden, sie ist wesentlich einfacher zu handhaben. Wer aber aktuell mit der ersten Meldung berechnet, dass er bereits über den Untergrenzen der Berufsgruppen seines

63 Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) haben den Tarifvertrag verhandelt, der dann auf Bundesebene an der Caritas gescheitert ist: die Tariftabelle aus Dezember: https://tarifvertrag-in-der-pflege.de/ wp-content/uploads/2021/12/BVAP-Eckpunkte-zum-Tarifvertrag-Stand-10.12.2021.pdf

Bundeslandes bezahlt, könnte im ersten Schritt über die Meldung der Variante 3 Zeit gewinnen, um später (in einem Jahr) auf eine andere Variante umzusteigen. Zweimal rechnen! Zur Prüfung müssen faktisch zweimal die Personalkosten nach dem Muster des regionalen Entgeltniveaus durchgerechnet werden; 1. Berechnung mit momentaner Bezahlung Diese Daten werden als Ausgangs- und Vergleichsbasis benötigt, um zum Beispiel die Differenz zu einem angelehnten Tarifvertrag auszurechnen. 2. Berechnung mit Tarifvertrag, der als Referenz dienen soll Nur mit der echten Berechnung pro Arbeitnehmer:in erhält man genaue Zahlen zum Entscheiden und zu evtl. späteren Vergütungsverhandlungen. Das nächste Beispiel zeigt eine solche Entscheidungsmatrix: Den aktuellen Werten (aus der bisherigen Vergütung) werden drei Tarifvarianten gegenübergestellt. Dabei sollten alle Varianten mit den differenzierten Personaldaten pro Mitarbeitenden ermittelt werden, weil pauschale Durchschnittswerte das Gesamtergebnis nicht richtig wiedergeben werden. Im Beispiel könnte die Einrichtung das Tarifwerk 1 und 3 wählen, Tarifwerk 2 würde wegen der Überschreitung der Obergrenze nicht passen. Die Prozentangaben verdeutlichen, wie hoch die Pflege-Personalkosten jeweils verhandelt werden müssten. So wäre das Tarifwerk 3 sogar ohne echte Anhebungen möglich, während die Steigerungen in den anderen beiden Tarifwerken sowie in der Durchschnittsvariante teilweise sehr deutlich sind (siehe Grafik 19a).

Prüfung Untergrenze Fachkräfte Pflegekräfte Hilfskräfte Prüfung Obergrenze

aktuell 20,45 € 16,80 € 14,12 €

Entgeltniveau Variante Tarif 1 Differenz Variante Tarif 2 Differenz Variante Tarif 3 Differenz Variante Durchschnitt 23,45 € 14,7% 22,50 € 10,0% 19,52 € 0,0% 22,43 € 9,7% 17,24 € 2,6% 18,00 € 7,1% 15,55 € 0,0% 17,60 € 4,8% 16,18 € 14,6% 16,85 € 19,3% 14,20 € 0,6% 16,51 € 16,9%

19,54 €

Gewichtetes Entgeltniveau auf Landesebene Eigenes Entgeltniveau

17,32 €

Variante Tarif 1 21,32 €

Variante Tarif 2 21,94 €

plus 10 % Variante Tarif 3 17,79 €

21,50 € Variante Durchschnitt 21,12 €

Kapitel IV

Daten zur Entscheidungsgrundlage und Auswirkungen auf Personalkosten

Grafik 19a

Die weitere Entwicklung Die Wirkung dieser Regelungen einschließlich der Verknüpfung mit § 82c sollen die zuständigen Ministerien BMG und BAS bis 31.12.2025 evaluieren. Das heißt wohl, dass der Gesetzgeber dieses Regelungsgebilde für drei Jahre erproben wird!

57

4.8 Prüfwert zur Wirtschaftlichkeit der Personalvergütung Um eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte auch gesetzlich zu forcieren, wurden in der Pflegeversicherung schon frühzeitig gesetzliche Regelungen implementiert: Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008 wurden Regelungen zu einer „ortsüblichen Vergütung“ schrittweise eingeführt und durch die weiteren Ergänzungen mit dem PSG II und III in den Vergütungsregelungen ergänzt. Damit folgte der Gesetzgeber der bisherigen Rechtsprechung des BSG ausgehend von den grundlegenden Urteilen aus dem Jahre 2009, indem alle Personalkosten unter einen besonderen Schutz gestellt und aus der reinen Marktpreisermittlung ausgeklammert wurden.64 Mit Stand PSG III lauteten die Formulierungen zur Wirtschaftlichkeit der Personalaufwendungen so, wie sie weiterhin im SGB V für Leistungen der Häuslichen Krankenpflege in § 132a gilt sowie mit dem GVWG neu eingeführt auch für Leistungen der Hauswirtschaftshilfe nach § 132 eingeführt wurde: „Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden“. Auch in § 89, Abs. 1 sowie für die stationäre Pflege in § 84 Abs. 2 SGB XI umfasste die bisherige Formulierung (die noch bis 30.08.2022 gilt) alle Berufsgruppen, die im Rahmen des Versorgungsauftrags zur Sicherstellung der Leistungen benötigt werden, also auch Arbeitgeber/innen im Bereich Hauswirtschaft, Verwaltung, Leitung etc. Es gab hier keine Differenzierung. Mit dem GVWG differenziert der Gesetzgeber nun auch bei den Vergütungsverhandlungen wie im Versorgungsvertrag zwei Gruppen: Bei ‚echten‘ Tarifanwendern (Gruppe 1) gilt weiterhin die (alte) weitreichende Rege-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

lung: Alle Vergütungsregelungen aus den Tarifverträgen bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen einschließlich Zuschlägen etc. für alle Berufsgruppen sind wirtschaftlich. Das heißt auch praktisch für Verhandlungen, dass die Position der gesamten Personalkosten (Pflege einschließlich Hauswirtschaft, Leitung, Verwaltung) durch die Tarifanwendung wirtschaftlich sind und refinanziert werden müssen. Eine Obergrenze gibt es nicht, das regionale Entgeltniveau hat hier keinerlei Bedeutung. Der Prüfwert regionales Entgeltniveau als Obergrenze Für die Einrichtungen der Gruppe 2, die entweder tarifangelehnt vergüten (Variante 2) oder die Mindestwerte pro Berufsgruppe einhalten (Variante 3) gibt es einen neuen Prüfwert, das sogenannte regionale Entgeltniveau (zur Ermittlung ausführlich Seite 33). Das regionale Entgeltniveau dient als Prüfwert nur für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der hier definierten Personalaufwendungen (also der Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und/oder Betreuung bei Pflegebedürftigen erbringen). 64 Ausführlich dazu: Heiber 2020, S. 132 ff

58

Dieser künstlich definierte Prüfwert ist aber weder ein echter Stundenlohn noch hilfreich für eine Kalkulation der Personalkosten dieser Gruppen, denn viele wesentlichen Kostenbestandteile sind hier nicht enthalten: Es fehlen nicht nur sämtliche Sozialabgaben, auch Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung, Sachleistungen, wie Nutzung von Dienstwagen oder Geräten, steuerfreie Zulagen etc., fehlen hier. Zwar bezieht sich die Definition der Entlohnung in der Zulassungs-Richtlinie auf § 2a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes: „Zur Entlohnung nach Absatz 1 zählen insbesondere die Grundvergütung, einschließlich Entgeltbestandteilen, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Region anknüpfen, sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätze (vgl. § 2a Arbeitnehmer-Entsendegesetz).“65 Dabei enthält der zitierte Paragraf einen weiteren Satz vorweg: „Entlohnung im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 1 sind alle Bestandteile der Vergütung, die der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber in Geld oder als Sachleistung für die geleistete Arbeit erhält.“66 Nur fehlt im definierten Prüfwert „Regionales Entgeltniveau“ zum Beispiel jegliche Gratifikationen in Form von steuerfreien Zulagen oder Sachbezügen. Inzwischen hat der Gesetzgeber im Gesetzestext die Definition konkretisiert (siehe Seite 30), aber auch ausdrücklich geklärt, dass hier nur in Geld bezahlte Vergütungsbestandteile enthalten sind, nicht jedoch steuerfreie Leistungen, wie Tankgutscheine oder Nutzung von Dienstfahrzeugen, mit entsprechenden Regelungen. Tatsächlich muss man im Rahmen der Vergütungsverhandlungen daher unterscheiden zwischen der formalen Prüfung der Einhaltung des regionalen Entgeltniveaus für bestimmte Berufsgruppen und der tatsächlichen Kalkulation der gesamten Personalkosten. Um zu verdeutlichen, dass das regionale Entgeltniveau keine Grundlage in Vergütungsverhandlungen sein kann, soll das folgende Beispiel dienen (siehe Grafik 20): Hier wird den-Württemberg, Bayern, Mitte, Nord und Nordrhein-Westfalen als Datenbasis genutzt67: Die Pflegefachkraft im fünften Berufsjahr erhält ein Tabellengehalt von 3.053,48  €, was einem Stundenlohn von 18,08 € entspricht. Dazu kommen weitere Zulagen, wie Pflegezulage etc., so dass ihr Monatsgehalt dann 3.234,50€ entspricht (hier wäre der erweiterte

Kapitel IV

der Stundenlohn einer Pflegefachkraft, vergütet nach der AVR Caritas für die Regionen Ba-

Stundenlohn dann schon bei 19,15 €). In der speziellen Definition des regionalen Entgeltniveaus käme ein Vergleichswert von 20,91€ heraus, weil hier weder variable Leistungsentgelte noch Kosten der zusätzlichen Altersversorgung berücksichtigt werden (Definition Seite 30). Berücksichtigt man diese Kosten, so ergibt sich rein rechnerisch ein Stundenlohn von 22,16 €. Und einschließlich aller Sozialabgaben ein kalkulatorischer Stundensatz von 25,51 €: nur dieser letzte Wert wäre im Rahmen von Vergütungsverhandlungen relevant. 65 Zulassungsrichtlinie § 3, Abs. 2 66 § 2a Gegenstand der Entlohnung: Arbeitnehmer-Entsendegesetz 67 https://caritas-dienstgeber.de/publikationen/faktenblaetter-neu/verguetung-regionen-west.html, Stand 18.03.22

59

Stundenlöhne und Regionales Entgeltniveau Pflegefachkraft im 5. Berufsjahr Personalkosten Tabellengehalt 3.053,48 € Pflegezulage 95,00 € Geriatriezulage 46,02 € Schichtzulage 40,00 € Monatsgehalt 3.234,50 € Jahresonderzahlung Leistungsentgelt (variabel) Altersversorgung KZVK Gesamtvergütung mit KVZK

2.781,67 776,28 2.537,42 44.909,37

€ € € €

Stundenlohn bei 39 Wochenstunden Stundenlohn lt. regionalem Entgeltniveau

18,08 € 20,91 €

Rechnerischer Stundenlohn gesamt

22,16 €

Rechnerischer Stundenlohn mit AG-Anteilen

25,51 €

Quelle: Caritas AVR für B-W, BY, Mitte, Nord und NRW, Infoblatt Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Cariatsverbandes e.V. mit Stand vom April 2021; Berechnung: SysPra.de 2022

Grafik 20

Der Prüfwert „eigenes Entgeltniveau“, der sich ja zudem auch noch aus dem eigenen Personalmix zusammensetzt, kann nur in seiner Funktion als Prüfwert eine Rolle bei Vergütungsverhandlungen spielen. Nur muss man diesen Wert gesondert berechnen, aus bekannten Kalkulations- oder Nachweissystemen der ambulanten, teilstationären oder stationären Pflege kann man diesen Prüfwert weder ablesen noch herausfiltern! Zukünftig müssten dann neben einer normalen Kalkulation noch eine separate Berechnung des eigenen regionalen Entgeltniveaus zu den vorzulegenden Unterlagen einer Verhandlung gehören.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Andere Personengruppen Die Frage, wie die Wirtschaftlichkeit der anderen Personalgruppen zu beurteilen ist, ist in § 82c explizit nur für die echten Tarifanwender definiert. Die Schutzwirkung bzw. Definition dieser Regelung umfasst nur die Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen, analog der Verpflichtung der tarifangelehnten Bezahlung aus dem Versorgungsvertrag nach § 72, Abs. 3b. Aber aufgrund der Klarstellungen in den FAQ werden nun auch die Personalaufwendungen für die anderen Personengruppen, soweit sie nach dem Tarifwerk oder der entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung vergütet werden,68 „in der Regel ebenfalls nicht als unwirtschaftlich abgelehnt“, siehe auch Ausführungen auf Seite (46). Das heißt, dass die grundsätzliche Höhe aller Personalkosten, die tarifangelehnt vergütet werden (Variante 2), ebenfalls als wirtschaftlich angesehen wird. Das gilt dann insbesondere auch für die Pflegedienstleitung, ihre Stellvertretung sowie Arbeitnehmer:in68 FAQ 47, Stand 15.03.2022

60

nen mit hauswirtschaftlichem Schwerpunkt, Verwaltungskräfte sowie die Geschäftsführung. Damit gibt es nur für die Einrichtungen, die mit Variante 3 die Durchschnittswerte als Maßstab genommen haben, keine Maßstäbe zur Wirtschaftlichkeit der anderen Personalkosten.

4.9 Sachliche Gründe für die Überschreitung des regionalen Entgeltniveaus Die Pflegevergütungs-Richtlinie benennt in § 6, Abs. 5 einige sachliche Gründe für das Überschreiten des regionalen Entgeltniveaus, dabei ist die Aufzählung nicht abschließend: Die bisher höhere Vergütung Da jede bisherige Vergütung auf einer von beiden Vertragsparteien unterschriebenen Vergütungsvereinbarung beruht, muss diese per Definition wirtschaftlich und leistungsgerecht sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung die Vergütungsvereinbarung selbst konkret ausgehandelt hat oder einer Empfehlung des eigenen Verbandes ‚beigetreten‘ ist: da nach § 85 Abs. 2 (der nach § 89 Abs. 3 für die ambulanten Dienste entsprechend gilt) Vertragsparteien der Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheimes (Dienstes) sowie die zuständigen Pflegekassen sind und jede Pflegesatzvereinbarung (Vergütungsvereinbarung) für jedes zugelassene Pflegeheim (Pflegedienst) gesondert abzuschließen ist69, kommt es weniger auf die Art der Aushandlung an, sondern nur auf die Unterschrift. Weil also jede Vergütungsvereinbarung wirtschaftlich im Sinne § 89 Abs. 1 senkt‘ werden mit Verweis auf den neuen Grenzwert regionales Entgeltniveau. Vor allem nicht, wenn es keine strukturellen Änderungen (andere Zusammensetzung der Arbeitnehmer:innen etc.) zur Vorperiode gegeben hat. Wenn also zum Zeitpunkt der neuen Vergütungsvereinbarung das regionale Entgelt-

Kapitel IV

ist, kann diese im Rahmen einer neuen Vergütungsverhandlung auch nicht einfach ‚abge-

niveau aufgrund der Vorvereinbarungen überschritten wird, kann dies nicht zu einer Absenkung führen. Aber andererseits eben auch zu keiner Steigerung. Auch wenn die Einrichtung steigende Personalkosten geltend macht, können wegen Überschreitung des Entgeltniveausgrenzwertes diese nicht zu höheren Preisen führen. Das kann dann der Fall sein, wenn man schon immer in Anlehnung an einen sehr hohen Tarifvertrag vergütet hat, der jetzt eigentlich nicht mehr wählbar ist – bzw. besser formuliert – nicht so refinanziert werden kann.

69 § 85, Abs. 2 Satz 1 und 2

61

Folgende weitere Gründe zur Überschreitung des regionalen Entgeltniveaus sind explizit benannt: A: Eine in den Erfahrungsstufen vom Durchschnitt abweichende Beschäftigtenstruktur Der Gedankengang ist nachvollziehbar: Da Arbeitnehmer:innen mit langjähriger Berufserfahrung in den allermeisten Tarifwerken höher vergütetet werden, kann es sein, dass bei einem besonders hohen Altersdurchschnitt auch die Vergütungen höher sind und damit das Entgeltniveau um mehr als 10 % überschritten wird. Die Frage ist allerdings, wie ist denn der Durchschnittswert der Einrichtungen, die den Referenzwert ermittelt haben? In der Erfassung sind die tarifgebundenen Einrichtungen nur aufgefordert, das durchschnittliche Tabellengehalt aller Arbeitnehmer:innen einer Berufsgruppe sowie die entsprechende Vollzeitäquivalente zu benennen. Angaben zu den Einstufungsstufen werden nicht erfasst. In der praktischen Umsetzung kann weder die Einrichtung eine Abweichung vom unbekannten Durchschnitt behaupten noch können dies die Landesverbände der Pflegekassen überprüfen. Daher ist diese Ausnahmeregelung für die Praxis nicht anwendbar. B: Fortführung einer quasi tariflichen Bezahlung Hat eine Einrichtung, obwohl sie dem Tarifvertrag oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung nicht formal als Vertragspartei beigetreten ist, trotzdem detailliert nach allen Regelungen dieses Tarifwerkes ihre Arbeitnehmer:innen bezahlt und wurde diese Vergütungshöhe in den bisherigen Vergütungsverhandlungen auch anerkannt, so darf diese Einrichtung diese Vergütung ungeachtet des Prüfwertes weiterführen einschließlich der sich aus dem Referenztarif ergebenden Steigerungen. Um ein konkretes Beispiels zu nennen: Eine Einrichtung hat arbeitsvertraglich die Vergütung ihrer Arbeitnehmer:innen an den TVöD, Fassung VKA-B gekoppelt und auch so umgesetzt. Die Einrichtung hat dabei

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

alle vergütungsrelevanten Regelungen berücksichtigt. Dann darf sie dies auch weiterhin so fortführen, als wäre sie eine echte Tarifanwenderin (der Variante 1). In der Praxis dürfte diese Variante die (absolute) Ausnahme darstellen: Viele Einrichtungen haben auch deshalb kein bestimmtes Tarifwerk abgeschlossen, weil sie zwar in Anlehnung an dessen Vergütungstabellen bezahlt haben, aber sich damit weitere Freiheiten und Abweichungen ermöglichten (z. B. bei Sonderzahlungen etc.). C: Übertarifliche Bezahlung wegen besonderer Ausbildung Als Beispiele werden in der Richtlinie Pflegefachkräfte mit Hochschulabschluss genannt, die auch aufgrund der Qualifikation spezifische Tätigkeiten übernehmen. Ambulant dürfte das meist nur auf die PDL oder Stellv. PDL zutreffen, die im Vergleichswert ausgespart sind. Nachvollziehbarer wären Beispiele aus der Häuslichen Intensivpflege: Da diese Dienste nur die Intensivversorgung mit besonders qualifizierten Pflegefachkräften durchführen dürfen, fehlt auch der ‚kalkulatorische‘ Ausgleich der anderen Berufsgruppen, so dass deren Entgeltniveau deutlich über dem Durchschnitt liegen müsste, aber auch dürfte. 62

D: „wettbewerbsfähige Löhne aufgrund einer besonders herausfordernden Fachkräftesituation in der Region“ Hier ist (nur zur Klarstellung) Region im Sinne von „Gebiet“ gemeint, wie FAQ 43 definiert70. Die bekannteste Regelung einer zusätzlichen Lohnzahlung ist vermutlich die „Münchenzulage“, auch in anderen ‚Gebieten‘ mit vielen anderen Wettbewerbern aus Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen müssen übertarifliche Löhne angeboten und gezahlt werden, ansonsten wählen die Interessenten andere Arbeitgeber. Die hier dargestellten Gründe sind nicht abschließend zu sehen, sondern es könnten auch andere Gründe für die Überschreitung des regionalen Entgeltniveaus um mehr als 10 % vorgetragen werden. In jedem Fall müsste die Einrichtung diese Gründe plausibel darlegen können. Gerade wegen des aus drei Berufsgruppen gemischten Prüfwertes sind natürlich auch die Personalstrukturen wesentlich, die in der ambulanten Pflege auch durch den Anteil der Behandlungspflege nach SGB V beeinflusst werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Berechnung des Entgeltniveaus aus der Menge aller Arbeitnehmer:innen, die Leistung der Pflege und Betreuung erbringen, entsteht: lt. Gesetzesbegründung sowie der Erläuterung in FAQ 42 kann dies ebenfalls einen sachlichen Grund zur Überschreitung der Prüfwerte darstellen.71 Das dürfte insbesondere für Dienste mit hohem Fachkraftanteil zutreffen, die oftmals im ländlichen Raum arbeiten oder in Bundesländern, in denen die Leistungen der Behandlungspflege nur oder fast nur durch Pflegefachkräfte durchgeführt werden dürfen.

4.10 § 84, Abs. 7: Richtlinie zur Überprüfung der Vergütungszahlung zum Nachweis der Bezahlung der vereinbarten Gehälter nach § 82c Abs. 1 (tariflich oder nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebundene Einrichtungen) oder die Entlohnung nach Absatz 2 (nicht gebundene Einrichtungen) festlegen. Diese Regelung ist

Kapitel IV

Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen muss in einer weiteren Richtlinie Kriterien

ebenso vom Gesundheitsausschuss ohne weitere Erläuterung eingefügt worden wie die Ergänzung in § 89 Abs. 3 (§ 89 siehe Kap. 7); bei der Darlegung der voraussichtlichen Personalkosten sollten ambulant die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a geregelten Verfahren berücksichtigt werden. Unter § 7 Absatz 8 ist in dieser Rahmenempfehlung nach § 132a konkret beschrieben worden, welche Unterlagen im Rahmen einer Einzelverhandlung für den Nachweis der prospektiven Personalkosten (maximal) vorzulegen wären. Während der Gesetzgeber für die ambulanten Verhandlungen auf diesen Absatz für die prospektiven Verhandlungen 70 FAQ Stand 15.03.2022 71 FAQ Stand 15.03.2022

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hinweist, wird die Festlegung der „Transparenzvorgaben zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte (§ 7, Absatz 10)72 bei den Anforderungen an die zu erstellende Richtlinie ignoriert. Es ist zu hoffen, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sich trotzdem an den immerhin auf Bundesebene geeinten Kriterien orientiert.73

4.11 Der Umsetzungszeitpunkt bleibt! Der Gesetzgeber hatte im Juni 2021 eine sehr sportliche Umsetzungszeitachse vorgesehen, als der das GVWG verabschiedet hat. Das Gesetz ist am 19.7.2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen war beauftragt, bis zum 30. September 2021 eine Richtlinie zur Umsetzung der Regelungen in Abs. 3 a und b einschließlich der Prüfung zur Einhaltung der Mindestvoraussetzungen des Versorgungsvertrags zu erstellen, die dann vom BMG im Einvernehmen mit dem BAS anschließend genehmigt werden muss (Abs. 3c). Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen musste außerdem zeitgleich (also bis zum 30.09.2021) eine weitere Richtlinie nach § 82c, Abs. 4 vorlegen, indem das Verfahren der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Vergütung nach Abs. 2 geregelt ist. Die Entwürfe hat GKV-Spitzenverband (der hier als Spitzenverband Bund der Pflegekassen handelt) nach eigener Darstellung am 27.09.2021 dem federführenden Bundesgesundheitsministerium zur Genehmigung vorgelegt. Erst drei Monate später, am 23.12.21 haben die Ministerien ihre Änderungsvorschläge an den GKV-Spitzenverband zurückgemeldet. Dieser hat die Änderungen eingebaut und am 24.1.22 erneut zur Genehmigung vorgelegt. Diese kam dann am 27.01.22 und die Richtlinien wurden beide am 28.1.22

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

veröffentlicht74. Mit der Darstellung der Historie als Einleitung der beiden Richtlinien war

64

es wohl dem GKV-Spitzenverband wichtig zu dokumentieren, wer wie schnell gearbeitet hat. Inzwischen sind auch die ersten FAQs zu 29 Fragen mit Stand vom 28.02.2022 am gleichen Ort veröffentlicht worden. Die nächste Version der FAQs wurde nun mit Stand vom 15.03.2022 veröffentlicht und enthält schon insgesamt 68 Fragen und Anworten! Mit dem Pflegebonusgesetz, das am 19.05.2022 im Bundestag verabschiedet worden ist, sind einige Punkte gesetzlich konkretisiert, die vorher gar nicht oder nur über die Richtlinien definiert worden waren. Auch sind die Zeiträume der Anpassung an veränderte Tarifverträge bzw. die Durchschnittswerte nun gesetzlich definiert (2 Monate nach Veröffentlichung). Aber der Umsetzungstermin zum ersten September 2022 ist trotz viel72 Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege vom 10.12.2013 i. d. F. vom 28.10.2021 73 Auch wenn die Einigung für die Rahmenempfehlung nach § 132a erst im Schiedsverfahren erreicht wurde. 74 GKV-Spitzenverband, https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/richtlinien_vereinbarungen_formulare/richtlinien_vereinbarungen_formulare.jsp; Stand 07.03.2022

fältiger Argumente für eine Verschiebung (die übrigens genauso von Kassenverbänden formuliert wurden) geblieben. Die Pflegedienste, die an Tarifwerke oder an kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien gebunden sind, müssen 2022 zum 30. September, danach dann zum 31. August, mitteilen, an welche Regelungen sie gebunden sind und wie diese Regelungen aussehen. Da diese Daten von den Pflegekassen auch zur Ermittlung des regionalen Entgeltniveaus nach § 82c genutzt werden, soll die Abfrage differenziert werden nach der Anzahl der Arbeitnehmer:innen (vermutlich in Bezug auf Vollzeitstellen) und nach drei Berufsgruppen (Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung, Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung sowie Fachkräfte mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung) sowie nach der Angabe der typischen Zulagen. Für die Definition des regionalen Entgeltniveaus sollen die Daten aus der Erhebung der Tarifeinrichtungen nach § 72, Abs. 4 dienen. Aus diesen Daten sollen dann die Landesverbände der Pflegekassen spätestens vier Wochen nach Genehmigung der Richtlinie nach § 82c Abs. 4 durch das BMG Übersichten über die regionalen Tarife sowie das regionale Mindestniveau veröffentlichen. Tatsächlich dauerte die erste Datenerhebung 2021 bis Mitte November 2021. Da die Festlegungen in der entsprechenden Richtlinie zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden waren, muss wohl der GKV-Spitzenverband eigenständig viele Konkretisierungen vorgenommen haben. So zum Beispiel auch die Festlegung, dass zur Erfassung nur diejenigen Arbeitnehmer:innen herangezogen werden, die mehr als 50 % Pflege und Betreuungsleistungen erbringen (siehe auch Seite 35)75. Für die Datenerfassung wurde die DatenClaringStelle genutzt, über die auch die Veröffentlichungen der Qualitätsberichte der Pflegeeinrichtungen erfolgt, und schon aus diesem Grunde die meisten Pflegeeinrichtungen dort registriert sind76. Für eine bessere Umsetzung hat der Gesetzgeber nun die Möglichkeit Pflegekassen die Datensammlung und Veröffentlichung übernimmt (§ 82c, Abs. 6). Daher könnte es hier zukünftig noch Änderungen der Meldeadresse geben. Die Übersicht über die regionalen Entgelte sowie die möglichen Tarifverträge bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen einschließlich der Übersicht der variablen Zuschläge

Kapitel IV

einer gemeinsamen Geschäftsstelle geschaffen, die im Auftrag der Landesverbände der

wurde mit Stand von 07.02.2022 veröffentlicht77. Auch aufgrund dieser Erfahrungen hat der Gesetzgeber nun gesetzlich die Fristen zur Veröffentlichung definiert: Die Landesverbände der Pflegekassen müssen nun die Werte pro Berufsgruppe sowie die regionalen Entgeltniveaus 2022 zum 30. November, danach jeweils zum 31. Oktober, veröffentlichen78. 75 Datetensatzbeschreibung der Erfassung vom Oktober 2021 https://www.aok.de/gp/fileadmin/user_upload/Pflege/ Gesetze/bmg_umsetzung_regelungen_tarifliche_entlohnung_pflege.pdf 76 https://www.transparenzberichte-pflege.de/(S(gmnpofvjboa2vkhk3enufjyr))/default.aspx, Stand 19.03.2022 77 Seite der DatenClearingsStelle: https://www.transparenzberichte-pflege.de/(S(2xkmmwqknkcunk3e0txfka5o))/TarifVeroeffentlichung-Par-82c-Abs-5-SGB-XI.aspx, Stand 19.03.2022 78 Neu geregelt in § 82c, Abs. 5

65

Vermutlich auch aufgrund der deutlichen Verzögerung wurde zwar formal der Meldetermin für alle nicht tarifgebundenen Einrichtungen vom 28. Februar 2022 aufrechterhalten, aber Nachmeldungen sind nach letztem Stand bis Ende März, aktuell nochmals verlängert bis Ende April 2022 möglich. Die Meldung erfolgt über die DatenClearingStelle: www.transparenzberichte-pflege.de. Allerdings ist schon im Gesetz, § 72 3d geregelt, dass „Änderungen der Angaben gemäß Satz 1 nach Abschluss des Versorgungsvertrages sind unverzüglich mitzuteilen“: Faktisch kann man jederzeit (wieder) die Vergütungsvariante ändern, sofern man dies den Landesverbänden der Pflegekassen verbindlich mitteilt. Nur dürfte eine selbst bestimmte Änderung der Vergütungsvariante kein Sonderkündigungsrecht der Vergütungsvereinbarung nach § 85 Abs. 7 auslösen, so dass eine Änderung nur nach Ablauf der Laufzeit der Vergütungsvereinbarung sinnvoll erscheint. Schwieriger Umgang mit Widerrufsregelung In § 72, 3d ist außerdem geregelt, dass die Meldung der entsprechenden Variante als Änderung zum Versorgungsvertrag gilt, wenn dieser Änderung nicht widersprochen wird. Einige Verbände raten ihren Einrichtungen, die Tarifmeldung mit dem entsprechenden Widerspruch zu versehen. Allerdings muss dann die Einrichtung selbst daran denken, spätestens zum 01.09.2022 die ‚richtige‘ = endgültige Meldung für den Versorgungsvertrag nachzuholen. Denn wer am 01.09.2022 keine verbindliche Tarifvariante gemeldet hat, gefährdet seinen Versorgungsvertrag, der dann im Prinzip nicht mehr bestehen kann!79 Feststehende Umsetzung Der Termin, zu dem alle Einrichtung mindestens tarifähnlich oder in Höhe der Durchschnittswerte der landesweiten Entgeltniveaus vergüten müssen, bliebt mit dem 01. September 2022 jedoch gleich und wurde auch nicht mehr durch das Pflegebonusgesetz

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

verändert!

66

4.12 Auswirkungen der ‚Tariftransparenz‘ Regionales Entgeltniveau kann nicht für Verhandlungen genutzt werden! Was die Nutzung dieser Prüfdaten auf der Basis des regionalen Entgeltniveaus für ambulante Vergütungsverhandlungen ungeeignet macht, ist die Tatsache, dass in der Kostenstelle Pflegeversicherung ein anderer Personalmix arbeitet und daher zu kalkulieren ist als in der Kostenstelle Krankenversicherung oder im Gesamtpflegedienst. Die Prüfdaten für das regionale Entgeltniveau werden aber unabhängig von den verschiedenen Kostenstellen und gesetzlich vorgeschriebenen Betriebstrennungen erhoben80. Nicht einmal als 79 Siehe auch FAQ 14 und 39, Stand 15.03.2022 80 Im Versorgungsvertrag ist die finanztechnische Trennung einer gemischten Einrichtung vorgeschrieben, über die PBV sind die Details zur Abgrenzung geregelt; Ausführlich: Heiber 2020

Clusterwerte zum Gruppieren von Preisgruppen sind die Werte wegen der Ermittlung für den Gesamtpflegedienst geeignet. Tariftransparenz erzwingt neue Verhandlungsgruppen Mit der Regelung zur aktuellen Meldung der anzuwendenden Tarifwerke bzw. der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen (Gruppe 1) für den Versorgungsvertrag und für die aktuellen Tarifhöhen sowie die verpflichtende Benennung des ‚Referenztarifes‘ (Gruppe 2) erhalten die Pflege- und damit auch die Krankenkassen eine differenzierte Übersicht über alle Pflegedienste und ihre tatsächliche Personalvergütung im Bereich Pflege (einschließlich Fachpflege) und Betreuung. Bisher wurden Preise im Bereich SGB XI und SGB V oft auf Landesebene mit den Spitzenverbänden der Leistungserbringer ausgehandelt und im Rahmen eines Unterschriftsverfahrens abgeschlossen. Die Verhandlungsgruppen können in Bezug auf die Höhe ihrer Personalkosten durchaus sehr heterogen sein: Oftmals verhandelt die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (Diakone, Caritas, AWO, DRK, Paritätischer, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) gemeinsam und einheitlich, obwohl die Gehaltsregelungen in der Wohlfahrt unterschiedlich und Teile an gar keinen Tarifvertrag gebunden sind, z. B. viele Einrichtungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Auch im Bereich der Privaten Verbände, wie bpa, bad oder andere, gibt es eine sehr große Bandbreite in der Bezahlung der Arbeitnehmer:innen, die deren Mitgliedseinrichtungen bezahlen: ein Teil folgt den jeweiligen AVR, z. B. der bpa-Landesverbände, andere Mitglieder weichen davon ab oder orientieren sich an Tarifwerken der Wohlfahrtspflege. Im Bereich der Pflegeversicherung hat das in einigen Bundesländern schon zu differenzierten Verhandlungsgruppen und entsprechenden Abschlüssen pro Gruppe geführt (z. B. Rheinland-Pfalz). In nur wenigen Bundesländern wie NRW gibt es im SGB XI schon kosten der Maßstab für die Vergütung sind. Inzwischen wurde in Niedersachsen auch ein Verhandlungsverfahren etabliert, das als „personalkostenzentriertes Modell“ auf der Basis der Gesamtpersonalkosten nach SGB XI unter Nutzung einer Referenztabelle die

Kapitel IV

lange differenziertere Verhandlungen, bei denen die Personal- und damit auch die Tarif-

Punktwerte ermittelt. Die mit der Neuregelung verbundene Transparenz der tatsächlichen oder zugesagten Vergütung der allermeisten Arbeitnehmer:innen (Pflege und Betreuung) könnte auch dazu führen, dass die Pflegekassen neue Verhandlungsgruppen bilden und die Vergütung neu auf der Basis der festgelegten (Referenz-)Tarife differenzieren. Die Frage ist sogar, ob sie nicht dazu verpflichtet sind, von Einheitspreisen dann abzuweichen, wenn die tatsächlichen Personalkostenstrukturen gemeldet sind. Das könnte dauerhaft zu völlig neuen Verhandlungsgruppen und damit so etwas wie ‚Gruppenpreisen‘ führen: Eine Gruppe besteht dann nicht nur aus den gebundenen Tarifmitgliedern, sondern auch aus all den Einrichtungen, die diesen Tarif als Maßstab der 67

Entgelthöhe (Referenztarif) im Versorgungsvertrag benannt haben! Und zwar unabhängig von einer möglichen Verbandszugehörigkeit. Aus der identischen Logik stellt sich auch die Frage, ob die in den meisten Bundesländern bisher noch einheitlich hohe Vergütung im Bereich der Häuslichen Krankenpflege nach SGB V dauerhaft Bestand haben kann. Insbesondere da nun die unterschiedlich hohen Personalvergütungen transparent sein werden. Wenn man die falschen Preise im SGB XI hatte!?! Wer sich mit den Vergütungen im SGB XI beschäftigt, wundert sich immer wieder über die hohen Preisunterschiede, die die verschiedenen Pflegedienste vereinbart haben. Ein paar zufällige Beispiele für drei Städte: Bielefeld: Preise für LK 1 (NRW) zwischen 19,94 € und 27,17 € = 36 % Differenz Hannover: Preise für LK 3 (Niedersachsen) zwischen 8,69 € und 13,01 € = 49 % Differenz Leipzig: Preise für LK 1 (Sachsen) zwischen 16,75 € und 20,30 € = 21 % Differenz81 Die Preisdifferenzen sind vor allem in der Höhe nicht nachvollziehbar, zeigen aber vermutlich auch ein weiteres Problem im Verbundsystem der ambulanten Pflege auf: Pflegedienste sind formal gemischte Einrichtungen mit den Betriebsbereichen Pflegeversicherung (Sachleistungen), Krankenversicherung (Häusliche Krankenpflege) sowie andere Leistungen (Kostenerstattungsleistungen §§ 39/45b, Privatleistungen). Dabei erbringen Pflegedienste in den beiden Bereichen SGB XI und V im Regelfall um die 90 % des Umsatzes. Während die Preise im Bereich der Pflegeversicherung oftmals in kleineren Gruppen (verbandsweit) oder in Einzelverhandlungen vereinbart werden, werden die Preise für Leistungen der Häuslichen Krankenpflege im Regelfall landesweit ohne Unterschiede

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

vereinbart82. Das heißt, auch ein Pflegedienst, der beispielsweise in Hannover im Herbst 2021 für seine Leistung SGB XI (LK 3) nur 8,69 € vereinbart hat, bekommt für die Behandlungspflegeleistungen die gleich hohe Vergütung wie der andere gemeinnützige Pflegedienst, der in der Pflegeversicherung für die Leistung LK 3 13,01 € vereinbart hat. Dann kann der erste Pflegedienst im Rahmen einer Mischfinanzierung die niedrige SGB XI-Vergütung ausgleichen, zumal er auch niedrigere Personalkosten als die kirchliche Einrichtung hat. Dazu ein Beispiel in Zahlen (beschränkt nur auf SGB V und XI) (siehe Grafik 21). Im aktuellen Jahr erhält der Pflegedienst zwar 20 % weniger im Bereich SGB XI an Vergütung, aber im Bereich Krankenversicherung genau so viel wie die Tarifeinrichtung. Weil der Pflegedienst jedoch 10 % geringere Personalkosten für alle Arbeitnehmer:innen hat, kann er sogar ein kleines Plus von 10.000 € erwirtschaften. 81 Daten ermittelt im Mai 2021, Datenbank: Pflegelotse VDEK; aus: Heiber 2021 82 Zum ambulanten Vergütungssystem SGB XI und SGB V ausführlich: Heiber 2019

68

Aktuelles Jahr Beispiel: Auswirkungen von Vergleich zu Tarifeinführung Umsatz Aktuell Referenztarif

Aufwendungen

Komplette Personalkosten Sachkosten Wagnis/Gewinn Aufwendungen Gesamt

Erträge

Preise SGB XI Sachleistung Preise Behandlungspflege

Kosten Referenztarif

Nächstes Jahr Veränderung in %

Vergleich zu Referenztarif

neue Kosten zu Tarifeinrichtung

Kosten aktuell

-10% identisch identisch

-20% identisch

Erträge Gesamt Ergebnis

€ € € €

10%

450.000 € 410.000 €

10% 0%

700.000 100.000 50.000 850.000

Umsatz neu

770.000 100.000 50.000 920.000

identisch identisch identisch

-10%

495.000 € 410.000 €

identisch

860.000 € 10.000 €

€ € € €

905.000 € -

15.000 €

Grafik 21

Mit der Neuregelung im Versorgungsvertrag benennt der Pflegedienst nun die Tarifeinrichtung als Referenz mit der Folge, dass er seine Personalkosten um 10 % erhöhen muss. Dies kann er auch in Vergütungsverhandlungen SGB XI entsprechend verhandeln, daher steigt auch der Umsatz SGB XI um 10 %, aber nicht höher! Da die Einrichtung schon die identische Vergütung für die Behandlungspflege erhält wie die Referenzeinrichtung, gibt es kein Argument, gegenüber der Krankenversicherung auch die Preise um 10 % zu erhöhen, es verbleibt ein Defizit von -15.000 €. Ob sich über eine Kostengrundkalkulation (alle Daten auf der Basis der Kostenstelle SGB XI) hier höhere Steigerungen herausholen lassen, muss probiert werden, aber dies dürfte eine schwierige Verhandlung werden! Die akzeptierten schlechten Preise im SGB XI aus der Vergangenheit werden den Einrichtungen daher vermutlich noch länger den Weg zu besseren Vergütungen zumindest schwermachen!

Nicht wenige Pflegedienste werden nun die Personalvergütung anheben müssen. Ob und in welchem Maße dürfte individuell und je nach Wettbewerbssituation sich sehr unterschiedlich darstellen. Es wird auch viele bisher nicht tarifgebundene Einrichtungen

Kapitel IV

Löhne erhöhen ohne ‚echten‘ Ausgleich!

geben, die beim Abgleich der Zahlung nach einem Referenztarif mit ihren bisherigen Lohnkosten feststellen, dass die Differenz nur gering ausfällt. Bei anderen Diensten wird dies anders sein und damit die Frage auftauchen, wie man hier Vergütungsverhandlungen führen kann. In den wenigen Ländern, die ambulant etablierte Verhandlungssysteme vereinbart haben (NRW, Niedersachsen, teilweise Sachsen-Anhalt), kann über die Verhandlungsunterlagen ermittelt werden, ob eine Preiserhöhung möglich wäre. Wenn man anhand der Kalkulationsunterlagen allerdings feststellt, dass man schon jetzt kostendeckend (in Bezug auf die aktuell vereinbarten Preise) arbeiten kann, fehlt die Argumentation für Verhandlungen.

69

Das gilt insbesondere dort, wo bisher gemeinschaftlich verhandelt wurde und z. B. in Verhandlungsgruppen der Wohlfahrt immer die hohen kirchlichen Vergütungen den Maßstab gebildet haben. Wenn man durch die tarifähnliche Bezahlung nun die Personalkosten um 10 % erhöhen muss, wird man trotzdem diese Steigerung nicht verhandeln können, wenn andere Einrichtungen, die den gleichen Tarif nutzen, bisher schon mit der Vergütung wirtschaftlich arbeiten konnten. Dazu das nächste Beispiel: Die Einrichtung hat im aktuellen Jahr noch Personalkosten gehabt, die 10 % unter denen der Referenzeinrichtung lagen, aber identische Vergütungen für die Leistungen erhalten. Das Betriebsergebnis war positiv. Ab nächsten Jahr müssen die Personalkosten um 10 % erhöht werden, aber Argumente für eine höhere Vergütung fehlen. Folglich ist ein Defizit zu erwarten, wenn die Einrichtungen nicht auf anderem Wege die Wirtschaftlichkeit sicherstellt (siehe Grafik 22). Kritisch muss man hier anmerken, dass solche bisher ‚komfortablen‘ Situationen dazu geführt haben, dass beispielsweise nicht alle Leistungen genau abgerechnet wurden (z. B. Teilwäsche statt großer Pflege oder Medikamentenmanagement ohne Weiterberechnung durchgeführt) oder die Arbeitnehmer:innen ‚mehr‘ Zeit hatten bei der Versorgung, als vielleicht leistungsbedingt nötig war. Hier gibt es tatsächlich auch immer wieder Wirtschaftlichkeitsreserven, die zu nutzen sind. Falsche Benchmarks? Andererseits gibt es oftmals das Problem, dass zwar andere Einrichtungen mit höheren Personalkosten die identische Vergütung hatten, aber unklar ist, ob diese damit tatsächlich ausgekommen sind oder auf anderen Wegen (z. B. Zuschüsse, Querfinanzierung etc.) mögliche Defizite ausgeglichen haben. Es stellt sich daher immer die Frage, ob jemals

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

zum Beispiel anhand einer konkreten Kalkulation überprüft wurde, ob die vereinbarten Preise tatsächlich die echten Kosten decken. Andererseits werden die Kostenträger nicht ganz zu Unrecht an der Feststellung festhalten, die jede Einrichtung mit Abschluss der Vergütungsvereinbarung faktisch mit unterschrieben hat: dass die Vergütung leistungsgerecht ist und dem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglicht, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung seines Unternehmerrisikos83. Gerade in Ländern mit bisher traditionellen Gruppenverhandlungen wird es für die einzelne Einrichtung auch in Einzelverhandlungen schwierig sein, höhere Vergütungen als die vergleichbaren Einrichtungen zu erreichen. Erst wenn diese Referenzeinrichtungen selbst höhere Preise vereinbaren, ergeben sich neue Möglichkeiten. Denn selbst im Konfliktfall angerufene Schiedsstellen werden vermutlich oftmals feststellen, dass scheinbar eine

83 § 89 Abs. 1, Satz 2 und 3!

70

Aktuelles Jahr Beispiel: Auswirkungen von Vergleich zu Tarifeinführung Umsatz Aktuell Referenztarif

Aufwendungen

Komplette Personalkosten Sachkosten Wagnis/Gewinn Aufwendungen Gesamt

Erträge

Preise SGB XI Sachleistung Preise Behandlungspflege

Kosten Referenztarif

-10% identisch identisch

identisch identisch

Erträge Gesamt Ergebnis

Nächstes Jahr Veränderung in %

Vergleich zu Referenztarif

neue Kosten zu Tarifeinrichtung

Kosten aktuell

€ € € €

10%

500.000 € 350.000 €

0% 0%

700.000 80.000 10.000 790.000

Umsatz neu

770.000 80.000 10.000 860.000

identisch identisch identisch

0% 0%

500.000 € 350.000 €

850.000 € 60.000 €

€ € € €

850.000 € -

10.000 €

Grafik 22

wirtschaftliche Betriebsführung auch mit den bisherigen Preisen möglich ist, eben weil das Gegenteil nicht bewiesen wurde.

4.13 Weitere Regelungen § 72 Einrichtungen sind über den Versorgungsvertrag verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Durchführung von Qualitätsprüfungen (dazu gehören bekanntermaßen auch die Abrechnungsprüfungen) zu sorgen. Sollte deren Durchführung nicht möglich sein, kann dies nun auch zum Verlust der Zulassung führen. In der Gesetzesbegründung des IPReG84, in dessen Rahmen die Änderung verabschiedet wurde, wird ausdrücklich auf die Erfahrungen der Prüfer hingewiesen, ohne diese näher zu benennen. Hier geht es sicherlich nicht bittet, weil die PDL im Urlaub und die stellv. PDL in der Pflege eingebunden ist. Hier dürften eher die Fälle gemeint sein, in denen Pflegedienste sich schon in den Pflegeverträgen von den Kunden pauschal unterschreiben lassen, dass diese bei zukünftigen Qualitätsprüfungen nicht mitwirken wollen, oder wenn notwendige Prüfunterlagen nicht

Kapitel IV

darum, wenn ein Pflegedienst um Verschiebung des Prüftermins (einer Regelprüfung)

vorgelegt werden. Die mit dem GVWG vom Gesundheitsausschuss eingeführte Formulierung, dass in den Versorgungsverträgen nur der Einzugsbereich festzulegen ist, in dem die Leistungen „ressourcenschonend und effizient“ erbracht werden können, ist nicht weiter begründet. Im Kern kann es hier nur um die Idee gehen, die Wegezeiten auch dadurch zu reduzieren, dass das (Kern-)Versorgungsgebiet, dem auch die Wegekosten refinanziert werden, konkreter und kleinteiliger definiert wird als bisher. Aktuell wurden und werden oftmals Städte oder sogar Landkreise als Versorgungsgebiete definiert. Je kleinteiliger die Gebiete 84 BT-Drs. 19/19368; S. 42

71

benannt würden, desto einfacher könnten zwar die Pflegekassen in den Verhandlungen die refinanzierbaren Wegekosten begrenzen, aber haben gleichzeitig das Problem der Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags nach § 69: „Die Pflegekassen haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (Sicherstellungsauftrag). Sie schließen hierzu Versorgungsverträge sowie Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern von Pflegeeinrichtungen (§ 71) und sonstigen Leistungserbringern“. Je kleiner das Einzugsgebiet definiert wird, umso eher entstehen zumindest auf dem Papier Versorgungslücken. Daher wird man beobachten müssen, ob diese Einfügung mehr ist als nur der Appell an einen ressourcenschonenden Einsatz. Und wie schon immer können Pflegedienste auch außerhalb des definierten Einzugsgebietes Leistungen erbringen und abrechnen, sogar dann erhöhte Wegepauschalen abrechnen, wenn die Kunden darüber aufgeklärt wurden und dies privat bezahlen (so z. B. im Rahmenvertrag § 75 NRW, § 7: „Der Pflegebedürftige ist in der Wahl des Pflegedienstes frei. Wählt er einen Pflegedienst außerhalb des örtlichen Einzugsgebietes seines Wohn- bzw. Aufenthaltsortes, können die hierdurch evtl. entstehenden Mehrkosten nicht gegenüber der Pflegekasse abgerechnet werden“.85 Ob trotz dieser Punkte die Pflegekassen die Formulierung zur Neudefinition von Versorgungsgebieten nutzen werden, bleibt abzuwarten.

4.14 Gesetzestexte

§

 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag: (1) Die Pflegekassen dürfen am-

bulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Ver-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

sorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind

72

Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs. 4) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag). (2) Der Versorgungsvertrag wird zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung oder einer vertretungsberechtigten Vereinigung gleicher Träger und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land abgeschlossen, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger für die Pflegeeinrichtung zuständig ist; für mehrere oder alle selbständig wirtschaftenden Einrichtungen (§ 71 Abs. 1 und 2) einschließlich für einzelne, eingestreute Pflegeplätze eines Pflegeeinrichtungsträgers, die vor Ort organisatorisch miteinander verbunden sind, kann, insbesondere zur Sicherstellung einer quartiersnahen 85 Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land NRW mit Stand vom 01.07.1995 oder vergleichbar formuliert in § 6 im Rahmenvertrag § 75 ambulant Niedersachsen mit Stand vom 01.09.2015

Unterstützung zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen, ein einheitlicher Versorgungsvertrag (Gesamtversorgungsvertrag) geschlossen werden. Er ist für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich. Bei Betreuungsdiensten nach § 71 Absatz 1a sind bereits vorliegende Vereinbarungen aus der Durchführung des Modellvorhabens zur Erprobung von Leistungen der häuslichen Betreuung durch Betreuungsdienste zu beachten. (3) Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die 1. den Anforderungen des § 71 genügen, 2. die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und die Vorgaben des Absatzes 3a oder Absatzes 3b erfüllen, 3. sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln, 4. sich verpflichten, alle Expertenstandards nach § 113a anzuwenden, 5. sich verpflichten, die ordnungsgemäße Durchführung von Qualitätsprüfungen zu ermöglichen; ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Pflegeeinrichtungen sollen die Versorgungsverträge vorrangig mit freigemeinnützigen und privaten Trägern abgeschlossen werden. Bei ambulanten Pflegediensten ist in den Versorgungsverträgen der Einzugsbereich festzulegen, in dem die Leistungen ressourcenschonend und effizient zu erbringen sind. (3a) Ab dem 1. September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, Gehälter zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart sind, an die die jeweiligen

(3b) Mit Pflegeeinrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge ab

Kapitel IV

Pflegeeinrichtungen gebunden sind.

dem 1. September 2022 nur abgeschlossen werden, wenn diese Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, eine Entlohnung zahlen, die 1. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist, 2. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist, 73

3. die Höhe der Entlohnung von Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht unterschreitet oder 4. hinsichtlich der Entlohnungsbestandteile nach Satz 2 Nummer 1 bis 5, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der in § 82c Absatz 2 Satz 4 genannten Qualifikationsgruppen jeweils im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der jeweiligen regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und hinsichtlich der pflegetypischen Zuschläge nach Satz 2 Nummer 6, die den in Satz 1 genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, jeweils in der nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten Höhe, nicht unterschreitet. Zur Entlohnung im Sinne dieses Gesetzes zählen 1. der Grundlohn, 2. regelmäßige Jahressonderzahlungen, 3. vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, 4. pflegetypische Zulagen, 5. der Lohn für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sowie 6. pflegetypische Zuschläge. Pflegetypische Zuschläge im Sinne von Satz 2 Nummer 6 sind Nachtzuschläge, Sonntagszuschläge und Feiertagszuschläge. Diese sind von den Pflegeeinrichtungen im Fall von Satz 1 Nummer 4 unter den folgenden Voraussetzungen zu zahlen: 1. Nachtzuschläge für eine Tätigkeit in der Nacht, mindestens im Zeitraum zwischen 23 und 6 Uhr,

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

2. Sonntagszuschläge für eine Tätigkeit an Sonntagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr, 3. Feiertagszuschläge für eine Tätigkeit an gesetzlichen Feiertagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr. Die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen haben die Entlohnung im Sinne von Satz 1, soweit mit ihr die Voraussetzungen nach dieser Vorschrift erfüllt werden, in Geld zu zahlen. Tritt im Fall von Satz 1 Nummer 1 bis 3 eine Änderung im Hinblick auf die in dem jeweiligen Tarifvertrag oder in den jeweiligen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte Entlohnung ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen die erforderlichen Anpassungen der von ihnen gezahlten Entlohnung spätestens innerhalb von zwei Monaten vorzunehmen, nachdem die jeweilige Änderung nach § 82c Absatz 5 veröffentlicht wurde. Erhöhen sich im Fall von Satz 1 Nummer 4 die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 oder die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, haben die Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und 74

Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, die höhere Entlohnung im Zeitraum ab dem 1. Dezember 2022 spätestens ab 1. Februar 2023, nach dem 1. Februar 2023 jeweils spätestens ab dem 1. Januar des Jahres, das auf die Veröffentlichung der Werte nach § 82c Absatz 5 folgt, zu zahlen. Zur Erfüllung der Vorgaben von Satz 1 Nummer 4 sind im Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Januar 2023 die aufgrund der Mitteilung nach Absatz 3e in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung und auf der Grundlage von § 82c Absatz 5 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung veröffentlichten regional üblichen Entgeltniveaus in drei Qualifikationsgruppen und pflegetypischen Zuschläge nach den Sätzen 3 und Satz 4 maßgebend. (3c) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt in Richtlinien, erstmals bis zum Ablauf des 30. September 2021, das Nähere insbesondere zu den Verfahrens- und Prüfgrundsätzen für die Einhaltung der Vorgaben der Absätze 3a und 3b sowie zu den nach Absatz 3e Satz 1 Nummer 2 erforderlichen Angaben fest. In den Richtlinien ist auch festzulegen, welche Folgen eintreten, wenn eine Pflegeeinrichtung ihre Mitteilungspflicht nach Absatz 3d Satz 2 oder Absatz 3e nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt. Die in den Richtlinien vorgesehenen Folgen müssen verhältnismäßig sein und im Einzelfall durch den jeweiligen Landesverband der Pflegekassen gegenüber der Pflegeeinrichtung verhältnismäßig angewendet werden. Bei der Festlegung hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales genehmigt. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

Vorliegens der Voraussetzungen des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b mitzuteilen, 1. an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind,

Kapitel IV

(3d) Pflegeeinrichtungen haben den Landesverbänden der Pflegekassen zur Feststellung des

2. welcher Tarifvertrag oder welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in den Fällen des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 1 bis 3 für sie maßgebend ist oder sind oder 3. ob im Fall des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 4 die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 für sie maßgebend sind. Im Jahr 2022 sind alle Pflegeeinrichtungen verpflichtet, den Landesverbänden der Pflegekassen die in Satz 1 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung genannten Angaben spätestens bis zum Ablauf des 28. Februar 2022 mitzuteilen. Die Mitteilung nach Satz 2 gilt, sofern

75

die Pflegeeinrichtung dem nicht widerspricht, als Antrag auf entsprechende Anpassung des Versorgungsvertrags mit Wirkung zum 1. September 2022. (3e) Pflegeeinrichtungen, die im Sinne von Absatz 3a an Tarifverträge oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, haben dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen bis zum Ablauf des 30. September (ab 2023 31. August) jeden Jahres Folgendes mitzuteilen: 1. an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind, 2. Angaben über die sich aus diesen Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebende am 1. September des Jahres gezahlte Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, soweit diese Angaben zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach den Absätzen 3a und 3b oder zur Ermittlung des oder der regional üblichen Entlohnungsniveaus so-wie der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 erforderlich sind. Der Mitteilung ist die jeweils am 1. September (ab 2023 1. August) des Jahres geltende durchgeschriebene Fassung des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen beizufügen. Tritt nach der Mitteilung nach Satz 1 eine Änderung im Hinblick auf die Wirksamkeit oder den Inhalt des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen diese Änderung unverzüglich mitzuteilen und dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen unverzüglich die aktuelle, durchgeschriebene Fassung des geänderten Tarifvertrags oder der geänderten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu übermitteln.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

(3f) Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen der Absätze 3a und 3b und des § 82c. (3g) Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, sind spätestens bis zum Ablauf des 31. August 2022 mit Wirkung ab 1. September 2022 an die Vorgaben des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b anzupassen. (4) Mit Abschluß des Versorgungsvertrages wird die Pflegeeinrichtung für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Die zugelassene Pflegeeinrichtung ist im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten verpflichtet; dazu gehört bei ambulanten Pflegediensten auch die Durchführung von Beratungseinsätzen nach § 37 Absatz 3 auf Anforderung des Pflegebedürftigen. Die Pflegekassen sind verpflichtet, die Leistungen der Pflegeeinrichtung nach Maßgabe des Achten Kapitels zu vergüten. 76

§

 82c Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen: (1) Ab dem 1. September 2022 kann bei tarifgebundenen oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pfle-

geeinrichtungen eine Bezahlung von Gehältern der Beschäftigten bis zur Höhe der aus dieser Bindung resultierenden Vorgaben nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. (2) Bei Pflegeeinrichtungen, die nicht unter Absatz 1 fallen, kann ab dem 1. September 2022 eine Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit die Höhe ihrer Entlohnung nach dem Tarifvertrag oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung, der oder die nach § 72 Absatz 3b für ihre Entlohnung maßgebend ist, das regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich überschreitet. Eine deutliche Überschreitung des regional üblichen Entgeltniveaus liegt dann vor, wenn die Entlohnung nach Satz 1 die durchschnittliche Entlohnung für solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Tarifverträgen und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die in der Region, in der die Einrichtung betrieben wird, von Pflegeeinrichtungen nach Absatz 1 angewendet werden, um mehr als 10 Prozent übersteigt. (3) Für eine über die Höhe der Bezahlung von Gehältern nach Absatz 1 oder die Höhe der Entlohnung nach Absatz 2 hinausgehende Bezahlung der Beschäftigten bedarf es eines sachlichen Grundes. (4) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt bis zum Ablauf des 30. September 2021 in Richtlinien das Nähere zum Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 und 5 fest. Er hat dabei die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. § 72 Absatz 3c Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

unter Beteiligung des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Land und der Träger der Sozialhilfe auf Landesebene unverzüglich nach Genehmigung der Richtlinien nach Absatz 4, spätestens innerhalb eines Monats, für das jeweilige Land eine Übersicht veröffentlichen, welche Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen eine Entlohnung nach

Kapitel IV

(5) Zur Information der Pflegeeinrichtungen sollen die Landesverbände der Pflegekassen

Maßgabe von Absatz 2 vorsehen.

§

 84 Bemessungsgrundsätze

Abs. (7) Der Träger der Einrichtung ist ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der Gehälter nach § 82c Absatz 1 oder der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt in Richtlinien bis zum 1. Juli 2022 das Nähere zur 77

Durchführung des Nachweises nach Satz 1 fest. Dabei ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen; den Bundesvereinigungen der Träger von Pflegeeinrichtungen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 72 Absatz 3c Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

INFO

Kapitel IV

in § 84 werden die Bemessungsgrundsätze für die Vergütung stationärer Pflegeleistungen geregelt. Allerdings gelten einige Regelungen auch ambulant über Verweis in § 89, Abs. 3 letzter Satz

78

Kapitel V • § 73 und 74: Abschluss und Kündigung von Versorgungsverträgen 5.1  Was ändert sich? Die Kündigung des Versorgungsvertrags ist dann möglich und notwendig, wenn gegen die zugesagte Bezahlung der Entgelthöhe nach § 72 Abs. 3a oder b nicht nur vorübergehend verstoßen wird. Das betrifft auch die Pflegeeinrichtungen, die schon vor Einführung der Pflegeversicherung als Pflegeeinrichtung tätig waren und damit statt eines Versorgungsvertrages Bestandsschutz haben. Nach § 73 Abs. 3 letzter Satz kann auch der Bestandsschutz (-vertrag) gekündigt werden, wenn er nach § 74 nicht nur vorübergehend gegen die Finanzierungsregelungen nach § 72, Abs. 3a oder b verstößt. Damit sind Einrichtungen mit Bestandsschutz Einrichtungen mit Versorgungsvertrag auch auf diesem Wege gleichgestellt. Mit der Aufnahme der direkten oder indirekten Tarifbindung nach § 72 Abs. 1, Punkt 3a und b in den Versorgungsvertrag ist umgekehrt auch die Kündigung verbunden, wenn Einrichtungen nicht nur vorübergehend gegen die benannte Höhe der Entgelte verstoßen. Das gilt auch für Einrichtungen, die bisher weiterhin über den Bestandschutz nach § 73 tätig sind. Denn der Bestandschutz ist lt. Abs. 3 der ‚fiktive‘ Versorgungsvertrag für Einrichtungen, die vor Beginn der Pflegeversicherung (also vor dem 01.01.1995) schon ambulante Leistungen erbracht haben: In der Bestandsschutzregelung in Abs. 3 wird im letzten Satz explizit von „Versorgungsvertrag“ gesprochen, der aufgrund des Bestandschutzes besteht, aber nicht extra bzw. neu abgeschlossen werden muss. In Bezug auf Vertragsverstöße etc. gelten auch für diese „Bestandschutz-Versorgungsverträge“ identische Regelungen, also wie für normale Versorgungsverträge. Daher Bestandschutz.

§

 73 Abschluß von Versorgungsverträgen: (1) Der Versorgungsvertrag ist schriftlich abzuschließen.

Kapitel V

gelten auch die geforderten Tarifbindungen auch § 72 Abs. 3 a/b für Einrichtungen mit

(2) Gegen die Ablehnung eines Versorgungsvertrages durch die Landesverbände der Pflegekassen ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. (3) Mit Pflegeeinrichtungen, die vor dem 1. Januar 1995 ambulante Pflege, teilstationäre Pflege oder Kurzzeitpflege auf Grund von Vereinbarungen mit Sozialleistungsträgern erbracht haben, gilt ein Versorgungsvertrag als abgeschlossen. Satz 1 gilt nicht, wenn die Pflegeeinrichtung die Anforderungen nach § 72 Abs. 3 Satz 1 nicht erfüllt und die zuständigen Landesverbände der Pflegekassen dies im Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (§ 72 Abs. 2 Satz 1) bis zum 30. Juni 1995 gegenüber dem Träger der Einrichtung schriftlich geltend ma79

chen. Satz 1 gilt auch dann nicht, wenn die Pflegeeinrichtung die Anforderungen nach § 72 Abs. 3 Satz 1 offensichtlich nicht erfüllt. Die Pflegeeinrichtung hat bis spätestens zum 31. März 1995 die Voraussetzungen für den Bestandschutz nach den Sätzen 1 und 2 durch Vorlage von Vereinbarungen mit Sozialleistungsträgern sowie geeigneter Unterlagen zur Prüfung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit gegenüber einem Landesverband der Pflegekassen nachzuweisen. Der Versorgungsvertrag bleibt wirksam, bis er durch einen neuen Versorgungsvertrag abgelöst oder gemäß § 74 gekündigt wird. (4) Für vollstationäre Pflegeeinrichtungen gilt Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, daß der für die Vorlage der Unterlagen nach Satz 3 maßgebliche Zeitpunkt der 30. September 1995 und der Stichtag nach Satz 2 der 30. Juni 1996 ist.

§

 74 Kündigung von Versorgungsverträgen (Fassung ab September 2022): (1) Der Versorgungsvertrag kann von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr ganz oder

teilweise gekündigt werden, von den Landesverbänden der Pflegekassen jedoch nur, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1, Abs. 3a oder 3b nicht oder nicht mehr erfüllt; dies gilt auch, wenn die Pflegeeinrichtung ihre Pflicht wiederholt gröblich verletzt, Pflegebedürftigen ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu bieten, die Hilfen darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten und angemessenen Wünschen der Pflegebedürftigen zur Gestaltung der Hilfe zu entsprechen. Vor Kündigung durch die Landesverbände der Pflegekassen ist das Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (§ 72 Abs. 2 Satz 1) herzustellen. Die Landesverbände der Pflegekassen können im Einvernehmen mit den zuständigen Trägern der Sozialhilfe zur Vermeidung der Kündigung des Versorgungsvertrages mit dem Träger der Pflegeeinrichtung insbesondere vereinbaren, dass 1. die verantwortliche Pflegefachkraft sowie weitere Leitungskräfte zeitnah erfolgreich ge-

Kapitel V

eignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen absolvieren, 2. die Pflege, Versorgung und Betreuung weiterer Pflegebedürftiger bis zur Beseitigung der Kündigungsgründe ganz oder teilweise vorläufig ausgeschlossen ist. (2) Der Versorgungsvertrag kann von den Landesverbänden der Pflegekassen auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn die Einrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern derart gröblich verletzt, daß ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist. Das gilt insbesondere dann, wenn Pflegebedürftige infolge der Pflichtverletzung zu Schaden kommen oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechnet. Das gleiche gilt, wenn dem Träger eines Pflegeheimes nach den heimrechtlichen Vorschriften die Betriebserlaubnis entzogen oder der Betrieb des Heimes untersagt wird. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Die Kündigung bedarf der Schriftform. Für Klagen gegen die Kündigung gilt § 73 Abs. 2 entsprechend. 80

Kapitel VI • § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung ambulant 6.1  Was ist neu? Da die Mindesthöhe der Personalkosten und deren verhandelbare Obergrenzen in §§ 72 sowie 82c neu definiert werden, hat der Gesetzgeber diese Regelung in § 89 entfernt (gilt ab September 2022. Neuer Vertragsgegenstand als Bestandteil der Vergütungsvereinbarungen sind evtl. mögliche Unterstützungsleistungen bei der Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen nach § 39a, die der Pflegedienst erbringt. Wie weit und wie sich diese definieren lassen, dazu Kap. 12. Es gilt weiterhin der Bezug auf die vergleichbaren Regelungen im SGB V bei der Definition und Vergütung von Wegezeiten insbesondere im ländlichen Raum: Hier sollen die ausgehandelten Regelungen der Rahmenempfehlung nach § 132a SGB V ‚berücksichtigt‘ werden. Gleiches gilt beim Verfahren zum Vorweis der voraussichtlichen Personalkosten im Rahmen der Vergütungsverhandlungen, die in § 85 Abs. 3 geregelt sind.

6.2  Praxis Die hier bisher verorteten Definitionen zur wirtschaftlichen Personalvergütung sind nun in § 82c angesiedelt. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Frage der Vergütung von Wegezeiten sowie der Darstellung der prospektiven Personalkosten auf die Rahmenempfehlung § 132a SGB V verwiesen, aber konsequenter wäre der vollständige Verweis auf hier schon definierte Regelungen zur Kalkulation und Abgrenzung von Punkten wie der Nettoarbeitsverhindern oder verzögern zumindest zügige ambulante Verhandlungen. Die im Rahmen der Entscheidung der Schiedsperson getroffenen Regelungen aus der Rahmenempfehlung können viele dieser Lücken schließen und Konflikte beenden. Es ist zu hoffen, dass bei Streitigkeiten zumindest die Schiedsstellen nach SGB XI dann auf diese schon bundesweit getroffenen Regelungen zurückgreifen.

6.3  Gesetzestext

§

 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung: (1) Die Vergütung der ambulanten Leistungen der häuslichen Pflegehilfe und der ergänzenden Unterstützungsleistungen bei der

Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen wird, soweit nicht die Gebührenordnung nach

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

zeit etc. Denn viele dieser Punkte sind in Verhandlungen auf Landesebene umstritten und

§ 90 Anwendung findet, zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern 81

nach Absatz 2 für alle Pflegebedürftigen nach einheitlichen Grundsätzen vereinbart. Sie muss leistungsgerecht sein. Die Vergütung muss einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Eine Differenzierung in der Vergütung nach Kostenträgern ist unzulässig. (2) Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung sind die Träger des Pflegedienstes sowie 1. die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, 2. die Träger der Sozialhilfe, die für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig sind, sowie 3. die Arbeitsgemeinschaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger, soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeitsgemeinschaft im Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlungen jeweils mehr als 5 vom Hundert der vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen entfallen. Die Vergütungsvereinbarung ist für jeden Pflegedienst gesondert abzuschließen und gilt für den nach § 72 Abs. 3 Satz 3 vereinbarten Einzugsbereich, soweit nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird. (3) Die Vergütungen können, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen bemessen werden; sonstige Leistungen wie hauswirtschaftliche Versorgung, Behördengänge oder Fahrkosten können auch mit Pauschalen vergütet werden. Die Vergütungen haben zu berücksichtigen, dass Leistungen von mehreren Pflegebedürftigen gemeinsam abgerufen und in Anspruch genommen werden können; die sich aus einer gemeinsamen Leistungsinanspruchnahme ergebenden Zeit- und Kostenersparnisse kommen den Pflegebedürftigen zugute. Bei der Vereinbarung der Vergütung sind die Grundsätze für die Vergütung von längeren

Kapitel VI

Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, die in den Rahmenempfehlungen nach

82

§ 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 5 des Fünften Buches vorzusehen sind, zu berücksichtigen; die in den Rahmenempfehlungen geregelten Verfahren zum Vorweis der voraussichtlichen Personalkosten im Sinne von § 85 Absatz 3 Satz 5 können berücksichtigt werden. § 84 Absatz 4 Satz 2, Absatz 7 und 7a, § 85 Absatz 3 bis 7 und § 86 gelten entsprechend.

Kapitel VII • § 132 SGB V Versorgung mit Haushaltshilfe 7.1  Was ändert sich? Der Gesetzgeber (die Änderung wurde vom Gesundheitsausschuss ins Gesetz eingefügt) hat (allerdings ohne weitere inhaltliche Begründung) noch die Änderung bei den Haushaltshilfen § 132 SGB V eingeführt: Die Regelungen zur Vergütung der Leistungen sind wörtlich an die Regelungen der Häuslichen Krankenpflege nach § 132a angepasst worden. Die Haushaltshilfeleistungen nach § 38 Haushaltshilfe, sowie nach § 24h bei Schwangerschaft und Mutterschutz waren in der Praxis bisher meist schlecht vergütet und wurden kaum noch von Pflegediensten übernommen. Insbesondere auch weil sich die Krankenkassen geweigert haben, Vergütungen in vergleichbarer Höhe zu SGB XI zu vereinbaren. Bei diesen Verhandlungen wurde immer auch auf die Beitragsstabilität nach § 71 SGB V hingewiesen, weshalb die schon immer niedrigen Vergütungen kaum angehoben wurden. Mit der Anerkennung von Tariflöhnen und Vergütungen bis zu dieser Höhe dürften diese Leistungen für Pflegedienste wieder deutlich attraktiver werden. Denn hier können die Pflegedienste nun wieder kostendeckende Vergütungen abschließen und damit auch diese Leistungen vermehrt erbringen. Merkwürdig an dieser Änderung zu diesem Zeitpunkt ist nur die Tatsache, dass im SGB V auch hauswirtschaftliche Leistungen ausdrücklich in den indirekten Schutz von Tariflöhnen einbezogen werden, aber zeitgleich in der Pflegeversicherung bei nicht tarifgebundenen Einrichtungen diese Leistungen ausgenommen werden! Denn bei Letzteren werden in der Pflegeversicherung ausdrücklich nur noch die Arbeitnehmer:innen berücksichtigt, wirtschaftliche Leistungen erbringen. Widersprüchlicher geht es eigentlich nicht!

7.2  Gesetzestext

§

 132 Versorgung mit Haushaltshilfe: (1) Über Inhalt, Umfang, Vergütung sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen zur Versorgung mit Haushaltshilfe

schließen die Krankenkassen Verträge mit geeigneten Personen, Einrichtungen oder Unternehmen. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 2 jederzeit einzu-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

die Leistungen der Pflege und Betreuung erbringen, nicht aber diejenigen, die (nur) haus-

halten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung 83

wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die Vertrag schließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragsparteien zu gleichen Teilen. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von Haushaltshilfe auch geeignete Personen anstellen. (2) Die Krankenkasse hat darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbe-

Kapitel VII

sondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen.

84

Kapitel VIII • Thema Digitalisierung Das Thema „Digitalisierung“ zieht sich in verschiedenen Ausprägungen durch die letzten gesetzlichen Änderungen, einerseits mit Schwerpunkt auf Verwaltung und Abläufe, andererseits mit neuen Leistungsangeboten in digitaler Form. Alle wesentlichen Änderungen dazu werden unter diesem Schwerpunkt behandelt. Folgende Leistungsangebote werden (auch) in digitaler Form anzubieten sein: Pflegeberatung nach § 7a mit den Richtlinien dazu in § 17 Abs. 1a sowie Ausweitung der Beratungsanlässe nach § 7b Digitale Schulungsangebote nach § 45 Das neue Leistungsangebot „Digitale Gesundheitsanwendungen“ (beschrieben in § 40a und b) sowie Unterstützungsleistungen durch Pflegedienste bei der Nutzung (§ 39a). Dazu sind ergänzend auch entsprechende Punkte in der Vergütungsvereinbarung nach § 89 sowie in den Regelungen zum Pflegevertrag nach § 120 eingeführt worden. Nicht mehr fortgeführt wird die Möglichkeit der digitalen Durchführung der Beratungsbesuche nach § 37.3 sowie der Einstufung nach §18 über telefonische oder digitale Kontakte, die in der Zeit der Coronapandemie befristet eingeführt worden waren. In dem Zusammenhang sind auch noch die neu zu startenden Modellversuche zur Telemedizin nach § 125a zu nennen, obwohl ähnliche Projekte schon vor mehr als 15 Jahren erfolgreich erprobt und dann nicht mehr fortgeführt wurden. Auf der Verwaltungsseite gibt es ebenfalls eine Reihe von neuen Regelungen, die zum Teil unterschiedlich zu bewerten sind: SGB V Einführung einer einheitlichen Beschäftigtennummer über § 293, Abs. 8 nachweisen im SGB V (§ 302) und im SGB XI § 105 Kostenübernahme für die Einrichtung für die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur (§ 106b) Die hier eingeführten Maßnahmen dienen weniger der Verschlankung von Abläufen, sondern primär der Ermöglichung und Vereinfachung der elektronischen Abrechnungsprüfung, wie es der Gesetzgeber selbst in die Begründung der Änderungen geschrieben hat. Weitere digitale Umsetzungsschritte, z. B. in Hinblick auf elektronische Verordnungen etc. werden noch auf sich warten lassen: Die Gesellschaft für Telematik, die für die bundesweite Umsetzung der Telematikinfrastruktur etc. zuständig ist, hat den Auftrag, bis zum 30. Juni 2022 die Maßnahmen durchzuführen, die erforderlich sind, damit ärztliche Verordnungen von häuslicher Krankenpflege nach § 37 sowie außerklinischer Intensiv-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Einführung von elektronischen Abrechnungsunterlagen einschließlich Leistungs-

pflege nach § 37c in elektronischer Form übermittelt werden können. So geregelt in § 312 85

Abs. 1, Punkt 4. Damit ist auch klar, dass es vor 2022 keine elektronische Verordnung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege geben wird. Kritisch sind Projekte einzelner Krankenkassen zu sehen, bei denen die Pflegedienste die ärztlichen Papierverordnungen erfassen sollen und denen dadurch eine schnellere Bearbeitung der Verordnungen versprochen wird.86 Auch einige ambulanten Softwareprogramme bieten inzwischen solche Schnittstellen an. Denn einerseits übernehmen die Pflegedienste hier die Erfassungsarbeit für die Krankenkassen und es dürfte so technisch bedingt zwangsläufig nötig sein, die Verordnung auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen und formal richtig einzugeben. Dabei dürften die Pflegedienste aber auch nicht eigenständig die im Papierformat vorliegende Verordnung modifizieren oder abändern, weil dies nur der ausstellende Arzt darf und es ansonsten in Richtung Urkundenfälschung geht. Also müsste dann der Pflegedienst die Arbeitsschritte durchführen, die ansonsten die Kassen zu leisten haben (siehe auch Bundesrahmenempfehlung § 132a SGB V: „Ergeben sich aus der Verordnung nicht alle für die Leistungsentscheidung erforderlichen Informationen oder ist die Verordnung nicht eindeutig, unzureichend oder fehlerhaft ausgefüllt, wendet sich die Krankenkasse ausschließlich an die ausstellende Ärztin/an den ausstellenden Arzt oder ggf. an die Versicherte/den Versicherten zur diesbezüglichen Klärung. Änderungen oder Ergänzungen der vertragsärztlichen Verordnung von häuslicher Krankenpflege bedürfen einer erneuten Arztunterschrift mit Stempel und Datumsangabe“).87 Das Argument einer schnelleren Bearbeitung ist zwar von Vorteil für die Krankenkasse, aber eigentlich nicht immer für den Pflegedienst, da dieser nach § 6 Abs. 6 der HKP-Richtlinie bis zum Eingang einer (veränderten) Bewilligung die Leistungen zu erbringen und abzurechnen hat. Eine längere Bearbeitungszeit der Verordnung ist also nicht immer zum Nachteil der Pflegedienste, daher ist eine kürzere Bearbeitungsdauer auch

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

kein echter Vorteil, außer für die Krankenkasse!

86

Es ist sinnvoller zu warten, bis die Regelungen zur elektronischen Verordnung so umgesetzt werden, dass die Arztpraxis diese digital ausstellen muss. Das wird sicherlich nicht vor 2023 der Fall sein, da die Grundlagen der Gesellschaft für Telematik erst im Juli 2022 festliegen werden. Mit dem PDSG wurde die fortschreitende Digitalisierung völlig neu strukturiert durch den Aufbau einer Telematikinfrastruktur, für dessen Schaffung und Betrieb die Bundesrepublik Deutschland sowie die Spitzenverbände der Krankenkassen, die kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die Spitzenorganisationen der Apotheker eine gemeinsame Gesellschaft für Telematik gebildet 86 Z.B. Barmer oder die AOK Baden-Württemberg, die beide die Software von AOK systems nutzen: https://www.aok-systems.de/produkte/oscare-highlights.html 87 Rahmenempfehlung nach § 132a Abs. 1 SGB V zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege in der Fassung vom 14.10.2020

haben, die „gematik GmbH“ mit Sitz in Berlin.88 Nur über den Beirat der gematik GmbH sind weitere Akteure im Gesundheitswesen wie Patientengruppen oder Pflegeanbieter vertreten. Mit der Auswahl der Akteure wird aber auch deutlich, um welche Gruppen es primär bei der Umsetzung der Telematikfragen geht: Die sonstigen Leistungserbringer

Kapitel VIII

wie die Pflege sitzen nicht nur sprichwörtlich am Katzentisch.

88 www.gematik.de

87

Kapitel IX • § 7a Pflegeberatung 9.1  Was ist neu? § 7a: Im Rahmen der Pflegeberatung sollen die Berater auch dafür sorgen, dass die Empfehlungen aus der Einstufung in Bezug auf mögliche Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation umgesetzt werden. Neu eingeführt worden ist die Möglichkeit der Beratung über digitale Angebote/Medien. Allerdings ersetzt die digitale Beratung nicht den Anspruch auf Beratung in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der der Pflegebedürftige wohnt. § 7b: Die möglichen Leistungen, bei deren Beantragung die Pflegekassen ein Beratungsangebot innerhalb von 14 Tagen anbieten müssen, wird erweitert um Leistungen, wie den Wohngruppenzuschlag, Pflegehilfsmittel, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, den Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen oder die Anschubfinanzierung von ambulant betreuten Wohngruppen. Auch soll ausdrücklich in der Beratung auf den individuellen Versorgungsplan hingewiesen werden, der in der Beratung erstellt wird. Die Verpflichtung der Pflegekassen zur zeitnahen Beratung innerhalb von 14 Tagen gilt nun auch bei der erstmaligen Beantragung von Leistungen der Kostenerstattung (§§ 39 Verhinderungspflege, 45a: Entlastung im Alltag sowie § 45b Entlastungsbetrag) sowie von Pflegeverbrauchsmitteln nach § 40 Abs. 2.

9.2  Inhalte § 7a, die durch die Pflegekassen zu erfolgen hat.89 Die Aufgabe dieser Beratung ist umfassend, der Versorgungsplan, wie er im Gesetz beschrieben ist, sinnvoll und für die Praxis hilfreich. Es gibt allerdings kaum eine gesetzliche Regelung im SGB XI, die seit ihrer Einführung 2009 so oft konkretisiert und verschärft wurde wie die § 7a bis 7c zur Pflegeberatung und deren Umsetzung. Schon das zeigt, dass der Gesetzgeber offensichtlich immer noch permanenten Verbesserungs- und Konkretisierungsbedarf sieht. Schon allein die Tatsache, dass es auch aktuell keine verlässlichen Zahlen über den Umfang der tatsächlich durchgeführten Pflegeberatungen der sozialen Pflegeversicherung gibt, ist nicht nachvollziehbar: Die Anzahl der Pflegeberatungen nach § 7a ist trotz des hohen Anspruchs der gesetzlichen Regelungen und der verpflichtenden Information sowie des Rechts auf schnelle Beratung weiterhin sehr unterschiedlich ausgeprägt und in der sozialen Pflegeversicherung recht 89 Zur Abgrenzung der Pflegeberatung nach § 7a zur Schulung nach § 45 und Beratungsbesuchen nach § 37.3 siehe Empfehlungen nach § 37 Abs. 5 SGB XI zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI in der Fassung vom 21.05.2019

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Die umfangreichste Beratungsleistung der Pflegeversicherung ist die Pflegeberatung nach

89

Fallzahlen der durchgeführten Pflegeberatungen in Pflegekassen Jahr

Pflegeberatungen je 100 Leistungsempfänger Beratungsgutscheine Anzahl Pflegeberater Ausgaben gesamt in Tsd.Euro

Soziale Pflegeversicherung 2018 2019 129.239 102.801 3,51 2,57 40.642 52.375 957 1.111 128.165 133.285

Private Pflegeversicherung 2018 2019 162.158 170171 69,10 71,1 352 16.693

381 17.989

Die Anzahl der Pflegeberatungen (der SPV) ist nicht voll verlässlich, die Daten liegen unvollständig vor und zeigen Inkonsistenzen (vgl. hierzu Wissenschaftliche Evaluation gemäß § 7a Abs. 9 SGB XI, Kapitel 3.1.1: https://www.gkvspitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/beratung_und_betreuung/pflegeberatung/20200331_IGES_Evaluation_Pfl egeberatung_Abschlussbericht.pdf). **Rückmeldungen der AOK, BKK, EAN, KBS, IKK, LKK

© SysPra: Aus: 7. Pflegebericht der Bundesregierung 2016-2019; S. 112-113

Grafik 23

gering: Nach den Zahlen aus dem 7. Pflegebericht der Bundesregierung ergibt sich folgendes Bild für die Jahre 2018 und 2019, wie in der Grafik 23 dargestellt. Auch wenn die Zahlen der gesetzlichen Pflegekassenverbände nach Angaben des BMG weiterhin inkonsistent sind (wie auch schon im 6. Pflegebericht!), zeigen sie tendenziell doch, was in der Praxis berichtet wird: Die Pflegeberatung durch die gesetzlichen Pflegekassen wird nicht in hohem Maße in Anspruch genommen, die Pflegeberatung der Privatkassen, die durch die Firma Compass organisiert wird, dagegen in viel höherem Maße. Auch die Versorgungspläne, die lt. Gesetz erstellt und eigentlich dem Versicherten ausgehändigt werden sollen, finden sich in der Praxis kaum wieder. Der Gesetzgeber sowie die Pflegekassenverbände haben zur Vereinheitlichung auch die Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes zur einheitlichen Durchführung der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI mit Stand vom 5. Oktober 2020 überarbeitet und eine technische Beschreibung zur einheitlichen Struktur und zum elektronischen Austausch des Versorgungsplans

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

nach § 17 Abs. 1a Satz 4 SGB XI mit Stand vom 29.9.2020 erlassen. Alle Unterlagen, auch die Evaluationsberichte, sind zu finden auf der Seite des GKV-Spitzenverbandes im Bereich Pflegeversicherung.90 Ob also der ausdrückliche gesetzlich fixierte Auftrag, den Versicherten auch über die Existenz und die Möglichkeiten des Versorgungsplans aufzuklären, dazu führen wird, dass die Pflegebedürftigen diese nun tatsächlich erhalten, bleibt abzuwarten. Pflegediensten ist allerdings immer zu empfehlen, nach diesen Versorgungsplänen zu fragen, wenn die Pflegebedürftigen eine Beratung nach § 7a in Anspruch genommen haben oder nehmen werden. Wird durch die (zusätzliche) Möglichkeit, die Pflegeberatung auch digital durchzuführen, diese öfter in Anspruch genommen? Das bleibt abzuwarten. Sicherlich dürfte diese Form der Beratung eher für Angehörige eine Option sein, die sich so zeitlich und 90 https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/beratung_und_betreuung/pflegeberatung/pflegeberatung. jsp)

90

örtlich flexibler beraten lassen können. Wichtig ist nur, dass die digitale Beratungsoption ausdrücklich nicht die Beratung vor Ort ersetzt, also diese weiterhin oder auch zusätzlich möglich ist. Aber die digitale Beratung dürfte wohl nicht den Beratungsanspruch auf schnelle Beratung innerhalb von zwei Wochen erfüllen bzw. ersetzen. Denn in § 7a, Abs. 2 wird in Satz 3 ausdrücklich formuliert, dass der Anspruch auf Beratung durch „barrierefreie digitale Anwendungen der Pflegekassen ergänzt werden“ (kann) und in § 7b, Abs. 1 wird diese Möglichkeit nicht als Alternative zur Erfüllung der kurzfristigen Beratung benannt! Interessant ist auch der gesetzliche Anspruch auf Pflegeberatung bei der erstmaligen Beantragung von Pflegeverbrauchsmitteln nach § 40 Abs. 2: Diese Leistung kann wie gesetzlich formuliert sowohl als Sachleistung (über einen zugelassenen Dienstleister der Pflegekassen) oder auch als Kostenerstattung bei eigenem Einkauf genutzt werden, auch wegen dieser Aufklärung wurde der Leistungsanspruch auf Beratung neu einbezogen. Hier bleibt es spannend, ob die Pflegeberater die Versicherten auch gesetzeskonform aufklären, dass die im Drogeriemarkt gekauften Pflegehandschuhe und aktuell die Schutzmasken auch per Quittung nachgewiesen und die Kosten erstattet werden können!

9.3  Gesetzestext

§

 7a Pflegeberatung: (1) Personen, die Leistungen nach diesem Buch erhalten, haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine

Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfsangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind (Pflegeberatung); ein zuständiger Pflegeberater, eine zuständige Pflegeberaterin oder eine sonstige Beratungsstelle benannt werden. Für das Verfahren, die Durchführung und die Inhalte der Pflegeberatung sind die Richtlinien nach § 17 Absatz 1a maßgeblich. Aufgabe der Pflegeberatung ist es

Kapitel IX

Anspruchsberechtigten soll durch die Pflegekassen vor der erstmaligen Beratung unverzüglich

insbesondere, 1. den Hilfebedarf unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst sowie, wenn die nach Satz 1 anspruchsberechtigte Person zustimmt, die Ergebnisse der Beratung in der eigenen Häuslichkeit nach § 37 Absatz 3 systematisch zu erfassen und zu analysieren, 2. einen individuellen Versorgungsplan mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfen zu erstellen, 3. auf die für die Durchführung des Versorgungsplans erforderlichen Maßnahmen einschließlich deren Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger hinzuwirken, ins91

besondere hinsichtlich einer Empfehlung zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 18 Absatz 1 Satz 3, 4. die Durchführung des Versorgungsplans zu überwachen und erforderlichenfalls einer veränderten Bedarfslage anzupassen, 5. bei besonders komplexen Fallgestaltungen den Hilfeprozess auszuwerten und zu dokumentieren sowie 6. über Leistungen zur Entlastung der Pflegepersonen zu informieren. Der Versorgungsplan wird nach Maßgabe der Richtlinien nach § 17 Absatz 1a erstellt und umgesetzt; er beinhaltet insbesondere Empfehlungen zu den im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen nach Satz 3 Nummer 3, Hinweise zu dem dazu vorhandenen örtlichen Leistungsangebot sowie zur Überprüfung und Anpassung der empfohlenen Maßnahmen. Bei Erstellung und Umsetzung des Versorgungsplans ist Einvernehmen mit dem Hilfesuchenden und allen an der Pflege, Versorgung und Betreuung Beteiligten anzustreben. Soweit Leistungen nach sonstigen bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften erforderlich sind, sind die zuständigen Leistungsträger frühzeitig mit dem Ziel der Abstimmung einzubeziehen. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Koordinierungsstellen, insbesondere den Ansprechstellen der Rehabilitationsträger nach § 12 Absatz 1 Satz 3 des Neunten Buches, ist sicherzustellen. Ihnen obliegende Aufgaben der Pflegeberatung können die Pflegekassen ganz oder teilweise auf Dritte übertragen; § 80 des Zehnten Buches bleibt unberührt. Ein Anspruch auf Pflegeberatung besteht auch dann, wenn ein Antrag auf Leistungen nach diesem Buch gestellt wurde und erkennbar ein Hilfeund Beratungsbedarf besteht. Es ist sicherzustellen, dass im jeweiligen Pflegestützpunkt nach § 7c Pflegeberatung im Sinne dieser Vorschrift in Anspruch genommen werden kann und die Unabhängigkeit der Beratung gewährleistet ist. (2) Auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Person nach Absatz 1 Satz 1 erfolgt die Pflege-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

beratung auch gegenüber ihren Angehörigen oder weiteren Personen oder unter deren Einbeziehung. Sie erfolgt auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Person nach Absatz 1 Satz 1 in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der diese Person lebt. Die Pflegeberatung kann auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Person nach Absatz 1 Satz 1 durch barrierefreie digitale Angebote der Pflegekassen ergänzt werden und in diesem Rahmen mittels barrierefreier digitaler Anwendungen erfolgen, bei denen im Fall der Verarbeitung personenbezogener Daten die dafür geltenden Vorschriften zum Datenschutz eingehalten und die Anforderungen an die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleistet werden. Die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit der eingesetzten digitalen Anwendungen gelten als erfüllt, wenn die Anwendungen die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit nach Satz 3 gelten auch bei den digitalen Anwendungen als erfüllt, die der Spitzenverband Bund der Pflegekassen in seiner Richtlinie nach § 17 Absatz 1a zur Durchführung von Beratungen bestimmt hat. Ein Versicherter kann einen Leistungsantrag nach diesem oder dem Fünften Buch auch gegenüber dem Pflegeberater 92

oder der Pflegeberaterin stellen. Der Antrag ist unverzüglich der zuständigen Pflege- oder Krankenkasse zu übermitteln, die den Leistungsbescheid unverzüglich dem Antragsteller und zeitgleich dem Pflegeberater oder der Pflegeberaterin zuleitet. Erfolgt die individuelle Beratung nach Absatz 1 Satz 1 mittels barrierefreier digitaler Anwendungen, bleibt der Anspruch der Versicherten auf eine Beratung nach Satz 2 unberührt. (3) Die Anzahl von Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen ist so zu bemessen, dass die Aufgaben nach Absatz 1 im Interesse der Hilfesuchenden zeitnah und umfassend wahrgenommen werden können. Die Pflegekassen setzen für die persönliche Beratung und Betreuung durch Pflegeberater und Pflegeberaterinnen entsprechend qualifiziertes Personal ein, insbesondere Pflegefachkräfte, Sozialversicherungsfachangestellte oder Sozialarbeiter mit der jeweils erforderlichen Zusatzqualifikation. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gibt unter Beteiligung der in § 17 Absatz 1a Satz 2 genannten Parteien bis zum 31. Juli 2018 Empfehlungen zur erforderlichen Anzahl, Qualifikation und Fortbildung von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern ab. (4) Die Pflegekassen im Land haben Pflegeberater und Pflegeberaterinnen zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Aufgabenwahrnehmung in den Pflegestützpunkten nach Anzahl und örtlicher Zuständigkeit aufeinander abgestimmt bereitzustellen und hierüber einheitlich und gemeinsam Vereinbarungen zu treffen. Die Pflegekassen können diese Aufgabe auf die Landesverbände der Pflegekassen übertragen. Kommt eine Einigung bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht zustande, haben die Landesverbände der Pflegekassen innerhalb eines Monats zu entscheiden; § 81 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Pflegekassen und die gesetzlichen Krankenkassen können zur Aufgabenwahrnehmung durch Pflegeberater und Pflegeberaterinnen von der Möglichkeit der Beauftragung nach Maßgabe der §§ 88 bis 92 des Zehnten Buches Gebrauch machen; § 94 Absatz 1 Nummer 8 gilt entsprechend. Die durch von den Pflegekassen getragen und zur Hälfte auf die Verwaltungskostenpauschale nach § 46 Abs. 3 Satz 1 angerechnet. (5) Zur Durchführung der Pflegeberatung können die privaten Versicherungsunternehmen, die

Kapitel IX

die Tätigkeit von Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen entstehenden Aufwendungen werden

die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, Pflegeberater und Pflegeberaterinnen der Pflegekassen für die bei ihnen versicherten Personen nutzen. Dies setzt eine vertragliche Vereinbarung mit den Pflegekassen über Art, Inhalt und Umfang der Inanspruchnahme sowie über die Vergütung der hierfür je Fall entstehenden Aufwendungen voraus. Soweit Vereinbarungen mit den Pflegekassen nicht zustande kommen, können die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, untereinander Vereinbarungen über eine abgestimmte Bereitstellung von Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen treffen. (6) Pflegeberater und Pflegeberaterinnen sowie sonstige mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach Absatz 1 befasste Stellen, insbesondere

93

1. nach Landesrecht für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe und für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch zu bestimmende Stellen, 2. Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, 3. Pflegeeinrichtungen und Einzelpersonen nach § 77, 4. Mitglieder von Selbsthilfegruppen, ehrenamtliche und sonstige zum bürgerschaftlichen Engagement bereite Personen und Organisationen sowie 5. Agenturen für Arbeit und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dürfen Sozialdaten für Zwecke der Pflegeberatung nur verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches oder Regelungen des Versicherungsvertrags- oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes angeordnet oder erlaubt ist. (7) Die Landesverbände der Pflegekassen vereinbaren gemeinsam und einheitlich mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V., den nach Landesrecht bestimmten Stellen für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der Altenhilfe und den zuständigen Trägern der Sozialhilfe sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene Rahmenverträge über die Zusammenarbeit in der Beratung. Zu den Verträgen nach Satz 1 sind die Verbände der Träger weiterer nicht gewerblicher Beratungsstellen auf Landesebene anzuhören, die für die Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen von Bedeutung sind. Die Landesverbände der Pflegekassen vereinbaren gemeinsam und einheitlich mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. und dem zuständigen Träger der Sozialhilfe auf dessen Verlangen eine ergänzende Vereinbarung zu den Verträgen nach Satz 1 über die Zusammenarbeit in der örtlichen Beratung im Gebiet des Kreises oder der kreisfreien Stadt für den Bereich der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe. Für Modellvorhaben nach § 123 kann der

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Antragsteller nach § 123 Absatz 1 die ergänzende Vereinbarung für den Geltungsbereich des

94

Modellvorhabens verlangen. (8) Die Pflegekassen können sich zur Wahrnehmung ihrer Beratungsaufgaben nach diesem Buch aus ihren Verwaltungsmitteln an der Finanzierung und arbeitsteiligen Organisation von Beratungsaufgaben anderer Träger beteiligen; die Neutralität und Unabhängigkeit der Beratung sind zu gewährleisten. (9) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zum 30. Juni 2020, einen unter wissenschaftlicher Begleitung zu erstellenden Bericht vor über 1. die Erfahrungen und Weiterentwicklung der Pflegeberatung und Pflegeberatungsstrukturen nach den Absätzen 1 bis 4, 7 und 8, § 7b Absatz 1 und 2 und § 7c und 2. die Durchführung, Ergebnisse und Wirkungen der Beratung in der eigenen Häuslichkeit sowie die Fortentwicklung der Beratungsstrukturen nach § 37 Absatz 3 bis 8.

Er kann hierfür Mittel nach § 8 Absatz 3 einsetzen.

§

 7b Beratungsgutscheine: (1) Die Pflegekasse hat dem Versicherten unmittelbar nach Eingang eines erstmaligen Antrags auf Leistungen nach diesem Buch oder des erklärten

Bedarfs einer Begutachtung zur Fest-stellung der Pflegebedürftigkeit oder weiterer Anträge auf Leistungen nach den §§ 36 bis 38a, 40 Absatz 1 und 4, den §§ 40b, 41 bis 43, 44a, 45, 45e, 87a Absatz 2 Satz 1 und § 115 Absatz 4 entweder 1. unter Angabe einer Kontaktperson einen konkreten Beratungstermin anzubieten, der spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang durchzuführen ist, oder 2. einen Beratungsgutschein auszustellen, in dem Beratungsstellen benannt sind, bei denen er zu Lasten der Pflegekasse innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang eingelöst werden kann; § 7a Absatz 4 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden. Dabei ist ausdrücklich auf die Möglichkeiten des individuellen Versorgungsplans nach § 7a hinzuweisen und über dessen Nutzen aufzuklären. Die Sätze 1 bis 4 finden auch Anwendung bei der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach den §§ 39, 40 Absatz 2, § 45a Absatz 4 und § 45b.“ Die Beratung richtet sich nach § 7a. Auf Wunsch des Versicherten hat die Beratung in der häuslichen Umgebung stattzufinden und kann auch nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist durchgeführt werden; über diese Möglichkeiten hat ihn die Pflegekasse aufzuklären. (2) Die Pflegekasse hat sicherzustellen, dass die Beratungsstellen die Anforderungen an die Beratung nach § 7a einhalten. Die Pflegekasse schließt hierzu allein oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen vertragliche Vereinbarungen mit unabhängigen und neutralen Beratungsstellen, die insbesondere Regelungen treffen für 2. die Haftung für Schäden, die der Pflegekasse durch fehlerhafte Beratung entstehen, und 3. die Vergütung. 4. (2a) Sofern kommunale Gebietskörperschaften, von diesen geschlossene Zweckgemeinschaften oder nach Landesrecht zu bestimmende Stellen

Kapitel IX

1. die Anforderungen an die Beratungsleistung und die Beratungspersonen,

5. für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe oder 6. für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Pflegeberatung im Sinne von § 7a erbringen, sind sie Beratungsstellen, bei denen Pflegebedürftige nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Beratungsgutscheine einlösen können; sie haben die Empfehlungen nach § 7a Absatz 3 Satz 3 zu berücksichtigen und die Pflegeberatungs-Richtlinien nach § 17 Absatz 1a zu beachten. Absatz 2 Satz 1 findet keine Anwendung. Die Pflegekasse schließt hierzu allein oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen mit den in Satz 1 genannten Stellen vertragliche Vereinbarungen über die Vergütung. Für die Verarbeitung der Sozialdaten gilt § 7a Absatz 6 entsprechend. 95

(3) Stellen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 dürfen personenbezogene Daten nur verarbeiten, soweit dies für Zwecke der Beratung nach § 7a erforderlich ist und der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter eingewilligt hat. Zudem ist der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter zu Beginn der Beratung darauf hinzuweisen, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für private Versicherungsunternehmen, die die private Pfle-

Kapitel IX

ge-Pflichtversicherung durchführen, entsprechend.

96

Kapitel X • § 8 Gemeinsame Verantwortung: Förderfähige Projekte Abs. 7 und 8 10.1 Was ändert sich? Die förderfähigen Maßnahmen nach Abs. 7 zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf sind konkretisiert und erweitert worden: Die förderfähigen Maßnahmen, die bísher nur in der Richtlinie91 ausformuliert waren, sind nun als konkrete Ziele im Gesetzestext genannt und ausdrücklich um den Punkt der Rückgewinnung von Pflege- und Betreuungspersonal erweitert worden. Lt. Begründung der Änderungsanträge gehen diese Ausweitungen der förderfähigen Maßnahmen nach Abs. 7 auf Ergebnisse der Vereinbarungen zur Konzertierten Aktion Pflege zurück, die insbesondere bei der Rückgewinnung von Mitarbeitenden eine Chance sehen, den Personalmangel in der Pflege zu bekämpfen. Die Fördermöglichkeiten dieses Programms beinhalten sowohl die (einmalige) Konzeptentwicklung wie auch die Bezuschussung von kontinuierlichen Maßnahmen wie z.B. die Kinderbetreuung in Randzeiten etc. Das Programm mit Zuschüssen von bis zu 50 % der Kosten bis zu einer jährlichen Höchstgrenze von 7.500 € pro Einrichtung (Versorgungsvertrag) läuft noch bis 2024. Aufgrund der Gesetzesänderungen wird die Richtlinie aktualisiert werden müssen. Das Programm zur Förderung der Digitalisierung nach Abs. 8 ist um zwei weitere Jahre bis Ende 2023 verlängert worden. Das Programm zur Bezuschussung von Digitalisierungsmaßnahmen wird zeitlich um zwei Jahre verlängert, es wäre eigentlich 2021 ausgelaufen. Bis Juli 2020 haben Pflegeeinrichtungen insgesamt 5.398 Anträge gestellt, es wurden ca. 21 Millionen Euro an Zuschüssen ausgezahlt. Rechnet man einmal aus, wie viele Einrichtungen antragsberechtigt Pflegedienste sowie 15.380 vollstationäre Einrichtungen und 5.352 Tagespflegen.92 Bei insgesamt ca. 35.420 Versorgungsverträgen wäre eine Zuschusssumme von ca. 425 Millionen Euro möglich. Auch wenn die Zahlen ein Jahr alt sind, zeigen sie doch, dass noch ein erheblicher Teil der Zuschüsse nicht genutzt wurde. Die Verlängerung des Programmzeitraums bis Ende 2023 schafft die Chancen, hier noch Anträge zu stellen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass auch Kosten aus der Vergangenheit (aber erst ab 2019) noch beantragt werden können. 93 Aber klar muss auch sein, dass bei 40 % Zuschuss bis 12.000 € jede Pflegeeinrichtung noch selbst 18.000 € investieren muss. Nur wer 60 % selbst aufbringen kann, erhält auch die volle Förderung. Allerdings werden alle Pflegedienste direkt und indirekt gezwungen, 91 Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 8 Absatz 7 SGB XI zur Förderung von Maßnahmen ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf vom 28.03.2019 92 Zahlen aus: 7. Pflegebericht 2020, S. 101-102 auf Basis Bundespflegestatistik 2019 93 Ausführliche Informationen in der entsprechenden finden Sie unter https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/finanzierung_und_foerderung/finanzierungs__und_foerdervorhaben.jsp.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

sind, ergibt sich folgende Rechnung: Es gab Ende 2019 lt. Bundespflegestatistik 14.688

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auf eine digitale Leistungserfassung umzustellen. Denn nur so ist es mit vertretbarem Aufwand möglich, die elektronischen Leistungsnachweise einschließlich der Beschäftigtennummer pro Einsatz/Leistung zu erfassen und dann entsprechend bereitzustellen (siehe auch Kap. 16).

10.2 Gesetzestext (7) Aus den Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung werden in den Jahren 2019 bis 2024 jährlich bis zu 100 Millionen Euro bereitgestellt, um Maßnahmen der Pflegeeinrichtungen zu fördern, die das Ziel haben, die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf für ihre in der Pflege tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern. Förderfähig sind 1. individuelle und gemeinschaftliche Betreuungsangebote, die auf die besonderen Arbeitszeiten von Pflegekräften ausgerichtet sind, 2. die Entwicklung von Konzepten für mitarbeiterorientierte und lebensphasengerechte Arbeitszeitmodelle und Maßnahmen zu ihrer betrieblichen Umsetzung, 3. die Entwicklung von Konzepten zur Rückgewinnung von Pflege- und Betreuungspersonal und Maßnahmen zu ihrer betrieblichen Umsetzung und 4. Schulungen und Weiterbildungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf sowie zu den Zielen, zu denen nach den Nummern 2 und 3 Konzepte zu entwickeln sind. Gefördert werden bis zu 50 Prozent der durch die Pflegeeinrichtung für eine Maßnahme verausgabten Mittel. Pro Pflegeeinrichtung ist höchstens ein jährlicher Förderzuschuss von 7 500

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Euro möglich. Die Landesverbände der Pflegekassen stellen die sachgerechte Verteilung der Mittel sicher. Der in Satz 1 genannte Betrag soll unter Berücksichtigung der Zahl der Pflegeeinrichtungen auf die Länder aufgeteilt werden. Antrag und Nachweis sollen einfach ausgestaltet sein. Pflegeeinrichtungen können in einem Antrag die Förderung von zeitlich und sachlich unterschiedlichen Maßnahmen beantragen. Soweit eine Pflegeeinrichtung den Förderhöchstbetrag nach Satz 4 innerhalb eines Kalenderjahres nicht in Anspruch genommen hat und die für das Land, in dem die Pflegeeinrichtung ihren Sitz hat, in diesem Kalenderjahr bereitgestellte Gesamtfördersumme noch nicht ausgeschöpft ist, erhöht sich der mögliche Förderhöchstbetrag für diese Pflegeeinrichtung im nachfolgenden Kalenderjahr um den aus dem Vorjahr durch die Pflegeeinrichtung nicht in Anspruch genommenen Betrag. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlässt im Einvernehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. nach Anhörung der Verbände der Leistungserbringer auf Bundesebene bis zum 31. März 2019 Richtlinien über das Nähere der Voraussetzungen, Ziele, Inhalte und Durchführung der Förderung sowie zu dem Verfahren zur Vergabe der Fördermittel durch eine Pflegekasse. Die 98

Richtlinien bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb eines Monats, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Richtlinienprüfung vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zu deren Eingang ist der Lauf der Frist nach Satz 12 unterbrochen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Genehmigung kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden. (8) Aus den Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung wird in den Jahren 2019 bis 2023 ein einmaliger Zuschuss für jede ambulante und stationäre Pflegeeinrichtung bereitgestellt, um digitale Anwendungen, die insbesondere das interne Qualitätsmanagement, die Erhebung von Qualitätsindikatoren, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und stationären Pflegeeinrichtungen sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Altenpflege betreffen, zur Entlastung der Pflegekräfte zu fördern. Förderungsfähig sind Anschaffungen von digitaler oder technischer Ausrüstung sowie damit verbundene Schulungen. Gefördert werden bis zu 40 Prozent der durch die Pflegeeinrichtung verausgabten Mittel. Pro Pflegeeinrichtung ist höchstens ein einmaliger Zuschuss in Höhe von 12 000 Euro möglich. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt im Einvernehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. nach Anhörung der Verbände der Leistungserbringer auf bis zum 31. März 2019 Richtlinien über das Nähere der Voraussetzungen und zu dem Verfahren der Gewährung des Zuschusses, der durch eine Pflegekasse ausgezahlt wird. Die Richtlinien bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb eines Monats, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Richtlinienprüfung vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen zusätzliche Informationen Satz 7 unterbrochen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Genehmigung kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden.

Kapitel X

und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zu deren Eingang ist der Lauf der Frist nach

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Kapitel XI • § 37.3 Beratungsbesuche per Video 11.1 Was ist neu? Beratungsbesuche nach § 37.3 können nun nicht nur in Form von Hausbesuchen durchgeführt werden, sondern auch per Video. Dabei kann im Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2024 jeder zweite Einsatz so erfolgen. Es ist allerdings der technische Standard analog der Videosprechstunde der Ärzte einzuhalten (zertifizierte Anwendung).

11.2 Videosprechstunde mit technischen Auflagen In der Pandemiezeit waren Beratungsbesuche auch im Rahmen von telefonischen Beratungen oder auch digital per Video möglich. Diese Sonderregelungen nach § 148 laufen Ende Juni 2022 aus. Neu eingeführt wird die Möglichkeit, jede zweite Beratung auch per Video durchzuführen, wenn die Pflegebedürftigen dem zustimmen und das auch wollen. Allerdings kann nicht jede Videokonferenzsoftware genutzt werden, die der Pflegedienst für andere Zwecke oder innerhalb von Verbänden nutzt. Denn der Gesetzgeber schreibt vor, dass nur Systeme genutzt werden dürfen, die auch die Ärzte oder Therapeuten nutzen. Die Vorgaben sind nach § 365 SGB V durch eine Vereinbarung zwischen der Kassensen in Abstimmung mit der für die technischen Standards und Umsetzung zuständigen gematik GmbH erstellt worden. Auf der Seite der KBV https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php findet man nicht nur die Vorgaben, sondern auch die Anbieterliste von zugelassenen Anwendungen. Ob und wie weit die Hersteller der Pflegesoftwareprogramme hier ein Zusatzmodul entwickeln und integrieren, wird man abwarten müssen. Auch stellt sich die Frage der Finanzierung: Einmalige Lizenzkosten dürften als Investitionskosten bzw. im Rahmen der Förderung digitaler Ausstattung nach § 8, Abs. 8 SGB XI refinanzierbar sein. Ob auch laufende Kosten entstehen, ist unklar. Sicherlich werden die Pflegekassen auch für die Videobesuche reduzierte Kostensätze (vergleichbar den abgesenkten Pauschalen bei der telefonischen Durchführung) anbieten. Hier wäre nur zu prüfen, inwieweit Technikkosten (zumindest laufende Lizenzkosten) hier refinanzierbar sind.

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ärztlichen Bundesvereinigung (KGV) sowie dem Bund Spitzenverband der Krankenkas-

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11.3 Gesetzestext § 37, Abs. 3 (3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen: 1. bei Pflegegrad 2 und 3 halbjährlich einmal, 2. bei Pflegegrad 4 und 5 vierteljährlich einmal. Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis ein-schließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen. (3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen. (3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch 1. einen zugelassenen Pflegedienst, 2. eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungs-

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stelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder 3. eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann. (3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflege102

graden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände

Kapitel XI

haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

103

Kapitel XII • § 39a, 40a und 40b: Digitale Pflegeanwendungen 12.1 Was ist neu? Digitale Pflegeanwendungen, wie vielleicht Erinnerungs- und Strukturierungshilfen im Tagesablauf, Anleitungen zu bestimmten Übungen etc., sind dann als digitale Pflegeanwendungen (DiPA) über die Pflegekasse refinanzierbar, wenn sie Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeit mindern oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenwirken. Weiter konkretisiert ist die Abgrenzung der DiPa von anderen digitalen Anwendungen, z. B. der Wissensvermittlung durch Pflegeeinrichtungen. Digitale Angebote nach § 40a müssen auf digitalen Technologien beruhen, die im Wesentlichen auf eigenen mobilen Endgeräten oder browserbasiert laufen. Eine technische Ausstattung mit Endgeräten ist nicht vorgesehen. Nur im Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a aufgenommene Produkte können zu Lasten der Pflegekasse (oder der Krankenkasse) genutzt werden. Eine vergleichbarer Leistungsanspruch ist auch in der Krankenversicherung über § 33a Digitale Gesundheitsanwendungen eingeführt worden. Die Nutzung der DiPa soll in einer Frist von 6 Monaten durch die Pflegekassen überprüft werden, erst dann kann eine dauerhafte Bewilligung erfolgen. Im Rahmen der Pflegeversicherung kann auch eine notwendige Anleitung/Unterstützung durch den Pflegedienst refinanziert werden (§ 39a). Allerdings beträgt der Leistungsbetrag sowohl für Unterstützungsleistungen durch den Pflegedienst als auch für die Anwendung selbst maximal 50 € pro Monat (§ 40b). Unbeschadet davon können auch zusätzliche Features in einer modular aufgebauten

12.2 Digitale Helfer für die häusliche Pflege? Die Digitalisierung wird mit Macht vorangetrieben, auch im Bereich der Hilfsmittel für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen nun neue Möglichkeiten erschlossen werden. Wie weit die heutige Generation der Pflegebedürftigen, die noch mit dem Radio aufgewachsen ist, digitale Gesundheits-Anwendungen auf dem Smartphone nutzen kann und wird, ist eine offene Frage. Die Generation danach, die schon im Alltag mit Smartphones umgegangen ist, wird sicherlich mehr Nutzen davon haben. Grundsätzlich setzt der Gesetzgeber voraus, dass der Pflegebedürftige selbst ein entsprechendes technisches Gerät einschließlich der Datenübertragungsmöglichkeiten (WLAN etc.) besitzt, mit dem dann diese Anwendungen genutzt werden können. Denn die Hardware sowie die Datentarife werden nicht finanziert.

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Pflegeanwendung privat vom Pflegebedürftigen dazu gekauft werden.

105

Zweck der digitalen Pflegeanwendungen muss sein, die Beeinträchtigung (der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten) des Pflegebedürftigen zu mindern oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Welche Angebote an digitalen Anwendungen hier zugelassen werden, ist eine offene Frage: Hier hat der Gesetzgeber aber selbst Handlungsbedarf erkannt und mit dem „Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen“, das am 18.02.22 im Bundestag beschlossen und dem der Bundesrat am 11.03. 2022 entsprechend zugestimmt hat, weitere Konkretisierungen durch die Einfügung des Absatzes 1a vorgenommen.94 Zunächst ist der Verordnungsrahmen dahin gehend ausgeweitet, dass nur eine der in Abs. 1 genannten Bedingungen (Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder Beeinträchtigung der Fähigkeiten oder einer Verschlimmerung entgegenwirken) erfüllt sein muss. Weiterhin wird im neuen Abs. 1a konkretisiert, das Anwendungen zum allgemeinen Lebensbedarf oder Lebensführung genauso wenig als DiPa zugelassen werden können wie Anwendungen zur Arbeitsorganisation der Pflegedienste oder zur Wissensvermittlung, Information, Kommunikation oder allgemein der Beratung. Das ist wie in der Gesetzesbegründung beschrieben eine notwendige Klarstellung, die sich aus den bisherigen Antragsverfahren ergeben hat. Eine weitere Neuerung ist durch das Pflegebonusgesetz eingeführt worden. Nun muss nach der erstmaligen Bewilligung im Zeitraum von 6 Monaten überprüft werden, ob die DiPa genutzt wird und die Versorgungsziele erreicht werden. Die Prüfung kann lt. Begründung auch telefonisch oder in anderer Form (denkbar wäre Fragebogen) erfolgen, der Versicherte hätte hier ein Wahlrecht.95 Dazu kommt, dass die Generation der heute zu Pflegenden noch nicht mit Smartphones und dem Internet aufgewachsen ist und daher keinen selbstverständlichen Umgang mit der Technik hat. Die Nutzung durch die Pflegebedürftigen selbst dürfte auch

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deshalb eine begrenzte Kundenzahl betreffen. Die Unterstützung bei der Nutzung von Anwendungen durch Pflegedienste ist auch deshalb schwierig, weil die Refinanzierung von insgesamt 50  € für die Anwendung (§ 40a/b) sowie Dienstleistungen (§ 39a) zusammen als Monatsbetrag definiert ist. Während eine DiPA monatlich bezahlt werden kann (Softwarenutzung), dürfte der Aufwand für die Nutzung gerade in der Hilfestellung bei der Installation und der Einführung in die erste Benutzung liegen. Das heißt, anfangs benötigt man mehr Zeit und später weniger. Das lässt sich aber mit der bisherigen Definition als Monatspauschale, die auch nicht angespart werden kann, nicht realisieren. Allerdings ist das Monatsbudget von 50 € monatlich immer ausschöpfbar, auch wenn die Anteile für die Softwarenutzung und die Unterstützungsleistungen variieren. Dabei sind es für die Softwarenutzung Kostenerstattungssprüche, die zunächst vom Pflegebedürftigen vorfinanziert werden sollen, während der Pflegedienst seine Dienstleistung als Sachleistung direkt mit den Pflegekassen abrechnet. 94 Bt-Drs. 20/734 vom 16.02.2022 95 BT-Drs. 20/1909 (Vorabfassung), zu § 40a, S. 64

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Wegen der neuen Änderungen im Februar 2022 sollte man bei Interesse die ausgewiesene Bundestags-Drucksache mit lesen! Hier hat der Gesetzgeber etwas unbedingt gewollt, aber die Umsetzung wirft mehr Fragen auf und wird dazu führen müssen, dass hier gesetzliche Vorschriften nachgebessert werden. Als Dienstleistungsbereich für Pflegedienste dürfte dieser Bereich mittelfristig keine große Rolle spielen!

12.3 Gesetzestext

§

 39a Ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen: Pflegebedürftige haben bei der Nutzung digitaler Pflegeanwendungen im Sinne des § 40a

Anspruch auf ergänzende Unterstützungsleistungen, deren Erforderlichkeit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 78a Absatz 5 Satz 6 festgestellt hat, durch nach diesem Buch zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen. Der Anspruch setzt voraus, dass die ergänzende Unterstützungsleistung für die Nutzung der digitalen Pflegeanwendung im Einzelfall erforderlich ist.

§

 40a Digitale Pflegeanwendungen: (1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Anwendungen, die wesentlich auf digitalen Technologien beruhen und von den

Pflegebedürftigen oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen mit Angehörigen, sonstigen ehrenamtlich Pflegenden oder zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen genutzt werden, um Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu mindern oder einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken, soweit anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten ist (digitale Pflegeanwendungen). (1a) Digitale Pflegeanwendungen im Sinne des Absatzes 1 sind auch solche Anwendungen, die pflegende Angehörige oder sonstige ehrenamtlich Pflegende in den in § 14 Absatz 2

Kapitel XII

die Anwendung nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder

genannten Bereichen oder bei der Haushaltsführung unterstützen und die häusliche Versorgungssituation des Pflegebedürftigen stabilisieren. Keine digitalen Pflegeanwendungen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere Anwendungen, deren Zweck dem allgemeinen Lebensbedarf oder der allgemeinen Lebensführung dient, sowie Anwendungen zur Arbeitsorganisation von ambulanten Pflegeeinrichtungen, zur Wissensvermittlung, Information oder Kommunikation, zur Beantragung oder Verwaltung von Leistungen oder andere digitale Anwendungen, die ausschließlich auf Auskunft oder Beratung zur Auswahl und Inanspruchnahme von Sozialleistun-gen oder sonstigen Hilfsangeboten ausgerichtet sind.

107

(1b) Sofern digitale Pflegeanwendungen nach den geltenden medizinprodukterechtlichen Vorschriften Medizinprodukte sind, umfasst der Anspruch nur digitale Pflegeanwendungen, die nach § 33a Absatz 2 des Fünften Buches Medizinprodukte mit niedriger Risikoklasse sind. (2) Der Anspruch umfasst nur digitale Pflegeanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 aufgenommen sind. Die Pflegekasse entscheidet auf Antrag des Pflegebedürftigen über die Notwendigkeit der Versorgung des Pflegebedürftigen mit einer digitalen Pflegeanwendung. Die erstmalige Bewilligung ist zu befristen. Die Befristung darf höchstens sechs Monate betragen. Innerhalb der Frist hat die Pflegekasse eine Prüfung vorzunehmen und eine unbefristete Bewilligung zu erteilen, wenn die Prüfung ergibt, dass die digitale Pflegeanwendung genutzt und die Zwecksetzung der Versorgung mit der digitalen Pflegeanwendung gemäß Absatz 1 bezogen auf die konkrete Versorgungssituation erreicht wird. Die Pflegekasse darf dazu die pflegebedürftige Person befragen. Ein erneuter Antrag ist nicht erforderlich. Entscheiden sich Pflegebedürftige für eine digitale Pflegeanwendung, deren Funktionen oder Anwendungsbereiche über die in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 aufgenommenen digitalen Pflegeanwendungen hinausgehen oder deren Kosten die Vergütungsbeträge nach § 78a Absatz 1 Satz 1 übersteigen, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. Über die von ihnen zu tragenden Mehrkosten sind die Pflegebedürftigen von den Pflegekassen vorab in schriftlicher Form oder elektronisch zu informieren. (3) Ansprüche nach anderen Vorschriften dieses Buches bleiben unberührt. (4) Die Hersteller stellen den Anspruchsberechtigten digitale Pflegeanwendungen barrierefrei im Wege elektronischer Übertragung über öffentlich zugängliche Netze, auf maschinell lesbaren

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Datenträgern oder über digitale Vertriebsplattformen zur Verfügung.

§

 40b Leistungsanspruch beim Einsatz digitaler Pflegeanwendungen: Bewilligt die Pflegekasse die Versorgung mit einer digitalen Pflegeanwendung, hat die pflegebedürfti-

ge Person Anspruch auf die Erstattung von Aufwendungen für digitale Pflegeanwendungen nach § 40a sowie auf Leistungen für die Inanspruchnahme von ergänzenden Unterstützungsleistungen ambulanter Pflegeeinrichtungen nach § 39a bis zur Höhe von insgesamt 50 Euro im Monat.

§

 78a Verträge über digitale Pflegeanwendungen und Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen, Verordnungsermächtigung: (1) Der Spitzenverband Bund der Pfle-

gekassen vereinbart im Einvernehmen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe mit dem Hersteller einer digitalen Pflege-

108

anwendung innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der digitalen Pflegeanwendung in das Verzeichnis nach Absatz 3 einen Vergütungsbetrag sowie technische und vertragliche Rahmenbedingungen für die Zurverfügungstellung der digitalen Pflegeanwendungen nach § 40a Absatz 4. Die Vereinbarungen gelten ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen. Kommt innerhalb der Frist nach Satz 1 keine Einigung zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 134 Absatz 3 des Fünften Buches mit der Maßgabe, dass an die Stelle der zwei Vertreter der Krankenkassen zwei Vertreter der Pflegekassen und an die Stelle der zwei Vertreter der Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen zwei Vertreter der Hersteller von digitalen Pflegeanwendungen treten. An den Sitzungen der Schiedsstelle können anstelle der Vertreter der Patientenorganisationen nach § 140f des Fünften Buches Vertreter der maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen nach § 118 beratend teilnehmen. Der Hersteller übermittelt dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen zur Vorbereitung der Verhandlungen unverzüglich 1. den Nachweis nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 3 und 2. die Angaben zur Höhe des tatsächlichen Preises bei Abgabe an Selbstzahler und in anderen europäischen Ländern. Die Hersteller digitaler Pflegeanwendungen stellen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach Aufnahme in das Verzeichnis nach Absatz 3 einen kostenfreien und auf drei Monate beschränkten Zugang zu den digitalen Pflegeanwendungen zur Verfügung. (2) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen trifft im Einvernehmen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hersteller von digitalen Pflegeanwendungen auf Bundesebene eine Rahmenden Grundsätzen der technischen und vertraglichen Rahmenbedingungen für die Zurverfügungstellung der digitalen Pflegeanwendungen. Kommt innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach Absatz 6 eine Rahmenvereinbarung nicht zustande, setzen die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle nach Absatz 1 Satz 3 innerhalb von

Kapitel XII

vereinbarung über die Maßstäbe für die Vereinbarungen der Vergütungsbeträge sowie zu

drei Monaten die Rahmenvereinbarung im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie den in Satz 1 genannten Verbänden auf Antrag einer Vertragspartei und im Einvernehmen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe fest. (3) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt ein barrierefreies Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen. § 139e Absatz 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gilt entsprechend. (4) Die Aufnahme in das Verzeichnis nach Absatz 3 erfolgt auf elektronischen Antrag des Herstellers einer digitalen Pflegeanwendung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin109

produkte. Der Hersteller hat die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite bereitgestellten elektronischen Antragsformulare zu verwenden. Der Hersteller hat dem Antrag Nachweise darüber beizufügen, dass die digitale Pflegeanwendung 1. die in der Rechtsverordnung nach Absatz 6 Nummer 2 geregelten Anforderungen an die Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität erfüllt, 2. die Anforderungen an den Datenschutz erfüllt und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleistet und 3. im Sinne der Rechtsverordnung nach Absatz 6 Nummer 2 einen pflegerischen Nutzen aufweist. Die Qualität einer digitalen Pflegeanwendung im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 bemisst sich insbesondere nach folgenden Kriterien: 1. Barrierefreiheit, 2. altersgerechte Nutzbarkeit, 3. Robustheit, 4. Verbraucherschutz, 5. Qualität der pflegebezogenen Inhalte und 6. Unterstützung der Pflegebedürftigen, Angehörigen und zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen bei der Nutzung der digitalen Pflegeanwendung. Auch wenn die digitale Pflegeanwendung einen zusätzlichen pflegerischen Nutzen aufweist oder eine andere Funktionalität beinhaltet, die nicht in das Verzeichnis nach Absatz 3 aufgenommen wurde, darf der Hersteller für zusätzliche Funktionalitäten oder mehrfach zur Nutzung abgegebene digitale Pflegeanwendungen keine höheren als die nach Absatz 1 vereinbarten Vergütungsbeträge verlangen. Auch wenn die digitale Pflegeanwendung mehrfach zur Nutzung abgerufen wird oder eine andere Funktion beinhaltet, die nicht in das Verzeichnis nach Absatz 3 aufgenommen wurde, steht dem Hersteller für die digitale

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Pflegeanwendung kein höherer als der nach Absatz 1 vereinbarte Vergütungsbetrag zu. Eine Differenzierung der Vergütungsbeträge nach Absatz 1 nach Kostenträgern ist nicht zulässig. (5) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte entscheidet über den Antrag des Herstellers innerhalb von drei Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen durch Bescheid in begründeten Einzelfällen kann die Frist um bis zu weitere drei Monate verlängert werden. Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, fordert ihn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf, den Antrag innerhalb von einer Frist von drei Monaten zu ergänzen. Liegen nach Ablauf der Frist keine vollständigen Antragsunterlagen vor, ist der Antrag abzulehnen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte berät die Hersteller digitaler Pflegeanwendungen zu den Antrags- und Anzeigeverfahren sowie zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Versorgung mit der jeweiligen digitalen Pflegeanwendung nach den §§ 40a und 40b zu Lasten der Pflegeversicherung erbracht werden kann. Im Übrigen gilt § 139e Absatz 6 bis 8 des Fünften Buches entsprechend. 110

In seiner Entscheidung stellt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte fest, welche ergänzenden Unterstützungsleistungen für die Nutzung der digitalen Pflegeanwendung erforderlich sind, und informiert die Vertragsparteien nach § 75 Absatz 1, die an Rahmenverträgen über ambulante Pflege beteiligt sind, zeitgleich mit der Aufnahme der digitalen Pflegeanwendung in das Verzeichnis nach Absatz 3 hierüber. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte informiert unverzüglich den Spitzenverband Bund der Pflegekassen über die Aufnahme einer digitalen Pflegeanwendung in das Verzeichnis nach Absatz 3. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen informiert unverzüglich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über den nach Absatz 1 vereinbarten Vergütungsbetrag. (6) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu regeln zu 1. den Inhalten des Verzeichnisses, dessen Veröffentlichung, der Interoperabilität des elektronischen Verzeichnisses mit elektronischen Transparenzportalen Dritter und der Nutzung der Inhalte des Verzeichnisses durch Dritte, 2. den Anforderungen an die Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität einschließlich der Anforderungen an die Interoperabilität, der Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit und dem pflegerischen Nutzen, 3. den anzeigepflichtigen Veränderungen der digitalen Pflegeanwendung einschließlich deren Dokumentation, 4. den Einzelheiten des Antrags- und Anzeigeverfahrens sowie des Formularwesens beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 5. dem Schiedsverfahren nach Absatz 1 Satz 3, insbesondere der Bestellung der Mitglieder der Schiedsstelle nach Absatz 1 Satz 3, der Erstattung der baren Auslagen und der Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsstelle nach Absatz 1 Satz 3, Vertreter der Organisationen, die für die Wahrnehmung der Interessen der Pflegebedürftigen maßgeblich sind, an den Sitzungen der Schiedsstelle nach Absatz 1 Satz 3 sowie der Verteilung der Kosten, 6. den Gebühren und Gebührensätzen für die von den Herstellern zu tragenden Kosten und

Kapitel XII

dem Verfahren, dem Teilnahmerecht des Bundesministeriums für Gesundheit, sowie der

Auslagen. (7) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik legt im Einvernehmen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und im Benehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erstmals bis zum 31. Dezember 2021 und dann in der Regel jährlich die von digitalen Pflegeanwendungen nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 zu gewährleistenden Anforderungen an die Datensicherheit fest. § 139e Absatz 10 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gilt entsprechend.

111

(8) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte legt im Einvernehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erstmals bis zum 31. März 2022 und dann in der Regel jährlich die Prüfkriterien für die von Herstellern einer digitalen Pflegeanwendung nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 nachzuweisende Erfüllung der Anforderungen an den Datenschutz fest. § 139e Absatz 11 Satz 2 des Fünften Buches gilt entsprechend. (9) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt über das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Deutschen Bundestag jährlich, erstmals zum 1. Februar 2024, einen barrierefreien Bericht vor. Der Bericht enthält Informationen über die Inanspruchnahme der Leistungen nach den §§ 39a und 40a, insbesondere dazu, wie viele Pflegebedürftige der jeweiligen Pflegegrade Leistungen in Anspruch genommen haben und welche Mittel die Pflegekassen dafür verausgabt haben. Das Bundesministerium für Gesundheit

Kapitel XII

kann weitere Inhalte des Berichts in der Verordnung nach Absatz 6 festlegen.

112

Kapitel XIII • § 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen 13.1 Was ändert sich? Nun gehören zum Angebot an Schulungskursen der Pflegekassen auch Angebote auf digitaler Basis. Allerdings ersetzen diese digitalen Angebote keinesfalls die bisherigen (analogen) Schulungsangebote vor Ort oder die individuelle Schulung in der eigenen Häuslichkeit. Ausdrücklich weist der Gesetzgeber darauf hin, dass digitale Angebote nicht die Pflicht der Pflegekassen ersetzen, in zumutbarer, erreichbarer Nähe Schulungsangebote vor Ort durchzuführen. Soweit es hier Lücken gibt, sind diese, auch in Kooperation der Pflegekassen untereinander, zu schließen.96 Bei den digitalen Angeboten dürften die klassischen Standardthemen rund um die ambulante Pflege im Vordergrund stehen. Hier ist zu vermuten, dass die Pflegekassen solche Angebote primär selbst gestalten und zentral durchführen, sei es mit fertigen Videos oder auch mit zentralen Webinaren etc. So können sie ihre Marke stärken und sich von anderen Pflegekassen abgrenzen. Daher dürften diese Leistungsmöglichkeiten kein Arbeitsfeld der Pflegedienste werden. Anders sieht es aus bei den (immer auch ergänzenden) Schulungen vor Ort, die ausdrücklich weiterhin möglich, nötig und sinnvoll sind. Gut vorstellbar ist auch eine Kombination: Erst eine ‚theoretische‘ Schulung im Onlinekurs und dann die praktische Einweisung bei seinem speziellen Pflegebedürftigen, den man betreuen will. Vor Ort sind natürlich viele Bedingungen anders, auch der Pflegebe-

13.2 Gesetzestext

§

 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen: (1) Die Pflegekassen haben für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit in-

teressierte Personen unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern und ihrer Entstehung vorzubeugen. Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Auf Wunsch der Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person findet die Schulung auch in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen statt. § 114a Absatz 3a gilt entsprechend. Die Pflegekassen sollen auch digitale Pflegekurse anbieten; die Pflicht der Pflegekassen zur Durchführung von Schulungskursen nach Satz 1 vor Ort bleibt unberührt.

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dürftige verhält sich oftmals anders als die Puppe im Kurs-Bett oder im Onlineseminar.

96 Siehe DVPMG: Bt-Drs. 19/20384, Vorabfassung: S. 208

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(2) Die Pflegekasse kann die Kurse entweder selbst oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen durchführen odergeeignete andere Einrichtungen mit der Durchführung beauftragen. (3) Über die einheitliche Durchführung sowie über die inhaltliche Ausgestaltung der Kurse können die Landesverbände der Pflegekassen Rahmenvereinbarungen mit den Trägern der

Kapitel XIII

Einrichtungen schließen, die die Pflegekurse durchführen.

114

Kapitel XIV • § 125 Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege 14.1 Was ändert sich? Der Gesetzgeber hat Modellversuche zur Telepflege eingeführt, die im Zeitraum 2022 bis 2024 durchgeführt und über Mittel nach § 8 Abs. 3 erfolgen. In der Gesetzesbegründung hat der Gesundheitsausschuss, der diese Leistung in das Gesetz aufgenommen hat, folgende inhaltliche Beschreibung und Abgrenzung der Telepflege zu anderen digitalen Anwendungen vorgenommen: „Telepflege im Sinne dieser Regelung ist der Austausch von Informationen im Rahmen des Pflegeprozesses unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Überbrückung einer zeitlichen oder räumlichen Distanz durch beruflich Pflegende mit – pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen, – anderen beruflich Pflegenden und – weiteren professionellen Akteuren (zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten, Ergo-, Logo- oder Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Apothekerinnen und Apothekern etc.). Der Schwerpunkt sollte insbesondere auf Leistungen liegen, die unter überwiegender Verantwortung beruflich Pflegender gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen professionellen Akteuren erbracht werden. Telepflege unterscheidet sich von den digitalen Pflegeanwendungen und der ergänzenden Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen dahingehend, dass bei den digitalen Pflegeanwendungen und den Unterstützungsleistungen die Software-Leistung im Vordergrund steht. Bei Telepflege Einzelfall können Überschneidungen zur Telepflege nicht ausgeschlossen werden. Telepflegerische Ansätze verfügen über ein großes Potenzial, Pflegepersonal vor allem im ambulanten Bereich zu entlasten und Pflegebedürftige sowie ihre Angehörigen zu unterstützen. Im Rahmen des Modellvorhabens sollen deshalb wissenschaftlich gestützt die Potenziale der Telepflege in der pflegerischen Versorgung in der häuslichen Krankenpflege und in der Langzeitpflege vorrangig in und mit ambulanten Pflegediensten erforscht, erprobt und entwickelt werden. Die zu untersuchenden, zu erprobenden oder zu entwickelnden Ansätze der Telepflege sollen das Pflegepersonal und die Pflegebedürftigen vorrangig bei der körperbezogenen Selbstversorgung (Waschen, Nahrungsaufnahme, Toilettengang, Fortbewegung, Mobilisation), beim Umgang mit psychischen und anderen Verhaltensauffälligkeiten sowie bei der Teilnahme an sozialen Aktivitäten unterstützen.“97

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ist es eine pflegerische Dienstleistung, die von beruflich Pflegenden erbracht wird. Im

97 BT-Dr. 19/29384, Vorabfassung, S. 210-211

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14.2 Bewertung Die durch die Corona-Pandemie massiv beschleunigte Entwicklung und Nutzung digitaler Möglichkeiten, wie z.B. die Einführung von digitalen Arztkontakten (Videosprechstunde), wird auch für die Pflege und insbesondere für die ambulante Pflege neue Möglichkeiten erschließen. Da es bei der hier beschriebenen Telepflege primär um den Austausch von Informationen geht, kann hier beispielsweise auch eine digitale Visite gemeint sein, bei dem die Pflegemitarbeitenden vor Ort beim Pflegebedürftigen sind und beispielsweise die freigelegte Wunde dann direkt online mit dem verordnenden Arzt besprechen. Eine Beteiligung an solchen Modellvorhaben könnte insbesondere in der Wundversorgung sinnvoll und nutzbringend sein. Bei anderen Themenfeldern wird es schon schwieriger, über digitale Konsultationen hinaus konkrete Nutzen zu entdecken. Allerdings gab es schon viele Modellversuche im Rahmen von Telemedizin, wie AGnES (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention), die bis 2008 durchgeführt wurden und positive Ergebnisse erzielten.98 Trotz dieser und anderer Erfahrungen hat erst die Pandemie dazu geführt, dass auch insbesondere auf der Seite der Ärzte die Telemedizin und deren Nutzen, wie Videosprechstunde, in deren Blickfeld gerät. Das dürfte sicherlich auch mit veränderten gesetzlichen Grundlagen und Abrechnungsmöglichkeiten für die Ärztinnen und Ärzte zu tun haben.

14.3 Gesetzestext

§

 125a Modellvorhaben zur Erprobung von Telepflege: Für eine wissenschaftlich gestützte Erprobung von Telepflege zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung von

Kapitel XIV

Pflegebedürftigen werden aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung zehn Millionen Euro im Zeitraum von 2022 bis 2024 zur Verfügung gestellt. Für die Förderung gilt § 8 Absatz 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Planung des Modellvorhabens im Benehmen mit den Verbänden der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, geeigneten Verbänden der Digitalwirtschaft sowie der Gesellschaft für Telematik erfolgt.

98 Aus: Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/archiv/62886/AGnES, Stand 02.08.2021

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Kapitel XV • § 293 SGB V: Kennzeichen für Leistungsträger und Leistungserbringer, Abs. 8 15.1 Was ist neu? Alle Pflegekräfte, die in der ambulanten Pflege Leistungen der Behandlungspflege, der Intensivpflege und/oder Sachleistungen im Sinne § 36 SGB XI erbringen, müssen ab August 2022 an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Sitz in Bonn mit ihren Daten von der Pflegeeinrichtung gemeldet werden: Dazu gehört neben dem Namen die Berufsausbildung sowie mögliche Zusatzausbildungen, der jeweilige Arbeitgeber einschließlich Beginn- und Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Alle diese Angaben müssen aktuell nachgemeldet werden, wenn es Veränderungen gibt. Ab 2023 ist die Beschäftigtennummer bei der Abrechnung von Leistungen (über den Leistungsnachweis) zu verwenden, siehe Regelungen §§ 302 SGB V sowie § 105 SGB XI.

15.2 Praktische Folgen Ab August 2022 werden alle ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste ihr Personal beim zuständigen Bundesinstitut melden einschließlich jeder Änderung. Die Meldungen dürften dauerhaft sinnvollerweise über die Personalabrechnungssoftware oder über die Pflegeplanungssoftware generiert werden können/müssen. In der Konsequenz werden fehlerhafte Angaben ganz praktische Folgen für die Abrechnung von Leistungen haben: abgerechnet, werden diese Leistungen automatisch aussortiert und nicht bezahlt! Die Nummer erlaubt eine direkte Nachverfolgbarkeit, welcher Beschäftigte in der ambulanten Pflege und Versorgung zu welchem Zeitpunkt welche Leistung erbracht hat. Das ist das Hauptziel der Beschäftigtennummer, wie man in der Begründung des Gesundheitsausschusses zum PDSG nachlesen kann: „Die Angaben dienen der Transparenz und sind für eine effektive und effiziente Abrechnungsprüfung erforderlich“99. Zurzeit finden sich auf der Internetseite des BfArM noch keinerlei Hinweise auf die neuen Aufgaben, die der Gesetzgeber dem Bundesinstitut zugedacht hat. Allerdings ist auch noch bis zum Jahresende 2021 Zeit, hier die Strukturen und Grundlagen aufzubauen. Lt. Meldung auf der Internetplattform des BfArM wird das Verzeichnis zurzeit aufgebaut, weitere Informationen sind noch nicht erhältlich. 100Die Nutzung der Nummer in Leis-

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Werden z.B. Leistungen mit den Pflegekassen mit unbekannten Beschäftigtennummern

99 BT-DRs. 19/20708, Vorabfassung: S. 181 100 https://www.bfarm.de/DE/Das-BfArM/Aufgaben/BeVaP/_artikel.html, Stand 19.03.2022

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tungsnachweisen für ambulante Pflegeleistungen ist erst verpflichtend ab 2023 vorgesehen, vorher wird es auch aus technischen Gründen sicherlich nicht umgesetzt sein.

15.3 Gesetzestext (8) Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte errichtet bis zum 31. Dezember 2021 im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und den für die Wahrnehmung der Interessen der Träger von ambulanten Pflegediensten und Betreuungsdiensten nach § 71 Absatz 1a des Elften Buches maßgeblichen Vereinigungen auf Bundesebene ein bundesweites Verzeichnis der ambulanten Leistungserbringer, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 Satz 1 abgeschlossen haben, oder bei denen es sich um zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 72 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches handelt, der Personen, die durch die in Nummer 1 genannten Leistungserbringer beschäftigt sind und häusliche Krankenpflege nach § 37, außerklinische Intensivpflege nach § 37c oder Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 Absatz 1 des Elften Buches erbringen, sowie der Pflegekräfte, mit denen die Pflegekassen Verträge nach § 77 Absatz 1 des Elften Buches abgeschlossen haben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte legt hierbei für jede in das Verzeichnis aufzunehmende Person nach Satz 1 Nummer 2 und Pflegekraft nach Satz 1 Nummer 3 eine Beschäftigtennummer fest. Die Beschäftigtennummer folgt in ihrer Struktur der Arztnummer nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 1. Das Verzeichnis nach Satz 1 enthält für die Personen nach

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Satz 1 Nummer 2 und für die Pflegekräfte nach Satz 1 Nummer 3 folgende Angaben:

118

1. die Beschäftigtennummer (unverschlüsselt), 2. den Vornamen und den Namen, 3. das Geburtsdatum, 4. die Bezeichnung der abgeschlossenen Berufsausbildungen und das Datum des jeweiligen Abschlusses sowie 5. die Bezeichnung abgeschlossener Zusatzqualifikationen und das Datum des jeweiligen Abschlusses. Für die Personen nach Satz 1 Nummer 2 enthält das Verzeichnis zusätzlich zu den Angaben nach Satz 4 1. das Kennzeichen des Arbeitgebers oder des Trägers des Leistungserbringers nach Satz 1 Nummer 1,

2. das Kennzeichen des Leistungserbringers nach Satz 1 Nummer 1, in dem die Person beschäftigt ist, oder, wenn ein solches nicht vorhanden ist, ersatzweise die Anschrift des Leistungserbringers, bei dem die Person beschäftigt ist, und 3. den Beginn und das Ende der Tätigkeit beim Leistungserbringer nach Nummer 2. Für die Pflegekräfte nach Satz 1 Nummer 3 enthält das Verzeichnis zusätzlich zu den Angaben nach Satz 4 1. die Anschrift der Pflegekraft und 2. den Beginn und das Ende des mit der Pflegekasse geschlossenen Vertrages. Die Leistungserbringer, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 Satz 1 oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen Verträge nach § 132l Absatz 5 abgeschlossen haben oder bei denen es sich um zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 72 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches handelt, und die Pflegekräfte nach Satz 1 Nummer 3 sind verpflichtet, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ab dem 1. August 2022 die Angaben nach Satz 4 Nummer 2 bis 5 und den Sätzen 5 und 6 zu übermitteln sowie unverzüglich jede Veränderung dieser Angaben mitzuteilen. Die Kosten für die Führung des Verzeichnisses trägt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellt den Kranken- und Pflegekassen die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nach diesem und nach dem Elften Buch erforderlichen Angaben aus dem Verzeichnis zur Verfügung; für andere Zwecke dürfen die Angaben nicht verwendet werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellt den in Satz 7 genannten Leistungserbringern und den Pflegekräften nach Satz 1 Nummer 3 die Beschäftigtennummer zur Verfügung. Die Beschäftigtennummer ist spätestens ab dem 1. Januar 2023 für die Abrechnung der von der Person nach Satz 1 Nummer 2 oder der Pflegekraft nach Satz 1 Nummer

Kapitel XV

3 erbrachten Leistungen zu verwenden.

119

Kapitel XVI • § 302 SGB V sowie § 105 und 106a SGB XI: Abrechnung der Leistungen 16.1 Was ist neu? Mit dem PDSG 2020 hat der Gesetzgeber die Regelung zur Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen weiterentwickelt und sie wortgleich im SGB V (§ 302) und XI (§ 105) formuliert: Die Einrichtungen müssen ab 2023 auf dem Leistungsnachweis die eindeutige Beschäftigtennummer nach § 293 SGB V der Person angeben, die die Leistung erbracht hat. Mit erfolgreichem Anschluss an die (technische) Telematikinfrastruktur, der über Zuschüsse nach § 106b SGB XI finanziert wird, müssen die Abrechnungsdaten dann auf diesem Weg übermittelt werden.

16.2 Konsequenzen Nun kommt nach langen Jahren der halbdigitalen Abrechnung der ambulanten Leistungen endlich die vollständig digitale Abrechnung. Denn bisher sollten zwar die Abrechnungsdaten immer elektronisch übermittelt werden, aber die zu den Abrechnungsunterlagen zählenden Leistungsnachweise mussten oftmals auf dem Postweg übersandt werden. Durch die gesetzlichen Änderungen wird es spätestens (und vermutlich frühestens) die komplette digitale Abrechnung ab 2023 geben. Aber der Gesetzgeber hat diese nicht in Hinblick auf die Verschlankung von Abläufen und zur Entbürokratisierung eingeführt, sondern aus ganz anderen Gründen, wie man der Gesetzesbegründung entnehmen kann: notwendigen Zusammenführung der Abrechnungsdaten von mehreren Versicherten verschiedener Krankenkassen feststellen, ob die Abrechnung der Leistungen plausibel ist. Im Ergebnis können fehlerhafte Abrechnungen schneller und eindeutiger identifiziert werden. Mit der Einführung einer eindeutigen Beschäftigtennummer für Pflegekräfte (§ 293 Absatz 8 Satz 2) wird die Grundlage geschaffen, nachzuvollziehen, in welchem Umfang tatsächlich Leistungen von Personen, die in Pflege und Betreuung vor Ort tätig sind, erbracht worden sind, und ob die für die Leistungserbringung erforderliche Qualifikation gegeben ist. Damit wird den Kostenträgern der Nachweis von Fehlverhalten wie Leistungsmissbrauch und Abrechnungsbetrug erleichtert“ 101 . Allein wegen der punktuellen Betrügereien insbesondere in der Intensivpflege (wo z.B. Beschäftigte zeitgleich an verschiedenen Orten Leistungen dokumentierten oder sie nicht die richtige Qualifikation hatten) wird nun (nur) für die ambulante Pflege die total glä-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

„Nur so können die Krankenkassen bei der zur Klärung von Auffälligkeiten im Einzelfall

101 BT-Drs. 19/20708, Vorabfassung, S. 181

121

serne Abrechnung eingeführt! In der Konsequenz könnte dann der Gesetzgeber auch die verpflichtenden Abrechnungsprüfungen in den Qualitätsprüfungen nach SGB V und XI fast wieder abschaffen, denn die wesentlichen Teile dieser Prüfung (wer hat die Leistung wann erbracht und was wurde abgerechnet) erfolgt nun auf Knopfdruck elektronisch. Das heißt aber auch, jede Fehlerfassung oder jedes technische Problem muss umgehend korrigiert werden, ansonsten sind Leistungen nicht abrechenbar. Fehlende Handzeichen in der Papierdokumentation waren und sind immer ein Problem in der ambulanten Pflege, das primär auf schusselige Beschäftige zurückzuführen ist. Ob allein der Umstieg auf eine andere Technik hier zu weniger Fehlern und Lücken führt, darf bezweifelt werden: Beschäftigte schaffen es auch mit Erfassungsgeräten/Smartphones, Leistungen nicht oder zum falschen Zeitpunkt oder bei anderen Kunden zu erfassen. Nur wird jetzt die Korrektur viel aufwändiger werden, auch weil schon technisch jede nachträgliche Änderung nachvollziehbar in den Programmen dokumentiert werden muss. Die Einführung der entsprechenden Telematik-Infrastruktur ist von der Finanzierung her nach § 106b geregelt und in einer „Vereinbarung des Verfahrens zur Kostenerstattung gemäß § 106b Abs. 1 Satz 2 SGB XI in Verbindung nach § 378, Abs. 1 und 2 SGB V“ ist die Finanzierung geregelt. Hier ist Erstattung des Erwerbs der Hardwarekomponenten, der Installation sowie ein Betriebskostenzuschuss für die laufenden Kosten vereinbart und vom Ablauf her konkretisiert.102 Bevor nicht die Beschäftigtennummern verpflichtend angegeben werden müssen (also ab 2023), werden die Pflegekassen vermutlich keine elektronischen Leistungsnachweise annehmen (wollen), da diese für sie dann noch keinen Zusatznutzen (Kontrolle) ermöglichen. Pflegedienste haben also ausreichend Zeit, sich auf diesen Zeitpunkt vorzubereiten. Das heißt aber auch ganz praktisch: Ambulante Pflege ohne Datenerfassungsgeräte (im Regelfall über Smartphone-Apps der Abrechnungsprogramme) wird nicht mehr mög-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

lich sein, denn die händische Nacherfassung wird höchstens bei Intensivpflegediensten möglich sein. Bei normalen ambulanten Diensten mit Touren, die 15 oder mehr Kunden enthalten, ist dies nicht mehr händisch machbar. Es sei hier nochmal auf die Fördermöglichkeit digitaler Ausstattung nach § 8, Abs. 8 SGB XI hingewiesen, dessen Laufzeit bis Ende 2023 verlängert worden ist.

16.3 Gesetzestexte SGB V

§

  302 Abrechnung der sonstigen Leistungserbringer: (1) Die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel sowie der digitalen Gesundheitsanwendungen und die

weiteren Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer 102 Fundstelle beim GKV-Spitenverband: https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/finanzierung_und_ foerderung/finanzierungs__und_foerdervorhaben.jsp (Stand 2.8.2021)

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Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit der Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 anzugeben; bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 zu verwenden und die Höhe der mit dem Versicherten abgerechneten Mehrkosten nach § 33 Absatz 1 Satz 6 anzugeben. Bei der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c ist zusätzlich zu den Angaben nach Satz 1 die Zeit der Leistungserbringung und nach § 293 Absatz 8 Satz 11 spätestens ab dem 1. Januar 2023 die Beschäftigtennummer der Person, die die Leistung erbracht hat, anzugeben. (2) Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Richtlinien, die in den Leistungs- oder Lieferverträgen zu beachten sind. Die Leistungserbringer nach Absatz 1 können zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen Rechenzentren in Anspruch nehmen. Die Rechenzentren dürfen die ihnen hierzu übermittelten Daten für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke und nur in einer auf diese Zwecke ausgerichteten Weise verarbeiten, soweit sie dazu von einer berechtigten Stelle beauftragt worden sind; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet werden. Die Rechenzentren dürfen die Daten nach Absatz 1 den Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln, soweit diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 73 Absatz 8 und § 84 erforderlich sind. Soweit die Daten nach Absatz 1 für die Aufgabenerfüllung nach § 305a erforderlich sind, haben die Rechenzentren den Kassenärztlichen Vereinigungen diese Daten auf Anforderung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. § 300 Absatz 2 Satz 5 bis 7 gilt entsprechend. Im Rahmen der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c sind vorbe2021 ausschließlich elektronische Verfahren zur Übermittlung von Abrechnungsunterlagen einschließlich des Leistungsnachweises zu nutzen, wenn der Leistungserbringer 1. an die Telematikinfrastruktur angebunden ist, 2. ein von der Gesellschaft für Telematik nach § 311 Absatz 6 zugelassenes Verfahren zur

Kapitel XVI

haltlich des Satzes 8 von den Krankenkassen und den Leistungserbringern ab dem 1. März

Übermittlung der Daten nutzt und 3. der Krankenkasse die für die elektronische Abrechnung erforderlichen Angaben übermittelt hat. Die Verpflichtung nach Satz 7 besteht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Leistungserbringer die für die elektronische Übermittlung von Abrechnungsunterlagen erforderlichen Angaben an die Krankenkasse übermittelt hat. (3) Die Richtlinien haben auch die Voraussetzungen und das Verfahren bei Teilnahme an einer Abrechnung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Daten123

trägern sowie bis zum 31. Dezember 2020 das Verfahren bei der Verwendung von Verordnungen in elektronischer Form zu regeln. (4) Soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene in Rahmenempfehlungen oder in den Verträgen nach § 125 Regelungen zur Abrechnung der Leistungen getroffen haben, die von den Richtlinien nach den Absätzen 2 und 3 abweichen, sind die Rahmenempfehlungen oder die Verträge nach § 125 maßgeblich; dies gilt nicht für Abrechnungen nach Absatz 2 Satz 7 und 8. (5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen veröffentlicht erstmals bis zum 30. Juni 2018 und danach jährlich einen nach Produktgruppen differenzierten Bericht über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen. Der Bericht informiert ohne Versicherten- oder Einrichtungsbezug insbesondere über die Zahl der abgeschlossenen Mehrkostenvereinbarungen und die durchschnittliche Höhe der mit ihnen verbundenen Aufzahlungen der Versicherten. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt zu diesem Zweck die von seinen Mitgliedern zu übermittelnden statistischen Informationen sowie Art und Umfang der Übermittlung. (6) Sind im Rahmen der Abrechnung nach Absatz 1 Auszahlungen für Lieferungen und Dienstleistungen durch Rechnungen des Leistungserbringers als zahlungsbegründende Unterlage zu belegen, darf die Rechnung des Leistungserbringers durch eine von den Krankenkassen ausgestellte Rechnung (Gutschrift) ersetzt werden, wenn dies zuvor zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse vereinbart wurde. Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Leistungserbringer die Gutschrift schriftlich oder elektronisch zur Prüfung zu übermitteln. Widerspricht der Leistungserbringer der von der Krankenkasse übermittelten Gutschrift, verliert diese ihre Wirkung als zahlungsbegründende Unterlage. Das Nähere zu dem Verfahren nach den Sätzen 1

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

bis 3 einschließlich einer zeitlichen Begrenzung des Widerspruchsrechts der Leistungserbringer regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in seinen Richtlinien nach Absatz 2 Satz 1.

16.4 Gesetzestexte SGB XI

§

 105 Abrechnung pflegerischer Leistungen: (1) Die an der Pflegeversorgung teilnehmenden Leistungserbringer sind verpflichtet,

1. in den Abrechnungsunterlagen die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis einschließlich des Tages und der Zeit der Leistungserbringung aufzuzeichnen, 2. in den Abrechnungsunterlagen ihr Kennzeichen (§ 103), spätestens ab dem 1. Januar 2023 die Beschäftigtennummer nach § 293 Absatz 8 Satz 2 des Fünften Buches der Person, die die Leistung erbracht hat, sowie die Versichertennummer des Pflegebedürftigen anzugeben,

124

3. bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 78 zu verwenden. Vom 1. Januar 1996 an sind maschinenlesbare Abrechnungsunterlagen zu verwenden. (2) Das Nähere über Form und Inhalt der Abrechnungsunterlagen sowie Einzelheiten des Datenträgeraustausches werden vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Einvernehmen mit den Verbänden der Leistungserbringer festgelegt. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die Verbände der Leistungserbringer legen bis zum 1. Januar 2018 die Einzelheiten für eine elektronische Datenübertragung aller Angaben und Nachweise fest, die für die Abrechnung pflegerischer Leistungen in der Form elektronischer Dokumente erforderlich sind. Kommt eine Festlegung nach Satz 1 oder Satz 2 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt für Abrechnungen von Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 sowie von häuslicher Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches durch die Schiedsstelle nach § 132a Absatz 3 Satz 1 des Fünften Buches auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen oder der Verbände der Leistungserbringer bestimmt. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie bestimmt den Inhalt der Festlegung innerhalb von drei Monaten ab der Anrufung. Die Regelungen der Rahmenempfehlung nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 6 des Fünften Buches sind bei der Bestimmung durch die Schiedsstelle zu berücksichtigen. Für die elektronische Datenübertragung elektronischer Dokumente ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres Verfahren vorzusehen, das den Absender der Daten authentifiziert und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes gewährleistet. Zur Authentifizierung des Absenders der Daten können auch der elektronische Heilberufs- oder Berufsausweis nach § 339 Absatz 3 Satz 1 des Fünften Buches, die elektronische Gesundheitskarte nach § 291 des Fünften Buches sowie der elektronische Identitätsnachweis des Personalausweises genutzt werden; die zur übrigen übermittelten Daten gespeichert und verwendet werden. § 302 Absatz 2 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gilt entsprechend. (3) Im Rahmen der Abrechnung pflegerischer Leistungen nach § 105 sind vorbehaltlich des Satzes 2 von den Pflegekassen und den Leistungserbringern ab dem 1. März 2021 ausschließ-

Kapitel XVI

Authentifizierung des Absenders der Daten erforderlichen Daten dürfen zusammen mit den

lich elektronische Verfahren zur Übermittlung von Abrechnungsunterlagen einschließlich des Leistungsnachweises zu nutzen, wenn der Leistungserbringer 1. an die Telematikinfrastruktur angebunden ist, 2. ein von der Gesellschaft für Telematik nach § 311 Absatz 6 des Fünften Buches festgelegtes Verfahren zur Übermittlung der Daten nutzt und 3. der Pflegekasse die für die elektronische Übermittlung von Abrechnungsunterlagen erforderlichen Angaben übermittelt hat.

125

Die Verpflichtung nach Satz 1 besteht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Leistungserbringer die für die elektronische Übermittlung von Abrechnungsunterlagen erforderlichen Angaben an die Pflegekasse übermittelt hat.

§

 106 Abweichende Vereinbarungen: Die Landesverbände der Pflegekassen (§ 52) können mit den Leistungserbringern oder ihren Verbänden vereinbaren, dass

1. der Umfang der zu übermittelnden Abrechnungsbelege eingeschränkt, 2. bei der Abrechnung von Leistungen von einzelnen Angaben ganz oder teilweise abgesehen wird, wenn dadurch eine ordnungsgemäße Abrechnung und die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Pflegekassen nicht gefährdet werden.

§

 106b Finanzierung der Einbindung der Pflegeeinrichtungen in die Telematikinfrastruktur: (1) Zum Ausgleich

1. der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten, die den Leistungserbringern in der Festlegungs-, Erprobungs- und Einführungsphase der Telematikinfrastruktur entstehen, sowie 2. der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur entstehen, erhalten die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen ab dem 1. Juli 2020 von der Pflegeversicherung die in den Finanzierungsvereinbarungen nach § 376 Satz 1 des Fünften Buches für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte in der jeweils geltenden Fassung vereinbarten Erstattungen. Das Verfahren zur Erstattung der Kosten vereinbaren der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene bis zum 31. März 2020. (2) Die durch die Erstattung nach Absatz 1 entstehenden Kosten, soweit die ambulanten Pflegeeinrichtungen betroffen sind, tragen die gesetzlichen Krankenkassen und die soziale Pflege-

Kapitel XVI

versicherung in dem Verhältnis, das dem Verhältnis zwischen den Ausgaben der Krankenkassen für die häusliche Krankenpflege und den Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung für Pflegesachleistungen im vorangegangenen Kalenderjahr entspricht. Zur Finanzierung der den Krankenkassen nach Satz 1 entstehenden Kosten erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

126

Kapitel XVII • Thema: Übertragung von Aufgaben an die Fachpflege In Deutschland gibt es traditionell die strikte Trennung zwischen ärztlichen Vorbehaltsaufgaben und der Zuarbeit und Assistenz der Pflege. Die ärztliche Verordnungs- und Anordnungskompetenz weist der Pflege damit immer die Rolle der ausführenden Kraft zu, die auf Anordnung arbeitet. Und bei den auch im Weiteren dargestellten Diskussionen mit der Ärzteschaft scheint es viel weniger um fachliche Kompetenz zu gehen, sondern um die Angst der Ärzteschaft, etwas von ihrem Bereich abzugeben. Vielleicht geht es hier auch viel um vorhandene Gelder und die zukünftige Verteilung der ärztlichen Budgets insbesondere der Heil- und Hilfsmittel, die betroffen sein könnten, wenn die Pflege etwas selbständig macht? Neben der Budgetfrage geht es auch um die Frage der Haftung: In der bisherigen Struktur der Leistungen ordnet der Arzt die Leistungen an, die in seinem Auftrag ausgeführt werden. Verantwortlich ist aber der Arzt. Wenn die Pflegefachkräfte tatsächlich eigenständig verordnen und durchführen, müssen dann auch die Haftungsfragen neu definiert werden. Immerhin werden nun in ganz kleinen Schritten erste kleine Kompetenzen an die Fachpflege übertragen, aber wie im Gesetz abzulesen ist mit ganz vielen „Wenn’s“ und „Abers“. Man kann dies nur als erste Trippelschritte bezeichnen und als Beginn eines

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

noch langen Weges!

127

Kapitel XVIII • § 37 Häusliche Krankenpflege 18.1 Was ist neu? Neu sind die Regelungen in den Absätzen § 37, Abs. 8 -11 zur selbständigen Verordnung von bestimmten Leistungen der Häuslichen Krankenpflege. Dazu soll der Gemeinsame Bundesausschuss zunächst die Leistungen sowie den Verordnungsrahmen festlegen, innerhalb dessen entsprechend qualifizierte Pflegefachkräfte die Leistungen selbständig verordnen dürfen. Über das mögliche Ausgabevolumen soll aufgrund der differenzierten Auswertung der Daten drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen eine externe Evaluation erfolgen. Nach Erlass der HKP-Richtlinie müssen die Bundesrahmenempfehlungen nach § 132a erweitert werden um Kriterien für die (zusätzliche) Qualifikation von Pflegefachkräften, die im Rahmen der Verordnungsmöglichkeiten nach § 37 Abs. 8 handeln dürfen. Neu in den Vertragsregelungen nach § 132a, Abs. 4 der Verträge mit den Pflegediensten ist der Zusatz, dass Verträge nur mit „zuverlässigen“ Leistungserbringern geschlossen werden dürfen. Mutmaßlich wird hier vorsorglich eine weitere Möglichkeit der Vertragskündigung geschaffen, wenn die Zuverlässigkeit beispielsweise durch falsche Abrechnungen nicht mehr gegeben ist. Die weiteren Ergänzungen zu Konsequenzen bei Qualitätsmängeln, die in Prüfungen nach § 275b festgestellt wurden, ermöglichen ebenfalls Maßnahmen und Sanktionen durch die Krankenkassen. Begleitend sollen in jedem Bundesland Modellversuche zur Delegation von ärztlichen Leistungen an die Pflege durchgeführt werden, neu geregelt ist das in § 64d. Nicht neu (aber mit dem GVWG im Abs. 2a umformuliert) ist außerdem der Zuschuss der Krankenversicherung an die Pflegeversicherung zur Refinanzierung der Behandlungsschlüssel nach § 113a werden die bisher zusätzlich finanzierten Stellen nach dem alten § 8 Abs. 6 abgeschafft und im neuen Personalschlüssel aufgelöst. Die Zuschusshöhe der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 640 Mill. Euro bleibt trotzdem erhalten.

18.2 Verordnungskompetenz zum Schein? Mit viel Vorschusslorbeeren lobt sich der Gesetzgeber selbst für die neuen fachlichen Möglichkeiten, die die Pflegefachkräfte im Rahmen einer eigenständigen Verordnungskompetenz bekommen sollen: „Im Einklang mit dem als ein Ergebnis der Konzertierten Aktion Pflege begonnenen Strategieprozess zur interprofessionellen Zusammenarbeit sollen gut ausgebildete Pflegefachkräfte in der interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Berufen des Gesundheitswesens gestärkt werden und mehr Verantwortung in

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

pflegekosten im Pflegeheim. Aufgrund der Neuregelung der vollstationären Personal-

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der Versorgung übernehmen. Hierfür wird die im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Blankoverordnung“ bezeichnete Versorgung für geeignete Leistungsbereiche der häuslichen Krankenpflege in die Regelversorgung überführt.“103 Im „Ersten Bericht zum Stand der Umsetzung der Vereinbarungen der Arbeitsgruppen 1 bis 5 der Konzertierten Aktion Pflege“ 104 wird dies im Punkt 3.1 „Gestaltung neuer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche für Pflegefachpersonen“ folgendermaßen ausgeführt: „Nachdem im Frühjahr 2020 vorgesehene Workshops pandemiebedingt ausgesetzt werden mussten, hat eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Pflegeberufs- und Ärzteverbänden im Sommer 2020 erste Vorschläge zur Frage erweiterter Versorgungsbefugnisse für Pflegefachpersonen erarbeitet, die dem Expertengremium im September 2020 vorgestellt und von diesem beraten wurden. Erste Ergebnisse sollen noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich umgesetzt werden. Pflegefachpersonen sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, Aufgaben in der Versorgung selbstständiger als bisher zu übernehmen, um ihre Fachkompetenz zielgerichteter für die Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftigen einsetzen zu können und entsprechend stärker in die Versorgungsverantwortung eingebunden zu werden. Themen in den Beratungen des Strategieprozesses sind beispielsweise die Verordnung von Hilfsmitteln, aber auch die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege sowie das Wundmanagement. Im Rahmen des Strategieprozesses wird auch beraten, wie Modellvorhaben zur selbständigen, das heißt auch eigenverantwortlichen Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachpersonen einfacher und attraktiver werden und bei erfolgreicher Durchführung zügiger in der Regelversorgung ankommen können.“105 Die fachlich qualifizierte Pflege soll also unter anderem das Wundmanagement fachlich ausgestalten und mit ihrer Fachkompetenz stärker in die Versorgungsverantwortung eingebunden werden. Heraus kommt folgende Regelung, die frühestens in mutmaßlich zwei Jahren um-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

gesetzt werden kann: Für bestimmte Leistungen der Häuslichen Krankenpflege geben

130

die verordnenden (und federführenden) Ärztinnen und Ärzte einen Verordnungsrahmen (mit maximaler Dauer und Häufigkeit) vor, innerhalb dessen die Pflegefachkräfte dann selbständig entscheiden dürfen! Es ist nicht vorgesehen, dass die Pflegefachkräfte selbständig etwas verordnen, sondern nur in einem vorgegebenen Rahmen die Frequenz und Dauer selbst beurteilen dürfen. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis dies Realität wird, denn vorher müssen noch drei Schritte erfolgen: Es werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss in der HKP-Richtlinie Rahmenvorgaben für einzelne Leistungen definiert, bei denen speziell ausgebildete Pflegefachkräfte im Rahmen eines ärztlich vorgegebenen Verordnungsrahmen über Häufigkeit und Dauer

103 Bt-drs. 19(14)320.1, S. 5 104 Veröffentlicht November 2020 105 Im Bericht, Seite 51

eigenständig bestimmen können, bis die dort geregelten erneuten Arztkontakte notwendig sind. Die erweitere HKP-Richtlinie muss bis 31.07.2022 erstellt sein. Die Vertragsparteien der Bundesrahmenempfehlung nach § 132a ergänzen (danach) die Empfehlung um Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die solche Leistungen erbringen dürfen. Nach den bekannten Erfahrungen wird auch diese Ergänzung der Bundesrahmenempfehlung Zeit benötigen, ein Jahr dürfte nicht zu wenig sein. Danach müssen entsprechende Leistungen und Leistungsvergütungen in den Verträgen mit den Pflegediensten nach § 132a, Abs. 4 in den Bundesländern ausgehandelt werden. Selbst bei optimistischer Schätzung dürfte der Prozess locker zwei Jahre dauern, vorher werden keine von Pflegefachkräften verordneten Leistungen möglich sein! Noch interessanter ist, was in der Antragsbegründung zum Gesetz zu den möglichen Leistungen steht, die im Rahmen des ärztlich vorgesehenen Verordnungsrahmens eigenständig von der Pflege gesteuert/verordnet werden kann: Von der noch im KAP-Bericht erwähnten Wundversorgung ist nichts zu lesen, hier wird nur der „Positionswechsel zur Dekubitusbehandlung sowie das An- oder Ausziehen von ärztlich verordneten Kompresssionsstrümpfen/strumpfhosen oder das Anlegen oder Abnehmen eines Kompressionsverbandes“ erwähnt.106 Nun ist unklar, ob im Rahmen des Verfahrens zum Beispiel der Gemeinsame Bundesausschuss den Leistungsrahmen von möglichen Leistungen weiter ausweitet als es die Gesetzesbegründung benennt. Bei einer Ausweitung in Richtung selbständiger Wundversorgung ist nicht geklärt, welche Auswirkungen das auf das separate Budget der Heil- und Hilfsmittel der Ärzte hat. Denn bisher wird das notwendige Wundmaterial über ein definiertes und begrenztes Budget der Ärzte abgerechnet, das gedeckelt ist. Wenn die Fachpflege über die Versorgung entscheiden darf/soll, muss dieser finanzielle Aspekt auch Frage der Haftung zu klären. Solange die Pflege nur im Verordnungsrahmen der Ärzte arbeitet, liegt die Therapieverantwortung weiterhin bei diesen, nur (wie bisher auch) die Durchführungsverantwortung bei der Pflege. Sollte die Fachpflege auch selbständig über die Wundversorgung entscheiden, so muss man hier auch die Therapieverantwortung an die Pflege übertragen mit allen daraus resultierenden Folgen.

Kapitel XVIII

geklärt werden, ansonsten wird die Ärzteschaft hier nicht zustimmen. Auch ist dann die

Um die finanziellen Auswirkungen zu beurteilen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, dass die durch Pflegefachkräfte erstellten Verordnungen separat erfasst und finanziell ausgewertet und in einem externen Bericht evaluiert werden, allerdings fehlen hier Regelungen, wenn andere Kosten wie Heil- und Hilfsmittel anfallen. Die offenkundig ‚große Bereitschaft‘ der Ärzte, Leistungen in die Hände der Pflege zu legen, zeigt sich auch in der Notwendigkeit, die Ärzteschaft per Gesetz zur Durchführung von Modellversuchen zur Delegation ärztlicher Leistungen zu zwingen (siehe § 64d)! 106 A.a.o., S. 5-6

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Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die möglichen Leistungen, deren konkrete Durchführung im vorgegebenen Rahmen an Pflegefachkräfte delegiert werden kann, nicht über die in der Gesetzesbegründung genannten Leistungen ausweitet, ist dies den ganzen Aufwand nicht wert, sondern hat nur Feigenblattfunktion. Und unabhängig von einer notwendigen Leistungsausweitung: Pflegefachkräfte werden auch weiterhin nicht eigenständig Leistungen der Häuslichen Krankenpflege verordnen (dürfen), sondern sie dürfen sich nur im vorgegebenen ärztlichen Verordnungsrahmen bewegen! Faktisch bedarf es dazu des Aufwandes und der Zusatzausbildung nicht, denn schon jetzt reduzieren die Pflegefachkräfte ärztliche verordnete Leistungen, wenn sie nicht mehr in der Häufigkeit oder Umfang nötig sind, natürlich immer in Absprache mit dem zuständigen Arzt. Diese Form der „Rahmenverordnung“ ist gelebter Alltag. Ob darüber hinaus eine echte Verordnungskompetenz der Pflege gewollt ist, darf mit dieser Gesetzesänderung bezweifelt werden!

18.3 Gesetzestexte

§

 37 Häusliche Krankenpflege: (1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und

Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist. (1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend. (2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich 132

ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert. (2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

Kapitel XVIII

Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. (4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten. (5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse. 133

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. (7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen. (8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31.07.2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen. (9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

134

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen. (10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genann-

ten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

§

 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege: (1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeb-

lichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln: 1. Eignung der Leistungserbringer einschließlich Anforderungen an die Eignung zur Versorgung nach § 37 Absatz 7, 2. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung, 3. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus, 4. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung, 5. Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Verunter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch und 6. Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten und 7. Anforderungen an die Eignung der Pflegefachkräfte, die Leistungen im Rahmen einer

Kapitel XVIII

gütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge

Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbringen, sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der im Rahmen einer Versorgung nach § 37 Absatz 8 erbrachten Leistungen. Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 135

4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen. (2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest. (3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum 1. Juli 2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 6 Satz 3 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend. (4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 6 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Aus136

wahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Soweit bei einer Prüfung nach § 275b Absatz 1 Satz 1 bis 3 Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen oder die Krankenkassen nach Anhörung des Leistungserbringers, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Leistungserbringer hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann

Kapitel XVIII

die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

137

Kapitel XIX • §   64 d: Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten 19.1 Warum ist das neu? Modellversuche zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten sind bereits im Gesetz mit § 63c Abs. 3b und c SGB V möglich. Sie müssen nun verbindlich in jedem Bundesland spätestens ab 2023 durchgeführt werden. Statt diese neue gesetzliche Vorschrift selbst einzuordnen, reicht das Zitat der Gesetzesbegründung zu dieser Änderung: „Ziel der Regelung ist die modellhafte Erprobung der Wahrnehmung von bisher ärztlichen Tätigkeiten, die eine selbständige, d. h. eigenverantwortliche, Ausübung von Heilkunde beinhalten, durch Pflegefachkräfte. Dabei soll auch überprüft werden ob und wie diese Möglichkeiten für eine gute und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung nutzbar gemacht werden können. Bei der selbständigen Ausübung von ärztlichen Tätigkeiten durch Pflegefachkräfte ist die Kooperation mit weiteren an der Versorgung Beteiligten – insbesondere den Ärztinnen und Ärzten – wichtig. Daher sollen in den Modellvorhaben auch für die interprofessionelle Zusammenarbeit Erkenntnisse gewonnen und Standards entwickelt werden. Da die auf Freiwilligkeit basierende Regelung des § 63 Absatz 3c, die bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit der Erprobung der Substitution ärztlicher Tätigkeiten durch Pflegefachkräfte vorsieht, trotz der Unterstützung durch verschiedene Vereinbarungen der KAP bisher kaum genutzt wurde, werden die Verbände der Kassen auf Landesebene verpflichtet, zeitnah in jedem Bundesland mindestens ein entsprechendes Modellvorhaben durchzuführen.“107 (Auszeichnung durch Autor) zwangsweise durchsetzen, weil die Ärzteschaft dies auf freiwilliger Basis nicht umgesetzt hat! Wer hierzu Erhellendes lesen will, sei auf die Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Gesetzesentwurf verwiesen: „Die „Blankoverordnung“ von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, bei der die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die originäre Zuständigkeit und Verantwortung an Pflegekräfte abgeben würde, widerspricht grundsätzlich der vom KBV/KV – System geforderten und für sinnvoll und sachgerecht gehaltenen Delegation ärztlicher Tätigkeit, bei der die Verantwortung weiterhin bei der Verordnerin oder dem Verordner bleibt.“108 Dazu ergänzend zu lesen ist das Konzept der KBV 2025: Strukturen bedarfsgerecht anpassen – Digitalisierung sinnvoll nutzen“ vom 03.05.2021109. 107 BT-Drs. 19(14)320.1, S. 8 108 Stellungnahme der KBV zu den Änderungsanträgen GVWG vom 7. Mai 2021 109 https://www.kbv.de/media/sp/Konzept_KBV_2025.pdf; Stand 09.08.21

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Der Gesetzgeber muss Modellversuche zur Kooperation und Delegation per Gesetz

139

Selbst den schmalen Rahmen innerhalb einer Blankoverordnung an die Pflege abzugeben, ist für die organisierte Ärzteschaft offensichtlich schon zu viel. Mutmaßlich wird es bei allen diesen Diskussionen primär eher um die Finanzierung bzw. die Angst vor dem Verlust von Budgets gehen als um praktische Relevanz. Denn in der Praxis ‚überlassen‘ viele Ärzte den Pflegefachkräften die praktische Durchführung von Leistungen der Häuslichen Krankenpflege insbesondere bei der modernen Wundversorgung, allerdings ohne formale Abgabe von Kompetenz und (viel wichtiger) Geld! Weitere Änderungen werden hier vermutlich nur auf gesetzlichem Weg umzusetzen sein, wie die Anordnung der Modellversuche illustriert!

19.2 Gesetzestext

§

 64d Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten: (1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen führen

gemeinsam in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben nach § 63 zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt, auf Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 des Pflegeberufegesetzes im Wege der Vereinbarung nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach Satz 4 durch. In den Modellvorhaben sind auch Standards für die interprofessionelle Zusammenarbeit zu entwickeln. Die Vorhaben beginnen spätestens am 1. Januar 2023. Die Spitzenorganisationen nach § 132a Absatz 1 Satz 1 und die Kassenärztliche Bundesvereinigung legen in einem Rahmenvertrag die Einzelheiten bis zum 31. März 2022 fest. Der Bundespflegekammer und den Verbänden der Pflegeberufe auf Bundesebene und der Bundesärztekammer ist vor Ab-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

schluss des Rahmenvertrages Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (2) In dem Rahmenvertrag nach Absatz 1 Satz 4 ist insbesondere folgendes festzulegen: 1. ein Katalog der ärztlichen Tätigkeiten, die von Pflegefachkräften nach Absatz 1 Satz 1 unter Berücksichtigung der von der Fachkommission nach § 53 des Pflegeberufegesetzes entwickelten, standardisierten Module nach § 14 Absatz 4 des Pflegeberufegesetzes selbständig durchgeführt werden können, 2. Vereinbarungen zur ausgewogenen Berücksichtigung aller Versorgungsbereiche bei der Durchführung von Modellvorhaben, 3. einheitliche Vorgaben zur Abrechnung und zu Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit, 4. Rahmenvorgaben für die interprofessionelle Zusammenarbeit. Kommt der Rahmenvertrag nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 Satz 4 zustande, wird der Inhalt des Rahmenvertrages durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten auf Antrag einer der Vertragspartner 140

oder des Bundesministeriums für Gesundheit festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese vom Bundesamt für Soziale Sicherung bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. (3) Die Modellvorhaben sind längstens auf vier Jahre zu befristen. § 65 gilt mit der Maßgabe, dass der Evaluationsbericht einen Vorschlag zur Übernahme in die Regelversorgung enthalten muss. Nach Ablauf der Befristung und bis zur Vorlage des Evaluationsberichts können die Beteiligten nach Absatz 1 Satz 1 das Modellvorhaben auf Grundlage eines Vertrages über eine besondere Versorgung der Versicherten nach § 140a fortführen. Enthält der Evaluationsbericht einen Vorschlag, der die Übernahme in die Regelversorgung empfiehlt, können die Beteiligten nach Absatz 1 Satz 1 das Modellvorhaben im Rahmen eines Vertrages

Kapitel XIX

über eine besondere Versorgung der Versicherten nach § 140a fortführen.

141

Kapitel XX • § 40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen 20.1 Was ist neu? Bereits mit dem GPVG geregelt ist ein veränderter Ablauf im Prüf- und Bewilligungsverfahren von Pflegehilfsmitteln und wohnumfeldverbessernden Maßnahmen: Nun liegt es im Ermessen der Pflegekassen (und ist nicht mehr wie bisher verpflichtend), ob sie überhaupt die Notwendigkeit der Versorgung mithilfe einer Pflegefachkraft oder des MD überprüfen lassen oder die Leistung ohne weitere Prüfung bewilligen (z.B. weil sie aufgrund der Einstufung und der bekannten Krankheiten zu erwarten sind). Darüber hinaus sind nun in Absatz 7 Fristen zur Antragsbearbeitung analog den Fristen nach § 13, 3a SGB V eingeführt: Über Anträge ist innerhalb von drei Wochen, bei Einschaltung einer Pflegefachkraft oder des MD zur Überprüfung innerhalb von fünf Wochen zu entscheiden. Wird die Frist unbegründet überschritten, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Die Höhe der Kostenerstattung für Pflegeverbrauchsmaterialien nach § 40 Abs. 2 ist (nur) bis Ende 2021 auf 60 € pro Monat erhöht. Nach jetziger Gesetzeslage wird ab 2022 der Erstattungsbetrag auf 40 € zurückgeführt. Neu sind Regelungen zur Anerkennung der Empfehlungen von Pflegefachkräften zu doppelfunktionalen Hilfsmitteln. Die genaueren Abläufe (welche Hilfsmittel, erforderliche Fachlichkeit der Pflegefachkräfte) haben die Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen in einer Richtlinie festgelegt, die am 01.01.2022 in Kraft getreten ist. Nun können Pflegefachkräfte im Rahmen der ambulanten Leistungserbringung Empfehlungen zu doppelfunktionalen Hilfsmitteln abgeben, die für die zuständigen Kosten-

20.2 Eingeschränkter Prüfauftrag (wie SGB V) Bis Ende letzten Jahres mussten die Pflegekassen aufgrund des Gesetzeswortlautes jeden Antrag auf ein Pflegehilfsmittel oder eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme entweder durch eine Pflegefachkraft z.B. des Pflegedienstes oder durch den MD prüfen lassen. Das galt formal beispielsweise auch für Anträge auf Toilettenstühle. Nicht nur deshalb haben viele Pflegekassen auf vertragsärztliche Verordnungen bestanden, selbst wenn das Hilfsmittel eindeutig in den Leistungsbereich der Pflegeversicherung gehörte. Mit der Neuregelung haben die Pflegekassen nun einen Ermessensspielraum, der sicherlich abhängig ist von der Versorgungssituation des Pflegebedürftigen, wie er im Einstufungsgutachten dokumentiert ist und seine Ausgangsdiagnose, die zur Pflegebedürftigkeit geführt hat. Weiterhin kann (wie schon seit 1995) auch eine Pflegefachkraft

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

träger die Grundlage zur Bewilligung darstellen.

143

mit der Prüfung beauftragt werden bzw. deren fachliche Stellungnahme z.B. dokumentiert auf dem Beratungsbericht nach § 37.3 als Entscheidungsgrundlage nutzen. Erstmals werden auch Fristen zur Bearbeitung der Anträge zu Pflegehilfsmitteln definiert, die identisch zur Fristenregelung im SGB V (§ 13, 3a) sind: Die zuständigen Kostenträger müssen Anträge innerhalb von drei Wochen bearbeiten, bei Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme entweder durch eine Pflegefachkraft oder den MD verlängert sich die Frist auf bis zu fünf Wochen, vorausgesetzt der Versicherte wird darüber informiert. Halten die Kostenträger die Fristen nicht ein, gilt die beantragte Leistung als bewilligt. Wegen der identischen Regelungen sei auch auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu den Fristen nach SGB V verwiesen.110

20.3 Erweiterte Verordnungskompetenz Während in der Pflegeversicherung schon seit Beginn 1995 Pflegefachkräfte Pflegehilfsmittel zu Lasten der Pflegeversicherung fachlich beurteilen können („Verordnungskompetenz“), waren diese ‚Empfehlungen‘ im Bereich der Krankenversicherung ohne Wert. Denn hier ist in § 33 geregelt, dass Voraussetzung für die Genehmigung eine vertragsärztliche Verordnung ist111. Problematisch war und ist dies bei vielen Pflegehilfsmitteln, die sowohl dem Bereich der Krankenversicherung (Erfolg der Krankenbehandlung sichern, drohende Behinderung vorbeugen, Behinderung ausgleichen) als auch dem Bereich der Pflegeversicherung (Pflege erleichtern, Beschwerden lindern, selbständige Lebensführung ermöglichen) zugeordnet werden können doppelfunktionalen Hilfsmitteln. Hier haben die Pflegekassen vorsorglich immer auch eine ärztliche Verordnung (vor Beginn der Prüfung) gefordert, um auf jeden Fall eine Rechtsgrundlage zu haben. Schon mit dem GPVG

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

wurde die Regelung, dass eine Hilfsmittelfeststellung im Rahmen der Einstufung nach § 18, Abs. 6a durch den MD oder beauftragte Gutachter auch für den Bereich der Krankenversicherung gilt, von der anfangs befristeten Modellphase unbefristet übernommen. Nun wird neu geregelt, dass auch Pflegefachkräfte nach Maßgabe einer neuen Richtlinie Hilfsmittel auch zu Lasten der Krankenversicherung verordnen dürfen. Mit der am 20.12.2021 veröffentlichten Richtlinie sind folgende Voraussetzungen und Abläufe geregelt: – Nur Pflegefachkräfte nach § 1 des Pflegeberufe-Gesetzes können diese Empfehlungen abgeben – Sie können nur Empfehlungen abgeben in Zusammenhang mit der Erbringung – von Pflegesachleistungen nach § 36, – Beratungseinsätzen nach § 37.3 – Häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V – Außerklinischer Intensivpflege nach § 37c SGB V 110 BSG vom 26.05.2020, B 1 KR9 / 18 111 § 33, Abs. 5a

144

Das heißt aber auch ganz praktisch, dass weder bei einer Pflegeberatung nach § 7a noch bei Schulungen nach § 45 (auch in der Häuslichkeit) Empfehlungen zu Pflegehilfsmitteln abgegeben werden dürfen. Die Empfehlung muss die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit beachten, auch darf die Pflegefachkraft keine eigenwirtschaftlichen Interessen verfolgen. Die Empfehlung ist pro Hilfsmittel auf einem standardisierten Formular abzugeben (auf dem auch eine Begründung für die Empfehlung zu formulieren ist. Weiterhin bestätigt der Pflegebedürftige, dass er die Versorgung mit dem Hilfsmittel auch wünscht und bestätigt hier später den Empfang (siehe Grafik 24 und 25).

Richtlinien zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte Anhang I: Formular für die Empfehlung der

Pfleg efach k r a

Empfehlung der Pflegefachkraft nach § 40 Absatz 6 SGB XI für ein Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel

Anhang I

(Bitte pro Hilfsmittel bzw. Pflegehilfsmittel inkl. Zubehör und Zusätze ein Formular verwenden.)

I.

Allgemeine Angaben

Name, Vorname der/des Versicherten

Versichertennummer

Telefonnummer (freiwillig)

Geburtsdatum (TT MM JJJJ)

Anschrift der/des Versicherten/Pflegebedürftigen

Name, Anschrift der zuständigen Krankenkasse/Pflegekasse

Name, Vorname der Pflegefachkraft

Beschäftigtennummer ( § 293 Abs. 8 SGB V)

Institutionskennzeichen des Pflegedienstes, der Beratungsstelle

nach § 37 Abs. 7 SGB XI o. der Pflegefachkraft nach § 77 SGB XI _______________________________________________________________________________________________________________

II.

Telefonnummer (für Rückfragen)

Angaben der Pflegefachkraft

a) Vorhandene Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel

Bei der/dem Versicherten sind bereits folgende Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel vorhanden (bitte auch die

Hilfsmittel aufführen, die nicht pflegerischen Zielen des § 40 SGB XI dienen, unabhängig vom Kostenträger):

F Keine F Folgende Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel sind bereits vorhanden:

Kapitel XX

Name, Anschrift o. ggf. Stempel des Pflegedienstes,

der Beratungsstelle o. der Pflegefachkraft

b) Empfehlung der Pflegefachkraft:

Ich empfehle für die o. g. Versicherte bzw. den Versicherten folgendes Hilfsmittel bzw. Pflegehilfsmittel (bitte das Produkt nach seiner Art bezeichnen und kein einzelnes Firmenprodukt/keinen Markennamen nennen):

Bezeichnung des Hilfsmittels/Pflegehilfsmittels

7-stellige Positionsnummer

Ggf. Bezeichnung des Zubehörs

7-stellige Positionsnummer

c) Begründung für die Empfehlung:

Das Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel dient der bzw. dem Pflegebedürftigen zu folgendem Zweck und wird

aus folgenden Gründen benötigt:

Grafik 24

145

Richtlinien zur Empfehlung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte

Hinweis für die Pflegefachkraft: Im Fall Ihrer Empfehlung kann die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit der Versorgung nur für die Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel vermutet werden, die im Anhang II dieser Richtlinien als Produktart aufgeführt sind. Es ist zu beachten, dass Pflegebedürftigkeit der bzw. des Pflegebedürftigen im Sinne des SGB XI vorliegen muss. Bitte geben Sie folgende Erklärung ab:

Ich versichere, dass ich die Angaben vollständig gemacht habe, die fachlichen Anforderungen gemäß Ziffer 2.3 dieser Richtlinien erfülle und über folgende berufliche Qualifikation verfüge:

Datum (TT MM JJJJ)

III.

Unterschrift Pflegefachkraft

Bestätigung der/des Versicherten (Pflegebedürftigen)

Hiermit nehme ich die oben genannte Empfehlung der Pflegefachkraft für das (Pflege-) Hilfsmittel zur

Kenntnis und bin damit einverstanden. Mit dieser Empfehlung kann ich innerhalb von zwei Wochen bei

meiner Pflege-/Krankenkasse einen Leistungsantrag stellen. Hierzu werde ich einen Leistungserbringer

(z. B. Sanitätshaus, Apotheke) wählen, der Vertragspartner der Pflege-/Krankenkasse ist, und dies für mich übernimmt. Eine ärztliche Verordnung (Rezept) ist nicht erforderlich. Mit ist bekannt, dass die Pflege-/

Krankenkasse nur die Kosten für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistung übernimmt. Eine Doppelversorgung ist ausgeschlossen.

Datum (TT MM JJJJ)

Unterschrift Versicherte/Versicherter oder gesetzliche(r) Vertreter(in)

IV. Empfangsbestätigung der/des Versicherten für ein Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel Ich habe das (Pflege-)Hilfsmittel von folgendem Leistungserbringer erhalten:

10-stellige Hilfsmittelpositionsnummer

Institutionskennzeichen des Leistungserbringers

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Name, Anschrift oder ggf. Stempel des Leistungserbringers

Datum (TT MM JJJJ)

Grafik 25

In der Richtlinie enthalten ist als Anlage II ein Verzeichnis der doppelfunktionalen Hilfsmittel, die aufgrund dieser Richtlinie von den Pflegefachkräften empfohlen werden können. Ablauf für die Empfehlung Die Richtlinie schreibt folgenden Verfahrensablauf vor: – Die Pflegefachkraft stellt im Rahmen einer Sachleistung nach § 36, eines Beratungsbesuchs nach § 37.3 oder im Rahmen der Erbringung Häuslicher Krankenpflegeleistungen nach § 37 oder Intensivpflege nach § 37c SGB V den Bedarf fest und füllt das Formular aus.

146

Unterschrift Versicherte/Versicherter oder gesetzliche(r) Vertreter(in)

– Die Empfehlung, die nicht älter als 2 Wochen sein darf, reicht der Pflegebedürftige nach Unterschrift an den Hilfsmittel-Leistungserbringer weiter, der diesen an die zuständige Kranken-/Pflegekasse weiterleitet. – Die Kranken-/Pflegekasse entscheidet zügig über den Antrag und das Hilfsmittel wird über den Heilmittel-Leistungserbringer ausgeliefert.

20.4 Gesetzestext

§

 40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: (1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege

oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Die Pflegekasse kann in geeigneten Fällen die Notwendigkeit der Versorgung mit den beantragten Pflegehilfsmitteln unter Beteiligung einer Pflegefachkraft oder des Medizinischen Dienstes überprüfen lassen. Entscheiden sich Versicherte für eine Ausstattung des Pflegehilfsmittels, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht, haben sie die Mehrkosten und die dadurch bedingten Folgekosten selbst zu tragen. § 33 Abs. 6 und 7 des Fünften Buches gilt entsprechend. (2) Die Aufwendungen der Pflegekassen für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel dürfen monatlich den Betrag von 40 Euro nicht übersteigen. Die Leistung kann auch in Form einer Kostenerstattung erbracht werden. (3) Die Pflegekassen sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig dürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

Kapitel XX

leihweise überlassen. Sie können die Bewilligung davon abhängig machen, daß die Pflegebe-

Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Pflegehilfsmittel mit Ausnahme der Pflegehilfsmittel nach Absatz 2 eine Zuzahlung von zehn vom Hundert, höchstens jedoch 25 Euro je Pflegehilfsmittel an die abgebende Stelle zu leisten. Zur Vermeidung von Härten kann die Pflegekasse den Versicherten in entsprechender Anwendung des § 62 Abs. 1 Satz 1, 2 und 6 sowie Abs. 2 und 3 des Fünften Buches ganz oder teilweise von der Zuzahlung befreien. Versicherte, die die für sie geltende Belastungsgrenze nach § 62 des Fünften Buches erreicht haben oder unter Berücksichtigung der Zuzahlung nach Satz 4 erreichen, sind hinsichtlich des die Belastungsgrenze überschreitenden Betrags von der Zuzahlung nach diesem Buch befreit. Lehnen Versicherte die leihweise Überlassung eines Pflegehilfsmittels ohne zwingenden Grund ab, haben sie die Kosten des Pflegehilfsmittels in vollem Umfang selbst zu tragen. 147

(4) Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 4 000 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Leben mehrere Pflegebedürftige in einer gemeinsamen Wohnung, dürfen die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des gemeinsamen Wohnumfeldes einen Betrag in Höhe von 4 000 Euro je Pflegebedürftigem nicht übersteigen. Der Gesamtbetrag je Maßnahme nach Satz 3 ist auf 16 000 Euro begrenzt und wird bei mehr als vier Anspruchsberechtigten anteilig auf die Versicherungsträger der Anspruchsberechtigten aufgeteilt. § 40 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (5) Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel. Zur Gewährleistung einer Absatz 1 Satz 1 entsprechenden Abgrenzung der Leistungsverpflichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung werden die Ausgaben für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel zwischen der jeweiligen Krankenkasse und der bei ihr errichteten Pflegekasse in einem bestimmten Verhältnis pauschal aufgeteilt. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt in Richtlinien, die erstmals bis zum 30. April 2012 zu beschließen sind, die Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nach Satz 1, das Verhältnis, in dem die Ausgaben aufzuteilen sind, sowie die Einzelheiten zur Umsetzung der Pauschalierung. Er berücksichtigt dabei die bisherigen Ausgaben der Kranken- und Pflegekassen und stellt sicher, dass bei der Aufteilung die Zielsetzung der Vorschriften des Fünften Buches und dieses Buches zur Hilfsmittelversorgung sowie die Belange der Versicherten gewahrt bleiben. Die Richtlinien

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und treten am ersten Tag

148

des auf die Genehmigung folgenden Monats in Kraft; die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden werden. Die Richtlinien sind für die Kranken- und Pflegekassen verbindlich. Für die nach Satz 3 bestimmten Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel richtet sich die Zuzahlung nach den §§ 33, 61 und 62 des Fünften Buches; für die Prüfung des Leistungsanspruchs gilt § 275 Absatz 3 des Fünften Buches. Die Regelungen dieses Absatzes gelten nicht für Ansprüche auf Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel von Pflegebedürftigen, die sich in vollstationärer Pflege befinden, sowie von Pflegebedürftigen nach § 28 Absatz 2. (6) Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach § 36, nach den §§ 37 und 37c des Fünften Buches sowie der Beratungseinsätze nach § 37 Absatz 3 konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Wird ein Pflegehilfsmittel nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 5 oder ein Hilfsmittel nach Absatz 5, das den Zielen von Absatz 1 Satz 1 dient, von einer Pflegefachkraft bei der Antragstellung empfohlen,

werden unter den in den Richtlinien nach Satz 6 festgelegten Voraussetzungen die Notwendigkeit der Versorgung nach Absatz 1 Satz 2 und die Erforderlichkeit der Versorgung nach § 33 Absatz 1 des Fünften Buches vermutet. Die Empfehlung der Pflegefachkraft darf bei der Antragstellung nicht älter als zwei Wochen sein. Einer ärztlichen Verordnung gemäß § 33 Absatz 5a des Fünften Buches bedarf es bei Vorliegen einer Empfehlung nach Satz 1 nicht. Die Empfehlung der Pflegefachkraft für ein Pflege-hilfsmittel oder ein Hilfsmittel, das den Zielen des Absatzes 1 Satz 1 dient, ist der Kranken- oder Pflegekasse zusammen mit dem Antrag des Versicherten in Textform zu übermitteln. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zugleich nach § 53 Satz 1 die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen wahrnehmend, legt bis zum 31. Dezember 2021 in Richtlinien fest, in welchen Fällen und für welche Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel nach Satz 2 die Erforderlichkeit oder Notwendigkeit der Versorgung vermutet wird; dabei ist auch festzulegen, über welche Eignung die empfehlende Pflegefachkraft verfügen soll. In den Richtlinien wird auch das Nähere zum Verfahren der Empfehlung durch die versorgende Pflegefachkraft bei Antragstellung festgelegt. Die Bundespflegekammer und die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene sind an den Richtlinien zu beteiligen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, zugleich nach § 53 Satz 1 die Aufgaben des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen wahrnehmend, wird beauftragt, die in den Richtlinien festgelegten Verfahren in fachlicher und wirtschaftlicher Hinsicht unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes Bund, der Bundespflegekammer und der Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene zu evaluieren. Ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluation ist dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 1. Januar 2025 vorzulegen. (6) Die Pflegekasse hat über einen Antrag auf Pflegehilfsmittel oder Zuschüsse zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine Pflegefachkraft oder der Medizinische Dienst entscheiden. Kann die Pflegekasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Antragstellern unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.

Kapitel XX

nach Absatz 1 Satz 2 beteiligt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu

149

Kapitel XXI • Weitere Änderungen: Auswirkungen auf die ambulante Pflege Insbesondere mit dem GVWG werden noch eine ganze Reihe von Änderungen in der Pflegeversicherung vorgenommen, die hier dargestellt werden. Dabei geht es primär um die Fragestellungen und Auswirkungen für die ambulante Pflege. Daher werden auch die neuen Regelungen zur Reduzierung der stationären Eigenanteile hier besprochen, denn es stellt sich die Frage, ob dadurch mehr Pflegebedürftige in die Heime gehen, da es am-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

bulant keine vergleichbare Entlastung der Eigenanteile gibt.

151

Kapitel XXII • § 35 Erlöschen der Leistungsansprüche 22.1 Was ändert sich? Nach bisher geltender Rechtslage erlöschen alle Leistungsansprüche mit dem Tod des Versicherten, so geregelt in § 59 SGB I. Da bei den Kostenerstattungsleistungen der Pflegeversicherung (§§ 39, 40, Abs. 2 sowie § 45b) normalerweise der Versicherte in Vorleistung tritt und erst sich danach (zeitversetzt) das Geld von der Pflegekasse erstatten lässt, sind diese Ansprüche beim plötzlichen Tod dann verfallen. Daher gilt nur für Kostenerstattungsleistungen der Pflegeversicherung eine Frist von 12 Monaten über den Tod hinaus. Da Pflegedienste und andere Dienstleister insbesondere bei der Verhinderungspflege § 39 sowie den Entlastungsleistungen nach § 45b oftmals über Abtretungserklärungen abgerechnet haben, waren diese auch ab dem Todesdatum wertlos. Zwar konnten Pflegeeinrichtungen dann noch gegenüber den Erben abrechnen, wenn ein Pflegevertrag dazu abgeschlossen wurde (und dieser solche Fälle geregelt hat). Aber auch dann gab es Konflikte und Probleme, die mit der neuen Regelung nicht mehr entstehen.

22.2 Gesetzestext

§

 35 Erlöschen der Leistungsansprüche: Der Anspruch auf Leistungen erlischt mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Endet

die Mitgliedschaft durch Tod, erlöschen Ansprüche auf Kostenerstattung nach diesem Buch abweichend von § 59 des Ersten Buches nicht, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nach entsprechend.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

dem Tod des Berechtigten geltend gemacht werden.§ 19 Absatz 1a des Fünften Buches gilt

153

Kapitel XXIII • § 36 Sachleistungen (ab 2022) 23.1 Was ist neu? Die ambulanten Sachleistungen werden ab Januar 2022 um 5 % auf die neuen Beträge erhöht. Das Pflegegeld nach § 37, die Verhinderungspflege nach § 39 sowie der Entlastungsbetrag nach § 45b werden nicht erhöht (siehe Grafik 26). Leistungsbeträge Pflegesachleistung § 36 Pflegegrad 2

Pflegegrad 3

Pflegegrad 4

Pflegegrad 5

Pflegesachleistung 2021

689,00

1.298,00

1.612,00

1.995,00

Pflegesachleistung 2022

724,00

1.363,00

1.693,00

2.095,00

Grafik 26 Leistungsbeträge Pflegesachleistung

23.2 Kommentierung Die Erhöhung der Pflegesachleistungen wird in den Änderungsanträgen der Regierungsparteien begründet mit „dem Ausgleich des sich aus der vorgesehenen Anbindung der Löhne an Tarife ergebenden Kostenanstiegs“112. Allerdings ist zurzeit völlig unklar, wie viele Pflegedienste tatsächlich ihre Preise anheben müssen. Für den Anteil der 20 bis 30 % der Dienste, die heute an einen Tarif oder vergleichbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, gibt es keinen zusätzlichen Grund für Preiserhöhungen (außer den normalen Preissteigerungen). Für eine große Gruppe von Pflegediensten werden sich mutmaßlich auch keine großen Preisanpassungen ergeben, wenn sie einen ‚neuen‘ RefeHöhe ihrer aktuellen Vergütung liegt. Pflegedienste, deren Personalvergütung bisher unterhalb auch des niedrigsten Tarifwerkes lagen, werden ihre Personalkosten und damit auch ihre Preise deutlich erhöhen müssen. Bisher waren sie im Regelfall aber oft deutlich günstiger als Tarifeinrichtungen. Das heißt auch, die Pflegebedürftigen/Kunden dieser Dienste waren Nutznießer der schlechten Bezahlung der Pflegekräfte. Durch die Anhebung werden auch diese Kunden nicht mehr bezahlen als die meisten anderen Pflegebedürftigen in der Region mit Pflegediensten, die ihre Arbeitnehmer:innen schon immer besser bezahlt haben! Allerdings war der Gesetzgeber eigentlich nach § 30 „Dynamisierung, Verordnungsermächtigung“ verpflichtet, im Jahr 2020 die Preisentwicklung zu prüfen und den gesetzgebenden Körperschaften einen entsprechenden Bericht vorzulegen. Nach einem

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

renztarif wählen und evtl. Vergütungssystematiken anpassen müssen, der schon in der

112 BT-Drs. 19(14)320.1, S. 69

155

Stellungnahmeverfahren ist dann vorgesehen, dass die Bundesregierung durch Rechtsverordnung für das Folgejahr die Leistungsbeträge aller Leistungen der Pflegeversicherung anzupassen hat. Die Bundesregierung hat den entsprechenden Bericht am 09.12.2020 veröffentlicht113: Es wird ein Anstieg der Verbraucherpreise von 2017-2019 von 4,8 Prozent sowie ein Anstieg der Bruttolohn- und Gehaltssumme von 8,9 Prozent festgestellt und eine Anhebung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um 5 Prozent empfohlen. Faktisch erfolgt also die Anhebung bei den ambulanten Sachleistungen, nicht aber beim Pflegegeld, der Verhinderungspflege oder der Tagespflege oder dem Entlastungsbetrag nach § 45b. Die Kurzzeitpflege wird um 10 Prozent angehoben (siehe Kapitel 25), auch im Pflegeheim gibt es zum Teil deutlich höhere Entlastungen (siehe Kap. 26) . Beim Pflegegeld gibt es für die reinen Pflegegeldbezieher keine Leistungserhöhung, allerdings sieht dies bei Kombileistungen anders aus: Weil der Sachleistungsbetrag erhöht wurde, verändern sich damit auch die prozentualen Verhältnisse bei der Nutzung, wie man in der Tabelle zum Pflegegrad 2 als Beispiel sieht: Werden im Jahr 2021 Pflegesachleistungen in einem Umfang von 516,75 € abgerufen, so entspricht dies 75 % der Sachleistungen, damit verbleiben 25 % der Leistungen als Pflegegeld in Höhe von 79,00 €. Im Jahr 2022 entspricht der Umfang der Sachleistungen von 516,75 € nur noch 71,4 % der Sachleistungen, folglich bleibt dann mit 28,6 % des Pflegegeldes bzw. 90,46 € mehr Pflegegeld erhalten (siehe Grafik 27). Eine Begründung, warum der Gesetzgeber nicht auch die anderen Leistungen dynamisiert hat, fehlt, aber es ist sicherlich der finanziellen Gesamtsituation auch in Verbindung mit den pandemiebedingten Mehrkosten geschuldet.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

23.3 Gesetzestexte

§

 36 Pflegesachleistung ab 01.01.2020: (1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische

Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Der Anspruch umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 genannten Bereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. (2) Häusliche Pflegehilfe wird erbracht, um Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen so weit wie möglich durch pflegerische Maßnahmen zu be113 BT-Drs. 19/25283

156

Umrechnung von Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI Stand 2021 - 2022; © SysPra.de

Pflegegrad 2 Leistungen 2021

Sachleistung

in Euro

689,00 654,55 620,10 585,65 551,20 516,75 482,30 447,85 413,40 378,95 344,50 310,05 275,60 241,15 206,70 172,25 137,80 103,35 68,90 34,45 0,00

in Prozent

€ € € € € € € € € € € € € € € € € € € € €

Pflegegrad 2 Leistungen 2022

Pflegegeld

in Prozent

100%

< == >

0%

95% 90%

< == > < == >

5% 10%

85%

< == >

15%

80% 75%

< == > < == >

20% 25%

70%

< == >

30%

65% 60% 55%

< == > < == > < == >

35% 40% 45%

50% 45% 40% 35% 30%

< == > < == > < == > < == > < == >

50% 55% 60% 65% 70%

25% 20% 15%

< == > < == > < == >

75% 80% 85%

10% 5% 0%

< == > < == > < == >

90% 95% 100%

in Euro

0,00 15,80 31,60 47,40 63,20 79,00 94,80 110,60 126,40 142,20 158,00 173,80 189,60 205,40 221,20 237,00 252,80 268,60 284,40 300,20 316,00

Sachleistung

€ € € € € € € € € € € € € € € € € € € € €

Stand: ab 01.01.2017

in Euro

724,00 687,80 651,60 615,40 579,20 543,00 506,80 470,60 434,40 398,20 362,00 325,80 289,60 253,40 217,20 181,00 144,80 108,60 72,40 36,20 0,00

Pflegegeld

in Prozent

€ € € € € € € € € € € € € € € € € € € € €

in Prozent

100%

< == >

0%

95% 90%

< == > < == >

5% 10%

85%

< == >

15%

80% 75%

< == > < == >

20% 25%

70%

< == >

30%

65% 60% 55%

< == > < == > < == >

35% 40% 45%

50% 45% 40% 35% 30%

< == > < == > < == > < == > < == >

50% 55% 60% 65% 70%

25% 20% 15%

< == > < == > < == >

75% 80% 85%

10% 5% 0%

< == > < == > < == >

90% 95% 100%

in Euro

0,00 15,80 31,60 47,40 63,20 79,00 94,80 110,60 126,40 142,20 158,00 173,80 189,60 205,40 221,20 237,00 252,80 268,60 284,40 300,20 316,00

€ € € € € € € € € € € € € € € € € € € € €

Stand: ab 01.01.2022

Grafik 27  Umrechnung Kombinationsleistung

seitigen oder zu mindern und eine Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Bestandteil der häuslichen Pflegehilfe ist auch die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen. Pflegerische Betreuungsmaßnahmen umfassen Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld, insbesondere 1. bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen, 2. bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kommunikation, bei der Aufsowie 3. durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung. (3) Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe umfasst je Kalendermonat 1. für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von

Kapitel XXIII

rechterhaltung sozialer Kontakte und bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag

724 Euro, 2. für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1 363 Euro, 3. für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1 693 Euro, 4. für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 2 095 Euro.

157

(4) Häusliche Pflegehilfe ist auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie ist nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung oder in Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Absatz 4 gepflegt werden. Häusliche Pflegehilfe wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. Auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Absatz 1 abgeschlossen hat, kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung erbracht werden. Mehrere Pflegebedürftige können häusliche Pflegehilfe gemeinsam in Anspruch nehmen.

§

 30 Dynamisierung, Verordnungsermächtigung: (1) Die Bundesregierung prüft alle drei Jahre, erneut im Jahre 2020, Notwendigkeit und Höhe einer Anpassung der Leistun-

gen der Pflegeversicherung. Als ein Orientierungswert für die Anpassungsnotwendigkeit dient die kumulierte Preisentwicklung in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren; dabei ist sicherzustellen, dass der Anstieg der Leistungsbeträge nicht höher ausfällt als die Bruttolohnentwicklung im gleichen Zeitraum. Bei der Prüfung können die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit berücksichtigt werden. Die Bundesregierung legt den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einen Bericht über das Ergebnis der Prüfung und die tragenden Gründe vor. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Vorlage des Berichts unter Berücksichtigung etwaiger Stellungnahmen der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes die Höhe der Leistungen der Pflegeversicherung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zum 1. Januar des Folgejahres anzupassen. Die Rechtsverordnung soll frühestens zwei Monate nach Vorlage des Berichts erlassen werden, um den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes Ge-

Kapitel XXIII

legenheit zur Stellungnahme zu geben.

158

Kapitel XXIV • § 42 und § 88a: Regelungen zur Kurzzeitpflege 24.1 Was ändert sich? Die Leistungen der Kurzzeitpflege werden ab 2022 um 10 % auf dann 1.774 € pro Jahr gesteigert. Sie können bei Mitnutzung der Leistungen der Verhinderungspflege dann pro Jahr auf 3.386 € erhöht werden (1.774 € + 1.612 €). Die Steigerung soll primär die Preissteigerungen auffangen, die durch die Neuregelung der Vergütung nach § 88a kommen werden: Es wird zur besseren Finanzierung der Besonderheiten der Kurzzeitpflege auch bei solitären Einrichtungen eine bundesweit geltende Empfehlung formuliert, die bis zum 20. April 2022 zu erstellen ist. Die hier aufgestellten Vergütungsgrundsätze und Regelungen gelten für alle Bundesländer, bis diese eigene Regelungen unter Berücksichtigung der Kriterien der Bundesebene erstellen. Das wird auch zu höheren Preisen für die Kurzzeitpflege führen, die durch die Leistungssteigerung aufgefangen werden soll. Die Bundespflegestatistik 2019 benennt zwar 9.492 Plätze für die Kurzzeitpflege, aber Plätze, die nur für Kurzzeitpflege zur Verfügung stehen, werden mit 2.727 benannt.114 Bei der ersten Zahl handelt es sich offensichtlich primär um sogenannte „eingestreute Kurzzeitpflegeplätze“: Dies sind Plätze in Pflegeheimen, die sowohl dauerhaft (vollstationär) als auch kurzfristig genutzt werden können. Damit stehen für ambulant insgesamt ca. 3.000.000 Pflegebedürfte maximal 9.492 Plätze zur Verfügung, also gerade einmal für ca. 0,3 % der Pflegebedürftigen existiert ein Platz.115 Zwar deutet das Ausgabevolumen der Sozialen Pflegeversicherung auf eine höhere Anzahl hin (in 2019 insgesamt 700 Millionen Euro116), aber die höhere Leistungsausnutzung ist den Heimbewohnern zuzuordnen, die dauerhaft bleiben werden. Da ab 2022 jeder Monat Heimaufenthalt bei der Berechnung der Eigenanteile zählt (siehe Seite Kap. 25), wird diese Abrechnung über Kurzzeitpflege ab 2022 deutlich zurückgehen bzw. nicht mehr genutzt werden. Mit den neu zu definierenden Kriterien für die Refinanzierung wie die Möglichkeit kurzer Aufenthalte (für das Wochenende etc.), die Finanzierung solitärer Kurzzeitpflegen (mit geringerer Gesamtauslastung) sowie verändertem Aufwand im Aufnahmemanagement (reduzierte Biografieerfassung etc.) werden zwar die Preise pro Tag steigern. Der Tagessatz spielt jedoch dann eine geringere Rolle, wenn man die Aufenthaltsdauer abhängig macht vom möglichen Höchstbudget. Mit höheren Tagespreisen sind dann zwar weniger Aufenthaltstage finanziert, aber wenn gleichzeitig das Angebot ausgeweitet wird, ist dies für alle von Vorteil. 114 Bundespflegestatistik 2019; Deutschlandergebnisse, Tab. 3.3; www.Destatis.de 115 Zahlen aus Bundespflegestatistik ambulant Pflegegrad 2 bis 5 116 Finanzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung 2019; www.bmg.de...

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

die ersten Wochen des Heimaufenthaltes über die Kurzzeitpflege abrechnen, obwohl sie

159

Zukünftig dürften sich auch solitäre Kurzzeitpflegen wieder ‚besser‘ rechnen und damit wird auch hoffentlich das Angebot an freien Plätzen, die nur für ein Wochenende oder drei Tage genutzt werden können, steigen. Durch die Fristenregelung für den Erlass der Bundesempfehlung wird diese bis April 2022 fertig sein und dann so lange für alle Bundesländer gelten, bis diese selbst eigenständige Regelungen erlassen haben. Damit dürfte für Neuverhandlungen spätestens ab Mai 2022 die Tür geöffnet sein, auch für vorfristige Verhandlungen, da mit der neuen Rechtsgrundlage die Regelung nach § 85 Abs. 7 SGB XI („Wegfall der Geschäftsgrundlage“) anzuwenden ist.

24.2 Gesetzestext

§

 42 Kurzzeitpflege (ab 2022): (1) Kann die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden und reicht auch teilstationäre Pflege

nicht aus, besteht für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Pflege in einer vollstationären Einrichtung. Dies gilt: 1. für eine Übergangszeit im Anschluß an eine stationäre Behandlung des Pflegebedürftigen oder 2. in sonstigen Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich oder nicht ausreichend ist. (2) Der Anspruch auf Kurzzeitpflege ist auf acht Wochen pro Kalenderjahr beschränkt. Die Pflegekasse übernimmt die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung sowie die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

bis zu dem Gesamtbetrag von 1 774 Euro im Kalenderjahr. Der Leistungsbetrag nach Satz 2

160

kann um bis zu 1 612 Euro aus noch nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Verhinderungspflege nach § 39 Absatz 1 Satz 3 auf insgesamt bis zu 3 386 Euro im Kalenderjahr erhöht werden. Der für die Kurzzeitpflege in Anspruch genommene Erhöhungsbetrag wird auf den Leistungsbetrag für eine Verhinderungspflege nach § 39 Absatz 1 Satz 3 angerechnet. (3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 besteht der Anspruch auf Kurzzeitpflege in begründeten Einzelfällen bei zu Hause gepflegten Pflegebedürftigen auch in geeigneten Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen und anderen geeigneten Einrichtungen, wenn die Pflege in einer von den Pflegekassen zur Kurzzeitpflege zugelassenen Pflegeeinrichtung nicht möglich ist oder nicht zumutbar erscheint. § 34 Abs. 2 Satz 1 findet keine Anwendung. Sind in dem Entgelt für die Einrichtung Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Aufwendungen für Investitionen enthalten, ohne gesondert ausgewiesen zu sein, so sind 60 vom Hundert des Entgelts zuschussfähig. In begründeten Einzelfällen kann die Pflegekasse in Ansehung der

Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie der Aufwendungen für Investitionen davon abweichende pauschale Abschläge vornehmen. (4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 besteht der Anspruch auf Kurzzeitpflege auch in Einrichtungen, die stationäre Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erbringen, wenn während einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation für eine Pflegeperson eine gleichzeitige Unterbringung und Pflege des Pflegebedürftigen erforderlich ist.

§

 88a Wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege: (1) Zur Sicherstellung einer wirtschaftlich tragfähigen Vergütung in der Kurzzeitpflege sind Empfehlungen

nach dem Verfahren gemäß § 75 Absatz 6 zur Kurzzeitpflege bis zum 20. April 2022 abzugeben. Die Empfehlungen berücksichtigen insbesondere die verschiedenen Arten und Formen sowie die inhaltlichen und strukturellen Besonderheiten der Kurzzeitpflege. Auf Grundlage dieser Empfehlungen haben die Vertragspartner nach § 75 Absatz 1 in den Ländern ihre Rahmenverträge für die Kurzzeitpflege zu überprüfen und bei Bedarf an die Empfehlungen anzupassen. Bis zur Entscheidung über eine Anpassung der Rahmenverträge nach Satz 3 sind die Empfehlungen nach Satz 1 für die Pflegekassen und die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich. (2) Kommen die Empfehlungen nach Absatz 1 innerhalb der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist ganz oder teilweise nicht zustande, bestellen die in § 75 Absatz 6 genannten Parteien gemeinsam eine unabhängige Schiedsperson. Kommt eine Einigung auf eine Schiedsperson bis zum Ablauf von 28 Kalendertagen ab der Feststellung der Nichteinigung auf die Empfehlungen nicht zustande, erfolgt eine Bestellung der Schiedsperson durch das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Schiedsperson setzt den betreffenden Empfehlungsinhalt einschließlich der

Kapitel XXIV

Kostentragung des Verfahrens innerhalb von zwei Monaten nach Bestellung fest.

161

Kapitel XXV • § 43 c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen 25.1 Was ist neu? Über die neu eingeführte Regelung nach § 43c werden die pflegebedingten Eigenanteile (Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil) für Pflegebedürftige in Pflegeheimen in Abhängigkeit von der Verweildauer abgesenkt: – im ersten Jahr um 5 % – im zweiten Jahr um 25 % – im dritten Jahr um 45 % – ab dem vierten Jahr um 70 %. Dabei zählen auch Monate mit teilweiser Anwesenheit (z.B. bei der Aufnahme im laufenden Monat) als voller Monat. Die Verrechnung, also die Reduzierung des Eigenanteils erfolgt direkt mit der Abrechnung durch den Heimträger. Die in § 43 geregelten Zuschüsse der Pflegekasse zu den pflegebedingten Aufwendungen je nach Pflegegrad bleiben davon unberührt.

25.2 Auswirkungen auf die ambulanten Angebote? daher dürfte die bisherige Praxis von Pflegeheimen, die ersten zwei Monate über Kurzzeitpflege in Verbindung mit Verhinderungspflege abzurechnen, nicht mehr sinnvoll sein. Denn dann fehlen dem Pflegebedürftigen zwei Monate bis zur nächsten Reduzierungsstufe. Anders als noch geplant, hat der Gesetzgeber sich in dieser Reform nicht für den erst geplanten Sockel-Spitze-Tausch entschieden: Nach bisherigem Modell bezuschusst die Pflegekasse die pflegebedingten Aufwendungen mit einem festen Betrag (‚Sockel‘), alle darüber hinausgehenden Kosten muss der Versicherte tragen. Dadurch werden alle Kostensteigerungen auch aufgrund einer besseren Personalausstattung oder Umstieg auf Tariflöhne allein vom Versicherten finanziert, weil er die ‚Spitze‘ bezahlen muss. Anfangs (siehe auch Vorgeschichte Kap. 2.4) hatte das BMG im Eckpunktepapier (November 2020) mit einem Sockel-Spitze-Tausch geplant: dann hätten alle Pflegebedürftigen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Die neue prozentuale Reduzierung der Eigenanteile ist an die Verweildauer geknüpft,

im Heim pauschal 700 € als pflegebedingten Eigenanteil bezahlt (also die Sockelfinanzie163

rung), alle darüber hinausgehenden Kosten jedoch die Pflegekasse (also die verbleibende Spitze). Im ab 2022 umgesetzten Modell bleibt der Sockelzuschuss der Pflegekasse erhalten (§ 43), aber der darüber hinausgehende Eigenanteil (Spitze) an den pflegebedingten Aufwendungen wird nun prozentual in Abhängigkeit von der Verweildauer reduziert. In den Anträgen wird dieses Modell damit begründet, dass so der Anreiz für die Pflegebedürftigen erhalten bleiben soll, „in die Überlegungen zur Wahl eines Pflegeheims auch die Höhe des Pflegesatzes einzubeziehen.“117 Beim Sockel-Spitze-Tausch mit einem festen Pauschalsatz für die Pflegebedürftigen würde jedes Heim, ob günstig oder teuer, immer gleich teuer sein (Pauschale). Im neuen Modell ist das teurere Heim immer noch teurer, weil der Eigenanteil nur noch prozentual reduziert wird. Allerdings wird diese Entlastung (insbesondere im Wahlkampf bis September 2021) nur unzureichend dargestellt werden: Die Reduzierung um die genannten Prozentzahlen bezieht sich nicht auf die Gesamtkosten, denn die Kosten für Unterkunft/Verpflegung (Hotelkosten) sowie die Investitionskosten sind davon ausgenommen und in voller Höhe privat zu bezahlen. Das heißt in konkreten Zahlen: der bundesweite rechnerische Eigenteil betrug am 1. Januar 2022 912 €, dies sind aber nur 42 % der Gesamtkosten eines Pflegeheimplatzes von 2.179 €. Darauf bezogen würden die Gesamtkosten – im ersten Jahr eben nicht um 5 %, sondern nur um 2 % sinken, – im zweiten Jahr nicht um 25 %, sondern nur um 12 %, – im dritten Jahr nicht um 45 %, sondern nur um 23 % und – im vierten Jahr nicht um 70 %, sondern nur um 41 % sinken.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Das Ganze ist dann auch noch je nach Bundesland unterschiedlich hoch, siehe Abb. 28. Die Darstellung relativiert auch die mögliche Befürchtung, nun würden wegen der besseren finanziellen Entlastung wieder mehr Pflegebedürftige in Pflegeheime gehen. Das dürfte eher nicht der Fall sein, zumal es je nach Bundesland in unterschiedlicher Höhe weitere Faktoren für zukünftig steigende Heimpreise gibt: Durch die Einführung bundesweit einheitlicher Personalanhaltswerte (geregelt in § 113c) werden die Personalkosten je nach Bundesland unterschiedlich zusätzlich steigen. Die Tarifregelungen werden in vielen Heimen zu höheren Personalkosten führen.

117 Bt-Drs. 19(14)320.1, S. 17

164

165

466,00 € 21%

336,00 € 359,00 € 310,00 € 505,00 € 412,00 € 501,00 € 504,00 € 400,00 € 537,00 € 567,00 € 415,00 € 442,00 € 515,00 € 444,00 € 556,00 €

299,00 €

Invest.

2.179,00 €

Gesamt 1.587,00 € 1.696,00 € 1.806,00 € 1.838,00 € 1.847,00 € 1.869,00 € 1.980,00 € 2.122,00 € 2.128,00 € 2.154,00 € 2.168,00 € 2.178,00 € 2.264,00 € 2.517,00 € 2.541,00 € 2.542,00 €

www.vdek.com/presse/daten/f_pflegeversicherung.html

801,00 € 37%

632,00 € 757,00 € 669,00 € 638,00 € 630,00 € 780,00 € 736,00 € 638,00 € 829,00 € 809,00 € 693,00 € 934,00 € 940,00 € 875,00 € 1.074,00 €

728,00 € 690,00 € 859,00 € 704,00 € 827,00 € 699,00 € 882,00 € 1.090,00 € 788,00 € 792,00 € 1.070,00 € 888,00 € 1.062,00 € 1.222,00 € 912,00 €

912,00 € 42%

617,00 €

671,00 €

U+V

Kapitel XXV

Grafik 28: Vergleich privat zu tragender Kosten

Deutschland

Sachsen-Anhalt Meckl.-Vorpommern Thüringen Brandenburg Niedersachsen Sachsen Schleswig-Holstein Hessen Berlin Bremen Hamburg Bayern Rheinland-Pfalz Saarland BadenWürttemberg Nordrhein-Westfalen

EEE

Stationäre Kosten zum 1. Januar 2022

-

45,60 €

866,40 €

637,45 € 691,60 € 655,50 € 816,05 € 668,80 € 785,65 € 664,05 € 837,90 € 1.035,50 € 748,60 € 752,40 € 1.016,50 € 843,60 € 1.008,90 € 1.160,90 € 866,40 €

5%

1. Jahr

2%

2.133,40 €

Gesamtkosten 1.553,45 € 1.659,60 € 1.771,50 € 1.795,05 € 1.811,80 € 1.827,65 € 1.945,05 € 2.077,90 € 2.073,50 € 2.114,60 € 2.128,40 € 2.124,50 € 2.219,60 € 2.463,90 € 2.479,90 € 2.496,40 €

Vergleich der privat zu tragende Kosten in der stationären Pflege

© Zusammenstellung: Andreas Heiber, SysPra.de 1/2022

- 228,00 €

684,00 €

503,25 € 546,00 € 517,50 € 644,25 € 528,00 € 620,25 € 524,25 € 661,50 € 817,50 € 591,00 € 594,00 € 802,50 € 666,00 € 796,50 € 916,50 € 684,00 €

25%

2. Jahr

12%

1.951,00 €

- 410,40 €

501,60 €

23%

1.768,60 €

- 638,40 €

273,60 €

Geplante Reform § 43c SGB XI 3. Jahr 4. Jahr + Gesamt45% 70% kosten 369,05 € 1.285,05 € 201,30 € 400,40 € 1.368,40 € 218,40 € 379,50 € 1.495,50 € 207,00 € 472,45 € 1.451,45 € 257,70 € 387,20 € 1.530,20 € 211,20 € 454,85 € 1.496,85 € 248,10 € 384,45 € 1.665,45 € 209,70 € 485,10 € 1.725,10 € 264,60 € 599,50 € 1.637,50 € 327,00 € 433,40 € 1.799,40 € 236,40 € 435,60 € 1.811,60 € 237,60 € 588,50 € 1.696,50 € 321,00 € 488,40 € 1.864,40 € 266,40 € 584,10 € 2.039,10 € 318,60 € 672,10 € 1.991,10 € 366,60 € 501,60 € 2.131,60 € 273,60 € Gesamtkosten 1.419,25 € 1.514,00 € 1.633,50 € 1.623,25 € 1.671,00 € 1.662,25 € 1.805,25 € 1.901,50 € 1.855,50 € 1.957,00 € 1.970,00 € 1.910,50 € 2.042,00 € 2.251,50 € 2.235,50 € 2.314,00 €

41%

1.540,60 €

Gesamtkosten 1.117,30 € 1.186,40 € 1.323,00 € 1.236,70 € 1.354,20 € 1.290,10 € 1.490,70 € 1.504,60 € 1.365,00 € 1.602,40 € 1.613,60 € 1.429,00 € 1.642,40 € 1.773,60 € 1.685,60 € 1.903,60 €

Beide Punkte wirken sich auf den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil aus, der deshalb steigen wird. Ob die prozentualen Ausgleiche diese Steigerungen insbesondere im ersten und zweiten Jahr ausgleichen werden, hängt sehr von den Einzelfällen und Bundesländern ab. Die Investitionskosten sind, wie in der Tabelle zu sehen, je nach Bundesland in unterschiedlicher Höhe berechnet. Insbesondere in den östlichen Bundesländern einschließlich Berlin liegen sie (noch) deutlich niedriger als in den anderen Bundesländern. Das dürfte auch am Aufbauprogramm liegen, durch das mit Start der Pflegeversicherung 1995 Pflegeheimneubauten in Höhe von ca. 7,4 Mrd. DM über die Pflegeversicherung sowie durch Landeszuschüsse gefördert und damit über 51.000 neue Pflegeheimplätze geschaffen118 wurden. Viele dieser Heime sind 25 Jahre und älter und müssen renoviert oder ersetzt werden, was zu einem Anstieg der Investitionskosten auch in diesen Ländern führen dürfte. Aus diesen Gründen dürften trotz der prozentualen Entlastungen die Heimkosten für viele aktuelle und zukünftige Heimbewohner insbesondere auch in den östlichen Bundesländern weiterhin deutlich steigen. Aber die damit einhergehende höhere Zunahme an Sozialhilfeleistungen wird zumindest die Angehörigen nicht (mehr) belasten: Durch das Angehörigenentlastungsgesetz, das ab 2020 in Kraft getreten ist, sind Unterhaltsansprüche gegenüber den Kindern nur noch dann zu berücksichtigen, wenn diese über ein Jahreseinkommen von 100.000 € oder mehr verfügen119. Zwar muss wie bisher auch das eigene Vermögen des Pflegebedürftigen zur Finanzierung des Heimaufenthaltes eingesetzt werden, aber darüber hinaus gibt es

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

keine weitere familiäre Belastung mehr.

166

Der Bundesrat hat dem GVWG in seiner Sitzung vom 25.06.2021 zugestimmt bzw. keinen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 Grundgesetz gestellt (Anrufung Vermittlungsausschuss), aber interessanterweise einen Entschließungsantrag des Gesundheitsausschusses des Bundestages120 im Beschluss angefügt121, indem weitere Reformschritte sowie die Einführung eines Sockel-Spitze-Tausches in der vollstationären Pflege weiterhin gefordert wird!

118 BT-Drs. 14/5590: Zweiter Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung vom 15.03.2021; Seite 60 119 § 94, Abs. 1a SGB XII 120 BR-Drs. 511/1/21 121 BR-Drs. 511/21

25.3 Gesetzestext

§

 43 c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen: Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die bis einschließlich 12 Monate Leistungen nach § 43

beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 5 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen. Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die seit mehr als 12 Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 25 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen. Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5, die seit mehr als 24 Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 45 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen. Pflegebedürftige der Pflegegrade2 bis 5, die seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach § 43 beziehen, erhalten einen Leistungszuschlag in Höhe von 70 Prozent ihres zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen. Bei der Bemessung der Monate, in denen Pflegebedürftige Leistungen nach § 43 beziehen, werden Monate, in denen nur für einen Teilzeitraum Leistungen nach § 43 bezogen worden sind, berücksichtigt. Die Pflegeeinrichtung, die den Pflegebedürftigen versorgt, stellt der Pflegekasse des Pflegebedürftigen neben dem Leistungsbetrag den Leistungszuschlag in Rechnung und dem Pflegebedürftigen den verbleibenden Eigenanteil. Die Pflegekasse übermittelt für jeden Pflegebedürftigen beim Einzug in die Pflegeeinrichtung sowie zum 1. Januar 2022 für alle vollsta-

Kapitel XXV

tionär versorgten Pflegebedürftigen die bisherige Dauer des Bezugs von Leistungen nach § 43.

167

Kapitel XXVI • § 45a Angebote zur Entlastung im Alltag 26.1 Was ändert sich? Die Angebote zur Unterstützung im Alltag können/dürfen nur von den Einrichtungen erbracht werden, die nach § 45a, Abs. 3122 zur Versorgung zugelassen sind. Der Gesetzgeber hat mit dem PSG 2 in § 45a Abs. 4 die Möglichkeit eingeführt, neben dem Entlastungsbetrag nach § 45b in Höhe von 125 € pro Monat auch nicht verbrauchte Sachleistungen des Monats zur Refinanzierung (im Sinne einer Kombileistung) zu nutzen. Um Praxisprobleme bei der Abrechnung mit den Pflegekassen zu reduzieren bzw. zu klären, kann die Möglichkeit der Umwandlung jetzt auch ohne vorherigen Antrag nachträglich genutzt werden. Ist das Pflegegeld für den entsprechenden Monat schon ausbezahlt, so wird diese Zahlung mit dem möglichen Kostenerstattungsbetrag verrechnet. Die Möglichkeit, für Leistungen durch Anbieter nach Landesrecht einen höheren Leistungsbetrag durch den Umwandlungsanspruch zu nutzen, ist oftmals sehr erklärungsbedürftig. Dazu kommt, dass die Abläufe zeitlich nicht immer kompatibel mit dem Verwaltungsverfahren der Pflegekassen sind, so dass diese sich oftmals weigerten, Leistungsansprüche mit ausgezahltem Pflegegeld zu verrechnen. Aus diesem Grund sieht sich der Gesetzgeber offensichtlich zu diesen Klarstellungen gezwungen!

26.2 Gesetzestext

§

 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sach-

zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind 1. Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote), 2. Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

leistungsbetrags: (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung (1) Angebote

122 Hinweis: Zulassung über zuständige Landesbehörde, je nach Bundesland mit unterschiedlichen Bedingungen!

169

3. Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag). Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen. (2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren. (3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen. (4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Ange170

bote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und

Kapitel XXVI

die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

171

Kapitel XXVII • § 45c Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts, Verordnungsermächtigung 27.1 Was ändert sich? Der Gesetzgeber will die regionale Netzwerkarbeit stärker fördern: Einerseits werden die Mittel aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung für die Förderung der Netzwerkarbeit von 10 auf 20 Millionen Euro erhöht. Es wird in Abs. 9 nun konkreter ausformuliert, dass regional pro Kreis bzw. kreisfreie Stadt zwei Netzwerke (nicht nur wie bisher eines), bei Städten mit über 500.000 Einwohnern bis vier Netzwerke gefördert werden können. In den Stadtstaaten können pro Bezirk bis zu zwei Netzwerke gefördert werden. Der Förderbetrag der Pflegeversicherung darf nun 25.000 € (vorher 20.000 €) nicht überschreiten. Die Pflegekassen erstellen eine jährliche Übersicht der geförderten Netzwerke, die auf einer eigenen Internetseite veröffentlicht werden. Die Durchführungsempfehlungen nach Abs. 7 sollen zur Netzwerkarbeit bis Ende 2021 überarbeitet werden. Der Gesetzgeber hat in der letzten Konkretisierung des Gesetzentwurfs durch den Gesundheitsausschuss123 noch die Förderung regionaler Netzwerke weiter konkretisiert und damit ausgeweitet. Da es keine weiteren inhaltlichen Begründungen im Beschluss des Gesundheitsausschusses gibt, kann man nur annehmen, dass es hier aus Sicht der Politik noch weiterer Konkretisierungen und Verbesserungen bedurfte, auch um die Netzwerkarbeit noch stärker auszuweiten. Nun können regional auch zwei Netzwerke – in größeren Städten sogar mehr – gefördert werden. Auch das Fördervolumen der Pflegekassen wurde erhöht und mit der Verpflichtung der Veröffentlichung von geförderten Netzwerken entsteht mehr Transparenz. nicht abhängig von einem hälftigen Zuschuss des Landes, der Kommune oder anderer. Die genauen Bedingungen sind nachzulesen in den „Empfehlungen zur Förderung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag, von ehrenamtlichen Strukturen und von Modellvorhaben zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen sowie zur Förderung der Selbsthilfe nach § 45c Abs. 7 SGB XI i.V.m. § 45d SGB XI und zur Förderung regionaler Netzwerke nach § 45c Abs. 9 SGB XI in der Fassung vom 26.10.2020124.“ Diese müssen jedoch erst noch an die neuen gesetzlichen Regelungen (Förderung von mehr Netzwerken und höherer Betrag pro Netzwerk) angepasst werden, was bis zum Jahresende 2021 erfolgen soll. Dann wird es auch einfacher möglich sein, sich zu infor-

123 BT.Drs. 19/30550, S. 102 (Vorabfassung) 124 https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/rahmenvertraege__richlinien_und_bundesempfehlungen/2020_11_25_Pflege_Empfehlungen_45c_Abs_7_SGB_ XI.pdf

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Die Förderung der regionalen Netzwerke ist anders als die Förderungen nach Satz 1

173

mieren, wie viele Netzwerke schon gefördert werden, weil die Pflegekassen verpflichtet werden, die geförderten Netzwerke auf einer Internetseite zu benennen.

27.2 Gesetzestext

§

 45c Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts, Verordnungsermächtigung: (1) Zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen

und Versorgungskonzepte und zur Förderung ehrenamtlicher Strukturen fördert der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Wege der Anteilsfinanzierung aus Mitteln des Ausgleichsfonds mit 25 Millionen Euro je Kalenderjahr 1. den Auf- und Ausbau von Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a, 2. den Auf- und Ausbau und die Unterstützung von Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen und entsprechender ehrenamtlicher Strukturen sowie 3. Modellvorhaben zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen insbesondere für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige sowie andere Gruppen von Pflegebedürftigen, deren Versorgung in besonderem Maße der strukturellen Weiterentwicklung bedarf. Die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, beteiligen sich an dieser Förderung mit insgesamt 10 Prozent des in Satz 1 genannten Fördervolumens. Darüber hinaus fördert der Spitzenverband Bund der Pflegekassen aus Mitteln des Ausgleichsfonds mit 20 Millionen Euro je Kalenderjahr die strukturierte Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken nach Absatz 9; Satz 2 gilt entsprechend. Fördermittel nach Satz 3,

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

die in dem jeweiligen Kalenderjahr nicht in Anspruch genommen worden sind, erhöhen im Folgejahr das Fördervolumen nach Satz 1; dadurch erhöht sich auch das in Absatz 2 Satz 2 genannte Gesamtfördervolumen entsprechend. Im Rahmen der Förderung nach Satz 1 können jeweils auch digitale Anwendungen berücksichtigt werden, sofern diese den geltenden Anforderungen an den Datenschutz entsprechen und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleisten. (2) Der Zuschuss aus Mitteln der sozialen und privaten Pflegeversicherung ergänzt eine Förderung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke durch das jeweilige Land oder die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft. Der Zuschuss wird jeweils in gleicher Höhe gewährt wie der Zuschuss, der vom Land oder von der kommunalen Gebietskörperschaft für die einzelne Fördermaßnahme geleistet wird, sodass insgesamt ein Fördervolumen von 50 Millionen Euro im Kalenderjahr erreicht wird. Im Einvernehmen mit allen Fördergebern können Zuschüsse der kommunalen Gebietskörperschaften auch als Personal- oder Sachmittel eingebracht werden, sofern diese Mittel nachweislich ausschließlich und unmittelbar dazu dienen, den jeweiligen 174

Förderzweck zu erreichen. Soweit Mittel der Arbeitsförderung bei einem Projekt eingesetzt werden, sind diese einem vom Land oder von der Kommune geleisteten Zuschuss gleichgestellt. (3) Die Förderung des Auf- und Ausbaus von Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfolgt als Projektförderung und dient insbesondere dazu, Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlich tätigen Helfenden zu finanzieren sowie notwendige Personal- und Sachkosten, die mit der Koordination und Organisation der Hilfen und der fachlichen Anleitung und Schulung der Helfenden durch Fachkräfte verbunden sind. Dem Antrag auf Förderung ist ein Konzept zur Qualitätssicherung des Angebots beizufügen. Aus dem Konzept muss sich ergeben, dass eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung der ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert sind. (4) Die Förderung des Auf- und Ausbaus und der Unterstützung von Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen und entsprechender ehrenamtlicher Strukturen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erfolgt zur Förderung von Initiativen, die sich die Unterstützung, allgemeine Betreuung und Entlastung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen zum Ziel gesetzt haben. (5) Im Rahmen der Modellförderung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 sollen insbesondere modellhaft Möglichkeiten einer wirksamen Vernetzung der erforderlichen Hilfen für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige und andere Gruppen von Pflegebedürftigen, deren Versorgung in besonderem Maße der strukturellen Weiterentwicklung bedarf, in einzelnen Regionen erprobt werden. Dabei können auch stationäre Versorgungsangebote berücksichtigt werden. Die Modellvorhaben sind auf längstens fünf Jahre zu befristen. Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben kann im Einzelfall von den Regelungen des Siebten Kapitels abgewivorzusehen. Soweit im Rahmen der Modellvorhaben personenbezogene Daten benötigt werden, können diese nur mit Einwilligung des Pflegebedürftigen erhoben, verarbeitet und genutzt werden. (6) Um eine gerechte Verteilung der Fördermittel der Pflegeversicherung auf die Länder zu ge-

Kapitel XXVII

chen werden. Für die Modellvorhaben sind eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung

währleisten, werden die nach Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verfügung stehenden Fördermittel der sozialen und privaten Pflegeversicherung nach dem Königsteiner Schlüssel aufgeteilt. Mittel, die in einem Land im jeweiligen Haushaltsjahr nicht in Anspruch genommen werden, können in das Folgejahr übertragen werden. Nach Satz 2 übertragene Mittel, die am Ende des Folgejahres nicht in Anspruch genommen worden sind, können für Projekte, für die bis zum Stichtag nach Satz 5 mindestens Art, Region und geplante Förderhöhe konkret benannt werden, im darauf folgenden Jahr von Ländern beantragt werden, die im Jahr vor der Übertragung der Mittel nach Satz 2 mindestens 80 Prozent der auf sie nach dem Königsteiner Schlüssel entfallenden Mittel ausgeschöpft haben. Die Verausgabung der nach Satz 3 beantragten Fördermittel durch 175

die Länder oder kommunalen Gebietskörperschaften darf sich für die entsprechend benannten Projekte über einen Zeitraum von maximal drei Jahren erstrecken. Der Ausgleichsfonds sammelt die nach Satz 3 eingereichten Anträge bis zum 30. April des auf das Folgejahr folgenden Jahres und stellt anschließend fest, in welchem Umfang die Mittel jeweils auf die beantragenden Länder entfallen. Die Auszahlung der Mittel für ein Projekt erfolgt, sobald für das Projekt eine konkrete Förderzusage durch das Land oder die kommunale Gebietskörperschaft vorliegt. Ist die Summe der bis zum 30. April beantragten Mittel insgesamt größer als der dafür vorhandene Mittelbestand, so werden die vorhandenen Mittel nach dem Königsteiner Schlüssel auf die beantragenden Länder verteilt. Nach dem 30. April eingehende Anträge werden in der Reihenfolge des Antragseingangs bearbeitet, bis die Fördermittel verbraucht sind. Fördermittel, die bis zum Ende des auf das Folgejahr folgenden Jahres nicht beantragt sind, verfallen. (7) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. nach Anhörung der Verbände der Behinderten und Pflegebedürftigen auf Bundesebene Empfehlungen über die Voraussetzungen, Ziele, Dauer, Inhalte und Durchführung der Förderung sowie zu dem Verfahren zur Vergabe der Fördermittel für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke. In den Empfehlungen ist unter anderem auch festzulegen, welchen Anforderungen die Einbringung von Zuschüssen der kommunalen Gebietskörperschaften als Personal- oder Sachmittel genügen muss und dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob im Rahmen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke Mittel und Möglichkeiten der Arbeitsförderung genutzt werden können. Die Empfehlungen bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder. Soweit Belange des Ehrenamts betroffen sind, erteilt das Bundesministerium für Gesundheit seine Zustimmung im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Umsetzung der Empfehlungen zu bestimmen.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

(8) Der Finanzierungsanteil, der auf die privaten Versicherungsunternehmen entfällt, kann von dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. unmittelbar an das Bundesamt für Soziale Sicherung zugunsten des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung (§ 65) überwiesen werden. Näheres über das Verfahren der Auszahlung der Fördermittel, die aus dem Ausgleichsfonds zu finanzieren sind, sowie über die Zahlung und Abrechnung des Finanzierungsanteils der privaten Versicherungsunternehmen regeln das Bundesamt für Soziale Sicherung, der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. durch Vereinbarung. (9) Zur Verbesserung der Versorgung und Unterstützung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen können die in Absatz 1 Satz 3 genannten Mittel für die Beteiligung von Pflegekassen an regionalen Netzwerken verwendet werden, die der strukturierten Zusammenarbeit von Akteuren dienen, die an der Versorgung Pflegebedürftiger beteiligt sind und die sich im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung vernetzen. Die Förderung der strukturierten regionalen Zusammenarbeit erfolgt, indem sich die 176

Pflegekassen einzeln oder gemeinsam im Wege einer Anteilsfinanzierung an den netzwerkbedingten Kosten beteiligen. Je Kreis oder kreisfreier Stadt können zwei regionale Netzwerke, je Kreis oder kreisfreier Stadt ab 500 000 Einwohnern bis zu vier regionale Netzwerke gefördert werden. Abweichend von Satz 1 können pro Bezirk in den Stadtstaaten, die nur aus einer kreisfreien Stadt bestehen, zwei regionale Netzwerke gefördert werden. Der Förderbetrag pro Netzwerk darf dabei 25 000 Euro je Kalenderjahr nicht überschreiten. Die Landesverbände der Pflegekassen erstellen eine Übersicht über die in ihrem Zuständigkeitsbereich geförderten regionalen Netzwerke, aktualisieren diese mindestens einmal jährlich und veröffentlichen sie auf einer eigenen Internetseite. Den Kreisen und kreisfreien Städten, Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen im Sinne des § 45d sowie organisierten Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen im Sinne des Absatzes 4 ist in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet die Teilnahme an der geförderten strukturierten regionalen Zusammenarbeit zu ermöglichen. Für private Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, gelten die Sätze 1 bis 5 entsprechend. Absatz 7 Satz 1 bis 4 und Absatz 8 finden entsprechende Anwendung. Die Absätze 2 und 6 finden keine Anwendung. Die Empfehlungen nach Absatz 7, soweit sie die Förderung der re-

Kapitel XXVII

gionalen Netzwerke betreffen, sind bis zum 31. Dezember 2021 zu aktualisieren.

177

Kapitel XXVIII • § 113 Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität 28.1 Was ist neu? Der Gesetzgeber formuliert klarer, dass für jeden Leistungsbereich von der ambulanten Pflege über Tagespflege, Kurzzeitpflege bis zum Pflegeheim eigenständige Maßstäbe und Grundsätze (MuG) zu vereinbaren sind. Insbesondere die über den neuen § 88a zu vereinbarenden Empfehlungen sind bei den MuG der Kurzzeitpflege zu berücksichtigen. Bedingt durch die Erfahrungen der Pandemie sollen die neuen MuG zwingend Maßnahmen zur Vorsorge und Vorbereitung auf zukünftige Situationen festlegen, insbesondere auch die Definition einer entsprechenden Vorratsmenge an Schutzausrüstung etc. Aufzunehmen in die ambulanten MuG ist die Vorgabe, dass Mitarbeiter:innen, die Betreuungsleistungen erbringen, entsprechend den Richtlinien nach § 112a qualifiziert sein müssen.

28.2 Kommentar Mit der Klarstellung, dass für jedes Angebot (ambulant, Tagespflege, Kurzzeitpflege und Pflegeheim) eigenständige MuG zu erstellen sind, wird auch der Eigenständigkeit aller vier Einrichtungstypen Rechnung getragen. Aber die als eigenständige Dienste definierten ambulanten Betreuungsdienste fehlen hier und scheinen weiterhin unter die MuG ambulant zu fallen, allerdings gelten hier trotzdem weiterhin die nach § 112a ‚erlassenen‘ bietern ausgehandelt worden sind!). Die Neuregelung einschließlich der Begründung, dass Mitarbeiter:Innen der ambulanten Pflegedienste, die Leistungen der pflegerischen Betreuung erbringen, die gleiche Qualifikation haben müssen wie Mitarbeiter:innen von Betreuungsdiensten, ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar. Die Betreuungsdienste nach § 71 Abs. 1a wurden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zum 01.04.2019 infolge eines Modellversuchs eingeführt. Die Besonderheit der Betreuungsdienste ist, dass sie keine Pflegefachkraft im Sinne § 71, Abs. 3 Nr. 1-4 benötigen, da sie keine körperbezogenen Pflegemaßnahmen (dazu gehören sowohl Hilfen bei der Mobilität (§ 14, Abs. 2 Nr. 1)) als auch Leistungen der Selbstversorgung (§ 14, Abs. 2, Nr. 4) erbringen dürfen. Als „Übergangsregelung zur Qualitätssicherung bei Betreuungsdiensten wurde der § 112a eingeführt. Bis zur Einführung eines neuen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Qualitätsmaßstäbe (die nicht wie die anderen MuG zwischen den Kostenträgern und An-

Qualitätssystems nach § 113b, Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 sollten diese Regelungen gelten. Als 179

erstes überrascht, dass hier auf ein zukünftiges Prüfungssystem für die ambulante Pflege Bezug genommen wird, während dann in den formulierten Richtlinien es sich im Kern um MuG Betreuungsdienste handelt, die analog der Gliederung der ambulanten Variante alle Grundlagen der Strukturqualität, der Personalanforderungen sowie der praktischen Umsetzung definiert. Es geht also um Inhalte, die so gar nichts zu tun haben mit den „Instrumenten für die Prüfung der Qualität der von den ambulanten Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und für die Qualitätsberichterstattung in der ambulanten Pflege“. Als inhaltlicher Verweis wäre also eher der § 113 Abs. 1 sachgerecht gewesen. Der GKV-Spitzenverband125 hat dann Richtlinien zu den Anforderungen an das Qualitätsmanagement und an die Qualitätssicherung für ambulante Betreuungsdienste vom 17.7.2019 erlassen, die vom BMG am 05.09.2019 genehmigt wurden. Aber anders als bei den anderen MuG sind die Einrichtungsträger nur angehört worden, aber nicht Vertragspartei. In diesen Richtlinien hat der GKV unter Punkt 3.7.1 definiert, dass Mitarbeiter/innen, die Leistungen der Betreuung erbringen, eine Qualifikation nach §53b nachweisen müssen. Die zusätzlichen Betreuungskräfte im Pflegeheim müssen nach der Betreuungskräfte-Richtlinie in der Fassung vom 23. November 2016 einen Basiskurs im Umfang von 100 Stunden, ein Praktikum im Umfang von zwei Wochen sowie einen Aufbaukurs im Umfang von 60 Stunden absolvieren. Darüber hinaus müssen sie jährlich eine Aktualisierung im Umfang von 16 Stunden nachweisen. Die Aufgaben für stationäre Betreuungskräfte stellen sich völlig anders dar als in der häuslichen Versorgung, hier sollen einmal die wesentlichen Punkte dargestellt werden Im Pflegeheim übernehmen die Betreuungskräfte allein Aufgaben der Betreuung in Gruppen, Kleingruppen oder als Einzelbetreuung. Sind andere Hilfen wie Toilettengänge notwendig, werden diese Tätigkeiten von den anwesenden Pflegekräften übernommen.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

In der häuslichen Umgebung erfolgt im Regelfall nur die Einzelbetreuung. Die Betreuungskraft ist allein und muss daher auch in der Lage sein, bei einem notwendigen Toilettengang zumindest zu unterstützen. Dazu gehören auch alle Hilfestellungen bei der Mobilität, denn oftmals sind die Wohnungen nicht barrierefrei zu erreichen und für einen Spaziergang müssen oft Treppen bewältigt werden (auch wenn nach dem Gesetzesauftrag diese Leistungen durch reine Betreuungsdienste nicht durchgeführt werden dürfen!) Es wäre aber weltfremd, wenn die Betreuungskraft dazu nicht zumindest in der Lage wäre. Auch aus diesem Grund erbringen Mitarbeitende in der ambulanten Pflege nicht nur ‚allen‘ Betreuung, sondern sind im Regelfall auch in der Lage, bei einfachen Grundpflegeleistungen wie Mobilitätshilfen oder beim Toilettengang zu helfen. Im Pflegeheim fühlen sich viele Heimbewohner weniger zu Hause als in ihrer alten häuslichen Umgebung. Das führt insbesondere bei Demenz zu ganz anderen Herausforderungen für das Betreuungspersonal als in der häuslichen Umgebung. 125 Durch das MDK-Reformgesetz ist die Zuständigkeit für den Erlass und die Weiterentwicklung an den MD Bund übertragen worden: BT-Drs. 19/133897; § 112a.

180

Zu Hause sind auch Pflegebedürftige mit demenziellen Symptomen ‚einfacher‘ zu betreuen, denn die Pflegebedürftigen fühlen sich zu Hause und nicht in der Fremde. Sicherlich kann man die Unterscheide noch weiterführen. Aber deutlich wird, dass eine an dem stationären Alltag ausgerichtete Qualifikation für die ambulante Versorgung nur eingeschränkt ausbildet oder hilfreich ist. Trotzdem hat der GKV-Spitzenverband mit Zustimmung des BMG diese Setzung mit Einführung der Richtlinie einseitig vorgenommen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Pflegediensten und ambulanten Betreuungsdiensten ist die Festlegung, dass Pflegedienste immer von Pflegefachkräften, Betreuungsdienste aber auch von anderen Fachkräften wie Sozialarbeiter, Heilerziehungspfleger etc. geleitet werden können; Berufsgruppen also, die keinen pflegefachlichen Hintergrund haben. Daher dürfen Betreuungsdienste beispielsweise auch keine Beratungsbesuche nach § 37.3 SGB XI erbringen.126 Praktisch haben die Betreuungskräfte dann auch keine pflegefachlichen Ansprechpartner, weshalb eine gewisse Grundausbildung durchaus sinnvoll sein kann127. Trotz dieser sehr besonderen Vorgeschichte verlangt der Gesetzgeber nun, dass auch in ambulanten Pflegediensten die Mitarbeiter:innen, die Betreuungsleistungen erbringen, die (stationäre) Fortbildung nach § 53b nachweisen müssen. „Es ist fachlich geboten, die Voraussetzungen für alle Erbringer von ambulanten Betreuungsleistungen gleichzusetzen. Deshalb werden nunmehr die Anforderungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Betreuungsaufgaben in beiden Diensten angeglichen: Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten, die Betreuungsmaßnahmen erbringen (Betreuungskräfte), müssen eine Qualifikation entsprechend den Richtlinien nach § 112a in Verbindung mit den Richtlinien nach § 53b erbringen.“128 Überspitzt übersetzt heißt allgemein gültige Voraussetzung aus Gründen einer Gleichbehandlung = die Anforderungen für eine besondere Kleingruppe werden auf alle übertragen! Allerdings müssen die Vertragsparteien der MuG ambulant diese erst entsprechend ändern und anpassen. Dabei kann zwischenzeitlich auch die Richtliniengrundlage nach §§ 112a entfallen, denn sie soll nur solange gelten, bis die Instrumente für die ambulan-

Kapitel XXVIII

das: Aus einer relativ willkürlichen Setzung für eine Spezialgruppe wird auf einmal eine

ten Qualitätsprüfungen erprobt sind ( was lt. Gesetzestext schon 2020 hätte abgeschlossen sein sollen). Sollte die MuG ambulant in diesem Sinne angepasst werden, müssen nicht nur sehr viele Kräfte in Pflegediensten fortgebildet werden, was deutliche Kosten verursachen wird und folglich zu höheren Kosten für die Betreuungsstunden führen wird. Auch wird es zeitlich nicht kurzfristig umzusetzen sein. Es wird dann die Frage zu diskutieren sein, 126 Siehe § 37. Abs. 9 SGB XI 127 Allerdings dann mit einer an ambulanten Anforderungen formuliertem Lehrplan! 128 BT-Drs. 19(14)320.1, S. 54

181

ob Mitarbeitende, die bisher schon die Betreuung qualifiziert erbracht haben, nicht auch anzuerkennen sind. Als Trostpflaster hat der Gesetzgeber in § 112a Absatz 2 formuliert, dass diese Weiterbildung auch berufsbegleitend erworben werden kann. Insgesamt ist das eine mehr als unglückliche Regelung mit sehr weitreichenden Folgen! Ganz nebenbei bemerkt: Anbieter von Leistungen nach § 45a können weiterhin Betreuungskräfte, die im Regelfall eine deutlich geringere Weiterbildung benötigen, beschäftigen. In den meisten Ländern reichen hier 30 bis 40 Stunden. Diese dürfen aber weiterhin arbeiten, ohne dass man hier eine Gleichbehandlung anmahnt!

28.3 Gesetzestext

§

113 Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität, Abs. 1: (1) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsge-

meinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes Bund, des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V., der Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene, der maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen nach Maßgabe von § 118 sowie unabhängiger Sachverständiger Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität, Qualitätssicherung und Qualitätsdarstellung in der ambulanten, teilstationären, vollstationären und Kurzzeitpflege sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements, das auf eine stetige Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität ausgerichtet ist und flexible Maßnahmen zur

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Qualitätssicherung in Krisensituationen umfasst. In den Vereinbarungen sind insbesondere auch Anforderungen an eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation zu regeln. Die Anforderungen dürfen über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen und sollen den Aufwand für Pflegedokumentation in ein angemessenes Verhältnis zu den Aufgaben der pflegerischen Versorgung setzen. Darüber hinaus ist in den Vereinbarungen zu regeln, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten, die Betreuungsmaßnahmen erbringen, entsprechend den Richtlinien nach § 112a zu den Anforderungen an das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung für ambulante Betreuungsdienste qualifiziert sein müssen. Sie sind in regelmäßigen Abständen an den medizinisch-pflegefachlichen Fortschritt anzupassen. Soweit sich in den Pflegeeinrichtungen zeitliche Einsparungen ergeben, die Ergebnis der Weiterentwicklung der Pflegedokumentation auf Grundlage des pflegefachlichen Fortschritts durch neue, den Anforderungen nach Satz 3 entsprechende Pflegedokumentationsmodelle sind, führen diese nicht zu einer Absenkung der Pflegevergütung, 182

sondern wirken der Arbeitsverdichtung entgegen. Die Vereinbarungen sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und gelten vom ersten Tag des auf die Veröffentlichung folgenden Monats. Sie sind für alle Pflegekassen und deren Verbände sowie für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich.

§

 112a Übergangsregelung zur Qualitätssicherung bei Betreuungsdiensten: (1) Bis zur Einführung des neuen Qualitätssystems nach § 113b Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 gelten für

die Betreuungsdienste die Vorschriften des Elften Kapitels für ambulante Pflegedienste nach Maßgabe der folgenden Absätze. (2) Der Medizinische Dienst Bund beschließt im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und unter Beteiligung des Prüfdienstes des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. Richtlinien zu den Anforderungen an das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung für ambulante Betreuungsdienste. Dabei sind die in dem Modellvorhaben zugrunde gelegten Vorgaben zu beachten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Betreuungsaufgaben können die nach den Richtlinien erforderlichen Qualifikationen auch berufsbegleitend erwerben. Die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen wirken nach Maßgabe von § 118 bei der Erarbeitung oder bei einer Änderung des Beschlusses mit. (3) Der Medizinische Dienst Bund hat die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene, den Verband der privaten Krankenversicherung e. V. sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene bei der Erarbeitung oder bei einer Änderung des Beschlusses zu beteiligen. Ihnen ist innerhalb einer angemessenen Frist vor der Beschlussfassung und unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen den Inhalt der Richtlinien einzubeziehen. (4) Die Richtlinien sind durch das Bundesministerium für Gesundheit zu genehmigen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

Kapitel XXVIII

Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung über

(5) Eine Qualitätsberichterstattung zu Betreuungsdiensten findet in der Übergangszeit bis zur Einführung des neuen Qualitätssystems nach § 113b Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 nicht statt. (6) Die Qualitätsprüfungs-Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund sind unverzüglich im Anschluss an den Richtlinienbeschluss nach Absatz 2 Satz 1 entsprechend anzupassen.

183

Kapitel XXIX • § 39e Übergangspflege im Krankenhaus 29.1 Was ändert sich? Mit dem GVWG wird eine neue Leistung im Anschluss an eine akute Krankenhausbehandlung eingeführt: Ist eine Anschlussversorgung nach dem Krankenhausaufenthalt allein durch Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Leistungen nach SGB XI, der Kurzzeitpflege oder der medizinischen Rehabilitation nicht oder nur unter erheblichem Aufwand möglich, kann der Versicherte bis zu 10 Tage pro Fall weiterhin im Krankenhaus versorgt werden. Somit sollen Brüche im Übergang von der Akutversorgung zur dauerhaften Versorgung reduziert werden. Die entsprechende Regelung zur Dokumentation/ Begründung der weiteren Versorgung ist von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser bis Ende Oktober 2021 zu vereinbaren. Mit der Einführung der Vergütung von Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen 2003 (im Krankenhausfinanzierungsgesetz) musste das Krankenhaus ein großes finanzielles Interesse haben, Patienten und Patientinnen möglichst frühzeitig zu entlassen, weil nun nur noch ein Festpreis finanziert wird, aber keine Bettentage mehr. Dabei kann es sein, dass zwar die Krankenhausbehandlung für die konkrete Diagnose abgeschlossen ist, aber der Patient/die Patientin trotzdem nicht sofort ambulant oder teilstationär versorgt werden kann bzw. diese Leistungen ausreichen. Pflegedienste werden regelmäßig mit überraschenden Entlassungen konfrontiert, obwohl die Anschlussversorgung weder organisiert noch ausreichend ist. Auch neuere Leistungen wie die Unterstützungspflege nach § 37 Abs. 1a oder die Verantwortung des Krankenhauses für ein ausreichendes Entlassmanagement nach § 39, Abs. 1a haben die Situation nicht verbessert. Mit der neuen len) im Krankenhaus zu behalten, werden die sogenannten ‚blutigen‘ Entlassungen deutlich abnehmen, was sowohl die ambulante als auch die Kurzzeitpflege massiv entlasten wird. In der nun veröffentlichten Dokumentations-Vereinbarung zur Übergangspflege wird von den Krankenhäusern verlangt, dass sie ihre umfassenden Bemühungen um eine anderweitige Versorgung damit dokumentieren müssen, das 20 geeignete Anschlussversorger auf Kapazitäten abgefragt werden müssen, bevor das Krankenhaus selbst Übergangspflege nutzen darf.129 Allein die Tatsache, dass es gar nicht so viele Angebote der Kurzzeitpflege im relevanten Umkreis gibt, zeigt schon, wie theoretisch die hier definierten Hürden sind. Wie dies in der Praxis umgesetzt wird, muss sich zeigen, zumal es auch formulierte Einschränkungen gibt. Wenn die Patienten und Patientinnen dann später in die häusliche Versorgung oder die Kurzzeitpflege kommen, dürften sie stabiler und insgesamt gesünder sein und die

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Möglichkeit, Patienten und Patientinnen für weitere Tage (nach ‚Ablauf‘ der Fallpauscha-

129 https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulant_stationaere_versorgung/kh_ue_pflege/kh_ uebergangspflege.jsp, Stand 20.03.2022

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Übernahme einfacher als bisher. Daher ist diese neue Leistung geeignet, die Übergänge von der Akutversorgung zur dauerhaften Versorgung deutlich zu verbessern! Denn Krankenhäuser müssen nicht mehr jeden Patienten so schnell wie möglich entlassen, ohne Rücksicht auf die reale Versorgungssituation. So werden mutmaßlich spontane Entlassungen am Wochenende abnehmen, wenn jeder weitere Anwesenheitstag für das Krankenhaus zu höheren Erträgen und damit einer besseren Finanzierung des Stammpersonals führen kann. Es wird wesentlich von den Richtlinien und von der tatsächlichen Nutzung abhängen, ob und wann der Gesetzgeber diese Leistungen (wieder) begrenzen wird. Voraussetzung ist aber, dass die Patient:innen und/oder ihre Angehörigen im Krankenhaus dem Entlassmanagement zustimmen. Wer bei der Aufnahme oder später keine Unterstützung durch das Entlassmanagement wünscht, kann diese auch nicht erhalten, das Krankenhaus wäre hier dann nicht mehr in der Pflicht der Sicherstellung einer weiteren Versorgung.

29.2 Gesetzestext

§

 39e Übergangspflege im Krankenhaus: (1) Können im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurz-

zeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem Elften Buch nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden, erbringt die Krankenkasse Leistungen der Übergangspflege in dem Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgt ist. Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement,

Kapitel XXIX

Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Übergangspflege ist vom Krankenhaus im Einzelnen nachprüfbar zu dokumentieren. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. und die Deutsche Krankenhausgesellschaft vereinbaren bis zum 31.10.2021 das Nähere zur Dokumentation nach Satz 4. Kommt die Vereinbarung nach Satz 5 nicht fristgerecht zustande, legt die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ohne Antrag einer Vertragspartei innerhalb von sechs Wochen den Inhalt der Vereinbarung fest. (2) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der Leistungen nach Absatz 1 an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Zahlungen nach § 39 Absatz 4 sind anzurechnen.“

186

Kapitel XXX • § 150a Pflegebonus 30.1 Was ist neu? Der Pflegebonus, der 2022 ausgezahlt wird, folgt im Prinzip den identischen Regelungen wie die Corona-Prämie aus dem Jahre 2020. Der Bonus beträgt für eine Vollzeitstelle in der Pflege 550 € und wird gestaffelt nach Arbeitszeit und Tätigkeitsfeldern. Voraussetzung für den Bezug der Prämie ist eine Anstellung in einer Pflegeeinrichtung zum Stichtag 30. Juni 2022 sowie eine Tätigkeit von mindestens drei Monaten in der Zeit von November 2020 bis Juni 2022. Die Antragsstellung erfolgt bis Ende Juli 2022, die Auszahlung der Pflegekassen bis Ende September 2022 und die späteste Auszahlung durch die Pflegeeinrichtungen bis Dezember 2022. Da die grundsätzlichen Voraussetzungen und die Gliederung der Prämienhöhen identisch zur ersten Prämie ist, dürfte die Abwicklung entsprechend einfacher sein.

30.2 Bedingungen der Auszahlung Stichtagsregelung Die Auszahlungsbedingungen sind identisch mit den Regelungen zur Corona-Prämie: auch bei dieser Sonderleistung war es Voraussetzung, dass Mitarbeitende mindestens drei Monate in einer Pflegeeinrichtung gearbeitet haben, diesmal in der Zeit von November außerdem am 30. Juni in einer Pflegeeinrichtung arbeitet, ist anspruchsberechtigt. Diese Regelung zielt wohl darauf ab, dass nur geimpfte Arbeitnehmer:innen in den Genuss der Prämie kommen sollen. Da mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht seit März 2022 nur noch ausreichend immunisierte Arbeitnehmer:innen beschäftigt werden können, sind alle davon ausgeschlossen, die weder geimpft noch ausreichend immunisiert sind. Dazu zählen zusätzlich alle Arbeitnehmer:innen, die nur deshalb nicht beschäftigt sind, weil sie Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder Erziehungsgeld, Elterngeld beziehen bzw. nach dem Pflegezeitgesetz freigestellt sind oder Wehr oder Zivildienst leisten oder nicht mehr beschäftigt sind, weil zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Wer also beispielsweise bis April im Pflegedienst mehr als drei Monate gearbeitet hat und nun in Rente ist, hat ebenfalls Anspruch auf den Pflegebonus.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

2020 bis Juni 2022. Neu ist beim Pflegebonus zusätzlich die Stichtagsregelung: Nur wer

187

Anspruchshöhen Die Anspruchshöhen gliedern sich wie bei der Pflegeprämie in vier Gruppen. Auch die über die FAQ der Pflege-Prämie geklärten Abgrenzungen dürften hier analog anzuwenden sein:130 1. 550 €: Alle Beschäftigten, die Leistungen nach SGB XI oder V in der direkten Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen. Dazu zählen auch die Leitungskräfte (PDL) sowie Arbeitnehmer:innen, die Leistungen der Hauswirtschaft in der ambulanten Pflege beim Pflegebedürftigen erbringen. 2. 370 €: Beschäftigte, die mindestens 25 % der Arbeitszeit gemeinsam mit Pflegebedürftigen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig sind. 3. 190 €: alle anderen Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen (Verwaltung, etc.) ohne direkten Kundenkontakt. 4. 330 €: für alle Auszubildenden in den verschiedensten Pflegeberufen. 5. 60 €: für Freiwillige im Bundesfreiwilligen bzw. Jugendfreiwilligendienst. Entsprechend dem Arbeitsanteil erfolgt die Bemessung bei Teilzeitkräften anteilig, dabei wird ab einer Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden die volle Prämie fällig. Bemessungszeitraum und Unterbrechungen Eine Unterbrechung im Bemessungszeitraum in der Zeit von November 2020 bis Juni 2022 wirkt sich nicht auf die dreimonatige Mindestdauer aus, wenn die Unterbrechung aus folgenden Gründen erfolgte: 1. Bis 14 Kalendertage 2. Wegen einer COVID-19-Erkrankung 3. Aufgrund von Quarantänemaßnahmen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

4. Aufgrund eines Arbeitsunfalls

188

5. Wegen Erholungsurlaubs. Melde- und Auszahlungszeiträume – Die Meldung der Pflegeeinrichtungen hat bis 31. Juli 2022 zu erfolgen. – Die Pflegekassen haben den beantragten Betrag bis 30. September 2022 an die Pflegeeinrichtungen auszuzahlen. – Die Auszahlung durch die Pflegeeinrichtungen erfolgt dann unverzüglich nach Erhalt der beantragten Mittel mit der nächsten Lohnabrechnung, spätestens jedoch bis 31. Dezember 2022. – Die Pflegeeinrichtungen haben die Auszahlung bis spätestens 15. Februar 2023 den Pflegekassen nachzuweisen. 130 Die Regelungen zur (alten) Pflege-Prämie einschließlich der klärenden FAQ findet man hier: https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/richtlinien_vereinbarungen_formulare/richtlinien_vereinbarungen_formulare. jsp; die Aktualisierungen bezüglich des Pflegebonus dürften hier dann ebenfalls eingestellt werden.

Die Formulare zur Abwicklung werden zur Zeit entwickelt und werden dann vom GKV-Spitzenverband auf der bekannten Homepage veröffentlicht131 Der Pflegebonus ist wie die Pflegeprämie steuer- und sozialabgabenfrei und kann von den Ländern oder den Arbeitgebern um weitere Beträge aufgestockt werden

30.3 Gesetzestext

§

 150a Pflegebonus zur Anerkennung der besonderen Leistungen in der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie: (1)Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet,

jeder und jedem ihrer Beschäftigten im Jahr 2022 eine einmalige Sonderleistung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 und 8 (Corona-Pflegebonus) zu zahlen. Gleiches gilt für Arbeitgeber, deren Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer in Einrichtungen nach Satz 1 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt werden. (2) Anspruch auf einen Corona-Pflegebonus haben Vollzeitbeschäftigte, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis ein-schließlich zum 30. Juni 2022 (Bemessungszeitraum) mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig waren und die am 30. Juni 2022 in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung beschäftigt und tätig sind. Einen Anspruch auf einen Corona-Pflegebonus haben auch Vollzeitbeschäftigte, die im Bemessungszeitraum mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig waren und 1. am 30. Juni 2022 nur deshalb nicht mehr beschäftigt und tätig sind, weil für sie zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestand oder 2. am 30. Juni 2022 nur deshalb nicht beschäftigt und tätig sind, weil sie Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, beziehen oder nach den gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld beziehen oder Elternzeit oder eine Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes in Anspruch nehmen oder Wehrdienst oder Zivildienst leisten. Einen Anspruch auf einen Corona-Pflegebonus haben auch Freiwillige im Sinne von § 2

Kapitel XXX

Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld

des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und Freiwillige im Sinne von § 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes im freiwilligen sozialen Jahr, die im Bemessungszeitraum mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung ihren Dienst geleistet haben. Die Höhe des Corona-Pflegebonus beträgt 1. 550 Euro für Beschäftigte, die Leistungen nach diesem Buch oder im ambulanten Bereich nach dem Fünften Buch durch die direkte Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen,

131 Siehe Fußnote 130

189

2. 370 Euro für andere Beschäftigte, die in einem Umfang von mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit gemeinsam mit Pflegebedürftigen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig sind, 3. 60 Euro für Freiwillige im Sinne von § 2 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und Freiwillige im Sinne von § 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes im freiwilligen sozialen Jahr und 4. 190 Euro für alle Beschäftigten, die nicht unter die Nummern 1 bis 3 fallen.“ (3) Den folgenden Auszubildenden, die mit einer zugelassenen Pflegeeinrichtung einen Ausbildungsvertrag geschlossen haben oder im Bemessungszeitraum mindestens drei Monate in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung zur Durchführung der praktischen Ausbildung tätig waren, ist eine Corona-Pflegebonus in Höhe von 330 Euro zu zahlen: 1. Auszubildenden zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger nach § 58 Absatz 2 des Pflegeberufegesetzes, 2. Auszubildenden zur Altenpflegerin oder zum Altenpfleger nach § 66 Absatz 2 des Pflegeberufegesetzes, 3. Auszubildenden zur Gesundheits- und Krankenpflegerin oder zum Gesundheits- und Krankenpfleger nach § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Pflegeberufegesetzes, 4. Auszubildenden zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder zum Gesundheitsund Kinderkrankenpfleger nach § 58 Absatz 1 des Pflegeberufegesetzes, 5. Auszubildenden zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder zum Gesundheitsund Kinderkrankenpfleger nach § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Pflegeberufegesetzes oder 6. Auszubildenden zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann nach dem Pflegeberufegesetz. Satz 1 gilt entsprechend für Auszubildende in landesrechtlich geregelten Assistenz- oder Helferausbildungen in der Pflege von mindestens einjähriger Dauer.

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

(4) An Beschäftigte, die im Bemessungszeitraum mindestens drei Monate in einer zuge-

190

lassenen Pflegeeinrichtung tätig waren und in dieser Zeit ganz oder teilweise in Teilzeit gearbeitet haben, ist die Corona-Pflegebonus anteilig im Verhältnis zu den in Absatz 2 Satz 1 genannten Höhen zu zahlen. Der jeweilige Anteil entspricht dem Anteil der von ihnen wöchentlich durchschnittlich in dem Bemessungszeitraum tatsächlich geleisteten Stunden im Verhältnis zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit der bei derselben Pflegeeinrichtung Vollzeitbeschäftigten, mindestens jedoch dem Anteil der mit ihnen vertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit der bei der Pflegeeinrichtung Vollzeitbeschäftigten. Abweichend von Satz 1 ist die Corona-Pflegebonus nach Absatz 2 ungekürzt an Teilzeitbeschäftigte zu zahlen, wenn sie im Bemessungszeitraum mindestens drei Monate in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung tätig waren und ihre wöchentliche tatsächliche oder vertragliche Arbeitszeit in diesem Zeitraum 35 Stunden oder mehr betrug.

(5) Die folgenden Unterbrechungen der Tätigkeit im Bemessungszeitraum sind für die Berechnung des dreimonatigen Zeitraums, in dem die Beschäftigten im Bemessungszeitraum mindestens in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung tätig sein müssen, unbeachtlich: 1. Unterbrechungen von bis zu 14 Kalendertagen, 2. Unterbrechungen auf Grund einer COVID-19-Erkrankung, 3. Unterbrechungen auf Grund von Quarantänemaßnahmen, 4. Unterbrechungen auf Grund eines Arbeitsunfalls oder 5. Unterbrechungen wegen Erholungsurlaubs. (6) Soweit Beschäftigte einer Pflegeeinrichtung im Bemessungszeitraum ganz oder teilweise in Kurzarbeit gearbeitet haben, sind für die Bemessung der diesen Beschäftigten jeweils zustehenden Corona-Pflegeboni die von ihnen wöchentlich durchschnittlich im Bemessungszeitraum tatsächlich geleisteten Stunden maßgeblich. Absatz 4 gilt im Übrigen entsprechend. (7) Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 erhalten im Wege der Vorauszahlung von der sozialen Pflegeversicherung den Betrag erstattet, den sie für die Auszahlung der in den Absätzen 2 bis 4 und 6 genannten Corona-Pflegeboni benötigen. Die in den Absätzen 2 bis 4 und 6 genannten Corona-Pflegeboni können nicht nach § 150 Absatz 2 erstattet werden. Auch wenn ein nach Absatz 9 erhöhter Corona-Pflegebonus als Sonderleistung gezahlt wird oder wenn von den zugelassenen Pflegeeinrichtungen an ihre Beschäftigten vergleichbare Sonderleistungen gezahlt werden, können die gezahlten Be-träge nicht nach § 150 Absatz 2 erstattet werden. Sonderleistungen nach Satz 3 sind bei der Bemessung der Pflegevergütung der zugelassenen Pflegeeinrichtungen berücksichtigungsfähig. Die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 melden den Pflegekassen den Betrag, den sie für die Auszahlung der in den AbDie Pflegekassen stellen sicher, dass alle Pflegeeinrichtungen und alle Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 diesen Betrag von der sozialen Pflegeversicherung bis spätestens 30. September 2022 für die Beschäftigten und Arbeitnehmer im Sinne von Absatz 1 Satz 2 erhalten. Der Bund zahlt zur Refinanzierung der durch die Pflegekassen an die zugelassenen

Kapitel XXX

sätzen 2 bis 4 und 6 genannten Corona-Pflegeboni benötigen, bis spätestens 31. Juli 2022.

Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 gezahlten Vorauszahlungen bis zum 1. September 2022 einen Betrag in Höhe von 500 Millionen Euro an den Ausgleichsfonds. Die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 haben den Pflegekassen bis spätestens 15. Februar 2023 die tatsächliche Auszahlungssumme der Corona-Pflegeboni sowie die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger anzuzeigen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt im Benehmen mit den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Ver-fahren einschließlich angemessener Möglichkeiten zur Prüfung, Rückforderung und Aufrechnung durch die Pflegekassen sowie der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmer 191

im Sinne von Absatz 1 Satz 2 über ihren Anspruch fest. Die Verfahrensregelungen bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit. (8) Die Auszahlung des jeweiligen Corona-Pflegebonus an die jeweiligen Beschäftigten erfolgt durch die zugelassene Pflegeeinrichtung oder den Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2, bei der oder dem die Beschäftigten am 30. Juni 2022 beschäftigt sind; die Auszahlung hat unverzüglich nach Erhalt der Vorauszahlung nach Absatz 7, spätestens mit der nächstmöglichen regelmäßigen Entgeltauszahlung, jedenfalls aber bis zum 31. Dezember 2022 zu erfolgen. Sie ist den Beschäftigten in der gesamten ihnen nach den Absätzen 2 bis 4 und 6 zustehenden Höhe in Geld über das Arbeitsentgelt und sonstige Bezüge hinaus auszuzahlen. Eine Aufrechnung mit Ansprüchen der Pflegeeinrichtung oder der Arbeitgeber nach Absatz 1 Satz 2 gegen den Beschäftigten oder Arbeitnehmer nach Absatz 1 Satz 2 ist ausgeschlossen. Der Corona-Pflegebonus ist unpfändbar. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Ausbildungsvergütung sowie für das Taschengeld für Freiwillige im Sinne des § 2 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und für Freiwillige im Sinne des § 2 des Jugendfreiwilligendienstegesetz im freiwilligen sozialen Jahr. (9) Der Corona-Pflegebonus kann durch die Länder und die zugelassenen Pflegeeinrichtungen über die in den Absätzen 2 bis 6 genannten Höchstbeträge hinaus für alle Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen er-höht werden. Gleiches gilt für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne von Absatz 1 Satz 2. Die Länder regeln ihr Verfahren. Sie können sich dabei an den Verfahrensregelungen dieser Vorschrift, insbesondere an den genannten Fristen, orientieren. Sofern ein Land den Corona-Pflegebonus nach Satz 1 erhöht, kann es das Verfahren einschließlich der Auszahlung als Sonderleistung über die im jeweiligen Land zuständigen Pflegekassen durchführen, wenn es ihnen die Verwaltungskosten hierfür erstattet. In diesem Fall sind die im Land zuständigen Pflegekassen dazu verpflichtet, das Verfahren einschließ-

Kapitel XXX

lich der Auszahlung dieser Sonderleistung an die zugelassenen Pflegeeinrichtungen zusam-

192

men mit dem Corona-Pflegebonus für das Land durchzuführen und hier-für ein geeignetes Verfahren vorzusehen.

Kapitel XXXI • Anhang Im Anhang sind die zwei bisher veröffentlichten Richtlinien mit den zum Druckzeitpunkt des Buches (Mai 2022) gültigen Fassungen abgedruckt. Zwar müssen einige Inhalte wegen der Konkretisierungen im Pflegebonusgesetz angepasst werden, aber die Richtlinieninhalte sowie die aufgrund dieser Richtlinien erfassten Daten für das regionale Entgeltniveau behalten für das Jahr 2022 ihre Gültigkeit. Daher sind diese Fassungen der Richtlinien auch dann noch von Bedeutung, wenn diese durch eine modifizierte Fassung ersetzt sind. Da nach der bisherigen Erfahrung auch nicht absehbar ist, wann neue Richtlinien veröffentlicht werden, bilden diese weiterhin eine wesentliche Arbeitsgrundlage.

31.1 Zulassungsrichtlinie § 72 Abs. 3c Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 72 Absatz 3c SGB XI zu den Verfahrensund Prüfgrundsätzen zur Einhaltung der Vorgaben für Versorgungsverträge nach § 72 Absätze 3a und 3b SGB XI (Zulassungs-Richtlinien) vom 24.01.2022, zuletzt geändert durch Beschluss vom 21.03.2022 Der GKV-Spitzenverband1 hat die Richtlinien nach §  72 Absatz 3c SGB XI erstmalig am 27.09.2021 beschlossen und anschließend dem Bundesministerium für Gesundheit zur Genehmigung vorgelegt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Richtlinien im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 23.12.2021 unter modifizierenden Maßgaben (Auflagen) genehmigt. Der GKV-Spitzenverband hat daraufhin die Richtlinien geändert und am 24.01.2022 beschlossen. Diese Richtlinien hat das und Soziales mit Schreiben vom 27.01.2022 genehmigt. Im Nachgang zur Veröffentlichung nach § 82c Absatz 5 SGB XI hat das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales um eine kurzfristige Anpassung der Richtlinien hinsichtlich der Erfüllung der Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI gebeten. Der GKV-Spitzenverband hat daraufhin die Richtlinien erneut geändert und am 21.03.2022 beschlossen. Diese Richtlinien hat das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 25.03.2022 genehmigt. Präambel Die Verbesserung der Entlohnung von Pflegekräften ist eine Kernforderung der Konzertierten Aktion Pflege, in der sich die Bundesregierung gemeinsam mit Akteuren der Pflegebranche auf Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege 1

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit

Der GKV-Spitzenverband ist der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach § 53 SGB XI

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geeinigt hat. Neben der Weiterentwicklung des rechtlichen Instrumentariums zur Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege im Pflegelöhneverbesserungsgesetz wird eine flächendeckende Entlohnung nach Tarif mehrheitlich als wesentliches Element für eine solche Verbesserung gesehen. Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) wurden daher mit Wirkung zum 1. September 2022 als weitere Voraussetzungen für die Zulassung zur pflegerischen Versorgung nach dem Recht der Pflegeversicherung folgende Vorgaben in § 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit den Absätzen 3a und 3b SGB XI ergänzt: Absatz 3 Satz 1 Nummer 2: Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und die Vorgaben des Absatzes 3a oder Absatzes 3b erfüllen. Absatz 3a: Ab dem 1. September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist, an die die jeweiligen Pflegeeinrichtungen gebunden sind. Absatz 3b: Mit Pflegeeinrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge ab dem 1. September 2022 nur abgeschlossen werden, wenn sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, die 1. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen räumlicher,

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,

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2. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist, oder 3. die Höhe der Entlohnung einer der Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung nicht unterschreitet. Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, sind bis spätestens zum Ablauf des 31. August 2022 mit Wirkung ab 1. September 2022 an die Vorgaben des Absatzes 3a oder Absatzes 3b anzupassen. Auf Grundlage des GVWG hat der GKV-Spitzenverband gemäß § 72 Absatz 3c SGB XI den Auftrag, bis zum Ablauf des 30. September 2021 unter Beteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe das Nähere insbesondere

zu den Verfahrens- und Prüfgrundsätzen für die Einhaltung der Vorgaben nach § 72 Absätze 3a und 3b SGB XI in Richtlinien festzulegen.

§

 1 Gegenstand und Geltungsbereich: (1) Die Richtlinien bestimmen die Verfahrens- und Prüfgrundsätze für die Einhaltung der Vorgaben gemäß § 72 Absätze 3a und 3b SGB XI.

(2) Die Richtlinien sind für die Pflegeeinrichtungen nach Absatz 3, die Landesverbände der Pflegekassen und die nach Landesrecht zuständigen Träger der Sozialhilfe verbindlich. (3) In den Geltungsbereich fallen alle eine Zulassung nach § 72 SGB XI anstrebenden bzw. bereits zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen einschließlich der Betreuungsdienste nach § 71 Absatz 1a SGB XI sowie alle teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen einschließlich der Kurzzeitpflege, die als selbständig wirtschaftende Organisationseinheit Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen.

§

 2 Zulassungsvoraussetzungen für Pflegeeinrichtungen, die an Tarifvertragswerke bzw. kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind: (1) Die Voraussetzungen für

die Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag gemäß § 72 Absatz 3a SGB XI sind bei Pflegeeinrichtungen gegeben, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, die in Tarifvertragswerken2 oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist, an die die jeweiligen Pflegeeinrichtungen gebunden sind. (2) Tarifgebunden sind gemäß § 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertragswerks ist. Eine Tarifbindung besteht, wenn der Träger einer Pflegeeinrichtung selbst oder durch die Vollmitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband Tarifvertragspartei ist. Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen und rifvertragswerk endet. Dies gilt auch im Falle eines Austritts des Pflegeeinrichtungsträgers aus dem tarifschließenden Verband, bei einem Wechsel von einer Vollmitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung oder in vergleichbaren Fällen (Nachbindung im Sinne von § 3 Absatz 3 TVG)3 .

Kapitel XXXI

die Zulassungsvoraussetzungen nach § 72 Absatz 3a SGB XI sind insoweit erfüllt, bis das Ta-

(3) An kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind kirchliche Arbeitgeber, die aufgrund ihrer satzungsmäßigen Zuordnung Mitglieder der Rechtsträger der (Erz-)Bistümer oder des Deutschen Caritasverbandes und seiner Gliederungen bzw. der Evangelischen Gliedkirchen oder des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung e. V. oder der gliedkirchlichen oder freikirchlichen Diakonischen Werke sind und die sich in ihren Satzungen verpflichten, für 2

3

Keine Tarifvertragswerke sind beispielsweise einseitig von einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband formulierte Entgeltregelungen (einseitig festgelegte „Arbeitsvertragsrichtlinien“), Betriebsvereinbarungen, betriebliche Arbeits- und Sozialordnungen oder Vereinbarungen von für nicht tariffähig erklärten Verbänden. Ein vergleichbarer Fall ist beispielsweise der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Verband.

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Abschluss, Inhalt und Beendigung von Arbeitsverträgen die jeweiligen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in ihren jeweils geltenden Fassungen anzuwenden. Dabei werden die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen durch paritätisch von kirchlichen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern sowie kirchlichen Dienstgeberinnen und Dienstgebern besetzte Kommissionen beschlossen, deren Ordnungen durch die (Erz-) Bistümer bzw. die Evangelischen Gliedkirchen in Kraft gesetzt sind. (4) Träger von Pflegeeinrichtungen, die sich an die kollektivvertraglichen Mantel und Entlohnungsregelungen kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen lediglich orientieren und nicht alle darin vereinbarten Regelungen umsetzen, sind Träger von Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 72 Absatz 3b SGB XI. (5) Träger von Pflegeeinrichtungen erfüllen die Zulassungsvoraussetzungen nach § 72 Absatz 3a SGB XI auch dann, wenn sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, zu der sie durch ein Tarifvertragswerk oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen zur Vermeidung einer Insolvenz oder der Sanierung für eine Pflegeeinrichtung und zur Beschäftigungssicherung verpflichtet sind (Notlagentarife, Sanierungstarifvertrag, Zukunftssicherungstarifvertrag). Das gilt auch dann, wenn dieses Tarifvertragswerk oder diese kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen einen vorübergehenden Verzicht der Beschäftigten auf (Teil-)Ansprüche bzw. deren Stundung regeln. (6) Ein Träger einer Pflegeeinrichtung gilt als tarifgebunden im Sinne des § 72 Absatz 3a SGB XI, wenn das Tarifvertragswerk abgelaufen ist und noch nicht durch eine andere Abmachung ersetzt wurde4. Dies gilt nicht, wenn davon ausgegangen wird, dass es nicht zum Abschluss eines neuen Tarifvertragswerks kommt. Davon können die Landesverbände der Pflegekassen ausgehen, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des alten Tarifvertragswerks kein neues

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Tarifvertragswerk vereinbart wurde. (7) Im Übrigen gelten die weiteren in § 72 SGB XI festgelegten Voraussetzungen für die Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag.

§

 3 Zulassungsvoraussetzungen für Pflegeeinrichtungen, die nicht an Tarifvertragswerke oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind: (1) Pflegeeinrichtungen,

die nicht an Tarifvertragswerke oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gebunden sind, erfüllen die Voraussetzungen gemäß § 72 Absatz 3b SGB XI, wenn sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, die

4

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Vgl. § 4 Absatz 5 Tarifvertragsgesetz. Ein Tarifvertragswerk kann beispielsweise durch Kündigung enden; eine andere Abmachung im Sinne der Regelung kann zum Beispiel ein Anschlusstarifvertrag sein.

die Höhe der Entlohnung5 eines Tarifvertragswerks nicht unterschreitet, dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist (Flächentarifvertragswerk6), die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertragswerks nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region7 erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist (Haus-/Unternehmenstarifvertragswerk8), oder 4. die Höhe der Entlohnung5 einer der Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung nicht unterschreitet. (2) Zur Entlohnung nach Absatz 1 zählen insbesondere die Grundvergütung, einschließlich Entgeltbestandteilen, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Region anknüpfen, sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätze (vgl. § 2a Arbeitnehmer-Entsendegesetz). (3) Die Voraussetzungen nach Absatz 1 sind erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtung bei der Entlohnung ihrer Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung in den drei Beschäftigtengruppen (Qualifikationsgruppen) a) Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung b) Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung c) Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung jeweils im Durchschnitt das aktuell veröffentlichte regional übliche Entgeltniveau für die betreffende Beschäftigtengruppe sowie die aktuell veröffentlichten Durchschnittswerte der tarifvertraglich und in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge9 in der Region nicht unterschreitet. Zur Ermittlung der jeweiligen durchschnittlichen Entlohnung sind für die Pflegeeinrichtung das Grundgehalt (Tabellenentgelt), die Jahressonderfixen pflegetypischen Zulagen maßgebend10. (4) Die Voraussetzungen nach Absatz 1 sind auch dann erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtung ihre Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung mindestens in Höhe des von ihr als maßgebend im Sinne von § 72 Absatz 3d SGB XI mitgeteilten Tarifvertragswerks oder kirchlichen

Kapitel XXXI

zahlungen, die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sowie die regelmäßigen und

Arbeitsrechtsregelungen in der jeweiligen aktuellen Fassung entlohnt. Dabei muss durch die 5

Die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertragswerks bzw. von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ist in Bezug auf die im Tarifvertragswerk bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte Wochenarbeitszeit zu setzen. 6 Ein Flächentarifvertragswerk regelt Arbeitsbedingungen von Arbeitsverhältnissen bei Arbeitgebern, die üblicherweise einer bestimmten Branche (in einer Region oder auch bundesweit) angehören. 7 Gemäß § 2 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbands nach § 82c Absatz 4 SGB XI gilt als Region das jeweilige Bundesland, soweit die Landesverbände der Pflegekassen keine anderen Festlegungen zur Bildung von Regionen getroffen haben. 8 Ein Haustarifvertragswerk regelt die Mindestbedingungen für die Beschäftigten eines bestimmten Arbeitgebers unter Berücksichtigung betriebsspezifischer und/oder regionaler Besonderheiten. 9 Gemäß § 5 Absatz 2 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 82c Absatz 4 SGB XI 10 Vgl. § 3 Absatz 2 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes gemäß § 82c Absatz 4 SGB XI.

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Entlohnung sichergestellt sein, dass das in dem von der Pflegeeinrichtung als maßgebend mitgeteilte Tarifvertragswerk oder in den von ihr als maßgebend mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vorgesehene Lohngefüge1111 beachtet wird. (5) Der räumliche Geltungsbereich ist eröffnet, wenn die entsprechende Pflegeeinrichtung ihre Betriebsstätte im Anwendungsbereich des Tarifvertragswerks (Gebiet, für das das Tarifvertragswerk Anwendung findet) hat; der Sitz des Trägers der Pflegeeinrichtung ist nicht maßgeblich. Sofern ein Pflegeeinrichtungsträger mehrere Pflegeeinrichtungen in unterschiedlichen Regionen betreibt und für die Entlohnung der Beschäftigten aller Pflegeeinrichtungen dasselbe Tarifvertragswerk zugrunde legen möchte, ist der Geltungsbereich des Tarifvertragswerks für seine Einrichtungen nur eröffnet, sofern das Tarifvertragswerk für diese Regionen auch Anwendung findet. (6) Der zeitliche Geltungsbereich ist eröffnet, wenn das Tarifvertragswerk in Kraft getreten und die Geltungsdauer (Laufzeit) des Tarifvertragswerks noch nicht abgelaufen ist. Abweichend von Satz 1 bleibt der zeitliche Geltungsbereich für eine Pflegeeinrichtung auch dann weiterhin eröffnet, wenn sich das von ihr als maßgebend mitgeteilte Tarifvertragswerk in Nachwirkung gemäß § 4 Absatz 5 TVG befindet und die Pflegeeinrichtung das Tarifvertragswerk während des Geltungszeitraums (Laufzeit) des Tarifvertragswerks als maßgebend mitgeteilt hat. Dies gilt bis zum Meldezeitpunkt nach § 72 Absatz 3e SGB XI im darauffolgenden Jahr. (7) Der fachliche Geltungsbereich12 ist eröffnet, wenn von ihm zumindest auch Einrichtungen erfasst werden, die Pflege- und Betreuungsleistungen erbringen 13. (8) Es können von einer Pflegeeinrichtung nur Tarifvertragswerke derselben Tarifvertragsparteien zur Anwendung gebracht werden. Die angewendeten Tarifvertragswerke müssen sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Pflegebedürftigen in der jeweiligen Einrichtung erbringen, berücksichtigen.

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(9) Der persönliche Geltungsbereich ist eröffnet, wenn von ihm zumindest auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst werden, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen14. (10) Tarifvertragswerke und kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nach § 2 Absatz 5 können von Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3b SGB XI nicht als maßgebend im Sinne von § 72 Absatz 3d SGB XI mitgeteilt werden.

11 Hierzu gehören die sich aus einem Tarifvertragswerk oder aus kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebenden Ansprüche entsprechend Absatz 2 unter Mindesteinhaltung der jeweiligen Erfahrungsstufen sowie die Einhaltung der Eingruppierungsgrundsätze des Tarifvertragswerks oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen. 12 Dieser wird häufig auch als „betrieblicher Geltungsbereich“ bezeichnet. 13 Der fachliche Geltungsbereich kann auch durch Aufzählung pflegespezifischer Tätigkeiten beschrieben werden. 14 Manche Tarifvertragswerke gelten für alle Beschäftigten einer Branche oder eines Unternehmens. Manche Tarifvertragswerke gelten nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (einer Branche oder eines Unternehmens), nicht jedoch beispielsweise für Auszubildende.

(11) Die Absätze 5 bis 9 gelten für die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen entsprechend. Die Absätze 5 bis 10 gelten nur für Pflegeeinrichtungen, die nach Absatz 4 verfahren. (12) Im Übrigen gelten die weiteren in § 72 SGB XI festgelegten Voraussetzungen für die Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag.

§

 4 Mitteilung der tarif- oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen: (1) Die tarif- oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundene

Pflegeeinrichtung nach § 72 Absatz 3a SGB XI hat jährlich bis zum Ablauf des 30. September den Landesverbänden der Pflegekassen nach § 72 Absatz 3e SGB XI mitzuteilen, an welches Tarifvertragswerk oder welche kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden ist. (2) Der Mitteilung der Pflegeeinrichtung nach Absatz 1 sind folgende Angaben zu entnehmen: 1. Allgemeine Angaben zur Pflegeeinrichtung (Name, Adresse, Bundesland, Kontaktperson, Kontaktdaten, Institutionskennzeichen, Name des Einrichtungsträgers) 2. Name des Tarifvertragswerks bzw. der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen 3. Tarifvertragsparteien (Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband/ Dienstgeberverband, tarifzuständige Gewerkschaft) bzw. zuständige Arbeitsrechtliche Kommission 4. Typus (Haus-/Unternehmenstarifvertragswerk, Flächentarifvertragswerk/Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, Notlagen- /Sanierungs-/Zukunftssicherungstarifvertrag) 5. Angabe, ob eine Nachbindung des Tarifvertragswerks nach § 3 Absatz 3 TVG besteht. 6. Räumlicher Geltungsbereich (insbesondere bundesweit, Bundesland, Region) 7. Laufzeit des Tarifvertragswerks (Laufzeitbeginn und –ende; ggf. bei Beginn das Datum der zum Mitteilungszeitpunkt gültigen Version des Tarifvertragswerks bzw. der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, ggf. bei Ende das Datum, ab welchem die Kündigung oder anderweitige Beendigung15 wirksam ist). Sofern die Laufzeiten des kollektivrechtlichen rifvertrags maßgebend 8. Sofern für das Tarifvertragswerk eine Nachwirkung nach § 4 Absatz 5 TVG gilt, das Datum des Beginns der Nachwirkung 9. Rechtsverbindliche Erklärung, dass sich das Tarifvertragswerk bzw. die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen fachlich auf alle Beschäftigten in der Pflege und Betreuung der

Kapitel XXXI

Mantel- und Entgelttarifvertrags voneinander abweichen, ist die Laufzeit des Entgeltta-

Pflegeeinrichtung erstrecken. Darüber hinaus sind der Mitteilung der Pflegeeinrichtung folgende maßgeblichen Informationen aus den Tarifvertragswerken bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die zum Stichtag 1. September des Jahres gelten, zur Ermittlung eines regional üblichen Entgeltniveaus nach § 82c SGB XI zu entnehmen: 1. Summe der Vollzeitäquivalente (VZÄ; kaufmännisch gerundet ohne Nachkommastellen) in der jeweiligen Beschäftigtengruppe, die überwiegend in der Pflege oder Betreuung von 15 Z. B. Aufhebung

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Pflegebedürftigen eingesetzt werden (mindestens 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Tätigkeit) a) Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung b) Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung c) Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung. Die verantwortliche Pflegefachperson und ihre Stellvertretung sowie Auszubildende in der Pflege bleiben bei der Aufteilung und der Ermittlung der VZÄ unberücksichtigt. 1. Angabe der einzelnen tarifvertraglich bzw. in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten fixen und regelmäßigen Bestandteile der Entlohnung (jeweils kaufmännisch gerundet auf den vollen Betrag ohne Nachkommastellen in Euro), jeweils Angabe des Durchschnittswerts bezogen auf eine Vollzeitbeschäftigung für die in Nummer 10 genannten Beschäftigtengruppen: monatliches Grundgehalt gemäß Entgelttabelle16; maßgebend sind die tariflichen Ansprüche entsprechend der tatsächlichen Eingruppierung der Beschäftigten der Pflegeeinrichtung in die Entgeltgruppen und Erfahrungsstufen des jeweiligen Tarifvertragswerks bei einer Vollzeitbeschäftigung d) Jahressonderzahlungen wie Urlaubs-/Weihnachtsgeld (Summe der Sonderzahlungen im Jahr) e) Vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers im Monat f) Regelmäßige und fixe pflegetypische Zulagen (Pflegezulage, Schichtzulage, Wechselschichtzulage, Erschwerniszulage, Stellenzulage, Leistungszulage o. ä.); Summe der durchschnittlichen Monatsbeträge. Maßgebend ist der jeweilige Anspruch aus dem Tarifvertragswerk bzw. aus den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bei einer Vollzeitbeschäftigung, nicht die tatsächliche Bezahlung. 1. Angabe der einzelnen tarifvertraglich bzw. in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ver-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

einbarten variablen pflegetypischen Zuschläge auf das Grundgehalt (Zuschlag auf den

200

Stundenlohn in Prozent; kaufmännisch gerundet auf den vollen Betrag ohne Nachkommastellen) für: a) Nachtarbeit b) Sonntagsarbeit c) Feiertagsarbeit d) Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit e) Flexibilitätszuschlag f) Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft 2. Tarifvertraglich bzw. in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit in Stunden (kaufmännisch gerundet auf eine Nachkommastelle) 3. Rechtsverbindliche Erklärung über die Richtigkeit der Angaben zu den Nummern 1 bis 13. 16 Sollte das Tarifvertragswerk oder die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen keine Entgelttabelle mit monatlichen Grundgehältern enthalten, sind diese auf Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen oder der kirchlichenArbeitsrechtsregelungen zu berechnen.

(3) Ergänzend zur jährlichen Mitteilung nach Absatz 1 hat die Pflegeeinrichtung nach § 72 Absatz 3d SGB XI die Angaben nach Absatz 1 und Absatz 2 Nummern 1 bis 9 für das Jahr 2022 bis zum 28. Februar 2022 mitzuteilen. (4) Bei Pflegeeinrichtungen, die zwischen dem 1. März 2022 und 31. August 2022 zugelassen werden, ist Absatz 3 entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen ist. (5) Sofern sich Änderungen zu Absatz 1 oder Absatz 2 Nummern 1 bis 9 ergeben, hat die Pflegeeinrichtung dies gemäß § 72 Absatz 3d SGB XI unverzüglich den Landesverbänden der Pflegekassen mitzuteilen und die Richtigkeit der Angaben in der Änderung rechtsverbindlich entsprechend Absatz 2 Nummer 14 zu erklären. Sofern sich die Änderungen nach Abschluss des Versorgungsvertrags mit Wirkung ab 1. September 2022 ergeben, ist der Versorgungsvertrag entsprechend § 8 anzupassen. (6) Sofern sich Änderungen zum Absatz 2 Nummern 10 bis 13 ergeben, hat die Pflegeeinrichtung dies gemäß § 72 Absatz 3e SGB XI spätestens bis zum 30. September des laufenden Jahres mitzuteilen. (7) Sofern die Voraussetzungen der Tarifbindung oder der Bindung an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nach § 2 Absätze 2, 3, 5 und 6 für die Pflegeeinrichtung nicht mehr vorliegen, ist das Verfahren nach § 5 anzuwenden. (8) Die Landesverbände der Pflegekassen prüfen, ob die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3a SGB XI vorliegt. Hierzu wird anhand der Informationen aus der Mitteilung nach § 72 Absatz 3d SGB XI geprüft, ob eine Bindung an ein Tarifvertragswerk oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen vorliegt. Ergänzend können die Landesverbände der Pflegekassen weitere Unterlagen von der Pflegeeinrichtung anfordern, wie beispielsweise einen aktuellen bei dem tarifschließenden Arbeitgeberverband oder solche Unterlagen anfordern, die belegen, dass eine Entlohnung nach Tarif oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gezahlt wird. Die Pflegeeinrichtungen sind zur Mitwirkung verpflichtet.

§

Kapitel XXXI

Auszug aus dem Landestarifregister oder eine aktuelle Bestätigung über eine Vollmitgliedschaft

 5 Mitteilung der nicht tarif- oder an kirchliche: Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen

(1) Die nicht tarif- oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundene Pflegeeinrichtung nach § 72 Absatz 3b SGB XI hat den Landesverbänden der Pflegekassen zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht nach § 72 Absatz 3d SGB XI entweder eine rechtsverbindliche Erklärung nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 abzugeben oder gemäß § 5 Absatz 2 Nummer 4 rechtsverbindlich mitzuteilen, welches Tarifvertragswerk oder welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen für sie maßgebend sind. Die Mitteilung erfolgt erstmals bis zum 28. Februar 2022.

201

(2) Der Mitteilung der Pflegeeinrichtung nach Absatz 1 sind folgende Angaben zu entnehmen: 1. Allgemeine Angaben zur Pflegeeinrichtung (Name, Adresse, Bundesland, Kontaktperson, Kontaktdaten, Institutionskennzeichen) 2. Angabe, ob die Voraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI unter Anwendung von § 3 Absatz 3 oder § 3 Absatz 4 erfüllt wird. 3. Sofern die Voraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI unter Anwendung von § 3 Absatz 3 erfüllt wird: Rechtsverbindliche Erklärung, dass der Träger der Pflegeeinrichtung das jeweilige regional übliche Entgeltniveau in den drei Beschäftigtengruppen und die regionalen Durchschnittswerte der tarifvertraglich oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge für alle Beschäftigten in der Pflege und Betreuung spätestens ab dem 1. September 2022 nichtunterschreitet. 4. Sofern die Voraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI unter Anwendung von § 3 Absatz 4 erfüllt wird: a) Name des Tarifvertragswerkes, dessen Höhe der Entlohnung von der Pflegeeinrichtung nicht unterschritten wird (maßgebendes Tarifvertragswerk) b) Zeitraum, für den die Höhe der Entlohnung gemäß dem maßgebenden Tarifvertragswerk nicht unterschritten wird c) Erklärung, dass die Voraussetzungen gemäß § 3 Absatz 1 im Hinblick auf das maßgebende Tarifvertragswerk gegeben sind d) Rechtsverbindliche Erklärung, dass der Träger der Pflegeeinrichtung die Höhe der Entlohnung gemäß dem maßgebenden Tarifvertragswerk für alle Beschäftigten in der Pflege und Betreuung spätestens ab dem 1. September 2022 nicht unterschreitet. 5. Rechtsverbindliche Erklärung über die Richtigkeit der Angaben. Die Angaben zu den Nummern 2 und 4 gelten bei einer Zugrundelegung von kirchlichen

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Arbeitsrechtsregelungen entsprechend.

202

(3) Sofern sich Änderungen der Angaben aus den Absätzen 1 und 2 ergeben, hat die Pflegeeinrichtung dies gemäß § 72 Absatz 3d Satz 2 SGB XI unverzüglich den Landesverbänden der Pflegekassen mitzuteilen und die Richtigkeit der Angaben in der Änderung rechtsverbindlich entsprechend Absatz 2 Nummer 5 zu erklären. Sofern sich die Änderungen nach Abschluss des Versorgungsvertrags mit Wirkung ab 1. September 2022 ergeben, ist der Versorgungsvertrag entsprechend § 8 anzupassen. (4) Bei Pflegeeinrichtungen, die zwischen dem 1. März 2022 und 31. August 2022 zugelassen werden, sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Die Mitteilung ist unverzüglich vorzunehmen. (5) Die Landesverbände der Pflegekassen prüfen, ob die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI vorliegt. Hierzu wird anhand der Informationen aus der Mitteilung nach § 72 Absatz 3d SGB XI geprüft, ob die Pflegeeinrichtung § 3 Absatz 3 oder § 3 Absatz 4 an-

wendet. Ergänzend können die Landesverbände der Pflegekassen jederzeit weitere Unterlagen anfordern, die belegen, dass a) mindestens in Höhe des als maßgebend mitgeteilten Tarifvertragswerks oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen entlohnt wird oder b) das jeweilige regional übliche Entgeltniveau in den drei Beschäftigtengruppen sowie c) die regionalen Durchschnittswerte der tarifvertraglich oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge nicht unterschritten werden. Satz 3 Buchstabe c. ist ab Veröffentlichung der Durchschnittswerte der tarifvertraglich und in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge in der Region, die auf Grundlage der bis zum 30. September 2022 zu meldenden maßgeblichen Informationen nach § 72 Absatz 3e SGB XI ermittelt werden, möglich. Die Pflegeeinrichtungen sind zur Mitwirkung verpflichtet.

§

 6 Elektronisches Mitteilungsverfahren über die Datenclearingstelle: (DCS) Pflege (1) Die Landesverbände der Pflegekassen stellen über die DCS die Strukturen für die elekt-

ronische Informationserfassung nach den §§ 4 und 5 durch die Pflegeeinrichtung sicher. (2) Die Landesverbände der Pflegekassen stellen über die DCS die Nutzung für alle Pflegeeinrichtungen sicher. (3) Die Pflegeeinrichtung hat die Daten über die DCS zu übermitteln. Voraussetzung hierfür ist, dass sie die erforderliche Registrierung zur Nutzung der DCS-Pflege vornimmt.

§

 7 Erstmaliger Abschluss des Versorgungsvertrags: (1) Ein Versorgungsvertrag für die Zulassung zur pflegerischen Versorgung nach § 72 SGB XI darf mit Wirkung ab dem 1. Sep-

tragsstellung auf Zulassung die Mitteilung der Pflegeeinrichtung nach den §§ 4 oder 5 vorliegt und die Landesverbände der Pflegekassen das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzung des § 72 Absatzes 3a SGB XI oder des § 72 Absatzes 3b SGB XI geprüft haben und feststellen konnten. (2) Die Angaben der Pflegeeinrichtung nach § 4 Absatz 2 Nummern 1 bis 4 und 6 bzw. nach § 5

Kapitel XXXI

tember 2022 nur dann mit einer Pflegeeinrichtung erstmals geschlossen werden, wenn bei An-

Absatz 2 Nummern 1, 2 und 4a. werden Bestandteil des Versorgungsvertrages.

§

 8 Anpassung des Versorgungsvertrags bei Bestandseinrichtungen: (1) Auf Grundlage der Mitteilung nach §§ 4 bzw. 5 sind Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen

vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, bis spätestens zum Ablauf des 31. August 2022 mit Wirkung ab 1. September 2022 an die Vorgaben des § 72 Absatz 3a oder Absatz 3b SGB XI anzupassen, wenn die Landesverbände der Pflegekassen das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzung des § 72 Absatzes 3a SGB XI oder des § 72 Absatzes 3b SGB XI geprüft haben und feststellen konnten. 203

(2) Die Angaben der Pflegeeinrichtung nach § 4 Absatz 2 Nummern 1 bis 4 und 6 bzw. nach § 5 Absatz 2 Nummern 1, 2 und 4a. werden Bestandteil des Versorgungsvertrages. (3) Gemäß § 72 Absatz 3d Satz 3 SGB XI sind für das Jahr 2022 alle Pflegeeinrichtungen verpflichtet, den Landesverbänden der Pflegekassen die Angaben gemäß § 4 Absatz 2 Nummern 1 bis 9 bzw. § 5 Absatz 2 Nummern 1 bis 5 spätestens bis zum Ablauf des 28. Februar 2022 mitzuteilen. (4) Bei Pflegeeinrichtungen, die zwischen dem 1. März 2022 und 31. August 2022 zugelassen werden, soll die Anpassung des Versorgungsvertrags ebenfalls mit Wirkung zum 1. September 2022 erfolgen.

§

 9 Verfahren bei Nichterfüllung der Zulassungsvoraussetzungen: (1) Soweit eine Pflegeeinrichtung den Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI mit Wirkung ab

1. September 2022 beantragt und die Landesverbände der Pflegekassen feststellen, dass weder die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3a SGB XI noch die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI vorliegt, darf die Pflegeeinrichtung nicht zur Pflege zugelassen werden. (2) Ab 1. September 2022 gilt bei bereits bestehenden Versorgungsverträgen, dass, soweit die Landesverbände der Pflegekassen feststellen, dass nicht nur vorübergehend weder die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3a SGB XI noch die Zulassungsvoraussetzung nach § 72 Absatz 3b SGB XI vorliegt, dies einen Grund zur Kündigung des Versorgungsvertrages nach § 74 Absatz 1 SGB XI durch die Landesverbände der Pflegekassen im Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe darstellt.

§

 10 Einbindung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe im Land: Bei Neuabschluss

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

von Versorgungsverträgen nach § 7 und Anpassungen des Versorgungsvertrags nach § 8

204

handeln die Landesverbände der Pflegekassen im Einvernehmen mit den nach Landesrecht zuständigen Trägern der Sozialhilfe. Das Einvernehmen nach Satz 1 gilt im Falle der Anpassung nach § 8 grundsätzlich als erteilt; auf Anfrage werden den jeweils zuständigen Trägern der Sozialhilfe die relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Das Einvernehmen zur Anpassung des Versorgungsvertrags berührt die Entscheidung des im Pflegevergütungsverfahren nach §§ 85 und 89 SGB XI zuständigen Trägers der Sozialhilfe nicht.

§

 11 Inkrafttreten: Diese Richtlinien treten am Tag nach der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und

Soziales in Kraft.

31.2 Pflegevergütungsrichtlinie nach § 82c Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 82c Absatz 4 SGB XI zum Verfahren nach § 82c Absätze 1 bis 3 und 5 SGB XI (Pflegevergütungs-Richtlinien) vom 24.01.2022

Der GKV-Spitzenverband17 hat die Richtlinien nach §  82c Absatz 4 SGB XI erstmalig am 27.09.2021 beschlossen und anschließend dem Bundesministerium für Gesundheit zur Genehmigung vorgelegt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Richtlinien im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 23.12.2021 unter modifizierenden Maßgaben (Auflagen) genehmigt. Der GKV Spitzenverband hat daraufhin die Richtlinien geändert und am 24.01.2022 beschlossen. Diese Richtlinien hat das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 27.01.2022 genehmigt. Präambel Zur Einschätzung der Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen in nach SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen haben künftig die Landesverbände der Pflegekassen anhand von maßgeblichen Informationen aus Tarifverträgen bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die ihnen von Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3e SGB XI zu übermitteln sind, ein regional übliches Entgeltniveau zu bestimmen. Das regionale übliche Entgeltniveau ist für nicht tarifgebundene Pflegeeinrichtungen insofern maßgeblich, als eine Bezahlung der Beschäftigten bis maximal 10 Prozent über dem regional üblichen Entgeltniveau in den Pflegevergütungsverfahren nach §§ 85 und 89 SGB XI nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf. Für eine über die Höhe der Bezahlung von Gehältern nach § 82c Absatz 1 SGB XI oder die Höhe der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 SGB XI hinausgehende Bezahlung der Beschäftigten besetz (GVWG) wurde der GKV-Spitzenverband gemäß § 82c Absatz 4 SGB XI beauftragt, bis zum Ablauf des 30. September 2021 unter Beteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe das Nähere zum Verfahren nach § 82c SGB XI Absätze 1 bis 3 und 5 SGB XI mit folgenden Vorgaben festzulegen:

Kapitel XXXI

darf es eines sachlichen Grundes. Durch das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsge-

• Ab dem 1. September 2022 kann bei tarifgebundenen oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen eine Bezahlung von Gehältern der Beschäftigten bis zur Höhe der aus dieser Bindung resultierenden Vorgaben nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. • Bei nicht tarif- oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen kann ab dem 1. September 2022 eine Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit die Höhe ihrer Entlohnung nach dem Tarifver17 Der GKV-Spitzenverband ist der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach § 53 SGB XI

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trag oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, der oder die nach § 72 Absatz 3b SGB XI für ihre Entlohnung maßgebend sind, das regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich überschreitet. Eine deutliche Überschreitung des regional üblichen Entgeltniveaus liegt dann vor, wenn diese Entlohnung die durchschnittliche Entlohnung für solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Tarifverträgen und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die in der Region, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, von tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen angewendet werden, um mehr als 10 Prozent übersteigt. Für eine darüberhinausgehende Bezahlung von Gehältern bedarf es eines sachlichen Grundes. • Zur Information der Pflegeeinrichtungen sollen die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Land und der Träger der Sozialhilfe auf Landesebene unverzüglich nach Genehmigung dieser Richtlinien, spätestens innerhalb eines Monats, für das jeweilige Land eine Übersicht veröffentlichen, welche Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen eine wirtschaftliche Entlohnung vorsehen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Richtlinien im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 27.01.2022 genehmigt.

§

 1 Gegenstand und Geltungsbereich: (1) Die Richtlinien regeln das Verfahren der Landesverbände der Pflegekassen zur Umsetzung der Vorgaben gemäß § 82c Absätze 1 bis 3

und 5 SGB XI. (2) Die Richtlinien sind für die Pflegeeinrichtungen nach Absatz 3, die Landesverbände der Pflegekassen und die nach Landesrecht zuständigen Träger der Sozialhilfe verbindlich. (3) In den Geltungsbereich fallen alle nach § 72 SGB XI zugelassenen ambulanten Pflege-

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

einrichtungen einschließlich der Betreuungsdienste nach § 71 Absatz 1a SGB XI sowie alle teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen einschließlich der Kurzzeitpflege, die Pflegevergütungsvereinbarungen für Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen nach §§ 85 und 89 SGB XI anstreben.

§

 2 Bildung von Regionen: (1) Als Region für die Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus nach § 3 gilt das jeweilige Bundesland.

(2) Abweichend von Absatz 1 können in besonderen Fällen die jeweiligen Landesverbände der Pflegekassen gemeinsam und einheitlich andere Festlegungen zur Bildung von Regionen mit Inkrafttreten der Richtlinien treffen. Wird von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, ist die von Absatz 1 abweichende Festlegung gesondert zu begründen.

§

 3 Regional übliches Entgeltniveau: (1) Das regional übliche Entgeltniveau stellt einen nach der Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder

206

Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gewichteten Durchschnitt der Entlohnung entsprechend den in der Region nach § 2 geltenden Tarifvertragswerken und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen dar. Das regional übliche Entgeltniveau wird als durchschnittlicher Stundenlohn in Euro, kaufmännisch auf zwei Nachkommastellen gerundet, ausgewiesen. (2) Die Entlohnung nach Absatz 1 umfasst folgende tariflich bzw. in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte Bestandteile: a) das Grundgehalt (Tabellenentgelt), b) die Jahressonderzahlungen, c) die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sowie d) die regelmäßigen und fixen pflegetypischen Zulagen. (3) Bei der Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus durch die Landesverbände der Pflegekassen wird die Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Pflegeeinrichtungen berücksichtigt, die überwiegend in der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen tätig sind. Überwiegend in der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen nach Satz 1 tätig sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer vertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeit von mindestens 50 Prozent in der Pflege oder Betreuung. Die verantwortliche Pflegefachperson und ihre Stellvertretung sowie Auszubildende in der Pflege bleiben bei der Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus nach Satz 1 unberücksichtigt. (4) Grundlage für die Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus sind die Mitteilungen der tarifgebundenen oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungengebundenen Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3e SGB XI für die jeweilige Region nach § 2, die den in § 4 Absatz 2 Nummern 10, 11 und 13 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 72 Absatz 3c SGB XI, die den Anforderungen an die zu meldenden maßgeblichen Informationen entsprechen.

§ 2 Absatz 5 der Richtlinien des GKV Spitzenverbandes nach § 72 Absatz 3c SGB XI bleiben bei der Ermittlung unberücksichtigt.

§

 4 Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus: (1) Das regional übliche Entgeltniveau wird anhand der nach § 3 Absatz 4 vorliegenden Mitteilungen der Pflegeeinrichtun-

Kapitel XXXI

(5) Die Mitteilungen zu den Tarifvertragswerken und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nach

gen von den Landesverbänden der Pflegekassen nach den Absätzen 2 bis 5 ermittelt. (2) Im ersten Schritt wird für jede Pflegeeinrichtung ein arbeitszeitnormierter Stundenlohn jeweils für die drei Beschäftigtengruppen (Qualifikationsgruppen) a) Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung b) Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung c) Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung 207

ermittelt. Zur Berechnung des arbeitszeitnormierten Stundenlohnes nach Satz 1 werden für jede Beschäftigtengruppe das durchschnittliche monatliche Arbeitnehmer-Grundgehalt (Tabellenentgelt), die Jahressonderzahlungen bezogen auf einen monatlichen Durchschnitt, die monatlichen vermögenswirksamen Leistungen und die durchschnittlichen monatlichen fixen pflegetypischen Zulagen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 11 der Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI, jeweils bezogen auf eine Vollzeitbeschäftigung, addiert und die Summe durch die - dem Tarifvertragswerk bzw. den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen entsprechende - monatliche Arbeitszeit dividiert. Die monatliche Arbeitszeit nach Satz 2 wird errechnet, indem die Wochenarbeitszeit18 mit 13 multipliziert und anschließend durch 3 dividiert wird. (3) Im zweiten Schritt wird für jede der drei Beschäftigtengruppen nach Absatz 2 a bis c ein regional übliches Entgeltniveau als Stundenlohn in der Region ermittelt. Zur Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus nach Satz 1 wird das Produkt aus dem arbeitszeitnormierten Stundenlohn gemäß Absatz 2 und den Vollzeitäquivalenten der Pflegeeinrichtung für die jeweilige Beschäftigtengruppe gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 10 der Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI über alle Pflegeeinrichtungen in einer Region nach § 2 aufaddiert und jeweils durch die Summe der für die jeweilige Beschäftigtengruppe und Region angegebenen Vollzeitäquivalente dividiert. (4) Im dritten Schritt werden die Anteile der jeweiligen Beschäftigtengruppen nach Absatz 2 a bis c an der Grundgesamtheit in einer Region ermittelt, indem die Summe der mitgeteilten Vollzeitäquivalente gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 10 der Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI in der jeweiligen Beschäftigtengruppe und Region nach § 2 gebildet und durch die Grundgesamtheit dividiert wird. Die Grundgesamtheit stellt die Summe aller Vollzeitäquivalente in allen Beschäftigtengruppen in der Region dar. (5) Im vierten Schritt werden die nach Absatz 3 ermittelten durchschnittlichen Entgeltniveaus

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

der drei Beschäftigtengruppen in der Region mit den jeweiligen Anteilen nach Absatz 4 multi-

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pliziert und aufaddiert. Der gewichtete durchschnittliche Stundenlohn über die drei Beschäftigtengruppen bildet das regional übliche Entgeltniveau.

§

 5 Variable pflegetypische Zuschläge: (1) Die in Tarifvertragswerken oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge bleiben bei der

Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus nach § 3 Absatz 1 unberücksichtigt19. Sie werden jedoch gesondert ausgewiesen. (2) Die entsprechend den Mitteilungen der Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3e SGB XI vorliegenden Angaben zu den jeweils tarifvertraglich oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelun18 Angabe gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 13 der Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI 19 Eine Einbeziehung der variablen Zuschläge ist nicht möglich, da diese vom tatsächlichen Einsatz der oder des jeweiligen Beschäftigten und vom Pflegeeinrichtungstyp abhängig sind. Ihre Berücksichtigung würde das regional übliche Entgeltniveau verfälschen.

gen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschlägen auf den Stundenlohn (Grundgehalt) in Prozent für: a) Nachtarbeit b) Sonntagsarbeit c) Feiertagsarbeit d) Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit e) Flexibilitätszuschlag f) Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 12 der Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI werden von den Landesverbänden der Pflegekassen jeweils über alle Pflegeeinrichtungen in einer Region nach § 2 aufaddiert und durch die Anzahl der Pflegeeinrichtungen, die maßgebliche Informationen gemäß § 72 Absatz 3e SGB XI mitgeteilt haben, dividiert. Die Angaben erfolgen in Prozent und stellen die regionalen Durchschnittswerte der tarifvertraglich oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge dar. Sie sind kaufmännisch ohne Nachkommastellen zu runden.

§

 6 Wirtschaftlichkeit der Entlohnung: (1) Bei einer tarifgebundenen oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtung kann die Bezahlung von Gehältern

der Beschäftigten bis zur Höhe der aus dieser Bindung resultierenden Vorgaben in den Pflegesatz- und Vergütungsverhandlungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. (2) Die Grundlage für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Höhe der Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer Pflegeeinrichtung, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, bilden bei nicht tarif- oder an kirchliche Arbeits§ 3 Absatz 1 sowie die durchschnittliche Entlohnung der Pflegeeinrichtung. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Entlohnung der jeweiligen Pflegeeinrichtung wird das Verfahren, mit dem das regional übliche Entgeltniveau für die Region ermittelt wird, entsprechend angewendet (§ 3 Absatz 3 sowie § 4 Absätze 2, 4 und 5). Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Entlohnung

Kapitel XXXI

rechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen das regional übliche Entgeltniveau nach

bleiben die pflegetypischen variablen prozentualen Zuschläge auf den Stundenlohn nach § 5 Absatz 2 unberücksichtigt. (3) Bei einer nicht tarif- oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtung ist die Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 3 Absatz 3 als wirtschaftlich anzuerkennen, sofern ihre durchschnittliche Entlohnung nach Absatz 2 das regional übliche Entgeltniveau nach § 3 Absatz 1 nicht um mehr als 10 Prozent überschreitet. Sofern die durchschnittliche Entlohnung nach Absatz 2 das regional übliche Entgeltniveau nach § 3 Absatz 1 nicht um mehr als 10 Prozent überschreitet, sind auch die weiteren Entloh-

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nungsbestandteile einschließlich der variablen pflegetypischen Zuschläge in der Höhe, die das für die Pflegeeinrichtung maßgebende Tarifvertragswerk bzw. die maßgebenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vorsehen, nicht als unwirtschaftlich abzulehnen. (4) Im Falle der Absätze 1 und 3 entfällt eine weitergehende Einschätzung der Wirtschaftlichkeit der Entlohnung. (5) Für eine über die Höhe der Bezahlung von Gehältern nach Absatz 1 oder die Höhe der Entlohnung nach Absatz 3 hinausgehende Bezahlung der Beschäftigten bedarf es eines sachlichen Grundes. Die jeweilige Pflegeeinrichtung hat für die Prüfung, ob für eine darüberhinausgehende Zahlung von Gehältern bzw. Entlohnung ein sachlicher Grund besteht, diesen plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Als sachliche Gründe können insbesondere in Betracht kommen: a) eine in den Erfahrungsstufen vom Durchschnitt abweichende Beschäftigtenstruktur bei Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3b SGB XI, die ihre Beschäftigten in Höhe entsprechend dem maßgebenden Tarifvertragswerk bzw. den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen entlohnen b) eine vorliegende Vorvereinbarung auf Grundlage höherer Gehälter, die in einer früheren Pflegesatz- oder Vergütungsvereinbarung der Pflegeeinrichtung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt wurde. Insbesondere sind Gehälter, die der Pflegesatz- oder Vergütungsvereinbarung der Pflegeeinrichtung zugrunde gelegt wurden, die auf Grundlage der bis zum 31. August 2022 geltenden Rechtslage verhandelt wurde, nicht als unwirtschaftlich abzulehnen. Sofern sich die Gehälter auf ein anwendbares Tarifvertragswerk oder auf anwendbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen im Sinne von § 3 Absatz 4 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 72 Absatz 3c SGB XI beziehen, gilt auch die Fortführung der Zahlung der Entlohnung nach demselben Tarifvertragswerk oder den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in Bezug auf zukünftige Änderungen dieses Tarifvertragswerks

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

oder dieser kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen als sachlicher Grund.

210

c) eine übertarifliche Bezahlung von beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Pflege und Betreuung mit einem Hochschulabschluss nach Teil 3 Pflegeberufegesetz, die eine spezifische Tätigkeit mitübernehmen d) die Zahlung wettbewerbsfähiger Löhne aufgrund einer besonders herausfordernden Fachkräftesituation in der Region. (6) Die Absätze 1 bis 5 zur Wirtschaftlichkeit der Bezahlung von Gehältern bzw. von Entlohnungen finden ab dem 1. September 2022 Anwendung.

§

 7 Veröffentlichung: (1) Die Landesverbände der Pflegekassen veröffentlichen, erstmals unverzüglich nach Genehmigung dieser Richtlinien, spätestens innerhalb eines Monats, zur

Information der Pflegeeinrichtungen für die Region nach § 2 eine Übersicht zu den nach § 72 Absatz 3e SGB XI mitgeteilten Tarifvertragswerken und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen,

die in die Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus gemäß § 3 Absätze 4 und 520 einfließen und eine Entlohnung vorsehen, die das regional übliche Entgeltniveau nach § 3 Absatz 1 nicht um mehr als 10 Prozent überschreitet. (2) Zur Erstellung der Übersicht nach Absatz 1 ermitteln die Landesverbände der Pflegekassen eine Obergrenze, ab der ein Tarifvertragswerk bzw. kirchliche Arbeitsrechtsregelungen das regional übliche Entgeltniveau nach § 3 Absatz 1 um mehr als 10 Prozent überschreiten. Diese Obergrenze wird gebildet, indem das regional übliche Entgeltniveau mit dem Faktor 1,1 multipliziert wird. (3) Zur Erstellung der Übersicht nach Absatz 1 ermitteln die Landesverbände der Pflegekassen für jede Pflegeeinrichtung, deren Meldung für die jeweilige Region vorliegt und die den Anforderungen an die zu meldenden maßgeblichen Informationen nach § 72 Absatz 3e SGB XI entspricht, die durchschnittliche Entlohnung (arbeitszeitnormierter Stundenlohn) entsprechend dem Verfahren nach § 4 Absätze 2, 4 und 5. Soweit die durchschnittliche Entlohnung von mindestens einer der Pflegeeinrichtungen, die an dasselbe Tarifvertragswerk oder dieselben kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, die Obergrenze nach Absatz 2 nicht überschreitet, werden das entsprechende angewendete Tarifvertragswerk oder die entsprechenden angewendeten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in die Übersicht nach Absatz 1 aufgenommen. (4) In der Übersicht nach Absatz 1 sind auszuweisen: 1. Das regional übliche Entgeltniveau in Euro gemäß § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 4 Absatz 5. 2. Das regional übliche Entgeltniveau in Euro je Beschäftigtengruppe gemäß § 4 Absatz 3. 3. Die regionalen Durchschnittswerte der tarifvertraglich oder in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge auf den Stun4. Zu den einzelnen Tarifvertragswerken (entsprechend für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen) nach Absatz 1: a) Der Name des Tarifvertragswerks b) Die Namen der Tarifvertragsparteien bzw. die zuständige Arbeitsrechtliche

Kapitel XXXI

denlohn (Grundgehalt) in Prozent gemäß § 5 Absatz 2.

Kommission c) Für den Fall, dass das sich das Tarifvertragswerk in Nachwirkung im Sinne von § 4 Absatz 5 TVG befindet, Datum des Beginns der Nachwirkung. (5) Der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. im Land und die nach Landesrecht zuständigen Träger der Sozialhilfe sind zu beteiligen. Hierfür stellen die Landesverbände der Pflegekassen die zu veröffentlichenden Informationen nach Absatz 4 in elektronischer Form zur Verfügung. 20 Z. B. sind Notlagentarife, Sanierungstarifverträge und Zukunftssicherungstarifverträge ausgenommen

211

(6) Die Übersicht nach den Absätzen 1 und 4 ist bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres auf Basis der vorliegenden Mitteilungen der Pflegeeinrichtungen nach § 72 Absatz 3e SGB XI zu aktualisieren. Ausnahmsweise hat zwischenzeitlich eine Aktualisierung zu erfolgen, wenn den Landesverbänden der Pflegekassen bekannt wird, dass ein Tarifvertragswerk aus der Übersicht nach Absatz 4 in die Nachwirkung nach § 4 Absatz 5 TVG eintritt (Ergänzung der Angabe gemäß Absatz 4 Nummer 4c.). Wenn den Landesverbänden der Pflegekassen bekannt wird, dass eine Tarifpartei eines bisher angewendeten Tarifvertragswerks rechtskräftig für tarifunfähig erklärt wurde, sind die entsprechenden Tarifvertragswerke bzw. kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen aus der Übersicht zu nehmen.

§

 8 Einbindung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe im Land: Den nach Landesrecht zuständigen Trägern der Sozialhilfe werden die für die Pflegevergütungsverfahren nach

§§ 85 und 89 SGB XI relevanten Unterlagen bezüglich der Ermittlung des regional üblichen Entgeltniveaus auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

§

 9 Inkrafttreten: Diese Richtlinien treten am Tag nach der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und

GVWG: Pflegereform und die Tarifsuche

Soziales in Kraft.

212

Abkürzungen BAnz AT: Bundesanzeiger, Amtlicher Teil BMG, Bundesministerium für Gesundheit BMAS, Bundesministerium für Abeit und Soziales BGBL, Bundesgesetzblatt BR-Drs. Bundesratsdrucksache BT-Drs. Bundestagsdrucksache DVG: Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation – Digitale Versorungsgesetz vom 09.12.2019 DVPMG: Digitale Versorgung und Pflege-Moderisierungsgesetz vom 03.06.2021 GPVG: Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz vom 22.12.2020 GVWG: Gesundheitsversorgugnsweiterentwickungsgesetz vom 11.07.2021 IPReG: Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz vom 23.10.2020 KAP: Konzertierte Aktion Pflege MD = Medizinsicher Dienst (durch MDK-Reformgesetz 2020 geänderte Bezeichnung) MuG: Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 SGB XI PDSG: Patientendaten-Schutzgesetz vom 14.10.2020 PeBeM: „Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM)“

BlGB: Bundesgesetzblatt: https://www.bgbl.de/ hier: Bürgerzugang BSG: aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts zu finden unter Bundessozialgericht: https:// www.bsg.bund.de/DE/Home/home_node.html unter Entscheidungen

Kapitel XXXI

Literaturverzeichnis

BR-Drucksache = Bundesrats-Drucksachen: zu finden unter Deutscher Bundestag: https:// www.bundesrat.de/DE/dokumente/dokumente-node.html BR-Drs. = Bundestagsdrucksachen: zu finden unter Bundesrat: https://www.bundestag.de/ dokumente/drucksachen/ Aktuelle Gesetzesfassungen: www.gesetze-im-Internet.de: hier bitte immer auf den Stand achten, der in der Präambel dokumentiert ist; soweit Änderungen erst später in Kraft treten, werden sie auch erst ab Datum des Inkrafttretens in diese Fassungen eingearbeitet! KAP: Gemeinsame Arbeitgruppe der Ministerien für Gesundheit, Familie/Senioren/Frauen/ Jugend sowie Arbeit/Soziales und allen wesentlichen Verbänden der Kostenträger und Leis213

tungserbringer: gestartet am 04.06.2019: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ konzertierte-aktion-pflege.html Rundschreiben der Spitzenverbände Bund der Krankenkassen bzw. Pflegekassen: www. gkv-spitzenverband.de Heiber 2020: Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen, Vincentz Network, Hannover 2020 Heiber 2019: Leistungskataloge und Vergütungen SGB XI 2018: ein bundesweiter Vergleich – Studie; Vincentz Network, Hannover 1019

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Heiber 2021: Kolumne: Hier spricht Heiber, Häusliche Pflege, Ausgabe 6/2021

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Der Autor Andreas Heiber wurde 1963 in Bielefeld geboren, wo er auch aufwuchs und später einige Jahre Geschichte an der Universität Bielefeld studierte. Nach langjähriger ehren- und hauptamtlicher Tätigkeit beim Verband Deutscher Schullandheime e.V. in Flensburg war er mehrere Jahre angestellt im Softwarevertrieb für den sozialen Bereich, bevor er 1993 die Unternehmensberatung System & Praxis Andreas Heiber mit heutigem Sitz in Bielefeld gegründet hat. Fachbuchautor u. a. Ambulante Einsatzplanung, Kostenrechnung und Preiskalkulation, Beratungshandbuch SGB XI, Studienbriefe für die Hamburger Fern-Hochschule (Bereich ambulant), Stern-Ratgeber Pflegeversicherung, Bücher zu aktuellen Pflegereformen wie PNG, PSG 1, 2 und 3, sowie eine Vergleichsstudie der Leistungskataloge der Pflegeversicherung sowie ihrer Vergütung(2018). Er war Mitglied im Expertenbeirat der Studie zum Unternehmerischen Wagnis in der ambulanten Pflege, die 2019 veröffentlicht wurde. Seit 1998 regelmäßiger Autor der Fachzeitschrift Häusliche Pflege , vor allem mit den Kolumnen in PDL Praxis sowie „Hier spricht Heiber“. Referent für viele Verbände und Kongresse (u. a. Altenpflege, Häusliche Pflege Managertag, Vincentz Akademie, Sozialgerichtstag, DATEV, Bank für Sozialwirtschaft, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. v.). Unternehmensberatung für ambulante Pflegedienste mit den Schwerpunkten Organisation, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlung für einzelne Einrichtungen, Träger und Verbände, Entwicklung von Strategien zur Quartiersversorgung, Ambulante Wohngemeinschaften sowie Umsetzung der gesetzlichen Veränderungen. Sein Kollege Gerd Nett (Arzt, Unternehmensberater) aus Wershofen ist seit 2002 mit Schwerpunkte Qualitätsprüfungen, SIS und Einstufungen.

Autor

in der Unternehmensberatung System & Praxis tätig. Gerd Nett betreut insbesondere die

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...weitere Titel des Autors Andreas Heiber

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